Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht: Eine Neuorientierung im System der Vermögensdelikte [1 ed.] 9783428460182, 9783428060184

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Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht: Eine Neuorientierung im System der Vermögensdelikte [1 ed.]
 9783428460182, 9783428060184

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GERALD ROTH

Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht

Schriften zum Strafrecht Band 66

Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht Eine Neuorientierung im System der Vermögensdelikte

Von

Dr. Gerald Roth

DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Roth, Gerald: Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht : e. Neuorientierung im System d. Vermögensdelikte I von Gerald Roth. - Berlin : Duncker und Humblot, 1986. (Schriften zum Strafrecht; Bd. 66) ISBN 3-428-06018-0 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1986 Duncker & Humblot, Berlin 41 Satz: Hermann Hagedorn, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3428-06018-0

Meiner lieben Frau

Vorwort Die vorliegende Untersuchung, die von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen worden ist, habe ich Ende August 1985 abgeschlossen. Jedoch ist es möglich gewesen, für den Druck die zwischenzeitlich erschienenen, neuaufgelegten Kommentierungen von Lackner (16. Auflage) und Schönke/Schröder (22. Auflage) zu berücksichtigen. An dieser Stelle möchte ich allen danken, die mich in meinen Bemühungen unterstützt haben. Mein herzlicher Dank gilt insbesondere meinem akademischen Lehrer Prof. Dr. Samson für die Betreuung der Arbeit, meiner Frau Astrid, die mir nicht nur über manch schwierige Phase bei der Anfertigung der Dissertation hinweggeholfen, sondern darüber hinaus die Last der Korrekturen selbstlos mitgetragen hat; sodann meinen Freunden Petra Ahlers-Hoops und Wilfried Hoops, die in vielen Gesprächen durch kritische Anregungen zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, sowie meinen Eltern für ihre vielfältigen Unterstützungen in all den Jahren. Kiel, am Neujahrstag 1986 Gerald Roth

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Problembereiche und Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

1. Kapitel Überblick über den strllfrechtlichen Schutz des Rechtsgutes Eigentum

17

1. Abschnitt: Zur Orientierung an einem gemeinsamen Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Abschnitt: Das Rechtsgut Eigentum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

3. Abschnitt: Die das Rechtsgut Eigentum schützenden Verbotsnormen

24

I. Die klassischen Eigentumsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschlagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25

2. Diebstahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Raub.......................................................... 4. Sachbeschädigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 27

11. Sonstige Eigentumsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbefugter Gebrauch von Kraftfahrzeugen und pfandsachen . . . . . . . . . . .

27 27

2. Räuberischer Diebstahl .......................................... 3. Hehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28 29

III. Begünstigung und Schiffsgefährdung durch Bannware keine Eigentumsdelikte ............................................ 1. Begünstigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schiffsgefährdung durch Bannware. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32 32 34

IV. Zusammenfassung ................................................

36

10

Inhaltsverzeichnis 2. Kapitel

Die Rechtsgutsverletzung der Vortat - Grundlagen einer Eigentumsbeeintrichtigung durch Zueignung -

37

1. Abschnitt: Zum Unrechtsgehalt der Zueignungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

2. Abschnitt: Der Inhalt des Zueignungsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Zur Berücksichtigung von Sachwert- und Funktionsgesichtspunkten . . . . . . .

42

11. Die Bestimmung der dauernden Enteignung als Problem der Sachidentität .....................................................

46

III. Zur positiven Seite der Zueignung

48

3. Abschnitt: Der objektive Gehalt von Zueignungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

I. "Sich zueignen" LS. v. §246 .........................................

51

11. Wegnahme in Zueignungsabsicht - eine "vollendete" Zueignung? ........

56

4. Abschnitt: Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

3. Kapitel

Zueignungsde6kte nach einer Zueignungstat 1. Abschnitt: Die teleologische Wurzel der Problematik

60 60

I. Die Problemlage bei Täteridentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Grundlinien der Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

2. Zur begriffiichen Reichweite des Merkmals ~eignen" . . . . . . . . . . . . . . . .

63

3. Konstruktive und nonnlogische Aspekte einer Tatbestandslösung . . . . . . .

65

4. Die strukturelle Einordnung des Streites ............................ a) Tatbestandslösung und Definitionsmerkmale des Zueignungsbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Betrachtung ........................................

