Ein Ereignis ohne Namen?: Zu den Vorstellungen des ‚Bauernkriegs‘ von 1525 in den Schriften der ‚Aufständischen‘ und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung. 9783110603750, 9783110601305

“Peasants War,” “insurgency,” and “uprising” are applied today to an event that was labeled and conceptualized different

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Ein Ereignis ohne Namen?: Zu den Vorstellungen des ‚Bauernkriegs‘ von 1525 in den Schriften der ‚Aufständischen‘ und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung.
 9783110603750, 9783110601305

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Diskurs der aufrürer
3. Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung
4. Zusammenfassung
5. Anhang zu den Grafiken 1 und 2
6. Quellen- und Literaturverzeichnis

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Benjamin Heidenreich Ein Ereignis ohne Namen?

Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte

 Herausgegeben von Stefan Brakensiek, Erich Landsteiner, Heinrich Richard Schmidt und Clemens Zimmermann

Band 59

Benjamin Heidenreich

Ein Ereignis ohne Namen? 

Zu den Vorstellungen des ‚Bauernkriegs‘ von 1525 in den Schriften der ‚Aufständischen‘ und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung.

ISBN 978-3-11-060130-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-060375-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-060045-2 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Names: Heidenreich, Benjamin, author Title: Ein Ereignis ohne Namen? : zu den Vorstellungen des "Bauernkriegs" von 1525 in den Schriften der "Aufstandischen" und in der zeitgenossischen Geschichtsschreibung / Benjamin Heidenreich. Description: Berlin ; Boston : Walter de Gruyter GmbH, [2018] | Series: Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte ; Band 59 | Includes bibliographical references and index. Identifiers: LCCN 2018029229 (print) | LCCN 2018030906 (ebook) | ISBN 9783110603750 (electronic Portable Document Format (pdf) | ISBN 9783110601305 (print : alk. paper) | ISBN 9783110600452 (e-book epub) | ISBN 9783110603750 (e-book pdf) Subjects: LCSH: Peasants' War, 1524-1525–Historiography. | Peasants' War, 1524-1525–Sources. Classification: LCC DD183 (ebook) | LCC DD183 .H45 2018 (print) | DDC 943/.031–dc23 LC record available at https://lccn.loc.gov/2018029229 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 an der philosophischen Fakultät der Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Die Entstehungsgeschichte des Werkes ist mit vielen Personen verbunden, die mich auf diesem Weg unterstützten. Für eine freundschaftliche und inspirierende Arbeitsatmosphäre in der Würzburger Bibliothek und darüber hinaus sorgten Thomas Blobel, Philipp Gierlich, Dr. Andrea Funk, Dr. Sebastian Gräb, Dr. Tirza Mühlan-Meyer, Dr. Eva Karl und Maximilian Rückert. Für kürze und längere Gespräche sei stellvertretend für viele andere Prof. Dr. Stefan Petersen, Prof. Dr. Franz Fuchs, Prof. Dr. Anja Lobenstein-Reichmann und Prof. Dr. Peter Blickle gedankt. Das Korrekturlesen übernahmen Johannes Köhler, Dirk Malitzki und Gina Kland. Manuel Michel, auf den ich mich stets verlassen konnte, erstellte eine Karte. Institutionell entstand die Arbeit im produktiven Spannungsfeld zwischen den Fachrichtungen Geschichte und Germanistik an der Universität Würzburg. Das Erstgutachten übernahm Prof. Dr. Helmut Flachenecker (Fränkische Landesgeschichte), dem ich zu weit mehr Dank verpflichtet bin als „nur“ die stets fördernde und umsichtige Unterstützung des Promotionsvorhabens. Bei Frau Prof. Dr. Dorothea Klein (Altgermanistik) möchte ich mich für ihren fachkundigen und unermüdlichen Einsatz bedanken, von dem diese Arbeit sehr profitiert hat. Dank auszusprechen gilt es auch Prof. Dr. Heinrich Richard Schmidt, der das Gutachten für die Aufnahme in die Reihe „Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte“ besorgte, wie auch den anderen Reihenherausgebern. Gefördert wurde diese Arbeit durch ein Promotionsstipendium der Hanns-Seidel-Stiftung aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Drucklegung wurde unterstützt durch die Marschalk-von-Ostheim´sche Stiftung sowie durch den gemeinsamen Promotionspreis der Universität Würzburg und der Unterfränkischen Gedenkjahrstiftung für Wissenschaft. Gewidmet sei diese Arbeit meinen Eltern Max und Christa, meinem Bruder Johannes sowie meiner Frau Pia. Würzburg, im März 2018

https://doi.org/10.1515/9783110603750-202

Benjamin Heidenreich

Inhalt 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Einleitung  1 Fragestellung  1 Forschungsstand  9 Theorie und Methode  18 Korpus  28

2 2.1

Der Diskurs der aufrürer  35 Sprach- und Denkräume des aufrurs  35 2.1.1 Die Stereotype des aufrurs  35 2.1.2 Die Neudefinition eines Sprach- und Handlungsraums  47 2.1.2.1 Theokratische Gedanken: Gott mehr gehorchen als den Menschen  47 2.1.2.2 Das neue Untertanenverständnis  53 2.1.2.2.1 Die Bedeutung der Nächstenliebe in den „Zwölf Artikeln“  53 2.1.2.2.2 Die Bedeutung der Nächstenliebe in den Korrespondenzen der Versammlungen  59 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft  66 2.2.1 Die Verwendung des Aufruhrbegriffs  66 2.2.1.1 Der Aufruhrbegriff in den Flugschriften  66 2.2.1.1.1 Abgrenzungsstrategien und Umwertungsversuche  66 2.2.1.1.2 Defensives Agieren und gelebter Glaube als Anleitung zu einem legitimen aufrur  74 2.2.1.2 Der Aufruhrbegriff in den Korrespondenzen der Haufen  79 2.2.1.2.1 Die Politisierung der Sprache – aufrur als Gefährdung der Ordnung  79 2.2.1.2.2 Oberschwaben: Ein pazifistisches Aufruhrkonzept?  89 2.2.1.2.3 Württemberg: Herrschaftssturz ohne Gewalt?  95 2.2.1.2.4 Taubertaler sowie Neckartaler und Odenwälder: Hinrichtungen als Ausnahme?  100 2.2.1.2.5 Bildhausen: Die Verhinderung eines aufrurs?  111 2.2.1.3 Zusammenfassung  121 2.2.2 Umschreibungen als alternative Bezeichnungen  124 2.2.2.1 Ausgangslage: Die fehlenden sprachlichen Alternativen  124 2.2.2.2 Thesenbildung: Paraphrasen als Benennungsmethode  129 2.2.2.3 Generalisierung: Auf der Suche nach einem Inventar der alternativen Benennungen  138 2.2.2.4 Schlussfolgerungen: Paraphrasen als Kondensate des Geschichts- und Handlungswissens  147 2.2.2.4.1 Das Evangelium aufrichten  147 2.2.2.4.2 Die Gerechtigkeit handhaben  156

2.2

VIII  Inhalt 2.2.2.4.3 2.2.2.5 2.2.3 2.2.3.1 2.2.3.2 2.2.3.2.1 2.2.3.2.2 2.2.3.2.3 2.2.3.2.4 2.2.3.3 2.2.3.3.1 2.2.3.3.2 2.2.3.3.3 3 3.1

3.2 3.2.1

Die Belastungen mindern – Der ‚Bauernkrieg‘ als reformation  163 Zusammenfassung  175 Die Exoduserzählung als Handlungsmatrix und Zielperspektive  177 Die revolutionäre Lesart der Exoduserzählung  177 Die Übertragung der Exodusgeschichte auf die Situation des Jahres 1525  180 Die ägyptische Unterdrückung der Untertanen  180 Die Berufung Mose und die Legitimation der Untertanen  191 Der Weg in das Gelobte Land  196 Die Vorstellungen vom Gelobten Land  200 Bewertung und Ausblick  215 Die zeitgenössische Bedeutung der Exoduserzählung  215 Die moderne Bedeutung der Exoduserzählung als Revolutionsmodell  218 Revolutionäre Traditionslinien der Exodusrezeption  223

Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung  227 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung  227 3.1.1 Rezeptionsgeschichte  228 3.1.2 Autorentypen und Netzwerkstrukturen  232 3.1.3 Historische Entstehungsorte und literarische Handlungsräume  241 3.1.4 Textgestalt und Verwendungskontexte  243 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte  250 Leitlinien der zeitgenössischen Erinnerungspolitik  250 3.2.1.1 Der Nexus von Ehre und Treue  250 3.2.1.2 Die Ehre als Bewertungskategorie in der Bauerkriegsgeschichtsschreibung  254 3.2.2 Stellungnahmen zur zeitgenössischen Erinnerungspolitik  261 3.2.2.1 Die Steigerung der Ehre  261 3.2.2.2 Die Bewahrung der Ehre  275 3.2.2.3 Die wiedererhaltene Ehre  280 3.2.2.4 Die nicht wiedererhaltende Ehre  283 3.2.2.5 Die Ehre als Sinn- und Relevanzkriterium  286

Inhalt  IX

3.3

Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer  293 3.3.1 Der Umgang mit dem Wissen der aufrürer  293 3.3.2 Die narrative Ausgestaltung des negativen Aufruhrstereotyps als Erklärungsmodell  297

4

Zusammenfassung  309

5

Anhang zu den Grafiken 1 und 2  315

6 6.1 6.2 6.3 6.4

Quellen- und Literaturverzeichnis  317 Archivalien  317 Gedruckte Quellen  318 Literaturverzeichnis  322 Register  342

1 Einleitung 1.1 Fragestellung Die Geschehnisse, die man später als ‚Bauernkrieg‘ bezeichnete, begannen im fränkischen Rothenburg ob der Tauber Ende März 1525. Dem Stadtschreiber Thomas Zweifel zufolge schaffte es der Edelmann Stefan von Menzingen, die Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen. Ein neuer Ausschuss wurde installiert, welcher den Stadtrat de facto entmachtete. Die neu errichtete Ordnung beruhte damit zentral auf der Bereitschaft der Bevölkerung, für andere politische Vorstellungen Partei zu ergreifen. Dieses Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit wurde jedoch mit der Niederlage der ‚Aufständischen‘ gegen den Schwäbischen Bund bei Königshofen fundamental erschüttert. Der Rat, welcher dem Veränderungswillen der Bevölkerung während der ‚Erhebung‘ nahezu ohnmächtig gegenübergestanden hatte, fasste wieder neuen Mut. Er wagte, was wohl noch wenige Tage zuvor unmöglich erschienen war: Er ließ Stefan von Menzingen festnehmen. Mehr noch: Der gefangengenommene Anführer wurde öffentlichkeitswirksam zur Demonstration der wiedergewonnenen Macht über den Markt geführt. Der Stadtschreiber schilderte diesen Moment mit dem Unterton der Genugtuung: Und als die stattknecht und ander der statt diener ine uber den markt gefuret, hette er die lewt als sein christliche bruder angeschrien, ime zu helfen, aber da war kein hilf gewest, hett nyemand hand angelegt, sonder ainer under dem volk in der gemaind ime zugeschrien: Lieber, die bruderschaft hat ain ende!1

Man kann diese Szene ereignisgeschichtlich verstehen: Stefan von Menzingen rief um Hilfe, aber niemand wollte ihn länger unterstützen. Unter einem anderen methodischen Blickwinkel, dem der Historischen Semantik, erzählt dieser Quellenausschnitt aber noch mehr: Die Chronik berichtet auch von der verlorengegangenen mobilisierenden Kraft eines Ausdrucks: Stefan von Menzingen schrie die Anwesenden als „christliche bruder“ an – aber keiner reagierte. Ein Passant klärte den Anführer verächtlich über die veränderten Bedingungen auf: „Lieber, die bruderschaft hat ain ende!“. Ähnliches wusste auch der Chronist Eckard Wiegersheim aus dem Elsass über die dortigen Verhältnisse zu berichten. Im Gegensatz zu den Rothenburgern

1 Baumann, Franz Ludwig (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (Litterarischer Verein in Stuttgart, Bd. 139), Tübingen 1878, S. 510. Zum Chronisten und den Geschehnissen in Rothenburg vgl. Quester, Ernst, Das Rad der Fortuna und das Kreuz. Studien zur Aufstandsperiode von 1525 in und um Rothenburg ob der Tauber und ihrer Vorgeschichte (Jahresgabe für die Mitglieder des Vereins Alt-Rothenburg, Bd. 1994), Rothenburg ob der Tauber 1994. Aus einem größeren Blickwinkel: Vice, Roy L., The German Peasants' war of 1525 and its aftermath in Rothenburg ob der Tauber and Würzburg, Chicago 1984. https://doi.org/10.1515/9783110603750-001

2  1 Einleitung

äußerte er sich allerdings neutraler: „Nach der Schlacht hatte die Bruderschaft hieoben ein Ende, und hieß keiner den anderen mehr seinen Bruder“.2 Stefan von Menzingen verband mit dem Appell an die Brüderlichkeit eine bestimmte Erwartung, die Erfahrung der Niederlage ließ den Begriff jedoch seine appellative Kraft verlieren. Sehr feinsinnig bemerkten die Chronisten diesen Umschwung und stellen das Ende der ‚Erhebung‘ als eine Veränderung des Sprachgebrauchs dar. Man kann in diesem Sinn die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ auch als ein sprachgeschichtliches Ereignis verstehen. Bestimmte Ausdrücke wurden für die ‚Aufständischen‘ typisch: In ihnen kondensierten sich Erfahrungen, Hoffnungen und Ziele. Ihnen wohnte sozusagen eine soziale Energie inne, welche mobilisierend und geradezu ansteckend wirken konnte. Bereits zu Beginn der ‚Erhebung‘ bemerkte Martin Luther diesen besonderen Sprachgebrauch und brandmarkte ihn als gefährlich. So hatten die ‚Aufständischen‘ in ihrer bekanntesten Schrift, den „Zwölf Artikeln“, proklamiert, „lieplich“, „fridlich“, „gedultig“ und „ainig“ zu handeln. Der Reformator versuchte demgegenüber zu belegen, dass diese Ausdrücke unpassend, ja gar falsch und gotteslästerlich, für dieses Vorhaben seien.3 Der Beginn der ‚Erhebung‘ auf literarischer Ebene wurde somit durch einen Deutungsstreit über die richtige Verwendung bestimmter Wörter überschattet. Diese umkämpften Bezeichnungen wurden während des Jahres 1525 völlig konträr begriffen. Oder anders ausgedrückt, die ‚Aufständischen‘ hatten eine eigene politische Sprache gefunden, welche ihre Hoffnungen und Ziele transportierte und gegenteilige Vorstellungen in Frage stellte.4

2 Der Text wurde ganz offensichtlich sprachlich modernisiert. Das Original ist heute vorschollen: Stöber, August, Diarium von Eckard Wiegersheim. Bürger zu Reichenweyer. 1525, in: Neue Alsatia 1856/57 (1857), S. 340–356, S. 354. 3 Die Zwölf Artikel, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 26–31, S. 26. Dieser Edition wird im Folgenden aufgrund der Normalisierung von Groß- und Kleinschreibung und der Auflösung von Abbreviaturen aus stilistischen Gründen der Vorzug gegeben. Wenn sich inhaltliche Unterschiede zur Edition Götzes finden, wird dies angezeigt: Götze, Alfred, Die zwölf Artikel der Bauern 1525. Kritisch herausgegeben, in: Historische Vierteljahrschrift 5 (1902), S. 1–33. Luther äußert sich folgendermaßen: „Wie yhr selbst ynn der vorrhede bekennet, das alle, die ynn Christum gleuben, lieblich, fridlich, gedultig und eynig werden. Aber mit der that beweiset yhr eytel ungedult, unfrid, streyt und frevel, widder ewr eygen wort.“ Luther, Martin, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben, in: WA, Schriften, Bd. 18, S. 279–334, S. 314. 4 Schon Helmut Brackert stellte im Jahr 1975 fest, dass zu dieser Zeit kaum ein anderer Krieg so stark auf literarischer Ebene geführt worden sei. Nach Brackert diente „Literatur“ als Motivationshilfe, als Agitationsimpuls, als Argumentationsinstrument und als Transportmittel der Selbst- und Fremddarstellung. Unter „Literatur“ versteht er dabei jedes schriftliche Textprodukt der Zeit. Man kann seine Aussage dahingehend modifizieren, dass vor allem bestimmten Wörtern diese Bedeutung zukam. Auch Peter Lucke bemerkt die hier exemplarisch dargestellten semantischen Kämpfe. Seine Feststellung, dass die ‚Aufständischen‘ keine eigene Sprache gefunden hätten, da keine neuen Wörter verwendet worden seien, greift allerdings zu kurz. Als wesentliches Definitionskriterium einer Sprache, etwa nach Sapir und Hall, kann die Leistung angesehen werden, durch willkür-

1.1 Fragestellung 

3

Im Zuge des Linguistic Turns der Geschichtswissenschaft ist die Aussage, dass die Analyse von Sprachhandlungen Rückschlüsse auf die Wirklichkeitssicht der Handelnden zulässt, schon fast zu einem Allgemeinplatz geworden.5 Wegweisend unterscheidet Reinhard Koselleck zwischen der Faktoren- und der Indikatorfunktion von „Begriffen“. So bilden „Begriffe“ eine Wirklichkeit nicht nur ab, sondern besitzen auch einen Einfluss auf deren Gestaltung. Unter „Begriffen“ versteht Koselleck dabei mentale Konzepte, die mit bestimmten Wörtern in Verbindung stehen. Kosellecks Ansatz wurde in der Folgezeit häufig mit dem Diskursbegriff Foucaults gekoppelt und vielfach weiterentwickelt.6 Im Sinne einer Historischen Semantik lässt sich anhand der Sprache der Beteiligten danach fragen, wie bestimmte Vorstellungen den Verlauf der ‚Erhebung‘ beeinflussten, wie sich diese Konzepte veränderten und wie sich der Diskurs der ‚Aufständischen‘ von anderen unterschied. Die Etablierung

lich zugeordnete Symbole Kommunikation zu ermöglichen. Für die Schriften der ‚Aufständischen‘ trifft dieses Kriterium zu, verknüpften sie doch die alten Wörter über einen längeren Zeitraum hinweg mit neuen Vorstellungen. Eine politische Sprache, wie sie Pečar und Trampedach definieren, zeichnet sich, wie hier beschrieben, durch gemeinsame Ausdrücke und Autoritätsinstanzen aus, welche diesen Wörtern zu Grunde liegen und sie mit einer neuen sozialen Energie aufladen. Den Erfolg der Reformation sieht Peter Matheson geradezu in der Propagierung einer neuen Sprache als Träger veränderter Wirklichkeitsvorstellungen. Brackert, Helmut, Bauernkrieg und Literatur (Edition Suhrkamp, Bd. 782), Frankfurt am Main 1975, S. 46f. Lucke, Peter, Gewalt und Gegengewalt in den Flugschriften der Reformation (Göppinger Arbeiten zur Germanistik, Bd. 149), Göppingen 1974, etwa S. 166f. oder 169. Zu den Definitionen des Phänomens Sprache vgl. Sapir, Edward, Language. An introduction to study of speech, New York 1921, S. 8. Hall, Robert A., An essay on language (Chilton Books, Bd. 2095), Philadelphia 1968, S. 158. Pečar, Andreas/ Trampedach, Kai, Der „Biblizismus“ – eine politische Sprache der Vormoderne?, in: Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne, hg. von dems. (Historische Zeitschrift, Beihefte NF, Bd. 43), München 2007, S. 1–18. Matheson, Peter, The Rhetoric of the Reformation (T&T Clark academic paperbacks) Edinburgh 1998. Und: Matheson, Peter, The Imaginative World of the Reformation (T&T Clark academic paperbacks) Edinburgh 2004. 5 Kanonbildend: Daniel, Ute, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1523), 6. Auflage Frankfurt am Main 2014, S. 345–360 u. 430–443. 6 Grundlegend: Koselleck, Reinhart, Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte, in: Soziologie und Sozialgeschichte. Aspekte und Probleme, hg. von Peter Christian Ludz (Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie, Bd. 16), Opladen 1972, S. 116–131. Koselleck, Reinhart, ‚Erfahrungsraum‘ und ‚Erwartungshorizont‘. Zwei historische Kategorien, in: Soziale Bewegung und politische Verfassung. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt, hg. von Ulrich Engelhardt/ Volker Selin/ Horst Stuke (Industrielle Welt, Sonderband Werner Conze zum 31. Dezember 1975), Stuttgart 1976, S. 13–33. Koselleck, Reinhart, Einleitung, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politischsozialen Sprache in Deutschland. Bd. 1, hg. von Otto Brunner/ Werner Conze/ Reinhart Koselleck, Stuttgart 2004, S. XIII–XXVII. Einen präzisen Überblick über die Kritikpunkte an Koselleck sowie die inzwischen erzielten methodischen Fortschritte und Auffächerungen des Forschungsfelds bietet: Wengeler, Martin, Topos und Diskurs. Begründung einer argumentationsanalytischen Methode und ihre Anwendung auf den Migrationsdiskurs (1960–1985) (Reihe Germanistische Linguistik, Bd. 244), Tübingen 2003, S. 11–171.

4  1 Einleitung

von neuen Wortbedeutungen verweist dabei nicht nur auf neue Sprachkonventionen, sondern auch auf veränderte Wirklichkeitsvorstellungen. Um die zeitgenössischen Diskurse möglichst präzise zu analysieren, soll die Sprache der Beteiligten in dieser Arbeit zudem mit den sozialen Praktiken der Akteure in Verbindung gesetzt werden. Der Fokus dieser Darstellung richtet sich damit auf den Zusammenhang von Sprache und Handlung.7 Die wichtigste Bezeichnung für die Deutung eines Vorgangs stellt wohl dessen Namen dar. So besitzen Selbstbezeichnungen für die kollektive Identität von Gruppen eine hohe Bedeutung. Praktiken der Selbstvergewisserung, zu denen sprachliche Benennungen zählen, stiften Gemeinschaftssinn, ziehen Grenzen nach außen und können den Zweck und die Aufgaben einer Gemeinschaft definieren.8 Auffällig in Bezug auf den ‚Bauernkrieg‘ ist in dieser Hinsicht nach Peter Blickle allerdings ein Mangelbefund. Die Beteiligten hätten zwar einen Namen für sich und ihre Vereinigungen gefunden, indem sie sich als Brüder und ihre Organisationen als Bruderschaften und christliche Vereinigungen bezeichneten, eine ähnlich konzise Wortbildung für die Benennung der Vorgänge habe jedoch zu Beginn der ‚Erhebung‘ gefehlt. Selbst während des ‚Aufstands‘ hätten die Beteiligten keine einheitliche Bezeichnung etablieren können.9 Diese Beobachtungen können in ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wie positionierten sich die ‚Aufständischen‘ folglich in einem diskursiven Feld, in dem für das Sprechen über die ‚Erhebung‘ keine positive Benennung existierte? Mangelte es ihnen tatsächlich an einschlägigen Ausdrücken, oder fanden sie andere Wege, um über ihr Vorhaben schreiben zu können? Zu Beginn des Jahres 1525 lagen die heute geläufigen Bezeichnungen der ‚Erhebung‘ als ‚Bauernkrieg‘ und als ‚Revolution‘ noch nicht vor. Vom ‚Bauernkrieg‘ sprachen die Zeitgenossen erst Mitte des Jahres 1525.10 Aufgrund der verdunkelnden

7 Eine genauere Definition der Historischen Semantik erfolgt im Kapitel 1.3. 8 Das Thema Identität findet momentan das Interesse vieler Disziplinen. Der Zusammenhang von Gruppenkollektiven und deren Handlungs- und Gewaltpotentialen wird in einem Sammelband diskutiert, der einige der fächerübergreifenden Diskussionen bündelt: Rammert, Werner/ Knauthe, Gunther/ Buchenau, Klaus/ Altenhöner, Florian (Hg.), Kollektive Identitäten und kulturelle Innovationen. Ethnologische, soziologische und historische Studien, Leipzig 2001. Häufig werden Deutungskämpfe und Sinngebungsprozesse auch als ein „Kampf um Wörter“ analysiert, wobei dem „Begriffe besetzen“ eine Schlüsselrolle zugemessen wird. Girnth, Heiko, Sprache und Sprachverwendung in der Politik. Eine Einführung in die linguistische Analyse öffentlich-politischer Kommunikation (Germanistische Arbeitshefte, Bd. 39), 2. Auflage Berlin, Boston 2015, S. 73–80. 9 Zur angeblich fehlenden Terminologie vgl. Blickle, Peter, Die Revolution von 1525, 4. Auflage München 2004, S. 293. Titelgebend, ohne jedoch nach Alternativbezeichnungen zu suchen: Blickle, Peter/ Bierbrauer, Peter/ Blickle, Renate/ Ulbrich, Claudia, Vorwort, in: Aufruhr und Empörung? Studien zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich, hg. von dens., München 1980, S. IX–XI. 10 Die erste Verwendung des Ausdrucks zu belegen, ist müßig. Winterhager schreibt diese Leistung in der zweiten Jahreshälfte 1525 dem kurpfälzischen Chronisten Peter Harer zu. Arnold nennt als

1.1 Fragestellung 

5

Wirkung des Terminus ‚Bauernkrieg‘ im Hinblick auf eine neutrale Geschichtsschreibung ist der Begriff besonders im 20. Jahrhundert vielfach kritisiert worden und zu einem Ausdruck in Anführungszeichen abgestiegen. Als problematisch erscheint die mit der Wortwahl einhergehende Fokussierung der ‚Erhebung‘ auf den Aspekt der Gewalt sowie die Beschränkung der beteiligten Personen auf den Stand der Bauern. Nachweislich verlief die ‚Erhebung‘ in einigen Regionen jedoch weitgehend friedlich und umfasste auch andere gesellschaftliche Gruppen als die Bauern. Implizit gibt die Bezeichnung zudem dieser Schicht die alleinige Schuld an „ihrem“ Krieg.11 Der Begriff der ‚Revolution‘ entstand erst mehrere Jahrhunderte nach dem ‚Bauernkrieg‘ als Name für gesellschaftliche Umwälzungen, die dem Muster der Französischen Revolution entsprechen.12 Die Bezeichnung unterstellt dem ‚Bauernkrieg‘ damit eine bestimmte Handlungslogik. Überdies ist der Revolutionsbegriff für die Geschehnisse des Jahres 1525 mit weltanschaulichen Forschungskonzepten aufgeladen worden. Während in der Deutschen Demokratischen Republik die Ereignisse im Sinne der kommunistischen Geschichtsauffassung als „Frühbürgerliche Revolution“ eingeordnet und bezeichnet wurden, knüpfte man im Westen lange Zeit an eine andere Traditionslinie an. Bis in die 1970er Jahre besaß die Deutung von Günther Franz, der sich schon früh in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt hatte, Handbuchcharakter. Er verengte die ‚Revolution‘ auf die Trägergruppe des Bauernstandes und proklamierte vor allem politische Zielsetzungen, die auf eine Stärkung des Reiches hinauslaufen sollten.13 Mit Peter Blickles „Revolution des Gemeinen

erste Belegstelle den „tumultus agricolarum“, von dem Erasmus von Rotterdam am 2. Juli 1525 sprach. Ein noch früherer Wortbeleg, „bawrn krieg“, findet sich jedoch in einer Schrift des Ortes Herrenwinden an den Rothenburger Rat vom 14. Juni 1525. Winterhager, Friedrich, Bauernkriegsforschung. Der Bauernkrieg von 1525 in der historischen Literatur (Erträge der Forschung, Bd. 157), Darmstadt 1981, S. 15. Arnold, Klaus, Zur Vorgeschichte und zu den Voraussetzungen des Bauernkriegs in Franken, in: Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 1–36, S. 2. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 494. 11 Vgl. etwa: Obermann, Heiko A., „Tumultus rusticorum“: Vom „Klosterkrieg“ zum Fürstensieg. Beobachtungen zum Bauernkrieg unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Beurteilungen, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 85 (1974), S. 157–172, S. 159. 12 Koselleck, Reinhart/ Meier, Christian/ Fisch, Jörg/ Bulst, Neithard, Revolution. Rebellion, Aufruhr, Bürgerkrieg, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 5, hg. von Otto Brunner/ Werner Conze/ Reinhart Koselleck, Stuttgart 2004, S. 653–788. 13 Die überarbeitete Promotionsschrift von Günther Franz wurde noch bis in die 1970er Jahre in der Bundesrepublik als Standardwerk angesehen. Ideologische Thesen über „Juden“, die Stärkung des Reiches, die Bewahrung angeblich genossenschaftlicher deutscher Rechte und die fehlende „Führung“ der Bauern, welche ihren Erfolg verhindert habe, durchziehen unterschiedlich stark das Werk. Franz, Günther, Der deutsche Bauernkrieg, München 1933. An einigen dieser Thesen hielt Franz auch noch 50 Jahre später fest: Franz, Günther, Der Bauernkrieg 1525 in heutiger Sicht, in:

6  1 Einleitung

Mannes“ eroberte in den 1970er Jahren eine andere Großdeutung die historische Arena. Er vertrat die Position, dass nicht die Bauern, sondern der von der Herrschaft ausgeschlossene Bevölkerungsanteil nach einer sozialen und politischen Besserstellung gestrebt und für die Einführung reformatorischer Prinzipien gekämpft habe. Das Ziel der ‚Revolution‘ sei schließlich die Stärkung der Gemeinden, die Durchsetzung von Menschenrechten und die Etablierung neuer Verfassungsstrukturen auf der Ebene der einzelnen Territorien gewesen.14 Laut der Forschung kämpften die Beteiligten damit, um die Problematik zuzuspitzen, für das Reich, die Einführung des Kommunismus oder die Stärkung des kommunalen Prinzips. Bei kaum einem anderen Thema wie dem ‚Bauernkrieg‘ wird das Diktum, dass die jeweilige Gegenwart den Blick auf die Vergangenheit mitbestimmt, wohl so offensichtlich. Der Titel dieser Promotionsschrift unternimmt deshalb den Versuch, dieser fortlaufenden Produktion von Geschichtsbildern, die mit einer immer neuen Namensgebung einhergeht, erst einmal zu entkommen. Für den ‚Bauernkrieg‘ stellt seine nachträgliche Benennung als ‚Bauernkrieg‘ oder ‚Revolution‘ eine erhebliche heuristische Barriere dar, um die zeitgenössischen Diskurse rekonstruieren zu können.15

Die Bauernkriege und Michael Gaismair. Protokoll des internationalen Symposiums vom 15. bis 19. November 1976 in Innsbruck-Vill, hg. von Fridolin Dörrer, Innsbruck 1982, S. 37–43. Detailliert zu den Geschichtskonzeptionen von Franz und denen der kommunistischen Forscher: Müller, Laurenz, Diktatur und Revolution. Reformation und Bauernkrieg in der Geschichtsschreibung des „Dritten Reiches“ und der DDR (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 50), Stuttgart 2004. Aus einem anderen Blickwinkel interpretierte noch in den 1960er Jahren Buszello die ‚Erhebung‘ primär als politische Revolution. Buszello, Horst, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung. Mit besonderer Berücksichtigung der anonymen Flugschrift: An die Versammlung gemayner Pawerschafft (Studien zur europäischen Geschichte, Bd. 8), Berlin 1969, S. 144. 14 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9). Zudem: Blickle, Peter, Gemeindereformation. Die Menschen des 16. Jahrhunderts auf dem Weg zum Heil, München 1985. Kritische Einschätzungen zum revolutionären Gehalt der ‚Erhebung‘ blieben jedoch in den 1970er Jahren nicht aus. So sah Martin Brecht in der Tradition der älteren Forschung in den „Zwölf Artikeln“ etwa kein revolutionäres Programm und für Rainer Wohlfeil überwogen eher die systemimmanenten Veränderungsabsichten der Untertanen anstatt der systemsprengenden Aspekte der ‚Erhebung‘. Brecht, Martin, Der theologische Hintergrund der Zwölf Artikel der Bauernschaft in Schwaben von 1525. Christoph Schappelers und Sebastian Lotzers Beitrag zum Bauernkrieg, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 85 (1974), S. 30–64, S. 51. Wohlfeils Einschätzungen mündeten allerdings nicht in eine größere Darstellung. Wohlfeil, Rainer, Der Speyerer Reichstag von 1526, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 43 (1976), S. 5–20. 15 Dass eine objektive Geschichtsschreibung auf diese Weise möglich ist, soll nicht in Aussicht gestellt werden. Schon 1877 erwiesen sich die positivistischen Ansprüche von Franz Ludwig Baumann als nicht erfüllbar: „Gerade diese Verwandtschaft der Bestrebungen von 1525 mit denen unserer Tage aber möchte ein Hauptgrund dafür sein, daß der Bauernkrieg noch keinen pragmatischen Geschichtsschreiber gefunden hat, der denselben ohne Rücksicht auf die Gegenwart möglichst objektiv, ihn lediglich als weltgeschichtliches Ereignis auffaßend und darstellend, zu behan-

1.1 Fragestellung 

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Der Titel, „Ein Ereignis ohne Namen? Zu den Vorstellungen des ‚Bauernkriegs‘ von 1525 in den Schriften der ‚Aufständischen‘ und in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung“, enthält gleich mehrere Distanzmarker: Der ‚Bauernkrieg‘ wie auch die ‚Aufständischen‘ sind in Anführungszeichen gesetzt und gleichzeitig relativiert ein Fragezeichen die scheinbar sichere Erkenntnis, dass die ‚Aufständischen‘ keinen Namen für ihre ‚Erhebung‘ gefunden hätten. Die zeitgenössisch verfügbaren Ausdrücke, aufrur und empörung, die negativ konnotiert waren, hätten die Beteiligten laut Peter Blickle nicht verwendet. Die naheliegende Frage, wie die Untertanen ihr Vorhaben stattdessen beschrieben, wurde jedoch bemerkenswerterweise noch nicht gestellt.16 – Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass sich die Beteiligten nicht über ihr Vorhaben verständigten. Die Frage ist nur, auf welche Weise? Für die vorliegende Arbeit werden Antworten mithilfe von computergestützten Worthäufigkeits- und Kollokationsanalysen gesucht. Am Ende dieser neuen Lesart der Texte steht als Ergebnis zwar ebenfalls kein einzelnes Wort, auf welches sich die Deutung der Zeitgenossen verdichtet. Deutlich wird aber, dass die ‚Aufständischen‘ sich intensiv mit dem bestehenden Wortschatz auseinandersetzten und ihr Vorhaben stereotyp mit einem wiederkehrenden Wortinventar beschrieben. Ausgehend von diesen Befunden soll gefragt werden, welche Rückschlüsse sich anhand der zeitgenössischen Benennungen auf den Verlauf und die Ziele der ‚Erhebung‘ ergeben. Auf diese Weise rücken die zeitgenössischen Idealvorstellungen der Untertanen über ihr Vorhaben und deren mögliche Umsetzung in den Fokus. Da sich diese Arbeit mit zeitgenössischen Wortbedeutungen beschäftigt, ist eine Erklärung zum Sprechen über das Sprechen notwendig, um die Ebenen zwischen der Quellensprache und der Metasprache nicht zu vermischen. Die nachträglich entstandenen Bezeichnungen wie ‚Bauernkrieg‘, ‚Revolution‘, ‚Aufstand‘ oder ‚Erhebung‘ sollen daher in einfache Anführungsstriche gesetzt werden.17 Nicht in allen

deln vermochte.“ Baumann, Franz Ludwig (Hg.), Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben, Freiburg im Breisgau 1877, S. IV. 16 Aus der angeblich fehlenden Verwendung der negativen Bezeichnungen schließen Blickle, Bierbrauer und Ulbrich lediglich, dass die ‚Aufständischen‘ ihr Vorhaben als legitim betrachtet hätten. Blickle/ Bierbrauer/ Blickle/ Ulbrich, Vorwort (wie Anm. 9), S. IX. 17 Grimm, Jacob/ Grimm, Wilhelm, Deutsches Wörterbuch. Bd. 1–32, Leipzig 1854–1961, Bd. 1, Sp. 744f. Der „Aufstand“ im Sinne einer Revolte ist im DRW erstmals für das Jahr 1551 belegt. Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Bd. 1–13, Weimar 1914–2014, Bd. 1, Sp. 953. Zur „Erhebung“ existiert in diesem Wörterbuch zwar ein Eintrag, die „Erhebung“ wurde in der Frühen Neuzeit jedoch noch nicht durchgehend auf den Sachverhalt des „Aufruhrs“ bezogen. Ebd., Bd. 3, Sp. 203. Nach dem Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache lösten beide Wörter erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts den nunmehr veraltet klingenden „Aufruhr“ ab: Artikel „Aufruhr“, in: Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, hg. von Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, http://www.dwds. de/?view=1&qu=aufruhr (06.04.2016). Mit einem älteren Beleg: Göttinger Akademie der Wissenschaften, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Bd. 1–11, Berlin 1986–2017, Bd. 2, Sp. 727.

8  1 Einleitung

Fällen können allerdings die zeitgenössischen Termini, an denen sich der historische Deutungsstreit vollzog, direkt zitiert werden: Wenn in generalisierender Art und Weise von den Wortbedeutungen dieser Ausdrücke gesprochen wird, sollen angesichts der Uneinheitlichkeit der historischen Schreibweisen diese Termini nach dem Frühneuhochdeutschen Glossar von Alfred Götze wiedergegeben und kursiv gesetzt werden. Dies betrifft vor allem den aufrur und die empörung.18 Dass sich der ‚Bauernkrieg‘ nicht auf einen eindeutigen sprachlichen Nenner bringen lässt, ist nicht nur ein Forschungsproblem.19 Auch die ‚Aufständischen‘ thematisierten immer wieder das Fehlen einer geeigneten Bezeichnung. In diesem Sinn kann ihr Ringen um eine angemessene Benennung auch als eine Umdeutungsleistung bestimmter Ausdrücke verstanden werden. In dieser Arbeit werden daher zuerst die etablierten negativen Termini vorgestellt, an denen sich eine Umsemantisierung des Themenfeldes vollzog. Die Abgrenzungsleistungen und Neudefinitionen von negativ konnotierten Bezeichnungen sind als eine Fundgrube zur Rekonstruktion eines positiven Verständnisses des legitimen Widerstands zu verstehen. Als Strategien der Selbstbezeichnung werden schließlich Mehrfachwortverbindungen und Umschreibungen erörtert, die den Mangel einer verbindlichen Konzeptbil-

18 Einleitend zu den beiden Termini: Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 1, Sp. 714– 716 u. Bd. 4, Sp. 442.: Göttinger Akademie der Wissenschaften, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 2, Sp. 627–630. Sowie: Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 1, Sp. 929f. u. Bd. 2, Sp. 1527f. Im Gegensatz zum Frühneuhochdeutschen Wörterbuch der Göttinger Akademie der Wissenschaften erfolgt die notwendige graphematische Vereinheitlichung im Frühneuhochdeutschen Glossar mit einer größeren Abweichung von der modernen neuhochdeutschen Schreibung. Die Übernahme der Glossarrichtlinien soll dazu beitragen, die relevanten Diskursausdrücke des Jahres 1525 in dieser Arbeit deutlich hervorzuheben. Um den modernen Leser jedoch nicht zu sehr zu verwirren, wird abweichend von Götze das Dehnungs-e realisiert. Im Folgenden werden neben der konsequenten Kleinschreibung „e für ä geschrieben, i für y; i und u bezeichnen stets vokal, j, v und w den konsonanten, w in diphthongen ist mit u wiedergegeben, e und h als dehnungszeichen sind vermieden, ebenso [nur in gravierenden Fällen] unhistorische konsonantendopplungen, dt gk cz tz zc sind vereinfacht zu t k z, anlautendes p ist wie b, anlautendes t wie d behandelt, jedes v wie f, jedes ß wie ss.“ Götze, Alfred, Frühneuhochdeutsches Glossar (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen, Bd. 101), 7. Auflage Berlin 1967, S. X. Geht man von dem Ansatz aus, nur diejenigen Aufruhrbegriffe durch graphische Zurschaustellung zu markieren, die erst nachträglich entstanden oder die von den ‚Aufständischen‘ problematisiert wurden, entfällt eine solche Kennzeichnungspflicht für den „Bauern“ und den „Untertan“, da beide Ausdrücke erstens nicht per se zum historischen noch modernen Aufstandsvokabular zählen und zweitens von den Beteiligten verwendet worden sind, ohne sie zu problematisieren. Selbstredend wird das zeitgenössische Untertanenverständnis in dieser Arbeit aber noch dezidiert analysiert werden. In den untersuchten Quellen wird der bauer als unpolitischer Sammelbegriff für die mehrheitlich ländlich geprägten ‚Aufständischen‘ gebraucht. Zur Problematik des Ausdrucks für andere Untersuchungsregionen vgl. Anm. 11. 19 Bierbrauer, Peter, Methodenfragen der gegenwärtigen Bauernkriegsforschung, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 23–37, S. 27.

1.2 Forschungsstand 

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dung auf der Wortebene kompensierten, indem sie ihrerseits mobilisierend wirken konnten. Das Ziel dieser Arbeit besteht folglich darin, die zeitgenössischen Deutungsmuster ausfindig zu machen, die mit dem Sprechen der Beteiligten über ihr Vorhaben in Verbindung stehen. Der Titel dieser Arbeit referiert aber noch auf einen zweiten Aspekt, den es in den Blick zu nehmen lohnt: den Übergang von der zeitgenössischen Deutung zur Erinnerung. Bislang ist der Erinnerungskultur der ersten Jahrzehnte nach dem ‚Bauernkrieg‘ wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Bevorzugt wurde noch die Perspektive der unterlegenen ‚Aufständischen‘ erörtert, während die Erinnerung der Obrigkeit demgegenüber weitgehend ausgeklammert blieb. Der gewählte Einstieg mit dem Ende der ‚Erhebung‘ in Rothenburg ob der Tauber verdeutlicht jedoch gerade die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung. Der zitierte Quellenausschnitt lässt sich neben der ereignisgeschichtlichen und sprachhistorischen Sichtweise kaum ohne einen historiographischen und erinnerungsgeschichtlichen Blickwinkel verstehen. Der Chronist, bei dem es sich um den offiziellen Stadtschreiber handelte, inszenierte das Ende der ‚Erhebung‘ als kollektive Abwendung von den angeblich falschen Ideen, ihrer nachgewiesenen Wirkungslosigkeit und der Rückkehr zu den alten Verhältnissen. Die Thematisierung der Sprache aus dem Mund eines Passanten war Mittel zum Zweck. Die ‚Aufständischen‘ konnten nach ihrer Niederlage selbstverständlich kein Archiv aufbauen oder eine Geschichtsschreibung verfassen. Das Wissen des modernen Historikers ist in diesem Sinn von der Sammel- und Archivartätigkeit der damaligen Verwaltungen und von hervorgehobenen Einzelpersönlichkeiten abhängig. Exemplarisch stießen die Deutungsmuster der ‚Aufständischen‘ und die Weltsicht ihrer Widersacher in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung aufeinander, die aus dem Umfeld der Herrschenden stammt, aber mitunter Aussagen und Schriften der Untertanen übernahm. Wie unter einem Brennglas lässt sich hier untersuchen, wie das Wissen der ‚Aufständischen‘ in den zeitgenössischen Erinnerungsdiskurs der Obrigkeit integriert und umgedeutet wurde. Dieser Überlieferungskontext, der leicht übersehen werden kann, war schließlich dafür mitentscheidend, dass dieses Wissen seine Reise durch die Jahrhunderte bis in unsere Zeit antreten konnte. Der zweite Teil dieser Arbeit handelt daher von der zeitgenössischen Geschichtsschreibung zum ‚Bauernkrieg‘ und untersucht die monographischen Darstellungen zu diesem Thema.

1.2 Forschungsstand Über kaum ein anderes historisches Ereignis der Vormoderne wurde so viel publiziert wie über den ‚Bauernkrieg‘. Schon der zeitgenössische Chronist Lorenz Fries verzichtet etwa auf einen Bericht über die Geschehnisse zu Weinsberg mit dem Hinweis, dass über die Ermordung der Adeligen durch die ‚Aufständischen‘ andere bes-

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ser berichten könnten als er. Diesen Bescheidenheitstopos verwendet Fries allerdings als rhetorische Figur im Sinne einer Präteritio: Durch die scheinbare Verweigerung der ausführlichen Darstellung trug er in diesem Fall zur Kanonisierung des Geschehnisses bei. Das Wissen über die Tötung von Adeligen durch die ‚Aufständischen‘ wurde als selbstverständlich vorausgesetzt und von Fries nur scheinbar beiläufig wiederholt.20 Dieses Bild des angeblich barbarischen, mordhungrigen Bauern verfestigte sich schließlich über die Jahrhunderte und wurde zu einem Topos in Historiographie, Kunst und Literatur.21 Nach fünfhundert Jahren hat sich der Kanon grundlegend verändert. Heutzutage ist es wohl kaum mehr nötig, daran zu erinnern, dass der ‚Bauernkrieg‘ zu einem positiven Ereignis umgedeutet wurde und längst als ein Vorläufer von Demokratie, Republikanismus und Menschenrechten angesehen wird.22 Jenseits der Großdeutungen, die sich scheinbar nicht hinterfragbar für ganze Generationen behaupten, bewegen sich die Fragen und Antworten der Spezialisten in einem schnelleren Tempo. Schon mehrmals wurde die immense Anzahl der entstandenen Schriften in Literaturberichten sowie in Bibliographien zusammengetragen.23 Der folgende Überblick

20 Schäffler, August/ Henner, Theodor (Hg.), Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries. 2 Bände, Würzburg 1883, I, S. 431. 21 Hamm, Joachim, Geschichte und Geschichtsschreibung. Zur sogenannten „Bluttat von Weinsberg“ (16. April 1525) in der zeitgenössischen Literatur des 16. Jahrhunderts, in: Vom Mittelalter zur Neuzeit. Festschrift für Horst Brunner, hg. von Dorothea Klein, Wiesbaden 2000, S. 513–540. 22 Ein bezeichnendes Schlaglicht wirft der Kommentar von Reinhard Baumann über den Text einer Erinnerungstafel zum ‚Bauernkrieg‘ in Kleinkitzighofen: „Der Text nimmt den Sprachduktus von Votivtafeln auf, geht aber gleichzeitig von dem Bauernkriegsverständnis aus, wie es in Memmingen im Jahr 2000 von Peter Blickle formuliert und von den Bundespräsidenten Johannes Rau 2000 und Horst Köhler 2008 in ihren Reden zum Ausdruck gebracht wurde: Die „Zwölf Artikel“, das Programm der revolutionären Bauern, werden als erste Erklärung der Menschenrechte verstanden und, zusammen mit der Bundesordnung, als Vorläufer deutscher demokratischer Verfassungen.“ Baumann, Reinhard, Die Bauernschlacht bei Kitzighofen 1525 und die Bauernkapelle in Kleinkitzighofen als Erinnerungsort, in: Augsburg, Schwaben und der Rest der Welt. Neue Beiträge zur Landesund Regionalgeschichte. Festschrift für Rolf Kießling zum 70. Geburtstag, hg. von Dietmar Schiersner/ Andreas Link/ Barbara Rajkay/ Wolfgang Scheffknecht, Augsburg 2011, S. 141–153. 23 Volz, Ingrid/ Brather, Hans-Stephan, Der deutsche Bauer im Klassenkampf (1470–1648). Auswahlbibliographie der Veröffentlichungen in den sozialistischen Staaten aus den Jahren 1945 bis 1972, in: Der Bauer im Klassenkampf. Studien zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges und der bäuerlichen Klassenkämpfe im Spätfeudalismus, hg. von Gerhard Heitz/ Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 573–603. Sabean, David/ Franz, Günther, Der Bauernkrieg. Ein Literaturbericht für das Jahr 1975, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 24 (1976), S. 221–231. Wolgast, Eike, Neue Literatur über den Bauernkrieg, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 112 (1976), S. 424–440. Thomas, Ulrich, Bibliographie zum deutschen Bauernkrieg und seiner Zeit (Fachdokumentation der Agrargeschichte an der Universität Hohenheim), Stuttgart 1976/77. Bierbrauer, Peter, Kommentierte Auswahlbibliographie, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 353–399. Dammaschke, Marion, Auswahlbibliographie zum Bauernkrieg, in: Bauernkrieg

1.2 Forschungsstand 

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möchte daher nur die Forschungsfelder der letzten Jahrzehnte kurz skizzieren, um dann ausführlicher auf die methodischen Fragestellungen dieser Arbeiten näher einzugehen. Die wichtigsten Themen der Forschung lassen sich anhand der Stichwörter Ursachen, Verlauf, Ziele, Folgen, Trägerschichten, Legitimationsmuster und Religion zusammenfassen.24 Walther Peter Fuchs erklärte den ‚Bauernkrieg‘ noch im Jahr 1970 als eine „Summe von Einzelaktionen“ und gab der Forschung damit eine Richtung vor.25 Das Thema wurde in der Folgezeit vor allem unter regionalem und landesgeschichtlichem Fokus untersucht. Trotz der Differenzierungsbemühungen trat die Frage nach den verbindenden Elementen zwischen den Regionen jedoch nicht in den Hintergrund. Peter Blickle und Horst Buszello sahen diesen gemeinsamen Nenner vor allem in den Legitimationsmustern und Zielen der ‚Aufständischen‘. Die Beteiligten hätten im Jahr 1525 mit dem sog. Göttlichen Recht einen neuen Rechtsbegriff gefunden und seien für die politische Umgestaltung des Staatswesens hin zu mehr Partizipations- und Freiheitsrechten eingestanden, deren Realisierung sich regional jedoch unterscheiden konnte.26 Peter Blickle betonte in diesem Kontext insbesondere die Bedeutung der Gemeinde für das neue Staatswesen.27 Die Vorstellungen des Politischen wurden im Zuge dieser Forschungen stark auf die Sphären des Rechts und der Verfassung bezogen. Über die Ursachen der ‚Erhebung‘ konnte noch immer kein abschließendes Urteil getroffen werden. Diskutiert wurden vor allem die Bedeutung der entstehenden Landesherrschaften, die Folgen der Leibeigenschaft, ein negativer Wirtschafts-

zwischen Harz und Thüringer Wald, hg. von Günter Vogler (Historische Mitteilungen, Beihefte, Bd. 69), Stuttgart 2008, S. 485–502. 24 Die Publikationen zu den einzelnen Themen sind kaum noch überschaubar. Im Folgenden sollen nur grundlegende Arbeiten genannt werden. 25 Fuchs, Walther Peter, Das Zeitalter der Reformation, in: Handbuch der deutschen Geschichte. Bd. 2: Von der Reformation bis zum Ende des Absolutismus 16. bis 18. Jahrhundert, hg. von Bruno Gebhardt, 9. Auflage Stuttgart 1970, S. 1–117, S. 67. Die Gegenpositionen bündelnd: Bierbrauer, Methodenfragen der gegenwärtigen Bauernkriegsforschung (wie Anm. 19), S. 25–28. 26 Zum Göttlichen Recht: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), bes. S. 134–146. Schmidt, Irmgard, Das göttliche Recht und seine Bedeutung im deutschen Bauernkrieg, Jena 1939. Bierbrauer, Peter, Das göttliche Recht und die naturrechtliche Tradition, in: Bauer, Reich und Reformation. Festschrift für Günther Franz zum 80. Geburtstag am 23. Mai 1982, hg. von Peter Blickle/ Wilhelm Abel/ Günther Franz, Stuttgart 1982, S. 210–234. Zuletzt: Hecker, Hans-Joachim, Der Bauernkrieg, die „Zwölf Artikel“ und das „Göttliche Recht“, in: Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 201–221. Zu den verfassungspolitischen Zielen: Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 19–91. Und: Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 197–223. 27 Blickle, Peter, Kommunalismus. Skizzen einer gesellschaftlichen Organisationsform. 2 Bände, München 2000.

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zyklus, innerdörfliche Konflikte und die Bedeutung der Reformation.28 Besonders produktiv wirkte sich auf die Forschung der von Franziska Conrad aufgezeigte Rezeptions- und Adaptationsprozess von reformatorischen Ideen durch die Gemeinden aus. So stellte etwa Peter Blickle seiner „Revolution von 1525“ eine „Gemeindereformation“ zur Seite.29 Der Verlauf des ‚Bauernkriegs‘ wurde in der Tradition von Günther Franz vor allem deskriptiv und ereignisgeschichtlich dargestellt, nur selten rückten dagegen die Organisation der Versammlungen oder rituelle Handlungspraktiken in den Mittelpunkt.30 Durch die Untersuchung der Trägergruppen der ‚Erhebung‘ zeigte sich, wie schon angesprochen, dass sich nicht nur die Bauern an dem ‚Aufstand‘ beteiligten. Eine oft geforderte prosopographische Beschäftigung mit den Beteiligten ist dagegen ausgeblieben.31 Wenig Beachtung schenkte man bisher der Obrigkeit, wobei

28 Die verschiedenen Ursachen werden heute meist als umfassende Krise des Feudalismus gedeutet (siehe: Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 105–149) oder im Sinne der älteren Forschung als Abwehrkampf der Untertanen gegen einen sich immer stärker ausdehnenden frühneuzeitlichen Staat. Hierzu vgl. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 2f. Die Krisenerscheinungen divergierten jedoch von Region zu Region und sind quantitativ kaum messbar. Kritisch zu den beiden Theorien positioniert sich daher: Scott, Tom, Ungelöste Probleme des Deutschen Bauernkrieges, in: Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 39–48. Folgt man Scott, muss man sich vor allem auf die subjektive Sicht der Untertanen bezüglich ihrer Lage fokussieren. Im Gegensatz zu Günther Franz, der das subjektive Empfinden als objektive Quelle betrachtet, gilt es aber vor allem, die kulturelle Einbettung dieser Situationsbeschreibungen zu erläutern. Zur Methode von Franz vgl. Blickle, Peter, „Freiheitsbegeisterung“. Wilhelm Zimmermann verankert den Bauernkrieg in der deutschen Geschichte, in: Bauernkrieg und Revolution. Wilhelm Zimmermann. Ein Radikaler aus Stuttgart, hg. von Roland Müller (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Bd. 100), Stuttgart 2008, S. 37–55, S. 52. 29 Conrad, Franziska, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft. Zur Rezeption reformatorischer Theologie im Elsass (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Abteilung für abendländische Religionsgeschichte, Bd. 116), Stuttgart 1984. Blickle, Gemeindereformation (wie Anm. 14). 30 Für eine zusammenhängende Ereignisgeschichte gilt die Darstellung von Franz immer noch als Referenzwerk. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13). Zu diesem Urteil: Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 1, Anm. 2. Diese Auffassung ist jedoch angesichts des Quellenpositivismus von Franz stark zu revidieren: Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.1.1. Einen stärkeren Fokus auf die inneren Strukturen richtet: Maurer, Hans-Martin, Der Bauernkrieg als Massenerhebung. Dynamik einer revolutionären Bewegung, in: Bausteine zur geschichtlichen Landeskunde, hg. von Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Stuttgart 1979, S. 255–295. Über die rituellen Aspekte der ‚Erhebung‘ legte Paul Burgard eine wegweisende Studie vor: Burgard, Paul, Tagebuch einer Revolte. Ein städtischer Aufstand während des Bauernkrieges 1525 (Historische Studien, Bd. 20), Frankfurt am Main 1998. 31 Selbst von Schlüsselpersönlichkeiten finden sich Informationen fast ausschließlich in Form von Lexikonartikeln. Einen umfassenden prosopographischen Ansatz wählte Stayer, um die Verbindung von ‚Bauernkrieg‘ und Täuferbewegung zu untersuchen: Stayer, James, The German Peasants' War

1.2 Forschungsstand 

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hier jüngst eine Gegenbewegung zu erkennen ist.32 Die von Zimmermann im 19. Jahrhundert postulierte und von Günther Franz vertretene These, dass die Niederlage der ‚Aufständischen‘ zu ihrem Ausscheiden aus dem politischen Leben geführt habe, kann heute als widerlegt gelten. Dagegen sprechen die Ergebnisse zur Kontinuität von ‚Aufständen‘ in der Frühen Neuzeit und die Tendenz zur Verrechtlichung sozialer Konflikte.33 Die Folgen der ‚Erhebung‘ für die Untertanen werden heute im Hinblick auf die Verbesserung ihrer sozialen Lage wesentlich positiver eingeschätzt als in der älteren Forschung.34 Blickt man auf die Menge der erschienenen Schriften, erforschte man den ‚Bauernkrieg‘ am intensivsten in den 1970er Jahren. Diese Welle an Publikationen, die ihren Scheitelpunkt mit dem Jubiläumsjahr 1975 erreichte, resultierte wohl aus mehreren Gründen. So schuf sicherlich die Politisierung der Gesellschaft in den 1968er Jahren einen Resonanzboden für das Interesse an sozialen Konflikten. Der Kalte Krieg bedingte eine Konkurrenzsituation zwischen den Geschichtsentwürfen der DDR und der BRD um eine legitime historische Traditionslinie. Gleichzeitig fand in der Geschichtswissenschaft schließlich eine Umpolung der methodisch-thematischen Ansätze zugunsten einer eher sozialhistorisch ausgerichteten Geschichtsschreibung statt. Rainer Wohlfeil profilierte als Herausgeber eines Sammelbands den ‚Bauernkrieg‘ als prädestinierten Untersuchungsgegenstand dieser neuen Methode. Seine Erläuterungen waren für die jüngere Forschergeneration der 1970er Jahre stilprägend und sollen deshalb kurz erläutert werden. Wohlfeil verstand Sozialgeschichte als eine „umfassende Betrachtungsweise“, die vom Ansatz her als Leitfrage sowohl zum Aufsuchen, Erschließen, Bearbeiten und Interpretieren der Quellen als auch zum Einordnen, Darstellen und Werten des aufgeschlüsselten Materials diene.35 Der

and Anabaptist community of goods (MacGill-Queen's studies in the history of religion, Bd. 6), Montreal 1991. 32 Carl, Horst, Der Schwäbische Bund. 1488–1534. Landfrieden und Genossenschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Reformation (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, Bd. 24), Leinfelden-Echterdingen 2000. Blickle, Peter, Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. Georg Truchsess von Waldburg 1488–1531, München 2015. 33 Schulze, Winfried, Die veränderte Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert, in: Der deutsche Bauernkrieg 1524–1526, hg. von Hans-Ulrich Wehler (Geschichte und Gesellschaft; Sonderheft, Bd. 1), Göttingen 1975, S. 277–302. 34 Gabel, Helmut/ Schulze, Gerhard, Folgen und Wirkungen, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 322–349. 35 Wohlfeil bezog damit Stellung für eine Sozialgeschichte als Gesellschaftsgeschichte und nicht als Sektoralwissenschaft: Vgl. Wohlfeil, Rainer, „Moderne“ Sozialgeschichte, „historisch-kritische Sozialwissenschaft“ und „historische Sozialwissenschaft“ als Konzepte für die Erforschung der „Frühen Neuzeit“, in: Der Bauernkrieg 1524–26. Bauernkrieg und Reformation. Neun Beiträge, hg. von dems. (Nymphenburger Texte zur Wissenschaft, Bd. 21), München 1975, S. 25–50, S. 26.

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Gang der Forschung habe sich in drei Schritten zu vollziehen: erstens der Sichtung der Quellen, zweitens der Rekonstruktion zeitgenössischer Sichtweisen und drittens der Koppelung dieser Ergebnisse an eine spezifische Methode. Für den dritten Schritt plädierte Wohlfeil für einen Theorien- und Methodenpluralismus.36 Als wichtigste Bezugsdisziplin nannte er die Soziologie mit ihrem kausalanalytischen Ansatz. Die Sozialgeschichte untersuche folglich demographische, geistige, kulturelle, politische, religiöse und wirtschaftliche Faktoren eines Ereignisses sowie deren „möglichen Beziehungen, Abhängigkeiten und Wechselwirkung und damit […] sowohl Kausalitäten als auch Korrelationen“ und erlaube dadurch „Vorschläge zu einer Gewichtung der einzelnen Faktoren und ihres Verhältnisses zueinander.“37 Mit dieser Methode gelang etwa Peter Blickle eine strukturanalytisch ausgerichtete Auswertung der „Zwölf Artikel“, der wichtigsten Beschwerdeschrift der Untertanen von 1525, indem er die Aussagen der Schrift mit den Strukturproblemen der frühneuzeitlichen Gesellschaft koppelte.38 Die Schwäche dieser Vorgehensweise liegt darin, dass man häufig aus den vermeintlich objektiv zu Tage geförderten Ursachen der ‚Erhebung‘ kausal auf deren Verlauf und Ziele schloss, ohne die Wahrnehmungen und Diskurse der Zeitgenossen überhaupt noch zu berücksichtigen.39 Während sich in der Geschichtswissenschaft schon längst andere methodische Ansätze durchsetzten, verharrte die Bauernkriegsforschung weiterhin in ihrem sozialgeschichtlichen Hauptfahrwasser. Methodische Innovationen, die vor allem mit der kulturwissenschaftlichen Neuausrichtung der Disziplin einhergingen, besitzen für den ‚Bauernkrieg‘ Seltenheitswert. Als eine Ausnahme kann vor allem die anthropologisch orientierte Studie von Paul Burgard genannt werden. Er analysierte mit der Methode des Close Readings die Geschehnisse in der thüringischen Kleinstadt Neustadt an der Orla und konnte dabei auf die englischsprachigen Konzepte der Peasant Society zurückgreifen. Seine Arbeit setzt sich auf diese Weise intensiv mit den rituellen Formen sozialer Konflikte auseinander.40 Die religiös geprägte Sprache der Vormoderne hat in den letzten Jahrzehnten eine immer größere Beachtung als Forschungsgegenstand gefunden.41 Für den

36 Ebd., S. 28. 37 Ebd., S. 34. 38 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 24–104. 39 Aussagen, wie die von Rudolf Endres, wären heute wohl nicht mehr mehrheitsfähig, da er den ‚Bauernkrieg‘ vor allem anhand seiner scheinbar objektiven sozialen Rahmenbedingungen analysierte: „Der Bauernkrieg von 1525 war eine Erhebung, eine ‚Revolution des Gemeinen Mannes‘ und spiegelte vor allem in seinen Ursachen, aber auch in seinem Verlauf, die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse und gesellschaftlichen Umbrüche im Reich zu Beginn des 16. Jahrhunderts wider.“ Endres, Rudolf, Der Bauernkrieg in Hessen und Thüringen, in: Fuldaer Geschichtsblätter 68 (1992), S. 130–142, S. 130. 40 Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30). 41 Pečar, Andreas/ Trampedach, Kai (Hg.), Theokratie und theokratischer Diskurs (Colloquia historica et theologica), Tübingen 2003. Schorn-Schütte, Luise (Hg.), Aspekte der politischen Kommu-

1.2 Forschungsstand

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‚Bauernkrieg‘ galt dagegen lange die Betrachtungsweise von Günther Franz aus den 1930er Jahren, wonach die wahre Bedeutung der Geschehnisse aus der Sprache der Zeitgenossen erst enthüllt werden müsse. Die biblische Sprache der Zeitgenossen wurde in diesem Sinn eher als störend denn als erkenntnisfördernd betrachtet.42 Die sozialgeschichtlich geprägte Forschungsrichtung ab den 1970er Jahren setzte sich mit der Sprache der Zeitgenossen zwar intensiver auseinander, betrieb allerdings keine historisch-semantisch ausgerichtete Forschung. Ausführlich erläuterte Rainer Wohlfeil die Bedeutung der Sprache für die sozialgeschichtliche Methode: In bewusster Abgrenzung zu Otto Brunner und Reinhard Koselleck plädierte er für eine „streng reflektierte Auflockerung“ bei der Analyse der Begriffssprache der Quellen. Ziel sei es, den geschichtlichen Stoff zu vergegenwärtigen, das heißt, ihn unter Denkformen zu bringen, welche der heutigen Gegenwart verständlich seien.43 Aus dieser Forschergeneration setzte sich am stärksten Peter Blickle mit der Sprache der Zeitgenossen auseinander. Bei seinem Umgang mit dem Vokabular des 16. Jahrhunderts sind mehrere Aspekte auffällig: Blickle konzentrierte sich vor allem auf die abbildende Kraft der Wörter als Spiegel einer sozialen Wirklichkeit. Ihre Wirkung auf die Zeitgenossen als Faktoren des geschichtlichen Wandels wurde dagegen kaum berücksichtigt. Stattdessen versuchte er, die Inhaltsseite der Ausdrücke mit modernen Forschungsergebnissen in Übereinstimmung zu bringen. Quellenbegriffe wie der gemeine nuzen und die kristliche, brüderliche liebe umspannen als Kapitelüberschriften dabei Unterkapitel, die von den Trägern der ‚Erhebung‘ über die geplanten Verfassungsreformen bis hin zu theoretischen Manifesten reichen. Die einstigen Quellenbegriffe wurden auf diese Weise zu Forschungsbegriffen umfunktioniert. Blickle verstand sie lediglich als „Chiffren“ für komplexe soziale Vorgänge, ohne eine Wort- oder Begriffsgeschichte zu betreiben.44

nikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts. Politische Theologie. Res Publica-Verständnis. Konsensgestützte Herrschaft (Historische Zeitschrift Beihefte, NF, Bd. 39), München 2004. SchornSchütte, Luise/ Tode, Sven (Hg.), Debatten über die Legitimation von Herrschaft. Politische Sprachen in der Frühen Neuzeit, Berlin 2006. Pečar, Andreas/ Trampedach, Kai (Hg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne (Historische Zeitschrift, Beihefte NF, Bd. 43), München 2007. Friedeburg, Robert von/ Schorn-Schütte, Luise (Hg.), Politik und Religion: Eigenlogik oder Verzahnung? Europa im 16. Jahrhundert (Historische Zeitschrift Beihefte, NF, Bd. 45) 2007. Schorn-Schütte, Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts (wie Anm. 41). Schorn-Schütte/ Tode, Debatten über die Legitimation von Herrschaft (wie Anm. 41). 42 So über die Forderungen zu Rothenburg: „Die übrigen Forderungen waren ebenso in die biblische Sprache der Zeit eingehüllt.“ Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 297. 43 Wohlfeil, „Moderne“ Sozialgeschichte, „historisch-kritische Sozialwissenschaft“ und „historische Sozialwissenschaft“ als Konzepte für die Erforschung der „Frühen Neuzeit“ (wie Anm. 35), S. 30 und Anm. 143. 44 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 151–244. Zur „Chiffre“ vgl. S. 223.

16  1 Einleitung

Neben den Historikern widmeten sich auch einige Sprachwissenschaftler dem ‚Bauernkrieg‘. Die Anfänge der Schlagwortforschung um 1900 liegen zum Teil in der Beschäftigung mit der Sprache Martin Luthers und der seiner Gegner begründet.45 Für diesen Forschungszweig der Germanistik steht die Leistung eines Wortes im Mittelpunkt, komplexe Argumente auf das Typische zu reduzieren und für die Zeitgenossen meinungbildend und überzeugend zu wirken. Schlagwörter bieten somit eine kondensierte Wirklichkeitssicht, die jedoch nicht von einem neutralen Standpunkt aus vorgetragen wird.46 Für die neuere Forschung untersuchte Patrick Honecker den vorreformatorischen politischen Sprachgebrauch aus der Zeit Maximilians I., und Hans-Joachim Diekmannshenke widmete sich sehr aufschlussreich der Sprachkontroverse aus dem Lager der Radikalen Reformation. In seiner Analyse berücksichtigte Diekmannshenke auch die Flugschriften der ‚Aufständischen‘ aus dem Jahr 1525.47 Aus diskurslinguistischer Perspektive analysierte Anja LobensteinReichmann instruktiv den unterschiedlichen Freiheitsbegriff bei Martin Luther und bei den ‚Aufständischen‘.48 Mehrere Forscher gingen zudem auf das ideengeschichtliche Tiefenfundament einzelner Ausdrücke ein, die während des ‚Aufstands‘ verwendet wurden.49 Die zeitgenössische Geschichtsschreibung über den ‚Bauernkrieg‘ fristet als Forschungsthema ein absolutes Schattendasein. Texte, welche die sozialgeschichtliche Forschung interessierte, stammten fast ausschließlich aus den Händen der ‚Auf-

45 Lepp, Friedrich, Schlagwörter des Reformationszeitalters, Leipzig 1908. 46 Zur Definition des Forschungskonzeptes „Schlagwort“ und seiner methodischen Grenzen siehe: Diekmannshenke, Hans-Joachim, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536). Spuren utopischen Bewußtseins (Europäische Hochschulschriften, Bd. 1445), Frankfurt am Main 1994, S. 13–23. 47 Honecker, Patrick, Vorreformatorische Schlagwörter. Spiegel politischer, religiöser und sozialer Konflikte in der frühen Neuzeit, Inaugural-Dissertation Trier 2002. Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46). 48 Lobenstein-Reichmann, Anja, Freiheit bei Martin Luther. Lexikographische Textanalyse als Methode historischer Semantik (Studia Linguistica Germanica, Bd. 46), Berlin 1998. Im weiteren Sinn ist auch noch von Interesse: Lobenstein-Reichmann, Anja, Sprachliche Ausgrenzung im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit (Studia Linguistica Germanica, Bd. 117), Berlin 2013. 49 Eine außerordentlich intensive Erforschung hat der Begriff des gemeinen nuzens erfahren. Nur zwei Arbeiten seien hervorgehoben: Schulze, Winfried, Vom Gemeinnutz zum Eigennutz. Über den Normenwandel der ständischen Gesellschaft der frühen Neuzeit, in: Historische Zeitschrift 243 (1986), S. 591–626. Hibst, Peter, Utilitas Publica – Gemeiner Nutz – Gemeinwohl. Untersuchungen zur Idee eines politischen Leitbegriffs von der Antike bis zum späten Mittelalter (Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Bd. 497), Frankfurt am Main 1991. Aus ideengeschichtlicher Perspektive legte Frank Ganseuer eine von der Kritik nicht immer positiv rezipierte Studie über die zukünftigen Strukturen eines Bauernstaates vor. Ganseuer, Frank, Der Staat des „gemeinen Mannes“. Gattungstypologie und Programmatik des politischen Schrifttums von Reformation und Bauernkrieg, Frankfurt am Main 1985.

1.2 Forschungsstand 

17

ständischen‘.50 Die meisten der historiographischen Darstellungen wurden immerhin im Laufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgedruckt und teils ediert. Eine intensive Auseinandersetzung mit ihnen fand jedoch kaum statt: Eine Bibliographie, geschweige denn eine komparatistische Studie, fehlt bis heute.51 Von den Historikern wurden die Texte lediglich als Steinbrüche zur Rekonstruktion der Ereignisgeschichte verwendet. Negativ in Bezug auf eine intensivere Auseinandersetzung wirkte sich wohl das Stigma der Siegergeschichtsschreibung aus, welches den Texten seit dem Ende des 18. Jahrhundert bis heute anhaftet.52 Lediglich zwei germanistische Studien zur Hauschronik der Truchsessen von Waldburg-Zeil und zur humanistischen lateinischen Dichtung machten auf die literarische Dimension und den spezifischen historiographischen Konstruktionscharakter der Darstellungen aufmerksam.53

50 Schon Georg Friedrich Sartorius, der Urahn der modernen Bauernkriegsforschung, warf der zeitgenössischen Geschichtsschreibung im Jahr 1795 Befangenheit und Subjektivität vor. Bis zu diesem Zeitpunkt und noch darüber hinaus besaßen die Darstellungen, die allesamt aus dem Umfeld der Obrigkeit stammen, nahezu ein Deutungsmonopol. So urteilt Sartorius resignierend: „(M)an hat nichts als die Nachrichten von einer Seite von Siegern; man kann nicht vergleichen“. In den nachfolgenden Jahrhunderten verstummte das Urteil über die Einseitigkeit der Texte nicht mehr. Die moderne Bauernkriegsforschung verdankt ihre Neubewertung der Ereignisse besonders der Abwendung von diesen Schriften und der Erschließung weiterer Quellen. Karl Hartfelder lobte schon 1884 die Veröffentlichungen der Bauernkriegskorrespondenzen, Günther Franz edierte Beschwerdeschriften und die DDR-Forschung publizierte Flugschriften. Sartorius, Georg Friedrich, Versuch einer Geschichte des Deutschen Bauernkriegs oder der Empörung in Deutschland zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, Berlin 1795, S. VI. Hartfelder, Karl, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Südwestdeutschland, Stuttgart 1884, S. IIIf. Laube, Adolf (Hg.), Flugschriften der Bauernkriegszeit, BerlinOst 1975. Fuchs, Franz/ Petersen, Stefan/ Wagner, Ulrich/ Ziegler, Walter (Hg.), Lorenz Fries und sein Werk. Bilanz und Einordnung (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 19), Würzburg 2014; Franz, Günther (Hg.), Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband, 4. Auflage Darmstadt 1980. 51 Einführend zu dieser Problematik vgl. Heidenreich, Benjamin, Brisante Erinnerungen. Die zeitgenössische Geschichtsschreibung zum „Bauernkrieg“ in Franken, in: Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 355–373. Bibliographien zu diesem Thema stellte nur die Forschung des 19. Jahrhunderts zusammen: Scheidel, Gustav, Kritik der Villinger Chronik. Die Anfänge des Bauernkrieges betreffend nebst einer Quellenkunde und bibliographischen Übersicht zur Geschichte des Bauernkrieges (Beilage zum Jahresbericht der königlichen Studienanstalt Ansbach für 1884–1885), Ansbach 1885. 52 Zu diesem Urteil von Peter Blickle aus dem Jahr 2015: Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 13. 53 Hamm, Joachim, Servilia bella. Bilder vom deutschen Bauernkrieg in neulateinischen Dichtungen des 16. Jahrhunderts (Imagines medii aevi, Bd. 7), Wiesbaden 2001. Wolf, Gerhard, Von der Chronik zum Weltbuch. Sinn und Anspruch südwestdeutscher Hauschroniken am Ausgang des Mittelalters (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte, Bd. 19), Berlin, New York 2002.

18  1 Einleitung

1.3 Theorie und Methode Die Historische Semantik wird heute als Oberbegriff für verschiedene Formen der Begriffs- und Diskursgeschichte verstanden.54 Mit Hilfe dieses Ansatzes sollen im Folgenden überindividuelle Deutungsmuster rekonstruiert werden, die zeitgenössisch die sprachliche Konstruktion von Wirklichkeit mitbestimmten. Ein Deutungsmuster referiert somit nicht primär auf eine individuelle Interpretation, sondern umfasst typische Vorstellungen, welche ein Individuum mitbeeinflussen konnte.55 In den letzten Jahrzehnten ist die Begriffsgeschichte Koselleckscher Prägung entscheidend weiterentwickelt worden. Während Koselleck noch annahm, dass Sprache und Geschichte getrennt untersucht werden könnten, ist diese Position weitgehend aufgegeben worden. Zudem ist als Erkenntnisgegenstand an die Stelle des „Begriffs“ heute eher der „Diskurs“ getreten.56 Unter diesem Terminus Technicus sollen hier sowohl alle zu untersuchenden Äußerungen der ‚Aufständischen‘ verstanden werden als auch das zu erschließende gesellschaftliche Wissen, welches ihren Äußerungen zu Grunde lag. In diesem Sinn kann erstens eine größere Anzahl an sprachlichen Phänomenen als bei Koselleck untersucht werden, wie etwa Argumentationsmuster oder Kollokationen, die auf Deutungsmuster hinweisen. Zweitens verdeutlicht der Diskursbegriff, dass die einzelnen Aussagen nicht nur hinsichtlich ihrer Kommunikationssituation, sondern auch in ihrem gesellschaftlichen Kontext, etwa dem Werte- und Normengefüge der Zeit, untersucht werden müssen.57

54 Daniel, Kompendium Kulturgeschichte (wie Anm. 5), S. 347. 55 Das Konzept des Deutungsmusters ist ohne den Einfluss der Diskurstheorie und der Begriffsgeschichte nicht zu verstehen. In der Soziologie werden nach Oevermann, der das Konzept erstmals aufbrachte, unter diesem Ansatz Wahrnehmungs- und Interpretationsformen der sozialen Welt verstanden, die Schemata der Erfahrungsaufforderung und Horizonte möglicher Erfahrungen sowie Mittel zur Bewältigung von Handlungsproblemen bereitstellen. Deutungsmuster basieren dabei auf einem impliziten Regelwissen. Zur Rekonstruktion dieses Regelwissens greift die Soziologie auf die Objektive Hermeneutik zurück. In dieser Studie soll die Historische Semantik als Bezugsdisziplin verwendet werden. In der Geschichtswissenschaft wurde der Terminus des Deutungsmusters wohl am stärksten von Hans-Werner Goetz profiliert und gilt inzwischen als etabliertes Hilfsmittel. Meuser, Michael/ Sackmann, Reinhold, Zur Einführung. Deutungsmusteransatz und empirische Wissenssoziologie, in: Analyse sozialer Deutungsmuster. Beiträge zur empirischen Wissenssoziologie, hg. von dems. (Schriften des Instituts für empirische und angewandte Soziologie, Bd. 5), Pfaffenweiler 1992, S. 9–37. Bleumer, Hartmut/ Goetz, Hans-Werner/ Patzold, Steffen/ Reudenbach, Bruno, Wahrnehmungen und Deutungen im Mittelalter. Eine Einführung, in: Zwischen Wort und Bild. Wahrnehmungen und Deutungen im Mittelalter, hg. von dens., Köln 2010, S. 1–10. 56 Reichhardt, Rolf, Historische Semantik zwischen „lexicométrie“ und „New Cultural History“. Einführende Bemerkungen zur Standortbestimmung, in: Aufklärung und Historische Semantik. Interdisziplinäre Beiträge zur westeuropäischen Kulturgeschichte, hg. von dems. (Zeitschrift für Historische Forschung; Beihefte, NF., Bd. 21), Berlin 1998, S. 7–28. 57 Ein „Diskurs“ kann sowohl als Textkorpus als auch als gesellschaftlicher Rahmen von Äußerungen verstanden werden, der natürlich auch nur über die Texte greifbar ist. Zweitgenannter Ansatz

1.3 Theorie und Methode  19

Die Herausforderung dieser Arbeit besteht darin, gerade keinen vergleichsweise einfachen Einstieg in den Diskurs der ‚Aufständischen‘ vorzufinden. Will man die vermeintliche Sprachlosigkeit der Beteiligten über ihr Vorhaben untersuchen, um mehr über ihre Vorstellungen zu ihrer ‚Erhebung‘ zu erfahren, kann man sich zu Beginn des Untersuchungsgangs nicht auf ein einzelnes Wort fokussieren. Der Weg der semasiologischen Forschung, von den Bezeichnungen ausgehend nach mentalen Konzepten eines Diskurses zu suchen, kann folglich nicht direkt in Anspruch genommen werden. Zuerst stellt sich stattdessen die Frage, welche Sprachphänomene überhaupt in den Blick zu nehmen sind. Für den Einstieg in diese Benennungsproblematik stellt die Sprachwissenschaft mit dem Konzept der Sprachthematisierung einen geeigneten Werkzeugkasten zur Verfügung. In den Mittelpunkt des Interesses rücken damit zuerst Textstellen, in denen die Autoren sprachreflexiv den eigenen oder fremden Sprachgebrauch erörtern. Thomas Niehr konnte für neuzeitliche Texte aufzeigen, dass in der Auseinandersetzung mit Ausdrücken, die als vermeintlich falsch angesehen wurden, ein strategischer Sprachgebrauch vorliegt, mit dessen Hilfe in der öffentlichen Kommunikation die Geltung einzelner Konzepte in Frage gestellt und ein eingeführtes Thema neu konstituiert werden konnte. Sprachthematisierungen können in diesem Sinn als eine Fundgrube für aufschlussreiches lexikalisches Material eines Diskurses verstanden werden, ohne dass man zu deren Auffindung bereits inhaltliche Hypothesen formulieren müsste.58 Auf Sprachthematisierungen weisen vor allem metasprachliche Markierungen hin. Darunter fallen insbesondere Distanzmarker wie Anführungszeichen, Kursivsetzungen oder das Setzen eines „sogenannt“. Im 16. Jahrhundert lagen diese Sprachthematisierungsstrategien allerdings noch nicht vor. Die Zeitgenossen markierten das Reden über das Reden anders. In den Schriften der ‚Aufständischen‘ muss daher nach den Verba Dicendi des Meinens, Sagens und Sprechens gesucht

definiert die Summe zusammengehörender Ausdrücke als regelhaft. „Diskurs (so Wengeler) sei ein geeigneter Begriff, um all die gesellschaftlichen, wissensmäßigen und sprachlichen Voraussetzungen, die die einzelnen sprachlichen Handlungen überindividuell beeinflussen, in den Blick zu nehmen.“ Wengeler, Topos und Diskurs (wie Anm. 6), S. 163. Zu dem engeren Konzept des „Diskurses“ als Korpus für einen Ausschnitt einer regelhaften Sprache vgl. Bubenhofer, Noah, Sprachgebrauchsmuster. Korpuslinguistik als Methode der Diskurs- und Kulturanalyse (Sprache und Wissen, Bd. 4), Berlin, New York 2009, S. 33. In beiden Fällen jedoch kann der Diskursbegriff dazu verwendet werden, überindividuelle Formen der sprachlichen Konstruktion der Wirklichkeit zu untersuchen. 58 Niehr, Thomas, Einführung in die Politolinguistik (Uni Taschenbücher, Bd. 4173), Göttingen 2014, S. 136–143. Niehr, Thomas, Kampf um Wörter? Sprachthematisierungen als strategische Argumente im politischen Meinungsstreit, in: Politische Konzepte und verbale Strategien. Brisante Wörter – Begriffsfelder – Sprachbilder, hg. von Oskar Panagl/ Horst Stürmer (Sprache im Kontext, Bd. 12), Frankfurt am Main 2002, S. 85–104.

20  1 Einleitung

werden sowie nach Negationsausdrücken und Fragezeichen, die einen Hinweis auf Argumentationsstrukturen geben.59 Wenig überraschend finden sich die häufigsten Sprachthematisierungen im Vorwort der „Zwölf Artikel“, dem programmatisch wohl wichtigsten Text der ‚Aufständischen‘. Die Methode soll hier exemplarisch vorgestellt werden: Im Vorwort ist die Rede vom Schmähen, vom Sagen, vom Antworten, vom Entschuldigen (im Sinne von Rechtfertigen), vom Nennen (zweimal), dem Wort Gottes (zweimal), dem Wort und von der Rede. Die Verba Dicendi geben einen Hinweis auf mögliche Sprachthematisierungen. Die ‚Aufständischen‘ wollen, wie sie selbst angeben, nicht als „auffruͤ risch“ bezeichnet werden. Die Art und Weise der Sprachthematisierung entspricht einem Muster, das sich auch in anderen Dokumenten aus den Händen der ‚Aufständischen‘ findet. Über die richtige Benennung wird anhand der richtigen Auslegung der Bibel und im Sinne eines Dialogs zwischen Vorwürfen und Entgegnungen gestritten. Im Vorwort der „Zwölf Artikel“ führen die ‚Aufständischen‘ durch die mehrmalige Verwendung des Negationspartikels „nit“ im Sinne von „nein, aber“ Gegenargumente gegen diese falsche Bezeichnung an. Die sechsmalige Verwendung eines Fragezeichens spiegelt ebenfalls die Infragestellung des hergebrachten und negativen Sprachgebrauchs wider. Gegen Ende des Vorworts wandelt sich die Bedeutung der Fragezeichen. Sie markieren nun rhetorische Fragen zu angeblich unwiderlegbaren Aussagen: der Berechtigung des Vorhabens der ‚Aufständischen‘. Im Vorwort der „Zwölf Artikel“ wird die Auseinandersetzung mit der angeblich falschen Benennung der ‚Erhebung‘ und deren Richtigstellung damit zu einem Wendepunkt eines positiven Selbstverständnisses stilisiert. Die alten Denkschablonen hätten ihre Bedeutung verloren, die ‚Erhebung‘ habe sich formieren dürfen, eine neue Sicht auf die Ereignisse habe sich durchgesetzt.60 Zweifelsohne stellen Sprachthematisierungen einen wichtigen Zugang zu den Deutungsmustern der ‚Aufständischen‘ dar. Die Beteiligten setzten sich mit der negativen Kraft von bestimmten Wörtern und Konzepten auseinander und versuchten, neue Konzepte eines gerechtfertigten Widerstands zu verbreiten. Neben der Technik der Abgrenzung, die hier kurz vorgestellt wurde, fanden die Zeitgenossen aber noch andere Möglichkeiten, sich über ihre ‚Erhebung‘ zu verständigen. Auffällig ist die hohe Frequenz von indefiniten Vorgangsbezeichnungen wie das furnemen (Vorhaben), von dem die ‚Aufständischen‘ immer wieder sprachen. Häufig wurden diese unbestimmten Aussagen jedoch näher erläutert. Die Umschrei-

59 Ein neuzeitliches Praxisbeispiel für eine weitgehend automatisierte Suche nach metasprachlichen Kriterien liefern: Bubenhofer, Noah/ Scharloth, Joachim, Sprachthematisierungen. Ein korpuslinguistisch-frequenzorientierter Zugang, in: Aptum. Zeitschrift für Sprachkritik und Sprachkultur (2014), S. 140–154. 60 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26f. Ausführlich zur Umsemantisierung des Wortes aufrur vgl. Kapitel 2.2.1.1.1

1.3 Theorie und Methode 

21

bungen beziehungsweise Paraphrasierungen des furnemens stellen daher eine weitere wichtige Quelle zu einer alternativen Sinngebung der Ereignisse dar. Zu fragen ist nach den Kontexten, aus denen diese Erklärungen auf den ‚Bauernkrieg‘ übertragen wurden, um auf diese Weise Vorstellungs- und Handlungsfelder der Beteiligten zu rekonstruieren. Desweitern lässt sich an diesen Paraphrasen erörtern, ob sich die Sinngebung der Ereignisse im Laufe der ‚Erhebung‘ veränderte und an welchen Punkten Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen getrennt voneinander agierenden Versammlungen existierten.61 Eine weitere Möglichkeit, sich eine Vorstellung von der ‚Erhebung‘ zu machen, bestand für die Zeitgenossen in der Verwendung einer biblischen Erzählung. Diese wird am Ende des Vorworts der „Zwölf Artikel“ auf die Situation des Jahres 1525 übertragen. Der Bedeutungswandel der Fragezeichen von der Infragestellung der falschen Bezeichnung zur Affirmation des eigenen Vorhabens ist ganz zentral mit der Adaptation dieser Erzählung in Verbindung zu bringen: Die ‚Erhebung‘ wird als der Auszug der Juden aus Ägypten vergegenwärtigt. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, wie diese Erzählung zeitgenössisch gedeutet wurde, so dass sich die ‚Aufständischen‘ auf dieses Narrativ während des gesamten ‚Bauernkrieges‘ berufen konnten. Ordnet man die Adaptation dieser Erzählung zudem in die Rezeptionstradition dieses für die Frühe Neuzeit prägenden Narrativs ein, ergeben sich außerdem Hinweise auf eine andere Traditionsgeschichte, als die, in welchen der ‚Bauernkrieg‘ bisher eingeordnet wurde.62 Jede Methode besitzt Stärken und Schwächen, die im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand erläutert werden müssen. Die Historische Semantik bietet, als für viele Themenfelder bisher unerprobte Methode, die Möglichkeit, Überraschungen zu produzieren und gewohnte Denkmuster zu hinterfragen.63 In den letzten Jahren wurde in der Geschichtswissenschaft, wie in den Kulturwissenschaften allgemein, die Frage immer stärker reflektiert, wie Forscher Zusammenhänge zwischen Ereignissen herstellen.64 Für den ‚Bauernkrieg‘ wird wohl immer eine gewaltige

61 Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.2. 62 Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.3. 63 Vgl. etwa Kypta, die hierzu noch auf weitere Autoren verweist: Kypta, Ulla, Die Autonomie der Routine. Wie im 12. Jahrhundert das englische Schatzamt entstand (Historische Semantik, Bd. 21), Göttingen 2014, S. 26f. 64 Exemplarisch schildert Moritz Baßler in der Einleitung für einen Sammelband zu Schlüsseltexten des New Historicism die Herausforderung, dass ein historischer Hintergrund heute nicht mehr selbstverständlich als Antwort auf Fragen, wie sie sich aus den Texten ergeben, herangezogen werden könne, da die Autorität, einen Text zu deuten, selbst hinterfragt werden müsse. Der Kontext eines Textes wird somit zum Teil der Frage. Der New Historicism versucht daher, zeitgenössische Verstehenspotentiale zu rekonstruieren. Bassler, Moritz, Einleitung. New Historicism – Literaturgeschichte als Poetik der Kultur, in: New historicism. Literaturgeschichte als Poetik der Kultur, hg. von Moritz Bassler/ Stephen Greenblatt (Uni Taschenbücher, Bd. 2265), 2. Auflage Tübingen 2001, S. 7– 28.

22  1 Einleitung

Leerstelle darin bestehen, dass die ‚Aufständischen‘ ihr Vorhaben aus moderner Sicht nicht ausführlich erläuterten und es schlicht keine zeitgenössische Theorie der ‚Erhebung‘ gab. Für Massenerhebungen existiert wohl nie eine Anleitung in einem akademisch theoretischen Sinn, obwohl die Geschehnisse sich im Nachhinein doch scheinbar immer wie geplante oder wie von Zauberhand gelenkte Aktionen darstellen.65 Die Historische Semantik kann in dieser Lage helfen, einstmals bestehende Zusammenhänge und Kontexte wiederzuentdecken, die für die Zeitgenossen wohl entweder so selbstverständlich waren, dass sie nicht immer explizit erläutert werden mussten oder bereits mit wenigen Informationen eindeutig formuliert waren.66 Der Weg, dieses Wissen wieder zu Tage zu fördern, kann darin bestehen, Muster eines regelmäßigen Sprachgebrauchs ausfindig zu machen. Die Frage muss daher lauten, mit welchen Vorstellungen wurden bestimmte Wörter regelmäßig in Verbindung gebracht, beziehungsweise in welche semantischen Netzwerke wurden sie eingebunden? Wiederkehrende Kollokationen können daher, um Bernhard Jussen zu zitieren, als Ausdruck „habituell gewordener Gedanken“ verstanden werden.67 Anhand von drei (vermeintlichen) Nachteilen der Methode soll eine weitere Präzisierung des Untersuchungsganges vorgenommen werden. Erstens lässt sich zu Recht einwenden, dass die ‚Aufständischen‘ nicht über alle Geschehnisse Textzeugen hinterließen und teils selektiv berichteten. Ihre Aussagen lassen sich in diesem Sinn jedoch am Diktum von Anspruch und Wirklichkeit überprüfen. Man sollte ihre Schriften deshalb nicht als eine objektive Darstellung der Geschehnisse betrachten. Ein zweiter Kritikpunkt resultiert aus der Kommunikationssituation der Schriften aus dem Kreis der ‚Aufständischen‘. So konnten nur die wenigsten ‚Aufständischen‘

65 So konstatiert etwa Ranke: „Es ist, als führe eine geheime Leitung die Empörten nach einem bestimmten Ziele. Ihre Absicht war, sich zwar zunächst von den Herrschaften zu befreien, aber dann mit ihnen zu verbünden und eine gemeinschaftliche Richtung gegen die Geistlichkeit, vor allem gegen die geistlichen Fürsten zu nehmen.“ Ranke, Leopold von, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3, Merseburg, Leipzig 1933, S. 117. 66 Besonders für das Untersuchungsfeld der Sprache stellen Perkuhn, Keibel und Kupietz allgemein fest: „Für die Sprache gilt, wie für viele andere Domänen auch, dass das zugrundeliegende Wissen nicht direkt erfragt werden kann, es handelt sich um implizites oder stilles Wissen (engl. tacit knowledge).“ Perkuhn, Rainer/ Keibel, Holger/ Kupietz, Marc, Korpuslinguistik (Uni-Taschenbücher, Bd. 3433), Paderborn 2012, S. 11. 67 Jussen griff, um diesen Gedanken plausibel zu machen, auf die Arbeiten von Rolf Reichardt zurück. Jussen, Bernhard, Ordo zwischen Ideengeschichte und Lexikometrie. Vorarbeiten an einem Hilfsmittel mediävistischer Begriffsgeschichte, in: Ordnungskonfigurationen im Hohen Mittelalter, hg. von Bernd Schneidmüller/ Stefan Weinfurter (Vorträge und Forschungen, Bd. 64), Ostfildern 2006, S. 227–256, S. 243 u. Anm. 66.

1.3 Theorie und Methode  23

lesen und schreiben.68 Die Frage, ob ihre Schriften lediglich einen Elitendiskurs weniger Personen darstellen, ist ein höchst virulentes Problem der Bauernkriegsforschung. Im nächsten Kapitel soll ausführlich dargelegt werden, dass sich die Aussagen der Schriften zwar einerseits auf eine breite Masse von Unterstützern aus dem Lager der ‚Aufständischen‘ stützten, ihre Texte aber nicht für alle ‚Aufständischen‘ sprachen. Zudem ist ein grundsätzlicher Einwand als dritter Kritikpunkt festzuhalten, der mithelfen kann, die Grenzen der Methode abzustecken: Bei Deutungsmustern handelt es sich per Definitionem um überindividuelle Deutungen, welche die Beteiligten beeinflussen können, aber die individuelle Perspektive eines handelnden Menschen niemals vollkommen beschreiben. Kombiniert man die Stärken und Schwächen dieses Ansatzes und die Beschaffenheit des Quellenmaterials, lohnt sich ein Blick auf den Propagandabegriff der modernen Politikwissenschaft, um die Ausdehnung und Verbreitung dieser neuen Sprache erklären zu können. Maletzke definiert den Begriff folgendermaßen: „Propaganda sollen geplante Versuche heißen, durch Kommunikation die Meinung, Attitüden und Verhaltensweisen von Zielgruppen unter politischen Zielsetzungen zu beeinflussen.“69 Und Merten ergänzt: Propaganda ist eine „Technik zur Akzeptanz angesonnener Verhaltensprämissen, bei der die kommunizierte Botschaft durch Reflexivierung generalisierte Wahrheitsansprüche erzeugt, deren Akzeptanz durch Kommunikation latenter Sanktionspotentiale sichergestellt wird.“70 Propaganda darf in diesem Sinn nicht als Lüge verstanden werden. Dies wäre auch der grundsätzlich falsche Ansatz, um die Schriften der ‚Aufständischen‘ zu analysieren. Denn dadurch würde man ihre Aussagen lediglich widerlegen, anstatt sie verständlich zu machen. Propaganda erzeugt nach Maletzke stattdessen durch Kommunikation Sinn und kann zur Umdeutung einer wahrgenommenen Wirklichkeit beitragen. Merten stellt dabei die Technik dieser besonderen Kommunikationsform in den Mittelpunkt. Propaganda geht mit Sanktionspotentialen einher: sei es in der Form, eigene Positionen zu unumstößlichen Wahrheiten zu stilisieren oder tatsächlich physische Gewalt anzudrohen und anzuwenden. Auf die Schriften der ‚Aufständischen‘ treffen diese Definitionen im höchsten Maße zu. Ihre Aussagen zielten darauf ab, Personen zu beeinflussen und neue Wirklichkeitsvorstellungen

68 Endres, Rudolf, Die Verbreitung der Lese- und Schreibfähigkeit zur Zeit der Reformation, in: Festschrift Heinz Hürten zum 60. Geburtstag, hg. von Harald Dickerhof, Frankfurt am Main 1988, S. 213–224. 69 Maletzke, Gerhard, Propaganda. Eine begriffskritische Analyse, in: Publizistik 17 (1972), S. 153– 164, S. 157. 70 Merten, Klaus, Struktur und Funktion von Propaganda, in: Publizistik 45 (2000), S. 143–162, S. 161.

24  1 Einleitung

durch einen veränderten Sprachgebrauch und letztlich auch durch die Anwendung von Gewalt durchzusetzen.71 Ausgehend von der Idee der Historischen Semantik, möglichst viele Sprachdaten in die Untersuchung einzubeziehen, lag es nahe, das Untersuchungskorpus zu digitalisieren. Die quantitative Auswertung wurde mit dem Programm „Antconc“ durchgeführt, welches eine Vielzahl an Möglichkeiten bietet, mit den unterschiedlichen Schreibweisen frühneuzeitlicher Wörter umzugehen. Bei der Analyse überwog nicht nur der technische Vorteil, Suchprozesse zu beschleunigen und so überhaupt ein breites Korpus möglichst zeitsparend analysieren zu können, sondern auch der methodische Mehrgewinn, ohne Vorannahmen Sprachauffälligkeiten untersuchen zu können.72 Die theoretisch-methodischen Präliminarien des ersten Teils dieser Arbeit sind damit umrissen und bedürfen für den zweiten Part, der Analyse der Geschichtsschreibung, noch weiterer Ausführungen. Die Deutungsmuster der ‚Erhebung‘ sollen im Kapitel 3 nicht mehr nur auf der Ebene der Wörter, sondern auch auf dem Feld der narrativen Elemente, die größere Texte konstituieren, analysiert werden. Die Geschichtsschreibung der Zeitgenossen ist als Teil eines Gegendiskurses zu verstehen, welcher die Deutungsmuster der ‚Erhebung‘ in Frage stellte. Die narrativen Strukturen historiographischer Texte haben seit Hayden White eine Bedeutungsaufwertung über den Status als rhetorische Figuren hin zu sinnstiftenden Elementen erfahren. Heute gilt es als Common Sense, dass die Auswahl des Stoffes, die Festlegung des Beginns der Darstellung und etwa die Gestaltung ihres Endes das Verständnis eines Themas mindestens so stark beeinflussen wie die explizit ausgesprochenen Schlussfolgerungen des Historikers.73

71 In diesem Sinn könnte der Terminus Technicus des Deutungsmusters stark an den Begriff des „Propagems“ angelehnt werden. Rainer Gries versteht darunter: „Semantische Marker politischen Inhalts, die als kleine Erzählungen, begrenzter Komplexität, wiederholt und über lange Zeit, mit Massenmedien einer breiten Zielgruppe vermittelt werden.“ Gries, Rainer/ Schmale, Wolfgang (Hg.), Kultur der Propaganda (Herausforderungen, Bd. 16), Bochum 2005, S. 34. 72 Unterschieden werden kann zwischen zwei Analyseformen: Unter dem Corpus-Based-Ansatz werden alle Untersuchungsformen subsumiert, mit deren Hilfe Thesen an einem Korpus überprüft werden können. Mit der Corpus-Driven-Methode werden dagegen Thesen generiert, die sich aus den Sprachmustern ergeben, welche durch Text-Mining-Methoden zur Verfügung gestellt werden, wie sie etwa Kollokations- und Häufigkeitsanalysen darstellen. Perkuhn/ Keibel/ Kupietz, Korpuslinguistik (wie Anm. 66), S. 20f. 73 Die von vielen Historikern zunächst artikulierte Skepsis gegenüber der These von der Konstruiertheit aller historiographischen Darstellungen, ist zunehmend zu Gunsten einer konstruktiven Auseinandersetzung mit den Ansätzen von White gewichen. An dieser Stelle seien lediglich zwei Sammelbände, die für diese Studie wichtig waren, genannt: Conrad, Christoph/ Kessel, Martina (Hg.), Geschichte schreiben in der Postmoderne. Beiträge zu aktuellen Diskussionen (Universal-Bibliothek, Bd. 9318), Stuttgart 1994. Rau, Susanne/ Studt, Birgit/ Benz, Stefan/ Bihrer, Andreas/ Sawilla, Jan Marco/ Steiner, Benjamin (Hg.), Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienhandbuch zur Historiographie (ca.1350–1750), Berlin 2010.

1.3 Theorie und Methode 

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Unter einem Narrativ soll im Folgenden ein kulturelles Muster verstanden werden, mit dessen Hilfe Geschehnisse zu einer nachvollziehbaren Handlung verknüpft werden. Entsprechend dieser Definition kann man Erzählungen nicht nur zwischen Buchdeckeln finden, sondern diese als elementare Operationen des Verstehens einordnen, die wie Rezeptionsvorlagen den menschlichen Blick auf die Wirklichkeit steuern. Erzählungen basieren folglich auf einem Schema, das aus der Fülle von vorhandenen Informationen und Möglichkeiten eine Auswahl trifft und entsprechend einer Regel miteinander verknüpft.74 Ein Beispiel für ein solches Narrativ stellt etwa die biografische Erzählung „From dishwasher to millionaire“ dar, das Aufsteigergeschichten in der amerikanischen Moderne strukturiert. Auch wenn die konkreten Geschichten nur selten mit dem Tellerspülen beginnen, führen sie den wirtschaftlichen Erfolg eines Individuums schematisch auf dessen eigene Leistungen und auf erfolgfördernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen zurück.75 Während folglich jede Adaptation einer Erzählvorlage variieren kann, wird als ein Narrativ das dahinterliegende Muster bezeichnet. Zu berücksichtigen gilt dabei, dass die zugrundeliegenden Schemata immer auch gesellschaftliche Erwartungen und Normen widerspiegeln, die es zu untersuchen lohnt. Die Bauernkriegsdarstellungen sollen dabei im Folgenden nicht als monolithische Erzählungen aufgefasst werden, die nur von einem Erzählmuster regiert werden. Vielmehr finden sich in ihnen eine Vielzahl von Rezeptionsmodellen, auf welche die Autoren zurückgriffen, um das Geschehnis einzuordnen. Der narratologische Blick kann dabei helfen, die Deutungsmuster ausfindig zu machen, durch welche bestimmte Ereignisse für die Chronisten zum bauernkrieg wurden, von welchem die Autoren – wie selbstverständlich – sprachen. Um das Bauernkriegsverständnis der Geschichtsschreiber zu analysieren, müssen neben den verwendeten Rezeptionsmodellen noch andere Faktoren berücksichtigt werden, die sich aus der Gattung der Historiographie und den Entstehungsbedingungen der Einzelwerke ergeben. Anhand der Äußerungen des Basler Chronisten Heinrich Ryhiner über die Anforderungen an eine Bauernkriegsgeschichtsschreibung sollen die notwendigen theoretischen und methodischen Schlussfolgerungen abgeleitet werden. In der Vorrede zu seiner zeitgenössischen Darstellung führt der Chronist an, dass er lieber „gutte thäten, dan ditz verhassten“ Sache darstellen würde. Er befürch-

74 Einer zitierfähigen Definition verweigert sich Albrecht Koschorke, der aber eine brauchbare Eingrenzung des Themengebiets liefert. Koschorke, Albrecht, Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie, Frankfurt am Main 2012, bes. S. 19–60. 75 Duncan, Aaron M., Gambling with the Myth of the American Dream (Routledge Research in Sport, Culture and Society), Florence 2015.

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tet für seine Beschreibung, vor allem „verdruss“ zu empfangen.76 Tatsächlich wurde seine Schrift, die der damals noch junge Schreiber dem Rat widmen wollte, diesem nicht übergeben. Im Jahr 1534 distanziert sich Ryhiner von seiner Arbeit, indem er sie verschwieg: „Und dann angeregter purenkrieg mer dann ein verhasste sach, dessen hystory nit one viler verletzung mit warheit beschriben werden möcht, hab ich die selbigen tragedien andern, so vilicht bessern lust dann ich darzu tragend, ze beschriben sparen.“77 Nach Ryhiners Auffassung ist Geschichtsschreibung zu diesem Thema von vier Faktoren abhängig: der Schreibabsicht eines Autors („lust“), dem Gattungsanspruch der Wahrhaftigkeit („warheit“), der zeitgenössischen Erinnerungskultur („verhasste sach“ und „tragedien“) sowie der Publikumserwartung, „gutte thäten“ darzustellen, anstatt „verdruss“ zu bereiten. Für das Verschweigen seiner eigenen Darstellung scheint entsprechend seiner Aussagen ein Konflikt zwischen dem Anspruch der Wahrhaftigkeit und der antizipierten Publikumserwartung an eine möglichst heroische Darstellung ausschlaggebend gewesen zu sein, die offenbar nicht erfüllt werden konnte. Entsprechend der Äußerungen Ryhiners gilt es im Folgenden besonders auf die Wechselwirkung der institutionellen Entstehungsbedingungen und der zeitgenössischen Erinnerungskultur auf der einen Seite und den Inhalten der Geschichtswerke auf der anderen Seite zu achten, die es methodisch-theoretisch zu reflektieren gilt. Kommt man zuerst auf die Entstehungsbedingungen zu sprechen, lässt sich die institutionelle Nähe zu einer Obrigkeit, wie sie etwa Ryhiners Anstellung als Stadtschreiber darstellt, auch für die meisten anderen Autoren bestätigen. Aufgrund dieser Konstellation eignet sich das Konzept der pragmatischen Schriftlichkeit, um nach Verbindungslinien zwischen dem Nützlichkeitsdenken an Herrschaftsorten und den Formen und Inhalten der Geschichtsschreibung zu fragen. Ein heuristischer Fehlschluss wäre es allerdings – wie Ryhiners Ausführungen eindrucksvoll verdeutlichen –, die jeweilige Geschichtsdarstellung lediglich als Repräsentation eines offiziellen Geschichtsbilds anzusehen. Vielmehr ist es sinnvoll, von antizipierten Publikumserwartungen zu sprechen, welche die Autoren zu erfüllen suchten.78

76 Ryhiner, Heinrich, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges. 1525, in: Basler Chroniken. Bd. 6, hg. von August Bernoulli, Leipzig 1902, S. 461–524, S. 471. Ausführlich zu Ryhiner vgl. diese Arbeit Kapitel 3.1.2 und 3.2.2.1. 77 Zitiert nach dem Editor: ebd., S. 465. 78 Meier-Staubach, Christel, Träger, Felder, Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter. Bericht über die Arbeit des Sonderforschungsbereichs 231 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1986–1999, Münster 2003. Zuvor bereits schon: Schmale, Franz Joseph, Funktionen und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung (Die Geschichtswissenschaft) 2. Auflage Darmstadt 1993, S. 143–146. Graus, František, Funktionen der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im späten Mittelalter, hg. von Hans Patze (Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte: Vorträge und Forschungen 31) Sigmaringen 1987, S. 11–55.

1.3 Theorie und Methode 

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Zu diesem Zweck gilt es, die Darstellungen als Speichermedium einer übergeordneten Erinnerungskultur zu verstehen, zu welcher die Werke Stellung nehmen.79 Heinrich Ryhiner spricht überdies sehr deutlich die zeitgenössische Erinnerungsgeschichte des ‚Bauernkriegs‘ an, die in Basel offenbar eher vom Verdrängen als vom Siegestaumel geprägt war. Explizit verwendet er den Terminus der Tragödie, wobei er darunter sicherlich nicht die moderne Bedeutung des Ausdrucks, sondern vielmehr das damalige Verständnis des Wortes im Sinne einer schandhaften und ehrlosen Handlung verstand.80 Die Darstellungen können sich folglich dazu eignen, die kulturellen Zuschreibungen der Zeitgenossen zu den Konzepten eines Gewinners und eines Verlierers näher zu untersuchen, zumal noch heute sehr unkritisch die Gattung der Bauernkriegsgeschichtsschreibung generell als Siegergeschichtsschreibung firmiert, ohne die kulturelllen Vorstellungen von Ehre und Schande zu berücksichtigen. Von Interesse erscheinen vor allem die narrativen Strategien, mit denen die Autoren versuchten, mögliche Statusgewinne und Statusverluste ihrer Herrscher mit Hilfe der Texte zu beeinflussen. Zu diesem Zweck soll die Plottheorie von Hayden White adaptiert werden, der von vier überzeitlichen Erzählmustern ausgeht, nach denen Historiker ihren Darstellungen eine Struktur und damit auch eine Erklärung der Ereignisse im Sinne eines Geschichtsbilds verleihen. Problematisch sind dabei allerdings vor allem zwei Punkte. Angesichts der Kulturabhängigkeit von Erzählmustern müssen Deutungsmuster deduktiv gewonnen werden und in Bezug zu Quellen außerhalb der Darstellungen gestellt werden, anstatt sie induktiv auf die Ereignisse zu übertragen. Zweitens betrachtet White Plots als das einzige Erzählmuster in Geschichtsdarstellungen. Zwar kommt seinen Schlussfolgerungen ein hohes Gewicht zu, dass Rahmungen, wie sie durch die Wahl des Anfangs und des Endes einer Handlung entstehen, bereits Erklärungen schaffen, dennoch können in Geschichtsdarstellungen häufig mehrere Erzählmuster ausfindig gemacht werden, die ebenfalls Schlussfolgerungen bezüglich des Geschichtsbilds der Zeitgenossen zulassen. Die Plots, von denen White spricht, sollen in diesem Sinn lediglich als Er-

79 Der Begriff der Erinnerungskultur wird meist in Anlehnung an das Konzept des kollektiven Gedächtnisses verstanden. Erll definiert: „Erinnerungskulturen nehmen mit Hilfe von symbolischen Formen, Medien und Institutionen auf eine wertbesetzte und selbstbezogene Weise Bezug auf die Vergangenheit, die dem individuellen Erinnern ähnelt […].“ Die Geschichtsschreibung als Medium der Erinnerungskultur befindet sich dabei in einer vielfältigen Austauschbeziehung zur Gesellschaft. Der Begriff des Geschichtsbildes, den etwa Susanne Rau kritisiert, soll in dieser Arbeit eher allgemein im Sinne des Geschichtsverständnisses verwendet werden. Aufgrund der ausufernden Literatur sei lediglich verwiesen auf: Erll, Astrid, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, 3. Auflage Stuttgart 2017. Zitat ebd., S. 122. Und zur instruktiven Einleitung von Raus Promotionsschrift: Rau, Susanne, Geschichte und Konfession. Städtische Geschichtsschreibung und Erinnerungskultur im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung in Bremen, Breslau, Hamburg und Köln (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas, Bd. 9) Hamburg, München 2002, S. 33–59. 80 Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 21, Sp. 1154–1157.

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zählstrukturen neben anderen Erzählmustern verstanden werden, wobei die Theorie von White den Blick für die Auswirkungen schärft, welche die Autoren dem ‚Bauernkrieg‘ für ihren Herrschaftskontext zur Abfassungszeit der Texte zumaßen und wie sie diese zu beeinflussen versuchten.81 Entgegen dem Selbstverständnis moderner Bauernkriegsdarstellungen des 20. und 21. Jahrhunderts, welche die Untertanen und ihre Situation in den Mittelpunkt rücken, nimmt die Obrigkeit eine zentrale Rolle in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung des 16. Jahrhunderts ein, wobei die Autoren selbstverständlich nicht umhinkamen, die Motive und Handlungen der ‚Aufständischen‘ zu erläutern. Auffällig ist hierbei, dass die Geschichtsschreiber die Deutungen der unterlegenen Partei nicht einfach ignorierten, sondern die Aussagen aus der Feder der ‚Aufständischen‘ mitunter einen breiten Raum einräumten. Aus diesem Grund soll danach gefragt werden, wie die sprachlos gewordenen ‚Aufständischen‘, die selbst keine Geschichtsschreibung anfertigen konnten, von den Autoren im Hinblick auf die Anforderungen der pragmatischen Schriftlichkeit und des Anspruches, einen inhaltlich kohärenten Text zu schreiben, wieder zum Sprechen gebracht wurden. Von Interesse sind insbesondere die narrativen und diskursiven Muster, mit deren Hilfe die systembedrohenden Aussagen der ‚Aufständischen‘ in einen herrschaftstabilisierenden Diskurs integriert wurden.82

1.4 Korpus „Der Begriff ‚Korpus‘ kann allgemein als – idealerweise elektronische – Sammlung schriftlicher und gesprochener Äußerungen definiert werden.“83 Die Sammlungen unterliegen dabei stets bestimmten Bedingungen, die im Folgenden für die zwei zusammengestellten Korpora erläutert werden sollen. Das Korpus zu den Äußerungen der ‚Aufständischen‘ besteht aus ca. 150.000 Token, das heißt, die absolute Zahl der vorkommenden Worteinheiten besteht aus

81 Insbesondere Whites Theorie der narrativen Modellierung, nach der eine Geschichtsdarstellung als Romanze, Tragödie, Komödie oder Satire angelegt sei, soll im Kapitel 3.2.1 adaptiert werden, da sie einen Gegenwartsbezug des vergangenen Ereignisses zur Abfassungszeit des Werkes verhandeln. So beschreiben Romanzen einen Sieg des Guten über das Böse, Tragödien handeln von der Unveränderlichkeit der Dinge, Komödien stellen eine Versöhnung in Aussicht, während Satiren das vollkommene Scheitern eines Protagonisten thematisieren. White, Hayden, Metahistory. Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt am Main 2008, S. 21–25. Zu einem freien Umgang mit Whites Theorie vgl. auch: Rau, Geschichte und Konfession (wie Anm. 79), S. 45. 82 Dies ist etwa eine charakteristische Fragestellung der Kolonialismusforschung: Chakravorty Spivak, Gayatari, Can the subaltern speak?, in: Can the subaltern speak? Postkolonialität und subalterne Artikulation, hg. von Gayatari Chakravorty Spivak/ Hito Steyerl/ Alexander Joskowicz/ Stefan Nowotny (Es kommt drauf an, Bd. 6), Wien 2008, S. 17–118. 83 Perkuhn/ Keibel/ Kupietz, Korpuslinguistik (wie Anm. 66), S. 45.

1.4 Korpus 

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150.000 Objekten.84 Die Sammlung wurde nach Textsorten und Sprechergruppen sortiert, um diese getrennt untersuchen zu können. Aufgenommen wurden alle Flugschriften aus den Händen der ‚Aufständischen‘ sowie Korrespondenzen und Dokumente zur Christlichen Versammlung von Oberschwaben, der Württemberger Vereinigung, dem Neckartal-Odenwälder und Taubertaler Haufen sowie der Vereinigung zu Bildhausen. Die digitale Auswertung liefert damit ausschließlich Ergebnisse zum ‚Bauernkrieg‘ im süddeutschen Raum.85 Den Datenfundus für diese Versammlungen stellen die grundlegenden Editionen zum ‚Bauernkrieg‘ aus diesen Räumen bereit: die Aktenedition von Franz Ludwig Baumann zu Oberschwaben, die gesammelten Aktenstücke des Hauptmanns Ulrich Artzt, die wohl vollständig überlieferte Kanzlei der Württembergischen Bauern, die Schriften, welche Ferdinand Friedrich Oechsle aus den schwäbischfränkischen Grenzlanden zusammentrug, die Akten und Dokumente, die der Geschichtsschreiber Lorenz Fries in seine Chronik aufnahm, sowie die entsprechenden Dokumente aus der Edition „Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland“.86 Das Korpus umfasst damit einen repräsentativen Querschnitt für die einzelnen Versammlungen.87 Eine vollständige Aufnahme aller Dokumente, die

84 Ebd., S. 27. 85 Zu einem bibliographischen Überblick zu den Flugschriften des ‚Bauernkriegs‘ vgl. Claus, Helmut, Der deutsche Bauernkrieg im Druckschaffen der Jahre 1524–1526. Verzeichnis der Flugschriften und Dichtungen (Veröffentlichungen der Forschungsbibliothek Gotha, Bd. 16), Gotha 1975. 86 Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15). Vogt, Wilhelm, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527. Ein Beitrag zur Geschichte des schwäbischen Bundes und des Bauernkrieges, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 6 (1879), S. 271–404; 7 (1880), S. 233–380; 9 (1882), S. 1–62; 10 (1883), S. 1–279. Franz, Günther, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg, in: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte 41 (1935), S. 83–108 u. 281–305. Oechsle, Ferdinand Friedrich (Hg.), Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden. Aus handschriftlichen, meistens archivalischen Quellen geschöpft und herausgegeben (Beiträge zur Geschichte Deutschlands, Heilbronn 1830, S. 245–387. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20). Fuchs, Walther Peter/ Franz, Günther (Hg.), Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland, Jena 1942. Zudem wurde die sog. Mainzer Kapitulationsurkunde der Neckartal-Odenwälder aufgenommen, die eine hohe Verbreitung fand, sich aber nicht in den obigen Sammlungen findet. Die Kapitulationsurkunde des Erzstifts Mainz, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 57f. 87 Eine Verzerrung der Aussagefähigkeit des Korpus durch eine einseitige Datengrundlage wurde versucht, ausauszugleichen. Ein erstelltes Korpus zu den einzelnen Versammlungen stützt sich dabei niemals auf nur eine Quellensammlung oder einen Überlieferungskontext, sondern kombiniert mehrere miteinander. Für die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder sind etwa Artzt, Oechsle, Franz und Fries relevant. Dass Lorenz Fries, der wichtigste Sammler für den fränkischen Raum, die Texte inhaltlich nicht verfälschte, beweist ein Vergleich mit seinem Kontrapart, dem Geschichtsschreiber der Stadt Würzburg: Wieland, Michael (Hg.), Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal. Nebst einem Anhang: Geschichte des Kitzinger Bauernkriegs von Hieronymus

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teils noch unediert sind, wäre aus Zeit- und Kostengründen nicht möglich gewesen, obwohl die Akten aus den Archiven vielfach kommentierend verwendet werden.88 Bei der Zusammenstellung des Korpus stellt sich allerdings die grundlegende Frage, wer überhaupt zu den ‚Aufständischen‘ gehörte, woraus sich die Frage ableitet, welche Texte herangezogen werden dürfen? Außerdem muss aus diesem Grund dezidiert nach der Verfasserschaft der jeweiligen Dokumente gefragt werden, woraus sich Schlussfolgerungen zur Aussagekraft der Texte für die Anliegen der ‚Aufständischen‘ ergeben. Zur Beantwortung dieser Fragen ist besonders zu berücksichtigen, dass sich die Haufen als Schwureinigungen konstituierten. Entsprechend dieser Organisationsform gehörten den Versammlungen diejenigen an, die sich eidlich anschlossen. Die Haufen versuchten, möglichst alle Personen und Herrschaftsträger in ihrem Einflussgebiet zum Eintritt in die Versammlung zu bewegen.89 Aufgrund der Quellenüberlieferung lässt sich der genaue Zeitpunkt nicht immer ganz einfach festlegen, ab dem sich ein Adeliger, ein Kloster oder ein Ort in der Schwureinigung befand. In einigen Fällen scheint auch der Eid kein zwingendes Kriterium gewesen zu sein. Bereits Proviantlieferungen oder das Anbringen von Symbolen über Toreingängen konnten als Zeichen der Zusammengehörigkeit gewertet werden.90 Für die Quellen-

Hammer, Würzburg 1887, S. 1–115 Aus der Drucklegung von Oechsle wurden nur vollständig transkribierte Schriften übernommen. Eine Neuedition gerade der von ihm verwendeten hohenlohischen Überlieferung wäre wünschenswert. 88 Alle vier Teilkorpora zu den Versammlungen sind etwa gleich groß und behandeln den gesamten Zeitraum des Bestehens der einzelnen Haufen. Im Vergleich der Textsorten sind lediglich für das Korpus zur Versammlung aus Oberschwaben die Gattungen der Korrespondenzen unterrepräsentiert und Beschwerdeartikel überrepräsentiert. Zum Begriff der Repräsentativität in der Korpuslinguistik vgl. Perkuhn/ Keibel/ Kupietz, Korpuslinguistik (wie Anm. 66), S. 46f. 89 Allgemein vgl. Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30), S. 260–271. Zu den Charakteristika von Schwureinigungen als Phänomen der europäischen Geschichte siehe: Okinaschwili, Nino, Gab es eine Eidgenossenschaft im Hohen Kaukasus? Untersuchungen zur Schwureinigung anhand svanischer Gedenkaufzeichnungen, in: Das Individuum und die Seinen. Individualität in der okzidentalen und in der russischen Kultur in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Otto Gerhard Oexle (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 163), Göttingen 2001, S. 127–152. Besonders der Umgang mit Burgen und die Anwendung von Zwangsmaßnahmen rief in der Forschung Interesse hervor: Vogler, Günter, Schlösserartikel und weltlicher Bann im deutschen Bauernkrieg, in: Der deutsche Bauernkrieg 1524/25. Geschichte, Tradition, Lehren, hg. von Adolf Laube/ Gerhard Brendler (Schriften des Zentralinstituts für Geschichte, Bd. 57), BerlinOst 1977, S. 113–157. Buszello, Horst, Adel, Burg und Bauernkrieg. Adel und adelige Herrschaft im Denken der Aufständischen 1525, in: Die Burg. Wissenschaftlicher Begleitband zu den Ausstellungen „Burg und Herrschaft“ und „Mythos Burg“, hg. von Georg Ulrich Grossmann/ Hans Otto Meyer, Dresden 2012, S. 134–143. 90 Die anonyme Chronistin aus dem Kloster Heggbach bedauert, dass sie eine Bäuerin habe sein müssen, nachdem die ‚Aufständischen‘ ein rotes Kreuz als Symbol der Vereinigung auf einem Tor zum Kloster angebracht hätten. Wenige Tage darauf sei über einen formalen Anschluss schließlich unter Beteiligung der Nonnen verhandelt worden. Anonyma, Heggbacher Chronik, in: Quellen zur

1.4 Korpus 

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aufnahme wurde neben dem harten Kriterium des eidlichen Beitritts noch ein weicheres Kriterium hinzugezogen. In den Städten und Gemeinden markierte die Formulierung von Beschwerdeartikeln einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zum Anschluss an die Vereinigungen. Bei der späteren Analyse der Schriften muss deshalb differenziert werden, wer die Dokumente verfasste: die Kanzlei der Haufen oder Personen und Orte, die sich angeschlossen hatten oder sich noch auf dem Weg dazu befanden. Blickt man weiterhin auf die Struktur der Versammlungen, ergeben sich Antworten auf die Fragen, wer überhaupt im Namen der ‚Aufständischen‘ sprach und wie repräsentativ diese Aussagen sind. In den angeschlossenen Städten und Gemeinden hatten vor dem Beitritt in der Regel Auseinandersetzungen zwischen einer Opposition und den etablierten institutionalisierten Kräften stattgefunden. Die Oppositionsbewegungen errangen dabei immer stärkeren Einfluss auf Räte, Dorfmeister und Bürgermeister. Bezeichnenderweise passten sich die Schreiben der Orte immer stärker den Sprachvorgaben der Versammlungen an. Die Dörfer und Städte mussten den Haufen schließlich Abordnungen stellen, an deren Spitze ein von der Gemeinde gewählter Hauptmann stand, der mit den Räten, die ebenfalls von der Gemeinde gewählt wurden, über die Politik der Vereinigungen mitbestimmten durfte.91 An der Politik der Haufen wirkten aber nicht nur die gewählten Hauptmänner und Räte mit, sondern wichtige Entscheidungen wurden überdies gemeinsam von allen ‚Aufständischen‘ im Ring getroffen. An der Spitze der Haufen standen schließlich ein oder zwei von den Hauptmännern und Räten gewählte oberste Hauptmänner. Weitere Wahlämter konnten hinzutreten.92 Am Beispiel der Taubertaler Ver-

Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 277–295, S. 284f. u. 287. In Franken warf der Markgraf von Brandenburg-Ansbach der Stadt Windsheim vor, zur Vereinigung der Bauern zu gehören, da sie diese mit Proviant versorgt habe. Stadtarchiv Bad Windsheim, B 207, S. 50–54. 91 Eine Kategorisierung von unterschiedlichen Formen der Beteiligung von Städten im Bauernkrieg liefert exemplarisch für Mitteldeutschland: Tode, Sven, Stadt im Bauernkrieg 1525. Strukturanalytische Untersuchungen zur Stadt im Raum anhand der Beispiele Erfurt, Mühlhausen/ Thür., Langensalza und Thamsbrück, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris 1994. Allgemeiner zum Übergreifen der ‚Erhebung‘ auf die Städte: Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 126–143. Zur Veränderung der Sprache vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.1.2. 92 Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30), S. 271–273. Hoyer, Siegfried, Das Militärwesen im deutschen Bauernkrieg. 1524–1526, Berlin-Ost 1975, S. 91–106. Für die Bildhäuser Versammlung sind die Entscheidungen im Ring am besten dokumentiert. Die Beteiligten stimmten etwa darüber ab, dass aus Städten und Zenten Personen als stimmberechtigte Räte in die Versammlung aufgenommen werden dürften. Im Ring wurde überdies beschlossen, keine Adeligen mehr aufzunehmen und Schlösser zu zerstören. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 381 u. 389.

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sammlung lässt sich der Umgang mit den anfallenden Korrespondenzen besonders anschaulich erläutern. In der Ochsenfurter Feldordnung wurde festgelegt, dass der oberste Feldhauptmann, der höchste Amtsträger dieser Versammlung, von den Räten und Hauptleuten gewählt werden musste. Die Wahlmänner sollten diesen zudem kontrollieren, so dass er ohne deren „wissen und willen“ nichts handeln könne.93 Gegen eigenmächtige Entscheidungen baute die Versammlung explizit vor: Der oberste Feldhauptmann durfte ohne das Wissen der Hauptleute und Räte keine Briefe annehmen, öffnen und keine Korrespondenzen verschicken. Mindestens eine Anzahl von drei Räten und Hauptleuten sollte den Briefwechsel stets kontrollieren.94 Die Korrespondenzen mussten zudem noch von Kanzleischreibern angefertigt und von Sieglern ein weiteres Mal überprüft werden.95 Das Wissen um die Inhalte der Schreiben und die Entscheidungen dieses inneren Kreises durfte angesichts der Vielzahl der Beteiligten allgemein bekannt gewesen sein. Gingen die Schreiben an Orte, die sich anschließen sollten, wurden die Texte dort öffentlich verlesen.96 Die neu hinzugekommenen ‚Aufständischen‘ und ihre geweckte Erwartungshaltung stellten somit eine weitere Kontrollinstanz dar. Der Inhalt der Schreiben spiegelte folglich einen breiten Konsens innerhalb der Zusammenschlüsse wider. Die Einflussmöglichkeiten der Anführer der ‚Erhebung‘ werden in der Forschungsliteratur unterschiedlich bewertet. Während Blickle ihre Eigenleistung auf die Auswahl von „klare(r) Sprache und Form“ beschränkt sieht, äußert sich Brackert zurückhaltender, indem er der breiten Masse eine Unsicherheit über die richtigen Verhaltensweisen unterstellt und somit den Interessen und Entscheidungen der Anführer ein größeres Gewicht zumisst.97 Demgegenüber urteilt Wunderlich lakonisch, dass die wenigen literarischen Zeugnisse der ‚Aufständischen‘ nicht einmal

93 Ebd., I, S. 144. 94 Ebd., I, S. 144f. 95 Über die Tätigkeit des Sieglers Johann Buthner, eines Bürgers aus Volkach: ebd., I, S. 298 u. II, 322 u. 326. 96 Exemplarisch vgl. ebd., I, S. 132, 133, 137 u. 149 (dort auch noch einmal zum Siegeln). Die Werbungsschreiben der Bauernversammlungen an andere Orte werden im Kapitel 2.2.2 noch dezidiert analysiert. Dass auch den leseunkundigen Untertanen die Inhalte von Flugschriften, dem Massenmedium der Zeit, zugänglich waren, gilt inzwischen als gut dokumentiert. Grundlegend: Wohlfeil, Rainer, Reformatorische Öffentlichkeit. Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, in: Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformation, hg. von Ludger Grenzmann/ Karl Stackmann, Stuttgart 1984, S. 41–54. 97 Blickle, Peter, Nochmals zur Entstehung der Zwölf Artikel im Bauernkrieg, in: Bauer, Reich und Reformation. Festschrift für Günther Franz zum 80. Geburtstag am 23. Mai 1982, hg. von Peter Blickle/ Wilhelm Abel/ Günther Franz, Stuttgart 1982, S. 286–308, S. 307f. Brackert, Bauernkrieg und Literatur (wie Anm. 4), S. 57.

1.4 Korpus

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von den Untertanen selbst stammten.98 Angesichts der Entscheidungsstruktur der Versammlungen ist Wunderlichs These deutlich zu widersprechen. Andererseits handelten jedoch auch immer wieder ‚Aufständische‘ gegen die Anweisungen der gewählten Amtmänner. In dieser Arbeit muss daher immer wieder punktuell zwischen den Positionen von Blickle und Brackert abgewogen werden. Damit zu der Frage, wie sich das Korpus der historiographischen Texte zusammensetzt. Der Begriff der Geschichtsschreibung gehört zu den Vorstellungen, die nur auf den ersten Blick eindeutig erscheinen. Den weitesten Definitionsvorschlag unterbreitet Völkel, der darunter „alle menschlichen Anstrengungen“ versteht, „das Wissen über bzw. die Erinnerung an historische Erfahrungen, Geschehnisse, Zustände und Erwartungen in dauerhafter, verständlicher und z.T. auch in ästhetisch wirksamer Form niederzulegen.“99 Dieser weiten Auffassung stehen zwei Möglichkeiten der Eingrenzung gegenüber. Erstere beschränken den Terminus anhand der Medien der Geschichtsschreibung. Nach Goetz und Schmale bildet die schriftliche Überlieferung das entscheidende Definitionsmerkmal.100 Der zweite Ansatz fragt nach dem Grund des Schreibens: Dienen Texte mit Vergangenheitsbezügen eher der Informationsvermittlung, oder zielen sie eher auf die Erinnerung an die Vergangenheit ab?101 Im Unterschied zum Informieren referiert das Erinnern nicht auf völlig Unbekanntes, sondern auf solche Wissensbestände, die zumindest als teilweise bekannt vorausgesetzt werden, sei es, dass sie persönlich erlebt oder im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe erwartet werden. In diesem Sinn kann man Geschichtsschreibung als einen erweiterten Gedächtnisraum verstehen, mit dessen Hilfe Erinnerungen konserviert und wieder wachgerufen werden.102 Für den ‚Bauernkrieg‘ ist diese Unterscheidung wichtig, da direkt nach der ‚Erhebung‘ zahlreiche „Neue Zeitun-

98 Wunderlich, Werner, Die Spur des Bundschuhs. Der Deutsche Bauernkrieg in der Literatur 1476–1976 (Literaturwissenschaft-Gesellschaftswissenschaft, Bd. 35), Stuttgart 1978, S. 29. Ähnlich äußert sich schon Franz, wenn er auf den Einfluss von Marten Feuerbacher für den Württemberger ‚Aufstand‘ zu sprechen kommt. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 217–220. 99 Völkel, Markus, Geschichtsschreibung. Eine Einführung in globaler Perspektive (Uni Taschenbücher, Bd. 2692), Köln 2006, S. 21. 100 Goetz, Hans-Werner, Proseminar Geschichte: Mittelalter (UTB, 1719: Geschichte), 4. Auflage Stuttgart 2014, S. 99. Schmale, Franz Josef, Funktion und Formen mittelalterlicher Geschichtsschreibung. Eine Einführung, Darmstadt 1985, S. 12. 101 Auch wenn auf den ersten Blick zwischen Vergangenheitswissen und Erinnerung keine Differenz bestehen mag, hat sich letztere Kategorie als entscheidendes Distinktionsmerkmal etabliert. Ebd., S. 5. Anderslautend urteilt Völkel, der Wissen und Erinnerung gleichsetzt: Völkel, Geschichtsschreibung (wie Anm. 99), S. 21. 102 Assmann, Aleida, Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 633), Bonn 2007, S. 23–61.

34  1 Einleitung

gen“ erschienen, welche als Neuigkeitsberichte fungierten, die aber heute oftmals als Geschichtsschreibung eingestuft werden.103 In dieser Arbeit können jedoch nicht alle zeitgenössischen Formen der Geschichtsschreibung zum ‚Bauernkrieg‘ untersucht werden, da das Thema schlichtweg zu häufig in Chroniken oder Biografien behandelt wurde. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich daher auf die zeitgenössischen monographischen Darstellungen, die den ‚Bauernkrieg‘ als eigenständiges Thema behandeln. Um ein möglichst homogenes Korpus zu bilden, wurden Reimchroniken ausgeklammert.104 Die Arbeit behandelt somit 29 prosaische monographische Texte zum ‚Bauernkrieg‘, die zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Abhandlung auffindbar waren.

103 Mit dem Problem der Gattungseinteilung der Geschichtsschreibung setzt sich ganz zentral Oliver Plessow auseinander: Plessow, Oliver, Die umgeschriebene Geschichte. Spätmittelalterliche Historiographie in Münster zwischen Bistum und Stadt (Münstersche Historische Forschungen, Bd. 14), Köln 2006. Die „Neue Zeitung“ als Gattung des Neuigkeitsberichts ist für den ‚Bauernkrieg‘ ein weitgehend unerforschtes Medium. So findet sich in den Archiven und Bibliotheken noch eine Vielzahl bisher unedierter Neuigkeitsberichte. Das dahinterstehende Nachrichtennetzwerk stellt ein Desiderat der Forschung dar. Siehe etwa: Hohenlohisches Zentralarchiv Neuenstein, GA 70 Bü. 87. Oder die Neuigkeitsberichte, welche in einem Sammelband aus dem Tegernseekloster gebündelt werden: Bayerische Staatsbibliothek, Cgm. 1585. 104 Zu den lateinischen Dichtungen über den ‚Bauernkrieg‘ vgl. Hamm, Servilia bella (wie Anm. 53). Zu den deutschen Dichtungen: Ders., Bilder der Macht und die Macht der Bilder. Der deutsche Bauernkrieg in zeitgenössischen volkssprachlichen Dichtungen, in: Dulce bellum inexpertis. Bilder des Krieges in der deutschen Literatur des 15. und 16. Jahrhunderts, hg. von Horst Brunner/ Joachim Hamm/ Mathias Herweg/ Sonja Kerth/ Freimut Löser/ Johannes Rettelbach (Imagines medii aevi, Bd. 11), Wiesbaden 2002, S. 110–174. Unter den volkssprachigen Dichtungen ist etwa noch die Reimchronik des Ebracher Abts Johann Leiterbach zu ergänzen. Bayerische Staatsbibliothek München, Cgm. 5051.

