Effektivität des externen Inkassos: Ein Beitrag zur Ausgliederung betrieblicher Funktionen [1 ed.]
 9783428482399, 9783428082391

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CORA STAHRENBERG

Effektivität des externen Inkassos Ein Beitrag zur Ausgliederung betrieblicher Funktionen

Betriebswirtschaftliehe Forschungsergebnisse Begründet von

Prof. Dr. Dres. h. c. Erich Kosiol t Freie Universität Berlin

Herausgegeben von

Prof. Dr. Ralf-Bodo Schmidt t

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i_ Br_

und

Prof. Dr. Marcell Schweitzer Eberhard-Karls-Universität Tübingen

in Gemeinschaft mit

Prof. Dr. Franz Xaver Bea Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Prof. Dr. Knut Bleicher Hochschule St_ Gallen

Prof. Dr. Klaus Chmielewicz Ruhr-Universität Bochum

Prof. Dr. Günter Dlugos Freie Universität Berlin

Prof. Dr. Erich Frese Universität zu Köln

Prof. Dr. Oskar Grün Wirtschaftsuniversität Wien

Prof. Dr. Jürgen Hauschildt Chrlstian-Albreehts-Universität Kiel

Prof. Dr. Wilfried Krüger Justus-Liebig-Universität Gießen

Prof. Dr. Hans-Ulrich Küpper Ludwig-Maximilians-Universität München

Prof. Dr. Siegfried Menrad Eberhard-Karls-Unlvenltät Tüblngen

Prof. Dr. Dieter Pohmer

Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Prof. Dr. Henner Schierenbeck Universität Basel

Prof. Dr. Norbert Szyperski Universität zu Köln

Prof. Dr. Ernst Troßmann Universität Hohenheim

Prof. Dr. Dres. h. c. Eberhard Witte Ludwig-Maximilians-Universität München

Prof. Dr. Rütger Wossidlo Universität Bayreuth

Band 104

Effektivität des externen Inkassos Ein Beitrag zur Ausgliederung betrieblicher Funktionen

Von

Dr. Cora Stahrenberg

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stahrenberg, Cora: Effektivität des externen Inkassos : ein Beitrag zur Ausgliederung betrieblicher Funktionen / von Cora Stahrenberg. Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Betriebs wirtschaftliche Forschungsergebnisse ; Bd. 104) Zug!.: Kiel, Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08239-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0523-1027 ISBN 3-428-08239-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Norm für Bibliotheken

Inhaltsverzeichnis A. Einführung ...................................................................

1

I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

H. Aufbau und Gang der Untersuchung .................................

4

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung am Beispiel der Inkassofunktion .................................................

5

I. Inkasso . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inkassomethoden .................................................... a) Schriftliche Mahnung ........................................... b) Telefoninkasso ... ...... ....... ................ ........ ..... ...... c) Außendiensteinsatz .............................................. d) Postnachnahmen ..................................................

5 5 6 6 8 9 10

11. Möglichkeiten der Ausgliederung der Inkassofunktion ............ 1. Begriff der Funktionsausgliederung .............................. 2. Ausgliederungsalternativen ........................................ a) Inkasso durch einen Rechtsanwalt ............................. b) Inkasso durch ein Inkasso-Unternehmen ..................... ba) Inkassobranche .............................................. bb) Inkasso-Unternehmen im Interaktionsgeruge ........... bc) Spezielle Kostenaspekte .................................... bd) Exkurs: Psychologische Aspekte der Schuldnerreaktionen ......................................................... c) Zeitpunkt und Form der Ausgliederung ......................

12 12 13 13 15 15 19 25

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung der Inkassofunktion .. 1. Inkassospezifische Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Traditionelle Entscheidungsgrundlagen .......................... a) Finanzielle Aspekte .............................................. aa) Statischer Kostenvergleich ................................. ab) Mehrperiodenvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nicht-finanzielle Aspekte .......................................

39 40 41 42 42 46 53

26 36

VI

Inhaltsvcrr.eichnis

c) Entscheidungsstrategie . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung auf der Basis einer Transaktionskostenanalyse . a) Grundlagen ........................................................ b) Transaktionskosten . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Determinanten der Transaktionskosten ....................... d) Entscheidungsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 65 65 69 73 83

IV. Ableitung eines integrativen Entscheidungskalküls . . . . . . . . . . . . . . . .

87

V. Relevanz einer Effektivitätsanalyse ...................................

94

C. Effektivität von Inkasso-Unternelunen - eine empirische Untersuchung - .....................................................................

100

I. Definition des Effektivitätsbegriffes ..................................

100

11. Hypothesen ............................................................... 1. Ausprägung der Effektivitätskennziffern ........................ 2. Potentielle Einflußfaktoren der Effektivität ...•.................

107 107 108

III. Untersuchungsdesign .................................................... 1. Grundgesamtheit und Stichprobe ................................. 2. Datenerfassung .......................................................

120 122 127

IV. Datenanalyse ............................................................. 1. Effektivitätskennziffern ............................................. a) Reaktionsquote ................................................... b) Erfolgsquote ...................................................... c) Vollzahlungsquote ...... .................... ... .................. d) Teilzahlungsquote ................................................ e) Mahnbescheidsquote ............................................. f) Zusammenfassung ............................................... 2. Einflußfaktoren der Effektivität ................................... a) Attribute der Forderung ........................................ aa) Nur wenig erfolgsrelevante Informationen zum Zeitpunkt der Ausgliederung ................................... ab) Implikationen für die Inkassopraxis ...................... b) Aktionsdaten des Inkasso-Unternehmens ..................... ba) Aktionsschwerpunkt Mahnschreiben: mit steigender Anzahl sinken die Erfolgschancen ........................ bb) Implikationen für die Inkassopraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reaktionsdaten des Schuldners ................................ ca) Ratenvereinbarung als Negativindikator ................ cb) Implikationen für die Inkassopraxis ...................... d) Zahlungsdaten ....................................................

133 133 135 137 138 143 146 147 149 154 154 166 168 168 173 174 174 182 184

Inhaltsverzeichnis

VII

da) Teilzahler: fundamentale Bedeutung der ersten Zahlung ..................................... .......... .... ........ db) Implikationen für die Inkassopraxis ...................... 3. Zeitlicher Verlauf der Effektivität .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .

185 191 193

D. Ergebniszusammenfassung und Ausblick .............................

198

Anhang ............................................................................

201

Literatutverzeichnis . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . .. . . . . . . . . . . . .

227

TabeUenverzeichnis Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.

1: 2: 3: 4: 5:

Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.

8: 9: 10: 11: 12: 13: 14: 15: 16: 17: 18:

6: 7:

Tab. 19: Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.

20: 21: 22: 23: 24: 25: 26: 27: 28: 29: 30: 31: 32:

Erfolgsquoten des Inkassos in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . Anzahl der Mitarbeiter in den untersuchten Unternehmen Stichprobenumiange . . . . . . . . . . . . ... . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versandhandelsanteil in Gruppe A (in Prozent) ............ Anteil Firmenschuldner in Gruppe B (in Prozent) ......... Einfluß der Hauptforderungshöhe (non-linear) ............. Korrelationen (rxy) Durchschnittsalter der Forderungen/ Effektivitätskennziffern ........................................ Varianzerklärung durch Privatschuldnergruppe ............ Varianzerklärung durch Firmen-lPrivatschuldner .......... Varianzerklärung durch Mehrfachschuldner ................ Einfluß der Anzahl der Mahnschreiben (linear) ............ Befunde Außendiensteinsatz . . . . . . . . .. . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . Einfluß der Reaktionszeit (linear) ............................ Varianzerklärung durch Ratenvereinbarung ................. Einfluß der Zeitdauer bis zur ersten Teil7Jlblung (linear) Einfluß der Höhe der ersten Teil7Jlblung (non-linear) ..... Korrelationen (rxy) Anzahl der Mahnungen/Zahlungsdaten Korrelationen (rxy) Höhe der Hauptforderung/Zahlungsund Aktionsdaten . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befunde der multiplen RegressionsanalyselBasis: TeilzahIer .................................................................. Voll7Jlblungsquote (vhf) nach 3/6/9 Monaten ........ .... ... Ermittlung des Umfanges der wreduzierten Stichprobe w .. Übersicht Effektivitätskennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitpunkt der Mahnbescheidsbeantragung . . . . .. . . . .. . . . . . . . Reaktionen auf die Zustellung des Mahnbescheides ....... Teil7Jlblungen nach Ablauf von zwölf Monaten ............ Verteilung der Forderungshöhe ....•.......................... Branchenverteilung (Gläubiger) ............................... Befunde zu den Branchen der Schuldnerfirma .............. Befunde Privatschuldnergruppen ............................. Befunde wAlter des Schuldners w .............................. Befunde wFirmen-lPrivatschuldner w .......................... Befunde wMehrfachschuldner w ................................

95 121 126 134 134 155 158 159 162 165 170 172 175 177 186 187 189 189 191 196 207 209 211 211 212 212 214 214 215 216 216 217

Tabellenverzeichnis Tab. 33: Tab. 34: Tab. Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.

35: 36: 37: 38: 39: 40:

Tab. 41: Tab. 42:

Effektivität und Forderungshöhe der Gläubigerbranchen (Al) ............................................................... Effektivität von Firmen-lPrivatschuldnem nach Gläubigerbranchen (B3) ................................................ Befunde "Telefoninkasso" ................. ......... ..... ...... Befunde "Ratenvereinbarung" ................................. Befunde "Stundung" ............................................ Befunde "ReklaJDation" ........................................ Analysedesign Wechselwirkungen (Stammdaten) .......... Analysedesign Wechselwirkungen (Reaktions-/Stammdaten) ................................................................ Schuldnergruppenspezifische Korrelationen (rxy) Basis: Teilzahler ......................................................... Gesamtübersicht Einflußfaktoren . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX 217 217 218 218 219 219 220 220 221 226

Abbildungsverzeichnis Abb.l: Abb.2: Abb.3: Abb.4: Abb.5: Abb.6: Abb.7: Abb.8: Abb.9: Abb.l0: Abb.11: Abb.12: Abb.13: Abb.14: Abb. 15: Abb.16: Abb.17: Abb.18: Abb.19: Abb.20: Abb.21: Abb.22: Abb.23: Abb.24: Abb.25: Abb.26: Abb.27: Abb.28: Abb.29: Abb.30: Abb.31:

Inkassofunktion als Element des Umsatzprozesses ......... Bearbeitungsphasen im Inkasso-Unternehmen .............. Interaktionsgeffige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindungen bei Inkassovollmacht ......................... Verbindungen bei Inkassozession ............................. Austauschverhältnis aus der Sicht des Schuldners . . . . . . . . . Ausgliederungsvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . Transaktionskosten im Zeitablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Spezifität und Transaktionskosten .............................................. Einflußgrößen der Transaktionskosten . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . Interdependenzen zwischen Spezifität, Transaktions- und Produktionskosten ........................ Grundprinzip der Transaktionskostenanalyse ............... Effektivitätskennziffern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Effektivitätskennziffern im Inkassoprozeß .................. Alter der Forderung und Effektivität des Inkassos ......... Reaktionsquoten ................................................. Erfolgsquoten .................................................... Vollzahlungsquoten ............................................. Art der Vollzahlung ................................... ......... Potentialausschöpfung .......................................... Teilzahlungsquoten ............................................. Mahnbescheidsquoten .......................................... Potentielle Einflußfaktoren der Effektivität ................. Durchschnittsalter der Forderungen .......................... Privatschuldnergruppen ........................................ Alter des Schuldners ............................................ Privat-/Finnenschuldner ....................................... Eintnal-lMehrfachschuldner ................................... Anzahl der Mahnungen bei Nichtreaktion des Schuldners ........................................................ Telefoninkasso ................................................... Ratenvereinbarung ..............................................

2 18 19 21 22 32 36 71 75 82 83 85 102 105 111 136 137 139 141 143 145 146 153 158 160 161 163 164 169 171 176

Abbildungsverzeichnis

Abb.32: Abb.33: Abb.34: Abb.35: Abb.36: Abb.31a: Abb.31b: Abb.38: Abb.39: Abb.40:

Zahlungsverhalten bei Ratenvereinbanmg . .. . . . . . •.. . . . . . . . Stundung ...............................................•......... Reklamation . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . Zeitdauer bis zur ersten Teilzahlung ......................... Höhe der ersten Teilzahlung ................................... Effektivität im. Zeitablauf (A1-A8) .•......................... Effektivität im Zeitablauf (B1-C2) ........................... Qualität der Vollzahlung .. ... .................... ...... ..... ... Höhe der Hauptforderung und Effektivität .................. Kurvenverläufe des multiplikativen Modells ...............

XI

111 118 119 185 181 194 195 210 213 221

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis ~ 80 / a}

Abb. Abs. AGB AGBG Anm. Anz. Art. Aufl. AVO Bj b o / b} Bd. BDIU bearb. BGB BGBl. BRAO BRAGO bzw.

c



i

d.h. Ei / E e e, ez, ~f erg. erw. et al. etc. e.V. f. / ff.

Unternehmen j der Gruppe A Regressionskonstante/-koeffizient (linear) Abbildung Absatz Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Anmerkung Anzahl Artikel Auflage Ausführungsverordnung Unternehmen j der Gruppe B Regressionskonstante/-koeffizient (non-linear) Band Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. bearbeitet Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung beziehungsweise beobachteter Anteilswert Unternehmen j der Gruppe C Schrittziffer das heißt Nettoerfolg des internen/externen Inkassos (in DM) Erfolgsquoten ergänzt erweitert et alü et cetera eingetragener Verein folgende/fortfolgende

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis g G G~/GKe

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Hrsg. i.d.F. incl. Iss. Jg. ~/Ke

Kl e

Kap. Konfidenzint. KostÄndG log

LG It. M

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Nr.

OLG

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XIII

nicht erstattungsfähiger Prämienanteil nicht erstattungsfähige Erfolgsprämien (in DM) Gesamtkosten des internen/externen Inkassos (in DM) Gläubiger Hypothesej Hauptforderung Herausgeber in der Fassung inclusive Issue Jahrgang Kosten der internen/externen Inkassotätigkeit (in DM), ohne Transaktionskosten Kosten des erfolglosen externen Inkassos (in DM), ohne Transaktionskosten Kosten des erfolgreichen externen Inkassos (in DM), ohne Transaktionskosten Kapitel Konfidenzintervall Kostenänderungsgesetz Logarithmus zur Basis 10 Landgericht laut Auftragsvolumen (stück) Mahnbescheidsquote Mahnbescheid Mittelwert Nutzen Stichprobenumfang nicht erhebbar korrigierter Stichprobenumfang Nummer Oberlandesgericht ohne Jahr ohne Ort ohne Verfasser Potentialausschöpfung Preis Qualitätskennziffer (Erfolgsquote) des internen/externen Inkassos Bestimmtheitsmaß Reaktionsquote Korrelationskoeffizient

XIV RBerG s

S.

S SN

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Sign. Sp. Ti / Te Tab. t, tz, ~f u

überarb. Unt. unveränd. v, vz' vhf vein' vteil

v.

Verf. vgl. Vol. vollst.

w w W

W

Z

z.B.

Ziff.