68 69 72

11. Die Zueignung gestohlener, geraubter oder unterschlagener Sachen durch andere als den Vortäter .......................................

75

1. Zur Unrechtsstruktur solcher Eigentumsangriffe .....................

75

2. Konsequenzen aus den zur Wiederholbarkeit von Zueignungsdelikten durch den Vortäter angestellte Überlegungen. . . . . . . . . . . . . . . . .

76

111. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Inhaltsverzeichnis 2. Abschnitt: Tatbestandliehe Restriktion und Unrechtsgehalt der Zueignungsdelikte

11 79

I. Analyse verschiedener Zueignungskonstellationen ......................

79

H. Tatbestandsexterne Gesichtspunkte ..................................

85

IH. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

3. Abschnitt: Die Auflösung der Problematik aufKonkurrenzebene

89

I. Die Sperrwirkung der Perpetuierungstatbestände .......................

91

1. Die in Betracht kommenden Delikte ...............................

91

2. Zum Unrecht der Hehlerei ....................................... a) Die These von der doppelten Schutzrichtung der Hehlereitatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Stellungnahme .......................... ,. ... . ..... ... .. . .. . . aa) Intrasystematische Kritik ................................... bb) Zum Sanktionspotential der §§ 259 ff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ce) Zur Unrechtsvertypung der §§259, 260 ........................ c) Fazit: Keine Mitberücksichtigung "allgemeiner Sicherheitsinteressen" ..................................... . . ..

94

105

3. Zum Unrecht des räuberischen Diebstahls ..........................

106

4. Die Ausschlußfunktion der §§ 252, 259,260 .......................... a) Folgerungen für die Anwendbarkeit der §§ 242 ff., 246, 249 ff. ......... b) Das kriminalpolitische Dilemma und dessen Auflösung . . . . . . . . . . . .. aa) Ablehnung von Otto's Interpretation der sog. Eigentumsdelikte als Delikte gegen die "umfassende Herrschaftsmacht" einer Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. bb) Vorgriff auf die eigene Konzeption ...........................

107 108 111

94 95 95 97 101

112 115

H. Zur Bestrafung von Zueignungsangriffen als Hehlerei ................... 115 1. Verzicht aufdas ungeschriebene Tatbestandsmerkmal "einvernehmlich abgeleiteter Erwerb" ..............................

116

2. Perpetuierungsangriffe durch Vortatbeteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Zur Bestrafung des Vortäters ................. ................. b) Zur Bestrafung von Vortatteilnehmern ...........................

123 123 127

III. Grenzen der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

130

IV. Der Gedanke der Sperrwirkung bei der Behandlung von Irrtümern . . . . . . .. 134

1. Irrtümliche Annahme einer perpetuierungsfähigen Besitzlage .......... 135 2. Verkennung einer perpetuierungsfähigen Besitzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

137

3. Resümee ......................................................

139

12

Inhaltsverzeichnis 4. Kapitel Sonstige Eigentumsverletzungen nach einer Zueignnngstat

140

1. Abschnitt: Insbesondere Gebrauchsanmaßungen . . . . .. . .. . . . . . . .. . . . ... . . .. . . . . . . . ..

141

I. Keine Anwendbarkeit der §§ 248b, 290 bei perpetuierungsfalliger Besitzlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