2 Der Diskurs der aufrürer 2.1 Sprach- und Denkräume des aufrurs 2.1.1 Die Stereotype des aufrurs In den Jahrzehnten vor dem ‚Bauernkrieg‘ nahmen die Unruhen im Reich stetig zu.105 Die Forschung erkennt darin einen Indikator für eine Krise, die zum einen aus einer wirtschaftlichen Stagnation bei gleichzeitigem Bevölkerungswachstum resultierte und zum anderen durch politische und religiöse Konflikte hervorgerufen wurde: Einzelakteure wie die Landesherren versuchten, politische Macht immer stärker auf sich selbst zu zentrieren, während die politische Erwartungshaltung in der Bevölkerung anstieg. Des Weiteren, so die inzwischen einschlägige Erklärung zu den Ursachen des ‚Bauernkriegs‘, stellte die reformatorische Bewegung die Einheit von Kirche und Gesellschaft grundsätzlich in Frage und trug damit zu einer erhöhten Politisierung der Bevölkerung bei, die mitunter zur Delegitimierung von Herrschaft führte.106 Zu einem Schlüsselwort dieser unruhigen Zeit avancierte der aufrur. Verallgemeinernd ausgedrückt, meinte aufrur für die Zeitgenossen einen Konflikt zwischen der Bevölkerung und der Obrigkeit. Dabei lassen sich mehrere Sprechweisen identifizieren, die während des Jahres 1525 parallel existierten. Der aufrur stellt deshalb keine neutrale oder objektive Beschreibung der Vorgänge dar. Bildlich gesprochen, öffnet die Analyse dieses Terminus einen Vorhang zu einer Bühne, auf der sich einer der zentralen Konflikte der Zeit um 1500 abspielte. Je nachdem, welchem gedanklichen Konzept man Glauben schenken möchte, wird eine unterschiedliche Form der Auseinandersetzung zwischen den Untertanen und der Obrigkeit dargestellt. In dem einen Fall wollten die Untertanen, wenn sie ein Anliegen besaßen, gemeinsam mit der Obrigkeit handeln. In dem anderen Fall wollten sie prinzipiell deren Sturz. Den Vorhang zu dem ersten Stück hob bereits Peter Bierbrauer im Jahr 1980. Er erarbeitete für das ausgehende Mittelalter ein Verlaufsschema sozialer Unruhen. Auf der Basis von Einzelerhebungen entwarf er ein typisches Schema: Die Verursachung von Unzufriedenheit in der Bevölkerung durch einen konkreten Anlass, wo-

105 Blickle, Peter, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300–1800 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 1), 3. Auflage München 2012, S. 12. 106 Einschlägig für diese multifaktorielle Verknüpfung, die, wie oben gezeigt, auf die Ansätze der 1970er Jahre zurückgeht, ist: Endres, Rudolf, Ursachen, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 217–253. Oder siehe etwa auch: Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 289–291. https://doi.org/10.1515/9783110603750-002

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raufhin die Untertanen mit der Formulierung von Beschwerdeartikeln reagierten (erste Stufe). Lenkte die Obrigkeit nicht ein, erfolgte die Verweigerung der Huldigung (zweite Stufe). In einem nächsten Schritt suspendierten die Beherrschten in der Regel die Leistung ihrer Abgaben (dritte Stufe). Häufig wurde in dieser Situation ein Vermittler eingeschaltet (vierte Stufe). Führte dies zu keinem Ergebnis, wendeten die Untertanen schließlich Gewalt an (fünfte Stufe), woraufhin die Obrigkeit ebenfalls zu den Waffen griff (sechste Stufe).107 Bierbrauers Modell und seine Schlussfolgerungen bleiben rein deskriptiv. Das Stück, das er nachzeichnete, kam sozusagen ohne Ton aus. Warum die Personen gerade auf diese Weise handelten, konnte er nicht erklären. Bierbrauer beschrieb lediglich die Abfolge von typischen Handlungsmustern. Ohne sein Modell überzuinterpretieren, kann man darin jedoch auch Formen der Kommunikation zwischen den Untertanen und ihren Herren erkennen. Widerständiges Verhalten unterlag einem ritualisierten Verlauf, der auf die Lösung eines Konflikts mit den Herrschenden abzielte: Handlungen, die auf den ersten Blick gegen die Obrigkeit gerichtet waren, wie Huldigungsverweigerungen, sollten die Herren zu einer Lösung des Konflikts bewegen. Dieses Schema ließ sich jederzeit durchbrechen, wenn eine der beiden Seiten zum Einlenken bereit war. Erst auf der letzten Stufe wurde der Konflikt mit Gewalt ausgetragen. Unklar bleibt allerdings, ob die Herren zu diesem Zeitpunkt von den Untertanen noch akzeptiert wurden.108

107 Bierbrauer, Peter, Bäuerliche Revolten im Alten Reich. Ein Forschungsbericht, in: Aufruhr und Empörung? Studien zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich, hg. von Peter Blickle/ Peter Bierbrauer/ Renate Blickle/ Claudia Ulbrich, München 1980, S. 1–68, S. 43–45. Winfried Schulze schlägt die Einteilung des bäuerlichen Widerstands entsprechend dem Schema „latenter Widerstand“, „manifester Widerstand“ und „gewaltsamer Widerstand“ vor, um typische Äußerungsmöglichkeiten von Untertanenprotesten unterscheiden und klassifizieren zu können. Schulze, Winfried, Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit (Neuzeit im Aufbau. Darstellungen und Dokumentationen, Bd. 6), Stuttgart-Bad Cannstatt 1980, S. 86–114. 108 In diesem Sinn werden etwa Fehden, die ebenfalls musterhaft ablaufen konnten, heute nach ihrer Bedeutung und Leistung zur Lösung von Streitfällen untersucht. Auch die Bauern, die Fehde führten, hatten diesen prozessualen und rituellen Charakter der Fehdepraxis verinnerlicht. Reinle, Christine, Bauernfehden. Studien zur Fehdeführung Nichtadeliger im spätmittelalterlichen römischdeutschen Reich. Besonders in den bayerischen Herzogtümern (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beihefte, Bd. 170), Stuttgart 2003. Ein Brückenschlag zum Konzept der symbolischen Kommunikation bietet sich an, um die Leistung von Gesten, Gebärden, aber auch schlicht wiederkehrenden Handlungen, hinsichtlich ihrer Qualität als Kommunikationsmittel zu untersuchen. Vgl. dazu diese Arbeit Kapitel 2.2.1.2.5. Stollberg-Rillinger definiert: „Mit symbolischer Kommunikation ist hier also Kommunikation mittels Symbolen in einem engeren Sinn gemeint; Symbole werden verstanden als eine besondere Spezies von Zeichen verbaler, visueller, gegenständlicher oder gestischer Art wie etwa sprachliche Metaphern, Bilder, Artefakte, Gebärden, komplexe Handlungsfolgen wie Rituale und Zeremonien aber auch symbolische Narrationen wie Mythen usf.“ Symbolische Kommunikation besitze neben einer kommunikativen Leistung immer einen „performativen Charakter“, nicht nur auf etwas hinzuweisen, sondern auch eine Veränderung von Zuständen

2.1 Sprach- und Denkräume des aufrurs 

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Für den ‚Bauernkrieg‘ wurde die Gültigkeit dieses Modells bisher noch nicht untersucht. Auch liegen keine Studien vor, welche dieses ritualisierte Handlungsschema mit bestimmten Vorstellungen der Untertanen im Jahr 1525 in Verbindung setzen. Wieso agierten die Beteiligten gerade auf diese Weise und nicht anders? Auf welches gemeinsame kulturelle Wissen mit der Obrigkeit referierten die Handlungen, so dass die Herren zur Beilegung eines Konflikts bewegt werden konnten?109 Zwei Beispiele belegen, dass diese Vorstellung einer Unruhe als Kommunikations- und Handlungsaufforderung noch im Jahr 1525 lebendig war. Im Ortenauer Vertrag, welchen der Markgraf von Baden mit seinen Untertanen zur Konfliktbeilegung schloss, wurde auf diffamierende oder anklagende Aussagen verzichtet. Vielmehr wurde konstatiert, dass die Untertanen treu und in friedlicher Absicht gehandelt hätten.110 Auch noch ein Jahr später, auf dem Reichstag zu Speyer, wurde zumindest ein rationaler Kern der Verursachung des ‚Bauernkrieges‘ diskutiert: die wirtschaftliche Not der Untertanen.111 Das Wort aufrur entstand wohl erst im 15. Jahrhundert und wurde tendenziell eher von Seiten der Obrigkeit als von den Untertanen verwendet. aufrur beschrieb die Erregung des Volkes im Sinne einer um sich greifenden Unruhe, aber auch die Gefahr des Friedensbruchs.112 Das Wort bezeichnete folglich mit der Konnotation

herbeizuführen. Stollberg-Rillinger, Barbara, Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe, Thesen, Forschungsperspektiven, in: Zeitschrift für historische Forschung 31 (2004), S. 489– 527, S. 500 u. 502f. 109 Dies räumt Bierbrauer selbst ein: Bierbrauer, Bäuerliche Revolten im Alten Reich (wie Anm. 107), S. 45. Politische Kommunikationssysteme freilich wurden bereits in den Mittelpunkt des Bielefelder SFB 586 gestellt. Für die österreichischen ‚Erhebungen‘ der Frühen Neuzeit bewertete bereits Andreas Würgler die Handlungen der Beherrschten als symbolische Kommunikation. Christoph Mauntel klassifizierte sehr differenziert die Gewalt, die in der Jaquerie von den Untertanen angewendet wurde, als Protestmittel, Selbsthilfe und Korrektiv einer fehlgeleiteten Politik der Obrigkeit. Würgler, Andreas, Medien in Revolten – Revolten in Medien. Zur Medialität frühneuzeitlicher Bauernrevolten und Bauernkriege, in: Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in den österreichischen Ländern. Ca. 1450–1815, hg. von Peter Rauscher/ Martin Scheutz (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 61), Wien, München 2013, S. 273–296. Mauntel, Christoph, Gewalt in Wort und Tat. Praktiken und Narrative im spätmittelalterlichen Frankreich (Mittelalter-Forschungen, Bd. 46), Ostfildern 2014, S. 224–245. 110 Der Markgraf von Baden konstatierte ausdrücklich und mehrmals, dass die Versammlung „nit in arger oder boßhaffter“ Haltung gegen ihre Obrigkeit zusammengekommen sei. Die „emboͤrung“, von der in diesem relativ langen Dokument nur einmal die Rede ist, wird nicht als Herrschaftssturz, sondern entsprechend des älteren Modells als Verhandlung über Beschwerdeartikel gedeutet. Ortenauer Vertrag, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 45–56. 111 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 246–253. 112 Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 1, Sp. 714–716 u. Bd. 4, Sp. 442. Göttinger Akademie der Wissenschaften, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 2, Sp. 627– 630. Drosdowski, Günther, Duden. Etymologie. Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache (Der Duden in 12 Bänden, Bd. 7), 2. Auflage Mannheim 1997, S. 52. Preußische Akademie der Wissen-

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der Ablehnung ein Vorhaben, das sich nicht auf den Umsturz der Herrschaftsordnung bezog.113 Bezeichnenderweise wurden im 15. Jahrhundert die Termini aufrur, krieg und fede synonym verwendet. Das Tertium Comparationis bildete dabei die mehr oder minder geregelte Form der Konfliktführung, welche unter der Zuhilfenahme von Gewalt auf die Lösung eines konkreten Streitfalls abzielte.114 Unter einem aufrur kann man unter diesem Blickwinkel eine stufenförmig eskalierende Auseinandersetzung verstehen, die dazu diente, einen Kommunikationsprozess zwischen den Untertanen und ihren Herren in Gang zu setzen, um Missstände zu beheben. Betrachtet man das andere Theaterstück zu den Untertanenerhebungen um 1500, traten zwar die gleichen Protagonisten auf, die Herren und ihre Untertanen, die Handlung dieser Aufführung zeigt jedoch eine völlige andere Form der Auseinandersetzung. Das Wort aufrur wurde in dieser Lesart für ein Vorhaben verwendet, das prinzipiell gegen die Obrigkeit gerichtet war und auf ihren Sturz abzielte. Dieses radikalisierte Aufruhrverständnis fasste der Reformator Johannes Brenz im Jahr 1525 in einer Sentenz zusammen: „Dann es ist gewiß, das durch aufruͦ ren das schwerdt der oberkait entwendet wirt, und gar zuͦ boden gestossen“.115 Die Ursachen für den Bedeutungswandel des aufrurs, der ursprünglich eine Kommunikationspraxis bezeichnete, sind in der Zeit vor dem ‚Bauernkrieg‘ zu suchen. Auf dem Reichstag von Worms im Jahre 1495 wurde die Fehde als Mittel der Konfliktführung verboten. Der Ewige Landfrieden sah stattdessen als Lösung für Konflikte die Beschreitung des Rechtsweges vor. Im Reichstagsbeschluss von 1495 waren Untertanenaufstände zwar nicht explizit erwähnt, die Beschlüsse gaben aber eine Richtung vor: In der Folgezeit wurden sie als Mittel der Konfliktführung immer seltener von der Obrigkeit akzeptiert.116 Mehr noch, in der Zeit um 1500 fassten die

schaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 1, Sp. 930. Das Wort „Empörung“ scheint späteren Ursprungs und ist als Synonym zum „Aufruhr“ vor allem im 16. Jahrhundert belegt. Ebd., Bd. 2, Sp. 1527. Zu einer älteren Herkunft der „Empörung“: Kluge, Friedrich, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage Berlin, New York 2002, S. 244. Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 307–323. Gegen die Gleichsetzung von „Aufruhr“ und „Empörung“, die sich in Bezug auf den ‚Bauernkrieg‘ süddeutscher Prägung aber nicht als stichhaltig erweist: ebd., S. 215–219. 113 Besonders anschaulich findet sich dies in der Bayreuther Stadtordnung von 1473. Siehe: Roth, Andreas, Kollektive Gewalt und Strafrecht. Die Geschichte der Massendelikte in Deutschland (Quellen und Forschungen zur Strafrechtsgeschichte, Bd. 4), Berlin 1989, S. 95. 114 Koselleck/ Meier/ Fisch/ Bulst, Revolution (wie Anm. 12), S. 681–699. 115 Brenz, Johannes, Von straff der auffruͤ rrischen bauren, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 334–337, S. 336. 116 So wurde im Jahr 1500 das gewaltsame Aufbegehren der Untertanen gegen ihre Obrigkeit vom Schwäbischen Bund als Landfriedensbruch aufgefasst. Im Jahr 1522 konnten die Untertanen vor dem Schwäbischen Bund, der sich einst als schiedsrichterliche Instanz verstand, nicht mehr gegen ihre Obrigkeit klagen. Vgl. dazu: Carl, Horst, Landfriedenseinung und Ungehorsam. Der Schwäbische Bund in der Geschichte des vorreformatorischen Widerstandsrechts im Reich, in: Widerstandsrecht in der Frühen Neuzeit. Erträge und Perspektiven der Forschung im deutsch-britischen Ver-

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Herren eine Reihe von Beschlüssen, in denen sie aufrur generell untersagten und dieses Verhalten kriminalisierten. Vielerorts sollten nun aufrürer mit dem Tod bestraft werden. Als Abschluss dieser Entwicklung, welche eine Kontinuität für die Neuzeit begründete, ist die Peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. aus dem Jahr 1532 zu nennen.117 Für die Koppelung des Umsturzvorwurfs mit dem Wort aufrur lässt sich kein fester Zeitpunkt bestimmen. Interessant ist sicherlich das Dokument zum Heidelberger Tag von 1502. Nach dem Bundschuh von Untergrombach, einer Aufstandsbewegung im Gebiet des Bischofs von Speyer, kamen in der Residenzstadt des Pfalzgrafen bei Rhein die benachbarten Herren zusammen, um mit König Maximilian über Konsequenzen zu beraten.118 Anhand dieses Dokuments lässt sich exemplarisch die Ausbildung eines relativ festen Inventars von Attributen nachvollziehen, die das kulturelle Wissen über einen aufrur im Sinne eines Umsturzes bildeten. Im Abschlussdokument des Heidelberger Tags, das für das gesamte Reich als Gesetz gelten sollte, stellte Maximilian über die ‚Erhebung‘ zu Untergrombach, die er als „uffrur“ bezeichnete, folgendes fest:119 wir vernemen mit beswerten gemut, das etlich inwoner des heiligen Richs mit iren anhengen us grobem, mußigem, leichtfertigen volk, das der ern nit acht, sich ufwerfen und das etwas verr in heimlicheit geubt und procht haben, das arm gemein volk zu verfuren zu einer samlung, conspiracion und verstentnis eins zusamenthuns, zu irer zeit wider die obristen hewbter, alle oberkeit, geistlicheit, cristenlich ordnung (das recht den friden offenbarlich zaigent) zu sin, der meinung, das der fursten, hern und stett undertan […] mit in insetzen, irer ere und eide gein iren herschaften vergessen und unangesehen in bisteen söllen, sich irer undertenigkeit fri zu machen.120

Nur wenige Worte später wird schließlich das Ziel einer solchen Versammlung mit folgender Aufzählung charakterisiert: das „usdilgen alles frids, aller ordnung, zerstö-

gleich, hg. von Robert von Friedeburg (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte, Bd. 26), Berlin 2001, S. 82–112, S. 104–111. 117 Blickle, Peter, The Criminalization of Peasant Resistance in the Holy Roman Empire. Toward a History of the Emergence of High Treason in Germany, in: The Journal of Modern History 1986 (58), S. 88–97. Blickle, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300–1800 (wie Anm. 105), S. 65–67. Siehe auch: Roth, Kollektive Gewalt und Strafrecht (wie Anm. 113), S. 94–112. Mit einem allgemeineren Blickwinkel auf die Behandlung politischer Verbrechen vgl. Benedictis, Angela de/ Härter, Karl (Hg.), Revolte und politisches Verbrechen zwischen dem 12. und 19. Jahrhundert (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 285), Frankfurt am Main 2013. 118 Ulbrich, Claudia, Der Untergrombacher Bundschuh 1502, in: Bundschuh. Untergrombach 1502. Das unruhige Reich und die Revolutionierbarkeit Europas, hg. von Peter Blickle, Stuttgart 2004, S. 31–52. 119 Rosenkranz, Albert (Hg.), Der Bundschuh. Die Erhebung des südwestdeutschen Bauernstandes in den Jahren 1493–1517. Bd. 2. Quellen (Schriften des Wissenschaftlichen Instituts der Elsass-Lothringer im Reich), Heidelberg 1927, S. 109–113. 120 Ebd., S. 110.

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rung gemeins nutz und der geisticheit, aller göttlichen, menschlichen, geistlichen und weltlichen rechten, aller oberkait“.121 In diesem Dokument werden Ursachen, Verlauf und Ziele eines aufrurs genannt. Ein solcher entstehe im Kleinen bei „etlich inwoner(n)“ und greife dann nach einer Phase der Heimlichkeit durch die Verführung weiterer Menschen wie ein Flächenbrand um sich. Als Ziel nennt das Dokument die Zerstörung der Gesellschaft, die auf der Einteilung der Menschen in Herrscher und Beherrschte beruhe. Damit ist jedoch keine positive Handlungsperspektive verknüpft. Vielmehr wird eine solche Ansammlung von Menschen, für die der heutige Begriff der Gemeinschaft noch zu positiv gewählt wäre, als ehrlos, friedlos, eigennützig, unchristlich und ohne Ordnung charakterisiert. Bei diesen Attributen handelte es sich allesamt um Anti-Werte der Zeit, welche die Zeitgenossen, die von diesem gesellschaftlichen Konsens abwichen, stigmatisierten.122 Dieses Konzept einer ‚Erhebung‘ ließ folglich keine positive Charakterisierung zu, sondern negierte eine konstruktive Handlungslogik der Untertanen. Die Zielperspektive, die auf einen blutigen Umsturz hinausläuft, nimmt stattdessen Züge einer Dystopie an: die Auflösung alles Positiven. Ohne dass dies explizit angesprochen werden musste, war dieser Gedanke eng mit der Vorstellung vom Ende der Heils- und Weltgeschichte verbunden. Denn die bestehende Ordnung sei, so die Leiterzählungen der Zeit, von Gott gewollt. Um nicht auf der Seite des Teufels, dem biblischen Prototyp eines Umstürzlers, zu stehen, müsse man selbst ungerechte Herrscher erdulden.123

121 Ebd., S. 110. 122 Die genannten Leitwerte fügen sich in den Wertekatalog ein, den Berndt Hamm für die Städte um 1500 als verbindlich ansieht. Wie er feststellt, reichte dieser Kanon auch über die Stadtmauern hinaus. Hamm, Berndt, Bürgertum und Glaube. Konturen der städtischen Reformation (Sammlung Vandenhoeck), Göttingen 1996, S. 58–75. Vgl. auch: Hamm, Berndt, Die reformatorische Krise der sozialen Werte – drei Lösungsperspektiven zwischen Wahrheitseifer und Toleranz in den Jahren 1525–1530, in: Die deutsche Reformation zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Thomas A. Brady (Schriften des Historischen Kollegs; Kolloquien, Bd. 50), München 2001, S. 91– 122. Ausführlich analysiert auch Rublack diese Leitwerte, der zudem auf ihr gegenseitiges Verweisverhältnis eingeht: Rublack, Hans-Christoph, Political and Social Norms in Urban Communities in the Holy Roman Empire, in: Religion and Culture in Early Modern Europe. 1500–1800, hg. von Kasper von Greyerz, Oxford 2007, S. 24–60. Und: Rublack, Hans-Christoph, Grundwerte in der Reichsstadt im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Literatur in der Stadt. Bedingungen und Beispiele städtischer Literatur des 15. bis 17. Jahrhundert, hg. von Horst Brunner (Göppinger Arbeiten zur Germanistik, Bd. 343), Göppingen 1982, S. 9–39. 123 Diese Deutung von der Unveränderlichkeit der Herrschaftsverhältnisse wurde etwa durch die Erzählung vom Sündenfall vermittelt, die einen erheblichen Einfluss auf das sog. Staatsdenken im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit besaß. Stürner, Wolfgang, Peccatum und potestas. Der Sündenfall und die Entstehung der herrscherlichen Gewalt im mittelalterlichen Staatsdenken (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters, Bd. 11), Sigmaringen 1987. Schon Platon hatte in der „Politeia“ die Menschen in drei Stände eingeteilt und dies auf den göttlichen Willen zurückgeführt. Die Angehörigen der einzelnen Schichten sollen in diesem Denkschema die ihnen zugewiese-

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Über die Träger des aufrurs wurden damit schon vor dem ‚Bauernkrieg‘ relativ konkrete Aussagen getroffen. Unterschieden wurde zwischen einzelnen Personen, welche diesen vorbereiteten, einer etwas größeren Kerngruppe und deren Anhängern, bei der es sich bei einer Ausbreitung des aufrurs schließlich um die gesamte Bevölkerung handeln könne.124 Der Erfolg der Verschwörung beruhe damit angeblich nicht auf rationalen Argumenten, sondern auf Täuschung und Verführung. Die „anrichter“ beziehungsweise die Anstifter eines solchen Vorhabens würden „vil einfeltigs volkhs“ betrügen, als ob ihr „unbillich furnemen göttlich und gut sin solt“.125 Das Volk sei anfällig für falsche Aussagen, welche lediglich einzelne Unruhestifter vorbrächten. Diese Personengruppe der Anstifter wird, wie oben zitiert, als grobes, müßiges und leichtfertiges Volk charakterisiert. Dabei handelt es sich um Stereotype für Bettler und Kriminelle, die in der Gesellschaft als Außenseiter und Randgruppen gebrandmarkt waren.126 Zur Verhütung eines weiteren aufrurs wurde daher unter anderem folgender Beschluss gefasst: Man solle die Leute, „die nichts hetten und nit arbeiten, sonder zerten und hofften stettigs, durch anderer unfall zu reichtumb zu komen […] ustreib(en), wann die selben predigen und reden von sollicher pösen sachen und bilden es den einfeltigen ein“.127 Die Anführer zeichneten sich folglich durch ihre Redegabe aus, seien arm, aber hofften, durch Nichtstun oder glückliche

nen Normen erfüllen. Pflichterfüllung im Kleinen garantiere die Gerechtigkeit und die Harmonie des gesamten Staatswesens. Über Augustinus Schrift „De origine“ wurde diese idealisierte Gesellschaftsauffassung für das Mittelalter und für die längste Phase der Neuzeit religiös kanonisiert. Oexle, Otto Gerhard, Die funktionale Dreiteilung als Deutungsschema der sozialen Wirklichkeit in der ständischen Gesellschaft des Mittelalters, in: Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, hg. von Winfried Schulze (Schriften des Historischen Kollegs; Kolloquien, Bd. 12), München 1988, S. 19– 51. 124 Vice versa postuliert Martin Paul Schennach ein Rädelsführerkonzept nach der Niederschlagung von ‚Aufständen‘, demzufolge Anführer oder zumindest die Wortführer von Unruhen härter als andere bestraft worden seien. Ein abschreckendes Exempel zu statuieren, sei pragmatischer gewesen, als hunderte oder zehntausende Personen zur Rechenschaft zu ziehen. Schennach, Martin Paul, „Ist das gaismairsch exempel noch im gedechtnus“. Unruhen in den oberösterreichischen Ländern, in: Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in den österreichischen Ländern. Ca. 1450–1815, hg. von Peter Rauscher/ Martin Scheutz (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 61), Wien, München 2013, S. 58f. 125 Rosenkranz, Der Bundschuh (wie Anm. 119), S. 110f. 126 Gegenüber Bettlern waren die Mitmenschen angesichts der christlichen Nächstenliebe zwar zur Hilfsbereitschaft verpflichtet, dennoch unterstellte man ihnen häufig die Absicht, ohne Arbeit reich werden zu wollen, und damit nicht nur zu betrügen, sondern sich lediglich aus Bequemlichkeit außerhalb der gesellschaftlichen Normen aufzuhalten. Meier, Frank, Gaukler, Dirnen, Rattenfänger. Außenseiter im Mittelalter, Ostfildern 2005, S. 18–41. Ergänzend zur Bedeutung der Arbeit: Münch, Paul, Lebensformen in der frühen Neuzeit (Ullstein, Bd. 26520), Frankfurt am Main 1998, S. 304–353. Dagegen zum Betteln als anerkannter Lebensform: Irsigler, Franz/ Lassotta, Arnold, Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker. Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt. Köln 1300–1600 (Dtv, Bd. 30075), 12. Auflage München 2010, S. 17–20. 127 Rosenkranz, Der Bundschuh (wie Anm. 119), S. 112.

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Umstände reich zu werden. Für ihre Zwecke versuchten sie nach dieser Argumentation, die Bevölkerung zu instrumentalisieren, und die Bibel in ihrem Sinn absichtlich falsch auszulegen. Bei einem solchen aufrur fielen folglich der Beginn und die Ursache der Handlung im schlechten Charakter der Rädelsführer zusammen. Andere Gründe, wie etwa die wirtschaftliche Not der Untertanen oder die Unzufriedenheit mit der Politik der Herrschenden, wurden nicht genannt. Die Leistung dieser Aufruhrvorstellung lässt sich erstens dahingehend beschreiben, dass sie einen prototypischen Verlauf des Vorhabens vom Kleinen ins Große, von der moralischen Verderbnis einer Einzelperson zur Ansteckung der gesamten Bevölkerung lieferte und gleichzeitig vor dem Blutvergießen und der Gewalttätigkeit der Handlung warnte, deren Ziel nur im Umsturz bestehe, ohne selbst eine positive Alternative zu liefern. Neben dieser inhaltlichen Bestimmung war das negative Aufruhrkonzept zweitens im höchstem Maße stigmatisierend angelegt: Es diskreditierte die aufrürer als Verbrecher oder Bettler, warnte die Untertanen vor der Grenzüberschreitung des Ungehorsams und verleumdete ein solches Unterfangen als Abweichung von religiös geoffenbarten Wahrheiten. In sich schlüssig war daher die Forderung des Königs, die Rädelsführer eines aufrurs auf entehrende Art und Weise mit dem Tode zu bestrafen.128 Folglich waren mit dem negativen Aufruhrbegriff relativ konkrete Vorstellungen von einer ‚Erhebung‘ verbunden, welche deren Ursachen, Verlauf und Ziele beschrieb. Man kann aus diesem Grund von einer zeitgenössischen Erklärung von Untertanenaufständen sprechen. Ihr kommt zwar nicht der Status einer wissenschaftlichen Theorie in einem modernen Sinn zu, der negative Aufruhrbegriff lieferte jedoch aus der Sicht der Obrigkeit eine modellhafte Beschreibung von Untertanener-

128 Nach dem Bamberger Bischof sollte sich die Bevölkerung „als fromm getreu und gehorsam untertan […] halten“. Cammermeister, Hieronymus, Aufzeichnungen des Hieronymus Cammermeister über die Ereignisse vom 10.–15. April 1525 in Bamberg, in: Chroniken der Stadt Bamberg. Bd. 2: Chroniken zur Geschichte des Bauernkrieges und der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang, hg. von Anton Chroust (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Bd. 1,2), Leipzig 1910 (Nd. 2005), S. 159–165, S. 162. In vielen Ausschreiben wurden die Adjektive from, treu, erhaft und gehorsam stereotyp wiederholt. Die semantische Engführung der Wörter zeigt anschaulich, dass mit dem Untertanengehorsam über die juristische Sphäre hinaus noch eine sittliche Kategorie verknüpft war: Das Adjektiv from umfasste im 16. Jahrhundert nicht die religiöse Bedeutung, die das Wort heute besitzt, sondern frömikeit stand für die Tugend der Rechtschaffenheit in einem juristischen und moralischen Sinn. So forderte außerdem der Bischof von Speyer die ‚Aufständischen‘ auf, „fromme Untertanen“ zu bleiben, und der Markgraf von Brandenburg-Ansbach ermahnte die Kitzinger, damit sie sich „als from, eerliebend leut bei uns gehorsamlich und getreulich halten werde(n).“ Böhm, Ludwig, Kitzingen und der Bauernkrieg. Nach den Originalakten des Kitzinger Stadtarchivs, in: Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 36 (1895), S. 1–186, S. 42. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein. 1524. 1525, in: Quellensammlung der badischen Landesgeschichte. Bd. 2, hg. von Franz Joseph Mone, Karlsruhe 1854, S. 17–41, S. 21. Zur Todesstrafe für einen Rädelsführer vgl. Rosenkranz, Der Bundschuh (wie Anm. 119) S. 111. Zum Topos des Blutvergießens vgl. auch: ebd., S. 110.

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hebungen. Blickt man zudem über den deutschen Sprachraum hinaus, findet sich das Aufruhrstereotyp des Umsturzes in Frankreich seit dem elften Jahrhundert und auch in England mindestens seit dem 14. Jahrhundert. Ganz offensichtlich handelt es sich bei dieser Vorstellung um ein europäisches Stereotyp, das Untertanenerhebungen mit dem Teufel, dem archetypischen Zerstörer der angeblich gottgewollten Ordnung in Verbindung bringt und Untertanenerhebungen auf diese Weise stigmatisiert.129 Einen Vorschlag, wie man ein solches Stereotyp analysieren könnte, unterbreitete einer der führenden Bauernkriegsforscher des 20. Jahrhunderts, Günther Franz. Er sprach dieser Charakterisierung, ohne darin ein zeitgenössisches Aufruhrkonzept zu erkennen, im Kern eine hohe Glaubwürdigkeit für die sog. Voraufstände des ‚Bauernkriegs‘ zu. In seiner Promotionsschrift analysierte er die Bundschuhbewegungen, zu denen er die ‚Erhebung‘ zu Untergrombach zählte, als sog. gottrechtliche Aufstände. Dieser Aufstandstyp habe im Wesentlichen die Legitimation und Ziele des ‚Bauernkriegs‘ vorweggenommen. Im Unterschied zu anderen ‚Aufständen‘ hätten die Beteiligten in den Bundschuhbewegungen argumentiert, für ein göttliches Vorhaben einzutreten. Im vorliegenden Dokument von 1502 gaben die beteiligten Herrschaftsträger an, dass die Rädelsführer unter diesem Vorwand bei den Untertanen um Unterstützung geworben hätten. Günther Franz sah im Charakter der Verschwörung, dem Anwachsen der ‚Erhebung‘ vom Kleinen ins Große und dem Ziel einer grundlegenden Veränderung der Gesellschaft mithilfe der Berufung auf Gott wesentliche Charakteristika dieses Aufstandstyps.130 Wenn man so will, suchte Günther Franz nach dem wahren Kern der zeitgenössischen Aufruhrtheorie.131 Er betrachtete das Theaterstück, um zu dem

129 Ohne, dass dieses Stereotyp als europäisches Deutungsmuster beschrieben wird, scheint es bereits durch folgende Darstellungen hindurch. Zum Frankreich des elften Jahrhunderts: Oexle, Otto Gerhard, Die Kultur der Rebellion. Schwureinung und Verschwörung im früh- und hochmittelalterlichen Okzident, in: Ordnung und Aufruhr im Mittelalter. Historische und juristische Studien zur Rebellion, hg. von Marie Theres Fögen (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 70), Frankfurt am Main 1995, S. 119–137. Zu Frankreich im 14. und 15. Jahrhundert: Mauntel, Christoph, Behauptete und bestrittene Legitimität. Die historiographische Darstellung und Interpretation von Aufständen im 14. Jahrhundert, in: Francia 39 (2012), S. 89–114. Sowie: Mauntel, Gewalt in Wort und Tat (wie Anm. 109), S. 224–245. Besonders anschaulich tritt das Deutungsmuster in einem Gedicht des englischen Lyrikers John Gower (ca. 1330–1408) hervor, indem das Aufbegehren der „common people“ mit der Zerstörungskraft einer Wasserflut oder Feuerwalze verglichen wird. Nur Gott könne dem ungeduldigem Volk, das gegen die gesetzte Ordnung verstoße, Einhalt gebieten. Dobson, Richard Barrie (Hg.), The Peasants' Revolt of 1381 (Macmillan student editions, Bd. 2601), London 1970, S. 97f. 130 Exemplarisch: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 73f. 131 Einige diskriminierende Aspekte wurden weggelassen, andere beibehalten. Bei Franz nehmen insbesondere einzelne Personen eine Schlüsselrolle für den Verlauf der ‚Erhebung‘ ein. In diesem Sinn argumentiert er innerhalb des negativen Aufruhrstereotyps, ohne dies kritisch zu reflektieren. So unterstellt er etwa Wendel Hipler eine „planmäßige Verhetzung“ der Bevölkerung. Ebd., S. 311.

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eingangs gewählten Bild zurückzukehren, unter dem Anspruch, es an einer möglichen Realität zu überprüfen. Diese Vorgehensweise ist prinzipiell nicht falsch, wollten doch die Herren durch ihre Charakterisierung eine Anleitung liefern, um zukünftigen aufrur zu verhindern. Tatsächlich handelte etwa der Würzburger Bischof im Jahr 1525 nach diesem Erklärungsmodell. Er verhängte eine Ausgangssperre für seine Untertanen, als die ‚Erhebung‘ auf sein Hochstift überzugreifen drohte. Auf diese Weise versuchte er, die Ansteckung der Bevölkerung mit diesen Ideen zu unterbinden.132 Über die historische Richtigkeit des negativen Aufruhrstereotyps lässt sich allerdings streiten: Wo traf es den wahren Kern, wo lag es daneben? Oder ist es etwa, wie Guy Marchal angesichts der schlechten Quellenüberlieferung kritisch anmerkt, überhaupt nicht zu überprüfen? Handelte es sich vielleicht lediglich um Warnungen der Obrigkeit, um ‚Aufstände‘ per se zu stigmatisieren?133 In Bezug auf den ‚Bauernkrieg‘ scheint eine andere Fragestellung als die nach der historischen Richtigkeit des Aufruhrstereotyps zunächst von größerer Bedeutung zu sein.134 Das negative Aufruhrstereotyp und das Stufenmodell einer ‚Erhebung‘ fungierten als zeitgenössische Handlungs- und Erklärungsmuster. In die-

Für den Wirt Georg Metzler übernimmt er Aussagen der zeitgenössischen Historiographie, welche selbst nur das Aufruhrstereotyp wiederholen. Ebd., S. 307. 132 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 19 (dort auch zur Rüstung gegen einen drohenden Angriff der auswärtigen Untertanen). 133 Zur grundsätzlichen Einordnung der These von Franz, es habe vor dem ‚Bauernkrieg‘ zwei Arten von ‚Aufständen‘ gegeben, die sich durch ihre Bezugnahme auf ein Göttliches Recht unterschieden hätten, vgl. Bierbrauer, Das göttliche Recht und die naturrechtliche Tradition (wie Anm. 26). In der modernen Forschung finden sich inzwischen grundsätzliche Einwände, woher das Wissen der Obrigkeit über diese sog. Bundschuhverschwörungen stammt. In diesem Sinn urteilt Marchal sehr kritisch: „Alle Bundschuhverschwörungen sind durch Verrat vorzeitig aufgedeckt worden. Das ‚Ereignis‘ eines Bundschuhaufstands, der offenkundig allen vor Augen getreten wäre und dessen Umfang, Verlauf, Erfolg oder Niederwerfung in vielfältigen Zeugnissen uns überliefert würde, hat nicht stattgefunden. Ob man das, was selbst vor der betroffenen Bevölkerung geheim gehalten werden sollte, bis man sich genügend stark fühlte, und das dennoch immer verraten wurde, eine ‚Bewegung‘ nennen kann, darf durchaus gefragt werden.“ Marchal, Guy P., Karsthans, Bundschuh und Eidgenossen. Metaphern für den Bauern – der Bauer als Metapher, in: Bundschuh. Untergrombach 1502. Das unruhige Reich und die Revolutionierbarkeit Europas, hg. von Peter Blickle, Stuttgart 2004, S. 249–277, S. 260. Für die ‚Erhebung‘ des Armen Konrad in Württemberg stellt sich eine ganz ähnliche Frage: Von Seiten der Obrigkeit wurde ein grundsätzlicher Herrschaftsumsturz vermutet, während die meisten Schriften aus dem Kreis der ‚Aufständischen‘ dies negierten. Vgl. Schmauder, Andreas, Württemberg im Aufstand – der Arme Konrad 1514. Ein Beitrag zum bäuerlichen und städtischen Widerstand im Alten Reich und zum Territorialisierungsprozeß im Herzogtum Württemberg an der Wende zur frühen Neuzeit (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde, Bd. 21), Leinfelden-Echterdingen 1998. 134 Später soll diese wichtige Interpretationsrichtung noch einmal aufgegriffen werden, vgl. Kapitel 3.3.2.

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sem Sinn empfiehlt es sich, eine andere Betrachtungsweise auf den die zeitgenössischen Aufruhrvorstellungen einzunehmen.135 Dieser veränderte Blick lässt sich erneut anhand der Theatermetapher erläutern. Die neue Betrachtungsweise sollte nicht mehr nur die Aufführung selbst in den Blick nehmen, sondern auch das Publikum des Theaterstücks fokussieren: Während in diesem Theater heute nur noch das historisch interessierte Publikum Platz nimmt, saßen dort im Jahr 1525 die damaligen Zeitgenossen. Es ist davon auszugehen, dass die Menschen von 1525 mit beiden Aufruhrkonzepten bestens vertraut waren. Das Modell, das Bierbrauer analysierte, lag als ritualisiertes Handlungsschema den Untertanen vor. Aus welchen Gründen hätten sich die immer gleichen Muster einer ‚Erhebung‘ sonst so oft wiederholen können? Die Verbreitung des zweiten Aufruhrverständnisses vom Umsturz der Ordnung lässt sich ebenfalls rekonstruieren. Es stand im Zentrum der wichtigsten zeitgenössischen Kontroverse: dem Deutungsstreit über die Reformation. Die Auseinandersetzung wurde mithilfe der Druckerpressen geführt und erreichte eine breite Öffentlichkeit.136 In den Schriften, die landauf und landab zirkulierten, instrumentalisierten die jeweiligen Autoren den Aufruhrbegriff zu einem zentralen Kampfbegriff. Die Altgläubigen warfen Luther in diesem Sinn vor, einen grundlegenden Umsturz im weltlichen und geistigen Bereich vorzunehmen. Dieser wiederum verwendete den Ausdruck gegen andere Reformatoren, wie etwa Thomas Müntzer, die nicht seiner Lehre folgten.137 In beiden Kontexten, der Auseinandersetzung der Untertanen mit ihrer Obrigkeit und den religiösen Konflikten, wurde aufrur als Umsturz der bestehenden Herrschaftsordnung verstanden. Mithilfe der Theatermetapher kann noch ein weiterer Aspekt des Aufruhrbegriffs verdeutlicht werden. Nicht jede Theateraufführung besitzt Auswirkungen auf das Leben ihrer Zuschauer, aber manche Themen beeinflussen die Rezipienten stärker als andere – ob diese nun real oder fiktiv sind. Die grundlegende Fragestellung

135 Verkürzt ausgedrückt können Begriffe vergangene Ereignisse widerspiegeln und zu Handlungen anleiten, indem sie den Zeitgenossen einen Erfahrungsraum vermitteln. An dieser Stelle braucht auf die inzwischen einschlägig gewordene Theorie Kosellecks nicht mehr eingegangen zu werden. Siehe Kapitel 1.3. 136 Flugschriften, mehrblättrige nicht gebundenen Druckwerke, stellten zweifelsohne das Leitmedium des ‚Bauernkriegs‘ dar, in welchem Ereignisse kommentiert und der Versuch unternommen wurde, auf die Geschehnisse Einfluss zu nehmen. Flugschriften, so Schwitalla, richteten sich an die breite Bevölkerung mit jeweils aktuellen, gesamtgesellschaftlich relevanten Themen. Ihre wichtigsten Definitionsmerkmale seien die propagandistische Intention in Bezug auf politische Angelegenheiten und ihre massenwirksame Verbreitung. Schwitalla, Johannes, Flugschrift (Grundlagen der Medienkommunikation, Bd. 7), Tübingen 1999, S. 1–14. 137 Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 307–323. Maurer, Justus, Prediger im Bauernkrieg. Das Verhalten der reformatorisch gesinnten Geistlichen Süddeutschlands im Bauernkrieg 1525 (Calwer theologische Monographien, B, Bd. 5), Stuttgart 1979, S. 95–104.

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dieser Arbeit lautet daher: Inwiefern prägten die hier vorgestellten zeitgenössischen Vorstellungen über einen aufrur als Kommunikationspraxis und als Umsturz die Konzepte und Handlungen der Menschen während des Jahres 1525? An vier unterschiedlichen Texten des ‚Bauernkriegs‘ soll einführend der große Einfluss dieser Konzepte exemplarisch verdeutlicht werden. Die Gedanken des radikalisierten Aufruhrbegriffs finden sich sowohl bei den ‚Aufständischen‘, ihren Gegnern und in der später einsetzenden Geschichtsschreibung. In den „Zwölf Artikeln“, der am weitesten verbreiteten Schrift aus dem Kreis der ‚Aufständischen‘, distanzierten sich die Beteiligten explizit von den Ideen des Ungehorsams, des gewaltsamen Vorgehens gegen die Obrigkeit und dem Ziel des Herrschaftsumsturzes (Kapitel 2.2.1.1.1). Offenbar konnte man für ein Vorhaben, das unter Aufruhrverdacht stand, nur dann Stellung beziehen, wenn man sich offensiv von den negativen Implikationen des entsprechenden Ausdrucks distanzierte. Da die ‚Aufständischen‘ am Anfang der ‚Erhebung‘ tatsächlich keine Gewalt anwendeten und ihre Anliegen öffentlich machten, bestand für Martin Luther zu Beginn des Konflikts noch Hoffnung auf dessen friedliche Beilegung. Die fehlende Heimlichkeit und die Friedfertigkeit schienen für ihn quer zum negativen Aufruhrstereotyp zu liegen. Gleichzeitig verwendete er jedoch bereits alle anderen Zuschreibungen des Aufruhrkonzepts, um der Bevölkerung die Falschheit eines aufrurs vor Augen zu halten. Als er dann wenig später Nachrichten über Gewaltaktionen erhielt, brauchte er lediglich im Indikativ das auszuformulieren, wovor er bereits hypothetisch gewarnt hatte.138 Als gegen Ende des Jahres 1525 die ersten historiographischen Zeugnisse zu dem Ereignis angefertigt wurden, diente das negative Aufruhrkonzept in vielen Darstellungen schließlich als Erzählmuster. So findet sich etwa bei Peter Harer aus Heidelberg und Lorenz Fries aus Würzburg derselbe Aufruhrtyp des moralisch verdorbenen, redebegabten Demagogen, ohne den sich der aufrur angeblich nicht, oder nicht in dieser Weise, ereignet hätte (Kapitel 3.3). Diese vier Beispiele sollen genügen, um zu verdeutlichen, dass mit dem negativen Aufruhrbegriff im Jahr 1525 eine bestimmte Anzahl von Attributen relativ fest verbunden war. Bei den beiden Aufruhrvorstellungen, dem aufrur als Umsturz und dem aufrur als Konfliktlösungsprozess, handelte es sich um zeitgenössische Erklärungen, auf welche die Beteiligten des Jahres 1525 zurückgreifen konnten. Vor diesem Hintergrund lassen sich viele der im Jahr 1525 verfassten Texte erstmals als ein Diskurs aufeinander bezugnehmender Vorstellungen lesen.

138 Gleich zu Beginn seiner Flugschrift hebt er an: „weyl sie sich mit den selben artickeln frey an den tag geben und das liecht nicht schwewen wollen, So ist noch gutte hoffenunge da, Es solle gut werden“. Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3), S. 291.

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2.1.2 Die Neudefinition eines Sprach- und Handlungsraums 2.1.2.1 Theokratische Gedanken: Gott mehr gehorchen als den Menschen Als eine der Hauptleistungen der ‚Aufständischen‘ kann die Etablierung eines eigenen Sprach- und Handlungsraums angesehen werden, der das Verbot, Widerstand zu leisten, aus ihrer Sicht entwertete und die Beteiligten gegen entsprechende Argumente immunisierte. Ohne die feste Überzeugung, das Richtige zu tun, hätten sich die Untertanen auf das Wagnis einer ‚Erhebung‘ angesichts der angedrohten Konsequenzen in moralischer, religiöser und juristischer Hinsicht wohl kaum eingelassen. Als zentral ist folgender Befund anzusehen: Im untersuchten Quellenkorpus findet sich keine Textstelle, in denen sich die Untertanen als ungehorsam beschrieben.139 Vom Beginn der ‚Erhebung‘ bis zu deren Ende wurde an der Selbstcharakterisierung als treue Untertanen festgehalten. So bekannten die ‚Aufständischen‘ in der „Memminger Bundesordnung“, sich nicht vereinigt zu haben, um ihren Herren „verdrus und nachteyl“ zu bereiten.140 Die Basler Bauern erklärten der Stadt in einem Brief, sie seien „getrüw fromm underthonen“,141 und die Bauern der Rothenburger Landwehr verteidigten sich gegen Vorwürfe, meineidig geworden zu sein142. Wenn man das vielfach verbreitete Ausschreiben der Bildhäuser Bauern an die benachbarten Untertanen nimmt, scheint ihr Bekenntnis zur Obrigkeit insbesondere als ein Werbeargument verwendet worden zu sein, sich an der ‚Erhebung‘ zu beteiligen.143

139 Im Gegenzug bezeichneten sich die ‚Aufständischen‘ immer wieder als gehorsam – auch dann wenn die unmittelbare Obrigkeit abgelehnt wurde. Zu diesem Untertanenkonzept, das den Gehorsam auf andere Instanzen umpolt, siehe diese Arbeit bes. Kapitel 2.1.2.2.1 Einzelne radikaler klingende Aussagen sind in den Kontext einzuordnen. Etwa: Franz, Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband (wie Anm. 50), Nr. 173. Stimmen einer bäuerlichen Reichsunmittelbarkeit, nur den Kaiser zu akzeptieren, sammelt: Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 67–91. 140 Im Folgenden wird, wenn nicht ausdrücklich gekennzeichnet, auf eine Version der Bundesordnung Bezug genommen, welche zu den ersten Druckfassungen zählt und sich relativ nah an der der Fassung orientiert haben dürfte, die wohl in Memmingen für die Oberschwäbische Vereinigung am 7. März konzipiert wurde. Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 32–34, S. 32. Zum neuesten Stand der Entstehungsgeschichte der Bundesordnung und ihren Textvarianten vgl. Seebass, Gottfried, Artikelbrief, Bundesordnung und Verfassungsentwurf. Studien zu drei zentralen Dokumenten des südwestdeutschen Bauernkrieges (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften; Philosophisch-historische Klasse, Jg. 1988, Abh. 1), Heidelberg 1988, S. 55–148. 141 Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 487. 142 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 78. 143 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168f.

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Der Bejahung der Obrigkeit lag zweifelsohne ein anderes Untertanenverständnis zu Grunde, als es die Herren mit dem negativen Aufruhrkonzept vertraten. Für die Bauernaufstände des Mittelalters und der Frühen Neuzeit stellt dieser Befund für sich genommen jedoch noch keine Besonderheit dar. Mit Jerome Blum kann man in dieser Selbstdarstellung der Landbewohner, auch in Konfliktfällen nicht ungehorsam zu handeln, ein Signum für die Bauernaufstände im Alten Europa erkennen.144 Trotz dieser Gemeinsamkeiten zwischen den ‚Erhebungen‘ stellt sich für jeden einzelnen ‚Aufstand‘ allerdings die grundsätzliche Frage nach den spezifischen Quellen dieses Selbstverständnisses und nach deren Bedeutung für den Verlauf der ‚Erhebung‘.145 Bezüglich der Ereignisse von 1525 besitzt ein Dokument der Einwohner aus der Rothenburger Landwehr exemplarischen Charakter. In diesem Brief verteidigten sich die Untertanen am 25. März 1525 gegen den Vorwurf des Rothenburger Stadtrats, den Untertaneneid gebrochen zu haben. Sie wollten dies nicht gestehen, da sie gelobt hätten „alles gepurlichs, und das wider gott nit sey, zu halten“. Unser „anliegen“, so die Landbewohner, „ist alles, als ir sehet in den artickeln obvermelt, nit ungepurlich wider gott und die liebe des nächsten“. Diese Formel, welche den Obrigkeitsgehorsam an Gott und an der Nächstenliebe ausrichtete, präzisierten sie wie folgt: „gott“ stand synonym für „sein ewigs, wars wort“, womit die Aussagen der Bibel als Gebote für das tägliche Leben und die Ausübung von Herrschaft gemeint waren.146 Fasst man zusammen, konterten die ‚Aufständischen‘ den Vorwurf, ungehorsam zu handeln, mit einem grundsätzlichen Bekenntnis zu einem neuen Herrschaftsverständnis. Die Sätze der Bibel sowie die christliche Tugend der Nächstenliebe sollten demzufolge das richtige Untertanen- beziehungsweise Herrschaftsverständnis begründen. Diese Prinzipien, auf welche noch detailliert eingegangen wird, entstammten dem theokratischen Diskurs der Zeit um 1500. Thomas Kaufmann definiert diesen als Versuch, Religion und Politik widerspruchslos in Übereinstimmung zu bringen. Das gesellschaftliche Handeln sollte sich in diesem Sinn an

144 Blum, Jerome, The end of the old order in rural Europe, Princeton 1978, S. 335. Ebenfalls instruktiv: Kaeuper: „Medieval men more often thought redress by replacing personnel than by altering major institutions“. Kaeuper, Richard, War, justice, and public order. England and France in the later Middle Ages, Oxford 1988, S. 369. Andere Auffassungen, wie die von Brackert, dass den Untertanen eine Jahrhunderte lange „Unterwürfigkeit“ eingeimpft worden sei, verlieren vor diesem Hintergrund an Erklärungskraft. Brackert, Bauernkrieg und Literatur (wie Anm. 4), S. 28. 145 Zu einer Typologie der europäischen Unruhen im 15. Jahrhundert befindet sich gerade eine Freiburger Dissertation von Veit Groß in Arbeit. 146 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 78.

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den göttlichen Normen ausrichten, denen eine universelle Gültigkeit zugesprochen wurde.147 Als Multiplikator dieser Vorstellung dienten im Jahr 1525 die „Zwölf Artikel“ der oberschwäbischen Bauern. Ihre Entstehung lässt sich als Bottom-Up-Prozess beschreiben. Dem Text lag eine Summe von Einzelforderungen zu Grunde, die Anfang des Jahres 1525 in den Gemeinden Oberschwabens erhoben wurden. In diesen Beschwerdeschriften klagte die Bevölkerung jeweils eines Ortes ihre Unzufriedenheit mit Bestimmungen der Obrigkeit. Anfangs waren diese Forderungen noch nicht theokratisch legitimiert. Wann schließlich die Idee aufkam, diese mit göttlichen Prinzipien zu begründen, ist unklar. Für Oberschwaben ist dieses Rechtsprinzip erstmals am 24. Februar 1525 dokumentiert.148 Zwischen dem 28. Februar und dem 3. März entstanden schließlich die „Zwölf Artikel“. Sebastian Lotzer, der Schreiber des Baltringer Haufens, hatte die Einzelbeschwerden gesammelt, vereinheitlicht und sie dann mithilfe von Bibelverweisen begründet.149 Das Vorwort zu den „Zwölf Artikeln“ steuerte Christoph Schappeler, der Prädikant der Stadt Memmingen, bei. Außerdem versah er die letzten sieben Artikel mit Bibelstellen.150 Bereits wenige Tage später, zwischen dem 19. und 22. März 1525, erschienen die „Zwölf Artikel“ als Flugschrift, dem Massenmedium der Zeit. Ihr publizistisches Echo war immens. Keine andere Flugschrift des Jahres wurde so häufig nachgedruckt und erschien in so hoher Auflage.151 Vielerorts wurden die Artikel von der

147 Kaufmann, Thomas, Theokratische Konzeptionen in der spätmittelalterlichen Reformliteratur und in der Radikalen Reformation, in: Theokratie und theokratischer Diskurs, hg. von Andreas Pečar/ Kai Trampedach (Colloquia historica et theologica), Tübingen 2003, S. 327–372, S. 331. 148 Ein mögliches Vorbild für das Prinzip des Göttlichen Rechts erblickt Blickle am Oberrhein und postuliert die These einer gleichzeitigen Entdeckung dieses Rechtsprinzips. Blickle, Nochmals zur Entstehung der Zwölf Artikel im Bauernkrieg (wie Anm. 97). Weiterführend zu der These einer zeitgleichen Rezeption dieses Rechtsprinzips: Seebass, Artikelbrief, Bundesordnung und Verfassungsentwurf (wie Anm. 140). 149 Zu Sebastian Lotzer vgl. Russell, Paul A., Lay Theology in the Reformation. Popular pamphleteers in southwest Germany. 1521–1525, Cambridge 1986, S. 80–111. Arnold, Martin, Handwerker als theologische Schriftsteller. Studien zu Flugschriften der frühen Reformation (1523–1525) (Göttinger Theologische Arbeiten, Bd. 42), Göttingen 1990, S. 145–193. 150 Zu Christoph Schappeler ist eine moderne Biografie eigentlich schon längst überfällig: Dobel, Friedrich, Memmingen im Reformationszeitalter nach handschriftlichen und gleichzeitigen Quellen. Bd. 1: Christoph Schappeler. Der erste Reformator von Memmingen 1513–1525, Augsburg 1877. Mit einem späteren Erscheinungsdatum, aber weniger aussagekräftig: Birnstein, Uwe, Who is Who der Reformation, Freiburg im Breisgau 2014, S. 393f. Zu dieser bis heute nicht widerlegten Entstehungstheorie der „Zwölf Artikel“: Franz, Günther, Die Entstehung der „Zwölf Artikel“ der deutschen Bauernschaft, in: Archiv für Reformationsgeschichte 36 (1939), S. 193–213. 151 Köhler, Hans-Joachim, Erste Schritte zu einem Meinungsprofil der frühen Reformationszeit, in: Martin Luther. Probleme seiner Zeit, hg. von Volker Press/ Dieter Stievermann (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 16), Stuttgart 1986, S. 244–281. Köhler, Hans-Joachim, Die Flugschriften der frühen Neuzeit. Ein Überblick, in: Die Erforschung der

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Bevölkerung anlässlich ihres Zusammenschlusses übernommen oder beschworen. Sie bildeten auf diese Weise den ideologischen Ausgangspunkt für den Protest in anderen Regionen. Paul Burgard sah den Grund hierfür darin, dass der Text den Beteiligten aufgrund eines gemeinsamen kulturellen Vorwissens eine breite Palette an Rezeptionsmöglichkeiten bot. So seien die „Zwölf Artikel“ als die „in Worte gegossene(n) Erfahrungen“ vieler Bauern und Untertanen zu verstehen, die deshalb weit über ihren eigentlichen Entstehungsraum hinaus ausstrahlen konnten.152 In ihrer Bedeutung als Schrittmacher der ‚Erhebung‘ kann man die Artikel gar nicht hoch genug einschätzen.153 Vor allem lieferte dieser Text einen wichtigen Beitrag zur Neudefinition des Verhältnisses der Untertanen zu den Herrschenden. Im dritten Artikel der Schrift formulierte Sebastian Lotzer das Prinzip eines eingeschränkten Obrigkeitsgehorsams: Die Untertanen müssten nur in „allen zimlichen und christlichen sachen geren gehorsam sein“.154 Mit anderen Worten, aber mit Verweis auf dieselbe Bibelstelle, hatte Lotzer diesen Gedanken schon in einer Flugschrift vom Januar 1525 ausführlicher dargelegt. Dann ain ersame gemaine begert nichts anders, dann was goͤ tlich vnd recht ist. Wa ain ordenliche oberkait, wie sie genennt mag werden, nach dem selben handlet, wyrt man jnen geren vnderthenig vnd gehorsam seyn, wa nit, wirdt der spruch genommen Actuum. 5.: man muͦ ß got mer gehorsam sein, dann dem menschen.155

Dieses Obrigkeitsverständnis unterscheidet sich etwa von dem Luthers, der dazu riet, ungerechte Herrschaftsausübung zu erdulden. Im Gegensatz zu dieser Empfehlung, sich nicht gegen ungerechte Herrscher zur Wehr zu setzen, interpretierten die ‚Aufständischen‘, des Jahres 1525 die Textstelle aus der Apostelgeschichte jedoch

Buch- und Bibliotheksgeschichte in Deutschland, hg. von Werner Arnold/ Paul Raabe, Wiesbaden 1987, S. 307–345, S. 337. Am ausführlichsten zur Gattung der Flugschrift in dieser Zeit vgl. Schwitalla, Johannes, Deutsche Flugschriften 1460–1525. Textsortengeschichtliche Studien (Reihe germanistische Linguistik, Bd. 45), Tübingen 1983. 152 Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 181. Zu den Rezeptionsvorgängen exemplarisch in Mitteldeutschland vgl. ebd., S. 184–190. 153 Eine Aufzählung der Regionen, in denen die „Zwölf Artikel“ übernommen oder angepasst wurden, liefert Peter Blickle. Dabei konzentriert er sich allerdings nur auf die Adaptation der Beschwerdeartikel. Bezieht man die Argumentationsmuster mit ein, finden sich Übernahmen der Ideen der „Zwölf Artikel“ auch bei den Versammlungen zu Bildhausen, dem Taubertaler Haufen und im Umland der Stadt Basel. Damit lassen sich für den gesamten süddeutschen Aufstandsraum und darüber hinaus die „Zwölf Artikel“ als verbindliches Programm identifizieren. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 90f. Zu dieser Modifizierung der These Blickles vgl. die Ergebnisse zur Rezeption der „Zwölf Artikel“: Kapitel 2.2.3.2. 154 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28. 155 Götze, Alfred (Hg.), Sebastian Lotzers Schriften, Leipzig 1902, S. 83.

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als Widerstandsrecht.156 Bereits vor dem ‚Bauernkrieg‘ stand den Beherrschten mit dem Instrument der Huldigungsverweigerung eine rituelle Handlungspraxis zur Verfügung, den Herren den Gehorsam aufzukündigen, wenn diese nicht mehr angemessen regierten.157 Exemplarisch für dieses Widerstandsrecht kann die Aussage der Zürcher Bauern aus dem Jahr 1489 angesehen werden, nur in „ziemlichen“ Sachen der Herrschaft dienen zu wollen.158 Das Untertanenverständnis im ‚Bauernkrieg‘ wie es Lotzer vortrug, verband somit ältere Traditionen mit einer biblizistischen Legitimation. Um die Relevanz dieses neuen Selbstverständnisses für die Untertanen zu verdeutlichen, lohnt sich ein erneuter Blick nach Rothenburg.159 Ende März 1525 drangen die Argumente der Landbewohner immer stärker in die Reichsstadt vor, so dass der Rat angesichts der wachsenden Anhängerschaft der Bauern innerhalb der Stadtmauern eine Diskussion mit den Zünften darüber ansetzte, ob sich die Stadt den ‚Aufständischen‘ anschließen sollte oder nicht. Von der Vereinigung der Seiler, Steinmetze, Decker, Hefner, Zimmerleute, Ziegler und Maurer wurde laut dem Stadtschreiber folgende Argumentation vorgebracht: Man wolle sich den Untertanen auf dem Land anschließen, denn es „ist auch der bruderschaft ernstliche maynung, das evangelium zu handhaben, das ainem yegklichen cristen gepurt, (wenn auch die) […] fursten und herren Cristen (seien), so wern sie nit darwider […], ist aber das von inen, so spricht Christus, mir sollen gott mer geharsam sein, dann dem menschen“.160 Nach diesem Verständnis war der Gehorsam der Untertanen an die richtige Herrschaftsausübung durch die Herren gebunden. Nur ein christlicher Herrscher,

156 Vgl. exemplarisch: Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3). 157 Holenstein, André, Die Huldigung der Untertanen. Rechtskultur und Herrschaftsordnung (800– 1800) (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 36), Stuttgart 1991, S. 389–409. 158 Zitiert nach: Kamber, Peter, Reformation als bäuerliche Revolution. Bildersturm, Klosterbesetzungen und Kampf gegen die Leibeigenschaft in Zürich zur Zeit der Reformation (1522–1525), Zürich 2010, S. 65. 159 Peter Blickle machte 2012 auf diesen „Obrigkeitsvorbehalt“ im dritten Artikel der „Zwölf Artikel“ aufmerksam. „Unter Umständen“, meint er, könne ein solches Verständnis auch zur Delegitimierung der Ordnung beitragen. Blickle, Peter, Die Zwölf Artikel der oberschwäbischen Bauern. Das Scharnier zwischen Bauernkrieg und Reformation, in: Die Zwölf Artikel von 1525 und das „Göttliche Recht“ der Bauern. Rechtshistorische und theologische Dimensionen, hg. von Görge K. Hasselhoff/ David von Mayenburg (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, Bd. 8), Würzburg 2012, S. 19–42, S. 31f. Die aufgefundenen Quellenbelege, die in der hier vorliegenden Arbeit angefügt werden, machen die hohe Relevanz dieses Untertanenverständnisses während des ‚Bauernkrieges‘ im Hinblick auf ein positives Selbstbild der Beteiligten deutlich. 160 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 323.

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der wie die Untertanen Gott diene, könne weiterhin akzeptiert werden.161 Nicht die Untertanen, sondern die unchristlichen Herrscher seien folglich dafür verantwortlich, wenn die Untertanen ihnen nicht mehr die Treue hielten, da sie die eigentliche Gehorsamsbeziehung der Menschen zu Gott durch ihre angeblich unchristlichen Ansprüche gefährdeten. Die Gemeinde von Öhringen argumentierte ebenso, indem sie die Herren von Hohenlohe aufforderte, ihre Belastungen zu mindern, denn ansonsten könne sie nicht mehr „als arm leut bey (ihren) gnaden bleybenn“.162 Ohne Zweifel veränderte sich das Gehorsamskonzept im Sinne theokratischer Gedanken. Wahres Christentum und wahre Herrschaftsausübung wurden identisch. Die Beteiligten konnten auf diese Weise jedoch am Rollenbild der gehorsamen Untertanen festhalten, indem sie ihre Treue auf Gottes Gebote hin ausrichteten. Das neue Obrigkeitsverständnis ließ sich damit beschwichtigend einsetzen und besaß gleichzeitig einen offensiven Aspekt. Genau genommen leisteten die Untertanen damit keinen Widerstand, sondern erschufen eine christliche Ordnung. So forderten etwa die ‚Aufständischen‘ vor Würzburg die Obrigkeit auf, sich aus „christlicher pflicht“ ihrer Vereinigung anzuschließen.163 In den „Zwölf Artikeln“ wurde ebenfalls in diesem Sinn das „(auf)lo-

161 Über die Argumentationsfigur, Gott mehr gehorchen als den Menschen, wurde ein Sammelband zu einer christlichen Widerstandslehre verfasst, wobei der ‚Bauernkrieg‘ als Thema dort leider nicht beachtet wurde. Zur Einordnung dieses theokratischen Gedankens liefern die Aufsätze jedoch wichtige Hinweise: Leiner, Martin (Hg.), Gott mehr gehorchen als den Menschen. Christliche Wurzeln, Zeitgeschichte und Gegenwart des Widerstands, Göttingen 2005. Wolgast definiert Widerstandsrecht folgendermaßen: „Die Vorstellung, daß es für die Beherrschten eine legitime Möglichkeit zur Gewaltanwendung gegen den Herrscher gibt, beruht auf der Überzeugung, daß zwischen Herrscher und Beherrschten eine Rechtsbeziehung besteht und beiden Seiten ein für sie gleichermaßen verbindliches Recht übergeordnet ist.“ Diese Beziehung, die Wolgast rechtlich nennt und im ‚Bauernkrieg‘ neu definiert wurde, gilt es zu untersuchen. Wolgast, Eike, Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philologisch-historische Klasse, Abhandlung 9/1980), Heidelberg 1980, S. 7. 162 Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 261f. Ähnlich auch in ebd., S. 281–283. In einem Brief, den Friedrich Weygandt im Namen der Neckartal-Odenwälder an den Adel schicken wollte, argumentiert er analog, dass sich die Untertanen von den Herren „nit abwenden“ wollten, wenn sie sich der gemeinsamen Sache anschlössen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 441. Hierbei handelt es sich um keine spezifisch fränkische Auslegung. Der Gedanke war stattdessen weit verbreitet. So machten die Untertanen etwa des Bischofs von Speyer den Anschluss an ihre Versammlung zur Bedingung, eine Obrigkeit als Herrn anzuerkennen. Der anonyme Chronist aus dem Umfeld des Bischofs berichtet: „welicher ir herr sein wolt, mußt solichs schweren, deßglychen wollten sie auch thun“. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 25. Zu den Vorstellungen der fränkischen Versammlung, keine geistlichen Herrschaften mehr zu akzeptieren, vgl. Kapitel 2.2.1.2.4. 163 Die Neckartaler-Odenwälder und Taubertaler sowie die Bildhäuser Versammlung veröffentlichten kurz vor der Niederlage gegen den Schwäbischen Bund eine Flugschrift, in der sie die Herren mit diesen Worten aufforderten, sich ihnen anzuschließen: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des

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nen und auffboͤmen“ mit Handlungen in Verbindung gebracht, die sich gegen das Evangelium richteten.164 Dieses neue Obrigkeitsverständnis lässt sich für das gesamte süddeutsche Aufstandsgebiet einschließlich des Elsasses nachweisen. Indizien hierfür sind erstens direkte Übernahmen der Aussage, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, und zweitens das Bekenntnis der Untertanen, in Zukunft nur noch Abgaben und Pflichten entsprechend dem Evangelium oder nach dem göttlichen Wort zu leisten.165 2.1.2.2 Das neue Untertanenverständnis 2.1.2.2.1 Die Bedeutung der Nächstenliebe in den „Zwölf Artikeln“ Die Bewohner der Rothenburger Landwehr wollten, wie geschildert, für „sein ewigs, wars wort und die liebe des nechsten“ eintreten. Aber welche Gedanken waren mit diesen Worten verbunden? In der Forschung wird die Legitimierung von Forderungen mithilfe der Bibel, wofür die Rothenburger die Umschreibung, „sein ewigs, wars wort“ verwendeten, meist mit dem Terminus des Göttlichen Rechts bezeichnet.166 Bei dieser Benennung handelt es sich um einen Quellenbegriff, der sich allerdings nicht eindeutig fixieren lässt.167 Das Göttliche Recht als Forschungsbegriff wird meist auf die politische Les-

Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. Und: Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. 164 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. 165 Direkte Bezugnahmen auf die Formel, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen, finden sich noch in den Artikeln der Stadt Frankfurt, in der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ und in der der Flugschrift der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder. Der Terminus der „Widerstandspflicht“ wurde bereits von Franziska Conrad verwendet, um ähnliche Tendenzen aus dem Elsass auf den Punkt zu bringen. Die 46 Frankfurter Artikel, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 59–64, S. 59. „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 112– 134, S. 126. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 99f. Überall dort, wo mit der Heiligen Schrift argumentiert wurde, realisierten die Untertanen diesen Evangeliumvorbehalt. Das Anführen von Belegen würde hier ins Uferlose führen. 166 Zu diesem Common Sense vgl. Buszello, Horst, Legitimation, Verlaufsformen und Ziele, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 281–321, S. 285f. Tongebend ist jedoch: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 4–7. Die Idee, die Bibel anstelle von Gewohnheitsrechten und verschriftlichten Rechten als Richtschnur der Rechtsauslegung und der Herrschaftsausübung zu nehmen, bezeichnete schon Franz Ludwig Baumann (1846–1915) als Kernidee beziehungsweise als „Seele des Bauernkrieges“. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), S. Vf. 167 Zuletzt wies Hecker auf die bereits im Deutschen Rechtswörterbuch festgehaltene Polysemie des Quellenbegriffs Göttliches Recht hin. So kann der Ausdruck das Recht bedeuteten, das von Gott

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art der Bibel als Rechtstext gemünzt, mithilfe Luthers exegetischem Bibelverständnis des Sola Scriptura Gesetze für die Welt abzuleiten oder die Bibel als Naturrecht zu interpretieren.168 Horst Buszello ging davon aus, dass sich das „Göttliche Recht aus dem Evangelium und der Bibel bestimm(en)“ ließ, und Peter Blickle bezeichnete analog dazu das Göttliche Recht als „Rechtsprinzip“.169 Über den Ursprung dieser Idee wurde bereits viel Tinte vergossen. Als widerlegt kann heute die These gelten, dass die ‚Aufständischen‘ Luthers Lehrsatz Sola Scriptura falsch verstanden.170 Der Reformator verweigerte sich einer politischen Instrumentalisierung der Bibel und wollte die Heilige Schrift ausschließlich zur Erneuerung des Glaubens verwendet wissen. Der Gedanke von der Verbindlichkeit der Heiligen Schrift für das alltägliche Leben stellte allerdings in der frühen Reformation schon fast einen Allgemeinplatz dar. Allen voran die Reformatoren Huldrich Zwingli, Thomas Müntzer, Andreas Bodenstein, Johann Eberlin von Günzburg und Urbanus Rhegius betrachteten die Bibel als Gesetzesbuch. Zeitweise stand selbst der Kurfürst von Sachsen, Johann der Beständige, diesem Rechtsprinzip aufgeschlossen gegenüber.171 Dass die ‚Aufständischen‘ schließlich auf das Göttliche Recht zurückgriffen, um Kritik an der Herrschaftspraxis ihrer Obrigkeit zu äußern, liegt damit eher auf der Hand, als dass dieser Umstand verwundern könnte. Als Teil des damaligen theokratischen Diskurses ist auch das biblische Gebot der Nächstenliebe zu fassen. Auf diese Idee der ‚Erhebung‘ machte besonders Franziska Conrad aufmerksam. Sie stellte fest, dass die ‚Aufständischen‘ im Elsass von ihren Herren nicht nur verlangten, die Bibel als Rechtstext auszulegen, sondern

komme, aber auch unspezifischer für das allgemein Angemessene stehen. Hecker, Der Bauernkrieg, die „Zwölf Artikel“ und das „Göttliche Recht“ (wie Anm. 26). 168 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 147–149. Zur naturrechtlichen Interpretationslinie vgl. Hecker, der außerdem noch das Kaiserrecht thematisiert: Hecker, Der Bauernkrieg, die „Zwölf Artikel“ und das „Göttliche Recht“ (wie Anm. 26). 169 Buszello, Legitimation, Verlaufsformen und Ziele (wie Anm. 166), S. 285. 170 Einen Forschungsüberblick liefert: Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 1–13. 171 Basse, Michael, Freiheit und Recht in biblischer Perspektive. Luthers Stellungnahme zu den Zwölf Artikeln der Schwäbischen Bauern, in: Die Zwölf Artikel von 1525 und das „Göttliche Recht“ der Bauern. Rechtshistorische und theologische Dimensionen, hg. von Görge K. Hasselhoff/ David von Mayenburg (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, Bd. 8), Würzburg 2012, S. 163–177, S. 168. Sowie: Zschoch, Hellmut, Urbanus Rhegius und die Forderungen der Bauern, in: Die Zwölf Artikel von 1525 und das „Göttliche Recht“ der Bauern. Rechtshistorische und theologische Dimensionen, hg. von Görge K. Hasselhoff / David von Mayenburg (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, Bd. 8), Würzburg 2012, S. 223–243, S. 227. Vor allem von Peter Blickle wird der Durchbruch dieses Legitimationsprinzips, das durch die „Zwölf Artikel“ als Idee des ‚Aufstands‘ verbreitet wurde, mit dem Einfluss von Huldrich Zwingli in Verbindung gebracht. Siehe etwa: Blickle, Peter, Memmingen – Ein Zentrum der Reformation, in: Die Geschichte der Stadt Memmingen. Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende der Reichsstadt, hg. von Joachim Jahn, Stuttgart 1997, S. 349–418, S. 357.

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auch das Prinzip der Nächstenliebe als Norm des Zusammenlebens anzuerkennen. Entsprechend der Theologie des Reformators Martin Bucers sollten alle Glieder der Gesellschaft zukünftig dem „nechsten zum nutzlichsten und föderlichsten dynen“.172 Inhaltlich blieb die Nächstenliebe bei Conrad aber weitgehend unbestimmt. Sie verstand unter diesem Prinzip vor allem die Umsetzung von göttlichen Normen, die sich in konkreten Handlungen zu realisieren hatten.173 An der Vorstellung der Nächstenliebe, wie sie im ‚Bauernkrieg‘ propagiert wurde, lassen sich im Folgenden drei wesentliche Aspekte unterscheiden. Erstens fungierte sie als eine Zielvorstellung der ‚Erhebung‘, zweitens wurde das Mitleiden als ein Handlungs- und Rechtsgrund verstanden und drittens besaß die Idee der Nächstenliebe Auswirkungen auf das neue Untertanenkonzept der ‚Aufständischen‘. In der Forschung besteht bezüglich des ersten Punktes ein großer Konsens. Die letzten beiden Punkte, auf welche die Geschichtswissenschaft noch nicht eingegangen ist, tragen jedoch dazu bei, eine neue Sichtweise auf den Begriff im ‚Bauernkrieg‘ zu entwickeln. In den Quellen konnten die Bezeichnungen brüderliche liebe, nechstenliebe und kristliche liebe sowie die Adjektive brüderlich und kristlich synonym verwendet werden. Eine Zusammenstellung dieser Wörter, die mitunter bedeutungsgleich gebraucht wurden, erfolgte bisher nicht.174 Nach Peter Blickle zielt der Ausdruck brüderliche liebe während des ‚Bauernkriegs‘ auf eine Neuordnung der Gesellschaft ab. Die ständisch-hierarchisch organisierte Gesellschaft sollte aufgelöst werden. Heute

172 Zitiert nach: Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 59. 173 „So stellt sich die reformatorische Lehre, wie sie im ländlichen Bereich verstanden wurde, als ein auf biblischem Fundament ruhender, aber eigentlich katholischer Werkglaube dar.“ Ebd., S. 102. 174 Eine Parallelisierung zwischen der nechstenliebe und der brüderlichen liebe nahm zuerst Franziska Conrad vor. Ebd., S. 105, 127f., 130 u. 133. Bei Peter Blickle findet sich eine Gleichsetzung im Register zu seiner Studie über die Gemeindereformation. Für die Interpretation des ‚Bauernkriegs‘ blieb diese Erkenntnis jedoch ohne Konsequenzen. Blickle, Gemeindereformation (wie Anm. 14), S. 228. Auch Diekmannshenke erkennt in den frühreformatorischen Schriften eine Tendenz zur Gleichsetzung der Ausdrücke und bringt zudem den Gedanken des gemeinen Nutzens mit der Idee der Nächstenliebe in Verbindung. Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 295–300. Die in dieser Fußnote angefügten Belege besitzen exemplarische Charakter, da eine Vielzahl von Substantiven, die von den Adjektiven kristlich und brüderlich charakterisiert wurden, ebenfalls in dieser Bedeutung verstanden werden konnten: So bedeutete ein „bruderlich und christlich leben“ für die Bildhäuser, Mitleid für die Lasten der anderen zu empfinden und diese zu teilen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 368. Im fünften der „Zwölf Artikel“ wurde brüderliches Verhalten und brüderliche liebe als Synonyme verstanden. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 29. Zur Synonymie zwischen brüderlicher und kristlicher liebe vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 441. Zur Synonymie zwischen nechstenliebe und brüderlicher liebe vgl. ebd., I, S. 53f.

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wird diese Begriffsbestimmung weitgehend akzeptiert.175 Analysiert man jedoch die Wortverwendung in den „Zwölf Artikeln“, zeigt sich bereits dort ein vielschichtigeres Bild: Aufschlussreich sind der dritte, vierte, fünfte und zehnte Artikel sowie das Schlusswort. An die Brüderlichkeit der Mitmenschen wird erstens in sog. Vergleichsaufforderungen appelliert. Nachdem der Bevölkerung aus der Bibel ein bestimmtes Recht zugesprochen wird, dient der Hinweis auf die Brüderlichkeit als Aufforderung, sich mit den Untertanen zu einigen. Im vierten Artikel heißt es, wenn jemand Rechte an Gewässern ausübe und nachweisen könne, diese von der Bevölkerung erworben zu haben, wollten die Untertanen ihm diese nicht mit Gewalt nehmen. Stattdessen müssten die Besitzer „ain christlich eynsechen darynnen haben von wegen bruͤ ederlicher lieb“. Der fünfte Artikel betrifft die Holzrechte. Kann der Besitzer den Nachweis über die rechtmäßige Erwerbung aus den Händen der Bevölkerung nicht führen, solle er sich „briederlich und christelich“ mit ihnen einigen. Besitze er sie rechtmäßig, aber habe sie durch Weiterverkauf erlangt, solle er sich mit den Untertanen „nach gestalt der sach und erkantnuß briederlicher lieb vnd heiliger geschrifft“ vergleichen. Im Zehnten Artikel werden die Besitzer von Äckern und Wiesen aufgefordert, sich „guͤ tlich unnd briederlich“ mit den Untertanen zu einigen, wenn sie ihnen diese unrechtmäßig weggenommen hätten.176 Welche Bedeutung besitzt nun die Idee der Brüderlichkeit in diesen Textstellen? Mit Sicherheit handelt es sich in keinem der Fälle um einen Vergleich im rechtsfreien Raum. Glaubt man an die Bibel als Gesetzestext, kann den Anweisungen der Heiligen Schrift nach einer allgemeinen Verfügbarkeit von Wildtieren, Wäldern, Wiesen und Äckern nicht widersprochen werden. Der Modus der Übergabe ist kaum verhandelbar, sondern sollte entgegenkommend vonstattengehen. Die Brüderlichkeit steht in diesem Sinn jedoch vor allem für die Umsetzung beziehungsweise den Vollzug des Evangeliums. In allen Fällen handelt sich dabei um Artikel, die auf die gleichen Rechte für alle Menschen abzielen. Der Gedanke der Brüderlichkeit lässt sich aber auch als moralisch-religiöses Argument in Stellung bringen. Im vierten Artikel heißt es, aufgrund von Beschädi-

175 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 223. Ansätze einer Neubewertung zeigen sich in einem späteren Werk: Blickle, Gemeindereformation (wie Anm. 14), S. 70 u. 200. Hardtwig führt noch Aspekte der genossenschaftlichen Verbandsbildung nach mittelalterlicher Tradition an: Hardtwig, Wolfgang, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution, München 1997, S. 135f. 176 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 29f. Diesen Artikeln, die sich mit dem Zugang zu Naturschätzen beschäftigen liegen auch juristische Argumentationen zu Grunde. Ein Befund, der sich in das Bild der Argumentationstechnik einfügt, möglichst viele Begründungen anzuführen. Mayenburg, David von, Bäuerliche Beschwerden als Rechtstexte. Die Artikel der oberdeutschen Bauern zur Agrarordnung (Art. 4, 5, 8 und 10), in: Die Zwölf Artikel von 1525 und das „Göttliche Recht“ der Bauern. Rechtshistorische und theologische Dimensionen, hg. von Görge Hasselhoff/ David von Mayenburg (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, Bd. 8), Würzburg 2012, S. 99–130.

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gungen der landwirtschaftlichen Anbauflächen durch Wildtiere müssten die Untertanen „leyden“. Dies sei „wider Gott und den nechsten“. Im Schlusswort findet sich diese Wendung in abgewandelter Form wieder. Politische Forderungen seien dann ungültig, wenn sie „wider Got und (wider die) beschwernus des naͤ chsten weren“. Die Parallelität ist offensichtlich: Eine gerechtfertigte Ordnung müsse sich an den Geboten Gottes und an einem beschwerdefreien Leben der Menschen, sprich ihrem Wohlergehen, ausrichten. Unklar ist allerdings der Status der Nächstenliebe: Entsteht sie erst durch die Auslegung des Evangeliums, muss die Bibel im Sinne der Nächstenliebe verstanden werden, oder gibt es zwischen dem sittlichen Gefühl der Nächstenliebe und den Aussagen des Evangeliums schlicht keinen Unterschied? Zumindest lässt sich konstatieren: Die Not des Gegenübers wird als Indikator für unchristlich empfundene Zustände angesehen, die es abzustellen gilt. Fasst man das Bisherige zusammen, wird die Nächstenliebe erstens als Kondensat einer christlichen Haltung verstanden, alle Menschen entsprechend der göttlichen Gebote zu behandeln. In einem weiteren Sinn steht die Nächstenliebe aber auch für die Tugend des Mitleidens. Die Not des Gegenübers ist in dieser Lesart eine sittliche Verpflichtung, diesem zu helfen.177 Für das Untertanenkonzept im ‚Bauernkrieg‘ beziehungsweise der Vorstellung einer legitimen Herrschaft besitzt der dritte Artikel die größte Bedeutung. Eine herausragende Rolle spielt der Gedanke der Nächstenliebe. Die ‚Aufständischen‘ wollen in Zukunft zwar „frey“, aber nicht „gar frey“ sein. Die Argumentation nimmt grundsätzliche Züge an, neue Formen der gesellschaftlichen Bindung seien notwendig. Ausdrücklich bekennt man, in „gepotten leben“ zu wollen. Gott treu zu sein, heißt, allerdings nicht nur seine Gesetze zu befolgen. Diese Art von Gottesgehorsam müsse sich in der Gemeinschaft konkretisieren. Man solle „Got lieben, in als unserrn herrn in unsern nechsten erkennen“. Ganz eindeutig soll jeder Mensch so behandelt werden, als ob es sich bei ihm um den Herrgott handelt. Das Prinzip von Herrschaft wird demzufolge als die Einhaltung von christlichen Geboten in einer Gemeinschaft verstanden. In einer solchen Ordnung wird zudem jeder für den anderen einstehen. So solle man entsprechend der Goldenen Regel „alles das thon, so wyr auch gern hetten“. Nicht nur Gott, sondern der Nächste erscheint nun als die Obrigkeit eines wahren Christen. Ausdrücklich wird schließlich proklamiert „wir sollen uns gegen jederman diemuͤ tigen“.178 Die Textstelle besaß erhebliche Brisanz in Hinblick auf eine zukünftige Ordnung. Das Prinzip von Herrschaft wurde nun, entgegen bisher gültiger Regeln, erstens als die Befolgung allgemein verbindlicher Gebote verstanden. Zweitens waren die Menschen nun dem Nächsten und nicht mehr nur ihrer weltlichen Obrigkeit zu Gehorsam verpflichtet. Das Prinzip der nechstenliebe bzw. der brüderlichen liebe be-

177 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28–31. 178 Ebd., S. 28.

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saß damit keine rein destruktive, sondern eine verbindende Kraft als Keimzelle einer neuen idealen Gesellschaft. Um die Rolle der Nächstenliebe als Herrschaftsprinzip und die zukünftige Rolle der Obrigkeit in diesem Modell besser verstehen zu können, lohnt es sich im Folgenden auf das Verständnis der Brüderlichkeit in den weiteren Schriften der ‚Aufständischen‘ einzugehen, da die „Zwölf Artikel“ keine Handlungsanleitung geben, sondern auf der Basis der Bibel theoretisch-abstrakt argumentieren.179 Vor diesem Schritt sollen die wesentlichen Aspekte der Nächstenliebe in den „Zwölf Artikeln“ jedoch noch einmal vertieft werden. Die Befolgung dieses Gebots wird im dritten Artikel als ein Leben in Geboten verstanden, das im Gegensatz zum „muͦ twilen“ steht. Im vierten Artikel setzen die Autoren „unbruͤ derlich(es)“) Verhalten mit „aigennützig(em)“) Verhalten gleich. Nach Otto Brunner steht der mutwille in der damaligen Zeit für die stigmatisierte Verhaltensweise, außerhalb der Gesetze zu handeln. Die Brüderlichkeit bzw. die Nächstenliebe besitzt damit einen Gegenbegriff, das ungesetzliche und damit eigensinnige, egoistische Agieren.180 Die Nächstenliebe als Synonym für die Befolgung von Geboten lässt sich in den „Zwölf Artikeln“ näher beschreiben, erstens als die Umsetzung der göttlichen Gesetze, wie sie die Heilige Schrift vorgebe, und zweitens als die Verbundenheit mit dem Gegenüber, dessen Interesse zu verwirklichen. So heißt es im dritten Artikel, wie schon erwähnt, man solle „alles das thon, so wyr auch gern hetten“. Die zugrundeliegenden Bibelstellen, die am Rand der „Zwölf Artikel“ aufgeführt werden, „Luce 6“, „Math. 5“ und „Jehan. 13“, referieren dabei alle auf das selbstlose Verhalten, den Willen des Gegenübers zu befolgen.181 Konkret gesprochen, soll in einer christlichen

179 Die Fragestellung wird zudem erneut in Kapitel 2.2.3.2.4 aufgegriffen, um dieser weitreichenden Argumentation das notwendige Gewicht zu verleihen. 180 Brunner, Otto, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter, 5. Auflage Darmstadt 1965, S. 42f. 181 In den „Zwölf Artikel“ werden aus der Bibel nur das Buch und das Kapitel, aber nicht der Vers angegeben. Die Auflösung der entsprechenden Angaben beruht daher auf Interpretation. Sucht man hier nach dem gemeinsamen Gedanken in den entsprechenden Kapiteln, trifft dies auf Lc 6,31, Mt 5,48 und Io 13,34–35 zu. Nach der Edition Götzes handelt es sich nicht um „Math. 5“, sondern um „Math. 7“ (=Mt 7,12). Götze, Die zwölf Artikel der Bauern 1525 (wie Anm. 3), S. 12. Einen Überblick über die bisherigen Versuche, die Bibelbelege aufzulösen, bietet folgender Aufsatz: Hasselhoff, Görge/ Pietsch, Andreas, Zum Schriftgebrauch in den Zwölf Artikeln, in: Die Zwölf Artikel von 1525 und das „Göttliche Recht“ der Bauern. Rechtshistorische und theologische Dimensionen, hg. von Görge Hasselhoff/ David von Mayenburg (Studien des Bonner Zentrums für Religion und Gesellschaft, Bd. 8), Würzburg 2012, S. 45–65. Problematisch ist die Frage, welche Bibel die ‚Aufständischen‘ verwendeten. Zeitgenössisch kursierten mehrere deutsche Übersetzungen der spätantiken Vulgata. Da sich die Bibelübersetzungen sehr eng an das Lateinische anlehnen, soll in dieser Arbeit die Vulgata zitiert und deren Abkürzungsapparat verwendet werden. Grundlegend hierfür ist folgende Edition: Weber, Robert/ Gryson, Roger (Hg.), Biblia sacra. Iuxta Vulgatam versionem, 5. Auflage Stuttgart 2007. Da zeitgenössisch keine verbindliche deutsche Übersetzung existierte, soll in dieser Arbeit als Lesehilfe der Text der Einheitsübersetzung zusätzlich zu den lateinischen Bibelstellen

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Gemeinschaft niemand mehr Not leiden. Allgemeiner ausgedrückt, wird das Wohl aller Menschen in den Mittelpunkt der neuen Gemeinschaft gerückt. Fasst man zusammen, sind in den „Zwölf Artikeln“ zwei Lesarten der Nächstenliebe als politische Idee möglich: die Liebe zu Gott als die Realisierung einer theokratischen Interpretation der Bibel sowie die Liebe zum Gegenüber als der Einsatz für dessen Wohlergehen. Oder abstrakter formuliert, die Menschen sollen dem Allgemeinwohl dienen, das sich am Interesse aller Menschen zu orientieren hat. 2.1.2.2.2 Die Bedeutung der Nächstenliebe in den Korrespondenzen der Versammlungen Ist diese Interpretation der Nächstenliebe als Argumentationsfigur in den Korrespondenzen der Haufen aber auch so relevant wie in den „Zwölf Artikeln“? Finden sich auch dort die beiden Bedeutungen, oder existieren noch andere Bedeutungsvarianten? Am ‚Aufstand‘, der im Rothenburger Umland seinen Ausgang nahm, sollen diese Fragen zunächst exemplarisch überprüft werden. Die Rothenburger ‚Erhebung‘ beziehungsweise der Taubertaler Haufen breitete sich Anfang April 1525 in Richtung Würzburg aus. Die ‚Aufständischen‘ schrieben am 3. April an die umliegenden Orte folgenden Brief: Lieben bruder. ir wist, wie wir von euch geschaiden sein, und bitten, nachdem ir auch hoch beschwerd seyt, ir wolt zu uns komen und uns als die zu unserm hauffen gehoren die gerechtickait helfen verstrecken, damit unser beschwerden, wider got und die lieb des nechsten furgenomen, ausgereut werden mogen.182

Die Argumentation des Schreibens entspricht in hohem Maße der Argumentation der „Zwölf Artikel“: Die Abgaben und Lasten der Untertanen sollen sich an den Gesetzen Gottes und der Nächstenliebe ausrichten. Auch hier bleibt jedoch eine exakte Definition der Nächstenliebe offen. Resultiert sie aus der Auslegung des Evangeliums, oder handelt es sich bei ihr um ein eigenständiges Rechtsprinzip? Betrachtet man die Kommunikationssituation des werbenden Aufforderungsschreibens, sich der Versammlung und ihren Zielen anzuschließen, war eine exakte Definition vermutlich auch gar nicht gewollt. Der Verweis auf die gemeinsame Not und der Appell an das Gerechtigkeitsgefühl, demzufolge ein wahrer Christ niemanden Not leiden

angeführt werden. Die Interpretation stützt sich allerdings auf die Vulgata. Zur Bibelrezeption vor der Verbreitung der Lutherbibel ist grundlegend: Walther, Wilhelm, Die deutsche Bibelübersetzung des Mittelalters, Braunschweig 1889–1892. Mit neuerem Forschungsstand: Eichenberger, Walter/ Wendland, Henning, Deutsche Bibeln vor Luther. Die Buchkunst der 18 deutschen Bibeln zwischen 1466 und 1522, 2. Auflage Hamburg 1983. 182 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 29.

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lasse, setzte die Gegenseite ins Unrecht und das eigene Anliegen ins Recht. Die eigene Not diente auf diese Weise als Indikator für unchristliche Zustände. Von Friedrich Weygandt, einem Vordenker der mit den Taubertalern verbündeten Neckartal-Odenwälder Versammlung, wurde die Nächstenliebe eindeutig als eigenes Rechtsprinzip begriffen. So verfasste er, um um Unterstützung beim Adel für die Versammlung zu werben, einen Brief, in dem er darlegte, dass die Nächstenliebe eine Rechtsinstanz darstelle. „so schicken wir euch unser anligend beschwerden, bittend in aller unterthenickait, durch gots christlicher und bruderlicher lieb willen: wollet der armen gross beschwerde (abstellen), die alle in schriften nit verfast aber durch euren verstand woll ermessen werden mogen“.183 Alternativ hätte Weygandt wohl auch mit der Billigkeit, dem subjektiven Rechtsempfinden, welches im Mittelalter einen Rechtsgrund darstellte, argumentiert können – er verwies aber auf die Tugend des Mitleidens. Die Nächstenliebe war in diesem Sinn leicht an eine bestehende Rechtstradition anknüpfbar, welche das ethische Empfinden als einen Rechtsgrund anerkannte.184 Zurück zur Argumentation der Rothenburger: Ihre Gedanken verfingen im Taubertal und breiteten sich immer stärker aus. Der Würzburger Bischof beauftragte daher Unterhändler, Kontakt zu den ‚Aufständischen‘ aufzunehmen. Am 9. April kam es bereits auf bischöflichem Gebiet bei Röttingen zu Verhandlungen. Die Gesandten forderten die Beteiligten auf, sich zurückzuziehen, ihre unchristlichen Forderungen fallen zu lassen und die Untertanen des Bischofs und der Ritterschaft aus dem Hau-

183 Ebd., I, S. 441. An die Brüderlichkeit als Handlungs- und Rechtsgrund wurde in diesem Sinn aber nicht nur von einer Einzelperson appelliert: Die gewählten Feldhauptmänner und andere Repräsentanten hatten laut der Ochsenfurter Feldordnung „alles dasjenig furzunemen und zu handlen, das got dem almechtigen zuvorderst zu lob und ehre und dan gemainer versamlung zu nutz, ehr und wolfart ersprieslich und zu guttem komen mag, und in dem allem ir aigen selbst ere und nutz nit zu suchen, auch gegen nymant kainerlay neyds oder geverds zu gebrauchen, sonder allain christlicher bruderlicher lieb nach zu handlen“. Diese Verhaltensregel galt im Grunde für alle Angehörigen des Haufens. So schwuren die zu dieser Versammlung gehörenden ‚Aufständischen‘ aus Dettelbach: „Cristliche, liebe bruder und freunde. nachdem wir uns zusamen verainigt, gelobt und geschworen haben, bruderliche lieb zu halten, kainer seinen aigen nutz zu·suchen, sonder dem ewangelio volg zu thun“. An diesen Schwur konnte auch innerhalb der Versammlung argumentativ appelliert werden. Vgl. ebd., I, S. 145, II, S.48f. u. 395. Zu Weygandt vgl. Arnold, Klaus, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“. Zum deutschen „Bauernkrieg“ als politische Bewegung: Wendel Hiplers und Friedrich Weygandts Pläne einer „Reformation“ des Reiches, in: Zeitschrift für Historische Forschung 9 (1982), S. 257–313, S. 278–287. 184 Zur Billigkeit als Rechtsprinzip vgl. Becker, Hans-Jürgen, Recht, Billigkeit und Gnade in der europäischen Rechtsgeschichte, in: Recht und Gerechtigkeit. Vorträge und Beiträge als Grundlage für Deutung und Bewältigung heutiger Probleme, hg. von Eckart Olshausen (Humanistische Bildung, Bd. 13), Stuttgart 1989, S. 45–64. Schuler, Peter-Johannes, Recht und Billigkeit als politische Forderung der Reformschriften des 15. Jahrhunderts, in: Kaiser Friedrich III. in seiner Zeit. Studien anläßlich des 500. Todestags am 19. August 1493/1993, hg. von Paul-Joachim Heinig (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Bd. 12), Köln 1993, S. 301–315.

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fen zu entlassen.185 Hierzu nahmen die Untertanen in einem Brief Stellung und stilisierten das Prinzip der Nächstenliebe zum Handlungszwang: kompt aber yemant, begerend des, das wir begeren, was das ewig wort gottes ufricht, sol becreftigt werden, was es legt, soll ligen, tod und ab sin, konnen wir solchs aus bruderlicher lieb niemant nicht abschlagen. auch die verwanten eurs gnedigen herren von uns hinweg zu schaffen, konnen wir aus erhaischung der liebe des nechsten solchs nit thun. mer ist unser furnemen nicht, wie ir uns beschuldigt, ain frevelich furnemen, sonder gotlich, und nach eraischung der liebe des nechsten haben euch solchs wir in gutem nit wollen verhalten.186

Das Handeln im Sinne der Nächstenliebe verstanden die ‚Aufständischen‘ als Verpflichtung zum Beistand in einer gerechten Sache. Ein Christ habe eine ethische Verpflichtung, denjenigen zu helfen, die sich für ein gerechtes Anliegen einsetzten. Wahre Christen könnten und dürften nicht anders handeln, so die Argumentation, als sich gegenseitig zu unterstützen. Eindeutig wiegt der Gehorsam gegenüber dem Nächsten stärker als der Gehorsam gegenüber dem Bischof. Die Pflicht zum Beistand in einer brüderlichen Vereinigung ist vom ethisch-religiösen Anspruch der Nächstenliebe nicht zu unterscheiden. Am 4. Mai übergaben der Neckartaler und der Odenwälder Haufen, der mit dem Taubertaler Haufen verbündet war, dem Würzburger Bischof die „Zwölf Artikel“ mit der Aufforderung, sie anzunehmen. In einem kurzen Abriss werden die Ursachen und Ziele der Versammlung geschildert. Die Vereinigung sei angesichts der Unterdrückung des Gottesworts und der hohen Belastungen der Untertanen ohne Aussicht auf Besserung nötig geworden. Deswegen, so die ‚Aufständischen‘, müsse man „erleichterung, mitleidenliche hilf und trostung“ suchen, damit „in gaistlichen und weltlichen sachen cristlich, bruderlich lieb und treue“ erfolgen könne.187 Die Brüderlichkeit wird auch hier wieder als Argument gegen wirtschaftliche Not in Stellung gebracht und zum grundsätzlichen Ziel einer jeden Gesellschaft erklärt. Weitet man den Blick über die Täler von Tauber und Neckar und bezieht auch die Korrespondenzen der Württemberger und der Bildhäuser ‚Aufständischen‘ mit ein, lässt sich ohne Einschränkung die große Bedeutung der Nächstenliebe auch für diese Versammlungen konstatieren. Typisch sind etwa standardisierte Bezugnahmen auf die Brüderlichkeit als Ziel der ‚Erhebung‘ in Eingangs- oder Schlussformeln der Briefe.188

185 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 52f. 186 Ebd., I, S. 53f. 187 Ebd., I, S. 192. 188 Für die Korrespondenzen von und an den Württemberger Haufen, die den Ausdruck als Teil einer Eingangsformel verwenden, vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 9, 31, 44, 74 und Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 226.

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Den Ausdruck der Brüderlichkeit könnte man auf den ersten Blick jedoch als reinen Terminus Technicus verstehen. Die ‚Aufständischen‘ hatten sich in Bruderschaften zusammengeschlossen. In der Tradition mittelalterlicher Genossenschaftsbildung hieß brüderlich zu handeln, die Treue zu einer gemeinsamen Sache unter Beweis zu stellen.189 Das Verständnis von Brüderlichkeit in den Versammlungen erschöpfte sich allerdings nicht in dieser eher profanen Bedeutung. Die Beistandspflicht war von der religiös sanktionierten Verpflichtung, sich gegenseitig zu helfen und eine göttliche Ordnung aufzurichten, nicht zu trennen. So gaben die Württemberger an, man solle ihnen Beistand zur Aufrichtung der „göttlich(en) gerechtigkhait und (der) bruderliche(n) liebe“ leisten.190 Die „cristenlich(e) lieb“ wurde gar zum Handlungsgrund der Versammlung stilisiert.191 Auch potentielle Gegner wie der Amtmann des Grafen Wilhelm von Eberstein übermittelte die angebliche Überzeugung seines Herrn, dass die Vereinigung „zu erhaltung cristlicher trew, lieb und einigkeit dienet“.192 Christliches Verhalten und brüderliches Verhalten waren synonym geworden. Ganz eindeutig verwendeten die Württemberger die brüderliche

Der Ausdruck findet sich auch als Teil einer Schlussformel: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 57. Und: Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 289. 189 Zur den Werten und Organisationsformen der Schwureinigung einleitend: Oexle, Otto Gerhard, Friede durch Verschwörung, in: Die Wirklichkeit und das Wissen. Mittelalterforschung – Historische Kulturwissenschaft – Geschichte und Theorie der historischen Erkenntnis, hg. von Andrea von Hülsen-Esch/ Bernhard Jussen/ Frank Rexroth, Göttingen 2011, S. 595–635. Extensiv machten die ‚Aufständischen‘ in ihren Korrespondenzen vom Lemma bruder Gebrauch. Im Korpus der Bildhäuser Bauern findet sich die Wortformen bruder 278 und brüderlich 147 Mal. Einige Beispiele sollen genügen: Das brüderliche mitteilen wurde im Kontext einer Bitte um Auskunft verwendet: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 317. Das brüderliche begehren bei einer Bitte, die Versammlung zu unterstützen: ebd., II, S. 397. Sich brüderlich zu erweisen, hieß ebenfalls militärische Hilfe zu leisten: ebd., I, S. 403, 448f. u. II, 86f. Die brüderliche erinnerung bezeichnet an anderer Stelle eine Handlungsaufforderung, einem Befehl zu befolgen: ebd., I, S. 388f. Die brüderliche bitte wurde im Kontext der Stellung eines Truppenaufgebotes verwendet: Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 392. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 394f., 402, 132, 360, II, 101, 132, 100f., 326f., 217 u. 204. Unter semantischen Gesichtspunkten vergrößert das Adjektiv brüderlich in keinem der Fälle die inhaltliche Bedeutung der Wortverbindung. Die brüderliche erinnerung war eine Erinnerung, eine brüderliche bitte eine Bitte. Vielmehr ist die Verwendung des Worts brüderlich erstens als Ausweis einer gemeinsamen Identität und zweitens als Handlungsappell zu verstehen, der einen Wunsch, eine Bitte oder einen Befehl verstärkte. 190 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 35. 191 Ebd., Nr. 20 u. 85. 192 Ebd., Nr. 46.

2.1 Sprach- und Denkräume des aufrurs



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liebe als Argument zur Linderung von Missständen.193 Eine neue Ordnung, so schrieben sie in einem anderen Dokument, müsse den Geist der Brüderlichkeit verwirklichen.194 Bei den Bildhäuser Untertanen findet sich der Terminus der brüderlichen liebe ebenfalls in zahlreichen Belegstellen. In den meisten Fällen wird sie als Beistandspflicht in einem militärischen Kontext verwendet.195 Mit dem Adjektiv brüderlich ist aber auch die Sorge um den Nächsten verbunden. An einer Begebenheit wird dies offensichtlich: Die ‚Aufständischen‘ aus dem unterfränkischen Mellrichstadt hatten den Kasten des Würzburger Bischofs überfallen. Daraufhin wendeten sich die Bewohner von Stockheim an sie und argumentierten, Hunger zu leiden. Die Mellrichstädter sollten ihnen Getreide überlassen. Der Bildhäuser Haufen, der Partei für die Stockheimer ergriff, schrieb daraufhin nach Mellrichstadt folgenden Befehl: „das ir denselbigen von Stockhaim 80 malter korns, den, so des notturftig und bedurftlich sein, on allen verzug und widersetzung miltiglich mittailen wollet; dan so man bruderlich und christlich leben will, soll ainer des andern burden getreulichen tragen“.196 Auch hier ist die Argumentation wieder grundsätzlicher Natur. Die Bildhäuser referieren auf Gal 6,2: „alter alterius onera portate et sic adimplebitis legem Christi.“ – „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Als die entscheidenden Eckpfeiler einer christlichen Gemeinschaft werden das Mitleiden und der gegenseitige Gehorsam verstanden, welche semantisch eng aneinander gekoppelt sind.197 In den Schriften konnten die Ausdrücke kristlich, brüderlich, nechstenliebe und etwa brüderliche liebe synonym verwendet werden. Dennoch lohnt es sich, zwischen unterschiedlichen Konzepten der Brüderlichkeit zu unterscheiden. Zu

193 Im Brief an den Kaiser: „Aber der beschwerungen halb, damit wir unsers bedunkens unbillicher weys wyder gott, bruederliche liebe, geschriben und naturliche recht beladen“. Ebd., Nr. 50. 194 Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 333. 195 Vgl. exemplarisch oben Anm. 189. 196 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 368. Für den Anschluss an eine Bauernversammlung sei nach der Versammlung zu Aura, die mit Bildhausen verbündet war, eine christliche Haltung notwendig, die auf „bruderlicher lieb“ beruhe. Die brüderliche liebe bildet auch in diesem Kontext die Voraussetzung und das Ziel einer brüderlichen Gemeinschaft. Angesichts der militärischen Bedrohungssituation des Haufens wurde die brüderliche liebe aber vor allem als gegenseitige Beistandspflicht verstanden, sich zu unterstützen. Siehe etwa: ebd., I, S. 347, 456 u. 457, II., 312 (Zitat). 197 Zur Verwendung der Vulgata in dieser Arbeit vgl. Anm. 181. Einen Blick von einem anderen Standpunkt gewährt der obrigkeitstreue Kitzinger Chronist Hieronymus Hammer auf solche Vorgänge. Er berichtet über die die gleiche Verteilung von Getreide folgendermaßen: „Item etliche wollten, man solt wein und korn im closter und spital gleich theilen; und dergleichen viel mehr unnütz dings.“ Hammer, Hieronymus, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges, in: Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal. Nebst einem Anhang: Geschichte des Kitzinger Bauernkriegs von Hieronymus Hammer, hg. von Michael Wieland, Würzburg 1887, S. 143–153, S. 149.

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nennen ist erstens eine geistliche Tradition, in der sich Anhänger einer Glaubensgemeinschaft als Brüder verstanden. Insbesondere die Anrede als kristlicher bruder wurde in der Reformationszeit von Luther als Signal für die Zugehörigkeit zu seinem Glaubensverständnis verwendet. Anknüpfend an diese Idee können die entsprechenden Ausdrücke bei den ‚Aufständischen‘ als Erkennungszeichen einer religiösen Gruppenidentität gedeutet werden. Mit der Brüderlichkeit ist zweitens aber auch ein Set an Verhaltensweisen und Normen gemeint, das aus der Tradition der Schwureinigung stammt und auf die Gleichrangigkeit und Solidarität von Mitgliedern einer solchen Vereinigung abzielt, deren Mitglieder sich ebenfalls als brüder bezeichneten.198 Drittens gehen mit den Appellen an die Brüderlichkeit in den untersuchten Texten egalitäre Ansprüche einher, etwa bestimmte Nutzungsrechte im Sinne des Jedermannsrechts der Allgemeinheit wieder zur Verfügung zu stellen. Besonders im dritten der „Zwölf Artikel“ klingt dabei die prinzipielle Rechtsgleichheit aller Menschen an. Viertens ist die Brüderlichkeit als Leitidee einer zukünftigen Gesellschaft zu verstehen, in der alle Menschen ohne Not zu leiden, eingedenk gleicher Interessen am Erhalt einer christlichen Gemeinschaft, miteinander verbunden sind. Der Gehorsam der Untertanen wird in diesem Sinn als Gehorsam gegenüber Gott und dem Wohl des Nächsten in einem sozialen und herrschaftbegründenden Sinn verstanden. Dieses neue Herrschaftsverständnis stand dem bisherigen Obrigkeitsgehorsam entgegen, hob diesen auf und ersetzte ihn. Christ zu sein, hieß die Übernahme von Verantwortung und die Einhaltung von Regeln, welche nicht mehr von der Obrigkeit stammten. Ausbuchstabiert enthalten diese Ideen bereits Leitlinien eines neuen Gemeinwesens: der Utopie einer christlichen Gesellschaft rechtlich gleichgestellter Menschen, auf die in dieser Arbeit noch genauer einzugehen sein wird.199 Man kann für dieses neue Herrschaftsverständnis die Expansion genossenschaftlicher Gedanken der Solidarität und Gleichrangigkeit verantwortlich sehen, den Bedeutungsgewinn der Nächstenliebe im Zuge der Reformation oder aber auch die prinzipielle Offenheit dieses Konzepts, das sich leicht mit dem subjektiven Rechtsempfinden koppeln ließ.200 Muster hierfür lieferten sicherlich der Stel-

198 Diese Differenzierung orientiert sich an den Überlegungen, die Wolfgang Schieder in den Geschichtlichen Grundbegriffen darlegt. Schieder, Wolfgang, Brüderlichkeit. Bruderschaft, Brüderschaft, Verbrüderung, Bruderliebe, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 1, hg. von Otto Brunner/ Werner Contze/ Reinhart Koselleck, Stuttgart 2004, S. 552–581. 199 Siehe unten Kapitel 2.2.3. 200 Die Gründe für die große Bedeutung der Nächstenliebe im ‚Bauernkrieg‘ sind sicherlich in der verstärkten Propagierung dieses Leitwertes durch die frühen Reformatoren zu suchen. So hatte Martin Luther die Nächstenliebe als Handlungsgrund gegen den altgläubigen Klerus in Stellung gebracht, wenngleich er mit diesem Begriff einen rigiden Obrigkeitsgehorsam verband, auch Missstände zu erdulden. Der Dichter Hans Sachs popularisierte dieses Prinzip als Kernidee der lutherischen Glaubensauslegung mittels seiner Dichtung ebenfalls. Zur Relevanz der Nächstenliebe in der Frühreformation vgl. Hamm, Bürgertum und Glaube (wie Anm. 122), S. 197f. Ferner betont er, dass

2.1 Sprach- und Denkräume des aufrurs 

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lenwert der Misericordia, der Clementia und der Billigkeit im Rechtsdenken der damaligen Zeit.201 Während die ältere Forschung als entscheidendes Legitimationsprinzip des ‚Bauernkriegs‘ fast ausschließlich das Göttliche Recht interpretierte, die Sätze der Bibel auf den weltlichen Bereich auszudehnen, kann bereits dieses Kapitel die Vielschichtigkeit von Legitimationsstrategien aufzeigen.202 Beide religiös geprägten Begründungszusammenhänge, Rechte aus der Bibel abzuleiten, und mit dem Zwang der Nächstenliebe als innerliches, moralisches Prinzip zu argumentieren, sind dabei als Teil eines theokratischen Diskurses anzusehen, in Übereinstimmung mit älteren Traditionen des Widerstandsrechts ein neues Untertanenverständnis zu profilieren. In diesem Sinn hatten sich die Beteiligten nach der Bibel und nach einem christlichen Herzen zu richten, wobei zwischen beiden Instanzen offenbar nicht unterschieden wurde. Wie die Transformation der alten in eine neue Gemeinschaft vonstattengehen sollte, lässt sich, insbesondere wie in den nächsten Kapiteln deutlich werden soll, anhand der sprachlichen Benennung der Ereignisse nachvollziehen.

die Nächstenliebe zur Parole für die kommunale Ausgestaltung der Reformation geworden sei. Hamm, Die reformatorische Krise der sozialen Werte – drei Lösungsperspektiven zwischen Wahrheitseifer und Toleranz in den Jahren 1525–1530 (wie Anm. 122), S. 94. Den Charakter einer Fallstudie zur Ausbreitung dieses Gedankens in Franken besitzt eine Arbeit von Rublack. Er macht diesen Gedanken an den veränderten Kastenordnungen im Würzburger Raum fest: Rublack, Hans-Christoph, Gescheiterte Reformation. Frühreformatorische und protestantische Bewegungen in süd- und westdeutschen geistlichen Residenzen (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 4), Stuttgart 1978, S. 45–49. Zu Sachs vgl. Dutschke, Manfred, „Was ein singer soll singen“. Untersuchung zur Reformationsdichtung des Meistersängers Hans Sachs (Europäische Hochschulschriften, Bd. 865), Frankfurt am Main 1985, S. 101–113. Zu Luther exemplarisch vgl. Luther, Martin, Wider den falsch genannten geistlichen Stand des Papsts und der Bischöfe, in: WA, Schriften. Bd. 10.2, S. 105–158. Zur Bedeutung der Nächstenliebe in anderen Aufstandsregionen vgl. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 56–134, bes. S. 104–107. 201 Becker, Recht, Billigkeit und Gnade in der europäischen Rechtsgeschichte (wie Anm. 184). 202 Auf die „Zwölf Artikel“ bezogen argumentiert Blickle, dass das Evangelium ältere Rechtsformen erdrücke. Insgesamt urteilt er, erst das Göttliche Recht als neue Legitimationsform habe den ‚Aufstand‘ möglich gemacht. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 31 u. 143.

66  2 Der Diskurs der aufrürer

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft 2.2.1 Die Verwendung des Aufruhrbegriffs 2.2.1.1 Der Aufruhrbegriff in den Flugschriften 2.2.1.1.1 Abgrenzungsstrategien und Umwertungsversuche Naturgemäß lassen sich für den Historiker kollektive Ideen und Handlungskonzepte nur schwer rekonstruieren. Eine der Hilfestellungen, welche die Geschichtswissenschaft anbietet, stellt die Methode der Historischen Semantik zur Verfügung. Als geeigneter Ausgangspunkt bietet sich die sprachliche Benennung der Ereignisse aus der Sicht der ‚Aufständischen‘ an. Eine einheitliche Bezeichnung der ‚Erhebung‘, mit einem Wort, konnte sich allerdings während des Jahres 1525 bei den ‚Aufständischen‘ nicht etablieren. Stattdessen lassen sich mehrere Möglichkeiten identifizieren, wie das Vorhaben benannt wurde. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen erstens der Umgang mit dem Aufruhrbegriff und zweitens die Frage nach den alternativen Bezeichnungen. Für die Suche nach den zeitgenössischen Benennungen der ‚Erhebung‘ und deren möglichen Konzepten bieten sich als erste Quellengruppe die Flugschriften aus dem Lager der ‚Aufständischen‘ an. Die „Zwölf Artikel“, die auflagenstärkste Flugschrift, übernahm nachgewiesenermaßen eine Schrittmacherfunktion für den gesamten ‚Aufstand‘. Die Aussagen dieser Schrift können wohl zum Allgemeinwissen der Beteiligten über den Charakter einer legitimen ‚Erhebung‘ gezählt werden.203 Der Text lässt sich in drei Abschnitte untergliedern: den Prolog, die konkreten Forderungen und das Schlusswort. An prominenter Stelle, direkt im Vorwort, nehmen die ‚Aufständischen‘ zu Vorwürfen Stellung, ungehorsam zu agieren. Es seyn vil wider christen, die yetzund von wegen der versammleten baurschafft das evangelion zuͦ schmehen ursach nemen, sagent, das seyn die frücht des newen evangelions: Nyemant gehorsam seyn, an allen orten sich empor heben und auff poͤ men, mit grossem gewalt zuͦ hauff lauffen und sich rotten, gaistlich unnd weltliche oberkaiten zuͦ reformieren, außzuͦ reytten, ja villeücht gar zuͦ erschlagen?204

Die Kritiker der Bauern, welche als „wider christen“ bezeichnet werden, hätten laut den „Zwölf Artikeln“ das Evangelium beleidigt, da sie der versammelten Bauernschaft die Vorwürfe machten, ungehorsam zu agieren, und ihnen unterstellten, die Regierungen verändern, abschaffen oder erschlagen zu wollen. Ihr Vorhaben sei demnach durch die falsche Auslegung des Evangeliums entstanden und führe zu einem umfassenden Umsturz. Unverkennbar sind damit die Kernpunkte des negativen Aufruhrkonzepts angesprochen: ein falsches Evangeliumsverständnis als Ursa-

203 Siehe oben Kapitel 2.1.2.2.1. 204 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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che der Zusammenrottung, die Charakterisierung als ungehorsames Verhalten, der Vorwurf der Gewalttätigkeit, der Charakter eines Flächenbrandes und die Prognose eines umfassenden Herrschaftsumsturzes. Wüsste man nicht von diesem Aufruhrstereotyp, man müsste den Autoren des Textes geradezu hellseherische Fähigkeiten unterstellen. Zu einem Zeitpunkt, als die ‚Aufständischen‘ noch keine Gewalttaten verübt hatten und die Unruhe noch regional begrenzt war, wurden bereits die zentralen Vorwürfe, die auch später gegen die ‚Erhebung‘ vorgebracht wurden, vorweggenommen. Man kann bei den „wider christen“ an historisch existierende Personen denken, entstanden die „Zwölf Artikel“ doch während der Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund, andererseits handelt es sich bei den vorgebrachten Vorwürfen um Allgemeinplätze der Zeit.205 Der Autor verdichtete das zugrundeliegende Aufruhrstereotyp und inszenierte einen Dialog. Anonyme Ankläger erheben Vorwürfe, auf welche die oberschwäbischen Bauern antworten. Bei dieser Darstellungsvariante handelt es sich wohl um ein Gattungszitat. In sog. Reformationsdialogen, die seit Luthers Thesenanschlag aufkamen, werden Kontroversen über die Reformation beziehungsweise die Auslegung des Evangeliums in fiktiven Gesprächen zwischen historisch existierenden oder prototypischen Figuren ausgetragen. Die bibelfesten Disputanten – häufig handelt es sich um Vertreter des einfachen Volkes – siegen dabei stets durch die Kraft ihrer Argumente: Ihre Gegner werden überzeugt.206 Inhaltlich handelt die Auseinandersetzung, welche im Vorwort beschrieben wird, von einem Streit über die richtige Auslegung des Evangeliums. Die „wider christen“ werfen den Bauern vor, das Evangelium falsch zu verstehen. Die Sprechweise von den „frücht des newen evangelions“ kann als zeitgenössischer Ausdruck für die Kritik der Altgläubigen an den Anhängern der Reformation verstanden werden: Der neue Glaube werde „empoͤrungen oder auffruͦ ren“ hervorrufen. Die Entkräftung des Aufruhrvorwurfs in den „Zwölf Artikeln“ steht damit in der Tradition einer reformatorischen Kontroverse.207 Zumindest stellen sich die ‚Aufständischen‘ in diesen Kontext.208

205 Zur konkreten Entstehungssituation vgl. Blickle, Nochmals zur Entstehung der Zwölf Artikel im Bauernkrieg (wie Anm. 97). 206 Einführend zu dieser Textgattung im Vorfeld des ‚Bauernkriegs‘ vgl. Brackert, Bauernkrieg und Literatur (wie Anm. 4), S. 30–35. Ausführlicher zur Gattung: Kampe, Jürgen, Problem „Reformationsdialog“. Untersuchungen zu einer Gattung im reformatorischen Medienwettstreit (Beiträge zur Dialogforschung, Bd. 14), Tübingen 1997. 207 Der Vorwurf, aufrürig zu sein, stellte einen klassischen Vorwurf an die reformatorische Strömung dar, der angesichts seiner stigmatisierenden Kraft stets zur Widerlegung herausforderte. Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 307–323. 208 Zudem liegt mit der Flugschrift „Wider den falsch genannten geistlichen Stand des Papsts und der Bischöfe“ von Martin Luther aus dem Jahr 1522 eine auffällige Parallele in der Argumentation vor. In beiden Fällen wird das Evangelium vor Kritikern in Schutz genommen, die eine Gleichset-

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Ihrerseits nimmt die Bauernschaft in Anspruch, die Prinzipien des Evangeliums richtig zu verstehen. Kritik an ihnen sei deshalb identisch mit Kritik am Evangelium. Die Vorwürfe, die ihnen gemacht werden, so die Untertanen, seien damit haltlos: Zům ersten ist das evangelion nit ain ursach der empoͤ rungen oder auffrůren, dye weyl es ain rede ist von Christo dem verhaissne Messia, welchs wort und leben nichts dann liebe, fride, geduldt und ainigkaiten lernet, also daz alle, die in disen Christum glauben lieplich, fridlich, gedultig und ainig werden. So dann der grund aller artickel der bawren (wie dann klar gesehen wirt) daz Evangelion zů hoͤ ren und dem gemeß zů leben, dahin gericht ist, wie mügen dann die widerchristen das ewangelion ain ursach der emboͤ rung und des ungehorsams nennen?209

Die Bauern können, so die Argumentation, keine(n) aufrur, empörung oder ungehorsam verüben, da sie dem Evangelium gehorchen und die Befolgung der Heiligen Schrift ein solches Verhalten verhindere. Unverkennbar ist auf die richtige Auslegung des Evangeliums die Unterscheidung von wahr und falsch, christlich und unchristlich, gehorsam und ungehorsam zugeordnet. Den Kritikern bleibt in diesem Schwarz-Weiß-Schema folgerichtig nur der Status der „widerchristen“. Sie seien verführte Kreaturen des Teufels, dem „schedlichst feynd des ewangelii“.210 Der Argumentation der „Zwölf Artikel“ liegt auf diese Weise ein binärer Code von richtig und falsch zu Grunde. Reinhard Koselleck definierte diesen Argumentationsstil, der sich auch in anderen Kontexten und zu anderen Zeiten wiederfindet, als Modell der asymmetrischen Gegenbegriffe. Bei solchen Begriffen handele es sich um Benennungen von ursprünglich hoher Allgemeinheit, die dann aber zu Singularitäten hochstilisiert würden, um einer Gruppe einen exklusiven Anspruch auf Allgemeinheit zu verleihen. Ein solcher Abgrenzungsmechanismus trägt dazu bei, der in-group eine positive Identität zu verleihen. Ihre Eigenschaften werden überhaupt erst auf diese Weise inhaltlich bestimmbar. Der out-group spricht man dagegen jede Berechtigung auf ein positives Selbstbild ab. Ihre Beschreibung beruht lediglich auf

zung von neuer Glaubensrichtung und aufrur betreiben würden. 1522 heißt es bei Luther: „Gottis wort macht nit auffruhr, szondern der verstockte ungehorszam, der sich dawidder auflehnet“. Luther, Wider den falsch genannten geistlichen Stand des Papsts und der Bischöfe (wie Anm. 200), S. 105– 159, S. 111. Dabei handelte es sich im reformatorischen Diskurs offenbar um einen Topos des Selbstschutzes gegen Anklagen. Auch Matthias Wurm von Geudertheim, ein Sekretär König Maximilians, argumentiert, dass kein „ufrur“ entstehen könne, wenn man sich an die Gesetze Gottes halte: Vgl. die Flugschrift: „Christlicher Bericht und Vermanung Matthis Wurmen von Geydertheim, an den würdigen und gelerten Herrn Jakob Kornkauf, pfarrherren zu Geydertheim, auch andere seine genossen, die kirch christi, den neuen glauben, u.s.w. betreffend.“ Staatsbibliothek München, 4 Polem. 3270, f. 7v. Zu weiteren Textstellen siehe: Maurer, Prediger im Bauernkrieg (wie Anm. 137), S. 99–101. 209 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. 210 Ebd., S. 26.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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einer Negation der positiven Attribute, wofür die in-group steht.211 Im vorliegenden Fall nahmen die Bauern für sich in Anspruch, die einzigen zu sein, welche die Heilige Schrift richtig auslegten. Betrachtet man die gesamten „Zwölf Artikel“, lassen sich noch weitere Indizien für dieses polarisierte Weltbild ausfindig machen. Diejenigen, welche nicht dem Evangelium gehorchen, werden beschrieben als die Anhänger des Teufels, Widerchristen, Ungläubige, Gottlose, Feinde des Evangeliums und Unterdrücker des Gotteswortes. Ungläubiges Verhalten wird gleichgesetzt mit mutwilligem Agieren und dem Ungehorsam gegenüber Gott. Die Kritiker der Bauern sind damit gleichzeitig die Unterdrücker des Evangeliums.212 Christlich zu handeln, heißt dagegen das Gotteswort zu realisieren. Als charakteristisch für das christliche Verhalten werden dreimal, fast unverändert, vier Substantive als Parole aneinandergereiht: liebe, friede, geduld und einikeit. Diese Ausdrücke sollen erstens die Einstellung beziehungsweise das Wesen der Bauernschaft beschreiben und zweitens stehen sie für die Ziele der Beteiligten. Die positive Selbstsicht hängt zentral mit diesen Wörtern zusammen. Die liebe lässt sich mit der politischen Lesart der Nächstenliebe identifizieren. Die geduld bezeichnet zu dieser Zeit die Tugend der Duldsamkeit. Der Terminus impliziert damit die Anerkennung von Autoritäten und bringt eine prinzipiell friedliche Gesinnung zum Ausdruck.213 Bei den verwendeten Wörtern frieden und einikeit handelt es sich nur auf den ersten Blick um einfach zu verstehende Substantive. Ihre Bedeutung soll im Folgenden mithilfe von anderen Texten aus dem Kreis der ‚Aufständischen‘ untersucht werden. Die einikeit war etwa für die Neckartal-Odenwälder Vereinigung für die Findung ihres Gruppennamens essentiell. So bezeichneten sie sich als „versamlung cristlicher ainickait des Neckertals und Otenwalds“.214 Der Ausdruck zielte im Lager der ‚Auf-

211 Koselleck, Reinhart, Zur historisch-politischen Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe, in: Positionen der Negativität, hg. von Harald Weinrich (Poetik und Hermeneutik, Bd. 6), München 1975, S. 65–104. Dieses Ausschließlichkeitsdenken ist ebenfalls für die einzelnen Versammlungen konstitutiv. In Bamberg machten die Beteiligten etwa bekannt, dass diejenigen, gegen die sie vorgehen wollten, Anhänger des Teufels seien. Diesen Feinden wollte man es „geben“. Halbritter, Marx, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter, in: Chroniken der Stadt Bamberg. Bd. 2: Chroniken zur Geschichte des Bauernkrieges und der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang, hg. von Anton Chroust (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Bd. 1,2), Leipzig 1910 (Nd. 2005), S. 3–93, S. 9. Weitere Beispiele zum Gewaltpotential dieses Denkens vgl. Kapitel 2.2.1.2. 212 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3). 213 Zur liebe ausführlicher Kapitel 2.1.2.2.1 zur geduld vgl. einführend: Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 3, Sp. 1378. Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 4, Sp. 2042–2050. 214 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 191.

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ständischen‘ aber auf mehr ab als auf den Zusammenhang, sich in einer (Ver-)Einigung beziehungsweise sich in einem Bündnis zu befinden. Exemplarisch für den religiös-politischen Anspruch sind etwa die „Frankfurter Artikel“ anzusehen. Wie die „Zwölf Artikel“ beginnen sie programmatisch und nehmen auf den Aufruhrbegriff Bezug. Die Frankfurter weisen diese Zuschreibung von sich, indem sie ihren Gegnern unterstellen, einen „uffrure“ zu verüben. So haben doch die die geystlichen rotten, moͤ nch und pfaffen das (Evangelium) vilfeltiglich, on allen grundt der warheyt, understanden zu verdrucken und noch mit iren tyrannischen anhengen, so vil in innen ist, zu verhindern sich befleyssen und gern eyn uffrure, die der teufel durch sie als seinen glidern, das volck understehen partheysch zu machen (versucht).215

Der Situationsbeschreibung liegt ebenfalls die strikte Polarisierung der Welt in Christen und Widerchristen zu Grunde. Die Gegner seien die Anhänger des Teufels und die Unterdrücker des Evangeliums, welche die Gesellschaft spalten wollten („partheysch zu machen“). Die falsche Auslegung des Evangeliums bedrohe demnach die Einigkeit der Gemeinschaft, weshalb die Beteiligten ihr Vorhaben mit der Aufrichtung der „bruderliche(n) eynikeyt“ bezeichneten.216 Parallelen zu den „Zwölf Artikeln“ sind unverkennbar. Auch dort existieren zwei Gruppierungen, die Widerchristen, welche das Evangelium bedrohen, und die wahren Christen. Der Zustand der „eynikeyt“ muss folglich erst hergestellt werden, um die Bedrohung des wahren Christentums zu beseitigen. Der Teufel und seine Anhänger sollen an Einfluss verlieren, das eigene Vorhaben müsse sich durchsetzen.217 Wie sollte dieses Vorhaben jedoch in die Tat umgesetzt werden? Zentral ist hierbei die Frage, was unter dem frieden zu verstehen ist. Die Versammlung zu Oberschwaben ging auf diesen Aspekt in einem anderen Dokument deutlicher ein als in den „Zwölf Artikeln“. In der „Memminger Bundesordnung“ werden vor allem organisatorische Aspekte des Zusammenschlusses der Bauern geregelt. Dort ist ebenfalls von einem „auffrur“ die Rede.218 Der Ausdruck steht hier jedoch eindeutig in der Tradition des aufrurs als Friedensbruch: Der Terminus wird synonym zum „krig“ verwendet und ist auf das Verhalten der Menschen untereinander in Konfliktfällen bezogen. Im Sinne des „gemeine(n) landtfrid(ens)“ müsse in einem Streitfall eine gewaltsame Auseinander-

215 Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. 216 Ebd., S. 59. 217 Diese Argumentation beruht auf hochgradig konventionalisiertem Wissen. Zu einem anderen Zweck griff etwa die Stadt Nürnberg diese Gedanken auf. Ihr Rat ermahnte die Stadt Rothenburg, während der ‚Erhebung‘ nicht ins Lager der ‚Aufständischen‘ zu fallen, denn Zwietracht führe zur Zerstörung des Staatswesens. Demgegenüber stellt die Einigkeit eine religiös sanktionierte Norm dar, die laut den Nürnbergern nur vom Teufel in Frage gestellt werde. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 97f. 218 Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung (wie Anm. 140), S. 32.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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setzung und die Parteienbildung („partheien“) unterbleiben. Die Entwicklung von 1495 mit dem Verbot der Fehdeführung als eigenmächtige Form der Konfliktlösung wirkt hier offensichtlich nach. Streitfälle sollen friedlich durch eine Verhandlung beziehungsweise einen Friedensspruch gelöst werden. Die oberschwäbische Bauernvereinigung wolle als „landtschafft“ dieses Recht garantieren und die Friedenswahrung innerhalb ihres Gebiets selbst übernehmen.219 Der frieden als Leitbegriff in den „Zwölf Artikeln“ kann in dieser Hinsicht erstens so verstanden werden, dass die Menschen untereinander keine Konflikte führen sollten. Zweitens ließ sich die Praxis des Friedensspruches, wie er zur Lösung solcher Streitfälle vorgeschlagen wurde, jedoch auch leicht auf den grundsätzlichen Konflikt zwischen Christen und Widerchristen übertragen. Die Bauernversammlung hatte zu diesem Zweck eine Richterliste zusammengestellt. Die Entscheidungsgrundlage sollte das Evangelium bilden. Das Verfahren des Schiedsspruchs rückt auf diese Weise in die Nähe einer Disputation beziehungsweise eines Religionsgesprächs. Gelehrte Geistliche sollten über die Rechtmäßigkeit der Forderungen der Untertanen entscheiden.220 Dieser Modus der Konfliktlösung orientierte sich am Geist von 1495, welcher gewalttätige Handlungen zur Konfliktführung untersagte, und an den Gedanken der Reformation, religiöse Konflikte durch ein Religionsgespräch zu lösen. In den Wörtern liebe, frieden, geduld und einikeit überlagern sich folglich mehrere Zeit- und Vorstellungsebenen. Die Berufung auf sie geht einher mit der Feststellung des Fehlens dieser Eigenschaften in der Welt. Durch ihre Realisierung, so verkünden es die „Zwölf Artikel“, lasse sich diese Situation allerdings überwinden. Selbstreferentiell verweisen diese Ausdrücke aber auch auf das Ethos einer Schwureinigung, die stets im Sinne der Brüderlichkeit eine eigene Friedenswahrung vornimmt sowie unter den Mitgliedern Disziplin und Einigkeit wahrt.221 Die Bauernschaft spielte mit diesen Termini aber nicht nur auf ihre eigene Organisationsform an, sondern formulierte mit ihnen auch die Utopie einer christlichen Gemeinschaft, in welcher die Untertanen ohne Beschwerden leben und ihrer Obrigkeit gerne gehorchen

219 Ebd., S. 32. Die ‚Aufständischen‘ reflektierten damit die Umstände, die zu einem Fehde- und Aufruhrverbot im Reich führten. Die negativen Implikationen des Aufruhrstereotyps waren ihnen demzufolge bewusst. Siehe diese Arbeit, Kapitel 2.1.1. Weitergefasst zum Frieden als antifeudaler und herrschaftbegründender Wert: Blickle, Kommunalismus (wie Anm. 27), Bd. 1, S. 110–116 u. Bd. 2, S. 154–194. 220 Vorbildlich für die Praxis der Religionsgespräche war die Zürcher Disputation von 1523. Möller, Bernd, Zwinglis Disputation. Studien zu den Anfängen der Kirchenbildung und des Synodalwesens im Protestantismus, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte; Kanonische Abteilung Bd. 56 u. 60 (1970 u. 1974), S. 275–324 u. 213–364. 221 Als Leitnormen der coniuratio fasst Oexle fraternitas, caritas, pax und concordia. Oexle, Otto Gerhard, Friede durch Verschwörung (wie Anm. 189), S. 610.

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würden. In dieser Vision wird zudem die Glaubensspaltung im Sinne einer Rückkehr zur christlichen unitas in Aussicht gestellt.222 Die Termini, die in der damaligen Zeit über einen hohen Konsens verfügten, wurden folglich von der Versammlung als exklusive Werte in Anspruch genommen und als Träger eigener Vorstellungen verwendet. Einerseits verloren sie dadurch ihre integrative gesellschaftliche Kraft, aber andererseits verliehen sie dadurch den Angehörigen der neuen Gemeinschaft eine eigene, positive Identität. Konsequenterweise wurde daher der Aufruhrbegriff als Markierung einer Grenzüberschreitung für die Bezeichnung des eigenen Vorhabens abgelehnt: „Zuͦ m andern dann klar lauter volget, das dye bawren in iren artickeln solches evangelion zuͦ r leer und leben begerendt, nit mügen ungehorsam, auffruͤ risch, gennnt werden“.223 Eine alternative Bezeichnung für das Vorhaben können die „Zwölf Artikel“ der Bauern allerdings nicht präsentieren. Stattdessen beziehen sie die Wörter aufrur, empörung und ungehorsam weiterhin auf ihr Vorhaben.224 Ihre Schrift sei aber, und hier liegt eine sprachreflexive wie programmatische Wendung vor, darauf gerichtet, „die ungehorsamikait, ja die empoͤrung aller bauren christenlich (zu) endtschuldigen“225 Die negativ konnotierten Wörter können demnach auch weiterhin verwendet werden, wenn mit ihnen ein neues inhaltliches Konzept verknüpft ist.226 Ähnlich hatten schon zuvor Martin Luther und Thomas Müntzer ihr Vorhaben zur Reformation des Glaubens als „christliche empörung“ beziehungsweise als „geistigen aufrur“ oder „fügliche empörung“ bezeichnet.227 In den „Zwölf Artikeln“ wurde folglich der Versuch unternommen, ein stigmatisiertes Wortfeld umzusemantisieren, um auf diese Weise den aufrur, die empörung und den ungehorsam positiv umzudeuten.228 Hierzu geben die Beteiligten an – wie

222 Ausführlicher zu dieser Utopie vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2.4. 223 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. Die Aussagen stimmten mit dem allgemeinverbindlichen Wertekanon der Zeit überein. Ein Widerspruch zu diesen Leitwerten war im Grunde unmöglich. Vgl. Kapitel 2.1.1. 224 Die ‚Aufständischen‘ schrieben, dass die Befolgung des Evangeliums nicht die „ursach der empoͤrung oder auffruͦ reren“ sei und bezeichneten die Vorgänge noch ein zweites Mal als „emboͤ rung“ und als „ungehorsam“. Ebd., S. 26. 225 Ebd., S. 26. 226 Zur Verwendung dieser Bezeichnungsstrategie in den Korrespondenzen der Haufen vgl. Kapitel 2.2.1.2.1. 227 Zitiert nach: Baeumer, Maximilian L., Die Reformation als Revolution und Aufruhr (Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte, Bd. 30), Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris 1991, S. 145–158. Goertz, Hans-Jürgen, Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende der Zeiten. Eine Biographie, München 2015, S. 177f. 228 Solche Äußerungen, die sprachreflexiv auf Bedeutung, Funktion und Verwendung bestimmter Bezeichnungen eingehen, werden in der Linguistik unter der Kategorie der Sprachthematisierung analysiert. Sprachthematisierungen lassen sich als Ausdruck von Deutungskämpfen und Deutungsversuchen interpretieren und als wichtige Indikatoren eines Diskurses verstehen. Siehe dazu: Niehr,

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im Übrigen auch die Lutheraner und die Altgläubigen –, entsprechend dem Evangelium zu handeln, wobei sie den Ausdrücken mit ihrer eigenen Bibelinterpretation und Vorstellungswelt verknüpften. Wie auch die Lutheraner und Altgläubigen wirkten sie damit an der Partikularisierung der Leitwerte der Zeit mit.229 Somit definierte sich auch ihr Diskurs über einen rigiden Wahrheits- und Ausgrenzungsmechanismus, der nicht das eigene Handeln, sondern das ihrer Gegner als Grenzüberschreitung brandmarkte. aufrur in einem negativen Sinn konnte in dieser Hinsicht immer nur die jeweilige Gegenseite betreiben. Die Verfahrensweise der Bauern, die gesellschaftlichen Streitfragen durch ein Schiedsgericht klären zu lassen, war inhaltlich kohärent zu ihrem Bekenntnis, friedlich zu handeln. Man darf allerdings darüber spekulieren, ob es im Jahr 1525 tatsächlich friedlich geblieben wäre, wenn sich alle Parteien auf dieses Verfahren eingelassen hätten. Denn wer in der damaligen Gesellschaft besaß schon die von allen Seiten anerkannte argumentative Autorität für ein solches Urteil? Ob sich die Untertanen diese Frage überhaupt stellten, bleibt ungewiss. Eine Einigung zwischen ihnen und den Herren schien innerhalb der diskursiven Logik von wahr und falsch zumindest insofern möglich, als der Konflikt als Konfrontation zwischen Christen und Widerchristen imaginiert wurde und nicht zwischen Herrschern und Beherrschten.230 Die Obrigkeit konnte sich im Sinne der ‚Aufständischen‘ noch als christliche Obrigkeit erweisen. Sie musste sich lediglich vom christlichen Charakter der ‚Erhebung‘ überzeugen lassen. Umgekehrt waren die ‚Aufständischen‘ bereit, ihre Forderungen fallen zu lassen, wenn man ihre Anliegen mit der Bibel widerlegen könne.231

Kampf um Wörter? Sprachthematisierungen als strategische Argumente im politischen Meinungsstreit (wie Anm. 58). 229 Zur Partikularisierung der Werte im Zuge der Reformation vgl. Hamm, Die reformatorische Krise der sozialen Werte – drei Lösungsperspektiven zwischen Wahrheitseifer und Toleranz in den Jahren 1525–1530 (wie Anm. 122), S. 94f. 230 Von Peter Blickle, der die ‚Erhebung‘ unter den Terminus „Revolution des Gemeinen Mannes“ stellt, wird die Konfliktlage anderes charakterisiert. Gegen den in der Forschung älteren Dualismus von Bauern und Herren, wie er im Terminus ‚Bauernkrieg‘ transportiert worden sei, formuliert er: „So viel läßt sich sagen: Der Konflikt von 1525 wird nicht nur zwischen Bauern und Feudalherren im Sinne von Grund-, Leib-, und Gerichtsherren ausgetragen, sondern zwischen Beherrschten und Herrschern, zwischen Untertanen und Obrigkeiten.“ Blickle, Peter, Die Funktion der Landtage im „Bauernkrieg“, in: Studien zur geschichtlichen Bedeutung des deutschen Bauernstandes, hg. von dems. (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 35), Stuttgart, New York 1989, S. 95–106, S. 97. 231 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 31.

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2.2.1.1.2 Defensives Agieren und gelebter Glaube als Anleitung zu einem legitimen aufrur Die Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ erschien Ende April oder Anfang Mai 1525 bei einem Nürnberger Drucker. Die in Umlauf gebrachten Exemplare wurden wohl fast vollständig von der Obrigkeit konfisziert. Trotz des unbekannten Autors und des geringen Leserkreises besitzt die Flugschrift einen hohen Aussagewert für den Charakter der ‚Erhebung‘. Der Autor griff eine Vielzahl von zeitgenössischen Vorstellungen auf und entwarf ein schlüssiges Modell eines legitimen aufrurs:232 Wie die „Zwölf Artikel“ beginnt auch dieser Text mit dem Vorwurf von anonymen Kritikern, welche den Bauern ein ungehorsames Verhalten unterstellen. Die vorgebrachte Anklage der Untreue wertet der Autor als „grosse(n) schwere(n) fluͤ ch“ und bestätigt damit die stigmatisierende Wirkung des Aufruhrvorwurfs. Die Bauern schreckten, so der Autor, aufgrund der Bedeutung des Untertanengehorsams vor klaren Aktionen gegen die Herren zurück. Er wolle ihnen deshalb einen Weg aufzeigen, wie sie diesen „fluͤ ch […] entrinnen“ können. Der Text handelt folglich von dem Versuch, die mentalen Mauern einzureißen, welche die Obrigkeit als Schutzwall in den Köpfen der Untertanen umgebe.233 In der Flugschrift wird wie ebenfalls in den „Zwölf Artikeln“ der Untertanengehorsam neu definiert. Dieser sei bisher zu weit gefasst worden, oder wie der Autor sich ausdrückt, „sy streckent die gehorsam zuͤ weyt hynauß“.234 Der gerechtfertigte Gehorsam umfasse dagegen nur christliche Abgaben und Pflichten. Aus diesem Grund habe es unter einem christlichen Herrscher niemals eine „empoͤrung“ gegeben. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung sei ein Indiz für die schlechte Regierungsausübung ihrer Obrigkeit: „Und sy sagent was sy woͤllent, under kaynem christ-

232 Diese Flugschrift wurde wegen ihrer hohen Relevanz schon mehrmals interpretiert. Am ausführlichsten erfolgt dies bei: Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 92–125. Sowie: Lucke, Gewalt und Gegengewalt in den Flugschriften der Reformation (wie Anm. 4), S. 99–109. Die Frage nach der Autorschaft wurde immer wieder neu gestellt, ohne eine schlüssige Antwort zu liefern: Hoyer vermutet den Autor im Umfeld Zwinglis, Peters nennt Andreas Bodenstein von Karlstadt und Blickle sieht in Christoph Schappeler den Anonymus. Hoyer, Siegfried, Karlstadt: Verfasser der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 35 (1987), S. 128–137. Blickle, Peter, „Es sol der Schwanberg noch mitten in Schweitz ligen“, in: Festschrift Rudolf Endres, hg. von Charlotte Bühl / Peter Fleischmann (Jahrbuch für Fränkische Landesforschung, Bd. 60), Neustadt a. d. Aisch 2000, S. 113–125. 233 In der Einleitung ist von einem aufrur zwar nicht explizit die Rede, aber der Fluch „ungehorsam“ zu sein, enthält in der Schilderung des Autors alle Merkmale dieses Konzepts. Später entkräftet der Autor den Vorwurf an die Untertanen, einen „auffruͤ r“ zu betreiben und „auffruͤ rer“ zu sein. „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 112f. u. 130. 234 Ebd., S. 113.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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lichen wol regierenden herre ist kayn empoͤrung ye entstanden von seinen underthanen.“235 Damit ist unabhängig von der Neudefinition des Untertanengehorsams ein Allgemeinplatz im kulturellen Wissen der Zeit angesprochen: Ein guter Herrscher sorge für seine Untertanen.236 Missstände werden in diesem Erklärungsschema nicht multidimensional begründet oder kontextualisiert, sondern auf die Fähigkeiten einer Person zur Regierungsfähigkeit reduziert. Aus diesem Grund erstattete etwa der Würzburger Bischof, als er den Schwäbischen Bund um militärische Hilfe bat, einen Bericht seiner Bemühungen, die empörung friedlich beizulegen, und versicherte, dass es für einen aufrur eigentlich keinen Anlass gebe.237 Die Notwendigkeit, Missstände der Untertanen beheben zu müssen, konnte folglich auch als ein Schuldeingeständnis der schlechten Regierungsausübung verstanden werden.238 Johannes

235 Ebd., S. 130. 236 Bereits vor dem ‚Bauernkrieg‘ hatten zeitgenössische Autoren vor einem möglichen aufrur der Bevölkerung gewarnt, um angeblich notwendige politische Veränderungen anzumahnen. Die Drohung mit dem Zorn des Volkes gegen vermeintlich untätige Herren zog sich als ein Topos durch Reformationsschriften der Zeit. Zu nennen sind etwa die „Reformatio Sigismundi“, die Flugschriften Ulrich von Huttens und die Schriften Martin Luthers. Kaufmann, Theokratische Konzeptionen in der spätmittelalterlichen Reformliteratur und in der Radikalen Reformation (wie Anm. 147), S. 345. Diese publizistische Oberströmung konnte an ein festes Denkschema ankoppeln. Das Verhältnis zwischen Untertanen und Herren wurde häufig entsprechend der Hausvaterideologie als familiäres Band zwischen einem gütigen Vater und seinen gehorsamen Kindern imaginiert, das dem Verhältnis von Gottvater zum Menschenkind nachempfunden war. Münch, Paul, Die „Obrigkeit“ im Vaterland. Zu Definition und Kritik des „Landesvaters“ während der Frühen Neuzeit, in: Daphnis 11 (1982), S. 15–40. Zur Bedeutung dieser Vorstellung im ‚Bauernkrieg‘ siehe: Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 130. Ferner war diese Verhaltensweise und Zuschreibung grundlegend für das frühneuzeitliche Beschwerdewesen. Die Herren mussten in diesem sozialen Konstrukt die Klagen ihrer Untertanen anhören und, wenn diese berechtigt waren, abstellen. Siehe dazu diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.3. 237 Um militärische Hilfe vom Schwäbischen Bund zu erhalten, verwendete der Bischof in einem Brief vom 10. April 1525 mehrere Argumente: Er könne seine Untertanen auf friedlichem Weg nicht ruhig halten und sei an ihrer ‚Erhebung‘ nicht schuld. Stattdessen seien die Untertanen „on alle ursachen umbgefallen“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 57. Hinter den Kulissen dagegen räumte der Bischof eine Mitschuld an der ‚Erhebung‘ ein. Er gab zu, dass sich die lutherische Lehre in seinem Hochstift habe ausbreiten können, welche für die ‚Erhebung‘ verantwortlich sei. Sein Chronist Lorenz Fries verzichtete jedoch auf die Wiedergabe dieser unvorteilhaften Texte in seiner Bauernkriegsgeschichte und bestätigt damit die offizielle Version des Bischofs, alles getan zu haben, um die ‚Erhebung‘ zu verhindern. Staatsarchiv Würzburg, Standbuch 894, fol. 212r. Die Argumentationsstrategie des Bischofs, auf Verhandlungen hinzuweisen und seine Schuldlosigkeit zu betonen, kam dem Selbstverständnis des Schwäbischen Bundes während der ‚Erhebung‘ entgegen, nicht sofort militärisch einzugreifen, sondern, wenn möglich, Verhandlungen zu suchen. Vgl. dazu: Carl, Landfriedenseinung und Ungehorsam (wie Anm. 116), S. 111. 238 Dies geht etwa aus den gedruckten Zugeständnissen des Nürnberger Rates an die Bürgerschaft hervor, in der das städtische Gremium gleich zu Beginn des Textes festhielt, stets christlich und

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Stumpf (1500–1577/78) bezeichnete diesen Nexus in seiner Schweizer- und Reformationschronik nach dem ‚Bauernkrieg‘ sentenzhaft mit den Worten: „Tyranny und uffrur gehoͤrend zusamen“.239 Im Verständnis des Autors der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ sind Widerstandshandlungen der Bevölkerung lediglich ein Indikator für eine schlechte Regierungsweise der Herrschenden, ohne dass dadurch eine stigmatisierende Wirkung für die Untertanen einhergehe. Dies heißt jedoch nicht, dass der Autor blinde Gewalt gegen die Obrigkeit rechtfertigt. Vielmehr stellt er strikte Bedingungen an einen legitimen aufrur, die von den Untertanen rigide befolgt werden müssten, wollten sie nicht den Zorn Gottes hervorrufen. Der Autor entwarf ein normatives Handlungsmodell eines gerechtfertigten aufrurs, als dessen Ziel die Absetzung der Obrigkeit stehen konnte.240 Eine ‚Erhebung‘ sei berechtigt, wenn „ain gemayne landtschaft lang zeyt irs herren muͦ twillen und verderben verduldet, sonder hoffnung ainer besserung.“ Die Untertanen sollten den Herren dann mündlich den Gehorsam aufkündigen und sich vorsorglich bewaffnen.241 Wenn die Obrigkeit den Konflikt schließlich militärisch austragen wolle, dürften sich die Untertanen verteidigen. Der Autor forderte die Untergebenen auf: „Bewapent euch mit dem gemuͤ t der kuͤ nen ochsen und stieren, die sich so trewlich zuͤ samen setzen in aynen ring und die hoͤrner herfür, nit in maynung sich zuͤ empoͤren, sonnder allein sich zuͤ beschirmen vor den einreissenden wolffen.“242 Eine Niederlage bräuchten die Untertanen laut dem Flugschriftenschreiber nicht zu befürchten, denn solange sie christliche Ideale an den Tag legten, beschütze Gott die

väterlich regiert zu haben. Rat der Stadt Nürnberg, Zugeständnisse des Nürnberger Rates an die Bürgerschaft, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 68– 72, S. 68. Der Rat der Stadt Füssen reagierte auf ein Ausschreiben der Bauern mit der Abwehrreaktion, immer göttlich gehandelt zu haben. Furtenbach, Martin, Füßner Bericht, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 417–475, S. 419. In Frankfurt wurden, um Verhandlungen für den Rat überhaupt gesichtswahrend beginnen zu können, die Gespräche von der Aussage des Rates intoniert, dass die Untertanen ihre Beschwerdeartikel vorbringen sollten, von denen der Rat bisher jedoch nichts gewusst habe. Die angebliche Plötzlichkeit der ‚Erhebung‘ und die Bemühungen des Rates nahmen ihn auf diese Weise argumentativ in Schutz. Jung, Rudolf (Hg.), Johann Marstellers Aufruhrbuch, in: Frankfurter Chroniken und annalistische Aufzeichnungen der Reformationszeit: nebst einer Darstellung der Frankfurter Belagerung von 1552, hg. von Rudolf Jung (Quellen zur Frankfurter Geschichte, Bd. 2), Frankfurt am Main 1888, S. 174–230, S. 175f. 239 Gagliardi, Ernst/ Müller, Hans/ Müller, Fritz (Hg.), Johannes Stumpfs Schweizer- und Reformationschronik (Quellen zur Schweizer Geschichte: Neue Folge: Abteilung Chroniken, Bd. 5), Basel 1952, S. 261f. 240 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 127. 241 Ebd., S. 127. 242 Ebd., S. 129.