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Rechtsberatungsgesetz Erstattungsanteil Seite vom Schuldner erstattete Kosten (in DM) Schuldner Varianz der Forderungshöhe Signifikanmiveau Spalte Transaktionskosten intern/extern (in DM) Tabelle Teil7Jlhlungsquoten Residualgröße überarbeitet Unternehmen unverändert Voll7Jlhlungsquoten Voll7Jlhlung durch Einmal-lTeil7Jlhlung von Verfasserin vergleiche Volume vollständig dem Schuldner in Rechnung gestellter Kostenanteil vom Auftraggeber zu 7Jlhlender Pauschalbetragsanteil Kosten der externen Inkassotätigkeit, die dem Schuldner in Rechnung gestellt werden (in DM) im Nichterfolgsfall vom ausgliedernden Unternehmen zu 7Jlhlender Pauschalbetrag (in DM) unabhängige Variable (Einflußfaktor) Gesamtwert der intern/extern beizutreibenden Forderungen abhängige Variable Zeit zum Beispiel Ziffer

A. Einführung I. Problemstellung Der Forderungsbestand aus Lieferung und Leistung eines Unternehmens bindet auf der einen Seite finanzielle Mittel und verursacht Kosten, die sich aus der Existenz dieser Bilanzposition und ihrer Verwaltung ergeben, auf der anderen Seite ist mit den Außenständen immer ein bestimmtes Risiko in Form potentieller Forderungsausfälle verbunden. 1 Das Kreditmanagement eines Unternehmens muß sich daher nicht nur mit der Planung und Steuerung der Kreditgewährung, sondern auch mit der Kontrolle der Zahlungen befassen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Forderungsbeitreibung ergreifen2 (Kapitel B.L). Gerade in Zeiten schlechter konjunktureller Entwicklung läßt auch die Zahlungsmoral der Schuldner nach, der Mittelrückfluß aus fälligen Forderungen sinkt. 3 Die Notwendigkeit eines aktiven Forderungsinkassos wird dadurch noch verstärkt. Abbildung 1 verdeutlicht die Position des Inkassos im Umsatzprozeß und seine Bedeutung für die Liquidität des Unternehmens am Beispiel der Industrie. Ein Unternehmen muß das Inkasso jedoch nicht unbedingt selbst durchführen. Immer häufiger werden Leistungen, die ursprünglich vom Unternehmen selbst erstellt wurden, von externen Marktpartnern bezogen. Dieser Vorgang wird als "Funktionsausgliederung" bezeichnet. Die Ausgliederung von Funktionen kann sich auf alle Bereiche eines Unternehmens erstrecken. 4 Dabei werden gerade Dienstleistungen (Informationsverarbeitung, Steuerberatung, Sicherheits- und Reinigungsdienste, Transportwesen etc.) zunehmend auf externe Dienst1

2

3

4

Vgl. Arbeitskreis Tacke (1981a), S. 685 ff., Hawkes/Slater (1988), S. 10 f. Vgl. RödllWinkels (1983), S. 26. Vgl. ühle (1987, S. 11, Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (1992), S. 2. Vgl. Männel (1981), S. 8 ff.

2

A. Einführung

leistungsunternehmen übertragen. S Das gilt auch für das Forderungsinkasso. Diese Leistung wird auf dem Markt nicht nur von Rechtsanwälten, sondern auch von spezialisierten Inkasso-Unternehmen angeboten (Kapitel B.II.).

----------,+ Rohstoffbeschoffung

flüssige Mittel

INKASSO Rohstofflagerung Forderungen aus Lieferung und Leistung

Fertigwarenlager

Absatzkredit

Absatz ...... _----------'

"Kreditmanagement"

Quelle: ROdl/Winkels (1983), S. 2 in Anlehnung on Archer/Choote/Rocette (1979), S. 579.

Abb. 1: Inkassofunktion als Element des Umsatzprozesses

Die Entscheidung eines Unternehmens für eine interne oder eine externe Ausübung der Inkassofunktion kann sich an verschiedenen Kriterien orientieren. Traditionell wird die sogenannte Make-or-BuyEntscheidung anhand von Kostenüberlegungen und gegebenenfalls der Beurteilung einiger nicht-finanzieller Aspekte getroffen, eine weitere Möglichkeit bietet der sogenannte Transaktionskostenansatz (Kapitel B.III.). Beide Methoden berücksichtigen jedoch nur Teilaspekte des Problems. Aus diesem Grund wird in der vorliegenden Arbeit ein Entscheidungskalkül entwickelt, der die wesentlichen inkassospezifischen Elemente beider Ansätze beinhaltet (Kapitel B.IV.). Ein zentraler Bestandteil dieses theoretisch abgeleiteten Kalküls ist der Erfolg des Inkassos. Auch in der Praxis spielen die Erfolgsquoten, insbesondere der Inkasso-Unternehmen, eine nicht unbedeutende Rolle: Obwohl S

Vgl. Albach (1989), S. 420 ff.

I. Problemstellung

3

oder vielleicht gerade weil sich die Fachleute nicht über die Höhe der Erfolgsquoten einig sind, werden sie immer wieder zur Argumentation, z.B. bei der Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten durch den Schuldner, herangezogen (Kapitel B.V.). Die Erfolgsquote ist damit für alle am Inkassoprozess beteiligten Parteien (Gläubiger/ausgliederndes Unternehmen, Schuldner, Inkassodienstleister) von Bedeutung. Dennoch existieren zu diesem Thema kaum empirisch belegte Aussagen. Vor diesem Hintergrund soll eine empirische Untersuchung nähere Aufschlüsse über die Effektivität des Inkassos liefern.

2 Stabrcnberg

ß. Aufbau und Gang der Untersuchung In der Literatur wird üblicherweise nur die Erfolgsquote als einziges und zumeist nicht oder nur ungenau beschriebenes Effektivitätsmaß verwendet. In der vorliegenden Untersuchung werden dagegen mehrere Effektivitätskennziffern definiert (Kapitel C.!.). Die Untersuchung erstreckt sich sowohl auf die Analyse der Ausprägung dieser Kennziffern als auch auf die Analyse potentieller Einflußfaktoren der Effektivität, um hieraus möglicherweise weitere Informationen für die Durchführung des Forderungsinkassos zu erhalten. Für die Überprüfung dieser beiden Aspekte wird jeweils eine Gruppe von Hypothesen aufgestellt (Kapitel C.I!.). Aufgrund der Tatsache, daß sich die Erfolgsquoten-Diskussion der Fachleute ausschließlich auf die Inkasso-Unternehmen bezieht, wurden nur Unternehmen dieser Branche in die empirische Untersuchung einbezogen und das Rechtsanwaltsinkasso nicht berücksichtigt. Im Rahmen einer Pilotstudie waren bereits drei größere Inkasso-Unternehmen untersucht worden. 1 Um ein differenzierteres Bild der Effektivität der Inkassobranche zu erhalten, umfaßt die vorliegende Untersuchung 14 Unternehmen, in denen jeweils eine Stichprobe aus dem Forderungsbestand gezogen wurde. Dabei wurde nur der Erfolg der vorgerichtlichen Tätigkeit untersucht, weil die Inkasso-Unternehmen zum einen gerade in diesem Bereich eine spezielle Alternative für die Funktionsausgliederung darstellen und sich zum anderen die Effektivitäts-Diskussion speziell an diesem Zeitraum orientiert (Kapitel C.III.). Im Rahmen der Datenanalyse werden zunächst die Ausprägungen der einzelnen Effektivitätskennziffern überprüft, danach erfolgt die Untersuchung der potentiellen Einflußfaktoren. An die Darstellung der statistischen Befunde schließen sich in jedem Unterabschnitt die daraus abzuleitenden Implikationen für die Inkassopraxis an (Kapitel C.IV.l. und 2.). Die Untersuchung des zeitlichen Verlaufs der Effektivität beendet den Analyseteil (Kapitel C.IV.3.). Abschließend wird eine Zusammenfassung der theoretischen Erkenntnisse sowie der empirischen Befunde im Hinblick auf die Ausgliederungsentscheidung eines Unternehmens und die Inkassopraxis vorgenommen, der sich ein Ausblick auf weitere Forschungsdesiderate zu diesem Themenbereich anschließt (Kapitel D.). 1

Vgl. Hauschildt/Stahrenberg (1991).

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung am Beispiel der Inkassofunktion I. Inkasso 1. Begriffsdef"mition Das Wort "Inkasso" stammt aus dem Italienischen und bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie "In-die-Kasse-nehmen" oder "Einkassieren".! Allgemein wird unter Inkasso der Einzug fälliger Forderungen verstanden: Rechnungen, Schecks, Wechsel, Quittungen und Anweisungen, Zins- und Dividendenscheine, geloste und gekündigte Wertpapiere, Dokumente und andere Forderungspapiere, die auf einen bestimmten Geldbetrag lauten. 2 Während früher das Einziehen von Bargeld für fällige Forderungen im Vordergrund stand3 , hat das Inkasso heute durch den bargeldlosen Zahlungsverkehr besonders im Bankwesen eine große Bedeutung erlangt. 4 Auch der Ausgleich fälliger Rechnungsforderungen, deren Inkasso Hauptgegenstand der vorliegenden Arbeit ist, erfolgt zumeist unbar. Im Gegensatz zur Zahlung, die den Forderungsausgleich aus der Sicht des Schuldners darstellt, beschreibt das Inkasso diesen aus der Perspektive des Gläubigers. Dabei wird im allgemeinen Sprachgebrauch gleichzeitig ein Aktivwerden des Gläubigers unterstellt. Er 1 2 3 4

Vgl. Hahn (1962), S. 42. Vgl. o.V. (1958), S. 854, Meyers Enzyklopädisches Lexikon (1974), S.599. Vgl. Meyers Konversations-Lexikon (1876), Bd. 9, S. 292, Meyers Lexikon (1924), Bd. 6, Sp. 451. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (1988), Sp. 2551.

6

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

setzt sich mit dem Schuldner in Verbindung oder beauftragt eine dritte Instanz mit dem Einzug der Forderung. Die Initiative zum Ausgleich der Verbindlichkeit geht also vom Gläubiger aus. 5 Teilweise wird auch nur die Forderungseinziehung durch Dritte als Inkasso bezeichnet. 6 Eine entsprechende Definition dieser Variante enthält das Rechtsberatungsgesetz. Danach ist Inkasso die "Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen", die "geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit - [... ] betrieben" wird. 7

2. Inkassomethoden a) Schriftliche Mahnung Das Mahnschreiben ist die gebräuchlichste Form, einen Schuldner zur Zahlung aufzufordern. In vielen Fällen ist die schriftliche Mahnung sogar die einzige Maßnahme, die zur Beitreibung von Außenständen ergriffen wird. Ein Grund für ihre universelle Anwendung besteht darin, daß jeder Gläubiger grundsätzlich in der Lage ist, einen Mahnbrief zu verfassen und abzusenden. Die Art der Ausführung kann allerdings in Abhängigkeit von personellen, organisatorischen oder technischen Ressourcen variieren. Darüberhinaus bietet das Mahnschreiben weitere Vorteile, die für den Forderungseinzug von wesentlicher Bedeutung sind: Es spricht den Schuldner persönlich an, kann sehr flexibel gestaltet werden und ist, im Vergleich zu anderen Inkassomethoden, sowohl zeit- als auch kostensparend. 8 Durch eine Mahnung soll der Schuldner zur Zahlung oder zumindest zu einer Reaktion bewegt werden. In diesem Punkt besteht ein wesentlicher Nachteil des schriftlichen Inkassos: Die Kommunikation über ein Mahnschreiben ist einseitig. Für den Schuldner besteht daher die Möglichkeit, die Zahlungsaufforderung zu ignorieren. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, werden die Briefe inhaltlich immer weiter 5 6

7 8

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Hahn (1962), S. 43. Meyers Enzyklopädisches Lexikon (1974), S. 599. Art.l § 1 Abs.l Satz 1 RBerG. Dietrich (1986), S. 81 und Beckman/Foster (1969), S. 546.

I. Inkasso

7

verfeinert. Dem gleichen Zweck dienen Veränderungen der Mahnrhythmen, das Beifügen von Überweisungsformularen oder eine besondere grafische Gestaltung des Schreibens. 9 Zum Inhalt eines Mahnschreibens gehört zunächst die Bezeichnung von Grund und Höhe der ausstehenden Forderung. Dabei werden aufgelaufene Verzugszinsen und Mahngebühren gesondert aufgeführt und der Ursprungsforderung hinzugerechnet.1 0 Der eigentliche Mahntext ist bei aufeinanderfolgenden Mahnungen in der Regel inhaltlich abgestuft. Dabei wird der Schuldner mit jeder Mahnung nachdrücklicher zum Ausgleich der Forderung aufgefordert. Dies geht bis zur Androhung gerichtlicher Schritte. ll Dabei sollten angekündigte Maßnahmen auch realisiert werden, da der Gläubiger oder die mit der Forderungseinziehung beauftragte Instanz andernfalls an Glaubwürdigkeit verliert. 12 Im Idealfall ist jedes Mahnschreiben individuell auf den einzelnen Schuldner zugeschnitten. Von dieser Variante wird angenommen, daß sie erfolgversprechender ist als ein Formbrief. Letzterer erweckt beim Schuldner leicht den Eindruck eines wenig ernst zu nehmenden Routineschreibens. Gerade bei kleineren Forderungsbeständen bietet sich deshalb die individuelle Abfassung des Mahntextes an. Allerdings ist dies bei einem zunehmenden Forderungsaufkommen meistens nicht mehr möglich. In diesem Fall kann der Einsatz von Computern eine Zusammenstellung verschiedener Textbausteine zu einem relativ individuellen Mahnschreiben ermöglichen, wodurch der negative Effekt des Formbriefes reduziert wird. 13 Vollständig neu verfasste Schreiben sind dann nur noch in Einzelfällen notwendig. Ein besonderer Vorteil einer standardisierten Vorgehensweise mittels Formbrief oder der Verwendung von Textbausteinen besteht darin, daß ihr Inhalt bereits im Vorfeld juristisch überprüft werden kann. Rechtliche Probleme, die sich aus dem Inhalt der Mahnschreiben ergeben, können so weitestgehend vermieden werden. 14

Vgl. Edwards (1981), S. 138 f. 10 Vgl. Dietrich (1986), S. 83. 11 Vgl. z.B. Lunn (1989), S. 40. Eine ausführliche Beschreibung verschiedener inhaltlicher Ansätze findet sich bei ShultzlReinhardt (1962), S.285-318. 12 Vgl. Edwards (1981), S. 140. 13 Vgl. David (1989), S. 62. 14 Vgl. Hardesty (1987), S. 32.