141

11. Erfassung als Hehlerei? ............................................

143

2. Abschnitt: Insbesondere Sachbeschädigungen ......................................

144

I. Zur Anwendbarkeit von §303 bei perpetuierungsfähiger Besitzlage . . . . . . . ..

145

11. Behandlung als mitbestrafte Nachtat? ................................

148

5. Kapitel Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchnng

150

Literaturverzeichnis ................................................ 154

Einführung Problembereiche und Gang der Untersuchung Die Auseinandersetzungen um die Dogmatik der Eigentumsdelikte haben in den letzten Jahren merklich abgenommen. Dies liegt weniger daran, daß auch nur über die Mehrzahl der als problematisch empfundenen Fragen nunmehr Konsens erzielt worden wäre, als vielmehr in dem Umstand begründet, daß die Grundlinien möglicher Argumentationsmuster aufgedeckt erscheinen und man sich - so ist zu vermuten - nicht in Wiederholungen ergehen möchte. Dabei fällt auf, daß vielfach für Detailprobleme isolierte Lösungsvorschläge erarbeitet worden sind, die je nach dem rechtspolitischen Vorverständnis zu überzeugen vermögen, jedoch eine exakte Strukturanalyse, die es ermöglichte, potentielle Querverbindungen zwischen scheinbar nicht zusammenhängenden Fragen aufzuspüren und somit auf einen gemeinsamen Grundgedanken zurückzuführen, oftmals vermissen lassen. Diesen Befund gilt es insbesondere für eine Problemzone im Bereich der Eigentumsdelikte festzustellen, die stichwortartig mit "Eigentumsschutz nach der Realisierung von Zueignungsunrecht" oder, vom Blickwinkel der Rechtsgutsbeeinträchtigung aus schärfer profiliert, mit ,,Aufrechterhaltung und Intensivierung einer durch Zueignungsdelikt herbeigeführten Eigentumsverletzung" umschrieben werden kann. Unter dem Aspekt der Eigentumsbeeinträchtigung sind die Zueignungsdelikte Diebstahl (§ 242 StGBl), Unterschlagung (§ 246 StGB) und Raub (§ 249 StGB2) jedenfalls dann formell vollendet, wenn der Täter die Gefahr herbeigeführt hat, der Berechtigte werde die Sache nicht wiedererlangen3• Aus dieser im Prinzip sicherlich sinnvollen Vorverlagerung des strafrechtlichen Eigentumsschutzes resultiert für das Stadium nach formeller Deliktsverwirklichung regelmäßig die Möglichkeit neuerlicher Eigentumsangriffe. Sie können einmal, was besonders 1 §§

ohne Gesetzesangabe bezeichnen solche des StGB. Merkmal der Zueignung findet sich noch bei einer Reihe weiterer Delikte wie etwa bei der Stromentwendung (§ 248c) und der Jagdwilderei (§ 292). Doch schützen diese Straftatbestände nicht das Eigentum, sondern subjektive Rechte minderer Qualität. Sie können daher für die Untersuchung außer Betracht bleiben; (zu §248c vgl. nur Samson in SKRn 3, SI SIEserRn 3; zu §292 Samson in SKRn I, SISIEserRnI). 3 Die Meinungen gehen darüber auseinander, ob für die Entziehungsseite der Zueignung bereits genügt, daß der Täter die "dauernde Enteignung" des Berechtigten für möglich hält oder ob eine objektive Gefahrenlage vorauszusetzen ist (vgl. dazu Samson in SK § 246 Rn 25 ff., insbes. Rn 33 ff.). . 2 Das