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Rechtgläubigen. Kämpften die Menschen dagegen, um reich zu werden, stehe ihnen Gott nicht bei.243 Der Autor interpretiert gerechtfertigten Widerstand schließlich als eine christliche Pflicht. Denn Jesus habe im Tempel die Händler vertrieben, die sich wie die Herren im Jahr 1525 an den Untertanen unrechtmäßig bereichert hätten. Durch diese Parallelisierung wird in der Flugschrift eine positive Neubestimmung des Aufruhrbegriffs vorgenommen. „so muͤ st Christus auch ain auffruͤ rer sein, ja er ists auch, do er die verkauffer auß dem tempel gayßlet Matth. am XIX. ca. und sprach: Mein hauß ist nit ayn raubhauß, sonder ain beth hauß. Also ist auch ain yede oberkayt nit eingesetzt, seine underthan zuͤ rauben, sonder trewlich vor den wolffen zuͤ bewaren.“ Demzufolge sei es eine Imitatio Jesu Christi, ebenfalls ein „auffruͤ rer“ zu sein und nach christlichem Vorbild gegen unrechtmäßige Herrscher vorzugehen.244 In der Flugschrift wird die Ursache für das angeblich gottlose Verhalten der Obrigkeit ausführlich erörtert. Traditionell wurde hierfür, wie oben thematisiert, ihr Charakter beziehungsweise ihre Fähigkeit zu herrschen, verantwortlich gemacht. Der Autor geht jedoch einen grundsätzlichen Schritt weiter und leitet aus historischen und biblischen Beispielen ab, dass vererbte Herrschaftsämter diesen Wesenszug schon immer gefördert hätten. Der „muͤ twill“, die Negativkategorie des ungesetzlichen, eigensinnigen und egoistischen Handelns, müsse demnach durch verfassungspolitische Reformen eingedämmt werden. Aus diesem Grund empfiehlt er den ‚Aufständischen‘, eine republikanische Herrschaftsform nach Schweizer Vorbild anzustreben. Mit modernen Begriffen ausgedrückt, sollte ein neuer Staat geschaffen werden, deren Regierungschefs gewählt und abgewählt werden könnten. Die Befähigung zur Amtsübernahme lag jedoch nicht primär im Wahlakt, sondern vor allem in der christlichen Gesinnung der Obrigkeit.245

243 Ebd., S. 129. In einem Ring zusammenzukommen, hieß für die Versammlungen, gemeinschaftliche Entscheidungen zu finden. Etwa Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 386. Indirekt wurde aber auch auf die Kampftaktik der Wagenburg angespielt. Eine Strategie, die bereits in den Hussitenkriegen zur Anwendung kam und auch im ‚Bauernkrieg‘ in die Tat umgesetzt wurde. Schmidtchen, Volker, Karrenbüchse und Wagenburg. Hussitische Innovationen zur Technik und Taktik des Kriegswesens im späten Mittelalter, in: Wirtschaft, Technik und Geschichte. Beiträge zur Erforschung der Kulturbeziehungen in Deutschland und Osteuropa. Festschrift für Albrecht Timm zum 65. Geburtstag, hg. von dems., Berlin 1980, S. 83–108. Zur Taktik und den Schlachten im ‚Bauernkrieg‘ vgl. Hoyer, Das Militärwesen im deutschen Bauernkrieg (wie Anm. 92), S. 147–179. 244 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 119–123 u. 130. 245 So argumentiert der Flugschriftenschreiber nicht ausschließlich gegen gewählte Herrschaftsämter, sondern legt dar, dass schlechte, unchristliche Regierungen im Allgemeinen nach diesem Modus abzulösen seien. Ebd., S. 132–134. Für einen strikten Republikanismus plädierend: Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 108–125. Vgl. dazu noch diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2.4.

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Eine rechtmäßige empörung müsse folglich bestimmte Merkmale aufweisen, wenn sie Erfolg haben wolle: erstens die richtige Ausgangslage, wofür nur eine Situation in Frage käme. Die Untertanen müssten schon lange Zeit unter einer schlechten Regierungsausübung der Herrschenden gelitten haben. Im vorliegenden Fall sei dies die Verwehrung des Evangeliums als Quelle des neuen Glaubens und als Gesetzesbuch. Zweitens sollten die Untertanen dann um die Abschaffung dieser Missstände bitten. Zeigten die Herren sich uneinsichtig, sollten die Untertanen sich drittens defensiv zusammenschließen. Viertens müssten die ‚Aufständischen‘ eine christliche Haltung an den Tag legen. Fünftens stehe den Beteiligten Gott bei, wenn sie von der Obrigkeit angegriffen würden. Sechstens müsse eine neue Form von Herrschaft installiert werden, welche ein christliches Leben der Untertanen gewährleiste. Der Autor dachte dabei an eine republikanische Ordnung, welche die Regierenden unter die Kontrolle der Bevölkerung stellte. Vergleicht man das Handlungsmodell aus den „Zwölf Artikeln“ mit der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“, können Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestimmt werden. In beiden Texten wird erst durch die Neudefinition des Untertanengehorsams das Handeln der Bevölkerung als legitimes Verhalten akzeptiert. Zudem basieren beide Schriften auf einem rigiden Ausschlussmechanismus von christlich und unchristlich. Die eigene Seite wird ins Recht gesetzt, indem man die Gegenseite diskreditiert. Die „Zwölf Artikel“ sprechen sich allerdings nicht für Gewaltaktionen aus, sondern fordern eine Verhandlungslösung. Man kann darin eine strikte Absage an den Einsatz von Gewalt überhaupt erkennen. Aus einem anderen Blickwinkel sind beide Aufruhrkonzepte aber durchaus miteinander kompatibel. Die Formulierung von Beschwerdeartikeln und der Appell an die Herrschenden zur Einigung, wie sie die „Zwölf Artikel“ unterbreiten, bilden die ersten Schritte im Handlungsmodell der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“. Die „Zwölf Artikel“ wurden in der Anfangsphase der ‚Erhebung‘ verfasst. Die Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ entstand dagegen zwei Monate später, als eine friedliche Einigung des Konflikts bereits mehr als unwahrscheinlich erschien. Vor diesem Hintergrund lassen sich die „Zwölf Artikel“ nicht mehr nur als ein rein pazifistisches Manifest lesen, sondern auch als die Beschreibung des ersten Parts einer ritualisierten Konfliktführungsstrategie, auf die weitere folgen konnten.246 Hält man sich Bierbrauers Verlaufsmodell von ‚Untertanenerhebungen‘ um 1500 vor Augen, werden Verbindungslinien zwischen seinem deskriptiven Modell einer prototypischen ‚Erhebung‘ und dem Handlungsideal der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ offensichtlich. Gewalt stand beziehungsweise soll nicht am Anfang einer ‚Erhebung‘ stehen, Verhandlungslösungen wurden bevorzugt beziehungsweise müssten favorisiert werden. Dem deskriptiven Modell

246 Vgl. dazu diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.3.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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kann daher ohne Probleme ein zeitgenössisches normatives Schema zur Seite gestellt werden. Die Flugschrift erschien im Jahr 1525 allerdings zu spät, als dass man ihr einen direkten Einfluss wie den „Zwölf Artikeln“ auf den Verlauf der ‚Erhebung‘ sicher attestieren könnte. Das normative Verlaufsmodell spricht jedoch eine Reihe von Allgemeinplätzen an, wie sich die Untertanen in Konfliktsituation bereits in den Jahren vor dem ‚Bauernkrieg‘ verhalten hatten. Diese Handlungspraktiken sollen im Mittelpunkt der nächsten Kapitel stehen, um neben dem deskriptiven und normativen Verlaufsmodell ein kulturell vermitteltes rituelles Verhaltensrepertoire der Beteiligten rekonstruieren zu können. 2.2.1.2 Der Aufruhrbegriff in den Korrespondenzen der Haufen 2.2.1.2.1 Die Politisierung der Sprache – aufrur als Gefährdung der Ordnung Im Folgenden sollen an den Textkorpora für die Versammlungen von Oberschwaben, Württemberg, Tauber- und Neckartal sowie Bildhausen die dort niedergelegten Aufruhrvorstellungen untersucht werden, um auf diese Weise die bisherigen Beobachtungen auf eine breitere Basis zu stellen. Wirkten die Konzepte der Flugschriften bis in die Korrespondenzen der ‚Aufständischen‘ hinein oder vertraten sie andere Vorstellungen über eine legitime ‚Erhebung‘? Hierzu wurden die Lexeme von aufrur, empörung und ungehorsam untersucht, die in den „Zwölf Artikeln“ synonym verwenden werden. Diese kommen im Korpus der Versammlung von Oberschwaben 1/5/1 Mal, im Korpus zur Vereinigung von Württemberg 1/3/1 Mal, im Korpus der Versammlung der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder 10/12/10 Mal und im Korpus der Vereinigung zu Bildhausen 6/7/3 Mal vor.247 Zählt man die Korpora zusammen, umfasst das Gesamtkorpus der Korrespondenzen der ‚Aufständischen‘ ca. 135.000 Wörter. Die ersten Plätze der am häufigsten verwendeten Wörter nehmen, ohne dass dies ein Besonderheit darstellt, Artikel, Konjunktionen und Hilfsverben ein. Berücksichtigt man nicht die unterschiedlichen Schreibvarianten im Frühneuhochdeutschen rangieren auf den Plätzen 40, 54 und 58 die ersten Wortformen eines Substantivs: Es handelt sich um „gnaden“, „herren“ und „bruder“.

247 Die Fundstellen der Grafiken sind dem Anhang zu entnehmen. Abgesehen von den einleitenden Hinweisen erfolgt die Argumentation im Haupttext mit konkreten Angaben in den Fußnoten.

80  2 Der Diskurs der aufrürer

Statistik 1: Verwendungskontexte der Lexeme von aufrur, empörung und ungehorsam: Distanzierung von Vorwürfen (9 mal); Negative Konnotation (14); Stigmatisierung von Widersachern (22); Selbstbezeichnung (10); Indikator für Missstände (5)

Statistik 2: Verwendung der Lexeme nach Schriftstücken (Mehrfachnennungen eines Ausdrucks in einem Dokument sind nicht berücksichtigt): Distanzierung von Vorwürfen (6 mal); Negative Konnotation (5); Stigmatisierung von Widersachern (10); Selbstbezeichnung (6); Indikator für Missstände (4)

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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Die sprachwissenschaftlichen Kategorien Wort, Wortform und Lexem müssen bei der Analyse strikt unterschieden werden. Die Klassifikationseinheit Wort gilt als die kleinste selbständige sprachliche Einheit mit Bedeutung. Bei dem linguistischen Begriff Wortform handelt es sich hingegen um die konkrete Erscheinungsform eines Wortes. Ein Lexem wiederum wird als semantischer Kern von Wörtern definiert. Dieser kann sich in mehreren Wörtern und Wortformen wiederfinden. Zum Beispiel liegt das Lexem aufrur dem Adjektiv aufrürerisch und dem Substantiv aufrur zu Grunde.248 Die Diagramme 1 und 2 entstanden, indem die Anzahl von Wortformen summiert wurde, in denen sich die Lexeme der Wörter aufrur, empörung und ungehorsam wiederfinden. Dabei wurden zusätzlich die unterschiedlichen Schreibvarianten des Frühneuhochdeutschen berücksichtigt. Auf diese Weise ließen sich für die Lexeme von aufrur, empörung und ungehorsam 18, 25 und 15 Nennungen ausfindig machen. Zum Vergleich: Die Wortform bruder, ohne die frühneuhochdeutschen Schreibvarianten zu vereinheitlichen, findet sich bereits 274 Mal im Korpus.249 Es ist daher kein gewagter Schluss zu konstatieren, dass die Lexeme in den Korrespondenzen der Haufen kaum verwendet wurden. So nannten die ‚Aufständischen‘ ihr Vorhaben nur äußerst selten eine empörung oder aufrur und bezeichneten sich meist als brüder oder bauern, aber niemals als aufrürer. Die Untersuchung von Frequenzlisten, das heißt die Frage nach der Häufigkeit einzelner Wörter, Wortformen oder Lexeme in einem Korpus, ist für sich genommen noch keine tiefschürfende Analyse. In den Diagrammen wurden daher die Verwendungen der Lexeme anhand der semantischen Kontexte, in denen sie stehen, aufgeschlüsselt. Gefragt wurde danach, wie die Lexeme in den Korrespondenzen der ‚Aufständischen‘ gebraucht wurden. Die Sprachbefunde ließen sich in fünf Kategorien aufgliedern: Die erste bildet die Verwendung der Ausdrücke als Bezeichnungen für das Vorhaben der Untertanen. Wenn sie in dieser Bedeutung eingesetzt wurden, versuchten die Schreiber sie, aus ihrer ursprünglich negativ besetzten Konnotation herauszulösen. Sie wurden ähnlich wie von den Autoren der „Zwölf Artikel“ und der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ im Sinne eines christlichen aufrurs verstanden. Die Stühlinger bezeichneten ihre Versammlung etwa als „enberung vnd veraingung“ und beharrten darauf, nichts Rechtswidriges zu fordern, wenn sie ihre Abgaben nur noch entsprechend dem Evangelium leisten wollten.250 Der Allgäuer Haufen sprach in einem Brief an die Württemberger Vereinigung von einer

248 Zur Lemmatisierung als Basis korpusgestützer, elektronischer Diskursanalysen vgl. Perkuhn/ Keibel/ Kupietz, Korpuslinguistik (wie Anm. 66), S. 38f. 249 Angesichts der hohen Zahl von Fundstellen wird an dieser Stelle auf Quellenbelege verzichtet. 250 Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 239. Ähnlich erfolgt auch die Verwendung des Ausdrucks in der sog. Kapitulationsurkunde des Mainzer Erzstifts. Die Kapitulationsurkunde des Erzstifts Mainz (wie Anm. 86), S. 58.

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„entberung und aufrůr“ und meinte damit nicht die Umkehrung der Ordnung, sondern das Recht, sich defensiv gegen den Schwäbischen Bund zusammengeschlossen zu haben, der die Untertanen bedrohe.251 Ganz eindeutig versuchten etwa die ‚Aufständischen‘ von Seßlach, die zur Bildhäuser Vereinigung gehörten, das Wort, von seiner stigmatisierenden Bedeutung zu entkleiden, und sprachen von einer „christlichen entporung“.252 Die Bildhäuser selbst bezeichneten ihre Versammlung als „ufrurige, treffenliche entpörung“.253 Insgesamt wurden die Ausdrücke allerdings nur äußert selten als Vorgangsbezeichnungen verwendet, außerdem finden sie sich nicht in Werbungsschreiben, sich der ‚Erhebung‘ anzuschließen. Zweitens wurden die Lexeme gebraucht, um auf Missstände hinzuweisen. Wie der anonyme Flugschriftenschreiber rechtfertigten die Beteiligten ihren Zusammenschluss durch die falsche Politik der Obrigkeit, die sie aufgebracht hätten. Ihr aufrur und ihre empörung sind in diesem Sinn als Ausdruck von Wut und Enttäuschung über eine schlechte Regierungsweise zu verstehen. So schrieben die Bildhäuser an den Würzburger Bischof, dass aufgrund immer höherer Belastungen „der gemain man hoch bewegt und ufrurig worden ist.“254 Wie in den beiden Flugschriften griffen die Schreiber der Korrespondenzen die Lexeme aber drittens auch auf, um sich bewusst von ihnen zu distanzieren. Solche Sprachthematisierungen und die damit einhergehende Frage nach dem Charakter der Versammlungen standen am Anfang der ‚Erhebung‘ der Württemberger, der Neckartal-Odenwälder und der Bildhäuser Versammlung.255 Trotz der geringen Verwendungshäufigkeit der Lexeme fungierten sie demnach als wichtige Abgrenzungsbezeichnungen, um ein positives Selbstbild zur Sprache zu bringen. Dazu passt viertens, vice versa, dass die Lexeme, wenn man sie denn verwendete, am häufigsten eingesetzt wurden, um Gegner zu diskreditierten. Ihnen unterstellte man einen aufrur im negativen Sinn – nicht sich selbst. Vorweg lässt sich also sagen, dass bei den Schreibern der Korrespondenzen ein großes Sprachbewusstsein zu konstatieren ist. Die Schreiber der Haufen setzten die Bezeichnungen nicht anders ein als die Flugschriftenautoren.256 Die Wörter, darauf

251 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 49. 252 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 290. 253 Ebd., I, S. 377. Das Adjektiv trefflich ist positiv im Sinne von „vortrefflich“ und „ordentlich“ konnotiert: Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 21, Sp. 1677f. 254 In anderen Fällen wurde etwa die falsche Predigt des Gotteswortes kritisiert oder festgestellt, dass aufrur und empörung aus der falschen Besteuerung resultierten. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 137 (Zitat), II, 47 und Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 255–258. 255 Siehe dazu die nachfolgenden Kapitel. 256 Abweichende Sprachbefunde sind nur äußert selten zu finden. Vielleicht trifft dies, wenn überhaupt, als einzige Fundstelle auf einen Brief zu, in der die Versammlung der Taubertaler einen ihrer

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deuten die Distanzierungsbemühungen, die Umdeutungsversuche und ihre Verwendung als Vorwurf gegen Widersacher hin, besaßen offensichtlich eine stigmatisierende Kraft. Die geringe Häufigkeit, mit der sie zur Umschreibung der eigenen Ziele verwendet wurden, ist wohl diesem Umstand geschuldet. Quer zu dieser Interpretation scheinen auf den ersten Blick die Fundstellen zu liegen, in denen die Lexeme mit einer negativen Konnotation auf das Vorhaben der Untertanen gemünzt wurden. Diese Befunde können oberflächlich betrachtet mit der Zusammenstellung des Untersuchungskorpus erklärt werden. Dahinter steht jedoch die grundlegende Problematik, ab wann man im Jahr 1525 als ein Angehöriger der Versammlungen galt. Diese Sprachbefunde bilden daher einen geeigneten Anlass, um in diesem Kapitel danach zu fragen, wie die ‚Aufständischen‘ sich abgrenzten und wen sie akzeptieren. Lag ihnen etwa ein ähnlich rigider Ausschlussmechanismus zu Grunde wie den „Zwölf Artikeln“? Die betreffenden Textstellen finden sich alleine im Korpus der Bildhäuser sowie der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder. Sie sind folgendermaßen zu erklären: Der Würzburger Bischof hatte während der ‚Erhebung‘ zu einem Landtag zur Beilegung des Konflikts geladen. In seinem Ausschreiben bezeichnete er die Vorgänge als „unerhört ufrur und entpörung“. Außerdem warnte er vor dem destruktiven Charakter des aufrurs, der „nit allain uns, sonder unsern landen und leuten schedlich und verdurblich“ sei.257 Damit ist das zerstörerische Potential eines aufrurs im Sinne des negativen Aufstandskonzepts angesprochen. Nachdem die Nachricht publik wurde, dass der Bischof die Bauernversammlungen militärisch angreifen wolle, nahmen die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder ebenso wie die Bildhäuser am Landtag demonstrativ nicht teil. Einzig die Bildhäuser Versammlung erlaubte es den Städten aus ihrer Region, auf dem Landtag zu erscheinen.258 Aus dem Einflussgebiet der Bildhäuser Versammlung sind die Beschwerdeschriften der Orte Dettelbach, Ebern, Königshofen im Grabfeld und Münnerstadt für den Landtag in Würzburg überliefert. Die Wörter aufrur und empörung wurden dort als Vorgangsbezeichnungen verwendet. Sie finden sich vorwiegend in den ersten Zeilen der Schriftstücke, in denen, wie in Briefen üblich, der vorangegangene Schriftwechsel paraphrasiert wurde. Die Orte distanzierten sich allerdings nicht vom negativen Aufruhrkonzept des Bischofs.259

Anhänger in Schutz nahm, kein „anfenger der entporung“ zu sein, sich aber nicht explizit von dem Terminus selbst distanzierte und lediglich die Entlassung ihres Bundesgenossen aus dem Gefängnis forderte. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 153. 257 Ebd., I, S. 85. 258 Ebd., I, S. 361. 259 Ebd., II, S. 47 (Dettelbach), II, 72 (Ebern), II, 170 (Königshofen), II, 233f. (Münnerstadt). Auch in den Briefwechseln zwischen den Städten sprachen die Bürgermeister und Räte, bis sie sich den Versammlungen angeschlossen hatten, vom aufrur. Vgl. u. a. ebd., II, S. 70f.

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Während des ‚Bauernkriegs‘ befanden sich die städtischen Herrschaftsträger, welche die Forderungen ihrer Untertanen vortrugen, in einer Zwickmühle. Einerseits konnten sie sich angesichts ihrer militärischen Unterlegenheit den ‚Aufständischen‘ nicht entgegenstellen, zumal auch Innerorts Unruhen drohten. So sympathisierten große Teile der Bevölkerung mit den Anliegen der Landbewohner. Die lokale Obrigkeit wollte aber andererseits die Treue zum Bischof nicht aufkündigen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Orte de iure noch nicht im Lager der ‚Aufständischen‘.260 Nachdem der Landtag gescheitert war und der Bischof aus seinem Hochstift geflohen war, mussten sich die Städte den Versammlungen durch einen Schwur anschließen. Innerhalb der einzelnen Vereinigungen gab es folglich gravierende Divergenzen hinsichtlich der Sichtweisen auf das Vorhaben. Diese Unterschiede spiegeln sich in der Sprache der Zeitgenossen wider:261 Die Verwendung des negativen Aufruhrkonzepts findet sich daher eher an der Peripherie der ‚Erhebung‘, das heißt, bei Personen und Gruppen, welche die Vorstellungen der eigentlichen ‚Aufständischen‘, im engeren Sinn also die Sicht der gewählten Hauptmänner und Räte, weniger stark teilten oder sich von ihrer Programmatik distanzieren wollten.262 Auch der Entschuldigungsbrief Götz von Berlichingens, den er eigenmächtig während des ‚Bauernkriegs‘ an den Würzburger Bischof schrieb, ist hier einzuordnen. Er legte in diesem Brief dar, sich nur unter Zwang der ‚Erhebung‘ angeschlossen zu haben, und bezeichnete die Vorgänge als „entpörung“. Der Brief bezeugt, dass Götz von Berlichingen situativ zwischen den Diskursen hin und her wechseln konnte. Räumt man der Schilderung in seiner Lebensbeschreibung große Glaubwürdigkeit ein, ist die Erklärung für diesen unterschiedlichen Sprachgebrauch darin zu suchen, dass

260 Ihre Forderungen brachten die Städte am Landtag aus pragmatischen Gründen schließlich nicht vor, da der Bischof versuchte, ein Bündnis der Städte gegen die Bauern zu bilden, wodurch die Orte militärisch gefährdet worden wären. Rublack, Hans-Christoph, Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg, in: Archiv für Reformationsgeschichte 67 (1976), S. 76–100, bes. S. 92. 261 Die Differenzen wurden etwa bei einem Treffen in Neustadt an der Saale am 22. April zwischen den ‚Aufständischen‘ von Bildhausen und den Städten deutlich. Die Städte beanspruchten eine Mittlerposition zwischen den Untertanen und dem Bischof und wollten durchsetzen, dass die ‚Aufständischen‘ die zukünftigen Beschlüsse des Landtags als verbindlich ansahen, auch wenn diese an dem Treffen nicht teilnehmen wollten. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 349–352. Die konservative Politik der städtischen Magistrate und ihre Strategien der Konfliktbewältigung harren noch einer dezidierten Auswertung. In diesem Sinn sei auf den Forschungsbericht in Kapitel 1.2 verwiesen. 262 Albrecht Koschorke fasst diesen Aspekt von Gruppenideologien sehr treffend zusammen, wenn er davon spricht, dass Sinnsysteme, Rationalitäten und logische Aussageketten jeweils nur über bestimmte Reichweiten und innerhalb dieser Reichweiten nur über einen begrenzten Schärfebereich verfügen. Sinnsysteme besitzen demnach ein Zentrum und Peripherien, an denen die Produktionsregeln von Sinn ihre Geltungskraft verlieren. Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 137f.

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er von den ‚Aufständischen‘, wie er angab, lediglich dazu gezwungen worden sei, so zu sprechen und zu handeln, wie diese es von ihm verlangten.263 Innerhalb der einzelnen Haufen existierten teils gravierende ideologische Unterschiede. Eine wesentliche Rolle für die Entscheidungsfindung der Versammlungen besaßen die von den ‚Aufständischen‘ direkt gewählten Hauptleute und Räte. Um den heterogenen Zusammenschluss weltanschaulich zu lenken und um ihn handlungsfähig zu machen, beanspruchte diese Gruppe, die an der Abfassung der Schriften maßgeblich beteiligt war, die Deutungsmacht über zentrale Begriffe.264 So versuchte die Stadt Ebern, die Sprachpraxis der Versammlungen zu imitieren, um eine günstige Behandlung bei den ‚Aufständischen‘ zu erreichen. Noch während des Landtags hatte die Bildhäuser Versammlung die Stadt aufgefordert, sich der Bauernvereinigung anzuschließen und ein Truppenkontingent zu stellen.265 Die Stadt bekannte sich zwar zur „christliche(n) und bruderliche(n) trew“, wollte jedoch keine Truppen stellen.266 Die Bildhäuser antworteten, dass die Stadt ein Aufgebot schicken solle, „damit wir doch sehen und vermerken, das ir bruderliche trew bey uns laisten wolt.“267 Der Versuch der Eberner, eine eigene Interpretation vorzunehmen, was brüderliche Treue bedeutet, wurde nicht akzeptiert.268

263 Wenn man Berlichingens Aussagen im Brief ernst nehmen will, berichtet er über einen Deutungsstreit innerhalb des Bauernlagers. Aus Berlichingens Sicht gingen Kloster- und Burgeneinahmen noch konform mit dem Gehorsam zum Landesherrn. Der drohende Angriff auf das Schloss des Bischofs markierte für ihn aber offenbar eine Grenze, die er nicht überschreiten wollte. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 168. Noch immer instruktiv zum Verhalten Berlichingens während der ‚Erhebung‘: Ulmschneider, Helgard, Götz von Berlichingen. Ein adeliges Leben der deutschen Renaissance, Sigmaringen 1974, S. 133–170. Vgl. hierzu Kleinhagenbrock, der auf Götzens Aussage eingeht, von den ‚Aufständischen‘ gezwungen worden zu sein, seine eigene Sprache aufgeben zu müssen. Meinungs- und Redefreiheit, so Kleinehagenbrock, seien ihm bei den Bauern verboten worden. Kleinehagenbrock, Frank, Adel und Bauernkrieg in Franken, in: Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 393–412, S. 408f. Vermeintliche Führungspersönlichkeiten wie Götz von Berlichingen fungierten erstens wohl vor allem als Symbolfiguren und lebende Beweise, dass die ‚Aufständischen‘ einen Interessensausgleich mit den Herren vornehmen wollten, und besaßen zweitens die militärische Expertise, welche den Bauern fehlte. Paul Burgard legt an der Figur des Richters Schön aus Neustadt an der Orla nahe, dass Führungspersönlichkeiten, die einen Bezug zur Obrigkeit besaßen, wohl als Interessensbroker verstanden wurden. Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 98–108. 264 Vgl. Kapitel 1.4. 265 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 77. 266 Ebd., II, S. 78. 267 Ebd., II, S. 78f. 268 Die Stadt Rothenburg bemühte sich zuerst ebenfalls, kein militärisches Aufgebot zu stellen. Die Verhandlungen fanden ebenfalls unter dem Terminus brüderliche liebe statt. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 317. Auch andere Städte

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Die ‚Aufständischen‘ verwendeten insbesondere die Lexeme der Wörter aufrur, empörung und ungehorsam, um abweichendes Verhalten von einer Norm, die sie festlegten, zu unterbinden. Im Gegensatz zu den „Zwölf Artikeln“ oder den „Frankfurter Artikeln“, in welchen der Aufruhrvorwurf gegen äußere Feinde in Stellung gebracht wurde, setzten ihn die Haufen gegen Abweichler in den eigenen Reihen ein. So finden sich mehrere Textstellen in ihren Korrespondenzen, in denen mit Hilfe der Lexeme undiszipliniertes Verhalten von Personen, die zur Vereinigung gehörten, verurteilt wurde. Für Württemberg lässt sich eine Belegstelle finden,269 für die Bildhäuser Versammlung sechs270 und für die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder 15.271 Besonders aufschlussreich ist die Amorbacher Erklärung der Neckartal-Odenwälder. Die Situation in den eigenen Reihen wird um den 5. Mai 1525 als „mannigfaltig irrung zwitracht und missverstand“ beschrieben, da die „Zwölf Artikel“ von vielen der Beteiligten nicht richtig verstanden worden seien. Das Vorhaben sei angefangen worden zu „friden ainigkeit und gutem fromen“, jedoch herrsche nun vielerorts Ungehorsam und Zerstörungswut. Eine Diagnose, die dem negativen Aufruhrbegriff entspricht.272 Ähnlich wie in den „Zwölf Artikeln“ wird der Deutungsstreit um das angemessene Verhalten an der Fähigkeit, das Wort Gottes wahrheitsgemäß auszulegen, festgemacht. Es ging den Verfassern darum, die ‚Erhebung‘ stärker zu kanalisieren, indem ein Verbot über das eigenmächtige Plündern verhängt wurde. Die Gemeindeobrigkeit sei weiterhin zu respektieren. Die institutionalisierten ‚Aufständischen‘ warfen ihren Widersachern vor, überhaupt keine Obrigkeit mehr zu akzeptieren.273 Auch andernorts findet sich dieses Argumentationsmuster. So kritisierten die Bild-

versuchten, die Abstellung von Truppen zu umgehen. Einige schickten Söldner, um sich nicht persönlich beteiligen zu müssen. Nach Lorenz Fries bewerteten die ‚Aufständischen‘ dieses Verfahren als unbrüderlich. Sie hätten argumentiert: „solt es bruderlich zugehen, darumb dan dits furnemen angefangen, so must der reich und habend, wan es an ine keme, gleich als wol als der arm mit seinem selbst leyb raisen“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 365. 269 Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110 (Für Frieden im Land und unter den Beteiligten der Versammlung). 270 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 385, II, 84 (ungehorsam), 132 (ungehorsam), 168 (aufrur). 271 Ebd., I, S. 144–149 (Ochsenfurter Ordnung), 293, 295f. (achtmal im Ausschreiben an Städte und Flecken, von den Aussagen identisch zur Amorbacher Erklärung), II, 160, 324 und Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 272–276 (dreimal in der Amorbacher Erklärung). 272 Ebd. 273 In einem Ordnungsartikel für die Stadt Würzburg greifen die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder die Metapher des Körpers zur Rechtfertigung der Stellung der Gemeindeautoritäten auf. „als wenig der naturlich leib one ain haupt“ könne auch ein „burgerlich bruderlich wesen on ain regiment

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häuser Bauern das eigenwillige Vorgehen einiger Untertanen, die ihre Befehle missachteten. Auch diese Versammlung versuchte, die lokale Obrigkeit als Autoritäten zu stärken.274 Der Deutungskampf, wie die ‚Erhebung‘ vonstattengehen sollte, wurde folglich auch innerhalb der Gruppierungen als Auslegungsstreit über das Gotteswort geführt. Die übrigen Beteiligten wurden, wie es der Argumentationsmechanismus in den „Zwölf Artikeln“ vorgab, einer positiven Identität beraubt. Diese ausgegrenzten Untertanen deuteten gerechtfertigtes Verhalten anders als die Bauernhaufen. Dieser aufrur neben den institutionalisierten ‚Aufstand‘ ist in drei der vier Teilkorpora nachweisbar.275 Man kann diesen Deutungsstreit erstens als politisch motiviert verstehen. So wollten sich die Gremien und Führungsorgane der Bauernhaufen den lokalen Autoritäten annähern und mit ihnen zusammenarbeiten, während vor allem diejenigen, die in den Dörfern und Städten nicht an der Herrschaft beteiligt waren, die Legitimität der Gemeindeobrigkeit nicht länger akzeptierten wollten.276 Zweitens kam in dieser politischen Entscheidung wohl auch eine grundsätzliche Ablehnung von angeblich herrschaftslosen Zuständen zum Tragen. Die lokale Obrigkeit, womit in erster Linie die Gemeindevertreter gemeint waren, sollte mithelfen, die Regeln der Bauernversammlung durchzusetzen.277 Laut den „Zwölf Arti-

erhalten werden“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 295f. 274 Ebd., I, S. 385. Die zentrale Steuerung von sog. Plünderungen durch die Bauernlager hatte bereits Rudolf Endres für das Hochstift Bamberg herausgestellt. Endres, Rudolf, Franken, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 134–153, S. 149. 275 In Württemberg pochten die Hauptmänner auf das Ehrgefühl der Versammlungsmitglieder, ihre Befehle einzuhalten. Ehre und Gehorsam waren in dieser Zeit stark aufeinander bezogen. Ungehorsam, „wider unser furnemen artikel und beger“, sollte nach den Württembergern hart bestraft werden. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 66. Dieses Thema kann in einen größeren Kontext eingeordnet werden. So bildet Gaytri Chakravorty Spivaks Frage nach der sprachlichen Repräsentation und den Artikulationsmöglichkeiten der Unterschichten ein Schlüsselthema der postkolonialen Forschung. Chakravorty Spivak, Can the subaltern speak? (wie Anm. 82). Noch fast 450 Jahre später sprach etwa Buszello rein negativ von den „radikal-revolutionären Unterströmungen“ in den Städten, die mehr durch „wütende Gier“ anstatt von einer „politischen Gesinnung“ angetrieben worden seien. Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 127. 276 Typisch für diese Konfliktlage ist die Auseinandersetzung zwischen dem Kitzinger Rat und der Stadtgemeinde. Der Stadtschreiber Sebald Ranft berichtet als einer der wenigen Chronisten tendenziell positiver über die ‚aufständischen‘ Bauern, da sie für den Rat gegen die innerstädtische Opposition Partei ergriffen hätten. Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), S. 69–74. 277 Am 26. Mai wurde die Gemeindeobrigkeit als Vollzugsorgan des Haufens bestätigt. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 295f. In Würzburg wurde etwa durch die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder ein Galgen aufgestellt, um die Ordnung zu wahren und die Grundsätze der Ochsenfurter Feldordnung umzu-

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keln“ wollten die ‚Aufständischen‘ in Geboten leben. Der Gegenbegriff dazu, das mutwillige, ungesetzliche Verhalten, fungierte auch in den Korrespondenzen der Haufen als Gegenpol.278 Mit diesem Ausdruck wurden der Ungehorsam gegen die Hauptmänner und Räte sowie der Ungehorsam gegen die Gebote Gottes in Verbindung gebracht. In der Ochsenfurter Feldordnung bezeichnete der Taubertaler Haufen den mutwillen pauschal als Gefahr für die Versammlung und den Erfolg des Vorhabens. Konkret wurde ein Plünderungsverbot aus „aigem gewalt“ ausgesprochen.279 Selbst die Feldhauptmänner sollten schwören, nicht ihren Eigennutz zu suchen.280 Die Vereinigung erklärte, eigenmächtige Plünderungen fänden nur aus „neyd und hass“ statt. Anstatt niedere Motive zu befriedigen, sei die Versammlung angetrieben, der Nächstenliebe gemäß zu handeln. All das, was man in „clöstern, schlössern, heussern und anderswa erobert“ habe, wolle man bis zur Lösung des Konflikts verwahren. Übeltätern wurde angedroht, den Status als „bruder“ zu verlieren.281 Sicherlich kommt in den Verhaltensvorschriften, die mittels der stigmatisierenden Vorstellungen durchgesetzt werden sollten, noch eine dritte Ebene zum Tragen. Der Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ ermahnte die ‚Aufständischen‘, nicht reich zu werden, denn Gott werde ihr Vorhaben nur unterstützen, wenn sie uneigennützig seinen Gesetzen gehorchten. Dieses Konzept der

setzen. Der Chronist Lorenz Fries bewertet diese Bemühungen dagegen ausschließlich als Beweis für die herrschaftslosen und unhaltbaren Zustände, die während des ‚Bauernkriegs‘ geherrscht hätten. Ebd., I, S. 299. Auch in Rothenburg wurde ein Galgen aufgestellt und vom Chronisten Zweifel dementsprechend negativ beurteilt. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 364. 278 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), bes. S. 28. 279 Eine Parallele zu diesem Ordnungsgedanken findet sich auch im Bamberger ‚Aufstand‘. Endres, Franken (wie Anm. 274), S. 149f. 280 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), S. 144–149. 281 Ebd., I, S. 387f. Besonders deutlich wird dies in einem Brief der Bildhäuser an den Rat zu Münnerstadt bezüglich Personen, die ohne Absprache Plünderungen vornahmen. Ihnen wird der Status als Brüder der Versammlung in Frage gestellt, da sie durch ihren Ungehorsam gegen die christliche Gehorsamspflicht verstoßen hätten. „Lieben bruder in Christo. uns langt glaublich an, wie ewr vil und nit wenig, so sich doch bey uns christliche bruder nennen wollen, unordenliches wesens furen, als im closter, Teuthschen haus und an andern orten, der maynung, gleich sie niemand gehorsam sein wollen, sonder frey und bosen mutwillen ires gevallens unstraffbar zu uben, das uns allen und ainem ieden unleidlich zu dulden. hirumb unser freuntlich bitt und ernstlicher bevelhe: ir wollet ainem ieden inwoner bey euch sagen lassen und ernstlich gepietten, das er sich nach ewr furgenomen ordnung halten woll. woe ir ainen oder mer unter euch hett, der solchen ewr gebotten nit gehorsam sein wolt, den wollet zur straff nach geubter mishandlung on verzuck zu hefften annemen und uns von stund an zu wissen thun. so wollen wir nach ainer ieden uberfarung unnachlessig selbst straffen, domit rechtgeschaffen ordnung ufgericht, die ewangelisch lere und gottlich gerechtickayt gemes sey. wollet euch in diesem als unser christliche bruder guttwillig erweysen. wollen wir in allem gutten erkennen.“ Ebd., II, S. 238.

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moralischen Bewährung als Garant für die Errettung war offensichtlich auch außerhalb der Flugschrift verbreitet. Explizit spielt darauf die Ochsenfurter Feldordnung an.282 Überblickt man die bisherigen Ergebnisse, kann man von den ‚Aufständischen‘ durchaus im Sinne eines Gruppenkollektivs sprechen – allerdings mit Bedacht. Die Sichtweisen, welche die Korrespondenzen entwerfen, spiegeln zuerst die Meinungen des sog. mittleren Managements der Haufen wider. Ihre Ämter und Entscheidungen waren allerdings an Wahlen gebunden, welche eine breite Basis in die politische Entscheidungsfindung integrierte.283 Die Korrespondenzen sollten daher als Ausdruck eines Abstimmungsprozesses, aber auch als Ausdruck von Eigendynamiken innerhalb einer Großorganisation verstanden werden. Dies bedeutet, die Schriften aus den Kanzleien der Haufen referieren in erster Linie auf Handlungsideale, welche allerdings nicht immer einzulösen waren. Zudem wird in den Schriftstücken lediglich der Anspruch proklamiert, für alle ‚Aufständischen‘ zu sprechen. Die Kanzleien besaßen auf diese Weise eine Deutungshoheit, die sie auszuschöpfen versuchten. Mit dem Inhalt der Flugschriften eint die Korrespondenzen der klare Ausgrenzungsmechanismus entsprechend der Unterscheidungslinie von christlich und unchristlich sowie das Bekenntnis zum neuen Untertanengehorsam. Die stigmatisierende Kraft des Aufruhrbegriffs wurde in Korrespondenzen ebenfalls als Mittel der Selbststilisierung und Abgrenzung taktisch eingesetzt. 2.2.1.2.2 Oberschwaben: Ein pazifistisches Aufruhrkonzept? Der Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ bezeichnet den Vorwurf des „ungehorsam(s)“) als „grosse(n) schwere(n) fluͤ ch“.284 An dem Charakter einer Untertanenerhebung entzündeten sich vor allem drei große Fragen: Waren Gewaltanwendungen überhaupt legitim? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Und durften die Untertanen die Obrigkeit absetzen? Die jeweiligen Kapitel zu den einzelnen Versammlungen stehen jeweils unter einer dieser Leitfragen. Für die Entwicklung der Programmatik der ‚Aufständischen‘ in Oberschwaben besitzt die Schilderung des St. Galler Chronisten Johannes Keßler (1503–1574) eine große Bedeutung. Seine Informationen über den ‚Bauernkrieg‘ bezog er unter anderem von Christoph Schappeler, der das Vorwort der „Zwölf Artikel“ verfasst hatte.285

282 Ebd., I, S. 144–149. Vgl. zu diesem Konzept Kapitel 2.2.3.2.3. 283 Vgl. oben Kapitel 1.4. 284 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 112. 285 Johannes Keßler, der Zeitgenosse der Ereignisse war, schrieb seine Reformationschronik bis zum Jahr 1533 und überabeitete sie vermutlich noch einmal. Wissmann, Ingeborg, Die St. Galler Reformationschronik des Johannes Kessler (1503–1574). Studien zum städtischen Reformationsverständnis und seinen Wandlungen im 16. Jahrhundert in der Sabbata, Tübingen 1972.

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Zu Beginn des Jahres 1525 bildeten sich in Oberschwaben drei Vereinigungen: bei Biberach der Baltringer Haufen, bei Kempten der Allgäuer Haufen und bei Lindau der Bodenseeer Haufen.286 Nach Keßler kamen Vertreter der drei Versammlungen Anfang März 1525 in einer Stube der Kramerzunft in Memmingen zusammen, um ein gemeinsames Bündnis zu schließen. Ein Richtungsstreit drohte den geplanten Zusammenschluss jedoch früh zu sprengen. Während die Baltringer eine friedliche Einigung mit den Herren favorisiert hätten, wollten die Unterhändler des Allgäuer und des Bodenseeer Haufens mit Gewalt ihre Forderungen durchsetzen. Huldrich Schmid, der Anführer der Baltringer, und ihr Feldschreiber Sebastian Lotzer seien daraufhin in Tränen ausgebrochen, da die anderen nicht nach „dem spruch gottlichen rechtens, sund(er) mit gwalt faren“ wollten.287 Der Disput sei laut Keßler schließlich durch einen Bibelspruch entschieden worden. Christoph Schappeler habe die Beteiligten ermahnt, „nichts ufruͦ resch mit dem schwert, sunder mit lieb und fründtschaft an die herren fürzenemmen, sunst werd die sach zum letsten, wie man spricht, zuͦ irem hus ußschlachen.“288 Der Einschub „wie man spricht“ verweist offenbar auf Mt 26,52: „Tunc ait illi Iesus converte gladium tuum in locum suum omnes enim qui acceperint gladium gladio peribunt“ – „Da sagte Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.“ Die Vertreter des Allgäuer und Bodenseeer Haufens hätten sich daraufhin zu separaten Gesprächen zurückgezogen und dann in das Vorhaben der Baltringer eingewilligt. In diesem Geist, so Keßler, sei daraufhin „anhellig“ die Bundesordnung der oberschwäbischen Bauern entstanden.289 Der Text aus St. Gallen lässt sich als Interpretation eines bestimmten Aufruhrverständnis verstehen: Die Beteiligten hätten vereinbart, friedlich zu bleiben und eine Verhandlungslösung zu suchen. Diese Schlussfolgerung fand in der Forschung großen Anklang. Für den Wechsel zur Gewalt Ende März in Oberschwaben wird die Schuld eher bei den Herren als bei den ‚Aufständischen‘ gesucht. Im Grunde, so die These, hätten die ‚Aufständischen‘ pazifistisch agieren wollen.290

286 Über den Bauernkrieg in Oberschwaben vgl. den einschlägigen Sammelband: Kuhn, Elmar L. (Hg.), Der Bauernkrieg in Oberschwaben (Oberschwaben – Ansichten und Aussichten), Tübingen 2000. 287 Egli, Emil, Bericht Keßlers vom Bauernkrieg 1525 aus seinem Werk „Sabbata“. Nachdruck der Edition von 1902, in: Die Berichte von Peter Harer und Johannes Keßler vom Bauernkrieg 1525, hg. von Willi Alter (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer, Bd. 88), Speyer 1995, S. 127–178, S. 148. 288 Ebd., S. 149. 289 Ebd., S. 149. 290 Unreflektiert übernahm Günther Franz diese Aussage von der Sonderrolle der Baltringer: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 203. Auch Buszello teilte im Jahr 2000 noch diese Sichtweise. Buszello, Horst, Die christliche Vereinigung und ihre Bundesordnung, in: Der Bauernkrieg in Oberschwaben, hg. von Elmar L. Kuhn (Oberschwaben – Ansichten und Aussichten), Tübingen 2000, S. 141–173, S. 147. Allgemein gibt Waas die Schuld an der blutigen Eskalation der

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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Für diese Interpretation sprechen mehrere Argumente außerhalb von Keßlers Chronik. Im März des Jahres 1525 fanden immer wieder Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund statt. In diesem Kontext wurde die Bundesordnung noch einmal im Hinblick auf eine gewaltlose Konfliktführung verschärft. Die ‚Aufständischen‘ sollten auf jedwede Gewaltanwendung verzichten und auch ihre Abgaben an die Obrigkeit, die sie bereits suspendiert hatten, wieder entrichten. Die Strategie der ersten Märzwochen lässt sich daher als der Versuch einer Deeskalation beschreiben.291 Ende des Monats, als ein mit dem Schwäbischen Bund geschlossener Waffenstillstand auslief, ereigneten sich dann jedoch die ersten Gewalttaten: Klöster und Burgen wurden durch die ‚Aufständischen‘ in Brand gesetzt.292 Der Schwäbische Bund rückte nun auf die Bauernhaufen zu und stellte mehrere tausend Anhänger, die zum Baltringer Haufen gehörten, bei Leipheim. Noch am Tag der Feldschlacht, am 4. April, versuchten die Bauernführer, auf eine friedliche Lösung des Konflikts hinzuwirken. Sie stritten ab, sich gegen ihre Herren aufgelehnt zu haben, und bekundeten ihr Interesse an einer friedlichen Einigung. Die inzwischen erfolgten Gewalttätigkeiten seien zu entschuldigen und seien nicht repräsentativ für das Anliegen der Versammlung. Die Verhandlungsmission scheiterte. Die Gründe hierfür sind nicht überliefert. Die anschließende Feldschlacht ging, wie auch alle späteren militärischen Konfrontationen, für die Bauern verloren.293

‚Erhebung‘ der Obrigkeit, die sich Kompromissen verstellt hätte. Winfried Becker folgert, dass die ‚Aufständischen‘ an ihrer eigentlich gewaltlosen Haltung gescheitert seien, da sie aufgrund ihrer Unentschlossenheit die offenen Feldschlachten verloren hätten. Peter Blickle bleibt ebenfalls in diesen Denkbahnen und macht die Herren für den Umschwung zur Gewalt verantwortlich. Mit der neueren Konfliktforschung, die Gewaltaktionen nicht mehr als Ausnahmen in Konfliktfällen versteht, kann man Gewaltanwendungen auch als eine ritualisierte Form von sozialen Konflikten deuten. Waas, Adolf, Die große Wendung im deutschen Bauernkrieg, in: Historische Zeitschrift 158 u. 159 (1938 u. 1939), S. 457–491 u. 22–53, S. 480. Becker, Winfried, „Göttliches Wort“, „Göttliches Recht“, „Göttliche Gerechtigkeit“. Die Politisierung theologischer Begriffe?, in: Revolte und Revolution in Europa, hg. von Peter Blickle (Historische Zeitschrift, Beihefte, NF, Bd. 4), München 1975, S. 233–263, S. 259. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 158–160. Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 110–132. Zuletzt kritisch mit Blick auf die militärische Organisation der oberschwäbischen Bauern: Bähr, Matthias, Liebe, Friede, Einigkeit. Gewalt im Bauernkrieg von 1525, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 74 (2015), S. 55–69. 291 Zu den unterschiedlichen Fassungen der „Memminger Bundesordnung“ vgl. Seebass, Artikelbrief, Bundesordnung und Verfassungsentwurf (wie Anm. 140), S. 55–148, hier: S. 146. 292 Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 147f. Nach Artzt war ein Waffenstillstand zwischen dem Schwäbischen Bund und den Versammlungen bis zum 2. April 1525 vereinbart. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524– 1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 158 u. 1880, Nr. 166. 293 Peter Blickle entdeckte dieses wichtige Dokument jüngst im Archiv der Grafen von WaldburgZeil. Er konstatiert, dass es sich insgesamt um durchaus selbstbewusste Forderungen handelte, die kein Einknicken in der Sache bedeuteten. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 158f.

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Am 2. Mai 1525 schrieb Christoph Schappeler, der Autor des Vorworts der „Zwölf Artikel“ und wohl Keßlers wichtigste Quelle für die Begebenheiten in der Kramerstube, dem Zürcher Reformator Huldrich Zwingli einen Brief, in dem er sich vehement von der inzwischen ausgebrochenen Gewalt distanzierte. Nach ihm lag der ‚Erhebung‘ nun ein anderes Aufruhrverständnis zu Grunde. Die ‚Aufständischen‘ würden entgegen den Aussagen des Evangeliums sowie im Gegensatz zu jedweder Frömmigkeit und Gerechtigkeit handeln. Schappeler vertrat in diesem Schreiben die Position, dass nur eine pazifistische Grundhaltung eine legitime ‚Erhebung‘ begründen könne.294 Liest man diese Textstelle, die sich ebenfalls in der stilisierten Rede bei Keßler widerspiegelt, dass, wer das Schwert nehme, durch das Schwert umkomme, hätten die ‚Aufständischen‘ die eigentlichen Ideen der ‚Erhebung‘ verraten. Das Vorhaben wäre erfolgreich ausgegangen, wenn sich die Beteiligten nur an die Vereinbarung in der Kramerstube gehalten hätten. Indirekt liefert die Erzählung Keßlers aber noch ein anderes Bild von der ‚Erhebung‘ in Oberschwaben. Auf diese Weise lässt sich die Deutung in Frage stellten, dass in der Kramerstube ein völlig pazifistischer ‚Aufstand‘ beschlossen wurde. Huldrich Schmid, der Anführer des Baltringer Haufens, sei von Vertretern des Schwäbischen Bundes darauf angesprochen worden, warum die Bauernschaft Waffen mit sich führe. Darauf habe er folgendermaßen geantwortet: ist gar nit des fürnemen nach willens, ufruͦ r oder gwalt (die unser wenig sind) mit üch, unseren herren, zu bruchen. Dann das wir wafen und harnesch ietz zuͦ letst mit uns tragend, gschicht nit der mainung, ob wir die nutzen und bruchen wellen, sunder darumb allain, wann uns dise versammlung in argem welt zuͦ gerechnet werden und bald daruf, unerforschet unsers fürnemens, werlos abwürgen welt, das wir hiemit unser leben fristen und zuͦ verantwortung komen möchtend.295

In der Chronik wurde damit ein gegenläufiges Aufruhrkonzept zu den Aussagen Christoph Schappelers auf die Rede des Huldrich Schmids verdichtet. Dieser habe ein Verteidigungsrecht für das Leben der Beteiligten und die Ideale der Versammlung proklamiert. Das Selbstverständnis, welches hier idealisiert dargestellt wird, ähnelt den Vorstellungen in der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ über eine gerechtfertigte ‚Erhebung‘: „Bewapent euch mit dem gemuͤ t der kuͤ nen ochsen und stieren, die sich so trewlich zuͤ samen setzen in aynen ring und die hoͤrner herfür, nit in maynung sich zuͤ empoͤren, sonnder allain sich zuͤ beschirmen vor den einreissenden wolffen“.296 Auf den Punkt gebracht vertritt der literarische Huldrich Schmid in dieser Szene ein defensives statt eines pazifistischen Aufruhrkonzepts. Die Beteiligten der ‚Erhebung‘ hätten gewusst, auf welche Gefahren sie

294 Egli, Emil, (Hg.), Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 8: Briefwechsel 1: 1523–1526, Berlin 1914, Nr. 368, S. 324–326. 295 Egli, Bericht Keßlers vom Bauernkrieg 1525 aus seinem Werk „Sabbata“ (wie Anm. 287), S. 146. 296 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 129.

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sich einließen und seien bereit gewesen, mit aller Konsequenz für ihre Interessen einzustehen. Dieser Handlungslogik hilft, insbesondere Keßlers Schilderung der Gewalteskalation in Oberschwaben in ein anderes Licht zu rücken. In den zeitgenössischen Flugschriften und Geschichtsdarstellungen besaß die Frage, wer für den Gewaltausbruch während des ‚Bauernkriegs‘ verantwortlich war, eine hohe Bedeutung. Damit ging bereits eine Schuldzuschreibung einher, welche den jeweiligen Verursacher diskreditierte.297 Als einziger Chronist erklärte Keßler den Friedensbruch als Schuld der Herren: Unbegründeter Weise hätten Angehörige der Obrigkeit den Wirt zu Griesingen mit der Armbrust erschossen, wofür die Versammlungen dann Rache genommen habe. Auf diese Weise sei der Konflikt schließlich eskaliert.298 Wendet man die Logik des literarisierten Huldrich Schmid an, handelten die Beteiligten in dieser Situation als defensiver Zusammenschluss und verteidigen sich gegen einen Aggressor, indem sie Rache nahmen.299 Aus Oberschwaben finden sich kaum Selbstzeugnisse der ‚Aufständischen‘, in denen sie Stellung zum Umschwung von der Friedfertigkeit zur Gewalt bezogen. Ausführlich setzten sich beispielsweise die Kemptner Gotteshausleute nach der ‚Erhebung‘ mit dem Vorwurf ihres Abts auseinander, dass sie aufrürerisch gehandelt hätten.300 Bei der Quelle handelt es sich ohne Zweifel um eine Rechtfertigungsschrift, durch welche die Untertanen einer harten Bestrafung durch die Obrigkeit entgehen wollten. In ihrem Schreiben legten sie dar, dass sie eigentlich nicht gegen den Abt handeln wollten und eine friedliche Einigung erhofft hätten. Erst als der Abt mit der Rüstung begonnen habe, sei der Konflikt eskaliert. Dafür könne man den Untertanen jedoch keine Schuld geben, da sie sich bedroht gefühlt und sich da-

297 Siehe Kapitel 3.3.2. 298 Egli, Bericht Keßlers vom Bauernkrieg 1525 aus seinem Werk „Sabbata“ (wie Anm. 287), S. 153. 299 Ein zumindest ähnlicher Fall, der auf die Bereitschaft zur Selbstverteidigung und auf das Rachemotiv der ‚Aufständischen‘ hinweist, ereignete sich in der Nacht vom 27. auf den 28. März in Oberschwaben. Ambrosius Geyer, der Reiterhauptmann des Würzburger Bischofs beim Bund, berichtet über den Tod von 200 bündischen Knechten. Diese hätten die Versammlung der Untertanen überfallen wollen, um Beute zu machen. Die Untertanen hätten sich gewehrt und die Angreifer getötet. Die Begebenheit wird von Geyer sehr kurz geschildert. Aus der Erzählung geht jedoch hervor, dass die Untertanen den Knechten jeweils zwei Finger abtrennten. Man kann darin ebenfalls ein Strafgericht, beziehungsweise eine Racheaktion über die vermutlich schon toten Angreifer erkennen. Diese Verstümmelungsstrafe sollte ganz offenbar den beabsichtigten Raub symbolisch sühnen. Geyer, Ambrosius, Handlung des bunds wider die bauern, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 721–749, S. 725f. 300 Der Abt wirft ihnen vor: „empörung, vffrur, sedition, conspiration vnd andere mörcklich freuelung wider ier erbhuldung, pflicht, ayd, geschworen buntsverträg (etc)“ vorgenommen zu haben. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 400.

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her aus Notwehr verteidigt hätten. Ihre Absicht sei es nicht gewesen, sich zu „empörn“. Sie wiesen daher die Anklage als unzutreffend zurück.301 Unverkennbar besitzt diese Rechtfertigung denselben argumentativen Kern wie die Rede Huldrich Schmids: Eine Bauernversammlung werde sich in einer Bedrohungssituation verteidigen. Diese Beobachtungen können durchaus generalisiert werden. In allen Aufstandsregionen hatten sich die Untertanen, wie sie angaben, als defensive Vereinigungen zusammengeschlossen und geschworen, Leib und Leben füreinander einzusetzen.302 Betrachtet man den Umschwung zur Gewalt, lässt sich mancherorts ein auffälliges Muster feststellen. Anhand mehrerer zeitgenössischer Chroniken kann man den Eindruck der Untertanen, durch die Herrn unmittelbar bedroht zu werden, als einen Anlass für Gewaltaktionen rekonstruieren. Die Autoren der Chroniken, die allesamt aus der Perspektive der Obrigkeit schrieben, berichteten von haltlosen Gerüchten eines Angriffs der Herren auf die Untertanen, die sich unter der Bevölkerung epidemieartig verbreitet hätten. Während die Autoren die Irrationalität der Gerüchte hervorhoben, bieten diese Textstellen, die sich in Chroniken aus dem Elsass, Würzburg und Bamberg finden, mittels eines anderen Blickwinkels eine Möglichkeit, auf das Denken und Handeln der Beteiligten zu schließen. Gerüchte, so Albrecht Koschorke, nutzen, „wie Strom auf dem Weg des geringsten Widerstands, all jene affektbesetzten Vorurteile und Wahrnehmungskonventionen, die sich innerhalb der jeweiligen Bezugsgruppe am mühelosesten verbreiten.“303 Im Jahr 1525 schlug das offenbar weit verbreitete Misstrauen gegen die Herren leicht in Handlungen um: In Rappoltsweiler wollten die Einwohner aus Angst gegen den Stadtrat rüsten. In Würzburg verbarrikadierten sich die Bewohner aus Furcht vor heranrückenden, angeblich gewaltbereiten Rittern. In Bamberg sowie im nördlichen Teil des Hochstifts Würzburgs wurden aufgrund des Gerüchts von einem Angriff die Burgen ihrer potentiellen Gegner vorsorglich erstürmt.304

301 Ebd., Nr. 401, S. 340. Insgesamt läuft ihre Argumentation ganz auf die Handlungsweisen des Beschwerdewesens hinaus, in dem sie an die gegenseitigen Verpflichtungen von Untertanen und Herren appellieren. Dazu vgl. ausführlicher Kapitel 2.2.2.4.3. Die Stühlinger bezeichneten ihre Versammlung hingegen als „enberung vnd veraingung“. Sie handelten aber nach ihrer Argumentation nicht rechtswidrig und wollten ihre Herren als Untertanen all das leisten, was ihnen nach Auslegung des Evangeliums zustünde. Die Gewalt der Obrigkeit gegen die Untertanen, die ihn Totschlägen gipfelte, sei hingegen zu unterbinden. Ebd., Nr. 239. 302 Zur Charakterisierung von Schwureinigungen vgl. oben Kapitel 1.4. 303 Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 35. 304 Man kann in diesen Fällen spekulieren, ob die Gerüchte gezielt gestreut wurden, um eine Missstimmung gegen die Herren zu erreichen. Baillet, Lina, La guerre des paysans. Un cas de conscience dans la famille de Ribeaupierre, in: Bulletin philologique et historique du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques 92 (1969), S. 358–437, S. 380–386. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 362. Müllner, Martin, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner, in: Chroniken der Stadt Bamberg. Bd. 2:

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft 

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Diese Angst war offenbar latent vorhanden und konnte durch einen minimalen Auslöser aktiviert werden. Die Art des Zusammenschlusses der Untertanen als defensive Vereinigung reflektierte dieses Bedrohungsszenario und war umgekehrt als Teil dieser inhärenten Logik auch dafür mitverantwortlich, dass solche Ängste in eskalierend wirkende Abwehrreaktionen übersetzt werden konnten. Der Modus und die Gefahren der Konfliktführung waren in allen Fällen identisch. Die Untertanen hofften auf das Entgegenkommen ihrer Herren und fürchteten sich gleichzeitig vor ihrem möglichen Angriff. Nicht nur der Bericht von Johannes Keßler, sondern auch die spärlichen, aber immerhin vorhandenen Aussagen der Beteiligten und nicht zuletzt ihre Handlungen deuten darauf hin, dass Gewalt als Teil der Konfliktführung akzeptiert wurde, zumindest dann, wenn sie bestimmten Bedingungen wie der Selbstverteidigung des eigenen Lebens und der eigenen Ideale unterworfen war. Fasst man zusammen, favorisierten die Beteiligten eine friedliche Beilegung des Konflikts, sie waren allerdings auch bereit, militärisch für ihre eigenen Forderungen einzustehen. Ob Christoph Schappeler tatsächlich an eine völlig pazifistische ‚Erhebung‘ glaubte oder ob er sich nachträglich auf diese Weise von der desaströsen Lage in Oberschwaben distanzieren wollte, kann jedoch nicht geklärt werden. 2.2.1.2.3 Württemberg: Herrschaftssturz ohne Gewalt? Der ‚Bauernkrieg‘ im Herzogtum Württemberg begann am 16. April mit einer Versammlung der Einwohner von Bottwar auf dem Wunnenstein, einem Berg im heutigen Landkreis Ludwigsburg. Von dort aus zogen die ‚Aufständischen‘ durch das Land, sammelten weitere Anhänger und standen schließlich am 12. Mai bei Böblingen dem Schwäbischen Bund gegenüber, von dem sie militärisch geschlagen wurden.305

Chroniken zur Geschichte des Bauernkrieges und der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang, hg. von Anton Chroust (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Bd. 1,2), Leipzig 1910 (Nd. 2005), S. 95–157, S. 100f. Dazu siehe auch unter dem Blickwinkel der falschen Auslegung: Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 6f. Nicht aus obrigkeitstreuer Sicht stammt folgendes Dokument: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 17f. Nach Claudia Ulbrich habe sich die Allgäuer Versammlung Ende Februar von einem Bündnis Freiwilliger zu einem Zwangsbündnis gewandelt, in das sich alle Personen in ihrem Einflussgebiet begeben mussten, aufgrund eines Gerüchts, angegriffen zu werden. Ulbrich, Claudia, Oberschwaben und Württemberg, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 97–133, S. 104. 305 Zu Württemberg im ‚Bauernkrieg‘ einführend vgl. Pfaffenbichler, Matthias, Die habsburgische Herrschaft in Württemberg 1519–1534, in: 1514 – Macht, Gewalt, Freiheit. Der Vertrag zu Tübingen in Zeiten des Umbruchs, hg. von Götz Adriani/ Andreas Schmauder, Ostfildern 2014, S. 337–394. Ulbrich, Oberschwaben und Württemberg (wie Anm. 304), S. 123–133. Maurer, Hans-Martin, Der Bauernkrieg im deutschen Südwesten. Dokumente, Berichte, Flugschriften, Bilder. Ausstellung

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Die ‚Aufständischen‘ im Herzogtum Württemberg bezogen während der ‚Erhebung‘ ausführlich Stellung zu Aufruhrvorwürfen und distanzierten sich von ihnen. Mehr noch, in einem Brief an Kaiser Karl V. und den Schwäbischen Bund vom 30. April stilisierten sie die Verhinderung von „embörungen“ zu einem Gründungsanlass ihrer Vereinigung. Sie hätten sich verbunden, um die Landschaft Württemberg und das Reich vor den Ereignissen, wie sie im Weinsberger Tal geschehen, zu schützen.306 Kurz zuvor waren dort vom Neckartaler Haufen 16 Adelige von den Untertanen hingerichtet worden. Diese Tat schien das negative Aufruhrstereotyp und die Gefahren eines Untertanenaufstandes zu bestätigen. Es musste so wirken, als trete nun das Schreckensszenario ein, vor dem die Gegner einer Untertanenerhebung immer gewarnt hatten.307 Die Württemberger grenzten sich von den Vorgängen in Weinsberg mit zwei Argumenten ab. Erstens wollten sie das „furstentumb Wyrtemberg“ vor fremden Untertanen schützen. Zweitens lehnten sie diese Art von ‚Erhebungen‘, für welche sie das Wort „embörungen“ verwendeten, prinzipiell ab. Dem Kaiser, so die Württemberger, seien sie „zue undertenigster gehorsame“ verpflichtet. Diese Gehorsamspflicht schränkten sie entsprechend dem Evangeliumvorbehalt der „Zwölf Artikel“ jedoch dahingehend ein, nur „alles das zu tund, das fromen cristenleyten zuesteet und sich nach ewangelischer leer von götlichen und naturlichen rechten gepurt.“ Missstände, unter denen sie leiden würden, sollten ihnen durch eine „entlichen austrag“ erlassen werden. Sie hätten ihre Versammlung gegründet, um den „fryden“ zu gewährleisten.308 Wie in Oberschwaben finden sich damit auch in Württemberg die stereotypen Attribute eines positiven Selbstbilds: das Bekenntnis zum Frieden, die Gehorsamspflicht in christlichen Dingen und die Forderung, Belastungen der Untertanen zu mindern. Auch die ‚Erhebung‘ in Württemberg präsentierte ihr Vorhaben damit als Antithese zum negativen Aufruhrkonzept der Obrigkeit.

des Hauptstaatsarchivs Stuttgart und des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins, 3. Auflage Stuttgart 1975. Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30). Noch immer von Relevanz: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 351–360. 306 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 50. In der Tat konstituierte sich ihre Versammlung auf dem Wunnensteiner Berg erst, als der Odenwälder Haufen Ausschreibungen nach Württemberg schickte. Ulbrich, Oberschwaben und Württemberg (wie Anm. 304), S. 123f. 307 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 50. Zur literarischen und historiographischen Verarbeitung der Geschehnisse von Weinsberg vgl. Hamm, Geschichte und Geschichtsschreibung (wie Anm. 21). 308 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 50. Diese Selbstsicht findet sich bereits im Schreiben an die Stadt Esslingen vom 28. April. In diesem Brief wird der Aspekt des Schutzes des Herzogtums noch stärker betont. Ebd., Nr. 41. Der Topos, man wolle keine Gewalt anwenden, sondern das Land schützen, findet sich ebenfalls im Brief an Herzog Ulrich. Ebd., Nr. 57.

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Bereits am 20. April hatte Matern Feuerbacher, einer der Hauptmänner des Württemberger Haufens, Jäcklein Rohrbach in die Versammlung aufgenommen. Rohrbach war an der Hinrichtung der Adeligen in Weinsberg maßgeblich beteiligt gewesen. Bei den Württembergern fungierte er nun erneut in hervorgehobener Position und begleitete die Funktion eines Unterhauptmannes. Angesichts der deutlich vorgetragenen Kritik an den Geschehnissen im Weinsberger Tal gilt es zu fragen, wie die Personalentscheidung zur politischen Rhetorik passte. Eine Antwort liefert die Darstellung der Weinsberger Tat. Das Ereignis wird in dem Ausschreiben weniger als ein historisches Ereignis beschrieben, sondern vielmehr als ein Symbol: Es steht dort für die angeblich gezielte Tötung von Adeligen und für die Beseitigung jedweder Form von Herrschaft.309 Die Aufnahme von Jäcklein Rohrbach in die Versammlung diskreditiert das Anliegen der Württemberger folglich nur dann, wenn er oder die Württemberger selbst den Plan eines solchen Umsturzes verfolgt hätten. Wie im nächsten Kapitel deutlich wird, stand Weinsberg allerdings nicht in diesem Kontext. Andererseits verschwiegen die Württemberger wohl ganz bewusst, dass sich einer der Hauptverantwortlichen dieses heftig kritisierten Ereignisses in ihren Reihen befand. Man kommt daher nicht umhin, diese Textstelle als Propaganda im Sinne einer beschönigenden, möglichst tadellosen Selbstdarstellung anzusehen. Die Württemberger hatten, wie erwähnt, davon gesprochen, den „fryden“ zu gewährleisten. Was aber meinten sie mit dieser Aussage? Am 16. April hatte sich im Zabergau ein zweiter Haufen formiert, der unter der Führung von Hans Wunderer das Deutschordensschloss Stocksberg stürmte und einige Klöster plünderte. Im Gegensatz dazu hatte der Wunnensteiner Haufen, den Matern Feuerbacher anführte, keine solchen Gewaltaktionen durchgeführt. Am 22. April vereinigten sich beide Gruppierungen schließlich in Bietigheim.310 In der Forschung werden die programmatischen Gegensätzlichkeiten traditionell an den politischen und charakterlichen Unterschieden der Führungsfiguren festgemacht. Der Anführer des Wunnensteiner Haufens, Matern Feuerbacher, sei ein „konservativer Mann“ gewesen, der beim alten Glauben habe bleiben wollen, Fremde aus Württemberg herausgehalten habe

309 Zur Aufnahme Jäcklein Rohrbachs in die Versammlung vgl. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 351–360. Die Textstelle im Brief an Kaiser Karl erklärt die Geschehnisse im Weinsberger Tal entsprechend dem negativen Aufruhrkonzept. Weinsberg komme einem Dammbruch gleich, wenn sich solche Aktionen fortsetzten seien die Reichsinstitutionen bedroht: „nachdem sich allenthalben im hailigen Römischen reych vyl embörungen ufferhoben, derglych unlang hievor im Weinsperger tal ouch bescheehen, die willens gewest, wie sie ouch an Weinsperg angefangen, in das furstentumb Wyrtemberg zue ziehen und das under irn gwalt zu bringen, deshalb wir besorgt, wa das furgeen, es möcht bemelt furstentnmb durch sie und nochmals E. G. und Gunsten (gemeint war der Kaiser) und den loblichen bund zue Swaben verhergt und verderpt werden“. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 50. 310 Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 353.

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und treu zur österreichischen Regierung im Herzogtum Württemberg gestanden sei. Dass eine solche Charakterisierung problematisch ist, zeigt sich nicht zuletzt an der Übernahme von Argumenten aus den reformatorisch geprägten „Zwölf Artikeln“.311 Wunderer dagegen sei ein „leidenschaftlicher politischer Agitator“ gewesen, der auf eine Rückkehr des vertriebenen Herzogs Ulrich hingewirkt habe. Am 22. April wurden beide schließlich Hauptleute des vereinigten Haufens.312 Als ein Signum des Württembergischen ‚Aufstands‘ ist die nahezu gewaltlose Eroberung des Herzogtums zu verstehen. Burgen wie Klöster blieben vor der Zerstörung weitgehend verschont. Offenbar setzten sich die Wunnensteiner in dieser Hinsicht gegenüber den Zabergauern durch. Allerdings wurde auf eine andere Art und Weise gegen die Klöster vorgegangen, sie mussten zur Strafe eine Steuer zahlen und den Haufen mit Proviant versorgen.313 Die selbst aufgestellte Handlungsprämisse „nieman(den) zu verderben“ hieß für die Württemberger daher wohl tatsächlich, sich möglichst gewaltfrei gegenüber den Mitmenschen zu verhalten.314 Anfang Mai organisierten Feuerbacher und Wunderer gemeinsam die Verteidigung gegen den Schwäbischen Bund. Benachbarte Haufen wurden um Unterstützung angeschrieben. Man wolle den Bund im „Zaum“ halten,315 welcher die Württemberger „verderben“ und von ihrem „christenlichen furnemen abdringen“ werde.316 Am 6. Mai stellten die Hauptleute in einem Brief an den Statthalter von Württemberg, Wilhelm Truchsess von Waldburg, der ihnen ein ungehorsames Verhalten vorwarf, ihre Sicht der Dinge dar. Sie argumentierten, dass sich der Truchsess in der Vergangenheit als ungeeigneter Regent erwiesen habe. Ihr „anzug“ (Versammlung) sei lediglich eine Folge seiner schlechten Regierung.317 Die Ausdrücke empörung und aufrur verwendeten sie in keinem ihrer Dokumente als Vorgangsbezeichnung. Kurz vor der Schlacht vor Böblingen wurde Matern Feuerbacher als Hauptmann ent-

311 Siehe dazu auch diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2. 312 Zu dieser personalisierten Deutung der Geschehnisse vgl. die Beurteilung bei: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 351–360. Die Deutungslinie hat sich bis in die Gegenwart erhalten und ist nur schwer mit anderen Quellen aufzubrechen. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 196. 313 Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 35f. 314 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 42. 315 Walchner, Kasimir/ Bodent, Johann (Hg.), Biographie des Truchsessen Georg III. von Walpurg aus handschriftlichen Quellen bearbeitet und mit einem Anhang von Urkunden versehen, Konstanz 1832, Nr. 21, S. 277. 316 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 67. Ähnlich Nr. 68. 317 Ebd., Nr. 80.

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lassen. Dies stand offensichtlich im Kontext zu Verhandlungen mit dem ehemaligen Herzog Ulrich, der nun als Regent zurückkehren sollte.318 Für eine neue Ordnung für das Land liegt ein undatierter und anonymer Entwurf vor. Peter Blickle rechnet ihn den ‚Aufständischen‘ zu, Günther Franz nicht.319 Die neue Verfassung richtet sich erstens gegen die Geistlichkeit. Ihre politischen Funktionen dürfe sie nicht mehr ausüben, ihren Besitz müsse sie der gemeinen Kammer überstellen. Der zweite Verlierer dieser Neuordnung wäre bei Inkrafttreten der Landesherr gewesen. Er hätte verpflichtet werden sollen, zusammen mit einem Zwölfer-Ausschuss zu herrschen. In diesem Gremium hätte das Mehrheitsprinzip entschieden und die Stimme des Herzogs nur doppelt gezählt. Die anderen Mitglieder wären paritätisch aus Bauern, Bürgern und Adeligen besetzt worden. Der Landtag hätte in einigen Bereichen eigenständig die Legislative ausüben dürfen.320 Ob der Verfassungsentwurf tatsächlich aus den Reihen der ‚Aufständischen‘ stammte und ob er dort einen breiten Rückhalt besaß, muss offenbleiben. So nahmen die ‚Aufständischen‘ während der ‚Erhebung‘ für sich in Anspruch, im Namen der Landschaft zu handeln.321 Zumindest lässt sich als verfassungspolitisches Mindestziel die Absicht fassen, in einer zukünftigen Ordnung, die man anstrebte, als Stand anerkannt zu werden. Das Aufruhrmodell des Württemberger Haufens lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Man wollte prinzipiell friedlich agieren und zerstörte nur wenige Herrschaftsinsignien oder Klosteranlagen auf dem Weg, eine andere politische Herrschaft zu etablieren. Friede als politischer Zustand einer neuen Ordnung, wie die Untertanen es formulierten, war allerdings nur möglich, wenn der Schwäbische Bund ihre Ordnungsvorstellungen akzeptierte.322 In diesem Sinn waren die Württemberger bereit, ihre Interessen zu verteidigen. Ihre alte Obrigkeit, den Statthalter Wilhelm Truchsess von Waldburg, betrachteten sie als abgesetzt. Sie nahmen den Landschaftsbegriff für sich in Anspruch und bezeichneten sich zugleich als Untertanen. Als Herren fungierten demgegenüber Gott und der Kaiser.323

318 Zu Verhandlungen mit dem Herzog vgl. ebd., Nr. 57 u. 85. In der Bewertung über die Absetzungsgründe spiegelt folgendes Dokument eine andere Sicht: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 358f. 319 Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 198f. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 357. 320 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 86. 321 Vgl. zu diesem Anspruch Kapitel 2.2.2.3. 322 Ebd., Nr. 67. So schrieb der Württemberger Haufen die Hegauer Versammlung folgendermaßen um Hilfe gegen den Schwäbischen Bund an: „Deshalben ausser christenlicher beger, bruderlich und freuntlich ansuchen und bitten, ir wöllendt den nächsten auf den pund, so zue Tubingen ankomen, zuziehen, wöllen wir uns, so stark wir mögen, bewerben, im entgegenkomen und mit hilf gottes understeen, ain christenliche, götliche friden zu erholn und unser beswerden ab uns wenden.“ Der Ausdruck „friden“ kann hier sowohl den Sieg über den Bund als auch eine friedliche Einigung meinen.

100  2 Der Diskurs der aufrürer

2.2.1.2.4 Taubertaler sowie Neckartaler und Odenwälder: Hinrichtungen als Ausnahme? Am 21. und 22. März entstand der Taubertaler Haufen in der Rothenburger Landwehr, dem Gebiet der Reichsstadt Rothenburg. Am 4. April verließ die Versammlung das Rothenburger Herrschaftsgebiet, nahm weitere Gemeinden und Städte aus der Tauberregion in ihre Versammlung auf und zog über Mergentheim schließlich nach Würzburg. Vor der Stadt vereinigte sich der Haufen am 8. Mai mit den NeckartalOdenwäldern. Gemeinsam versuchte man vergebens, die Burg des Würzburger Bischofs zu erstürmen. Fast zeitgleich bildete sich am 26. März bei Mergentheim zwischen Ober- und Unterschüpf eine weitere Bauernversammlung: der sog. Neckartal-Odenwälder Haufen. Die ‚Erhebung‘ breitete sich zunächst in Richtung Südwesten aus und wählte das Kloster Schöntal als Sammelpunkt. Dort stießen auch Untertanen aus dem Neckargebiet hinzu. Die Grafen von Hohenlohe mussten sich anschließen. Stadt und Burg Weinsberg wurden am 16. April erstürmt. Graf Ludwig von Helfenstein, der das Burgkommando innehatte, und weitere Adelige wurden nach einem Strafgericht durch die Untertanen umgebracht. Kurz darauf gelang es, die Reichsstadt Heilbronn zum Anschluss zu gewinnen. Über Amorbach und Miltenberg, wo die Versammlung das Erzstift Mainz in ihre Vereinigung zwang, zog der Haufen dann nach Würzburg. Als Nachrichten über den heranrückenden Schwäbischen Bund Würzburg erreichten, zog ein Großteil des Neckartal-Odenwälder Haufens am 23. Mai dem Bund entgegen und unterlag am 2. Juni bei Königshofen. In Würzburg waren offenbar Fehlinformationen über die Möglichkeit eines Bauernsieges durch die Anführer gestreut worden, so dass ein Großteil der verbliebenen ‚Aufständischen‘ nun dem Bund entgegen zog, um ihren Verbündeten zu helfen. Sie wurden am 4. Juni bei Ingolstadt in der Nähe von Giebelstadt geschlagen.324 Die ‚Erhebung‘ der Neckartal-Odenwälder begann mit einem Allgemeinplatz. Nachdem die Untertanen das Kloster Schöntal eingenommen hatten, machten sie bekannt, dass dies nur geschehe, um den Ort vor fremden Untertanen zu schützen. Zudem sei der Bischof mit einer solchen Handlung einverstanden.325 Ähnlich wie in

323 Ebd., Nr. 50. Als Verpflichtung gegenüber Gott lässt sich die Formulierung fassen, dass die Untertanen zur Ehre Gottes handeln würden, also in seinem Auftrag ständen: Brief an Herzog Ulrich: ebd., Nr. 73 u. Nr. 80. 324 Einführend vgl. Endres, Franken (wie Anm. 274). Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 35–53. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 293–325 u. S. 329–337. Aus den überlieferten Briefwechsel des Haufens lässt sich auf den Plan des Führungsgremiums zur Vertuschung der Niederlage am 2. Juni schließen. Besonders deutlich: Staatsarchiv Bamberg, B 48, Nr. 5, f. 354–356. Dazu passend auch die Meldung aus der Bauernkriegsschrift des Sebald Ranft: Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), S. 81. 325 Dies geht aus einem Schreiben des Kellers von Lauda an den Würzburger Bischof hervor: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 176f. (vgl. ausführlich zu dieser Aussage Kapitel 2.2.1.2.5).

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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Württemberg argumentierten die ‚Aufständischen‘ folglich mit der Gefahr eines aufrurs, den sie verhindern wollten. Sie appellierten an den Lokalpatriotismus der Untertanen und stellten ihre Handlungen als Übereinstimmung mit dem Willen eines christlichen Regenten dar. Die bestehenden Obrigkeit wollten die ‚Aufständischen‘ der beiden Haufen anerkennen, solange sie christlich regierte.326 Für die Versammlungen hieß dies, dass sich die Herrschaftsträger ihren Vereinigungen anschließen mussten. Mehrmals schlugen Verhandlungen mit dem Bischof von Würzburg fehl,327 während sich etwa das Erzstift Mainz unter Zwang anschloss. Das Erzstift musste wie andere Institutionen und Personen die „Zwölf Artikel“ und weitere Bedingungen akzeptieren. Eine Garantie zum Fortbestand der weltlichen Herrschaft eines geistlichen Herren war damit aber nicht verbunden: Klöster sollten aufgehoben werden. Das Erzstift musste sich verpflichten, alle Veränderungen zu akzeptieren, zu deren Zweck die Untertanen ein Treffen einberufen wollten.328 In ihrer programmatischen Flugschrift vom 26. Mai 1525 richtet sich die Taubertaler Versammlung auch im Namen des Neckartal-Odenwälder Haufens an die Herrschaftsträger im Reich. Im Rahmen des Evangeliumvorbehalts bekundete die Vereinigung jeder Obrigkeit im Reich von den Kurfürsten bis zu den Dorfmeistern ihre Treue. Die geistlichen Herrschaftsträger – Prälaten, Äbte, Bischöfe und Erzbischöfe – werden in dieser Aufzählung allerdings nicht genannt.329

326 Siehe zur Verbreitung dieses Evangeliumvorbehalts zu Beginn der ‚Erhebung‘ Kapitel 2.1.2.1. Zu seinem Festhalten bis Ende Mai 1525: ebd., I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. 327 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 190–231. 328 Zu den Bedingungen der Aufnahme für das Erzstift Mainz vgl. Die Kapitulationsurkunde des Erzstifts Mainz (wie Anm. 86), S. 57f. Zur Kontextualisierung dieser sog. Unterwerfungsvereinbarung: Höbelheinrich, Norbert, Die neun Städte des Mainzer Oberstifts. Ihre verfassungsmäßige Entwicklung und ihre Beteiligung am Bauernkrieg. 1346–1527, Wiesbaden 1939 (Nd. 1994), S. 80–91. 329 Dem Schreiber, der im Kanzleiwesen geschult war und diesen Stil für die Bauernschaft imitierte, ging es darum, entsprechend dem Kanzleistil alle akzeptierten Herrschaftsträger aufzulisten: So heißt es: „Allen und ieden churfursten, fursten, graven, freyheren, rittern, knechten, amptleuten, schultaisen, burgermaistern, räthen, dorfmaistern, gemainden und sunst allen und ieden, den diser brief furkombt, gezaigt oder gelesen wurt, empieten wir […] unser unterthenig, willig, unvertrossen und freuntlich dienst, ainem ieden nach seiner wirden, stand und wesen“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. Vgl. dazu den Beginn des Texts zum Ewigen Landfriedens von 1495: „wir Maximilian etc. embieten allen und yegklichen unsern und des heiligen reichs churfursten und fursten, geistlichen und weltlichen, prelaten, grafen, freyen herren, rittern, knechten, haubtlewten, vitzthumben, vögten, phlegern, verwesern, ambtlewten, schulthaissen, burgermaistern, richtern, reten, burgern und gemainden und sunst allen andern unsern und des reichs undertanen und getrewen, in was wirden, states oder wesen die sein, den diser unser kuniglicher brief oder abschrifft davon zu sehen oder zu lesen furkomet oder gtzeiget wirdet,

102  2 Der Diskurs der aufrürer

Deutlich fällt dagegen das Bekenntnis der ‚Aufständischen‘ zu ihren bisherigen weltlichen Herren aus. Am Beispiel der Grafen von Hohenlohe lässt sich detailliert nachvollziehen, was es hieß, sich mit den Bauern zu verbünden. Am 5. April forderten die Untertanen Albrecht und Georg von Hohenlohe auf, sich der Bauernvereinigung anzuschließen. Wenn sie ihre „artickel“ akzeptierten, wollte man sie weiter als „Recht erplich Naturlich hern erkenn(en)“.330 Angesichts der militärischen Übermacht der Untertanen willigten die Grafen in dieses Verfahren ein. Am 11. April trafen sich Georg und Albrecht von Hohenlohe mit der Versammlung auf offenem Feld.331 Von diesem Treffen sind zwei Urkunden überliefert. Die Grafen sicherten zu, alle Bedingungen der Untertanen zu akzeptieren, und gingen davon aus, auch weiterhin als Obrigkeit anerkannt zu werden.332 Die Untertanen wiederum akzeptierten die Grafen in der Urkunde, die sie ausstellten, als ihre „gnedig herren“. Zudem sicherten sie den Grafen ihren Beistand gegen Feinde zu. Man wollte die Herren „schutzen und schirmen“.333 Im Diskurs der Obrigkeit definierte diese Formel Herrschaft als vertikale Ordnung zwischen Beschützern und Beschützten.334 Bei den Untertanen wurde dieser Passus angesichts der Gedanken der Brüderlichkeit und der Gleichheit dagegen umdefiniert. Jeder Bruder sei dem andern zur Hilfe verpflichtet. So forderten die ‚Aufständischen‘ später von den Grafen Unterstützung gegen den Schwäbischen

unser gnad und alles gut.“ Friedhuber-Wiesflecker, Inge (Hg.), Quellen zur Geschichte Maximilians I. und seiner Zeit (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Bd. 14), Darmstadt 1966, S. 70. Vergleicht man weitere Schriften aus dem Kreis der Neckartal-Odenwälder, ist auffällig, dass sie zu ihrem Tag nach Heilbronn nur die weltlichen Fürsten einluden, um ihre Belastungen abgestellt zu bekommen. Aus ihrem Begleitschreiben geht hervor, dass die geistlichen Herrschaften aufgelöst werden sollten. Auch zur Problematik einer Autorenzuschreibung: Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183). Die zwei Quellen, die immer wieder angeführt werden, um zu beweisen, dass die ‚Aufständischen‘ im Hochstift Würzburg mit dem Bischof ein landschaftliches Regiment errichten wollten, besitzen kaum Aussagekraft. Die erste, eine Beschwerdeschrift lediglich eines Würzburger Stadtviertels, entstand zu einem Zeitpunkt, als eine Einigung mit dem Bischof noch möglich erschien. Bei der zweiten Quelle handelt es sich um den Bericht eines hennebergischen Amtmanns. Von diesen Zeugnissen grundsätzliche Schlussfolgerungen abzuleiten, scheint unmöglich. Dagegen: Blickle, Die Funktion der Landtage im „Bauernkrieg“ (wie Anm. 230), S. 135. 330 Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 262. 331 Ebd., S. 266. 332 Ebd., S. 267–269. 333 Ebd., S. 269f. 334 Brunner, Land und Herrschaft (wie Anm. 180), S. 440. Zur Kritik an Brunners Methode vgl. Algazi, Gadi, Otto Brunner – Konkrete Ordnung und Sprache der Zeit, in: Geschichtsschreibung als Legitimationswissenschaft. 1918–1945, hg. von Peter Schöttler (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Bd. 1333), 2. Auflage Frankfurt am Main 1999, S. 166–203.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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Bund.335 Umgekehrt hielten die ‚Aufständischen‘ ihr Wort: Während der ‚Erhebung‘ wurde die Burg der Grafen in Neuenstein nicht zerstört.336 Zweifelsohne wurde am 11. April eine neue Art von Herrschaft zwischen den Grafen und ihren Untertanen begründet. Die tatsächliche Herrschaftskompetenz der Obrigkeit blieb jedoch offen. Erst eine abschließende Entscheidung nach dem Vorbild der oberschwäbischen Bauern im Sinne einer Disputation sollte dieses Vakuum füllen. Bis dahin blieb die Versammlung der Untertanen de facto die bestimmende politische Kraft.337 Für die Bewertung des Neckartal-Odenwälder Haufens und für die gesamte ‚Erhebung‘ spielt die Kontextualisierung der sog. Weinsberger Bluttat bis heute eine Schlüsselrolle. Die moderne Forschung versucht seit jeher, das zeitgenössische Urteil der Obrigkeit, Weinsberg besitze einen exemplarischen Charakter, zurückzuweisen. So wird immer wieder die Einmaligkeit der Handlung betont.338 Bereits einen Tag vor der Erstürmung Weinsbergs und der Hinrichtung der 16 Adeligen hätte sich allerdings ein ähnlicher Vorfall auch schon in Oberlauda in der

335 Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 300. 336 Ebd., S. 99–104. Andere Burgen der Hohenloher wurden offenbar zuerstört, vgl: Sandel, Theodor, Kirchberg an der Jagst. Schicksal einer hohenlohe-fränkischen Stadt, Nürnberg 1936. Dieses Verhalten, Schlösser zu schonen, stellte keine Ausnahme dar. Der Neckartal-Odenwälder Haufen hatte zudem die Grafen von Löwenstein gegen die Annahme der „Zwölf Artikel“ in ihre Verbindung aufgenommen und setzte sich am 19. April dafür ein, dass Burg und Stadt nicht durch einen anderen Haufen, der davon nichts wüsste, zerstört würde. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 5. Auch der Bildhäuser Haufen hatte etwa dem Grafen von Henneberg einen Schadlosbrief ausgestellt und akzeptierten ihn weiterhin als Herren, bis dieser schließlich die Abmachung brach und gegen die Bauern rüstete. Im Mai 1525 änderten sie jedoch auch grundsätzlich ihre Politik und forderten den Abriss der Burgen: Wölfing, Günther/ Grossmann, Bernhard, Der Bauernkrieg im südthüringisch-hennebergischen Raum, Suhl 1989, S. 22–24. 337 In der zeitgenössischen Chronistik Öhringens und Schwäbisch Halls, die dem ‚Aufstand‘ ablehnend gegenübersteht, wird die Aufnahme der Grafen in die Bruderschaft dagegen als Aufgabe ihrer Herrschaft dargestellt. Herolt, Johann, Chronica, in: Geschichtsquellen der Stadt Hall. Bd. 1, hg. von Christian Kolb (Württembergische Geschichtsquellen), Stuttgart 1894, S. 1–270, S. 207. Und: Hohenbuch, Alexander, Nachricht vom Bauern-Krieg in der Graffschaft Hohenlohe. Anno 1525, in: Hohenloher Kirchen- und Reformationshistorie. Bd. 4, hg. von Johann C. Wibel, Ansbach 1744, S. 76–80, S. 78. Eine „New uffrigs Zeitung“ berichtet dagegen indirekt, dass die Grafen auch weiterhin Herren über ihre Untertanen geblieben seien. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70 Bü 87. Eine Lösung für diesen Widerspruch kann im neuen Amtsverständnis der Obrigkeit gesehen werden. Siehe dazu Kapitel 2.2.3.2.4. 338 Schon: Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 313. Auch Peter Blickle schrieb diesen Mythos jüngst fort, indem er zwar eine Logik der Ereignisse im Sinne gerichtlicher Verfahren herausarbeitete, aber Weinsberg als Monolith im Handlungsrepertoire der ‚Aufständischen‘ stehen ließ. Zur Kontextualisierung nennt er unter anderem das Landsknechtgericht und die Praxis des Burgensturms, welche er lediglich mit zeitgenössischen Kriegstheorien und nicht mit anderen Handlungen der ‚Aufständischen‘ verglich. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 210–227.

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Nähe des heutigen Lauda-Königshofens im nördlichen Baden-Württemberg zutragen können. Die dortige Amtsburg des Würzburger Bischofs wurde vom Taubertaler Haufen belagert. Die Beteiligten forderten den Amtmann Philipp von Riedern auf, die Burg friedlich zu übergeben. Dieser weigerte sich allerdings. Die Untertanen griffen daraufhin die Burg an und legten dabei ein Feuer, das der Amtmann und die anwesenden Adeligen wie durch ein Wunder überlebten. Die Burgbesatzer wurden gefangengenommen. Die siegreichen ‚Aufständischen‘ berieten daraufhin, ob man die festgesetzten Adeligen durch die Spieße jagen sollte. Die gemäßigteren Stimmen, welche in dem wundersamen Überleben der Adeligen einen Wink Gottes erblickten, setzten sich jedoch gegen radikalere Stimmen durch und der Amtmann wurde lediglich bis zum Ende der ‚Erhebung‘ gefangen genommen.339 In Weinsberg trugen sich die Ereignisse nahezu nach demselben Schema zu. Im Unterschied zu Philipp von Riedern hatte der Württembergische Amtmann Ludwig von Helfenstein jedoch bereits ‚Aufständische‘, die an seiner Burg vorbeizogen, beschießen lassen und der Versammlung demonstrativ mit Gewalt gedroht.340 Mehrmals wurde er vor der Erstürmung aufgefordert, die Burg zu überstellen.341 Wie Philipp von Riedern verweigerte er jedoch die Kapitulation. Die ‚Aufständischen‘ erstürmten daraufhin die Befestigung, nahmen die Besatzung gefangen und stimmten gemeinsam darüber ab, wie man weiter verfahren wolle. Die Gefangenen sollten nach Landsknechtart durch die Spieße geschickt werden. Die ‚Aufständischen‘ bildeten zu diesem Zweck eine Gasse, durch welche die Delinquenten einzeln hindurch laufen mussten. Unter den Schlägen und Stichen der ‚Aufständischen‘ kamen diese schließlich ums Leben.342 Ein weiteres Beispiel kann helfen, die Weinsberger Geschehnisse von ihrem Nimbus der Einmaligkeit zu befreien und die Handlungen als kulturelle Praktik verständlich zu machen. Die Bildhäuser Vereinigung belagerte Ende Mai 1525 die Burg Sodenberg in der Nähe Kissingens. Genauso wie in Weinsberg hatten die Burgbesatzer die ‚Aufständischen‘ zuvor angegriffen. Vor dem Sturm auf die Burg stand ebenfalls die Aufforderung, diese zu übergeben. Im Gegensatz zu den anderen Fällen ist die Übergabeaufforderung schriftlich überliefert. Der Bildhäuser Haufen sicherte in

339 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 86–89. 340 Weismann, Erich, Die Eroberung und Zerstörung der Stadt und des Schlosses Weinsberg im Bauernkrieg. Eine Rekonstruktion der Vorgänge nach zeitgenössischen Augenzeugenberichten, Weinsberg 1992, S. 14f. 341 Diese Nachricht ist allerdings nur aus Augenzeugenberichten überliefert. Weismann, Erich, Die Eroberung und Zerstörung der Stadt und des Schlosses Weinsberg im Bauernkrieg. Ebd., S. 16f. 342 Bei Peter Blickle wird die Beratung über die Hinrichtung als Landsknechtgericht dargestellt. Ob die Geschehnisse sich in diesem Sinn oder sich eher auf informelle Art wie in Oberlauda zutrugen, muss offenbleiben. Zumindest kann es in beiden Fällen als gesichert gelten, dass eine Abstimmung unter den ‚Aufständischen‘ stattfand. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 212–220.

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seinem Schreiben vom 27. Mai den Besatzern zu, mit dem Leben davonzukommen, falls sie ihre Burg überstellten und sie sich der Versammlung anschlössen. Anderenfalls drohten ihnen folgende Konsequenzen: wa aber dem kain volg beschehen mogt, wollen wir uns fur uns, unser versamlung und bruderschaft hierin verwart haben, sonder auch die euren weder leybs noch guts, es sey jung oder alt, weyb oder man, klain noch gross gefridet haben, sonder gegen euch in gleichem, wie gegen den unsern gehandelt, strenglich und ernstlich furnemen und mit hilf unsers erlösers Christi volstrecken.343

Die ‚Aufständischen‘ unterschieden eindeutig zwischen der Einnahme einer Burg durch Kapitulation und durch Sturm. In letzterem Fall konnten die Besatzer nicht mehr auf Gnade hoffen. Die mögliche Hinrichtung der Burginsassen war als Kollektiv- und als Spiegelstrafe legitimiert, wie es bei Burgenstürmen generell üblich sein konnte. Würden die Besatzer dagegen kapitulieren und sich der Versammlung anschließen, stellte sie ihnen Strafffreiheit in Aussicht. Zu diesem Fall kam es allerdings nicht mehr. Die Eroberung des Sodenbergs wurde abgebrochen, da die Truppen des Schwäbischen Bundes aus Süden nach Würzburg vorrückten und aus dem Norden der Landgraf von Hessen und der Kurfürst von Sachsen mit einem Angriff drohten. Die Ermordung von Adeligen blieb in der Tat einmalig, die Praktiken und Gedanken, die mit diesem Verfahren in Verbindung standen, waren dies aber eindeutig nicht. Das kulturelle Wissen, das an den drei Orten kursierte und quasi Regie führte, soll nun rekonstruiert werden. In Weinsberg und Oberlauda agierten die Versammlungen nach der Eroberung der Burgen als sog. Spießgericht. Wie in Landsknechtheeren üblich, berieten die ‚Aufständischen‘ über die Delinquenten, sprachen das Urteil und vollzogen es.344 Wofür die Adeligen bestraft wurden, lässt kaum Raum zu Spekulationen. Entsprechend dem damaligen Kriegsrecht standen den Eroberern einer Burg, wenn diese im Sturm eingenommen wurde, das Gut und das Leben der Besatzer zu. Die ‚Aufständischen‘ agierten nicht anders, als es zu dieser Zeit üblich war.345 Das Spießgericht war ohne Zweifel Teil eines ritualisierten Handlungsschemas. Die Ereignisse, die überhaupt zur Erstürmung der Burgen führten, allerdings auch. Nach der Argumentation der Bildhäuser könne der Konflikt friedlich gelöst werden,

343 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 454. 344 Zu dieser zeitgenössischen Praxis vgl. Kortüm, Hans-Henning, Kriege und Krieger. 500–1500 (Kohlhammer-Urban-Akademie), Stuttgart 2010, S. 187–203. 345 Peter Blickle bringt noch andere Interpretationen ins Spiel: Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 218–220. Kritisch äußert sich dazu: Carl, Horst, Rezension von: Peter Blickle: Der Bauernjörg. Feldherr im Bauernkrieg. Georg Truchsess von Waldburg 1488–1531. München: C.H.Beck 2015, in: Sehepunkte 15 (2015), http://www.sehepunkte.de/2015/11/26892.html (19.3.2015).

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schlösse sich die Burgbesatzung der Versammlung an und überstelle ihre Burg. Für Oberlauda ist ähnliches sogar noch für die Zeit nach der Erstürmung überliefert. Der Chronist Lorenz Fries berichtet, dass einige der ‚Aufständischen‘ argumentiert hätten, die gefangengesetzten Besatzer auf Urfehde freilassen zu wollen, wenn sie sich mit ihnen „verbruderen“ würden.346 Der Beitritt zur Versammlung konnte demzufolge eine Bestrafung ersetzen und vor dem militärischen Vorgehen des Haufens gegen die Beteiligten schützen. Auch in anderen Regionen kam diesen Anschlussaufforderungen für den Verlauf der ‚Erhebung‘ eine hohe Bedeutung zu. Diese waren an Burgbesatzungen, aber auch an Klöster, Dörfer und Städte gerichtet. Die Burgenstürme können damit in einen größeren Kontext einer umfassenderen Handlungsstrategie eingeordnet werden: Für Süddeutschland ist zu konstatieren, dass jeder Haufen versuchte, in seinem Einflussgebiet alle Dörfer, Städte, Herren und Geistliche zum Beitritt in die Versammlung zu bewegen. Man kann dieses Verhalten als Taktik verstehen, auf diese Weise Gegenpositionen im Land auszuschalten und eine neue Ordnung für alle Beteiligten aufzurichten.347 Wer sich der Bruderschaft nicht anschloss, wurde als Feind betrachtet.348 Über ihn wurde beispielsweise im Schwarzwald die Strafe des weltlichen Banns verhängt. Dies bedeutete, dass die Betreffenden nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen durften.349 Die Stadt Freiburg im Breisgau wurde von den ‚Aufständischen‘ etwa solange belagert, bis sie aufgab.350 Aber auch andernorts wurde in Mahnschreiben gegen Dörfer, Städte und Adelige argumentiert, dass man sie heimsuchen, schädigen oder zerstören werde, wenn sie sich nicht anschlössen.351 Als Unrecht galt angesichts der antithetischen Strukturierung des Dis-

346 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 87. 347 Von den ‚Aufständischen‘ erörtert Friedrich Weygandt diese Taktik am ausführlichsten. Ebd., I, S. 432f. Von den Bildhäusern ist der gemeinsam im Ring gefasste Beschluss vom 14. Mai überliefert, keinen Adeligen mehr in die Versammlung aufzunehmen. Die Integrationslösung konnte folglich auch scheitern. Ebd., I, S. 386. 348 Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30), S. 270. 349 Vogler, Schlösserartikel und weltlicher Bann im deutschen Bauernkrieg (wie Anm. 89). Und: Seebass, Artikelbrief, Bundesordnung und Verfassungsentwurf (wie Anm. 140), S. 149–159. 350 Buszello, Horst, „Lutherey, Ketzerey, Uffrur“. Die Stadt zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer Reform, in: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau. Bd. 2, hg. von Heiko Haumann/ Hans Schadek, Freiburg im Breisgau 2001, S. 13–68, S. 41–52. 351 So schrieb der Allgäuer Haufen an den Fürstabt von Kempten. „Ist das des gemainen haufens wil vnd mainung, seitemal vnd ewer fürstlich gnad vns daz schloß nit vff- vnd ybergeben wolle, wir euch suchen als vnsern veint.“ Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 208. Ein anderer Bauernhaufen ließ die württembergische Gemeinde Wildberg wissen: „nachdem mir etlich flecken uff dem wald mit gwald eygenomen, auch des sins und furnemens von stund an zu euch ze komen, hieruff fordern mir euer stat uff mit sollichem beschaid, wo ir das gietlich werden tun und die stat uffgeben, wellen mir nieman weder alt noch iung, auch ewern gut und hab kain schaden zufiegen, weder heller noch pfennings werd. Wo aber das nit wolt sein, so

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kurses schon der Nicht-Anschluss an die Versammlung. Oder in den Worten der ‚Aufständischen‘: Durch die Ablehnung der Verbrüderung hätten die Beteiligten auch das Vorhaben ausgeschlagen, dem eigentlich jeder Christ zustimmen müsse. Die Mahnschreiben besaßen zwei Funktionen. Beachtete man sie nicht oder leistete man ihnen nicht Folge, wurden man zu einem Feind der Vereinigungen. Diesen Briefen kam damit eine ähnliche Bedeutung zu wie den Absagebriefen in Fehden. Gewaltanwendungen wurden angekündigt, womit die Vorstellung einherging, einen gerechtfertigten Rahmen für solche Aktionen geschaffen zu haben.352 So schrieben die Bauern vor dem Sodenberg ihre Mahnung, um sich „verwart“ zu haben. Das heißt, sie wollten ihre Ehre behalten. Mit der Erstürmung einer Burg seien „jung oder alt, weyb oder man, klain noch gross“ vom Tod bedroht. Die Erstürmung definierte demzufolge einen eigenen Rechtsbereich, in dem gewöhnliche Grundsätze nicht mehr galten.353 Zu diesen anerkannten Werten zählte etwa der Schutz der Schwachen, wie sie Kinder, Frauen und Alte stereotyperweise repräsentierten. Ihr Schutz nahm im Diskurs der ‚Aufständischen‘ insgesamt eine große Bedeutung ein. Der elfte der „Zwölf Artikel“ argumentiert mit dem Wohl der Witwen und Waisen, um die Abgabe des Totfalls, einer mittelalterlichen Erbschaftssteuer, außer Kraft zu setzen. Das Argument der Schutzbedürftigkeit griff selbst für adelige Damen und deren Schmuck,

werden mir mit gewalt kumen fur ewer stat; und so ainem ain laid vor der stat widerfier, so mir die mit gewalt miesten gewinnen, wellen mir euch an leib und gut schaden zufiegen, wie mir kennen und mugen, wissent euch vorschaden zu hieten“. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 29. Der Württemberger Haufen forderte die Gemeinde zu Balingen mit folgenden Worten zum Anschluss auf: „ir wellen dem hailgen ewengelium und gerechtigkait gottes hanthaben; und kumpt dise ermanung vom ganzen hellen huffen, von rätten und hauptlütten; und ist das die letzst ermanung und abforderung von stund an zu kommen in disse bruderschaft. Wa ir aber ir nit wellten in disse bruderschaft, der ist wyder uns und unser fund und den wellen wir sůchen wie unseren fund.“ Ebd., Nr. 28. Weitere Beispiele ließen sich problemlos aneinanderreihen. Selbst in Regionen, die nicht als klassische Kerngebiete der ‚Erhebung‘ gelten, wie etwa das südliche Mittelfranken, finden sich diese rituellen Muster. So musste in Wassertrüdigen der Amtmann des Markgrafen von Ansbach seinen Anschluss zum Haufen schwören, ansonsten drohten die Bauern, ihn umzubringen. Müller, Ludwig, Beiträge zur Geschichte des Bauernkriegs im Riess und seinen Umlanden, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben und Neuburg 18 (1888/89), S. 23–160, S. 127f. Abweichend von dieser Praxis gab es aber auch Stimmen, welche alle Adeligen als Feinde betrachteten. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 335f. 352 Reinle, Bauernfehden (wie Anm. 108), S. 252–255. 353 Eine direkte Parallele hierzu stellen die Vorgänge im Kontext der Erstürmung des Würzburger Unserfrauenbergs dar. Das Schreiben der ‚Aufständischen‘ vor Würzburg an die Burgbesatzung schließt im Sinne eines Mahnschreibens: „damit wir euch darzu (dem Anschluss an die Versammlung) bringen mochten, auch unser eren bewarnus und genugsam offenbarung gethan, euch der gegenhandlung, wie sich die ervordert, zu versehen haben“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 192.

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dessen Raub durch Abweichler in den Reihen der ‚Aufständischen‘ als Diebstahl geahndet werden konnte.354 Ein Strafgericht gegen widerständige Stadtbewohner oder Burgbesatzungen war folglich mehrfach als Ausnahme von der Regel gerahmt: als Handlungen gegen Feinde, als angekündigte Aktion wie im Fehderecht und als Strafgericht nach einem Burgensturm. Die Ausnahme bestätigte sozusagen die Regeln der Selbstdarstellung: Die ‚Aufständischen‘ wollten eigentlich keine Gewalt anwenden, glaubten sich aber aufgrund des Fehlverhaltens der Gegenseite dazu gezwungen. Die Beteiligten konnten sich damit grundsätzlich in Übereinstimmung mit den Werten der Zeit sehen, die Schwachen und Hilflosen zu schützen und möglichst gewaltfrei zu handeln.355 Man kann sich die Einnahme eines Dorfes, einer Stadt oder einer Burg als ritualisierten Vorgang vorstellen. Das idealisierte Schema lautet folgendermaßen: Die entsprechende Institution wurde aufgefordert, sich anzuschließen, weigerte sie sich jedoch, erfolgte das kriegerische Vorgehen. Die Konsequenzen hatte die andere Seite zu tragen. Zwar bildete die Ermordung von Adeligen in Weinsberg eine Ausnahme, nicht aber die antithetischen Gedanken, die hinter diesem schon aus der Fehdepraxis ritualisierten Verhaltensschema steckten. Die Konsequenzen waren dabei variabel und konnten vom Anschluss an die Versammlung unter Zwang bis zur Hinrichtung reichen. Im Unterschied zu den oberschwäbischen Bauern und zu dem Wunnensteiner Haufen, welcher die Programmatik der ‚Erhebung‘ in Württemberg stark beeinflusste, fanden Kloster- und Burgenstürme schon in der Anfangsphase der ‚Erhebung‘ der Neckartal-Odenwälder und Taubertaler statt. Hinter dem systematischen Vorgehen gegen Burgen standen aber noch weitere Anliegen als lediglich der Versuch, Gegenpositionen im Land auszuschalten und ihre Besatzer als Mitglieder der Versammlung zu gewinnen. Es lassen sich mehrere Motive ausfindig machen, die sich teils widersprechen. Die letzte Flugschrift aus dem Lager der ‚Aufständischen‘ stammt vom 26. Mai 1525 und wurde von den Anhängern des Taubertaler- und Neckartaler Haufens verfasst, als der Zug des Schwäbischen Bundes nach Franken bereits absehbar war.356 In ihr findet sich eine der wenigen ausführlichen und grundsätzlichen Erklärungen aus der Feder der ‚Aufständischen‘, weshalb sie Gewalt anwendeten. Bereits die

354 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 30. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II. S. 85, 86 u. 276. 355 Eine prägnante Einführung zum Schutz der Schwachen als ethisches Handlungsideal im Krieg bietet: Kortüm, Kriege und Krieger (wie Anm. 344), S. 256–264. 356 In den Augen der Würzburger Chronisten handelt es sich dabei um eine Beschönigung der Vorgänge, den Schwäbischen Bund über die wahren Absichten zu täuschen, um zu einer friedlichen Einigung zu kommen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f.

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Überschrift referiert auf die begangenen Gewalttaten. Sie lautet: „Ermanung an Churfursten, Fursten, Hern und Stende teutzscher nation: der brüderlichen versamlung im land zu Franken begangen vbels zu straffen vnd gemeynen frieden hinfürter zu fürdern vnnd handthaben.“ Im Text wird die hier angedeutete Aufforderung, dass die auswärtigen Herrschaftsträger und die Untertanen gemeinsam handeln sollen, um begangenes Unrecht abzustellen, ausführlich dargelegt. Die Zerstörung von Burgen wird folgendermaßen erläutert: darneben sind wir auch in furnemen, die schedlichen schloss und raubhäuser, daraus und darein den gewerbern und dem gemainen man manigfeltiger gewalt, nachtail und schaden begeget, auszureuten und vom weg zu thun. das wir dan zum tail mit hilf des almechtigen gethan, in hofnung, dardurch gemainen friden uf strasen und wasser, gemainem nutz zu gut zu furderen und zu hanthaben.357

Neben dem Gemeinen Mann werden die Kaufleute genannt, welche durch die Obrigkeit geschädigt worden seien. In kaum einem anderen Dokument bezogen die ‚Aufständischen‘ Position für die Gewerbetreibenden. Vermutlich ist die prominente Platzierung dieser Gruppe der moralischen Wirkung ihrer Erwähnung geschuldet. Schon im Schwäbischen Landfrieden von 1104 wurde festgehalten, dass Kaufleute und Bauern besonderen Schutz genießen, da sie unbewaffnet seien.358 Aus drei Gründen, so die Versammlung, breche man die „schedlichen“ Schlösser ab. Erstens seien ihre Besatzer verantwortlich für eine unrechtmäßige Gewaltausübung, denn sie hätten „hend und fues abgehauen, oren abgeschnitten, (Menschen) erstochen, gefangen, gekerkert, gestöckt und geblockt“. Statt einer angemessenen Rechtsprechung, so könnte man es formulieren, wendete die Obrigkeit unkontrolliert Gewalt an. Zweitens sei der Gemeine Mann durch Abgaben und Dienste zu hohem Schaden gekommen. Den Kindern der Untertanen drohe der Bettelstab. Am „beschwerlichsten“ sei jedoch drittens, dass die Obrigkeit das Evangelium unterdrücke. Von diesen Zuständen wollten sich die Untertanen befreien.359

357 Der Titel ist nur im Original überliefert. Stadtbibliothek Mainz, 11 Il 625 4°. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. 358 Dort wurden beide Gruppen als besonders schutzwürdig sogar in einem Satz erwähnt. Kaufleute und Bauern solle Frieden zustehen. Weinrich, Lorenz (Hg.), Quellen zur deutschen Verfassungs-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte bis 1250 (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Bd. 32), Darmstadt 1977, S. 169f. Vielleicht brachte Friedrich Weygandt diese Wendung in die Flugschrift ein, findet sich doch eine Parallele dazu im sog. Reichsreformentwurf, der ihm zugeschrieben wird. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 288. 359 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f.

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Gewalt gegen Burgen war somit multikausal motiviert. Erstens schütze sie die Bevölkerung vor falscher Gewaltanwendung. Zweitens dienten diese Handlungen zur Durchsetzung von Zielen, welche die Obrigkeit ansonsten verhindern würde: die Entlastung der Untertanen, die Durchsetzung des Evangeliums und eine verbesserte Friedenswahrung. Drittens sei die Zerstörung von Burgen aber auch als Strafpraxis zu verstehen. Die Untertanen nannten explizit das Strafen als Ziel ihres Vorgehens und bezeichneten die Burgen als „raubhäuser“. Ihre Gegner seien in diesem Sinn Kriminelle, sie dagegen wollten durch ihr Vorgehen eine gerechte Ordnung und den Frieden, auf den sie mehrmals rekurrierten, wiederherstellen. Überblickt man weitere Schriften der Taubertaler, findet sich noch ein anderes Motiv für das Abbrechen von Burgen. Laut ihrer Feldordnung, die sie zu Ochsenfurt erließen, müsse jeder Adelige, der sich anschloss, seine befestigten Anlagen abbrechen und „wie ain ander burger oder bauer“ rechtlich gleichbehandelt werden. Er verlor seine Vorrechte als Adeliger.360 Die Zerstörung von Burgen lässt sich in diesem Sinn auch als ein symbolischer Akt zur Herstellung einer Gesellschaft rechtlich gleichrangiger Individuen verstehen. Der Adel als Mittelgewalt sollte ausgeschaltet werden.361 Die Neckartal-Odenwälder und die Taubertaler schleiften während der ‚Erhebung‘ jedoch nicht alle Burgen in ihrem Einflussgebiet.362 Diese Differenz kann man auf das Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen über die Behandlung von Schlössern und Adeligen zurückführen. Noch in der ersten Aprilhälfte schlossen die Taubertaler nicht aus, dass Adeligen ihre Burgen weiternutzen könnten, wenn sie eine angemessene Herrschaft ausgeübt hätten.363 Nur kurze Zeit später, am 27. April, verlangten sie allerdings kategorisch den Abriss aller Schlösser.364 Höchstwahrscheinlich, um doch noch eine Einigung mit der Obrigkeit zu erzielen, wurde das radikalere Handlungsmotiv der Gleichrangigkeit in der Flugschrift vom 26. Mai jedoch nicht mehr erwähnt und stattdessen lediglich das Unrecht der Gegenseite hervorgehoben, dass es zu sühnen gelte, ohne dass daraus Konsequenzen für

360 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 148f. Dazu vgl. auch: Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 41. 361 Endres, Rudolf, Probleme der Bauernkriegsforschung im Hochstift Bamberg, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 31 (1971), S. 91–138, S. 117. Für das thüringische Neustadt an der Orla siehe: Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 138f. 362 Siehe oben in diesem Kapitel. 363 Artikel der fränkischen Bauernschaft (Taubertaler Programm), in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 109. 364 Alle Adeligen, die sich der Versammlung anschlossen, mussten nun ihre Burgen abbrechen oder abbrechen lassen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 148.

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den Adelsstand an sich abgeleitet wurden.365 Die Untertanen blieben hier deutlich hinter ihren Maximalforderungen zurück, um doch noch einen Kompromiss zu erzielen.366 Fasst man das Aufruhrkonzept der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder zusammen, wurde die Aussage, friedlich zu agieren, nicht als pazifistisches Programm, sondern als Handlungsaufgabe verstanden, selbst diesbezügliche Veränderungen vorzunehmen und die aus ihrer Sicht aus den Fugen geratene Ordnung wiederherzustellen. Die Herren akzeptierte man weiterhin, solange sie der neuen Interpretation des Evangeliums gehorchten. Zwischen der weltlichen und der geistlichen Obrigkeit wurde bezüglich ihrer Stellung als legitime Herrscher allerdings sehr genau unterschieden: Anerkannt wurden wohl nur die weltlichen Landesherren. Über weitere Veränderungen sollte eine reformation entscheiden, wie man eine endgültige Entscheidung über die „Zwölf Artikel“ nannte (siehe Kapitel 2.2.2.4.3). 2.2.1.2.5 Bildhausen: Die Verhinderung eines aufrurs? Im nördlichen Teil des Hochstifts Würzburg etablierte sich der Bildhäuser Haufen, für den die Einnahme des gleichnamigen Klosters namengebend wurde.367 Zu dieser Vereinigung gehörten noch die Versammlungen zu Aura, Theres, Frauenroth, Heidenfeld, Arnstein und Hausen bei Kissingen.368 Die ‚Erhebung‘ begann in diesen Orten, wovon Arnstein eine Ausnahme bildete, mit der Einnahme von Klöstern.369 Über diese Vorgänge ist man aus der Sicht der ‚Aufständischen‘ relativ gut infor-

365 Im Artikelbrief der Schwarzwälder Untertanen finden sich beide Begründungen in einem Artikel. Die Forderungen waren somit auch miteinander kompatibel. So verlangten sie im Artikelbrief an die Stadt Villingen, dass die Herren ihre Burgen verlassen und in gewöhnliche Wohnhäuser ziehen müssten (Gleichheitsargument), da sie bisher die Untertanen beschädigt hätten (Strafaspekt). Der Artikelbrief der Schwarzwälder Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 110f. 366 So hoffte etwa der Siegler Johann Buthner aus dem Kreis der ‚Aufständischen‘ noch am 1. Juni auf einen Frieden: „wolt got, das sich frum, redlich leut unser unterstunden, damit die sach zu friden käme. wir sein sonst alle verdorben, ermort, verbrent, vertilgt, wyb und kinder“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 307. Eine Zusammenstellung der sog. Schlösserartikel nahm Vogler vor. Seine Schlussfolgerungen stimmen allerdings nicht mit den hier angeführten überein. Vogler, Schlösserartikel und weltlicher Bann im deutschen Bauernkrieg (wie Anm. 89), S. 113–121. 367 Einführend zur Bildhäuser Vereinigung vgl. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 325–328. Endres, Franken (wie Anm. 274). Wölfing/ Grossmann, Der Bauernkrieg im südthüringisch-hennebergischen Raum (wie Anm. 336). 368 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 127 u. 345. 369 Ebd., I, 345–349 (Bildhausen); II, S. 1–5 (Aura); II, S. 5–12 (Arnstein); II, S. 12–15 (Frauenroth und Hausen). Über Heidenfeld ist man wesentlich schlechter informiert vgl. etwa: ebd., I, S. 363.

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miert. In einem Werbungsbrief schrieben die Untertanen von Aura an die benachbarten Dörfer folgendes, um sie zum Anschluss zu bewegen: lieben bruder. euch ist sonder zweyvel wol wissent, das sich allenthalben im hailigen Romischen reich emporung erheben, zu besorgen unserm gnedigen herren und uns zu grossem nachtail und schaden. solchs ains tails zu verkomen, haben wir uf heut dato dits briefs unserm gnedigen herren und uns zu gut das closter Aura eingenomen, die gotlichen gerechtickait zu hanthaben.370

Auch der Schwarzacher Haufen hatten in einem Schreiben mit der Gefahr anderer Untertanen für die Herrschaft des Bischofs argumentiert, weshalb die Einnahme des Klosters Münsterschwarzach nötig sei.371 Zweifellos handelte es sich hier um einen Locus Classicus der Argumentation, auf den auch die Württemberger und die Neckartal-Odenwälder zurückgegriffen. Wie kann man diesen Topos erklären? Die Untertanen zu Aura führten zwei Begründungen für die Einnahme des Klosters an: erstens die Verhinderung einer „emporung“, womit der Schutz des Landes, seiner Einwohner und seines Landesherrn vor Fremden gemeint ist, und zweitens die Handhabung der göttlichen Gerechtigkeit. In der Argumentation der Beteiligten schließen sich beide Motivationsstränge nicht aus.372 Die Einnahme eines Klosters zur Verteidigung des Territoriums vor auswärtigen Feinden besaß einen aktuellen Anlass. Der Bischof hatte am 29. März an alle Ämter des Hochstifts ein Rundschreiben ausgehen lassen, worin er die Untertanen aufforderte, sich gegen das bedrohliche Zusammenlaufen der Bauern in anderen Regionen zu bewaffnen. Die Untertanen sollten sich folglich an der Landesverteidigung, wie es im Hochstift üblich war, beteiligen. In einem zeitgleichen Schreiben an die Amtmänner warnte er schließlich noch deutlicher vor den „ufrurigen bauern“.373 Nach Lorenz Fries, dem Chronisten des Bischofs, nutzten die Untertanen diese Aufforderung allerdings nur aus, um sich für ihre Zwecke zu bewaffnen. Sie hätten nach seiner Meinung die Loyalität zum Landesherrn lediglich vorgetäuscht, um ihren Vorteil zu suchen.374 In der Tat bildete das Landesdefensionswesen das organisatorische Rückgrat der ‚Erhebung‘. An ihr orientierte sich die Abstellung der Kämp-

370 Ebd., I, S. 445. 371 Ebd., II, S. 308f. 372 Ebd., I, S. 445. 373 Ebd., I, S. 17–19. Ausführlich zum Versuch des Bischofs, die Landeswehr im ‚Bauernkrieg‘ gegen die ‚Aufständischen‘ zu verwenden, vgl. Staatsarchiv Würzburg, Standbuch 818, f. 88v–108v. 374 „doch nit irem herren zu gut, sonder wider ine und ime zu nachtail“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20)I, S. 19f. (Zitat, S. 20).

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fer, welche die Hauptmänner der Versammlung von den angeschlossenen Dörfern und Städten verlangten.375 Für die Versammlung zu Württemberg und Bildhausen, zu der auch die Vereinigung von Aura gehörte, ist die Abwehr von Auswärtigen stichhaltig dokumentiert. Die Bauernkanzleien schrieben landesfremde ‚Aufständische‘ an und forderten sie auf, das Land ihres Herrn nicht zu betreten. Umgekehrt respektierten sie die Gren-

375 Zum Landesdefensionswesen allgemein vgl. Schnitter, Helmut, Volk und Landesdefension. Volksaufgebote, Defensionswerke, Landmilizen in den deutschen Territorien vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Militärhistorische Studien; NF, Bd. 18), Berlin-Ost 1977. Zum Bauernkrieg: Hoyer, Das Militärwesen im deutschen Bauernkrieg (wie Anm. 92), S. 35–45. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 318–326. Für das Hochstift Würzburg liefert eine Aufstellung von Truppenabstellungen der Ämter für das Jahr 1492 einen detaillierten Einblick in das Ausmaß der Bewaffnung und Wehrfähigkeit auf dem Land: Gestellt werden mussten Fußtruppen, Büchsen, Armbrüste und Hellebarten. Staatsarchiv Würzburg, Standbuch 817, f. 1r–12v. Eine neue Ordnung von 1505, die im ganzen Land bekannt gemacht werden musste, legt Verhaltensregeln der Untertanen im Falle einer Bedrohung des Hochstifts fest: In einem ersten Schritt sollte die lokalen Obrigkeit die eingelagerten Waffen, die für die Untertanen bestimmt waren, mustern, die Untertanen beauftragen, die Landwehr in Stand zu setzen, und Wachen bestellen. Bei akuter Gefahr war die Glocke zu schlagen, die Tore zu verschließen, woraufhin sich alle „Bawern“ versammeln sollten. Eine Autorität (Amtmann, Vogt, Keller, Schultheiß, Bürgermeister oder wer Befehl in den Ämtern hatte) sollte zu den Bauern sprechen und die versammelten als „seine leute“ annehmen. Im Falle einer Bedrohung sollte ein Kontingent abgestellt werden, zum Selbstschutz dürften aber auch Bewaffnete im Ort bleiben. Staatsarchiv Würzburg, Standbuch 818, f. 1v–4v. Ein Neuigkeitsbericht über die Ereignisse in Öhringen, dem Ausgangspunkt der ‚Erhebung‘ in der Grafschaft Hohenlohe, legt nahe, dass dieses Schema von den Untertanen in Anspruch genommen wurde. In Öhringen begann die ‚Erhebung‘, indem sich eine Gruppe ‚Aufständischer‘ in der Nacht des 3. Aprils formierte, die Glocke schlug, dem „Herrschaft Knecht“ die Stadtschlüssel abnahm, die Tore besetzte und Boten in die umliegenden Orte schickte, um die Bauern zur Versammlung in Öhringen aufforderte. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70 Bü. 87. Ähnlich Bamberg: Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 101. Die Organisation der Bauernhaufen orientierte sich schließlich ganz zentral am Landesdefensionswesen. Die Orte, die sich der Versammlung anschlossen, waren selbst für die Abstellung von wehrfähigen Männern verantwortlich. Das zu stellende Kontingent sollte in einem regelmäßigen Turnus (14 Tage) durch ein neues abgelöst und von den Orten besoldet und versorgt werden. Das Lager Bildhausen ermahnte die Stadt Ebern, sie sollten sich an die etablierten Regeln des Landesdefensionswesens halten und „von stund an aus ewrer stadt ain vierthayl der manschaft und ein dritthayl der dorfschaft, wie dan andere stette und dorf thun, mit geburenden raysswegen, wie ir vor alter gerayst, feldgeschutze und langen spissen und was zur were gehort, aufs allereylentz zu uns oder gein Hassfurt in das leger bis auf ferner beschaide fugen“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144–149, 227, II, 77 (Zitat) u. 323. Diese Organisationspraxis findet sich nicht nur in Franken. Die Praxis der Truppenabstellung auf Anordnung der Haufen ist etwa auch für das Elsass belegt. Wiegersheim berichtet, dass die Bauern die Städte um Truppen angeschrieben hätten, die analog zur Praxis des Landesdefensionswesens ausgehoben wurden. Stöber, Diarium von Eckard Wiegersheim (wie Anm. 2), S. 346f. Die mentale Dimension, innerhalb eines etablierten Deutungsmusters zu handeln, um so die Hemmschwelle für das militärische Zusammenlaufen zu mindern, wird noch in dieser Arbeit (Kapitel 2.2.2.4.2) ausführlich erörtert.

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zen anderen Territorien.376 Land und Herrschaft bildeten für die Bildhäuser und Württemberger zweifellos eine wichtige Orientierungsgröße, während der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder Haufen regionale Herrschaftsgrenzen überschritt. Zentral für das Agieren der erstgenannten Versammlungen war das Verhältnis zum Landesherrn. Am Beispiel der Bildhäuser Vereinigung lässt sich exemplarisch die Problematik einer ‚Erhebung‘ darstellen, deren Träger sich als Untertanen verstanden. In ihrem Verhalten spiegelten sich die Ideen aus Oberschwaben wider, einerseits den Herren nicht zum Verdruss zu gereichen und andererseits eigene Ziele mit dem Evangelium als Argumentationshilfe vertreten zu wollen. Wie gingen die Beteiligten daher mit dem drohenden Loyalitätskonflikt um, wenn der Bischof sich nicht an ihre Interpretation des Gotteswortes hielt und diese verurteilte? In dem oben zitierten Ausschreiben der Versammlung zu Aura gaben die Beteiligten an, das Kloster im Interesse des Bischofs eingenommen zu haben. Als der Brief an ihn gelangte, beauftragte er seinen Bruder Eustachius von Thüngen, den Amtmann dieser Gegend, ein Gespräch mit den Besetzern zu führen. Tatsächlich erreichte der Amtmann am 15. April, dass die Versammlung das Kloster wieder räumte. Der Inhalt der Unterredung ist nicht überliefert. Aus seinem Ausgang kann man jedoch schlussfolgern, dass das Vorhaben der ‚Aufständischen‘, wie sie selbst betonten, nicht prinzipiell gegen den Bischof gerichtet war. Eine Verbesserung der Zustände schien für die Beteiligten offenbar mit seiner Person als Herrscher vereinbar.377 Mit diesem Argumentationsmechanismus, dem Evangelium zu gehorchen, ging generell ein gesteigertes Selbstbewusstsein der Untertanen einher. So wehrten sich die Bewohner des Ortes Aschach in einem Brief vom 14. April gegen die Anschuldigung des Amtmanns Eiring von Rotenhan, dass sie sich gegenüber dem Bischof von Würzburg ungehorsam verhalten hätten. Sie erklärten diesem, dass sie die Klöster Frauenroth und Hausen aus folgendem Grund eingenommen hätten: „und ist kunt unserm gnedigen herrren und allen, die aus gotlicher geschrift unterweist sein offenbar, das die closter nit got dienen, sonder dem teuffel.“ Die eigenen Vorstellungen davon, was christlich und teuflisch sei, wurden als unverrückbare Wahrheiten auch dem Bischof als Landesherren unterstellt. Die Untertanen gaben in diesem

376 Für die Versammlung von Bildhausen ist stichhaltig dokumentiert, dass die Beteiligten versuchten, die Untertanen des Grafen von Henneberg und diejenigen des Bamberger Bischofs aus ihrem Gebiet herauszuhalten. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 87–89 u. 287–289. Zur Selbststilisierung der Württemberger: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 35. Weitere Beispiele siehe in diesem Kapitel. 377 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 446.

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Fall vor, so zu handeln, wie es sich der Bischof als christlicher Regent wünschen müsse.378 Die Überzeugung vom Einverständnis des Landesherrn in das Vorhaben der Untertanen scheint eine ernst gemeinte Vorstellung gewesen zu sein. Die Einnahme des Klosters Münsterschwach verdeutlicht dies aus einem anderen Blickwinkel. Der dortige Abt hatte aus Angst vor herannahenden ‚Aufständischen‘ von den umliegenden Dörfern am 16. April gefordert, ein Aufgebot zum Schutz des Klosters zu stellen. Zwei Dörfer hatten sich diesem Ansinnen allerdings verweigert.379 Auch die anderen Orte zögerten nun und warteten ab. Die Gemeinde von Schwarzach stellte am 18. April für den Landtag, den der Bischof zur Lösung des Konflikts einberufen hatte, Forderungen zur Verbesserung ihrer Lage auf. Die einzelnen Artikel benennen vor allem Missstände, die vom Kloster verschuldet worden seien.380 Man überstellte die Artikel auch dem Abt – seine Antwort reichte den Untertanen allerdings nicht aus. Die Schwarzacher wollten das Kloster daher einnehmen und die nötigen Veränderungen selbst vornehmen. Die Beteiligten erstürmten das Kloster allerdings nicht einfach, sondern versicherten sich über die Richtigkeit ihres Vorgehens beim Bischof. Sie fragten ihn um Erlaubnis und argumentierten mit den angeblich unchristlichen Zuständen und dem Schutz des Landes vor „frembden leutten“, die aus dem Markgräflerland in das Hochstift zögen. Der Bischof verweigerte die Erlaubnis. Die Untertanen schrieben ihn daraufhin erneut an, und drohten gegen das Kloster mit Gewalt vorzugehen, woraufhin der Bischof sein Placet erteilte.381 Die Nachricht von der Duldung ihres Vorhabens verbreiteten die Schwarzacher daraufhin an weitere Orte. Wie ein Lauffeuer musste sich das bischöfliche Einverständnis zu ihrer Auslegung des Evangeliums herumgesprochen haben. Scheinbar stimmte der Bischof ihren Forderungen zu.382 Augenfällig ist, dass die ‚Aufständischen‘ das Kloster nicht sofort einnahmen, obwohl sie dazu die militärische Möglichkeit besaßen. Offenbar war die Zustimmung des Bischofs eine mentale Barriere, die nicht einfach zu überschreiten war.383 Wie ist daher die Aussage von Lorenz Fries zu bewerten, dass die Untertanen sich lediglich unter dem Deckmantel rüsteten, einen ‚Aufstand‘ zu verhindern und gleichzeitig ein solches Verhalten selbst an den Tag legten? Nach dieser Logik eroberten sie ein Kloster, um es vor der Eroberung zu beschützen. Ihre Aussagen sind tatsächlich dann eine Täuschung, wenn man den alten Untertanenbegriff als Maßstab für ihr Verhalten anlegt. Nach diesem Verständnis müssten sie dem Bischof uneingeschränkt gehorchen. Entsprechend dem neuen Untertanenverständnis der

378 379 380 381 382 383

Ebd., II, S. 14. Ebd., II, S. 303f. Ebd., II, S. 305–308. Ebd., II, S. 308–311. Ebd., II, S. 311f. Ebd., II, S. 313f. u. 314f.

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„Zwölf Artikel“ dienten die Untertanen nun aber dem Evangelium und erwarteten beziehungsweise forderten vom Bischof, dass er sich ihren Vorstellungen anschloss. Geht man nach den Korrespondenzen, hielten die Beteiligten an ihm als Landesherrn fest. Der intertextuelle Bezug zu den „Zwölf Artikeln“ und zur „Memminger Bundesordnung“ ist unübersehbar: Man wollte gemeinsam mit einer christlichen Obrigkeit handeln, welche dieselben Prinzipien teile. Zur Bewertung des Ausschreibens ist noch ein zweiter Punkt entscheidend: die Bezeichnung von landesfremden Untertanen als aufrürer. Wie glaubwürdig ist es, wenn die Beteiligten angaben, dass es sich bei den Vorgängen im Reich um einen aufrur im negativen Sinn handelte und sie dessen Übergreifen auf das Gebiet ihres Landesherrn verhindern wollten, zumal die Ideen ihr eigenes Handeln andernorts ausformuliert wurden? Unzweifelhaft bildete die Argumentation mit der Verhinderung eines aufrurs den geeigneten Anlass, um sich zu rüsten und um die Klöster einzunehmen.384 Hinter diesem Anlass verbarg sich allerdings mehr als nur ein schlichter Vorwand. So schrieb die Versammlung zu Neustadt an der Aisch die Bamberger Versammlung an, ihnen Truppen zu schicken, um sich gegen den Markgrafen von Ansbach verteidigen zu können. Die Bamberger antworteten, dass ihnen dies nicht möglich sei, da sie mit dem Bamberger Bischof eine Einigung geschlossen hätten. In ihrem „friedlichen Anstand“ hatten die ‚Aufständischen‘ in einer Situation der militärischen Überlegenheit zugestimmt, die Untertanen in anderen Territorien nicht zu unterstützen. Eindeutig war ihnen die Einigung mit ihrem Landesherrn wichtiger als die Unterstützung Landesfremder.385 Die Bildhäuser und Württemberger versuchten, und hier lässt sich eine Parallele herstellen, möglichst lange, fremde Untertanen aus dem Gebiet ihrer Landesherren herauszuhalten.386 Offenbar herrschte hier relativ

384 So verhielt es sich vermutlich auch in Württemberg. Siehe dazu: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 35. 385 Angesichts dieser Vorstellung wird auch im Schreiben der Bamberger an die Neustädter das Aufruhrstereotyp in seiner negativen Form auf die Neustädter gemünzt: „Vnser freuntschafft vnd guten willenn zuvor. Liebenn freund wir habe eur schreiben vnd bitt euch etlich geschütz vnd leut zu zuschicken etc. ferners inhalts vernomenn. Vnd wollten gantz gern vernemen das Ir widerumb zu friden vnd aynigkait on plut vergiessen vnd Nachthail anderer leut komet. In betrachtung, das auffrur und zwitracht auch alle thetliche handlung wider die lieb des negsten, auch dem Heiligen Evangelium vnd wort wider vnd entgegen ist. Darumb und zu erwiessung desselb haben wir vnns mit dem hochwirdigen fursten vnsern gnedigen herrn vonn Bamberg in ein fridlichenn anstandt begeben laut inlegends abtrucks: […] Vnd ist darauff vnser Christlich vnd getrew ermanen vnd bot Ir wollet aus obangezeigten vrsachen von eurem furnemen vnd angefangener auffrur auch absteen vnd bedenken, ob ir gleich ein Zeit lang ewren willen gepraucht was nachteyllige ends daraus ervolgen werde daran thut ir vns ein sondern wolgefallen, wollten euch auch das alles vff eur schreiben nit verhaltenn“. Staatsarchiv Bamberg, B 48, Nr. 5, f. 344f. 386 So schrieb der Neckartaler Haufen unter der Führung von Georg Metzler den Württemberger Haufen an, die Grafen von Löwenstein nicht zu beschädigen. Franz, Aus der Kanzlei der württem-

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lange die Meinung vor, dass politische Veränderungen nur mit den jeweiligen Landesherren möglich seien. Wie ist nun die Aussage, einen aufrur zu verhindern, zu bewerten? Die Untertanen täuschten zwar die Obrigkeit über den Charakter ihres Vorhabens – allerdings auf eine andere Art und Weise, als dies Lorenz Fries vermutete. Die Beteiligten legten entsprechend dem neuen Untertanenverständnis tatsächlich ein gehorsames Verhalten an den Tag und wollten das Territorium ihres Landesherrn vor andern Gruppen schützen. In einem Akt der Verkürzung hoben sie allerdings Unterschiede zu anderen Versammlungen hervor, die weniger gravierend waren, als sie es darstellten. Auf diese Weise gelang es ihnen, innerhalb der bestehenden Struktur des Landesdefensionswesens Truppen zu organisieren. Ganz falsch ist ihre Aussage jedoch nicht, denn eine Verbindung mit den Landesfremden hätte eine Ausweitung des Konflikts zur Folge gehabt, welche eine Einigung mit den Landesherren erschwerte. Diese Beschränkung der Beteiligten auf das Regionale bezeichnete Friedrich Engels abwertend als „Lokalborniertheit“, welche den Erfolg der „Revolution“ verhindert habe.387 Gerade in dieser landesherrlichen Fixierung ist jedoch ein wesentlicher Faktor für die zur Schau gestellte Legitimierung und Motivierung der Beteiligten zu verstehen. Die ‚Aufständischen‘ wollten ihre Anliegen mit dem Landesherrn umsetzen. Das Gelingen dieses Konzepts war allerdings vom Verhalten des jeweiligen Herrschers abhängig. Die daraus resultierende Problematik ist ex post leicht auszumachen: Was geschah, wenn die Obrigkeit sich verweigerte? In diesem Sinn lohnt sich erneut ein Blick nach Aura.388

bergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 5. Umgekehrt verurteilten die Württemberger die Neckartaler. Ebd., Nr. 50. In der Endphase strebten etwa die Allgäuer und Württemberger ein Bündnis an. Ebd., Nr. 49. Die Frankfurter etwa argumentierten geschickt mit dem äußeren Zwang, sich vor den Neckartal-Odenwälder schützen zu wollen, weshalb eine Veränderung der Stadtverfassung notwendig sei. Sie wollten „anfahen unß selbst zu reformiren, da mit nitt andere fremden uns zu reformiren ansuchen und belestigen bedoͤrffen“. In dieser Argumentation erscheinen Veränderungen, die man selbst vornehmen könne, besser als solche, die von außen angeblich aufoktroyiert würden. Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. 387 Engels, Friedrich, Der deutsche Bauernkrieg, 3. Auflage Leipzig 1875 (Nd. Berlin 2013), S. 93. Obwohl die nationale Perspektive des ‚Bauernkriegs‘ generell in Zweifel gezogen wurde, griff etwa Rudolf Endres diese Charakterisierung der ‚Erhebung‘ für Franken im Jahr 1984 noch einmal auf. Endres, Franken (wie Anm. 274), S. 146. Kritisch zur Frage, wo lokale und regionale Grenzen der Versammlungen verliefen: Seger, Josef, Der Bauernkrieg im Hochstift Eichstätt (Eichstätter Studien, NF 38), Regensburg 1997, S. 202–227. 388 Klaus Graf konstatiert für die ‚Aufständischen‘ des Jahres 1525 ein Landesbewusstsein, eigene Räume in Anspruch zu nehmen, wenn keine überregionale Autorität zur Verfügung gestanden habe. So sprachen die Allgäuer, Bodenseeer und Baltringer von einer „landschafft“, womit sie wohl Schwaben meinten. Andere Haufen hätten sich dagegen an vorhandenen Herrschaftsräumen orientiert. Verhandlungen freilich konnten in der heterogenen Herrschaftslandschaft Schwabens – und dies gilt hier anzufügen – nur mit überregionalen Organisationen wie dem Schwäbischen Bund geführt werden, ohne dass sich daraus in der Anfangsphase der ‚Erhebung‘ größere Verwerfungen

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Am 13. April hatten die Beteiligten das Kloster eingenommen. Am 15. April zogen sie nach Verhandlungen mit dem Bruder des Bischofs wieder ab. Zwei Tage später, am 17. April, nahmen sie das Kloster jedoch erneut ein. Was war geschehen? Dieser Vorgang kann erstens in einen Zusammenhang gebracht werden mit einem abgefangenen Brief aus der Kanzlei des Bischofs, der auf den 16. April datiert. Aus ihm ging hervor, dass Konrad von Thüngen gegen seine Untertanen militärisch vorgehen wolle, anstatt sich mit ihnen friedlich zu einigen.389 Seine nach außen propagierte Politik der friedlichen Beilegung von Missständen musste nun unglaubwürdig erscheinen. Das Vertrauen in den Bischof währte damit nur zwei Tage. Ob die Untertanen in Aura schon zu diesem Zeitpunkt von dem Brief wussten, ist jedoch eher zweifelhaft. In ihrem Ausschreiben vom 17. April argumentierten sie, „nicht das wir on obrickait ganz und gar sein und leben wollen, sonder der obrickait, die uns von got und ainer ganzen gemainde erwelt und gekorn, unterworfen sein.“ Es liegt nahe, hier einen endgültigen Bruch mit dem Bischof anzunehmen. Die Beteiligten wollten jedoch trotzdem am „tag“ des Bischofs teilnehmen und deshalb zuvor „mit ainander ratschlagen, warinen wir beschwert“ seien.390 Die Wendung, das Kloster erneut einzunehmen, resultierte wohl aus einer intensiveren Auseinandersetzung mit den „Zwölf Artikeln“. So handelt es sich bei der hier angeführten Textpassage über die Stellung der Obrigkeit um eine Übernahme aus dieser Flugschrift.391 Der Sinn dieser Aussage wurde offenbar so verstanden, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Stand den göttlichen Gesetzen gehorchen sollten (ausführlich Kapitel 2.2.3.2.4). In dieser Lesart fühlten sich die Beteiligten in ihrer Legitimation gestärkt, selbst Veränderungen vorzunehmen: Nicht die Untertanen müssten sich nach dem Bischof richten, sondern er sich an ihren legitimen Wünschen orientieren. Die Untertanen wollten weiterhin einvernehmlich mit dem Bischof handeln und deshalb seinen Landtag besuchen. Das Pendel schlug nun jedoch zugunsten ihrer Forderungen und ihrem ursprünglichen Ziel, das Kloster einzunehmen, aus. Die Bedeutung des abgefangenen Briefs für die Bildhäuser Versammlung darf jedoch nicht unterschätzt werden. Nach seinem Bekanntwerden veränderte sich die Politik des Haufens gegenüber dem Bischof. Die Versammlung sagte die persönliche Teilnahme am Landtag ab. Die Beteiligten veränderten auch die Deutung über die

ergaben. Graf, Klaus, Aspekte zum Regionalismus in Schwaben und am Oberrhein im Spätmittelalter, in: Historiographie am Oberrhein im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, hg. von Kurt Andermann (Oberrheinische Studien, Bd. 7), Sigmaringen 1988, S. 165–192, S. 185. Zu den Verhandlungen: Egli, Bericht Keßlers vom Bauernkrieg 1525 aus seinem Werk „Sabbata“ (wie Anm. 287), S. 145. 389 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 116–119. 390 Ebd., I, S. 446. 391 Dieses Zitat findet sich im dritten Artikel: Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28.