9

8

B. Theoretische ElWägungen zur Funktionsausgliederung

b) Telefoninkasso Diese Form der Zahlungsaufforderung stammt ursprünglich aus den USA und wird in der Bundesrepublik inzwischen ebenfalls eingesetzt. Im Gegensatz zu den USA, wo das Telefoninkasso früher häufig mißbräuchlich betrieben wurde 1S , muß der Schuldner in Deutschland nicht mit Beschimpfungen, Bedrohungen oder nächtlichen Anrufen rechnen. Zwar werden Telefonanrufe auch hier am Abend getätigt, aber nur bis gegen 20.00 Uhr, um berufstätige Schuldner zu erreichen. 16 Im Vergleich zur schriftlichen Mahnung liegt der Vorteil des Telefoninkassos in der direkten, persönlichen Ansprache des Schuldners. Dieser kann eine telefonische Zahlungsaufforderung nicht ignorieren und muß direkt Stellung beziehen. Darüberhinaus können sich viele Schuldner besser mündlich als schriftlich äußern, es fällt ihnen daher unter Umständen leichter, ihre Nichtzahlung in einem Telefongespräch näher zu erklären. 17

Problematisch ist die schwere Beweisbarkeit einer telefonischen Mahnung. Aus diesem Grunde muß ein schriftliches Protokoll angefertigt werden, das zusätzlich von einer weiteren Person, die das Telefonat mitgehört hat, unterschrieben wird. Im Falle telefonischer Abreden mit dem Schuldner, z.B. über Zahlungsmodalitäten, erhält dieser außerdem eine schriftliche Bestätigung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung.1 8 Das Telefoninkasso ist häufig dann erfolglos, wenn der Anrufer unvorbereitet ist und es ihm an Detailkenntnissen über den Einzelfall mangelt. Für eine erfolgreiche Durchführung des Telefoninkassos ist es deshalb wichtig, bereits im Vorfeld des eigentlichen Gesprächs alle schuldnerrelevanten Daten zusammenzutragen. Darüberhinaus sollte der Anrufer sich über seine Zielsetzung im klaren sein und sich eine entsprechende Strategie zurechtlegen, z.B. ob und in welcher Form ein Ratenzahlungsabkommen überhaupt in Betracht kommt. 19 Zwar bietet das Telefon eine direkte Kommunikation mit dem Schuldner, es fehlt aber der visuelle Kontakt zwischen den beiden Ge1S 16

17 18 19

Vor Inkrafttreten des wPair Debt Collection Practices Act 1977 (vgl. Dietrich (1986), S. 79). Vgl. David (1989), S. 62. Vgl. ebenda, S. 62. Vgl. Dietrich (1986), S. 80. Vgl. Zeif (1988a), S. 28. W

I. Inkasso

9

sprächspartnern. Dieser Mangel kann durch verschiedene Artikulationselemente kompensiert werden: Tonlage, Betonungen, Pausen, Tempo etc. Sie ersetzen die Körpersprache und helfen den Gesprächspartnern die Aussagen des anderen richtig zu deuten. 20 Der bewußte Einsatz dieser Elemente erleichtert es dem Anrufer, eine bestimmte Reaktion beim Schuldner hervorzurufen. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge hilft einem erfahrenen Mitarbeiter andererseits aber auch, Argumente des Schuldners richtig zu interpretieren. Ein weiterer erfolgsrelevanter Aspekt ist die Fähigkeit des Anrufers, dem Schuldner zuhören zu können. Hierdurch erhält er gegebenenfalls wichtige Informationen und gewinnt Zeit, diese entsprechend im Gespräch umzusetzen. 21 Darüberhinaus nennt Malindine als möglichen Effekt des Zuhörens, daß der Schuldner sich durch seinen Redefluß eventuell sogar "selbst zur Zahlung überredet" .22 Ist der Schuldner allerdings nicht gesprächig, müssen die gewünschten Informationen gezielt erfragt werden. Hierzu eignen sich am besten Fragen, die mit "Wer, Was, Wo, Wann, Warum oder Wie" beginnen. Sie können nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" beantwortet werden und führen daher zu Antworten mit einem höheren Informationsgehalt. 23 Die geschilderten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung des Telefoninkassos verdeutlichen, daß speziell ausgebildete Mitarbeiter benötigt werden, um allen Anforderungen gerecht werden zu können. 24

c) Außendiensteinsatz Der persönliche Besuch des Schuldners durch einen Außendienstmitarbeiter stellt eine weitere Steigerung der Mahnansprache dar. 25 Der Vorteil des direkten Kontaktes zum Schuldner kommt hier im Vergleich zum Telefoninkasso noch stärker zum Tragen, der psychologische Druck auf den Schuldner ist bei dieser Art der Forderungs20 Vgl. Zeif (1988b), S. 29. 21 Vgl. Zeif (1988a), S. 28. 22 Vgl. Malindine (1981), S. 175. 23 Vgl. Hardesty (1987), S. 32 f. 24 Vgl. Malindine (1981), S. 165 ff. Goddard geht davon aus, daß es ungefähr sechs Monate dauert, das Personal entsprechend auszubilden. Danach könne ein guter Mitarbeiter bis zu 80 Telefonate am Tag durchführen (vgl. Goddard (1984), S. 30). 25 Vgl. ühle (1985), S. 27.

10

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

einziehung am stärksten. 26 In der Regel handelt es sich nicht um eine isoliert angewandte Inkassomethode, sondern der Außendienst ergänzt die schriftlichen und telefonischen Mahnansprachen. Ein persönlicher Besuch wird insbesondere dann in Erwägung gezogen, wenn andere Maßnahmen fruchtlos verlaufen sind27 , eine Verjährung der Forderung droht28 , oder der Schuldner schon mehrfach die Zahlung versprochen, dieses Versprechen aber nicht eingelöst hat29 • Voraussetzung ist jedoch, daß der mit einem persönlichen Besuch verbundene zeitliche und finanzielle Aufwand sowie die Höhe der Forderung den Einsatz dieser Methode rechtfertigt. 30 Im Normalfall treten Außendienstmitarbeiter seriös und hilfsbereit auf und versuchen, eine Vertrauensbasis für die Verhandlungen mit dem Schuldner zu schaffen. 31 Ist kein Barinkasso möglich, werden nach Möglichkeit Ratenzahlungsabkommen oder andere Zahlungsvereinbarungen mit dem Schuldner getroffen32 , die im nachhinein schriftlich bestätigt werden. 33 Der persönliche Schuldnerbesuch hat gegenüber anderen Inkassomethoden den Vorteil, daß der Außendienstmitarbeiter sich ein besseres Bild von der finanziellen Situation und dem sozialen Umfeld des Schuldners machen kann. Ist der Schuldner zahlungsunwillig, können zumindest die Erfolgsaussichten einer späteren Zwangsvollstreckung besser beurteilt werden. Wie beim Telefoninkasso hängt jedoch auch der Erfolg des Außendienstes wesentlich von der Qualifikation und dem Verhandlungsgeschick der Mitarbeiter ab. 34

d) Postnachnahmen Obwohl Postnachnahmen in der Praxis verwendet werden35 , findet diese Methode in der Inkassoliteratur kaum Berücksichtigung. Bei die26 27 28 29 30 31 32 33 34 35

Vgl. David (1989), S. 62. Vgl. Muchow (1980), S. 23. Vgl. Dietrich (1986), S. 85. Vgl. Classon (1968), S. 104. Vgl. ebenda, S. 104, David (1989), S. 62. Vgl. Muchow (1980), S. 23. Vgl. David (1989), S. 62 f. Vgl. Edwards (1981), S. 148. Vgl. Dietrich (1986), S. 86, Kirkman (1977), S. 187 f. Drei der untersuchten Inkasso-Unternehmen setzen diese Methode zusätzlich zu ihren anderen Mahnaktivitäten ein (vgl. Kap. C.IV.2.b».

I. Inkasso

11

ser rechtlich zulässigen Mahnart36 schickt der Gläubiger dem Schuldner einen Brief per Nachnahme zu. Löst dieser die Nachnahme ein, wird der entsprechende Betrag der Forderung gutgeschrieben. Der Wert der Nachnahme entspricht dabei in den meisten Fällen einem Teilbetrag der Forderung. 3? Da der Brief an sich keinen Wert hat und die Nachnahmegebühren auch bei Nichteinlösung dem Konto des Schuldners belastet werden, halten Kritiker diese Mahnmethode für unseriös. 38 Bei der Postnachnahme handelt es sich einerseits um eine schriftliche Zahlungsaufforderung, andererseits wird der Schuldner jedoch durch den Postboten unmittelbar mit der Mahnung konfrontiert. Er hat zwar die Möglichkeit, die Nachnahme zu ignorieren, der Gläubiger erhält aber in jedem Fall eine Rückmeldung von der Post. In der Intensität der Schuldneransprache kann die Postnachnahme daher zwischen der schriftlichen und der persönlichen Mahnung durch einen Außendienstmitarbeiter eingestuft werden. Zusammenfassend betrachtet steht für das Forderungsinkasso zwar nur ein begrenztes Spektrum an Methoden zur Verfügung, diese können aber sehr flexibel und vielfältig gestaltet werden. Aus der Kombination verschiedener Maßnahmen ergeben sich darüberhinaus zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten. Die Aufgabe der mit der Inkassofunktion betrauten Instanz besteht daher neben der eigentlichen Durchführung des Inkassos auch in der Auswahl und Gestaltung der Methoden sowie gegebenenfalls der Konzipierung eines MethodenMix. Will der Gläubiger aus noch näher zu betrachtenden Gründen diese Funktion nicht im eigenen Unternehmen ausüben, stehen ihm verschiedene Ausgliederungsmöglichkeiten zur Verfügung.

36 Vgl. Präsident des LG Wuppertal (1987). 37 Vgl. Capell (1989), S. 156. Der Nachnahmewert beträgt z.B. bei der ersten Nachnahme 20%, wenn diese nicht eingelöst wurde, bei der zweiten 10% des Fordenmgssaldos (lt. Aussage der Geschäftsführung eines der Inkasso-Unternehmen, die mit dieser Methode arbeiten). 38 Vgl. Grote (1991), S. 17.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung der Inkassofunktion 1. Begriff der Funktionsausgliederung Mit "Funktionsausgliederung" wird allgemein die Übertragung bisher im eigenen Unternehmen erstellter Leistungen auf externe Marktpartner bezeichnet. 1 Selchert differenziert diesen Vorgang darüber hinaus nach Fremdausübung, Funktionsausgliederung und Nichtausübung. Im Falle der Fremdausübung wird zwar die Realisation einer bestimmten Leistung einem externen Partner übertragen, ein wesentlicher Teil der Entscheidungen zur Aufgabenerfüllung verbleibt aber bei der ausgliedernden Unternehmung. Bei der Funktionsausgliederung beschränkt sich der Einflußbereich des ausgliedernden Unternehmens auf qualitative und quantitative Leistungskontrollen. Mit abnehmenden Einflußmöglichkeiten findet ein Übergang zur Nichtausübung der Leistung statt. 2 Im Falle der Inkassofunktion bleibt die Aufgabenerfüllung im Einflußbereich des ausgliedernden Unternehmens, es liegt also keine Nichtausübung vor. Der überwiegende Teil der notwendigen Entscheidungen wird jedoch von der beauftragten Instanz getroffen, weshalb es sich nicht um eine Fremdausübung handelt. Die Beauftragung eines externen Partners mit dem Forderungseinzug kann daher sowohl anhand der allgemeinen Definition als auch der Unterscheidung von Selchert als Funktionsausgliederung bezeichnet werden. Die Bestimmung des Umfanges der Leistungen, die ein Unternehmen zur Erfüllung seiner unternehmerischen Zielsetzung selbst erbringt, wird auch unter den Stichworten "Gestaltung der Leistungstiefe" oder "vertikale Integration" behandelt. Eine Veränderung des Leistungsumfanges kann dabei in zwei Richtungen erfolgen: die Ubernahme von Lieferantenaktivitäten wird als Rückwärtsintegration (backward oder upstream integration), die Übernahme von Leistungen der Vertriebspartner oder Kunden entsprechend als Vorwärtsintegration (forward oder downstream integration) bezeichnet. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden Leistungsstufen, die ein Produkt innerhalb 1

2

Vgl. Männel (1981), S. 3, Selchert (1971), S. 50 ff. Vgl. hierzu auch Acker (1954), Wysocki (1961), Rühle v. Lilienstem (1967). Vgl. Selchert (1973), S. 43 ff.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

13

eines Unternehmens durchläuft, von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Vermarktung, bestimmen den vertikalen Integrationsgrad bzw. die Leistungstiefe dieses Unternehmens. Eine geringe Leistungstiefe weisen z.B. viele Unternehmen der Textilbranche auf, während diese in der Stahl- und Chemiebranche vielfach sehr hoch ist. 3 In diesem Zusammenhang kann die Inkassofunktion in die Abfolge der betrieblichen Leistungsstufen in den Bereich der Vermarktung und des Absatzes eingestuft werden, wobei das Mahn- und Inkassowesen als finanzielle Durchführung des Absatzes interpretiert wird. 4 Damit beeinflußt die Ausübung der Inkassofunktion, intern oder extern, das Ausmaß der Vorwärtsintegration innerhalb eines Unternehmens.

2. Ausgliederungsalternativen a) Inkasso durch einen Rechtsanwalt Schwerpunkt der Tätigkeit eines Rechtsanwaltes als gesetzlichem Organ der Rechtspflege5 ist die Rechtsberatung der Mandanten, die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche sowie die zivil- und strafrechtliche Prozeßvertretung. 6 Im Rahmen dieses Aufgabenbereiches übernehmen Rechtsanwälte für ihre Mandanten auch die Einziehung von Forderungen. Wesentliches Tätigkeitsfeld der Anwälte ist dabei die Durchführung des gerichtlichen Mahn- und Klageverfahrens zur Titulierung der Forderung, der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder des Verfahrens zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Eine besondere, über die Ankündigung der genannten Maßnahmen hinausgehende Mahntätigkeit findet im Regelfall nicht statt. 7 Nur wenige Anwaltskanzleien sind organisatorisch, technisch und personell auf die extensive Bearbeitung größerer Forderungsbestände eingestellt. 8 Zudem wird behauptet, daß sie "einer kaufmännischen 3

4 5 6

7 8

Vgl. Picot (1991a), S. 337. Vgl. hierzu auch Harrigan (1983), S. 15 ff., Perry (1989), S. 185 ff., Porter (1992), S. 375 ff. Vgl. Männel (1981), S. 21. Vgl. §1 BRAü. Vgl. Weckert (1980), S. 3. Vgl. üble (1991). Vgl. Krieger (1972), S. 1212, Schwinn (1973), S. 16, Windolph (1976), S. 48, David (1989), S. 10.

14

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Organisation und Technisierung oft nur schwer zugänglich"9 sind. Als mögliche Konsequenzen können sich Kooperations- und Informationsschwierigkeiten zwischen Rechtsanwalt und ausgliederndem Unternehmen ergeben. 10 Der Rechtsanwalt wird für seine Tätigkeit erfolgsunabhängig auf der Basis einer Gebührenordnung honoriert. 11 Diese orientiert sich an der Höhe der einzuziehenden Forderung, der jeweilige Bearbeitungsaufwand bleibt unberücksichtigt.12 Gebühr und Auslagen sind allein vom Schuldner zu tragen. Für das ausgliedernde Unternehmen hat dies den Vorteil, daß der Erlös aus den Inkassobemühungen nicht durch eine erfolgsabhängig zu zahlende Provision geschmälert wird. 13 Für den Anwalt führt die Bindung an die Gebührenordnung jedoch dazu, daß die Gebühren für Mandate mit geringem Streitwert häufig nicht mehr kostendeckend sind. Aus diesem Grund werden solche Inkassoaufträge oftmals nur übernommen, wenn es sich bei dem Auftraggeber um einen ständigen Mandanten handelt, bei dem ein Kostenausgleich über die Rechtsberatung möglich ist. 14 Insgesamt ist das Forderungsinkasso durch einen Rechtsanwalt eher auf die Bearbeitung strittiger oder komplizierter Einzelfalle als auf die routinemäßige und rationelle Bearbeitung einer großen Anzahl von Inkassomandaten ausgerichtet. 1S Die Zunahme der in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte könnte allerdings dazu führen, daß das Anwaltsinkasso künftig an Bedeutung gewinnt, da diesem Aufgabenbereich in Zukunft mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden dürfte. 16

9

Barnbeck (1973), S. 10.