14

Einführung

häufig der Fall sein wird, durch den Täter der Vortat bewirkt werden (die gestohlene Sache wird von ihm beispielsweise verzehrt, beschädigt oder veräußert), nicht selten aber auch durch andere Personen (etwa: die unterschlagene Sache wird von einem Dritten entwendet, zerstört, vorübergehend in Gebrauch genommen usw.). In beiden Fallkonstellationen erhebt sich die Frage, ob solche die Rechtsgutsverletzung vertiefende oder aufrechterhaltende Angriffe Strafbarkeit wegen Verwirklichung eines Eigentumsdeliktes auslösen. Bekanntlich ist die Frage nach der tatbestandlichen Wiederholbarkeit von Zueignungsdelikten bei Täteridentität in den Streit der Meinungen geraten. Soweit eine erneute Bestrafung des Vortäters nach § 246 (Unterschlagung) in Rede steht, führen die unterschiedlichen Auffassungen im Grundsatz freilich nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen; auch die Gegner der nicht nur vom BGH4 favorisierten sogenannten Tatbestandslösung gelangen zur Straflosigkeit wiederholter Zueignungsakte über die Konstruktion der mitbestraften Nachtats. Virulent wird dieses Problem aber spätestens dann6, wenn es um die Strafbarkeit von Teilnehmern an dem als neuerliche Zueignung diskutierten Verhalten geht, weil die Vorschriften über die Teilnahme (§§ 26,27) eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat und damit zunächst tatbestandsmäßiges Verhalten voraussetzen7• An letzterem fehlt es jedoch schon, wenn man die Wiederholbarkeit von Zueignungshandlungen leugnet. Damit scheinen sich Strafbarkeitslücken aufzutun, weil die Straftatbestände der Begünstigung (§ 257) und der Hehlerei (§§ 259, 260) keineswegs mit dem Anwendungsbereich der Zueignungsdelikte kongruent verlaufen, sondern partiell enger zugeschnitten sind. In der vornehmlich kriminalpolitisch motivierten Vermeidung von Strafbarkeitslücken erscheint die Konkurrenzlösung ihren Anhängern überlegen8. Da der Behandlung als mitbestrafte Nachtat das Vorliegen einer tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaft verwirklichten Haupttat präjudiziell ist 9, stehen der Bestrafung von Teilnehmern auf dem Boden dieser Lehre keine Hindernisse entgegen. Die Rechtsfigur der mitbestraften Nachtat steht außerhalb akzessorischer Zurechnungskriterien. Sie wirkt lediglich personal, entfaltet auf der Grundlage der Konkurrenzlösung strafbefreiende Wirkung nur zugunsten des Haupttäters. BGHSt 14, 38 ff. (GrStS). und zum Streitstand vgl. nur S / S / Eser § 246 Rn 19. 6Yom Standpunkt der Tatbestandslösung ist allerdings die Pönalisierung wiederholter "Herrschaftsbetätigungen" trotz eines vorangegangenen tatbestandsmäßig und rechtswidrig, aber schuldlos verwirklichten Zueignungsdeliktes problematisch. Klärungsbedürftig ist die Frage der Wiederholbarkeit auch bei veJjährter oder amnestierter Yortat 1Der Streit war früher zudem bedeutsam für die Amtsunterschlagung (§§ 350, 351aF) wegen der gegenüber den §§ 246,263 schärferen Strafdrohung. Mit Hilfe der Tatbestandslösung konnte die Anwendung der "schneidigeren" §§ 350, 351 aF als Nachtat vermieden werden; diese Vorschriften sind ersatzlos gestrichen worden. 8 So etwa Maurach / Schroeder BT/1, 318. 9Das ist heute unbestritten; vgl. Jakobs AT, 726; S / S / Stree, Yorbem. §§ 52 ff. Rn 112. 4 Insbesondere