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Gründe ihrer ‚Erhebung‘. In einem Brief an den Bischof findet sich eine Verwendungsweise des Aufruhrbegriffs, der die Emotionalität der Beteiligten zum Ausdruck bringt. Angesichts immer höherer Belastungen sei „der gemain man hoch bewegt und ufrurig“ worden. Die abgefangene Schrift über einen bevorstehenden Angriff habe allerdings „das gemain volk allererst bewegt“ und dazu geführt, dass sie „sich in die clöster gelägert und (ihre Anzahl) ymer mer und mehr täglich zugenomen“ habe.392 Der Ausdruck der Empörung, das emotionale Aufgebrachtsein, das in diesem Brief angeführt wird, lässt sich – unabhängig davon, wie aufgebracht, die Untertanen tatsächlich waren – als Form der symbolischen Kommunikation fassen. Die Politik des Bischofs habe negative Emotionen hervorgerufen, welche die Ungeheuerlichkeit der bischöflichen Politik widerspiegelte und die Träger der Emotionen zu ihren Handlungen berechtige. Die Untertanen inszenierten ihr Vorhaben auf diese Weise als begründet.393 Die meisten Klöster, welche die Bildhäuser eroberten, sind jedoch schon vor der abgefangenen Schrift eingenommen worden: In diesem Brief wurde nun nicht mehr wie zuvor mit dem Schutz des Bischofs und seiner Herrschaft argumentiert, in den Mittelpunkt rückten stattdessen die Angst vor einem Angriff und die Zurschaustellung der Unzufriedenheit mit seiner Politik. Die propagierte Sinngebung des eigenen Vorgehens hatte sich auf Kosten der historischen Richtigkeit zu Gunsten eines in ihren Augen stärkeren Arguments verschoben. Als endgültiger Bruch mit dem Landesherrn ist die Absage des Landtags allerdings nicht zu verstehen. Im Gegensatz zu den Taubertalern und den NeckartalOdenwäldern ließen sie die Städte in ihren Einflussbereich an dem Treffen teilnehmen. Aus einem Brief an die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder geht hervor, dass die Bildhäuser trotzdem auf eine Einigung mit dem Bischof während des Landtags hofften. In diesem Schreiben lehnten sie die Erstürmung von Burgen und die Zerstörung von Klöstern ab, solange eine friedliche Lösung mit dem Bischof noch möglich sei. Mit dem Bischof hatten sie für die Zeit der Verhandlungen ein Stillstandabkommen geschlossen.394 Ihre Absage besaß folglich symbolischen Gehalt, dem Bischof ihre Bereitschaft zu einen Bruch mit seiner Herrschaft zu demonstrieren und ihn dadurch unter Handlungsdruck zu setzten.395

392 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 137. 393 Die Unterscheidung zwischen realen und inszenierten Gefühlen hält Althoff für das Mittelalter für anachronistisch. Althoff, Gerd, Gefühle in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, in: Emotionalität. Zur Geschichte der Gefühle, hg. von Claudia Benthien/ Anne Fleig/ Ingrid Kasten (Literatur – Kultur – Geschlecht: Kleine Reihe 16) Köln, Weimar, Wien 2000, S. 82–99, S. 96f. 394 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 361. 395 Siehe dazu die Aussagen des Bischofs im Rahmen des Beschwerdewesens. Diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.3.

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Die Behandlung von Burgen richtet sich laut ihrem Schreiben an die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder nach dem Verhalten ihres Gegenübers. Laut dieser Argumentation ist ihr Vorgehen Teil einer ritualisierten Eskalationsspirale, angesichts derer die Untertanen auf eine ausbleibende Einigung mit Gewalt reagierten. Nachdem die Verhandlungen auf dem Landtag gescheitert waren, setzten die Bildhäuser schließlich ihre Ankündigung in die Tat um: Sie begannen mit der Zerstörung von Burgen. In ihren Korrespondenzen findet sich aber noch eine andere Lesart zu diesen Vorgängen. Das Abbrechen von Burgen kann als Handlung zur Entmachtung des Adels verstanden werden. In ihrer Feldordnung, die Anfang Mai beschlossen wurde, nahmen die Bildhäuser den Adeligen ihre Vorrechte und forderten die Zerstörung aller Burgen.396 Wie auch bei den Taubertalern und Neckartal-Odenwäldern finden sich damit für die Burgenzerstörungen unterschiedliche Motive. Als weitere Gründe nennen ihre Korrespondenzen wie diejenigen der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder die Abschaffung von Missständen, die Realisierung des Evangeliums und die Aufrichtung des Friedens. Die Burgen als Stützpunkte ihrer Feinde seien deshalb zu zerstören.397 Die Bildhäuser Versammlung und ihre angeschlossenen Haufen verharrten über drei Wochen in den eingenommenen Klöstern. Schließlich verbündeten sie sich Anfang Mai mit den Taubertaler und Neckartal-Odenwälder Haufen und beschlossen, am 7. Mai nach Würzburg zu ziehen.398 Wesentlich später als diese Versammlungen überwanden sie damit eine lokale Perspektive.399 Aus Angst vor einem Angriff des Landgrafen von Hessen kehrte die Versammlung jedoch vor dem Erreichen ihres Ziels wieder um. Am 3. Juni kam es zur militärischen Konfrontation mit dem Landgrafen von Hessen, dem Grafen von Henneberg und dem Kurfürsten von Sachsen bei Meiningen. In einem kurzen Gefecht unterlagen die Untertanen. Wohl 40 ‚Aufständische‘ starben. Nach Verhandlungen mit dem Kurfürsten willigten die Untertanen ein, ihre Versammlung aufzulösen.400 Die Bildhäuser fassten in dieser Zeit weitreichende Pläne. Für den 1. Juni hatten sie einen eigenen Landtag zu Schweinfurt einberufen, auf dem sie über ein „kunftige(s) bestendige(s) regiment“ beraten wollten.401 Selbst für diesen späten Zeitpunkt finden sich in mehreren voneinander unabhängigen Dokumenten Aussagen, dass

396 Ebd., I, S. 368–370. 397 Ebd., I, S. 405. 398 Ebd., I, S. 371. 399 Im Gegensatz zu den Bambergern fand etwa der Hilferuf der Neustädter bei den Taubertalern und Neckartalern Unterstützung. Unter anderem die Orte Iphofen, Aub und Ochsenfurt stellten Truppen. Staatsarchiv Bamberg, B 48, Nr. 5, S. 495. 400 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 422–430. 401 Ebd., I, S. 404f.

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auch der Bischof zu diesem Treffen eingeladen worden sei.402 Genauere Informationen über diesen Tag, zu dem auch die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder sowie die Bamberger und Neustädter angeschrieben wurden, sind jedoch nicht erhalten. Angesichts der Kriegswende in Mittel- und Süddeutschland konnte das Treffen nicht wie geplant durchgeführt werden. Etwa 100 ‚Aufständische‘ kamen vergeblich nach Schweinfurt.403 Das Selbstverständnis der Bildhäuser Versammlung lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Wie auch die anderen Haufen beharrten sie darauf, nicht aufrürerisch zu agieren. Von Beginn an ging ihr Vorhaben mit der Einnahme von Klöstern einher. Gesellschaftliche Veränderungen wollten sie im Einklang mit dem Bischof vollziehen, der ihre Forderungen zu akzeptieren hatte. Erst als bekannt wurde, dass dieser eine militärische Lösung favorisierte, kündigten sie ihre Teilnahme am Landtag auf, und als dieser endgültig scheiterte, griffen sie die Burgen in ihrem Gebiet an. Die Beteiligten gingen laut ihren Schriften jedoch wohl bis zuletzt davon aus, dass der Bischof sich doch noch als ein christlicher Herrscher beweisen würde. 2.2.1.3 Zusammenfassung Vergleicht man den Sprachgebrauch zu den Lexemen von aufrur, empörung und ungehorsam in den Flugschriften und in den Korrespondenzen der Haufen, ist eine große inhaltliche Übereinstimmung festzustellen. Es handelt sich um taktische Ausdrücke, die vorwiegend eingesetzt wurden, um andere zu diskreditieren. Bei den Versammlungen waren mit der Abgrenzung vom negativen Aufruhrkonzept folgende Vorstellungen über das ideale Vorgehen verknüpft: erstens die Verbundenheit

402 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 432f. und ein Brief aus der Bauernkanzlei vom 29. Mai (!): Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 396. Martin Cronthal berichtet über die Einladung des Würzburger Bischofs: „Item wiewol der bauernrath beschlossen, marggraf Casimir und graf Wilhelm von Henneberg zum landtag und den bischof von Wurtzburg nit zu beschreiben, so ists doch in geheim geschehen; aber es wären gute fursten gewest, da sie kommen wären, mit ihnen gutlich zu handeln, die gegen ihnen und den ihren thetlich angriff thon, selbst herrn sein, kein obrikeit dulden wolten“. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 70. Wie glaubwürdig dieser Bericht ist, muss Spekulation bleiben. Welchen Sinn machte es, den Bischof heimlich einzuladen, wenn er dann auf dem Landtag öffentlich erscheinen sollte? Vielleicht ist die Textstelle so zu verstehen, im Hintergrund eine Politik der vollendeten Tatsachen zu betreiben, um die andere Fraktion doch noch zum Einlenken zu bewegen. Lorenz Fries scheint seine Information aus dem Verhör Cronthals nach dem ‚Bauernkrieg‘ gewonnen zu haben und betont hier Cronthals Rolle, den Bischof einzuladen. Der Tag zu Schweinfurt sei nach seiner Meinung in Würzburg geplant worden. Andere Dokumente sprechen dagegen deutlich den Bildhäusern die Urheberschaft zu. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 300f. u. 404f. 403 Siehe zu Bamberg: ebd., I, S. 404f. Siehe zu Neustadt an der Aisch: Staatsarchiv Bamberg, B 48, Nr. 5, f. 341.

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mit dem Landesherrn, solange dessen Anliegen mit denen der Untertanen übereinstimmte, zweitens die Möglichkeit, eigene Ziele zu formulieren, wenn diese mit dem Evangelium konformgingen, sowie drittens der Wunsch, friedlich und einvernehmlich mit der Obrigkeit zu agieren. Die verübten Gewaltaktionen sollten dabei von den Versammlungen überwacht werden. Ihre Bedeutung für den Verlauf der ‚Erhebung‘ muss in den folgenden Kapiteln allerdings noch weiter vertieft werden. In einer anderen Wortverwendung spiegelt sich die prinzipiell bejahende Haltung der Versammlungen zu den Landesherren: in den Sprechweisen von der feindschaft und der tirannei. Die Herren konnten zu Gegnern der Untertanen werden, wenn sie sich in deren Augen als unchristliche Regenten erwiesen. Allerdings werden in den Korrespondenzen die Herren nicht pauschal als unchristlich bezeichnet. Wenn die ‚Aufständischen‘ von feinden sprachen, verwendeten sie das Wort meist im Kontext einer baldigen militärischen Konfrontation.404 Für den Taubertaler und den Neckartal-Odenwälder Haufen ist dieser Aspekt wohl am besten überliefert. Dies trifft zu auf den Landgrafen von Hessen, den Markgrafen von Ansbach und den Würzburger Bischof. Letzterer drohte, die Bauernversammlung vor Würzburg anzugreifen, während der Markgraf den verbündeten Haufen zu Neustadt an der Aisch attackierte und der Landgraf die Bildhäuser Versammlung bedrohte.405 Der Land-

404 Für Oberschwaben vgl. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 119 u. 208. Für Bildhausen vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, 404f., 448, 452, 454, II, 29, 326, 335f. u. 396. Für die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder vgl. ebd., I, 404, 452, II, 104f., 161f. u. 398. Für Württemberg vgl. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 206, 333 u. 359. Sowie: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 53. Für Friedrich Weygandt handelte es sich dagegen bei denjenigen Herren um Tyrannen, welche die Beschwerden der Untertanen nicht minderten. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 441. Die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder griffen kurz vor der militärischen Konfrontation mit dem Schwäbischen Bund auf den Tyrannenbegriff zurück, um die Verfolgung von Gläubigen und das daraus resultierende Blutvergießen zu stigmatisieren. Ebd., I, S. 294 u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. Der Gegenbegriff zur feindschaft, die freundschaft, wurde vor allem für Freunde im Sinne von Bundesgenossen verwendet und zielte in erster Linie auf die Bündnispflicht der Beteiligten ab: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, 247 (synonym zum „brudere“), 408 („freuntschaft“ als Synonym der „bruderlich(en) trew“), II, 33 (synonym zum „bruder“) u. 39 („freuntschaft zu laisten“). Das Wort tendiert somit zu einem ähnlichen großen semantischen Spektrum wie die Ausdrücke der Brüderlichkeit. 405 Zur Korrespondenz der Versammlung bei Neustadt an der Aisch, die vom Markgraf angegriffen wurde, mit den Taubertalern und Neckartal-Odenwäldern und ihren angeschlossenen Orten vgl. Staatsarchiv Bamberg, B 48, Nr. 5, f. 335, 341 u. 346. Vgl. auch Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 404.

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graf wird dabei als „unchristliche(r) wutrig“ bezeichnet,406 der sich in „tirannei“407 und einem „unchristliche(m) furnemen“ ergehe.408 Wieder lohnt sich eine Verallgemeinerung der Sprachbefunde. Im zusammengestellten Korpus findet sich die Verwendung des Lexems tirann und seines Synonyms wüterig bei den Taubertaler und Neckartal-Odenwälder in sieben Dokumenten,409 bei den Bildhäusern in neun410 und den Württembergern in einem.411 Auffällig sind drei Befunde: Erstens differenzierten die Untertanen zwischen guten und schlechten Herrschern, denn nur bestimmte Herren wurden auf diese Weise bezeichnet. Zweitens richtete sich die Wortverwendung gegen diejenigen Herrscher, welche gegen die Untertanen vorgingen. Dies kann als ein weiteres Indiz für die These betrachtet werden, dass die Untertanen sich mit ihren Herren einigen wollten, statt gegen sie zu kämpfen. Drittens wirkten die Benennungen als Abgrenzungsbegriffe, um eine falsche Kriegsführung zu stigmatisieren. tirannen handeln gegen Christen, verfolgen deren Prediger, beabsichtigen ein Blutvergießen und verschonen nicht die Schwachen. Die ‚Aufständischen‘ selbst wollten laut ihren Briefen nicht tirannisch agieren. Die tirannei wurde in diesem Sinn vor allem als ein Codewort für eine gegen Gott gerichtete Kriegsführung verwendet.

406 Ebd., I, S. 233f. 407 Ebd., I, S. 404. 408 Ebd., I, S. 233. 409 Ebd., I, S. 233f. (wüterig), 294, 301f., 404, 441, 452 u. II, 119. 410 Ebd., I, 380 (wüterig und tirannen), 384 (wüterig), 402, 403, 430, 449, 454, 456 u. II, 132. 411 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 53.

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2.2.2 Umschreibungen als alternative Bezeichnungen 2.2.2.1 Ausgangslage: Die fehlenden sprachlichen Alternativen Im Sinne der Sprachökonomie bewerkstelligen Substantive eine Verdichtungsleistung von komplexen Zusammenhängen und erleichtern innerhalb einer Sprachgemeinschaft auf diese Weise das Verständnis über die zugrundeliegenden Sachverhalte.412 In allen bisher untersuchten Regionen wurden die Bezeichnungen, die mit dem negativ konnotierten Aufruhrbegriff einhergingen, allerdings von den ‚Aufständischen‘ weitgehend vermieden. Bei der Umsemantisierung der stigmatisierten Wörter zur Bezeichnung der Vorgänge handelte es sich folglich um keine gängige Benennungsstrategie. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, dass es andere Wörter gab, die sozusagen eine Platzhalterfunktion für eine andere Form der Erklärung übernahmen. Entsprechend dem Frühneuhochdeutschen Wörterbuch existiert ein breites Wortfeld zum aufrur, das jedoch von den ‚Aufständischen‘ analog zu den bisherigen Ergebnissen zur Verwendung der Lexeme der Wörter empörung und ungehorsam eher vermieden wurde.413 Diesem Wortfeld lassen sich aber auch die von ‚Aufständi-

412 Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 27–29. 413 Mindestens folgende Synonyme lassen sich ausfindig machen, sucht man im Frühneuhochdeutschen Wörterbuch gezielt nach ihnen: abfal, absage, alarm, angrif, aufbot, auferweckung, auflag, auflauf, aufpörung, aufsatz, aufstand, aufstehung, aufstos, aufwerfung, aufwurf, bruch, conspiranz, empörung, entzündung, erhitzung, erzürnung, fede, frevel, gefecht, geschrei, geschele, gewire, hader, hass, irsal, krieg, kriegsempörung, landgeschrei, lermen, meuterei, mishelung, murmelung, neid, parteiung, räuberei, roterei, rotirung, rumor, span, stos, tumult, unfriede, unrat, unru, widersage, widersetzung, vergaderung, versamlung, waffengeschrei, widerteil, widerwärtikeit, zank, zerwürfnis, zusamenlaufen, zweiung, zwiespaltung und zwitracht. Göttinger Akademie der Wissenschaften, Frühneuhochdeutsches Wörterbuch (wie Anm. 17). Die Wörter spielen zur Bezeichnung der ‚Erhebung‘ im Grunde keine Rolle. Zum geschrei, wobei hier der Aspekt der Kommunikation überwiegt, vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 74. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 77. Lediglich distanzierend zu „zank, neid, hass entporung und widerwillen“ vgl. ebd., II, S. 324. Distanzierend und verurteilend gegenüber „Irrung Zwitracht vnd mißverstandt“ sowie „zank“, „hader“, „neyd“, „irrig sachen“ und „hass“ im Bauernlager. Ebd., I, 144–149, 165–168, 211 u. II, 324. und Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 272. Gegen „zank, hader und aufrur“ als Widerstand gegen die Stadtordnung: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. Zu „neyd und hass“ sowie „zwitracht“ als Triebfedern einer falschen ‚Erhebung‘: ebd., I, S. 388 u. II, 36. In einem städtischen Schreiben an den Bischof während der Übergangsphase des Anschlusses an die Bauernvereinigung wird die „zwitracht“ verwendet. Ebd., II, S. 18. Zu „zanck und krieg“ als Streit um den Glauben: Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110. Zum parteien als Ausdruck der Gerichtssprache exemplarisch: Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 101. Zum „rotten oder partheien“ als Teil von „krig und auffrur“ ablehnend: Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung (wie Anm.

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schen‘ gewählten Gruppenbezeichnungen versamlung und haufen zuordnen, die von den Schreibern aber nicht problematisiert wurden und im Gegensatz etwa zur zusamenrotung eine nahezu neutrale Konnotation aufweisen.414 Interessant an dem Vokabular eines aufrurs, wie es die Obrigkeit verwendete, ist sicherlich der metonymische Ursprung vieler Bezeichnungen. Die murmelung etwa referiert auf Gerüchte und die Verborgenheit des Beginns einer ‚Erhebung‘, und im zusamenlaufen ist der Verweis auf das Entstehen einer versamlung noch klar erkennbar.415 Am deut-

140), S. 32. Zur „rott“ aus dem Kontext des Kriegs- und Söldnerwesens als Selbstbezeichnung der ‚Aufständischen‘ im Feld und ihrem „rottmayster“ vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 88 und Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 131 u. II, 335. sowie „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 132–134. Die „geystlichen rotten“ erscheinen als Gegner der Frankfurter ‚Aufständischen‘: Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. Nach den Württembergern sei „rottiren“ „wider […] dem gebot der liebe“: Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 282. Ähnlich gegen „rotten“ und „parthien“: ebd., 1879, Nr. 110. Zum unrat als Indiz einer schlechten Regierung vgl. „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 132–134. Zum unrat im Sinne von Unordnung im Bauernhaufen, die man ablehne: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144–149. Häufiger ist dagegen die Verwendung von unrat im Sinne von Nachteil oder Schaden, siehe exemplarisch: ebd., II, S. 203. Zum span im Sinne von Streit (auch im Sinne einer größeren Auseinandersetzung zwischen den Untertanen und den Herren): Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 10 und Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 239. In der Memminger Bundesordnung bekennen die ‚Aufständischen‘ nicht „wider wertig“, „sonder gehorsamlich“ zu agieren. Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung (wie Anm. 140). Rückblickend nach der ‚Erhebung‘ schreiben die Untertanen des Kemptner Abts man sei „nit gern […] in zanck, vngnad vnd vnwillen (ge)standen“. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 401. Friedrich Weygandt spricht von „irrung und zwaiung oder geprechlickait“, die jedoch nicht den „christlichen gehorsam“ in Zweifel stelle. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 441. Weitere Ausnahmen finden sich in den nachfolgenden Anmerkungen. 414 Die Termini versamlung und haufen sind auch mit anderen neutralen Kontexten assoziiert, vgl. dazu: Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 10, Sp. 582–593 u. Bd. 25, Sp. 1039–1040. In den „Zwölf Artikeln“ ist das haufen dagegen Bestandsteil des negativen Aufruhrstereotyps: „mit grossem gewalt zuͦ hauff lauffen und sich rotten“. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. Bezeichnenderweise nannte Martin Luther seine aufstandsfeindliche Flugschrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Zur pejorativen Bedeutung des Wortes vgl. auch: Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 11, Sp. 1245f. Zu den Ausdrücken versamlung und haufen im Sprachgebrauch der ‚Aufständischen‘ vgl. exemplarisch: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294 u. 443. 415 Eine Begriffsgeschichte der versamlung erscheint ein lohnendes Desiderat zumal im englischen covenant („Bund“ und „Vertrag“) die lateinische Wurzel convenire („zusammenkommen“) durchscheint. Im Sprachgebrauch der ‚Aufständischen‘ wird die murmelung lediglich als Gerücht verstan-

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lichsten negativ konnotiert waren neben dem aufrur, der empörung und dem ungehorsam sicherlich die rotirung sowie die Wörter, die mit dem Umsturz des ordo in Verbindung stehen und damit eine direkte Anklage formulieren: die absage, der abfal, die meuterei und etwa der frevel.416 Wie schon die Synonyme zum aufrur nur äußert selten von den ‚Aufständischen‘ verwendet wurden, besitzen die juristischen Termini zur Bezeichnung des Geschehnisses ebenfalls eine sehr geringe Frequenz. Die Wörter streit, irung, span, zweiung, zank, fede, hendel, gebrechen, rache, vergeltung und hader nehmen nur hintere Plätze auf der Häufigkeitsliste der verwendeten Wörter ein oder fehlen teils ganz.417 In den Flugschriften aus dem Lager der ‚Aufständischen‘ wurden diese Termini überhaupt nicht verwendet. Auch die Wörter aus dem semantischen Feld einer

den. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 36 und Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbischfränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 257. Das laufen ist schon in den „Zwölf Artikeln“ als Teil des dort kritisierten Aufruhrstereotyps negativ konnotiert und wird sonst nicht verwendet. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. In der Historiographie verstand besonders Ulrich von Rappoltstein die Verhinderung einer ‚Erhebung‘ als Kampf gegen Gerüchte. Vgl. dazu diese Arbeit Kapitel 3.2.2.2. 416 Die Ausdrücke werden in den Korrespondenzen nicht als Bezeichnung der ‚Erhebung‘ verwendet. Der anonyme Flugschriftenschreiber „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ distanziert sich ausdrücklich vom Ungehorsam („nit gehorsam sein“), den er als ein „erschrockenlich(en) frevel“ charakterisiert. „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 112. 417 Als Vorgangsbezeichnungen für die Ereignisse spielten diese Ausdrücke, die auf einen Streitfall abzielen, keine wesentliche Rolle. Wenn die Ausdrücke verwendet wurden, benennen sie vorwiegend einen beschränkten Konfliktpunkt, aber selten den ‚Aufstand‘ insgesamt: So bezeichnet „span“ einen religiösen Streit (Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110), „irrung“ die Uneinigkeit im Bauernlager (Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 272) oder einen konkreten Streitfall (Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 199, Artikel 14). Gleiches gilt für die Verwendung des Wortes zank (Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144–149 u. II, 324 sowie Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110). Als Name für die ‚Erhebung‘ wurden folgende Termini eingesetzt: erstens „irrung und zwaiung oder geprechlickait“ (Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 441), zweitens „mercklichen vnd treffenlichen irrung vnser beschwärden“ in der Rechtfertigung des Kemptner Gotteshausleute nach dem ‚Bauernkrieg‘ (Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 401), drittens „span vnd irrung“ in einer Klageschrift an das kaiserliche Gericht (ebd., Nr. 239) und „irrung“ in einem Schreiben an den Schwäbischen Bund (Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 137), viertens „streyt“ als Vorgangsbezeichnung in der Anredeformel „des furgenomen streyt gottes“ (Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 46), fünftens „zanck“ als Negativbegriff für Uneinigkeit mit der Obrigkeit (Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 401). Zur „geprechlickait“ siehe oben. Die anderen Ausdrücke für

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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gewaltsamen Konfliktführung, krieg und kampf, wurden ähnlich selten gebraucht. Angesichts ihres kaum frequenten Auftretens sind sie ebenfalls nicht als charakteristische Vorgangsnamen anzusehen.418 Die Auswertung der Häufigkeitslisten der von den ‚Aufständischen‘ verwendeten Wörter führt in eine andere Richtung. Schnelle und pragmatische Kommunikation über die Ereignisse war unter den ‚Aufständischen‘ vor allem dann möglich, wenn eher vage und unbestimmte Bezeichnungen verwendet wurden. Vor allem die Benennung der Vorgänge als vorhaben, handlung und sache ist hochfrequent. Diese Wörter wurden in den Korpora zu Schwaben, Württemberg und Franken als Ausdrücke für die gesamte ‚Erhebung‘ jeweils 63 Mal in 54 Dokumenten, 20 Mal in 15 Dokumenten und 56 Mal in 38 Dokumenten gebraucht: Die sache bezeichnet in den ältesten nachweisbaren Belegen deutscher Sprache ursprünglich einen Konflikt beziehungsweise einen Streit und wurde im Mittelalter vor allem als rechtlicher Terminus verwendet, bis das Wort als Abstraktum für Vorgänge oder Gegenstände gebraucht wurde.419 Die ‚Aufständischen‘ benutzten das Wort erstens in Bezug auf konkrete Streitsachen oder rechtliche Begebenheiten, mit denen sie unzufrieden waren, und zweitens als Abstraktum für eine Angelegenheit im allgemeineren Sinn.420 Ferner wurde der Ausdruck drittens zur Bezeichnung der ‚Erhebung‘ als Ganzes eingesetzt. Dabei klingt teils eindeutig die ursprüngliche Semantik als Streitsache an. In den meisten Fällen tendiert die Verwendung aber dazu, das Wort als Abstraktum zu gebrauchen. Dabei fällt auf, dass die unpräzise Bezeichnung häufig durch Possessiv- und Demonstrativpronomen eingegrenzt und durch Adjektive näher präzisiert wurden. Beispielsweise ist von „unser angefangen

einen rechtlichen Konflikt, die oben aufgeführt wurden, kommen im Korpus nicht vor. Teils überschneiten sich die Angaben dieser Fußnote mit Anm. 413. 418 krieg als Synonym zu einem bewaffneten Konflikt, den man ablehnte, vgl. (Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110. Und: Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung (wie Anm. 140), S. 32). krieg und streit werden hingegen von Friedrich Weygandt als Name für die ‚Erhebung‘ verwendet (Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 432f.). Von „vnser(em) krieg“ sprachen die oberschwäbischen Bauern kurz vor der militärischen Konfrontation (Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 219). Am 5. Mai schrieben die Bildhäuser Hauptleute von einer „kriegsleuftiger zeit“ (Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 366). 419 Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 14, Sp. 1592–1602. 420 Exemplarisch für den ersten Fall sei auf den zehnten der „Zwölf Artikel“ verwiesen. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 30. In den Beschwerdeartikeln der Stadt Münnerstadt wechseln sich beide Verwendungsmöglichkeiten ab. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 233–237. In einem weiteren Fall wurde sache als Sammelbegriff für Gegenstände verwendet. Ebd., II, S. 88. Auf eine vollständige Auflistung wird hier verzichtet.

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sachen“ die Rede oder von den „christlich(en) und rechte(n) sachen“ oder von den „aigen sachen Gottes“, welche die ‚Aufständischen‘ ausführen wollten.421 Als gängige Bezeichnung für die Vorgänge wurden außerdem die Wörter handlung und vorhaben verwendet.422 Bei beiden Termini handelte es sich um abstrakte Vorgangsbezeichnungen, so wie sie noch heute zur Umschreibung einer Begebenheit verwendet werden. Wie im obigen Fall wurden auch diese Wörter durch

421 Der Ausdruck, gottes sachen auszuführen, wurde zweimal als Schlussformel von Briefen der Bildhäuser verwendet, was auf ihren hohen Konsenscharakter hindeutet. Ebd., I, S. 348 u. II, 169. Zu den kristlichen sachen vgl. ebd., I, S. 361. Zur angefangenen sache vgl. ebd., I, S. 452 u. 453. Die Verwendung der Bezeichnung in der Schwurformel der Taubertaler soll hier als Fallbeispiel herausgegriffen werden, um eine Unterscheidungsproblematik zu verdeutlichen. In der Schwurformel vereinbarten die Beteiligten, verbunden zu bleiben bis zum „austrag und ende der sachen“. Der austrag als rechtliche Lösung eines Konflikts kann als Indiz für die Verwendung des Ausdrucks sache in seiner Bedeutung als Konfliktsache verstanden werden. Ebd., II, S. 48. In den meisten Fällen fehlt ein so eindeutiger Kontext jedoch: Zu den Belegstellen für die Verwendung des Wortes sache im Sinne von Angelegenheit vgl. Bildhausen: ebd., I, 361, 381, 385, 394f., 395, 424, 450, 458, II, 81, 124, 125, 216, 217 u. 286f. Taubertal-Neckartal-Odenwälder: ebd., I, S. 307, 432f., II, 18, 35, 48, 49. u. 118. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 261f. Zu Württemberg vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 60 und Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 333. Zu Schwaben vgl. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 168, 211 u. 401. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 55. 422 Zum vorhaben im Bildhäuser Korpus vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 131, 132, 169, 191, 363, 365, 368–370, 388, 404–407, 415, 418, 458, II, 33, 77, 88, 172, 205, 268 u. 320. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 291 u. 392f. Zum vorhaben im Korpus der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 53f., 54, 144–149, 234, 239, 300 u. 411f. Zum vorhaben im Korpus der Württemberger vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 20, 23, 35, 38, 39, 40, 46, 50, 66, 67, 86 und Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86) 1880, Nr. 285 u. 333. Zum vorhaben im Korpus der Oberschwaben vgl. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 109, 132, 239 u. 401 und Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879 Nr. 110 u. 137. Zur handlung bei den Bildhäusern vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 353, 355, 359, 388. u. II, 216. Zur handlung bei den Taubertaler und Neckartal-Odenwäldern vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 211, 212 u. 432f. Zur handlung bei den Württembergern vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 35 u. 38. Zur handlung bei den Oberschwaben vgl. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 239 und Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86) 1879, Nr. 110 u. 137.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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Pronomen näher bestimmt und durch charakteristische Adjektive genauer gefasst. In 17 von 64 Fällen ist das Vorhaben der Untertanen ein kristliches vorhaben. Es überrascht nicht, dass die religiöse Fundierung der Forderungen und Ziele der Untertanen sich auch in ihrer Sprache niederschlägt. Auf diese Weise wurden die eigentlich neutralen Bezeichnungen zu neuen Schlagwörtern der ‚Erhebung‘.423 Der Rückgriff auf die indefiniten Benennungen kann als Ausdruck der vorliegenden Sprachproblematik verstanden werden. Im Sprachinventar der Zeit existierte kein passender Ausdruck für die Art der ‚Erhebung‘, welche die Untertanen durchführen wollten. Die nähere Charakterisierung der unbestimmten Bezeichnungen durch Adjektive war in diesem Sinn nur ein Notbehelf, um die fehlende sprachliche Präzision zu kompensieren. Im Grunde konnte diese Benennungsstrategie nur dann funktionieren, wenn die Beteiligten bereits ungefähr wussten, wovon sie sprachen, oder wenn die ‚Aufständischen‘ in ihren Schriften ihr Vorhaben auf eine andere Weise erläuterten als lediglich durch ein inhaltlich passendes Wort. 2.2.2.2 Thesenbildung: Paraphrasen als Benennungsmethode Einen Hinweis auf eine andere Art der Benennung liefert ein Brief der Versammlung aus dem Umland der thüringischen Stadt Salzungen an den gleichnamigen Ort. Die Hauptmänner forderten Rat und Bürgermeister von Salzungen zum Anschluss an die Vereinigung auf: Unsern willigen dienst zuvor. Lieben bruder in Christo Jesu! Es hat sich begeben, daß eine gemeine bauerschaft sich zu hauf, welches nicht aus aufruhr beweget, sondern aus beschwerung des gemeinen nutzens, daß ihnen das wort gottes nicht lauter geprediget worden ist, dazu auch der nahrung heftig beschweret worden, deshalben sich eine bauerschaft versamlet und hat 12 articul, und sind, welche der seelen und des leibs seeligkeit betreffen.424

Die Untertanen gaben an, selbst keinen „aufruhr“ zu betreiben, sondern nannten andere Ursachen ihres Handelns: die „beschwerung des gemeinen nutzens“, die Unterdrückung des Gotteswortes und eine Verteuerung der alltäglichen Lebensmittel.425 Nicht der Umsturz sei ihr Ziel, sondern die Verwirklichung konkreter Anliegen.

423 Siehe die Fundstellen in der obigen Fußnote. Zu dieser Benennungsstrategie: Freitag, Rainer, Linguistische Untersuchungen zum Wesen des politischen Schlagwortes, Univ. Diss. Leipzig 1977, S. 144. 424 Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 208. 425 Die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung stellte eine der wichtigsten Aufgaben frühneuzeitlicher Herrschaft dar, weswegen mit dem Mangelargument ein Handlungsdruck der Untertanen auf die Obrigkeit verbunden war, der bei Nichtbefolgung der Bitte um Besserung weitere Eskalationsstufen bereithielt. Zur Nahrungsmittelversorgung als Band zwischen Untertanen und Herren vgl. Richter, Susan, Pflug und Steuerruder. Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft

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In einem Schreiben der Bildhäuser Versammlung an die Stadt Königshofen im Grabfeld wurde das eigene Handeln ebenfalls mit spezifischen Vorstellungen in Verbindung gebracht. Hier lässt sich noch stärker eine alternative Form der Bezeichnung greifen. Anlass des Schreibens war die Bitte der Stadt Königshofen im Grabfeld um Auskunft über den Charakter der Versammlung. Daraufhin wurde ihr am 14. April folgender Brief zugeschickt: Lieben bruder. nachdem ewr zuentbietung, als ir von uns begert habt zu wissen, wes unser furnemen sey, euch das zu erkennen geben, ist das unser furnemen, das wir in unser versamblung furgenomen, das ewangelium und wort gotts und die gerechtickayt zu hanthaben und etlich beschwernus armer leut abthun nach christlicher ordnung. hiemit geben wir euch zu erkennen: so ir des im willen seyt und wert solchs zu handhaben und aufzurichten, das ir als christlichen bruder noch he(u)t diese nacht oder allerfruest zu uns komen mit gutter rustung und were […] und das in unser lager mit beschaidenhayt zu verstehen geben.426

An diesem Ausschreiben können typische Beobachtungen für den Sprachgebrauch der ‚Aufständischen‘ identifiziert werden. Das Abstraktum „unser furnemen“ wurde satzförmig umschrieben. Das Vorhaben bestehe in der Handhabung des Evangeliums, des Wort Gottes und der Gerechtigkeit sowie in der Abschaffung von Beschwerden nach christlicher Ordnung. Die Einwohner der Stadt sollten als christliche Brüder bei dem Haufen erscheinen. Die ‚Erhebung‘ wird folglich anhand einzelner Aspekte charakterisiert, auf die noch näher einzugehen sein wird. Im Gegensatz zu den ‚Aufständischen‘ von Salzungen beschrieben die Bildhäuser aber nicht nur die Ursachen ihres Vorhabens, sondern gaben ihr Handeln als die Realisierung bestimmter Anliegen aus. Ihre ‚Erhebung‘ sei die Handhabung des Gottesworts, die Handhabung der Gerechtigkeit, das Abtun der Beschwerden nach christlicher Ordnung und das Zusammenkommen der Menschen als christliche Brüder. Das Abstraktum „unser furnemen“ wurde folglich nicht mit einem bestimmten Wort konkretisiert, sondern man beschrieb das eigene Vorhaben. In der Rhetorik wird die Umschreibung eines Sachverhaltes als Paraphrase bezeichnet. Bei Paraphrasen handelt es sich um Mittel zur Erklärung oder Verdeutlichung von Redeabsichten. In diesem Sinn stellen die Umschreibungen des Vorhabens der ‚Aufständischen‘ einen eminent wichtigen Zugang zur Stilisierung, Motivierung und Legitimierung ihres Vorhabens dar. Die Paraphrasen dienten aber nicht nur zur Präzisierung und Erläuterung des Vorgangs, sie tendieren auch dazu, eine alternative Benennung der Ereignisse zu liefern. Als Indiz hierfür kann der Umstand

in der Aufklärung (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Bd. 75), Köln, Weimar, Wien 2015, S. 11–28. Die narung als Argument wurde im ‚Bauernkrieg‘ nur selten vorgebracht. Ein ähnliches Argumentationsmuster findet sich in der notdurft, die im Kapitel 2.2.2.4.3 noch näher behandelt wird. 426 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 165.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft 

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angesehen werden, dass sich bestimmte Umschreibungen für das Vorhaben in ihren Korrespondenzen wiederholen.427 Die verwendeten Paraphrasen sollen nun hinsichtlich ihrer kommunikativen Leistung, ihres typischen Aufbaus und hinsichtlich ihrer Aussagekraft für das Wesen der ‚Erhebung‘ untersucht werden. Die ‚Aufständischen‘ zu Bildhausen verwendeten in ihrem Brief an die Stadt Königshofen im Grabfeld eine besondere Art von Wörtern, die es sich in einem ersten Schritt genauer zu analysieren lohnt. Bei den Appellen an die gerechtikeit, das evangelium, die brüderlichkeit und die göttliche ordnung handelt es sich um Leitvorstellungen, beziehungsweise Allgemeinplätze der Zeit. Die Gültigkeit dieser Prinzipien für das eigene Leben und für den Fortbestand der Gesellschaft konnte damals nicht öffentlich angezweifelt werden, ohne dafür nicht von der Allgemeinheit stigmatisiert zu werden.428 Die Wörter funktionieren, um einen sprachwissenschaftlichen Terminus zu gebrauchen, wie Schlagwörter. Die inzwischen einschlägig gewordene Theorie stammt in ihren Ansätzen von Friedrich Lepp aus dem Jahr 1908.429 Prinzipiell kann jedes Wort zu einem Schlagwort werden. Wörter, die über eine hohe Allgemeinverbindlichkeit verfügen, werden häufig von einer Gruppe exklusiv beansprucht, um auf diese Weise die Mitmenschen argumentativ vom eigenen Vorhaben zu überzeugen. Gleichzeitig diskreditiert dieser Argumentationsmechanismus diejenigen, die nicht der Sprachgemeinschaft angehören. Schlagwörter besitzen damit eine kognitive und emotionale Komponente.430

427 „Durch Paraphrasen kommt es zur Verdeutlichung des Sinns des vorher Gesagten (im Verständnis des Redners/ Autors). Die Paraphrase kann durch lat. ‚id est‘; dt. ‚das heißt‘, ‚das bedeutet‘ etc. eingeleitet sein.“ Ein solches „id est“ eröffnet, wie oben gezeigt, das näher zu bestimmende Vorhaben der ‚Aufständischen‘. Kolmer, Lothar/ Rob-Santer, Carmen, Studienbuch Rhetorik (UTB, Bd. 2335), Paderborn 2002, S. 111. Da die Schlagwörter mit bestimmten Verben regelmäßig als Umschreibungen verwendet wurden, könnte man unter sprachwissenschaftlichen Fragestellungen auch erörtern, ob es angemessen wäre, von Kollokationen oder gar von Phraseologismen zu sprechen, um deutlich zu machen, dass diese Wortverbindungen regelmäßig nahezu lexikalisiert gebraucht wurden. Burger, Harald, Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des Deutschen (Grundlagen der Germanistik, Bd. 6), Berlin 1998, S. 16–30. Für Heiko Girnth ist dagegen nicht die Frequenz das entscheidende Kriterium, sondern der Referenzaspekt von Mehrfachwortverbindungen, um solche Paraphrasen als „Nominationsausdrücke“ zu charakterisieren. Girnth, Sprache und Sprachverwendung in der Politik (wie Anm. 8), S. 67. Zu den typischen Wörtern der Paraphrasen vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.2.3. 428 Siehe zu den Werten der frühneuzeitlichen Gesellschaft oben Kapitel 2.1.1. 429 Lepp, Schlagwörter des Reformationszeitalters (wie Anm. 45). 430 Die Schlagwortforschung entwickelte sich in der Sprachwissenschaft zu einem profilierten Forschungsfeld. Eine exakte Definition des Forschungskonzepts Schlagwort ist allerdings schwierig, woraus Probleme für die Erkennbarkeit dieses sprachlichen Phänomens resultieren. Als wichtigste Kriterien werden in dieser Arbeit angesehen: Erstens der prinzipiell allgemeinverbindliche Charakter der Wörter, der in Verbindung zu einem gesamtgesellschaftlichen Wertekonsens stand. Zweitens die Instrumentalisierung dieser Wörter für die Ziele einer Gruppe, wodurch Sprachkämpfe

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Wörter wie gerechtikeit, ordnung und evangelium sind damals wie heute wohl nie exakt semantisch festzulegen. Einerseits sind sie inhaltlich so weit gefasst, dass sie viele unterschiedliche Vorstellungen bündeln können, andererseits erwecken sie aber den Anschein von Prägnanz und Unumstößlichkeit, da mit ihrer Hilfe ein Vorhaben auf eine populäre Vorstellung reduziert wird.431 Als inhaltsleer darf man sich diese Leitbegriffe aber deswegen keineswegs vorstellen. Aus ideengeschichtlicher Perspektive könnte man eine Geschichte ihrer Verwendungsweisen schreiben, wie sie in den zeitgenössischen Diskussionen eingesetzt wurden, um Standpunkte zu markieren, abstrakte Gedanken zu konkretisieren und sie dadurch zu popularisieren. Angesichts des Umfangs einer solchen Begriffsgeschichte wäre ein solches Vorhaben kein Exkurs, sondern eine eigenständige Arbeit. Zumindest soll in diesem Kapitel danach gefragt werden, welche zeitgenössischen Kontroversen mit ihnen verbunden waren und welche Bedeutungen die Untertanen mit ihnen verknüpft haben könnten. Die Sprechweisen vom evangelium und dem wort gottes konnten zu dieser Zeit als Kürzel für die reformatorische Glaubenslehre aufgefasst werden. Reformatoren wie Luther, Zwingli oder Müntzer versuchten, diese Ausdrücke positiv für ihre eigenen Zielsetzungen zu verwenden. Das Aufgreifen dieser Wörter ist damit als Bekenntnis zur reformatorischen Idee, das heißt, der Erneuerung des Glaubens im weitesten Sinn, zu verstehen, ohne dass daraus schon eine Positionierung innerhalb der reformatorischen Bewegung abgeleitet werden kann.432 Wie dringend die ‚Aufständischen‘ nach der neuen Lehre verlangten, wird im Sprachbild des Evangeliums als Speise der Seele deutlich. Dabei handelt es sich um einen überaus wichtigen Bildtopos aus den Korrespondenzen der ‚Aufständischen‘. Mithilfe dieser Formel wird die richtige Glaubensauslegung als Lebensnotwendigkeit in Szene gesetzt: Die Verkündung der wahren Gotteslehre schütze die Menschen vor dem Verhungern und dem geistigen Tod, ein Topos, der besonders in der Frühreformation propagiert wurde.433

um die Richtigkeit der Wortverwendungen geführt wurden. Vgl. zu den Problemen einer Definition: Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 13–23. 431 Zu dieser argumentativen Funktion von Ausdrücken, die für die höchsten moralischen Werte im politischen Diskurs stehen vgl. auch: Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 171– 184. 432 Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 238–247. 433 Zu Grunde liegt die Bibelstelle: „Tunc Iesus ductus est in desertum ab Spiritu ut temptaretur a diabolo. Et cum ieiunasset quadraginta diebus et quadraginta noctibus postea esuriit et accedens temptator dixit ei si Filius Dei es dic ut lapides isti panes fiant qui respondens dixit scriptum est non in pane solo vivet homo sed in omni verbo quod procedit de ore Die.“ – „Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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Im Mittelpunkt zeitgenössischer Kontroversen standen ebenfalls die Schlagwörter der gerechtikeit und der beschwerde. Beide wurden während des Jahres 1525 eingesetzt, um eine falsche Behandlung der Untertanen durch die Obrigkeit anzuprangern. Besonders umstritten war in den Jahrzehnten vor dem ‚Bauernkrieg‘ die Abgabe des Zehnten.434 Schon der Pfeiffer von Niklashausen, dessen Predigten im Jahr 1476 ca. 70.000 Menschen ins Taubertal gefolgt waren, plädierte für dessen Abschaffung.435 Kurz vor dem ‚Bauernkrieg‘ wurde diese Thematik zum Gegenstand religiöser Auseinandersetzungen. Mit der Reformation waren vielerorts soziale Hoffnungen verbunden. Viele Zeitgenossen versprachen sich mit der Auslegung des Evangeliums als weltliches Gesetz eine in ihren Augen gerechtere Abgabenlast.436 Besonders gut erforscht sind die Gerechtigkeitsvorstellungen, welche in spätmittelalterlichen Städten und im Reformdiskurs des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts existierten. Gerechtigkeit wurde als Idealzustand einer göttlichen Gerech-

sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, daß aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete. In der Schrift heißt es: ‘Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von je einem Wort, das aus dem Mund Gottes geht‘.“ (Mt 4,1–4). Die Redewendung, das Gotteswort sei eine Speise, war weit verbreitet und wurde in wichtigen Texten von den Untertanen aufgegriffen: So etwa gleich zu Beginn der Ochsenfurter Feldordnung der Taubertaler, Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144. Außerdem in der Flugschrift der fränkischen Versammlung und in weiteren Dokumenten vgl. ebd., I, S. 294 u. 441 u. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 281. Zu Oberschwaben vgl. die Artikel der Landbewohner der Stadt Memmingen: Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 108. Auch in Württemberg wurde der Topos verwendet: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 7. Zu den reformatorischen Topoi vgl. ausführlich diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.1 und Matheson, The Imaginative World of the Reformation (wie Anm. 4). 434 Ein Jahr vor dem ‚Bauernkrieg‘ ereignete sich um Forchheim eine ‚Erhebung‘, deren Kernelement die Zehntverweigerung bildete. Der Protest erfasste schließlich auch Forchheim und drohte auf Nürnberg überzugreifen. Vogler, Günter, Nürnberg: 1524/25. Studien zur Geschichte der reformatorischen und sozialen Bewegungen in der Reichsstadt, Berlin-Ost 1982, S. 85–91. 435 Zahlenangaben für diese Zeit sind schwierig zu überprüfen. Zum Pfeiffer vgl. Arnold, Klaus, Niklashausen 1476. Quellen und Untersuchungen zur sozialreligiösen Bewegung des Hans Behem und zur Agrarstruktur eines spätmittelalterlichen Dorfes (Saecula spiritualia, Bd. 3), Baden-Baden 1980. Und: Arnold, Klaus, Neues zu Niklashausen 1476, in: Reformation und Revolution. Beiträge zum politischen Wandel und den sozialen Kräften am Beginn der Neuzeit. Festschrift für Rainer Wohlfeil zum 60. Geburtstag, hg. von Rainer Postel/ Franklin Kopitzsch/ Rainer Wohlfeil, Stuttgart 1989, S. 69–89. 436 An dieser Stelle sei auf die Flugschriften von Johann Eberlin von Günzburg „Der zehnte Bundesgenosse“ aus dem Jahr 1522 und auf die Flugschrift „Von dem Zehnten“ von Kaspar von Hedio aus dem Jahr 1524 verwiesen. Eine umfangreiche Textsammlung bietet: Laube, Adolf (Hg.), Flugschriften der frühen Reformationsbewegung. 1518–1524. 2 Bände, Berlin-Ost 1983. Zur Verkopplung der Zehntfrage mit der Auslegung des Evangeliums vgl. Blickle, Gemeindereformation (wie Anm. 14), S. 60f. Der Terminus göttliche gerechtikeit wurde schließlich zu einem Zentralbegriff in der Theologie Zwinglis. Ebd., S. 149. Zu früheren Verwendungen der göttlichen Gerechtigkeit vgl. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 45f.

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tigkeit verstanden. Aus diesem Blickwinkel musste die weltliche Gerechtigkeit immer defizitär erscheinen. In den Städten waren mit der Gerechtigkeit besonders die Gedanken des Friedens, des Gemeinwohls, der Einigkeit und der Ehre verbunden. Der städtischen Gerechtigkeit wohnte dabei die Gleichheitsvorstellung inne, dass dieser Zustand allen Mitgliedern der Stadtgemeinde zustehen sollte. Diese Ideen waren, wie auch der Reformdiskurs um 1500 zeigt, eng mit dem Konzept des gerechten Herrschers verwandt. Die Gerechtigkeitsvorstellungen des Reformdiskurses rückten insbesondere den Frieden und das Recht leitmotivisch zusammen. Als Garant für das friedliche und einvernehmliche Leben der Menschen wurde eine Rechtsordnung betrachtet, die ein guter Herrscher garantieren müsse. Gerechtigkeit lässt sich damit in der Zeit um 1500 als funktionierende Rechtsprechung, als gerechte Regierungsausübung, als sittliches Miteinander und als göttliche Gerechtigkeit im Sinne eines Idealzustands zusammenfassen. Die Gerechtigkeitsvorstellungen erstreckten sich damit nicht nur auf die juristische Sphäre, wie man es heute ausdrücken würde, sondern besaßen auch eine personale, soziale, moralische, politische und religiöse Dimension.437 Für den ‚Bauernkrieg‘ findet sich ebenfalls dieses vielschichtige Gerechtigkeitsdenken. Geht man von den Forderungen der Beschwerdeschriften aus, zeigt sich, dass die Beteiligten vorwiegend mit einem Idealzustand argumentierten: Die Anliegen, die meist mit der Bibel begründet wurden, betrafen vor allem die Abgaben und Steuern, die allgemeine Verfügbarkeit von Gewässern, Wiesen und Wäldern sowie in vielen Regionen auch die Abschaffung der Leibeigenschaft.438 Ihre Forderungen gaben die ‚Aufständischen‘ dabei als die Wiederherstellung einer göttlichen Gerechtigkeit aus, welche allen Menschen zustehen sollte.439

437 Frenz, Barbara, Gleichheitsdenken als Konsequenz aus dem städtischen Grundwert der Gerechtigkeit, in: Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des späteren Mittelalters, hg. von Petra Schulte/ Gabriele Annas/ Michael Rothmann (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte, Bd. 47), Berlin 2012, S. 201–222, S. 202. Und: Annas, Gabrielle, Gehorsamkeyt ist tod, gerechtigkeyt leyt not, nichts stet in rechter ordenung. Zum Begriff der „Gerechtigkeit“ in Schriften zur Reichsreform des 15. Jahrhunderts, in: Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Diskurs des späteren Mittelalters, hg. von Petra Schulte/ Gabriele Annas/ Michael Rothmann (Zeitschrift für Historische Forschung, Beihefte, Bd. 47), Berlin 2012, S. 223–254. Allgemeiner: Honecker, Vorreformatorische Schlagwörter (wie Anm. 46), S. 161–165. 438 Für Oberschwaben vgl. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 32–139. 439 In diesem Sinn erforscht die neuere Kriminalitätsgeschichte u. a. Prozesse des Normenwandels, durch welche ehemals akzeptierte Verhaltensweisen auf einmal zu Straftaten werden. Schwerhoff, Gerd, Devianz in der alteuropäischen Gesellschaft. Umrisse einer historischen Kriminalitätsforschung, in: Zeitschrift für Historische Forschung 19 (1992), S. 385–414. Beispiele für diese Neukonstruktion eines Rechtsraumes liefern etwa: Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 104 (Rechtsprechung), 108 (Leibeigenschaft), 199 (Wild), 201 (Rechtsprechung), Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 55 (Kompetenz der Rechtsprechung).

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



135

Die kristliche ordnung, auf welche die ‚Aufständischen‘ von Bildhausen in ihrem oben zitierten Brief zu sprechen kamen, stand in Verbindung mit dem Ordo-Diskurs des Mittelalters und der beginnenden Frühen Neuzeit. Die Vorstellung von Ordnung konnte in dieser Zeit erstens die konkrete Regel im Sinne einer Anordnung meinen und zweitens für ein umfassendes Regelsystem stehen.440 Im letzteren Fall war zu dieser Zeit mit dem Terminus besonders der Allgemeinplatz verbunden, dass die irdische Ordnung ein Spiegel der göttlichen sein müsse. Inhaltlich waren die Vorstellung der Gerechtigkeit und der Ordnung damit eng verwandt. Untersucht man den Terminus ordnung bei den Bildhäuser Bauern, lässt sich feststellen, dass mit ihm die Vorstellungen von angemessenen Abgaben und Steuern, den christlichen Gesetzen im Sinne des theokratischen Diskurses und der Bejahung der Obrigkeit verbunden war.441 In der eingangs zitierten Textstelle bezog sich die kristliche ordnung etwa auf die Beschwernisse, welche die Untertanen zu ertragen hätten. Typisch für die Ausschreiben der Bildhäuser waren einerseits die Forderung nach Entlastung und andererseits die Anerkennung der Obrigkeit. Die Bildhäuser Bauern teilten damit die weitverbreitete Position, dass Herrschaft eine unabdingbare Voraussetzung für das menschliche Zusammenleben bildet.442 Der Terminus ordnung wurde von der Versammlung aber noch in einem zweiten Kontext verwendet, im Sinne der Lagerordnung und der konkreten Anweisungen, die es zu befolgen gelte. Zwischen dem Gehorsam gegenüber der eigenen Ordnung und der Aufrichtung einer neuen Ordnung im Sinne des theokratischen Diskurses wurde dabei eine enge Verbindung hergestellt.443 Bezieht man die Wortverwendungen der Oberschwaben, Württemberger sowie der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder in die Untersuchung ein, wird deutlich, dass das Wort ordnung ganz zentral mit theokratischen Gedanken verknüpft war. Gemeinsam war allen Versammlungen die Vorstellung, dass ihre Interpretation von Gerechtigkeit und Ordnung erst noch durchzusetzen seien.444

440 Honecker, Vorreformatorische Schlagwörter (wie Anm. 46), S. 44–47. Zur Verwendung des Schlagworts in der sog. Radikalen Reformation: Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 204–210. 441 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 347f. u. II, 168f. 442 So sei die Obrigkeit nach den Bildhäusern eingesetzt, um das „ubel zu straffen, die unschuldigen zu behutten und zwispaltige sachen zu entschaiden.“ Ebd., I, S. 384. Zur Eindämmung des „mutwillen(s)“, der ein christliches Zusammenleben gefährde, siehe: ebd., II, S. 238. 443 Im Sinn der Lageordnung vgl. ebd., I, S. 385, 418, 423f., II, 83f., 84f. u. 86. Im Sinne der Verknüpfung: ebd., II, S. 238. 444 Der Ausdruck konnte im oberschwäbischen Korpus im Sinne theokratischer Gedanken verwendet werden, aber teils auch im selben Dokument eher in einem allgemeineren Sinn als Ausdruck für das Gesetz: Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 199 (Stühlinger Artikel). Bei den Württembergern wurde der Terminus erstens im Sinne der Lagerordnung verwendet, wobei hier die christliche ordnung, welche noch aufzurichten sei, ganz stark auf die Einhaltung der Lagerbefehle gemünzt wurde: Franz, Aus der Kanzlei der

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Auffällig ist, dass in den Ausschreiben der Untertanen nicht mit Einzelforderungen, etwa der Abschaffung der Leibeigenschaft oder der Beseitigung einer konkreten Steuer, argumentiert wurde. Die Leistung von Schlagwörtern wie ordnung und gerechtikeit ist folglich dahingehend zu bewerten, dass sie halfen, in einer konkreten Kommunikationssituation, der Werbung für den Anschluss an die Versammlung, möglichst viele Wünsche und Hoffnungen scheinbar auf einen Nenner zu bringen und dadurch Konsens zu stiften. Dadurch, dass sich die Wörter sowohl auf die Hochwerte der Zeit bezogen und zudem eine Verbindung zum Leben der Menschen besaßen, dürfte ihnen eine große Kraft als Argumente zugewachsen sein. Die ersten semantischen Probebohrungen verdeutlichen, dass diese Wörter nicht als Leerstellen verwendet wurden, sondern dass mit ihnen konkrete Hoffnungen auf eine Veränderung der Gesellschaft im Sinne theokratischer Gedanken verknüpft waren. Die Analyse der Wörter ordnung und gerechtikeit zeigt bereits eine weitere Eigenart der Schlagwörter auf: ihre Tendenz zur Synonymie. Von einer vollkommenen Bedeutungsgleichheit darf man allerdings nicht ausgehen. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie spezifische Vorstellungen, die eigentlich mit einem Wort verbunden waren, im Sprachgebrauch der ‚Aufständischen‘ zugleich auf andere verweisen konnten. Die Benennungen befanden sich in diesem Sinn in einem semantischen Feld: Bei Sprechern einer Sprachgemeinschaft, welche diese Annahmen teilten, waren folglich bestimmte Wörter assoziativ mit anderen verknüpft. Das heißt, über die Rekonstruktion semantischer Relationen lassen sich typische assoziative Beziehungen in der Vorstellungswelt der Mitglieder einer solchen Sprachgemeinschaft ausfindig machen.445

württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 9, 41 u. 70. Zweitens verwendeten die Württemberger den Terminus auch im Sinne der göttlichen Gebote: ebd., Nr. 20, 39 u. 44. Bei den Taubertalern und Neckartal-Odenwäldern findet sich ebenfalls die Gleichsetzung mit der Feldordnung: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144–149, 187, 190 und Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 272. ordnung wurde aber auch als theokratische Ordnung verstanden, welche die Beteiligten, wie die Anhänger der anderen Versammlungen, aufrichten wollten: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 233, 300, 441–443, 443–445, II, 48f. (Notwendigkeit einer neuen Regierung) u. 399 (mit Kritik an der derzeitigen Obrigkeit). 445 Lexikalische Strukturen werden von unterschiedlichen Schulen der Sprachwissenschaft untersucht. Einführend für die deutsche Wortfeldforschung vgl. Schindler, Wolfgang, Phraseologismen und Wortfeldtheorie, in: Studien zur Wortfeldtheorie, hg. von Peter Rolf Lutzeier (Linguistische Arbeiten, Bd. 288), Tübingen 1993, S. 87–106. Für die amerikanisch geprägte Linguistik vgl. Barsalou, Lawrence W., Frames, Concepts, and Conceptual Fields, in: Frames, Fields and Contrasts. New Essays in Semantic und Lexical Organisation, hg. von Adrianne Lehrer/ Eva Federer Kittay, Hillsdale 1992, S. 21–74. Unter einem anderen methodischen Ansatz lässt sich das Argumentationsschema, wie es in dem Brief der Bildhäuser Versammlung vorliegt, auch als eine Schlagwortreihung klassifizieren: Dabei handelt es sich um eine „Argumentationskette, in der verschiedene Schlagwörter, die

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



137

Die Wortverbindung göttliche schrift meinte nicht nur die Verkündung der reformatorischen Predigt, sondern diente auch als Ausdruck für eine gerechtere Welt. In diesem Sinn schrieben die Bildhäuser in einem Werbungsbrief an die umliegenden Orte, dass die Herren in den letzten „jaren manigfeltige und itz zuletz untregliche beschwernus und burden […] wider gotliche und cristliche ordnung und geschrift auf den gemainen und armen man gelegt“ hätten.446 Die Aufrichtung der göttlichen Ordnung, das Leben nach der Schrift und die angemessenen Verpflichtungen gegenüber der Herrschaft lassen sich als aufeinander bezugnehmende Vorstellungen verstehen. Die eine Idee hängt mit der anderen Idee unmittelbar zusammen.447 Die Beteiligten äußerten schließlich in diesem Brief ihre Hoffnung, dass, „alle die so christenliche und ewangelische warhayt lieben, […] uns trostlichen beystand“ leisten werden.448 Religiöse Wahrheiten sollten demzufolge durch den aktiven Einsatz der Angesprochenen umgesetzt werden.449 Die warheit der ‚Aufständischen‘ war damit Ausdruck einer wiederherzustellenden göttlichen Ordnung. Gleichzeitig konnten aber nur Auserwählte, welche diese „christenliche und ewangelische warhayt lieben“, diese neue Ordnung aufrichten.450 Das heißt, der richtige Glaube war die Voraussetzung und der Endpunkt der ‚Erhebung‘. In den Paraphrasen kam damit das positive Aufruhrverständnis der Untertanen zutage, dass nur ein ethisch vorbildliches Vorgehen den Erfolg der ‚Erhebung‘ sichern könne.451

keine weitere Erklärung durch den Autor erfahren, einander in der Argumentation ergänzen und sich in ihrer expressiven Wirkung gegenseitig verstärken“. Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 33. Dieses Phänomen des gemeinsamen Vorkommens lässt sich schließlich auch unter dem Begriff der Kollokation betrachten. So definiert Porzig den Umstand, dass in einem Wort der Bestandteil der Bedeutung eines anderen Wortes enthalten ist, als „wesenhafte Bedeutungsbeziehung“. Porzig, Walter, Wesenhafte Bedeutungsbeziehungen, in: Wortfeldforschung. Zur Geschichte und Theorie des sprachlichen Feldes, hg. von Lothar Schmidt (Wege der Forschung, Bd. 250), Darmstadt 1973, S. 78–103. 446 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. 447 Dieser zentrale Gedanke, dass sich die richtige Auslegung des Evangeliums an der empfundenen Höhe der Belastungen der Untertanen nachvollziehen lässt, findet sich auch in den „Zwölf Artikeln“ und anderen Dokumenten. Vgl. Kapitel 2.1.2.2 und 2.2.2.4.3. 448 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. 449 Conrad bringt das Glaubensverständnis der ‚Aufständischen‘ im Elsass auf eine prägnante Formel: „So stellt sich die reformatorische Lehre, wie sie im ländlichen Bereich verstanden wurde, als ein auf biblischem Fundament ruhender, aber eigentlich katholischer Werkglaube dar.“ Diese Aussage kann für Bildhausen nur unterstrichen werden. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 102. 450 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. 451 „Wahrheit ist Ausdruck der wiederherzustellenden göttlichen Ordnung, die ohne Wahrheit nicht erreicht werden kann“. Auf diese griffige Formulierung kondensiert Diekmannshenke die Wahrheitskonzeption bei Thomas Müntzer. Offenbar handelte es sich um eine weit verbreitete Denk-

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Ein Brief der Bildhäuser an den Adeligen Georg von Bibra gibt Aufschluss über die Eidesformel der Versammlung. Als kürzestmögliches Kondensat heißt „das gottlich wort zu erhalten“, die Prinzipien der Haufen zu unterstützen.452 Christlich zu handeln, bedeutete für die ‚Aufständischen‘ der Bildhäuser Versammlung folglich, die Reformation umzusetzen, Abgaben zu mindern, die Glaubenswahrheit in praktische Handlungen zu überführen und sich durch die Schaffung einer perfekten Ordnung von dem Bösen in der Welt zu erlösen. Die heute scheinbar distinkt unterscheidbaren Sphären Politik, Soziales und Religion waren in diesem Denken nicht voneinander zu trennen. 2.2.2.3 Generalisierung: Auf der Suche nach einem Inventar der alternativen Benennungen In allen untersuchten Aufstandsregionen findet sich die Verwendung von Paraphrasen als alternative Benennungsstrategie. Stilbildend wirkte sicherlich die „Memminger Bundesordnung“ der oberschwäbischen Untertanen. Die Flugschrift erschien meist zusammen mit den „Zwölf Artikeln“ und erfreute sich einer ähnlich hohen Druckauflage.453 In der Überschrift des Texts wird das Vorhaben der Untertanen ebenfalls durch Paraphrasen umschrieben. Dem almechtigen ewigen Got zu lob und eher, unnd anruffunng des heiligenn evangelii und goͤ tlichs worts, auch zü beystand der gerechtigkeyt und goͤ tlichs rechten, ist der christenlichen vereynigung und pündtnüß angefangen, und nimantz er sei geystlich oder weltlich, zu verdrus und nachteyl, sovil daz evangelium unnd goͤ tlich recht inhalt unnd anzeygt und in sonderheyt zu merung brüderlicher liebe.454

Die Benennungsstrategie der Umschreibung wirkte aber nicht nur in den Reihen der ‚Aufständischen‘. Bestimmte Paraphrasen finden sich auch in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung ihrer Gegner, ein Umstand, der auf die hohe Verbreitung der Paraphrasen hinweist. So teilte der Würzburger Stadtschreiber Martin Cronthal über den angeblich erzwungenen Anschluss des Würzburger Bürgermeisters an die ‚Aufständischen‘ Folgendes mit: „kurzum also globte der burgermeister als ein benottigter wansinniger, dem die sachen fast wieder was, von den von Wurtzburg wegen bei dem evangelio zu bleiben, das helfen aufrichten und sie herwiederum.“455 Die Textstel-

figur im reformatorischen Diskurs. Diekmannshenke, Die Schlagwörter der Radikalen der Reformationszeit (1520–1536) (wie Anm. 46), S. 253. Zu den Paraphrasen vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2.3. 452 Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 381. 453 Claus, Der deutsche Bauernkrieg im Druckschaffen der Jahre 1524–1526 (wie Anm. 85), S. 29– 36. Und: Seebass, Artikelbrief, Bundesordnung und Verfassungsentwurf (wie Anm. 140), S. 55–143. 454 Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung (wie Anm. 140), S. 32. 455 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 50. Auf diese Weise paraphrasierten nach Zweifel auch die Zunft der Seiler, Sattler, Steinmetzen, Decker,

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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le ist wie ein Zitat zu verstehen. Cronthal gab den Schwur des Bürgermeisters wider, der ihm von den ‚Aufständischen‘ vorgegeben wurde.456 Die Sprache der ‚Aufständischen‘ wirkte auf diese Weise in die zeitgenössische Geschichtsschreibung hinein. Dort wurden ihre Aussagen allerdings wie Fremdpartikel behandelt. Die Chronisten verschwiegen sie zwar nicht, auf eine positive Bewertung der Geschehnisse hatten sie allerdings keinen Einfluss. Der ‚Bauernkrieg‘ war für sie nicht die aufrichtung des evangeliums, sondern eine Abweichung vom wahren Glauben.457 Die bisherigen Ergebnisse sollen nun auf eine breitere Quellenbasis gestellt werden. Zu fragen gilt: Unterschieden sich die Paraphrasen von Versammlung zu Versammlung, und wie regelmäßig wurden sie von den jeweiligen Vereinigungen wiederholt? Gab es womöglich ein konventionalisiertes Inventar zur Beschreibung der Vorgänge? Der Württemberger Haufen unter Matern Feuerbacher legte gegenüber der Stadt Waiblingen am 23. April seine Ziele wie folgt dar: Unser ganz fruntlich willig dienst zuvor, lieben und gutten frundt. Wir fiegen ewch zu wissen und geben ewch zu erkennen, das wir allain usser gottlicher ordnung, cristenlicher liebe und zu uffgang, merung und erhaltung gottlichs worts und des evangeliumbs, doraus wir usser seiner göttlichen ordnung understen und gott dem almechtigen zu lob, cristenlich ordnung zu uffgang, uns allen zu schutz, schim und befridung mit hulf gottes almechtigen ain recht cristenlich und fridlich regement zu machen uns gemainer landschaft rat und gut bedunken ernstlich volstrecken werden. Sollichs unser gottlichs, erlichs, rettlichs und billichs furnemen ewch und ainer ganzen gemaind usser evangelischer und cristenlicher liebe dahin bewegt werden sollen, deshalben dann ausser erzelleten ursachen so erfordern wir ewch usser cristenlicher genaigter lieben, das ir ewch mit der statt und ganzen gemaind von stund a(n) oder ze lengst uff montags nechsts zu nacht in und zu unserm verstand, bruderschaft, schutz und schyrm ergeben, dester lieber wellen wir ewch frundlich, cristlich und bruderlich liebe zu wissen genaygt. Wo ir aber darwider euch setzen, werden ir uns ursach geben gegen und wider ewch mit hellem christlichem haufen und der hulf gottes dahin zwingen und mit sollichem uns handlen, darab ir und ai(n) ganze gemaind schaden und unratt lyden miesten. Darum wir ewch hiemit gutter getrewer mainung gewarnet und unser eer domit verwart haben etc.458

Das Ausschreiben enthält eine Vielzahl bereits bekannter Argumentationselemente, die typisch für den Diskurs der ‚Aufständischen‘ sind: die Vorstellung, dass die Nächstenliebe eine für den Menschen verpflichtende Kraft sei, weshalb die Städter

Hefner, Zimmerleute, Ziegler und Maurer den Anschluss an die Bauern. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 323. 456 Auch die Bildhäuser hatten ihre Teilnahme am ‚Bauernkrieg‘ mit der Formel „das gottlich wort zu erhalten“ beschworen. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 381. 457 Zur negativen Bewertung des Vorhabens der Untertanen bei Martin Cronthal vgl. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 70f. Wobei hervorzuheben ist, dass er die Unruhe in der Stadt tendenziell stärker verurteilte als die ‚Erhebung‘ auf dem Land. 458 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 20.

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den ‚Aufständischen‘ beistehen müssten. Des Weiteren drohte man mit der Anwendung von Gewalt, falls sich der Ort nicht anschlösse. Durch diese Gewaltankündigung glaubten die Beteiligten, ihre Ehre gewahrt zu haben, falls sie doch zur Tat schreiten müssten. (Zur gewahrten Ehre siehe Kapitel 2.2.1.2.4). Auch in diesem Schreiben ist von einem „furnemen“ die Rede, das näher charakterisiert werden musste. Sehr sprachreflexiv benannte man die Gründe und Absichten der Versammlung als die „erzellete(n) ursachen“. Damit war der Modus der Beschreibung beim Namen genannt: die Paraphrase. Trotz der Umschreibung des eigenen Vorhabens wurde in diesem Brief eine enorme Verdichtung von Informationen vorgenommen. Hierfür war die Vielzahl der verwendeten Schlagwörter verantwortlich, deren Bedeutungen sich heute nicht mehr selbstverständlich erschließen. Vergleicht man diesen Brief mit dem oben zitierten Ausschreiben der Bildhäuser Bauern, werden auch hier die Schlagwörter evangelium, wort gottes, kristliche ordnung und nechstenliebe genannt. Zudem kommen bei den Württembergern noch Termini vor, die stärker der Sphäre der Herrschaftsausübung zuzuordnen sind: die landschaft, das regiment und die Formel von schuz und schirm. Mit dem unterschiedlichen Schlagwortgebrauch gingen auch unterschiedliche Ziele der ‚Erhebungen‘ einher. Die Vorstellung, die Regierung zu verändern, kam in Württemberg sehr früh auf und ging mit der Absicht einher, als Teil der ständisch geprägten Landschaft an dieser neuen Regierung beteiligt zu werden. Während der ‚Erhebung‘ usurpierten die ‚Aufständischen‘ den Ausdruck als Selbstbezeichnung.459 In der positiven Zielvorstellung, ein „recht cristenlich und fridlich regement zu machen“, drückt sich außerdem die schon lange schwelende Unzufriedenheit mit der damaligen österreichischen Regierung aus.460 Bereits elf Jahre zuvor in der ‚Erhebung‘ des Armen Konrads wurden Stimmen nach einer größeren Beteiligung des Gemeinen Mannes an der Herrschaftsausübung laut.461 Für die Versammlung von Bildhausen und den verbündeten Haufen von Aura sind Forderungen, an der Regierung beteiligt zu werden, dagegen zu Beginn der ‚Er-

459 Besonders deutlich zur Absicht, das regiment zu stellen, vgl. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 260. 460 Generell zum Wert des Friedens in der vorreformatorischen Zeit siehe: Honecker, Vorreformatorische Schlagwörter (wie Anm. 46), S. 155. 461 Nach Schmauder lag der ‚Erhebung‘ ein antifeudales Programm zu Grunde, das die Obrigkeit des Landesherrn nicht mehr anerkannte und auf eine neue Gesellschaftsform der politischen Gleichrangigkeit abzielte. Problematisch an dieser Feststellung ist jedoch, dass dieses Ziel von den Beteiligten nicht öffentlich, sondern angeblich nur im Verborgenen vorgetragen wurde. Die Quellenproblematik wird jedoch kaum erörtert, stattdessen wird den Verhörprotokollen und Einschätzungen der Obrigkeit eine große Glaubwürdigkeit zugebilligt. In ihrer öffentlichen Programmatik erkannten die Beteiligten den Landesherren jedoch an. Schmauder, Württemberg im Aufstand – der Arme Konrad 1514 (wie Anm. 133), S. 94.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



141

hebung‘ nicht dokumentiert. Während des gesamten ‚Aufstands‘ machten die Beteiligten nur zögerlich und eher zurückhaltend von dem Landschaftsbegriff in ihren Dokumenten Gebrauch.462 Während die Ziele die ‚Aufständischen‘ im nördlichen Teil des Hochstifts Würzburg lange mit dem Glauben an den Bischof als gutem Herrscher vereinbar waren, stand in Württemberg nur ein Statthalter an der Spitze des Regiments, der in den Augen der dortigen ‚Aufständischen‘ ganz offenbar keine politische Legitimität besaß. Der unterschiedliche Sprachgebrauch spiegelt folglich die politische Praxis wider. Um typische Ausdrücke der Versammlungen erfassen zu können, bietet sich eine statistische Auswertung der verwendeten Schlagwörter an. Als Stichprobe werden die Ausschreiben der jeweiligen Haufen herangezogen. In diesen Briefen erklären die ‚Aufständischen‘ den angrenzenden Orten und Herren ihr Vorhaben und fordern sie zur Unterstützung ihres Vorhabens auf.463 Der Schlagwortgebrauch wird im Folgenden für den Württemberger Haufen (neun Ausschreiben)464 sowie für die Versammlungen von Bildhausen (sieben)465 und Aura (sechs)466 untersucht. Dabei wird darauf geachtet, nur Ausschreiben zu analysieren, die direkt aus dem Lager der ‚Aufständischen‘ stammten und nicht von angeschlossenen Orten ausgingen. Die Ausschreiben der Versammlungen von Aura und Bildhausen, die sich erst im Laufe der ‚Erhebung‘ zusammenschlossen, werden getrennt untersucht, um etwaige Unterschiede innerhalb eines überregionalen Zusammenschlusses erfassen zu können. Stellt man eine Liste der verwendeten Schlagwörter zusammen, wurden von den Untertanen 38 verschiedene Wörter und Wortverbindungen verwendet (siehe Statistik 3). Einige Termini können dabei als regional relevante Schlagwörter eingeordnet werden wie das fürstentum württemberg oder das regiment, welche die Württemberger verändern wollten. Schon auf den ersten Blick ist aber eine Reihe von Schlagwörtern erkennbar, die von allen Gruppen auffällig häufig verwendet wurden. Zudem finden sich in der Statistik viele Benennungen, die den gleichen Gedanken zum Ausdruck bringen. So bezeichnen etwa die brüderliche liebe, die kristliche liebe und die evangelische liebe allesamt das Konzept der politischen Nächstenliebe. Fasst

462 Nur selten verwendeten die Beteiligten den Ausdruck. Siehe etwa: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 381. 463 Bereits Franziska Conrad wurde für das Elsass auf diese Textgattung aufmerksam, um das reformatorische Selbstverständnis der ‚Aufständischen‘ zu rekonstruieren. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 125–134. 464 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 20, 39, 40, 44, 50, 57, 66, 74 u. 80. 465 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, 347f., 359, 384f., 404f., II, 168f. u. 172. Und: Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 291. 466 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 131f., 445, 446f., 447, II, 267f. u. 312.

142  2 Der Diskurs der aufrürer

kristliche und/evangelische Warheit

Statistik 3: Schlagwörter nach Versammlung

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft 

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Statistik 4: Schlagwörter nach Versammlung und nach Gruppenbildung

man diese gleichbedeutenden Wörter unter einer Benennung zusammen und lässt zudem noch die lediglich zweimaligen Erwähnungen von Schlagwörtern beiseite, wird offensichtlich, dass sich in den Ausschreiben der einzelnen Haufen bestimmte Vorstellungen häuften (siehe Statistik 4).467 Besonders ragen zwei Ausdrücke hervor: die brüderlichkeit und das wort gottes. Eine große Bedeutung für die untersuchten Haufen besitzen zudem die Schlagwörter der beschwerde, der göttlichen gerechtikeit und der göttlichen ordnung. Auf diese am stärksten in Anspruch genommen Termini soll im Folgenden ausführlich eingegangen werden.468 In den Statistiken kann die Bedeutung der ere als Ausdruck eines positiven Selbstverständnisses leicht übersehen werden, da mehrere Schlagwörter mit den Ehrkonzepten der Untertanen in Verbindung stehen. Traditionell wurde die Standesehre der Untertanen vor allem als Gehorsam gegenüber den übergeordneten Au-

467 Folgende Gruppenbildungen wurde vorgenommen. 1. brüderlichkeit: kristliche liebe, brüderliche liebe, evangelische liebe, bruder. 2. wort gottes: evangelische lere, evangelium, wort gottes, wort kristi. 3. Göttliche gerechtikeit: göttliche gerechtikeit, kristliche gerechtikeit, gerechtikeit. 4. göttliche ordnung: göttliche ordnung, kristliche ordnung, ordnung. 5. recht: recht, göttliches und natürliches recht. Bei den übrigen Wörtern, wie etwa beschwerde, wurden dagegen keine Gruppen gebildet. 468 Auf den ersten Blick lässt sich damit die oft wiederholte These von Buszello widerlegen: „Es ist auffallend, dass das Bekenntnis zum Evangelium als gesellschaftsgestaltender Norm oder zum göttlichen Recht vor allem in territorialen Splittergebieten die Argumentation der Aufständischen bestimmte.“ Aus dieser Beobachtung leitet er die Schlussfolgerung ab, dass besonders durch die Argumentation mit dem Göttlichen Recht die Voraussetzung zu einem überterritorialen Zusammenschluss der ‚Erhebung‘ geschaffen wurde. Buszello, Legitimation, Verlaufsformen und Ziele (wie Anm. 166), S. 288 (dort auch zur Verbreitung der These). Diese grundsätzliche Einschätzung der Bauernkriegsforschung muss damit hinterfragt werden.

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toritäten verstanden.469 Im neuen Begriffsverständnis von ere, rum und gehorsam standen die Wörter im Sinne der theokratischen Gedanken nun aber für das neue Untertanenkonzept, die göttlichen Gebote höher zu achten als die menschlichen. In der Sprechweise vom lob und der ere gottes kam diese Vorstellung von der Verpflichtung jedes einzelnen zum Ausdruck, sein Leben auf die Gebote des Herrgotts auszurichten.470 Zweitens konnte das Schlagwort der ere noch die Kampfesehre umfassen, möglichst ohne Gewalt und innerhalb eines definierten Legitimationsrahmens zu agieren.471 Die Sprechweisen von der erbarkeit und dem guten sind demgegenüber drittens als eher allgemeine Bekenntnisse zur Rechtschaffenheit aufzufassen, wobei die erbarkeit in Württemberg auch als Gruppenbezeichnung für die Amtsträger des Herzogtums zu verstehen ist. In diesem Sinn bekannten die Beteiligten diese Personengruppe auch weiterhin achten zu wollen.472 Nur hintere Ränge auf der Frequenzliste nehmen andere Schlagwörter ein. Ihnen wurden offenbar eine weniger starke Motivations- und Legitimationswirkung zugesprochen. Das Schlagwort von der kristlichen warheit meint die Realisierung des Evangeliums. Der Ausdruck der kristlichen freiheit entstammt dem Wortschatz der Reformation und bezeichnet die Rechte, die sich aus der Auslegung des Evangeliums ergeben. Damit nahmen die Beteiligten einen Kernbegriff der Reformation für sich in Anspruch und definierten ihn um.473

469 Diese Zuordnung von ere und gehorsam war ein übliches Muster, das die ‚Aufständischen‘ nicht durchbrachen, sondern lediglich neu definierten. Schuster, Peter, Ehre und Recht. Überlegungen zu einer Begriffs- und Sozialgeschichte zweier Grundbegriffe der mittelalterlichen Gesellschaft, in: Ehrkonzepte der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen, hg. von Sibylle Backmann (Colloquia Augustana, Bd. 8), Berlin 1998, S. 40–66. Einführend und kritisch zum Ausdruck erbarkeit als Bezeichnung für die herrschenden Familien in Württemberg vgl. Haug-Moritz, Gabriele, Die württembergische Ehrbarkeit. Annäherungen an eine bürgerliche Machtelite der frühen Neuzeit (Tübinger Bausteine zur Landesgeschichte, Bd. 13), Ostfildern 2009, S. 1f. 470 Conrad bringt das Schlagwort von der Ehre Gottes, welches die ‚Aufständischen‘ im Elsass verwendeten, mit der Theologie Bucers in Verbindung. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 67. Dies scheint jedoch zu kurz gegriffen, handelt es sich doch um ein allgemeines Schlagwort. 471 Gleichzeitig befürchteten die Versammlungen den Verlust ihrer ere und lediglich spot, wenn eine Kampfhandlung verloren ginge. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 81f., 335 u. 336. Vgl. zu dieser Denkfigur: Kortüm, Kriege und Krieger (wie Anm. 344), S. 211. Zur Thematisierung der Kampfesehre in dieser Arbeit vgl. Kapitel 2.2.1.2.4. 472 Zur erbarkeit im Sinne der Rechtmäßigkeit und der guten Sitten vgl. Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 2, Sp. 1261f. Zur Ehrbarkeit als Stand in Württemberg: Haug-Moritz, Die württembergische Ehrbarkeit (wie Anm. 469), S. 1f. 473 Luther bezieht die freiheit lediglich auf die freie Glaubensausübung und wirft den ‚Aufständischen‘ vor, sich von jeder Art von Herrschaft befreien zu wollen. Die Untertanen verwendeten den Ausdruck jedoch erstens als Sammelbegriff für ihr Anliegen und zweitens, wie Anja LobensteinReichmann deutlich macht, im Sinne einer älteren Tradition als Umschreibung für ein konkretes

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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Überraschenderweise wird in den Ausschreiben der gemeine nuzen, der in der modernen Bauernkriegsforschung als Chiffre für die wirtschaftliche Entlastung der Untertanen verstanden wird, nicht erwähnt.474 Zweifellos ist dieser Begriff stark auf den Gemeinen Mann bezogen und besitzt eine Stoßrichtung gegen die Geistlichkeit und den Adel. Inhaltlich ist die Verwendung des Ausdrucks am deutlichsten im Sinne der frühen Reformation zu fassen. So meint der Terminus bei den fränkischen Versammlungen und bei der Vereinigung zu Württemberg meist die Umwandlung von Kirchengut in kommunalen Besitz. Die generellen Forderungen nach einer sozialen Besserstellung wurden demgegenüber viel häufiger mit den Schlagwörtern der brüderlichkeit und der beschwerde verknüpft. Der gemeine nuzen besitzt stattdessen eher einen geringeren inhaltlichen Umfang, auch wenn sich Beispiele finden, die von dieser generalisierenden Aussage abweichen.475

Recht oder einen Rechtszustand, den man beanspruchte. Lobenstein-Reichmann, Freiheit bei Martin Luther (wie Anm. 48), S. 345–357. 474 Die Analyse des Begriffs in Blickles Bauernkriegsschrift ist undifferenziert. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 223. Differenzierter in: Ders., Kommunalismus (wie Anm. 27), Bd. 2, S. 195–222. 475 Bezeichnenderweise wird der gemeine nuzen in den „Zwölf Artikeln“ nicht erwähnt. Am häufigsten kam das Lemma nuz mit 30 Nennungen noch im Korpus der Bildhäuser Versammlung vor. Relativ unprogrammatisch im Sinne des Nutzens aller oder des Bauernlagers ist er in folgenden Textstellen zu finden: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 402, II, 84, 99, 101 u. 217. Im Sinne von nützlich, erwägenswert in einem pragmatischen, aber nicht programmatischen Sinn vgl. ebd., I, S. 368–370, 403, II, 131, 291 u. 323f. In einem programmatischen Verständnis als Parole der ‚Erhebung‘ vgl. ebd., I, S. 395 u. 448f. Im Sinne einer Umverteilung von Steuern und Besitz vgl. ebd., II, S. 14 (dem Bischof nur so viel zu geben, wie ihm zustehe), II, 233–237 (Aufhebung von Steuern und Nutzen der Stadt Münnerstadt, Bezahlung der Prediger auf Stadtkosten und Einbehaltung von Steuerüberschüssen, die aus der Abschaffung der entsprechenden Steuern resultierten), II, 306–308 (Abschaffung von Zoll und Stadtgeld, welche bisher der Abt von Münsterschwarzach einzog). Bei den Taubertalern und den Neckartal-Odenwäldern kommt der Ausdruck vor allem in den Schriften Wendel Hiplers und Friedrich Weygandts vor: ebd., I, S. 432f (Gegensatz zum Eigennutz und der Übereinstimmung mit den Gesetzen Gottes), ebd., I, S. 434–440 (erstens als Einleitung des Reformationsprogramms, zweitens im Sinne der Umverteilung von Geldern aus dem Großen Zehnt, der bisher an die Kirche abgeführt werden musste und drittens im Sinne der Förderung des Handels), ebd., I, S. 442 (wieder in Bezug auf die Auflösung von Kirchenstrukturen, exemplarisch: „Alle gaistliche heusere sollen zu gemainem nutz gebraucht werden“). Stark programmatisch in anderen Texten der Versammlung, aber inhaltlich schwer zu bestimmen: ebd., I, S. 144–149 (Hauptmänner und Proviantmeister sollen dem Nutzen aller dienen und nicht dem Eigennutz. Konkreter: Die Versorgung mit narung soll sichergestellt werden). Im Sinne eines neuen Gemeinwesens vgl. ebd., II, S. 48f. In die Nähe zur Nächstenliebe rückt der Begriff in folgenden Textstellen: ebd., I, S. 295f. u. II, 39. Im Sinne der Umverteilung des Kastenvermögens und von Kirchenbesitz zum Nutzen aller vgl. ebd., II, S. 38 u. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 255–258. Bei den Württembergern wird er in folgenden Textstellen eher unprogrammatisch verwendet: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 1, 9, 31, 54 u. 85. Zu einem programmatischen aber einer weitgehend unbestimmbaren

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Die bisherigen Ergebnisse lassen sich in vier Punkten zusammenfassen. Die ‚Aufständischen‘ verwendeten erstens wiederkehrende Paraphrasen, um ihr eigenes Vorhaben zu benennen. Ohne Erläuterung konnten die darin enthaltenen Schlagwörter als Alternativbezeichnungen grammatikalisch allerdings nicht verwendet werden. So ergeben die Aussagen, die Ereignisse von 1525 waren eine gerechtikeit oder ein evangelium, keinen Sinn, wie es etwa für die Ausdrücke ‚Bauernkrieg‘ oder ‚Revolution‘ möglich ist. Zweitens waren die in den Paraphrasen enthaltenen Schlagwörter sozial aufgeladen, das heißt, sie bezogen sich auf die Leitwerte dieser Zeit. Sie trugen folglich dazu bei, den Gruppenmitgliedern ein positives Zusammengehörigkeitsgefühl zu vermitteln und wirkten auf diese Weise an der Ausformung einer kollektiven Identität mit. Als alternative sprachliche Benennungen zum negativen Aufruhrstereotyp leisteten sie zudem einen Beitrag zur Hervorbringung einer positiven Vorstellungswelt über die Ereignisse. Statt die Gesellschaft zu zerstören, wie es das negative Aufruhrstereotyp unterstellt, konnten die Beteiligten stattdessen für sich in Anspruch nehmen, die eigentlichen Leitwerte zu beschützen. Angesichts des Doppelcharakters der Paraphrasen zwischen Unbestimmbarkeit und Vorstellbarkeit ist drittens ihre Leistung zur Erklärung der Ereignisse einzuordnen. Ganz allgemein konnte mit ihrer Hilfe das Vorhaben der Untertanen beschrieben werden, als die Überführung eines unchristlichen Zustands in eine christliche Ordnung. Untersucht werden muss jedoch, inwiefern sich diese Ideen in konkrete Handlungen überführen ließen. Wie aussagekräftig sind folglich die Paraphrasen für den Charakter der ‚Erhebung‘? Viertens wurde in den Ausschreiben insgesamt eine Vielzahl teils gleichbedeutender Wörter verwendet. Offenbar glaubten die Absender an einen kumulativen Effekt, der aus der Wiederholung ihrer Argumente resultierte. Die Schlagwörter standen dabei in Verbindung zu einem Gedankengeflecht, das sich nicht in einem einzigen Wort materialisierte. Die verwendeten Wörter waren mehrdeutig in dem Sinn, dass ein Terminus auch die anderen implizieren konnte. Allerdings sind noch klar die Vorstellungsbereiche erkennbar, aus denen die Paraphrasen entlehnt wurden. In den nächsten Kapiteln soll gezeigt werden, dass mit dem Appell an be-

Verwendung vgl. Nr. 39, 44 u. 80. Im Sinne des Pfarrartikels überfälliges Geld anders zu verwalten, siehe: Nr. 82 und 86 (Anfrage an den neuen Herzog: „Ob er der landschaft helfen well, alle klöster und stift mit aller geystlichait so zum furstentum heren, zymlichen abton und ire uberflyßige gieter in die kammer nemen und gmeinen nutz dem land mit helfen schaffen oder nit“). Im Sinne der brüderlichen Liebe vgl. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 253. Im Sinne der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrung vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 52. Zur Bedeutung des Terminus gemeiner nuzen in der Zehntdebatte der 1520er Jahre vgl. Kamber, Reformation als bäuerliche Revolution (wie Anm. 158), S. 259.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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stimmte Schlagwörter relativ konkrete Handlungsschemata verbunden waren, welche als rituelle Muster bei den Untertanen bereits vorhanden waren. 2.2.2.4 Schlussfolgerungen: Paraphrasen als Kondensate des Geschichts- und Handlungswissens 2.2.2.4.1 Das Evangelium aufrichten Viele Aktionen während des Jahres 1525 lassen sich als die Realisierung einer bäuerlichen Reformation beschreiben.476 Als erste Annäherung an dieses Thema dienen die Verben, die in den Umschreibungen verwendet wurden. So wollten die Versammlungen zu Württemberg, Bildhausen und Aura das wort gottes vor allem aufrichten und erhalten.477 Die in ihren Augen richtige Lehre vom Evangelium war demzufolge bereits vorhanden, aber bedroht. Die Versammlung von Aura und Bildhausen gaben an, dass das Evangelium das erste Mal vor zwei oder drei Jahren richtig verkündet worden sei.478 Unzweifelhaft beziehen sich diese Aussagen auf die Verbreitung der Reformation. In der Forschung wird die christliche Erneuerungsbewegung um 1500 als eine der Ursachen des ‚Bauernkrieges‘ angesehen, indem sie politische und religiöse Alternativvorstellungen bereitstellte.479 Darüber hinaus erkennt insbesondere Peter Blickle im ‚Bauernkrieg‘ einen eigenständigen Beitrag der Untertanen zur Reformation. Als maßgebend für den Glauben der ‚Aufständischen‘ wird vor allem das Bibelverständnis eingeschätzt, die Heilige Schrift nicht mehr nur als spirituelle Quelle, sondern auch als Gesetzestext anzusehen.480 Sicherlich ist zu den Inhalten dieses neuen Glaubensverständnisses auch noch die Bedeutung der Nächstenliebe hinzu-

476 Blickle, Gemeindereformation (wie Anm. 14). 477 Zu Aura vgl. exemplarisch: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 446. Zu Bildhausen vgl. ebd., I, S. 384f. Zu Württemberg vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 20 u. 39. 478 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 137. Zu den Anfängen der Reformation im Hochstift Würzburg: Rublack, Gescheiterte Reformation (wie Anm. 200), S. 3–75. 479 Zur Kritik der Reformatoren an kirchlichen und weltlichen Missständen vgl. Maurer, Prediger im Bauernkrieg (wie Anm. 137), S. 23–94. Zentral stellt sich in der Forschung die Frage nach Überschneidungen und Unterschieden zwischen der lutherischen Reformation und dem Reformationsverständnis der Untertanen: Obermann, „Tumultus rusticorum“: Vom „Klosterkrieg“ zum Fürstensieg. Beobachtungen zum Bauernkrieg unter besonderer Berücksichtigung zeitgenössischer Beurteilungen (wie Anm. 11). Winfried Becker bringt den Adaptationsprozess auf die griffige Formel der „Ineinssetzung“ von reformatorischen Gedanken mit den eigenen Forderungen der Untertanen. Becker, „Göttliches Wort“, „Göttliches Recht“, „Göttliche Gerechtigkeit“ (wie Anm. 290), S. 250. 480 Sein Ansatz ist inzwischen kanonisiert. Blickle, Gemeindereformation (wie Anm. 14).

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zählen.481 Im Vordergrund dieses Kapitels soll allerdings die Frage stehen, wie die Untertanen angesichts der neuen Lehren ihre Situation bewerteten und welches Rollenbild sie für sich entwarfen. Die ‚Aufständischen‘ argumentierten wiederholt, dass die Lehre Gottes unterdrückt werde. Die Versammlung von Aura legte in ihren Ausschreiben dar, dass die göttliche Wahrheit durch eine „gleychsnerisch verfurung, die ser grausam gewütet hat“, abhandengekommen sei.482 Die Versammlung wollte diese „gleichnerisch verfurung“ nun selbst „vertilg(en)“.483 In erster Linie waren dabei die Klöster gemeint, gegen welche die ‚Aufständischen‘ von Beginn an vorgingen. Zudem gibt der Ausdruck „gleichnerisch verfurung“ Aufschluss über den Modus der Unterdrückung des Evangeliums: gleisnerisch heißt heuchlerisch, und der Ausdruck verfürung wurde vor allem als bewusste Täuschung in religiösen Dingen verstanden.484 Ausformuliert bedeutet dies: Wider besseres Wissen hätten die altgläubigen Priester und Mönche der falschen Lehre den Anschein der Wahrheit gegeben und versucht, die Menschen zu betrügen. Kurz vor der militärischen Niederlage der Untertanen im Hochstift Würzburg gab die mit Bildhausen verbündete Bauernversammlung zu Würzburg eine Flugschrift in den Druck, in welcher sie ebenfalls auf die Unterdrückung des Evangeliums einging.485 darzu auch, das am beschwerlichsten ist, von etlichen vermainten gaistlichen und weltlichen obrickaiten unterstanden, iren unterthanen mit gewalt das hailig evangelion und wort gots, das ain ainige speys der selen ist, zu benemen, etliche falsche lerer dargeschaft, die wider die hailige geschrift ofentlich gepredigt, dazu beschutzt und verthaidingt, die rechtgeschafen cristliche lerer zu verjagen und zu vertreiben unterfangen, zum tail gefenklich angenomen, uncristlich mit vergiessung ires bluts ganz tyranisch und der gestalt gehandelt, ob es haiden oder Thurcken, so were es zu vil, alles wider die ehre gots gehandelt.486

Das Evangelium sei demzufolge bedroht durch das Verbot der evangelischen Lehre, der Anwendung von Gewalt gegen die Anhänger der neuen Glaubenslehre, der In-

481 Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.1.2. und 2.2.3. 482 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 447. 483 Ebd., I, S. 131f. Ähnlich auch: Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 124. 484 Schadewaldt, Wolfgang, Goethe Wörterbuch. Bd. 1–6, Stuttgart 1978–2012, Bd. 4, Sp. 307–312. 485 Noch am 5. April glaubten dagegen die Öhringer, dass die weltliche und geistliche Obrigkeit in der Lage sei, selbst eine Veränderung im christlichen Sinn durchzuführen. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 255– 258. 486 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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stallierung von falschen Predigern und der Vertreibung, Gefangennahme und Ermordung von Seelsorgern. Die Herrschenden hätten sich mit der Geistlichkeit gegen den wahren Glauben verbündet. Die Beschreibung dieser ungeheuerlichen Vorgänge gipfelt in der Anklage, die geistlichen und weltlichen Herren verhielten sich schlimmer als Heiden oder Türken. Sie befänden sich demzufolge außerhalb der christlichen Gemeinschaft. Mit dieser Stigmatisierung, die in der Publizistik der Zeit als einer der schlimmsten Vorwürfe galt, ist eine Appellfunktion verbunden. Die Christenheit müsse vor den falschen Herrschern und Geistlichen beschützt werden, die noch schlimmer als die zu dieser Zeit auf Wien vorrückenden Türken die Gemeinschaft der Gläubigen gefährdeten. In dieser vermeintlichen Situationsbeschreibung fielen Sachaussagen und Handlungsaufforderungen ineins.487 Wechselt man ein weiteres Mal die Untersuchungsregion, zeigt sich, dass diese Art der Beschreibung überaus typisch war. Vor allem die „Frankfurter Artikel“ richten sich explizit gegen den Klerus. So heißt es zu Beginn des Texts: So haben doch die geystlichen rotten, moͤ nch und pfaffen das (heilige Evangelium) vilfeltiglich, on allen grundt der warheyt, understanden zu verdrucken und noch mit iren tyrannischen anhengen, so vil in innen ist, zu verhindern sich befleyssen und gern eyn uffrure, die der teufel durch sie als seinen glidern, das volck understehen partheysch zu machen, die barmhertzikeyt Gottes zu erhalten, vermerckt wirdt unnd alle freüntlich ansuchung gegen ienen nitt hat helffen woͤ llen.488

In dieser kurzen Passage findet sich eine Vielzahl wiederkehrender, stereotyper Deutungsmuster. Der Vorwurf an die Geistlichkeit, das Evangelium absichtlich zu unterdrücken (Betrugsthese),489 die Deutung eines solchen Verhaltens als „uffrur“ (Umsturzthese),490 die Anschuldigung, Diener des Teufels zu sein (Teufelsnähe),491 die Zerrüttung der Gesellschaft (Uneinigkeitsvorwurf)492 und die Anklage, auf bisherige Bitten nicht reagiert zu haben (Untätigkeitsvorwurf).493 Weiter im Text wird

487 Schlimmer als die Heiden zu handeln, ist auch für Luther ein Anklagetopos, den er jedoch gegen die Bauern gerichtet gebraucht. Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3), S. 307. Zu Heiden und Türken als politische Stigmawörter vgl. Honecker, Vorreformatorische Schlagwörter (wie Anm. 46), S. 79–85. 488 Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. 489 Auch die Elsässer Bauern gingen davon aus, von der Priesterschaft betrogen worden zu sein. Buszello, Horst, Oberrheinlande, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 61– 96, S. 86. 490 Im Vorwort der „Zwölf Artikel“ wird ein aufrur ebenfalls mit der angeblich falschen Auslegung des Evangeliums in Verbindung gebracht. Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.1.2.1. 491 Vgl. auch: „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 125. 492 Zur Einigkeit als Ziel der ‚Erhebung‘ vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.1.1.1. 493 In der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ wurde dieser Umstand als Verstocktheit gedeutet. Ebd., S. 125.

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dem Klerus noch vorgeworfen, das Volk durch die falsche Lehre verführt zu haben (Verführungsthese)494 und sich der „hürerey“ hinzugeben (moralische Diskreditierung).495 Mit dem Topos von der Unterdrückung des Evangeliums ist allerdings nicht nur die Gefährdung des Seelenheils angesprochen, sondern auch die falsche Herrschaftsausübung von geistlichen und weltlichen Institutionen in einem weiteren Sinn. Die Klöster und Prälaturen, so die ‚Aufständischen‘ zu Bildhausen, seien nicht zu „setigen“ gewesen. Die eigene Armut resultierte für die Beteiligten aus der Nichtbeachtung des Evangeliums.496 Das Bild vom Evangelium als Speise der Seele enthielt für die Taubertaler einen sehr profanen Kern: Dadurch, dass ihnen das Evangelium als Speise vorenthalten wurde, litten sie unter Armut.497 Der Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ führt für die Unterdrückung des Evangeliums alleine niederträchtige Motive ins Feld: Dies geschehe aus „geytz und prachts wegen“.498 Angesichts der wahrgenommenen Situation entwarfen die ‚Aufständischen‘ für sich ein spezifisches Rollenbild, das anschlussfähig an zeitgenössische Diskussionen war. Die Vorstellung von der Durchsetzung des Evangeliums war in ihrem Diskurs verbunden mit dem Gedanken der Verteidigung göttlicher Prinzipien. Ihre Gegner waren dementsprechend die Aggressoren, während die Beteiligten defensiv handelten. Die Untertanen wollten in allen Aufstandsgebieten stets als wahre Christen das Evangelium befreien, hervorbringen, schirmen, schüzen und erhellen.499

494 Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. Vgl. auch die Beschwerdeartikel der Stadt Meiningen: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 199–202. Siehe auch den sog. Reichsreformentwurf Weygandts: Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 297. 495 Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. Hurerei galt generell als Stigma: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), S. 199–202. Nach Conrad glaubten die elsässischen Bauern, dass das unsittliche Treiben der Geistlichen ihr Seelenheil gefährdete: Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 98f. 496 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 137. 497 Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 281. Hochprogrammatisch in der Ochsenfurter Feldordnung: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144. 498 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 126. Für die Taubertaler: Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 281f. 499 Die Belegstellen können entnommen werden: Becker, „Göttliches Wort“, „Göttliches Recht“, „Göttliche Gerechtigkeit“ (wie Anm. 290), S. 244–260. Die Sprachbilder von Hell und Dunkel, Betrug und Wahrheit thematisiert auch Paul Burgard, der sie mit der frühen Reformation in Verbindung setzt, aber keine Verbindung zu dem zentralen Gedanken der Defensive herstellt. Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 308f.

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Ihre Widersacher wurden in dieser Logik in Oberschwaben, im Elsass und in Franken als reißende Wölfe bezeichnet, gegen die sich die ‚Aufständischen‘ verteidigen müssten.500 Diese Bildkonzepte standen in Verbindung zu einem Vorstellungsraum, welcher in der frühen Reformation gegen die Altgläubigen in Stellung gebracht wurde. Vergleicht man diese Metaphern in den Schriften der ‚Aufständischen‘ mit den Darstellungen zweier illustrierter Druckschriften, ergeben sich auffällige Parallelen. Im Flugblatt „Die päpstlichen Wölfe“ eines Anonymus aus dem Jahr 1520 (Abb. 1) und in dem bebilderten Gedicht „Die Wittenbergisch Nachtigall“ von Hans Sachs aus dem Jahr 1523 wird die Einführung der Reformation mit einer ähnlichen Bildsprache propagiert (Abb. 2).501 In beiden Bildern werden die Schafe Gottes von wilden Tieren bedroht. Im älteren Flugblatt greifen zwei Wölfe, die entsprechend ihrer Hüte für den Papst und einen Kardinal stehen, die Schafe an. Im illustrierten Gedicht des Hans Sachs werden die Schafe durch einen Löwen sowie durch Wölfe und Schlangen bedroht. Der Dichter erläutert in seinem Text, dass die Raubtiere den Papst, die hohe Geistlichkeit und die Ordensleute symbolisieren, die Schafe dagegen für die Bauern und das einfache Volk stehen. In beiden Darstellungen ist die Farbverteilung identisch angelegt. Die linke Seite ist jeweils hell, die rechte Seite dunkel schraffiert. Tag und Nacht, Wahrheit und Falschheit stehen sich auf diese Weise klar abgegrenzt gegenüber. Im Flugblatt weisen die Apostel Peter und Paul sowie der Reformator Martin Luther den Weg ins Licht. Im rechten Bildhintergrund ist dagegen eine dunkle Kirche als Symbol für den alten Glauben abgebildet. Ebenso stark ist die Farbverteilung im zweiten Bild mit Bedeutung aufgeladen. Martin Luther kündet in Gestalt einer Nachtigall vom baldigen Ende der Nacht. Die jahrhundertelange Unterdrückung des Evangeliums, so Hans Sachs, sei nun zu ihrem Ende gekommen. Der Übergang vom Dunkel ins Helle, von der Nacht zum Tag drückt in beiden Bildern eine Zeitenwende aus: die Überwindung eines falschen, Gott entgegengesetzten Glaubens.

500 Becker, „Göttliches Wort“, „Göttliches Recht“, „Göttliche Gerechtigkeit“ (wie Anm. 290), S. 250. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 126. Sehr instruktiv ist das Sprachbild, das Friedrich Weygandt verwendet: „Item das alle regels person als munch nonnen nolhart thumhern vnd ander irs gleichen, so in gaistlichem schein reyssende wolff erkent, wie am tag leit, sollen reformiert werden wie got geboten vnd Genesis auch Mathei am 19. geschriben statt.“ Sie besäßen nur den Schein der Geistlichkeit, seien reißende Wölfe und hätten das Evangelium verdunkelt. Die Wahrheit läge nun aber am Tag und sei für jedermann nachvollziehbar. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 297. 501 Einführend zum anonymen Flugblatt vgl. Oelke, Harry, Die Konfessionsbildung des 16. Jahrhunderts im Spiegel illustrierter Flugblätter (Arbeiten zur Kirchengeschichte, Bd. 57), Berlin 1992, S. 233. Die Abbildung wurde dem Anhang der Darstellung entnommen (dort Abb. 10). Zum Bild aus dem Gedicht von Hans Sachs vgl. Staatsbibliothek München, Rar. 1540. Dutschke, „Was ein singer soll singen“ (wie Anm. 200), S. 101–114.

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Abb. 1 „Die päpstlichen Wölfe“. Oelke, Harry, Die Konfessionsbildung des 16. Jahrhunderts im Spiegel illustrierter Flugblätter (Arbeiten zur Kirchengeschichte, Bd. 57), Berlin 1992, Anhang, Abb. 10.

Abb. 2 „Die Wittenbergisch Nachtigall“. Staatsbibliothek München, Rar. 1540.

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Im Gedicht von Hans Sachs und in der dazugehörigen Darstellung finden sich noch weitere Deutungsmuster: Die Schafe sind im Vergleich zum Flugblatt deutlich abgemagert. Der Papst habe, so Sachs, die Schafe von ihren eigentlichen Weidegründen mit List in die Wüste geführt, wo sie nur noch Dornen und Disteln essen könnten. Zudem hätten sie die Wölfe geschoren, gemolken, geschunden und gefressen und die Schlangen hätten sie außerdem ausgesaugt. Direkt kritisiert Sachs schließlich, dass sich der Klerus auf Kosten der einfachen Leute durch Steuern und Abgaben auf religiöse Praktiken bereichere. Zwischen der wirtschaftlichen Not der Untertanen und dem falschen Glauben wird eine enge Verbindung hergestellt. Die Geistlichen wenden nach Sachs „vil erlogner wort“ auf, um diese falschen Privilegien erhalten zu können. Mit der Verkündigung des Evangeliums sei aber nun eine Zeit der Erkenntnis und Erlösung angebrochen: Das Evangelium wirke erhellend.502 Die beiden Druckschriften spiegeln einen in der damaligen Zeit weit verbreiteten Antiklerikalismus wider und repräsentieren ein typisches Sprach- und Bildprogramm der frühen Reformation, in einer Umbruchszeit zu leben und mithilfe der aufklärerischen Kraft des Evangeliums von den betrügerischen und ausbeuterischen Verhältnissen erlöst zu werden.503 Zwischen den Bildern der Druckschriften und den Sprachbildern der ‚Aufständischen‘ existieren ohne Zweifel zahlreiche Überschneidungen. Auch die Untertanen verwendeten analog einem polarisierten Weltbild das Gegensatzpaar von Hell und Dunkel. Auch sie vertraten die Überzeugung, dass durch das leuchtende Evangelium eine neue Zeit angebrochen sei.504 Ebenfalls

502 Sachs, Hans, Die Wittenbergische Nachtigall, in: Flugschriften der frühen Reformationsbewegung. 1518–1524. 2 Bände, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1983, S. 590–613, S. 597. 503 So wurde in Nürnberg die Steuerimmunität der Kleriker mit der Begründung aufgehoben, da sich „dises feyernt volck, so allein von ander leut schwayß und plut lebt und garnichtz darumb thut.“ Die Kleriker sollten Bürger werden. Unweigerlich muss man an die Schlangen als Symbole für den Klerus im Bild der Nürnberger Dichters Hans Sachs denken, welche das Blut der Schafe trinken. Die massenwirksam verbreitete Sprache der Reformation wirkte auf die Vorstellungswelt der Zeitgenossen wohl stärker ein, als man es sich heute vorstellen kann. Zum Zitat vgl. Moeller, Bernd, Kleriker als Bürger, in: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971. Bd. 2, hg. von Hermann Heimpel (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 36,2), Göttingen 1972, S. 195–224, S. 221. Zu den Formen des Antiklerikalismus um 1500 vgl. Dykema, Peter A./ Obermann, Heiko A. (Hg.), Anticlericalism in late medieval and early modern Europe (Studies in medieval and reformation thought, Bd. 51), Leiden 1993. Zur reformatorisch geprägten Sprache vgl. Matheson, The Imaginative World of the Reformation (wie Anm. 4), S. 30–40. 504 Über die altgläubigen Geistlichen schrieben die ‚Aufständischen‘ zu Bildhausen und Aura. „und nachdem das wort gottes sich in zwaien oder treien jaren ongeverlich wider an das licht gethan, das sie dan selbst zum merer tail zu vertunkelen vervolgt haben, das sie den armen christglaubigen entzogen.“ Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 137. Einher mit diesem Bild ging die Vorstellung, dass die wahren Zustände am Tag lägen, also für jedermann offensichtlich seien. Bspw.: Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 297. Die Untertanen aus Oberschwaben wollten an der „erleuchtung des hailigen evangelion und gotlichem recht“ mitwirken und die Würt-

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sahen die ‚Aufständischen‘ das göttliche Wort und sich selbst von der Geistlichkeit bedroht und kritisierten den Betrug am Evangelium und die falschen Abgaben. Zwischen dem Gedicht von Hans Sachs und der Auslegung des Evangeliums durch die ‚Aufständischen‘ besteht jedoch ein Unterschied: Hans Sachs verbot wie Martin Luther den Bauern das eigenmächtige Vorgehen gegen die Geistlichkeit. Stattdessen sollten sie an das Evangelium glauben und auf das Eingreifen Gottes vertrauen. Die Frage, wie die Missstände abzustellen seien, trennte eindeutig die ‚Aufständischen‘ von den Anhängern Martin Luthers. Abgesehen davon dürfte die Annahme nicht zu hochgegriffen sein, dass die ‚Aufständischen‘ sich in einem weitgehend identischen Deutungsrahmen bewegten und dass das rasche Umsichgreifen des ‚Bauernkriegs‘ in Zusammenhang mit bereits verbreiteten und zumindest in Ansätzen bekannten reformatorischen Ideen stand.505 Als zentral für den Diskurs der ‚Aufständischen‘ lässt sich das Bedrohungsszenario fassen, von den Altgläubigen angegriffen zu werden. Blickt man in das Vorwort der „Zwölf Artikel“ wird dieses kulturell vermittelten Konfliktmuster auf die Rede von den „widerchristen“ verdichtet, die als „feynd des evangelii“ vorgestellt werden.506 Der Zusammenschluss der oberschwäbischen Bauern lässt sich somit als ein defensiver Akt verstehen, das Evangelium zu schützen. Dieses Deutungsmuster war überaus wirkungsmächtig, wie im Folgenden die Geschehnisse in den Städten Kitzingen und Bamberg zeigen. In Kitzingen hatte sich am 17. April eine kleine Gruppe von Einwohnern heimlich getroffen. Bereits einen Tag später traten die Beteiligten an die Öffentlichkeit und forderten die Stadtbewohner mit folgenden Worten auf, sich auf dem Markt-

temberger sahen durch das göttliche Wort die Welt das erste Mal „erleucht(et)“ und beschwerten sich deshalb über Ungerechtigkeiten. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1879, Nr. 110. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 7. Weitere Beispiele können bei Becker entnommen werden, der dieses Bild allerdings nicht mit der kulturell geprägten Darstellung der Reformation in Verbindung brachte: Becker, „Göttliches Wort“, „Göttliches Recht“, „Göttliche Gerechtigkeit“ (wie Anm. 290), S. 245f. 505 Walter Ziegler nimmt dementsprechend an, dass eine der Ursachen für den ausbleibenden ‚Bauernkrieg‘ in Bayern die Unterdrückung der reformatorischen Lehre darstellt. Ziegler, Walter, Kein Bauernkrieg im Herzogtum Bayern – kein Bauernkrieg im größten Teil des Reichs, in: Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg, Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 87–112. Die Diskussion um die Beeinflussung des ‚Bauernkriegs‘ durch die Reformation setzte auf polemischer Ebene freilich bereits im Jahr 1525 ein und wird in der Forschung natürlich unter anderen Bedingungen noch immer geführt. Zu den unterschiedlichen Positionen der letzten Jahrhunderte vgl. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), 1–16. 506 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26f.

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platz zu versammeln: „ihr brüder alle, die ihr das evangelium wollen helfen vertheidigen, die sollen mit harnisch und wehr auf den platz kommen“.507 Ähnlich begann auch die ‚Erhebung‘ in Bamberg. Dort wurde ein Gerücht in Umlauf gebracht, dass der Bischof gegen evangelisch gesonnene Prediger vorgehen wolle. Das Deutungsmuster der Bedrohung der evangelischen Lehre, das bereits latent vorhanden gewesen sein musste, hatte sich damit scheinbar bestätigt. Die Legitimation der ‚Erhebung‘ war folglich zuerst in der Verteidigung des Evangeliums gefunden worden.508 Der Gedanke der Defension stand überdies, wie die Kitzinger Ereignisse zeigen, mit einem eingeübten Handlungsmuster in Verbindung. So sollten sich die Einwohner auf dem Kitzinger Marktplatz nach dem Vorbild des Landesdefensionswesen bereits in voller Montur versammeln, als ob sie von einem äußeren Feind bedroht wären.509 So stark der Deutungsrahmen zwischen den einzelnen ‚Erhebungen‘ in diesem Punkt auch übereinstimmte, war mit der Vorstellung, das Evangelium zu beschützen, jedoch kein festes Handlungsprogramm verbunden, sondern eher ein Pool an möglichen Aktionen. Die Umsetzung des Vorhabens variierte zwischen den Haufen und konnte selbst innerhalb der einzelnen Versammlungen unterschiedlich verstanden werden. Als Gemeinsamkeit kann generell das Vorgehen gegen die Klöster angesehen werden. Wohl überall wollte man, wie es ein Topos der reformatorischen Bewegung war, die Klöster als geistliche Institutionen abschaffen.510 Für die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder sowie für die Bildhäuser heißt der Ausdruck, das evangelium zu beschüzen, Klöster und Burgen einzunehmen.511 Selbst die Belagerung von Burgen ließ sich in diesem Sinn als selbstschützender Akt verstehen,

507 Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 145. 508 Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 6f. 509 Vgl. zum Landesdefensionswesen als mentaler Filter der Beteiligten diese Arbeit Kapitel 2.2.1.2.5. 510 Vgl. Schnitzler, Norbert, „Kirchenbruch“ und „lose Rotten“. Gewalt, Recht und Reformation, in: Kulturelle Reformation. Sinnformation im Umbruch 1400–1600, hg. von Bernhard Jussen/ Craig Koslofsky (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 145), Göttingen 1999, S. 285–315. Für den ‚Bauernkrieg‘ sehr deutlich in: Die Kapitulationsurkunde des Erzstifts Mainz (wie Anm. 86), S. 58. Die Forderung nach Abschaffung der Klöster wurde allerdings nicht immer mit reformatorischen Forderungen in Verbindung gebracht. So heißt es in den Beschwerdeartikeln der Stadt Meiningen vage: „Item es ist ainer gemayn gutdunken und maynung, das das closter mocht abgethan werden, domit ferrer unrath und beschwert, so derhalb erwachsen mocht, vermiden pleiben“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 199. Bei den Taubertalern finden sich zudem die Anweisung, die Klöster abzubrechen. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 279f. 511 Zu den Taubertalern vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 395. Zu Bildhausen vgl. ebd., I, S. 404f. u. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 53f.

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wenn die Burgbesatzer die Ziele der Versammlung nicht akzeptierten.512 Auch die Württemberger verwendeten diesen Topos. Sie nahmen allerdings viel seltener als die anderen Versammlungen Klöster ein, sondern verlangten von den Klerikern eine Abgabe.513 Ein wichtiger Aspekt der Kloster- und Burgeinnahmen stellte die Umverteilung der dortigen Güter dar, sei es, um die Versammlung zu versorgen, oder sei es, um das Vermögen an die ‚Aufständischen‘ auszugeben. Diese Handlungen wurden auch, wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll, als Entschädigungen für die falsche Auslegung des Evangeliums verstanden.514 2.2.2.4.2 Die Gerechtigkeit handhaben In den Korrespondenzen der Untertanen sind die Vorstellungen, die mit den Wörtern gerechtikeit, ordnung und evangelium einhergehen, aufeinander bezogen und tendieren wie dargelegt zur Synonymie. Da der Diskurs der ‚Aufständischen‘ auf einer strikten Trennung von richtig und falsch beruhte, lässt sich zu diesen positiv besetzten Vorstellungen auch eine Antithese finden: die Idee des mutwilligen Verhaltens. So heißt es in den „Zwölf Artikeln“, „wir sollen in gepotten leben, nit yn freyem fleyschlichen muͦ twilen.“515 Auf die Denkfigur des Mutwillens machte vor allem Otto Brunner aufmerksam. Er legte dar, dass mutwilliges Verhalten seit dem Mittelalter als stigmatisierte Verhaltensweise galt, eigensinnig zu handeln, das heißt, ohne die Rückbindung an Gesetze und akzeptierte Praktiken zu agieren.516 Das mutwillige Verhalten stand damit außerhalb der Gemeinschaft. Die Inanspruchnahme dieses etablierten Konzepts kann als Indikator angesehen werden, wie die ‚Aufständischen‘ die Scheidelinie zwischen Recht und Unrecht zogen. In diesem Sinn konnten Kategorien und Handlungsweisen aus der Sphäre des Rechts, wie im Folgenden gezeigt werden soll, auf die Situation des Jahres 1525 übertragen werden. Im Modus der Kriminalisierung er-

512 Besonders augenfällig wird dies bei der Übergabeaufforderung der Würzburger Marienburg an die ‚Aufständischen‘. Dem Bischof wurden vier Tage Zeit eingeräumt, die Burg zu übergeben, denn ansonsten würden sich die ‚Aufständischen‘ „selbst […] beschirmen“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 192. 513 Zu Württemberg vgl. Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 35. 514 Die Klöster wurden eher übergeben, anstatt erstürmt und vielmehr leergeräumt als vollkommen zerstört. So berichtete etwa der Chronist des Speyerer Bischofs, dass die Untertanen das Kloster Herrenalb „sauber ußgeblundert“ hätten: Nicht einmal die Nägel in den Wänden hätten die ‚Aufständischen‘ zurückgelassen: Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 24–26. Zu Bildhausen siehe: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 83f., 85, 90f. u. 125f. Das In-Sicherheit-Bringen von Gütern des Adels war für die Bildhäuser Versammlung ein Grund, sie zu strafen. Ebd., II, S. 83. 515 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28. 516 Brunner, Land und Herrschaft (wie Anm. 180), S. 42f.

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folgten die Beschreibung der Ursachen, die Entfaltung einer spezifischen Handlungslogik und die Darlegung einer Zielperspektive. Martin Luther erkannte in dem Vorgehen der Untertanen ein Strafgericht Gottes über die Obrigkeit.517 Er stellte sich damit in eine Traditionslinie von Schriften, die bereits vor dem ‚Bauernkrieg‘ eine Veränderung weltlicher Missstände angemahnt hatten und gegenüber den Herrschern mit der Vorstellung argumentierten, dass eines Tages die Bauern als Werkzeuge Gottes die reformunwilligen Fürsten bestraften.518 Völlig unverblümt forderte er, dass die Altgläubigen, welche seiner Lehre im Wege stünden, bestraft werden sollten. Die Einführung der Reformation ging in diesem Sinn mit einem Strafaspekt einher.519 Diese Gedanken konnten bei den Untertanen leicht auf einen Resonanzboden treffen: So besaßen Straf- und Bußpraktiken als eingeübte Verhaltensrituale einen festen Platz im Leben der Gemeinde.520 Welche Grenzüberschreitungen aber wollten nun die Beteiligten strafen? Während des Jahres 1525 lassen sich zwei große Themenfelder identifizieren. Erstens wurde die falsche Auslegung des Evangeliums als Verbrechen angesehen. In der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ werden die Herrschenden als Räuber bezeichnet, da sie Abgaben verlangten, die nicht mit dem Evangelium kompatibel seien. In ihren Korrespondenzen erhoben auch die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder sowie der Württemberger Haufen den Raubvorwurf: Klöster und Herren hätten sich unrechtmäßig auf Kosten der Untertanen bereichert.521 Die bisherige Rechtsprechung und Regierungsausübung der Obrigkeit erschienen nun insgesamt als unchristlich, willkürlich und herrschsüchtig.522

517 Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3), S. 295–297. 518 Zu diesem Thema existiert eine längere Forschungstradition. Zuletzt äußerte sich hierzu: Marchal, Karsthans, Bundschuh und Eidgenossen (wie Anm. 133), bes. S. 250–258. 519 Luther, Wider den falsch genannten geistlichen Stand des Papsts und der Bischöfe (wie Anm. 200). 520 Vgl. grundlegend: Cashmere, John, The social uses of violance in ritual. Charivari or religious persecution, in: European History Quarterly 21 (1991), S. 291–319. Übertragbar auf das Jahr 1525 ist auch: Fouquet, Gerhard, Das Festmahl in den oberdeutschen Städten des Spätmittelalters. Zu Form, Funktion und Bedeutung des öffentlichen Konsums, in: Archiv für Kulturgeschichte 74 (1992), S. 83–123. Direkt mit Gewaltriten im ‚Bauernkrieg‘ setzen sich auseinander: Heimpel, Hermann, Fischerei und Bauernkrieg, in: Festschrift Percy Ernst Schramm zu seinem 70. Geburtstag. Bd. 1, hg. von Peter Classen/ Peter Scheibert, Wiesbaden 1964, S. 353–372. Nitz, Stephan, Handlungsfähigkeit im Deutschen Bauernkrieg. Vorstellungen des gemeinen Mannes von den Bedingungen des Aufstandes, Univ. Diss. Frankfurt am Main 1979, S. 129–182. Und: Burgard, Tagebuch einer Revolte (wie Anm. 30), S. 111–132. 521 Vgl. besonders: „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 123–128. Als Räuber werden sie auch in der Flugschrift der fränkischen Versammlungen vor Würzburg bezeichnet: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie

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Zweitens erschufen die Untertanen durch ihr Vorgehen aber auch erst eine Reihe von Delikten, gegen die sie vorgehen konnten. So wurde bereits der Nicht-Anschluss an die Versammlung als Normverletzung aufgefasst, da sich dieses Verhalten gegen das Evangelium richte, welches die Beteiligten umsetzten wollten.523 Wie schon dargelegt, wendeten die Beteiligten gegen diese Vergehen ein unterschiedliches Strafrepertoire von der Bannung bis zur Hinrichtung der Übeltäter an. Aber auch innerhalb der Versammlungen wurden abweichende Verhaltensweisen von den selbst aufgestellten Normen unter Strafe gestellt.524 Die Redeweise von der handhabung der gerechtikeit war kompatibel mit einer Vielzahl an rituellen Verfahrensweisen zur Bestrafung von Übeltätern und zur Herstellung einer neuen Ordnung. Hinter diesen Aktionen stand offensichtlich das schwer in Worte zu überführende Gefühl, über Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinweg ungerecht behandelt worden zu sein. Als die wichtigsten Buß- und Strafpraktiken sind zu nennen: die Anrufung von Gerichten, das sog. Austrinken und Leerräumen, die Erhebung von Strafabgaben sowie die Zerstörung von Burgen und Klöstern.525 Den juristisch formalisierten Weg wählten nur wenige Versammlungen. So reichten etwa die Stühlinger Untertanen am 6. April 1525 ihre Forderungen vor dem Reichskammergericht in Esslingen ein.526 Ihre 62 Artikel begründeten sie nur rudimentär mit religiösen Argumenten. Stattdessen forderten sie eine Rücknahme von Neuerungen, die ihr Leben immer stärker belastet hätten. Im fünften Artikel prangerten sie etwa die Verwüstung ihrer Äcker an, welche durch die herrschaftliche Jagd stark beschädigt worden seien. Für die entstandenen Zerstörungen sollten die

Anm. 87), S. 73f. Oder auch vom Württemberger Haufen: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 7. 522 Über Adelige vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 128f. u. 288f. Besonders deutlich wird dies in der Flugschrift der fränkischen Versammlung vor Würzburg angeprangert: ebd., I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. Für Württemberg: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 42. 523 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 37 u. 399. 524 Dieses Prinzip ist gattungskonstitutiv für die Lagerordnungen: Die Memminger (Allgäuer) Bundesordnung (wie Anm. 140). Siehe auch: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144–149. 525 Sicherlich könnte man an dieser Stelle noch weitere Handlungen wie etwa die Befreiung von Gefangenen anführen. Siehe etwa: Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 72 oder Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 562. 526 Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 199. Zu einer umfassenden Einordnung der Klageschrift vgl. Oka, Hiroto, Der Bauernkrieg in der Landschaft Stühlingen und seine Vorgeschichte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, Univ. Diss. Konstanz 1995, S. 241–269.

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Landgrafen und deren Angehörige bestraft und die Bevölkerung entschädigt werden. Die Untertanen erhofften sich von diesem rechtlichen Verfahren wohl drei Ergebnisse. Erstens die Änderung von Regelungen und Gesetzen, zweitens die Entschädigung für hervorgerufenen Schäden und drittens die öffentliche Verurteilung der Obrigkeit. Neben Verbesserungen der Zustände, die mit der Klageschrift in Verbindung stand, ging es auch um die symbolischen Akte der Verurteilung.527 Die Strafhandlungen, die im ‚Bauernkrieg‘ tatsächlich durchgeführt wurden, ordnete aber keine juristische Behörde an. Stattdessen handelten die Untertanen selbst. Im Herzogtum Württemberg fand dieser Akt auf eine sehr formalisierte Art und Weise statt. Für die Bestrafung der Rechtsbrecher wurden Strafmeister aus den Reihen der ‚Aufständischen‘ bestellt. Zumindest von den obersten Strafmeistern liegt eine Aufstellung über deren Eingaben und Ausgaben vor. Danach richtete sich die Bestrafung ausschließlich gegen die Geistlichkeit.528 Die Mitglieder der Haufen wurden dazu angehalten, nach strafwürdigen Personen Ausschau zu halten. Eine genaue Charakterisierung dieser Personengruppe wurde nicht aufgestellt, man überließ es stattdessen den ‚Aufständischen‘ vor Ort, diese Personen selbst zu bestimmen. Die Hauptmänner Hans Wunderer und Matern Feuerbacher dachten dabei in erster Linie an die Mitglieder der geistlichen Stifte.529 Wie auch in den anderen Haufen wurden Vermögenswerte von Beutemeistern konfisziert, welche die Aufgabe hatten, sie gerecht an die Angehörigen der Haufen zu verteilen.530 Über deren Ein- und Ausgaben findet sich bei den Württembergern ebenfalls eine Aufstellung. Die Listen der Strafmeister und der Beutemeister überschneiden sich recht deutlich. Die Beutemeister gingen nur gegen Priester des Herzogtums vor, erhoben aber im Gegensatz zu den Strafmeistern keine Abgaben von den Klöstern. Ob sie selbstständig agierten und somit die Priesterschaft doppelt straften oder ob es sich um Übergaben aus der Kasse der Strafmeister handelt, bleibt unklar. In beiden Fällen werden jedoch kaum Naturalien oder Gegenstände als Abgaben aufgelistet, sondern fast ausschließlich Geldzahlungen, ein Vorgang, der für das stark institutionalisierte Vorgehen der Württemberger spricht.

527 Im fünfzehnten Artikel heißt es nicht zufällig, man möge die Herrschaft für die Zerstörungen der Äcker „pfenden vnd strafen“. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 199. 528 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 87. Zu den trotzdem teils unkontrollierten Stürmen: Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30), S. 279–286. 529 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 30. 530 Das Amt des Beutemeisters findet sich auch bei den Taubertalern: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 147. Die Bildhäuser kontrollierten ebenfalls die Güter der eigenommenen Institutionen zentralistisch, auch wenn sich keine Hinweise auf das Amt des Beutemeisters finden lassen. Ebd., II, S. 90f.

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Dass die Verbreitung der Aussage, für die Gerechtigkeit einzutreten, auf einen Widerhall stieß, zeigt für die Württemberger folgender Umstand: Personen, die nicht zum Haufen gehörten, sprachen die Hauptleute als „schitzer, schirmer, handhaber und volstrecker der gerechtigkait“ an. Die Namensgebung hatte zweifellos Appellfunktion. In einem Fall sollte der Haufen dazu bewegt werden, den Predigern zu Stuttgart 1500 fl. wegzunehmen, um diese den beschädigten Untertanen wiederzugeben.531 In einem anderen Fall bat der Amtmann zu Gochsheim die Versammlung um die Aufnahme seines Herren, Graf Wilhelm von Eberstein, in die Vereinigung. Die Paraphrase, die gerechtikeit zu schirmen, wurde auf diese Weise aus der Fremdperspektive namengebend für die Anführer und damit wohl auch insgesamt für das Anliegen der Beteiligten.532 Während in Württemberg Gewaltaktionen bis zur Konfrontation mit dem Schwäbischen Bund Seltenheitswert besaßen, können für andere Regionen wie Oberschwaben, Franken, Thüringen und dem Schwarzwald sowie dem Oberrheingebiet wohl die meisten der Gewalthandlungen der ‚Aufständischen‘ auf andere Formen der Sühne- und Strafpraktiken zurückgeführt werden. In seiner kaum beachteten Dissertation hatte Stephan Nitz schon 1979 auf die Verfahren des Austrinkens, des Leeressens und des Ausräumens für diese Regionen hingewiesen.533 Das Austrinken und das Leeressen charakterisiert Lorenz Fries, der Chronist des Würzburger Bischofs, diffamierend aus der obrigkeitsstaatlichen Perspektive. „wa sie hinkamen oder lagen, fielen sie in die clöster, pfaffenheuser, der obrickait chasten und keller, schlempten und dempten, diewyl da was. […] trunkener, voller, ungeschickter leute hat man kaum mehr bey ainander gesehen.“ Angesichts dieses Charakteristikums verhöhnt er die Ereignisse und überlegt, ob man die Begebenheit „mehr ain baurenkrieg oder weinkrieg nennen solte“.534 Den ‚Aufständischen‘ ging es aber wohl weniger um den Wein an sich. Übriggebliebene Weinfässer wurden nach dem gemeinsamen Mahl häufig zerstört, anstatt

531 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 84. 532 In diesem Dokument werden die versammelten Bauern als „schirmer gottlicher gerechtigkeit“ bezeichnet. Ebd., Nr. 46. 533 Die Belege für die nachfolgende Argumentation zum Essen und Trinken während des ‚Bauernkriegs‘ können entnommen werden: Nitz, Handlungsfähigkeit im Deutschen Bauernkrieg (wie Anm. 520), S. 129–182. Wie wenig dieses Wissen in den Forschungsdiskurs vorgedrungen ist, zeigt exemplarisch die Feststellung von Pfeiffer: „Aber die Unbeherrschtheit der Massen führte oft nicht nur zu Fress- und Saufgelagen, sondern hatte einen sinnlosen Vandalismus zu Folge, bei dem gelegentlich die Bauern bis an die Knöchel im Wein wateten.“ Pfeiffer, Gerhard, Der Bauernkrieg 1525. Offene Frage – kontroverse Antworten, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 50 (1990), S. 123–160, S. 126. Indirekt wieder aufgegriffen wurden die Nitzschen Thesen von Peter Kamber, der sich ebenfalls auf die Arbeiten von Hans Georg Wackernagel zur Interpretation reformatorischer Gewalt stützt. Kamber, Reformation als bäuerliche Revolution (wie Anm. 158), S. 404. 534 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 29f.

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sie mitzunehmen. Die Handlungen stellten somit auch symbolische Aktionen dar. Für die Schweiz und England ist das Austrinken und Leeressen als Strafritus besser erforscht. Die Beteiligten, meist die Bewohner der Nachbarschaft oder einer ganzen Gemeinde, übertraten die Grenzen des Erlaubten ganz bewusst. Sie drangen gewaltsam in das Haus des Rechtsbrechers ein und vernichteten Essen und Trinken, wodurch symbolisch eine Vertreibung angedeutet wurde. In diesem Verfahren wurde die Verfehlung des Delinquenten in Aktionen der Gemeinschaft übersetzt, wodurch das fehlende Einverständnis mit seinen Handlungen zum Ausdruck gebracht wurde und man dem Rechtsbrecher sein Vergehen plakativ vor Augen führte. Diese Verhaltensweisen diskreditierten demzufolge nicht den Trinkenden, wie Lorenz Fries es darstellte, sondern sein Gegenüber, das nicht als Opfer, sondern als Verursacher dieser Handlungen angesehen werden konnte. Sein Verhalten wurde auf diese Weise verurteilt und zurückgewiesen. Mit dem Austrinken und dem Leeressen ging meist das Ausräumen der Wohnung des Rechtsbrechers einher. Dabei wurde eine Unterscheidung zwischen der Mitnahme von Eigentum und der Zerstörung des Hauses vorgenommen. So finden sich mehrere Nachrichten aus dem ‚Bauernkrieg‘, die darüber Auskunft geben, dass Feuer, welches Einzeltäter in den Klöstern legten, von der Mehrheit gelöscht wurde. Das Eigentum verteilte man oder wollte es bis zum Ende der Aktionen aufbewahren. Die Mitnahme konnte als Entschädigung für das erlittene Unrecht verstanden werden. In diesem Sinn überlagerten sich reformatorisch motivierte Handlungen und die rechtliche Wahrnehmung der Geschehnisse. Die Wegnahme der Nahrung oder das gemeinsame Mahl mit den Rechtsbrechern wirkte in vielen Fällen geradezu deeskalierend. So stelle die Verproviantierung des Haufens bereits eine Handlung dar, die als Unterstützung und Anschluss an die Versammlung verstanden werden konnte.535 Häufig folgte auf diese Aktionen ein offizieller Beitritt der ehemaligen Rechtsbrecher in die Einigung durch die Ablegung eines Eids.536 Die Versammlung der Tauber- und Neckartaler hatte ihrer Flugschrift vom 26. Mai 1525 eine Überschrift gegeben, in welcher sie die Adressaten der Schrift und die Ziele ihres Vorhabens benannten: „Ermanung an Churfursten, Fursten, Hern und

535 Die anonyme Chronistin des Klosters Heggbach berichtet, dass das Konvent unfreiwillig in die Bauernvereinigung aufgenommen worden sei, nachdem die ‚Aufständischen‘ in das Kloster eingedrungen wären, die Naturalien weggebracht und ein rotes Kreuz auf dem Klostertor aufgemalt hätten. Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 282–284. Nach der ‚Erhebung‘ ereignete sich zwischen der Reichsstadt Windsheim und dem Markgrafen von Ansbach eine Kontroverse über die Stellung der Stadt im ‚Bauernkrieg‘, die schließlich als Rechtsstreit vor dem Schwäbischen Bund ausgetragen wurde. Rechter, Gerhard, Der Bauernkrieg im oberen Aischgrund, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 91 (1982/83), S. 53–62. Der Chronist der Ereignisse Johann Greffinger pochte in seiner Darstellung darauf, dass die Stadt eine Neutralitätspolitik verfolgt habe, sowohl die ‚Aufständischen‘ wie auch den Markgrafen mit Proviant zu versorgen. Stadtarchiv Bad Windsheim, B 207, S. 53–59. 536 Siehe diese Arbeit Kapitel 1.4. u. 2.2.1.2.4.

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Stende teutzscher nation: der brüderlichen versamlung im land zu Franken begangen vbels zu straffen vnd gemeynen frieden hinfürter zu fürdern vnnd handthaben.“ Als „beschedigt“, wie sie später im Text ausführten, sahen sich die Untertanen aus drei Gründen. Erstens habe eine willkürliche Rechtsprechung eingesetzt, zweitens hätten sie „verdurbliche(n) schaden“ durch „unbillich(e)“ Abgaben und Dienste erlitten, und drittens unterdrücke man das Evangelium. Ihre Handlungen dienten daher der Gerechtigkeit und dem Frieden. Nach ihrer Argumentation gingen die Untertanen gegen Friedensbrecher vor. Wie sie selbst angaben, erstreckte sich das Strafverfahren auch auf die Zerstörung von Burgen, aus denen dieses Unheil geflossen sei.537 Als wichtigste Beweggründe für die Strafpraktiken können die Entschädigung und die Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht sowie die plakative Verurteilung der Rechtsbrecher und die Verhinderung weiteren Unrechts angesehen werden. Die Handlungen, die aus der Sphäre des Rechts stammten, überlagerten sich mit solchen, die ihren Ursprung in der Reformation besaßen. Einzelne Handlungen wie Klöster- und Burgeneinnahmen mussten für die Beteiligten verschiedenes bedeutet haben. Es wird jedoch offensichtlich, dass Strafaktionen den Alltag der ‚Erhebung‘ im höchsten Maße durchzogen. Die Handlungen der Versammlungen, welche auf bereits existierende rituelle Verfahren zurückgreifen konnten, präsentierten sich auf diese Weise als ein performativer Akt zur Schaffung einer besseren Welt. In sehr verdichteter Form fasste der bischöfliche Schreiber aus Speyer diese Anliegen der ‚Aufständischen‘ folgendermaßen zusammen: „und weren entschlossen, die vermeindt nichtswert geistlichen, die allen obern und nidern landen schedlich gewesen, zu straffen, und ir gebewe dem gemeinen nutz zutzuwenden, wollten auch die uberflussige geistliche abschaffen“. Damit sind die Kernmotive der Beteiligten genannt: die Umverteilung von Kirchenbesitz im Sinn des gemeinen nuzens, die Bestrafung der Geistlichen für ihren verursachten Schaden und die Einführung einer neuen Glaubenslehre.538

537 Der Titel ist nur im Original überliefert. Stadtbibliothek Mainz, 11 Il 625 4°. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. Und: Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f. Nach Martin Cronthal wollten sich die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder statt sich mit dem Bischof auf dem Landtag Ende April 1525 zu einigen, alle unchristlichen Menschen strafen. Ebd., I, S. 40. Dieses Motiv findet sich auch bei den Bildhäusern, jedoch erst nachdem der Landtag gescheitert war. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 81f. 538 Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 27. Auch an anderer Stelle nennt der Autor die Bestrafung der Pfaffen als Handlungsgrund der Untertanen: ebd., S. 25. Der Bamberger Chronist Marx Halbritter gibt an, dass die ‚Aufständischen‘ geglaubt hätten, dass die Stifte ihre Schulden bezahlen sollten. Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 27. Der Bamberger Bischof akzeptierte dieses Deutungsmuster schließlich, um den Konflikt zu entschärfen. Er erkannte an, dass die Burgenstürme eine defensive Verhaltensweise darstellten und in Zukunft das Einkommen der Klöster anders verwendet werden müsse: ebd., S. 29–32.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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2.2.2.4.3 Die Belastungen mindern – Der ‚Bauernkrieg‘ als reformation Auffällig häufig wurde das Schlagwort der beschwerde in den Ausschreiben der ‚Aufständischen‘ verwendet. Die Analyse des Wortes setzt im Folgenden an zwei Punkten an. Erstens stand die Formulierung, beschwert zu sein, in Verbindung zu einer spezifischen Vorstellungswelt, wie die Untertanen ihre Rolle in der politischen Arena bewerteten. Ganz allgemein gesprochen, wurde unter einer beschwerde eine konkrete Belastung der Untertanen, etwa durch zu hohe Abgaben und Pflichten verstanden. Das Wort konnte aber auch als Sammelbezeichnung für alle Anliegen der ‚Aufständischen‘ eingesetzt werden. So lautet die Überschrift der „Zwölf Artikel“: „Dye Grundtlichen Vnd rechten haupt ‖ Artickel, aller Baurschafft vnnd ‖ Hyndersessen der Gaistlichen un̅ ‖ Weltlichen oberkayten von ‖ woͤlchen sy sich beschwert ‖ vermainen“.539 Von diesem Sprachbild, einer bedrückenden Last ausgesetzt zu sein, auf das im Folgenden detailliert eingegangen wird, leitet sich zweitens eine metonymische Verwendung ab. Als Beschwerdeschriften wird eine Textgattung bezeichnet, die einen gesellschaftlich sanktionierten Kommunikations- und Handlungsraum zwischen den Untertanen, die unter Belastungen litten, und den Herrschenden eröffnete, welche diese Missstände zu lindern hatten.540 Entsprechend der Metapherntheorie von Lakoff und Johnson lässt sich das Sprachbild, welches dem Wort beschwerde zu Grunde liegt, als eine konzeptuelle Metapher analysieren. Unter einer Metapher verstehen Lakoff und Johnson analog zum traditionellen Begriffsverständnis die Transferleistung, Vorstellungen aus einem Gegenstandsbereich auf einen anderen zu übertragen.541 Mit dem Terminus konzeptuelle Metapher verbindet sich aber auch ein Konzept der Kognitiven Linguistik. Lakoff und Johnson gehen davon aus, dass konzeptuelle Metaphern das

539 Götze, Die zwölf Artikel der Bauern 1525 (wie Anm. 3), S. 8. 540 Als vorreformatorisches Schlagwort klassifiziert Honecker den Ausdruck beschwerde: Honecker, Vorreformatorische Schlagwörter (wie Anm. 46), S. 121–124. Grundlegend zur sozialen Wirklichkeit der Beschwerdeartikel als Bestandteil der politischen Kommunikation vgl. Blickle, Renate, Laufen gen Hof. Die Beschwerden der Untertanen und die Entstehung des Hofrats in Bayern. Ein Beitrag zu den Varianten rechtlicher Verfahren im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Gemeinde und Staat im Alten Europa, hg. von Peter Blickle/ Rosi Fuhrmann (Historische Zeitschrift, Beihefte, NF, Bd. 25), München 1998, S. 241–265. Fuhrmann, Rosi/ Kümin, Beat/ Würgler, Andreas, Supplizierende Gemeinden. Aspekte einer vergleichenden Quellenbetrachtung, in: Gemeinde und Staat im Alten Europa, hg. von Peter Blickle/ Rosi Fuhrmann (Historische Zeitschrift, Beihefte, NF, Bd. 25), München 1998, S. 267–323. Und: Blickle, Peter, Beschwerden und Polizeien. Die Legitimation des modernen Staates durch Verfahren und Normen, in: Gute Policey als Politik im 16. Jahrhundert. Die Entstehung des öffentlichen Raumes in Oberdeutschland, hg. von Peter Blickle/ Andrea Schüpbach (Studien zu Policey und Policeywissenschaft), Frankfurt am Main 2003, S. 549– 568. 541 Lakoff, George/ Johnson, Mark, Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern (Kommunikationswissenschaften), 8. Auflage Heidelberg 2008, S. 13.