10 Vgl. ebenda, S. 10.

11 Vgl. §1 Abs.1 BRAGü.

12 Vgl. ühle (1985), S. 13. 13 Vgl. Barnbeck (1973), S. 10. 14 Vgl. Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer (1980), S. 7,

Krieger (1972), S. 1212. Vgl. Jäckle (1978), S. 99, Wallstab-Schneider (1991), S. 15, ühle (1987). 16 Vgl. David (1989), S. 11. lS

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

15

b) Inkasso durch ein Inkasso-Untemebmen

ba) Inkassobranche

Inkasso-Unternehmen, häufig auch Inkassobüros genannt, sind kaufmännisch geführte Gewerbebetriebe. Ihre Aufgabe ist die Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen. 17 Der historische Ursprung des deutschen Inkassogewerbes geht auf die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Im Zuge der Industrialisierung und dem damit verbundenen Anstieg finanzieller Transaktionen, wuchs der Bedarf der Wirtschaft, den daraus resultierenden Risiken entgegenzuwirken. Nach Vorbildern in den USA und England wurde am 1.4.1860 die erste Auskunftei, das "Erkundigungsbüro zur Wahrung kaufmännischer Interessen für Stettin und pie Provinz Pommern" gegründet. Weitere Unternehmensgründungen mit der gleichen Zielsetzung folgten. Das Tätigkeitsfeld dieser Unternehmen wurde sehr bald um das "Inkasso kaufmännischer, insbesondere zweifelhafter Forderungen" 18 erweitert. Während in den Anfangen immer eine enge Beziehung zwischen Auskunftei und der Einziehung von Forderungen bestand, wurden nach dem ersten Weltkrieg vermehrt auf das Forderungsinkasso spezialisierte Unternehmen gegründet. Schwerpunkt der Tätigkeit dieser Unternehmen war das Inkasso bereits ausgeklagter Forderungen. Die Haupttätigkeit hat sich jedoch im Laufe der Zeit, insbesondere mit Einsetzen der Wirtschaftsrezession in den sechziger Jahren, auf die Beitreibung noch nicht ausgeklagter Forderungen verlagert. 19 Aufgrund der geschichtlichen Entwicklung der Inkasso-Unternehmen aus dem Auskunfteigewerbe unterscheidet Jäckle zwei Typen von Inkasso-Unternehmen: Handelsauskunfteien und Kreditschutzorganisationen, die über diese Tätigkeit hinaus auch Inkasso betreiben und Inkasso-Unternehmen "im engeren Sinne", die sich auf das Forderungsinkasso spezialisiert haben. 20 Die praktische Relevanz dieser Unterscheidung ist allerdings umstritten. 21

17 Vgl. Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (1989a), Ziff. I 1, Gabler Wirtschafts-Lexikon (1988), Sp. 2551. 18 Ehrenberg (1890), S. 985. 19 Vgl. Oble (1985), S. 3 f. 20 Vgl. Jäclde (1978), S. 13 f. 21 Vgl. RentschlBersiner (1986), S. 1247 f.

16

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Heute umfaßt die Inkassobranche ca. 500 Unternehmen, denen im Jahr 1992 Forderungen im Wert von knapp 6 Milliarden DM zum Einzug übertragen wurden. 22 Der größte Teil der Inkasso-Unternehmen ist vergleichsweise klein und beschäftigt maximal fünf Mitarbeiter. Relativ wenige Unternehmen haben bis zu 60 Beschäftigte und nur einige große Unternehmen beschäftigen mehrere hundert Mitarbeiter.2"3 Etwa zwei Drittel aller Inkasso-Unternehmen sind, direkt oder über ihre Verbände, im Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. Mitglied. 24 Der in dieser Form seit 1966 bestehende Verband hat sich vor allem die Pflege der kollegialen Zusammenarbeit und beruflichen Verständigung, die Fortbildung der Mitglieder sowie die Vertretung der Berufsinteressen gegenüber der Öffentlichkeit zum Ziel gesetzt. 2S Darüber hinaus ist die Gründung eines europäischen Dachverbandes, der FENCA (Federation of European National Collection Associations), in Vorbereitung. Das Ziel des Zusammenschlusses ist die europaweite Vereinheitlichung der gesetzlichen Normen für die Inkassotätigkeit, um den Forderungseinzug im europäischen Ausland zu verbessern. Gleichzeitig wird ein grenzüberschreitender "Code of Conduct" für die Mitgliedsfirmen entwickelt. Diese Verhaltensrichtlinien sollen dazu dienen, "schwarze Schafe" auszugliedern, die den Ruf der Branche immer wieder negativ beeinflussen. 1:6 In rechtlicher Hinsicht nimmt die Tätigkeit der Inkasso-Unternehmen in Deutschland eine Art Zwitterstellung ein: Während ein Rechtsanwalt in erster Linie ein Organ der Rechtspflege ist und zu den freien Berufen zählt, sind Inkasso-Unternehmen kaufmännisch geführte Gewerbebetriebe, deren typische Tätigkeit eine spezielle Form der Rechtsbesorgung darstellt. 27 In den Anfangen war die Inkassotätigkeit ohne besondere Voraussetzungen möglich und unterlag den Vorschriften der Gewerbeordnung. Das änderte sich durch das Inkrafttreten des Rechtsberatungsgesetzes vom 13. Dezember 1935, das die geschäftsmäßige Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen der Rechtsbesorgung zurechnet. Seither regeln 22 Diese Summe umfaßt sowohl neue, gerichtlich noch nicht festgestellte Forderungen, als auch bereits titulierte Forderungen. Vgl. o.V. (1992c). 23 Vgl. Ühle (1985), S. 10. 24 Vgl. o.V. (1992c). 2S Vgl. Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (1989a), S. 5, David (1989), S. 28 f., ühle (1985), S. 7 f. 26 Vgl. Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (1989b), S. 1 f. und (1993), S. 1 f. 27 Vgl. Rennen/Caliebe (1992), S. 251.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

17

die Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes sowie die hierzu ergangenen Ausführungsverordnungen die Tätigkeit der Inkasso-Unternehmen. Gleichzeitig werden sie aber weiterhin als Gewerbebetriebe geführt und müssen auch als solche angemeldet werden. 28 Für das geschäftsmäßige Forderungsinkasso ist nach dem Rechtsberatungsgesetz eine besondere Inkassoerlaubnis notwendig. Diese wird vom jeweiligen Präsidenten des Land- oder Amtsgerichts erteilt, von dessen Zuständigkeitsbereich aus die Inkassotätigkeit ausgeübt werden soll. Der Umfang der Erlaubnis beschränkt sich auf die außergerichtliche Einziehung von Forderungen. 29 Die Tätigkeit eines Inkasso-Unternehmens kann sich aufgrund dieser Erlaubnis auf folgende Bereiche erstrecken: 30 - Einzug noch nicht aus geklagter , vom Schuldner unbestrittener Forderungen;31 - Vermittlung von Rechtsanwälten oder -beiständen für die Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zwecks Titulierung der Forderung;32 - Einzug gerichtlich festgestellter Forderungen, einschließlich der Einschaltung von Rechtsanwälten mit der Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen; - Überwachung vorübergehend uneinbringlicher Forderungen. Neben den genannten Bereichen der eigentlichen Inkassotätigkeit bieten einige Inkasso-Unternehmen die Verwaltung von Debitorenbeständen im Sinne einer Zahlungseingangsüberwachung oder auch den Ankauf von Forderungen an. 33 Der Arbeitsablauf in den Inkasso-Unternehmen läßt sich anband der verschiedenen Tätigkeitsfelder in vier Bearbeitungsphasen aufteilen, die jeweils durch spezifische Tätigkeiten gekennzeichnet sind. 28 Vgl. BenninghauslMosiek (1985), S. 227, 257, Windolph (1976), S.51. 29 Vgl. Art.1 §1 RBerG sowie 1. AVO RBerG; ausführlich hierzu BenninghausIMosiek (1985), S. 232 ff. und Behr (1990).

30 Vgl. Ohle (1985), S. 2. 31 Eine Forderung gilt als unbestritten, wenn der Schuldner ihr keine Ein-

wendungen oder Einreden entgegengesetzt hat, er also lediglich zahlungsunfähig oder -unwillig ist (vgl. David (1992), S. 40). 32 Zur Berechtigung eines Inkasso-Unternehmens, Rechtsanwälte zu beauftragen bzw. zu vermitteln vgl. Bundesverwaltungsgericht (1991); vgl. hierzu auch ealiebe (1991), Wüllenweber (1991). 33 Vgl. David (1989), S. 11 f.

18

B. Theoretische ElWägungen zur Funktionsausgliederung

1. Phase

2. Phase

3. Phase

4. Phase

vargerichtliches Mahnverfahren

Titulierungsverfahren

nachgerichlliches Mahnverfahren (titul. Forderungen)

Überwachungsverfahren (lang fristig)

-

Adressermittlungen

-

Einschaltung von Anwalten

- Adressermittlungen

- Zahlungserinnerungen

-

Mohnansprachen (schrifllich, telefonisch, Aussendienst , Postnachn.)

-

anwaltliche Durchführung von Gerichtsverfahren

-

-

Adressüberprafungen bzw. -ermittlungen

-

-

Mohnansprachen

-

Prüfung der Vermogensverhaltnisse

-

Betreiben der ZwangsvolIstreckung

Abschluß und Überwachung von Ratenzahlungsvereinbarungen

-

Durchfahrung von Zwangsvollstreckungsverfahren

-

Klarungen (Bearbeitung von Reklamationen, ggfs. Rücksprache mit dem Glaublger)

- Prüfung von Realisierungsmoglichkeiten -

Mohnansprachen

- Arbeitgeberermittlungen

Abschluß und Überwachung von Ratenzahlungsvereinbarungen

Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung on Ohle (1985), S. 24.

Abb. 2: Bearbeitungsphasen im Inkasso-Unternehmen

Anband dieses Bearbeitungsschemas wird noch einmal die Spezialisierung der Inkasso-Unternehmen auf den außergerichtlichen Bereich deutlich. Aus diesem Grunde betonen Vertreter der Inkassobranche, daß die Inkasso-Unternehmen keine Konkurrenz für die Rechtsanwälte darstellen, sondern vielmehr eine spezifische Aufgabenteilung zwischen Rechtsanwalt und Inkasso-Unternehmen stattfindet. 34 Für Kritiker ist die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens in vielen Fällen allerdings nur ein Zwischenstadium bis zur Übergabe der Forderung an einen Rechtsanwalt und wird von ihnen deshalb nicht als effiziente Lösung des Inkassoproblems angesehen. 35 34 Vgl. Windolph (1976), S. 48, ühle (1985), S. 13 35 Vgl. Goldstein (1984), S. 160 ff., Bass (1979), S. 120.

19

ll. Möglichkeiten der Ausgliederung

bb) Inkasso-Unternehmen im Interaktionsgejüge

Durch die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens mit der Forderungseinziehung, nimmt dieses eine Art Vermittle~sition zwischen ausgliederndem Unternehmen und Schuldner ein. 3 Eine Ausgliederung verändert damit das Verhältnis zwischen diesen beiden Parteien. Zusätzlich entstehen zwei neue Verbindungen, eine zwischen ausgliederndem Unternehmen und Inkasso-Unternehmen und eine weitere zwischen diesem und dem Schuldner.

(2)

(1)

Inkassoauftrag

Vertrag

Forderungseinziehung

(3) Quelle: eigene Erstellung

Abb. 3: Interaktionsgefüge

(1) Beziehung zwischen ausgliederndem Unternehmen und Schuldner Zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, d.h. dem ausgliedernden Unternehmen, besteht ein Schuldverhältnis, das sich im Nonnalfall durch ein Rechtsgeschäft begründet. 37 Ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis beruht auf einem Vertragsabschluß zwischen den Beteiligten. 38 Das Schuldverhältnis berechtigt den Gläubiger, eine bestimmte Leistung vom Schuldner zu fordern. 39

36 Vgl. Wallstab-Schneider (1991), S. 15, Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. (1987), S. 1. 37 Das Gegenstück hierzu sind gesetzliche Schuldverhältnisse. 38 Vgl. §305 BOB, Bähr (1984), S. 126. 39 Vgl. §241 BOB. 3 Stahrenborg

20

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Die Notwendigkeit zum Inkasso ergibt sich erst, wenn die Abwicklung des Schuldverhältnisses durch den Zahlungsverzug des Schuldners gestört ist. Das ist der Fall, wenn der Gläubiger seine vertraglich festgelegte Leistungspflicht erfüllt hat, der Schuldner jedoch nicht zum vereinbarten Fälligkeitstermin zahlt. Sofern der Schuldner die Nichtzahlung zu vertreten hat, mahnt der Gläubiger den fälligen Forderungsbetrag an und setzt den Schuldner hierdurch in Verzug. 40 Zahlt der Schuldnerdarauthin nicht, kann der Gläubiger ein InkassoUnternehmen mit der Forderungseinziehung beauftragen. Danach ist für das Verhältnis zwischen ausgliederndem Unternehmen und Schuldner zu unterscheiden, ob das Inkasso-Unternehmen aufgrund einer Inkassovollmacht tätig wird oder ihm die Forderung abgetreten wurde.

(2) Beziehung zwischen ausgliederndem Unternehmen und InkassoUnternehmen Zur Übertragung der Inkassofunktion auf ein Inkasso-Unternehmen erteilt das ausgliedernde Unternehmen diesem einen Inkassoauftrag. In rechtlicher Hinsicht ist dei' Inkassoauftrag ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB. In ihm werden Art und Umfang der Tätigkeiten des Inkasso-Unternehmens sowie dessen Vergütung geregelt.41 Aufgrund der Rechtsnatur des Auftrages schuldet das Inkasso-Unternehmen dem Auftraggeber jedoch keinen Erfolg, sondern lediglich die Besorgung des fremden Geschäftes, in diesem Fall die Bemühungen zum Einzug der Forderung. Diese Tätigkeit ist im Rahmen der wirtschaftlichen und persönlichen Interessen des ausgliedernden Unternehmens durchzuführen. 42 Im Zuge des Inkassoauftrages erteilt das ausgliedernde Unternehmen dem Inkasso-Unternehmen entweder eine Inkassovollmacht oder tritt diesem die Forderung durch eine Inkassozession ab. Im Falle der Vollmachtserteilung bleibt das ausgliedernde Unternehmen Gläubiger der Forderung, das Inkasso-Unternehmen handelt nicht im eigenen, sondern im Namen des Gläubigers. Das ursprüngliche Schuldverhältnis zwischen ausgliederndem Unternehmen und Schuldner wird nicht berührt, der Schuldner kann weiterhin mit schuldbefreiender Wirkung

:~ Vgl. §§284,285 BOB, Bähr (1984), S. 176 f. 42 Vgl. Windolph (1976), S. 58. Vgl. §§662 ff. BOB, Bähr (1984), S. 235.

21

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

direkt an den Gläubiger zahlen. 43 Allerdings verpflichtet sich das ausgliedernde Unternehmen bei Erteilung des Inkassoauftrages üblicherweise dazu, auf eigene Beitreibungsbemühungen zu verzichten. 44

I ausgliederndes

----------

I Unternehmen Vollmacht

I

Forderung

,r

,r

entgelt. Geschoftsbesorgungsvertrag

InkassoUnternehmen

, 1

--I

l ..

1-

schuldbefreiende Zahlung

Stellvertretung (Inkasso im fremden Namen)

Schuldner

1 1

Quelle: eigene Erstellung

Abb. 4: Verbindungen bei Inkassovollmacht

Durch eine Inkassozession wird das Inkasso-Unternehmen neuer Inhaber der Forderung und erwirbt damit alle Rechte des ausgliedernden Unternehmens gegenüber dem Schuldner. 45 Dies gilt allerdings nur im Außenverhältnis. Im Innenverhältnis hat das Inkasso-Unternehmen gegenüber dem Auftraggeber weiterhin nur die Rechte eines Beauftragten und ist zur Herausgabe des Inkassoerlöses an den ursprünglichen Gläubiger verpflichtet. Die Inkassozession hat damit fiduziarischen Charakter und dient lediglich der Legitimation des Inkasso-

43 Vgl. §§164 ff.l362 BGB, Seitz (1985), S. 52. Trotz der rechtlichen Möglichkeit zur schuldbefreienden Zahlung an den Gläubiger werden die Zahlungen normalerweise an das Inkasso-Unternehmen geleistet. 44 Vgl. Windolph (1976), S. 58. 45 Vgl. §398 BGB.