5 Dazu

Problembereiche und Gang der Untersuchung

15

Wird mithin heftig über das Problem gestritten, ob ein und derselbe Täter sich eine Sache mehrfach zuzueignen vermag, stößt es doch auf Verwunderung, daß die mindestens ebenso spannende Frage nach der Realisierbarkeit einer neuerlichen Zueignung durch einen anderen als den Vortäter kaum vom Strudel dogmatischer Auseinandersetzungen erfaßt worden ist. Vielmehr entspricht es heute allgemeiner Auffassung, daß etwa die Entwendung einer gestohlenen Sache ohne weiteres rechtliche Qualifizierung als Diebstahl (§ 242) erfährt lO, ohne daß man darüber reflektierte, ob nicht zumindest auf dem Boden der Tatbestandslösung gegenteilige Folgerungen zu ziehen sind, beide Problembereiche als.o möglicherweise auf eine gemeinsame teleologische Wurzel zurückgeführt werden können und müssen. Mit diesen notwendig skizzenhaften Vorüberlegungen ist bereits das Hauptanliegen der Arbeit dargetan: Im Zentrum des Interesses steht einerseits das Bemühen, die Streitfrage nach der Wiederholbarkeit von Zueignungsakten durch denselben Täter unter Würdigung insbesondere des "Straflückenarguments" einer sachgerechten und praktikablen Lösung zuzuführen; andererseits soll die bislang einhellige Erfassung von neuerlichen ,,zueignungen" durch andere als den Vortäter kritisch beleuchtet werden. Hierbei wird sich zeigen, daß die herkömmliche Einordnung dieser Fallkonstellationen in das System der Vermögensdelikte einer teleologisch und systematisch fundierten Neuorientierung wird weichen müssen. Darüber hinaus bietet es sich an, die zur Problematik der Wiederholbarkeit von Zueignungsakten entwickelte Konzeption in ihren Auswirkungen auf Sachbeschädigungen und Gebrauchsanmaßungen, die einem Zueignungsdelikt nachfolgen, nochmals zu erproben. Gleichsam enpassant kann hierbei das Verhältnis von Zueignungs- und Sachbeschädigungsunrecht mit den damit verbundenen Konsequenzen für die konkurrenzrechtliche Behandlung beider Deliktstypen aus einer neuen Perspektive betrachtet werden. Auch der Gang der Untersuchung findet sich mit dem kurzen Anriß der Problembereiche schon weithin vorgezeichnet: Im ersten Kapitel wird das den Eigentumsdelikten gemeinsame Schutzgut herausgestellt und der Versuch unternommen, die methodologische Relevanz eines auf bestimmte Angriffsmodalitäten beschränkten Rechtsgüterschutzes aufzuzeigen. Dem schließen sich im zweiten KapitelÜberlegungen zur Unrechtsstruktur einer Eigentumsverletzung durch Zueignung an. Sie bilden das Fundament, das die Möglichkeit eröffnen soll, die strukturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede verschiedenartiger Zueignungskonstellationen zu erfassen und auf einen materialen Kern zurückzuführen. Diese bewußt relativ knapp gehaltenen, gleichsam vor die Klammer gezogenen Vorarbeiten werden im dritten Kapitel vertieft, um die Problematik der Wiederholbarkeit von Zueignungshandlungen zu thematisieren. Die Erörterung mündet im vierten Kapitel in die Diskussion der sonstigen strafrechtlich relevanten Angriffe IOVgI. nur S/S/ Eser§ 242 Rn 2.

16

Einführung

auf das Eigentum nach der Verwirklichung eines Zueignungsdeliktes ein 11. Die Arbeit schließt mit demfiiriften Kapitel, das einen Abriß der wesentlichen Ergebnisse enthält.

11 Zu nachfolgenden Vermögensdelikten im engeren Sinne (beispielsweise Betrug, § 263, oder Erpressung, § 253) wird lediglich beiläufig Stellung bezogen werden, da diese Problematik nicht aus dem strafrechtlichen Schutz des Eigentums heraus entfaltet werden kann.

1. Kapitel

Überblick über den strafrechtlichen Schutz des Rechtsgutes Eigentum Für die vorliegende Arbeit, die den strafrechtlichen Eigentumsschutz nach der Realisierung eines Zueignungsdeliktes ins Zentrum des Interesses gerückt sehen möchte, stellt sich· die Frage, durch welche Straftatbestände der Schutz des Rechtsgutes Eigentum sichergestellt werden soll. Dieses Vorgehen erscheint allerdings erst dann sinnvoll, wenn sich zuvor die methodologische Leistungsfähigkeit einer Orientierung am Rechtsgutsgedanken ftir die Behandlung problematischer Fragen erwiesen hat. Denn nur dann rechtfertigt es sich, die im Einftihrungsteil benannten Problemfelder in ihren Bezügen zu einem gemeinsamen Schutzgut zu entfalten und einer kritisch-konstruktiven Problem behandlung zuzuftihren.