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menschliche Alltagsleben durchdringen, „und zwar nicht nur unsere Sprache, sondern auch unser Denken und Handeln.“542 Wie Metaphern oft unbewusst wirken, erläutern sie an einem Beispiel, das hier kurz wiedergegeben sei, um das Modell der konzeptuellen Metapher zu verdeutlichen. Wenn Menschen argumentieren, verwenden sich häufig folgende Äußerungen: Ihre Behauptung sind unhaltbar. Er griff jeden Schwachpunkt in meiner Argumentation an. Die Kritik traf ins Schwarze. „Ich schmetterte seine Argumente ab. Ich habe noch nie eine Auseinandersetzung mit ihm gewonnen. Sie sind anderer Meinung? Nun, schießen Sie los! Wenn du nach dieser Strategie vorgehst, wird er dich vernichten. Er machte alle meine Argumente nieder.543

Die zugrundeliegende Metapher lautet: Argumentieren ist Krieg. Die Schlussfolgerungen Lakoffs und Johnsons sind nicht zu hoch gegriffen. Diejenigen, die so über eine Diskussion sprechen, verhalten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch so, als ob sie einem Feind gegenüberstünden. Demnach existiert zwischen der Sprache, dem Denken und dem Handeln eine Verbindung, die in den entsprechenden Metaphernkonzepten begründet liegt. Würde man, so die suggestive Frage von Lakoff und Johnson, Argumentieren noch als Argumentieren erkennen können, wenn das Argumentieren mit der Vorstellung des Tanzens verknüpft wäre?544 In diesem Modell stehen demnach das kulturelle System sowie die Sprache der Zeitgenossen und die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen in einem engen Zusammenhang. Dabei sind die jeweiligen Metaphernkonzepte kulturell vorgegeben und können den Einzelnen in den jeweiligen Handlungsbereichen lenken. Auch für die historische Forschung ist der Ansatz von Lakoff und Johnson von großem Interesse. Das Verständnis bestimmter Gegenstandsfelder kann anhand der sprachlichen Mittel, welche die Beteiligten zu deren Beschreibung verwendeten, rekonstruiert werden. Empirische Studien belegen die Aussagekraft des Ansatzes, warnen jedoch davor, pauschal einen zu direkten Zusammenhang zwischen dem kulturellen System und der Vorstellungswelt des Einzelnen herzustellen. So besitzen die jeweiligen Metaphernkonzepte nicht für alle Menschen eine ähnlich hohe Verbindlichkeit.545 Für den ‚Bauernkrieg‘ stellt sich zudem die schon mehrmals er-

542 Ebd., S. 11. 543 Ebd., S. 12. 544 Ebd., S. 13. 545 Vor allem wird diese Methode in der qualitativen Sozialforschung und der Diskursanalyse verwendet und kann als etabliert gelten. Vgl. exemplarisch: Schmitt, Rudolf, Metaphernanalyse, in: Handbuch qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit, hg. von Karin Bock/ Ingrid Miethe, Opladen,

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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örterte Quellenproblematik, ob die Sprache der Korrespondenzen repräsentativ für die Sprache der breiten Masse war. Nimmt man eine hohen Übereinstimmung der beiden Ebenen an, worauf die Entstehung der Schriftstücke und ihr Charakter als Werbungsschreiben hinweisen, ergeben sich aufschlussreiche Rückschlüsse, wie die Beteiligten bestimmte Vorgänge wahrgenommen haben könnten.546 Im Korpus der Bildhäuser Versammlung kommt das Lemma beschwer insgesamt 88 Mal vor und wird adjektivisch 39 Mal (beschwert und beschwerlich) und substantivisch in den Formen von beschwernis (15 Mal), beschwerung (11 Mal), beschwerde (21 Mal) und beschwerdeartikel (zweimal) verwendet. Überprüft man die 88 Belegstellen des Lemmas beschwer in den Schriften der Bildhäuser, findet sich der Ausdruck überwiegend mit einer spezifischen Bildlichkeit verknüpft. Die beschwerden wurden wahrgenommen als (schwere) auflagen (dreimal), bürden (zweimal) und lasten (zweimal).547 Die Menschen seien von ihnen beladen (einmal).548 beschwerden seien zu tragen (zweimal).549 Sie seien den Untertanen aufer-

Berlin, Toronto 2010, S. 325–335. Eine vorbildliche Rezension schrieb derselbe Autor bereits anlässlich der deutschen Übersetzung des Werkes: Rudolf Schmitt, Diskussion ist Krieg, Liebe ist eine Reise, und die qualitative Forschung braucht eine Brille. Review Essay (2007) http://www.systemagazin.de/buecher/klassiker/lakoff_johnson_metaphern.php (26.03.2016). Siehe auch: Niehr, Einführung in die Politolinguistik (wie Anm. 58), S. 144–151. 546 Ein möglicher Kritikpunkt gegen diesen Ansatz stellt die hochgradig konventionalisierte, fast lexikalisierte Form dar, wie die Verben mit dem Substantiv beschwerde verknüpft waren. Mit Lakoff und Johnson kann man jedoch von kaum oder nur schwer hinterfragbaren Gedankenverbindungen ausgehen, die in einer Kultur als Rezeptionsvorlagen kursieren. Lakoff, George/ Wehling, Elisabeth, Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht (Kommunikation, Gesellschaft), 2. Auflage Heidelberg 2009, S. 13–34. Die beschwerde funktionierte in diesem Sinn nicht nur bei den Untertanen als politische Metapher, unzählige Beispiele ließen sich anführen, deren spezifisches Metaphernverständnis jedoch zu erörtern wäre. So wird zum Beispiel in der Würzburger Kanzleiordnung von 1546 das Hochstift als bedrohter Körper beschrieben, wenn dieses rechtlich oder militärisch angegriffen werde. In einem solchen Fall sei es die Aufgabe des Gebrechenamtes, „unsern stifte aus solchen beschwerden wider (heraus zu) ruchken“. Zitat nach: Heinrich, Friedrich, Das fürstlich würzburgische Gebrechenamt. Ein Beitrag zur Organisation der Zentralbehörden im Hochstift Würzburg vom Beginn des 16. Jahrhunderts bis zur Säkularisation, in: Archiv des Historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 68 (1929), S. 1–142, S. 122f. Diese Metapher scheint eine lange Tradition zu besitzen. In den lateinischen gravamina (Beschwerdeartikeln) steckt ebenfalls die Schwere (gravus) und auch heute noch beschwert man sich, wenn man mit Entscheidungen unzufrieden ist. Ihre zentrale Stellung im politischen Diskurs hat dieses Sprachbild aber zweifellos eingebüßt, auch wenn heute noch von Steuerbelastungen des Staates auf die Bürger die Rede ist. 547 Zur auflage siehe: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 137 (schwere auflagen), 428–430 u. II, 165. Zur bürde siehe: ebd., I. S. 347f. u. II, 168f. Zur last siehe: ebd., I, S. 347f. u. II, 168f. 548 Ebd., II, S. 165. 549 Ebd., I, S. 395 u. II, 165.

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legt (sechsmal)550 und würden ihnen unerträglich (fünfmal).551 Die Verringerung von Pflichten bedeutet etwa, dass die Obrigkeit die beschwerden entheben (einmal), erleichtern (viermal), erniedern (einmal), nachlassen (zweimal), geringern (zweimal), abschaffen (einmal), abtun (viermal), abstellen (einmal), ablegen (zweimal) und den Untertanen von ihnen abhelfen (einmal) sollten, so dass diese von ihren Bürden abkommen (zweimal).552 Entsprechend dieser Bildlichkeit wurden die Gegenstände der beschwerden als Lasten imaginiert, die auf Menschen wie ein schweres Gewicht einwirken und sie zu erdrücken drohen. Politisch beschwert zu sein, hieß demnach, körperlich zu leiden. Die Metapher funktionierte folglich wie ein Zahnriemen zwischen dem Individuellen und dem Politischen. Schlechte Politik verursachte den Menschen Schmerzen und existenzielle Angst. Das Gefühl, sich beschwert zu fühlen, stellte einen gerechtfertigten Ausgangspunkt für politische Forderungen dar. Entsprechend der Metapher gab es eine Instanz, an die man sich wenden musste, um das Leid zu mindern: den Herrschenden. Dieser sollte, um in der Metapher zu sprechen, die auferlegten Lasten leichter machen oder abstellen – beziehungsweise die schlechte Politik in eine gute Regierungsweise überführen. Die Metapher erschuf damit eine Vorstellung vom Verhältnis zwischen den Untertanen und der Obrigkeit und übersetzte falsche Politik in körperliches Leid. Das Sprachbild bezog sich damit auf den persönlichen Nahbereich des Politischen553 Die Metapher wurde im Jahr 1525 allerdings an eine abstrakte Vorstellung gekoppelt. So schrieben etwa die Bildhäuser, dass ihnen ihre Lasten „wider gotliche und cristliche

550 Zum Ausdruck, auferlegt von der Obrigkeit, siehe: ebd., I, S. 347f. u. II, 168f. In anderen Fällen bleibt unklar, von wem: ebd., I, S. 415, II, 169, 312 u. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 291. 551 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 347f., II, 168f., 306–308 u. 315f. 552 Zum Ausdruck entheben vgl. ebd., II, S. 165. Zum Ausdruck erleichtern: ebd., I, S. 347, II, 57 (Der Bischof müsse die Beschwerden „erleychtern und geringmessiger machen“), 72–75 u. 172. Zum Ausdruck erniedern vgl. ebd., II, S. 283–286. Zum Ausdruck abtun vgl. ebd., I, S. 415, II, 165, 306–308 u. 315–318. Zum Ausdruck nachlassen vgl. ebd., I, S. 347 u. II, 168. Zum Ausdruck geringern vgl. ebd., II, S. 77f. u. 283–286 (ernidern und geringern). Zum Ausdruck abschaffen vgl. ebd., II, S. 233–237. Zum Ausdruck abkommen vgl. ebd., I, S. 347f. u. II, 168f. Zum Ausdruck abstellen vgl. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 349. Zum Ausdruck ablegen vgl. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 315–318 u. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 124. Zum Ausdruck abhelfen vgl. ebd., I, S. 291. 553 Das körperliche Leid aufgrund der Belastungen wird etwa von den Taubertalern sehr anschaulich beschrieben: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 294f. u. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 73f.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft 

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ordnung und geschrift“ auferlegt worden seien.554 In diesem Sinn bildete die richtige Auslegung des Evangeliums den Maßstab für ein erträgliches Leben. Das Metaphernkonzept war damit nicht nur lebenspraktisch verankert, sondern wurde auf die Sphäre des Politischen und Religiösen insgesamt übertragen. Falsche Politik, unabhängig davon, um welche Verfehlung es sich handelte, konnte folglich als körperliches Leid wahrgenommen werden. Die wahre Bibelauslegung bildete das entscheidende Bewertungskriterium für die Schwere der Lasten. Einher mit dieser Vorstellung ging das Verständnis des eigenen Handelns als selbstschützender Akt. Die Forderung nach Abstellung der Missstände wurde als die Verteidigung der eigenen Existenz verstanden. Bereits im Jahr 1987 hatte Renate Blickle für das spätmittelalterliche Herzogtum Bayern auf eine ähnliche Vorstellung aufmerksam gemacht. Das Konzept der Hausnotdurft umfasste die Überzeugung der Untertanen, dass jeder Mensch einen Anspruch auf eine angemessene Lebenshaltung besitze.555 Der Terminus notdurft wurde auch im ‚Bauernkrieg‘ argumentativ aufgegriffen. Die Beteiligten verwendeten ihn allerdings relativ selten und stellten ihn meist ergänzend neben den Ausdruck, beschwerden zu haben. Während sich die notdurft eher auf den ökonomisch-sozialen Nahbereich der Menschen bezog, umfasste die Vorstellung, beschwert zu sein, das Politische insgesamt. Diejenigen, welche mithilfe dieser Konzepte argumentierten, handelten laut ihrem Selbstverständnis defensiv, da sie sich lediglich gegen Bedrohungen des eigenen Lebens zur Wehr setzten.556 Der Aspekt der Defensive besaß darüber hinaus auch in anderen Themenfeldern des Diskurses eine herausragende Rolle. Erinnert sei nur an die Vorstellung von der Aufrichtung des Evangeliums, dem Schutz vor Unrecht und an das Landesdefensionswesen. Der Gedanke der Verteidigung kann für das Selbstverständnis der Beteiligten daher wohl kaum überschätzt werden. Von der Vorstellung, beschwert zu sein, bis zur Formulierung von Beschwerdeartikeln war es meist kein großer Schritt. So stellte die Praxis, Missstände schriftlich anzuzeigen und sie an die Obrigkeit zu adressieren, keine Innovation des ‚Bauernkrieges‘ dar. Viele der Handlungen während der ‚Erhebung‘ resultierten

554 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168f. 555 Blickle, Renate, Hausnotdurfft. Ein Fundamentalrecht in der altständischen Ordnung Bayerns, in: Grund- und Freiheitsrechte von der ständischen zur spätbürgerlichen Gesellschaft, hg. von Günter Birtsch (Veröffentlichungen zur Geschichte der Grund- und Freiheitsrechte, Bd. 2), Göttingen 1987, S. 42–64. Zudem: Blickle, Kommunalismus (wie Anm. 27), Bd. 1, S. 106–110. Eine ähnliche Funktion nahm in der Frühen Neuzeit auch die Argumentationsfigur der narung ein: Richter, Pflug und Steuerruder. Zur Verflechtung von Herrschaft und Landwirtschaft in der Aufklärung (wie Anm. 425), S. 11–28. Vgl. zu einer seltenen Verwendung des Ausdrucks im Jahr 1525 vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.2.2. 556 Siehe etwa: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168f. Zur notdurft dagegen in einem umfassenderen Kontext: ebd., I, S. 441. Die geringere Frequenz geht exemplarisch aus der Statistik 3 hervor.

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vielmehr aus der Tradition des Beschwerdewesens. So bildeten Beschwerdeschriften im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit einen ritualisierten Kommunikationskanal zwischen den Untertanen und der Obrigkeit. Für das Herzogtum Bayern lässt sich gar die Entstehung des Hofgerichts und damit die Etablierung einer festen Regierung aus der Notwendigkeit erklären, die zunehmenden Untertanenbeschwerden zu bewältigen. Die Formulierung von Beschwerdeschriften und die Ausbildung von Staatlichkeit widersprachen sich damit nicht. Ihre Abfassung war an sich keine Handlung, die gegen die Obrigkeit gerichtet war.557 In dem Verfahren spiegelte sich vielmehr der Glaube an den guten Herrscher, der zum Beispiel für die Bildhäuser Untertanen schwer zu hinterfragen war. Die Württemberger forderten von Kaiser Karl V. einen „ustrag“ ihrer Belastungen und bedienten sich damit eines Fachworts. Mit dem Konzept des Beschwerdewesens war für sie die Vorstellung verknüpft, dass der Herrscher die Anliegen der Untertanen anhören und positiv bescheiden müsste, wodurch der Konflikt gelöst werden könnte.558 Exemplarisch soll im Folgenden anhand der Geschehnisse in der Reichsstadt Frankfurt nachvollzogen werden, wie die Praxis des Beschwerdewesens Struktur und Gang der ‚Erhebung‘ ganz erheblich mitbestimmte. Am 17. April 1525 liefen Bewohner des Neustädter und Sachsenhäuser Viertels auf dem Platz vor St. Peter zusammen und begannen, Klöster einzunehmen. Der Rat reagierte darauf, indem er die Untertanen aufforderte, einen Ausschuss zu bilden und Beschwerdeartikel aufzustellen. Die Untertanen kamen diesen Forderungen nach. Ihre Artikel waren allerdings für den Stadtrat unannehmbar. Die Bevölkerung ließ sich von ihren gefassten Beschlüssen aber nicht mehr abbringen. Den Widerspruch des Stadtrats ignorierten die Einwohner und zwangen den Rat, die Artikel als geltendes Recht zu verkünden. Daraufhin schwor die Gemeinde einen neuen Untertaneneid.559 Mehrere Punkte sind an den Frankfurter Ereignissen hervorzuheben. Die Aufstellung von Artikeln und die Formierung eines Ausschusses wurden vom Rat ursprünglich als deeskalierende Maßnahme eingeschätzt. Für die Untertanen stellte dieses Verfahren eine Möglichkeit dar, eine organisatorische Struktur zu gewinnen

557 Das Supplikations- und Beschwerdewesen ist in den letzten Jahrzehnten verstärkt in den Fokus gerückt. Siehe u. a. Nubola, Cecilia/ Würgler, Andreas (Hg.), Forme della comunicazione politica in Europa nei secoli XV–XVIII. Formen der politischen Kommunikation in Europa vom 15. bis 18. Jahrhundert (Annali dell'Istituto Storico Italo-Germanico in Trento, Bd. 14), Bologna 2004. Nubola, Cecilia/ Würgler, Andreas (Hg.), Suppliche e „gravamina“. Bittschriften und Gravamina. Politik, Verwaltung und Justiz in Europa. 14.–18. Jahrhundert (Annali dell'Istituto Storico Italo-Germanico in Trento, Bd. 19), Berlin 2005. Zu Bayern: Blickle, Laufen gen Hof (wie Anm. 540), S. 241–265. 558 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 50. Zum austrag, der sich als Fachterminus greifen lässt: Fuhrmann/ Kümin/ Würgler, Supplizierende Gemeinden. Aspekte einer vergleichenden Quellenbetrachtung (wie Anm. 540), S. 295. 559 Jung, Johann Marstellers Aufruhrbuch (wie Anm. 238), S. 174–192.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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und sich ihrer eigenen Ziele bewusst zu werden. So wurden mithilfe des Ausschusses Beratungen vorgenommen und verbindliche Ziele festgelegt. Im Verständnis der Bevölkerung konnten ihre Artikel jedoch erst dann in Kraft treten, wenn der Stadtrat diese verkündete. Politische Veränderungen waren in diesem Sinn nur mit der Zustimmung der Herrschaft möglich, die man nicht absetzte. De jure hielten die Untertanen in diesem Fall zwar an dem hergebrachten Konfliktlösungsmechanismus des Austrags fest, de facto aber ignorierten sie den Willen der Obrigkeit. Die Frankfurter Geschehnisse bildeten keine Ausnahme. Auch an anderen Orten formierten sich Ausschüsse erst auf Veranlassung der Herrschenden, und auch anderswo wurde die Obrigkeit zur Annahme der Beschwerdeartikel ihrer Untertanen gezwungen.560 Zu nennen sind etwa der Rothenburger Rat und der Bamberger Bischof.561 Insgesamt ist auffällig, dass ein Mechanismus, der aus Sicht der Herren zur Kanalisierung der Vorgänge dienen sollte, angesichts der weitreichenden Forderungen der Untertanen für die Herren aus dem Ruder lief. Entscheidend für die Auseinandersetzung der ‚Aufständischen‘ mit ihren Herren war aber nicht nur der Ausgangspunkt, dass die Abgaben und Steuern aus ihrer Sicht von der richtigen Höhe abwichen, sondern auch die Dauer, wie lange sie schon unter diesen Beschwernissen litten, obwohl sie sich schon mehrmals an die Obrigkeit gewendet hätten.562 Versagten die Regierenden ihnen wiederholt die Minderung ihrer Lasten, verstanden die Zeitgenossen diese Ablehnung als handlunglegitimierend. So argumentierten die Kemptener Stiftsuntertanen nach der ‚Erhebung‘, dass sie sich vereinigt hätten, da ihnen der Abt einen „außtrag“ ihrer Beschwerdeartikel stets verwehrt habe.563 Die Bildhäuser legten in ihrem Ausschreiben

560 Nach dem Chronisten Hammer habe auch in Kitzingen der Amtmann die Aufstellung einer neuen Viertelverfassung angeordnet, um den ‚Aufstand‘ zu entschärfen. Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 146. 561 Die Betonung, gezwungen worden zu sein, dient den Historiographen auch als Entlastungsargument für ihre Obrigkeit: Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 83. Und: Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 108–114. 562 Die Neckartal-Odenwälder und Taubertaler schrieben von den Schmerzen, die ihnen die Unterdrückung des Evangeliums bereitete. Mehr Geduld könnten sie angesichts ihres Leidens nicht aufbringen. Ihre Forderungen seien deshalb möglichst schnell anzunehmen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 191f. 563 Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 401. Des Weiteren findet sich der Topos von der Dauer der beschwerden als Argument, Verbesserungen nun selbst vorzunehmen noch in weiteren Schriftstücken aus dem Lager der ‚Aufständischen‘: so zum Beispiel in den „Frankfurter Artikeln“: Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59. Auch Friedrich Weygandt verwendete in seinem Schreiben an den Niederadel und an die Städte den Topos. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 441. Dieser Topos findet sich auch im Brief zur Übergabe der „Zwölf Artikel“ an den Würzburger Bischof. Ebd., I, S. 192. In den „Zwölf Artikeln“ wird das Argument nur punktuell im sechsten Artikel verwendet, wonach die Steuern immer höher und höher gestiegen

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an die benachbarten Untertanen zu Beginn des ‚Aufstands‘ dar, dass sie das gleichnamige Kloster eingenommen hätten, da ihre Lasten trotz ständiger Bitten um Linderung immer weiter erhöht worden seien.564 Diese Vorstellungen, die mit der Beschwerdepraxis einhergingen, eröffneten für die Untertanen zweifellos einen Handlungskanal. Diese kulturell vermittelten Regeln sollen nun genauer rekonstruiert werden. Im Hochstift Würzburg forderte der Bischof die Untertanen auf, ihre Forderungen zu formulieren, so dass er diese auf einem Landtag lindern könne. Der Taubertaler und Neckartal-Odenwälder Haufen weigerte sich jedoch, an dem Treffen teilzunehmen, da ein Brief des bischöflichen Kanzlers abgefangen wurde, der einen baldigen Angriff auf die Untertanen ankündigte. Die Bildhäuser erschienen aus Protest ebenfalls nicht persönlich, sie ließen aber den Verhandlungsfaden nicht vollkommen abreißen, da sie die Städte in ihrem Herrschaftsgebiet als Verhandlungspartner des Bischofs zuließen.565 Kurz vor dem Landtag war die Stimmung in Würzburg auf das Höchste gespannt. Der Bischof beriet sich mit seinen Vertrauten, ob es aus Sicherheitsgründen möglich sei, bei der anberaumten Versammlung persönlich zu erscheinen. Die Rede des Bischofs, die von seinem Chronisten Lorenz Fries sicherlich in stilisierter Weise wiedergegeben wurde, ist aufschlussreich im Hinblick auf die idealisierten Spielregeln dieses Konfliktlösungsmechanismus. Der Bischof erkannte sich „schuldig“, das Wohl der Untertanen fördern zu müssen.566 Besonderen Wert legte er zudem auf sein persönliches Erscheinen: solte ich nun aigner persone mit inen zu handlen abschlagen, werden sie furgeben, ich sey meinem ausschreyben nit nachkomen oder vertraue inen nit, und also ursach schopfen, als hetten sie sich von mir und meinem stifte absonderen mussen, darumb das ich si verlasen und mit inen selbst nit handlen hett wollen.567

Das Herrschaftsverständnis einer guten Obrigkeit stimmte zwischen den ‚Aufständischen‘ und dem Bischof in einem hohen Maße überein. Die Verhandlung über Beschwerdeartikel war erstens an das gegenseitige Vertrauen der Parteien in die Einigungsbereitschaft der Gegenseite gebunden. Zweitens war der Landesherr zu diesem Verfahren verpflichtet, wollte er das Ideal des gütigen Landesvaters verkörpern. So verlangten etwa auch die Bamberger Untertanen das persönliche

seien. Diese Formulierung sollte, hält man sich diese Praxis des Beschwerdewesens vor Augen, damit den Handlungsdruck auf die Herren erhöhen und das argumentative Gewicht der Forderung steigern. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 29. 564 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168f. 565 Siehe oben Kapitel 2.2.1.2.5. 566 Ebd., I, S. 156. 567 Ebd., I, S. 157.

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Erscheinen ihres Bischofs, um über ihre Artikel zu verhandeln. Der Bischof von Speyer reiste sogar zu den ‚Aufständischen‘ seines Hochstifts und nahm überdies eine Übernachtung mit seinen Untertanen im bereits geplünderten Kloster Herrenalb in Kauf, um seinen Einigungswillen unter Beweis zu stellen.568 Die Verhandlung über Bescherdeschriften bildete für die Herren wie die Untertanen prinzipiell einen akzeptablen Weg, miteinander zu agieren und eine Lösung zu finden. Versagte der Konfliktlösungsmechanismus jedoch, stellte sich die Schuldfrage, die für den argumentatorischen Sieger weitere legitime Handlungen bereithielt. Scheiterten die Gespräche am Landesherrn, trug dieser, wie der Bischof von Würzburg selbst feststellte, die Schuld an der Eskalation. Ließen sich allerdings die Untertanen auf diesen Konfliktlösungsmechanismus nicht ein, glaubte der Bischof, der Gegenseite die Schuld am Scheitern des Landtages geben zu können. wa sich auch […] das spil wenden und das gluck wider zu meinen handen komen, werden sie sich desto weniger zu entschuldigen und ich hinwiderumb desto gröseren fug haben, sie der ytzigen meiner gnedigen handlung zu erinern und umb ire bruchige verwirkung zu straffen.569

Diese Aussage des Bischofs blieb im Jahr 1525 nicht singulär. Auch der Stadtrat von Füssen hatte während der ‚Erhebung‘ argumentiert, dass die Untertanen eine Verpflichtung besäßen, ihre Beschwerdeartikel vorzutragen.570 Auf dem Würzburger Landtag kam es, wie von allen Seiten befürchtet, nicht zu einer Beilegung des Konflikts. Die ‚Erhebung‘ eskalierte in der Tat augenblicklich: Die Bildhäuser begannen, Burgen zu stürmen. Die Streitsache ging in eine neue Runde. Die Akteure erhöhten auf diese Weise den Handlungsdruck und nahmen Veränderungen selbst vor.571 Denkt man an die Einladung des Bischofs zu ihrem Landtag in Schweinfurt, akzeptierten die Beteiligten ihn aber offenbar weiterhin als Landesherrn. In anderen Fällen war die vom Bischof prognostizierte Herrschaftsaufkündigung aber Teil des Handlungsschemas. Der Bamberger Chronist Marx Halbritter erkannte diese Logik in den Geschehnissen, die sich im Hochstift Bamberg ereigne-

568 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 103. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 21–29. 569 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 158. 570 Furtenbach, Martin, Füßner Bericht, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 417–475, S. 419. Der Kurfürst von Sachsen warf den Bildhäusern vor, ihre Beschwerdeartikel nicht vorgebracht zu haben. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 428. 571 So vereinbarten die ‚Aufständischen‘ zu Dettelbach in ihrer Schwurformel, bis „austrag und ende der sachen“ zusammen zu bleiben. Dieser Willen, nicht nachzugeben, bis die Beschwernisse gelindert seien, kann als typisch für dieses ritualisierte Handlungsverfahren angesehen werden. Ebd., II, S. 48.

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ten: Je länger die Untergebenen auf eine Einigung warten mussten, desto mehr glaubten sie, beschwert zu werden. Nachdem ihnen die Lösung des Konflikts zu lange dauerte, gingen sie davon aus, über das Recht zu weiteren Handlungen zu verfügen. Schließlich drohten sie dem Landesherrn an, von ihrem Untertaneneid entbunden werden zu wollen, wenn er eine Einigung ablehnte.572 Die Parallelen zwischen der Darstellung des Bamberger Chronisten, der Rede des Bischofs und der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ sind unübersehbar. In ihr heißt es: dann wann ain gemayne landtschaft lang zeyt irs herren muͦ twillen und verderben verduldet, sonder hoffnung ainer besserung bey ime, so es aber nit sein will, so soll ain gemayne landtschaft sich kecklich bewapnen mit dem schwert […] und sprechent: Wir sind nichts mer schuldig von dysem untrewen pfleger und boͤ sen herren. […] Sind aber daz nit all lauter goͤ tlich sprüch wider die gotlosen oberkait, die nit zuͤ gedulden ist, sonder on alles schewhens ab zuͤ setzen.573

Das Vorbringen von Beschwerdeartikeln kann angesichts der vielen Quellen, die unabhängig voneinander von solchen Vorgängen berichten, als ein rituelles und praxeologisches Handlungsverfahren zwischen den Herrschern und Beherrschten angesehen werden. Der Ablegung der Lasten konnte dabei auf verschiedenen Wegen erfolgen. Der Würzburger Bischof favorisierte etwa eine Einigung, in der er selbst über die Rechtmäßigkeit der Forderungen entscheiden konnte. Die ‚Aufständischen‘, welche von der Richtigkeit ihrer Anliegen überzeugt waren, wollten meist die bedingungslose Umsetzung ihrer Artikel, deren Annahme sie etwa wie im Falle Frankfurts erzwangen. Daneben konnten sie sich den Austrag aber auch als ein Religionsgespräch vorstellen. Die oberschwäbischen Bauern hatten in den „Zwölf Artikeln“ und der „Bundesordnung“ zu diesem Zweck an bibelfeste Richter gedacht. Der einzige zeitgenössische Name für die ‚Erhebung‘, der sich auf ein Wort bringen lässt und der von den ‚Aufständischen‘ selbst gewählt wurde, war die Rede von der reformation. Diese Alternativbezeichnung, die jedoch nur die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder verwendeten, meint ebenfalls die Verhandlung über Be-

572 Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 12, 14f. u. 27f. Von einem Anspruch der Untertanen gegenüber der Obrigkeit zur Minderung von gerechtfertigten Beschwerden ist auch in der Darstellung des Füssener Chronisten Furtenbach die Rede. Furtenbach, Füßner Bericht (wie Anm. 238), S. 420. Besonders instruktiv ist der Rechtsstreit nach dem ‚Bauernkrieg‘, in dem die Kemptener Stiftsuntertanen dezidiert auf diesen Konfliktlösungsmechanismus eingehen: Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 401. 573 Der erste Satz des Zitats besitzt eine doppelte Ebene, indem der Autor auf Lc 17,26–34 verweist und auf diese Weise das Handeln der Untertanen mit einem Gottesgericht über die Sünder vergleicht. Diese Parallelsetzung wird in den nächsten Kapiteln noch ausführlich erörtert werden. „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 127.

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schwerdeartikel. In einem kurzen Exkurs sollen anhand dieser Bezeichnung die unterschiedlichen Lösungsperspektiven des Konflikts vertiefend dargestellt werden. Erstmals wurde der Terminus in der Beschwerdeschrift der Stadt Öhringen an die Grafen von Hohenlohe vom 5. April 1525 verwendet. Die Gemeinde stellte alle ihre Forderungen unter den Vorbehalt, dass eine endgültige Entscheidung über eine angemessene Lebensweise nach dem Evangelium, durch eine „gemaine Reformation“ „geordent“ werden solle, für welche die jeweilige „weltlich oder gaistlich oberkait“ verantwortlich sei.574 In Öhringen wurde zu diesem Zeitpunkt folglich der Herrschaft die finale Interpretation über das Evangelium überlassen. Man glaubte offenbar an die Allgemeinverbindlichkeit der eigenen Bibelauslegung und an den christlichen Charakter der Obrigkeit. Von Öhringen ausgehend, setzte sich diese spezifische Sprechweise im Neckartal-Odenwälder Haufen durch und griff auch auf die Taubertaler Versammlung über. Der Ausdruck reformation wurde dabei zum Anknüpfungspunkt neuer politischer Vorstellungen. Nach Friedrich Weygandt, der als Amtmann im Dienst des Mainzer Erzbischofs stand und als Vordenker der Neckartal-Odenwälder fungierte, sollte die reformation als ein politischer Endpunkt der ‚Erhebung‘ dienen. Er empfahl den Terminus sogar als neue Gesamtbezeichnung der ‚Erhebung‘. So meinte er, dass „diser angefangener krieg und streit […] zu evangelischer, gotlicher reformation genent und furgenomen“ sei.575 Eine reformation wurde auch auf der Führungsebene der Versammlung als endgültige Regelung und Abschluss der ‚Erhebung‘ betrachtet. Nach dem Begleitschreiben zu den „Zwölf Artikeln“, welche dem Würzburger Bischof übergeben wurde, sollten durch „verordnet gelert, verstendig, from, christlich leut gemainer versamlung dieser landsarten“ alle „stende und obrickaiten reformirt, gemindert, gemert und gebessert oder gesetzt“ werden.576 Die Deutungshoheit über die eigenen Forderungen hatte sich damit im Laufe des Aprils 1525 erheblich verändert. Nicht mehr die Obrigkeit, sondern Personen, welche die ‚Aufständischen‘ bestimmen wollten, sollten

574 Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 255–258. Der Terminus scheint auf den Einfluss von Wendel Hipler zu beruhen. Hipler stand ursprünglich als studierter Jurist im Rang eines Sekretärs im Dienst der Grafen von Hohenlohe und fungierte während des ‚Bauernkriegs‘ zunächst als Feldschreiber der Öhringer, bis er weitere Führungsfunktionen übernahm. Zu Hipler vgl. Taddey, Gerhard, Wendel Hipler (um 1465–1536). Hohenlohischer Beamter und Bauernführer, in: Fränkische Lebensbilder. Bd. 22, hg. von Erich Schneider (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe VII, Bd. 22), Würzburg 2009, S. 65–78. Zu Hipler vgl. außerdem: Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 274–277. 575 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 432. 576 Ebd., I, S. 192. Außerdem wurde das Wort in diesem Sinn in der Amorbacher Erklärung und der Ochsenfurter Feldordnung verwendet. Ebd., I, S. 144–149. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 272–276.

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über die Rechtmäßigkeit ihrer Forderungen und eine gerechte Regierung entscheiden.577 In Heilbronn wurde schließlich Ende Mai ein Treffen von Vertretern des Adels und der ‚Aufständischen‘ von den Neckartal-Odenwäldern einberufen. Nach einem Beratungsplan, der mehrfach überliefert ist, sollte das Treffen erstens der Koordinierung der Haufen gegen ihre äußeren Feinde dienen und zweitens die reformation vorbereiten. Zu diesem Zweck sollten gelehrte Bürger und Bauern als Richter bestimmt werden. Vor diese hatten sowohl Abgesandte der Untertanen als auch Vertreter der Herren zu treten, um ihre Argumente vorzutragen.578 Das Verfahren entsprach damit der Praxis von Religionsgesprächen, wie sie in dieser Zeit aufkamen und von den „Zwölf Artikeln“ und der „Memminger Bundesordnung“ als Konfliktlösungsstrategie angedacht waren. Gelehrte Personen sollten über die Richtigkeit der Argumente entscheiden und auf diese Weise einer Partei zum Sieg verhelfen.579 Dieses Handlungskonzept war nicht ungewöhnlich. Offen bleibt in dieser Hinsicht nur, warum die ‚Erhebung‘ nicht überall als reformation bezeichnet wurde. Bereits die Öhringer Artikel weisen den Weg zur Beantwortung der Frage. Eine reformation sollte, so die Beteiligten, durch die Obrigkeit vorgenommen werden. In den „Zwölf Artikeln“ hatten die ‚Aufständischen‘ in diesem Sinn ausdrücklich ausgeschlossen, „gaistlich und weltliche oberkaiten zuͦ reformieren“. Der Terminus war offenbar zu stark an die Ausübung weltlicher Macht gebunden, als dass er allgemeinverbindlich für eine ‚Erhebung‘ werden konnte, deren Träger angaben, Untertanen bleiben zu wollen.580 Die ‚Aufständischen‘ brauchten in diesem Sinn, wie auch die Praxis der ‚Erhebung‘ zeigt, immer eine Instanz, welche die Veränderungen für sie umsetzte, waren dies nun bibelfeste Richter, die entscheiden sollten, oder die Obrigkeit, die man mehr oder weniger zur Annahme der Artikel zwang.

577 Weygandt hatte demgegenüber an auswärtige hochgelehrte Personen gedacht. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 432f. 578 Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 291– 294. Schwer zuzuordnen hinsichtlich der Autorschaft und der Breitenwirkung ist der sog. Reichsreformentwurf, der ebenfalls von einer notwendigen „reformation“ spricht und dabei die Ordnung des Reiches neu verhandelt. Ebd., 296–307. 579 Zur Praxis des Religionsgesprächs siehe oben Kapitel 2.2.1.1.1. 580 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. Ein weiteres Indiz für die negative Konnotation dieses Worts liefern die „Frankfurter Artikel“. Darin gebrauchten die Beteiligten den Terminus nur unter Vorbehalt und geben an, dass die Durchführung einer Reformation nur durch einen äußeren Zwang nötig geworden sei, da sonst andere gekommen wären, um zu handeln. Die 46 Frankfurter Artikel (wie Anm. 165), S. 59.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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2.2.2.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Paraphrasen, die in den Ausschreiben verwendeten wurden, als Umschreibungen für das Vorhaben der ‚Aufständischen‘ untersucht. Die in dieser Untersuchung zu Tage geförderten Ergebnisse zeigen, dass die Paraphrasen als motivierende Appelle verstanden werden konnten. Die Umschreibungen besitzen zwei Funktionen: Einerseits referieren sie auf Handlungspraktiken, mit denen die Beteiligten als rituelle Verfahrensweisen bestens vertraut waren. Andererseits ist ihnen eine sinnstiftende Bedeutung zu attestieren, da sie ein Set an Deutungsmustern bei den Beteiligten aktiviert haben dürften, mit denen sie ihre Situation und ihr Vorhaben in einen größeren Deutungshorizont einordnen konnten. Ferner bilden die Schlagwörter untereinander ein Begriffsnetzwerk. Sie beziehen sich aufeinander und können teils synonym verwendet werden. Die hier rekonstruierten Sinnzusammenhänge waren für die Zeitgenossen wohl kaum zu trennen. So diente die Einnahme eines Klosters, aus der Sicht der Beteiligten, nicht nur der Abwendung von wirtschaftlicher Not, sondern auch der Durchsetzung der neuen Glaubenslehre. Auf die Praxis des Beschwerdewesens soll abschließend noch einmal dezidiert eingegangen werden. Das Aufruhrmodell von Peter Bierbrauer beschreibt zwar ein typisches Verlaufsschema von Untertanenerhebungen in der Zeit um 1500, aufgrund der fehlenden Innenperspektive erschöpft sich dieses Modell jedoch in der äußeren Darstellung von Handlungsformen. Warum die Konflikte vor dem ‚Bauernkrieg‘ immer wieder auf diese Weise abliefen, bleibt unklar.581 Die hier dargelegten Ergebnisse können als ein zeitgenössisches Erklärungsmuster für den stufenhaften Verlauf von sozialen Unruhen in der Zeit um 1500 angesehen werden. Die Analyse der Sprache der Beteiligten und ihrer Handlungspraxis zeigt, wie Handlungsdruck bei den Untertanen entstand, warum sie sich an den Landesherren als Instanz wendeten und dass die Eskalation von Konflikten eine gezielte Strategie darstellte, die jeweilige Gegenseite unter Druck zu setzen, um doch noch eine Einigung zu erzielen. In dieser Praxis war Gewalt legitim, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt wurde. Das Ziel dieser Aktionen diente der Linderung von Beschwernissen und nicht primär dem Herrschaftssturz. Dem gemeinsamen Handeln der Untertanen und der Obrigkeit kam vielmehr die Bedeutung zu, das bestehende Band zwischen den

581 Gerhard Pfeiffer erklärt etwa noch 1990 die Radikalisierung der Bauernhaufen lediglich mit dem Auftauchen radikalerer Bauernführer. Pfeiffer, Der Bauernkrieg 1525 (wie Anm. 533), S. 130. Diesem Erklärungsschema ist etwa besonders stark Ferdinand Friedrich Oechsle verpflichtet: So schreibt er über das Ausgreifen der ‚Erhebung‘ auf Hohenlohe „Aber als die angrenzenden Aufrührer immer näher kamen, drängten und droheten, als das ‚gedruckt Buchlin‘ (die 12 Artikel) unruhigen Köpfen, die nichts zu verlieren hatten, in die Hände fiel, und sein Inhalt, obgleich von den Meisten nicht verstanden, weiter verbreitet wurde, da griff der Freiheitsschwindel auch hier um sich, und in wenigen Tagen war die Gravschaft im Aufruhr.“ Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 74.

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Herrschern und Beherrschten wieder zu stabilisieren:582 Dasjenige, was den Untertanen aus ihrer Sicht zu Unrecht aufgeladen wurde, musste abgestellt werden. Mit diesem Handlungsmodell waren jedoch unterschiedliche Arten von ‚Aufständen‘ denkbar. Solche, die sich auf ein konkretes Ziel beschränkten, und andere, die mit einer grundsätzlichen Kritik an der bestehenden Ordnung einhergingen. Im Falle einer gelungenen ‚Erhebung‘ hätten die theokratischen Gedanken von der Aufrichtung des Evangeliums wohl zweifellos einen radikalen Wandel bedeutet. Die Forderungen zielten unter anderem auf die Abschaffung der Leibeigenschaft und die Auflösung geistlicher Herrschaften ab. Die Praxis, über Beschwerdeartikel zu verhandeln, liefert für sich genommen jedoch noch keine gesellschaftliche Alternative, sondern beschränkt sich auf die Abschaffung von Missständen. Die Gedanken, die mit der Aufrichtung des Evangeliums einhergingen, wirkten sich jedoch produktiv auf alternative Herrschaftsvorstellungen aus. Im Folgenden soll ein weiteres Denk- und Handlungsschema vorgestellt werden, das die gesellschaftlichen Missstände mit der reformatorischen Idee der Brüderlichkeit in Verbindung bringt und somit eine weitere Zielperspektive bot.

582 Nach Peter Blickle sei es aufgrund der Legitimation der bäuerlichen Forderungen mit dem Göttlichen Recht entbehrlich geworden, Beschwerdeartikel einzubringen und einen Ausgleich mit jeder einzelnen Herrschaft zu suchen. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 146. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen jedoch, dass die Beteiligten durchaus im Rahmen des hier zu Tage geförderten Beschwerdewesens handelten. Selbst in Vereinigungen mit einem überterritorialen Zuschnitt sollte mit Hilfe der reformatorischen Idee des Religionsgesprächs das Verfahren eines Austrags nachgebildet werden. Selbst Recht zu erlassen, trauten sich die Bauern nicht zu.

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2.2.3 Die Exoduserzählung als Handlungsmatrix und Zielperspektive 2.2.3.1 Die revolutionäre Lesart der Exoduserzählung In modernen kulturwissenschaftlichen Arbeiten werden Erzählungen eine hohe Relevanz zugeschrieben, Komplexität zu reduzieren, Sinn zu stiften und zu Handlungen anzuleiten. Dieses Wissen der Forscher ist inzwischen aber auch in den gesellschaftlichen Diskurs vorgedrungen. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler forderte etwa im Jahr 2015 die europäischen Verantwortlichen auf, eine neue europäische Erzählung zu wagen. Er kritisierte, dass angesichts der griechischen Schuldenkrise das bisherige Narrativ von der europäischen Einigung als Garant für politische und wirtschaftliche Stabilität an Überzeugungskraft verloren habe. Stattdessen sei eine neue Erzählung vonnöten, um die Idee der europäischen Gemeinschaft wieder mit Sinn zu füllen.583 Ohne Zweifel traut Münkler Narrationen eine große motivierende Wirkung zu, gesellschaftliche Prozesse zu lenken. Schon länger werden Erzählungen nicht mehr ausschließlich als literarische Einheiten im Sinn einzelner konkreter Geschichten verstanden. Bereits 1932 hatte Frederic C. Bartlett in Experimenten zum menschlichen Gedächtnis darauf aufmerksam gemacht, dass seine Probanden Daten mithilfe von Erzählungen organisierten. Solche Erzählungen, wie sie auch Münkler beschreibt, wirken vielmehr wie kognitive Schablonen, die unser Leben mitstrukturieren, indem sie Erklärungen für politische, aber auch alltägliche Zusammenhänge bereitstellen. Für Erzählfiguren dieser Art, die Komplexität auf ein leicht zu verwendendes Muster reduzieren, hat sich der Begriff des Narrativs etabliert.584 Eine solche Erzählfigur von hoher gesellschaftlicher Relevanz lässt sich ebenfalls während des Jahres 1525 ausfindig machen. Dieses Narrativ wurde in Oberschwaben, der Eidgenossenschaft, Württemberg, Franken und Südthüringen verwendet. Dabei handelt es sich um eine Erzählung, die zu Beginn der ‚Erhebung‘ in Oberschwaben bewusst eingeführt wurde, nicht nur um die Leerstelle der unzureichenden Legitimation zu überbrücken, sondern auch um den Beteiligten ein Vorbild für gesellschaftliche Veränderungen zu liefern. Die Rede ist von der Exoduserzählung, die während der ‚Erhebung‘ auf die Situation der Untertanen im Jahr 1525 bezogen wurde und sich erstmals in den „Zwölf Artikeln“ nachweisen lässt.

583 Herfried Münkler/ Jasper Barenberg, Herfried Münkler im Gespräch mit Jasper Barenberg. Europa braucht eine motivierende Erzählung 2015, http://www.deutschlandfunk.de/herfriedmuenkler-europa-braucht-eine-motivierendere.694.de.html?dram:article_id=324127 (31.03.2016). 584 Die Erkenntnis, dass Erzählungen mithelfen, historische Geschehnisse zu strukturieren, gehört für die Geschichtswissenschaft spätestens seit Hayden White zu einem Allgemeinplatz. Albrecht Koschorke beschreibt in seiner Erzähltheorie die neueren Entwicklungen in zahlreichen Disziplinen, nunmehr verstärkt Erzählungen als Erklärungskategorien für gesellschaftliche Phänomene zu würdigen. Einführend zu seinem Konzept des Narrativs vgl. Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 9–100.

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Auf die Bedeutung der biblischen Geschichte vom Auszug der Juden aus Ägypten ist die deutsche Bauernkriegsforschung bisher nur unzureichend aufmerksam geworden.585 Besonders in der englischsprachigen Welt existiert jedoch eine Forschungstradition, in deren Lesart diese Erzählung als Handlungsmuster und Impulsgeber für revolutionäre Veränderungen angesehen wird. Laut Michael Walzer spielte die Rezeption der Exodusgeschichte eine gewichtige Rolle für die Einführung der Reformation in Genf durch Calvin, für die Glorious Revolution in England, den amerikanischen Freiheitskrieg gegen die Engländer und die russische Oktoberrevolution. In allen Fällen fungierte das Exodusnarrativ als Kondensat einer Situationsbeschreibung, als Motivationsappell und als Blaupause für Handlungen, die uns heute als revolutionär erscheinen.586 In dieser Lesart, die Michael Walzer aus Bibelinterpretationen und deren politischer Instrumentalisierung seit der Frühen Neuzeit nachzeichnete, bildet die Exodusgeschichte aus seiner Sicht den Archetyp für das Modell einer politischen Revolution. Die biblische Beschreibung von der Situation der Juden unter der Herrschaft des Pharaos kann in diesem Sinn als die Darstellung einer despotischen und verurteilenswerten Regierung aufgefasst werden. Für viele der frühneuzeitlichen Interpreten bilden das Eingreifen Gottes und die Durchquerung des Roten Meeres in der Bibel ein Sinnbild für die Beendigung der Tyrannei, welche sie selbst von ihrer Obrigkeit erlebten. In dem Bundesschluss am Sinai und der Verleihung der Zehn Ge-

585 Lediglich Stephan Nitz trug eine Vielzahl von Belegstellen zusammen, mit dem Ziel, das „vage eschatologischen Bewusstsein“ der Untertanen zu erläutern. Seine Schlussfolgerung, die Exodusgeschichte diene als Motivationsimpuls, einen göttlichen Auftrag auszuführen, greift jedoch zu kurz. Nitz, Handlungsfähigkeit im Deutschen Bauernkrieg (wie Anm. 520), S. 87–89 u. 104. Horst Carl führt den Bundesbegriff der Zeit um 1500 zwar auf die Exodusgeschichte zurück, die These bleibt jedoch ohne interpretatorische Konsequenzen für den ‚Bauernkrieg‘. Carl, Landfriedenseinung und Ungehorsam (wie Anm. 116), S. 87. Peter Blickle sieht zwar im Auszug der Juden aus Ägypten eine vorbildliche Erzählung zum Sturz von Herrschaftsträgern, deutet die Geschichte aber darüber hinausgehend nicht aus. Blickle, Peter, Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes (Beck'sche Reihe, Bd. 2103), München 2012, S. 100. 586 Grundlegend ist folgende Darstellung: Walzer, Michael, Exodus und Revolution (RotbuchRationen), Berlin 1988. Von dieser Arbeit, die im englischen Original erstmals im Jahr 1985 erschien, ging eine große Wirkung aus. In ihre Fußstapfen traten etwa: Redmount, Carol, Bitter Lives In and Out of Egypt, in: The Oxford History of the Biblical World, hg. von Michel D. Coogan, Oxford 1998, S. 79–121. Hendel, Ronald, The Exodus in Biblical Memory, in: Journal of Biblical Literature 120 (2001), S. 601–622. Und: Coffey, John, Exodus and Liberation. Deliverance Politics from John Calvin to Martin Luther King Jr., Oxford 2013. In der deutschsprachigen Forschung hat das Konzept in letzter Zeit ebenfalls großen Zuspruch erhalten. Zu nennen ist vor allem Jan Assmann, der seine Interpretation des Monotheismus auf den Prüfstand stellte: Assmann, Jan, Exodus. Die Revolution der alten Welt, München 2015. Überblickt man die Forschungsliteratur scheint die Erzählung für einen politischen Transformationsprozess, der durch eine bereite Volksmasse getragen wird, erstmals in der Reformationszeit aufzukommen und zuerst im ‚Bauernkrieg‘ von 1525 wirkungsmächtig in Erscheinung zu treten.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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bote wurde vielfach ein Vorbild für die Aufrichtung einer alternativen Ordnung gesehen. Die 40-jährige Wanderschaft durch die Wüste und das Aufbegehren der Israeliten gegen Moses steht in dieser Auslegung für den politischen Kampf einer noch nicht gefestigten Gesellschaft um die Behauptung der neuen Ordnung. Die Ankunft der Juden im Gelobten Land kann in diesem Sinn als Symbol für die endgültige Etablierung der neuen Gemeinschaft aufgefasst werden. Im Kern erzählt der Exodus, wenn man ihn als einen politischen Mythos versteht, die Geschichte der Überwindung einer schlechten Herrschaft zugunsten einer besseren Ordnung.587 Moderne Definitionen des Revolutionsbegriffs referieren nicht auf eine erzählende Beschreibung revolutionärer Vorgänge, sondern nennen einen abstrakten Merkmalskatalog. Im ‚Bauernkrieg‘ standen allerdings weder der Name der Revolution, der erst im Anschluss an die Französische Revolution geprägt wurde, noch diese begrifflich definitorischen Überlegungen zur Verfügung, die unser heutiges Verständnis von einer Revolution prägen.588 Zwar wird der ‚Bauernkrieg‘ in der Forschung bereits seit längerem als revolutionäres Ereignis verstanden, für diese Einschätzung besaßen zeitgenössische Vorstellungen oder Modelle allerdings keine Bedeutung.589 Auch wenn man wie Edward W. Said an der Lesart Walzers von der Exodusgeschichte als Prototyp aller Revolutionen zweifeln mag, kann die Analyse der spezifischen Bezugnahmen auf diese Geschichte helfen, den Blick dafür zu schärfen, wie die Zeitgenossen über den politischen Wandel sprachen und ihn imaginierten.590 Um mehr über diese spezifische Rezeptionsweise zu erfahren, gilt es auf die Textstellen der Bibel zu achten, welche in den Schriften der ‚Aufständischen‘ ignoriert, verändert oder hervorgehoben wurden.

587 Für die USA bildet diese Erzählung bis heute einen wichtigen Pfeiler der Kollektividentität, Gottes auserwähltes Volk zu sein. Benjamin Franklin schlug etwa nach dem Unabhängigkeitskrieg der amerikanischen Kolonien gegen den englischen König als Bild für das neue Staatsiegel der Vereinigten Staaten die Szene aus der Exodusgeschichte vor, als die Fluten des von Moses geteilten Meers über dem Pharao zusammenstürzen. Zur weiteren Adaptation der Erzählung: Walzer, Exodus und Revolution (wie Anm. 586), S. 13–27. 588 Zur Genese und Verwendung des Begriffs vgl. ausführlich: Koselleck/ Meier/ Fisch/ Bulst, Revolution (wie Anm. 12). 589 Auf die Problematik, keine zeitgenössische Begrifflichkeit für das Konzept der ‚Revolution‘ gefunden zu haben und deshalb moderne Theorien auf den ‚Bauernkrieg‘ zu übertragen, geht Blickle selbstkritisch ein. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 289–297, bes. S. 293. 590 Unter den vorgebrachten Kritikpunkten Saids erscheint dieser am stichhaltigsten: Said, Edward W., Michael Walzer's Exodus and Revolution. A Canaanite Reading, in: Grant Street 5,2 (1986), S. 86–106.

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2.2.3.2 Die Übertragung der Exodusgeschichte auf die Situation des Jahres 1525 2.2.3.2.1 Die ägyptische Unterdrückung der Untertanen Ein Vorbild für die Adaptation der Exodusgeschichte in den „Zwölf Artikeln“ bilden die Schriften Zwinglis, in denen der Freiheitskampf der Schweizer, aber auch die Einführung der Reformation mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten verglichen werden. Unmittelbar dürften sich die „Zwölf Artikel“ auf die Abhandlung „Wer Ursache gebe zu Aufruhr“ vom Ende des Jahres 1524 beziehen, die in einer rhetorischen Frage die baldige Erlösung der wahren Christen aus der „hand des egyptischen küngs“ prophezeit und auf diese Weise die Obrigkeit zum Bruch mit dem Papsttum und zur Durchsetzung des neuen Glaubens unter Androhung eines göttlichen Strafgerichts ermahnt.591 Die Exoduserzählung nimmt in beiden Texten eine ähnliche argumentative Funktion ein. Wie in Zwinglis Abhandlung folgt sie im Vorwort der „Zwölf Artikel“ auf den Vorwurf anonymer Kritiker, einen aufrur zu betreiben.592 Das stigmatisierte Konzept eines Herrschaftsumsturzes wird folglich durch eine andere Deutung ersetzt. Während der Zürcher Reformator mit der Erzählung eine alternative Darstellung für die Durchsetzung seiner Glaubenslehre propagiert, referieren zwar auch die „Zwölf Artikel“ auf eine Verchristlichung der Welt, die Akzente der Adaptation verschieben sich allerdings dahingehend, eine Untertanenerhebung zu legitimieren. Im Vorwort der „Zwölf Artikel“, das wohl der Zwingli-Vertraute Christoph Schappeler verfasste, heißt es:593

591 Zwingli schrieb an die Obrigkeit gewendet: „Gott spricht zuo Moses Exo. 3: Ich hab die verhergnuß mines volcks gesehen in Egypto unnd ir gschrey gehört. Meinend ir nit, ob er aller Christen not ouch hüt by tag sehe und höre? Oder meinend ir, das ghein not noch trang under dem Christenvolck sye? Hatt er nun do ze mal einen erlöser gesendet, der sin volck, das weerloß was, usß der starcken weerhafften hand des egyptischen küngs hinfuort und erloßt, so wirt er sölichs ouch wyter tuon. Nun sind on allen zwyfel. Erlassend ir das volck gottes nit, das es sinem herren nachvolge, so wirt er bald einen senden, der sy mit üwrem undanck hinfueren wirt, und alle, die sich wider inn setzend, nüts minder ertrencken, weder den Pharao“. Egli, Emil (Hg.), Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 3 (Corpus Reformatorum 90) Leipzig 1914, S. 468. Nicht in dieser Schrift, aber in anderen umfasst das Verständnis der Schweizer als das auserwählte Volk noch stärker politische Konsequenzen, die hergebrachten Freiheiten der Eidgenossenschaft zu wahren. Siehe dazu instruktiv: Hamm, Berndt, Zwinglis Reformation der Freiheit, Neukirchen-Vluyn 1988, S. 14–16 u. 20–22. Und: Holenstein, André, Reformatorischer Auftrag und Tagespolitik bei Heinrich Bullinger, in: Heinrich Bullinger. Life– Thought–Influence. Bd. 1, hg. von Emidio Campi/ Peter Opitz (Zürcher Beitrage zur Reformationsgeschichte, Bd. 24), Zürich 2007, S. 177–232, bes. S. 201f. 592 Dieser Vorwurf wird in Zwinglis Text am Anfang erhoben, die Exoduserzählung folgt entsprechend der Seitenzählung der Edition erst nach 90 Seiten am Ende des Texts, während im Vorwort der „Zwölf Artikel“ auf die Verwerfung des stigmatisierten Konzepts unmittelbar die Exodusgeschichte ausgebreitet wird. Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 3 (wie Anm. 591), S. 386. 593 Der Prädikant der Stadt Memmingen führte den Vorsitz der zweiten Zürcher Disputation und stand mit Zwingli durch Briefwechsel im Jahr 1525 in Kontakt. Vgl. oben Kapitel 2.1.2.1

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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Zuͦ m andern dann klar lauter volget, das dye bawren in iren artickeln solches evangelion zuͦ r leer und leben begerendt, nit mügen ungehorsam, auffruͤ risch, genennt werden. Ob aber Got die Pauren (nach seynem wort zuͦ leben aͤngstlich ruͦ ffent) erhoͤ ren will, wer will den willen Gotes Tadlen? Wer will in sein gericht greyffen? Ja wer will seiner mayestet wyderstreben? Hat er die kinder Israhel zuͦ im schreyendt erhoͤ ret und auß der hand Pharaonis erlediget, mag er nit noch heut die seynen erretten? Ja er wirts erretten. Und in ainer kürtz. Derhalben christlicher leser, solliche nachvolgendt arttickel lyse mit fleyß, und nach mals urtail.594

Die Textstelle ab dem Satzbeginn „Ob aber Got die pauren“ kann als verkürzte Darstellung der Exodusgeschichte verstanden werden. Mehrere Aspekte der Erzählung werden auf die Situation der Bevölkerung übertragen. Auf der Hand liegt die Gleichsetzung der Untertanen von 1525 mit den Kindern Israels und die Parallelisierung der Obrigkeit mit dem ägyptischen Pharao. Die Bezugnahmen erzählen nahezu chronologisch die Bibelgeschichte nach. Das ängstliche Rufen der Bauern entspricht Exodus 2,23–2,25. Dort bringt das Leid der Israeliten durch zu hohe Arbeitsbelastungen die Handlung in Gang: Gott entschließt sich, einzugreifen. Das Einschreiten Gottes gegen die ungerechte Herrschaft wird in den „Zwölf Artikeln“ als „gericht“ und als Befreiung von schlechter Herrschaft verstanden. So verkündet der Autor seine Gewissheit, dass die Untertanen „auß der hand Pharaonis erlediget“ werden würden.595 Damit sind die Beendigung eines alten Zustandes durch den Akt der Befreiung und der Beginn einer neuen Ordnung gemeint. Die notwendige neue Herrschaftsform wird im Vorwort allerdings nicht näher thematisiert. Im Vordergrund stehen vielmehr der Hoffnungsimpuls, dass Veränderungen möglich seien, und der Legitimationsaspekt des eigenen Vorhabens. Dieser Gedanke durfte ebenfalls dem biblischen Muster nachempfunden worden sein. So verlangte etwa der Pharao nach Beglaubigung der göttlichen Sendung des Propheten. In den „Zwölf Artikeln“ wird der christliche Leser im Sinne einer Beweisführung dazu aufgefordert, die nachfolgenden Artikeln zu „lesen“ und dann zu „urtail(en)“. Offenbar glaubte der Autor an die Kraft der Argumente zur Legitimierung des Vorhabens, wenn die Rezipienten bereit seien, sie mit der richtigen Haltung anzuhören. Die Eigenheiten der Adaptation treten in einem Vergleich zum Zwinglitext von 1524 noch deutlicher hervor. Angesprochen werden vom Zürcher Reformator lediglich die Herren, welche er überzeugen möchte, gegen die Papstkirche vorzugehen und ihnen zusichert, dass sich ihre Herrschaft nicht verändern werde.596 Wenn Zwingli im Jahr 1522 den Freiheitskampf der Schweizer gegen fremde Herrscher jedoch mit dem Exodus vergleicht, wird deutlich, dass auch der Zürcher Reformator um die politische Sprengkraft dieser Erzählung wusste, diese aber in seiner Schrift

594 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26f. 595 Die Randglossen „Roma. 11“ (=Rm 11,25–28), „Esaie. 40“ (=Is 40,10), „Roma. 8“ (=Rm 8,21)„Exodi. 3“ (= Ex 3,15–17) und „Luce. 18“ (=Lc 18,7) beziehen sich auf die baldige Errettung. Der Hinweis auf „Exodi. […] 14“ (=Ex 14) auf das Strafgericht Gottes. 596 Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 3 (wie Anm. 591), S. 468f.

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„Wer Ursache gebe zur Aufuhr“ unterdrückt.597 Diese politische Lesart steht dagegen im Mittelpunkt der „Zwölf Artikel“, die neben der religiösen Befreiung auch eine soziale und politische Erlösung ansprechen, wenn sie eine neue Interpretation der Bibel für den geistigen und weltlichen Bereich („leer und leben“) einfordern. Von großer Bedeutung für das Exodusverständnis der ‚Aufständischen‘ wird sich zudem der Befund erweisen, dass im Gegensatz zur Zwinglischrift von 1524 in den „Zwölf Artikeln“ der Prophet Moses nicht erwähnt wird, sondern im Gegensatz dazu die Situation der Untertanen und ihre Verbindung zu Gott im Vordergrund stehen.598 Wenig überraschend für einen Text, der sich zum Sprachroher einer ‚Erhebung‘ macht, ist zudem, dass Zwinglis Charakterisierung der Israeliten als „weerlos“ unter den Tisch fällt, ebenso wenig verwundert es, dass man sich an einen breiten Adressatenkreis wendet und nicht explizit an die Obrigkeit. Die selbstlegitimierende Kraft der Prophezeiung, die in den „Zwölf Artikeln“ angesprochen wird, ist ebenfalls als Eigenleistung der ‚Aufständischen‘ zu verstehen, die sich bei Zwingli nicht findet.599 Die Wiedergabe der Exoduserzählung in den „Zwölf Artikeln“ hat ihren Ausgangspunkt somit bei Zwingli, kondensiert jedoch die Bibelerzählung eigenständig auf einige bewusst ausgewählte Aussagen und ist insgesamt als selbstständige Adaptation der Bibel zu verstehen. Die Wegpunkte der Exodusgeschichte, wie sie in den „Zwölf Artikeln“ präsentiert werden, sollen im Folgenden das Grundgerüst für die Analyse der Exodusrezeption auch in den anderen Schriften der Untertanen bilden. Dabei lassen sich mehrere Sinnabschnitte in den „Zwölf Artikeln“ unterscheiden: die Beschreibung der Situation als ägyptische Knechtschaft (Pharao, Angst, Rufen, Schreien), der Akt der Legitimierung (Lesen, Urteilen), der Auszug aus Ägypten und die Befreiung aus schlechter Herrschaft (Gericht, Rettung, Erhörung, Befreiung) sowie die Vorstellungen über die neue Ordnung (keine Angaben im Vorwort der „Zwölf Artikel“). Inwiefern war die Situation der Untertanen im Jahr 1525 aber überhaupt mit der Lage der Israeliten in Ägypten vergleichbar? Wie die Bibel schildert, kommen die Juden als Freie nach Ägypten. In den folgenden Jahrzehnten oder Jahrhunderten wächst das Volk, das ursprünglich aus 70 Menschen besteht, stetig an und der re-

597 So heißt es in der Schrift „Eine göttliche Vermahnung an die Eidgenossen zu Schwyz“: „Darzuo hand ouch unser vordren nit umb lon Christenlüt zuo tod geschlagen, sunder umb fryheit allein gestritten, damit ir lyb, leben, wyber, kinder, eim uppigen adel nit so jämerlich zuo allem muotwillen underworffen were. Welicher fryheit got selber günstig ist, als er bezügt hat in dem, das er alle kinder Israels uß Egypten gefuert hat, darumb, das sy die egyptischen küng und volck ungnädiklich und schmächlich hieltend.“ Egli, Emil (Hg.), Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 1 (Corpus Reformatorum 88) Berlin 1905, S. 171. 598 Moses wird zwar ebenfalls nicht namentlich erwähnt, auf ihn wird aber explizit als Befreier hingewiesen, während in den „Zwölf Artikeln“ von einem solchen auch nicht andeutungsweise die Rede ist. Vielmehr erscheint es, als rufen die Unterdrückten den Herrgott zu ihrer Rettung selbst herbei. 599 Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 3 (wie Anm. 591), S. 468.

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gierende Pharao gerät in Angst, eine gefährliche Opposition könne sich gegen ihn erheben. Er bestellt daher zuerst Fronvögte über die Israeliten und unterdrückt sie nach Ex 1,14 mit harter Arbeit: „atque ad amaritudinem perducebant vitam eorum operibus duris luti et lateris omnique famulatu quo in terrae operibus premebantur“. – „Sie machten ihnen das Leben schwer durch harte Arbeit mit Lehm und Ziegeln und durch alle möglichen Arbeiten auf den Feldern. So wurden die Israeliten zu harter Sklavenarbeit gezwungen.“600 Leistungen, welche durch die Obrigkeit angeordnet werden, dienen in dieser Erzählung einzig dem Zweck, den Juden zu schaden: Harte Arbeit bedroht ihre physische Existenz.601 Die Situationsbeschreibung der Bibel dürfte im Jahr 1525 eine hohe Aktualität besessen haben. Nicht nur in Ägypten erhöht der Pharao die Arbeitspflichten, sondern auch die ‚Aufständischen‘ von 1525 klagen über die Höhe ihrer Abgaben und Dienste. In der Bibel überschreitet das Pensum der Arbeitsbelastungen für die Israeliten jedes zumutbare Maß und auch im Jahr 1525 kritisieren die Untertanen, um das Sprachbild der beschwerde erneut aufzugreifen von ihren Belastungen erdrückt zu werden.602 In den Schriften der ‚Aufständischen‘ wie auch in der Exodusgeschichte resultiert die Unterdrückung aber nicht nur aus der Höhe der zu leistenden Abgaben. Laut der Argumentation der Untertanen spiegele sich in den Belastungen die falsche Herrschaftsausübung ihrer Obrigkeit wider. Dementsprechend kritisieren die Beteiligten nicht nur die Schwere der Lasten, sondern sie fordern auch, dass sich der Charakter der Herrschaftsausübung verändern müsse. Die sozialen und wirtschaftlichen Forderungen besitzen damit eine grundsätzliche politische Dimension und sind auf das Versagen der Obrigkeit zurückzuführen (vgl. auch Kapitel

600 Problematisch ist die Frage, welche Bibel die ‚Aufständischen‘ verwendeten. Zeitgenössisch kursierten mehrere deutsche Übersetzungen der spätantiken Vulgata. Da sich die Bibelübersetzungen sehr eng an das Lateinische anlehnen, soll in dieser Arbeit die Vulgata zitiert und deren Abkürzungsapparat verwendet werden. Grundlegend hierfür ist, wie im Kapitel 2.1.2.2.2 dargelegt wurde, folgende Edition: Weber/ Gryson, Biblia sacra (wie Anm. 181). Da zeitgenössisch keine verbindliche deutsche Übersetzung existierte, soll in dieser Arbeit als Lesehilfe der Text der Einheitsübersetzung zusätzlich zu den lateinischen Bibelstellen angeführt werden. Die Interpretation stützt sich allerdings auf die Vulgata. 601 Die Bedrohung der Juden in Ägypten lässt sich unter einem neuzeitlichen Blickwinkel auch als ein Völkermord interpretieren. Eine Lesart, die bei der Aktualisierung der Geschichte im Jahr 1525 natürlich noch keine Rolle spielen konnte. Um die politische Bedeutung der Exoduserzählung als Befreiungsgeschichte wissend, betonte Zwingli in seiner Schrift von 1524 besonders die dort ausgebreitete konservative Lesart, die Geschichte nur als Erzählung einer religiösen Umbruchssituation zu verstehen: Siehe oben. 602 In den „Zwölf Artikeln“ wendet sich vor allem der achte Artikel mithilfe des Grundsatzes, dass jeder Tagwerker seines Lohns würdig sei, gegen die Erhöhung von Grundzinsen. Näher liegt aber hier die Assoziation mit dem allgemeinen Gefühl, beschwert zu sein, wie es im Kapitel 2.2.2.4.3 vorgestellt wird. Zum achten Artikel vgl. Mayenburg, Bäuerliche Beschwerden als Rechtstexte (wie Anm. 176), S. 99–130.

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2.2.2.4.3). Diese Deutung ist auch in der Bibel angelegt. Die Israeliten lassen mit ihrem Auszug die schlechte Herrschaft des Pharaos nicht einfach nur hinter sich, sondern Gott statuiert an den Ägyptern ein Exempel. Er verhärtet den Pharao gegen jede Einsicht, so dass dieser die Plagen über sich und sein Volk ergehen lassen muss. Auf diese Weise wird die Ungerechtigkeit der Herrschaftsausübung in der Bibel plakativ verurteilt und als falsch zurückgewiesen – oder Gott werde, wie es in den „Zwölf Artikeln“ im übertragenen Sinn auf die Situation des Jahres 1525 gemünzt wird, „gericht“ halten.603 Mit dieser Vokabel könnten zwei Assoziationen bei den Untertanen ausgelöst worden sein: erstens die Vorstellung, einen von Gott vorherbestimmten Weg einzuschlagen, und zweitens endlich an einem Punkt angelangt zu sein, an dem die schon lange empfundene Ungerechtigkeit bestraft werden sollte (vgl. Kapitel 2.2.2.4.2). Im Vorwort der „Zwölf Artikel“ wie auch in der Bibel wird die Situation der Unterdrückten als Zustand der politischen Unterdrückung beschrieben. Die Israeliten waren als freie Menschen nach Ägypten gekommen und werden vom Pharao wie Sklaven behandelt. In den „Zwölf Artikeln“ entspricht die Lage der Untertanen diesem Modell. Das wahre Recht bildet in dieser Hinsicht jedoch das Evangelium, welches die Untertanen zu „leer und leben“ begehren, das ihnen aber bislang vorenthalten worden sei. Während in der Bibel aber ausschließlich von der Erniedrigung der Israeliten in einem politischen Sinn die Rede ist, sehen die Untertanen des Jahres 1525 entsprechend dieser Aussage auch den wahren Glauben unterdrückt, womit sie Stellung für die Einführung der Reformation nahmen. In diesem Sinn fand das Leben der Untertanen nicht nur in einem normfreien Raum statt, sondern auch in einem unchristlichen. Die Menschen seien rechtlos und der politischen Willkür ihrer ungläubigen Herrscher ausgeliefert.604 Die Untersuchung der Situationsbeschreibung gewinnt an Analysetiefe, wenn man die „Zwölf Artikel“ dem Brief gegenüberstellt, den Christoph Schappeler am 2. Mai 1525 an Huldrich Zwingli schrieb. Obwohl er sich nachträglich von der ‚Erhebung‘ distanziert, nimmt er darin erneut auf die Exodusgeschichte Bezug und erklärt, wie die Beherrschten ihre Lage im Frühjahr 1525 deuteten.605

603 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. 604 Ebd., S. 26–28. Der Zustand der Entrechtung bzw. die Verschlechterung der Lebensbedingungen der Juden in Ägypten wird im Exodus dahingehend mit ihren vorherigen Lebensverhältnissen kontrastiert, indem erwähnt wird, dass der neue Pharao Joseph nicht kenne, der einst die Juden nach Ägypten einlud und als Stellvertreter eines früheren Pharaos in höchsten Ehren stand. „surrexit interea rex novus super Aegyptum qui ignorabat Ioseph.“ Ex 1,8. Mit Jan Assmann kann man zwar von einer verlorenen gegangenen Gottesbeziehung der Isrealiten in Ägypten sprechen, die Deutung, dass der Herrscher den Glauben unterdrückt, ist in der Bibel jedoch nicht erwähnt. Assmann, Exodus (wie Anm. 586), S. 152. 605 Zwei unmittelbar vorhergehende Briefe Schappelers an Zwingli sind verschollen. Aus dem überlieferten Exemplar an den „clarissi(mum) vir(um)“ erfährt man von dem gemeinsamen Gedankenaustausch über das Abendmahl und dass Schappeler sich in das Lager Zwinglis rechnet und

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Audientes enim atque scientes, immo et in ceteris sentientes seipsos, proavos, denique posteros gentili ritu ac iudaica hypocrisi preter modum in dispendium et animae et rerum omnium delusos, extenuatos, onere ac iugo iniquo oppressos et quasi in ventum misere datos, animo in ea servitute vivere omnio nolunt, onera Christiano indigna ferre renuunt, servire diis, ut est in proverbio, alienis respuunt, voce una omnes clamant, reclamant, sua potius querentes.606

Unter dem Leitwort „servit(us)“, einem Ausdruck, der sowohl Leibeigenschaft und Knechtschaft als auch Sklaverei bedeuten konnte, fasste Schappeler die Situation aus der Sicht der Untertanen zusammen. Die Menschen hörten, wüssten und spürten, dass sie Schaden erlitten hätten und getäuscht worden seien. Den Zustand der Unterdrückung schien ihnen zeitlich unüberwindbar: Bereits die Vorfahren wie auch die Nachkommen würden unter diesen Verhältnissen leiden oder noch leiden müssen. Ohne jedes Maß („preter modum“) seien sie in geistigen und weltlichen Angelegenheiten („animae et rerum omnium“) getäuscht worden („delusos“). Durch diese Last und das Joch („iugo“) unterdrücke man sie („opressos“). Die Untertanen hätten von ganzem Herzen nicht mehr in dieser Leibeigenschaft, Knechtschaft beziehungsweise Sklaverei („servit(us)“) leben wollen. Außerdem hätten sie sich geweigert, die unwürdige Last in Christus zu ertragen und fremden Göttern zu dienen, und sie hätten mit einer Stimme gerufen („clamant“) und wieder gerufen („reclamant“) und hätten ihre Lage beklagt („querentes“). Die Situation der ‚Aufständischen‘ lässt sich im Brief und in den „Zwölf Artikeln“ mit jener der Israeliten unter drei Aspekten vergleichen: der Ursache der Unterdrückung, der Art ihrer Knechtschaft und dem Modus der Überwindung. In beiden Texten resultiert die Lage der Beherrschten aus der Verweigerung ihrer eigentlichen Rechte. In den „Zwölf Artikeln“ enthält man ihnen das Evangelium als Richtschnur zu „leer und leben“ vor, und im Brief ist von einer Täuschung in geistigen und weltlichen Dingen die Rede. Mit dieser Formulierung ist sicherlich analog zu den „Zwölf Artikeln“ die Doppelbedeutung des Evangeliums als Glaubenslehre und Gesetzesbuch gemeint. Im Brief führte Schappeler diesen Zustand auf einen Betrug zurück. Ohne Probleme konnte der Betrugsvorwurf, der während der ‚Erhebung‘ als Erklärungsfigur für die ungerechte Behandlung der Untertanen weit verbreitet war, folglich mit der Exodusgeschichte verwoben werden. In den

nicht in das eines Hubmairs, Karlstadts oder Luthers. Der gewaltsamen ‚Erhebung‘ steht Schappeler negativ gegenüber (siehe Kapitel 2.2.1.2.2), wobei er die Belastungen der Untertanen scharf kritisiert. Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 8: Briefwechsel 1 (wie Anm. 294), S. 324f. 606 Ebd., S. 325. „Sie hören nämlich und sie wissen, und sie spüren es im Übrigen auch, dass sie selbst, ihre Vorfahren und schließlich auch ihre Nachkommen durch den Stammesdünkel und die jüdische Heuchelei ohne jedes Maß in geistigen und materiellen Dingen Schaden erlitten und getäuscht worden sind. Sie wurden kleingehalten sowie durch Last und das gemeine Joch unterdrückt. Sie wollen von ganzem Herzen nicht mehr in dieser Knechtschaft (?) leben, sie weigern sich, die unwürdige Last in Christus zu ertragen, sie weigern sich sprichwörtlich fremden Göttern zu dienen und sie rufen laut mit einer Stimme, und wieder rufen sie und beklagen heftig ihre Situation.“

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„Zwölf Artikeln“ heißt es dagegen wesentlich unbestimmter, dass den Untertanen das Evangelium vorenthalten worden sei. In beiden Fällen wurde jedoch eine kausale Verbindung zwischen dem Leid der Menschen, der falschen Rechtsausübung der Obrigkeit und der Unterdrückung der wahren Religion hergestellt. Nach dieser Argumentation würden die Menschen einen Anspruch auf dieses Recht besitzen. Ihr Zustand lässt sich daher am besten mit dem heutigen Begriff der Entrechtung beschreiben.607 In beiden Dokumenten aus dem Jahr 1525 schilderte Schappeler die Situation der Beherrschten als aussichtlose Lage. In den „Zwölf Artikeln“ sind die Beteiligten von Angst ergriffen, und in seinem Brief an Zwingli berichtete Schappeler von der Überzeugung der Untertanen, ihre Lebensbedingungen seien über Generationen hinweg unveränderlich. Wesentlich direkter als in den „Zwölf Artikeln“ geht Schappeler im Brief auf die Not der Menschen ein. Diese wird als Joch und Unterdrückung sowie als die Überschreitung eines jeden Maßes beschrieben. Aufgrund seines breiten semantischen Spektrums lässt sich die „servit(us)“ nur schwer mit einem deutschen Äquivalent erfassen. Auf jeden Fall referiert die Bezeichnung auch im Sinne der Entrechtung auf eine Statusminderung, ob man das Wort nun mit „Leibeigenschaft“, „Sklaverei“ oder „Knechtschaft“ übersetzen will.608 Vergleicht man die Situationsbeschreibung Schappelers mit den Befunden der sozialgeschichtlichen Forschung, besitzt der Ausdruck eine hohe Indikatorfunktion. Die Jahrzehnte vor dem ‚Bauernkrieg‘ waren im oberschwäbischen Raum gekennzeichnet durch die Ausweitung der Leibeigenschaft und der herrschaftlichen Zugriffsrechte auf die Untertanen.609 Entsprechend dieser Lage durfte die Einschätzung, dass die politische Entrechtung und die Steigerung des Arbeitspensums Hand in Hand gingen, bei den Zeitgenossen eine hohe Plausibilität besessen haben. Der Rückgriff auf die Exodusgeschichte beschreibt damit einen Prozess, der von der Forschung heute neutral als Territorialisierung bezeichnet wird, rein negativ als Ausdruck des Unrechts.610

607 Peter Bierbrauer unterscheidet in seinem Forschungsbericht zwischen zwei Positionen. Die eine sieht im ‚Bauernkrieg‘ lediglich eine Reaktion auf die wirtschaftliche Unterdrückung der Untertanen, die andere erkennt im Kampf der Bauern eine Auseinandersetzung um vorenthaltene Rechte, welche die wirtschaftliche Bedrückung der Untertanen mit einem Gefühl der Ungesetzlichkeit in Verbindung bringt. Bierbrauer, Methodenfragen der gegenwärtigen Bauernkriegsforschung (wie Anm. 19), S. 36f. Zum Betrugsvorwurf vgl. Kapitel 2.2.2.4.1. 608 Vgl. die verschiedenen Möglichkeiten, den Ausdruck „servus“ im Mittelalter zu übersetzen: Habel, Edwin/ Gröbel, Friedrich, Mittelalterliches Glossar, 2. Auflage München u. a. 2008, Sp. 363f. 609 Zur wirtschaftlichen, sozialen und politischen Reichweite der „Zwölf Artikel“ vgl. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 32–89. 610 Das Konzept der Territorialisierung als Fundamentalkategorie zur Beschreibung gesellschaftlichen Wandels brachte in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Studien und theoretischen Präzisierungen hervor. Eine Einführung für die Frühe Neuzeit liefert: Bahlcke, Joachim, Landesherrschaft, Territorien und Staat in der Frühen Neuzeit (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 91), München 2012.

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187

Angesichts ihrer Situation schreien die Untertanen laut den „Zwölf Artikeln“ und dem Brief Schappelers. Man kann in dem Schreien eine Schlüsselstelle in der Rezeption der Exodusgeschichte durch Schappeler erkennen. Interessant ist die Wortwahl des Autors. Die Bibel berichtet in Ex 2,23–2,25 über die Lage der Israeliten in Ägypten: post multum temporis mortuus est rex Aegypti et ingemescentes filii Israhel propter opera vociferati sunt ascenditque clamor eorum ad Deum ab operibus. et audivit gemitum eorum ac recordatus foederis quod pepigerat cum Abraham et Isaac et Iacob. respexit filios Israhel et cognovit eos. – Und es geschah während jener vielen Tage, da starb der König von Ägypten. Und die Söhne Israel seufzten wegen (ihrer) Arbeit und schrien um Hilfe. Und ihr Geschrei wegen der Arbeit stieg auf zu Gott. Da hörte Gott ihr Ächzen, und Gott dachte an seinen Bund mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Gott sah nach den Söhnen Israel, und Gott kümmerte sich um sie.

Das Schreien markiert die Peripetie der Handlung. Gott greift angesichts der Not der Untertanen in das Geschehen ein und rettet sein Volk. Im Schreien kreuzen sich die zwei wesentlichen Aspekte der Exodusgeschichte: das Leid durch politische Willkür und die Aussicht auf Errettung in höchster Not. Es lohnt sich, einen genauen Blick auf die literarische Ausgestaltung dieser Szene im Brief, im Vorwort und in der Bibel zu werfen. Auffällig ist, dass die Israeliten in der Bibel nicht zu Gott schreien. Für Jan Assmann ist dieser Umstand im höchsten Maße bemerkenswert. Nach ihm kann man diese Textstelle als einen Hinweis lesen, dass die Autoren der Bibel die Geschichte von der Befreiung aus Ägypten auch als die Wiederbegründung einer Gottesbeziehung zwischen den Juden und ihrem Gott verstanden wissen wollten. In diesem Sinn hätten die Israeliten nach jahrhundertelanger Zeit in Ägypten ihren Gott vergessen und lediglich angesichts ihrer Not geschrien.611 Im Vorwort der „Zwölf Artikel“ schreien die Kinder Israels allerdings zu Gott. Im Brief wiederum schreien die Untertanen, ohne nach Gott zu rufen. Schappeler verwies in diesem Kontext auf „proverbio“, womit die Bibel allgemein, das dortige Buch der Sprüche oder eine allgemeine Redewendung gemeint sein kann. Auf welche Quelle sich die Wendung bezieht, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Hervorzuheben ist jedoch, dass das Schreien aus Not für Schappeler einen Topos darstellte.612 In beiden Texten hielt er an diesem Wort fest. Selbst in den „Zwölf Artikeln“ beten die Israeliten, die in diesem Text Gott kannten, nicht einfach nur zu ihrem

611 Assmann, Exodus (wie Anm. 586), S. 152. 612 Außerhalb der Exodusgeschichte wird in der Bibel mehrmals aus (wirtschaftlicher) Not zu Gott geschrien. Siehe etwa Dt 28,64, Ier 5,19 und 16,13, 1. Sm 26,19, 3 Rg 9,6, Ps 102,2 und 130,1. Das Schreien zu Gott wird in Luthers Bibelübersetzung eher selten im Sinne des Leids übersetzt und ist lediglich ein Synonym für das Sprechen. Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 15, Sp. 1709–1724.

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Schöpfer, sondern sie schreien angesichts ihrer Not. Das Rufen und Schreien ist in den „Zwölf Artikeln“ daher erstens als eine schmerzvolle Klage angesichts der falschen Politik der Obrigkeit zu verstehen, die sich auf das Leben der Beteiligten auswirkt. Zweitens kommt im Schreien die scheinbar aussichtslose Lage zum Ausdruck, von der auch die Bibel handelt. Gerade den Aspekt der Hoffnungslosigkeit hatte Schappeler in Anlehnung an die Heilige Schrift besonders stark hervorgehoben. Die motivierende Leistung der Adaptation kann daher angesichts des positiven Ausgangs der Bibelhandlung folgendermaßen verstanden werden: Zwischen dem Erleiden unerträglicher Zustände und der Aussicht auf Errettung wird eine Verbindung hergestellt. Je mehr die Bedrückungen durch die Obrigkeit und die Hoffnungslosigkeit bei den Untertanen anwachsen, desto wahrscheinlicher wird ihre Erlösung. Das nie endenwollende Leid durch politische Willkür und die Aussicht auf Besserung gehören in dieser Erzählung zusammen.613 Die Adaptation der Exoduserzählung hatte offenbar einen Nerv bei den Untertanen getroffen.614 Das Schreien zu Gott wurde zum Beispiel in Franken als Topos für die Erlösung durch Gott verstanden.615 Ein besonderes Augenmerk verdient aber das Ausschreiben der Versammlung von Salzungen in Thüringen an die umliegenden

613 Auf die Vorstellung, an einer Zeitenwende zu stehen, hebt auch die Adaptation der Exodusgeschichte bei Zwingli ab, wenn er davon spricht, dass man nun vom Dunklen ins Helle gehe. Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 1 (wie Anm. 597), S. 468. Die Reformation wurde in der Frühreformation aber generell als Wendepunkt begriffen. Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.1. Peter Kamber macht überdies auf das Reformationsverständnis der Zürcher Bauernschaft aufmerksam, die zwischen 1522 und 1525 die Durchsetzung des neuen Evangeliums als Erlösung und Errettung aus materieller Not auslegte. Kamber, Reformation als bäuerliche Revolution (wie Anm. 158), S. 79 u. 276. 614 Die Hoffnungslosigkeit der eigenen Lage findet sich in mehreren Schriften aus dem Kreis der ‚Aufständischen‘. Im Ausschreiben an die Adeligen wird die Lage der Neckartal-Odenwälder von Wendel Hipler als aussichtslos stilisiert: „Darzu ist leyder offenbar wie armlewt nit allein verachtet, sonder langzeyt mit grossenn vntreglichen neuwerungen beschwerden vnd vffsaczungen nach allem forteyl erschopft sind, vnd wissen des keyn end.“ Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 291. Auch noch nach dem ‚Aufstand‘ verwiesen die Kemptner Stiftsuntertanen darauf, in ihrer Babylonischen Gefangenschaft angesichts der steigenden Belastungen ganz verzweifelt gewesen zu sein. Die Bemerkung fällt prominent am Ende des Dokuments: Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 401. 615 Friedrich Weygandt stilisiert das „teglich rufen vnnd bitten“ als ein Modell zur „erlosung“ aus der Unterdrückung, wie es einst den „den Kindern von Ysrahel“ durch das Eingreifen Gottes widerfuhr. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 307f. Der Flugschriftenautor „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ empfiehlt seinen Lesern: „Darumb hebt auff ewere hend, schreyend hertzigklich zuͤ Got, helffen mir bitten, daß ich vermoͤge soͤlchs (die Aufforderung an die Untertanen, sich aus der Unterdrückung zu befreien) nach seinem goͤ tlichen willen verbringen (werde)“. Der Autor stilisiert sich in diesem Sinn als ein Prophet, der wie Moses die Menschen aufklären möchte, die Tyrannei hinter sich zu lassen. „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 113.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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Orte. Die Vorrede der „Zwölf Artikel“ wurde in diesem Text fast wörtlich übernommen und an entscheidender Stelle ausgeschmückt: wie dan der inhalt der oben angezeigten zwilf artickeln aller baurschaft, (wie sie dan klar anzeigen), das euangelium zu horen und dem gemeß leben, dahin gericht ist. Ist derhalben unsere treuliche und christliche warnung, diese froliche zit und stunde ansehen, dan unser herr Jhesus Christus und heilant hat und wil seine glaubige kinder us der Babilonische gefenknus foren und us der gewalt Pharaonis erreden, und darumb sulchs uch zu erkennen heimgestelt, das ir hinfurter euch vor dem zukunftigen zorn und dem gestrengen urteil huten mocht. Hiemit ermanen mir euch bruderlich.616

Mit dem Ortswechsel von Ägypten nach Babylon geht keine grundlegende Bedeutungsveränderung einher. Die Babylonische Gefangenschaft fungiert im Anschluss an Martin Luthers gleichnamige Schrift als feststehende Wendung für das unterdrückte Evangelium.617 Die Untertanen von Salzungen meinten damit jedoch wie Schappeler die Bedeutung der Bibel als Richtschnur für den weltlichen und geistlichen Bereich. Ebenfalls vertraten sie die Vorstellung der göttlichen Errettung aus höchster Not. Aufschlussreich ist der Bericht von einer „frohliche(n) zit und stunde“. Die Aussicht auf Errettung habe die Beteiligten in eine Hochstimmung versetzt. Anstelle der Hoffnungslosigkeit habe sich die freudige Aussicht auf Errettung unter ihnen verbreitet. Das Exodusnarrativ diente den Beteiligten damit als Muster, ihre eigene Geschichte zu erzählen. Diese handelt von der Hoffnungslosigkeit der Vergangenheit, der Gegenwart als Wendepunkt und der bevorstehenden Erlösung. Richtig und falsch waren nun klar geschieden: Sie waren das auserwählte Volk, während ihre Gegner von Gott bestraft werden, falls sie sich dessen Willen widersetzten. Die ersten Spuren der Exoduserzählung während des ‚Bauernkriegs‘ finden sich wohl in Oberschwaben. In der Geschichtsschreibung der anonymen Nonne aus dem Kloster Heggbach wird Huldrich Schmid, dem Hauptmann des Baltringer Haufens, am 12. Februar 1525 die Erzählung vom Exodus in den Mund gelegt. Der Anführer habe argumentiert, dass alle Menschen arbeiten sollten und niemand unter ungerechten Lasten wie in Ägypten leiden dürfe.618 Ob die Nonne den Hauptmann richtig zitiert, ist nicht zu überprüfen. Glaubt man ihrem Bericht, findet sich die erste Bezugnahme auf die Exodusgeschichte jedoch bereits vor der Formulierung der „Zwölf Artikel“. Damit hätte Schappeler auch auf ein Vorbild aus dem unmittelbaren Um-

616 Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 266. Außerdem noch von derselben Versammlung vgl. ebd., I, S. 234f. 617 Lobenstein-Reichmann, Freiheit bei Martin Luther (wie Anm. 48), S. 316. Vom gefangenen Wort Gottes sprachen auch die Bildhäuser: Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 291. 618 „also fieng er an (gemeint ist Huldrich Schmid) von Adam zue sagent und Moysem, wie mir selbs arbaiten sollent, und eß solt es iedermann thuen, und auch wie sie Moyses erlitten hett vor dem Pharao, und wie man umb ain oberkait nüzs solt geben.“ Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 281.

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feld zurückgreifen können. Seine Adaptation der biblischen Geschichte geht jedoch über die argumentative Verwendung, wie sie Huldrich Schmid zugeschrieben wird, hinaus. Bei Schappeler fungiert die Geschichte als umfangreiche Situationsbeschreibung der Untertanen, Identifikationsfigur und Zukunftsprognose. Diese spezifische Verarbeitung des Exodusstoffs wurde auch andernorts als Leitererzählung aufgegriffen: Zu Beginn der ‚Erhebung‘ im Umland der Stadt Basel schrieben die Einwohner aus den Dörfern einen Brief, um die Stadtbewohner zum Anschluss an die Versammlung zu bewegen. Geliepten bruder und mitcristen, es ist die zit hie, das got der almechtig die synen usz allerley beswerden und drang nach seiner unermessen gutigkeit erlosen will. In seinem geist sind wir (ob got will) alle versamlet und uns mit eyd verpflicht zu einander, entlich ze bliben verbundet.619

Die Textstelle lässt sich als Kondensat der Exoduserzählung im Sinne der „Zwölf Artikel“ deuten. Wie die ‚Aufständischen‘ im thüringischen Salzungen gingen die Beteiligten im Basler Umland von einer Entscheidungs- und Umbruchszeit aus: „es ist die zeit hie“. In dem Brief ist aber weder die Rede von einem Pharao noch von den unterdrückten Israeliten. Vom Basler Stadtschreiber Heinrich Ryhiner wurde diese Beschreibung allerdings ohne Probleme als die Übertragung der biblischen Geschichte auf die Situation des Jahres 1525 erkannt. Nach seiner Ansicht ging damit jedoch eine unlautere Parallelisierung des Basler Stadtrats mit dem Pharao einher. Er argumentierte, dass es nicht stimme, dass „ein gemeyne stat Basell vonn iren oberkheyten, wie die kinder von Israel vonn dem Pharaone zu uncristenlichen dingen, die zuwider der eer gottes dienten, getrengt wurde, vonn welchen beschwerden got der her die sinen erlösen solte.“620 Auch für die Gegner war damit die Kernbotschaft des Exodusnarrativ verständlich. Leid durch politische Ursachen machte das Eingreifen durch Gott wahrscheinlich. Mehrere hundert Kilometer weiter nördlich fasste Johann Herolt, ein Pfarrer aus Schwäbisch Hall, die Lage aus der Sicht der Obrigkeit zusammen. Angesichts der Forderungen der Untertanen nach Abschaffung ihrer Beschwernisse und ihres Erfolgs bei der Einnahme von Klöstern, Städten und Burgen seien „fursten, herrn unnd stett erstlich gantz schweiffzig unnd erschrockhen (gewesen), wisten nit was sie anfahen soltten oder was der allmechtig Gott darmit auszrichten wolt, vergriffen sich nit gern an dem einfeltigen volckh, damit inen nit wie Pharaoni unnd den Cananitern mit den kindern vonn Israel ergieng“.621

619 Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 478. 620 Ebd., S. 479f. 621 Herolt, Chronica (wie Anm. 337), S. 230.

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Laut Herolts Darstellung war das Exodusnarrativ so wirkungsmächtig, dass sich sogar die Herrschenden als Teil der narrativ vermittelten Wirklichkeit begriffen. Auf der falschen Seite zu stehen, hätte Erschrecken und Ohnmacht verursacht. Sicherlich vertrat Herolt bezüglich der Auswirkungen der Erzählung auf die Handlungsfähigkeit der Obrigkeit eine sehr optimistische Einschätzung, fanden doch einige Herren den Mut, sich den Untertanen entgegenzustellen. Bemerkenswert ist aber sicherlich, um auf die Darstellung des Basler Schreibers zurückzukommen, dass sich Heinrich Ryhiner noch zur Zeit der Abfassung seines Textes am Ende des Jahres 1525 zu einer Richtigstellung zugunsten der Stadtregierung veranlasst sah. Die Erzählung besaß für viele Zeitgenossen offenbar eine große Erklärungskraft, von der man überzeugt werden konnte und zu der man Stellung beziehen musste. Es lässt sich festhalten, dass die Übertragung der Exodusgeschichte auf die Situation der Beherrschten im Jahr 1525 regional weit verbreitet und ständeübergreifend allgemeinverständlich war. Über das Aufstandsgebiet hinweg besaß dieses Narrativ als Situationsbeschreibung drei Aspekte: Leid als Resultat politischen Versagens, die Aussicht auf Erlösung, womit für die Untertanen ein Hoffnungs- und Motivationsimpuls verbunden war, und die moralische Verurteilung der Missstände. 2.2.3.2.2 Die Berufung Mose und die Legitimation der Untertanen Wie aber sollte Gott den Untertanen ihre baldige Errettung kommunizieren? In der Bibel tritt er wie der sprichwörtliche Deus ex machina hervor und beauftragt Moses als Propheten. Als dieser zuerst an die Israeliten herantritt, um ihnen ihre Befreiung anzukündigen, verstehen sie ihn jedoch nicht (Ex 6,9): „narravit ergo Moses omnia filiis Israhel qui non adquieverunt ei propter angustiam spiritus et opus durissimum.“ – „Aber sie hörten Ihn nicht vor Seufzen und Angst vor harter Arbeit.“ Modern gesprochen, können die Israeliten angesichts ihres Erfahrungshorizonts, dem Leid ohne Hoffnung, die Aussicht auf Errettung nicht nachvollziehen. Gott kündigt Moses daraufhin an, dass die Israeliten ihr Schicksal erst erkennen würden, wenn er selbst seine Hand gegen die Ägypter ausstrecke und das Volk aus Ägypten herausführe (Ex 7,5). Während Gott handelt, bleiben die Israeliten die längste Zeit unwissend. Dieser Part der Erzählung, wonach die bestehende Ordnung nur durch eine göttliche Intervention veränderbar sei, entsprach im Jahr 1525 einer gängigen Überzeugung. Aus diesem Grund ermahnte Zwingli die Obrigkeit, dass Gott einen Moses senden könnte, um den wahren Glauben durchzusetzen, und Thomas Müntzer schlüpfte in seiner sog. Fürstenpredigt in die Rolle des biblischen Propheten Daniel, um die sächsischen Herzöge zu grundlegenden Veränderungen im Namen Gottes aufzurufen.622

622 Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 3 (wie Anm. 591), S. 468f. Der Originaltitel von Müntzers Predigt weist auf das Rollenverständnis des Reformators bereits hin: „Außlegung des an-

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Während des ‚Bauernkriegs‘ fehlte zweifelsohne ein Prophet biblischen Formats, ein Umstand, den besonders Martin Luther als Argument gegen die ‚Aufständischen‘ verwendete.623 Am lautesten erhob er in seiner Flugschrift „Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauernschaft“ die Stimme gegen die Inanspruchnahme der Exodusgeschichte: Yhr fuͤ ret auch die kinder Israel zum exempel her, das Gott yhr ruffen erhoͤ ret und sie erloͤ set habe. Warumb haltet yhr euch des selben exempels nicht, des yhr euch rhumet? Ruffet auch so zu Gott und harret, bis er euch auch eynen Mosen sende, der mit zeichen und wunder beweyse, das er von Gott gesand sey. Die kinder Israel rotteten sich nicht widder Pharao, sie hulffen auch yhn selbs nicht, wie yhr furnemet. Darumb ist solch exempel stracks widder euch und verdammet euch, die yhr euch des rhuͤ met, und doch das widderspiel thut.624

Luther warf den Untertanen zwei Fehler vor. Sie dürften nicht aktiv handeln, sondern müssten das Unrecht der Herren erdulden. Zudem befinde sich unter ihnen kein ausgewiesener Prophet, der sich durch „zeichen und wunder“ legitimieren könne. In den „Zwölf Artikeln“ erfolgt der Akt der Legitimierung allerdings entgegen diesem gängigen kulturellen Muster einer prophetischen Sendung.625 Im Text wird bereits die Gewissheit vertreten, dass Gott die Menschen erretten werde. Dazu sollen die Leser die nachfolgenden Artikel studieren und urteilen. Wie es dort explizit heißt und wie es durch die Randglossen angezeigt wird, gründen die Artikel auf der Bibel. Die Argumentation mit der Heiligen Schrift weist das Anliegen der Untertanen damit im Verständnis des Autors für jedermann überprüfbar als Gotteswort aus. Statt Zeichen und Wunder beglaubigen somit die rechtmäßigen Forderungen den Willen Gottes nach Veränderung der Zustände. Pointiert ausgedrückt, bildet Luthers Prinzip des Sola Scriptura die Voraussetzung für die Überzeugung, dass, wenn man

dern unterschyds Danielis, deß propheten, gepredigt auffm Schlos zu Alstet vor den tetigen, thewren herzcogen und vorstehern zu Sachssen durch Thoman Muntzer, diener des wordt gottes. Alstedt MDXXIIII.“ Müntzer, Thomas, Auslegung des anderen Unterschieds Danielis, in: Thomas Müntzer. Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe, hg. von Günther Franz (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte, Bd. 33), Gütersloh 1968, S. 241–263. 623 Der lutherische Reformator Adam Kraft predigte nach seinem Bekunden ebenfalls, dass das Vorhaben der Untertanen scheitern werde, da sie keinen Gottesbefehl gehabt hätten. Das in der Edition in den Anmerkungen zitierte Schriftstück ist als Rechtfertigungsschrift zu verstehen, gegen einen „aufrur“ vorgegangen zu sein. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 59 (Anmerkungsapparat). 624 Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3), S. 320f. 625 In Bezug auf Luthers konservative Theologie, die bestehende Herrschaftsordnung nicht in Frage zu stellen, spricht Wolgast dem Typus des „vir heroicus“ – zu dem auch ein Prophet wie Moses zu zählen ist – im Denken des Reformators eine systemsprengende Wirkung zu, da dieser legitimiert sei, die Verhältnisse im Sinne einer Revolution zu ändern. Wolgast, Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert (wie Anm. 161), S. 16.

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die Bibel nur wörtlich lese, man den Herrgott unmittelbar hören könne.626 In diesem Sinn würde jeder Leser zu einem Wortzeugen Gottes, der dessen Zürnen über die falschen Zustände hören müsse. Es finden sich zahlreiche Textstellen, in denen die ‚Aufständischen‘ diesen Modus der Berufung und Legitimierung rezipierten. So forderten die Württemberger die Einwohner des Orts Bietigheim zum Anschluss an ihre Versammlung folgendermaßen auf. „Lieben getreuen bruder, dieweyll gott der almechtig erleucht hat mit seynem wort und uns erklert hat, wie gar und ganz mir beraupt seyn gewest des teglichen brots nit allain, sunder auch des ewigen brots und izund uns kraft und macht ferleyht und ferleyen wurd“.627 Für die Württemberger fungierte Gott damit als Aufklärer, der ihnen ihre Situation erst bewusst gemacht habe. Der Brief schildert ein Erweckungserlebnis: Erst jetzt, nachdem Gott direkt zu ihnen gesprochen habe, hätten die Württemberger erkannt, in welcher Not sie sich befänden. Das Evangelium sei, wie es auch die „Zwölf Artikel“ beschreiben, als Maßstab für den weltlichen und religiösen Bereich unterdrückt worden. Man könnte es fast überlesen, aber die Württemberger geben an, des Evangeliums „beraupt“ zu sein. Auf diese Weise wird der Zustand der Entrechtung mit dem Aspekt der Kriminalisierung ihrer Gegner gekoppelt. Schließlich stellen sie dar, dass Gott ihnen Kraft und Macht verleihe und sie auch in Zukunft unterstützen werde. Kritisch könnte man einwenden, dass in diesem Text mit keinem Wort erwähnt wird, dass sich in Württemberg bereits elf Jahre zuvor eine ‚Erhebung‘ ereignet hatte und die Menschen mit ihrer Situation offenbar schon länger unzufrieden waren.628 Das Narrativ der Berufung mit seinen aufklärerischen und handlungmotivierenden Aspekten verdrängte angesichts seiner Legitimationsaspekte offenbar andere Wirklichkeitsvorstellungen.

626 Diese Lesart, dass die fehlende Übereinstimmung weltlicher Praktiken mit den göttlichen Geboten bei Gott auf Missmut stoßen werde, wird nicht nur im Vorwort, sondern auch im elften der „Zwölf Artikel“ nahegelegt. Dort heißt es, dass Gott die Missstände nicht mehr länger „leiden“ wolle. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 30. 627 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 7. Ganz eindeutig lässt sich der Einfluss der Exoduserzählung auf die Württemberger mit dem Wirken Jäcklein Rohrbachs verbinden. Er adaptierte in einem Brief an Bürger aus der Stadt Heilbronn diese Geschichte, als er schrieb, „man sollt ihm helfen, die Kinder Israel wieder in das gelobte Land zu bringen“. Diese Deutung wirkte nach: Der Reformator der Stadt Johann Lachmann, der mit dem Brief Rohrbachs vertraut war, veränderte seine Argumentation in seinen Flugschriften und versuchte, den Auszug aus Ägypten in seinem Sinn umzuinterpretieren. Rauch, Moritz (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Heilbronn. Bd. 4. (Württembergische Geschichtsquellen, Bd. 20), Stuttgart 1922, S. 287. Lachmann, Johannes, Drei christliche Ermahnungen, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 316–327. 628 Schmauder, Württemberg im Aufstand – der Arme Konrad 1514 (wie Anm. 133).

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Die Bildhäuser Versammlung nahm in ihrem Ausschreiben an die benachbarten Untertanen ebenfalls auf den Akt der direkten Kommunikation mit Gott Bezug. Auch in diesem Text referierte man ausführlich auf den Modus der Auserwählung. Lieben freunde und bruder. nachdem von jaren zu jaren manigfeltige und itz zuletz untregliche beschwernus und burden von der obrickayt und herschaft wider gotliche und cristliche ordnung und geschrift auf den gemainen und armen man gelegt und getriben und demselben kain erleichternus oder nachlassung, wiewol solchs erbermglich und oft von den armen angesucht, nie hat begegnen konnen oder mogen, sonder last und beschwernus sich von tagen zu tagen ye mer geheufft, das got der almechtig nit lenger zusehen, sonder sein arme scheffle; die er so thewr erarnet und erlost, itz gnediglichen, als wir verhoffen, ansehen wil, derhalben wir als des nidersten stands, wiewol unwirdig, on zweyvel durch gotlich erforderung solche unser und gemaines christenliches stands beschwernus und grosse betrangung zu herzen gefurt, wie dan anderswa und an andern orten auch beschigt und auf sein gotlich gnad, der wir uns vestiglichen hirin, vertrosten, das closter Bildhausen zu notturftiger erhaltung eingenomen.629

Auf den ersten Blick scheint die Textstelle keine Bezüge zur Exodusgeschichte aufzuweisen. Die Wendung von der teuren Erlösung ist jedoch, wie im Kapitel 2.2.3.2.4 gezeigt werden soll, ein zentraler Bestandteil der Adaptation der Geschichte.630 Eine andere Parallele ist jedoch zuerst offensichtlicher. Die Bildhäuser geben an, dass Gott nicht „lenger zusehen“ wolle. Die Basler sprechen von der „zit“, die gekommen sei, und in den „Zwölf Artikeln“ wird das baldige „gericht“ prophezeit. Besonders deutlich setzten sich die ‚Aufständischen‘ von Bildhausen mit der Problematik auseinander, dass sie als unterster Stand eigentlich unwürdig seien, gesellschaftliche Veränderungen vorzunehmen. Mit Hilfe der Erzählung konnten sie diese hemmende Vorstellung allerdings überwinden. Die Handlungsaufforderung, beziehungsweise die „erforderung“ durch Gott, die sie „on zweyvel“ vernommen hätten, wog stärker. Die Handelnden hätten sich Gottes Worte schließlich „zu herzen“ geführt und dann gehandelt. Aus den Korrespondenzen der Bildhäuser Versammlung lässt sich nachvollziehen, dass dieser Moment der Ansprache zum Gründungsmythos ihrer Vereinigung wurde. So rekapitulierten die verbündeten ‚Aufständischen‘ von Seßlach in einem Brief vom 23. Mai an die Versammlung zuerst diese Erzählung, bevor sie zum eigentlichen Thema, ihrer militärischen Bedrohung durch die Obrigkeit, überleiteten.631

629 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. 630 Die Exodusgeschichte gehörte bei der Bildhäuser Versammlung offenbar zum Alltagswissen der ‚Erhebung‘. So hofften die ‚Aufständischen‘ von Haßfurt in einem Brief an die Seßlacher, dass Gott sie „aus der hand Pharonis etc. erledigen (würde)“. Ebd., II, S. 130. 631 Die Vereinigung sei „sonders zweyvels aus gotlicher und ewangelischer erforderung“ entstanden. Ebd., II, S. 290. In diesem Text kann die „erforderung“ auch mit „Erfordernis“ und nicht nur mit „Aufforderung“ übersetzt werden. Zur Semantik des Wortes vgl. Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 3, Sp. 168. Eine weitere Textstelle zur

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Über die Wirkung der Exodusgeschichte berichten auch die Chroniken, welche von den Autoren angefertigt wurden, die sich im Zug des Schwäbischen Bunds gegen die ‚Aufständischen‘ befanden. Übereinstimmend wurde vom anonymen Chronisten des Truchsessen von Waldburg, dem Tagebuchschreiber Hans Lutz und von Ambrosius Geyer, dem Reiterhauptmann des Würzburger Kontingents, festgehalten, dass mehrere hundert Fußknechte des Schwäbischen Bunds vor der ersten Konfrontation mit den ‚Aufständischen‘ desertierten. In allen drei Texten wird dieser Gruppe eine theologische Motivation unterstellt. Nach dem anonymen Chronisten des Truchsessen und Hans Lutz hätten die Beteiligten argumentiert, dass die Bauern das Wort Gottes vertraten, weshalb sie nicht gegen diese ziehen wollten.632 Ambrosius Geyer verlegt diese Vorgänge, welche die anderen Chronisten in den März datieren, auf die erste Aprilhälfte und berichtet: „als wie man erstlich saget: gott hett die kinder von Israel erwecket, das wern die bawren, sind der bündischen knecht desselben mals bey anderhalb tausent vom bündischen häufen heimlich hinweg geloffen, dann wider die brüder wolten sie nit ziehen.“633 Zweifelsohne besaß die spezifische Art der Exodusrezeption, wie sie durch die „Zwölf Artikel“ geprägt wurde, eine hohe motivierende Kraft. Die Texte legen nahe, dass die ‚Aufständischen‘ glaubten, Gott selbst spreche zu ihnen. Christoph Schappeler hatte im Vorwort der „Zwölf Artikel“ damit auf brillante Weise die Situation der Untertanen aus der Perspektive der Bevölkerung überzeugend zusammengefasst, ein Beglaubigungswunder geschaffen und die Vorstellung ihrer baldigen Erlösung geweckt. Für die ‚Aufständischen‘ ging mit der Übertragung der Exodusgeschichte auf ihre Situation ein hoher Evidenz-, Motivations- und Legitimationseffekt einher.634 Die Rezipienten erkannten in der Beschreibung ihre eigene Lage wieder, glaubten von Gott erhört zu werden und sich auf dem Weg aus ihrem Ägypten zu befinden.635

Beglaubigung der Untertanen als auserwähltes Volk mit Verweis auf die Exodusgeschichte der „Zwölf Artikel“ findet sich im Ausschreiben der Salzunger Bauern, wenn diese ihre Leser auffordern, dies selbst „zu erkennen“. Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 266. 632 Anonymus, Der Schreiber des Truchsessen Georg von Waldburg, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 525–612, S. 543. Adam, A., Das Tagebuch des Herolds Hans Lutz von Augsburg. Wieder aufgefundener Text, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 47 (1893), S. 55–100, S. 64–67 (von Interesse sind hier besonders die stilisierten Reden). 633 Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 727f. 634 Dieses sog. Beglaubigungswunder konnte sicherlich an das kulturelle Sinnstiftungsmuster der frühen Reformation anknüpfen, dass das wahre Wort Gottes die wahren Verhältnisse aufdecke. Vgl. diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.1. 635 Die Vorstellung, dass der Herrgott Rechtschaffenheit belohne, war im Jahr 1525 kein innovativer Gedanke. Neu hingegen war die Idee, dass Gott einen Bund mit einer ganzen Gruppe eingegangen sei, um diese im Hier und Jetzt dauerhaft aus dem Zustand schlechter Herrschaft zu erlösen.

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2.2.3.2.3 Der Weg in das Gelobte Land Luther hatte in seinem Einwand das aktive Handeln der Untertanen scharf kritisiert. Nach Michael Walzer, der die jahrhundertelange Rezeption der Exodusgeschichte untersuchte, lassen sich zwei charakteristische Positionen hierzu unterscheiden. Die eine definiert die politische Befreiung ausschließlich als Gottesgeschenk, die andere verlangt von den Unterdrückten das Mitwirken an der Veränderung ihrer Lage.636 In der Exodusgeschichte, wie sie im Vorwort der „Zwölf Artikel“ dargestellt wird, handelt ausschließlich Gott, die Untertanen bleiben tatenlos. In der Mehrheit der Bezugnahmen aus dem Lager der ‚Aufständischen‘ wurde jedoch das zweite Konzept vertreten, welches die Befreiung als die tatkräftige Umsetzung eines göttlichen Plans auslegt. In den bereits zitierten Textstellen zur Aneignung der Exoduserzählung findet sich dieses Konzept mit unterschiedlichen Worten ausgedrückt. Die Untertanen aus dem Basler Umland gaben an: „In seinem geist sind wir (ob got will) alle versamlet“.637 Die Salzunger Untertanen unterzeichneten ihr Ausschreiben mit der Formel, „Der herre Christus mit seinen glidern in der baurschaft Salczungen“.638 Die Württemberger berichteten, Gott habe ihnen „kraft und macht“ verliehen,639 und die Bildhäuser teilten mit, sie hätten aufgrund seiner göttlichen „gnad“ gehandelt.640 Die ‚Aufständischen‘ vertraten damit die Vorstellung, dass Gott durch sie wirke oder dass er sich unter ihnen befinde. Zudem glaubten sie, seinen Willen zu vollstrecken und als seine Werkzeuge zu handeln. Betrachtet man analog dazu die Inhalte der Paraphrasen, wie sie bereits im letzten Kapitel untersucht wurden, kommt auch dort die Idee zum Ausdruck, eine bessere Ordnung nach dem Willen Gottes aufrichten zu wollen. Dieser Gedanke, ein Werkzeug Gottes zu sein, durchzog den Diskurs der ‚Aufständischen‘ ganz zentral. Die Wurzeln für die politische Auslegung der Exodusgeschichte liegen bereits in den Glaubensvorstellungen der Untertanen vor dem ‚Bauernkrieg‘. Franziska Conrad wies in ihrer Studie für das Elsass nach, dass die Untertanen altgläubige und reformatorische Aspekte in ihrem Glaubensverständnis verbanden. So hielten sie an der Überzeugung fest, dass gute Taten zur Erlangung des Seelenheils notwendig seien. Gleichzeitig vertraten sie reformatorische Positionen wie die Predigt des reinen Evangeliums. In dieser Vorstellungswelt mussten religiöse Prinzipien nicht einfach nur geglaubt, sondern in Taten überführt werden.641 Die „Zwölf Artikel“

636 Walzer, Exodus und Revolution (wie Anm. 586), S. 58f. 637 Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 478. 638 Fuchs/ Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (wie Anm. 86), I, S. 266. 639 Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 7. 640 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. 641 Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 99.

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prangerten, wie oben beschrieben, religiöse und damit auch politische und soziale Missstände dezidiert an. Die Beherrschten konnten dies als Zürnen Gottes verstehen. Warum sollten sie daher nicht handeln, wenn Gott seinen Plan für eine christlichere Welt offenbarte? Auffällig ist, dass in den Schriften der Untertanen nicht immer eine absolute Gewissheit vorgebracht wurde, ob Gott tatsächlich helfe. So schränkten die ‚Aufständischen‘ aus dem Basler Umland die Aussicht auf Erlösung ein. Diese sei nur möglich, wenn „got will“. Diese Beobachtung gibt Anlass, exakter als bisher danach zu fragen, wie sich die Beteiligten ihr Verhältnis zu Gott vorstellten. In der biblischen Exodusgeschichte wird die Verbindung des auserwählten Volkes zu Gott als Bund beschrieben. Genau genommen finden sich dort zwei Bundesvorstellungen.642 Zuerst hilft Gott seinem Volk, das die längste Zeit über die Veränderungen unwissend ist, ohne Gegenleistungen aus Ägypten: Er alleine verhängt die Plagen und teilt das Meer. Die Israeliten folgen lediglich Gottes Propheten. Die Offenbarung der Zehn Gebote am Sinai stellt dann einen Wendepunkt im Verhältnis zwischen Gott und den Menschen dar. Von nun an muss sich das Volk, wenn es als auserwählt gelten will, an Regeln halten (Exodus 19,3–6). Diese Veränderung vollzieht sich in mehreren Schritten. Bereits in Sehweite des Sinaibergs, kurz vor der Übergabe der Gebote, willigen die Israeliten ein, all das zu tun, was der Herr von ihnen verlangt (Exodus 19,8). Daraufhin empfängt Moses auf dem Berg die Bedingungen des Bündnisses und verkündet diese dem Volk. Die Israeliten stimmen daraufhin ein zweites Mal zu, alles das zu tun, was Gott von ihnen fordert (Exodus 24,3). Als Moses kurz darauf erneut auf den Berg steigt, diesmal um die Tafeln des Bundes in Empfang zu nehmen, wendet sich aber ein Teil des Volkes ab und huldigt anderen Göttern: Die Israeliten errichten ein goldenes Kalb, das sie anstelle von Gott verehren. Der Herrgott zürnt und straft daraufhin sein Volk: 3000 Israeliten müssen sterben. Diese Ereignisse lassen sich als Wandel in der biblischen Bundesvorstellung interpretieren. Nach der Verkündung der Gebote beruht der Bund nun auf Gegenseitigkeit. Die Israeliten haben sich durch ihr richtiges Verhalten zu beweisen. Sie müssen selbst an ihrer Befreiung mitwirken, indem sie Gottes Gesetze befolgen. Die Alternative zur Tyrannei, so könnte man es ausdrücken, bildet eine Ordnung, die von allen Beteiligten eingehalten werden muss. In der Bibel werden die Israeliten zuerst von Gott aus der Sklaverei befreit und erhalten erst dann eine neue Ordnung. Im Vergleich zum Vorbild beruht die Übertragung der Exoduserzählung auf die Situation des Jahres 1525 auf einem Verstoß gegen diese Chronologie. Der Aktualisierung liegt ein Bildbruch, eine Katachrese, zu Grunde:643 Im Unterschied zum biblischen Vorbild konnte der Auszug aus Ägyp-

642 Walzer, Exodus und Revolution (wie Anm. 586), S. 83–92. 643 Der Begriff der Katachrese wurde von Jürgen Link in die Diskursforschung eingeführt, um Kollektivsymbole wie das Exodusnarrativ exakter als bisher analysieren zu können. Bildbrüchen

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ten für die Versammlungen zu Basel, Württemberg, Bildhausen und Salzungen nur dann gelingen, wenn sie Gottes Plan eigenständig umsetzten. Sie handeln in ihrem Ägypten folglich so, als ob sie von Gott instruiert worden seien und bereits seinen Gesetzen gehorchten. Angesichts dieses Bundeskonzepts wird die Unsicherheit der Untertanen aus dem Basler Umland, ob Gott tatsächlich helfen werde, verständlich. Zur Übernahme der Verantwortung, als Werkzeug Gottes zu handeln, gehörte auch die Gefahr, dass Gott bei Zuwiderhandlungen die Beteiligten bestraft. Auf diesen Zusammenhang referiert etwa eine Lagerordnung, welche wohl aus Württemberg stammt. In ihr wird das Abweichen von den festgeschriebenen Normen der Versammlung mit der Geschichte der Israeliten verglichen. „Zum sechsten: so das hemlich getusal grossan schaden hat gebracht den lsraheliten, wollan mir alla meuteri (im Bauernlager) verbotan haben bei straf des richters.“644 Die Textstelle bezieht sich auf keine bestimmte Stelle in der Bibel. Die Botschaft ist aber eindeutig: Immer dann, wenn die Israeliten von den Gesetzen Gottes abwichen, erlitten sie Schaden. Ein auserwähltes Volk, dies war das Tertium Comparationis, muss sich an Gottes Gebote halten, wenn es Erfolg haben will. Die Anweisungen der Lagerobersten stellen in diesem Sinn die sanktionierte Deutung des Gotteswortes dar. In dieser Lagerordnung, wie auch in anderen, begegnete man der Angst zu scheitern mit der Sanktionierung bestimmter Verhaltensweisen.645 Diese sind in jenem Dokument das Verbot der Gotteslästerung, die Untersagung von Trunkenheit, Völlerei und Unkeuschheit sowie die Anweisung, Alte und Junge im Kampf zu schonen. Man kann diese Bestimmungen als rein handlungspraktische Anweisungen auffassen, die Disziplin im eigenen Lager zu wahren. Diese Gedanken können aber, wie zwei stärker theoretisch fundierte Texte nahelegen, als die zentralen Bedingungen für den Beistand Gottes verstanden werden. Erstens ist Friedrich Weygandts Brief zu nennen, in dem er Wendel Hipler, dem Schreiber des Neckartal-Odenwälder Haufens, seine Pläne zur reformation des Reiches unterbreitete. Darin ordnet er zuerst die Lage der ‚Aufständischen‘ entsprechend der Exoduserzählung ein. Angesichts der bisherigen Erfolge, unter anderem

kommt nach Link die Funktion zu, ein Kollektivsymbol mitzukonstituieren, indem sie unterschiedliche Gegenstandsfelder miteinander kombinieren. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob Gewaltanwendungen zur Durchsetzung gottgewollter Ziele durch die Menschen legitim oder illegitim waren. Vgl. in aller Kürze zur Theorie: Link, Jürgen, Über Kollektivsymbole im politischen Diskurs und ihren Anteil an totalitären Tendenzen, in: KultuRRevolution 17/18 (1988), S. 47–53. 644 Mit dem „hemlich getusal“ wird auf eine Verschwörung angespielt. Auch Martin Luther unterscheidet zwischen der heimlichen und öffentlichen Kommunikation, da ein Umsturz immer im Verborgenen beginne. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 282. Zu Luther siehe diese Arbeit Kapitel 2.1.1. 645 Exemplarischen Charakter besitzt in dieser Hinsicht die Ochsenfurter Feldordnung der Taubertaler: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 144–149.

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das Erzstift Mainz in ein Bündnis gezwungen zu haben, urteilt er, „wa nun die gerechtickait und das wort gots gebraucht, so mag demselben niemand widerstehn“.646 Demnach habe die Umsetzung der göttlichen Prinzipien die Unterstützung Gottes garantiert. Um diese Erfolge nicht zu gefährden, seien seine Vorschläge zur reformation des Reiches umzusetzen: „damit die hilf und gnad gottes zum sig nit abweich, das gemainer nutz aller fromen christenbruder mer, dan der geytz und aigner nutz und daneben, das wider die gebot gotts von rums oder geyts wegen nit gehandelt (werde)“.647 Christliches Handeln, so könnte man es zusammenfassen, war für Weygandt der entscheidende Garant für Gottes Hilfe und daher unabdingbar für das gemeinsame Ziel. Die Exodusgeschichte zitierte auch der anonyme Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“.648 Im achten Kapitel seiner Schrift postulierte er folgende Bedingungen für die Errettung aus der Knechtschaft: Also ir lieben bruͤ der nit empoͤ rent euch selbs mit ander lewten guͤ tter reych zuͤ werden, oder ewer hertzen werdent falsch. Des sigs werden ir nymmer getroͤ st. Wie der teüffel das creütz, also solt ir hassen den geytz, springent allayn zuͤ samen umb des gemaynen landtfridens wegen und zuͤ handthaben die christliche freyhayt.649 Und: ir aber vertrawet in Got, sind fest imm glawben, sint nit ewer selbs, sonnder sind Gottes krieger das evangelium zuͤ erhalten und die babilonischen gefencknuß zuͤ zerreisen, befleyß sich ain yeder dem andern fürzuͤ kommen in aller trew und lieb, sind unsperrig underainander, sind straͤffig gegen ainander, verduld ye ayner den andern in aller zucht und guͤ tigkait, haltent goͤ t-

646 Die politische Instrumentalisierung der Exodusgeschichte ist leicht zu erkennen. Offenbar hielt sie Weygandt für allgemeinverbindlich: „Aber ich besorg es sey vnnd werd noch zurzeit beschwerlich solichs der selben gestalt anzufahen; es were dann sach das got sein gnad dem armen cristenlichen volck zu erlosung verliehe wie den Kindern von Ysrahel; so mocht alles wie ich euch im besten nachuolgender meynung mit hilff gottes, darumb wir teglich ruffen vnnd bitten sollen, zu gutem ende vnnd gottlicher reformacion nach vermog meiner voruberschickten artickel komen“. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 307f. 647 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 432. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 307f. 648 Am deutlichsten findet diese Parallelisierung zwischen der ägyptischen Unterdrückung der Israeliten und der Knechtschaft der Untertanen im Jahr 1525 im neunten Kapitel statt. Dort wird die politische Befreiung der Beherrschten mit dem Auszug aus Ägypten verglichen: „Es hatt sich nur allwegen verloffen under den vertoͦ sern (heißt: Zerstörern) unnd gotlosen tyrannen, der zeügnuß ist die schrifft voller, und zuͤ vor Moyses, wie wol er zuͤ künftiger koͤnig in Egypten was, noch dennocht erbarmt er sich uber das arm voͤlcklin under dem grossen tyrannen Pharaon, warff auff wider in auch ain armen Cuntzen, stieß zuͤ ruck sein kuͤ nigklich eer, und in was unaußsprechenlicher angst, not und elend gab er sich mit dem armen voͤlcklin, ist unaußsprechlich, biß er sy von den tyrannen erloset.“ „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 130. 649 Ebd., S. 129.

200  2 Der Diskurs der aufrürer

lich forcht, vertragent keyns wegs die zuͤ sauffer, lassent auch kayns wegs die gotßlesterer mit iren verfluchten zungen under euch, so wirt Got gewißlich ewer hoͤ rfuͤ rer sein.650

Ganz praktisch gedacht, ermahnte der Autor die ‚Aufständischen‘ zu Disziplin und Gehorsam, den Grundvoraussetzungen einer jeden Kampfgemeinschaft. Die Forderungen gehen jedoch weit darüber hinaus. Der Autor fordert nichts weniger als einen neuen Menschen, der eine christliche Haltung im höchsten Maße verinnerlicht habe. Erst dann, wenn die ‚Aufständischen‘ nicht mehr sie „selbs“ seien, sondern „Gottes krieger“, erlöse sie Gott als Heerführer aus der ungerechten Herrschaft. Die Untertanen müssten sich dafür von bestimmten Verhaltensweisen und Einstellungen distanzieren. Der Autor nennt Geiz, Streit, Zutrinken und Gotteslästerei, Verhaltensweisen, die auch in der obigen Feldordnung und in Friedrich Weygandts Brief stigmatisiert wurden. Die positiven Charaktereigenschaften und Handlungsweisen, welche die Menschen an den Tag legen sollten, entsprachen dabei den Idealen einer christlichen Gemeinschaft: die Gewährung des Landfriedens und der christlichen Freiheit, die Praktizierung der Nächstenliebe („trew und lieb“), die Wahrung der Gottesfurcht sowie die Einhaltung einer ethischen Gesinnung im weitesten Sinne („zucht und guͤ tigkait“). Man kann diese Befunde aus unterschiedlichen Textgattungen – der Lagerordnung, dem Brief und der Flugschrift – mit einem bestimmten Konzept in Verbindung bringen, der Vorstellung, durch moralische Bewährung von Gott errettet zu werden. Fasst man zusammen, war die Deutung, einen Bund mit Gott eingegangen zu sein, im Schrifttum der ‚Aufständischen‘ weit verbreitet. Dabei proklamierten die Beteiligten, als Werkzeuge Gottes zu handeln und sich mit seiner Hilfe und durch eine christliche-moralische Handlungsweise selbst aus ihrer Unterdrückung befreien zu müssen. 2.2.3.2.4 Die Vorstellungen vom Gelobten Land Eine abschließende Antwort, wo das Gelobte Land des Jahres 1525 auf der Karte vergangener Zukunftsentwürfe zu verorten ist, wird es sicherlich nicht geben können. Schließlich konnten die deutschen Untertanen ihr Israel, sprich eine gelebte neue Ordnung, nicht erreichen. In der Logik der Exodusgeschichte findet der eigentliche Gründungsakt der neuen Gesellschaft allerdings nicht in Israel, sondern auf dem Sinai statt. Den Neubeginn bildet die Übergabe der Zehn Gebote. Charakteristisch für die Rezeption der Exodusgeschichte durch die ‚Aufständischen‘ war der Bildbruch in der chronologischen Übertragung der Erzählung auf die eigene Situation. Entsprechend diesem Bundeskonzept habe Gott bereits zu Beginn der ‚Erhebung‘ zu den ‚Aufständischen‘ gesprochen und nicht erst wie im Vorbild seine neue Ordnung auf dem Sinai offenbart. Gleichzeitig existierte aber auch die

650 Ebd., S. 129.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



201

Vorstellung in Oberschwaben, Württemberg und Franken, durch eine abschließende Vereinbarung eine neue Ordnung aufzurichten (Kapitel 2.2.2.4.3). Wie waren diese beiden Versionen eines Sinai-Erlebnisses vereinbar? Friedrich Weygandt stilisierte sein Vorhaben zur Durchsetzung einer reformation im gesamten Reich als die Vollendung der Exoduserzählung. Gleichzeitig glaubte er jedoch, dass die ‚Aufständischen‘ schon vorher Gott gehorchen müssten.651 Beide Positionen schlossen sich folglich nicht aus. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich für Oberschwaben machen. In den „Zwölf Artikeln“ wurden bereits Gebote für eine neue Ordnung aus der Bibel deduziert, die man im Grunde für unwiderlegbar hielt. Ein später einzuberufendes Religionsgespräch sollte unter Berücksichtigung dieser Grundsätze eine umfassende Ordnung ausarbeiten.652 Blickt man noch einmal in das Vorwort der „Zwölf Artikel“ und in den Brief Schappelers an Zwingli, lässt sich das Sinaierlebnis des Jahres 1525 oder besser gesagt: lassen sich die Sinaierlebnisse noch deutlicher rekonstruieren. In beiden Texten ging Schappeler davon aus, dass die Prinzipien einer wahren göttlichen Ordnung bereits vorhanden seien, man sie den Untertanen jedoch vorenthalte. Entsprechend dieser Überzeugung brauchte Gott keine neuen Gesetze zu verkünden, sondern durch die Aufdeckung der immer gültigen Wahrheit der Bibel ließ sich diese Ordnung erkennen. Der Zustand der Entrechtung und die Aufrichtung einer neuen Ordnung sind demzufolge durch die politische Interpretation der Bibel und durch ihre gesellschaftliche Umsetzung zu überwinden. Pointiert formuliert, benötigten die ‚Aufständischen‘ keinen Sinai im gegenständlichen Sinn, denn sie hatten sich schon in ihrem Ägypten auf die Prinzipien der Bibel verpflichtet. Die Auslegung der Heiligen Schrift unterschied sich im ‚Bauernkrieg‘ von Region zu Region. Bleibt man im Bild des Exodusnarrativs, lassen sich daher vielleicht am ehesten über die Rezeption des Bundesgedankens die Prinzipien einer zukünftigen Ordnung rekonstruieren. Eine solche Fragestellung zielt damit eher auf die Formen einer Gesellschaft ab als auf ihre konkreten Einzelbestimmungen. Verfolgt man in einem ersten Schritt die Aufnahme des Bundesgedankens im politischen Diskurs der Frühen Neuzeit, wird deutlich, dass der Idee eines Bundesschlusses eine hohe Bedeutung zukam. Die Forschung erkannte in der Rezeption dieser Bibelstelle eine Leiterzählung für die Gründung frühmoderner und moderner Staatlichkeit, sei es im Genf Calvins oder im Amerika der Freiheitskriege.653 Worin lag aber nun die politische Relevanz eines Bundes mit Gott, wie er in den Bibel am Sinai geschlossen wird? Robert Bellah urteilte: „The great institutional achievement of Israel was to found a society not on the rule of one man who claimed to unite hea-

651 Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 307f. 652 Siehe oben Kapitel 2.2.2.4.3. 653 Siehe oben Kapitel 2.2.3.1.

202  2 Der Diskurs der aufrürer

ven and earth, but on a covenant between God and a people. That is the significance of the events at Sinai after the Exodus from Egypt.“654 Der Bund begründet demnach eine besondere Form der Herrschaft, diejenige zwischen Gott und seinem Volk. In dieser Konzeption wird jeder Mensch Vertragspartner, keiner wird herausgehoben. Diese Vorstellung misst jedem Individuum den gleichen Stellenwert zu. Gesellschaften, die sich auf diesen Gründungsmythos beziehen, konstituieren sich folglich nicht mehr zwischen Herren und Untertanen, in einer solchen Gesellschaft besitzen alle Menschen den gleichen Rechtsstatus und keiner herrscht mehr aus eigenem Recht. Galt diese Rezeption aber auch für den ‚Bauernkrieg‘? Der Aspekt der Gleichrangigkeit war zweifelsohne konstitutiv für die Bauernvereinigungen.655 Aber stammte dieser Gedanke aus der politischen Rezeption des Exodus? Die Idee von Bünden einschließlich des Prinzips der Gleichrangigkeit war in der spätmittelalterlichen Gesellschaft omnipräsent. In Gilden schlossen sich Handelsleute zusammen, und auch Städte definierten sich als Schwurgemeinschaften rechtlich gleichgestellter Bürger. Man kann die Idee des Bundes, nach dem sich auch die Bauernhaufen organisierten, durchaus mit dieser Form der Genossenschaftsbildung in Verbindung bringen. Durch die Ausdehnung der Bündnisse auf die Herrschaftsträger der jeweiligen Regionen wäre dann eine Gemeinschaft gleichgestellter Menschen entstanden.656 Von diesen mittelalterlichen Bünden unterschieden sich die Vereinigungen der Untertanen jedoch grundlegend durch den Zweck ihrer Gemeinschaftsbildung: dem Gehorsam gegenüber Gott. In einem solchen Bund waren alle Mitglieder aus dem Grund gleichrangig, da sie Gottes Gesetze befolgen mussten. Es lohnt sich, konkreter nach den Bundesvorstellungen im ‚Bauernkrieg‘ zu fragen. Michael Walzer legt nahe, dass der Sinai-Bund als eine Form der doppelten Herrschaftsbegründung verstanden werden konnte: einerseits als die Verpflichtung jedes einzelnen Bundesmitglieds gegenüber Gott und andererseits als die Aufforderung, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass alle Mitglieder die Bedingungen des Bundes einhalten. Eine solche Gesellschaft sei damit erstens vertikal begründet, als Beziehung zwischen Gott und den Menschen, und zweitens horizontal, als Gemeinschaftsgründung zwischen den Bundesmitgliedern, zu dem Zweck untereinander die Gesetze Gottes einzuhalten. Jeder Beteiligte schließe demnach einen doppelten Bund, einen mit Gott und einen mit seinen Mitmenschen.657 Dieser Gedanke spielte auch während des ‚Bauernkriegs‘ eine hervorgehobene Rolle. Wie oben gezeigt, sollten durch die Feldordnung jeder Einzelne zur Wahrung des Gottesbundes

654 Bellah, Robert N., Religion in human evolution. From the Paleolithic to the Axial Age, Cambridge 2011, S. 310. 655 Siehe oben Kapitel 2.1.2.2. 656 Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland (wie Anm. 175), S. 129–139. 657 Walzer, Exodus und Revolution (wie Anm. 586), S. 83–92.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft 

203

angehalten werden. Aber auch der Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ ermahnte alle ‚Aufständischen‘, untereinander ein christliches Verhalten an den Tag zu legen, um den Beistand Gottes nicht zu gefährden.658 Eine weitere historische Interpretationslinie des Sinai-Bundes rekonstruierte Jan Assmann. Er betrachtete den dortigen Bundesschluss ebenfalls als eine Form der vertikalen und horizontalen Gemeinschaftsgründung. Als ausschlaggebend für die Rezeption der horizontalen und vertikalen Achse bewertete er allerdings die Zehn Gebote. Er legte dar, dass der erste Abschnitt des Dekalogs (Erstes bis Drittes Gebot), welcher von der Verehrung Gottes handelt, als vertikales Bündnis verstanden werden konnte. Im zweiten Abschnitt der Zehn Gebote, der das Verhalten der Menschen in der Gemeinschaft regelt, erkannte er das horizontale Prinzip der Herrschaftsbildung. Assmann stellte an historischen Beispielen dar, dass die Zehn Gebote angesichts ihrer Zweiteilung mitunter als doppeltes Liebesgebot verstanden wurden, Gott als Herren zu achten und den Nächsten zu lieben. Ansätze dieser Rezeptionslinie fänden sich bereits bei der Abfassung des Neuen Testaments. Als Jesus nach dem höchsten Gebot gefragt wird, nimmt er auf diesen Gedanken des Sinaibunds Bezug. ait illi Iesus diliges Dominum Deum tuum ex toto corde tuo et in tota anima tua et in tota mente tua. hoc est maximum et primum mandatum. secundum autem simile est huic diliges proximum tuum sicut te ipsum. in his duobus mandatis universa lex pendet et prophetae. – Er antwortete ihm: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.‘ Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: ‚Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst.‘ An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten. (Mt 22,37–40).659

In dieser Interpretation des Sinai-Bundes löst das Prinzip der Nächstenliebe die starre Befolgung der Gebote, welches das Verhältnis der Menschen untereinander regelt, ab. Der horizontale Aspekt von Herrschaft kommt in dieser Lesart alleine darin zum Ausdruck, dass die Gemeinschaftsbildung dem Wohl des Nächsten dienen müsse. Diese Rezeptionslinie des Exodusbundes ging damit deutlich weiter, als sie Walzer nachzeichnet. Sie benennt einen innerweltlichen Zweck einer christlichen Gemeinschaft: die Sorge um den Nächsten.660 Während Walzer zufolge die horizontale Herrschaftsbildung alleine dazu diene, dass die Menschen den Bund mit Gott einhalten, sieht Assmann den horizontalen Aspekt, wie er in der Nächstenliebe zum Ausdruck komme und einen eigenen Rechtsbereich schaffe, gleichwertig neben dem vertikalen. Im ‚Bauernkrieg‘ lassen sich beide Rezeptionslinien des Sinai-Bundes erkennen. Von Bedeutung ist vor allem der dritte der „Zwölf Artikel“.

658 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 129. 659 Zur Praxis die Interpretation an der Vulgata zu orientieren und die Einheitsübersetzung lediglich als Übersetzungshilfe anzubieten, vgl. Anm. 181 und 600. 660 Assmann, Exodus (wie Anm. 586), S. 235–240 u. S. 249–271.