22

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausglicderung

Unternehmens zur Forderungseinziehung im eigenen Namen. 46 Durch die Abtretung der Forderung kann das ausgliedernde Unternehmen vom Schuldner keine Zahlung mehr verlangen. Entsprechend kann der Schuldner bei Kenntnis der Abtretung nur noch an das Inkasso-Unternehmen mit schuldbefreiender Wirkung zahlen, da im Außenverhältnis alle Rechte aus der Forderung auf dieses übergegangen sind. 47

I

OUSgliederndesl Unternehmen

r

I'nkassoUnternehmen

I Forderung

, I

I

Innenverholtnis

entgelt. Geschoftsbesorgungsvertrag

Forderungsabtretung

I I

Gloubiger (Inkasso im eigenen Namen)

Schuldner

----,

,, , ,

schuldbefreiende Zahlung

I I

: :

i

Aussenverholtnis

,, ,, ,, ,,

Quelle: eigene Erstellung

Abb. 5: Verbindungen bei Inkassozession

Im Gegensatz zur fallweisen Übergabe einzelner Forderungen an ein Inkasso-Unternehmen zielt die grundsätzliche Ausgliederung der Inkassofunktion auf eine ständige Zusammenarbeit zwischen ausgliederndem Unternehmen und Inkasso-Unternehmen ab. In diesem Fall wird üblicherweise ein individueller Vertrag mit entsprechenden Sonderkonditionen ausgehandelt, der die Rechte und Pflichten beider

46 Vgl. §667 BGB, Seitz (1985), S. 51 f., Gabler Wirtschaftslexikon (1988), Sp. 2551. 47 Vgl. Bähr (1984), S. 138 ff.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

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Parteien z.B. auf der Basis eines jährlich zu übertragenden Mindestforderungsvolumens regelt. 48 Neben den individuellen Vereinbarungen sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Inkasso-Unternehmens in der Regel Bestandteil des Vertrages. Zwar unterliegen sie der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes49 , ihr Inhalt ist aber sehr unterschiedlich abgefaßt. In einigen Fällen ist eine Interessenausgewogenheit nicht garantiert und einzelne Punkte können rechtliche Probleme aufwerfen. 50 Zumeist enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen folgende Regelungen: 51 - einen Hinweis darauf, daß nur Forderungen zum Einzug übernommen werden, die sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach voraussichtlich unstreitig sind; - die Berechtigung, einen Rechtsanwalt zu beauftragen oder einen solchen zu vermitteln, falls gerichtliche Schritte zur Durchsetzung der Forderung notwendig werden; - die Vergütungssätze sowie die Kostenregelungen im Falle des Mißerfolges (dieser Teil wird häufig durch Individualvereinbarungen ersetzt); - der zeitliche und praktische Abrechnungsmodus gegenüber dem Auftraggeber; - die Verpflichtung des Auftraggebers, während der Bearbeitung durch das Inkasso-Unternehmen nicht mit dem Schuldner in Kontakt zu treten; - Kündigungsmodalitäten; - Haftungsausschlüsse;52 - Gerichtsstandsvereinbarungen.

Vgl. David (1989), S. 47. 49 Vgl. §§9 ff. AGBG. 50 So sind z.B. Gerichtsstandsvereinbarungen mit Privatleuten sowie gegenüber dem BGB erschwerte KÜDdigungsmodalitäten im Regelfall unwirksam (vgl. David (1989), S. 55 f.) Zur kritischen Analyse von InkassoAGB vgl. Grafv. Westphalen (1989). 51 Vgl. MosieklEimer (1978), S. 6 f. 52 HaftungsausschlÜ8se der Verjährungskontrolle, die in vielen InkassoAGB enthalten sind, sind in der Regel unwirksam (vgl. David (1989), S.57). 48

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

(3) Beziehung zwischen Inkasso-Unternehmen und Schuldner Im Gegensatz zum ausgliedernden Unternehmen besteht zwischen In-

kasso-Unternehmen und Schuldner keine unmittelbare rechtliche Verbindung durch einen Vertragsabschluß. Dennoch ist das Inkasso-Unternehmen durch gesetzliche Vorschriften zur Forderungseinziehung berechtigt. 53 Dabei ist wieder zu unterscheiden, ob es aufgrund einer Inkassovollmacht oder einer Inkassozession tätig wird. In jedem Fall dient die erste Zahlungsaufforderung dem Inkasso-Unternehmen gleichzeitig als Legitimation gegenüber dem Schuldner. 54 Im Falle einer Inkassovollmacht handelt das Inkasso-Unternehmen als Stellvertreter des ausgliedernden Unternehmens und ist berechtigt, Willenserklärungen im Rahmen der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abzugeben. 55 In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Willenserklärung in der Weise auszulegen, daß eine Stellvertretung auch bei rechtsgeschäftlichen Handlungen wie der Mahnung oder Fristsetzung möglich ist. 56 Bei einer Inkassozession wird das Inkasso-Unternehmen neuer Eigentümer der Forderung und alleiniger Gläubiger des Anspruchs gegenüber dem Schuldner. Da die Abtretung ohne Mitwirkung des Schuldners erfolgt, bestehen allerdings verschiedene gesetzliche Regelungen zu dessen Schutz. Sie sollen vermeiden, daß dem Schuldner durch die Abtretung die Möglichkeit genommen wird, bestimmte Gegenrechte gegen die Forderung geltend zu machen. 57 Das Inkasso-Unternehmen verlangt vom Schuldner jedoch nicht nur den Ausgleich der zum Inkasso übertragenen Forderung, sondern auch die Erstattung der ihm durch seine Einziehungsbemühungen entstandenen Kosten. Wichtigste Anspruchsgrundlage hierfür ist §286 Abs.l BGB: Danach hat der Schuldner dem Gläubiger den durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen. Zwar legt der Gesetzgeber nicht explizit fest, was unter einem Verzugsschaden zu verstehen ist, aus §288 BGB geht aber hervor, daß neben einer bestimmten Verzinsung der Geldschuld auch die Geltendmachung eines weiteren Schadens nicht ausgeschlossen ist, wozu auch die Inkassokosten gerechnet wer-

53 54 55 56 57

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Windmüller (1963), S. 51. ühle (1985), S. 26. §164 BGB. Bähe (1984), S. 111. §§404-411 BGB, Bähe (1984), S. 138 ff.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

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den können. 58 Aus dem im Schadensersatzrecht verankerten Grundsatz der Totalreparation, der den Schadenersatzpflichtigen zur Wiederherstellung des Ursprungszustandes verpflichtet59 , kann die Geltendmachung der Inkassokosten ebenfalls abgeleitet werden. 60 Die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten durch den Schuldner ist ein kontrovers diskutiertes Thema, auf das im Verlauf der Untersuchung noch näher eingegangen wird. 61

bc) SpezkUe KostelUlSpekte Im Gegensatz zur Rechtsanwaltschaft besteht für die Inkasso-Unter-

nehmen keine Gebührenordnung. Trotz der rechtsbesorgenden Tätigkeit der Inkasso-Unternehmen gilt die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung für sie nicht. 62 Der Gesetzgeber schreibt aufgrund des kaufmännischen und gewerblichen Charakters keine verbindlichen Inkassogebühren vor, die Vergütungen werden frei ausgehandelt. 63 Die Konditionen der am Markt tätigen Inkasso-Unternehmen sind deshalb äußerst unterschiedlich. 64 Zwar differiert auch die formale Gestaltung der Inkassovergütungen, es können aber folgende verkehrsübliche Kostenkategorien unterschieden werden: - Bearbeitungskosten Hierunter fallen die Kosten für vorbereitende Tätigkeiten wie die Einrichtung der Mahnakte und eine erste allgemeine Sachbearbeitung sowie andere, nicht näher zuzuordnende Aufwendungen für die Bearbeitung des Falles. - Mahnkosten Sie werden für die außergerichtliche Mahntätigkeit des InkassoUnternehmens erhoben.

58 Vgl. Windmüller (1963), s. 51 f. 59 Vgl. §249 Satz 1 BOB. 60 Vgl. Löwisch (1986), S. 1725. 61 Vgl. hierzu Kap. B.V. Zur ökonomischen Interpretation der rechtlichen Rahmenbedingungen vgl. S. 67 f. .. 62 Vgl. Art. IX KostAndO. 63 Vgl. Davi!i (1989), S. 69 f., ühle (1985), S. 33. 64 Für eine Ubersicht über die Vielfalt der verschiedenen Konditionen vgl. Capell (1989), S. 160 ff.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

- Sachführungskosten Sie sind für den buchhalterischen Aufwand zu entrichten, der sich besonders bei langfristigen Ratenzahlungsvereinbarungen auswirkt. - Auslagen Hierzu zählen Kosten für Telefonate, Schreibarbeiten und Kopien, Ermittlungs- und Auskunftskosten sowie Fremdkosten, die durch die Tätigkeit Dritter entstanden sind. 65 - Erfolgshonorar Bei diesem Kostenbestandteil handelt es sich um eine dem Leistungsanreiz dienende Erfolgsprämie für das Inkasso-Unternehmen, die im Gegensatz zu allen anderen Kosten grundsätzlich vom ausgliedernden Unternehmen zu tragen ist. 66 - Negativpauschale Kann die Forderung nicht vom Schuldner eingezogen werden, verlangen einige Inkasso-Unternehmen die Erstattung eines Pauschalbetrages vom ausgliedernden Unternehmen. 67 Für das ausgliedernde Unternehmen sind vor allem die Kategorien Erfolgshonorar und Negativpauschale von Bedeutung, weil diese grundsätzlich vom Auftraggeber zu tragen sind. Alle anderen Kostenkategorien stellt das Inkasso-Unternehmen dem Schuldner in Rechnung. 68 bd) Exkurs: Psychologische Aspekte der Schuldnerreaktionen

Psychologische Momente werden in der Inkassoliteratur nicht explizit behandelt. Die wenigen Aussagen beschränken sich zumeist auf das Argument des psychologischen Vorteils eines Inkasso-Unternehmens. 69 Eine nähere Begründung dieses Phänomens wird aber nicht geliefert. Vereinzelt und ohne weitere Erläuterungen wird auf die Bedeutung der Einstellung des Schuldners und einer entsprechenden Ausgestaltung der Maßnahmen für den Inkassoerfolg hingewiesen70, 65 Vgl. ühle (1985), S. 34 ff. 66 Vgl. David (1989), S. 74. 67 Vgl. Capell (1989), S. 160. 68 Vgl. Kap. B.II.2.bb) sowie zur Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten

Kap. B.V.

69 Vgl. Kap. B.II.2.b) (1). 70 Vgl. ühle (1985), S. 42 und (1991), Fetterman/Jordan (1976), S. 148.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

27

generell bleibt die Psychologie des Schuldners jedoch unberücksichtigt. Vor allem die Befunde zur Ratenzahlungsvereinbarung71 werfen die Frage auf, warum es nur so wenigen Schuldnern gelingt, auf diesem Wege die Forderung vorgerichtlich zu begleichen bzw. warum es für die Inkasso-Unternehmen so problematisch ist, die Schuldner zur Einhaltung der Vereinbarung zu motivieren. Unter der Annahme, daß die Masse der Schuldner nicht absolut zahlungsunfähig ist, sondern sich in einer mehr oder weniger angespannten finanziellen Situation befindet, kann eine psychologisch orientierte Betrachtung der Schuldnerreaktionen möglicherweise zur Beantwortung dieser Frage beitragen. Verschiedene Theorien der Sozialpsychologie können auf die Inkassoproblematik angewandt und zur (partiellen) Erklärung des beobachteten Sachverhaltes herangezogen werden. So läßt sich das Inkasso beispielsweise im Rahmen der Reaktanztheorie als Einengung der Aktionsfreiheit des Schuldners interpretieren, da es seinen finanziellen Spielraum einschränkt. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen würde dann einem verhaltensaktiven Reaktanzeffekt entsprechen, der einer Reduzierung der Einengung dienen soll.72 Eine andere Erklärung für Ratenzahlungsvereinbarungen könnte die Impression-Management-Theorie liefern: Der Schuldner will mit der Vereinbarung seine Zahlungswilligkeit demonstrieren, d.h. er verhält sich sozial erwünscht. Darüber hinaus versucht er auf diese Weise möglicherweise eine günstigere Verhandlungsposition zu erlangen, zumindest kann er mit einem Zeitaufschub rechnen. 73 Am umfassendsten scheint jedoch die Equity-Theorie den Sachverhalt abbilden zu können, da sie nicht nur auf ein einzelnes Individuum, sondern auch auf dessen Interaktionsbeziehungen bezieht. Sie soll deshalb aus der Vielzahl potentieller Erklärungsansätze herausgegriffen und ihr Erklärungspotential für das Inkasso näher untersucht werden.

1) Theoretischer A.nsatz Equity-theoretische Ansätze beschäftigen sich mit Gerechtigkeitsproblemen, die sich aus Ungleichgewichtszuständen interpersonaler 71

Vgl. Kap. C.IV.2.c).

72 Zur Reaktanztheorie vgl. Dickenberger/Gniech/Grabitz (1993) sowie die dort angegebene Literatur. 73 Zur Impression-Management-Theorie vgl. Mummendey/Bolten (1985) sowie die dort angegebene Literatur.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Austauschbeziehungen ergeben. 74 Prinzipiell läßt sich die EquityTheorie auf eine Vielzahl ökonomischer und sozialer Austauschbeziehungen anwenden75 : Gegenstand vieler Arbeiten ist die Untersuchung der Entlohnung in Arbeitsbeziehungen sowie die Analyse von Ausbeutungs-, Hilfe- und Freundschaftsbeziehungen76 , andere Untersuchungen beschäftigen sich z.B. mit der Austauschsituation zwischen Käufer und Verkäufer. 77 Vor diesem Hintergrund ist die Equity-Theorie auch für den Bereich Inkasso von Interesse, da einer Forderung grundsätzlich eine Transaktion zwischen Gläubiger und Schuldner zugrunde liegt. Vor der speziellen Anwendung auf das Inkasso, soll die Equity-Theorie jedoch zunächst in ihren Grundzügen dargestellt werden. Ausgangspunkt der Equity-Theorie sind die Arbeiten von Homans78 : Er nimmt an, daß menschliches Handeln sich antizipatorisch an seinen Konsequenzen orientiert, wobei das Ziel von interaktionen sowohl lohnende als auch faire Resultate sind. Die an der interaktion beteiligten Personen versprechen sich einen Gewinn und erwarten, daß die Aufteilung dieses Gewinns ihren subjektiven Vorstellungen von ausgleichender Gerechtigkeit entspricht.19 Diese Gerechtigkeit einer Austauschbeziehung definierte Homans zunächst als absolute Gewinngleichheit der Interaktionspartner. 80 Erst später reformulierte er Gerechtigkeit als Prinzip der relativen Ergebnisgleichheit: Die Interaktionspartner erwarten, daß sich Output und Input jeweils proportional zueinander verhalten: 81 (1.1)

Output A Input A

=

OutputB InputB

74 Vgl. MüllerlHassebrauck (1993), S. 217; vgl. hierzu auch Mikula (1980). 75 Vgl. Adams (1965), S. 276, WalsterlBerscheidIWalster (1973), S. 154 f. 76 Zu einer Übersicht vgl. Müller/Hassebrauck (1993), S. 227 ff. und Müller/Crott (1984), S. 225 ff. 77 Vgl. HuppertziArensoniEvans (1978), OliverlSwan (1989). 78 Vgl. Homans (1958) und (1961). 79 Vgl. Homans (1958), S. 598 ff., Müller/Crott (1984), S. 219. 80 Vgl. Homans (1958), S. 604. 81 Vgl. Homans (1961), S. 244. Zur Unterscheidung von absoluter und proportionaler Gleichheit vgl. AustinlHatfield (1980), S. 51 ff.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

29

Auf dieser ProportionalitätsdefInition basieren die meisten equitytheoretischen Ansätze.82 So auch der Ansatz von Adams, der sich insbesondere mit den individuellen Folgen einer wahrgenommenen Diskrepanz zwischen den beiden lnput-/Outputverhältnissen ("inequity") befaßt. Input und Output werden defIniert als die gewichtete Summe der jeweils individuell für den Einsatz oder das Ergebnis bedeutsamen Komponenten. Das sich daraus ergebende Austauschverhältnis wird von den Interaktionspartnem jeweils subjektiv als nachteilig oder vorteilhaft wahrgenommen. 83 Für die Erklärung der aus der individuellen Wahrnehmung resultierenden Effekte verbindet Adams das Austauschkonzept mit der Dissonanztheorie von Festinger .84 Er postuliert zunächst zwei Grundannahmen für die Konsequenzen von Inequity: 1. Die Wahrnehmung von Inequity (positiv und negativ) erzeugt kognitive Spannung, die sich proportional zur Höhe der wahrgenommenen Unausgewogenheit verhält. 2. Diese Spannung motiviert die Person, das Ungleichgewicht zu reduzieren. Die Stärke der Motivation ist dabei proportional zur erzeugten Spannung. Auf dieser Basis leitet Adams verschiedene Methoden zur Reduzierung der subjektiv wahrgenommenen Unausgewogenheit ab, die das Austauschverhältnis wieder ins Gleichgewicht bringen sollen: a) Verhaltensaktive Veränderung der eigenen Einsatzkomponenten. b) Verhaltensaktive Veränderung der eigenen Ergebniskomponenten. c) Kognitive Umbewertung der eigenen Input- und Outputkomponenten, um dadurch den Eindruck eines gerechten Austauschverhältnisses zu simulieren. d) Aufgabe der Austauschbeziehung e) Verhaltensaktive Einwirkung auf die Input-/Outputkomponenten des Interaktionspartners oder kognitive Umbewertung der Einsatz- und Ergebniskomponenten des Partners. f) Wechsel des Austauschpartners .85 82 Vgl. MüllerlHassebrauck (1993), S. 223. Auf die Problematik der Anwendung dieser Gleichung bei negativen Inputs wird hier nicht eingegangen, da sie für das zu untersuchende Problem nicht ausschlaggebend sind (vgl. hierzu z.B. WaisterlBerscheidl Walster (1973), S. 152). 83 Vgl. Adams (1965), S. 276 ff., AustinlHatfield (1980), S. 29. 84 Vgl. Festinger (1957). 85 Vgl. Adams (1963), S. 427 ff. und (1965), S. 283 ff.