1. Abschnitt

Zur Orientierung an einem gemeinsamen Rechtsgut Konsens dürfte heute im wesentlichen darüber bestehen, daß die Pönalisierung menschlichen Verhaltens ihre eigentliche Legitimation aus dem Schutz von Rechtsgütern erfährt 1. Es kann daher nicht verwundern, wenn sich die Lösung von Rechtsproblemen aus dem Bereich des Besonderen Teils des StGB vornehmlich am Gedanken des Rechtsgüterschutzes orientiert, also an denjenigen Gütern, die durch die einzelnen Straftatbestände vor deliktischen Beeinträchtigungen bewahrt werden sollen. Diese Übereinstimmung im Grundsätzlichen bröckelt indes bei näherem Zusehen schnell ab, weil sie lediglich in einer ersten Umschreibung des im übrigen weithin ungeklärten Rechtsbegriffs ,,Rechtsgut" besteht; Konsens herrscht lediglich auf höchster Abstraktionsebene. Die vielfältigen Meinungsverschiedenheiten, die sich um das Rechtsgut ranken, entzünden sich schon bei dem Versuch einer einigermaßen präzisen Begriffsbildung und setzen sich bei der materiellen Ausftillung des Begriffes mit den damit verbundenen Auswirkungen auf die Funktion dieses Rechtsinstituts fort. 1Baumann / Weber AT, 9 tT.; Jescheck AT, 1fr.; ders. in LK vor § 1 Rn 3 f., vor § 13 Rn 5 ff.; Maurach / ZipfAT11,80 (,251 (; Rudolphi in SK vor § 1 Rn 2 (;S / S / Eser, Vorbem. § 1 Rn 23; S / S / Lenckner, Vorbem. § 13 Rn 8 fr.; Stratenwerth, 35 fr.; vgJ. auch Jakobs AT, 27 fr., der zwischen Rechtsgut und Strafrechtsgut differenziert; sämtliche Zitate m. w. N.; kritisch Bruns,

FS Mezger, 361, der den Schutz der "allgemeinen Rechtsordnung" in den Vordergrund rückt.

2 Roth

18

1. Kap.: Überblick über den strafrechtlichen Eigentumsschutz

Neben beispielhaften Umschreibungen wie ,,rein ideeller Achtungsanspruch, der von dem Gut gegenüber jedermann ausgeht"2, ,,rechtlich geschützter ideeller Wert der Sozialordnung ... , an dessen Erhaltung die Gemeinschaft ein Interesse hat"3, "das von der staatlichen Gemeinschaft rechtlich anerkannte Interesse an einem bestimmten Gut in seiner generellen Erscheinungsart"", finden sich Deutungen, die auf die Konfliktverarbeitung durch das Strafrecht im Sinne der Wertprinzipien strafrechtlicher Schutztechnik abheben5 bzw. auf die soziale Funktion der Strafnorm durch ,,Reflexion auf die Funktionsbedingungen der Sozialordnung" abstellen6• Diesen Deutungsversuchen ließe sich ohne weiteres noch eine Vielzahl weiterer Definitionsvorschläge an die Seite stellen. Doch ist hier nicht der Ort, eine präzise Zusammenstellung der heute noch erörterten Begriffsbestimmungen zu leisten. Insoweit sei auf die Arbeiten insbesondere von Amelung7, Hasseme~ und Sina 9 verwiesen. Immerhin schimmern durch den bunten Strauß der hier vorgestellten Rechtsgutsdefinitionen aber bereits jene beiden Aspekte hindurch, die die Diskussion um den Rechtsgutsbegriff ausmachen. Einmal geht es um die Frage, ob jedes beliebige Gut kraft staatlichen Gestaltungsaktes zum Rechtsgut konstituiert werden kann oder ob nicht vielmehr der Staat auf den Schutz der durch die Sozialordnung hervorgebrachten und damit anerkannten Güter beschränkt ist IO - ein Problem, das trotz der nunmehr schon hundertflinfzig Jahre andauernden Bemühungen ll um eine materielle Ausflillung des Rechtsgutsbegriffes nicht geklärt erscheint. Von diesem systemkritischen Ansatz abgesehen, der enge Bezüge zu den nicht gerade erfolgreichen Bemühungen um die Ausformulierung eines materiellen Verbrechensbegriffes aufweist und auf das Legitimitätsproblem von Strafe schlechthin verweist l2, mit Blick auf die Legitimation strafrechtlichen Eigentumsschutzes aber unproblematisch erscheint, besteht trotz terminologischer Abweichungen in der Sache Einvernehmen über den systemimmanenten Aspekt, der dem Rechtsgutsgedanken zukommt. 2 Schmidhäuser AT,