204  2 Der Diskurs der aufrürer

Dieser Abschnitt beruht, ohne dass dies von der Forschung bisher erkannt wurde, auf einer intensiven Rezeption der Exodusgeschichte. Er soll daher in aller Ausführlichkeit analysiert werden. Esaie 53

Zuͦ m dritten ist der brauch byßher gewesen, das man uns für ir

1. Petri 1

aigen leüt gehalten haben, woͤ lch zuͦ erbarmen ist, angesehen das uns

1. Chor. 7

Christus all mitt seynem kostparlichen pluͦ tvergu ͤssen erloͤ ßt unnd er-

Roma. 13

genommen. Darumb erfindt sich mit der geschryfft, das wir frey seyen

Sapien. 6

und woͤ llen sein. Nit daz wir gar frey woͤ llen seyn, kain oberkait haben

1. Petri 2

wellen, lernet unß Gott nit, wir sollen in gepotten leben, nit yn freyem

Deut. 6

fleyschlichen muͦ twilen. Sonder Got lieben, in als unserrn herren in unsern

Mathei 4

nechsten erkennen, unnd alles das thon, so wyr auch gern hetten, das

Luce 4 u. 6

unns Got am nachtmal gepotten hat zuͦ ainer letz. Darumb sollen wir

kaufft hat, den hyrtten gleych alls wol alls den hoͤ chsten, kain auß-

Math. 5

nach seinem gepot leben, zaigt und weißt uns diß gepot nit an, das wir

Jehan. 13

der oberkait nit korsam seyen, nit allain der oberkait, sunder wir sollen

Roma. 13

uns gegen jederman diemuͤ tigen, das wir auch geren gegen unser erwelten

Actuum 5

und gesetzten oberkayt (so uns von Got gesetzt) in allen zimlichen und

Ain cristliche

christlichen sachen geren gehorsam sein. Seyen auch on zweyfel, ir wer-

Erbietung

dendt unß der aigenschafft als war unnd recht christen geren endtlassen oder uns im evangeli des berichten, daz wirß seyen.661

Der dritte Artikel lässt sich in zwei Abschnitte gliedern. Der Erste handelt von der Ungültigkeit der Leibeigenschaft, welche für die Herrschaftsausübung in Oberschwaben um 1525 prägend war. Der Zweite entwirft unter der Prämisse der Nächstenliebe eine andere Form der Gemeinschaftsbildung. Kommt man zuerst auf die Verurteilung der Leibeigenschaft zu sprechen, sei diese unrechtmäßig, da alle Menschen gleich erschaffen worden seien und Jesus die Gläubigen bereits durch seinen Tod aus der Leibeigenschaft erlöst habe.662 Das zweite Argument ist ohne Zweifel erklärungsbedürftig, zumal in der katholischen und lutherischen Kirche der Kreuztod Jesu als Erlösung der Menschen von den Sünden verstanden wird. An dieser Textstelle mag eine ältere juristische Tradition durchscheinen, die aus dem Sachsen- und Schwabenspiegel bekannt war, und welche die Leibeigenschaft unter

661 Da die Präzisierung der Bibelstellen, wie sie der Editor vornahm, bereits eine moderne Interpretation darstellt, wurde auf ihre Wiedergabe verzichtet. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28. 662 Am Rand finden sich die Glossen: „Roma. 13“, „Sapien. 6“ und „1 Petri 2“. Auch schon in diesen Textstellen wird zum Teil auf den Bundesschluss abgehoben, der alle Menschen zu Gleichen macht. Mit „Roma. 13“ dürfte nicht der Obrigkeitsgehorsam gemeint sein, sondern die Textstelle (Rm 13,8– 10), die vom Liebesgebot im Anschluss an den Bundesschluss am Sinai handelt. In „1 Petri 2“ (I Pt 2,9) werden die Gläubigen als Gottesvolk verstanden. „Sapien. 6“ (Sap 6) referiert dagegen wohl auf das Leben ohne Gebote, von dem im Haupttext die Rede ist.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

 205

Hinweis auf den Tod Jesu verwarf.663 Eine politische Lesart auf die Befreiungstat Jesu entwickelte aber auch Huldrich Zwingli, der zur seelischen Erlösung auch die Befreiung von der weltlichen Tyrannei als Notwendigkeit mitdachte, um ohne Furcht dem Herrgott dienen zu können. Die Freiheit der Israeliten aus der ägyptischen Unterdrückung und die Erlösungstat Jesu wurden von Zwingli dabei parallelisiert.664 Vermutlich lehnen sich die „Zwölf Artikel“ an diese grundsätzlichen Vorstellungen an, wenn sie ebenfalls die Erlösungstat Jesu mit dem Exodus in Beziehung setzen. Die entsprechenden Randverweise auf „Esaie 53“ sowie auf „1. Petri 1“ und „1. Chor. 7“ geben Aufschluss über das spezifische Bibelverständnis. Der Kreuztod wird in Is 53,7 mit der Opferung eines Lammes parallelisiert:665 „oblatus est quia ipse voluit et non aperuit os suum sicut ovis ad occisionem ducetur

663 Einschlägig ist der Aufsatz von Walter Müller, der als mögliche Quellen noch die „Reformatio Sigismundi“ und Erasmus von Rotterdams Traktat „Institutio principis christiani“ nennt, in der wortwörtlich vom Blut Christi die Rede ist. Müller, Walter, Wurzeln und Bedeutung des grundsätzlichen Widerstands gegen die Leibeigenschaft im Bauernkrieg 1525, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 93 (1975), S. 1–41. Bereits vor Abfassung der „Zwölf Artikel“ findet sich bereits bei den Bauern die Argumentation, dass Jesu die Menschheit aus der Leibeigenschaft erlöst habe. Exemplarisch: Franz, Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband (wie Anm. 50), S. 148 u. 150. Die juristische Dimension der „Zwölf Artikel“ stellt ein Desiderat dar, das hoffentlich mit der Publikation von David von Mayenburgs Habilitationsschrift stärker in Fokus rückt. 664 Zwingli schreibt in seinen Randglossen zum Exodus: „Populi Israëlitici ex Aegypto profectio liberationem e servitute peccati et diaboli tyrannide significat, qua per Christum sumus donati, ‚ut sine timore de manu inimocorum liberati serviamus ipsi cum sanctitate et iustita coram ipso omnibus diebus vitae nostrae‘.“ Der Auszug des israelitischen Volkes aus Ägypten bedeute „die Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde und der Tyrannis des Teufels, eine Freiheit, mit der wir durch Christus beschenkt sind, damit wir ihm, aus der Hand der Feinde befreit, ohne Furcht dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit alle Tage unseres Lebens“. Zur Interpretation und Übersetzung der Textstelle, welche die Schweizer als auserwähltes Volk proklamiert, vgl. Hamm, Zwinglis Reformation der Freiheit (wie Anm. 591), S. 121 und ausführlicher S. 10–16. Im Jahr 1523 hatte Zwingli in seiner Schrift „Auslegen und Gründe der Schlußreden“ den Bundesschluss am Sinai mit dem Kreuztod parallelisiert, indem er „Testament“ mit „Bund“ übersetzte. „Hie hörend wir die wort Moysi, damit er das testament gevestet hatt, so glych sin den worten Christi von sinem bluot, das ein ietlicher eigenlich mercken mag, das Moyses gehandlet hat ein bedüten gewesen sin deß, das Christus gethon hat. Denn nachdem got mit den kinderen Israels und iren nachkummen einn pundt gemacht und ein erbgemächt, das ist: ein testament, do ist ouch tod und bluotvergiessen.“ Kein anders Volk so Zwingli weiter habe dieses religiöse und politische Erbe besser bewahrt als die freiheitsliebenden Schweizer: „ghein volck uff erden ist, dem christliche fryheit bas anston wirt und ruwiger möge ggegnen, denn einer loblichen Eydgnosschaft“. Egli, Emil (Hg.), Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 2 (Corpus Reformatorum 89) Leipzig 1908, S. 19 u. 131. Schon für das Jahr 1516 schrieb der altgläubige Chronist Hans Salat, dass Zwingli die Bauern angestachelt habe, gegen ihre Leibeigenschaft zu revoltieren, da „alle Cristen fry“ sein sollten. Zitiert nach: Büsser, Fritz, Das katholische Zwinglibild. Von der Reformation bis zur Gegenwart, Zürich 1968, S. 67. 665 Laube präzisiert Js 53 auf Js 53,4 u. 5. Blickle teilt ebenfalls diese Interpretationslinie. Inhaltlich passt die präzisierte Textstelle, die von einem göttlichen Gericht handelt, jedoch nicht zum Text des

206  2 Der Diskurs der aufrürer

et quasi agnus coram tondente obmutescet et non aperiet os suum.“ – „Da er gestraft und gemartert ward, tat er seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird“. Dieses Bild liegt ebenfalls 1 Pt 1,18 und 19 zu Grunde: „scientes quod non corruptibilibus argento vel auro redempti estis de vana vestra conversatione paternae traditionis sed pretioso sanguine quasi agni incontaminati et inmaculati Christi“ – „Und wisset, daß ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem eitlen Wandel nach väterlicher Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.“ In 1 Cor 7,21–23 wird das Verbot der Knechtschaft der Menschen untereinander postuliert, da alle Christen bereits erlöst seien und lediglich Gott gehorchen müssten: servus vocatus es non sit tibi curae sed et si potes liber fieri magis utere. qui enim in Domino vocatus est servus libertus est Domini similiter qui liber vocatus est servus est Christi. pretio empti estis nolite fieri servi hominum. – Denn wer als Knecht berufen ist in dem Herrn, der ist ein Freigelassener des Herrn; desgleichen, wer als Freier berufen ist, der ist ein Knecht Christi. Ihr seid teuer erkauft; werdet nicht der Menschen Knechte.

Die Vorstellung, Jesus sei ein Opferlamm, überträgt zweifelsohne alttestamentarische Deutungen auf das Neue Testament. Von Opferlämmern ist in der Bibel mehrmals die Rede.666 Will man die Bezugnahme auf das Lamm jedoch politisch deuten, bietet sich im Grunde nur eine Quelle an: die Exodusgeschichte. Zur Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten trug Gott seinem Volk das Pessachfest auf (Ex 12,1–12). Die Juden sollen sieben Tage ungesäuertes Brot essen und schließlich die Handlung wiederholen, die sie einst vor der zehnten Plage schützte und mit der sie den Bund mit Gott gefeiert hatten: Ein Lamm musste geopfert werden. Historisch betrachtet lassen sich Elemente des christlichen Osterfestes, einschließlich der Deutung Christi als Osterlamm, auf das Pessachfest der Israeliten zurückführen. Sehr deutlich weist darauf etwa das Johannesevangelium hin.667 Wörtlich nimmt aber auch der erste Korintherbrief (1 Cor 5,7) auf die Engführung von Pessach und Ostern Bezug. Darin erklärt Paulus der Gemeinde zu Korinth, die bei ihrem jüdischen Glauben bleiben will: „expurgate vetus fermentum ut sitis nova consparsio sicut estis azymi etenim pascha nostrum immolatus est Christus“ – „Denn wir haben auch ein Osterlamm, das ist Christus, für uns geopfert.“ In dieser Textstelle wird Jesus Christus als neue Pessachlamm präsentiert, das ebenfalls geopfert wurde.

dritten Artikels. Blickle, Peter, Von der Leibeigenschaft zu den Menschenrechten. Eine Geschichte der Freiheit in Deutschland, 2. Auflage München 2006, S. 246f. 666 Siehe etwa: Lv 14,12 u. 23,19. 667 Felsch, Dorit, Die Feste im Johannesevangelium. Jüdische Tradition und christologische Deutung (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament, 2, Bd. 308), Tübingen 2011, S. 246–264. Zur ikonographischen Darstellung Jesu als agnus dei um 1500 vgl. Matheson, The Imaginative World of the Reformation (wie Anm. 4), S. 46.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



207

Der Argumentationsgang des dritten Artikels lässt sich am besten als Syllogismus beschreiben.668 Der Autor begründete seine Forderung, indem er verschiedene Bibelstellen kombinierte, so dass sie einen logischen Schluss ergeben. Ergänzt man lediglich die zweite Prämisse des Syllogismus, die für den Autor als Annahme wohl selbstverständlich war (vermutlich 1 Cor 5.7), ergibt sich folgende Begründungslinie:669 1. 2. 3.

Jesus ist als Opferlamm gestorben. (Is 53,7 u. 1 Pt 1,19) Das Opferlamm steht für die Erlösung der Menschen aus der Knechtschaft. (evtl. 1 Cor 5,7) Folglich hat Jesus die Menschen aus der Knechtschaft erlöst. (1 Cor 7,21–23)

Bleibt man auf der Ebene der Wörter, die miteinander in Beziehung gesetzt wurden, besitzt die Argumentation eine beachtliche Stringenz. Die Textstellen in den „Zwölf Artikeln“ können daher als Ausdruck einer tiefen Durchdringung der Exoduserzählung als Geschichte einer politischen Befreiung verstanden werden, welche die juristische Argumentation von der Hinfälligkeit der Leibeigenschaft mithilfe von Bibelverweisen untermauert. Über die Rezeption dieser Aussage unter den ‚Aufständischen‘ kann die Geschichtsdarstellung des Lehrers Jacob Holzwart Aufschluss geben, der im oberschwäbischen Kloster Roggenburg kurz nach der ‚Erhebung‘ seine Darstellung verfasste, um dem Augsburger Bischof ein Gegengift zur Verhinderung eines neuen ‚Aufstands‘ zur Verfügung zu stellen. Nach seinem Dafürhalten sei die Argumentation mit dem Blut Christi der entscheidende Grund gewesen, warum die Untertanen in Oberschwaben glaubten, sich aus ihrer Leibeigenschaft befreien zu dürfen. Erst

668 Ein Syllogismus findet sich auch im Vorwort der „Zwölf Artikel“: „Zům ersten ist das evangelion nit ain ursach der empoͤrungen oder auffrůren, dye weyl es ain rede ist von Christo dem verhaissne Messia, welchs wort und leben nichts dann liebe, fride, geduldt und ainigkaiten lernet, also daz alle, die in disen Christum glauben lieplich, fridlich, gedultig und ainig werden. So dann der grund aller artickel der bawern (wie dann klar gesehen wirt) daz evangelion zů hoͤren und dem gemeß zů leben, dahin gericht ist, wie mügen dann die widerchristen das ewangelion ain ursach der emboͤrung und des ungehorsams nennen?“ Ein Syllogismus ist seit der Antike eine grundlegende Argumentationsform, welche aus zwei Prämissen besteht, aus denen eine logische Konklusion gezogen wird. In diesem Sinne lässt sich die Textstelle folgendermaßen erläutern: Erste Prämisse: Das Evangelium lehrt Liebe, Frieden, Geduld und Einigkeit, deshalb ist es nicht für den Aufstand verantwortlich. Zweite Prämisse: Die Bauern halten sich an das Evangelium. Schlussfolgerung: Die Bauern sind nicht aufständisch. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 26. 669 Punkt eins und Punkt drei des Syllogismus verweisen semantisch aufeinander. In den Bibelstellen war jeweils vom teuren Blut die Rede.

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diese Überzeugung, so Holzwart, habe den ‚Aufstand‘ möglich gemacht. Mit zahlreichen Argumenten versuchte er, daher diese Bibelauslegung zu widerlegen.670 Mehrere hundert Kilometer von Oberschwaben entfernt nahmen die Bildhäuser Bauern in ihrem bereits zitierten Ausschreiben ebenfalls auf diesen Argumentationsgang Bezug. Dort heißt es: Gott wolle angesichts der Not der Untertanen nicht länger zusehen, da er seine armen Schäflein zuvor schon „so thewr erarnet und erlost“ habe.671 Eine Übernahme dieser Stelle aus den „Zwölf Artikeln“ liegt nahe. Es findet sich jedoch eine entscheidende Abweichung von dem dortigen Begründungsschema. Im Ausschreiben gingen die ‚Aufständischen‘ davon aus, dass Gott die Menschen von der Bedrückung durch zu hohe Lasten erlöst habe. Von der Leibeigenschaft, die im Bildhäuser Gebiet keine große Rolle spielte, ist dort folgerichtig keine Rede.672 Es lassen sich mit etwas Vorsicht zwei Rezeptionsweisen des dritten Artikels unterscheiden. In der ersten bezog sich die Forderung tatsächlich nur auf die Abschaffung der Leibeigenschaft, in der zweiten wurde Leibeigenschaft als Knechtschaft beziehungsweise Unterdrückung verstanden und konnte auch auf die Lage von Personen, die nicht leibeigen waren, gemünzt werden. In beiden Fällen wirkte die Argumentation im höchsten Maße motivierend, eine Legitimation gegen scheinbar unzumutbare, da ungesetzliche Zustände gefunden zu haben. Der gesamte dritte Artikel besitzt eine hohe innere Kohärenz. Der erste Part sammelt Argumente gegen die politische und wirtschaftliche Unterdrückung der Menschen und der zweite Teil entwirft eine politische Alternative. Auch dieser Abschnitt referiert wieder auf die Exodusgeschichte. Der Verweis auf „Deut. 6“ setzt einen Doppelpunkt für alles Folgende. Die Randglosse neben dem Haupttext verweist auf die Bibelstelle, als Moses dem Volk die Gesetze, die er am Sinai erhält, erläutert (Dt 6,1). Haec sunt verba quae locutus est Moses ad omnem Israhel trans Iordanem in solitudine campestri contra mare Rubrum inter Pharan et Thophel et Laban et Aseroth ubi auri est plurimum – Und das ist das Gebot, das sind die Gesetze und Rechtsvorschriften, die ich euch im Auftrag des Herrn, eures Gottes, lehren soll und die ihr halten sollt in dem Land, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen.

670 Holzwart, Jacob, Rustica seditio totius fere Germaniae, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 639–720, S. 643–646. Siehe zudem diese Arbeit Kapitel 3.3.2. 671 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. 672 Tischler, Manfred, Die Leibeigenschaft im Hochstift Würzburg vom 13. bis zum beginnenden 19. Jahrhundert (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe IX, Bd. 18), Würzburg 1963, S. 88–91.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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Darauf folgt im Haupttext des dritten Artikels die Darlegung des doppelten Liebesgebots. Abgeschlossen wird diese Textstelle von einem Halbsatz, der Aufschluss über den Fundort der Weisung gibt: „das unns Got am nacht mal gepotten hat zuͦ ainer letz.“ Die Aussage bezieht sich auf das Johannesevangelium, in dem Jesus die Jünger auffordert, einander zu lieben, wie er einst diese geliebt hatte (Io 13,34– 35).673 Reformationshistorisch ist die Nennung des Letzten Abendmahls von hoher Bedeutung, wurde doch diese Begebenheit in Wittenberg, Straßburg oder etwa Zürich als Bundesschluss mit den Gläubigen gedeutet. Der Bund konnte in Abgrenzung zur altgläubigen Kirche als neue Gemeinschaft der Gläubigen verstanden werden.674 Bucer sprach von einem „geystlichen ewigen bundt“, der zwischen den Gläubigen durch das Nachtmahl gestiftet werde und nach Luther, der schon 1519 dieses Bild aufgriff, töte die „rechte christenliche bruderliche eynicket“ die „eygen nutzige liebe“ der neuen Bundesmitglieder und schaffe eine Gemeinschaft, in der die Gläubigen einander in „gemeyn nutzige(r) liebe“ verbunden seien. Während Luther aufgrund seiner Zwei-Reiche Lehre einem Ausgreifen des Bundesgedankens von der Kirche auf die Welt untersagte, ging Zwingli diesen Schritt. Die eidgenössische Freiheit wurde mit dem Bund verglichen, den Gott mit Moses schloss und im Abendmahl erneuerte.675

673 In den anderen Evangelien wird die Bruderliebe nicht genannt. Die Quellenangabe im Haupttext der „Zwölf Artikel“ ist insofern nicht vollständig, da neben dem doppelten Liebesgebot noch die Goldene Regel angeführt wird, die an anderer Stelle zu finden ist (Lc 6,31). Die Erwähnung des Letzten Abendmals ist in ihrer Bedeutung damit höher einzuschätzen als die Funktion einer Quellenangabe. Angesichts der Tragweite und Komplexität der Ausführungen im Haupttext wird die Textstelle zusätzlich über die Randverweise weiter abgesichert. Die Verweise „Luce 6“, „Math. 5“ und „Jehan. 13“ lassen sich mit Lc 6,31 (Goldene Regel), Mt 5,48 (Feindesliebe) und Io 13,34–35 (Gebot der Bruderliebe beim Abendmahl) auflösen. Das Gebot der Feindesliebe (Lc 6,27) auf das „Luce 6“ auch verweisen kann, bleibt im Haupttext stumm. Nach der Edition Götzes handelt es sich nicht um „Math. 5“, sondern um „Math. 7“ (=Mt 7,12), womit die Goldene Regel gemeint ist. Götze, Die zwölf Artikel der Bauern 1525 (wie Anm. 3), S. 12. 674 Nach Martin Greschat habe der Bundesgedanke im mittelalterlichen Glaubensleben eine untergeordnete Rolle eingenommen, da die Kirche das Zusammenspiel von der Zusage Gottes und der Verpflichtung der Menschen, wie sie im Bundesschluss zustande kommt, monopolisiert habe. Der Bund konnte nicht zuletzt deswegen in der Frühen Neuzeit zu einem Sinnbild für die Erneuerung des Glaubens und gedankliche Keimzelle für eine neue Gemeinschaft werden, deren Glaubensbekenntnis, wenn man Luthers und Müntzers Streit um den wahren Bund folgt, unterschiedlich ausgelegt werden konnte. Greschat, Martin, Der Bundesgedanke in der Theologie des späten Mittelalters, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 81 (1970), S. 44–63. 675 Eine luzide Interpretation der unterschiedlichen Bundesvorstellungen liefert Schmidt, dessen Ausführungen die Zitate entnommen sind: Schmidt, Heinrich Richard, Bundestheologie, Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag, in: Gemeinde, Reformation und Widerstand. Festschrift für Peter Blickle zum 60. Geburtstag, hg. von dems./ André Holenstein / Andreas Würgler, Tübingen 1998, S. 310–313. Umstritten in der Bundestheologie Zwinglis ist der Zeitpunkt, wann dieser den Bund des Alten Testaments mit dem Bund des Neuen Testaments in Übereinstimmung bringt: Baker, J. Wayne, Heinrich Bullinger and the Covenant. The other reformed tradition, Athens 1980, S. 1–

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Eingerahmt von dem Hinweis auf den Bund am Sinai und der Erwähnung des Abendmahls im Haupttext findet sich auch in den „Zwölf Artikeln“ die Terminologie des Bundesschlusses, der im Sinn der Reformatoren als doppeltes Liebesgebot ausgedrückt wird, Gott und den Nächsten zu lieben. Im Gegensatz zu Luther wird der Bund dabei – Zwingli folgend – auch für den weltlichen Bereich postuliert, indem dezidiert die weltliche Obrigkeit in den Bundesschluss eingebunden wird. Der Begründungsgang verläuft folgendermaßen: Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen einer christlichen und einer unchristlichen Gemeinschaft. In einem christlichen Gemeinwesen dürften die Menschen nicht im „fleyschlichen muͦ twilen“ leben, das heißt, selbstsüchtig und ohne Gebote zu handeln.676 Mit den „gebotten“ ist neben der Gottesliebe die Nächstenliebe gemeint. Die Menschen sollten „Got lieben, in als unserrn herren in unsern nechsten erkennen“. In diesem Sinn ist jeder Mensch dem Nächsten verpflichtet, wie dieser wiederum auch ihm verpflichtet ist. Jeder Mensch ist ein Untertan und Herr zugleich oder, wie es die ‚Aufständischen‘ ausdrücken, ein Christ müsse sich „gegen jederman diemuͤ tigen“. Weiter heißt es im Sinne der Goldenen Regel, man solle auch „alles das thon, so wyr auch gern hetten“. Das lenkende Prinzip der Gesellschaft besteht folglich in der Übereinstimmung des Einzelwillens mit den Bedürfnissen des Nächsten. Oder anders ausgedrückt, wenn jeder das Interesse des anderen antizipiert und verwirklicht, handelte keiner aus „muͦ twilen“ und alle leben in christlichen Geboten.677 Die ideale christliche Gemeinschaft beruht folglich auf einer Verbindung von Menschen, die sich gegenseitig, aufgrund gemeinsamer Interessen, um das Wohl des Nächsten zu verwirklichen, verpflichtet sind. Die Gemeinschaftsbildung besitzt ihren Ausgangspunkt damit in der Nächstenliebe und nicht in anderen Rechtsbegründungen. Oder profaner formuliert: Die Herrschaft auf Erden ist in der horizontalen Verbindung der Menschen untereinander begründet, füreinander Sorge zu tragen. Als Kommentar zum dritten Artikel lassen sich mehrere Passagen aus der ebenfalls zeitgenössischen Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ verstehen. Unter der Kapitelüberschrift, „Der war christlich glawb will kayn menschlich oberkayt haben“, werden diese Argumente fast wortwörtlich wiederholt. Die Leibeigenschaft oder Knechtschaft wird dort allerdings nicht erwähnt, stattdessen spricht der Autor mit diesen Argumenten unumwunden die Bedingungen einer

25. Cottrell, Jack Warren, Covenant and Baptism in the Theology of Huldreich Zwingli, Princeton 1971, S. 18–126 u. 265–294. 676 In den Randglossen wird auf „Mathei. 4“ und „Luce 4“ verwiesen, die von der Versuchung Jesu durch den Teufel handeln (Mt 4, Lc 6). Die Belege verleihen dem Haupttext, der eine göttliche Ordnung mit einer mutwilligen kontrastiert ein noch größeres heilsgeschichtliches Gewicht. Auf diese Weise wird eine Entscheidungssituation für die Gegenwart postuliert, auf der Seite Gottes oder des Teufels zu stehen. Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28. 677 Ebd.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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idealen Ordnung an. Folgendes sei zu beachten: „Alles das ir nur woͤllend, das euch die lewth thuͤ n soͤllend, dasselbt thuͤ nd inen herwider auch etc.“ Und: „Zum andern Matth. am XXII, ja Got vergleychet die bruͤ derliche liebe gegen seiner lieb, welche soll gon aus gantzem gemuͤ t, auß allem gantzem herzten und seel.“678 Ein drittes Argument, das sich in den „Zwölf Artikeln“ nicht findet, präzisiert das bisher Gesagte: „Hie ist weder knecht noch herr, wir seind allzuͤ mal ayner in Christo“. Diese Stelle referiert auf eine Körpermetapher, welche in der Tradition antiker und mittelalterlicher Körperbilder steht, die verwendet werden, um den Aufbau eines Gemeinwesens zu charakterisieren.679 Alle Menschen, so der anonyme Autor, seien gleichberechtigte „glyd(er)“ eines Körpers, dessen „haupt“ Jesus Christus bilde. Die Überlebensfähigkeit des Gebildes ist in diesem Sinn von der richtigen Haltung der Menschen als Glieder des Gemeinwesens abhängig: „Darumb so tragent alle glider auß eingepflantzter tugent miteinander liebs und layds […]. Ir seind niemandts nichtz schuldig, dan das yr euch under eynander lieben solt, dan die lieb ist des gesatz erfuͤ llung.“680 Deutlicher lässt sich der doppelte Bundesgedanke kaum beschreiben: Das vertikale Prinzip des Sinai-Bundes markiert das Verhältnis von Haupt zu Körper. Der horizontale Charakter von Herrschaft kommt darin zum Ausdruck, dass alle Menschen als gleichberechtigte Glieder des Körpers imaginiert werden. Das christliche Gemeinwesen kann nur gelingen, wenn die Menschen die vertikale Aufforderung zur Nächstenliebe horizontal umsetzen. Leide ein Glied unter Not, müsse diesem, laut dem Autor, geholfen werden. Denn der Tod eines Gliedes bedeute den Tod des ganzen Körpers. Die Menschen müssen folglich Gott und dem Nächsten gehorchen. Die Prinzipien, Gott und den Nächsten zu lieben, sind hier, wie in den „Zwölf Artikeln“, nicht strikt voneinander getrennt. Der Dienst am Nächsten ist in diesem Sinn ein religiös sanktionierter Zwang, Gott zu lieben. Der anonyme Autor der Flugschrift beließ es aber nicht bei dieser abstrakten Bestimmung des Gemeinwesens. Im dritten Kapitel wird die Nächstenliebe als Handlungsnorm operationalisiert. Exemplarisch legt der Verfasser anhand der zu leistenden Abgaben dar, dass diese aus „bruͤ derlicher lieb“ zu entrichten seien, wenn sie zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt werden. In diesem Sinne konkretisiert der Autor die Auffassung, dass die Übereinstimmung des Einzelwillens mit dem Willen des Nächsten für eine Gesellschaft und für den Einzelnen förderlich sei. Denn Steuern zum Wohle aller zu entrichten, liege, so der Autor, im Interesse eines jeden Menschen.681 Eine ideale Gemeinschaft wird folglich durch den Staatszweck

678 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 113f. 679 Bei Körpermetaphern handelte es sich in Antike, Mittelalter und Früher Neuzeit um klassische Beschreibungsmittel zur Charakterisierung einer Staatsverfassung. Guldin, Rainer, Körpermetaphern. Zum Verhältnis von Politik und Medizin, Würzburg 2000. 680 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 114. 681 Ebd., S. 115f.

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des Allgemeinwohls charakterisiert, der an das ethische Empfinden der Nächstenliebe rückgekoppelt ist. Wenn jeder dem anderen diente, wären weltliche Herren unnötig, wie die bereits zitierte Kapitelüberschrift des ersten Abschnittes der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ lautet. Herrschaftsämter werden in diesem Text allerdings nicht suspendiert. Vielmehr solle eine christliche Obrigkeit ihre Herrschaftsausübung als „ampt“ verstehen. Sie müsse die Schäflein Gottes „wayden“ und sich wie ein „haußvatter“ oder ein „trewer lieber pfleger“ gegenüber den Untertanen verhalten.682 Sie herrsche folglich wie ein „diener Gottes“.683 Die Befähigung zur Ausübung des Amtes resultiere demnach nicht aus vererbten Rechten, sondern durch ein „bruͤ derlich hertz“.684 In diesem Verständnis sei der frommste Christ der geeignetste Herrscher. Es handele sich bei ihm um einen „irrdischen Gott“.685 Schon in der Exodusgeschichte (Dt 17,19 und 20) ist die Deutung angelegt, dass ein weltlicher Herrscher eigentlich überflüssig ist, wenn die Israeliten in das Gelobte Land einziehen. Wählten sie sich aber doch einen aus ihrer Mitte zum König, sollte dieser sein Leben lang die Weisungen Gottes beachten und die Thorarollen mit sich führen und weder nach links oder nach rechts von den Geboten abweichen.686 Gott schloss – so kann man den anonymen Flugschriftenautoren interpretieren – im Jahr 1525 einen neuen Bund mit den Untertanen als seinem auserwählten Volk. Als der Souverän dieser neuen Ordnung sind aber weder die Untertanen noch einzelne Herrschaftspersönlichkeiten anzusehen, sondern alleine Gott, der die Gesetze erlässt. Im Verständnis des Autors handelt es sich dabei um die Gottes- und Nächsten-

682 Ebd., S. 115. Der Autor wählte eine einkreisende Charakterisierung. Das „wayden“ weckt Assoziationen an das Bild eines Priesters als Schäfer seiner Gemeinde. Unter einem „pfleger“ kann ein Amtmann, aber auch der Träger einer Vormundschaft oder Pflegschaft verstanden werden, der stellvertretend Aufgaben für jemand anderen übernimmt. Auf die Fürsorgefunktion eines Herrschers hebt dagegen stärker der „hausvatter“ ab. Preußische Akademie der Wissenschaften, Deutsches Rechtswörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 10, Sp. 925–932. Blickle, Kommunalismus (wie Anm. 27), Bd. 2, S. 369. 683 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 112. 684 Ebd., S. 115. 685 Ebd., S. 115. Ähnliche Gedankengänge werden sich später in der Lehre Bullingers finden, wenn dieser davon ausgeht, dass der Magistrat der Stadt Zürich den Bund gewährleisten müsse, den Gott mit der Gemeinde geschlossen habe. Auch hier findet sich im Anschluss an das Buch Exodus die Vorstellung des christlichen Amtmannes, der die Gesellschaft im Hinblick auf Gottes doppeltes Liebesgebot ausrichten müsse. Baker, Heinrich Bullinger and the Covenant (wie Anm. 675), S. 65–69. 686 „et habebit secum legetque illud omnibus diebus vitae suae ut discat timere Dominum Deum suum et custodire verba et caerimonias eius quae lege praecepta sunt. nec eleve-tur cor eius in superbiam super fratres suos neque declinet in partem dextram vel si-nistram ut longo tempore regnet ipse et filii eius super Israhel.“ – „Sein Leben lang soll er die Weisung mit sich führen und in der Rolle lesen, damit er lernt, den Herrn, seinen Gott, zu fürchten, auf alle Worte dieser Weisung und dieser Gesetze zu achten, sie zu halten, sein Herz nicht über seine Brüder zu erheben und von dem Gebot weder rechts noch links abzuweichen, damit er lange als König in Israels Mitte lebt, er und seine Nachkommen.“

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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liebe, welche das Allgemeinwohl aller in den Mittepunkt der neuen Gemeinschaft stellt.687 Wendet man den Blick zurück auf die „Zwölf Artikel“ ist in Analogie zur Flugschrift des Anonymus nur schwer vorstellbar, dass der Obrigkeit dort eine andere Rolle zugewiesen wird als die eines Pflegers oder Amtmannes, da in beiden Texten die Nächstenliebe als horizontales Herrschaftsprinzip verstanden wird. Interessant ist in dieser Hinsicht die Beschreibung der Herrschaft in den „Zwölf Artikeln“ als „unser erwelten und gesetzten oberkayt (so uns von Got gesetzt)“. Am Rand des dritten Artikels wird zwar nicht auf die entsprechende Bibelstelle verwiesen, die Charakterisierung nimmt aber wohl wieder auf die Exoduserzählung Bezug.688 In Dt 17,14 und 15 heißt es über einen zukünftigen König der Israeliten: cum ingressus fueris terram quam Dominus Deus tuus dabit tibi et possederis eam habitaverisque in illa et dixeris constituam super me regem sicut habent omnes per circuitum nationes. eum constitues quem Dominus Deus tuus elegerit de numero fratrum tuorum non poteris alterius gentis hominem regem facere qui non sit frater tuus. – Wenn du in das Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, hineingezogen bist, es in Besitz genommen hast, in ihm wohnst und dann sagst: Ich will einen König über mich einsetzen wie alle Völker in meiner Nachbarschaft, dann darfst du einen König über dich einsetzen, doch nur einen, den der Herr, dein Gott, auswählt. Nur aus der Mitte deiner Brüder darfst du einen König über dich einsetzen. Einen Ausländer darfst du nicht über dich einsetzen, weil er nicht dein Bruder ist.

Die Ähnlichkeiten sind frappierend. In beiden Texten ist von einer doppelten Wahl des Herrschers die Rede: durch Gott und die Menschen. Personen, die nicht zum auserwählten Volk gehören, und dessen Gesetze nicht achten, werden in beiden Texten vom Königsamt ausgeschlossen. Das Obrigkeitsverständnis der „Zwölf Artikel“ lässt sich damit konkretisieren. Genau wie der Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ geht der Autor dieses Artikels davon aus, dass eine Obrigkeit in einem christlichen Gemeinwesen eigentlich unnötig ist. Der horizontale Bund der Menschen untereinander wird als Begründung der Gesellschaft angesehen. Eine christliche Gemeinschaft beruht in diesem Sinn nicht auf der Herrschaft einiger weniger über die Vielen, sondern diese ist als interpersonelle Verpflichtung rechtlich gleichgestellter Menschen konzipiert. Gott ist als der eigentliche Souverän der neuen Ordnung anzusehen, dessen Gebote alle gleichermaßen umzusetzen haben.

687 Diese Konzeption ist für bundestheologisch begründete Gesellschaften im 16. Jahrhundert keineswegs ungewöhnlich, postulierte der Genfer Reformator Théodore de Bèze (1519–1605) in seiner Staatsschrift „De iure magistratuum in subditos“ ebenfalls die Idee, dass Gott der Gesetzgeber eines neuen Bundes sei. Schmidt, Heinrich Richard, Religion und Krieg im Reformiertentum, in: Krieg und Christentum. Religiöse Gewalttheorien in der Kriegserfahrung des Westens, hg. v. Andreas Holzem (Krieg in der Geschichte, Bd. 50), Paderborn, München, Wien, Zürich 2009, S. 415–438, S. 419. 688 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28.

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Die theoretische Begründung einer neuen Gesellschaft aus dem Geist der Bibel ist in den „Zwölf Artikeln“ relativ eindeutig, unsicher bleibt jedoch, wie diese Gedanken umzusetzen waren. Sollte die bisherige Obrigkeit weiterhin akzeptiert werden oder nicht? Der Kontext des Bibelzitats im dritten Kapitel liefert keine schlüssige Antwort, da die Herrscher lediglich aufgefordert werden, die ‚Aufständischen‘ aus ihrer Leibeigenschaft zu entlassen. Einerseits kann man darin eine Anerkennung ihrer Funktion als Obrigkeit erkennen – sie wurden nicht übergangen oder pauschal für abgesetzt erklärt. Andererseits wählen sich die Israeliten in der Bibel neue Herrscher, nachdem Gott sie aus ihrer Knechtschaft entlässt. In diesem Sinn lassen sich zwei Lesarten rekonstruieren: Die Untertanen zu Aura hatten, als sie das gleichnamige Kloster am 17. April gegen den ausdrücklichen Wunsch ihres Amtmannes erneut einnahmen, argumentiert, dass sie nur eine Obrigkeit akzeptieren, „die uns von got und ainer ganzen gemainde erwelt und gekorn (sei)“). Gleichzeitig wollten sie am Landtag des Bischofs teilnehmen und ihre Beschwerdeartikel vortragen. Die Berufung auf die zugrundeliegende Bibelstelle erhöhte somit ihre Sicherheit in den Glauben an die Verbindlichkeit allgemein gültiger Regeln. Der Kern ihres Exodusverständnisses bildete damit die Überzeugung, dass sie für die Einhaltung der göttlichen Gebote verantwortlich waren und der Bischof als ein christlicher Amtmann dieser Interpretation zustimmen müsste.689 Diese theokratischen Gedanken ließen sich aber auch leicht in republikanische Ideen überführen. Der Autor der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ fordert den Sturz derjenigen Herrschaftsträger, die sich wie Pharaonen verhalten und den göttlichen Gesetzen im Wege stehen. So habe Moses gegen den „grossen tyrannen Pharao“ ebenfalls einen „armen Cuntzen“, das heißt, einen ‚Aufstand‘ angeführt, bis er die Israeliten „von den tyrannen erloset“ habe.690 Als gesellschaftliche Alternative fordert der Anonymus schließlich, dass das Volk seine Regenten aufgrund ihrer christlichen Eignung selbst wählen solle.691 Am Ende des Wegs aus Ägypten stand für die Bevölkerung in beiden Varianten folglich die Vorstellung eines idealen Herrschers. Die längste Zeit versuchten die ‚Aufständischen‘, die etablierte Obrigkeit zum Einlenken auf ihre Interpretation eines christlichen Amtmannes zu verpflichten. In der Tradition der Beschwerdepraxis hielten die Beteiligten relativ lange an der Vorstellung fest, eine Einigung mit der bestehenden Obrigkeit zu erzielen. Die Absetzbarkeit von Regenten wurde jedoch, wie mehrere Beispiele etwa aus Württemberg oder Franken zeigen, gegen Ende der

689 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 446. Vgl. Kapitel 2.2.1.2.5. 690 „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ (wie Anm. 165), S. 130. 691 Ebd., S. 128.

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‚Erhebung‘ mehrfach diskutiert.692 Das Wissen der ‚Aufständischen‘ über die Gleichheit aller Menschen vor Gott und die Überzeugung, dass alle einem Gesetz dienen müssen, schufen in beiden Varianten der Exoduserzählung allerdings den Zielpunkt für das Vorhaben der Untertanen. Besonders deutlich werden die Eckpunkte der neuen Ordnung im Sinne eines Bundes dort, wo sich die Herren eidlich den Schwureinigungen anschließen mussten und sich somit als Brüder den Bestimmungen einer zukünftigen christlichen Ordnung zu unterwerfen hatten. Versteht man unter einer Eidgenossenschaft die beschworene Verpflichtung gleichberechtigter Bundesmitglieder, wie sie die ‚Aufständischen‘ in ihren Versammlungen bereits vorwegnahmen, fällt es nicht schwer, diesen Begriff auch auf die anvisierte Herrschaftsform anzuwenden, die damit im Gegensatz zur hierarchisch organisierten Gesellschaftsform des Mittelalters stand.693 2.2.3.3 Bewertung und Ausblick 2.2.3.3.1 Die zeitgenössische Bedeutung der Exoduserzählung Während des ‚Bauernkriegs‘ diente die Adaptation der Exodusgeschichte erstens als Situationsbeschreibung der Unterdrückung, zweitens als Handlungsanleitung, selbstständig gegen Missstände vorzugehen, und drittens als Zielperspektive einer neuen Gesellschaft. Die Übertragung der Exodusgeschichte auf die Lage des Gemeinen Mannes bildete zu einem Zeitpunkt, als historische Vorbilder einer solchen Veränderung noch unbekannt waren, letztlich eine Möglichkeit, sich die Transformation der Gesellschaft durch die Bevölkerung vorzustellen und in einer positiven Art und Weise darüber zu sprechen. Nachweislich waren mit dieser Erzählung ein hoher Evidenz-, Legitimations- und Motivationscharakter verbunden. Die Unter-

692 Die Rede von der Absetzung der Herren ist dokumentiert für den Neuburger Haufen im Elsass, die Taubertaler und Neckartal-Odenwälder Versammlung, die davon sprachen, selbst die Obrigkeit zu bestimmen. Daneben kursierte in Württemberg ein Entwurf, den alten Herzog erneut einzusetzen, und Friedrich Weygandt plante, dass in Zukunft unchristliche Herren durch die Bevölkerung abgesetzt werden könnten, wenn sie sich nicht an die Beschlüsse der reformation halten würden. Conrad, Reformation in der bäuerlichen Gesellschaft (wie Anm. 29), S. 128f. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 192 u. II, 48f. Zu Württemberg vgl. diese Arbeit, Kapitel 2.2.1.2.3. Zu Weygandt vgl. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 309f. 693 Zu den Plänen, eine zukünftige Ordnung etwa im Rahmen eines Religionsgespräches oder einer reformation festzulegen, siehe diese Arbeit Kapitel 2.2.1.2. Zur Definition, die auch auf die religiöse Dimension des Begriffs eingeht, dass der Eid bei Gott hinterlegt sei: Würgler, Andreas, Eidgenossenschaft, in: Historisches Lexikon der Schweiz. Bd. 4, hg. von Marco Jorio, Basel 2005, S. 114–121, S. 114. In Anlehnung an das zeitgenössische Sprichwort, dass der im heutigen Unterfranken zu findende Schwanberg eines Tages in der Schweiz liegen werde, verhandelt Peter Blickle eidgenossenschaftliche Ideen im ‚Bauernkrieg‘: Blickle, „Es sol der Schwanberg noch mitten in Schweitz ligen“ (wie Anm. 232), S. 113–125.

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tanen erkannten sich in dieser Erzählung wieder und stellten ihre eigene Geschichte anhand dieses Musters dar. Nach der Breitenwirkung historischer Ideen zu fragen, ist problematischer, als man auf den ersten Blick denken könnte. Schließlich ist es unmöglich, ein Ereignis oder eine Idee tatsächlich auf nur einen Ausgangspunkt zurückzuführen. Das Motto diskursorientierter Forschung lautet daher: „Messy variety over obvious unity.“ Anders ausgedrückt, zeichnet sich die Arbeit des Historikers auch dadurch aus, dass er die Komplexität historischer Ereignisse rekonstruiert, anstatt sie lediglich auf eine Erklärung zu reduzieren.694 Anhand der Bundesvorstellung soll dies exemplarisch vorgeführt werden. Gemeinhin besitzen bundestheologische Ideen drei Dimensionen: Den Gnadenbund, den Gott einseitig mit einer Gruppe schließt und ihr dadurch sein Heil zukommen lässt, die Vorstellung vom Bund als Pakt, welche das auserwählte Volk auf die Einhaltung göttlicher Gebote verpflichtet und ihm dadurch eine Verantwortung zur Aufrechterhaltung des Bündnisses auferlegt, sowie die Idee der Verwandlung, nach der Gott durch seine Gnade den Mensch dahingehend im Sinne christlicher Prinzipien perfektioniert, dass er mit seinen Bundesgenossen in einer idealen Gemeinschaft leben kann.695 Kommt man zuerst auf die Idee des Gnadenbundes zu sprechen, dass Gott einen Bund zwischen sich und seinen Anhängern schließt, ist diese Vorstellung als zentral für die Frühreformation zu verstehen, deren Vertreter dadurch die Entstehung neuer Glaubensgemeinschaften außerhalb der bestehenden Kirche rechtfertigten und damit den Gedanken vertraten, in einer Umbruch- und Aufbruchsituation zu leben. Während Luther den Bund von der sakralen Sphäre aber nicht auf den weltlichen Bereich ausdehnen wollte, wurde die Idee des Bundes im ‚Bauernkrieg‘ dagegen stark politisiert.696 Als Impulsgeber hierfür ist sicherlich Huldrich Zwingli anzusehen, der die Befreiungskriege der Schweizer ebenfalls als Exodus deutet und den Kreuztod Jesu als Befreiung von Tyrannei. In den „Zwölf Artikeln“ werden diese Gedanken, die beim Zürcher Reformator eher auf das zu erhaltene politische Erbe der Eidgenossenschaft projiziert sind, auf die Gegenwart des Jahres 1525 und auf einen größeren Adressatenkreis übertragen.697 Der Akt der Berufung des auserwählten Volkes ist als Eigenleistung der „Zwölf Artikel“ zu bewerten, mithilfe des Schrift-

694 Bassler, Einleitung (wie Anm. 64). 695 Schmidt, Bundestheologie, Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag (wie Anm. 675), S. 311. Ähnlich definiert Greschat einen religiösen Bund als Gemeinschaftsverhältnis zur Realisierung bestimmter Werte und Ziele, als Gabe Gottes und Verpflichtung der Menschen sowie als Aussonderung gegenüber anderen. Greschat, Der Bundesgedanke in der Theologie des späten Mittelalters (wie Anm. 674), S. 44. 696 Diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2.4. 697 Die Idee zur Adaptation der Erzählung stammt zwar aus Zwinglis Schrift „Wer Ursache gebe zu Aufruhr“, dennoch konnte im Kapitel 2.2.3.2.1 die Eigenleistung bei der Übernahme der Erzählung

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prinzips Martin Luthers und der Plausibilität der Situationsbeschreibung im Sinne der Exoduserzählung ein Beglaubigungswunder geschaffen zu haben, in dessen Folge die ‚Aufständischen‘ die Gründung ihrer Versammlungen als religiöses Erweckungserlebnis stilisierten und sich selbst als Wortzeugen Gottes ausgaben.698 In der Reformation wurde die neue Kirche dahingehend als wechselseitiges Bündnis mit Gott verstanden, da die Nächstenliebe als horizontale Verbindung der Gläubigen untereinander die neue Gemeinschaft erst konstituiert und als normative Kraft das Verhalten jedes Einzelnen reguliert. Während der ‚Erhebung‘ wurde der Gottesbund von den ‚Aufständischen‘ dementsprechend als wechselseitige Verbindung imaginiert, die Gott aufkündigen könnte, falls die Mitglieder gegen die biblischen Gebote verstießen. In den 1520er Jahren stellte sich besonders das Umfeld Zwinglis als experimentierfreudig im Hinblick auf die Expansion der Idee eines Gottesbundes auf die weltliche Sphäre dar. Am pointiertesten apostrophierte dabei dessen Nachfolger im Amt des Zürcher Leutpriesters, Heinrich Bullinger, das doppelte Liebesgebot als Norm des Zürcher Stadtstaates.699 Angesichts der Kontakte Schappelers zu Zwingli und der wiederholten Bezugnahmen der „Zwölf Artikel“ auf die Schriften des Reformators sind wesentliche Anstöße zur Entwicklung der theokratischen Bundesidee der ‚Aufständischen‘ dort zu verorten. Einen weiteren Einflussfaktor, der zur politischen Instrumentalisierung der Nächstenliebe im ‚Bauernkrieg‘ beitrug, dürfte aber sicherlich auch in der Beistandspflicht zu suchen sein, wie sie die Organisationsform der Bauernversammlungen als Schwureinigung gleichrangiger Mitglieder vorgab. Zudem besaß das politische Verständnis der Nächstenliebe eine große Überschneidung zu den kommunalen Werten der Gleichheit und der Solidarität.700

herausgearbeitet werden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass es in Bezug auf die Ideologie der ‚Erhebung‘ zu keinem anderen Reformator größere Berührungspunkte gibt. 698 Diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2.1f. Zwingli selbst sah sich als Prophet, der den göttlichen Willen zu deuten habe und gegenüber dem Zürcher Rat auf Basis der Heiligen Schrift als Korrektiv auftrat. Hauser, Martin, Prophet und Bischof. Huldrych Zwinglis Amtsverständnis im Rahmen der Zürcher Reformation (Ökumenische Beihefte, Bd. 21), Freiburg 1994. 699 Als wichtigster Markstein zur Entwicklung des Staats- bzw. Gemeindeverständnis im Reformiertentum gilt Bullingers Schrift „Von dem einigen und ewigen Testament oder Pundt Gottes“ von 1534. Ausführlich erörtert Baker die wechselseitige und gleichzeitige Entwicklung der Bundestheologie in den Schriften Zwinglis und Bullingers während der 1520er Jahre. Baker, Heinrich Bullinger and the Covenant (wie Anm. 675), S. 1–25. 700 Zur Schwureinigung vgl. diese Arbeit Kapitel 2.1.2.2.2. Die politische Nächstenliebe kann die Gedanken der Hausnotdurft und des gemeinen Nutzens einschließen. Besonders Blickle betont u. a. die Ausdehnung der Idee des gemeinen Nutzens als Leitwert der ländlichen Gesellschaft auf die Gestaltung des ganzen Staatswesens. Blickle, Kommunalismus (wie Anm. 27), Bd. 1, S. 88–106. Charakterisiert man ländliche Gemeinden als Schwureinigungen, kann man die Beistandspflicht und die Idee der Gleichrangigkeit ebenfalls dem Reservoir des Kommunalismus entnehmen. Ders., Kommunalismus (wie Anm. 27), Bd. 2, S. 153.

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Die ideale Gemeinschaft sahen die ‚Aufständischen‘ in einer Gesellschaft verwirklicht, in der die Nächstenliebe als Staatszweck Leid verhindert und vor politischer Willkür schützt. Als Nukleus einer neuen Gesellschaft bedingt die Nächstenliebe zweitens aber auch die Gleichrangigkeit aller Menschen, welche die Gemeinschaft erst ermöglicht. Diese Bedingungen erfordern, dass die Menschen ihren Eigenwillen abtöten und sich ganz in den Dienst des Evangeliums stellen. Besonders der Herrscher muss sich dabei als Diener Gottes beweisen. Da die Bevölkerung der Verpflichtung unterliegt, das Bündnis mit Gott aufrechtzuerhalten, wird ihr das Recht zugesprochen, Herren ein- und abzusetzen.701 Partiell finden sich diese Gedanken bereits in der zeitgenössischen Beschwerdepraktik, gegen unrechtmäßige Belastungen vorzugehen.702 Mithin dürfte die Idee Huldrich Zwinglis nicht ohne Einfluss geblieben sein, welcher der Bevölkerung das Recht zur Absetzung unchristlicher Herrscher zugesteht.703 Zweifelsohne überschnitt sich das Konzept des Exodusnarrativs wie es die ‚Aufständischen‘ vertraten teilweise mit Vorstellungen und Handlungsmustern, die schon vor dem ‚Bauernkrieg‘ bekannt waren. Vermutlich ist gerade darin eine Erklärung für die weite Verbreitung dieser Erzählung zu sehen. Die Gedanken, welche in den „Zwölf Artikeln“ formuliert wurden, konnten im Jahr 1525 auf einen Resonanzraum treffen. Die Leistung des Narrativs ist in diesem Sinn auch unter dem Aspekt zu bewerten, dass sie durch eine einfach zu verstehende, schlüssige und anknüpfbare Darstellung diesen bereits bestehenden Resonanzkörper in Schwingung versetzen konnte und auf diese Weise einen Hoffnungs-, Handlungs- und Zielimpuls setzte. 2.2.3.3.2 Die moderne Bedeutung der Exoduserzählung als Revolutionsmodell Bisher war eine Theorie oder eine Erzählung aus der Sicht der ‚Aufständischen‘, welche einen Start und Zielpunkt der ‚Erhebung‘ definiert, nicht bekannt. Die Gedanken, die mit der Adaptation dieser Geschichte in Verbindung stehen, sind zweifelsohne anschlussfähig an den heutigen Begriff der Revolution, unter dem gesellschaftliche Veränderungen von unten als radikaler Bruch mit dem Bestehenden definiert werden.704 Betrachtet man das Exodusnarrativ unter diesem Blickwinkel,

701 Diese Arbeit Kapitel 2.2.3.2.4. 702 Diese Arbeit Kapitel 2.2.2.4.3. 703 Das Recht zur Absetzung der Obrigkeit ist bei Zwingli an die Einstimmigkeit der Untertanen geknüpft. Hodler, Beat, Das Widerstandsrecht bei Luther und Zwingli – ein Vergleich, in: Zwingliana 16 (1983–1985), S. 427–441, S. 440. In seiner schon zitierten Schrift „Wer Ursache gebe zu Aufruhr“ verwirft er allerdings ein christliches Widerstandsrecht. Egli, Huldreich Zwinglis Sämtliche Werke. Bd. 3 (wie Anm. 591), S. 446. 704 Blickle definiert in Anlehnung an Chalmers Johnson: „Revolution ist der Akt der Neubildung der erschütterten Gesellschaft nach einem Plan oder einer Vision (einer Ideologie) von einer perfekteren und gerechteren Gesellschaft“. Ebd., S. 295. Dieser Definition ist grundsätzlich zuzustimmen.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



219

werden vor allem vier Unterschiede beziehungsweise vier revolutionäre Aspekte greifbar, welche darauf hinausliefen, die Gesellschaft grundlegend umzugestalten: die Veränderung des Staatszwecks, die Bedeutung der Bevölkerung als Trägerschaft der Gesellschaft, die neue Rolle der Obrigkeit und schließlich die Geburt eines neuen gesellschaftlichen Gründungsmythos. Erstens sollte das Prinzip von Herrschaft nicht länger auf ungerechten Vereinbarungen beruhen, wie sie etwa Urkunden vorgeben konnten. Herrschaft, die aus dem Ideal einer christlichen Gemeinschaft abgeleitet wurde, musste sich vielmehr an den göttlichen Gesetzen und dem Wohl aller Menschen ausrichten.705 Zweitens ging mit dem interpersonalen Prinzip von Herrschaft eine Statusaufwertung der Bevölkerung einher. Ihr Zusammenschluss bildete die christliche Gemeinschaft, in der alle Menschen füreinander Verantwortung im Sinn der Nächstenliebe übernehmen sollten. Im Erfolgsfall der ‚Erhebung‘ hätten aus Untertanen im Sinne von Rechtsobjekten Rechtssubjekte werden können. Drittens muss man auf die Stellung der Obrigkeit zu sprechen kommen. Ihre Funktion sollte lediglich darin bestehen, die göttlichen Gesetze und das Wohl der Bevölkerung zu verwirklichen. Ein eigenes Herrschaftsrecht wurde ihnen nicht mehr zugesprochen. Im Sinne eines Amtsverständnisses wurden sie durch die Bevölkerung für ein- und absetzbar erklärt. Viertens war mit der Exoduserzählung ein neuer gesellschaftlicher Gründungsmythos gefunden worden, der alte Legitimationsprinzipien außer Kraft setzte. Die Gesellschaft des Mittelalters war streng hierarchisch geordnet und zeichnete sich durch die politische Ungleichheit zwischen den Ständen aus, welche ebenfalls göttlich legitimiert wurde. Mit Wolfgang Stürner kann man in der biblischen Geschichte des Sündenfalls eine wichtige Quelle für diese Art des Staatsdenkens erkennen. Der Mensch, der von Natur aus dem Bösen zugeneigt sei, habe daher den Idealzustand des Paradieses verlieren müssen. Aufgrund seiner Neigung zu Krieg und Gewalt habe Gott, um noch Schlimmeres zu verhindern, das Amt der weltlichen Obrigkeit aus Gnade geschaffen.706 In dieser Leiterzählung des Mittelalters war der Mensch kein homo politicus, sondern musste sich aufgrund seiner schlechten Eigenschaften politisch unterordnen. Blickt man dagegen auf die Staatsvorstellungen, die in Ver-

Die Unterschiede zu Blickle ergeben sich, wie in diesem Kapitel gezeigt werden soll, aus einer anderen Beurteilung des „Plan“ und der „Vision“ einer neuen Gesellschaft. 705 Das Verhältnis theokratischen Rechtsdenkens zu den positivistischen juristischen Traditionen ist schon mehrfach untersucht worden. Zuletzt äußerte sich Mayenburg, der auf die juristische Fundierung der „Zwölf Artikel“ hinweist, dass im bäuerlichen Rechtsdenken etwa Eigentumsstrukturen weitgehend akzeptiert worden seien. Mayenburg, Bäuerliche Beschwerden als Rechtstexte (wie Anm. 176), S. 130. 706 Stürner, Peccatum und potestas (wie Anm. 123). Besonders wichtig sind die Anmerkungen zu Martin Luther, welche die Bedeutung dieses Konzepts für die Frühe Neuzeit belegen. Ebd., S. 260– 263.

220  2 Der Diskurs der aufrürer

bindung mit der Adaptation der Exoduserzählung stehen, zeigt sich ein gravierender Bruch. Nach dieser Vorstellung vertraut Gott allen Menschen, die an ihn glauben. Die Menschen des auserwählten Volkes sind keine Mängelwesen mehr, die man nicht sich selbst überlassen darf, sondern sie sind zur politischen Teilhabe fähig. Gott hat ihnen und nicht einigen wenigen die Herrschaft gegeben. Mit Peter Blickles Modell der „Revolution des Gemeinen Mannes“ liegt seit den 1970er Jahren eine anerkannte moderne Interpretation des ‚Bauernkriegs‘ als Revolution vor.707 Die Erklärungen seiner Theorie unterscheiden sich in mehreren Punkten von dem Modell der Exodusrevolution – man kann beide Ansätze aber auch ergänzend nebeneinander legen. Für Blickle entstand der ‚Bauernkrieg‘ aus der Akkumulation mehrerer Ursachen wie der steuerlichen Höherbelastung der Untertanen und der Verbreitung der Reformation. Schließlich habe die Entdeckung des Göttlichen Rechts durch die ‚Aufständischen‘ die ‚Revolution‘ ermöglicht, da dieses Rechtsprinzip den Untertanen einen neuen Begründungsmechanismus für ihre schon bestehenden Forderungen geliefert habe.708 Auch in der Adaptation der Exodusgeschichte besitzen die wirtschaftlichen Sorgen der Untertanen eine große Bedeutung. Entsprechend der Analyse der Exodusrezeption wirkten die theokratischen Gedanken des Göttlichen Rechts und vor allem die der Nächstenliebe aber nicht nur legitimierend, sondern, wie die Beherrschten selbst angaben, aufklärerisch und erhellend. Die Erzählung bildete in diesem Sinn eine Metaebene zwischen den Missständen und dem Moment ihres plötzlichen Akut-Werdens. Über den Verlauf der ‚Revolution‘ erfährt man bei Blickle kaum etwas.709 Demgegenüber lässt sich die Adaptation der Erzählung vom Exodus als ein zeitgenössisches Handlungsmodell verstehen. Zudem zeigen sich zur Interpretation der Bibel durch die ‚Aufständischen‘ Anknüpfungspunkte mit der Tradition des Beschwerdewesens, dem grundlegenden Verlaufsschema für ‚Erhebungen‘ um 1500. Die Durchsetzung von politischen Zielen war für die Untertanen in diesem Verständnis ein prozesshaftes Geschehen, in dem sie Gewalt einsetzten, um die Gegenseite auf ihre

707 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), bes. S. 289–297. 708 So benennt Blickle auf der Basis eines breiten Quellenstudiums unter Einbeziehung der Forschungsliteratur scheinbar objektivierbare Ursachen für die ‚Revolution‘. Gleichwertig stehen bei ihm nebeneinander: Wirtschaftliche Ursachen wie Bevölkerungsbewegungen, die Reaktivierung der Leibeigenschaft und steuerliche Höherbelastungen. Außerdem soziale Ursachen wie Spannungen innerhalb der politischen Gemeinschaft sowie auch der gestiegene politische Erwartungshorizont der Bauern und die Innovation des Göttlichen Rechts als Legitimationsimpuls. Ebd., S. 289– 291. In späteren Arbeiten erfährt die Leibeigenschaft für Oberschwaben schließlich eine Höhergewichtung als Ursache. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 465. 709 Blickle interpretierte die Gewaltaktionen im ‚Bauernkrieg‘ lange Zeit vor allem unter dem Blickwinkel, traditionelle Herrschaftssymbole zu zerstören: Blickle, Memmingen – Ein Zentrum der Reformation (wie Anm. 171), S. 402.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft

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politischen Ziele zu verpflichten. Die Beteiligten konnten in diesem Sinn aus dem Buch Exodus zitieren, ohne ihre Herren grundsätzlich für abgesetzt zu erklären. Peter Blickle stellt über die ‚Erhebung‘ folgendes fest: „Charakteristisch für die Ziele und Programme, die alternativen Verfassungsentwürfe und ihre Legitimierung von 1525 ist, dass sie im Verlauf des ‚Aufstands‘ erst formuliert wurden, nicht als fertige theoretische Konzepte bereits bei Aufstandsbeginn vorlagen.“710 Zum Zielpunkt der ‚Revolution‘ wird bei ihm die Umgestaltung der staatlichen Organisation erklärt. Unter den sog. „Verfassungsplänen“ versteht er die Einbeziehung der Untertanen in die Entscheidungsprozesse der Staatlichkeit. Dem bisher von der Herrschaft ausgeschlossenen Bevölkerungsanteil wäre ein Mitbestimmungsrecht zum Beispiel auf Landtagen eingeräumt worden. Für diese Vorstellungen habe es, so Blickle, „reale Vorbilder“ benötigt und dort, „wo solche Vorbilder (wie die Schweiz) nicht präsent waren, wie in Franken, blieb die Revolution doch weitgehend in der Negation stecken“.711 In Oberschwaben, wo es ebenfalls an „überzeugenden politischen Zielsetzungen“ fehlte, habe es an der nötigen „Energie“ gemangelt, entschlossen gegen die Gegner vorzugehen.712 Blickles Erklärung beruht ganz grundlegend auf der Unterscheidung von sozialen und politischen Zielen. Unter ersteren verstand er den Abbau ständischer Zuordnungen von Rechten und Pflichten, wofür die Zeitgenossen die Ausdrücke des „Gemeinen Nutzens“ und der „brüderlichen Liebe“ verwendet hätten. Die genuin politischen Ziele und damit die eigentliche schöpferische Kraft der ‚Revolution‘ sieht er dagegen in den konkreten Staatsvorstellungen nach mehr Partizipation.713 Die teleologische Ausrichtung der ‚Erhebung‘ auf ein normatives Ziel eines solchen Staats-

710 Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 296. 711 Ebd., S. 209. 712 Ebd., S. 211. 713 „Soziales Ziel der Revolution ist – negativ formuliert – der Abbau ständischer Zuordnungen von Rechten und Pflichten, – positiv formuliert mit den Schlagworten von 1525 – der ‚gemeine Nutzen‘ und die ‚christlich brüderliche Liebe‘. Daraus erwächst als politisches Ziel der Revolution der korporativ-bündisch verfaßte Staat im Bereich der Kleinstaaten oder der landschaftlich verfaßte Staat im Bereich der Großstaaten ständestaatlicher Struktur – Staatsformen, die ihre Legitimität ausschließlich auf das Evangelium und das Wahlprinzip der Gemeinde gründen.“ Ebd., S. 289. Zu den destruktiven Leistungen der Ausdrücke des „gemeinen Nutzens“ und der „Brüderlichkeit“ vgl. ebd., S. 223. Zu den realen Staatsformen als Ziel der ‚Revolution‘ vgl. ebd., S. 209 u. 211. Vorbildhaft für Blickles Auffassung des ‚Bauernkriegs‘ als Revolution waren die modernen Revolutionstheorien von Hannah Arendt, Samuel P. Huntington und Hans Wasmund, welche einen gesellschaftlichen Neuanfang allesamt auf die Neuorganisation staatlicher Strukturen beziehen. Ebd., S. 293f. Später wurde diese Auffassung mehrmals wiederholt. Siehe etwa: Blickle, Memmingen – Ein Zentrum der Reformation (wie Anm. 171), S. 404: „Die Geistlichkeit verlor die Landstandschaft, gelegentlich auch der Adel, vielmehr wurden die entscheidenden politischen Schlüsselstellungen bis zum Landschaftsregiment durch Wahl und Delegation von den Gemeinden besetzt. So gelesen, könnte man die Ziele als revolutionär einstufen und damit von einer Revolution des Gemeinen Mannes sprechen.“

222  2 Der Diskurs der aufrürer

umbaus ist allerdings problematisch. Die sog. „Verfassungspläne“ lassen sich, wie Blicke selbst einräumt, für viele Regionen nur schwer nachweisen.714 Dort, wo sie vorliegen, ist eine Breitenwirkung bei der Masse der ‚Aufständischen‘ nur selten dokumentiert.715 Die beiden Erklärungen unterscheiden sich folglich auch hinsichtlich des Aspekts des ‚Revolutionären‘. Betrachtet man die Leistung einer ‚Revolution‘ als die Neuordnung einer Gesellschaft, werden Blickle zufolge positive Ziele erst im Laufe der ‚Erhebung‘ definiert und standen, wenn überhaupt, erst in der Endphase zur Verfügung. Entsprechend der Exodusrezeption waren solche Ziele jedoch spätestens seit den „Zwölf Artikeln“ bekannt: In der Wendung von den „erwelten und gesetzten“ Regenten kondensierten sich das neue Herrschaftsverständnis der Obrigkeit als Dienerin der Untertanen sowie das Recht, Widerstand gegen unchristliche Herren zu leisten. In Blickles Modell wird politischer Wandel dagegen vor allem auf die Erweiterung von Partizipationsrechten bezogen, die er alleine in sog. Verfassungsent-

714 Ausführlich zu den Quellen vgl. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 196–223. Zur eingeschränkten Geltungskraft des Ansatzes vgl. Blickle, Peter, Republiktheorie aus revolutionärer Erfahrung (1525), in: Verborgene republikanische Traditionen in Oberschwaben, hg. von dems. (Oberschwaben. Geschichte und Kultur, Bd. 4), Tübingen 1998, S. 195–210, S. 195. Wie problematisch die sog. „Verfassungspläne“ für die Zielbestimmung der ‚Erhebung‘ sind, zeigt exemplarisch die Quellenproblematik für das Herzogtum Württemberg und für das Hochstift Würzburg. Franz negiert für Württemberg, dass das entsprechende Dokument aus den Händen der ‚Aufständischen‘ stamme, Blickle spricht sich, ohne neue Quellen anzuführen, jedoch dafür aus. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 198f. Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 357. Entscheiden lässt sich der Deutungsstreit nicht. Kurz vor der Niederlage finden sich in den Korrespondenzen lediglich Gedanken über eine zukünftige Ordnung, welche die Brüderlichkeit als Leitidee betonen. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524–1527 (wie Anm. 86), 1880, Nr. 285 u. 333. Für das Hochstift Würzburg stützt sich die These, dass die ‚Aufständischen‘ ein landschaftliches Regiment aufrichten wollten, lediglich auf zwei Quellen, welche die These allerdings nichts bestätigen können. Bei der ersten Quelle handelt es sich um einen Beschwerdeartikel eines Würzburger Stadtviertels, der zu einem Zeitpunkt verfasst wurde, als eine Einigung mit dem Bischof noch möglich war. Die zweite Quelle ist ein Bericht eines hennebergischen Amtmannes. Dazu Buszello, der jedoch die Beschwerdeschrift irrtümlich auf den 30. Mai anstelle des 30. Aprils datiert. Buszello, Legitimation, Verlaufsformen und Ziele (wie Anm. 166), S. 306. Buszello, der Vordenker von der Idee des Verfassungswandels als Zielpunkt der ‚Erhebung‘ äußert sich inzwischen verhaltener: „Für die Aufständischen war nicht in erster Linie wichtig, welche Person oder welcher Stand Herrschaft ausübte. Ihr Denken richtete sich nicht gegen Personen oder Institutionen als solche, sondern auf den Geist, das Fundament und Ziel von Herrschaft“. Ebd., S. 315. 715 Eine Ausnahme bilden die städtischen ‚Erhebungen‘, in denen die Magistrate um neue Mitglieder ergänzt werden sollten. Die städtischen Räte sollten meist neu besetzt oder erweitert werden. Vgl. dazu etwa die Vorgänge in Schwäbisch Hall, Kitzingen, Rothenburg ob der Tauber oder Frankfurt. Zu dem Phänomen Stadt im ‚Bauernkrieg‘ vgl. Buszello, Der deutsche Bauernkrieg von 1525 als politische Bewegung (wie Anm. 13), S. 126–143. Tode, Stadt im Bauernkrieg 1525 (wie Anm. 91), S. 304–320.

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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würfen ausfindig macht. In der Exodusrezeption steht dagegen ein neuer Gründungsmythos von Herrschaft im Vordergrund. Dieser konnte mit der Akzeptanz der bisherigen Obrigkeit konformgehen, aber auch zu deren Absetzung führen. Zentral war jedoch die ‚revolutionäre‘ Vorstellung, dass die Obrigkeit der Bevölkerung verantwortlich ist. Die zögerliche Gewaltanwendung in einigen Regionen muss dabei nicht auf die fehlende Entschlossenheit der Beteiligten zurückgeführt werden, sondern kann als Bestandteil des ritualisierten Eskalationsmodells einer stufenförmig verlaufenden ‚Erhebung‘ verstanden werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich auf der Grundlage der Exodusrezeption durch die ‚Aufständischen‘ ein schlüssiges und aufeinander bezugnehmendes, positives Interpretationsschema für die Ursachen, den Verlauf und die Ziele der ‚Erhebung‘ ergibt. Man kann dem ‚Bauernkrieg‘ auch dort das Attribut einer ‚Revolution‘ attestieren, wo konkrete Pläne zur staatlichen Umgestaltung im Sinne der älteren Forschung fehlen. Blickles Ergebnisse und Schlussfolgerungen sind jedoch mit dem Modell der Exodusrevolution dahingehend vereinbar, dass die ‚Aufständischen‘ ihrer alten oder neuen Obrigkeit die politische Agenda sicherlich nicht wieder uneingeschränkt überlassen hätten. In der Flugschrift „An die Versammlung gemeiner Bauernschaft“ wird eine republikanische Ordnung als beste Herrschaftsform empfohlen, wenn die Herrscher der Bevölkerung nicht entgegenkämen. Das Widerspruchsrecht gegen unchristliche Verhaltensweisen, das als Leitidee während der ‚Erhebung‘ durchgehend greifbar ist, war mit den Gedanken der Partizipation, wie sie Blickle ausfindig machte, kompatibel, erschöpfte sich jedoch darin nicht. 2.2.3.3.3 Revolutionäre Traditionslinien der Exodusrezeption Angesichts dieser Bedeutungsverschiebung des revolutionären Charakters der ‚Erhebung‘ und des neu zu Tage geförderten Bezugs auf die Exoduserzählung kann man vierzig Jahre nach Peter Blickle erneut danach fragen, in welcher Tradition die Geschehnisse zu verorten sind. In der Frühphase der Reformation lassen sich mehrere Vorstellungen einer Bundesidee auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ausfindig machen. Diese Ideen werden in der Forschung seit längerem als Bundestheologie beziehungsweise Föderaltheologie bezeichnet. Als gemeinsamer Nenner kann die Vorstellung angesehen werden, dass die Beziehung zwischen Gott und den Gläubigen als Bündnis mit wechselseitigen Bedingungen definiert wurde, wobei die Menschen als Werkzeuge des göttlichen Willens fungieren mussten. Die Konzeption eines solchen Bundes unterschied sich in der reformatorischen Bewegung jedoch teils gravierend.716

716 Grundlegend: Goeters, Johann F. G., Föderaltheologie, in: Theologische Realenzyklopädie 11 (1983), S. 246–252. Die große Bedeutung der Bundestheologie für die frühneuzeitlichen Gedanken zur Strukturierung eines politischen Gemeinwesens loten folgende Sammelbände aus: Duso, Giu-

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Während des Jahres 1525 konkurrierte die süddeutsche Bundesidee, wie sie hier erstmals dargelegt wurde, mit der Bundeskonzeption von Thomas Müntzer, die bereits umfassender analysiert wurde. Geographisch gesehen nicht ganz auf halbem Weg zwischen Memmingen und Mühlhausen trafen diese Ideen etwa im fränkischen Bildhausen aufeinander. Die dortigen ‚Aufständischen‘ berichteten in einem Brief über einen thüringischen Prediger, den sie verjagt hätten, da er nur ein großes „blutvergiessen“ anrichten wollte.717 Es führt allerdings in die Irre, die Unterschiede zwischen den Aufruhrvorstellungen in Süddeutschland und in Thüringen auf das Blutvergießen und damit auf den Aspekt der Radikalität zu verkürzen. Hans J. Hillerbrand erfasste drei Prämissen der Müntzerischen Bundesidee: Erstens müssten die Menschen Gottes Gesetzen gehorchen, zweitens hätten sie untereinander eine neue Gemeinschaft zu bilden, und drittens sollten sie dahin wirken, dass das Reich Gottes auf Erden aufgerichtet werde.718 Die Unterschiede zwischen dem ‚Bauernkrieg‘ süddeutscher und mitteldeutscher Prägung lassen sich entsprechend dem Bundeskonzept folgendermaßen fassen: Während der Herrgott im Süden lediglich als Geburtshelfer für eine neue Gesellschaft Pate stehen sollte, indem er wie in der Exodusgeschichte seinen Plan einer neuen Gesellschaft verkündete und seinem bedrohten Volk Beistand leistete, vertrat Thomas Müntzer ein anderes Konzept. Er glaubte, sich am Ende der Zeiten zu befinden, und einer messianischen Vorstellung folgend, ein Gottesreich herbeiführen zu müssen. Im Gegensatz dazu visierten die ‚Aufständischen‘ im Süden nicht die Wiederkehr Christi nach dem Jüngsten Gericht an, sondern strebten (nur) nach einer besseren Ordnung im Hier und Jetzt. Der Gedanke, dass eine Gruppe von Menschen mit Gott einen Bund schließen könnte, war eine grundlegende Idee der frühen Reformation. Über Huldrich Zwingli, Heinrich Bullinger und Jean Calvin entfachte dieses Denken eine große Wirkung.719

seppe (Hg.), Konsens und Konsoziation in der politischen Theorie des frühen Föderalismus (Rechtstheorie, Beihefte, Bd. 16), Berlin 1997. Und: Wall, Heinrich de/ Becker, Judith (Hg.), Reformierte Staatslehre in der Frühen Neuzeit (Historische Forschungen, Bd. 102), Berlin 2014. 717 Der Prediger aus Thüringen konnte sich nicht durchsetzen: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 417. 718 Hillerbrand, Hans J., Föderaltheologie im radikalen Flügel der frühen Reformation, in: Konsens und Konsoziation in der politischen Theorie des frühen Föderalismus, hg. von Giuseppe Duso (Rechtstheorie, Beihefte, Bd. 16), Berlin 1997, S. 9–17, S. 12f. Dazu auch: Matheson, The Imaginative World of the Reformation (wie Anm. 4), S. 55–58. Zur apokalyptischen Programmatik auch: Goertz, Thomas Müntzer (wie Anm. 227), S. 219–236. 719 Ein Vergleich der Bundesvorstellungen im süddeutschen ‚Bauernkrieg‘ mit der Idee des Bundes in Zürich erscheint trotz der Unterschiede der kommunalen Verfasstheit Zürichs und des Prophetenamtes der Priester in Anlehnung an Zwingli und Bullinger naheliegend, da der Dekalog als Orientierungspunkt weltlicher Gesetzgebung angesehen wurde. McCoy und Baker schreiben über Bullingers Vorstellungen: „The Christian magistrate was sovereign in Christian societies, and it was his duty to enforce the conditions of the covenant. The first condition, love of God, encompassed religious life; and the second, love of the neighbor, covered all civil relationships. Like the Old

2.2 Der Name für die Veränderung der Gesellschaft



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Die Theorien der Gesellschaftsverträge vom 16. bis ins 18. Jahrhundert – von Althusius über Hobbes bis Rousseau – rezipierten ebenfalls die Exodusgeschichte und den Sinaibund als politische Leiterzählung einer besseren Ordnung.720 Die politische Bedeutung wird etwa nach dem Freiheitskrieg der englischen Kolonien gegen das englische Königshaus deutlich. Benjamin Franklin schlug als Bild des neuen Amtssiegels der USA die Szene vor, als das ägyptische Heer in den Fluten des Roten Meeres unterging. Jefferson riet dagegen, die Israeliten auf ihrem Weg durch die Wüste zu zeigen, wie sie Gott in Gestalt einer Wolken- und Feuersäule leitet.721 Zwischen den Ereignissen etwa im fränkischen Bildhausen und der Staatsgründung der Vereinigten Staaten gibt es natürlich keine direkte Traditionslinie. Aufschlussreich durfte sicherlich ein Vergleich der unterschiedlichen und gemeinsamen Rezeptionsweisen der Bibel als politische Handlungsanleitung über die Jahrhunderte hinweg sein. An der Gegenüberstellung der „Zwölf Artikel“ mit dem „Contract social“ von Rousseau lassen sich beispielsweise ähnliche Fragestellungen und Probleme aufzeigen.722 In den „Zwölf Artikeln“ wurde der aus der ägyptischen Gefangenschaft entlassene Mensch als „frey“, aber nicht als „gar frey“ charakterisiert, da er zwar im Gelobten Land von den unrechtmäßigen Lasten befreit werde, aber in einem christlichen Gemeinwesen nicht ohne Verpflichtungen leben könne.723 Rousseau sprach in einem andern Bild davon, dass der Mensch zwar frei geboren werde, aber überall in Ketten liege. Diese Ketten, ein Bild für die gesellschaftlichen Bindungen, seien negativ zu bewerten, wenn die Gesellschaft nur nach Eigennutz strebe, positiv dagegen, wenn durch Gesetze die Freiheit und die Sicherheit des Einzelnen gewährleistet werden.

Testament priests, pastors in Reformed communities taught God's will to the people and the magistrate“. McCoy, Charles S./ Baker, J. Wayne, Fountainhead of Federalism. Heinrich Bullinger and the Covenantal Tradition, Westminster 1991, S. 26. Zur Verfassungswirklichkeit in Zürich, die diesem Schema weitgehend entsprach: Holenstein, Reformatorischer Auftrag und Tagespolitik bei Heinrich Bullinger (wie Anm. 591), S. 177–232. 720 Einen ideengeschichtlichen Überblick bietet Kersting, der zudem noch auf weitere Einflüsse auf die frühneuzeitliche Vertragstheorie eingeht: Kersting, Wolfgang, Vertrag, Gesellschaftsvertrag, Herrschaftsvertrag, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 6, hg. von Otto Brunner/ Werner Conze/ Reinhart Koselleck, Stuttgart 2004, S. 901–945. Zur Verschränkung von Bundes- und Vertragstheorie vgl. Poole, David N. J., The history of the covenant concept from the Bible to Johannes Cloppenburg. De foedere Dei, San Francisco 1992. Zu Hobbes Exodusrezeption vgl. Krause, Joachim J., Der Bund im alten Testament und bei Hobbes. Eine Paerspektive auf den Leviathan, in: Politisches Denken (2005), S. 9–39. 721 Walzer, Exodus und Revolution (wie Anm. 586), S. 15. 722 Brockard, Hans, Jean-Jacques Rousseau: Du contrat social ou principes du droit politique. Französisch-Deutsch. Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts (Reclams UniversalBibliothek, Bd. 18682), Stuttgart 2010, bes. S. 60–64. 723 Die Zwölf Artikel (wie Anm. 3), S. 28.

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Eine gute Gesellschaft beruht in beiden Fällen auf der Realisierung des Allgemeinwohls. Rousseau geht auf diese Kategorie explizit ein. Das Allgemeinwohl, welches durch die „volunté générale“ befördert werde, ist bei ihm von der Meinung der Mehrheit („volunté de tous“) zu unterscheiden. Die „volunté générale“ müsse dagegen durch die Vernunft erkannt werden, während ihn Mehrheitsabstimmungen nicht sicher zu Tage förderten. Vielleicht lag in der brüderlichen Liebe im ‚Bauernkrieg‘ eine zumindest ähnliche Kategorie vor, bildete ein brüderliches Herz doch die Voraussetzung für das Gelingen eines christlichen Gemeinwesens. Bedenkt man den rigiden Ausschlussmechanismus zwischen wahr und falsch, bleibt unklar, ob über ihn abgestimmt werden konnte oder ob er nicht von dazu befähigten Personen exklusiv erkannt werden sollte. Eine Unterscheidung oder Problematisierung des Verhältnisses zwischen dem Willen Gottes und dem Willen der Bevölkerung wurde von den ‚Aufständischen‘ nicht vorgenommen. Vielleicht war der Zeitpunkt für diese Erkenntnis, die moderne westliche Demokratien von theokratischen Gesellschaften unterscheidet, noch nicht gekommen. In einem größeren historischen Kontext betrachtet, diente der Gesellschaftsvertrag Rousseaus sowohl als Vorbild für die Diktatur der Jakobiner als auch für die Demokratie moderner Staaten. In welche Richtung sich die Ideen des ‚Bauernkriegs‘ entwickelt hätten, lässt sich, um eine letzte Parallele zu bemühen, ebenfalls nicht prognostizieren.

3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung 3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung Schon Bertolt Brecht wusste: Immer doch / Schreibt der Sieger die Geschichte des Besiegten, / Dem Erschlagenen entstellt / Der Schläger die Züge. Aus der Welt / Geht der Schwächere, und zurückbleibt / Die Lüge (Brecht, 4, 1480)

Ganz so einfach sollte man es sich in Bezug auf die zeitgenössische Geschichtsschreibung zum ‚Bauernkrieg‘ nicht machen. Zwar handelt es sich bei den monographischen Geschichtswerken, um die es hier gehen soll, allesamt um Darstellungen aus dem Kreis der Obrigkeit, aber nicht alle Autoren verstanden sich als Sieger.724 Diese Textgattung, die bis heute erstaunlich schlecht erforscht ist, besitzt zum Nachwirken des ‚Bauernkriegs‘ eine Vielzahl bisher unbekannter Facetten, denen es nachzugehen lohnt.725

724 Den Texten haftet allgemein die Zuschreibung der Siegergeschichtsschreibung an: Winterhager, Bauernkriegsforschung (wie Anm. 10), S. 19–25. Im Jahr 2015 wiederholte Blickle dieses Diktum. Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 13. 725 Eine Überblicksdarstellung liegt nicht vor. Nur sehr kurz zur Thematik äußert sich: Buszello, Horst, Deutungsmuster des Bauernkriegs in historischer Perspektive, in: Der deutsche Bauernkrieg, hg. von Horst Buszello/ Peter Blickle/ Rudolf Endres (Uni-Taschenbücher, Bd. 1275), Paderborn, München, Wien, Zürich 1984, S. 11–22. Die bisher vorliegenden Studien konzentrieren sich in der Regel auf die Darstellung eines Autors, vergleichende Arbeiten bleiben meist auf wenige Darstellungen begrenzt. Für viele der Texte stellen die Kommentare und Vorworte ihrer neuzeitlichen Herausgeber häufig die einzigen wissenschaftlichen Annährungen an die Texte dar. An dieser Stelle seien einführend die monographischen Arbeiten genannt: Scheidel, Kritik der Villinger Chronik (wie Anm. 51). Schäfer, Oscar L., Das Verhältniss der drei Geschichtsschreiber des Bauernkrieges Haarer (Crinitus), Gnodalius und Leodius, Chemnitz 1876. Lötscher, Valentin, Der deutsche Bauernkrieg in der Darstellung und im Urteil der zeitgenössischen Schweizer, Basel 1943. Quester, Das Rad der Fortuna und das Kreuz (wie Anm. 1). Zur modernen Historiographie liegen hingegen drei Promotionen vor. Arnscheidt, Margerit, Wandlungen in der Auffassung des deutschen Bauernkrieges zwischen 1790 und 1848. Ein Beitrag zum Verhältnis von Geschichtsschreibung und Geschichtsinteresse, ohne Ort 1976. Winterhager, Bauernkriegsforschung (wie Anm. 10) Und: Müller, Diktatur und Revolution (wie Anm. 13). Auf die zeitgenössische Geschichtsschreibung wird besonders in rezeptionsgeschichtlichen Studien zum historischen Bild von Einzelpersönlichkeiten Bezug genommen: Steinmetz, Max, Das Müntzerbild von Martin Luther bis Friedrich Engels (Leipziger Übersetzungen und Abhandlungen zum Mittelalter, Reihe B, Bd. 4), Berlin 1971. Und: Bücking, Jürgen, Michael Gaismair. Reformer – Sozialrebell – Revolutionär. Seine Rolle im Tiroler „Bauernkrieg“ (1525/32) (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 5), Stuttgart 1978. Zur Erinnerungskultur vgl. vor allem die Arbeiten von Kießling. Exemplarisch vgl. https://doi.org/10.1515/9783110603750-003

228  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Im Folgenden werden die Deutungsmuster der zeitgenössischen Geschichtsschreibung nicht als Korrektiv gegen die Sichtweisen der ‚Aufständischen‘ in Stellung gebracht. Ziel ist es, eine multiperspektivische Sicht auf ein und dasselbe Ereignis aufzuzeigen und zweitens den Weg nachzuverfolgen, den dieses Wissen über die Jahrhunderte hinweg nahm: von der Verbreitung einer positiven Sichtweise während der ‚Erhebung‘, über das Verbot dieses Standpunkts durch die Zensur bis zu seiner Ausgrenzung und Umdeutung in den Geschichtswerken der Zeit. Wesentliche Charakteristika der zeitgenössischen Geschichtsschreibung können einführend bereits an den Grundfragen historiographischer Arbeit gewonnen werden. Diese lauten: Wer schrieb die Texte? Kann man auf diese Weise einen bestimmten Autorentypus ausfindig machen? An welchen Orten entstanden die Werke? Gibt es im geographischen wie im institutionellen Sinn Auffälligkeiten? Und wie wurden die Texte hergestellt? Welche Rückschlüsse lassen sich von der Textgestalt auf die zeitgenössischen Gebrauchs- und Verwendungskontexte ziehen? Den Anfang dieser Analyse bildet die Frage nach der Wirkungsgeschichte der zeitgenössischen monographischen Geschichtsschreibung.

3.1.1 Rezeptionsgeschichte Die meisten der Darstellungen wurden unmittelbar nach den Geschehnissen oder nur wenige Jahre später niedergeschrieben. Die Gattung war überaus produktiv, so lassen sich noch heute 29 Werke ausfindig machen.726 Betrachtet man die Gruppe der monographischen Geschichtsschreibung zu diesem Thema über einen längeren Zeitraum, endete die Anfertigung dieser Werke mit dem Tod der Zeitzeugengeneration für mehrere Jahrhunderte. Das Wissen der Bevölkerung zu diesem Thema hing jedoch zunächst kaum von diesen Texten ab. Die Erklärung hierfür ist denkbar einfach: Die meisten der Darstellungen waren ursprünglich nicht für einen Massenmarkt konzipiert. Nur zwei Texte erschienen zeitgenössisch im Druck, die meisten anderen wurden erst mit einer Verspätung von mehreren Jahrzehnten bis Jahrhunderten publiziert.727

Kiessling, Rolf, Der Bauernkrieg, in: Deutsche Erinnerungsorte. Bd. 2, hg. von Étienne François, München 2001, S. 137–153. 726 Zu den Kriterien für die Klassifizierung der Texte als Geschichtsschreibung siehe Kapitel 1.4. 727 Günther Franz vertritt demgegenüber die Meinung, dass es den Herren, die er als Auftraggeber der Geschichtswerke identifiziert, darum gegangen sei, das Geschichtswissen der Bauern zu verdrängen und ihre Sicht auf die Geschehnisse festzulegen. Franz, Günther, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs. Neudruck der Edition 1936, in: Die Berichte von Peter Harer und Johannes Keßler vom Bauernkrieg 1525, hg. von Willi Alter (Veröffentlichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer, Bd. 88), Speyer 1995, S. 5–126, S. 7. Bei den zeitgenössisch in den Druck gegebenen Schriften handelt es sich um eine

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung



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Zentral für die Durchsetzung der obrigkeitsnahen Perspektive auf die Ereignisse waren im Jahr 1525 die Handlungen der Herren direkt nach der ‚Erhebung‘. In Verträgen, Huldigungsurkunden oder in juristischen Prozessen wurde die obrigkeitsherrliche Sicht auf die Ereignisse festgeschrieben: Die Untertanen seien ihren Herren untreu geworden.728 Von Seiten der ehemaligen ‚Aufständischen‘ sind dagegen Zeugnisse überliefert, die nahelegen, dass die Beteiligten den Untreuevorwurf auch weiterhin nicht akzeptierten.729 Auf mehreren Ebenen wurde von den Herrschenden der Versuch unternommen, die Ereignisse in ihrem Sinn umzudeuten. Die Erinnerung an die Geschehnisse sollte nicht etwa durch das Gedenken an die Opfer auf Seiten der Untertanen wachgehalten werden, stattdessen sollten die Schäden und Rechtsverstöße in den Mittelpunkt gerückt werden, welche die Bevölkerung begangen habe.730

Darstellung eines Anonymus und um die Geschichtsschreibung des Sekretärs des Herzogs von Lothringen: Anonymus, Auszug des schwäbischen bunds wider herzog Ulrich und die bauern, in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 751–780. Und: Volcyr de Sérouville, Nicole, L'histoire & recueil de la triumphante et glorieuse victoire obtenue contre les seduyctz et abusez Lutheriens mescreans du pays D'Aulsays & autres par treshault et trespuissant prince & seigneur Anthoine par la grace de Dieu duc de Calabre, de Lorraine et de Bar, & en deffendant la foy catholicque nostre mere l'eglise et vraye noblesse a l'utilite et prouffit de la chose publicque, Paris 1526, Staatliche Bibliothek Regensburg, 999/4 Hist.pol.1073. 728 Vgl. zu Verträgen exemplarisch die Forschungsdiskussion über den Weingartener Vertrag, der neuerdings als Kompromiss zwischen den Untertanen und den Herren gelesen wird, aber aufgrund der negativen Sprache, den ‚Aufständischen‘ ihre Deutungsmuster streitig macht: Rudolf, Hans-Ulrich, Ende und Ausgang. Der Weingartner Vertrag und die Folgen, in: Der Bauernkrieg in Oberschwaben, hg. von Elmar L. Kuhn (Oberschwaben – Ansichten und Aussichten), Tübingen 2000, S. 199–232. Und: Brun, Katherine, The Abbot and his Peasants. Territorial Formation in Salem from the Later Middle Ages to the Thirty Years War (Quellen und Forschungen zur Agrargeschichte, Bd. 56), Stuttgart 2013. Die juristische Bewältigung hat demgegenüber ein größeres Interesse auf sich gezogen, wenn auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Deutungskampfes: Hohn, Malte, Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525. Sanktionen, Ersatzleistungen und Normsetzung nach dem Aufstand (Schriften zur Rechtsgeschichte, Bd. 112), Berlin 2004. Und: Hasselbeck, Johannes, Die Folgen des Deutschen Bauernkriegs im Hochstift Bamberg (Bamberger Historische Studien, Bd. 7), Bamberg 2012. 729 Über eine Huldigungsverweigerung nach dem ‚Bauernkrieg‘ berichtet etwa Jacob Murer: Franz, Günther (Hg.), Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525. Text und Kommentar, Sigmaringen 1977, S. 34f. Zur kontroversen Bewertung des Weingartener Vertrags vgl. Rudolf, Ende und Ausgang (wie Anm. 728). Die Bildhäuser Bauern betonten etwa am Ende der ‚Erhebung‘ gegenüber dem Kurfürst von Sachsen, sich nicht untreu verhalten zu haben. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), S. 428–430. Zur stigmatisierenden Kraft des Untreuevorwurfes vgl. diese Arbeit Kapitel 2.1.1. 730 Besonders greifbar ist diese Erinnerungskultur für Württembergisch-Franken, so wurde in Königshofen ein Jahr nach der Niederlage eine Gedächtnisveranstaltung für die Gefallenen verboten. Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30), S. 292.

230  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Der Reformator Johannes Agricola inszenierte in einer Flugschrift aus dem Jahr 1525 eine Begegnung zwischen einem fiktiven lutherisch gesonnenen Bauern und einem fiktiven Anhänger Thomas Müntzers. In ihrem Gespräch bringt der Anhänger Müntzers seine Sicht auf die Ereignisse vor, die der lutherische Bauer in der Erzählung so überzeugend widerlegt, dass sich der Müntzeraner für die Unterweisung bedankt und dessen Sichtweise übernimmt.731 Im übertragenen Sinn kann dieser Dialog pars pro toto für die literarische Erinnerung an die Geschehnisse betrachtet werden. Einerseits verstummten die Stimmen der ‚Aufständischen‘ tatsächlich nach der ‚Erhebung‘, indem die nun verschärften Zensurbestimmungen die Möglichkeiten der Beherrschten, sich kritisch zu äußern oder ihre Sichtweise publik zu machen, systematisch ausschaltete.732 Andererseits versuchten zahlreiche Liedtexter und Flugschriftenautoren, neue Geschichtsbilder durchzusetzen.733 Als wichtigste literarische Gattung ist sicherlich die Flugschrift einzuschätzen: In diesem Medium äußerten sich die Reformatoren, die altgläubigen Publizisten und die Obrigkeit.734 Entscheidend für die schriftlich fixierte Erinnerung an die Geschehnisse war der Kontext, in denen man den ‚Bauernkrieg‘ als historisches Ereignis behandelte. So wurde er schon im 16. Jahrhundert in den Wissenskanon über die Reformation und als Exempel in die juristisch geprägte frühneuzeitliche Aufstandsliteratur aufgenommen. Auf diese Weise fand das Ereignis zwar seinen Platz in der Geschichtsschreibung über die Reformation und in juristischen und didaktischen Darstellungen zur Verhinderung einer ‚Erhebung‘, gleichzeitig wurde die geschichtliche Stellung des ‚Bauernkriegs‘ aber auch von diesen jeweiligen Kontexten regiert. Insbesondere die konfessionelle Perspektive, Luther für den ‚Aufstand‘ verantwortlich zu machen oder ihn freizusprechen, die schon kurz nach der ‚Erhebung‘ einsetzte, bestimmte die Geschichtsdeutung bis ins 20. Jahrhundert.735

731 Agricola, Johannes, Ein nützlicher Dialog zwischen einem müntzerischen Schwärmer und einem evangelischen Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 517–530. 732 Baeumer, Maximilian L., Sozialkritische und revolutionäre Literatur der Reformationszeit, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 5 (1980), S. 169–233. 733 Seibert, Peter, Reformation und Bauernkrieg, in: Geschichte der politischen Lyrik in Deutschland, hg. von Walter Hinderer, Würzburg 2007, S. 75–95. Allgemein zum Kontext von Literatur und Bauernkrieg: Wunderlich, Die Spur des Bundschuhs (wie Anm. 98). Baeumer, Sozialkritische und revolutionäre Literatur der Reformationszeit (wie Anm. 732). Besonders vgl. Brackert, Bauernkrieg und Literatur (wie Anm. 4). Zur neulateinischen Dichtung über den Bauernkrieg siehe: Hamm, Servilia bella (wie Anm. 53). 734 Eine Bibliographie bietet: Claus, Der deutsche Bauernkrieg im Druckschaffen der Jahre 1524– 1526 (wie Anm. 85). 735 Stern, Alfred, Über zeitgenössische gedruckte Quellen und Darstellungen der Geschichte des großen deutschen Bauernkriegs, in: Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse 1929, S. 184–198. Zur katholischen Perspektive grundlegend vgl. Herte, Adolf, Die Lutherkommentare des Johannes Cochläus. Kritische Studie zur Geschichts-

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung

 231

Eine stärkere Verbreitung der zeitgenössischen monographischen Geschichtswerke zum ‚Bauernkrieg‘ setzte schon in der Frühen Neuzeit ein. Die überwiegend handschriftlich verfassten Texte wurden zunehmend gedruckt. Ein erstes Rezeptionshoch lässt sich für die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs identifizieren. Der Wunsch nach Frieden bildete den didaktischen Anknüpfungspunkt der Rezeption. Die Grausamkeit des ‚Bauernkriegs‘ mit seiner hohen Zahl von Getöteten, welche schon die Zeitgenossen auf 100000 bezifferten, sollte als Warnargument dienen, den Frieden zu suchen.736 Einen Wendepunkt in der Beschäftigung mit dem Thema markierte die erste monographische Behandlung des Gegenstands durch einen Nicht-Zeitgenossen. Im Jahr 1795 legte der spätere Professor zu Göttingen Friedrich Georg Sartorius seinen „Versuch einer Geschichte des deutschen Bauernkrieges“ vor.737 Als erster Nachgeborener erkannte er in den Geschehnissen wieder positive Züge einer notwendigen Veränderung und verurteilte die Ereignisse nicht mehr nur von einem moralischen Standpunkt aus. Diese positive Sinnstiftung setzte sich schließlich mit unterschiedlichen Prämissen in den folgenden Jahrhunderten durch. Über die Wege dieser modernen Neuinterpretationen konnten, ohne Redundanzen zu erzeugen, schon drei Dissertationen geschrieben werden.738 Bis heute ist die Beschäftigung mit dem ‚Bauernkrieg‘ von einer Grundproblematik geprägt, die bereits Sartorius erkannte: „(M)an hat nichts als die Nachrichten von einer Seite von Siegern; man kann nicht vergleichen“.739 Die Forschung reagierte auf diesen Befund mit der Erschließung immer neuer Quellengruppen, welche

schreibung im Zeitalter der Glaubensspaltung (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte, Bd. 33), Münster 1935. Herte, Adolf, Das katholische Lutherbild im Bann der Lutherkommentare des Cochläus. 3 Bände, Münster 1943. Zur protestantischen Sicht am ausführlichsten vgl. Kirchner, Hubert, Der deutsche Bauernkrieg im Urteil der Freunde und Schüler Luthers, Greifswald 1969. Zu den didaktischen und juristischen Texten, die darauf abzielten, das politische System zu stabilisieren, liefert v. a. Schulze eine Einführung: Gabel/ Schulze, Folgen und Wirkungen (wie Anm. 34), S. 340f. u. 347–349. Besonders: Schulze, Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit (wie Anm. 107), S. 21–26 u. 128–140. 736 Zur Zahl der Getöteten vgl. Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 747. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 3. Gedruckt wurden die Geschichtsdarstellungen von Ambrosius Geyer und Peter Harer: Regensburg, Staatliche Bibliothek, 999/4Hist.pol.1062 (= Geyer 1622). Staatsbibliothek München, 4 J.publ.e. 319,1. (= Harer 1625). Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Xb 7096 (= Harer 1627). 737 Sartorius, Versuch einer Geschichte des Deutschen Bauernkriegs oder der Empörung in Deutschland zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 50), S. VI. 738 Arnscheidt, Wandlungen in der Auffassung des deutschen Bauernkrieges zwischen 1790 und 1848 (wie Anm. 725). Winterhager, Bauernkriegsforschung (wie Anm. 10). Und: Müller, Diktatur und Revolution (wie Anm. 13). 739 Sartorius, Versuch einer Geschichte des Deutschen Bauernkriegs oder der Empörung in Deutschland zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 50), S. VI.

232  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

die Sicht der Untertanen besser widerspiegeln sollte.740 Heute mangelt es zwar nicht mehr so grundsätzlich an der Möglichkeit eines Vergleichs wie im Jahr 1795, die Geschehnisse können jedoch nur aus den Archiven der zeitgenössischen Herren rekonstruiert werden. Diese Sammlungen bestimmen daher den Überlieferungszusammenhang und die Überlieferungsgeschichte der Schriften der ‚Aufständischen‘ entscheidend mit.741 Bisher wurden die Gründe für diese Sammeltätigkeit und der Zweck der kurz nach 1525 entstandenen Bestände noch nicht untersucht. Bei der Analyse der zeitgenössischen Geschichtsschreibung zum ‚Bauernkrieg‘ kommen diese Fragestellungen besonders zum Tragen. Die Autoren griffen vielfach auf die Korrespondenzen der ‚Aufständischen‘ zurück und schrieben mit ihnen und gegen sie eine neue Geschichte. Anhand dieser Darstellungen lässt sich ein Schlaglicht auf die lokale Erinnerungskultur der Herrschenden, den Umgang mit der Sicht der unterlegenen Partei und ihre Einbindung in ein neues Geschichtsbild werfen.

3.1.2 Autorentypen und Netzwerkstrukturen Die historiographischen Texte sollen einführend nach ihren Entstehungsorten aufgelistet werden. Die Mehrheit der Darstellungen, 16 an der Zahl, stammt aus einem städtischen Kontext. Zu nennen sind die fragmentarische Darstellung des Würzburger Stadtschreibers Martin Cronthal,742 die Bauernkriegschronik des Füssener Stadt-

740 Karl Hartfelder lobte schon 1884 die Veröffentlichungen der Bauernkriegskorrespondenzen. Günther Franz edierte Beschwerdeschriften und die DDR-Forschung publizierte etwa Flugschriften. Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Südwestdeutschland (wie Anm. 50), S. IIIf. Im Folgenden vgl. exemplarisch: Franz, Der deutsche Bauernkrieg. Aktenband (wie Anm. 50). Laube, Flugschriften der Bauernkriegszeit (wie Anm. 50). 741 Lötzke, Helmut/ Kluge, Reinhard, Quellen zur Geschichte des bäuerlichen Klassenkampfes in Deutschland in Staatsarchiven der DDR (16. Jahrhundert bis 1789), in: Der Bauer im Klassenkampf. Studien zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges und der bäuerlichen Klassenkämpfe im Spätfeudalismus, hg. von Gerhard Heitz/ Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 549–572. Pfeiffer, Gerhard, Die archivarische Behandlung der Bauernkriegsakten in den öffentlichen Archiven Frankens, in: Archivalische Zeitschrift 73 (1977), S. 41–50. Arnold, „damit der arm man unnd gemainer nutz iren furgang haben…“ (wie Anm. 183), S. 269–274. 742 Die Familie stammte wohl ursprünglich aus Dettelbach. Als ein Bruder ist vermutlich Nikolaus Cronthal, Sekretär und Rat des Würzburger Bischofs, fassbar. Spätestens seit 1510 war Martin Cronthal verheiratet mit Margaretha, geb. Schorre. Werdegang: Von 1504 bis zu seiner Inhaftierung nach dem ‚Bauernkrieg‘ im Jahr 1525 durch Bischof Konrad von Thüngen Würzburger Stadtschreiber. Nach Wieland sei Cronthal gläubiger Katholik gewesen. Durch die neueste Forschung ist Cronthal jedoch im Freundes- und Korrespondentennetz der Reformatorin Argula von Grumbach zu verorten. Die zeitgenössische Fassung seiner Bauernkriegschronik ist überliefert: Staatsarchiv Würzburg, HV, Ms. f. 1073. Edition: Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87). Biografische Informationen: Wagner, Ulrich, Schlaglicht: Martin Cronthal, Würzburger Stadt-

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung



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schreibers Martin Furtenbach,743 der Text des Windsheimer Stadtschreibers Johann Greffinger,744 der Bericht des Bamberger Stadtrats Marx Halbritter,745 zwei Darstellungen aus Kitzingen, eine aus der Hand des Stadtschreibers Sebastian Ranft746 und eine aus der Feder des späteren Bürgermeisters Hieronymus Hammer,747 die Dar-

schreiber 1504–1525, in: Geschichte der Stadt Würzburg. Bd. 1, hg. von dems., Würzburg 2001, S. 160–165. 743 Furtenbach heiratete im Jahr 1515 eine Füssener Bürgertochter, fünf Jahre später wurde ihm das Füssener Bürgerrecht verliehen. Ab wann er als Stadtschreiber fungierte, bleibt unklar. Eine zeitgenössische Handschrift ist verschollen, überliefert ist dagegen eine Abschrift des 16. Jahrhunderts seiner Bauernkriegschronik: Stadtarchiv Füssen, A 30.246. Später entstandene Kopien: Stadtarchiv Füssen, A 30.246 und Stadtbibliothek Füssen, C 24. Eine Edition liefert: Furtenbach, Füßner Bericht (wie Anm. 238). Biografische Informationen: Layer, Adolf, Bedeutende Persönlichkeiten, in: Ostallgäu. Einst und Jetzt, hg. von Aegidus Kolb/ Ewald Kohler, Kempten 1984, S. 935–1025, S. 959. 744 Er wurde wohl zwischen 1470 und 1480 in Markt-Schwaben geboren und war verheiratet mit einer Margaretha. Ein Schwiegersohn Greffingers war Ratsherr der Stadt Windsheim. Werdegang: Nach Befähigung zum Notariat, ist er ab 1516 als Stadtschreiber von Windsheim nachweisbar. Er ist Autor einer Rechtsreformation für die Stadt aus dem Jahr 1521. Gestorben wohl 1540. Die handschriftliche Fassung der Bauernkriegschronik ist überliefert: Stadtarchiv Bad Windsheim, B 207. Keine Edition oder Abdruck vorhanden. Biografische Informationen: Hünfeld, Hans, Die Windsheimer Reformation des Johann Greffinger von 1521, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 86 (1971/72), S. 376–389, S. 380–384. Hünfeld, Hans, Die Rechtsreformation des Stadtschreibers Johann Greffinger für die Reichsstadt Windsheim (1521) (Veröffentlichungen der Stadt Bad Windsheim zur Geschichte der freien Reichsstadt), München 1974, S. 11f. Wunder, Gerd, Die Bevölkerung der Reichsstadt Windsheim im Jahr 1546, in: Jahrbuch für Fränkische Landesforschung 40 (1980), S. 31–71, S. 56. 745 Marx Halbritter war seit 1518 Mitglied des Stadtrats, musste dieses Gremium aber 1526 verlassen. Die Zeitgenössische Handschrift seiner Chronik ist verschollen. Spätere Abschrift: Staatsarchiv Nürnberg, Nr. 285, f. 207–279. Edition, Autorenzuweisung und biografische Angaben: Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211). 746 Ranft wurde in Rothenburg o. d. Tauber geboren und fungierte als Kitzinger Stadtschreiber von 1510 bis 1533. Der Lutheraner Ranft war verheiratet mit einer Barbara und starb im Jahr 1536 in Kitzingen. Zeitgenössische Handschrift: Stadtarchiv Kitzingen, Varia 2, fol. 14r–30v. Bei diesem Text handelt es sich um eine Konzeptstufe. Die einzufügenden Aktenabschriften wurden ausgelassen und finden sich in einer späteren Version: Stadtarchiv Kitzingen, Varia 1. Biografische Informationen: Bátori, Ingrid/ Weyrauch, Erdmann, Die bürgerliche Elite der Stadt Kitzingen. Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einer landesherrlichen Stadt im 16. Jahrhundert (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung, Bd. 11), Stuttgart 1982, S. 618–620. Abdruck: Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128). 747 Hammer war Rotgerber trotz eines Studiums an der Wittenberger Artistenfakultät in den Jahren 1519 und 1520. Während des ‚Aufstands‘ fungierte er als Viertelschreiber. Nach dem ‚Bauernkrieg‘ stieg er in Kitzingen bis zum Oberbürgermeister (1539, 1546/7, 1552, 1557) auf. Hammer fungierte offenbar als Fürsprecher der evangelischen Bewegung. Er war verheiratet mit einer Anna und dann mit Barbara Meder aus Mainbernheim. Er starb 1560 in Kitzingen. Zeitgenössische Handschriften zum ‚Bauernkrieg‘: Stadtarchiv Kitzingen, Chronik 1, f. 220r–232v. (Die Seiten wurden nachträglich in diesen Sammelband zur Kitzinger Geschichte aufgenommen). Stadtarchiv Haßfurt, Akten vor 1827, 10 (Fragment mit Unterschrift Hammers). Spätere Abschriften: Universitätsbibliothek Kassel,

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stellung des Stadtschreibers von Schwäbisch Hall Hermann Hoffmann,748 der Bericht des Öhringer Stadtschreibers Alexander Hohenbuch,749 die Bauernkriegschronik des Frankfurter Stadtschreibers Johann Marstellers,750 der Text des Basler Stadtschreibers Heinrich Ryhiner,751 die Darstellung des späteren Bürgermeisters von Bretten und Bruder Philipp Melanchthons, Georg Schwarzerdts,752 sowie der Bericht

4° Ms. hist. 52. Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, B 189. Der Abdruck von Wieland erfolgte nach der Würzburger Version (Staatsarchiv Würzburg, HV, Ms. f. 1073.): Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197). 748 Zu vermuten ist ein Universitätsabschluss, wie ihn etwa sein Vorgänger im Stadtschreiberamt aufwies. Spätestens ab 1525 war Hoffmann Schreiber der Stadt, ab 1532 Verweser des Stadtschreiberamtes, ab 1549 bis zu seinem Tod 1555 Stadtschreiber. Zeitgenössische Handschrift: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1, Bd. 207. Spätere Abschriften: Staatsbibliothek München, Handschriften, Cgm. 5355 (Erste Hälfte des 17. Jahrhunderts). Biografisches: Wunder, Gerd, Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt (Forschungen aus Württembergisch Franken, Bd. 16), Sigmaringen 1980, S. 127f. Edition: Hoffmann, Herrmann, Bauernkrieg um Schwäbisch Hall, in: Geschichtsquellen der Stadt Hall. Bd. 1, hg. von Christian Kolb (Württembergische Geschichtsquellen), Stuttgart 1894, S. 271–352. 749 Seine Eltern sind Johann Hohenbucher, Keller der Grafen von Hohenlohe in Öhringen, und eine nicht namentlich bekannte Tochter des Stefan Sorg, Stadtrat und Bürgermeister in Öhringen. Alexander von Hohenbuch wurde 1507 geboren und war ab 1533 Stadtschreiber in Öhringen. Von seinem hohen Rang zeugt die Verleihung eines Wappenbriefs durch Karl V. im Jahr 1544. Im Jahr 1561 richtete er eine Schul- und Studienstiftung ein. Er war Lutheraner spätestens seit 1544. Wichtig für seine Bauernkriegschronik ist die Information, dass er mit Elisabeth Sigginger, Tochter des Kellers Johann Sigginger der Grafen von Hohenlohe in Öhringen im Jahr 1525, verheiratet war. Hohenbuch starb 1570. Grabinschrift: „Unter diesem Stein ruht der Leib des hochberühmten Alexander Hohenbucher“. Die zeitgenössische Version seiner Bauernkriegschronik ist verschollen. Biografisches: GA 20 Schubl. XLIII, Nr. 24. Abdruck der Handschrift: Hohenbuch, Nachricht vom Bauern-Krieg in der Graffschaft Hohenlohe (wie Anm. 337). 750 Marsteller war Baccalaureus beider Rechte und fungierte ab 1520 als Ratsschreiber und ab 1540 als Rechenschreiber der Stadt Frankfurt. Im Jahr 1542 bat er wegen eines Wegzugs aus Frankfurt um Entlassung. Die zeitgenössische Handschrift ist ein Kriegsverlust des Jahres 1944. Biografisches und Edition: Jung, Johann Marstellers Aufruhrbuch (wie Anm. 238). 751 Ryhiner wurde vermutlich 1490 in Brugg im Aargau geboren, absolvierte ein Studium in Basel ab 1508 und war ab 1518 bischöflicher Prokurator. Nach der Verleihung des Basler Bürgerrechts im Jahr 1518 fungierte er ab 1524 als Ratsschreiber der Stadt. 1534 stieg er zum Stadtschreiber auf. Er war mit einer Anonyma und Elsbeth Ressler verheiratet und unterhielt freundschaftliche Kontakte zum Reformator Johannes Oekolampad. Ryhiner starb am 18. April 1553. Zeitgenössische Handschrift seiner Bauernkriegschronik: Universitätsbibliothek Basel, Cod O 9. Biografisches: Feller, Richard/ Bonjour, Edgar, Geschichtsschreibung der Schweiz vom Spätmittelalter zur Neuzeit. Bd. 1, Basel 1979, S. 249f. Edition: Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76). 752 Schwarzerdt wurde 1500/1 in Bretten geboren. Bei seinen Eltern handelt es sich um Georg Schwarzerdt, Rüstmeister des Pfalzgrafen bei Rhein, und Barbara, geb. Reuter. Sein Bruder ist Philipp Melanchthon, mit dem Georg eine lebenslange Freundschaft verband. Georg Schwarzerdt besuchte eine Lateinschule in Pforzheim und die Universität in Tübingen (1513/4 bis höchstens 1518). Nach der Übernahme des Tuchwarengeschäfts des Großvaters war er spätestens seit 1531 Rats- und Gerichtsmitglied in Bretten und Bürgermeister in den Jahren 1540/1. Ab 1546 fungierte er als Schult-

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Eckard Wiegersheims, eines Bürgers aus Reichenweyer,753 und die Bauernkriegschronik des Rothenburger Stadtschreibers Thomas Zweifel.754 Nicht klar zugeordnet werden können die Darstellungen, die in der Forschung die Arbeitstitel „Aufruhr im Rheingau“755 und „Aufruhr in Mainz“756 tragen. Erstere stammt wohl von

heiß und von 1548 bis ca. 1563 als Keller. Dokumentiert ist sein Einsatz für die Reformation in Bretten. Seine erste Ehefrau war Anna Hechel, Tochter des damals vermögendsten Brettener Bürgers. Später schloss er noch drei weitere Ehen. Er starb nach 1561. Weiteres historiographisches Werk: „Belagerung der Stadt Bretten 1504“ und eine Brettener Reimchronik der Jahre 1536–1561. Er fertigte mehrere Gedichte an. Die Handschrift seiner zeitgenössischen Bauernkriegschronik ist verschollen. Zu einer späteren Abschrift des 16. Jahrhunderts vgl. Staatsbibliothek München, Cgm 5060, f. 1–17r (Vormaliger Besitzer: Wilhelm Siegfried Willing: Pfarrer und Superintendent von Bretten). Biografisches: Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Südwestdeutschland (wie Anm. 50), S. 14–23. Müller, Nikolaus, Georg Schwartzerdt. Der Bruder Melanchthons und Schultheiß zu Bretten, in: Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 96/97 (1908), S. 1–276, S. 1–180. Abdruck: Würdinger, Joseph, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt. 1514–1526, in: Collectaneen-Blatt für die Geschichte Bayerns insbesondere für die Geschichte der Stadt Neuburg a. d. Donau und des ehemaligen Herzogthums Neuburg 43 (1879), S. 1–48. 753 Wiegersheims war Bürger von Reichenweier und nahm am Zug der ‚Aufständischen‘ gegen Herzog Anton von Lothringen teil. Die zeitgenössische Handschrift ist verschollen. Zu einem sprachlich modernisierter Abdruck vgl. Stöber, Diarium von Eckard Wiegersheim (wie Anm. 2). 754 Thomas Zweifel wurde in Kitzingen vermutlich als Sohn einer ratsfähigen Familie geboren. Ab 1507 war er Gehilfe des Rothenburger Stadtschreibers und später Verweser des Stadtschreiberamtes. 1508 erfolgte die Aufnahme in die Rothenburger Bürgerschaft. Ab 1511 fungierte er als Stadtschreiber. Verheiratet war er mit Apollonia Trüb, Katharina Hornburg, Barbara Kumpf (Schwester des Altbürgermeister und führenden Kopf des ‚Aufstand‘ von 1525 Ehrenfried Kumpf) und Anna Berler. Im Jahr 1540 bezeichnete er sich als altgläubig. Er starb 1540. Zu den zeitgenössischen Handschriften vgl. Stadtarchiv Rothenburg, B 17 (= Endfassung). Staatsarchiv Nürnberg, Rep. Reichsstadt Rothenburg, 200/I, No. 331 (Arbeitsfassungen). Spätere Abschriften: Stadtarchiv Rothenburg, B 23. Biografisches: Quester, Ernst, Das Rad der Fortuna und das Kreuz. Studien zur Aufstandsperiode von 1525 in und um Rothenburg ob der Tauber und ihrer Vorgeschichte (Alt-Rothenburg), Rothenburg ob der Tauber 1994, S. 94–113. Edition: Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1). 755 Die Schrift zeichnet sich durch eine obrigkeitstreue Haltung aus. Die zuerst aufgestellten Artikel hält der Autor allerdings für berechtigt, wohingegen er das spätere Vorgehen gegen die Klöster missbilligt. Vor allem berichtet er über die ein- und ausgehende Schriften der Landschaft und den Verhandlungen mit dem Erzstift und den ‚Aufständischen‘. Vor diesem Hintergrund dürfte die Schrift von einem Angehörigen der landschaftlichen Elite entstanden sein. Mehrmals wird der Stadtschreiber von Eltfeld erwähnt. Nach Struck sei die Geschichtsschreibung einst Teil der Manualakten des Vicedominus gewesen. Die zeitgenössische Handschrift ist verschollen. Wiederabdruck eines Abdrucks: Anonymus, Bericht über den Aufruhr im Rheingau von 1525, in: Der Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen. Darstellung und Quellen, hg. von Wolf-Heino Struck (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Nassau, Bd. 21), Wiesbaden 1975, S. 182–192. 756 Die Handlung setzt mit dem Beginn des ‚Bauernkriegs‘ in Deutschland ein, der auf das Jahr 1525 datiert wird, und endet mit seiner gewaltsamen Niederschlagung, wobei eine Nachricht aus dem Jahr 1526 resultiert. Der geographischen Handlungsrahmen konzentriert sich auf die Stadt Mainz. Nach einer kurzen und allgemeinen Einleitung folgt ein Bericht über die Entstehung und

236  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

einem Mitglied der Landschaft Rheingau, weshalb es sich hier ebenfalls um einen Stadtschreiber als Autoren handeln könnte. Über den Verfasser der zweiten anonymen Schrift lässt sich nur so viel sagen, als dass er mit den Vorgängen in der Stadt Mainz bestens vertraut war. Eine weitere Autorengruppe stammt aus dem Kontext der landesherrlichen Obrigkeit. Zu ihnen zählen der Sekretär des Würzburger Bischofs, Lorenz Fries,757 der Sekretär des Pfalzgrafen bei Rhein, Peter Harer,758 der Bearbeiter von Harers Bericht,

Ratifizierung der Artikel der Mainzer Zünfte sowie ihre Wiedergabe in der Form, wie sie durch das Domkapitel angenommen wurden. Das Zitieren des Aktenstücks nimmt den größten Raum ein. Abschließend werden die Bestrafung der Rädelsführer, die Außerkraftsetzung der Artikel und die Stiftung zweier Brunnen durch den Erzbischof mitgeteilt. Die zeitgenössische Handschrift ist verschollen. Wiederabdruck eines Abdrucks: Anonymus, Aufruhr in Mainz, in: Der Bauernkrieg am Mittelrhein und in Hessen. Darstellung und Quellen, hg. von Wolf-Heino Struck (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Nassau, Bd. 21), Wiesbaden 1975, S. 108–117. 757 Fries wurde 1489/9 als Gastwirtssohn in Bad Mergentheim geboren. Er studierte in Leipzig, Wien (Magister Artium) sowie in Tübingen und Wittenberg. Ab 1520 ist er als Sekretär des Würzburger Bischofs nachweisbar. Ab 1525 diente er zusätzlich als Rat. Er war verheiratet mit Anna Haag und ab 1540 mit Juliane Ganzhorn. Er starb 1550 in Würzburg. Seine literarischen Hauptwerke neben der Bauernkriegschronik sind die Geschichte der Würzburger Bischöfe und die sog. Hohe Registratur. Er starb 1550 in Würzburg. Seine zeitgenössischen Handschriften zu seiner Bauernkriegschronik sind überliefert: Staatsarchiv Würzburg, Manuskripte Nr. 1 und Manuskripte ad Nr. 1 (Konzeptfassung). Eine nicht edierte Ergänzung mit der Zählung 79c–d von anderer Hand liegt dem Manuskript Nr. 1 bei und liefert zusätzliche Informationen zum 24.4, 27.4 und 4.5.1525. Biografisches: Heiler, Thomas, Die Würzburger Bischofschronik des Lorenz Fries (gest. 1550). Studien zum historiographischen Werk eines fürstbischöflichen Sekretärs und Archivars (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 9), Würzburg 2001. Fuchs, Franz/ Petersen, Stefan/ Wagner, Ulrich/ Ziegler, Walter (Hg.), Lorenz Fries und sein Werk. Bilanz und Einordnung (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 19), Würzburg 2014. Edition: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20). 758 Harer wurde 1480/1490 geboren und durchlief seinen beruflichen Werdegang in der Kanzlei des Pfalzgrafen bei Rhein. Dort diente er ab 1518 als Schreiber, ab 1522 als Botenmeister und spätestens seit 1529 als Sekretär. Er war zuerst verheiratet mit einer Anonyma, dann mit Margaretha Schwartzerdt (Schwester Philipp Melanchthons) und schließlich mit einer Barbara verw. Heß. Harer starb zwischen den Jahren 1550 und 1555. Wichtigste Werke sind die Neufassung des kurpfälzischen Sal- und Lehnbuchs, die Reimchronik über die Packschen Händel (1529) und eine Darstellung über die Hochzeit des Pfalzgrafen Friedrichs II. mit Dorothea von Dänemark. Zeitgenössische Bauernkriegshandschriften: Universitätsbibliothek Heidelberg, Pal. lat. 952. Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 8081. Staatsbibliothek München, Clm. 1563. Eine ursprünglich deutsche Urfassung ist nur in Abschriften ab der Mitte des 16. Jahrhunderts überliefert: Badische Landesbibliothek, Cod. K. 2476 (Abschrift einer Kopie von Harers deutscher Fassung). Staatsarchiv Wertheim, G-Rep. 57/1 Befehdungen Nr. 4. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1, Bd. 208. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1, Bd. 219, f. 140–232. Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, 4 Cod. Ms. Hist. 100. München, Geheimes Hausarchiv, Handschrift Nr. 4. München, Staatsbibliothek, Cgm. 2845. Universitätsbibliothek Heidelberg, Hs. 19. Biografisches: Hartfelder, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Südwestdeutschland (wie Anm. 50), S. 4–14. Lediglich die deutsche Abschrift des Grafen von Erbach ist

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung

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der ebenfalls pfalzgräfische Sekretär Hubertus Thomas genannt Leodius,759 der Lehrer Jacob Holzwart, der eine Darstellung für den Augsburger Bischof verfasste,760 der Sekretär des Bamberger Bischofs, Martin Müllner,761 Ulrich von Rappoltstein,

ediert: Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727). 759 Leodius wurde 1495 in Lüttich (danach der Beiname Leodius) geboren. Nach dem Erwerb von Latein- und Griechischkenntnissen in der Schulzeit, studierte er in Heidelberg nachweislich im Jahr 1525. Von 1513 bis 1520 war er als Schreiber im Dienst von Dr. Tetanias Frisius, Jurist und Assessor am Reichskammergericht, tätig. Seit 1520 fungierte er als Sekretär des Pfalzgrafen bei Rhein und später auch als Rat. Von Leodius sind ausgedehnte Reisetätigkeiten für den Pfalzgrafen dokumentiert. Er war seit 1520 verheiratet und blieb bis zu seinem Tod 1555/6 altgläubig. Seine wichtigsten Werke sind: Die Darstellung der Fehde Franz von Sickingens (Fragment), eine Studie über niederländische Ortsnamen und die „Annales Palatini libris XIV continentes vitam et res gestas etc. Friderici II, comitis Palatini Rheni etc.“. Die Handschrift zu seiner Bauernkriegschronik ist verschollen. Biografisches: Rädle, Herbert, Der Reichsfürst und sein Kaiser. Eine Lebensbeschreibung des Pfalzgrafen Friedrich II. (1482–1556) nach Hubert Leodius. Mit einem Vorwort von Thomas Nicklas (Neumarkter Historische Beiträge, Bd. 1), Neumarkt in der Oberpfalz 1998, S. 9–13. Rädle, Herbert (Hg.), Leben und Taten des Pfalzgrafen Friedrich seit 1544 Kurfürst von der Pfalz (Neumarkter Historische Beiträge, Bd. 10), Neumarkt in der Oberpfalz 2009, S. 6–8. Abdruck: Leodius, Hubertus Thomas, Historia seditionis rvsticanae, in: Rerum Germanicarvm Scriptores varii. Bd. 3, hg. von Marquard Freher/ Burkhard Gotthelf Struve, Straßburg 1717, S. 284–294. 760 Über Holzwarts Lebensweg finden sich fast nur unsichere Informationen: Seine Herkunft dürfte in der Memminger Gegend zu suchen sein. Ein Jacob Holzwart ist 1523/24 als Student an der Universität zu Wittenberg nachweisbar, für den sich Luther 1526 bei Kurfürst Johann von Sachsen vergeblich um ein Stipendium bemühte. Sicher dokumentiert ist seine Anstellung als Schulmeister im Kloster Roggenburg 1530 durch seine Selbstnennung in der Bauernkriegsgeschichte. Zu seinem weiteren Lebensweg existieren zwei Theorien: Nach Bossert studierte Holzwart in den frühen 1530er Jahren erfolglos Medizin in Heidelberg, bevor er von 1533 bis 1541 als Schulmeister der Domschule zu Speyer tätig gewesen sei. Danach habe er die Schulmeisterstelle in Rappoltsweiler übernommen. Nach Groll sei der Bauernkriegschronist Holzwart dagegen identisch mit einem Konventualen des Kloster Roggenburg, der nachweisbar 1552, 1560 und 1588 als Pfarrer in Wallenhausen belegbar ist und 1589 starb. Ob es sich nur um eine namensgleiche Person handelt, oder um den Chronisten, der demnach ein fast biblisches Alter erreicht haben dürfte, bleibt offen. Die zeitgenössische Handschrift zum ‚Bauernkrieg‘ ist verschollen. Abschrift des 16. Jahrhunderts: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2° Cod. 387a. Spätere Abschrift von 1793: Staatsbibliothek München, Clm. 2702. Biografisches: Bossert, Gustav, Beiträge zur badisch-pfälzischen Reformationsgeschichte. Fortsetzung, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 1903 (NF 18), S. 193–239, S. 230–234. Groll, Elisabeth, Das Prämonstratenserstift Roggenburg in der Neuzeit (1450–1600), Augsburg 1944, S. 106f. Edition: Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670). 761 Müllner fungierte ab 1521 als Schreiber des Forchheimer Vogts und später als bischöflicher Sekretär. Im Dienst des Bischofs war er auch an der Erstellung von Verhörprotokollen nach dem ‚Bauernkrieg‘ beteiligt. Später diente er noch als Landschreiber von 1532 bis 1567 und war seit 1542 bischöflicher Rat. Zeitgenössische Handschrift zum ‚Bauernkrieg‘: Staatsbibliothek Bamberg, Mscr. histor. 69. Spätere Abschriften: Staatsarchiv Bamberg, B 48, Nr. 5, f. 379–388. Stadtarchiv Bamberg, Historischer Verein Bamberg, No. 2107, 2108, 2111 u. 2112. Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, No. 15560. Biografisches: Zeissner, Werner, Religio incorrupta? Altkirchliche Kräfte in Bamberg

238  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Amtmann von Rappoltsweiler,762 der Sekretär des Herzogs von Lothringen, Nicolas Volcyr de Sérrouville,763 sowie ein anonymer Schreiber im Dienst des Bischofs von Speyer.764 Im Auftrag einer übergeordneten Herrschaft nahmen außerdem drei Autoren am Kriegszug des Schwäbischen Bundes gegen die ‚Aufständischen‘ teil. So verfassten der Reiterhauptmann des Würzburger Bischofs, Ambrosius Geyer,765 der

unter Bischof Weigand von Redwitz (1522–1556) (Historischer Verein für die Pflege der Geschichte des ehemaligen Fürstbistums Bamberg, Beihefte 6), Bamberg 1975, S. 135. Edition: Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304). 762 Rappoltstein wurde 1495/96 als Sohn des oberelsässischen Landvogts Wilhelm II. von Rappoltstein (1468–1547) geboren. Während des ‚Aufstands‘ fungierte er als Statthalter des Vaters in Rappoltsweiler, dem Herrschaftsmittelpunkt der Familie (Selbstbezeichnung Ulrichs in der eigenen Geschichtsdarstellung als Amtmann). Ulrich war verheiratet mit Anne-Alexandrine von Fürstenberg und war ein Sympathisant der Reformation. Kontakte zu Schlettstädter Humanisten sind belegt. Er starb 1531. Zeitgenössische Handschriften zum ‚Bauernkrieg‘: Archives départementales du Haut-Rhin, E 1039, S. 300–313. Späterer Sammelband zur Geschichte der Familie: Staatsbibliothek München, Cgm 4925, f. 1r–12r. Biografisches: Heumann, Gautier, La guerre des paysans d'Alsace et de Moselle. Avril–mai 1525 (Problèmes/ Histoire, Bd. 5), Paris 1976, S. 92. Bischoff, Georges, La guerre des Paysans. L'Alsace et la révolution du Bundschuh 1493–1525, Straßburg 2010, S. 466. Edition und weitere biografische Informationen: Baillet, La guerre des paysans (wie Anm. 304). 763 Nicolas Volcyr de Sérrouville wurde 1480 in Köln geboren und studierte dort sowie in Paris, wo er auch als Professor der Artistenfakultät wirkte. Ab 1513 diente er als Sekretär für Herzog Anton von Lothringen und war später dessen offizieller Historiograph. Nicolas starb 1541. Seine Bauernkriegsgeschichte wurde bereits 1526 als Druckschrift veröffentlicht und laut dem Autor vom apostolischen Kommissar angeregt und dem Herzog von Lothringen gewidmet: „L'histoire et recueil de la triomphante et glorieuse victoire obtenue contre les séduits et abusés luthériens mécréants du pays d'Alsace et autres par le très haut et très puissant prince et seigneur Antoine en défendant la foi catholique, notre mère l'Église, et vraie noblesse, à l'utilité et profit de la chose publique, parfois abrégé en Relation de la guerre des Rustauds“. Biografisches: Marot, Pierre, Notes sur Nicolas Volcyr de Sérrouville. Historiographe du duc de Lorraine Antoine, in: Revue historique de la Lorraine 75 (1931), S. 3–13. 764 Bei dem anonymen Chronisten handelte es sich vermutlich um einen Sekretär oder Kleriker im Umfeld des Bischofs von Speyer, in dessen Auftrag der Text verfasst wurde. Zeitgenössische Handschrift: Generallandesarchiv Karlsruhe, 65/ 112. Abdruck: Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128). 765 Die Eltern von Ambrosius sind Konrad von Geyer und Eva von Ostheim. Sein Cousin ist der Bauernführer Florian Geyer (1490–1525). Ambrosius Geyer fungierte als Rat des Würzburger Bischofs und Amtmann zu Volkach und Klingenberg. Er war zudem Lehensmann der Grafen von Hohenlohe. Während des ‚Bauernkriegs‘ diente er als Hauptmann des Würzburger Bischofs beim Heer des Schwäbischen Bunds. 1540 ist seine Teilnahme als Gesandter des Würzburger Bischofs an Religionsgesprächen dokumentiert. Ambrosius Geyer war verheiratet mit Johanna von Thüngen (gest. 1517) und Brigitta von Züllnhart. Er starb 1559. Ein Exemplar seiner Bauernkriegsschrift für den eigenen Gebrauch und ein weiteres Exemplar für den Würzburger Bischof sind verschollen. Überliefert ist lediglich die Handschrift, die Geyer dem Grafen von Hohenlohe schenkte: Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70, Bü. 89. Die Entstehungsgeschichte der Fassungen ist einem Brief Geyers an den Grafen zu entnehmen: Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70, Bü. 88. Biografisches: Benkert, Wilhelm, Mitteilungen zur Lebensgeschichte Florian Geyers, in: Archiv

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung



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Herold Hans Lutz766 und ein anonymer Autor Darstellungen,767 die sie allerdings nicht für sich selbst anfertigten, sondern ihrer Obrigkeit überließen. Aus den Klöstern stammen lediglich drei Geschichtswerke. Der Abt Jacob Murer berichtete aus dem Kloster Weißenau,768 eine anonyme Nonne aus dem Kloster Heggbach769 und der Mönch Marcus Furter aus dem Kloster Irsee.770

des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 69 (1931), S. 279–299, S. 293–297. Sowie: Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 20 Schubl. XLIII, Nr. 24 und Ahnentafel der „Geyer“ im Gemeindearchiv Giebelstadt (ohne Signatur). Die Edition folgt einem leicht veränderten Druck von 1622: Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299). 766 Als sicher bezeugt gelten sein Herkunftsort Augsburg und sein Dienst im ‚Bauernkrieg‘ als Herold des Truchsessen von Waldburg-Zeil. Im Jahr 1531 ist ein Herold Hans Lutz aus Regensburg nachweisbar, der im Dienst des Pfalzgrafen Friedrich II. stand. Über die Feierlichkeiten zur Erhebung Ernst von Bayerns zum Salzburger Landesfürsten im Jahr 1540 liegt ebenfalls ein handschriftlicher Bericht eines Hans Lutz vor. Die biografische Einordnung wird durch die Namensgleichheit mit einem zeitgleich lebenden Sänger erschwert. Die Überlieferungsgeschichte der Bauernkriegsschrift läuft im Augsburger Raum (evtl. Kloster Roggenburg) zusammen: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2° Cod. H 29, f. 219–228 (Entstehung vor 1547, die Überlieferung steht mit dem Schaffen Konrad Peutingers in Verbindung). Stadtarchiv Saverne, L 12, S. 188–226 (Entstanden in Augsburg 1549). Biografisches: Roth, Friedrich, Der Herold, Geschichtsschreiber und Poet Hans Lutz Flächsenhaar von Augsburg und sein Sohn, der Pritschenmeister Leonhard Fläxel, in: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte 62 (1921), S. 97–130. Eine Edition beider Handschriften bietet: Adam, Das Tagebuch des Herolds Hans Lutz von Augsburg (wie Anm. 632). 767 Kriegsteilnehmer im Jahr 1525 auf Seiten des Schwäbischen Bundes gegen Herzog Ulrich von Württemberg und gegen die ‚Aufständischen‘. Der Bericht wurde nach dem Autor während des Krieges gegen die Türken verfasst. Er erschien im Jahr 1532 als Druckschrift. Edition: Anonymus, Auszug des schwäbischen bunds wider herzog Ulrich und die bauern (wie Anm. 727). 768 Der Sohn einer Künstlerfamilie wurde ca. 1460 geboren. Zwischen den Jahren 1499 und 1523 war er Pfarrer in Ummendorf. Von 1523 bis zu seinem Tod 1533 leitete er als Abt das Kloster Weißenau. Murer gab einen Codex über die Gründung des Klosters Weißenau in Auftrag und verfasste selbst eine Klosterchronik sowie eine selbstgeschriebene Registratur (Gedenkbuch) für die Verwaltung des Klosters. Im Gedenkbuch findet sich eine Passage zu den Abgaben der Untertanen nach dem ‚Bauernkrieg‘, die Klosterchronik enthält einen kurzen Bericht über den ‚Bauernkrieg‘, der die Bauernkriegsgeschichte zusammenfasst und ergänzt. Zeitgenössische Handschrift seiner Bauernkriegsschrift: Fürstlich-Waldburgisch-Zeilsches Archiv, Schloss Zeil, Ms. 54. Erhalten ist ebenfalls eine Kopie aus dem Jahr 1725 durch Pater Sebastian: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, B 523. Handschrift 58. Biografisches: Franz, Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525. Text und Kommentar (wie Anm. 729). Edition: ebd. 769 Die Identität der Nonne ist bis heute unklar. Bekannt ist, dass sie auf Anweisung der Äbtissin Veronika Bernenike Krel (Äbtissin von 1539–1553) den Text verfasste. Weitere Werke: Heggbacher Spuk- und Hexengeschichte und die Geschichte des Klosters im Schmalkaldischen Krieg und im Fürstenkrieg. Die zeitgenössische Handschrift zur Bauernkriegschronik ist verschollen. Die Edition folgt der Kopie einer Kopie: Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1, Bd. 180, Teil III, S. 402–424. Zum Konvent: Beck, Otto, Die Reichsabtei Heggbach: Kloster, Konvent, Ordensleben. Ein Beitrag zur Geschichte der Zisterzienserinnen, Sigmaringen 1980, S. 56f. Edition: Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90).

240  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Bei den Autoren handelt es sich damit fast ausnahmslos um die Funktionselite der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Fast alle Beteiligten standen im Dienst einer Herrschaft oder waren als Stadträte oder Amtmänner an der Ausübung von Herrschaft selbst beteiligt. Die meisten Werke entstanden angesichts der Schreibberufe der Autoren wohl im Auftrag ihrer jeweiligen Dienstherren. Auch bei den anderen Geschichtsschreibern, die nicht direkt einer Herrschaft unterstellt waren, kann man wohl ebenfalls von einem offiziösen Schreibanlass sprechen: Von nur wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden fast alle Darstellungen über die Archive der jeweiligen Obrigkeit überliefert.771 Im Mittelpunkt nahezu aller Werke steht das Schicksal einer Herrschaftsinstitution. Die Texte lassen sich daher in einem engeren Sinn nicht als die Darstellungen des ‚Bauernkriegs‘, sondern als die Darstellungen eines Feldherrn oder einer Institution im ‚Bauernkrieg‘ verstehen. Zwischen den einzelnen Werken finden sich nur äußerst selten inhaltliche Übernahmen. Dies trifft auf den Text von Hubertus Thomas Leodius zu, der die Darstellung seines Sekretärskollegen am pfälzischen Hof, Peter Harer, ins Lateinische übersetzte und kürzte. Ein zweiter Fall einer inhaltlichen Übernahme stellt das Werk des Lehrers Jacob Holzwart dar, der seine Darstellung dem Augsburger Bischof widmete und auf die Kriegsbeschreibung des Herolds Hans Lutz und die Weißenauer Chronik des Nikolaus Thoman zurückgreifen konnte. In dieses Bild des fehlenden Austauschs fügt sich die Tatsache ein, dass von den Texten kaum zeitgenössische Abschriften vorliegen. Obwohl sich die einzelnen Autoren teilweise gekannt haben müssten, lassen sich kaum Spuren eines Netzwerksgedankens oder einer literarischen Öffentlichkeit ausfindig machen. Als entscheidende Bezugsgröße

770 Marcus Furter verfasste nach eigenen Angaben seine Chronik zwischen den Jahren 1531 und 1533: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2° Cod. 387b. Aus dem 17. Jahrhundert ist eine Abschrift überliefert: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg 2° Cod. 387. Ebenfalls wurde im 18. Jahrhundert eine Kopie angefertigt: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2° Cod. 385a, S. 352–423. Edition: Furter, Marcus, Historia belli rusticorum (ursinensium), in: Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben, hg. von Franz Ludwig Baumann (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876, S. 313–355. 771 Bei diesen Einzelfällen handelt es sich um zwei schon zeitgenössisch gedruckte Darstellungen. Die eine fertigte ein Anonymus im Auftrag seiner Herren an, um zur Einigkeit angesichts der Bedrohung durch die Osmanen aufzurufen. Das andere Werk verfasste der Sekretär des Herzogs von Lothringen Nicole Volcyr de Séronville, um seinen Dienstherren überregional zu preisen. Aber auch die Geschichtsschreibung des Heinrich Ryhiner, Stadtschreiber von Basel, wurde nicht über die herrschaftlichen Archive überliefert. Die Stadtregierung lehnte seine Darstellung ab. Der Text von Thomas Hubertus Leodius wurde über das Familienarchiv überliefert. Eine ablehnende Haltung des Pfalzgrafen ist jedoch auszuschließen, da er Peter Harers Werk lediglich kürzte und ins Lateinische übersetzte.

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung 

241

dieser Werke ist daher ihr institutioneller Entstehungsort, die Nähe zu einer Obrigkeit, anzusehen.772

3.1.3 Historische Entstehungsorte und literarische Handlungsräume

Karte 1: Institutionelle Entstehungsorte der Darstellungen in den Grenzen der heutigen Bundesländer.

Für die Analyse der Texte ist man angesichts der Autorentypen und der Überlieferungskontexte der Darstellungen vor allem auf die Rekonstruktion ihrer institutionellen Entstehungsorte angewiesen. In hohem Maße korreliert dieser institutionelle Raum mit dem geographischen Entstehungsort der Werke und dem erzählten Raum in den Darstellungen. Blickt man auf die Karte 1, ist leicht zu erkennen, dass die

772 An der Geschichte der militärischen Niederschlagung der ‚Erhebung‘ gab es offenbar ein großes Interesse. Ambrosius Geyer erwähnt eine solche Nachfrage aus dem Adelsstand, wobei er nur seinen zwei Herren, dem Würzburger Bischof und dem Grafen von Hohenlohe, ein Exemplar zukommen ließ. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70 Bü. 88. Die Angaben zu den Quellen der Geschichtsschreiber können den Anmerkungen in diesem Kapitel entnommen werden.

242  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Werke fast nur an den Orten entstanden, an denen die Obrigkeit direkt mit dem ‚Bauernkrieg‘ konfrontiert war.773 Die historiographische Beschäftigung mit dem Thema resultierte folglich vor allem aus dem Involviert-Sein der Institutionen in das Bauernkriegsgeschehen. Man kann entsprechend dem erzählten Raum in den Darstellungen zwischen vier Formen der Geschichtsschreibung unterscheiden. Vor allem die Werke städtischer und klerikaler Provenienz handeln fast ausschließlich von der ‚Erhebung‘ im Herrschaftsgebiet ihrer jeweiligen Obrigkeit. Informationen, die über diese Sphäre hinausgehen, besitzen Seltenheitswert oder fehlen ganz. Zwar deuten die Autoren bisweilen die überregionale Dimension des ‚Bauernkriegs‘ an oder verweisen auf äußere Entwicklungen, den literarischen Handlungsraum beschränken sie jedoch, obwohl die Ereignisgeschichte des ‚Bauernkriegs‘ über Flugschriften allgemein verfügbar war, bewusst auf das Regionale.774 Eine zweite Gruppe von Texten beschreibt die Kriegszüge der militärischen Sieger. So behandeln der gedruckte Bericht des Anonymus sowie die Darstellungen von Hans Lutz und Ambrosius Geyer ausschließlich den Zug des Schwäbischen Bundes, an dem die Autoren selbst beteiligt waren. Eine andere Kriegshandlung liegt dem Text von Nicolas Volcyr de Sérrouville zu Grunde. Er beschrieb den Zug seines Dienstherrn, des Herzogs von Lothringen, gegen die ‚Aufständischen‘ im Elsass. Eine dritte Gruppe stellt eine Mischform zwischen den ersten beiden Textsorten dar. Die pfalzgräfischen Sekretäre Harer und Leodius berichten vom ‚Aufstand‘ in der Pfalz und vom Kriegszug des Pfalzgrafen bei Rhein mit dem Schwäbischen Bund. Nach diesem Muster verfassten auch der bischöfliche Sekretär Lorenz Fries und der anonyme Schreiber des Bischofs von Speyer ihre Texte, wobei diese den Geschehnissen in den Hochstiften ihrer Bischöfe das Hauptaugenmerk ihrer Darstellungen widmeten. Interessant ist sicherlich die Frage, ob es eine Gesamtdarstellung der Ereignisse gibt. Angesichts der obrigkeitsfixierten Darstellung der Geschehnisse waren einem solchen Vorhaben enge Grenzen gesetzt. So warfen die Geschichtsschreiber eher Seitenblicke auf die Gesamtentwicklung, anstatt diese zum eigentlichen Thema zu erheben. Am häufigsten wagte noch der pfalzgräfische Sekretär Peter Harer diese Exkurse. Bezeichnenderweise endet seine Darstellung jedoch mit dem Dankgottesdienst des Pfalzgrafen für den Ausgang der Handlungen.

773 Zu den vier Ausnahmen, Ambrosius Geyer, Herold Hans Lutz, Jacob Holzwart und eines Anonymus vgl. Kapitel 3.2.2.5. 774 Zur Verwendung von Flugschriften als Informationsquellen der Geschichtsschreibung: Stern, Über zeitgenössische gedruckte Quellen und Darstellungen der Geschichte des großen deutschen Bauernkriegs (wie Anm. 735).