30

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Zur Auswahl der jeweiligen Ausgleichsstrategie nimmt Adams an, daß verhaltensaktive Strategien insbesondere dann verwendet werden, wenn ein Gewinnmaximierungs- bzw. Aufwandsminimierungsstreben erfolgversprechend scheint. Eine Aufgabe der Interaktionsbeziehung oder ein Wechsel des Austauschpartners erfolgt erst, wenn das Individuum keine andere Möglichkeit zur Gleichgewichtsherstellung mehr sieht. Die Wahl kognitiver Strategien hängt dagegen davon ab, wie stark die einzelnen Austauschkomponenten im Selbstkonzept der betreffenden Person verankert sind. Kognitiv schwächer verankerte Komponenten, wie z.B. der In- oder Output des Interaktionspartners, werden tendenziell eher verändert als stärker verankerte Komponenten. 86 Das erklärt unter anderem, warum die Handlungsschwelle einer Person bei Bevorteilung meistens höher liegt als bei Benachteiligung, und bevorteilte Personen deshalb eher zu kognitiven als zu verhaltensaktiven Strategien neigen. 87 2) Anwendung auf das Inkasso

Beim Inkasso ergibt sich das Austauschverhältnis aus der Interaktion von Gläubiger und Schuldner, d.h. im Normalfall aus einer Kaufsituation. Interpretiert man diese als Input-/Outputrelation im Sinne der Equity-Theorie, kann das Austauschverhältnis zwischen dem Gläubiger (GL) und dem Schuldner (SN) defIniert werden als: (1.2)

Nutzen aus der Ware SN Preis SN

Preis GL WareGL

Dem Inkasso-Unternehmen kommt dabei die Rolle einer dritten Instanz zu, die das Verhältnis zwischen beiden Interaktionsparteien jedoch zu respektieren hat. 88 Da das Austauschverhältnis von beiden Austauschpartnern individuell wahrgenommen wird, kann es sowohl aus der Sicht des Gläubigers als auch aus der Sicht des Schuldners beurteilt werden. Zum Zeitpunkt des Kaufes ist davon auszugehen, daß beide Parteien das Austauschverhältnis als lohnend und fair beurteilt haben und jeweils ein subjektiver Gleichgewichtszustand vorlag. Andernfalls wäre vermutlich kein KauflVerkauf zustandegekommen. Ein Ungleichgewicht bzw. Inequity ervibt sich somit erst aus der Tatsache, daß der Schuldner den vereinbarten Input nicht leistet. 86 Vgl. Adams (1965), S. 295 f. 87 Vgl. Müller/Hassebrauck (1993), S. 224. 88 Vgl. Homans (1961), S. 244.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

31

Sicht des GllJubigers: Solange der Schuldner die Ware zwar schon besitzt, den Warenpreis aber nicht zahlt, ist das Austauschverhältnis für den Gläubiger nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv nachteilig. Unter der Annahme, daß der Gläubiger im Rahmen des vereinbarten Preises nach der Maximierung seines Outputs strebt, ist für ihn die sinnvollste Strategie zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes eine verhaltensaktive Intervention beim Schuldner. Dies ist durch eigene Mahnungen des Gläubigers, aber auch durch die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens möglich. Die Aufgabe der Austauschbeziehung kommt für ihn eventuell dann in Frage, wenn durch die Kosten der Intervention der Input den zu erwartenden Output übersteigen sollte. In diesem Fall würde ein Verlustminimierungsstreben überwiegen. Sicht des Schuldners: Zahlt der Schuldner den vereinbarten Preis nicht, ist anzunehmen, daß er die daraus entstehende Unausgewogenheit der Austauschrelation zu seinen Gunsten so lange wahrnimmt, bis das Gut ihm subjektiv keinen Nutzen mehr stiftet. Im folgenden soll der Fall betrachtet werden, daß der Schuldner grundsätzlich bereit ist, die Forderung zu bezahlen und er seine Ausgleichsstrategien auf der Basis des zu realisierenden Inputs auswählt. Bei konstantem Nutzen des Gutes für den Schuldner und unveränderter Wahrnehmung des zu zahlenden Preises dürfte sich die Wahrnehmung der Austauschrelation durch den Schuldner nicht verändern. Das setzt jedoch voraus, daß sich das gekaufte Gut nicht verbraucht und die Präferenzstruktur des Schuldners im Zeitablauf unverändert bleibt. Diese Annahmen erscheinen realitätsfremd. Es ist vielmehr zu vermuten, daß der mit einer Ware verbundene Nutzen im Zeitablauf mehr oder weniger stark abnimmt. Handelt es sich bei der gekauften Ware um ein langlebiges Gebrauchsgut, kann sich im Laufe der Zeit die Präferenzstruktur des Schuldners (z.B. durch Gewohnheitseffekte) zuungunsten dieses Gutes verändern. Das Gut stiftet ihm dann auch bei objektiv gleichbleibender Leistung weniger Nutzen. Darüber hinaus kann die tatsächliche Nutzenabgabe des Gutes sinken. Mögliche Gründe hierfür sind Z.B. zunehmende Verschleißerscheinungen, Reparaturanfälligkeit, mangelnder Bedienungskomfort oder schlechte Serviceleistungen. Bei kurzlebigen Verbrauchsgütern oder auch Dienstleistungen wird die Nutzenproblematik noch verstärkt, da sich die Verwendungsmöglichkeit der gekauften

32

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Ware auf einen oder einige wenige Einsätze beschränkt. 89 Unabhängig von der Art des Gutes verringert sich der zu zahlende Preis im Gegensatz zum Nutzen jedoch nicht. Er kann durch die Beitreibungsbemühungen, insbesondere bei Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens, sogar noch steigen. N/p

Nutzen (N)

Preis (p)

NO

P,

Po 1--"";':--I, N 2 ---------i----~--------------

: :, ,

: :,

1

:

,

'-----~,--'-'- - - - - - - L . - - - - - - - - 1. ~ .

Zeit (z)

Quelle: eigene Erstellung

Abb. 6: Austauschverhältnis aus der Sicht des Schuldners

Es wird angenommen, daß der Schuldner das Austauschverhältnis solange als lohnend und fair beurteilt, wie sein Nutzen aus der gekauften Ware mindestens dem zu zahlenden Preis entspricht. Ausgangspunkt ist die Situation zum Kaufzeitpunkt Zo. Bis zum Schnittpunkt der Kurven N und p wäre demnach die Zahlung des Kaufpreises für den Schuldner noch günstig und die effektivste Strategie zum Abbau wahrgenommener positiver Inequity. Entsprechend würde auch die Einschaltung eines Inkasso-Unternehmens zum ZeitpUnkt zl noch nicht zur Wahrnehmung von negativer Inequity durch den Schuldner führen. Nach dem Schnittpunkt der Kurven bedeutet die Zahlung für ihn jedoch die Realisierung eines Verlustes und damit auch die Realisierung negativer Inequity. Die Verschärfung der Beitreibungsbemühungen des Gläubigers, zum Beispiel durch die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens in ~ führt zu einer zusätzlichen Vergrößerung 89 Zur Unterscheidung von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern sowie Dienstleistungen vgl. z.B. Kotler/Bliemel (1992), S. 625.

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

33

der wahrgenommenen Unausgewogenheit, da sich hierdurch der zu zahlende Preis noch erhöht. Entsprechend der zweiten Grundannahme von Adams ist davon auszugehen, daß die Zahlungsunwilligkeit des Schuldners umso größer ist, je stärker er bei einer Zahlung der Forderung die Unausgewogenheit des Austauschverhältnisses zu seinen Ungunsten wahrnimmt. Will er seine vertragliche Zahlungsverpflichtung aufgrund der zu erwartenden Konsequenzen dennoch einhalten, muß er Ausgleichsstrategien anwenden, um durch die Zahlung keine negative Inequity zu realisieren. Im Falle des Inkassos können die verschiedenen Schuldnerreaktionen equity-theoretisch wie folgt interpretiert werden:

Vollzahlung :

Sie entspricht einer verhaltensaktiven, im Hinblick auf weitere Konsequenzen verlustminimierenden Einwirkung auf die eigene Einsatzkomponente.

Teilzahlung:

Diese Zahlungsvariante ermöglicht dem Schuldner eine verhaltensaktive zeitliche Aufteilung der eigenen Einsatzkomponente. Damit verbunden ist vermutlich eine kognitiv verzerrte Wahrnehmung der tatsächlichen Gesamthöhe des zu zahlenden Betrages. Gleichzeitig verteilt sich ein aufgrund der Zahlung zu leistender Konsumverzicht auf mehrere Zahlungsperioden.

Ratenvereinbarung :

Für den Fall, daß der Schuldner mit den Zahlungen beginnt, gelten die Erläuterungen zur Teilzahlung entsprechend. Darüber hinaus ist es möglich, daß die Ratenvereinbarung eine verstärkende Wirkung auf die kognitiv verzerrte Wahrnehmung des Gesamtbetrages ausübt, da die zu zahlenden, niedrigeren Einzelbeträge fest vereinbart sind. Zur Interpretation der Inkassofälle, in denen der Schuldner zwar Ratenzahlungen vereinbart hat, die Zahlungen jedoch nicht aufnimmt, tragen möglicherweise die Befunde einer Untersuchung von Rivera und Tedeschi bei: Danach verhalten sich Personen, die von einem Austauschverhältnis bevorteilt werden, öffentlich zwar in der Weise wie es die Gerechtigkeitsnorm verlangt, freuen sich jedoch insgeheim über ihre Bevorteilung. Hier erzeugt die positive Inequity keine kognitive Spannung. Die Vereinbarung von Ratenzahlungen ließe sich danach als öffentliche Verhaltensweise des Schuldners interpretieren, die ihm dazu dient sich dem Inkasso-Unternehmen gegenüber als equitabel darzustellen. Da die Bevorteilung durch die Nichtzahlung in ihm je-

34

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

doch keine Schuldgefühle erzeugt, verwendet er auch keine Zahlungen als Ausgleichsstrategie zur Reduzierung wahrgenommener Inequity. Er versucht so lange wie möglich von seinem nicht-equitablen Verhalten zu profitieren. Stundungsvereinbarungen, auf die keine Zahlung erfolgt, lassen sich entsprechend interpretieren. 90 Reklamation: Die Befunde der Untersuchung weisen darauf hin, daß Reklamationen dem Schuldner vielfach als Verzögerungstaktik dienen. In diesem Fall würde der Schuldner versuchen, seine eigene Einsatzkomponente in zeitlicher Sicht zu beeinflussen.

Es ist anzunehmen, daß der Schuldner die Wahl der Ausgleichsstrategie in Abhängigkeit von seiner aktuellen finanziellen Situation und seinen aktuellen Konsumwünschen trifft. Der Preis muß jedoch nicht die einzige relevante Inputkomponente für den Schuldner sein. Aus dem Zahlungsvorgang selbst können sich für ihn weitere Einsatzkomponenten in Form des Zahlungsaufwandes und einer Überwindung eventueller Hemmschwellen ergeben. Diese erhöhen den vom Schuldner zu leistenden Input und führen dazu, daß er das Austauschverhältnis früher und stärker für sich als ungünstig wahrnimmt. Der mit der Zahlung verbundene Aufwand kann aufgeteilt werden in kognitiven, physischen und materiellen Aufwand: Zum kognitiven Aufwand zählen die Überwachung der Zahlungstermine sowie die finanzielle Disposition der zur Verfügung stehenden Mittel. Physischer Aufwand entsteht durch den Gang zur Bank und das Ausfüllen eines Überweisungsträgers oder Dauerauftrages. Gerade hier können Hemmschwellen bestehen, überhaupt zur Bank zu gehen. Der materielle Aufwand besteht schließlich in der Zahlung selbst. Als Preis ist der materielle Aufwand bereits berücksichtigt worden. Es kann jedoch zusätzlicher Aufwand durch Opportunitätskosten der Zahlung entstehen. Dies könnte zum Beispiel entgangener Nutzen aus dem zu leistenden Konsumverzicht sein. Darüber hinaus besteht aufgrund des mit einer Zahlung verbundenen Aufwandes bei jeder Einzelzahlung die Gefahr, daß sie vergessen wird, aus Bequemlichkeit, aktuellen Zahlungsschwierigkeiten oder anderer Konsumwünsche nicht geleistet wird. Dies erklärt zumindest einen Teil der Abbruchquote bei Teilzahlungen. 90 Vgl. RiveralTedeschi (1976).