37 fI; ders., Studienbuch AT, 83 ff. AT, 206. 4 Maurach I Zipf AT11, 255. sHassemerl05ff.; 192ff.; 238ff. 6 Amelung, 354 f. 7 Insbesondere 261 fI 8 Insbesondere 64 fI 988ff. 10 So Rudolphi, Honig-Festschrift, 155; ders. in SK vor § 1Rn 5 f. m. w. N.; dagegen Jescheck in LK vor § 13 Rn 8 m. w. N., der diesen Aspekt als Frage verfassungskonformer Kriminalpolitik erörtert; vgl. auch Stratenwerth, 15 ff. 11 In die strafrechtliche Diskussion ist der Begriff des "Gutes" von Birnbaum, ArchCrim IlF 1834, 150 ff. eingeführt worden. Seit Binding, Normen I, 189 wird vom "Rechtsgut" gesprochen. 12 Dazu Hassemer, 22; Maurach I Zipf AT11, 162; Stratenwerth, 35 ff. 3 Jescheck

1. Abschn.: Zur Orientierung an einem gemeinsamen Rechtsgut

19

Ausgangspunkt der Überlegungen bildet die Erkenntnis, daß sich zwar die Auslese des strafrechtswidrigen Verhaltens aus der Gesamtmenge rechtswidrigen Verhaltens am Gesichtspunkt des Gemeinschaftsinteresses orientiert 13, dieses allen Straftatbeständen anhaftende Allgemeininteresse indes nicht hinreichend präzise zu erklären vermag, warum ein bestimmter Straftatbestand seine spezifische Unrechtsvertypung erfahren hat. Es pflegt daher auch nicht als das Rechtsgut einer Strafrechtsnorm bezeichnet zu werden. Mit diesem - generellen - Allgemeininteresse läßt sich zwar unter dem Gesichtspunkt der von Verfassungs wegen zu beachtenden Verhältnismäßigkeit dartun, weshalb ein bestimmter Lebensbzw. Sozialbereich gerade der strafrechtlichen Absicherung bedarf; der zu schützende Bereich selbst wird damit aber bereits vorausgesetzt. Will das Recht mit seinen Gebots- und Verbotssätzen den Menschen zur Vornahme bzw. Nichtvornahme von finalen Handlungen motivieren, die dem Gesetzgeber besonders wertvoll bzw. mißbilligenswert erschienen sind, also mit einem Aktwert bzw. Aktunwert behaftet sind, so zeigt dies, daß allen Bestimmungsnormen notwendig eine Bewertung immanent ist 14. Dabei geht der Formulierung der Bestimmungsnorm, normlogisch gesehen, die Bewertung bestimmter Güter, Interessen usw. als werthaft voraus 15• Das Recht nimmt Stellung fUr und gegen bestimmte Verhaltensweisen, und soll die Pönalisierung menschlichen Verhaltens nicht Selbstzweck sein, muß jene Stellungnahme mit der Abschirmung eines vom konkreten Tatobjekt losgelösten, als "Gut" empfundenen Etwas einhergehen 16. - Aus "Gütern" werden Rechtsgüter 17. Daß jenes positive Werturteil notwendig ein teleologisches Moment auch der tatbestandlich fixierten Bestimmungsnorm ausmacht, liegt auf der Hand 18. Es ist daher nur folgerichtig, wenn die teleologische Interpretation der Einzelstraftatbestände bei der Ermittlung der gleichsam hinter den einzelrren Strafnormen stehenden Rechtsgütern ansetzt. Allerdings ist noch dem Umstand Rechnung zu tragen, daß nichtjedwedes sozial inadäquate Verhalten, selbst wenn es zu Rechtsgutsverletzungen fUhrt, strafbewehrt ist. Gerade die Ausgestaltung des strafrechtlichen Eigentumsschutzes fUhrt dies sinnfällig vor Augen. Anders als beim Schutz des menschlichen Lebens (§§ 211 ff., 222) kennt das StGB keine Norm etwa des Inhalts ,yver den Eigentümer in seinen Befugnissen rechtswidrig beeinträchtigt, wird mit ... bestraft." Diese Zurückhaltung des Strafgesetzgebers erklärt sich daraus, daß die Strafbewehrung menschlichen Verhaltens als Eingriffin die ,,allgemeine Handlungsfreiheit" (Art. 2 I GG) nur unter Beachtung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen darf1 9. So gesehen erweist sich eine Strafnorm 13 Rudolphi in SK vor § 1 Rn 1 ff.; Welzel, 1 ff. 14 Kau/mann, Normentheorie, 67 ff.; ders., Dogmatik, 1f. 15 Kau/mann, Normentheorie, 69ff. 16Schmidhäuser AT, 37f.; Kau/mann, Normentheorie, 69. 17 Rudolphi in SK vor § 1 Rn 4. 18 Katifmann, Normentheorie, 75.