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung

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Eine Sonderrolle nimmt die Darstellung des Lehrers Jacob Holzwart ein, der sein Werk dem Augsburger Bischof widmete. Das Versprechen, das der zeitgenössische Titel, „Rustica seditio totius fere germaniae“, weckt, eine Gesamtdarstellung der Ereignisse zu liefern, hält der Text ein.775 Ausführlicher als andere schildert Holzwart die Ursachen der ‚Erhebung‘ und beschreibt die Geschehnisse in Oberschwaben, den Zug des Schwäbischen Bundes und die Ereignisse in anderen Regionen. Die Berechtigung für die Abfassung seines Werkes sah er jedoch ebenfalls in der Darstellung einer Einzelpersönlichkeit. Im Unterschied allerdings zu den anderen Chroniken tritt der Auftraggeber der Schrift beziehungsweise derjenige, dem sie gewidmet ist, nicht als handelnde Person im Text auf. Seine Entscheidung, die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ anhand der Taten des Truchsessen von Waldburg-Zeil darzustellen, resultiert aus einem ständischen und heroischen Verständnis von Geschichtsschreibung: So könne Historiographie nur von hochgestellten Personen und von deren Erfolgen handeln.776

3.1.4 Textgestalt und Verwendungskontexte Einen wichtigen Bezugspunkt für die Einordnung und Charakterisierung der Darstellungen liefert ihre Textgestalt, die auch Rückschlüsse auf den Gebrauchskontext zulässt. Zeitgenössisch erschienen nur zwei Darstellungen im Druck und waren auf diese Weise einem Massenpublikum zugänglich: So zielt der Text aus dem Umkreis des Herzogs von Lothringen auf eine Statusaufwertung des Herzogs ab und rechtfertigt sein brutales Vorgehen gegen die ‚Aufstände‘ im Elsass als Kampf gegen den Protestantismus. Seine Schrift erschien auf Französisch und wirkte eher in diesen Kulturraum hinein. Die ebenfalls gedruckte Schrift eines Anonymus, der über den Zug des Schwäbischen Bundes berichtet, ruft hingegen vor dem Bedrohungsszenario der Türkenkriege zur Einigkeit aller Christen auf. Der ‚Bauernkrieg‘ dient angesichts der hohen Anzahl an Getöteten als Argumentationsfolie. Die übrigen 27 Darstellungen liegen meist unikal in Handschriften vor. Nur äußerst selten sind zeitgenössische Kopien überliefert. Bedenkt man die Entstehungs-

775 Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670). 776 Ebd., S. 641–643 u. bes. S. 717. Auch der Mönch Marcus Furter sieht den Sinn von Geschichtsschreibung in einer didaktischen und panegyrischen Funktion. Furter, Historia belli rusticorum (ursinensium) (wie Anm. 770), S. 315. Beide lateinisch schreibenden Autoren referieren in ihren Vorworten auf antike Vorbilder. Zum Beispiel auf Cicero, Tacitus und den Beginn der Geschichtsschreibung über den Jüdischen Krieg. Auch der pfalzgräfische Sekretär Leodius argumentiert mit dem Memoriatopos, dass die glorreichen Taten von Herrschern mithilfe der Geschichtsschreibung nicht in Vergessenheit geraten sollten. Den Didaktiktopos verkürzt Leodius dementsprechend auf die Herrschaftsdidaxe. Leodius, Historia seditionis rvsticanae (wie Anm. 759), S. 285f.

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kontexte der Werke, war die Mehrzahl der Schriften folglich nur Angehörigen der jeweiligen Obrigkeit zugänglich.777 Die Anlage der Handschriften unterscheidet sich teils gravierend. Während die Mehrzahl der Schriften eher einen schmucklosen, kanzleiförmigen Stil aufweist, wie er für die interne Verwendung angebracht war, sind zwei Werke in Prachthandschriften überliefert. Dabei handelt es sich um die Darstellung aus Schwäbisch Hall und um zwei Exemplare von Harers Bauernkriegsschrift, die der Autor dem Erzbischof von Mainz und dem neuen König Ferdinand widmete. Die Geschichtsdarstellung des Abts Jacob Murer und des bischöflich-würzburgischen Sekretärs Lorenz Fries sind zwar mit Bildern ausgestattet beziehungsweise sollten bebildert werden, beide erreichten bezüglich ihrer Fertigstellung aber nur eine Konzeptstufe. Bei einigen der Texte stellt sich die Frage, ob es sich überhaupt um Geschichtsschreibung handelt. Die Darstellungen des Lorenz Fries, des Würzburger Stadtschreibers Martin Cronthal, des Rothenburger Stadtschreibers Thomas Zweifel, des Frankfurter Schreibers Johann Marsteller und des Windsheimer Schreibers Johann Greffinger kompilieren in so großer Zahl Briefabschriften, dass man meinen könnte, man habe es bei ihren Werken mit Kopialbüchern zu tun. Aber auch die meisten der anderen Texte zitieren immer wieder zeitgenössische Briefe aus den Reihen der ‚Aufständischen‘ und der Obrigkeit. Gegen die Annahme, dass es sich bei den Texten nur um Kopialbücher, also um Texte einer Gattung der Informationssicherung für die Verwaltung handelt, spricht Folgendes. In den vorgestellten Darstellungen wurden nie alle zur Verfügung stehenden Quellen abgeschrieben, die ausgewählten Briefe wurden durch verbindende und wertende Texte in einen inhaltlichen Zusammenhang gebracht und die Darstellungen beginnen zudem, wenn sie nicht als Fragment überliefert sind, mit einer Einleitung und verfügen teils über einen Schluss.778 Diese Form der dokumentierenden Geschichtsschreibung berücksichtigte offensichtlich zwei Ansprüche der Obrigkeit. Zum einen wurden auf diese Weise wichtige Schriften aus den Archiven leicht zugänglich gemacht. So verwiesen etwa die städtischen Schreiber Greffinger, Zweifel, Furtenbach und Marsteller sowie der anonyme Schreiber des Bischofs von Speyer noch zusätzlich auf Kopialbücher oder Dokumente, aus denen sich weiterführende Informationen entnehmen ließen. Zum anderen bediente diese Form das Bedürfnis nach einer argumentativen Auseinandersetzung mit dem Geschehenen. Die Darstellungen konnten mit hoher Beweiskraft gegen die

777 Aus einer Vorgängerversion von Zweifels Text geht hervor, dass er davon ausging, dass die Darstellung im Rat vorgelesen werden sollte. Quester, Das Rad der Fortuna und das Kreuz (wie Anm. 1), S. 37. 778 Diese Frage wurde schon einmal exemplarisch für die Darstellung von Lorenz Fries beantwortet. Heidenreich, Benjamin, Die Konzeption der Bauernkriegsdarstellung bei Lorenz Fries, in: Lorenz Fries und sein Werk. Bilanz und Einordnung, hg. von Franz Fuchs/ Stefan Petersen/ Ulrich Wagner/ Walter Ziegler (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 19), Würzburg 2014, S. 179–196.

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung



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Untertanen, aber auch gegen andere Herrschaftsträger in Stellung gebracht werden.779 Darüber hinaus konnten sich die obrigkeitsnahen Autoren auf diese Weise gegen mögliche Kritik schützen. Schon zur damaligen Zeit existierte der Allgemeinplatz, dass Historiker mit zu großer Nähe zu ihrem Gegenstand oder solche, die sich in einem Abhängigkeitsverhältnis befänden, kaum unparteiisch berichten könnten.780 So kontert Lorenz Fries, der Sekretär des Würzburger Bischofs, diese Kritik bereits in der Vorrede mit dem Verweis auf den fehlenden rhetorischen Glanz seines Werkes, dessen nüchterne Darstellung den Quellenwert des Gesagten steigere. Das Verfahren der Quellenmontage werde zwar bei seinen Lesern eine „vertrisslich(e) settigung“ hervorrufen, dies sei jedoch der Preis, um zu erfahren, wie „die sachen im grunt ergangen“ seien.781 Fast alle Geschichtsschreiber beurteilen den ‚Bauernkrieg‘ als ein außergewöhnliches und nie dagewesenes Ereignis.782 Man darf angesichts der Entstehungskontexte der Schriften aber stark daran zweifeln, dass es den Autoren lediglich um eine Darstellung des Ereignisses an sich ging. Trotz aller Unterschiede zwischen den Texten lassen sich als causa scribendi vor allem zwei Verwendungskontexte rekonstruieren. Erstens wollte eine Vielzahl der Autoren mit ihrer Erzählung ein lehrreiches Beispiel für die Untertanen und die Herren liefern. Zweitens zielten die Schreiber in den meisten Fällen darauf ab, die Erinnerung an die Geschehnisse aus

779 Greffinger verweist nahezu unentwegt auf ein gleichzeitig entstandenes Missivenbuch: Stadtarchiv Bad Windsheim, B 207. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 567. Furtenbach, Füßner Bericht (wie Anm. 238), S. 468. Jung, Johann Marstellers Aufruhrbuch (wie Anm. 238), S. 175. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 41. 780 Mit Rückgriff auf die Antike: Leodius, Historia seditionis rvsticanae (wie Anm. 759), S. 286. 781 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 2. Auch den heute verschollenen Text von Peter Clarmann, den er als Vorlage für seine Darstellung der Belagerung des Würzburger Marienbergs verwendete, bewertet Fries nach diesen Kriterien. Ebd., I, S. 246. Für die Darstellungsform der Bauernkriegsgeschichte ist der Rekurs auf zeitgenössische Dokumente bestimmend. Bezüglich des Zitierens von Aktenstücken liefert Fries in der „Peroratio“ eine Begründung, die sich unter anderem auf einen Bescheidenheitstopos stützt. Er gibt an, zu einer kunstvollen Rede nicht in der Lage zu sein. Eine solche Rede habe er – wie er meint – aber auch gar nicht beabsichtigt. Ebd., I, S. 2. Mit dem Verweis auf die Schlichtheit der Darstellung nahm auch Hubertus Thomas Leodius seine Quellengrundlage, den Bericht Peter Harers, in Schutz. Leodius, Historia seditionis rvsticanae (wie Anm. 759), S. 286. Zur Praxis der dokumentierenden Geschichtsschreibung: Bláhová, Maria, Korrespondenz als Quelle der mittelalterlichen Zeitgeschichtsschreibung, in: Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, hg. von Heinz-Dieter Heimann, Paderborn, München, Wien, Zürich 1998, S. 179–190. 782 Siehe etwa: Würdinger, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt (wie Anm. 752), S. 14. Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 471f.

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der Sicht der jeweiligen Obrigkeit festzulegen und damit in deren Sinn zu beeinflussen: Besonders deutlich geht der Sekretär des Bamberger Bischofs, Martin Müllner, auf die didaktische Perspektive seiner Darstellung ein. Er eröffnet den Text mit folgender Verwendungsempfehlung: Das Geschehene habe er „allein darumb in schrieft verfast, (um) sich in kunftig zeit darnach zu richten und (damit man sich) vor dergleichen posem und mutwilligem furnemen dester bass hueten und bewaren moge“.783 Am Ende seiner Darstellung greift er diesen Faden erneut auf und urteilt: „woe sich in kunftig zeit dergleichen anspinnen und zutragen solt, das doch der allmechtig gott in ewig zeit gnediglich verhueten wolle, (solle) man sich zum teil nach diesen geschichten richten, und das die, so solichs lesen, des ire und ander untertan zu berichten und darvor zu warnen haben“.784 Die hier beschriebene Kommunikationssituation kann sicherlich für alle handschriftlichen Bauernkriegsgeschichten generalisiert werden. Die Texte fungierten als ein Wissensspeicher für die Obrigkeit, auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden konnte. Prinzipiell ließen sich aus der Perspektive der Herrschenden alle Handlungen der Untertanen während der ‚Erhebung‘ als Unrecht bewerten. So wird in der Darstellung des anonymen Chronisten des Speyerer Bischofs zwischen der eigenen Berichterstattung und der juristischen Bewältigung der Geschehnisse keine Differenz gesehen. Über die Huldigung des Amts Deidesheim führt der Autor aus: „und vor solcher huldigung hat man inen ire tirannische handlung nach der lenge ertzelet, wie soliches auch zum theil hievor gemeldet wurdt“.785 Auch die Verwendung von Aktenmaterial aus den Händen der ‚Aufständischen‘ ist in diese Lesart der Ereignisse einzuordnen. Solche Schriften wurden in der Regel nach dem ‚Aufstand‘ konfisziert und ursprünglich als Beweismittel gegen die ‚Aufständischen‘ verwendet. Wo die ‚Aufständischen‘ noch die Möglichkeit hatten, ihre Korrespondenzen zu vernichten, zerstörten sie diese.786 In den Texten finden sich vor allem vier Argumente, mit deren Hilfe man glaubte, einem neuerlichen aufrur entgegenwirken zu können. Die Untertanen sollen erstens an ihr vergangenes Unrecht erinnert und ermahnt werden. Zweitens müsse man ihnen die Konsequenzen eines solchen Verhaltens ins Gedächtnis rufen, wofür

783 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 97. 784 Ebd., S. 156f. 785 Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 41. Ähnlich siehe auch: ebd., S. 34. 786 Neben Fries berichtet auch der Hauptmann beim Schwäbischen Bund Ulrich Artzt, dass er Aktenmaterial sicherte, um es eventuell als Beweismittel verwenden zu können. Vogt, Die Correspondenz des schwäbischen Bundeshauptmannes Ulrich Artzt von Augsburg aus den Jahren 1524– 1527 (wie Anm. 86), 1879, S. 286 (Vorwort des Herausgebers). Fries schildert exakt, wo er welche Akten beschlagnahmte: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 2, II, 164 u. 208. Zur Verbrennung von Aktenmaterial vgl. ebd., I, S. 2.

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der ‚Bauernkrieg‘ angesichts des harten Strafgerichts zahlreiche Exempel biete. Drittens sei den Untertanen die Aussichtlosigkeit eines aufrurs mit Verweis auf den negativen Ausgang der Geschehnisse des Jahres 1525 zu demonstrieren. Viele Darstellungen schildern in diesem Sinn die Ereignisse als Aktualisierung des Erklärungsmusters von Hochmut und Fall. So habe das Vorhaben, selbst die Obrigkeit zu stellen, scheitern müssen, da die Beteiligten gegen die göttliche Ordnung gehandelt hätten. Eine vierte Argumentationsstrategie läuft demgegenüber darauf hinaus, den Untertanen lobenswerte Beispiele für ein gehorsames Verhalten zu präsentieren.787 Im Medium der Geschichtsschreibung sollen aber auch die Herrschenden belehrt werden. Der bischöfliche Sekretär Lorenz Fries richtet an ihre Adresse den Hinweis, dass sie bedenken sollen, wie schnell ihr die Herrschaft im Jahr 1525 abhandengekommen sei.788 Der Graf von Erbach, der im Jahr 1525 als Marschall im Dienst des Pfalzgrafen stand und die Bauernkriegsgeschichte des Peter Harer eigenhändig abschrieb, folgert in diesem Sinn, dass im Falle eines neuen ‚Aufstands‘ ein zügiges militärisches Einschreiten nötig sei. Fokussiert wird damit eher die Handlungsempfehlung, eine ‚Erhebung‘ schnellstmöglich niederzuschlagen, als die Kritik an der Politik der Obrigkeit vor dem ‚Aufstand‘, wenngleich für auswärtige Fürsten eine schlechte Regierungspraxis in den Darstellungen nicht selten angedeutet wird.789

787 Um die ‚Erhebung‘ zu verhindern, werden Warnexempel von der Aussichtslosigkeit eines aufrurs und Widerlegungen von Bibelargumenten der ‚Aufständischen‘ vor allem in der zeitgenössischen Flugschriftenliteratur angeführt. Siehe zum Beispiel: Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3). Im Medium der Geschichtsschreibung kommentieren vor allem Lorenz Fries und der anonyme Schreiber des Bischofs von Speyer einzelne Handlungen und weisen sie explizit als Exempel aus. Andere Schreiber wie der Sekretär des Bamberger Bischofs wollen dagegen ihren gesamten Text als Warnexempel für die Untertanen verstanden wissen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20) I, 3f., 24, 44, 84, 276f., 286, 295f., 299 u. 328f. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 34 u. 41. Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 157. Zu Textstellen, die auf das Erzählmuster von Hochmut und Fall anspielen: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 119 u. 338–340. Stöber, Diarium von Eckard Wiegersheim (wie Anm. 2), S. 356. Durchaus ist in der Historiographie die Tendenz bei altgläubigen Chronisten vorherrschend, den ‚Bauernkrieg‘ als Exempel für die Rückkehr zum katholischen Glauben zu verwenden: Volcyr de Sérouville, Nicole, L'histoire & recueil de la triumphante et glorieuse victoire obtenue contre les seduyctz et abusez Lutheriens mescreans du pays D'Aulsays & autres par treshault et trespuissant prince & seigneur Anthoine par la grace de Dieu duc de Calabre, de Lorraine et de Bar, & en deffendant la foy catholic-que nostre mere l'eglise et vraye noblesse a l'utilite et prouffit de la chose publicque (wie Anm. 727), S. 15. 788 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 3 u. 64f. (eher verdeckt). 789 Schon Harers Text legt diese Deutung des Kopisten offen zu Tage: Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 59. Zur Aktualisierung durch den Kopisten vgl. ebd., S. 108f. Anm. 85. Die Kritik an auswärtigen Herrschern wird vor allem mit der Beschuldigung in Verbindung gebracht, dass bei ihnen der ‚Aufstand‘ zuerst ausgebrochen

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Die Bedeutung der Geschichtsschreibung für die Zeitgenossen erschöpft sich allerdings keinesfalls in ihrer möglichen Funktion als Exempelsammlung. In der Mehrzahl der Darstellungen werden die didaktischen Aspekte nicht explizit hervorgehoben. Das Verhalten der Untertanen wird von Seiten der Geschichtsschreiber zwar unisono verurteilt, über die Rolle der einzelnen Herrschaftsträger besteht demgegenüber ein größerer Klärungsbedarf. Die Darstellungen können vor diesem Hintergrund vor allem als Versuch gelesen werden, die Ereignisse in einem bestimmten Sinn zu interpretieren. Das Umstrittene sollte aus der Sicht der jeweiligen Obrigkeit sozusagen als unbestreitbar gelten. Wie unter einem Brennglas treten die sonst eher verborgenen und schwer zu erkennenden Deutungskämpfe in einem Vergleich derjenigen Darstellungen zu Tage, die sich weitgehend auf den gleichen Geltungsbereich beziehen. So können die Texte von Lorenz Fries und Martin Cronthal sowie die von Martin Müllner und Marx Halbritter als völlig konträre Darstellungen über das Agieren ihrer jeweiligen Institutionen verstanden werden: Das Geschichtswerk des Würzburger Stadtschreibers Cronthal fungiert als Klage- und Verteidigungsschrift. Einerseits wird die Treue des Stadtrats zum Bischof hervorgehoben, und andererseits die bischöfliche Politik kritisiert, die konfliktverschärfend gewirkt habe. Der bischöfliche Sekretär Lorenz Fries wiederum versucht, den Treuebruch der Stadt zu beweisen und den Bischof als tatkräftigen Regenten darzustellen.790 In Bezug auf Bamberg gehen die Deutungen bezüglich der Aussöhnung zwischen Stadt und Bischof auseinander. Während der Stadtrat Marx Halbritter Wert auf die Darstellung legt, dass der Bischof die Treue der Stadt anerkannt habe, betont sein Widerpart auf bischöflicher Seite, Martin Müllner, die Schuld der Stadt.791 Setzt man diese Deutungskämpfe in Verbindung mit dem institutionellen Entstehungsort der jeweiligen Darstellung sowie der inhaltlichen Schwerpunksetzung, wird erkennbar, dass die jeweilige Herrschaftsinstitution im Mittelpunkt der Texte steht. Das entscheidende Kriterium für die Bewertung durch die Geschichtsschreiber war die Treue der jeweiligen Obrigkeit zur übergeordneten Herrschaft und ihr Widerstand gegen die ‚Aufständischen‘. In diesem Sinn können die eher schmucklose, kanzleiförmige Anlage der meisten Texte und die repräsentative Ausstattung einiger weniger Darstellungen als zwei Seiten einer Medaille verstanden werden. Ei-

sei, wofür ihre altgläubige Politik verantwortlich gewesen sei, vgl. dazu Ebd, S. 19. Zu einer konfessionellen Sichtweise der Ursachenzuschreibung vgl. Kapitel 3.3.2. 790 Fries versucht, nachzuweisen, dass die Stadt Würzburg ohne Not vom Bischof abgefallen sei. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 172–174. Der Stadtschreiber betonte dagegen stets die Treue des Rats zum Bischof. Siehe etwa: Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 18f., 20. u. 50 (= Anschluss an die Bauern nur unter Zwang). 791 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 156f. Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 86.

3.1 Die Gattung der monographischen Bauernkriegsgeschichtsschreibung



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nige Autoren versuchten, sich vor allem mit Hilfe von Aktenbelegen gegen angeblich falsche Bewertungen zu behaupten, während andere Geschichtsschreiber die Leistungen ihrer Obrigkeit während der ‚Erhebung‘ selbstbewusst zur Schau stellten. Die Handlungen der Herrscher bilden den eigentlichen Handlungsrahmen der Bauernkriegsgeschichten. Im Folgenden sollen typische Bewertungsmuster ausfindig gemacht werden, welche in Verbindung mit der zeitgenössischen Erinnerungskultur an die Geschehnisse stehen.

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3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte 3.2.1 Leitlinien der zeitgenössischen Erinnerungspolitik 3.2.1.1 Der Nexus von Ehre und Treue Über die Erinnerung der Zeitgenossen an den ‚Bauernkrieg‘ weiß man bis heute immer noch recht wenig. Nach Rolf Kießling wirkte sich das Ereignis auf das kollektive Bewusstsein der Akteure aus. Dort, wo die Herren Verträge mit den Untertanen zur Beilegung des Konflikts schlossen, sei der Gemeine Mann stolz auf das Erreichte gewesen.792 Andernorts überwog angesichts des blutigen Ausgangs der Ereignisse die Trauer und Verzweiflung.793 Die Bauernkriegsforschung ist in ihrer Bewertung der Folgen des Jahres 1525 dazu übergangen, den Aspekt der Resignation bei den Untertanen weniger stark zu gewichten als deren anhaltende Bereitschaft, in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten sich weiterhin für ihre Interessen einzusetzen, sei es in Form von Bittschriften, der Beschreitung des Rechtswegs oder in erneuten ‚Aufständen‘. Die Obrigkeit setzte vielerorts, um zukünftige ‚Erhebungen‘ zu verhindern, einige der Forderungen der Untertanen aus dem ‚Bauernkrieg‘ um.794 Die Angst vor einem neuen ‚Aufstand‘ habe bei den Herren, so Kießling, zu einem regelrechten Trauma geführt.795 Neben einer Politik des Entgegenkommens und der Vorsichtsmaßnahmen, wie die einer verstärkten Militärpräsenz,796 verfolgten die Herrschaftsträger im Reich aber schon früh eine Politik, die im Folgenden unter dem Terminus der gelenkten Erinnerungsgeschichte beschrieben werden soll.797 Für die zeitgenössische Bewertung des ‚Bauernkriegs‘ nach der ‚Erhebung‘ ist die Verbindung von Ehre und Recht als überaus wichtig anzusehen.798 Besonders der Begriff der Ehre hat in den letzten Jahren ein hohes Maß an Aufmerksamkeit in der Forschung erfahren, handelte es sich doch bei dieser Denkfigur um eine Leitkategorie für die Menschen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, welche das Zu-

792 Kiessling, Der Bauernkrieg (wie Anm. 725), S. 138f. 793 Maurer, Der Bauernkrieg als Massenerhebung (wie Anm. 30), S. 292. 794 Schulze, Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit (wie Anm. 107), S. 322–349. 795 Kiessling, Rolf, Treue zum Fürsten – Kampf um die Freiheit. Der Bauernkrieg als „Erinnerungsort“ in Altbayern und Schwaben, in: Erinnern – Gedenken – Historisches Lernen. Symposium zum 65. Geburtstag von Karls Filser, hg. von Wolfgang Hasberg (Historisch-sozialwissenschaftliche Reihe, Bd. 69), München 2003, S. 79–106, S. 82. 796 Carl, Der Schwäbische Bund (wie Anm. 32), S. 429. 797 Ein Teil der nachfolgenden Argumentation überschneidet sich mit einem Aufsatz, der neben dieser Arbeit entstanden ist. Heidenreich, Brisante Erinnerungen (wie Anm. 51). 798 Das theoretische Fundament für die Verbindung von Ehre und Recht erforschte: Schuster, Ehre und Recht, (wie Anm. 469).

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sammenleben in sozialer und juristischer Hinsicht mitbestimmte und dieses wie einen Code regulierte.799 Für den ‚Bauernkrieg‘ wurden zwar bisher die Strafmaßnahmen nach der ‚Erhebung‘ mehrfach untersucht, anderseits wurden die gleichzeitigen Privilegierungen nicht in eine umfassendere Erinnerungsgeschichte eingebunden. Im Folgenden soll gezeigt werden, dass die Bestrafung unerwünschten Verhaltens Hand in Hand mit der Auszeichnung vorbildlicher Aktionen ging, da beide Vorgänge auf dem Verständnis des ‚Bauernkriegs‘ als moralischer Bewährungsprobe beruhten. Die juristische Bewältigung der Ereignisse lässt sich damit auch als Teil einer Erinnerungspolitik der Sanktionierung und Privilegierung einordnen, die auf Ehrgewinn und Ehrverlust abzielte.800 So erhob man auf dem Reichstag zu Augsburg am 12. Juli 1525 den Überlinger Bürgermeister Hans Freiburger und den Oberst der Stadt, Casper Dornsperger, für ihren Widerstand gegen die ‚Aufständischen‘ in den Ritterstand. Am 3. Februar 1528 verlieh Karl V. der Reichsstadt Überlingen zudem noch das Privileg, dem Stadtwappen einen aufgerichteten Löwen mit Schwert hinzuzufügen.801 Ganz anders gestaltete sich die Situation für die Gemeinde Dingolshausen im Hochstift Würzburg. Der Bischof entzog ihr das Wappen. Erst im Jahr 1561, nach 36 Jahren und damit eine Generation später, erhielt der Ort schließlich dieses Privileg zurück.802

799 Einführend vgl. Schreiner, Klaus (Hg.), Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit (Norm und Struktur, Bd. 5), Köln 1995. Backmann, Sibylle (Hg.), Ehrkonzepte der Frühen Neuzeit. Identitäten und Abgrenzungen (Colloquia Augustana, Bd. 8), Berlin 1998. 800 Ernst Bruckmüller rekonstruierte ein Vorgangsmodell obrigkeitlicher Strafmaßnahmen, zuerst die Untertanen durch demonstrative Grausamkeit zu demoralisieren und schließlich durch neue Ordnungen einzuhegen. Bruckmüller, Ernst, Die Strafmaßnahmen nach den bäuerlichen Erhebungen des 15. bis 17. Jahrhunderts, in: Wellen der Verfolgung in der österreichischen Geschichte, hg. von Erich Zöllner (Schriften des Instituts für Österreichkunde, Bd. 48), Wien 1986, S. 95–117. Die verhängten Strafen nach der ‚Erhebung‘ wurden bisher nicht mit den gleichzeitigen Privilegierungen in Verbindung gebracht. Hohn, Die rechtlichen Folgen des Bauernkrieges von 1525 (wie Anm. 728). Hasselbeck, Die Folgen des Deutschen Bauernkriegs im Hochstift Bamberg (wie Anm. 728). Der Entzug von Privilegien wurde im Anschluss an Günther Franz lange als Maßnahme der Territorialherren gedeutet, die mit dazu beigetragen habe, dass der gemeine Mann aus dem politischen Leben ausgeschieden sei. Inzwischen kann diese These mit dem Blick auf weitere ‚Aufstände‘ und auf entgegenkommende Regelungen zugunsten der Untertanen nach dem Jahr 1525 als widerlegt gelten. Eine Erklärung für den Privilegienentzug konnte bisher allerdings nicht geliefert werden. Dieser blinde Fleck der Forschung wird besonders in der Widerlegung von Günther Franz durch Gabel und Schulze offensichtlich: Gabel/ Schulze, Folgen und Wirkungen (wie Anm. 34). 801 Göpfert, Dieter, Bauernkrieg am Bodensee und Oberrhein 1524, 1525. Mit einer Wiedergabe der Bodmaner Chronik, Freiburg im Breisgau 1980, S. 87. 802 Staatsarchiv Würzburg, Standbuch 1011, f. 181v. Besonders anschaulich wird die Politik der Belohnung und Bestrafung außerdem bei dem Entzug von Gütern ‚aufständischer‘ Untertanen und deren Übergabe an Bischofstreue. Staatsarchiv Würzburg, Standbuch 1011, f. 90v, 108v, 140r, 190v, 199r und Standbuch 1012, f. 20r. Der Chronist Lorenz Fries zählte selbst zu den Nutznießern dieser Politik: Staatsarchiv Würzburg, Libri diversari formarum, Nr. 25, S. 359.

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Betrachtet man die langen Zeiträume der Sanktionen, gingen Strafpraxis und Erinnerungspolitik Hand in Hand. Im Hochstift Mainz wurden etwa die Bestimmungen, die der Schwäbische Bund gegen die Untertanen im Rheingau verhängt hatte, erst 1546 aufgehoben.803 Die Erinnerung an den negativen Ausgang der Ereignisse sollte im Bewusstsein der Untertanen wachgehalten werden. Diesem Zweck dienten auch die von der Obrigkeit geschaffenen Denkmäler. In Mainz wurde 1526 ein Marktbrunnen errichtet, der sich bis heute erhalten hat, und der an den Sieg über Frankreich 1525 in Norditalien und an die Niederschlagung der Untertanen im Reich erinnern soll. Auf ihm wurde ein Bauer als Trunkenbold, ein anderer als Plünderer dargestellt und der Sinnspruch eingemeißelt: „O bedenk das End“.804 Als der Schwäbische Bund im Mai 1525 Weinsberg eingenommen hatte, wurde die Stadt zur Strafe niedergebrannt. Die Stadtmauer und die Stadttore mussten geschleift werden, der Rat wurde aufgehoben und das Hochgericht verlegt. Wenn man Städte vor allem als privilegierte Rechtsgemeinschaften definiert, hörte der Ort auf, als Stadt zu existieren. Erst 1553 erhielt Weinsberg seine alten Rechte zurück. Die Erinnerung sollte auch hier durch ein Mahnmal visualisiert werden, diesmal in Form einer Kapelle.805 Die Bewertung von Personen, Dörfern und Städten bezüglich ihrer Rolle im ‚Bauernkrieg‘ wurde im Jahr 1525 unmittelbar nach den Niederlagen der ‚Aufständischen‘ von den Landesherren oder dem Schwäbischen Bund vorgenommen. Angesichts der militärischen Übermacht ihrer Gegner mussten sich die Institutionen, wenn sie dazu aufgefordert wurden, auf Gnade und Ungnade ergeben und hatten jede Bestrafung zu akzeptieren. Der Vorwurf lautete fast überall gleich, die Untertanen hätten ihrer Obrigkeit gegenüber ungehorsam und untreu gehandelt.806 Aber auch schon während der ‚Erhebung‘ ermahnte etwa das Reichsregiment in Esslingen die Stadt Rothenburg ob der Tauber, sich nicht den ‚Aufständischen‘ anzu-

803 Becker, Alfred, Wann und in welchem Umfange erlangten die Rheingauer ihre nach den Unruhen vom Jahre 1525 verlorenen Rechte und Freiheiten wieder?, in: Nassauische Heimatblätter 14 (1910/11), S. 123–127. Die langen Zeiträume der Strafmaßnahmen gegen widerständige Gemeinden stellten in der Frühen Neuzeit keine Seltenheit dar. Auch aufgrund der Monumentalisierung von Untertanenaufständen geht Scheutz von einer „obrigkeitlich geleiteten Erinnerungsgemeinschaft“ aus. Scheutz, Martin, Ein tosendes Meer der Unruhe? Konflikte der Untertanen mit der Obrigkeit in Österreich und angrenzenden Regionen vom Spätmittelalter bis zum Ende der Frühen Neuzeit, in: Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in den österreichischen Ländern. Ca. 1450–1815, hg. von Peter Rauscher/ Martin Scheutz (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 61), Wien, München 2013, S. 67–118 u. S. 113. 804 Lühmann-Schmid, Irnfried, Der Mainzer Marktbrunnen. Seine Denkmals- und Bildidee, in: Mainzer Zeitschrift 69 (1974), S. 180–186 805 Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 224. 806 Vgl. etwa die Unterwerfungsurkunde der Würzburger Untertanen auf dem Land. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 335f. Oder etwa die Aufforderung des Schwäbischen Bundes an die Landschaft Rheingau: Anonymus, Bericht über den Aufruhr im Rheingau von 1525 (wie Anm. 755), S. 185f.

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schließen. Sie solle sich verteidigen, denn ansonsten drohten ihr „verachtung, uner, bös nachred, schmach und geschray“, denn es sei „wider er und aid on pillich wer“, sich zu ergeben.807 Die Denkfiguren Ansehen und Gehorsam waren im Diskurs der Obrigkeit eng aufeinander bezogen. Die vom Reichsregiment angesprochene Ehre rekurrierte auf die rechtliche Stellung der Stadt. Das Ansehen des Ortes sei von der Treue zum Reich abhängig. Schlössen sich die Rothenburger den ‚Aufständischen‘ an, verstießen sie gegen ihren „aid“, dem sie dem Kaiser als Stadtherren geleistet hatten. Zusammenfassend gesagt bestand damit eine enge Verbindung zwischen den Vorstellungen der Ehre, der Treue und den rechtlichen Konsequenzen. Nach dem ‚Bauernkrieg‘ wurden diejenigen, die für untreu befunden wurden, tatsächlich mit dem Verlust von Rechtsansprüchen bestraft. Sie verloren, wie es im Reichsabschied von 1526 heißt, ihre „ehren“. Die verurteilten Gemeinden durften insbesondere keine Ämter und Gerichte mehr besetzen. Der Wiedererwerb der Ehre wurde vice versa als der Rückgewinn dieser hergebrachten Rechte verstanden.808 Mit dem Verlust der Ehre gingen auf diese Weise die Funktionsunfähigkeit der Verwaltung und der Prestigeverlust in einem allgemeinen Sinn einher. Laut der Darstellung aus dem Umkreis der Stadt Bamberg drohte eine solche Bestrafung auch auf die wirtschaftliche Lage durchzuschlagen. Denn welcher „ehrliebende man“ würde mit einer solchen Stadt Handel treiben?809 Die Appelle, während des ‚Bauernkriegs‘ die eigene Ehre zu bedenken, warnten damit – modern gesprochen – den Angesprochenen vor dem Verlust seines „symbolischen Kapitals“. In diesem Sinn ist nach Pierre Bourdieu unter der Ehre eine Ressource zu verstehen, die in der Auseinandersetzung um soziale Anerkennung erwor-

807 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 242. Ähnlich argumentierte Erzherzog Ferdinand am 5. April 1525 in einem Brief an die Stadt Füssen, man solle sich gegen die „aufrüerige(n) bauern […] werlich, dapfer und ernstlich mit der that, alß fromb, erbar leut, die irer herschaft und ir selbs lob und er bedencken halten“. Furtenbach, Füßner Bericht (wie Anm. 238), S. 440. In der Ermahnung des Reichsregiments an die Rothenburger wird außerdem, wenn auch weniger stark, an die Kriegsehre appelliert, sich wie „erber, mannlich Leute“ zu verhalten. Auf dieses Konzept, das in starker Nähe zur Vorstellung des ‚Bauernkriegs‘ als Bewährungsprobe steht, wird in den nächsten Kapiteln noch eingegangen werden. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 242. 808 Zentral ist in dieser Hinsicht: § 6 des Reichsabschieds zu Speyer von 1526. Wolgast, Eike (Hg.), Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. Bd. V/VI, München 2011, S. 878–895, S. 882; „so soll ein yede oberkeit macht und gewalt haben, ire underthanen, so sich in gnad und ungnad begebn und gestrafft worden sein, nach gelegenheit und irem gefallen wiederumb in vorigen standt irer ehren zu setzen, zu qualificieren und geschickt zu machen, rate und gericht zu besitzen, kuntschaft zu geben und ampt zu tragen.“ Das Ende des ‚Bauernkriegs‘ fällt für viele Chronisten in diesem Sinn mit dem Ende der Bestrafung und einer Aussöhnung überein. Vgl. dazu die nachfolgenden Kapitel. 809 Diese rhetorische Frage wird im Bericht Halbritters gestellt. Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 81. Ausführlich dazu vgl. diese Arbeit Kapitel 3.2.2.2.

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ben oder verloren werde und in ökonomische oder andere Vorteile umgemünzt werden könne.810 Wenn im Folgenden von der Ehre die Rede sein wird, ist damit ein Konzept gemeint, welche die wahrgenommenen Statusgewinne oder Statusverluste der Zeitgenossen bezeichnet, die aus ihrem Verhalten während des ‚Bauernkriegs‘ resultierten und Konsequenzen für die rechtliche und wirtschaftliche Zukunft der Individuen oder Institutionen besitzen konnte. 3.2.1.2 Die Ehre als Bewertungskategorie in der Bauernkriegsgeschichtsschreibung In einem ersten Schritt soll der Rezeptionsvorgang dieser Ehrvorstellung exemplarisch für die Rothenburger Bauernkriegsgeschichte des Thomas Zweifel untersucht werden, um anschließend allgemeine Untersuchungskategorien aufzustellen. Als sich Rothenburg den ‚Aufständischen‘ anschloss, kritisiert der Autor die kampflose Übergabe der Stadt, welche das Reichsregiment bereits prophylaktisch verurteilt hatte. Hierfür macht Thomas Zweifel allerdings nicht den Rat, in dessen Auftrag er stand, sondern die Gemeinde verantwortlich, die sich mehrheitlich für ein Bündnis mit den Bauern ausgesprochen habe.811 Seiner Darstellung liegt ebenfalls die Vorstellung des ‚Bauernkriegs‘ als Bewährungsprobe zu Grunde. Angesichts der vertanen Chance, unsterblichen Ruhm zu erlangen, sinniert er, zu welchen Ehren die Stadt gekommen wäre, wenn sie sich in aussichtsloser Lage verteidigt hätte. „und ob wir dann letzt uber sölichs von den pawrschaften erobert, betrangt oder beschedigt wurden, so hetten wird doch als erber, redlich fromm lewt getan, wurd uns und gemainer statt kunftig zu ewigem lob, preys und allem guten raichen“.812 Die prophezeiten Folgewirkungen traten tatsächlich ein – allerdings, wie befürchtet, im negativen Sinn. Noch fast hundert Jahre später galt es in Rothenburg als Schmach, an die Rolle der Stadt im ‚Bauernkrieg‘ erinnert zu werden. Als der ortsansässige Drucker Hieronymus Körnlein im Jahre 1622 die Bauernkriegsgeschichte des damaligen Würzburger Hauptmanns beim Schwäbischen Bund, Am-

810 Einführend zu diesen Kapitalsorten: Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital. Kulturelles Kapital. Soziales Kapital, in: „Soziale Ungleichheiten“, hg. von Reinhard Kreckel (Soziale Welt, Bd. 2), Göttingen 1983, S. 183–198. 811 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 321–332. 812 Ebd., S. 279f. Analog dazu geht Lorenz Fries davon aus, dass der Abfall der Stadt Würzburg vom Bischof eine „schameburden“ darstelle, die noch die Kindeskinder zu tragen hätten. Besonders plastisch ist die Rede, dass die Würzburger deswegen „rot werden mussen“. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 173.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte

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brosius Geyer, druckte, strich er alle kritischen Stellen in Bezug auf Rothenburg, die mit der Beteiligung der Stadt an der ‚Erhebung‘ in Verbindung stehen.813 Das Bewertungsmuster der Bestrafung und Belohnung beziehungsweise von Schmach und Ehre wirkte nach. Es liegt auch der Bauernkriegsdarstellung von Thomas Zweifel zu Grunde. In dieser Hinsicht kommt der Verhandlung der Stadt mit Georg Truchsess von Waldburg über die Schuld Rothenburgs in dessen Werk eine hohe Bedeutung zu. Der Truchsess habe am 7. Juni 1525 die Gespräche mit dem Vorwurf eröffnet, Rothenburg sei in Franken der Hauptschuldige am ‚Bauernkrieg‘ gewesen und müsse daher besonders hart bestraft werden. Die Rothenburger Delegation habe ihm jedoch entgegnet, dass die Stadt keine Vorreiterrolle eingenommen habe. Im Vertragsschluss sei es gelungen, den wenig vorteilhaften Passus von der Hauptschuld Rothenburgs in Franken herauszuhalten.814 Außerhalb von Zweifels Darstellung wurde diese Anschuldigung von Seiten benachbarter Herrschaftsträger allerdings weiterhin gegen Rothenburg vorgebracht.815 Der Stadtschreiber konnte in diesem Sinn jedoch eine alternative Deutung präsentieren: Die Stadt hat angeblich keine größere Schuld auf sich geladen als andere. Die Erzählung vom ‚Bauernkrieg‘ als Bewährungsprobe der Ehre, wie sie Thomas Zweifels Darstellung zu Grunde liegt und besonders in der bereits zitierten Textstelle zum Ausdruck kommt, dass Institutionen und Personen mit immerwährendem „lob“ für richtige Verhaltensweisen ausgezeichnet werden würden, ist aber keinesfalls selbstverständlich. Diese Annahme basiert auf der Vorstellung, dass mit dem Anschluss an die ‚Aufständischen‘ eine Handlung in Gang gesetzt worden sei, die auf die Umkehrung der Verhältnisse abzielte und auf einem Rechtsbruch beruhte. Statt Ordnung hätten die Beteiligten Chaos gestiftet, statt die Treue zu ihrer Obrigkeit zu halten, hätten sie selbst Herren werden wollen, statt Frieden hätten sie

813 Die noch heute maßgebliche Edition dieses Textes basiert auf diesem Druck aus dem Jahr 1622: Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299). Inzwischen ist aber eine Version wiederauffindbar, welche Ambrosius Geyer dem Grafen von Hohenlohe übergab: HohenloheZentralarchiv Neuenstein, GA 70, Bü. 89. Gestrichen wurde etwa der Einsatz Rothenburgischer Kanonen bei der Belagerung des Würzburger Marienbergs. Eine Neuedition wäre überdies wünschenswert, da der Drucker zudem die Opferzahlen auf Seiten der ‚Aufständischen‘ erhöhte und sich der Schluss in beiden Texten unterscheidet. 814 Keine andere Begebenheit wird von Zweifel so detailliert geschildert. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 485f. 815 Diese Vorwürfe sind als Feststellungen etwa in den Bauernkriegschroniken von Lorenz Fries, dem Sekretär des Würzburger Bischofs, und Hermann Hoffmann, dem Stadtschreiber von Schwäbisch Hall, enthalten. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), S. 9f. Hoffmann, Bauernkrieg um Schwäbisch Hall (wie Anm. 748), S. 281f. Zur juristischen Auseinandersetzung um die Rolle der Stadt während der ‚Erhebung‘ zwischen dem Bischof von Würzburg und Rothenburg: Quester, Das Rad der Fortuna und das Kreuz (wie Anm. 1), S. 43–49.

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Gewalt im Sinn gehabt, und statt sich an den göttlichen Gebote zu orientierten, hätten sie dem Teufel gedient.816 Das Geschichtsbild der Herrschenden und der Untertanen ist zweifelsohne nicht miteinander vereinbar. Die Bedeutung des neuen Obrigkeitsverständnisses der ‚Aufständischen‘, ihren Untertanengehorsam nicht aufzukündigen, sondern auf Gott umzupolen, gewinnt vor diesem Hintergrund seine zeitgenössische Relevanz, denn im Wissen der Zeit musste Ungehorsam stets bestraft werden (siehe Kapitel 2.1.2.2). Wie der Geschichtsschreiber Thomas Zweifel mit den unterschiedlichen Gehorsamsvorstellungen umging, zeigt eine Textstelle besonders deutlich. Der Autor berichtet, dass nach der Einnahme Weinsbergs durch den Schwäbischen Bund Georg Truchsess von Waldburg selbst das Holz für das Feuer zusammengetragen habe, um den Spielmann, der beim Tod des Grafen von Helfenstein aufgespielt hatte, auf einem Scheiterhaufen hinzurichten. Als die Nachricht Ende Mai 1525 nach Rothenburg gedrungen sei, hätten die Untertanen mit Entsetzen und Unverständnis reagiert. Thomas Zweifel jedoch kann diese Haltung nicht nachvollziehen und gibt stattdessen eine Anleitung, wie diese Handlung richtig zu interpretieren sei: und (als das) ir hawf alhie hörten, sagten sie: Also geet der pund tyrrannisch mit den cristlichen brudern umb, sie, die pundischen, wern tewfel und nit menschen, gleych als ob die Tat zu Weinsperg und ander der pawrschaft tetlich, gewaltig handlung, so sie wider ir aid und pflicht, wider ir herrschaften und oberkait mit plundern, rauben, verprennen und verwustung der closter, schlosser und hewser etc., nit unchristlich oder tyrannisch, sonder recht sein sollte etc.817

In dieser Textstelle verdichtet Thomas Zweifel zwei grundlegende Deutungsmuster, die sich auch in der zeitgenössischen Publizistik und in der Geschichtsschreibung wiederfinden. Erstens wurde der ‚Bauernkrieg‘ entsprechend dem juristischen Paradigma von Schuld und Sühne eingeordnet und zweitens als die Wiederherstellung bzw. als die Verteidigung der wahren Ordnung aus der Sicht der Obrigkeit verstanden.818 Bereits die früheste Flugschrift, die über das Ereignis berichtet und aus dem Umkreis des Schwäbischen Bunds stammt, stilisiert die Kriegsleistung des Bundes

816 Vgl. zum negativen Aufruhrstereotyp diese Arbeit Kapitel 2.1.1 und 3.3.2. Zu der fast wortgleichen Wiederholung durch Kaiser Karls V. im Jahr 1525 vgl. Franz, Günther (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit, Bd. 2), Darmstadt 1963, S. 582f. Zur Charakterisierung der ‚Aufständischen‘ durch die Geschichtsschreiber, die diesem Muster folgen, siehe Kapitel 3.3.2. 817 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 366f. Zu einer weiteren Textstelle, in welcher der ‚Bauernkrieg‘ als Verbrechen und dessen Bestrafung verstanden wurde, vgl. ebd., S. 375. 818 In der Publizistik der Zeit übt man zwar teils Kritik am blutigen Vorgehen der Herren, die Richtigkeit der Strafaktionen stellt man aber nicht in Frage. Vgl. u. a. die Flugschrift: Brenz, Johannes, Von Milderung der Fürsten gegen die aufrührerischen Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 333–337.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte



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als Handlung im Namen Gottes und die Niederschlagung der „auffruerigen pauren“ als „straff“ für ihren Ungehorsam.819 In der Historiographie scheint diese Bewertungsmatrix nicht nur auf der Ebene von eingeflochtenen Anekdoten durch, sondern auch in der Textstruktur, wenn die Autoren zuerst die scheinbaren Verfehlungen der Untertanen rekapitulieren und schließlich auf das Eingreifen der Obrigkeit zu sprechen kommen. Nicht zuletzt wird mithilfe dieser Erzählstruktur die Schuldfrage an der ‚Erhebung‘ den Untertanen zugewiesen und nicht etwa in vorherigen Missständen gesucht.820 Anhand der Darstellung von Thomas Zweifel soll im Folgenden gezeigt werden, dass die Chronisten trotz ihrer Haltung, den ‚Aufstand‘ als Umsturz der Ordnung zu verstehen, eine eigene Position innerhalb dieser Bewertungsmatrix vertreten und dabei wie ein Korrektiv in Bewertungskonflikte eingreifen, um ihre Institutionen in einem besonders günstigen Licht darzustellen. Besonders beachtenswert für diese Fragestellung sind die Schlusspassagen der Chroniken, die häufig nicht mehr vom ‚Bauernkrieg‘ als Schlachtengeschichte handeln, sondern durchaus kritisch die Bestrafung der Schuldigen als Rechts- und Deutungsstreit thematisieren. Thomas Zweifel etwa widmet das letzte Fünftel seiner Darstellung der Zeit nach der militärischen Niederlage der ‚Aufständischen‘, indem er von den Verhandlungen über die Schuld Rothenburgs und von dem darauf folgenden Strafgericht berichtet.821 Dabei gibt er ein Edikt des Schwäbischen Bundes wieder, das der Stadt bescheinigt, für ihre Schuld gebüßt zu haben, und berichtet von der Neubesetzung der wichtigsten Ämter, wodurch die Stadt entsprechend dem Verständnis des Reichstags zu Speyer wieder ihre alten Ehren zurückerhielt.822 Der Autor setzt jedoch seine Geschichtsschreibung über diesen Punkt hinaus noch weiter fort. Er

819 In der Flugschrift „Des schwäbischen punds kriegshandlung wider die Pawren im land Wirttemberg Ergangen“ überwiegen angesichts des noch nicht beendeten Kriegszuges die mahnenden Töne an die Untertanen, den ‚Aufstand‘ einzustellen. Staatsbibliothek München, 4 Theol.syst.714/ 31. 820 Bereits der im Jahr 1525 als Flugschrift erschienene Ereignisbericht des Johannes Cochläus bedient sich dieses Musters. Cochläus, Johannes, Antwort auf Luthers Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Ein kurzer Begriff vom Aufruhr der Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 397–412. Zur Geschichtsschreibung sei hier exemplarisch auf Peter Harers Darstellung verwiesen, der seine Kapiteleinteilung nach diesem Prinzip gestaltete, zuerst die Taten und dann deren Bestrafung zu schildern. Ganz im Sinne des Deutungsmusters von der Wiederherstellung der Ordnung habe die Rüstung des Pfalzgrafen, in dessen Auftrag Harer schreibt, nach der sog. Bluttat zu Weinsberg begonnen, die aus obrigkeitsherrlicher Sicht als Beleg für das umstürzlerische Verhalten der Untertanen galt. Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727). Zu weiteren Textstellen, welche diese Deutungsmuster auf vielfältige Weise variieren, vgl. diese Arbeit Kapitel 3.3.2. 821 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 514f. u. bes. S. 559–564. Zum letzten Fünftel vgl. ebd., S. 469–564. 822 Ebd., S. 564–566f. Nähere Informationen zum Reichstag und dessen Rezeption finden sich in den nächsten Kapiteln dieser Arbeit.

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schildert außerdem die Fehde Adams von Thüngen aus den Jahren 1525 und 1526, der angeblich für seinen Bruder, den Würzburger Bischof, die Stadt wegen ihres Fehlverhaltens im ‚Bauernkrieg‘ bestrafen wollte. Von nahezu höchster Stelle, Erzherzog Ferdinand, dem Statthalter des Kaisers, sei die Fehde schließlich als unrechtmäßig verurteilt worden: Rothenburg habe für seine Schuld gebüßt. Der Stadt dürfe kein weiterer Schaden entstehen. Die Darstellung endet schließlich mit einem Register über die gebüßte Schuld der Untertanen.823 Thomas Zweifel hätte seine Bauernkriegsgeschichte mit der Verurteilung der Stadt durch den Schwäbischen Bund abschließen können; dann hätte er zwar dem Bewertungsmuster von Schuld und Strafe Genüge getan, aber dadurch wohl vor allem die Beteiligung der Stadt am ‚Bauernkrieg‘ hervorgehoben. Auch hätte er mit der Wiedergabe des Edikts enden können, um zu dokumentieren, dass Rothenburg rehabilitiert worden sei. Dem Stadtschreiber genügte dieses Dokument als Beweis aber offensichtlich nicht. Er zitiert zudem die Fehde und die Bestätigung des Edikts durch Erzherzog Ferdinand. Seine Bauernkriegsgeschichte handelt folglich vom vergeblichen Einsatz des Stadtrats gegen die ‚Aufständischen‘, dem Verlust der Ehre und ihrem schwierigen und umkämpften Wiedererwerb. Das heißt, die geschilderten Ereignisse stehen nicht nur in einem chronologischen Zusammenhang, sondern auch in einem kausalen, der auf die Rehabilitierung der Stadt angelegt ist. Für Zweifel gehörten die Vorstellung des ‚Bauernkriegs‘ als Verbrechen und der daraus resultierenden Schuld zusammen. Sein Text endet in diesem Sinn jedoch mit einem möglichst positiven Ausgang, der einen Schlussstrich unter die Ereignisse zog. Die Stadt konnte entsprechend dieser Erzählung angeblich an ihre vorherige Geschichte anknüpfen, ohne einen dauerhaften Nachteil erlitten zu haben.824 Anknüpfend an Hayden Whites Theorie der narrativen Strukturierung des historischen Erzählens, sollen diese Ergebnisse verallgemeinert werden, um ähnliche Bewertungsmuster in der Bauernkriegsgeschichtsschreibung zu analysieren. Bereits im Methodenkapitel dieser Arbeit wurden die Erzählmuster erwähnt, die Hayden White „Plots“ nennt und die sich laut ihm in jeder historischen Arbeit wiederfinden. Geschichtswerke, die erstens die Struktur einer Tragödie besäßen, handeln vom vollkommenen Scheitern eines Protagonisten und der Einsicht von der Aussichtslosigkeit von Veränderungen. Darstellungen, die zweitens wie Satiren angelegt seien, thematisieren zwar ebenfalls den gescheiterten Versuch einer Verbesserung, der Held gehe in diesem Modell jedoch nicht völlig zugrunde. Drittens könne in Texten mit einer komödiantischen Struktur zwar ebenfalls keine Verbesserung erzielt wer-

823 Ebd., S. 578–580. Zur Fehde vgl. Quester, Das Rad der Fortuna und das Kreuz (wie Anm. 1), S. 43–49. 824 Auf die Bedeutung der Gestaltung von Schlusspassagen für die Sinnkonstitution einer Erzählung weist auch Albrecht Koschorke hin: „Eine Geschichte zu beschließen, heißt einen Strich unter die Rechnung zu ziehen: ‚zählen‘ und ‚erzählen‘ sind nicht nur etymologisch miteinander verwandt.“ Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 63.

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den, die Geschichten enden jedoch mit einer Versöhnung. Viertens siege in einer Romanze das Gute über das Böse. Der Held erlöse sich oder die Welt.825 Diesem Schema zufolge entspricht die Geschichte des Thomas Zweifel dem Typus der Komödie: Die Stadt hatte laut der Argumentation des Chronisten zwar keinen Anteil an dem militärischen Sieg gegen die ‚Aufständischen‘ (Romanze), ist aber auch nicht gescheitert, da ihr keine besondere Schwere der Schuld zugesprochen wurde und der Stadtrat sich auch nicht mit den Ideen der ‚Aufständischen‘ identifiziert hatte (Satire und Tragödie). Vielmehr erzählt er die Geschichte der Stadt im ‚Bauernkrieg‘ nach dem Schema einer Aussöhnung (Komödie), wonach die Stadt in den alten Stand der Ehre angeblich zurücksetzt wurde und sie sich vor weiteren Schadensersatzforderungen schützen konnte. Whites Theorie wurde vielfach kritisiert und teils harsch zurückgewiesen. Die Erkenntnis, dass in Geschichtsdarstellungen literarische Formen für die Sinnstiftung und Publikumslenkung eine erhebliche Rolle spielen, kann inzwischen jedoch als Konsens gelten.826 Will man Whites Theorie operationalisieren, bereitet vor allem das festgelegte Set an Erzählmustern Probleme. So entnahm er seine vier Kategorien lediglich der Literaturtheorie Northrop Fryes und erprobte sie ausschließlich an der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. Seinen Gedanken der Erzählstrukturen gilt es daher, an die zeitgenössischen Bauernkriegsgeschichten anzupassen. Der Held der monographischen Darstellungen ist, wie erörtert, fast immer eine Herrschaftspersönlichkeit oder eine Herrschaftsinstitution. Wie Thomas Zweifel thematisieren die meisten anderen Autoren ebenfalls die Ehre dieser Akteure. Insgesamt lassen sich vier typische Muster identifizieren. So handeln die Mehrzahl der Texte von der Steigerung der Ehre. In diesen Darstellungen werden die Protagonisten durch den Autor für ihre Handlungen gelobt oder durch eine textinterne Instanz ausgezeichnet. Mögliche Kritik an ihren Handlungen, etwa ein zu zögerliches oder zu gewalttätiges Agieren, sollte durch die Darstellung ihrer heroischen Leistungen zum Verstummen gebracht werden. Für die übrigen Texte ist dagegen ein spezifischer Bewertungskonflikt grundlegend. Ihre Autoren stellen zwar ebenfalls die handelnden Institutionen als heldenhafte Protagonisten dar, an dieser Interpretation gibt es jedoch, wie die Autoren einräumen, erhebliche Zweifel. Die einzelnen Darstellungen lassen sich danach differenzieren, wie dieser Deutungsstreit zwischen den Institutionen und einer übergeordneten Obrigkeit auf der Textebene aufgelöst wird: Sieben der Darstellungen sind nach dem Muster der erhaltenen Ehre strukturiert. Das heißt, die Autoren stellen dar, dass die Ehre der Akteure von den übergeordneten Instanzen nicht (mehr) in Frage gestellt wird. In den fünf Darstellungen

825 White, Hayden, Metahistory (wie Anm. 81), S. 21–25. 826 Daniel, Kompendium Kulturgeschichte (wie Anm. 5), S. 430–443.

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mit dem Erzählschema der Wiederherstellung der Ehre werden die handelnden Akteure dagegen von einer übergeordneten Instanz für schuldig befunden. Die Geschichtserzählungen enden wie die von Thomas Zweifel jedoch zumindest in dem Punkt versöhnlich, dass die Ehre der Institution angeblich wiederhergestellt worden ist und keine weiteren Konsequenzen drohten. Davon grundlegend zu unterscheiden, ist die Erzählung vom Verlust der Ehre. In diesem Szenario wird die Institution ebenfalls – zumindest laut den Chronisten – zu Unrecht verurteilt, hat ihren alten Stand der Ehre aber noch nicht wiedererlangt. Dieses Schema wählte lediglich ein Geschichtsschreiber. Die These von der gelenkten Erinnerungskultur besitzt in diesem Sinn zwei Dimensionen. Erstens versuchten die Herrschenden kurz nach der ‚Erhebung‘, die Sichtweise von der Illegitimität der ‚Erhebung‘ durchzusetzen. Zweitens existierte neben diesem Konsens ein Deutungskampf um die Stellung der jeweiligen Institutionen während und nach der ‚Erhebung‘.827 Die Darstellungen lassen sich in diesem Sinn als politisch motivierte Interventionsversuche lesen, diese Erinnerungskultur zu beeinflussen. Damit sind noch einige letzte Bemerkungen zur Methode des folgenden Kapitels anzumerken. Historiker verfügen über verschiedene Möglichkeiten, ihrer Darstellung eine Erklärung der zugrundeliegenden Ereignisse zu geben. White unterscheidet zwischen den hier beschriebenen Erzählstrukturen, explizit im Text ausgesprochenen Schlussfolgerungen und einer ideologischen Grundhaltung, welche das Geschichtsbild des Autors widerspiegele. Um auf die ideologische Grundhaltung zu sprechen zu kommen, betonen alle Bauernkriegsautoren die Unveränderlichkeit der hergebrachten Herrschaftsordnung und lehnen die ‚Erhebung‘ ab. Im Folgenden sollen besonders die explizit ausgesprochenen Schlussfolgerungen der Autoren zur Bewertung ihrer Obrigkeit mit den narrativen Mustern in Zusammenhang gebracht werden. Anhand der vorgeschlagenen Kategorien des Ehrverlusts und des Ehrgewinns können typische Positionen der zeitgenössischen Erinnerungskultur identifizieren werden. In den Fokus rücken auf der Ebene der narrativen Elemente insbesondere die Gestaltung von Schlusspassagen und Szenen, in denen Personen über die Schuld oder das Verdienst der Protagonisten während des ‚Bauernkrieges‘ verhandeln. Auf der Ebene der Argumentation ist entscheidend, welche Vorstellungen einer idealen Herrschaft in den Texten entworfen wird und wie die Autoren ihre Ob-

827 Juristisch ausgetragen wurden solche Verhandlungen um die Beteiligung einzelner Institutionen an der ‚Erhebung‘ u. a. vor den höchsten Gerichten des Alten Reiches. Amend-Traut, Anja, Judikative Folgen des Bauernkriegs nach Quellen der höchsten Gerichte im Alten Reich, in: Der Bauernkrieg in Franken, hg. von Franz Fuchs/ Ulrich Wagner (Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und Frühe Neuzeit, Bd. 2), Würzburg 2016, S. 223–265. Joachim Hamm weist zudem auf die Möglichkeit hin, dass Joachim Camerarius das als ungerecht empfundene Urteil gegen seinen Bruder, den Bamberger Kanzeleiverweser Hieronymus, in den Eklogen „Tyrsis“ und „Lycidas“ verarbeitete, um dessen Unschuld hervorzuheben. Hamm, Servilia bella (wie Anm. 53), S. 263–277.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte

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rigkeit entsprechend diesem Schema bewerten. Hierzu ziehen die Geschichtsschreiber eigene Schlüsse, zitieren Zeitgenossen oder verweisen auf entsprechende Ereignisse wie Triumphzüge oder auf das vermeintliche Eingreifen Gottes, welcher die Protagonisten für ihre Rechtschaffenheit ausgezeichnet habe.828 Auch ohne dass die Geschichtsschreiber explizit den Begriff der Ehre aufgreifen müssen, lassen sich ihre Darstellungen somit als Stellungnahmen zu Statusgewinn und Statusverlust lesen, wenn man die entsprechenden zeitgenössischen Zuschreibungen ausfindig macht, die mit diesem Konzept in Verbindung stehen. Die Geschichtserzählungen zum ‚Bauernkrieg‘ erscheinen aus diesem Blickwinkel nicht mehr nur als Darstellungen der Ereignisse, sondern auch als argumentative Texte, die Stellung zugunsten eines Herrschers beziehen.

3.2.2 Stellungnahmen zur zeitgenössischen Erinnerungspolitik 3.2.2.1 Die Steigerung der Ehre Im Umkreis des Pfalzgrafen bei Rhein, Herzog Ludwig von Bayern, wurde die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ als ein Mittel der Selbstrepräsentation begriffen. Unmittelbar nach den Ereignissen fertigte der Sekretär Peter Harer in deutscher Sprache eine Darstellung an, die bereits im selben Jahr ein weiterer Sekretär, Thomas Leodius, in einer gekürzten Version ins Lateinische übersetzte. Wie der Sohn von Leodius angab, wollte sein Vater die Taten des Pfalzgrafen im Ausland bekannt machen, wozu sich für Leodius als Reisebegleiter seines Dienstherrn wohl zahlreiche Gelegenheiten boten.829 Spätestens bis zum Jahr 1531 entstanden noch zwei weitere lateinische Übersetzungen von Harers Text, die Harer dem Erzbischof von Mainz und dem neuen König Ferdinand widmete. Wohl zeitgleich wurde noch eine dritte lateinische Version angefertigt, deren Provenienzgeschichte allerdings schwerer zu rekonstruieren ist. Die frühesten Belege dieser Handschrift führen in das Münchner Franziskanerkloster.830 Die älteste noch überlieferte deutschsprachige Version ist die Kopie einer verschollenen Abschrift, die Schenk Eberhard II. von Erbach anfer-

828 Auch für die Erklärung durch „Argumentation“ und durch „ideologische Implikation“ macht White Vorschläge zur Bildung von Subkategorien. White, Hayden, Metahistory (wie Anm. 81), S. 9– 50. Für die folgende Analyse der Geschichtserzählungen hinsichtlich ihrer Stellungnahme zur gelenkten Erinnerungspolitik ist diese Feingliederung nicht relevant. 829 Leodius, Historia seditionis rvsticanae (wie Anm. 759), S. 284. Leodius begleitete den Pfalzgrafen bei seinen Reisen ins fremdsprachige Ausland. Leodius, Leben und Taten des Pfalzgrafen Friedrich seit 1544 Kurfürst von der Pfalz (wie Anm. 759), S. 6–8. 830 Die Mainzer Version: Universitätsbibliothek Heidelberg, Pal. lat. 952. Die Wiener Version: Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 8081. Die Münchner Version: Staatsbibliothek München, Clm. 1563. Im Vergleich zu den anderen lateinischen Handschriften besitzt die Münchner Version keine Dedicatio und Praefatio.

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tigte. Dieser Eberhard diente im Jahr 1525 dem Pfalzgrafen als oberster Feldhauptmann.831 Nachdem im Jahr 1531 die jüngere Linie der Familie von Erbach ausstarb, konnte Eberhard die Herrschaft auf sich vereinen. Angesichts seiner eigenen Verdienste und der Leistungen seiner Familie, wie es formelhaft in einer Schrift Kaiser Karls V. heißt, wurde Eberhard im Jahr 1532 die Grafenwürde verliehen. Ob sein Agieren im ‚Bauernkrieg‘ hierfür mitentscheidend war, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, sicherlich durfte die Erinnerung an seine Verdienste aber unterstützend gewirkt haben.832 In seinem Vorwort gibt Leodius eine Leseempfehlung für die Schrift Harers: „Et habeant caeteri per orbem Principes, aliquem, per quem se tanquam in speculo intueantur, et edificant quo animo esse debeant, si maior seditionum procella ingruerit“. Das Verhalten des Pfalzgrafen Ludwig sei, so Leodius, wie ein Tugendspiegel aufzufassen, an dem sich andere Fürsten orientieren sollten. In einer Metapher fasst der Autor die Leistung des Pfalzgrafen bei der Niederschlagung der ‚Erhebung‘ zusammen. Eine Sediton sei wie eine Krankheit, die erst vorsichtig behandelt werden müsse, der man dann aber, wenn sich keine Besserung einstelle, mit der Abtrennung der betroffenen Körperstellen begegnen müsse. In dieser Logik kann durch die Tötung der ‚Aufständischen‘ der gesamte Staatskörper gerettet werden.833 Die Präsentation des Pfalzgrafen als idealen Fürsten findet sich ebenfalls in den lateinischen Versionen und in der deutschen Textüberlieferung von Harers Darstellung. Der Autor bezeichnet den Pfalzgrafen direkt als „Loblich churfurst“834 und stellt etwa die Ehrerweise des Schwäbischen Bundes für den Herrscher dar: Gleichrangig mit dem Truchsessen habe der Pfalzgraf den Zug des Schwäbischen Bundes nach der Vereinigung ihrer Heere angeführt.835 Weniger elaboriert findet sich die Quintessenz der Krankheitsmetapher bereits in Harers Vorwort. Anhand von Geschichts- und Bibelbelegen versucht er, zu beweisen, dass gegen einen ‚Aufstand‘ in letzter Konsequenz nur ein gewaltsames Einschreiten helfe.836 Mit dieser Überzeugung gehen für den Autor zwei idealisierte Verhaltensweisen einher: Ein Fürst

831 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 67. 832 Schneider, Daniel/ Ludolf, Georg Melchior von (Hg.), Vollständige Hoch-Gräfliche Erbachische Stamm-Tafel, Frankfurt am Main 1736, Nr. 164. Vgl. auch: Gehrlein, Thomas, Das Haus Erbach mit seinen Linien Fürstenau, Erbach und Schönberg. Über 800 Jahre Gesamtgeschichte mit Stammfolge (Deutsche Fürstenhäuser, Bd. 38), Werl 2012, S. 12. 833 Leodius, Historia seditionis rvsticanae (wie Anm. 759), S. 286. 834 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 107. 835 Harer führt an, dass der Pfalzgraf vom Schwäbischen Bund mit Kanonendonner bei Neckarsulm empfangen worden sei. Der Bund und der Pfalzgraf hätten sich schließlich abgewechselt, welches ihrer Reiterkontingente den Fußknechten vorausziehen durfte. Ebd., S. 73f. 836 Ebd., S. 15–17.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte



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müsse zuerst auf eine gewaltlose Lösung des Konflikts hinwirken und dann, wenn dies nichts ausrichte, militärisch agieren. In der Darstellung Harers wird die Friedfertigkeit des Pfalzgrafen mehrfach thematisiert. Ludwig habe durch seine Regierungsweise keinen Anlass für Missstände bei den Untertanen geliefert. Damit wurde zwar der rationale Kern und die Bedeutung der Beschwerdepraxis von Seiten des Autors anerkannt, ein solcher Grund für die ‚Erhebung‘ in der Pfalz entfiel jedoch gerade.837 Ferner stellt er das Herrschaftsgebiet des Kurfürsten als eine Region dar, in welcher der ‚Aufstand‘ erst relativ spät Fuß gefasst habe. Denkt man an die Beteuerungen Thomas Zweifels, dass in Franken die ‚Erhebung‘ nicht zuerst in Rothenburg begonnen habe, wird die ehrsteigernde Bedeutung dieser Aussage deutlich.838 Als sich schließlich Anzeichen eines ‚Aufstands‘ zeigten, sei der Pfalzgraf in Verhandlungen eingetreten und habe erreicht, dass die ‚Aufständischen‘ ihre Handlungen bis zu einem einzuberufenden Landtag einstellten.839 Nach Harer wollte der Pfalzgraf ein „christlich Blutvergießen“ unbedingt verhindern.840 Es seien schließlich die ‚Aufständischen‘ gewesen, welche die Absprache brachen und Klöster zerstörten.841 Harer fasst schließlich zusammen, dass bei den Bauern weder „Glaub, Ehr oder Trew“ gehalten worden seien. Die Kriegshandlung des Pfalzgrafen ist damit durch die Schuld des Gegenübers motiviert: Er sei, so Harer, lediglich gezwungen worden, dem „grausamen ubel“ zu begegnen.842 Die Darstellung der Kriegshandlungen folgt schließlich dem adeligen Selbstverständnis des Ehrgewinns durch Kampf.843 Bereits in der Schlacht bei Böblingen

837 Im Umkehrschluss erkennt Harer damit die Mitschuld der Prälaten in der angeblichen Ursprungsregion der ‚Erhebung‘ an. Ebd., S. 19 u. 96. 838 Auch bei Harer findet sich die Rückführung auf den Ursprungsort, wo sich das Feuer zuerst entzündet habe. Ebd., S. 48. 839 Ebd., S. 52–56. 840 Ebd., S. 52. 841 Ebd., S. 57f. 842 Ebd., S. 59. Der Friedensbruch durch die Untertanen ist ein Topos, der sich durch eine Vielzahl der Geschichtsdarstellungen zieht. Vgl. exemplarisch: Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 734f. Auch Martin Luther rekurriert auf den Bruch des Friedens und die fehlende Treue und Verlässlichkeit der ‚Aufständischen‘, um damit die Notwendigkeit eines militärischen Vorgehens zu rechtfertigen. Luther, Martin, Ein Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern, in: WA, Schriften, Bd. 18, S. 375–401, S. 391. Sehr deutlich weist der Chronist Jacob Holzwart auf die Verbindung des Werts der Friedfertigkeit mit dem Wert der Ehre hin: „quod bonos ac honestos viros decet, omnia prius verbis, quam armis experiri decernunt“. Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 653. Die Allgemeingültigkeit dieser Aussage wird auch darin deutlich, dass die Solothurner dies zur Bedingung für ihr Bündnis mit den Baslern gegen die Bauern machten. Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 482f. 843 Im Umkehrschluss führe, so Harer, eine Niederlage neben der Gefährdung der Ordnung zu „Schimpf und Spot“. Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 24.

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habe das pfalzgräfische Kontingent in erster Reihe gestritten.844 Bei Königshofen seien es die Knechte des Pfalzgrafen gewesen, welche die Feinde ausgekundschaftet hätten. Der pfalzgräfische Marschall habe bei der darauf folgenden Schlacht entscheidenden Einfluss auf die Strategie genommen und die Hälfte der Reiterei kommandiert.845 Den größten Raum aller Kriegsschilderungen nimmt die Auseinandersetzung zu Pfeddersheim ein, für die der Pfalzgraf alleinverantwortlich war. Vor dem eigentlichen Bericht werden erneut die Vergehen der Untertanen und die friedliche Gesinnung des Pfalzgrafen betont. Die ‚Aufständischen‘ seien schließlich bei Pfeddersheim trotz strategisch günstiger Position geflohen. Ihr Zufluchtsort, die gleichnamige Stadt, sei bis zur Kapitulation belagert worden. 3000 Bauern seien schließlich aus der Stadt geführt worden. Trotz der ausdrücklichen Ermahnung, nicht zu fliehen, hätten etliche zu entkommen versucht, von denen 800 getötet worden seien. Der Pfalzgraf, dem laut Harer blutrünstige Strafaktionen zuwider waren, habe die übrigen mit dem Leben davonkommen lassen. Auf diese Weise wird die zweite Seite des Herrscherlobs, die Verpflichtung, nicht blutrünstig, sondern milde zu agieren, als Herrschertugend dem Pfalzgrafen zugeschrieben.846 Die Geschichtsdarstellung Harers endet mit der Rückkehr des Pfalzgrafen in seine Residenzstadt Heidelberg. Dort sei ein Dankgottesdienst für die Unterstützung Gottes abgehalten worden. Nach Harer habe der Pfalzgraf auf einen Triumphzug durch die Stadt verzichtet. Die Erwähnung dieser Bescheidenheitsgeste dürfte für einen zeitgenössischen Leser das Ansehen des Pfalzgrafen aber sicherlich noch einmal gesteigert haben.847 In den lateinischen Versionen wird am Ende des Texts der Gedanke des Triumphs noch einmal explizit hervorgehoben. Noch stärker als in den deutschen Fassungen werden zudem die Milde und die Friedfertigkeit als Herrschertugenden fokussiert.848 Die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ funktioniert nur dann als Erzählung der gesteigerten Ehre, wenn man der Behauptung des Erzählers zustimmt, dass die Untertanen eine alternativlose Ordnung zerstören wollten. In diesem Sinn erhöhte der Pfalzgraf sein Ansehen, indem er am Fortbestand der bestehenden Gesellschaft mitwirkte und dabei vorbildlich handelte: als friedfertiger und milder Fürst, aber zugleich auch als entschlossener und durchsetzungsstarker Regent.

844 Ebd., S. 63f. 845 Ebd., S. 79f. 846 Ebd., S. 94–103. 847 Ebd., S. 108. 848 Zur stärkeren Betonung der Milde und Friedfertigkeit vgl. Heidelberg, Pal. lat. 952, f. 47r u. 47v sowie 67v und: Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod 8081, f. 45v u. 46r sowie 63v. Zum veränderten Schluss, in welchem die Friedfertigkeit und der Triumph noch einmal betont werden, vgl. Heidelberg, Pal. lat. 952, 71v u. 72r. Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 8081, f. 68r u. 68v. Größere inhaltliche Unterschiede finden sich zwischen den lateinischen und deutschen Versionen allerdings nicht.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte 

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Auch die anderen Texte, welche einen militärischen Sieger in den Mittelpunkt rücken, lehnen sich an dieses Ideal an. Von seinem Historiographen wurde Herzog Anton von Lothringen auf dieselbe Weise charakterisiert, obwohl er nach der ‚Erhebung‘ viele Kritiker gefunden hatte. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, dass er die elsässischen ‚Aufständischen‘ bei Zabern, welche unbewaffnet aus der Stadt gekommen waren, um Frieden zu schließen, absichtlich angegriffen habe.849 Sein Geschichtsschreiber Nicolas Volcyr de Sérrouville nahm den Herzog gegen solche Vorwürfe in Schutz und stellte die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘, wie schon der französische Titel offenbart, als eine Triumphgeschichte für den Herzog dar. Volcyr de Sérrouville erklärt den ‚Bauernkrieg‘ anders als etwa Harer als eine Auseinandersetzung der Lutheraner gegen die Altgläubigen. Mit seiner Darstellung verstärkt er eine Deutungslinie, die den Herzog als Kämpfer für die Papstkirche in Szene setzt: Papst Clemens VII. hatte den Herzog im Jahr 1526 zu seinem Sieg über die Ungläubigen gratuliert und ihm Dankesfeierlichkeiten für Lothringen erlaubt.850 In der Geschichtsdarstellung Volcyrs wird bereits die Rückkehr des Herzogs nach den gewonnenen Schlachten als Triumphzug inszeniert: Die Bevölkerung von Nancy habe ihren Helden gefeiert.851 Auch in diesem Text finden sich die stereotypen Elemente des Herrscherlobs: der Einsatz für die Hilflosen und Schutzbedürftigen

849 Ryhiner führt an, dass der Herzog auf unchristliche Weise die Bauern angegriffen habe, da sie ihre Waffen in friedlicher Absicht abgegeben hätten. Die zweite Schlacht bei Scherweiler stellt Ryhiner als wenig ruhmreich für den Herzog dar, da dieser sich angesichts seiner hohen Verluste seiner Meinung nach nicht auszeichnen konnte. In seinem Bericht erscheint der Herzog als schlimmere Bedrohung für den Frieden als die Bauern. Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 500–503 u. 505. Auch der Elsässer Eckard Wiegersheim hebt den kampflosen Sieg des Herzogs hervor. Stöber, Diarium von Eckard Wiegersheim (wie Anm. 2), S. 351. 850 Schon der Titel ist in dieser Hinsicht sprechend: Volcyr de Sérouville, Nicole, L'histoire & recueil de la triumphante et glorieuse victoire obtenue contre les seduyctz et abusez Lutheriens mescreans du pays D'Aulsays & autres par treshault et trespuissant prince & seigneur Anthoine par la grace de Dieu duc de Calabre, de Lorraine et de Bar, & en deffendant la foy catholicque nostre mere l'eglise et vraye noblesse a l'utilite et prouffit de la chose publicque (wie Anm. 727). Der Herzog verlangte, so sein Sekretär, von den ‚Aufständischen‘ die Rückkehr zum katholischen Glauben. Ebd., S. 173–179. Diese Leitdeutung wird etwa durch das Anführen einer Bekehrungsepisode untermauert. Ebd., S. 188–193. Zur Danksagung durch den Papst vgl. Huguenin, Jean-François, Le Chroniques de la ville de Metz. 900–1552, Metz 1828, S. 823. Eine Gegenüberstellung der Geschichtsschreibung mit anderen Quellen bietet: Wollbrett, Alphonse (Hg.), La Guerre des Paysans 1525 (Société d'Histoire et d'Archéologie de Saverne et Environs, Bd. 93), Saverne 1975. 851 Volcyr de Sérouville, Nicole, L'histoire & recueil de la triumphante et glorieuse victoire obtenue contre les seduyctz et abusez Lutheriens mescreans du pays D'Aulsays & autres par treshault et trespuissant prince & seigneur Anthoine par la grace de Dieu duc de Calabre, de Lorraine et de Bar, & en deffendant la foy catholicque nostre mere l'eglise et vraye noblesse a l'utilite et prouffit de la chose publicque (wie Anm. 727), S. 325.

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und der entschlossene Kampf gegen die ‚Aufständischen‘.852 Während der Herzog nach seinem Historiographen stets milde gestimmt gewesen sei, hätten hingegen die Kriegsknechte, die schwer zu kontrollieren gewesen seien, Land und Leuten einen erheblichen Schaden zugefügt. Die hohen Verluste auf Seiten der Untertanen seien aber letztlich als göttliches Strafgericht für begangenes Unrecht zu verstehen.853 Die panegyrische Perspektive des Geschichtsschreibers fand schließlich im Jahr 1548 literarischen Widerhall, als Laurentius Pilladius in einem lateinischen Epos die Taten des Herzogs basierend auf dem Text Volcyrs ebenfalls verherrlichte und somit wesentliche Deutungen des Historikers übernahm.854 Auch drei städtische Geschichtsschreiber nutzten den ‚Bauernkrieg‘, um vom angeblichen Ehrgewinn ihrer Institutionen zu berichten. Besonders deutlich wird dies in der Bauernkriegsgeschichte des Schwäbisch Haller Schreibers Hermann Hoffmann. Er gibt an, die Geschichte auf Veranlassung des Rats verfasst zu haben, um die Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und um der Nachwelt ein didaktisches Exempel zu liefern. Ganz offen bekennt er sich dazu, den Rat mit seinem Text „vereren“ zu wollen.855 Dieser causa scribendi entsprechen die wiedergegebenen Briefe, in welchen der Schwäbische Bund den Rat für sein „keck“ Gemüt lobt und der Stadt nach der ‚Erhebung‘ das Vorrecht zuerkennt, in den umliegenden Herrschaften, die sich den Bauern angeschlossen hatten, die Brandschatzung vorzunehmen.856 Im Text dient folglich der Blick über die Stadtmauer vor allem dazu, die Verfehlungen der umliegenden Herrschaften aufzuzeigen und um die eigene rühmenswerte Sonderrolle hervorzuheben.857

852 In der Darstellung wird Wert gelegt, zu dokumentieren, dass der Herzog von den Elsässern um Hilfe gebeten worden sei. Mit seiner Intervention habe Anton, so Volcyr, einen Flächenbrand verhindern wollen. Ebd., S. 45–50 u. 132. 853 Der Angriff auf die wehrlosen ‚Aufständischen‘ bei Zabern, die sich schon ergeben hätten, wird dadurch gerechtfertigt, dass die Landsknechte geglaubt hätten, die ‚Aufständischen‘ würden ihrem Irrglauben nicht abschwören. Schließlich habe eine göttliche Stimme den Angriffbefehl erteilt. Ebd., S. 186. Zur Gewalt der Knechte vgl. ebd., S. 54, 58 u. 64. 854 Die „Rusticiados libri sex“ sind gedruckt bei: Calmet, Augustin (Hg.), Bibliothèque Lorraine, ou histoire des hommes illustres, qui ont fleuri en Lorraine, dans le trois Évêchés, dans l'Archevêche de Tréves, dans le Duché de Luxembourg etc., Nancy 1751 (Nd. 1971), Sp. 1–84. Einen ausführlichen Vergleich zwischen Geschichtsschreibung und Epos bietet: Hamm, Servilia bella (wie Anm. 53), S. 129–168. 855 Hoffmann, Bauernkrieg um Schwäbisch Hall (wie Anm. 748), S. 275f. 856 Ebd., S. 291 u. 325. Die Bedeutung des Adjektivs „keck“ lässt sich heute am besten mit „zuversichtlich“, „anpackend“ und „mutig“ fassen. Grimm, Deutsches Wörterbuch (wie Anm. 17), Bd. 11, Sp. 375–379. 857 Besonders der Blick auf Rothenburg fungierte kontrastierend, aber auch der Anschluss des Grafen Georgs von Wertheim wurde negativ hervorgehoben. So schrieb Hoffmann etwa zu Rothenburg, dass die Vorschläge Schwäbisch Halls zur Eindämmung des Konflikts von Seiten Rothenburgs lediglich mit „spot, hönliche wort und verachtung“ quittiert worden seien. Später jedoch habe Rothenburg für diese Haltung büßen müssen. Ebd., S. 282. Zu Georg von Wertheim vgl. ebd., S. 296f.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte

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Die Leistung Schwäbisch Halls resultierte im Sinne der gelenkten Erinnerungspolitik aus dem Widerstand gegen die ‚Aufständischen‘. Da Hoffmann den Rat in keinem Punkt kritisiert, sondern ihn pauschal lobt, können alle Entscheidungen als lobens- und nachahmenswert verstanden werden. Folgende Handlungen des Rats werden explizit hervorgehoben: Schon bevor der ‚Aufstand‘ ausbrach, habe das Gremium versucht, „sovil gutlich“ mit den Bauern zu handeln, dass diese im Grunde keinen Anlass zu einer ‚Erhebung‘ gehabt hätten.858 Als man sich schließlich in anderen Regionen ‚erhoben‘ habe, habe Schwäbisch Hall eine Vermittlerrolle zwischen den Untertanen und den Herrschenden eingenommen.859 Später als andernorts, eine Feststellung, auf die Hoffmann Wert legt, habe sich dann ein Bauernhaufen vor der Stadt formiert. Die Ermahnung zur Aufgabe sei allerdings auf taube Ohren gestoßen. Die Stadt sei daraufhin gegen die Bauern ins Feld gezogen. Mit den ersten Kanonenschüssen seien diese in die Flucht geschlagen worden.860 Der Schlachtausgang wird als göttliches Zeichen gedeutet.861 Die geschlagenen ‚Aufständischen‘ seien anschließend milde behandelt worden.862 Nach dem Sieg habe die Stadt die Rache der Bauern befürchtet, da sie in anderen Regionen noch die Oberhand besessen hätten. Söldner seien angeworben worden. Einem möglichen Konflikt im Inneren sollte durch die Schaffung eines neuen Ausschusses, bestehend aus Zunftmitgliedern, der Wind aus den Segeln genommen werden.863 Hoffmann stellte die Lage der Stadt als Belagerungssituation dar. Trotz der Gefahr einer Erstürmung und einer möglichen Niederlage habe man jedoch den Aufforderungen der Bauern widerstanden, sich ihrer Versammlung anzuschließen.864 Der Blick des Schreibers richtete sich nach dem Sieg des Schwäbischen Bunds und der Auszeichnung der Stadt kontrastiv auf diejenigen Institutionen, die wie die Stadt Rothenburg ihre Ehre verloren hätten. Für Hofmann endet die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ erst, als diese Gruppe wieder in ihren alten Stand zurückgesetzt war. Die Darstellung schließt daher mit der Wiedergabe der entsprechenden Beschlüsse

858 Ebd., S. 277. 859 Ebd., S. 282. 860 Ebd., S. 278f. u. 283–285. 861 Ebd., S. 285. 862 Ebd., S. 286. Das angeblich gnädige und milde Verhalten habe sich zudem bei der Bestrafung des sog. Semmelhans gezeigt, der die Bauern dazu gebracht habe, nach Weinsberg zu ziehen. Während der Schwäbische Bund ihn als Spiegelstrafe ebenfalls durch die Spieße jagen wollte, sei dieser, als er von der Stadt aufgegriffen wurde, lediglich enthauptet worden. Ebd., S. 323f. 863 Ebd., S. 288 u. 290f. 864 Ebd., S. 309. In diesem Kontext entstand auch die Flugschrift: Brenz, Johannes, Vom Gehorsam der Untertanen gegenüber der Obrigkeit, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 285–292.

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des Reichstags von Speyer aus dem Jahr 1526.865 Die Rezeption des Reichsabschiedes unter dem Aspekt der wiedererhaltenen Ehre ist typisch für die Geschichtsdarstellungen, die ebenfalls von diesem Reichstag berichten. Für sie endet der ‚Bauernkrieg‘ mit der gesühnten Schuld und der Frage, ob die Herrschenden dem Reichsabschied Folge leisteten.866 In der modernen Forschung wird dagegen die dortige Diskussion über die soziale Dimension der „Zwölf Artikel“ hervorgehoben. Von den zeitgenössischen Geschichtsschreibern wird dieser Aspekt der Reichstagsverhandlungen allerdings nicht wiedergegeben. Für sie steht allein der Aspekt der Ehre im Mittelpunkt.867 Der Bericht über die Geschehnisse in der pfalzgräfischen Stadt Bretten ist ebenfalls als Städtelob zu verstehen. Der Autor der Schrift, Georg Schwarzerdt, der Bruder Philipp Melanchthons und späterer Bürgermeister der Stadt, stellt zwar die didaktische Schreibansicht in seinem Vorwort heraus,868 betont aber in seinem Fazit den Ehrgewinn der Stadt im Kontrast zum Ansehensverlust anderer Orte: „Allein die von Bretthaim wurden ihres Wohlhaltens von menniglich hoch gepriesen und von Jedermann gerümbt und bekamen hiemit gantz ein gut Geschrey“.869 Nach Schwarzerdts Darstellung versuchten die ‚Aufständischen‘ aus dem Umland, durch List und Überredungskünste in die Stadt zu gelangen, um Kaufmannswägen, die sich innerhalb der Stadtmauern befanden, zu plündern.870 Dem Rat sei dabei das Verdienst zuzusprechen, dass sich die Stadtgemeinde nicht dem ‚Aufstand‘ anschloss. Das Lob auf den Rat geht einher mit der Herabsetzung der pfalzgräfischen Autorität. So sei der Amtmann zu unerfahren gewesen und habe, als er

865 Hoffmann, Bauernkrieg um Schwäbisch Hall (wie Anm. 748), S. 352. Im § 6 des Reichabschieds wurde beschlossen, dass jede Obrigkeit ihre Untertanen nach vollzogener Strafe in den alten Stand ihrer Ehren zurücksetzten sollte. Dies hieß, dass diese wieder Rats- und Gerichtsämter ausüben durften. Desweitern sollten ihre Beschwerden gehört und „nach gestalt der sach“ gebessert werden. Wolgast, Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V. (wie Anm. 808), S. 882. 866 Den Reichstag zu Speyer bewerteten unter diesem Aspekt neben Hoffmann auch noch Schwarzerdt, Cronthal und Ranft: Würdinger, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt (wie Anm. 752), S. 44. Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 112–115. Und: Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), S. 123f. 867 Bei Vogler etwa wird § 6 erwähnt, aber alleine unter dem Versuch subsumiert, einen zukünftigen ‚Aufstand‘ zu verhindern. Vogler, Günter, Der deutsche Bauernkrieg und die Verhandlungen des Reichstags zu Speyer 1526, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 23/7 (1975), S. 1396–1410. Blickle thematisiert den Reichstag alleine unter der Perspektive der Konflikteindämmung durch die Auseinandersetzung mit den Ursachen der ‚Erhebung‘. Blickle, Die Revolution von 1525 (wie Anm. 9), S. 247–253. 868 Würdinger, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt (wie Anm. 752), S. 11f. 869 Ebd., S. 44. 870 Ebd., S. 18.

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gegen die Empfehlungen des Rats gehandelt habe, beinahe eine ‚Erhebung‘ der Einwohner verursacht. Nach Schwarzerdt konnte erst der Bürgermeister die Situation entschärfen, als er die Schlüssel zur Stadt aus den Händen des Amtmanns an sich nahm.871 Die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ lässt sich auf diese Weise als ein Plädoyer für mehr städtische Selbstbestimmungsrechte verstehen. Wie auch in Schwäbisch Hall sah der Rat in der Beteiligung einer größeren Bevölkerungsschicht an der städtischen Regierung ein Mittel, um sich eines größeren Rückhalts in der Bevölkerung zu versichern und um das Potential eines ‚Aufstands‘ zu mindern.872 Die Bauernkriegsgeschichte des Basler Schreibers Heinrich Ryhiner unterscheidet sich in der Charakterisierung des Rats kaum von seinen Pendants aus Schwäbisch Hall und Bretten. Auch Ryhiner betrachtet die Handlung des Rats als „vyl rümens wert.“ Explizit will er die Vernunft, Güte und Milde des Gremiums hervorheben und darstellen, wie die Stadt durch ihre Verhandlungsmission im Elsass viel „lop“ erhalten habe.873 Zu Beginn des Texts findet sich jedoch schon die Andeutung, dass der ‚Bauernkrieg‘ in Basel eine „verhasste“ Sache gewesen sei – ein Ereignis, an das man sich nur ungern erinnere.874 Wie Ryhiner später schreibt, verstanden die Städter die Geschehnisse offenbar als eine Tragödie, in der sie mehr verloren als gewonnen hätten.875 Ryhiners Geschichtsentwurf einer Heldengeschichte war in diesem Sinn nicht kompatibel mit dem Geschichtsbewusstsein innerhalb der Stadt. Zwar stellte er seine Schrift fertig, dem Rat wurde sie aber nicht übergeben.876 In allen drei klösterlichen Geschichtswerken wird der Ruhmgewinn für den jeweiligen Konvent dargestellt. Das Frauenkloster Heggbach habe sich zwar den ‚Aufständischen‘ anschließen müssen, das Verhalten der Nonnen und besonders das Agieren der damaligen und zukünftigen Äbtissin werden jedoch als vorbildlich präsentiert.877 Der glimpfliche Ausgang der ‚Erhebung‘ bestand für die anonyme Berichterstatterin aus Heggbach darin, dass die Nonnen körperlich unversehrt blieben und das Kloster im Gegensatz zu anderen nicht zerstört wurde. Diese angebliche Ausnahme stilisiert die Chronistin als Gotteslohn für das fromme Verhalten der

871 Ebd., S. 24–27. 872 Ebd., S. 21f. 873 Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 470–472. 874 Ebd., S. 471. 875 Ebd., S. 465. 876 Vgl. oben Kapitel 1.3. 877 Im Grund trat der Konvent zweimal der Bauernversammlung bei, einmal durch das Anbringen von einem Farbsymbol über dem Tor und dann als Resultat von Verhandlungen. Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 284 und 287. Als Leitvorstellung für vorbildliches Agieren erscheint das kecke Verhalten. Die spätere Äbtissin wird als „keck“ im Gegensatz zu anderen Nonnen charakterisiert, die verzagt gewesen seien. So habe die Äbtissin Hoffnung nach einem Gottesdienstbesuch erfahren: „Sy waß vil kecker, dan vor.“ Ebd., S. 283 u. 286. Genau wie bei dem Chronisten aus Schwäbisch Hall meint „keck“ damit auch hier „zuversichtlich“, „anpackend“ und „mutig“. Siehe diese Arbeit Anm. 856.

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Nonnen während der ‚Erhebung‘, in der sie ihre Glaubensfestigkeit demonstriert hätten.878 Die Deutung des Ruhmgewinns durch göttliche Intervention als Folge des gelebten Glaubens verdichtet sich vor allem auf eine Szene. Als die Bauern in der Fastenzeit einen Ochsen geschlachtet und das teils rohe Fleisch gegessen hätten, hätten die Nonnen an den Geboten Gottes festgehalten. Während die Bauern für ihr Verhalten bestraft worden seien, habe Gott, so die Chronistin, die Frommen beschützt.879 Obwohl die ‚Aufständischen‘ es angesichts ihrer Verfehlungen nicht verdient hätten, habe die Äbtissin den Truchsess von Waldburg-Zeil bei der Bestrafung ihrer Untertanen um Milde gebeten, weswegen die einzelnen Orte nicht niedergebrannt worden seien.880 Im Gegensatz zu Heggbach wurde das Kloster Irsee im Jahr 1525 von den ‚Aufständischen‘ fast vollständig zerstört. Der Chronist der Ereignisse, der Mönch Marcus Furter, stilisiert die Geschichte des Konvents während des ‚Bauernkriegs‘ jedoch ebenfalls als eine Siegesgeschichte.881 Er deutet die Mönche als „fortes Christi athlethae“, tapfere Kämpfer Christi, die sich in größter Not bewährt hätten.882 Ihr Elend habe sich aus dem Zerstörungswerk der Bauern gegen das Kloster und dessen heilige Gegenstände gespeist. Eineinhalb Jahre mussten die Mönche bis zu dem provisorischen Wiederaufbau der Abtei unter schlechten Verhältnissen in Kaufbeuren leben. Die Rückkehr ins Kloster stellte Furter schließlich als Triumphzug dar: Von Nachbarn und Helfern in Kaufbeuren seien sie aufrichtig zur ihrer Heimkehr beglückwünscht worden. Furters Darstellung handelt folglich davon, wie das Kloster trotz widrigster Umstände fortbestand und wie sich die Mönche im Vertrauen auf Gott ausgezeichnet hätten. Der Text schließt dementsprechend sentenzhaft: Diejenigen, die auf Gott vertrauten, empfänden keine Last mehr: „tamen Christi charitas, in fratrum cordibus diffusa, adeo cuncta patienter supportabat, ut, consuetudine paulatim inolescente.“883 Die zeitgenössisch nicht fertiggestellte Bauernkriegsgeschichte des Abts Jacob Murer von Weißenau lässt sich ebenfalls als eine Darstellung des Ehrgewinns lesen. So hebt der Chronist hervor, dass das Kloster unzerstört geblieben sei und die Mönche sich nicht den Bauern hätten anschließen müssen. Die Untertanen seien nach

878 Bezeichnenderweise steht diese Deutung am Schluss des Texts. Ebd., S. 292f. 879 Ebd., S. 290 u. bes. S. 292. Die demonstrative Überschreitung des Fastengebots ist typisch in der Frühreformation. Exemplarisch: Goertz, Hans-Jürgen, Die Täufer. Geschichte und Deutung (Edition Beck), München 1980, S. 14. 880 Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 290. 881 Die Zerstörung von Klöstern und Herrensitzen stellt er als typische Begleiterscheinung der ‚Erhebung‘ dar: Furter, Historia belli rusticorum (ursinensium) (wie Anm. 770), S. 317. 882 Ebd., S. 333. Die Größe der Not, welche nach Furter zu beweinen gewesen sei, wurde mittels Unsagbarkeitstopos in der Einleitung nur angedeutet. Er ist eine wiederkehrende Stilfigur. Ebd., S. 317 u. 336. Der Terminus „fortes Christi athlethae“ erinnert an Kreuzzugspredigten. Riley-Smith, Jonathan, The first crusade and the idea of crusading, London 1986, S. 13–30 u. 91–119. 883 Ebd., S. 352.

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ihrer Niederlage vom Abt überaus Milde behandelt worden, wofür diesem jedoch nicht gedankt worden sei. Maßgeblich sei der Abt schließlich dafür verantwortlich gewesen, dass die Untertanen wieder ihren Huldigungseid leisteten.884 Zwar wurde die Darstellung nicht fertiggestellt, die teils schon gezeichneten Bilder in der überlieferten Konzeptfassung deuten aber ebenfalls auf einen ausgeprägten Repräsentationswillen hin. Typisch für die Darstellungen, die auf den Ehrgewinn einer bestimmten Person oder Institution abzielen, ist die Zurschaustellung einer erfolgreichen Bewährungsleistung der handelnden Protagonisten. Diese hätten sich durch ihre ideale Amtsführung auszeichnen können, indem sie keine Missstände aufkommen ließen, auf eine friedliche Einigung abzielten, im Zweifelsfall jedoch entschlossen handelten und Milde gegen die unterlegene Partei walten ließen. Bei den Städten trat die Leistung hinzu, einen ‚Aufstand‘ im Innern verhindert zu haben und als Verhandlungspartner auf eine friedliche Einigung zwischen den auswärtigen ‚Aufständischen‘ und ihrer Obrigkeit hingewirkt zu haben. Bei den Klöstern wurde Erfolg und Ehrgewinn vor allem als das Festhalten am Glauben und als die Aufrechterhaltung der klösterlichen Tradition interpretiert. Die Autoren propagierten den Ehrgewinn teils direkt oder betonten die Anerkennung, die den Akteuren von Gott oder den Zeitgenossen zugesprochen worden sei. Aber auch der ausgebliebene Dank für die Verdienste der Protagonisten ließ sich, wie im Fall der Darstellung von Jacob Murer, als Appell an die Leser verstehen, dieses vermeintliche Versäumnis nachzuholen. Bei den drei bischöflichen Chronisten, Fries für Würzburg, Müllner für Bamberg und dem Anonymus für Speyer, fällt eine eindeutige Zuordnung zu einer bestimmten Erinnerungspolitik schwer. Die jeweiligen Bischöfe hatten ihre Ehre nicht in dem Sinn verloren, dass sie bestraft worden wären. Andererseits konnten die Chronisten aber auch nur schwerlich offensiv für einen Ehrgewinn ihrer Protagonisten werben. Der Bamberger Bischof hatte einem Vertrag zustimmen müssen, in dem das Domkapitel aufgehoben wurde, und die Bischöfe von Speyer und Würzburg waren, da sie die ‚Erhebungen‘ in ihren Hochstiften nicht eindämmen konnten, zum Pfalzgrafen nach Heidelberg geflohen. Alle drei Chronisten versuchen, ihre Herren gegen entsprechende Kritik zu immunisieren. Unter höchsten Gefahren hätten sie jeweils mit den Untertanen verhandelt, zu deren ‚Aufstand‘ sie keinen Anlass geliefert hätten.885 Die Flucht des Würz-

884 Franz, Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525. Text und Kommentar (wie Anm. 729), S. 27–35. 885 In einer Diskussion am Würzburger Bischofshof wurde indirekt der Topos „Ecclesia non sitit sanguinem“ zitiert. Der Würzburger Bischof sei schließlich laut Fries unter Lebensgefahr auf einem Landtag in der Stadt erschienen, nach Müllner sei der Bamberger Bischof beinahe bei Verhandlungen erschossen worden und der Bischof von Speyer sei laut dem anonymen Chronisten den Untertanen durch das Hochstift hinterher gereist, um doch noch eine Einigung zu erzielen. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm.

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burger Bischofs nach Heidelberg stellt Lorenz Fries als Versuch dar, Hilfe für die von den ‚Aufständischen‘ eingeschlossene Besatzung des Marienbergs zu organisieren.886 Der Chronist aus Speyer behauptet, dass dem Bischof zu seiner Flucht geraten worden sei.887 Der Bamberger Chronist Martin Müllner erklärt wiederum, dass es der Bischof mit seinem Vertrag, zu dem er gezwungen worden sei, nicht ernst gemeint habe.888 Alle drei Darstellungen enden schließlich mit der Bestrafung der Untertanen und dem erneuten Schwur des Untertaneneids.889 In diesem Darstellungsschema, das den ‚Bauernkrieg‘ als Verstoß der Untertanen gegen die Ordnung und deren Wiederherstellung beschreibt, aktualisiert sich einerseits das biblische Deutungsmuster von Hochmut und Fall, andererseits bezieht sich die Darstellung der Huldigung auch auf das wiederhergestellte Ansehen der Obrigkeit.890 So glaubte dem Anonymus aus Speyer zufolge der Markgraf von Baden durch die ‚Erhebung‘ große Schmach erlitten zu haben, weswegen er die Untertanen strafen wollte.891 In diesem Sinn setzte die Bestrafung einen symbolischen Schlusspunkt unter die Ereignisse. Der Herrscher demonstrierte seine Handlungsfähigkeit, und die Untertanen mussten im Akt der Huldigung die zerstörte Treuebeziehung erneuern.892 Explizit hätten laut Müllner die Bamberger Untertanen gestanden, gesündigt zu haben, eine Deutung, die der Darstellung seines städtischen

20), 22f. u. 156–158. Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 104. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 20–26. 886 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 278f. u. 320. 887 Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 20. 888 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 108. 889 Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 41. Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 156f. Bei Lorenz Fries, dessen Werk aus drei Hauptkapiteln besteht, huldigen die Untertanen am Ende jedes Abschnitts dem Bischof: Diese drei Kapitel schildern anhand von unterschiedlichem Quellenmaterial den ‚Bauernkrieg‘ jeweils chronologisch. Im letzten Kapitel wird schließlich die Geschichte eines jeden einzelnen Amts während der ‚Erhebung‘ dargestellt. Am Ende dieser 39 Einzelkapitel wird jedes Mal die Bestrafung der Untertanen dargestellt. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 1–339. Die bei Fries wiedergegebenen Listen der Gerichteten stützen sich auf eine Mitschrift, die Fries selbst anfertigte. Staatsarchiv Würzburg, Historischer Verein, Ms.f. 122. 890 Das Deutungsmuster von Hochmut und Fall lässt sich bereits in der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel finden. Zu diesem Erzählmuster als argumentatives Mittel in der Geschichtsschreibung siehe außerdem Kapitel 3.1.4. Die Huldigung der Untertanen wird auch am Ende folgender Darstellungen hervorgehoben. Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 292. Franz, Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525. Text und Kommentar (wie Anm. 729), S. 35. 891 Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 38. 892 Vgl. auch: Holenstein, Die Huldigung der Untertanen (wie Anm. 157), S. 409–418.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte

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Kontraparts zuwiderläuft.893 In diesem Sinn kann man den Darstellungen der bischöflichen Sekretäre unterstellen, dass sie die erhaltene oder wiedergewonnene Herrschaftskompetenz der Bischöfe thematisieren. Der Bamberger Chronist betont zudem die Rückkehr zum katholischen Ritus.894 Andererseits finden sich in den Darstellungen von Fries und Müllner auch Indizien, dass die Darstellungen als Erzählungen der gesteigerten Ehre zu verstehen sind, auch wenn dieses Erzählmuster im Vergleich zu den bisher vorgestellten Geschichtswerken weniger stark ausgeprägt ist. Insbesondere Lorenz Fries bewertet die Handlungen aller Beteiligten danach, wie lange und wie intensiv sie den ‚Aufständischen‘ Widerstand leisteten. So hätten es in Iphofen zahlreiche Bürger abgelehnt, sich den ‚Aufständischen‘ anzuschließen, und erklärt, dem Bischof bis in den Tod die Treue zu halten. Der Chronist verzeichnet ihre Namen mit folgender Absicht: „darumb ich sie, den nachkomen zu ainem exempel, mit namen und zunamen herbey gesetzt“.895 Zudem wünscht er sich, dass Sebastian von Rotenhan, der maßgebliche Verteidiger des Marienbergs „in ewig zeit gepreyst werde.“ Allerdings will Fries auch nicht „disen ainigen man vor andern, die gleicher weys in der besatzung gewest und darin das best gethan haben, so hoch ufwerfen“.896 Wohl aus diesem Grund listet er die Namen aller Burgbesatzer auf und setzt ihnen – wie dies auch außerhalb der Chronistik mit Gedichten, Flugblättern oder Inschriftentafeln geschah – seinerseits im Medium der Geschichtsschreibung ein Denkmal.897 In seiner Darstellung kommt dem Bischof die Rolle zu, durch seine Flucht nach Heidelberg die Rettung der Burgbesatzung erst ermöglicht zu haben, da er von dort aus die Hilfe des Schwäbischen Bund angeblich wirksamer

893 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 156. Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 86. 894 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 125. 895 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 153. 896 Ebd., I, S. 151. 897 Ebd., I, 151 u. S. 182–188. Auch Peter Harer betrachtet die Burgbesatzer als Helden: Wenn nicht so viele gute, ehrliche und tapfere Leute in der Besatzung gelegen wären, hätten die Bauern die Burg beinahe erobert. Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 78f. Ambrosius Geyer lobt die Burgbesatzer für ihre „mannlich und ritterlich“ Taten. Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 744. Sebastian von Rotenhan stilisiert sich nach dem ‚Bauernkrieg‘ selbst zu einem Helden der Ereignisse. Vgl. Fuchs, Franz, Lorenz Fries, Christoph Scheurl und Sebastian von Rotenhan. Ein neuer Bericht über die beurisch auffrur 1525, in: Lorenz Fries und sein Werk. Bilanz und Einordnung, hg. von Franz Fuchs/ Stefan Petersen/ Ulrich Wagner/ Walter Ziegler (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 19), Würzburg 2014, S. 197–219. Zu der Stilisierung von Burgbesatzungen als Helden vgl. auch: Hamm, Joachim, „Die geselschaft hats gedichtet/ auf unser Frawenberg“. Der Würzburger Aufstand von 1525 in der zeitgenössischen Literatur, in: Kulturstadt Würzburg. Kunst, Literatur und Wissenschaft in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Dorothea Klein/ Franz Fuchs, Würzburg 2013, S. 185–211.

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organisieren konnte.898 Angesichts seines postulierten Unparteilichkeitsanspruchs, niemanden „zu lieb oder zu laid zu schreyben“, war eine zu direkte Stellungnahme für die gesteigerte Ehre des Bischof vielleicht auch gar nicht zweckdienlich.899 Überzeugender dürfte im Sinne der Einleitung vielmehr die indirekte Charakterisierung gewesen sein.900 Auf den repräsentativen Charakter der Darstellung, die nur als Konzeptfassung überliefert ist, weisen insbesondere die Anweisungen hin, Bilder in die Darstellung einzufügen. Warum diese illustrierte Reinschrift nicht angefertigt wurde, bleibt jedoch unklar.901 Der Chronist des Bamberger Bischofs, Müllner, geht in den letzten Zeilen seiner Darstellung auf die causa scribendi explizit ein: Er habe seine Darstellung nicht verfasst, um jemanden eine „verletzung“ zuzufügen, sondern um den Herrschenden ein Richtschnur an die Hand zu geben, mit der sie die Untertanen bei einem erneuten ‚Aufstand‘ warnen können.902 Sein Text ist in diesem Sinn als ein Exempel für die Aussichtslosigkeit von ‚Erhebungen‘ zu verstehen. Wie Geschichtswerke zu diesem brisanten Thema jedoch ohne Ehrverletzungen geschrieben werden könnten, ließ Müllner offen. Seine Aussage ist vielleicht dahingehend zu verstehen, dass für

898 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 320. 899 Ebd., S. 3 u. 332 (Zitat). 900 Aufschlussreich ist in diesem Sinne auch die Parallelisierung des Bischofs mit Sebastian von Rotenhan, der von Fries direkt gelobt wird. Über ihn schreibt er: „wa diser von Rotenhan mit seinem fursichtigen rathen, reden, trosten, anrichten, manen, arbaiten und anderm in der besatzung nit gewest, das Unserfrauenberg (auserhalb gottes hilf, der hierin wunderbarlich gehandelt hat) vor den bauren ganz beschwerlich behalten worden were“. Ebd., I, S. 152. Fries stellt in Bezug auf den Bischof eine Episode dar, in welcher der Schultheiß von Heidingsfeld, Endres Butner, den Bischof gebeten habe, vor den ‚Aufständischen‘ Zuflucht auf dem Marienberg suchen zu dürfen. Konrad von Thüngen habe jedoch abgelehnt und begründet, dass der Schultheiß den Untertanen keinen Grund geben dürfe, über die mögliche Abwesenheit der Obrigkeit zu klagen. Endres Butner habe notgedrungen mit Tränen in den Augen eingewilligt und sei während der ‚Erhebung‘ in Heidingsfeld geblieben. Nach dem ‚Aufstand‘ hätten die Räte des Bischofs die Verhaltensweise des Schultheißens verbreitet und hätten ihn auf diese Weise öffentlich für seine Treue gelobt. Durch die Aufnahme dieser Anekdote stellt Fries folglich nicht nur das Verhalten des Schultheißen, sondern auch das des Bischofs als vorbildlich dar. Ebd., II, S. 136–138. 901 Angesichts der fehlenden zeitgenössischen Anhaltspunkte ist eine Reinfassung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht entstanden. So kannte Johann Reinhard, der Fries' Bischofschronik und Bauernkriegsgeschichte größtenteils in seiner Bischofschronik übernahm, in der Mitte des 16. Jahrhunderts nur das bis heute erhalten gebliebene Konzept. Ludewig, Johann Peter (Hg.), GeschichtSchreiber von dem Bischoffthum Wirtzburg, Frankfurt am Main 1713, S. 873. Zur Reinharts Bischofschronik vgl. Bünz, Enno, Der Würzburger Dompräsenzmeister Johann Reinhart und seine Bearbeitung und Fortsetzung der Fries-Chronik, in: Lorenz Fries (1489–1550). Fürstbischöflicher Rat und Sekretär: Studien zu einem fränkischen Geschichtsschreiber, hg. von Ulrich Wagner (Schriften des Stadtarchivs Würzburg, Bd. 7), Würzburg 1989, S. 89–105. 902 Zu Beginn und Ende des Texts: Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 97 u. 157.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte



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einen höheren Schreibanlass diese Wirkung in Kauf genommen werde müsse und im Grunde unumgänglich sei. Umgekehrt war ein solch didaktisches Anliegen aber auch auf positive Vorbilder angewiesen. Wie Lorenz Fries stilisiert auch Müllner die Burgbesatzer in Bamberg zu Helden, indem er jeden einzelnen mit Namen verzeichnet. Unter diesen befindet sich im Falle Bambergs auch der Bischof.903 Die Darstellung Müllners wirbt zwar nicht offensiv für die Ehrsteigerung des Bischofs, präsentiert ihn jedoch durchweg als positive Figur.904 3.2.2.2 Die Bewahrung der Ehre Eine zweite Gruppe von Autoren stellt ihre Protagonisten zwar ebenfalls unter dem heroischen Aspekt dar, für ihre Ehre gekämpft und diese nicht verloren zu haben, zeitgenössisch war diese Deutung jedoch höchst umstritten und drohte für die Beteiligten in juristische Konsequenzen zu münden. In den Texten spiegeln sich diese Kontroversen teils recht deutlich wider. Es lassen sich zwei Gruppen von Darstellungen unterscheiden, diejenigen, in denen das richtige Verhalten der Protagonisten durch eine übergeordnete Instanz bestätigt und eine zweite Gruppe, in welcher der Erhalt der Ehre lediglich proklamiert wird. Der Füssener Stadtschreiber Martin Furtenbach thematisiert, wie die Stadt „one hilf ires (Stadt)herrn erret“ worden sei.905 So habe sich Füssen, um den Anschluss an die Bauern zu vermeiden, der Herrschaft Ferdinands von Österreich unterstellen müssen. Nach der ‚Erhebung‘ legte der Bischof von Augsburg, der Stadtherr Füssens, dieses Verhalten allerdings als Untreue aus. Die Darstellung Furtenbachs schließt damit, dass der Bischof schließlich seine Strafandrohungen fallen ließ und damit die Deutung der Stadt akzeptierte, keine Schuld auf sich geladen zu haben. Bei Furtenbach sind die Rollen klar verteilt: Während der Bischof seiner Stadt keinen Schutz gewähren kann, verhandelt Füssen mit den ‚Aufständischen‘ aus dem Gebiet des Bischofs, beginnt schließlich mit der Rüstung und organisiert Hilfe.906 Als Bedingung für den militärischen Beistand Österreichs habe die Stadt jedoch Erzherzog Ferdinand den Untertaneneid schwören müssen. Aus den wiederge-

903 Ebd., S. 120. Ebenfalls werden Adelige aufgezählt, die sich nicht den ‚Aufständischen‘ anschlossen, S. 123f. 904 Die Darstellung der Bischofsgestalt in der Geschichtsschreibung des Anonymus aus Speyer folgt ebenfalls diesem Muster. So wird etwa ein Vertrag des Bischofs mit den ‚Aufständischen‘ dadurch entschärft, dass der Autor eine nahezu identische Einigung des Pfalzgrafen mit seinen Untertanen anführt. Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 27–29. 905 Schon die zeitgenössische Überschrift liefert diese Inhaltsangabe. Furtenbach, Füßner Bericht (wie Anm. 238), S. 419. 906 Zu den Verhandlungen mit den Stiftsuntertanen vgl. ebd., S. 419f. Zur unterbliebenen Hilfe des Bischofs vgl. ebd., S. 420f. u. 429. Zur Kriegsordnung und der Gründung eines beratenden Ausschusses vgl. ebd., S. 425f. u. 431. Zum Hilfegesuch an Österreich, dass auf die Initiative des Augsburger Pflegers zustande gekommen sei, vgl. ebd., S. 430.

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gebenen Dokumenten geht die Deutung des Autors, dass es sich bei dem Herrschaftswechsel nur um einen Bluff gehandelt habe, nicht klar hervor. Mündlich, so Furtenbach, sei abgesprochen gewesen, dass man die ‚Aufständischen‘ auf diese Weise in die Irre habe führen wollen, da sie nicht Ferdinand, sondern den Bischof als Feind betrachtet hätten.907 Als der Bischof im Dezember 1525 persönlich in Füssen erschienen sei, habe er den Standpunk des Treuebruchs vertreten. Er habe versucht, den Beschluss des Schwäbischen Bundes zu verheimlichen, in dem vereinbart wurde, Füssen dem Bischof in Güte zu überstellen. Erst als die Stadt selbst einen entsprechenden Brief vorgelegt habe, habe der Bischof die Schuldlosigkeit der Stadt akzeptiert.908 Die Darstellung Furtenbachs lässt sich daher als die Geschichte der erhaltenen Ehre der Stadt im ‚Bauernkrieg‘ verstehen, die laut dem Chronisten alles unternommen hatte, um einen Anschluss an die Bauern zu verhindern und im Nachhinein zu Unrecht für ihren angeblichen Treuebruch beschuldigt wurde. Die Frankfurter Bauernkriegsgeschichte endet ebenfalls in einer Konfrontationsszene, in welcher über die Ehre der Stadt gestritten wird. In seinen Ausführungen legt der Stadtschreiber Johann Marsteller dar, wie der Rat trotz intensiver Bemühungen die Kontrolle über die Einwohner verloren habe und de facto entmachtet worden sei.909 Trotzdem sei es ihm jedoch gelungen, ein Bündnis zwischen der Stadt und den Bauern zu verhindern.910 Angesichts der neuen Ordnung, welche der Rat auf Druck der ‚Aufständischen‘ habe erlassen müssen, habe der Schwäbische Bund der Stadt mit der Bestrafung gedroht.911 Der Rat habe in dieser Bedrohungssituation die Verhandlungen geführt und erreicht, dass der Bund diese Drohung nicht einlöse, wenn alle Veränderungen rückgängig gemacht werden würden.912 Der Stadtrat habe sich daraufhin an die Zünfte, den Trägern des innerstädtischen ‚Erhebung‘, gewendet und mit der Aussichtslosigkeit des Widerstands und mit dem Verlust der städtischen Privilegien argumentiert.913 Die Mehrheit der Zünfte hätte daraufhin der Rückkehr zur alten Ordnung zugestimmt.914 In diesem Sinn vertritt der Text die These der erhaltenen Ehre, da der Rat die Stadtbewohner von einem Bündnis mit den Bauern zurückgehalten und eine Bestrafung abgewendet hat.915

907 Ebd., S. 449–453. 908 Ebd., S. 461–471. 909 Über die vergeblichen Bemühungen, einen ‚Aufstand‘ zu verhindern, vgl. Jung, Johann Marstellers Aufruhrbuch (wie Anm. 238), bes. S. 175 u. 179–182. Als die Artikel der Zünfte schließlich umgesetzt werden mussten, urteilt Marsteller: „das konnde mit nichten abgewendt werden“. Ebd., S. 183. Zum Versuch, die noch radikalen Artikel zu verhindern, vgl. ebd., S. 202f. 910 Explizit wurde hier von Seiten des Rats mit dem Verlust der Ehre argumentiert. Ebd., S. 193f. 911 Ebd., S. 217f. 912 Ebd., S. 219–224. 913 Ebd., S. 223. 914 Ebd., S. 224–230. 915 In der Einleitung findet sich ein eher allgemein gehaltenes Städtelob. Ebd., S. 174. Besonders der stete Rekurs auf die Ehre einer Reichsstadt und deren Privilegien ließ sich argumentativ in

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Aus der Perspektive des Bamberger Stadtrats oder zumindest aus der Sichtweise einer Stadtratsfraktion berichtet der Text, der traditionell Marx Halbritter zugeschrieben wird.916 Die Haltung des Erzählers zur ‚Erhebung‘ ist differenziert zu beurteilen. Während er die Einigung mit dem Bischof bezüglich der Absetzung des Domkapitels begrüßt, verurteilt er den zweiten ‚Aufstand‘, der kurz nach dieser Einigung ausgebrochen sei.917 Als der Schwäbische Bund sich schließlich auf den Weg nach Bamberg gemacht habe, hätten die Stadt und der Bischof vereinbart, dass sich der Ort auf Gnade und Ungnade ergeben solle. Die Stadt habe jedoch erst unter der Bedingung zugestimmt, dass kein Unschuldiger in Bamberg gestraft werden dürfe. Laut dem Erzähler habe der Bischof damit anerkannt, dass sich die Städter während der ‚Erhebung‘ wie „frume treue untertanen“ verhalten hätten.918 Diese Vereinbarung sei allerdings nicht eingehalten worden. So habe der Schwäbische Bund diese Absprache nicht beachtet und die Stadt geplündert. Aus dem Umfeld des Bischofs sei daraufhin ein Vertragsentwurf verbreitet worden, in dem die Bamberger drei Punkte anerkennen sollten: Erstens hätten sie für entstandene Schäden der Ritterschaft während des ‚Bauernkriegs‘ aufzukommen, zweitens sollten sie Waffen und Rüstungen abgeben und müssten drittens die Schuld anerkennen, treulos gegen den Bischof gehandelt zu haben. Auf einer Versammlung am 21. Oktober 1525 habe die Stadtgemeinde über diesen Vertrag beratschlagt. Sie habe es als „schmach und lesterung“ empfunden, den Untreuevorwurf zu akzeptieren. Die Städter hätten eher sterben wollen, als dieser Vereinbarung zuzustimmen.919 Die Gemeindeversammlung habe deswegen beschlossen, eine Delegation zum Bischof zu schicken. Da der Stadtschreiber und die Bürgermeister sich an dieser Mission nicht beteiligt hätten, sei Marx Halbritter zum Redner bestimmt worden. Vor dem Bischof habe er den Schaden des Untreuevorwurfes für die Stadt dargelegt.

Stellung bringen, weder Spott noch Schmach auf sich zu ziehen. Ebd., S. 194. Ob es sich bei dem inzwischen zerstörten Text um ein Fragment handelt, ist unklar: Der Text endet relativ abrupt mit der Überstellung eines Bittgesuchs der Zünfte, zumindest einige Änderungen beibehalten zu dürfen. Über den Ausgang der Supplikation macht Marsteller keine Angaben. Ebd., S. 230. 916 Zur Autorenproblematik vgl. Chroust, Anton (Hg.), Chroniken der Stadt Bamberg. Bd. 2: Chroniken zur Geschichte des Bauernkrieges und der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Bd. 1,2), Leipzig 1910 (Nd. 2005), S. XLIIf. 917 Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 22–25. 918 Ebd., S. 56–59 (Zitat: S. 59). 919 Ebd., S. 69–78 (Zitat: S. 77). Noch in zwei Ereignisliedern nach der ‚Erhebung‘ wurde der Vorwurf erhoben, „(e)re gelubd und treu“ vergessen zu haben. Anonymus, Zwei historische Gedichte auf den Aufstand zu Bamberg, in: Chroniken der Stadt Bamberg. Bd. 2: Chroniken zur Geschichte des Bauernkrieges und der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang, hg. von Anton Chroust (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Bd. 1,2), Leipzig 1910 (Nd. 2005), S. 191–204, S. 201.

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solten wir uns tätigs verschreiben, käm uns, unsern kindern und nachkumen zu laster, auch zu verderben an unser gutern; wir möchten unsere kind nit mit geburtspriefen verfertigen, dessgleichen die lehrjungen mit den lehrpriefen. Welcher ehrliebender man wolt mit uns handeln? wie wurden wir unsere gericht besitzen? was gult dann unser sigil, damit wir die warheit bekreftigen sollen? Darzu wurden unser handwerkleut verderben, dann in wurd kein gesell arbaiten, ursach, er wurd anderstwo fur unredlich seins handwerks geacht.920

Untreue führe demzufolge zum wirtschaftlichen Ruin, zum Autoritätsverlust der Gerichte und zu einem generationsübergreifenden Makel. Halbritter hätte, so der Erzähler, seine Rede vor lauter Emotionalität nicht zu Ende bringen können, und auch der Bischof sei nach diesen Worten erschrocken und in Tränen ausgebrochen. Er habe bekannt, die Stadt nicht durch falsche Vorwürfe beschädigen zu wollen. Wie sich angeblich herausstellte, sei der Vertrag durch die bischöfliche Verwaltung ohne das Wissen des Bischofs aufgesetzt worden. Nachdem alle ehrverletzenden Aussagen entfernt worden waren, habe die Stadt dem Vertrag zugestimmt.921 In diesem Sinne endete der ‚Bauernkrieg‘ mit der Wiederherstellung des guten Verhältnisses zwischen dem Landesherr und den Untertanen. Man kann die Aussageabsicht des Texts dahingehend interpretieren, dass der Ort seine Ehre bewahrt hatte, während lediglich Marx Halbritter von den Bürgermeistern für seine Leistung nicht angemessen gewürdigt wurde. Der Text lässt sich daher auch als Appell verstehen, diese empfundene Ungerechtigkeit zu beheben.922 In den anderen Darstellungen dieser Textgruppe wird die Wahrung der Ehre lediglich proklamiert, ohne dass darüber jedoch endgültig textintern entschieden wurde. Der Windsheimer Stadtschreiber Johann Greffinger spielt in seiner Darstellung das Ausmaß der ‚Erhebung‘ in der fränkischen Reichsstadt herunter, indem er über die innerstädtische Unruhe, die sich bereits im März und im April ereignete, nicht berichtet.923 Seine Darstellung beginnt stattdessen mit dem Aufforderungsschreiben der Bauern an die Stadt vom 16. Mai, sich der Versammlung anzuschließen.924 Laut Greffinger hätten sich Rat und Bürgermeister diesem Ansinnen stets widersetzen können.925 Die Darstellung umfasst ein Schreiben des Rates an Markgraf Casimir von Brandenburg, in dem der Rat die Vorwürfe des Markgrafen zu widerlegen versucht, dass die Stadt die Bauern unterstützt habe.926 Zwar räumt Greffinger

920 Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 80f. 921 Der Bamberger Bischof habe anerkannt, die Stadtbewohner nicht „schmehen“ zu wollen. Ebd., S. 86. 922 Ebd., S. 92f. 923 Einen ereignisgeschichtlichen Abriss bietet: Rechter, Der Bauernkrieg im oberen Aischgrund (wie Anm. 535). 924 Stadtarchiv Bad Windsheim, B 207, S. 3. 925 Greffinger gibt in stilisierter Form hierzu vor allem die Reden des Bürgermeisters wieder. Ebd., S. 7, 30–36, 38 u. 44f. 926 Ebd., S. 50–54.

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ein, dass sich am Ende des ‚Bauernkriegs‘ ‚Aufständische‘ in Windsheim befunden hätten, die Stadt sei jedoch nicht mit ihnen verbündet gewesen. Stattdessen habe man versucht, zwischen dem Markgrafen und den Bauern zu vermitteln, und habe überdies dem Markgrafen nach dessen Wünschen Proviant geschickt.927 Der Nichtanschluss an die Bauern bildet ebenfalls eine zentrale Aussage in der Darstellung Ulrichs von Rappoltstein, des Amtmanns des elsässischen Ortes Rappenweiler. In seiner Schrift, in welcher die Ich-Perspektive im Gegensatz zu allen anderen Darstellungen überwiegt, stellt der Autor dar, alles getan zu haben, um das Bündnis Rappenweilers mit den ‚Aufständischen‘ zu verhindern. Nur durch das eigenwillige Agieren der Bürger seien die Unruhestifter schließlich in die Stadt gelangt, obwohl Rappoltstein die Verteidigung organisiert habe.928 Sein Kampf gegen böse Gerüchte, seine Versuche, Vertrauen zu gewinnen, seine angebotene Vermittlerdienste zwischen der Stadt und der österreichischen Regierung sowie die wiederholt vorgebrachten Ermahnungen seien jedoch wirkungslos geblieben.929 Wie ein Mantra betont Rappoltstein zudem, dass er sich nicht den ‚Aufständischen‘ angeschlossen habe und dazu auch nicht gezwungen worden sei. Eher hätte er sein Leben verlieren wollen, als das Ansehen vor anderen Adeligen: „Ich miest mich beschemen vor firsten, heren vnd vor meinen her vatter, bruderen vnd frintschaften“.930 Trotz des Anschlusses an die ‚Aufständischen‘ versuchten zwei andere Schreiber, die Geschichte ihres Protagonisten im ‚Bauernkrieg‘ als die Geschichte der gewahrten Ehre darzustellen. Über die Geschehnisse in der hohenlohischen Stadt Öhringen berichtet der Stadtschreiber Alexander Hohenbuch. Im Mittelpunkt seiner sehr kurzen Darstellung steht der spätere Schwiegervater des Autors, der Keller Hans Sigginger. Erzählt wird davon, wie sich der Keller unter Zwang den ‚Aufständischen‘ habe anschließen müssen, das Fastengebot übertreten habe, jedoch von einer späteren Bestrafung durch den Schwäbischen Bund über Öhringen ausgenommen worden sei. Die Stadt selbst sei weniger hart bestraft worden als

927 Ebd., S. 34f., 47 u. 55f. 928 Baillet, La guerre des paysans (wie Anm. 304), S. 418f. 929 Ebd., S. 382–384 (Gerüchte), S. 386, 390, 392, 400–402, 408–410 (Vermittlerdienste und Ermahnungen). 930 Ebd., S. 420 (Wunsch, lieber zu sterben, als das Ansehen zu verlieren), 422 (verweigerter Schwur). Die Geschichte der erhaltenen Ehre kann aber auch als eine Geschichte der Auszeichnung verstanden werden. In der Leseempfehlung, die seine Frau an den gemeinsamen Sohn richtet, fordert sie ihn auf, den Untertanen trotz der Geschehnisse nicht feindlich gesonnen zu sein und die Erzählung als ein Beispiel zu nehmen, dass Gott die Seinen erretten werde: „damit du mit gottes hilff vnd gutter policy dissem vnd andern argen zu furkommen sey“. Staatsbibliothek München, Cgm. 4925, f. 24r–37v, 27r. Der Sohn, Egenolf von Rappoltstein, fasst diese Empfehlung allerdings lediglich dahingehend zusammen, dass man sich keinesfalls einem ‚Aufstand‘ anschließen dürfe, sondern sich gehorsam verhalten müsse. Michel, Daniel (Hg.), Ulrich der XI. Herr von Rappoltstein zu Hoheneck und Geroldeck im Wasgau vom Bauern-Aufruhr, in: Alsatia 1854/1855, S. 135–169, S. 135.

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andere, da sich die Tochter des Truchsessen für den Ort eingesetzt habe.931 Entsprechend dem vorgestellten Bewertungsschema, in dem die Behandlung der Akteure nach der ‚Erhebung‘ Aufschluss über ihre Ehre gibt, handelt dieser Text von der bewahrten Ehre des Kellers und vom glimpflichen Ausgang der Ereignisse für Öhringen. Eckard Wiegersheim, ein Bürger aus dem elsässischen Reichenweyer, nur wenige Kilometer von Rappenweiler entfernt, zog selbst mit den ‚Aufständischen‘ gegen den Herzog von Lothringen ins Feld. Er stellt dar, dass die Gemeinde zweimal die Anfragen der ‚Aufständischen‘ abgelehnt habe, in die Stadt zu gelangen. Zuerst habe der Appell, „Ehre und Gut zu retten“, bei den Städtern noch Wirkung zeigen können.932 Das zweite Mal habe der Rat hierfür jedoch seine Handlungsautonomie aufgeben und versprechen müssen, sich so zu verhalten wie die umliegenden Orte.933 Als die ‚Aufständischen‘ schließlich in großer Zahl vor Reichenweyer erschienen und andere Orte zu den Bauern übergelaufen seien, hätten einige aus der Stadt ihnen schließlich die Tore geöffnet. Eckard Wiegersheim betont jedoch, dass er sich den Bauern nicht anschließen musste.934 Wie es allerdings dazu kam, dass er sich im Aufgebot der Bauern befand, lässt der Autor offen. Bezüglich der eigenen Handlungen äußert Wiegersheim in seiner Darstellung kein Unrechtsbewusstsein. Nach der ‚Erhebung‘ habe er lediglich wie andere den Huldigungseid geschworen, weil sonst der Herzog von Lothringen erneut ins Land gefallen wäre. Auch gibt er am Ende seiner Darstellung die Begebenheit wieder, dass eine Gräfin von Rappoltstein nach dem ‚Aufstand‘ die Seile durchgeschnitten habe, mit denen die verurteilten ‚Aufständischen‘ noch leblos an den Bäumen hingen. Diese Anekdote lässt sich nicht nur als Geste der Barmherzigkeit interpretieren, die Leichen nicht den Tieren zu überlassen, sondern auch als nachträglicher Freispruch werten, da die Gräfin auf diese Weise ihren Unmut mit der Strafpraxis dokumentiert haben könnte.935 Die Darstellung endet schließlich mit der Lehre, die bestehende Ständeordnung nicht in Frage zu stellen: „Raro sunt boni exitus talium, qui volunt pares esse Dominis“.936 3.2.2.3 Die wiedererhaltene Ehre In der Erzählung aus dem Rheingau, deren Autor anonym bleibt, treten die Landschaft und deren Abgeordnete als eigentliche Protagonisten der Handlung auf. Zuerst hätten die Beteiligten versucht, zwischen den Untertanen und den Repräsen-

931 Hohenbuch, Nachricht vom Bauern-Krieg in der Graffschaft Hohenlohe (wie Anm. 337). 932 Die Orthographie des Textes wurde durch den Herausgeber modernisiert. Stöber, Diarium von Eckard Wiegersheim (wie Anm. 2), S. 343. 933 Ebd., S. 345. 934 Ebd., S. 348. 935 Ebd., S. 355f. 936 Ebd., S. 356.

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tanten des Erzstifts Mainz zu vermitteln. Nachdem die Verhandlungen allerdings fehlgeschlagen seien, habe sich ein Teil der Bevölkerung radikalisiert und die Aufhebung der Klöster gefordert. Der Erzähler steht diesem Ansinnen negativ gegenüber.937 Mit dem Sieg des Schwäbischen Bundes in Süddeutschland sei schließlich auch die ‚Erhebung‘ im Rheingau zusammengefallen. Die gesamte Landschaft habe Wehr und Harnisch an die Regierung des Erzbischofs überstellen müssen.938 Die Vertreter der Landschaft hätten vergeblich versucht, die kollektive Bestrafung der gesamten Region zu verhindern.939 Ausführlich schildert der Autor die Geschehnisse nach der Huldigung: Die Wiedererlangung der Rechtsfähigkeit der Landschaft im Jahr 1527, welche den Schlusspunkt der Darstellung bildet. Auffällig ist, dass der Autor einen Umstand nicht erwähnt: Die neue Ordnung führte im Vergleich zu der Zeit vor 1525 zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung der Landschaft.940 Vielmehr wurde eine vermeintliche Versöhnung mit dem Landesherrn in den Mittelpunkt gestellt. So hätten selbst die einstigen Rädelsführer die neuen Bestimmungen dankbar angenommen.941 Für die hohe Brandschatzung macht der Autor den Schwäbischen Bund und nicht den Erzbischof verantwortlich.942 Die Darstellung handelt folglich davon, wie die Landschaft ihre alte Stellung verlor, diese angeblich wiedererlangte und sich mit dem Erzbischof, welcher nicht für die harte Bestrafung verantwortlich gemacht wird, aussöhnte. Aus der Stadt Kitzingen bei Würzburg berichten zwei Chroniken, welche der Stadtschreiber Sebastian Ranft und der spätere Bürgermeister Hieronymus Hammer anfertigten. Beide Texte lassen sich trotz unterschiedlicher Darstellungsweisen – der Stadtschreiber referiert vorwiegend auf Akten, der Bürgermeister verdichtet das Geschehene auf Schlüsselszenen – ähnlich interpretieren. Die Stadt hatte für beide Chronisten zwar ihre Ehre verloren, steht aber kurz vor ihrer Wiedergewinnung beziehungsweise hat sie wiedererlangt. So schließt der Bürgermeister seinen Bericht mit der abgezahlten Schuld der Stadt aus dem Jahr 1526, welche eine Bedingung für die Aussöhnung bildete, und der Stadtschreiber berichtet auf der letzten Seite seiner Darstellung über die Umsetzung der Beschlüsse des Reichstags von Speyer zur Wiederherstellung der Rechtsfähigkeit der einzelnen Orte.943

937 Anonymus, Bericht über den Aufruhr im Rheingau von 1525 (wie Anm. 755), S. 182–184. 938 Ebd., S. 186. 939 Ebd., S. 187. 940 Erst im Jahr 1546 mit dem Amtsanritt des neuen Erzbischofs wurden Bestimmungen aufgehoben, die der Schwäbische Bund und der vormalige Erzbischof nach dem ‚Bauernkrieg‘ verhängt hatten. Becker, Wann und in welchem Umfange erlangten die Rheingauer ihre nach den Unruhen vom Jahre 1525 verlorenen Rechte und Freiheiten wieder? (wie Anm. 803). 941 Anonymus, Bericht über den Aufruhr im Rheingau von 1525 (wie Anm. 755), S. 190. 942 Ebd., S. 186. 943 Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 153. Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), S. 123f.

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Nach Ranfts Bericht zeichneten den Stadtrat drei Tugenden aus: die Treue zum Markgrafen von Ansbach als Stadtherrn, das Bemühen um Frieden und die Haltung der Milde. Der Rat, so argumentiert Ranft, sei nicht freiwillig vom Fürsten abgefallen, habe sich entgegen anderslautender Anschuldigungen nicht früher als die benachbarten Orte den ‚Aufständischen‘ angeschlossen, und keiner aus Kitzingen sei gegen den Markgrafen ins Feld gezogen.944 Die causa scribendi scheint in der Dokumentation dieser obrigkeitstreuen Haltung zu liegen, da Ranft befürchtet, dass der Markgraf anderslautende Dokumente besitzen könne.945 Als übergeordnetes Handlungsmotiv des Rats findet sich bei Ranft das Ziel, den Frieden zu wahren. Einerseits habe der Rat stets alle Anweisungen des Markgrafen umgesetzt, dann allerdings mit den Bauern kooperieren müssen, da die ‚Erhebung‘ im Inneren der Stadt sonst nicht einzudämmen gewesen wäre. In Ranfts Darstellung erscheint das Vorhaben der Bauern in diesem Sinn weniger gefährlich als der innerstädtische ‚Aufstand‘.946 Nach der Niederlage der Bauern bei Königshofen gegen den Schwäbischen Bund hätten der Rat und weitere Abgeordnete der Stadt beim Markgrafen um eine milde Behandlung gebeten, da man sich unter Zwang den ‚Aufständischen‘ habe anschließen müssen und die Kitzinger die „erberkeit lieb(t)en“. Die Stadt, welche im markgräfischen Amtmann Ludwig von Hutten einen Fürsprecher gefunden habe, hätten schließlich gemeinsam erreicht, dass der Markgraf zusagt habe, keine Todesstrafen zu vollziehen.947 Ein wesentlicher Part von Ranfts Darstellung handelt von den verhängten Strafen über die Stadt. Neben einer hohen Geldbuße wurden 60 Personen auf Anordnung des Markgrafen geblendet: eine Strafe, die vielen das Leben kostete und die Existenz ihrer Familien wohl ruinierte.948 Der Rat versuchte laut Ranft, die verhängten Strafen zu mildern, die Geldsumme zu reduzieren und die Vertreibung der Geblendeten und deren Familien aus der Stadt zu verhindern. Die Verhandlungen mit dem Markgrafen hätten jedoch kaum Erfolg gehabt.949 Ranfts Darstellung ist daher auch als Kritik am Markgrafen zu verstehen. Während die Ratsmitglieder Milde gefordert hätten, habe der Markgraf bei der Bestrafung Härte walten lassen, während die Ratsmitglieder eine differenzierte Beurteilung Kitzingens verlangt hätten, habe der Markgraf die gesamte Stadt bestraft. Ranfts Darstellung besitzt am Ende aber auch versöhnlichere Züge. Die Kitzinger Pfarrer und Prediger hätten an den Markgrafen eine Supplik geschrieben, Barmher-

944 Ebd., S. 47, 63 u. 67. Die Anschuldigung, den umliegenden Orten ein Vorbild der Untreue gewesen zu sein, habe der Markgraf bei der Strafbegründung vorgebracht. Ebd., S. 104. 945 Ebd., S. 112–114. 946 Ebd., S. 69. 947 Ebd., S. 92–94 (Zitat im Schreiben des Rates an den Schwäbischen Bund: S. 91). 948 Arnold, Klaus, Die Stadt Kitzingen im Bauernkrieg, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 27 (1975), S. 11–50. 949 Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), S. 94–118.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte

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zigkeit walten zu lassen. Von Personen aus dem Umkreis des Markgrafen sei diese Schrift als Kritik am Herrscher gedeutet worden. In einem persönlichen Gespräch, zu dem die Geistlichen als Gefangene einberufen worden seien, hätten sie jedoch ihre Position erläutern können. Nach Ranft durften sie danach wieder „das heilig evangelium und christliche freiheit lauter und rein predigen“.950 Der Markgraf hat damit der Durchsetzung der lutherischen Reformation trotz der harten Bestrafung nicht im Wege gestanden. Das Leid der Bestraften verfolgt Ranft nicht weiter, vielmehr schließt er mit dem Bericht über die Umsetzung der Beschlüsse des Reichstags von Speyer: Die Stadt habe ihre vormaligen Privilegien zurückerhalten.951 Auch Hammers Darstellung lässt sich dahingehend verstehen, dass der Autor beweisen möchte, dass der Rat alles unternahm, um seine Ehre zu wahren. Die Schuld für das Bündnis der Stadt mit den Bauern sieht Hammer wie Ranft bei den Einwohnern der Stadt und nicht beim Rat.952 Als Entlastungszeugen fungiert bei ihm noch stärker als bei Ranft der Amtmann Ludwig von Hutten. Hammer gibt ein Gespräch zwischen ihm und dem Amtmann von Uffenheim, Eberhard Geyer, wieder. Letzter habe die gesamte Stadt beschuldigt, treuebrüchig geworden zu sein, während von Hutten konstatiert habe, dass der Markgraf „noch“ über „viel ehrbiedermennner zu Kitzingen“ verfüge. Von Hutten sei zudem im gleichen Satz zum Angriff auf den Kritiker übergegangen, indem er ihn beschuldigt habe, an der Plünderung einer Kirche beteiligt gewesen zu sein.953 Wie bei Ranft dient das Medium der Geschichtsschreibung damit der Selbstbehauptung gegen Vorwürfe und als Korrektiv gegen zeitgenössische Anklagen und Unterstellungen. Die Darstellung Hammers endet mit der beglichenen Schuld der Stadt, wobei die ungerechte Verteilung der Lasten, die Arme und Reiche gleichermaßen zu tragen hätten, indirekt kritisiert wird.954 Mit der Nachricht über die getilgte Schuld war die Geschichte des ‚Bauernkriegs‘ als Geschichte einer ungerechten Bestrafung, die als Exempel fungieren solle, sich vor einem ‚Aufstand‘ zu hüten, für Hammer beendet.955 3.2.2.4 Die zu Unrecht verlorene Ehre Nach Martin Cronthal, dem Würzburger Stadtschreiber, habe der ‚Bauernkrieg‘ für die Stadt in eine Katastrophe gemündet. Die Steuerlast sei rapide gestiegen, eine Inflation habe den Erwerb von Grundnahrungsmitteln nahezu unmöglich gemacht

950 Ebd., S. 123. 951 Zu diesem Zweck wird das entsprechende Schreiben des Markgrafen mitgeteilt. Ebd., S. 123f. 952 Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 145–147. Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), bes. S. 63 u. 67. 953 Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 150. Dieses Entlastungsargument brachte zeitgenössisch auch der Kitzinger Rat vor. Böhm, Kitzingen und der Bauernkrieg (wie Anm. 128), S. 113. 954 Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 153. 955 Ebd., S. 153.