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

35

3) Implikationen /Ur die Inkassopraxis Die Betrachtung des Nutzens, den die noch nicht bezahlte Ware dem Schuldner stiftet, ist für das Inkasso neu. Je nach Art des Gutes verläuft die Nutzenkurve steiler oder flacher mit entsprechend starken oder weniger starken Auswirkungen auf die Wahrnehmung des Austauschverhältnisses durch den Schuldner. Statt nur aktiv auf die Inputkomponente des Schuldners, d.h. die Zahlung des Kaufpreises, hinzuwirken, könnte eine weitere Strategie für das Inkasso-Unternehmen bzw. den Gläubiger darin bestehen, auf die kognitive Wahrnehmung des Güternutzens durch den Schuldner einzuwirken. Das kann beispielsweise durch eine gezielte Ansprache des Schuldners in den Mahnungen auf das erworbene Produkt geschehen. Auch eine Differenzierung der Mahnaktivitäten nach verschiedenen Produktklassen wäre in diesem Zusammenhang denkbar. Eine solche Klassifizierung der Produkte könnte z.B. nach ihrer Lebensdauer, oder ähnlich der Einteilung von Konsumgütern nach den Kaufgewohnheiten der Konsumenten vorgenommen werden. 91 Die Berücksichtigung des mit der Zahlung verbundenen Aufwandes für den Schuldner ist dagegen für die Inkassopraxis grundsätzlich nicht neu. Ein neuer Aspekt dieser Problematik ergibt sich erst aus der Betrachtung des Zahlungsaufwandes als Inputkomponente einer equity-theoretischen Austauschrelation. Um die Wahrnehmung der Austauschrelation durch den Schuldner möglichst positiv zu beeinflussen, wäre eine Senkung des Aufwandes anzustreben. Direkt kann dies allerdings nur für den kognitiven und .physischen Aufwand geschehen, z.B. durch bereits ausgefüllte Uberweisungsträger. Der materielle Aufwand kann nur indirekt reduziert werden, wenn dem Schuldner die positiven finanziellen Konsequenzen einer möglichst raschen Vollzahlung verdeutlicht werden können. Für das ausgliedernde Unternehmen unterstreicht die equity-theoretische Betrachtung des Austauschverhältnisses vor allem die Bedeutung des Ausgliederungszeitpunktes: Je später mit einer intensiven Beitreibung der Forderung begonnen wird, desto größer ist die Gefahr, daß der Schuldner das Austauschverhältnis als unvorteilhaft wahrnimmt und die Forderung nicht sofort begleicht.

91

Einteilung nach Kaufgewohnheiten: convenience goods, shopping goods, specialty goods (vgl. Kotler/Bliemel (1992), S. 625 f.). 4 Stahrenberg

36

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

c) Zeitpunkt und Form der Ausgliederung

Zu den Alternativen der Ausgliederung zählen nicht nur die beiden grundsätzlichen Varianten der Beauftragung eines Rechtsanwaltes oder eines Inkasso-Unternehmens. Bei der Beauftragung eines InkassoUnternehmens bestehen darüber hinaus verschiedene Möglichkeiten bei der Wahl des Ausgliederungszeitpunktes sowie der Form der Ausgliederung.

INKASSOFUNKTION

I AUSGLIEDERUNG I I

im eigenen Unternehmen

incl. Titulierung und Überwachung

Rechtsanwalt

Quelle: eigene Erstellung

I

InkassoUnternehmen

fremdes InkassoUnternehmen

incl. Titulierung, ohne Überwachung

AUSGLIEDERUNG 11

Tochterunternehmen

nur für Mutteruntern. tötig

InkassoUnternehmen (auf nachger. Inkasso spez.)

auch für andere Untern. tötig

Abb. 7: Ausgliederungsvarianten

Wie aus Abbildung 7 hervorgeht, kann eine Ausgliederung der Inkassofunktion zu folgenden Zeitpunkten erfolgen: im vorgerichtlichen Stadium (Ausgliederung I) oder im nachgerichtlichen Stadium

11. Möglichkeiten der Ausgliederung

37

(Ausgliederung 11). Im ersten Fall werden die Forderungen nach der eigenen Mahntätigkeit an einen externen Partner übertragen, der ebenfalls noch vorgerichtlich tätig wird, bevor gegebenenfalls ein gerichtliches Mahnverfahren einzuleiten ist. Im zweiten Fall betreibt das ausgliedernde Unternehmen das vorgerichtliche Inkasso vollständig selbst. Bei Erfolglosigkeit der Bemühungen der Mahnabteilung beauftragt es die interne Rechtsabteilung mit der gerichtlichen Durchsetzung seiner Ansprüche bis zur Titulierung der Forderung. Nun besteht eine zweite Möglichkeit zur Ausgliederung: Will das ausgliedernde Unternehmen die nachgerichtliche Überwachung der Forderungen nicht selbst wahrnehmen, kann es ein Inkasso-Unternehmen beauftragen, das sich auf den Einzug bereits titulierter Forderungen spezialisiert hat. Diese Möglichkeit ergibt sich auch, wenn mit der gerichtlichen Durchsetzung der Forderung ein externer Rechtsanwalt beauftragt wurde. Bei der Ausgliederung der Inkassofunktion auf ein Inkasso-Unternehmen bestehen verschiedene Alternativen hinsichtlich der Ausgliederungsform: Die in der Praxis wohl am weitesten verbreitete Form ist die Zusammenarbeit mit einem Inkasso-Unternehmen, an dem das ausgliedernde Unternehmen in keiner Weise beteiligt ist. Das Gegenstück hierzu ist die Ausgliederung auf ein Tochterunternehmen. Diese Variante kann zusätzlich danach unterschieden werden, ob das Tochterunternehmen nur für die Muttergesellschaft tätig ist und damit ein besonders starkes Abhängigkeitsverhältnis besteht oder ob es auch Inkassomandate anderer Auftraggeber annimmt. 92 Zwischen den beiden Extrema der Fremd- und Tochterunternehmen liegen verschiedene Beteiligungs- und Kooperationsformen, die hier im einzelnen jedoch nicht näher betrachtet werden sollen, da sie für die Inkassopraxis nur von untergeordneter Bedeutung sind. 93 Berücksichtigt man darüber hinaus, daß die Ausgliederung sich nicht nur auf einen, sondern auch auf mehrere Marktpartner erstrecken kann94 , ergibt sich insgesamt eine Vielzahl potentieller Aus92 Vgl. Dietrich (1986), S. 35. Zur Zulässigkeit nach RBerG vgl. Rennen/Caliebe (1992), S. 159. 93 Zur Charakterisierung verschiedener Zwischenformen vgl. z.B. Baur (1990), S. 90 ff. 94 Gründe für die Beauftragung mehrerer Inkasso-Unternehmen können z.B. in Kapazitätsbeschränkungen der Unternehmen liegen oder auch in der Absicht des ausgliedernden Unternehmens, den Wettbewerbsdruck zwischen den Inkasso-Unternehmen gezielt zu erhöhen und damit seine Verhandlungsposition zu verbessern.

38

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

gliederungsvarianten, die für die externe Ausübung der Inkassofunktion in Betracht kommen. Während die Entscheidung über Selbstausübung oder Ausgliederung der Inkassofunktion zum Zeitpunkt I in der Regel grundsätzlichen Charakters ist, hat sie zum Zeitpunkt II nur eine ergänzende Funktion. Entsprechend liegt der Schwerpunkt des Angebotes der Inkasso-Unternehmen auf der Ubemahme noch nicht titulierter Forderungen. 95 Darüber hinaus besteht die Alternative des Rechtsanwaltsinkassos nur zu diesem Zeitpunkt. Die zeitliche Dimension wird sich deshalb im weiteren Verlauf der Arbeit auf den Ausgliederungszeitpunkt I beziehen.

95 Vgl. Kap. B.II.2.ba)

ID. Die Entscheidung über die Ausgliederung der Inkassofunktion Der Impuls für eine Entscheidung über die zukünftige Ausübung des Forderungsinkassos kann von unterschiedlichen Überlegungen ausgehen. So können beispielsweise eine Überprüfung der personellen und materiellen Voraussetzungen sowie des funktionsspezifischen KnowHows, Kapazitätsüberlegungen oder beschäftigungspolitische Erwägungen einen Anstoß hierfür geben. 1 Die Entscheidung kann sich dabei als Konsequenz unerwartet auftretender Engpässe, die kurzfristig zu überbrücken sind, darstellen, oder es soll eine grundsätzliche Entscheidung über die Ausübung der Inkassofunktion getroffen werden. Bei einer Grundsatzentscheidung hat die Problemlösung unternehmensstrategische Bedeutung mit einer entsprechenden Langzeitwirkung für die gesamte Unternehmung. 2 Nur dieser Fall soll im folgenden betrachtet werden. Zur hierarchischen Ebene, auf der eine strategische Make-or-BuyEntscheidung getroffen werden sollte, finden sich in der Literatur nur wenige Aussagen. Zumeist wird die Entscheidung der obersten Geschäftsleitungsebene zugeordnet. 3 Diese Einschätzung deckt sich mit den Befunden einer empirischen Untersuchung: In drei Viertel aller Fälle wurde die Entscheidung von der Geschäftsleitung getroffen. 4 Hat die Ausgliederungsentscheidung einen Einfluß auf bestehende Verantwortungs- und Machtbereiche, erschwert das unter Umständen eine unvoreingenommene Beurteilung des Problems durch die Beteiligten. 5 Aus Gründen der Objektivität empfiehlt sich es sich deshalb, die Vorbereitung der Entscheidung nicht ausschließlich der betroffenen Abteilung zu überlassen. Eine Möglichkeit ist die Bildung eines Make-or-Buy-Teams, das sich aus Vertretern nicht nur der direkt, sondern auch der indirekt betroffenen Abteilungen zusammensetzt. 6 Im hier betrachteten Fall können neben der Inkassoabteilung (oder einer anderen mit dem Inkasso beauftragten Abteilung) z.B. Vertreter 1 2 3

4 5 6

Vgl. Hess (1989), S. 3. Vgl. Scheuring (1983), S. 434. Vgl. ebenda, S. 436, Hartmann (1988), S. 463, JauchlWilson (1979), S.56. Vgl. Weilenmann (1984), S. 223. Vgl. Venkatesan (1993), S. 100. Vgl. Hartmann (1988), S. 463, Gambino (1980), S. 14 ff., Scheuring (1983), S. 436.

40

B. Theoretische EJWägungen zur Funktionsausgliederung

der Vertriebs- und Marketingabteilung, der Kreditabteilung oder des Rechnungswesens mit in die Entscheidungsvorbereitung einbezogen werden.

1. InkassospezUlSChe Besonderheiten Im Vergleich zu den produktionsorientierten Funktionsbereichen als klassischem Gegenstand der Fragestellung "Make or Buy?"7, bestehen für die Entscheidung im Hinblick auf die Inkassofunktion einige Besonderheiten. Es ist deshalb notwendig, diese der Analyse möglicher Entscheidungsgrundlagen voranzustellen. 1. Die Durchführung des Inkassos ist nicht Unternehmenszweck im engeren Sinne, sondern dient nur indirekt der Erreichung der Unternehmensziele. Tätigkeitsschwerpunkte eines Unternehmens sind die Produktion und der Absatz bestimmter Güter oder Dienstleistungen, nicht der Einzug der vom Kunden zu zahlenden Entgelte. 8 2. Das Inkasso konfrontiert ein Unternehmen mit negativen Aspekten seiner Absatztätigkeit, da der Umfang der überfälligen Aussenstände die erzielten Umsätze relativiert. In diesem Sinne wird das Kreditgeschäft als verkaufsfordernde Maßnahme geschätzt9 , die Inkassotätigkeit dagegen häufig als "notwendiges Übel" betrachtet. lO 3. Die Entscheidung über die Ausgliederung der Inkassofunktion ist keine "Entweder-oder "-Entscheidung. Das ausgliedernde Unternehmen muß in jedem Fall ein Minimum an Mahntätigkeit ausüben, weil es den Schuldner vor der Beauftragung eines externen Partners mit einer Mahnung in Verzug zu setzen hat. 11 Aus die-

7

Vgl. Gartmann (1989), S. 122, Schneider (1989), S. 153. Für Fallbeispiele vgl. z.B. Paulke (1979), Hahn/Streit (1971). 8 Vgl. ühle (1985), S. 12. 9 Vgl. Nieschlag/DichtllHörschgen (1991), S. 263, Bartels (1964), S. 60 f.; vgl. hierzu auch Ahlert (1972), S. 114 ff.l147 ff. 10 Vgl. ühle (1985), S. 12 und (1987), S. 11, Bhatia (1990), S. 52. 11 Vgl. Kap. B.II.2.bb).

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

41

sem Grunde wird auch bei einer positiven Ausgliederungsentscheidung kein Ausgliederungsgrad von 100% erreicht.1 2 Aus dem letzten Punkt ergibt sich, daß im Zuge einer Ausgliederungsentscheidung immer auch darüber zu entscheiden ist, in welchem Umfang die Mahntätigkeit im eigenen Unternehmen vor der Ausgliederung durchgeführt werden soll. Diese Fragestellung betrifft jedoch nicht die Make-or-Buy-Entscheidung an sich, sondern die Gestaltung der Mahn- und Inkassopolitik im ausgliedernden Unternehmen. 13 Die genannten Aspekte bergen die Gefahr, daß die Entscheidung im Hinblick auf die Inkassofunktion mit einer geringeren Intensität diskutiert wird als es für andere Funktionsbereiche möglicherweise der Fall ist. Die Analyse relevanter Kriterien für die Beurteilung der Ausübungsalternativen soll zu einer gezielten Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung beitragen.

2. Traditionelle Entscheidungsgrundlagen Die traditionelle Literatur zu Make-or-Buy-Entscheidungen basiert im wesentlichen auf der Durchführung von Kostenvergleichen. Die Ermittlung der Kosten erfolgt dabei in Abhängigkeit der Fristigkeit der Entscheidung und der Auslastung des betroffenen Bereiches. 14 Zur Vorgehensweise in der Praxis stellt Weilenmann ebenfalls fest, "daß in den Unternehmungen, wo überhaupt eine solche Berechnung für den Vergleich zwischen Kauf und Eigenfertigung gemacht wurde, fast ausschließlich Kostenüberlegungen gemacht wurden" .15 Für einen Grundsatzentscheid über die Ausübung der Inkassofunktion ist eine langfristige orientierte Analyse der Entscheidungsgrundlagen erforderlich. Im Gegensatz zur kurzfristigen Sicht ist deshalb nicht nur eine Variation' der Bearbeitungsintensität, sondern auch der vorhandenen

= Umfang der ausgegliederten Teilfunktionen einer Gesamtleistung (vgI. Selchert (1971), S. 85). 13 Zu dieser Thematik vgI. z.B. Cole (1988), S. 237 ff., Edwards (1981), S. 128 ff., Arbeitskreis Tacke (1981a), S. 694 f. 14 VgI. z.B. AndreaslReichle (1989), S. 62 ff, Hummel/Männel (1983), S. 116 ff., Männel (1983), S. 302 ff., Ramser (1979), S. 444 f., Kilger (1969), S. 78 ff. 15 Weilenmann (1984), S. 216 f. 12 Ausgliederungsgrad

42

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Kapazitäten über Investitionen bzw. Desinvestitionen möglich.1 6 Der Alternativenvergleich auf der Basis finanzieller Aspekte ist Gegenstand des ersten Unterabschnitts dieses Kapitels. Neben den quantifizierbaren Kriterien wird eine Vielzahl nichtfinanzieller Faktoren für die Entscheidungsfindung diskutiert, deren QuantiflZierung problematisch ist. Ihre Darstellung erfolgt im Anschluß an die Analyse der finanziellen Aspekte.

a) Finanzielle Aspekte 00) Statischer Kostenvergleich

Sofern keine wesentlichen finanzwirtschaftlichen Unterschiede zwischen der Selbstausübung und der Ausgliederung der Inkassofunktion bestehen, kann sich der Kostenvergleich dieser Alternativen auf eine einzige Vergleichsperiode beschränken. Dabei wird zunächst vorausgesetzt, daß beide Alternativen qualitativ gleichwertig sind. 17 Zur Durchführung des Kostenvergleichs werden die Kosten der internen Ausübung der Inkassofunktion ermittelt und den Kosten der Beauftragung eines externen Partners gegenübergestellt. Die Anwendung einer Voll kostenrechnung ist allerdings ungeeignet: Sie kann zu Fehldispositionen führen, weil sie, insbesondere hinsichtlich der internen Lösung, Kostenelemente (z.B. anteilige Gemeinkosten) enthält, die von der Entscheidung nicht beeinflußt werden. 18 Aus diesem Grunde sind nur entscheidungsrelevante Kosten in den Vergleich einzubeziehen, d.h. alle Kosten, die bei der Realisierung der jeweiligen Alternative zusätzlich entstehen, andernfalls aber nicht anfallen würden. 19 Es wird dabei ein entscheidungsorientierter Kostenbegriff zugrundegelegt, der sich nur auf solche Kosten bezieht, die während des Planungszeitraumes zu Auszahlungen führen. 20 16 Vgl. Männel (1981), S. 242 f. Zur kurzfristig orientierten Entscheidungsfindung vgl. z.B. Männel (1990). 17 Vgl. Männel (1981), S. 245. 18 Vgl. Männel (1983), S. 301, Kruschwitz (1971), S. 90 ff und (1974), S. 311 ff.. 19 Vgl. Hartmann (1988), S. 464, Männe} (1974b), Sp. 1233, Kruschwitz (1971), S. 90 ff. 20 Vgl. Riebei (1990), S. 81, 528 f.