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1. Kap.: Überblick über den strafrechtlichen Eigentumsschutz

als "ultima ratio" im verhaltenssteuernden Instrumentarium des Gesetzgebers 2o• Daraus ergibt sich ohne weiteres, daß der zivilrechtliche Schutz des Eigentums durch die §§ 823,985 ff., 1004 BGB sehr viel weiter greift als der durch die Rechtsordnung unter Strafdrohung gestellte. Diese Überlegung zeigt schon, daß die Frage nach dem Rechtsgut nur teilweise kongruent mit der Erforschung der ratio legis verläuft; weitgehend nur, weil der strafrechtliche Rechtsgüterschutz oft nur Ausschnitte aus dem Bereich möglicher Rechtsgutsverletzungen erfaßt; weitgehend aber auch nur, weil sich personales Unrecht auch aus täterbezogenen Merkmalen konstituiert, deren Rechtsgutsbezug zumindest zweifelhaft erscheint. Die Frage nach dem Rechtsgut bezeichnet lediglich einen ersten Schritt auf dem Weg zur Erfassung der ratio legis einer Strafnorm 21 • Bestünde Sinn und Zweck eines Straftatbestandes allein darin, das jeweils geschützte Rechtsgut vor rechtswidrigen Angriffen zu bewahren, müßte jeder Straftatbestand - soll er auf einen optimalen Rechtsgüterschutz verpflichtet sein auf die vermeidbare Verursachung der Schutzgutverletzung abheben. Das ist aber bei einer ganzen Reihe von Straftatbeständen offensichtlich nicht der Fall. So pönalisiert etwa der Betrug (§ 263) nicht schon die schlichte Herbeiführung eines Vermögensschadens, und für den Diebstahl (§ 242) genügt keineswegs die Verletzung fremden Eigentums. Eine allein auf die Vermeidung von Rechtsgutsverletzungen bedachte Interpretation könnte nicht nur die Beschränkung des Betruges auf täuschungsbedingt verursachte Schäden oder die Sanktionierung von Eigentumsbeeinträchtigungen über § 242 nur bei Wegnahme in Zueignungsabsicht nicht erklären, sondern tendierte notwendig dazu, einen auf bestimmte Angriffsmodalitäten reduzierten Rechtsgüterschutz durch eine extensive teleologische Auslegung bis zur Grenze verbotener Analogie auszuhöhlen. Im Ergebnis würde damit der Bereich des strafrechtswidrigen Verhaltens dem des schlicht rechtswidrigen Verhaltens immer weiter angenähert, und es bestünde die Gefahr, daß die Aufgabe des Strafrechts als ultima ratio im staatlichen Sanktionssystem aus den Augen verloren würde 22• Aufbauend auf der Ermittlung des geschützten Gutes muß die Analyse daher um die Berücksichtigung eventueller Angriffsmodalitäten und personal ausgerichteter Merkmale erweitert werden 23• Alles zusammen genommen macht dann, auf eine Faustformel gebracht, den Unrechtsgehalt 24 einer Strafnorm aus. Eine einseitige Orientierung am Rechtsgut führte dagegen regelmäßig zur Extension, was 19 Jakobs AT, 38 f. ;Jescheck in LI