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und eine willkürliche Rechtsprechung habe Einzug gehalten. Als besonders belastend empfindet der Protestant Cronthal die Maßnahmen gegen die evangelische Lehre.956 Keine andere Darstellung endet so düster wie seine: Einzig sein Bericht schließt mit einem Hilferuf an den Herrgott. Sein Text ist als Erklärungsversuch zu verstehen, wie es zu dieser Situation kommen konnte. Der Stadtrat habe sich laut Cronthal dem Bischof gegenüber stets loyal verhalten, zur Bekämpfung des drohenden ‚Aufstands‘ in der Stadt ein Kontingent aufgestellt und sich den Bauern nur unter Androhung von Gewalt angeschlossen.957 Auf dem Landtag habe man versucht, den Konflikt friedlich zu lösen und habe eine militärische Lösung auf Seiten des Bischofs abgelehnt, um ein Blutvergießen zu verhindern.958 Vor den Bauern habe man schließlich die Domreliquien in Sicherheit gebracht.959 Gleichzeitig berichtet Cronthal auch von der Dynamik der ‚Erhebung‘, welcher der Stadtrat machtlos gegenüber gestanden sei: Die Befehle des Rats seien immer seltener befolgt worden und die Gemeinde sei von einigen wenigen Personen ganz „vergift“ worden.960 Für Cronthal stellt die Forderung des Stadtrats an den Bischof, das Domkapitel als Herrschaftsträger abzulösen, keinen Treuebruch dar. Nach dem Scheitern des Landtags habe die Stadt ihren Landesherren schließlich aufgefordert, der Bauerneinigung beizutreten, um die ‚Erhebung‘ beizulegen.961 Eine wesentliche Schuld an der Eskalation der Ereignisse trägt dem Stadtschreiber zufolge der Bischof. Aus den Briefwechseln, die Cronthal abschrieb, geht hervor, dass Konrad von Thüngen sich bisher für die Belange der Stadt nicht interessiert habe. So habe er plötzlich eine neue Feuerordnung verlangt, welche die Stadt jedoch schon Jahre zuvor ohne Reaktion vorgeschlagen habe.962 Besonders die Politik des Bischofs, Nahrungsmittel aus Würzburg auf die Burg zu bringen und Kanonen auf die Stadt zu richten, habe die Untertanen zur Gewalt gereizt.963 Laut dem Stadtschreiber äußerte sich Bischof Konrad von Thüngen noch am 26. April gegenüber der Stadt, dass er sich wie ein „vihehirt“ verhalten wolle.964 Diese Selbstcharakterisierung bringt das zeitgenössische Herrschaftsideal zum Ausdruck,

956 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 114f. 957 So legt Cronthal Wert darauf, nachzuweisen wie häufig die Stadt den Aufforderungen des Bischofs nachkam und zur Verhinderung eines aufrurs eine Bürgerwehr formierte. Ebd., S. 18f. u. 20. 958 Bereits im Vorfeld hatten Dörfer und Städte Ratschläge beim Stadtrat gesucht und dieser habe die Orte ermahnt, am Landtag teilzunehmen. Bspw. Ebd., S. 20 u. 26. 959 Ebd., S. 65f. 960 Ebd., S. 11, 28 u. 30 (= Zitat). 961 Ebd., S. 34 u. 49. 962 Ebd., S. 4. 963 Ebd., S. 16 u. 21. Die Klöster sorgten nach Cronthal mit ihren Kriegsvorbereitungen ganz offenbar für Misstrauen bei den Einwohnern, die sich bedroht gefühlt hätten. Ebd., S. 12f. (St. Haug) u. 13 (St. Burkhard). 964 Ebd., S. 24.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte



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wonach sich ein Landesherr um seine Untertanen kümmern solle.965 Als der Bischof vor den heranrückenden Bauern aber nur wenige Tage später nach Heidelberg geflohen war, bezeichnet Cronthal die Städter als „irrende schaf“, die im Stich gelassen worden seien.966 Die ‚Aufständischen‘ hätten nun mit der Zerstörung der Weingärten, Würzburgs wirtschaftlicher Grundlage, gedroht.967 Aufgrund dieser Zwangslage habe sich die Stadt den ‚Aufständischen‘ anschließen müssen. Der Stadtrat habe aber erreicht, dass sich die Bürger nicht an kriegerischen Handlungen gegen den Landesherren beteiligen müssten.968 Cronthals Bericht entspricht in hohem Maße der Argumentation des Stadtrates gegenüber dem Bischof. In dem entsprechenden Brief, den Cronthal zitiert, zieht der Rat schließlich das Resümee, „ehr und glimpf“ gewahrt zu haben.969 Der Bischof und der Schwäbische Bund akzeptierten die Argumentation des Stadtrates jedoch nicht: Die Stadt Würzburg sollte das Verdikt der Treuelosigkeit akzeptieren. In der städtischen Geschichtsschreibung wird dies als Ungerechtigkeit angeprangert. Cronthal kritisiert die vielen falschen Beschuldigungen und das ungerechte Strafverfahren.970 Die Rettung der eigenen Ehre geht in dieser Darstellung mit der Kritik am Stadtherrn einher. So lässt Cronthal seine Leser selbst urteilten, warum der Bischof etwa das städtische Spital der Obhut der Rates entzogen habe: „mit was fuegen er so tyrannisch und dürstig gehandelt, mag ein jeder verstendiger erwegen“.971 Die Antwort nimmt Cronthal damit vorweg: die schlechte, tyrannische Regierungsweise des Landesherren. Besonders verbittert den Chronisten, dass die Bestimmungen des Reichstags von Speyer zur Wiedererlangung der Ehre vom Bischof nur dem Schein nach umgesetzt worden seien. Die Beschlüsse dienten dem Bischof alleine dazu, Geld von seiner Landschaft zu verlangen. So urteilt Cronthal zynisch: „Das war ein meisterliche kunst und dem armen ein wächsene nasen gedrehet“.972 Am Ende seiner Darstellung fasst er die Situation in einer Bitte an den Herrgott zusammen. „Der allmechtig gott woll die gottlosen tyrannen ausreuten, verderben,

965 Münch, Die „Obrigkeit“ im Vaterland (wie Anm. 236). 966 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 49. Zur Flucht des Bischofs vgl. auch Fries: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 278f. u. 320. 967 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 50. 968 Ebd., S. 53. 969 Ebd., S. 54. 970 Ebd., S. 87 u. 89. Zur Schuldigsprechung der Stadt vgl. auch: Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 172–174. 971 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 93. 972 Ebd., S. 113. Auch von Seiten des Ebracher Abts wird diese Politik verurteilt: „Also ist bischoff Conrad in das nehmen kommen/ Will kein end nemen und bringt wenig fromen“ Zitiert nach: Wendehorst, Alfred, Das Bistum Würzburg. Teil 3 (Germania Sacra, NF, Bd. 13/3), Berlin, New York 1978, S. 96.

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schenden und plagen offentlich. amen. dagegen seine frommen in dieser Sodoma wie den Lott erretten, ihn ihre ungedult verzihen. amen.“973 In der biblischen Geschichte von Sodom und Gomorra übt Gott an den Menschen für ihr sündhaftes Verhalten Gericht und errettet Lot, der ein gottgefälliges Verhalten an den Tag gelegt hatte. Cronthal setzt diese Erzählung mit der aktuellen Lage in Beziehung und interpretiert das angeblich tyrannische Verhalten des Bischofs als zweites Sodom. Mit der Tyrannei bringt er besonders die Aberkennung von städtischen Rechten, die Bereicherung auf Kosten der Armen und generell ein unchristliches Verhalten in Verbindung.974 Die „frommen“ dagegen, bei denen man an die Stadtbewohner und besonders an den Stadtrat denken kann, sollten aus dieser Situation erlöst werden. Fasst man zusammen, ist vor allem die angesprochene „ungedult“ eine wichtige Bezugsgröße für die Bewertung der „frommen“. Einerseits kann man diese Textstelle so verstehen, dass die Stadtbewohner zu Unrecht unter dem Bischof litten, der sie aus Böswilligkeit schuldig sprach, andererseits hofften sie nach Cronthal vergeblich, mit dem Bischof und den Bauern gemeinsam eine friedliche Lösung zu finden, um die Situation der Untertanen zu verbessern. Dem Chronisten zufolge hatten sie ein militärisches Einschreiten auf Seiten des Bischofs abgelehnt und auf eine Verhandlungslösung gesetzt.975 Bringt man die „ungedult“ mit dieser Verhandlungspolitik in Verbindung, distanziert sich der Autor ex post von der Hoffnung, Veränderungen herbeiführen zu können. Verstärkt wird diese Haltung angesichts der als ungerecht geschilderten Zustände nach der ‚Erhebung‘. Cronthals Darstellung ist allerdings nicht als Ausdruck einer vollkommenen Resignation zu verstehen. Unter einem literarischen Blickwinkel betrachtet, erhebt er mit seiner Schilderung das Wort, um die Verhaltensweisen der Stadt aus seiner Sicht richtig zu stellen und letztlich doch noch auf die Rehabilitation der Stadt hinzuwirken. 3.2.2.5 Die Ehre als Sinn- und Relevanzkriterium Zieht man ein Fazit, nehmen die Mehrzahl der Autoren Stellung zum Verhalten der Institution im ‚Bauernkrieg‘, der sie verbunden waren. Demgegenüber steht lediglich in vier Texten nicht die lokale Obrigkeit im Mittelpunkt. Bei diesen Darstellungen handelt es sich um Kriegsbeschreibungen, die teils von Kriegsteilnehmern angefertigt wurden. – Aber auch diese Darstellungen nutzen die Ehre als Bewertungskategorie zur Einordnung und Aktualisierung der Geschehnisse. In einem Widmungsbrief aus dem Jahr 1536 an den Grafen von Hohenlohe tritt Ambrosius Geyer als selbstbewusster Autor in Erscheinung. Trotz zahlreicher Nach-

973 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 114. 974 Ebd., S. 93. 975 Rublack bewertet diese Politik als ernstzunehmendes Anliegen des Rates. Rublack, Hans-Christoph, Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg, in: Archiv für Reformationsgeschichte 67 (1976), S. 76– 100.

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fragen von Personen niederen und höheren Stands habe er nur dem Grafen und dem Würzburger Bischof, in dessen Dienst er als Reiterhauptmann beim Schwäbischen Bund stand, ein Exemplar überlassen. Um das Interesse an der Thematik wissend und von der Einmaligkeit seiner Schlachtengeschichte überzeugt, bittet Geyer darum, sein Werk gnädig anzunehmen und seiner zu gedenken. Hochinteressant ist die Wirkung, die er seiner Chronik zuschreibt, durch die man die „gnadt gottes wunderbarlich spüren“ könne, denn ohne diese wäre „es durch die cleine versamlung des bundischen kriegsvolk so im anfang zw feldt zog[,] vnmoglich gewesen“ gegen die Bauernheere zu siegen. Der Wert seiner Darstellung liege aber nicht nur im Nachvollzug der göttlichen Rettungstat, sondern auch in den außerordentlichen und rühmenswerten Kriegstaten, die je mehr Zeit vergehe „wunderbarlicher, vnd löplicher“ zu hören seien.976 Besonders deutlich wird in diesem Widmungsbrief der Befund, der sich schon aus der Analyse anderer Geschichtsdarstellungen ergab, dass Personen, die sich gegen die ‚Aufrührer‘ zur Wehr setzten, in der obrigkeitsnahen Memoria einen Heldenstatus zugebilligt bekamen.977 Außerordentlich häufig nimmt Geyer in seiner Geschichtsschreibung tatsächlich auf das scheinbare Eingreifen Gottes Bezug und wendet sich am Ende an den Herrgott, der dafür sorgen solle, dass „rechte, ware christliche lieb“ in allen Menschen eine zukünftige ‚Erhebung‘ unmöglich mache.978 Ohne die Taten der Kriegsteilnehmer explizit zu loben oder gar den Teufel als Verkehrer aller christlichen Werte zu benennen, gelingt es Geyer auf diese Weise, den ‚Bauernkrieg‘ als moralisch-religiöse Bewährungsprobe eines jeden Einzelnen darzustellen. Während Geyer nur sehr vage von der „rumlich geschi(cht)t“ der deutschen „nacion“ spricht, vor der die Waffentaten der Sieger standhalten könnten, und damit wohl vor allem die Geschichte der „vorelter(n)“ meint, ordnet der anonyme Chronist des „Auszug(s) des schwäbischen bunds“ seine Darstellung, die er als Flugschrift publizierte, explizit in einen komparatistischen, europäischen Rahmen ein.979 Entsprechend diesem humanistischen Ehrdiskurs, der sich als Wettkampf der Nationen darstellt, konkurrieren Völker um eine Vorrangstellung, wozu besonders auch

976 Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70, Bü. 88. 977 Schon eine noch während der ‚Erhebung‘ erschienene Flugschrift aus dem Umfeld des Schwäbischen Bundes verklärt den Sieg der Obrigkeit als gottgewollt „Diewyl aber der sig nit in der menige des volks/ sond in hoffnung und vertrauen/ zu der krafft gotes stet“. Staatsbibliothek München, 4 Theol.syst.714/31. Vielleicht ist in diesem Topos angesichts seiner Häufigkeit unter Kriegsteilnehmern eine als real empfundene Erfahrung zu erkennen. Zum Heldenstatus von Protagonisten vgl. diese Arbeit Kapitel 3.2.2.1. 978 Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 731, 733, 736 u. 741. Das Zitat (S. 747), das sich jedoch in der Handschrift von 1536 findet, hält Baumann, der nur den Druck von 1625 herausgab, irrtümlich für unauthentisch. Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70, Bü. 89 (letzte der nicht nummerierten Textseiten). 979 Hohenlohe-Zentralarchiv Neuenstein, GA 70, Bü. 88.

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moralisch-religiöse Leistungen als ausschlaggebend angesehen wurden.980 Laut dem Flugschriftenautor hätten im ‚Bauernkrieg‘ die zu Tage getretene Uneinigkeit sowie der Überfall fremder Länder, womit wohl die zeitgleich stattfindenden Konflikte in Italien gemeint sein können, den Deutschen ihr hohes Ansehen im Ausland gekostet. Aufgrund der inneren Schwäche des Reiches drohe ihnen schließlich eine Niederlage durch die heranrückenden Osmanen, deren Vorrücken außerdem als Strafe Gottes gedeutet wird. In Zukunft seien deshalb Einigkeit, Frieden und Gottvertrauen notwendig.981 Ganz konventionell im Sinne des Aufbäumens der Untertanen gegen ihre Obrigkeit und der Niederschlagung ihrer ‚Erhebung‘ wird schließlich der ‚Bauernkrieg‘ abgehandelt, bei dem es sich für den Anonymus wie für Geyer um ein süddeutsches Phänomen handelt. Die detaillierten Schlachtbeschreibungen lassen darauf schließen, dass der unbekannte Autor tatsächlich im Zug des Bundes kämpfte, wovon er zu Beginn seiner Darstellung schreibt.982 Die Darstellung des Flugschriftenautors legt insgesamt ein distanziertes Verhältnis zu den Strafmaßnahmen an den Tag, wenn etwa im Duktus des Zweifels davon gesprochen wird, dass die Gerichteten zu Bamberg schuldig gewesen sein sollen.983 Nur mit „schmertzen“, so der Autor, erinnere er sich an die Zeit zurück, über die er nur nach mehrfacher Aufforderung seiner Herren und angesichts der Lage der Deutschen schreibe.984 Eingedenk seiner Erklärung, dass eine „barmhertzige, mässige und milte regierung“ sowie „billiche, pflichtliche, gehorsame underthänigkeytt“ eine ‚Erhebung‘ verhindere, erscheint der ‚Bauernkrieg‘ als ein Ereignis, an dem sich alle Seiten mitschuldig machten und durch das sich nur Ehre verlieren ließ.985 Jacob Holzwart, der sich beim Augsburger Bischof mit seiner Arbeit um eine Lehrerstelle bewarb, stellt Georg Truchsess von Waldburg-Zeil, den Anführer des

980 Vgl. zu diesem Ehrkonzept sowie zum Bild der Nation in der Vormoderne: Hirschi, Caspar, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Göttingen 2005, S. 277–282. 981 Die Darstellung wurde 1532 gedruckt und konnte beispielsweise auf den Sacco di Roma Bezug nehmen. Anonymus, Auszug des schwäbischen bunds wider herzog Ulrich und die bauern (wie Anm. 727), S. 753 u. 777f. Der Autor spricht hier (ebd., S. 753) vom Verlust des „preyß(es)“, den Deutschland einst besessen habe und dem darauffolgenden „gespött“. 982 Ebd., S. 753. 983 Über die Gefangenen, die dem Bund in Bamberg vorgeführt wurden, schreibt er: „und also in sollicher handlung wurden dargeben und gefangen, so auch an disem handel schuldig solen sein, ein anzal etlich männer“. Ebd., S. 772. 984 Ebd., S. 753. 985 Ebd., S. 779. Die Obrigkeit und die Untertanen nimmt auch Martin Luther gleichermaßen in seiner ersten Stellungnahme in die Pflicht. Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3), S. 293–299 Wie der Anonymus interpretierte auch Lorenz Fries den ‚Bauernkrieg‘ als Strafgericht Gottes und bezeichnet alle Menschen als daran schuldige Sünder. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 2f.

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte



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Schwäbischen Bundes, in den Mittelpunkt seiner Darstellung. Seine Beschreibung folgt dem hier vorgestellten Charakterisierungsschema von Herrschaftspersönlichkeiten. So habe sich der Heerführer stets für eine friedliche Einigung mit den Untertanen eingesetzt. Als Beweisstück dient dem Chronisten vor allem der Weingartener Vertrag. Diejenigen Untertanen, die ihn akzeptierten, hätten noch Jahre später in Frieden gelebt. Zur Hervorhebung der Herrschertugenden überträgt Holzwart ein Vergilzitat auf den Truchsessen. Nach Art der hochherzigen Löwen habe er die Unterlegenen stets geschont und Milde gezeigt, jedoch die Hochmütigen tapfer bekämpft. So vertritt Holzwart schließlich die Meinung, dass der Truchsess in diesem Krieg nichts anderes als den Frieden gesucht habe.986 Auch eine seiner Vorlagen, der Kriegsbericht des Herolds Hans Lutz, stilisiert den Feldherrn zu einer Idealfigur.987 Von ihm übernimmt Holzwart die Reden des Truchsessen, in denen er den Krieg als Auseinandersetzung um die wahre göttliche Ordnung ausgibt, und deutet die Siege ebenfalls als Beweis für die göttliche Unterstützung und Legitimierung des Heerführers.988 Im Gegensatz zu Hans Lutz sieht Holzwart in der lutherischen Lehre eine Ursache der ‚Erhebung‘. Auf die Bewerbungssituation des Schreibers, sich mit seiner Arbeit im Gebiet des Augsburger Bischofs als Lehrer zu empfehlen, wird sicherlich der Hinweis gemünzt sein, dass eine bessere Bildung der Bevölkerung vor einem neuen ‚Aufstand‘ schütze.989 Auch die zahlreichen Verweise auf antike Schriftsteller dürften dem Qualifikationsnachweis als Lehrer sicherlich nicht abträglich gewesen sein.990 Die Wahl des Truchsessen als Protagonisten der Handlung kann vielleicht aus dem Gattungsanspruch der Geschichtsschreibung erklärt werden, die laut Holzwart stets von großen Persönlichkeiten und deren hervorragenden Taten handle.991

986 Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 716. Aeneis, VI, 851–853. Holzwarts Beurteilung des Truchsssen ist in der Sache aber selbst bei den zeitgenössischen Geschichtsschreibern nicht unumstritten. Kritisiert wird immer wieder das brutale Vorgehen des Bundes, welches Dörfer und Städte in Mitleidenschaft gezogen habe. Hoffmann, Bauernkrieg um Schwäbisch Hall (wie Anm. 748), S. 323f. Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 125. Holzwart versucht jedoch, den Truchsessen gegen diese Einwände zu immunisieren, indem er die Zerstörungen und Unglücksfälle als natürliche Begleitumstände eines Krieges ausgibt. Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 716. 987 Als weitere Vorlage ist Nikolaus Thomans Weißenhorner Chronik greifbar. Vgl. dazu Ebd., S. 719. 988 Adam, Das Tagebuch des Herolds Hans Lutz von Augsburg (wie Anm. 632), S. 66f., 70f. u. 82f. Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 662. 989 Holzwart bemüht zu diesem Zweck besonders den humanistischen Topos der „historia magistra vitae“. Bereits zuvor machte Melanchthon auf diesen Umstand in seinem Gutachten auf die „Zwölf Artikel“ aufmerksam. Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 642f. Melanchthon, Philipp, Wider die Artikel der Bauernschaft, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 223–241, S. 239f. 990 Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 718. 991 Ebd., S. 641–643 u. bes. S. 717.

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Kommt man abschließend auf die Frage zurück, wie in der Geschichtsschreibung auf die zeitgenössische Erinnerungspolitik Bezug genommen wird, gilt es zunächst die Bedeutung der Ehre in den Darstellungen zu rekapitulieren. Entsprechend der bereits eingeführten Definition von Bourdieu ist unter ihr eine Ressource zu verstehen, die in der Auseinandersetzung um soziale Anerkennung erworben oder verloren werde und in ökonomische oder andere Vorteile umgemünzt werden könne.992 Ausgehend von dieser Definition treten unterschiedliche Ehrvorstellungen zu Tage. Zuvorderst ist die Ehre der Geschichtsschreiber zu nennen, die sich aus der inhaltlichen Korrektheit, dem didaktischen Potential des Werkes zur Aufstandsprävention und der Instrumentalisierung der Arbeit im Behauptungskampf der jeweiligen Obrigkeit um Statusgewinne und Statusverluste speisen konnte. Vor allem lateinisch schreibende Autoren schmückten ihre Arbeiten zusätzlich mit Leseblüten antiker Autoren, um ihre Bildung zu demonstrieren. Ambrosius Geyer zufolge existierte an Kriegsgeschichten zudem noch zehn Jahre nach den Ereignissen eine rege Nachfrage. Die Historiographen, die sich an Fürstenhöfen befanden, hofften dabei auf Gnadenerweise für ihre erbrachte Schreibleistung, auch wenn sie diese selten explizit einforderten.993 Kommt man stärker auf die Inhaltsebene der Darstellungen zu sprechen, ist eine Reihe von zeitgenössischen Ehrdiskursen zu nennen, die in den Texten durchscheinen. So ist erstens der Gattungsanspruch der Historiographie anzusprechen, nach welcher für viele Geschichtsschreiber nicht das Volk, sondern hochstehende Personen und deren vortrefflichen Taten die eigentlichen Protagonisten darstellen, wodurch die Autoren einem genrespezifischen Ehrkonzept verpflichtet sind.994

992 Bourdieu, Ökonomisches Kapital (wie Anm. 810), S. 183–198. 993 Über die klassischen Idealbilder von Geschichtsschreibung, zu nennen sind insbesondere die Wahrheitsliebe und die didaktische Funktion, gibt schon die Exordialtopik mittelalterlicher Werke Aufschluss. Die hier aufgezählten Ansprüche einer Bauernkriegsgeschichtsschreibung ergeben sich aus den vorherigen Kapiteln der vorliegenden Arbeit. Zwar können Geschichtsschreiber in der Vormoderne nicht als eigener Berufsstand oder gar Schicht verstanden werden, dennoch ist von einem eigenen Ethos auszugehen, das sich aus der materiellen Abhängigkeit zu einer Obrigkeit und den Anforderungen der Gattung ergibt. Max Webers Ansatz einer ständischen Ehre ist sicherlich auf die Situation der meisten Schreiber übertragbar, wenn er definiert: „Im Gegensatz zur rein ökonomisch bestimmten ‚Klassenlage‘ wollen wir als ‚ständische Lage‘ bezeichnen jede typische Komponente des Lebensschicksals von Menschen, welche durch eine spezifische, positive oder negative, soziale Einschätzung der ‚Ehre‘ bedingt ist, die sich an irgendeine gemeinsame Eigenschaft vieler knüpft.“ Simon, Gertrud, Untersuchungen zur Topik der Widmungsbriefe mittelalterlicher Geschichtsschreiber bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, in: Archiv für Diplomatik 4 (1958), S. 52–119; 5/6 (1959/60), S. 73–153. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. 5. Auflage Tübingen 1972, S. 534. 994 Neben dem oben zitierten Holzwart sei an dieser Stelle auf Aventin verwiesen, der in der Vorrede zu seiner „Bayerischen Chronik“ angibt, dass seine Darstellung dazu diene, das alte Herkommen des Hauses Bayern und die großen Taten seiner Könige und Fürsten auf ewige Zeit im Gedächt-

3.2 Der Handlungsrahmen: Die Bauernkriegsgeschichte als Institutionengeschichte



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Zweitens wird trotz der Beschränkung der meisten Historiographen auf einen regionalen Fokus der ‚Bauernkrieg‘ zumindest einmal im Sinne einer nationalen Ehre bewertet, während die meisten Darstellungen die ‚Erhebung‘ stattdessen als individuelle Bewährungsprobe verstehen.995 Besonders in diesen Fällen ist drittens auf das Konzept der Standesehre einzugehen, wonach die Obrigkeit die gesellschaftliche Ordnung aufrechterhält, keine Missstände aufkommen lässt und milde regiert. Der Klerikerstand hat entsprechend dieser Vorstellung vor allem die Traditionen des Klosters zu wahren und Gott zu dienen sowie sich gegebenenfalls als milde Regenten zu beweisen, wenn die Kleriker Herrschaft ausüben. Der Bevölkerung kommt entsprechend dem Konzept der Standesehre in den Darstellungen die Aufgabe zu, der Obrigkeit stets treu und untertänig zur Seite zu stehen.996 Viertens erfolgt eine Bewertung der handelnden Personen mitunter auch nach dem Kriterium der Kriegsehre, nicht blutrünstig, aber entschlossen zu handeln und sich durch Tapferkeit auszuzeichnen.997 Die Ehre ist nach der gewählten Definition stets auf die Bestätigung durch ein Gegenüber angewiesen, woraus sich Bewertungskonflikte um die Rolle einzelner Protagonisten ergeben können. Insbesondere in der Geschichtsschreibung wird offensichtlich, dass die häufig vorgebrachten Selbstbilder, alles gegen einen ‚Aufstand‘ unternommen zu haben, häufig von einer übergeordneten Obrigkeit nicht akzeptiert wurden. In diesem Sinn kann die Analyse der Geschichtswerke dazu beitragen, eine differenzierte Erinnerungskultur an den ‚Bauernkrieg‘ zu rekonstruieren. So schreibt die Mehrheit der Autoren gegen einen drohenden oder einen bereits erlittenen Ehrverlust ihrer Obrigkeit an und nutzt die Geschichtsschreibung als Korrektiv. Die einseitige Rezeption des Reichsabschieds von Speyer aus dem Jahr 1526 im Hinblick auf die Rehabilitation der in Ungnade gefallenen Untertanen und Herrschaftsträger spricht in diesen Darstellungen Bände. Typisch für diese Texte sind außerdem der Rekurs auf die angebliche Neutralität, der scheinbare Nichtbeitritt der handelnden Personen zu den Versammlungen oder ihr angeblich erzwungener Anschluss an die Bauern sowie die Tendenz zur Versöhnung mit der Obrigkeit, um den Konflikt scheinbar als bereinigt darzustellen. Das Attribut der Siegergeschichts-

nis zu befestigen. Lexer, Matthias von (Hg.), Johannes Turmair's genannt Aventinus Bayerische Chronik, Bd. 1, Neustadt an der Aisch 1883, S. 6. 995 Hirschi, Caspar, Wettkampf der Nationen. Konstruktionen einer deutschen Ehrgemeinschaft an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (wie Anm. 980). 996 Achtet man auf die entworfenen Rollenbilder in der Geschichtsschreibung ergibt sich dieser Anforderungskatalog, der keineswegs als innovativ einzuschätzen ist. Zu diesem statischen Gesellschaftsbild vgl. diese Arbeit Kapitel 2.1. Zum Konzept der Standesehre siehe: Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie (wie Anm. 993), S. 514–540. 997 Dies trifft wie oben gezeigt auf Städte, weltliche Herrscher und Bischöfe zu. Vgl. zu den historischen Diskussionen um die Kriegsehre auch das einschlägige Kapitel „Ehre und Kriege“ bei: Kortüm, Kriege und Krieger (wie Anm. 344), S. 92–115.

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schreibung, das diesen Darstellungen seit dem Beginn der modernen Bauernkriegsforschung bis heute anhängt, ist daher irreführend.998 Zutreffend ist diese Charakterisierung lediglich für eine kleinere Gruppe von Geschichtswerken über Herrscher, Klöster und Städte, die sich laut den Autoren durch eine erfolgreiche Widerstandshandlung ausgezeichnet haben. In der Geschichtsschreibung werden dabei Stadtund Burgbesatzungen sowie kämpfende Adelige zu Helden stilisiert, welche die göttliche Ordnung nahezu im Alleingang bewahrt hätten.999

998 Zuerst äußerte sich Sartorius folgendermaßen: „(M)an hat nichts als die Nachrichten von einer Seite von Siegern; man kann nicht vergleichen“, wenn er über die einseitige Quellenlage sprach. Sartorius, Versuch einer Geschichte des Deutschen Bauernkriegs oder der Empörung in Deutschland zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts (wie Anm. 50), S. VI. Zuletzt teilte Blickle im Jahr 2015 diese Einschätzung gegenüber der Geschichtsschreibung: Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 13. 999 Am Zug des Bundes waren auch Söldner beteiligt, von denen die Chronisten angesichts von Soldstreitigkeiten, Plünderungen und Desertionen keinen vorteilhaften Eindruck vermitteln: Siehe unter anderem: Adam, Das Tagebuch des Herolds Hans Lutz von Augsburg (wie Anm. 632), S. 630. Und: Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 725f. u. 727f. Die origkeitsherrliche Memorialkultur konzentrierte sich dagegen stark auf gefallene Adelige mit besonderem Fokus auf die sog. Weinsberger Bluttat, wodurch sich die Interpretationslinie, bei dem ‚Bauernkrieg‘ handele es sich um einen Umsturz der bestehenden Verhältnisse, besonders gut weiterschreiben ließ. Zur Weinsberger Memorialkultur: Blickle, Der Bauernjörg (wie Anm. 32), S. 220–227.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer



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3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer 3.3.1 Der Umgang mit dem Wissen der aufrürer In den Bauernkriegsgeschichten stehen zweifelsohne nicht die ‚Aufständischen‘ im Mittelpunkt, sondern die Obrigkeit. Ihr Verhalten und dessen Konsequenzen bilden den eigentlichen Kern der Erzählungen. Während die Geschichtsschreiber die Handlungen der Herrschenden plausibilisieren wollen und teils sogar deren Gefühle darstellen, dominiert eher der Blick von außen auf das Agieren der ‚Aufständischen‘.1000 Besonders dann, wenn Gewaltaktionen nicht verständlich gemacht werden oder als Selbstzweck erscheinen, richten sich diese als Anklagen wohl immer gegen die so handelnden Subjekte. In diesem Sinn werden die Gewaltanwendungen der ‚Aufständischen‘ in den Darstellungen nur selten kontextualisiert. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, als gehöre Gewalt zum Wesen der ‚Erhebung‘. So charakterisiert Peter Harer die einzelnen Haufen anhand ihrer vorgenommenen Zerstörungen.1001 Die fehlende Kontextualisierung stellt auf diese Weise jedoch eine wesentliche Form der Erklärung dar: Handlungen ohne Begründung und damit auch ohne Legitimation werden zu Taten, gegen die man vorgehen muss. Insbesondere geben die Chronisten keine Erklärungen dafür, weshalb die ‚Aufständischen‘ die Friedensangebote der Obrigkeit immer wieder ausgeschlagen hätten.1002 Auf diese Weise setzt das Unrecht der einen Seite die andere Seite ins Recht. Die Darstellung der Verlierer wird damit zur Negativfolie, vor der sich die Herren beweisen können.

1000 Mit Albrecht Koschorke kann man darin auch eine anthropologische Konstante des Erzählens über Konflikte erkennen. Je größer die gesellschaftliche Distanz zum Gegenüber ist und je größer der Schock über eine Gewalttat nachwirkt, desto weniger ist man bereit, sich in die andere Seite hineinzuversetzen. „(D)as Sehen, Sprechen und Wissen der Anderen wird inkommunikabel und unbegreiflich; es verschwindet hinter einem Schirm von Mystifikationen.“ Koschorke, Wahrheit und Erfindung (wie Anm. 74), S. 95. 1001 Siehe etwa: Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 47. Dieses literarische Muster prägte schon früh eine Flugschrift, die der altgläubige Theologie Johannes Cochläus Ende Juli oder Anfang August 1525 in den Druck gab. Cochläus, Johannes, Antwort auf Luthers Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Ein kurzer Begriff vom Aufruhr der Bauern, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 376–412. 1002 Vgl. exemplarisch: Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 57f. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 52f. Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 725.

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Abb. 3 Blick in das von den Bauern eroberte Kloster Weißenau. Franz, Günther, Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bau-ernkrieges von 1525. Faksimileband, Sigmaringen 1977, Blatt VI.

In den historiographischen Werken erfolgt die Charakterisierung der ‚Aufständischen‘ durch eine stereotype Darstellung ihrer Aktionen. So beschreibt der Abt von Weißenau, Jacob Murer, die Eroberung seines Klosters folgendermaßen: Nota, wie die buren ain unwesen gehebt haben in dem goczhus mitt essen und trinken, foll sin, schlachen ainandren, tuͤ ren zerschlachen der kuche und pfistre, da ze nemmend, was inen gefiel, mitt fischen, uss fuͤ ren und tragen uß dem kloster frowen und man win und brot.1003

Jacob Murer konzipierte seine Geschichtsschreibung als Bilderchronik. Obwohl seine Darstellung nicht fertiggestellt wurde, gelangte die Zeichnung zu dieser Textstelle jedoch zur Ausführung. Das Zitat lässt sich als Bildkommentar verstehen. Die Zeichnung führt dem Leser die angesprochenen Geschehnisse, als die ‚Aufständischen‘ in das Kloster eindrangen, direkt vor Augen und berichtet über diese Begebenheit ausführlicher als der Bildkommentar (Abb. 3). Am unteren Bildrand betrinken und erbrechen sich ‚Aufständischen‘, über ihnen kämpfen und verletzen sich andere, rechts von ihnen schlagen zwei die Tür zum Keller ein. Auf der linken Bildseite wird Brot aus der Pfisterei geholt und Wein auf einer Karre aus dem Kloster geschafft. Hinter den Häusern werden Teiche leer-

1003 Franz, Jacob Murers Weißenauer Chronik des Bauernkrieges von 1525. Text und Kommentar (wie Anm. 729), S. 31.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer

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gefischt. In der Bildmitte gibt ein übergroßes Fenster den Blick in das Innere der Prälatur frei: ‚Aufständische‘ sitzen zu Tisch mit den verbliebenen Geistlichen. Das „unwesen“, welches der Zeichner illustrierte, erschafft den Eindruck einer chaotischen Aktion der blinden und sinnlosen Zerstörungswut. Im Bild und im Text finden sich wesentliche Topoi, die zur Beschreibung der ‚Aufständischen‘ auch von anderen Zeitgenossen verwendet wurden: der Vorwurf des Raubs, womit die Kriminalisierung der ‚Erhebung‘ einhergeht, die Fokussierung auf begangene Gewalttaten und die Unterstellung, dass die ‚Aufständischen‘ sich auf Kosten anderer bereichern wollten.1004 Ein weiteres Deutungsmuster erschließt sich aus dem Wort „fride“, das kontrastiv in der Darstellung über die kämpfenden Bauern geschrieben wurde. Der Zeichner oder ein nachträglicher Interpret verewigte hier eine zeitgenössische Lesart der Ereignisse. Die Untertanen hätten angegeben, friedlich zu handeln, sich daran aber nicht gehalten. Ihre Taten hätten sie schließlich entlarvt. Diese Anscheins- oder Betrugsthese bildete sowohl für die Protestanten als auch für die Altgläubigen einen weiteren Topos zur Charakterisierung der ‚Erhebung‘.1005 Man kann die Geschehnisse, die im Bild und im Text der Chronik erwähnt werden, aber auch entsprechend dem Diskurs der ‚Aufständischen‘ anders bewerten: Das Leerfischen der Teiche steht in diesem Sinn für eine bewusste Grenzüberschreitung, die auf symbolische Weise die Aussage der „Zwölf Artikel“ von der Freiheit des Fischfangs in die Tat umsetzte. Der Raub von Brot und Wein ist als die Wiedergutmachung für die falsche Abgabenpraxis zu verstehen und das Bewirten als ein ritueller Bestandteil von Heimsuchungen.1006

1004 Der Raubvorwurf wurde etwa für Luthers zweite Bauernkriegsschrift namengebend: Luther, Martin, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern, in: WA, Schriften, Bd. 18, S. 344–361. Zum Beispiel Melanchthon unterstellte den ‚Aufständischen‘, sie wollten nicht mehr arbeiten (Egoismusthese und Bettlerstereotyp): Melanchthon, Philipp, Die Historie Thomas Müntzers, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 531–543, S. 535. Nach Agricola kämen als Motive zudem Völlerei und Hurerei hinzu: Agricola, Ein nützlicher Dialog zwischen einem müntzerischen Schwärmer und einem evangelischen Bauern (wie Anm. 731), S. 519. Der Autor der Flugschrift „Glaubwürdiger Unterricht“ erkennt im Handeln der Untertanen nur Geiz und Beutegier: Anonymus, Ein glaubwürdiger Unterricht, wie die thüringischen Bauern gestraft worden sind, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 511– 516. 1005 Zum Frieden als Leitvorstellung der ‚Erhebung‘ vgl. Kapitel 2.2.1.1.1 Zu den Anschuldigungen vgl. etwa: Poliander, Johannes, Ein Urteil über das harte Büchlein Martin Luthers, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 430–440, S. 430. Rurer, Johannes, Predigt wider die unchristliche Empörung, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 309–315, S. 309. Tiberinus, Johannes, An den hellen und schwarzen Haufen, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 261–272, S. 261. Emser, Hieronymus, Wie Luther in seinen Büchern zum Aufruhr getrieben hat, in: Flugschriften der Bauernkriegszeit, hg. von Adolf Laube, Berlin-Ost 1975, S. 356–375, S. 357. 1006 Vgl. hierzu Kapitel 2.2.2.4.

296  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Die Deutungen eines Klostersturms widersprechen sich damit fundamental. In dem einen Fall strafen die ‚Aufständischen‘ die Mönche, in dem anderen Fall handeln die ‚Aufständischen‘ strafwürdig. In dem einen Fall bedrohen die ‚Aufständischen‘ das Kloster, in dem anderen Fall gehen die ‚Aufständischen‘ gegen die falsche Auslegung des Evangeliums durch das Kloster vor. Jacob Murer und sein Zeichner geben keine multiperspektivische Sicht auf die Ereignisse wieder. Durch ihre Darstellung ist die Sicht der ‚Aufständischen‘ im Grunde nicht erkennbar. Die Chronik liefert so wenig Kontext, dass man die Handlungen nur als Unrecht auffassen kann. Geschickt verstärkt Murner diesen Effekt mit der Rede vom „unwesen“ der Bauern und ihrer ungesetzlichen Motivation, nur so zu handeln, wie es „inen gefiel“. Murner ist nicht der einzige Chronist, welcher im Egoismus, der Genusssucht und der Habgier der ‚Aufständischen‘ die eigentlichen Triebfedern ihres Handelns erkennt. Insbesondere die Chronisten Harer, Fries, Schwarzerdt, Hammer, Rappoltstein, Zweifel, der Anonymus aus Speyer und die Nonne aus Heggbach lösen das Trinken und Essen aus einem positiven Kontext und verwenden die Geschehnisse als negative Attribute gegen die ‚Aufständischen‘. Die Nonne aus Heggbach lässt den ‚Bauernkrieg‘ in Baltringen mit einer Versammlung im Wirtshaus beginnen.1007 Für Hammer und Zweifel startet der ‚Aufstand‘ mit dem Weinkonsum der Bevölkerung.1008 Rappoltstein betont ebenfalls diese Bedeutung des Weins und stellt dar, wie die Bauern nach der Einnahme der Stadt fraßen und soffen.1009 Laut dem anonymen Chronisten aus Speyer wäre der ‚Aufstand‘ im dortigen Hochstift nicht ausgebrochen, wären einige Untertanen nicht der Beutegier nach einer Lieferung Wein verfallen.1010 In Schwarzerdts Darstellung „fraß(en) und soff(en)“ die ‚Aufständischen‘ nahezu unentwegt; und auch Peter Harer und Lorenz Fries erheben das „schlemen und temmen“, das ausschweifende Leben und den Wunsch nach einem Leben ohne Arbeit sowie den rauschhaften Alkoholgenuss, zum eigentlichen Ziel der ‚Erhebung‘.1011 So urteilt Fries etwa über die ‚Aufständischen‘ bei Bütthard:

1007 Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 279. Die strukturelle Natur von Wirtshäusern als Versammlungs- und Kommunikationsorte hebt dagegen hervor: Schunka, Alexander, Revolten und Raum. Aufruhr und Bestrafung im Licht des Spatial Turn, in: Die Stimme der ewigen Verlierer? Aufstände, Revolten und Revolutionen in den österreichischen Ländern. Ca. 1450–1815, hg. von Peter Rauscher/ Martin Scheutz (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Bd. 61), Wien, München 2013, S. 369–385, S. 376. 1008 Hammer, Geschichte des Kitzinger Bauernkrieges (wie Anm. 197), S. 145. Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 35. 1009 Baillet, La guerre des paysans (wie Anm. 304), S. 420f. 1010 Anonymus, Bauernkrieg am Oberrhein (wie Anm. 128), S. 19. 1011 Würdinger, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt (wie Anm. 752), S. 18, 22 u. 37. Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 29, 32f., 37f., 43 u. 49. Fries verdichtet dies folgendermaßen: „wa sie hinkamen oder lagen, fielen sie in die clöster, pfaffenheuser, der obrickait chasten und keller,

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer



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„und sonderlich gefiel inen dise neue bruderschaft wol, das sie zu zechen, zu essen und zu trinken hetten und nichts darfur geben dorften“.1012 Laut den Chronisten habe das Handeln der ‚Aufständischen‘ nur der Befriedigung niederer Triebe gedient. Ihr Vorhaben diskreditiert sich in den Darstellungen damit von selbst, ohne dass in solchen Schilderungen politische oder religiöse Ziele erkennbar werden.

3.3.2 Die narrative Ausgestaltung des negativen Aufruhrstereotyps als Erklärungsmodell Ganz ohne eine dezidierte Erklärung der Ursachen kommen die Geschichtsdarstellungen nicht aus. Zum Verständnis der Ereignisse übertragen die Autoren vor allem das kulturelle Wissen der Zeit auf die Geschehnisse. Nur äußerst selten gelingt den Chronisten dabei eine eigenständige Interpretation. Als einziger stellt Georg Schwarzerdt den ‚Bauernkrieg‘ als die Folge einer Aufstandstradition dar. Die ‚Erhebung‘ des ‚Armen Konrads‘ in Württemberg von 1514 sei ein „Unter- und Vorfahre“ dieses „laidigen Bürgerkriegs“ gewesen.1013 Dieser Voraufstand, um mit Schwarzerdt zu sprechen, habe aus der steuerlichen Höherbelastung der Untertanen resultiert. Im Hegau, der Ursprungsregion des ‚Bauernkriegs‘, sei neben dieses wirtschaftliche Motiv schließlich noch ein politisches hinzugetreten. Die ‚Aufständischen‘ von 1525 hätten dieselben Freiheiten wie die Schweizer erstrebt.1014 Damit ist für Schwarzerdt jedoch keine positive Zielperspektive verbunden, stattdessen hätten die ‚Aufständischen‘ auf diese Weise die Treuebeziehung zu Gott und zur Obrigkeit zerstören wollen.1015 Traditionell unterscheidet die Forschung zwischen zwei zeitgenössischen Ursachenanalysen, die entweder von einem reformatorischen oder einem altgläubigen Standpunkt geprägt worden seien. Für die reformatorische Erklärung identifiziert Buszello drei typische Annahmen: Erstens sei das Evangelium entgegen seiner wahren Bedeutung falsch ausgelegt worden, zweitens stünden irrgeleitete Hintermänner hinter der falschen Verbreitung der Heiligen Schrift und drittens hätten diese Irrleh-

schlempten und dempten, dieweyl da was. […] trunkener, voller, ungeschickter leute hat man kaum mehr bey ainander gesehen […] also, das ich nit wissen mag, ob solche der bauern furnemen und handlung, wa sie sich allain vor dem prant und blutvergiesen enthalten hetten, ain vastnachtspil oder ain krieg genent werden mogte, dieweyl sie, die bauren, dem alten sprichwort nach zu zeit der vastnacht on das unsinig und tobend sind; und ob es ie ain krieg gehaissen werden, ob man den mehr ain baurenkrieg oder weinkrieg nennen solte.“ Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 29f. 1012 Ebd., I, S. 29. 1013 Würdinger, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt (wie Anm. 752), S. 14. 1014 Ebd., S. 14. 1015 Siehe etwa: ebd., S. 11f.

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ren erst deshalb eine so große Verbreitung finden können, da die Untertanen unter hohen Steuern gelitten hätten und das Vertrauen in die altgläubige Priesterschaft bereits zerrüttet gewesen sei.1016 Der Basler Chronist Heinrich Ryhiner erklärt etwa die Ursachen der ‚Erhebung‘ nach diesem Schema und gibt an, dass dieses Modell allgemein diskutiert werde.1017 Wie sehr dieser Erklärungsansatz mit dem Dienstverhältnis des jeweiligen Schreibers kompatibel ist, zeigt exemplarisch Peter Harers Bauernkriegsgeschichte. Die wirtschaftliche Not der Untertanen als Ursache des ‚Bauernkriegs‘ wird bei ihm nur für entfernte Aufstandsgebiete unter der Regentschaft von Prälaten anerkannt, während er für das Gebiet des protestantischen Pfalzgrafen keine wirtschaftlichen Ursachen ausmacht.1018 Für andere reformatorisch gesonnenen Autoren wie Sebald Ranft oder Hieronymus Hammer spielt dieser Erklärungsansatz jedoch keine Rolle. Über die wirtschaftliche Situation der Beherrschten verlieren sie kein Wort. Luther selbst hatte zwar in seiner ersten Stellungnahme zum ‚Bauernkrieg‘ den Geistlichen und Herren, welche die Untertanen über Gebühr belastet hätten, die Hauptschuld zugewiesen. Im Laufe der ‚Erhebung‘ rückte er jedoch von diesem Standpunkt ab und sprach nicht mehr von der Schuld der Obrigkeit.1019 Im Sendbrief, der nach der ‚Erhebung‘ publiziert wurde, erinnert er gar an das vergangene Glück der Untertanen, die nach der Niederlage nun erkennen müssten, wie gut es ihnen vor der ‚Erhebung‘ ergangen sei.1020 Luther hatte die ‚Erhebung‘ zu einem ‚Aufstand‘ ohne sozialen und politischen Missstand umgedeutet. Die Interpretationen aus dem altgläubigen und protestantischen Lager ähneln sich in ihrer Argumentation. So konnten auch die papsttreuen Chronisten ohne Probleme den ersten beiden Punkten der sog. lutherischen Erklärung zustimmen. Auch nach ihrem Dafürhalten sei das Evangelium falsch ausgelegt worden und auch für sie stünden Einzeltäter hinter der ‚Erhebung‘. In ihrer Deutung handelt es sich in letzter Konsequenz jedoch um Martin Luther und um seine Bibelauslegung. Der Chronist des Bamberger Bischofs, Martin Müllner, greift in diesem Sinn auf einen

1016 Buszello, Deutungsmuster des Bauernkriegs in historischer Perspektive (wie Anm. 725), S. 11. 1017 Ryhiner nennt drei Theorien, die lediglich als Thesen dieses einen Erklärungsschemas zu verstehen sind. Erstens sei die ‚Erhebung‘ aufgrund der Unterdrückung des wahren Evangeliums ausgebrochen, zweitens aufgrund der falschen Auslegung der Bibel durch einzelne Prediger, und schließlich habe Gott die Menschen für diese Sünden strafen wollen. Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 473f. Lötscher ordnet dagegen die erste Erklärung Luther und die zweite den Altgläubigen zu, weshalb er urteilt, dass sich Ryhiner um eine „möglichst unvoreingenommene Darstellung“ bemüht habe. Lötscher, Der deutsche Bauernkrieg in der Darstellung und im Urteil der zeitgenössischen Schweizer (wie Anm. 725), S. 75. 1018 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 19 u. 96. 1019 Luther, Ermahnung zum Frieden auf die zwölf Artikel der Bauerschaft in Schwaben (wie Anm. 3). Luther, Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern (wie Anm. 1004). 1020 Luther, Ein Sendbrief von dem harten Büchlein wider die Bauern (wie Anm. 342), S. 394.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer

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Allgemeinplatz zurück, wenn er argumentiert, dass der Untertanengehorsam, je länger die reformatorische Lehre gepredigt worden sei, umso stärker ausgehöhlt worden sei.1021 Die These von Horst Buszello, dass nur die lutherische Seite wirtschaftliche Missstände oder eine Schuld der Herren in einem weiteren Sinn anerkannt habe, erweist sich, wie nun deutlich werden soll, aber nicht als stichhaltig.1022 Weder vertraten alle lutherisch gesonnenen Autoren diese Position noch stellt sie eine protestantische Besonderheit dar, da auch der altgläubige Chronist Lorenz Fries die schlechte soziale Situation der Menschen durch zu hohe Abgaben in seiner Chronik anspricht.1023 Die Gemeinsamkeiten der Erklärungen, welche die beiden konfessionellen Parteien vorbringen, sind daher größer als ihre Unterschiede. Die Differenz beruht lediglich darauf, ob man Martin Luther als Verursacher der ‚Erhebung‘ freispricht oder ihn beschuldigt. Grundlegend für diese konfessionellen Schuldzuweisungen war das mittelalterliche Deutungsmuster, dass Gott die Sünden der Menschen durch Kriege und Naturkatastrophen bestrafe, welches sich argumentativ nutzen ließ.1024 Insgesamt muss aber ein neuer Ansatz gefunden werden, um die Erklärungsleistung der Zeitgenossen umfassender als bisher zu beschreiben.

1021 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 97f. Aber auch andere Geschichtsschreiber beschuldigen Luther: Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 279. Und: Furter, Historia belli rusticorum (ursinensium) (wie Anm. 770), S. 347. 1022 So urteilt Buszello vereinfachend: „Über ihre Kritik am Verhalten der altgläubigen Geistlichkeit gewann die reformatorische Geschichtsschreibung wenigstens ansatzweise einen Zugang zu möglichen wirtschaftlichen und sozialen Ursachen der Erhebung. Der altgläubige Klerus habe nicht nur das Gotteswort unterdrückt, sondern gleichzeitig den „armen Mann“ auch wirtschaftlich ausgebeutet. Dieser Vorwurf konnte – wie schon bei Luther deutlich wird – auf den Adel ausgedehnt werden.“ Buszello, Deutungsmuster des Bauernkriegs in historischer Perspektive (wie Anm. 725), S. 11. Die Parteilichkeit der lutherischen Geschichtsschreiber oder ihr Schweigen zu den wirtschaftlichen Ursachen werden jedoch genauso wenig berücksichtigt, wie eine differenzierte Auseinandersetzung mit der katholischen Geschichtsschreibung. 1023 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 4. Nach der Niederlage berichtet aber auch Müllner über die hohen Belastungen der Untertanen: Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 157. 1024 Lorenz Fries zieht etwa einen Vergleich zur Sintflut, wie Wassermassen habe sich das Blut der besiegten ‚Aufständischen‘ über das Land ergossen. Dieser Vergleich stützt sich auf eine weit verbreitete astrologische Prognose, die eine Wassersintflut für das Jahr 1524 vorhersagt. Vgl. Hille, Martin, Providentia Dei, Reich und Kirche. Weltbild und Stimmungsprofil altgläubiger Chronisten 1517–1618 (Schriftreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 81), Göttingen 2010, 135–158, 340–343 u. 353. Fries verwendet diese Prognose aber keineswegs beiläufig oder nur als Floskel, sondern nutzt sie für seine Interpretation der Ereignisse. So habe die Sündhaftigkeit der Menschen den Anstoß für die ‚Erhebung‘ gegeben, welche durch „sträffliche leren und opinionen“ verstärkt worden sei, womit er sicherlich auf Martin Luther anspielt. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 3. Der anonyme Chronist des „Auszug(s) des schwäbichen bunds“ stellt

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Wie im Folgenden gezeigt werden soll, wurde als eine maßgebliche Ursache der ‚Erhebung‘ die Verführung der angeblich leichtgläubigen Bevölkerung durch einzelne wenige aufrürer angesehen. Als Erklärung des ‚Aufstands‘ diente das negative Aufruhrstereotyp, mit dessen Hilfe bereits König Maximilian im Jahr 1502 die ‚Erhebung‘ zu Untergrombach beschrieb. Über die Ursachen dieses ‚Aufstands‘ stellt er fest, dass einzelne „anrichter“ beziehungsweise Anfänger „vil einfeltigs volkhs“ täuschen würden, als ob ihr „unbillich furnemen göttlich und gut sin solt“.1025 Diese Erklärung eines aufrurs basiert auf der Personalisierung von Ursachen und der Leichtgläubigkeit der Bevölkerung. Bei diesen Anrichtern hätte es sich um Menschen gehandelt, „die nichts hetten und nit arbeiten, sonder zerten und hofften stettigs, durch anderer unfall zu reichtumb zu komen“. Ihre wesentliche Fähigkeit habe ihre Redegabe dargestellt, das „predigen und reden“.1026 Der Erfolg einer ‚Erhebung‘ beruhe folglich nicht primär auf einem rationalen Kern, etwa einer wirtschaftlichen Notlage oder einer bestimmten politischen Alternativvorstellung, sondern auf Täuschung und Verführung. Die Geschichtsschreiber setzen dieses Erklärungsmuster vor allem narrativ um. So werden die Ursachen des ‚Aufstands‘ durch die Rückführung auf einen geographischen oder personellen Ursprungsort erklärt und die Ausbreitung der ‚Erhebung‘ von diesem Startpunkt aus als Ansteckung der Untertanen mit diesen Ideen dargestellt. Die Brandmarkung einer ‚Erhebung‘ als die Verkehrung alles Guten einschließlich der wahren Lehre Gottes, wie es schon König Maximilian im Jahr 1502 vormachte, eröffnete auch in der Geschichtsschreibung einen Modus, wie über die ‚Erhebung‘ gesprochen werden konnte: als Betrug und Täuschung. Auf diese drei Erklärungen, der Lokalisierung des Ursprungsorts, der epidemischen Ausdehnung der ‚Erhebung‘ und der Klassifizierung ihres Erfolgs als Täuschung, soll im Folgenden näher eingegangen werden. Die Identifizierung einer Ursprungsregion oder die Rückführung der ‚Erhebung‘ auf das Wirken einzelner Akteure ist in den Darstellungen weit verbreitet. Diese Betrachtungsweise hing offenbar eng mit der juristischen Bestrafung der ‚Aufständischen‘ nach der ‚Erhebung‘ zusammen. So teilt der Chronist des Bamberger Bischofs über die Verhöre nach dem ‚Bauernkrieg‘ mit, dass danach gefragt wurde, „wie sich

den ‚Bauernkrieg‘ ebenfalls als eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschen dar, jedoch ohne die Sintflut der Bibel oder die astrologische Prognose anzuzitieren. Anonymus, Auszug des schwäbischen bunds wider herzog Ulrich und die bauern (wie Anm. 727), S. 753. Zur Begründung von Katastrophen als Strafe Gottes vgl. exemplarisch: Schiel, Juliane, Mongolensturm und Fall Konstantinopels. Dominikanische Erzählungen im diachronen Vergleich (Europa im Mittelalter, Bd. 19), Berlin 2011, S. 301–304. 1025 Rosenkranz, Der Bundschuh (wie Anm. 119), S. 110f. Zum negativen Aufruhrstereotyp vgl. ausführlich diese Arbeit Kapitel 2.1.1 1026 Ebd., S. 112.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer



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die aufrure erstlich erhoben und zugetragen“ habe.1027 Schließlich gibt der Chronist als einen strafmildernden Grund für die Aussöhnung mit den Beherrschten an, dass sich die ‚Erhebung‘ auch in anderen Regionen ereignet habe.1028 Thomas Zweifel stellt wiederum dar, dass den Rothenburgern durch den Schwäbischen Bund eine besonders harte Strafe gedroht habe, da der Ort als Ausgangspunkt des ‚Bauernkriegs‘ in Franken identifiziert worden sei. Die Entkräftung dieses Vorwurfs habe zu einer vergleichsweise milden Strafe geführt.1029 Im Gegenzug präsentiert der Chronist das Dorf Ohrenbach, im heutigen Landkreis Ansbach, als Ursprungsregion des ‚Aufstands‘ in Franken und nennt sogar die Namen der ersten ‚Aufständischen‘.1030 Angesichts der Gerechtigkeitsvorstellung der Frühen Neuzeit, wonach das Maß der Strafe die Tat widerspiegeln müsse, versuchen andere Chronisten, eine im Grunde zu milde Behandlung von einigen Orten zu rechtfertigen.1031 Die Nonne aus Heggbach hebt die Güte der Äbtissin hervor, weil sie die Zerstörung der Orte Baltringen und Sulmingen verhinderte habe, obwohl Baltringen als Ursprungsort des gesamten ‚Bauernkriegs‘ und Sulmingen als Herkunftsort des Bauernhauptmanns Huldrich Schmid eine solch milde Behandlung eigentlich nicht verdient gehabt hätten.1032 Peter Harer wundert sich seinerseits, dass das Dorf Ballenberg, der Herkunftsort von Georg Metzler, dem Anführer des Odenwälder Haufens und vieler seiner Anhänger, durch den Schwäbischen Bund nicht zerstört worden sei.1033 Aber warum wurde den Anfangsorten eine besondere Schwere der Schuld zugewiesen? Wieso konnte damals der Bamberger Bischof argumentieren, dass ein Verbrechen, welches auch anderswo stattfinde, entlastend wirke? Eckard Wiegersheim vermutet, dass es während der ‚Erhebung‘ 13 Bauernhaufen gegeben hätte, die allesamt aus der Ursprungsregion des aufrurs gelenkt worden seien.1034 Nach Peter Harer kontrollierte Thomas Müntzer, welcher angeblich die „Zwölf Artikel“ verfasst

1027 Müllner, Der Bericht des bischöflichen Sekretärs Martin Müllner (wie Anm. 304), S. 126. 1028 „Solch der untertanen gutwilligkeit haben auch der bischof und sein capitel angesehen und sie nach dieser huldung und versonung der verloffen aufrure weiter nit entgelten lassen sonder fur ein gerichtte und geschlichtte sach gehalten, auch in ansehung, das diese emporung der untertanen nit allein im stieft Bamberg sonder in anderen viel mer landen und stetten geweset.“ Ebd., S. 156. 1029 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 470–486. Diese Arbeit Kapitel 3.2.1.2. 1030 Ebd., S. 35. 1031 Dülmen, Richard van, Das Schauspiel des Todes. Hinrichtungsrituale in der frühen Neuzeit, in: Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.–20. Jahrhundert) (Fischer-Taschenbücher 3460), hg. von Richard van Dülmen/ Norbert Schindler, Frankfurt am Main 1984, S. 203–245 u. 417–423. 1032 Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 279 u. 290–292. 1033 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 77f. 1034 Stöber, Diarium von Eckard Wiegersheim (wie Anm. 2), S. 340.

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hatte, ständig den gesamten aufrur.1035 Harer, wie noch weitere Chronisten, sehen jedoch noch andere Personen am Werk. Fast alle Bauernversammlungen führt er auf das Wirken eines oder mehrerer Personen zurück oder gibt zumindest den Ursprungsort der Haufen an.1036 Über den Wirt Georg Metzler, den Anführer des Odenwälder Haufens, urteilt er, dass dieser seinen Tag mit Spielen, Prassen und „leichtfertigen“ Dingen bestritt.1037 Für Rothenburg konstatiert Thomas Zweifel, dass, wenn Stefan von Menzingen nicht gewesen wäre, sich kein aufrur in der Stadt ereignet hätte. Von Menzingen sei nur an seinem eigenen Vorteil interessiert gewesen und habe sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern wollen.1038 Auch in den Darstellungen von Lorenz Fries und Martin Cronthal wird der Typus des dubiosen, nur an den eigenen Vorteil denkenden, aber redebegabten Demagogen beschrieben. In der Stadt Würzburg sei dieser Menschenschlag in Gestalt des Hans Bermeters erschienen.1039 Nach Fries handelt es sich bei ihm um einen flüchtigen Dieb, der ebenfalls täglich gespielt und geprasst habe. Woher das nötige Geld für diese Lebensführung stamme, lässt der Chronist bewusst offen.1040 Aufgrund seiner Redegabe habe Bermeter zahlreiche Leute um sich geschart und ihn eingeredet, dass sie „bishere von den pfaffen unbillig und wider das hailig evangelium belestigt worden“ seien und sie sich von der Obrigkeit befreien sollten, so dass sie auf diese Weise „alle reich werden mogten“.1041 Der Bamberger Chronist Marx Halbritter erklärt schließlich das sog. Übergreifen der ‚Erhebung‘ vom Hochstift Würzburg auf das Hochstift Bamberg dadurch, dass die Würzburger die Habgier der Bamberger Untertanen geweckt hätten.1042 Diesen Aspekt der Ausbreitung vom Einzelnen zum Ganzen veranschaulicht Lorenz Fries mithilfe eines Vergleichs:

1035 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 25. 1036 So sei Ballenberg der Ursprungsort des Neckartal-Odenwälder Haufens. Ebd., S. 25 u. 77. Zur Entstehung des Taubertaler Haufens in der Rothenburger Landwehr vgl. ebd., S. 34. Zum Haufen in der Markgrafschaft Baden vgl. ebd., S. 39. Für den Zabergau und Württemberg, dessen Haufen Hans Wunderer und Jäcklein Rohrbach „erweckt“ hätten, vgl. ebd., S. 42f. Über die Entstehung des Kleeburger Haufens in Weißenburg siehe: ebd., S. 45f. 1037 Ebd., S. 25. 1038 Baumann, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rotenburg an der Tauber (wie Anm. 1), S. 540. Zur weiteren Charakterisierung als Urheber und Lenker der Ereignisse berichtet Zweifel.: „der doch darvor ain uffwidler, heber und leger diser uffrurischen handlung vom anfang biß daher gewest.“ Ebd., S. 361. 1039 Wieland, Die Stadt Würzburg im Bauernkriege von Martin Cronthal (wie Anm. 87), S. 62, 64 u. 98. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 61–64. 1040 Ebd., I, S. 62. 1041 Ebd., I, S. 63. 1042 Halbritter, Der Bericht des Ratsmitglieds Marx Halbritter (wie Anm. 211), S. 25.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer 

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Mit disen und dergleichen worten bewegt er (Bermeter) vil böser buben, die on das villeicht ruig und still pliben weren. wa dan dieselbigen zu andern irs gleichen kamen, sagten sie inen dise predige auch fur, also, das der gefast giftig grolle der unterthanen, so bishere bey inen verborgen gelegen, wie das gras uf dem velde und die pleter uf den baumen, so dazumal auch anfingen auszuschlagen, sich von tag zu tag ie lenger ie höcher ereugte.1043

Woher der giftige Groll der Untertanen stamme, erläutert Fries nicht. Man kann an die angestaute Wut der Untertanen über ihre Belastungen denken. Fries meint damit aber wohl eher das angeblich schlechte, unchristliche Wesen der Menschen, welches diese Rädelsführer zu Tage gefördert hätten. So urteilt er etwa über die Bevölkerung zu Meiningen: „das die gemainde zu Mayningen zum merer thayl ain hartnecket, setzsam volk ware, das sich leichtlich ufbringen lies“.1044 Nach dem Reformator Johannes Brenz besitzen die Menschen eine innere Bereitschaft zum aufrur, und Peter Harer schreibt über die Wirkung der „Zwölf Artikel“, dass „das gemein Pöffel, so one selbst zur Freyheit und Frechait genaigt und lieber maisterlos dann in Geboten lebte […] mit begirigem, wolgefelligen Herzen“ diese vernommen hätte.1045 Der Nährboden der ‚Erhebung‘ bildet demnach das schlechte Wesen der Menschen, das nur durch einen Funken entzündet werden braucht. Georg Schwarzerdt schreibt in diesem Sinn: „Hie ist zu mercken, wie aus einem kleinen Füncklein baldt ein groß Fewer entspringt.“1046 Ähnlich funktionieren auch eine Gift- und Wurmmetapher als Erklärung der Ausbreitung, wobei hier die heilsgeschichtliche Dimension stärker betont wird: Nach Peter Harer hat sich die ‚Erhebung‘ aus ihrer Ursprungsregion, dem Hegau, ausgedehnt, indem sie „ins Allgaw gekrochen“ sei.1047 Der ‚Aufstand‘ habe sich damit wie ein Wurm bewegt, eine Anspielung, die auf den Teufel verweist. In ihm, dem Widersacher Gottes, sieht Harer den eigentlichen Protagonisten im ‚Bauernkrieg‘, der Thomas Müntzer und die anderen als seine „anhengige diener“ erweckt habe, um auf diese Weise „raub und gewin“ zu machen.1048 Heinrich Ryhiner stellt über die Bewertung eines Briefs der ‚Aufständischen‘ die Verbindung zwischen dem Teufel und dem Gift her: „O du falscher wurm, wie hastu so gyfftengklichen gehandelt!“ Und an den Herrgott gerichtet fleht er angesichts der angeblich leichtgläubigen Untertanen: „Oh herre, gyb den dinen, das gyfft dieser fal-

1043 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 63. 1044 Ebd., II, S. 198. 1045 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 25. Ad Brenz: Brenz, Vom Gehorsam der Untertanen gegenüber der Obrigkeit (wie Anm. 864), S. 286f. 1046 Würdinger, Nachricht von dem Bauernaufruhr oder bäurischen Krieg des Georg Schwarzerdt (wie Anm. 752), S. 25. 1047 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 19. 1048 Ebd., S. 24f.

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schen hertzen zu erkhennen, uff das sy vor solchem schaden verhuttet und nit betrogen werden!“ Der aufrur als „vergiftetes Laster“, wie Harer schreibt, habe sich erst durch das Agitieren Einzelner von Region zu Region verbreitet.1049 Dem aufrur verfallene Menschen seien schließlich einer christlichen Argumentation nicht mehr zugänglich gewesen.1050 Wie die Pest, formuliert Harer an anderer Stelle, habe diese Krankheit um sich gegriffen. Diese rasche Verbreitung der ‚Erhebung‘ und die Immunisierung ihrer Anhänger gegen Argumente kommt bei Fries in einer Feuermetapher zum Ausdruck. Er schlussfolgert, dass Verhandlungen mit den Untertanen lediglich Öl ins Feuer gegossen hätten, anstatt es zu löschen.1051 Fasst man zusammen, beschreiben die vorgestellten Bilder die Schnelligkeit der Verbreitung des aufrurs und kausalisieren gleichzeitig das Verhalten der Herrschenden, die entsprechend dieser Logik gegen eine solches Verhalten vorgehen mussten. Die ‚Erhebung‘ wird dabei als Täuschung der leichtgläubigen und der zur Sünde neigenden Bevölkerung dargestellt. Die ‚Erhebung‘ besitzt für die Chronisten zudem eine heilsgeschichtliche Dimension: In den Geschehnissen aktualisieren sie den ewigen Kampf des Guten gegen das Böse.1052 Die Darstellung des ‚Bauernkriegs‘ als Betrug, wie schon König Maximilian den aufrur zu Untergrombach im Jahr 1502 beurteilt, markiert den entscheidenden Modus, wie über die ‚Erhebung‘ gesprochen werden konnte: als die gegenstandslose, aber grundsätzliche Infragestellung der geltenden Werte und Normen. Von diesem Standpunkt aus waren die Schriften der ‚Aufständischen‘ allerdings auch keine Bedrohung mehr, sondern ein Beweis für die Falschheit ihres Vorhabens. Aufgrund ihres Scheiterns ließ sich die erfolglose ‚Erhebung‘ als ein Beleg für die Unumstößlichkeit der bestehenden Ordnung interpretieren. Nicht zuletzt die militärischen Niederlagen hätten die Täuschung entlarvt. Diese Betrachtungsweise der Ereignisse findet sich durchgängig in der Geschichtsschreibung. So geben die Chronisten etwa die Reden von Zeitgenossen wieder, mit denen diese die Falschheit des Vorhabens brandmarkten und die ‚Aufständischen‘ zur Aufgabe angehalten hätten.1053 Die Chronisten stellen aber auch immer wieder selbst Positionen richtig und inszenieren sich auf diese Weise als die Verteidiger der etablierten Werte. In diesem Sinn wird eine Diskrepanz zwischen

1049 Ebd., S. 15. 1050 Ebd., S. 17f. 1051 Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 173. 1052 Lorenz Fries etwa bringt das Freiheitsstreben der Untertanen mit der Figur der Fortuna in Verbindung und postuliert ein Weltgesetz: „unselig, unselig ist, der sich uf dich [das Glück] verlasen thut!“ Ebd., I, S. 328. 1053 Siehe etwa: Anonyma, Heggbacher Chronik (wie Anm. 90), S. 281f. Besonders Führungspersönlichkeiten scheinen auf diese Weise profiliert zu werden: Adam, Das Tagebuch des Herolds Hans Lutz von Augsburg (wie Anm. 632), S. 64–66. Baillet, La guerre des paysans (wie Anm. 304), S. 418.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer

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dem Sprechen und Handeln der ‚Aufständischen‘ hervorgehoben. Nach Peter Harer hat etwa der Neckartal-Odenwälder Haufen seine „brüderliche Liebe […] nach turkischer Art mitgeteilt“.1054 Statt sich für das Christentum einzusetzen, hätten sie wie Türken gehandelt, welche die christliche Ordnung bedrohten.1055 Laut Heinrich Ryhiner hätten die ‚Aufständischen‘ „nit die eer gottes und liebe des nechsten“ gesucht.1056 Entsprechend der Überzeugung von Ulrich von Rappoltstein habe Gott „ir falsch (Gedicht), das sey vnder ein gutten wort des evan(geli) hant lassen vsz gon, nit mer kemen gedul(den)“.1057 Ambrosius Geyer wünscht sich, dass Gott in Zukunft „ware christliche lieb in die hertzen der menschen giessen“ werde, „damit fried und eynigkeit in gott, dem allmechtigen, erhalten werde(n).“1058 Vergleicht man diese Aussagen mit den Briefen der ‚Aufständischen‘, werden die Sichtweisen der Untertanen nicht verschwiegen, sondern genannt. Die Darstellung ihrer Argumente als Täuschung und Betrug wirkte sich offenbar positiv auf die Überlieferung ihrer Deutungsmuster aus. Ihre in der Geschichtsschreibung widerlegten Aussagen sollten die herrschende Ordnung stabilisieren, setzten die Handlungen der militärischen Sieger angeblich ins Recht und konnten als Argumentationshilfen im Falle einer neuen ‚Erhebung‘ verwendet werden. Vor diesem Hintergrund ist eine dezidierte Beschäftigung mit der zeitgenössischen Geschichtsschreibung durchaus sinnvoll, nicht nur um die unterschiedlichen Erinnerungskulturen nachzuzeichnen, sondern auch um einen Einblick in die Programmatik der ‚Erhebung‘ zu gewinnen. Um die Argumente der ‚Aufständischen‘ zu widerlegen, mussten sich die Chronisten mit der Ideologie der ‚Aufständischen‘ möglichst wahrheitsgetreu beschäftigen, um die Wirkung ihrer Gegenargumente nicht zu gefährden. Diese so überlieferten Inhalte können zumindest Anhaltspunkte für die Argumentation der ‚Aufständischen‘ liefern.1059 Im Folgenden soll anhand der Darstellung von Jacob Holzwart abschließend die Erklärungsleistung des negativen Aufruhrstereotyps für eine heutige Interpretation kritisch erörtert werden.

1054 Franz, Peter Harers wahrhafte und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs (wie Anm. 727), S. 27. 1055 Zu diesem bereits gut erforschten Türkenstereotyp, das mit der Belagerung Wiens 1529 einen scheinbar aktuellen Anlass besaß, vgl. Wunderer, Hartmann, Zwischen Bedrohung, Faszination und Verachtung. Der Wandel des Türkenbilds in der Frühen Neuzeit, in: Kulturkonflikte – Kulturbegegnungen. Juden, Christen und Muslime in Geschichte und Gegenwart, hg. von Gisbert Gemein (Bundeszentrale für Politische Bildung Bd. 1062), Bonn 2011, S. 376–395. 1056 Ryhiner, Heinrich Ryhiners Chronik des Bauernkrieges (wie Anm. 76), S. 470. 1057 Baillet, La guerre des paysans (wie Anm. 304), S. 404. 1058 Geyer, Handlung des bunds wider die bauern (wie Anm. 299), S. 747. 1059 Aus einer Widerlegung darf jedoch nicht einfach auf die Verbreitung der thematisierten Argumentation bei den Untertanen geschlossen werden. So sind Luthers Argumente gegen die ‚Aufständischen‘ teils von polemischer Natur, die Gegenseite zu diskreditieren. Lobenstein-Reichmann, Freiheit bei Martin Luther (wie Anm. 48), S. 345–357.

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Jacob Holzwart beschäftigt sich von allen Chronisten am ausführlichsten mit den Ursachen der ‚Erhebung‘. Wie ein Arzt habe er ein Heilmittel bereitstellen wollen, um einen erneuten ‚Aufstand‘ zu verhindern.1060 Seine Erklärungen sind durchgängig dem negativen Aufruhrstereotyp verpflichtet. So begründet er den nahezu gleichzeitigen ‚Aufstand‘ in Deutschland mit einer planmäßigen Verschwörung.1061 Um in Zukunft eine solche ‚Erhebung‘ zu verhindern, führt er mehrere Gegenargumente ins Feld. Nach Holzwart entstand der ‚Bauernkrieg‘ aus drei Gründen. Erstens hätten einige Unruhestifter mit der Rechtmäßigkeit einer ‚Erhebung‘ argumentiert. Zweitens hätten diese Rädelsführer die Beschwerden („gravamina“) der Untertanen angeführt, die ein Vorgehen gegen die Herren rechtfertigen würden, und drittens sei der Abschaum der Gesellschaft dazu gezwungen worden, den ‚Aufstand‘ zu beginnen.1062 Die erste Ursache liefert nach heutigem Verständnis die Ideologie der ‚Erhebung‘. Laut Holzwart waren etwa fünf Jahre vor dem Ereignis etliche Prädikanten aufgetreten. Die schlimmsten unter ihnen hätten der Bevölkerung eine falsche Lehre eingeredet: Christum nos suo sanguine redemisse et ad libertatem vocasse, itaque Christianos non debere esse obnoxios servituti corporali, nam et Paulus dicat: ‚Redempti estis pretio, nolite servi fieri hominum‘; secundo preaceptam in Christianismo rerum communionem, nam et natura omnes res sunt communes, et in primitiva ecclesia inter apostolos et Christianos omnia fuerint communia.1063 – Christus hat uns sein Blut zurückgegeben und ruft uns zur Freiheit auf, und zwar deshalb, weil die Christen nicht geknechtet in Sklaverei leben müssen, denn schon Paulus sagte: ‚Für euch ist ein Preis bezahlt worden! Ihr sollt nicht zu Sklaven von Menschen werden.‘ Zweitens sind nach der christlichen Religion und nach dem Naturrecht sowie nach den Lebensprinzipien der Urkirche alle Dinge allgemein verfügbar.

Nach Holzwart haben diese Gedanken eine große motivierende Kraft besessen: Das ahnungslose und unkluge Volk habe sich mit Händen und Füßen auf diesen Plan gestürzt, weil es gehört habe, dass über die Befreiung aus der Leibeigenschaft und über die Güterverteilung gesprochen worden sei. Der ‚Aufstand‘ sei deswegen von ungeheuerlicher Vehemenz gewesen.1064 Holzwart zufolge haben die Beteiligten argumentiert, nicht länger Leibeigene bleiben zu wollen. Der Chronist gibt zudem die Argumentation mit dem Blut Christi wieder. Man kann diese Schilderung leicht mit der Adaptation der Exoduserzählung durch die ‚Aufständischen‘ in Verbindung bringen. Auch im dritten Artikel der „Zwölf Artikel“ wird mit dem Blut Christi zur Beendigung der Leibeigenschaft argu-

1060 Holzwart, Rustica seditio totius fere Germaniae (wie Anm. 670), S. 643. 1061 Ebd., S. 652. 1062 Ebd., S. 643. 1063 Ebd., S. 644. 1064 Ebd., S. 645.

3.3 Die Antagonisten: Der Blick auf die aufrürer



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mentiert. Die Forderung nach einer Gütergemeinschaft, die Holzwart nennt, wird ebenfalls in den „Zwölf Artikeln“ erhoben: Wildtiere, Fische und Wälder sollen allgemein verfügbar werden. Nach Holzwart habe die Untertanen darüber hinaus gefordert, dass jeglicher Besitz wie unter den Aposteln geteilt werden müsse – eine Forderung, die sich allerdings nicht in den „Zwölf Artikeln“ findet. Liest man bei einer kritischen, wortgenauen Interpretation Holzwarts Bericht als Quelle für die Rezeption dieses Dokuments, ergeben sich folglich Hinweise auf die Verbreitung einzelner Argumente. Als zweiten Grund für den ‚Aufstand‘ nennt Holzwart die Überzeugung der Menschen, dass ihnen die Möglichkeit von den Herren versperrt worden sei, ihre Beschwerdeartikel friedlich auszutragen. Ursprünglich hätten sie ihre Obrigkeit nicht abgelehnt („suos magistratus non rejiciant“). Als sie jedoch glaubten, dass ihre Belastungen nicht gelindert würden, hätten sie gesagt: „ergo ajunt, quia hoc jure fieri nequit, fiat per vim.“ – „Weil es nicht mit Recht geschehen kann, so soll es durch Gewalt geschehen.“1065 Unschwer ist hier die Logik des Beschwerdewesens zu erkennen, möglichst lange an einer einvernehmlichen Einigung festzuhalten, dann allerdings durch Gewalt die Obrigkeit unter Druck zu setzen. Nach Holzwart wollten die Untertanen die Herren berichtigen und strafen („corrigere et punire“): Deutungsmuster, die sich ebenfalls in den Korrespondenzen der ‚Aufständischen‘ wiederfinden.1066 Trotz der kategorischen Ablehnung ihrer ‚Erhebung‘ als unchristlich wird an dieser Stelle bei Holzwart jedoch erkennbar, dass es auch von einer obrigkeitsnahen Position aus möglich war, die Handlungslogik der Gegenseite nachzuvollziehen. Als dritten Grund des ‚Aufstands‘ bezeichnet der Chronist das Wirken von Hintermännern. Auf Kosten der einfachen ‚Aufständischen‘ hätten sich diese bereichern wollen und hätten sich bereits als Könige verstanden („iam reges sibi viderentur“). Je mehr das Vorhaben um sich gegriffen habe, desto mehr hätten sich diese Tendenzen gezeigt. Im Gegensatz zu den ersten beiden Ursachen der ‚Erhebung‘ widerlegt Holzwart an dieser Stelle keine Argumentationsmuster der ‚Aufständischen‘ mehr, sondern gibt seine Sicht der Dinge wieder, ohne Bibelstellen als Entgegnungen anzuführen.1067 Ob es sich hier lediglich um eine Polemik oder etwa um einen Hinweis auf das wachsende Selbstvertrauen der Untertanen handelt, lässt sich daher kaum entscheiden. Vergleicht man die intertextuellen Bezüge bei Holzwart mit den zugrundeliegenden Textstellen in den Schriften der Untertanen, ergeben sich neue Einsichten zum Verlauf der ‚Erhebung‘. Ein erster Anknüpfungspunkt für diese Untersuchung bildet der von beiden Parteien beschriebene Beginn der ‚Erhebung‘. Das negative

1065 Ebd., S. 649. 1066 Ebd., S. 650 und ausführlicher Kapitel 2.2.2.4. 1067 Ebd., S. 651.

308  3 Erinnerungskultur und Geschichtsschreibung

Aufruhrstereotyp personalisiert dabei den Anfang des ‚Bauernkriegs‘ auf Einzelpersonen, die andere verführt hätten. Abstrakter gesprochen, war nach diesem Erklärungsschema ein Impuls von außen nötig, welcher die Untertanen erfasste. Die Vorstellung, dass ein initiierender Moment ausschlaggebend gewesen sei, teilten aber auch die ‚Aufständischen‘. Wie sie mehrfach ausführten, seien sie, die angeblich Unwissenden, erst durch Gott über ihre Situation aufgeklärt worden (Kapitel 2.2.3.2.2). Das negative Erklärungsmodell beschreibt die rasche Verbreitung der ‚Erhebung‘ als eine Ansteckung mit zuvor nie gehörten Ideen. Ein aufrur besitzt in dieser Logik keine rationalen Ursachen, sondern beruht auf den demagogischen Fähigkeiten einiger weniger und der Anfälligkeit der breiten Masse für Irrlehren. Entsprechend der Analyse der Exoduserzählung konnte dagegen gezeigt werden, dass diese Gedanken auf einen bereits existierenden kulturellen Resonanzraum stoßen konnten, weshalb sich diese Ideen so schnell verbreiteten. Aus der Sicht seiner Gegner erscheint das Vorhaben der Untertanen als Destruktion aller Werte. Als völlig falsch ist diese Sichtweise allerdings nicht zu bewerten, führen Revolutionen doch stets zu einer Umpolung gesellschaftlicher Wahrheiten. In einer Zeit, in welcher das Richtige und Falsche allerdings stets an die Auslegung des Evangeliums gekoppelt war, stellte der Versuch, ein neues Verhältnis zur Heiligen Schrift zu suchen, wohl die einzige Möglichkeit dar, neu über gesellschaftliche Spielregeln nachzudenken und diese zu verändern. Die Perspektiven der ‚Erhebung‘ können, da sie keinen Erfolg hatte, naturgemäß immer nur spekulativ erschlossen werden. Nimmt man die Untergangsprognosen des negativen Aufruhrstereotyps beiseite und achtet auf die Inhalte der Widerlegungen, können sich wichtige Rückschlüsse auf die Verbreitung von programmatischen Ideen der ‚Aufständischen‘ ergeben. In den historiographischen Darstellungen fanden, summarisch gesprochen, damit mehrere Sichtweisen Platz: die Wirklichkeitsdeutungen der Autoren, ihre antizipierten Publikumserwartungen hinsichtlich einer Stellungnahme zu der zeitgenössischen Erinnerungspolitik sowie mitunter auch die Sichtweisen der ‚Aufständischen‘. Unter Berücksichtigung der spezifischen Quellenproblematik gilt es, diese Texte wieder stärker in die Erforschung des ‚Bauernkrieges‘ einzubeziehen.

4 Zusammenfassung Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildete die Frage, wie die ‚Aufständischen‘ ihre ‚Erhebung‘ bezeichneten. In der Sprache der Zeit standen den Beteiligten für ihr Vorhaben nur negativ konnotierte Ausdrücke zur Verfügung, die sie deswegen zu umgehen oder umzudeuten versuchten. Die Suche nach den Benennungen gab dabei Einblick in die zeitgenössischen Diskussionen über den Charakter eines legitimen aufrurs. Eine positive Bezeichnung der Ereignisse ist damit auf das engste mit der Ideologie und der Programmatik des Vorhabens verknüpft, wie sie die einzelnen Versammlungen propagierten. Die Analyse der zeitgenössischen Modelle und Idealvorstellungen bildeten den Kern dieser Arbeit. Zwar blieb die Suche nach einer zeitgenössischen Benennung der Ereignisse erfolglos, da es keinen Begriff gab, der die Hoffnungen und Wünsche der Beteiligten angemessen ausdrückte, sprachlos blieben die ‚Aufständischen‘ aber keineswegs. Ihre Äußerungen lassen sich als Teil einer eigenen politischen Sprache verstehen, mit denen sie ihr Vorhaben umschrieben. Einen wesentlichen Ursprung dieser Sprache kann man in der reformatorischen Glaubensspaltung und der daraus resultierenden Pluralisierung der gesellschaftlichen Leitwerte erkennen. Der Konsensverlust bisher akzeptierter Wahrheiten spiegelte sich in Schriften und Wörtern, wenn die Zeitgenossen zwar an denselben Ausdrücken festhielten, sie aber nun anders verstanden.1068 Neben der neuen Semantik zentraler Wörter ist aber auch auf die die rhetorische Dimension der untersuchten Bauernkriegsschriften hinzuweisen. Die Schreiber versuchten, ihr Anliegen durch eine Vielzahl von Argumenten zu verstärken, nutzen ganz bewusst die Unschärfe der Leitwörter aus und stellten ihr Vorhaben zum Teil durch das Weglassen bestimmter Argumente bei ihren Adressaten in ein möglichst günstiges Licht. Die Sprache der ‚Aufständischen‘ speist sich aber nicht nur aus dem Vokabular und der Vorstellungswelt der Reformation, sondern steht auch in Verbindung zu anderen Diskursen. Legt man die Sprache der ‚Aufständischen‘ im übertragenen Sinn unter ein Mikroskop, erkennt man ein dichtes Geflecht aus sich gegenseitig verstärkenden Diskursfäden. Wenn beispielsweise der ehemalige Anführer der Rothenburger ‚Erhebung‘ Stefan von Menzingen seine „christliche(n) bruder“ um Hilfe rief, seine Verhaftung durch die alte Obrigkeit abzuwenden, klingen in diesem Zitat mehrere Diskurse an: die Aufforderung an seine Helfer, die Bundespflicht innerhalb einer Schwureinigung zu wahren, aber auch der Appell, die Utopie einer neuen brüderlichen Gesellschaft nicht aufzugeben.1069 Diese vielschichtigen Bezüge zentraler Ausdrücke zur Lebenswelt der ‚Aufständischen‘, zur Organisation einer ‚Erhebung‘

1068 Hamm, Die reformatorische Krise der sozialen Werte – drei Lösungsperspektiven zwischen Wahrheitseifer und Toleranz in den Jahren 1525–1530 (wie Anm. 122). 1069 Zum Zitat vgl. die Einleitung dieser Arbeit. https://doi.org/10.1515/9783110603750-004

310  4 Zusammenfassung

und zu den Zielen ihres Vorhabens finden sich aber nicht nur auf der Wortebene, sondern auch auf der Ebene der Vertextung ganzer Dokumente, die wie die „Zwölf Artikel“ juristische, religiöse und moralische Argumente miteinander kompilieren. Auf der Suche nach der sprachlichen Benennung der Ereignisse durch die ‚Aufständischen‘ konnten mehrere relevante Diskurse ausfindig gemacht werden, indem man die Paraphrasen zur Umschreibung des ‚Aufstands‘ analysierte. So bezog sich die Rede von der Minderung der Beschwerden auf einen lang eingeübten Mechanismus zur Lösung sozialer Probleme: Die Untertanen versuchten in erster Linie, mit ihren Herrschern auf dem Verhandlungsweg eine Lösung zu erzielen, reagierten aber mit Gewalt auf eine ausbleibende Einigung. Die häufig vorgebrachten Ausdrücke aus dem Wortfeld der Gerechtigkeit und der Ordnung standen zwar einerseits in Verbindung zu theokratischen Gedanken, verweisen aber andererseits auch auf Straf- und Sühnehandlungen, die in der Tradition ländlicher Gemeinden zu verorten sind. Mit der Vorstellung, das Evangelium aufzurichten, gingen reformatorisch geprägte Ideen einher: Die Beteiligten verlangten nicht nur nach einer wortgenauen Predigt der Heiligen Schrift, sondern forderten auch auf der Basis der Bibel ihre soziale Besserstellung, wie es viele Vertreter der Frühreformation ebenfalls anmahnten. Die Legitimation der ‚Erhebung‘ fußte damit auf einer breiteren Argumentationsbasis, als dies die ältere Forschung mit dem Konzept des Göttlichen Rechts annahm, Rechtsansprüche lediglich aus der Bibel abzuleiten. Die politische Sprache der ‚Aufständischen‘ kondensierte aber nicht nur Wirklichkeitsvorstellungen und Ideologien, sondern leitete auch zu Handlungen an. Mit dem Begründer der modernen Pragmatik, Charles Sanders Peirce, kann man bildlich gesprochen die Leistung eines Wortes mit dem Urteil eines Gerichts vergleichen: „Es ist nicht selbst der rechte Arm des Sheriffs, doch ist es fähig, sich einen Sheriff zu schaffen und seinem Arm den Mut und die Energie zu verleihen, die ihn wirksam werden lässt.“1070 In der vorliegenden Arbeit wurden Wörter nicht nur als Spiegelbilder der sozialen Realität, sondern auch als Faktoren des sozialen Wandels untersucht. Die einzelnen Haufen versuchten dabei, mit ihrer Sanktionsgewalt die Ausführung ihrer Leitideen zu überwachen und die Definitionshoheit über „ihre“ Wörter und Vorstellungen nicht zu verlieren. Ein Handlungsreservoir bildeten dabei die Praktiken der reformatorischen Gewalt, aber auch Strafriten und symbolische Handlungen, um mit den Herren eine Einigung zu erzielen. Versteht man einzelne Handlungen als Kommunikation mit der Obrigkeit, rücken besonders die Vereinigung der Untertanen zu Schwureinigungen, das Verfassen von Beschwerdeschriften sowie die Einnahme von Gebäuden und deren Zerstörung in den Blick. Nicht zu unterschätzen ist insgesamt das Deutungsmuster, defensiv zu agieren, welches die Untertanen immer wieder vorbrachten. Diese Vorstellung tritt etwa in den Sprechwei-

1070 Peirce, Charles Sander, Phänomen und Logik der Zeichen (Suhrkamp-Taschenbuch 425), 3. Auflage Frankfurt am Main 1998, S. 66.

4 Zusammenfassung 

311

sen zu Tage, von den Abgabenlasten erdrückt zu werden, den neuen Glauben zu beschützen oder unmittelbar von der Obrigkeit bedroht zu werden. Das vormoderne Verfahren der Konfliktlösung, in welcher die Untertanen auf das Entgegenkommen der Obrigkeit hofften, aber gleichzeitig deren militärisches Vorgehen fürchten mussten, trug hierbei seinen Teil zur Eskalation des Konflikts bei. Man kann darüber diskutieren, was dieses Gewebe an Deutungen und Praktiken zusammenhielt, die vorwiegend aus der Tradition des Beschwerdewesens, den Gerechtigkeitsvorstellungen und Strafpraxen ländlicher Gemeinden sowie der Adaptation reformatorischer Ideen stammen. Angesichts des Befundes, dass die entsprechenden Schlagwörter, die von den Untertanen verwendet wurden, um für ihr Vorhaben zu werben, zur Synonymie neigen, liegt es nahe, dass die zugrundeliegenden Diskurse aufeinander verweisen und offenbar nicht getrennt voneinander gedacht werden konnten. Andererseits erschuf aber auch die Rezeption der Exodusgeschichte ein schlüssiges Gesamtbild. So lieferte die Adaptation dieser Geschichte eine programmatische Selbstdeutung für die Beteiligten, stellte ein Verlaufsmodell bereit und erschuf die Utopie einer besseren Ordnung. In dieser Narration verband sich die Situationsbeschreibung, unterdrückt zu werden, mit der Vorstellung, in einem Bund mit Gott zu leben, als Lösungsperspektive. Für den Verlauf der Ereignisse wurden in der Forschung bisher kaum Interpretationen angeboten, die in den Geschehnissen im Gegensatz zu den hier vorgestellten Ergebnissen nicht einen zielgerichteten Kampf gegen die Obrigkeit erkennen. Die Frage nach den Zielen der ‚Erhebung‘ schien mit Peter Blickles Entwurf einer „Revolution des Gemeinen Mannes“ zu einem Abschluss gekommen zu sein. In dieser Arbeit wurde dagegen versucht, eine Vielzahl von Deutungsmustern nachzuweisen, die während des Jahres 1525 kursierten. Mit der Aneignung der Geschichte vom Auszug der Juden aus Ägypten als Handlungsmodell liegt nun neben den oben beschriebenen Handlungspraktiken ein weiteres zeitgenössisches Handlungskonzept aus der Sicht der Beteiligten vor. Peter Blickle billigt der ‚Erhebung‘ den Status einer Revolution zu und rechtfertigt dies mit dem Vorhandensein von Verfassungsentwürfen, welche auf eine Neuordnung der staatlichen Strukturen abzielten. Die Analyse des Exodusnarrativs lenkt den Fokus dagegen auf die grundsätzlichen Gedanken der Zeitgenossen über den Charakter einer christlichen Gemeinschaft. Diese Überlegungen sind ebenfalls als revolutionär einzustufen, erschuf die Adaptation der Exoduserzählung doch einen neuen gesellschaftlichen Gründungsmythos: Die Einteilung der Gesellschaft sollte nicht mehr auf einer gottgewollten Ungleichheit beruhen, sondern auf einem Bund aller Gläubigen mit Gott. In dieser neuen Gesellschaft wären alle Menschen politisch gleichberechtigte Glieder eines neuen Gemeinwesens geworden, an deren Spitze ein absetzbarer Regent gestanden hätte, der im Geist der göttlichen Gesetze seine Regierungsmacht zum Wohle aller ausüben sollte. Im Gegensatz zu dem älteren Modell von Peter Blickle, welches die politische Interpretation der Nächstenliebe durch die Untertanen nicht thematisiert, kann auf diese Weise auf die gemein-

312  4 Zusammenfassung

schaftbildende Idee dieser Vorstellung eingegangen werden. Sie stand einerseits für theokratische Ideen, die Bibel wörtlich auszulegen, aber auch für die Vorstellung, das Wohl des Nächsten zum Zweck eines Gemeinwesens zu erheben, und sprach allen Menschen, unabhängig von ihrem Stand, denselben Stellenwert vor Gott zu, deren Verbindung erst eine christliche Gemeinschaft konstituiert. In diesem Zug gelang es erstmals, die bundestheologischen Überlegungen freizulegen, durch welche sich der ‚Aufstand‘ des Jahres 1525 in eine Reihe mit anderen Theorieentwürfen und Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit stellen lässt, die eine politische Gemeinschaft ebenfalls kontraktionalistisch begründen. Im zweite Teil der vorliegenden Abhandlung wurden die Folgen der ‚Erhebung‘ thematisiert, allerdings nicht im Hinblick auf die sozialen und politischen Auswirkungen der Niederlage für die ‚Aufständischen‘, sondern dahingehend das Verschwinden und Erscheinen neuer Deutungsmuster über die ‚Erhebung‘ in der Folgezeit nachzuzeichnen. Die Schriften der ‚Aufständischen‘ aus dem Jahr 1525 und die später einsetzende Geschichtsschreibung aus dem Umkreis der Obrigkeit lassen sich als Rezeption älterer Vorstellungen über einen aufrur fassen. Das Konzept, das eine Untertanenerhebung als Umsturz deutet, ist dabei grundlegend, um sowohl den Diskurs der ‚Aufständischen‘ als auch die später einsetzende Geschichtsschreibung zu verstehen. Während sich die Untertanen von diesem Stigma zu distanzieren versuchten und dabei auf keinen positiv konnotierten Begriff für ihr Vorhaben zurückgreifen konnten, bestätigten die Geschichtsschreiber scheinbar die Richtigkeit dieser negativen Vorannahmen über den destruktiven Charakter einer ‚Erhebung‘. Entsprechend älteren Vorlagen sahen sie vor allem im Wirken charismatischer Demagogen eine Ursache der ‚Aufstands‘, der sich aufgrund des zur Sünde neigenden Charakters der Menschen wie ein Flächenbrand ausgebreitet hätte. Statt konstruktiver Ziele sei es den Beteiligten um die Befriedigung niederer Instinkte gegangen, weshalb die Autoren vor allem das Zerstörungswerk der ‚Aufständischen‘ hervorhoben. Das Scheitern der ‚Erhebung‘ wird schließlich nach dem literarischen Muster von Hochmut und Fall sowie der Wiederherstellung der göttlichen Ordnung interpretiert. Trotz dieser diffamierenden Sichtweise zitieren die Autoren die Schreiben der unterlegenen Partei auffällig häufig. Offenbar begünstigte die scheinbar entlarvend wirkende Niederlage der ‚Aufständischen‘ die Überlieferung ihrer Schriften, in denen sie einst angaben, auf der Seite Gottes zu stehen. Die Haltungen und Meinungen der unterlegenen Partei ließen sich damit als überführter Irrtum in eine moralisch geprägte Geschichtsschreibung integrieren, welche in der Tradition mittelalterlicher Vorbilder im Sieg des Guten gegen das Böse die Heilsgeschichte bestätigt sah. Die letzten 200 Jahre der Erforschung des ‚Bauernkriegs‘ waren von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber der zeitgenössischen Geschichtsschreibung geprägt, die zu Unrecht als Chronistik der Sieger pauschal abgewertet wurde. Im Mittelpunkt des zweiten Teils dieser Arbeit standen erstmals die Entstehungsbedingungen, Verwendungszusammenhänge und Sinnangebote der Texte. Die Schreiban-

4 Zusammenfassung

 313

lässe der Darstellungen bildeten überwiegend die Quellendokumentation, die Aufstandsprävention und vor allem die Propagierung einer bestimmten Erinnerungspolitik zu Gunsten lokaler Herrschaftsträger. Angesichts der Stellung der meisten Schreiber im Umfeld einer Obrigkeit versuchten diese auf die zeitgenössische Erinnerungskultur Einfluss zu nehmen, um Statusgewinne für ihre Herrschaft zu erzielen. In den meisten Texten dominiert dabei nicht das Selbstverständnis des Siegers, sondern das Beteuern, sich nicht leichtfertig mit den ‚Aufständischen‘ verbündet zu haben. Auch in den Chroniken, die nicht im Auftrag eines Bauernkriegsakteurs verfasst wurden, verwendeten die Autoren die Kategorien von Ehre und Schande, um etwa in der Tradition heroischer Geschichtsdarstellungen großen Männern ein Denkmal zu setzen oder um generell vor Uneinigkeit zu warnen. Festzuhalten bleibt, dass die ‚Erhebung‘ in den meisten Fällen lediglich als Kulisse für herrschaftliche Bewährungsproben fungierte. Neben dem Misstrauen gegenüber dem Wahrheitsgehalt der Darstellungen zeichnet sich in der Forschung noch eine zweite Sichtweise auf die Geschichtsschreibung ab, die in vielen der Werke nur spröde Aktensammlungen erblickt und auf diese Weise die Konstruiertheit der Werke nur schwer fassen kann.1071 In den scheinbar nüchternen Ereignisberichten findet sich jedoch eine Vielzahl narrativer Muster, die textkonstituierend wirken und einen Einblick in die Deutungsmuster der Autoren geben. In der wiederkehrenden Montage des ‚Bauernkriegs‘ als Ereignisfolge der eskalierenden Gewalt auf Seiten der Untertanen und der Niederschlagung der ‚Erhebung‘ durch die Obrigkeit wurden besonders das Deutungsmuster von der Wiederherstellung einer bedrohten Ordnung, die Vorstellung, das Verbrechen und Strafe zusammengehören, die mittelalterliche Sentenz, das Hochmut stets zum Fall führe, und das Verständnis der Geschehnisse als individuelle Bewährungsprobe narrativ umgesetzt. Entgegen moderner Lesegewohnheiten werden Erklärungen für die ‚Erhebung‘ entsprechend der Straf- und Aufstandstheorie der Zeit vor allem durch die Rückführung des ‚Bauernkriegs‘ auf einen Ursprungsort bereitgestellt und das Ereignis als Exempel für die Bewahrung der Ständegesellschaft in einen heilsgeschichtlichen Kontext eingebunden. Versucht man sich dem Bauernkriegsverständnis der Autoren zu nähern, ist der Begriff ‚Bauernkrieg‘ eingedenk der konfessionellen Perspektive der Schreiber vor allem mit diesen Deutungsmustern in Verbindung zu bringen. Im Zuge der vorliegenden Analyse gelang es, eine weitere Sichtweise auf den Reichstag von Speyer im Jahr 1526 zu entwickeln, der in der modernen Forschung als Entgegenkommen zugunsten der Untertanen interpretiert wird. Nicht die Empfehlung an die Obrigkeit, keine übermäßigen Abgaben mehr zu verlangen, wurde jedoch von den Historiographen des 16. Jahrhunderts rezipiert, sondern die Aufforderung, ehrlos gewordene Institutionen wieder zu rehabilitieren. Die juristische Be-

1071 Franz, Der deutsche Bauernkrieg (wie Anm. 13), S. 177.

314  4 Zusammenfassung

wältigung des ‚Bauernkrieges‘ und die Erinnerungspolitik durch rechtliche Sanktionen, die Untertanen an ihr vermeintliches Unrecht zu ermahnen, hielt vielerorts noch bis über die Jahrhundertmitte an. Zwar spielten nach dem 16. Jahrhundert die juristischen Konsequenzen bei der Rezeption der Ereignisse keine Rolle mehr, das lange Fortwirken einer Erinnerungskultur, die auf Ehrverlust und Ehrgewinn angelegt war, zeigt sich aber etwa darin, dass noch knapp hundert Jahre später der Rothenburger Drucker Hieronymus Körnlein die unvorteilhafte Rolle seiner Heimatstadt in der ‚Erhebung‘ zu beschönigen versuchte. Eine positive Deutung der Ereignisse zugunsten der Untertanen setzte schließlich erst zögerlich nach der Französischen Revolution in der Geschichtsschreibung ein.

5 Anhang zu den Grafiken 1 und 2 Fundstelle

Nennung insgesamt

Distanzierung von Vorwürfen Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 80. Ebd., Nr. 50. Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), I, S. 445. Ebd., II, S. 14. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 199 (Stühlinger Artikel) Ebd., Nr. 401.

9

Negative Konnotation Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 47 (Dettelbach). Ebd., II, S. 72 (Ebern).

14

Nennung

Lemma

1

ungehorsam

1 1

empörung empörung

1 1

ungehorsam ungehorsam

4

empörung

2

aufrur und empörung

3

Ebd., II, S. 170 (Königshofen).

3

Ebd., II, S. 233f. (Münnerstadt).

5

Ebd., I, S. 168 (Berlichingen).

1

aufrur und zweimal empörung empörung und zweimal aufrur aufrürerische empörung und dreimal aufrur empörung

1

aufrur

1 1 3 1 1 1

ungehorsam ungehorsam ungehorsam ungehorsam empörung ungehorsam

Stigmatisierung von Widersachern Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 168. Ebd., II, S. 84. Ebd., II, S. 132. Ebd., II, S. 324. Ebd., I, S. 385. Ebd., I, S. 145. Ebd., I, S. 293.

https://doi.org/10.1515/9783110603750-005

22

316  5 Anhang zu den Grafiken 1 und 25 Anhang zu den Grafiken 1 und 2

Fundstelle Ebd., I, S. 296.

Nennung insgesamt

Ebd., II, S. 160. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 272–276. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 199 (Stühlinger Artikel).

Selbstbezeichnung Franz, Aus der Kanzlei der württembergischen Bauern im Bauernkrieg (wie Anm. 86), Nr. 49. Baumann, Akten zur Geschichte des deutschen Bauernkrieges aus Oberschwaben (wie Anm. 15), Nr. 250. Laube, Die Kapitulationsurkunde des Erzstifts Mainz (wie Anm. 86), S. 58. Schäffler/ Henner Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 153. Ebd., II, S. 161 (Iphofen). Ebd., II, S. 290.

10

Indikator für Missstände Schäffler/ Henner, Die Geschichte des Bauern-Krieges in Ostfranken von Magister Lorenz Fries (wie Anm. 20), II, S. 47 (Dettelbach). Ebd., I, S. 137. Oechsle, Beiträge zur Geschichte des Bauernkrieges in den schwäbisch-fränkischen Grenzlanden (wie Anm. 86), S. 255–258.

5

Gesamt

60

Nennung 9

1 2

Lemma Sechsmal ungehorsam, zweimal aufrur und empörung ungehorsam ungehorsam

1

aufrur

3

aufrur und zweimal empörung

1

empörung

2

empörung

2

aufrur, empörung

1 1

empörung kristliche empörung

2

aufrur und empörung

1 2

aufrur aufrur

6 Quellen- und Literaturverzeichnis 6.1 Archivalien Augsburg, Staats- und Stadtbibliothek 2° Cod. 292, 385a, 387, 387a, 387b Bad Windsheim, Stadtarchiv B 207 Bamberg, Staatsarchiv B 48, Nr. 5 Bamberg Staatsbibliothek Mscr. histor. 69 Bamberg, Stadtarchiv Historischer Verein Bamberg, No. 2107, 2108, 2111, 2112 Basel, Universitätsbibliothek Cod. O 9 Colmar, Archives Départementales du Haut-Rhin E 1039 Erlangen-Nürnberg, Universitätsbibliothek B 189 Füssen, Stadtarchiv A 30.246 Füssen, Stadtbibliothek C 24 Göttingen, Staats und Universitätsbibliothek 4 Cod. Ms. Hist. 100 Haßfurt, Stadtarchiv Akten vor 1827, 10 Heidelberg, Universitätsbibliothek Heid. Hs. 19 Pal. lat. 952 Karlsruhe, Generallandesarchiv, 65/112 Karlsruhe, Landesbibliothek Cod. K. 2476 Kassel, Universitätsbibliothek 4° Ms. hist. 52 Kitzingen, Stadtarchiv Chronik 1 Varia 1, 2 Mainz, Stadtbibliothek 11 Il 625 4° München, Staatsbibliothek Cgm. 1585, 2845, 4925, 5051, 5355, 5060 Clm. 1563, 2702 Rar. 1540 4 J.publ.e. 319,1 4 Theol.syst.714/31 https://doi.org/10.1515/9783110603750-006

318  6 Quellen- und Literaturverzeichnis

4 Polem. 3270 4 Pol.g. 81a München, Hauptstaatsarchiv Geheimes Hausarchiv, Handschrift Nr. 4 Neuenstein, Hohenlohisches Zentralarchiv GA 20 Schubl. XLIII, Nr. 24 GA 70 Bü. 87, Bü. 88, Bü. 89 GA 98, Nr. 136 Nürnberg, Staatsarchiv Rep. Reichsstadt Rothenburg, 200/I, No. 331 Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum No. 15560 Regensburg, Staatliche Bibliothek 999/4 Hist.pol.1062, 1073 999/4 Theol.syst.714/31 Rothenburg, Stadtarchiv B 17, B 23 Saverne, Stadtarchiv L 12 Stuttgart, Hauptstaatsarchiv B 523, Handschrift 58 J 1, Bd. 180, 207, 208, 219 Wertheim, Staatsarchiv G-Rep. 57/1 Befehdungen Nr. 4 Wien, Österreichische Nationalbibliothek Cod. 8081 Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Xb 7096 Würzburg, Staatsarchiv Historischer Verein, Ms. f. 122, 1073 Libri diversari formarum, Nr. 25 Manuskripte Nr. 1 und Manuskripte ad Nr. 1 Standbuch 817, 818, 1011 Zeil, Fürstlich-Waldburgisch-Zeilsches Archiv Ms 54

6.2 Gedruckte Quellen Adam, A. (Hg.), Das Tagebuch des Herolds Hans Lutz von Augsburg. Wieder aufgefundener Text, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 47 (1893), S. 55–100. Baillet, Lina (Hg.), La guerre des paysans. Un cas de conscience dans la famille de Ribeaupierre, in: Bulletin philologique et historique du Comité des Travaux Historiques et Scientifiques 92 (1969), S. 358–437. Baumann, Franz Ludwig (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs in Oberschwaben (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 129), Tübingen 1876. Anonyma, Heggbacher Chronik, S. 277–295. Anonymus, Auszug des schwäbischen bunds wider Herzog Ulrich und die bauern, S. 751–780. Anonymus, Der Schreiber des Truchsessen Georg von Waldburg, S. 525–612.

6.2 Gedruckte Quellen



319

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342  6 Quellen- und Literaturverzeichnis

6.4 Register Personen und Orte Dieses Register verzeichnet keine biblischen Figuren und Orte. Ebenfalls kennt das Register nicht die Namen moderner Forscher und Sachen. Die Familienangehörigen der Geschichtsschreiber des Jahres 1525 (diese Arbeit S. 232−240) wurden nur in Ausnahmefällen aufgenommen. Päpste, Könige und Kaiser sind mit dem Vornamen zuerst verzeichnet. Folgende Abkürzungen wurden verwendet: d. = der, des; eigentl. = eigentlich; frk. = fränkisch; Lkr. = Landkreis; o. d. T = ob der Tauber; Ortst. = Ortsteil; u. = und; zw. = zwischen. Agricola, Johannes (Reformator) 230, 2951004 Amorbach (Kloster, Lkr. Miltenberg) 86, 100, 173576 Arnstein (Lkr. Main-Spessart) 111 Artzt, Ulrich (Hauptmann d. Schwäbischen Bundes) 29, 91292, 122404, 246786 Aschach (Lkr. Bad Kissingen) 114f. Aub (Lkr. Würzburg) 120399 Augsburg − − Bischof Christoph von Stadion 122404, 207, 237, 240, 243, 251, 275f., 288f. − − Stadt 239766 Aura (Versammlung ‚Aufständischer‘) 63196, 111 −114, 117f., 140−146, 147f., 153504, 214 Aventinus, Johannes (eigentl. Johann Georg Turmair) 290994 Baden, Markgrafschaft 37, 272, 3021036 Ballenberg (Lkr. Neckar-Odenwald) 301f. Balingen (Lkr. Zollernalb) 107351 Baltringen (Ortst. v. Mietingen, Lkr. Biberach) 296, 301 Bamberg − − Stadt 69211, 88279, 94, 113375, 116, 120399, 121, 154f., 162538, 170−172, 233, 248, 253, 260827, 277f., 288, 302 − − Bischof Weigand von Redwitz 42128, 87274, 114376, 116, 162538, 169, 170−172, 237, 242, 246, 248, 271−275, 277f., 301f. Basel 25−27, 50153, 190f., 196−198, 234, 240771, 263842, 269 Bayern, Herzogtum 154505, 167f., 239766 Berlichingen, Götz von (frk. Reichsritter) 84f., 315

Bermeter, Hans (Würzburger Spengler, ‚Aufständischer‘) 302f. Bèze, Théodore de (Reformator) 213678 Biberach a. d. Riß 90 Bibra, Georg von (frk. Niederadeliger) 138 Bietigheim (Ortst. v. Bietigheim-Bissingen, Lkr. Ludwigsburg) 97, 193 Bildhäuser Versammlung 29, 3192, 47, 50153, 52163, 55174, 61−63, 79−89, 101−108, 111 −121, 122f., 127418, 128421f., 130−139, 140 −143, 145475, 147−151, 153504, 155f., 159530, 160, 162537, 165−171, 177, 189617, 194, 196, 198, 201, 208, 214f., 221, 224f., 229729 Böblingen 95, 98, 263 Bodenstein, Andreas (genannt Karlstadt, Reformator) 54, 74232, 185606 Böhm, Hans (sog. Pfeiffer von Niklashausen) 133 (Groß)Bottwar (Lkr. Ludwigsburg) 95 Brandenburg-Ansbach, Markgraf Casimir 3190, 42128, 107351, 116, 121402, 122, 161535, 278f., 282f. Brenz, Johannes (Reformator) 38, 256818, 267864, 303 Bretten (Lkr. Karsruhe) 234f., 268f. Brugg (Kanton Aargau) 234751 Bucer, Martin (Reformator) 55, 144470, 209 Bullinger, Heinrich (Reformator) 207685, 212685, 217, 224f. Buthner, Johann (Bürger aus Volkach, Siegler d. ‚Aufständischen‘) 3295, 111366 Butner, Enders (Schultheiß von Heidingsfeld) 274900 Bütthard (Lkr. Würzburg) 296f. Calvin, Jean (Reformator) 178, 201, 224

6.4 Register  343

Clarmann, Peter (Sekretär d. Würzburger Bischofs) 245780 Clemens VII. (Papst) 265 Cochläus, Johannes (eigentl. Johannes Dobeneck, Humanist u. Theologe) 257820, 2931001 Cronthal, Martin (Stadtschreiber Würzburgs) 2987, 121402, 138f., 162537, 232, 244, 248, 268866, 283−286, 302 Deidesheim (Lkr. Bad Dürkheim) 246 Dettelbach (Lkr. Kitzingen) 60183, 83, 171571, 232742, 315 Dingolshausen (Lkr. Schweinfurt) 251 Dornsberger, Casper (Oberst d. Stadt Überlingen) 251 Ebern (Lkr. Haßberge) 83, 85, 113375, 315 Eberstein, Graf Wilhelm von 62, 160 Ebrach (Kloster, Lkr. Bamberg) 34104, 285972 Emser, Hieronymus (Theologe) 2951005 England 43, 161, 178 Elsass 1, 53, 54, 94, 113375, 137449, 141463, 144470, 149489, 150494, 151, 196, 215692, 242, 243, 265f., 269, 279, 280 Eltfeld (heute: Eltville am Rhein, Lkr. RheingauTaunus) 235754 Erbach, Graf Eberhard Schenk von (pfalzgräfischer Marschall) 236758, 247, 261f., 264 Esslingen am Neckar 96308, 158f., 252f. Ferdinand (Kaiser) 244, 253807, 258, 261, 275f. Feuerbacher, Matern (Hauptman d. Württemberger Versammlung) 3398, 97f., 139, 159 Forchheim 133434 Frankfurt am Main 53165, 70, 76238, 86, 117386, 125413, 149f., 168f., 172, 174580, 222715, 234, 244, 276 Franklin, Benjamin (Politiker, USA) 179587, 225 Frankreich 43, 226, 252 Frauenroth (Kloster, Lkr. Bad Kissingen) 111, 114 Freiburg im Breisgau 106 Freiburger, Hans (Bürgermeister von Überlingen) 251 Fries, Lorenz (Rat u. Geschichtsschreiber d. Würzburger Bischofs) 9f., 29, 46, 75236, 86268, 88277, 106, 108356, 112, 115, 117, 121402, 160f., 170, 236, 242, 244, 245, 246786, 247, 248, 251802, 254812, 255815,

271−275, 288985, 2931002, 296f., 299, 302f., 304 Frisius, Tetanias (Assessor am Reichskammergericht) 237759 Furtenbach, Martin (Stadtschreiber von Füssen) 172572, 232f., 244, 245779, 253807, 275f. Furter, Marcus (Chronist, Mönch in Irsee) 239, 240770, 243776, 269f., 2991021 Füssen 76238, 171, 172572, 232f., 244, 253807, 275f. Genf 178, 201, 213687 Geyer − − Ambrosius von (Chronist, Hauptmann beim Schwäbischen Bund) 93299, 195, 231736, 238, 241772, 242, 254f., 263842, 273897, 286−288, 290, 292999, 2931002, 305 − − Eberhard von (Amtmann d. Würzburger Bischofs zu Uffenheim) 283 − − Florian von (frk. Niederadeliger) 238765 Gochsheim (Lkr. Schweinfurt) 160 Gower, John (englischer Dichter) 43129 Greffinger, Johann (Stadtschreiber von Windsheim) 161535, 233, 244f., 278f. Griesingen (Lkr. Alb-Donau) 93 Grumbach, Argula von (evangelische Publizistin) 232742 Günzburg, Johann Eberlin von (Reformator) 54, 133436 Halbritter, Marx (Bamberger Ratsherr u. Chronist) 162538, 171f., 233, 248, 253, 277f., 302 Hammer, Hieronymus (Bürgermeister von Kitzingen u. Chronist) 63197, 169560, 233, 281, 283, 296f., 298 Harer, Peter (pfälzischer Sekretär u. Chronist) 410, 46, 231736, 236, 240, 242, 244, 245781, 247, 257820, 261−264, 265, 273897, 2931001, 296f., 298, 301−305 Haßfurt (Lkr. Haßberge) 113375, 194630 Hausen (Lkr. Bad Kissingen) 111, 114 Hedio, Kaspar (Reformator) 133436 Hegau (Raum im südlichen Baden-Württemberg) 99322, 297, 303

344  6 Quellen- und Literaturverzeichnis

Heggbach (Kloster, Lkr. Biberach) 3090, 161535, 189, 239, 269f., 272890, 296f., 2991021, 301, 3041053 Henneberg, Graf Wilhelm von 102329, 103336, 114376, 120, 121402, 222714 Heidelberg 39, 46, 237759f., 264, 271−273, 285 Heidenfeld (Kloster, Lkr. Schweinfurt) 111 Heidingsfeld (Ortst. v. Würzburg) 274900 Heilbronn 100, 102329, 174, 193627 Helfenstein, Graf Ludwig von 100, 104, 254 Herolt, Johann (Chronist u. Pfarrer zu Schwäbisch-Hall) 190f. Herrenalb (Kloster, Lkr. Calw) 156514, 171 Herrenwinden (Ortst. v. Rothenburg o. d. T.) 510 Hessen, Landgraf Philipp von 105, 120, 122f. Hipler, Wendel (Sekretär d. Grafen von Hohenlohe) 43129, 145475, 173574, 188614, 198 Hobbes, Thomas (Philosoph) 225 Hoffmann, Hermann (Stadtschreiber von Schäbisch-Hall) 234, 244, 255815, 266 −268, 289986 Hohenbuch, Alexander (Stadtschreiber von Öhringen) 234, 279 Hohenlohe, Grafen Albrecht u. Georg von 52, 100, 102f., 113375, 173, 175581, 234749, 238765, 241772, 255813, 286f. Holzwart, Jacob (Lehrer u. Chronist) 207f., 237, 240, 243, 263842, 288f., 290994, 305−308 Hubmaier, Balthasar (Theologe d. Täuferbewegung) 185605 Hutten, Ludwig von (Markgräfischer Amtmann von Kitzingen) 169560, 282f. Hutten, Ulrich von (Humanist u. Publizist) 75236 Ingolstadt (Lkr. Würzburg) 100 Iphofen (Lkr. Kitzingen) 120399, 273, 316 Italien 252, 288 Irsee (Kloster, Lkr. Ostallgäu) 239, 269f. Jefferson, Thomas (amerikanischer Präsident) 225 Kammermeister (Bamberger Familie) − − Hieronymus (bischöflich-bambergischer Kanzleiverweser) 260827 − − Joachim (Humanist) 260827 Karl V. (Kaiser) 39, 63193, 96, 97309, 99, 234749, 251, 253, 256816, 258, 262 Kaufbeuren 270

Kempten − − Kloster 93f., 106351, 169, 172572, 188614 − − Stadt 90 Keßler, Johannes (Reformator u. Chronist) 89 −95 Kitzingen 63197, 87276, 154f., 169560, 222715, 233, 235754, 281−283 Kleinkitzighofen (Ortst. v. Buchloe, Lkr. Ostallgäu) 1022 Klingenberg am Main (Lkr. Miltenberg) 238765 Köln 238763 Königshofen (Lkr. Lauda-Königshofen) 1, 100, 229730, 264, 282f. Königshofen im Grabfeld (Lkr. RhönGrabfeld) 83, 130, 131, 315 Körnlein, Hieronymus (Rothenburger Drucker) 254f., 314 Kraft, Adam (Reformator) 192623 Kumpf, Ehrenfried (Bürgermeister von Rothenburg o. d. T.) 235754 Lachmann, Johann (Reformator) 193627 Leipheim (Lkr. Günzburg) 91 Leipzig 236757 Lindau 90 Lothringen, Herzog Anton von 235753, 238, 240771, 242, 243, 265f., 280 Lotzer, Sebastian (Laientheologe u. Feldschreiber d. Baltringer) 49−51, 90 Löwenstein, Graf Ludwig von 103336, 116386 Luther, Martin (Reformator) 2, 16, 45, 46, 50f., 54, 59181, 64f., 67, 72f., 75236, 125414, 132, 144473, 147479, 149487, 151−154, 157, 185606, 187612, 189, 192f., 196, 198644, 204, 209f., 216f., 219706, 230, 237760, 247787, 263842, 288985, 2951004, 298f., 3051059 Lutz, Hans (Herold d. Georg Truchsessen von Waldburg-Zeil) 195, 239, 240, 242, 289, 292999, 3041053 Mainz − − Erzbischof Albrecht von Brandenburg 173, 244, 261, 280f. − − Erzstift 100, 101, 199, 252, 281 − − Stadt 235f., 252 Markt-Schwaben (Lkr. Ebersberg) 233744 Marsteller, Johann (Frankfurter Stadtschreiber) 234, 244f., 276

6.4 Register  345

Maximilian I. (Kaiser) 6, 16, 39, 68208, 101329, 300, 304 Meiningen (Lkr. Schmalkalden-Meiningen) 120, 150494, 155510, 303 Melanchthon, Philipp (Reformator) 234, 236758, 268, 289989, 2951004 Mellrichstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) 63 Memmingen 1022, 47140, 49, 90, 116, 133433, 174, 180593, 224, 237760 Menzingen, Stefan von (Rothenburger Patrizier) 1f., 302, 309 (Bad) Mergentheim (Lkr. Main-Tauber) 100, 236757 Metzler, Georg (Wirt in Ballenberg, Anführer d. Odenwälder) 44131, 116386, 301f. Miltenberg 100 Mühlhausen (Lkr. Unstrut-Hainich) 224 Müllner, Martin (Chronist u. Sekretär d. Bamberger Bischofs) 237, 246, 247787, 248, 271−275, 289986, 298f., 300f. München, Franziskanerkloster 261 Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) 83, 88281, 127420, 145475, 315 Münsterschwarzach (Kloster, Lkr. Kitzingen) 83, 112, 115, 145475 Müntzer, Thomas (Reformator) 45, 54, 72, 132, 137451, 191, 209674, 224, 230, 301f., 303 Murer, Jacob (Abt von Weißenau) 229729, 239, 244, 269−271, 272890, 294−296 Neckartal-Odenwälder u. Taubertaler Versammlung 29, 31f., 50153, 52f., 59−63, 69, 79 −89, 96, 100−111, 112, 114, 116386, 117386, 119f., 121, 122f., 128421f., 133433, 135, 136444, 145475, 150f., 155f., 157f., 159530, 160−162, 169560, 170, 172−174, 177, 188, 198f., 201, 214f., 221, 301f., 305 Neckarsulm (Lkr. Heilbronn) 262835 Neustadt a. d. Aisch (Lkr. Neustadt a. d. Aisch/ Bad Windsheim) 116, 120399, 121, 122 Neustadt a. d. Orla (Lkr. Saale-Orla) 14, 85263, 110361 Neustadt a. d. Saale (Lkr. Rhön-Grabfeld) 84261 Nürnberg 70217, 74, 75238, 133434, 153503 Oberlauda (Ortst. v. Lauda-Königshofen, Lkr. Main-Tauber) 103−106 Oberrhein (Region zw. Basel u. Bingen) 49148, 160

Oberschüpf (Ortst. v. Boxberg, Lkr. MainTauber) 100 Oberschwäbische Versammlung 29, 47, 49, 54171, 66−73, 79−82, 89−95, 103, 106351, 108, 117386, 388, 122404, 127418, 128421f., 133433, 134438, 135444, 138, 151, 153504, 154, 157f., 160, 169560, 172, 177, 189f., 201, 205663, 207f., 220708 Ochsenfurt (Lkr. Würzburg) 32, 60183, 86271, 87277, 88, 89, 110, 120399, 133434, 150497, 173576, 198645 Oekolampad, Johannes (eigentl. Johannes Heussgen, Reformator) 234751 Ohrenbach (Ortst. v. Rothenburg o. d. T.) 301 Öhringen (Lkr. Hohenlohe) 52, 103336, 113375, 148485, 173f., 234, 279f. Paris 238763 Peutinger, Konrad (Humanist) 239766 Pfeddersheim (Ortst. v. Worms) 264 Pforzheim 234751 Pilladius, Laurentius (eigentl. Pillard, Humanist) 266 Poliander, Johannes (eigentl. Graumann, Reformator) 2951005 Ranft, Sebald (Stadtschreiber Kitzingens) 87276, 100324, 233, 268866, 281 −283, 298 Rappoltstein − − Anne Alexandrine von (geb. Fürstenberg, Ehefrau d. Ulrich) 238762, 279930, 280(?) − − Egenolf von (Sohn d. Ulrich) 279930 − − Ulrich von (Amtmann von Rappoltsweiler u. Chronist) 126415, 237f., 279, 296, 3041053, 305 Rappoltsweiler (heute: Ribeauvillé, Département Haut-Rhin) 94, 237760, 238, 278f. Regensburg 239766 Reichenweyer (heute: Ribeauvillé, Département Haut-Rhin) 235, 280 Reinhard, Johann (Würzburger Dompräsenzmeister) 274901 Rhegius, Urbanus (eigentl. Rieger, Reformator) 54 Rhein, Pfalzgrafschaft (Kurpfalz) − − Kurfürst Friedrich II. 236758, 239766 − − Kurfürst Ludwig V 39, 236f., 240, 242, 244, 257820, 261−264, 271, 275904, 298

346  6 Quellen- und Literaturverzeichnis

Rheingau (Region von Walluf bis Lorchhausen) 235f., 252, 280f. Riedern, Philipp von (Würzburger Amtmann zu Lauda) 104 Roggenberg (Kloster, Lkr. Neu-Ulm) 204, 237760, 239766 Rohrbach, Jäcklein (Hauptmann bei d. Erstürmung Weinsbergs) 97, 193627, 3021036 Rotenhan − − Eiring von (Würzburger Amtmann in Aschach) 114 − − Sebastian von (Humanist, Verteidiger d. Würzburger Marienbergs) 273, 274900 Rothenburg o. d. T. (Lkr. Ansbach) − − Stadt 1f., 510, 9, 1542, 48, 51, 70217, 85268, 88277, 100, 169, 222715, 233746, 235, 244, 252f., 254−259, 263, 266857, 267, 301f., 309, 314 − − Landwehr 47f., 53, 59−61, 100, 3021036 Rotterdam, Erasmus (Humanist) 510, 205663 Röttingen (Landkreis Würzburg) 60 Rousseau, Jean-Jacques (Philosoph) 225f. Rurer, Johann (Reformator) 2951005 Russland 178 Ryhiner, Heinrich (Basler Stadtschreiber) 25 −27, 190f., 234, 240771, 245782, 263842, 265849, 269, 298, 303f., 305 Sachs, Hans (Dichter) 64200, 151−154 Sachsen − − Kurfürst Friedrich 191 − − Kurfürst Johann 54, 105, 120, 171570, 191, 229729, 237760 (Bad) Salzungen (Lkr. Wartburg) 129f., 188 −190, 195631, 196−198 Schappeler, Christoph (Reformator) 49, 74232, 89−92, 95, 180−190, 195, 201, 217 Scherweiler (heute: Schwerwiller, Département Bas-Rhin) 265849 Schmid, Huldrich (Anführer d. Baltringer) 90, 92−94, 189f., 301 Schöntal (Kloster, Lkr. Hohenlohe) 100 Schwäbisch Hall 103336, 190, 222715, 234, 244, 255815, 266−268, 269 Schwäbischer Bund 1, 38116, 52163, 67, 75, 82, 91, 92, 93299, 95, 96, 97309, 98, 99, 100, 102f., 105, 108, 117388, 122404, 126417, 160, 161535, 195, 238, 239767, 242, 243, 252, 254 −258, 262, 266f., 273, 276, 277, 279, 281, 282, 285, 287f., 289, 292999, 301

Schwanberg (Berg, Lkr. Kitzingen) 215693 Schwarzach (Lkr. Kitzingen) 112, 115 Schwarzerdt, Georg (Chronist u. Bürgermeister von Bretten) 234, 245782, 268f., 296, 297, 303 Schwarzwald 106, 111365, 160 Schweinfurt 120f., 171 Schweiz 77, 161, 177, 180−182, 205664, 215693, 216, 221, 297 Seßlach (Lkr. Coburg) 82, 194 Sigginger, Hans (Keller d. Grafen von Hohenlohe in Öhringen) 234749, 279 Sodenberg (Burg, Landkreis Bad Kissingen) 104f., 107 Solothurn (Schweiz) 263842 Speyer, Bischof Georg von d. Pfalz 39, 42128, 52161, 156514, 162, 171, 237760, 238, 242, 244, 246, 247787, 271−273, 275904, 296f. St. Gallen 90 Stockheim (Lkr. Rhön-Grabfeld) 63 Stocksberg (Deutschordensschloss, Lkr. Heilbronn) 97 Stühlingen, Landgrafschaft 81, 94301, 135444, 158f., 315 Stumpf, Johannes (Theologe u. Chronist) 75f. Stuttgart 160 Sulmingen (Lkr. Biberach) 301 Theres (Kloster, Lkr. Haßberge) 111 Thoman, Nikolaus (Kaplan u. Chronist Weißenhorns) 240, 289987 Thomas, Hubertus (genannt Leodius, pfalzgräfischer Sekretär) 237, 240, 242, 243776, 245780f., 261 Thüngen − − Adam von (Niederadeliger) 258 − − Eustachius von (Würzburgischer Amtmann zu) 114, 118 − − Konrad von (−> Würzburg) Thüringen 160, 177, 224 Tiberinus, Johannes (Theologe u. Publizist) 2951005 Tübingen 99322, 234751, 236757 Überlingen (Lkr. Bodensee) 251 Ummendorf (Lkr. Biberach) 239767 Untergrombach (Ortst. v. Bruchsal, Lkr. Karlsruhe) 39, 43, 300, 304 Unterschüpf (Ortst. v. Boxberg, Lkr. MainTauber) 100

6.4 Register  347

Vereinigte Staaten von Amerika 178, 179587, 201, 225f. Villingen (Schwarzwald-Baar) 111365 Volcyr de Sérrouville, Nicolas (Chronist u. Sekretär d. Herzogs von Lothringen) 229727, 238, 240771, 242, 243, 247787, 265f. Volkach (Lkr. Kitzingen) 3295, 238765 Waiblingen (Lkr. Rems-Murr) 139 Waldburg-Zeil, Truchsess Georg III. von 195, 239766, 242, 243, 255f., 262, 270, 279, 280, 288f. Wassertrüdingen (Lkr. Ansbach) 107351 Weingarten (Lkr. Ravensburg) 229728f., 289 Weinsberg (Lkr. Heilbronn) 9f., 96, 97, 100, 103 −108, 252, 256, 257820, 266857, 267862, 292999 Weißenau, (Kloster, Lkr. Ravensburg) 239, 240, 269−271, 294−296 Weißenburg (Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen) 3021036 Wertheim, Graf Georg von 266857 Weygandt, Friedrich (Mainzer Keller) 52161, 60, 106347, 109358, 122404, 125413, 127418, 145475, 150494, 151500, 169560, 173, 174577, 188615, 198−200, 201, 215692 Wiegersheim, Eckard (Chronist u. Bürger zu Reichenweyer) 1f., 113375, 235, 247787, 265849, 280, 301 Wien 149, 236757, 3051055 Wildberg (Lkr. Calw) 106351 Willing, Wilhelm Siegfried (Pfarrer u. Superintendent von Bretten) 235752 (Bad) Windsheim (Lkr. Neustadt a. d. Aisch/ Bad Windsheim) 3190, 161535, 233, 244f., 278f. Wittenberg 209, 233747, 236757, 237760 Wunderer, Hans (Anführer d. Württemberger) 97f., 159, 3021036 Wunnenstein (Berg, Lkr. Ludwigsburg) 95, 96306, 98

Wurm von Geudertheim, Matthias (Sekretär Kaiser Maximilians I.) 68208 Württemberg − − Herzogtum 44133, 87275, 95−98, 101, 140 −144, 159, 222714, 257819, 297 − − Herzog Ulrich 98, 99, 100323, 239767 − − Wilhelm Truchsess von WaldburgTrauchburg (Statthalter von Württemberg) 98, 99 Württemberger Versammlung 29, 3398, 61−63, 79−82, 86, 87275, 95−99, 108, 112−114, 116, 122404, 123, 124−129., 133433, 135f., 139−147, 153f., 156−160, 168, 177, 193, 196 −198, 200, 201, 214f., 3021036 Würzburg − − Bischof Konrad von Thüngen 44, 60, 61, 63, 75, 82, 83f., 85263, 93299, 100, 101, 102329, 104, 112, 114f., 118f., 121, 122, 141, 170−173, 121402, 156512, 162537, 169560, 172, 173, 214, 232742, 236, 238, 241772, 244, 245, 247, 248, 251, 254812, 258, 271 −275, 284−286, 287 − − Hochstift 59, 60, 65200, 83f., 94, 107353, 111−114, 120, 141, 148, 165546, 170−172, 222714, 242, 251, 252806, 254f., 302f. − − Stadt 46, 52, 59, 86271, 87277, 94, 100, 105, 120, 138f., 148, 157521f., 170, 230, 232, 244, 248, 254812, 283−286, 302 Zabergau (Region zw. Stuttgart u. Karlsruhe) 97 f., 3021036 Zabern (heute: Saverne, Département BasRhin) 265f. Zürich 51, 71220, 180−182, 188613, 207685, 209, 212685, 224719, 225719 Zweifel, Thomas (Rothenburger Stadtschreiber) 1, 9, 88277, 138455, 235, 244, 254 −260, 263, 296f., 301f. Zwingli, Huldrich (Reformator) 54, 71220, 74232, 92, 132, 133436, 180−188, 191, 201, 205, 209f., 216−218, 224

348  6 Quellen- und Literaturverzeichnis

Diskursbegriffe Im Folgenden werden zeitgenössische Ausdrücke aufgeführt, mit deren Hilfe im Jahr 1525 der Konflikt um eine legitime ‚Erhebung‘ konzeptualisiert wurde. Als Schlagwörter wurden sie dabei entweder in delegitimierender oder affirmativer Weise eingesetzt, um den Deutungsstreit für die ‚Aufständischen‘ oder deren Gegner zu entscheiden. Dieses Register erschließt folglich die von den Zeitgenossen verwendeten Schlagwörter in den zitierten Textstellen und die vom Autor bereits durch Kursivsetzung hervorgehobenen Ausdrücke. Die Charakterisierung einzelner Ausrücke etwa als kristlich oder brüderlich wurde nur in Ausnahmefällen übernommen. Ausdrücke aus Bibelzitaten wurden nur aufgenommen, wenn die Schreiber sie wörtlich zitierten. Die Schreibweise orientiert sich dabei am Frühneuhochdeutschen Glossar von Alfred Götze (siehe diese Arbeit S. 818). anrichter 41, 300 anzug 98 arme (bspw. leute) 52, 60, 86268, 130, 137, 153504, 188614, 194, 199648 armer konrad 199648, 214 auflag 124413, 165547 aufrur 7, 8, 20, 35−46, 66−89, 93300, 116385, 149f., 180f., 192623, 207668, 247, 253807, 257, 284957, 293−308, 309−314, 315f. Bedeutungsverwandte mit geringer Frequenz: absage, abfal, alarm, angrif, aufsatz , auflauf, aufpörung, aufstand (S. 7), aufstehung, aufstos, aufwerfung, aufwurf, bruch, entzündung, erhitzung, erzürnung, gefecht, geschele, geschrei, gewire, hader, hendel, irsal, lermen, meuterei, mishelung, murmelung, rache, raub, rumor, span, stoß, tumult, unrat, unru, vergaderung, vergeltung, widersage, widersetzung, widerteil, widerwärtikeit, zank, zerwürfnis, zweiung, zwispaltung siehe S. 124413 oder 125f. austrag 96, 128421, 168, 169, 171571 babilonische gefangenschaft 188614, 189, 199 bauer 818, 81, 110, 113375, 181, 195, 207668, 253807, 257819, 294, 2971011 bauernschaft 66, 129, 163, 189, 256 bauernkrieg 4f., 160, 2971011 beschwernis bzw. beschwerde 57, 59, 60, 63193, 99322, 109, 118 126417, 129, 130, 133, 137, 142f., 145, 148, 155510, 163−176, 188614, 190, 194, 199646, 306

blutvergießen 116385, 123, 148, 204, 224, 263, 271885, 284, 2971011 bruder(lich) 1f., 4, 55, 58f., 60183, 62189, 63, 64, 79, 81, 85f., 88, 102f., 106f., 112, 122404, 129, 130, 142f., 155, 162, 189, 190, 193, 194, 195, 199, 256, 309 − − bruderschaft 1f., 4, 51, 105, 106, 107351, 139, 297 − − brüderliche liebe 15, 55−65, 85268, 138, 139, 141−147, 209−223, 226, 305 − − brüderlichkeit (Sammelbegriff) 62−64, 131, 141−147, 209−223 − − liebe 2, 55174, 62, 68, 69, 71f., 139, 141 −143, 199f., 207668, 209, 287, 305 − − nechstenliebe 48, 53−65, 69, 116385, 140, 204, 209−215, 209−223, 305 bund 205664, 209 bündnis 138 bürde 63, 137, 165547 bürger 110 bürgerkrieg 297 egypten 21, 180, 182597, 199648, 205664 eid 39, 93300, 253, 256 eigennutz 58, 60183, 199, 209 einikeit 2, 62, 68−73, 86, 116385, 207668, 209, 305 empörung 7, 8, 37110, 38112, 66−73, 74−79, 79 −89, 93300, 94301, 97309 124413, 199, 207668, 315f. Zu den Bedeutungsverwandten mit geringer Frequenz siehe aufrur erbarkeit 142, 144, 282 erbarkeit und bilikeit 142

6.4 Register  349

erbhuldigung 93300 ere 39, 42128, 60183, 107353, 140, 142−144, 250 −292 (als Zitat: 253, 263, 277919, 280, 285) erforderung 194 erlösung 105, 188615,190, 192, 194f., 199646, 648 , 208 evangelium 51, 60183, 66−68, 70, 72, 107351, 116385, 130−138, 138f., 140, 142f., 146, 147 −156, 189, 199, 207668, 283, 302, 305 − − evangelische lere 88281, 96, 142f. fede 38, 124413, 126 frei(heit) 57, 88281, 142−144, 150, 182597,188615, 199, 204, 205664, 225f., 283, 303 − − ledig machen 181, 194630 feind(schaft) 106351, 107351, 122f., 154 frechheit 303 fremde (leute) 96, 100−102, 112, 115, 117386 freund(schaft) 60183, 90, 116385, 122404, 139, 194 frevel 23, 61, 124413, 126 friede 2, 39, 68, 69,70−73, 86, 96, 97, 99322, 109, 111366, 116385, 139, 142f., 162, 207668, 295, 305 − − unfride 23, 124413 from 42128, 47, 96, 173, 199, 253807, 254, 284 fürstentum württemberg 141−143 gebot 57, 88281, 125413, 151500, 156, 199, 204, 209, 210, 303 gebrechen 126 geduld 2, 68, 69, 71f., 172, 207668 − − ungeduld 23, 286 geiz 150, 199 gehorsam 42128, 47−59, 66f., 74, 88281, 96, 126416, 142−144, 204, 207668, 288 − − ungehorsam 68, 72f., 74, 79−89, 121f., 125413, 126, 181, 207668, 315f. (Bedeutungsverwand zu aufrur und empörung) geistlichkeit 39, 40, 146475, 149, 162 gemeinde 1, 101329, 118, 139, 155510, 214, 303 gemeiner nuzen 15, 1649, 119, 142, 145f., 162, 199, 221 gemeiner man 82, 109, 119, 137, 142, 145, 194 gerechtikeit 59, 62, 88281, 107351, 112, 130−138, 142f., 146, 156−162, 199, 205664 gesez 211 gewalt 66, 88, 90, 97309, 107351, 109, 125414, 148, 189, 253808

glaube 68, 199, 210, 263 glück 142, 171, 3041052 gott 48, 57, 59, 60183, 63193, 99322, 109, 114, 118, 138, 139, 142, 149, 151500, 181, 182597, 188615, 190, 194,199f., 204, 210f., 211, 213, 214, 246, 287977, 305 − − ere/ lob gottes 139, 190, 305 − − gottesfurcht 200 − − gotteslesterer 200 − − gotteswort 48, 53, 61, 68, 116385, 129, 130, 132, 137f., 139, 140, 142f., 147, 148, 153504, 199 − − lob und ere gottes 60183, 138, 142−144 − − (göttliche/ /kristliche/ heilige) schrift 56, 114, 137, 142f., 148,166f., 194, 199648 gute 142, 144 handlung 127−129, 171, 246, 256, 2971011 hass 88, 124413 haufen 59, 66, 106351, 125, 129, 139, 195 hausvater 212 heiden 148f. heimlichkeit 39, 195, 198644 her(schaft) 39, 52162, 113375, 172, 194, 253807, 256 irung 86, 124413, 126 israel(iten) 182597, 188615, 190, 192, 193627, 195, 198, 199646, 205664 jesus kristus 23, 51, 68, 77, 88281, 105, 129, 185, 189, 196, 204, 205664, 207668, 211, 270, 306 − − wort kristi 142f. landfrieden 70, 199 landschaft 71, 76, 116386, 117388, 139−143, 146475, 172 last 165, 185, 195, 307 leiden 57, 61, 193626 kampf 127 konspiration 39, 93300, 124413 krieg 38, 70, 124413, 127, 173, 2971011 krist 51, 180591, 182597, 199, 205664, 306 misverstand 86, 124413 moses 180591, 189618, 192, 199648, 205664

350  6 Quellen- und Literaturverzeichnis

mutwilen 58, 76, 77, 88, 135442, 156, 172, 182597, 204, 210, 246 narung 129f., 145475, 167555 nechstenliebe → bruder(lich) neid 60183, 88, 124413 notdurft 63, 130425, 142, 167, 194, 217700 obrikeit 38, 39, 40, 50, 66, 77, 118, 121402, 148, 163, 172, 173f., 189618, 190, 194, 204, 210, 213, 253808, 256 ordnung 39, 88281, 142, 156 − − göttliche/ kristliche ordnung 39, 130, 131−138, 139, 140, 142f., 166f., 194 parteien 70f. 124413, 149f. pfleger 172, 212 pflicht 52, 93300, 190, 256 pharao 180591, 181, 189, 190, 192, 194630, 199648, 214 pracht 150 recht 50, 63193, 90, 138, 142f., 153504, 256 rechte 40, 96 reformation 66, 111, 117386, 151500, 172−174, 198f., 201, 215692f. regiment 86273, 120, 139−143 rote(n) 66, 70, 124413, 125, 126, 149, 192 rum 142, 144, 199, 287 sache 26, 50, 61, 90, 111366, 124413, 127−129, 135442, 138, 171570, 204 schuz und schirm 102, 139f., 142, 160 sedition 93300, 243, 262

sel(ikeit) 129, 148, 211 spot 144471, 263843, 266857, 288981 strafen 88281, 109, 135442, 159527, 162, 171, 198, 199, 253808, 257, 307 streit 23, 126, 127418, 173 teufel 68−70, 114, 149, 199, 205664, 256 tiran(ei)/ tiranisch 70, 76, 122f., 148, 149, 199648, 205664, 214, 256, 285f. treu(e) 42128, 62, 76f., 85, 92, 116385, 122404, 199f., 212, 263, 277919 − − untreu 172 türken 148f., 305 unwesen 294−294 vereinigung 81, 94301, 129 verfürung 39, 148 versamlung 39, 60183, 69, 92, 105, 109 124413, 125, 129, 130, 162, 173, 190, 196, 287 volk 1, 39, 41, 70, 119, 149, 153503, 180591, 182597, 190, 199646, 648, 205664, 287977, 300, 303 vorhaben 20, 21, 41, 61, 86268, 87275, 92, 98, 105, 106351, 109, 116385, 123, 127−129, 130, 139, 140, 246, 2971011, 300 warheit 26, 70, 137f., 142−144, 149, 278 widerkristen 66−69, 154, 207668 wolfart 60183, 142 woltat 142 wüterig 122f. (zusamen)laufen 124413, 125f. zwietracht 86, 116385, 124413