111. Die Entscheidung über die Ausglicderung

43

Die Begrenzung des Vergleichs auf die entscheidungsrelevanten Kosten hat für die Beurteilung der Inkassofunktion eine besondere Bedeutung. Wie bereits oben erläutert, muß das mit der Ausgliederungsentscheidung befaßte Unternehmen in jedem Fall ein Mindestmaß an Mahntätigkeit ausüben. Aus diesem Grunde sind nicht alle Kosten, die eine interne Ausübung der Inkassofunktion verursacht, in den Kostenvergleich einzubeziehen. Vielmehr sind nur solche Kosten zu berücksichtigen, die sich aus der Differenz zwischen einer vollständig internen Inkassotätigkeit und dem festzulegenden Mindestumfang eigener Inkassoaktivitäten im Falle der Ausgliederung ergeben. Nur diese werden von der zu treffenden Entscheidung berührt. Die Kosten für eine ohnehin durchgeführte Bearbeitung entstehen dagegen unabhängig von der Ausgliederungsentscheidung. Vor der Ermittlung der entscheidungsrelevanten Kosten ist zunächst eine geeignete Vergleichsperiode festzulegen. Obwohl die langfristige Betrachtung von einer Veränderungsmöglichkeit der Betriebsbereitschaft ausgeht, ist zu berücksichtigen, daß diese nicht beliebig, sondern nur unter bestimmten Restriktionen verändert werden können. So können betriebliche Potentialfaktoren wie z.B. der Personalbestand nur sprunghaft variiert, d.h. jeweils nur um einen Mitarbeiter verändert werden. Dieser sogenannte Quantencharakter betrieblicher Potentiale besteht auch in zeitlicher Hinsicht. Beispielsweise muß das Unternehmen bei Anstellungs- oder Mietverträgen eine mehr oder weniger lange zeitliche Bindung eingehen. Veränderungen sind nur zu bestimmten Terminen und nur in bestimmten Fristen möglich. Zeitliche Bindungen sind gegebenenfalls auch bei der Kostenermittlung für die Ausgliederungsvariante zu berücksichtigen. Dies ist Z.B. der Fall, wenn das ausgliedernde Unternehmen eine Mitgliedschaft für einen festgelegten Zeitraum erwerben muß oder die abzuschließenden Verträge eine bestimmte Laufzeit haben. Aus diesen Gründen ist eine Abstimmung der Vergleichsperiode mit dem Dispositionsrahmen sowohl der internen als auch der externen Betriebsbereitschaft notwendig. 21 Entscheidungsrelevante Kosten für das innerbetriebliche Inkasso sind insbesondere die Kosten der Betriebsbereitschaft: - Personalkosten (Entgelte und Personalnebenkosten)22 - Materialkosten

21 Vgl. Männel (1969), S. 95 f. und (1981), S. 245 ff. 22 Zu einer detaillierten Gliederung der Personalkosten vgl. RKW (1978), S.25-27.

44

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

- Porto-, Telefon-, Kopierkosten etc. - Fremdkosten (z.B. für die Beauftragung von Auskunfteien) Der Anteil der Personalkosten wird dabei relativ groß sein, da Dienstleistungen sehr personalintensiv sind. 23 Kosten für Raummieten, Energieverbrauch, Versicherungsprämien, Leasingraten für EDVAnlagen, Kopierer etc. können nur berücksichtigt werden, sofern sie dem Inkassobereich eindeutig zuzuordnen sind, beispielsweise bei getrennter Unterbringung dieses Bereichs in einem anderen Gebäude. Die für das externe Inkasso entscheidungsrelevanten Kosten entstehen vor allem durch das für die Inanspruchnahme der Leistung zu zahlende Entgelt: - Transferkosten (z.B. Kosten für einen Datenträgeraustausch oder für Auftragsformulare, falls diese vom Auftraggeber berechnet werden24 , Porto- und Telefonkosten) - Mitgliedspauschalen25 - Bearbeitungskosten oder Rechtsanwaltshonorar , sofern nicht vom Schuldner erstattet - Erfolgsprämie (nur bei Inkasso-Unternehmen) Die beiden Kostenaufstellungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nicht immer sind alle genannten Kostenarten für die Ausgliederungsentscheidung relevant und im Einzelfall können sich weitere Kosten als entscheidungsrelevant erweisen. Mögliche Kostenvorteile der innerbetrieblichen gegenüber der externen Lösung ergeben sich vor allem aus drei Gründen: - Es sind keine Erfolgsprovisionen bzw. im Nichterfolgsfall Negativpauschalen zu zahlen. - Es entstehen keine Transferkosten. - Die Kosten, die einem externen Anbieter für die Kundenakquisition entstehen, fallen beim innerbetrieblichen Inkasso nicht an. 26

23 Vgl. Everling (1965), S. 1493. 24 Es gibt einige Inkasso-Unternehmen, die dem Kunden für jedes zur Verfügung gestellte Formular zwischen 5 DM und 25 DM in Rechnung stellen (vgl. Capell (1989), S. 160). 25 Vgl. ebenda, S. 160. Mitgliedspauschalen sind bei der Beauftragung bestimmter Inkasso-Unternehmen zu entrichten, die einem der überregionalen Kreditschutzvereine angehören. 26 Vgl. Porter (1992), S. 380, Everling (1965), S. 1490.

ill. Die Entscheidung über die Ausgliederung

45

Die Gründe für mögliche Kostenvorteile der externen Ausübung der Inkassofunktion sind zwar zahlreicher, müssen aber nicht immer relevant sein: - Ein großer Teil der Fixkosten des ausgliedernden Unternehmens kann auf den externen Partner übertragen und damit in variable Kosten umgewandelt werden. 27 - Der externe Partner kann "economies of scale", d.h. Kostendegressionen aufgrund der großen Anzahl der von ihm bearbeiteten Inkassomandate ausnutzen und gibt diesen Vorteil an seine Kunden weiter. - Das gleiche gilt für "economies of scope". Sie entstehen, wenn die gemeinsame Produktion von zwei oder mehreren Produkten kostengünstiger erfolgen kann, als deren getrennte Produktion. 28 Für ein Inkasso-Unternehmen besteht dieser Kostenvorteil unter Umständen, wenn es sowohl das Inkasso von Forderungen als auch eine Auskunftei betreibt. 29 - Für die externen Anbieter des Forderungsinkassos bestehen keine Tarifverträge. Sie können daher gegebenenfalls Arbeitskräfte zu niedrigeren Gehältern oder auch Teilzeitkräfte beschäftigen und so Lohnkostenvorteile realisieren. 30 - Die Kosten des externen Forderungsinkassos sind im Rahmen der Erstattung des Verzugsschadens vom Schuldner zu bezahlen, die Kosten einer internen Forderungseinziehung dagegen nicht. 31 Ein statischer Kostenvergleich zwischen den Alternativen ist jedoch nicht mehr ausreichend, wenn davon auszugehen ist, daß zwischen interner und externer Ausübung der Inkassofunktion finanzwirtschaft27 Vgl. Bergner (1967), S. 142 ff. 28 Zu den Begriffen "economies of scale" und "economies of scope" vgl. z.B. Windsperger (1983), S. 891 ff. 29 Auch innerhalb einer Rechtsanwaltskanzlei sind solche Kosteneffekte

denkbar. Sie können aufgrund der Gebührenordnung allerdings nicht an den Auftraggeber weitergegeben werden. 30 Vgl. Dichtl (1991), S. 55. Nach Aussage des Geschäftsführers des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V. ist dieser Vorteil allerdings von untergeordneter Bedeutung, da kaum geeignete Kräfte auf dem Arbeitsmarkt zu fmden seien und deshalb entsprechend hohe Gehälter gezahlt werden müßten. 31 Die Kosten üblicher Eigenbemühungen des Gläubigers sind allerdings vom Gläubiger zu tragen. Dabei bestimmt nicht der Gläubiger, sondern die Verkehrsauffassung, was als üblich gilt (vgl. hierzu Löwisch (1986), S. 1726. In keinem Fall erstattungsfähig sind die Kosten der verzugsbegründenden Mahnung (vgl. Rogalla (1983), S. 24, PalandtlHeinrichs (1993), S. 357 f.)

46

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

liche Unterschiede bestehen. In diesem Fall ist eine mehrperiodige Betrachtungsweise erforderlich. 32

ab)

Mehrperiodenvergleich

Eine Grundsatzentscheidung über die zukünftige Ausübung der Inkassofunktion wird oftmals mit internen Kapazitätsveränderungen einhergehen und so mit Entscheidungen über mehr oder weniger große Investitionen oder Desinvestitionen verbunden sein, deren finanzwirt schaftliche Konsequenzen sich über mehr als nur eine Vergleichsperiode erstrecken. Während Desinvestitionen bei der Realisierung einer Ausgliederungsvariante zum Tragen kommen können, sind Investitionen unter Umständen zu berücksichtigen, wenn die Entscheidung aufgrund einer Zunahme des Inkassovolumens bei Auslastung der vorhandenen Kapazitäten zu treffen ist und eine Fortsetzung der internen Inkassotätigkeit nur bei einer Kapazitätserweiterung möglich ist. 33 Die Notwendigkeit zur Erfassung finanzwirtschaftlicher Unterschiede der Inkassoalternativen ergibt sich vor allem aus zwei Gründen. Als erstes ist die Unvollkommenheit einer ausschließlich erfolgsorientierten Betrachtungsweise zu nennen. Sie vernachlässigt Informationen über mögliche liquiditätsmäßige Nachteile der Alternativen und die damit verbundenen Gefahren für das Unternehmen; Liquiditätsüberschüsse werden nicht erkannt und können deshalb nicht gezielt für eine rentable Anlagemöglichkeit genutzt werden; Zins- und Finanzierungskosten bleiben unberücksichtigt. Darüber hinaus kann durch die Ermittlung der finanzwirtschaftlichen Unterschiede die Erfiillbarkeit der finanziellen Voraussetzungen der in Betracht gezogenen Alternativen überprüft werden. Eine Erweiterung der internen Kapazitäten ist möglicherweise mit erheblichen finanziellen Mehrbelastungen für das Unternehmen verbunden. Aber auch im umgekehrten Fall können z.B. Abfindungszahlungen für zu entlassende Arbeitnehmer oder eine Vernichtung anderweitig nicht nutzbarer Materialbestände Konsequenzen für die finanzielle Gesamtsituation des Unternehmens haben. Die

32 33

Vgl. Männel (1981), S. 269, Coenenberg (1967), S. 273 ff. Vgl. Coenenberg (1967), S. 272 f., 278. Eine exogene Zunahme des Inkassovolumens hat sich beispielsweise in vielen Unternehmen, insbesondere im Versandhandelsbereich, als Konsequenz der Vergrößerung des Absatzmarktes durch die neuen Bundesländer ergeben (lt. Aussage von Vertretern verschiedener Inkasso-Unternehmen).

m. Die Entscheidung über die Ausgliederung

47

Überprüfung zeigt gleichzeitig, ob diese Auswirkungen eine Wahl zwischen den Alternativen überhaupt zulassen. 34 Analog zum entscheidungsorientierten Kostenbegriff, der bereits beim statischen Kostenvergleich eingeführt wurde, werden in der dynamischen Wirtschaftlichkeitsrechnung nur entscheidungsrelevante Zahlungsvorgänge erfaßt. 35 Der statische Kostenvergleich wird dabei um die möglichst genaue Erfassung der aus den finanzwirtschaftlichen Unterschieden der Alternativen resultierenden Zahlungen in den einzelnen Perioden des Planungszeitraumes erweitert. Sie werden für die einzelnen Inkassovarianten in Teilfinanzplänen festgehalten, die jeweils über die Höhe und die zeitliche Verteilung des Bedarfes an finanziellen Mitteln informieren. 36 Die Teilfinanzpläne dienen als Basis für die Durchführung von Investitionsrechnungen, die die Beziehungen zwischen Kosten und Auszahlungen sowie deren zeitliche Verteilung entsprechend berücksichtigen. 37 Auf die verschiedenen Möglichkeiten zur Durchführung einer Investitionsrechnung wird nicht im einzelnen eingegangen, da dies über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen würde. 38 Vielmehr sollen die grundSätzlichen finanzwirtschaftlichen Ansatzpunkte aufgezeigt werden, die für eine Make-or-BuyEntscheidung von Bedeutung sein können. Entscheidungsrelevante Zahlungen aufgrund von internen Kapazitätsveränderungen können sich in drei Bereichen ergeben: in der Material-, der Anlagen- und der Personalwirtschaft. 39 Im folgenden werden die wichtigsten Aspekte jedes Bereiches kurz dargestellt:

34 Vgl. Kremeyer (1982), S. 74 ff. 35 Zur Orientierung mehrperiodiger Rechnungen an Zahlungsgrößen vgl. Küpper (1985), S. 28 f., Rehlrugler (1993), Sp. 2323 f., Kremeyer (1982), S. 100 ff., Männel (1981), S. 245. Um die Zahlungsorientierung der Vergleichsrechnung zu verdeutlichen, wird im folgenden das Begriffspaar •Auszahlungen und Einzahlungen· im Sinne eines effektiven Abflusses bzw. Zuflusses an liquiden Mitteln verwendet. (vgl. Kremeyer (1982), S. 43 f.). 36 Ein partieller oder auch Teilfinanzplan liegt vor, wenn sich die erfassten Zahlungen nur auf bestimmte Untemehmensbereiche oder Vorhaben beschränken (vgl. Kremeyer (1982), S. 55). 37 Vgl. Coenenberg (1967), S. 273 ff., Männel (1969), S. 96, Kremeyer (1982), S. 92. 38 Zu diesem Themenkreis liegt eine umfangreiche Spezialliteratur vor: vgl. z.B. Schneider (1992), BlohmlLüder (1991), Kruschwitz (1990). 39 Vgl. Kremeyer (1982), S. 110 ff.

48

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

(1) Materialwirtschajt

Im Gegensatz zu Make-or-Buy-Entscheidungen aus dem Produktionsbereich spielt die Materialwirtschaft für das Forderungsinkasso eine vergleichsweise geringe Rolle, da keine spezifischen Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe benötigt werden. Der Materialverbrauch beschränkt sich auf allgemeines Büromaterial, sofern keine speziellen Vordrucke oder Überweisungsträger für die Mahnungen verwendet werden. .

KapazitlJtserweiterung:

Relevante finanzwirtschaftliche Konsequenzen ergeben sich beispielsweise, wenn durch die Erhöhung der Bestellmenge Mengenrabatte realisiert werden können. Gleichzeitig bedeutet das Vorhalten größerer Lagerbestände des Materials für den Teilfinanzplan hohe Anfangsauszahlungen mit einer entsprechenden Kapitalbindung während des geplanten Bezugszeitraumes. Fallen für die Bereitstellung und Unterhaltung der Lagerräume zusätzliche Auszahlungen an, sind auch diese zu berücksichtigen. 4o Die anfallenden Auszahlungen für die Anschaffung von Material während des Planungszeitraumes werden zu den potentiellen Zahlungsterminen im Teilfinanzplan der Eigenfertigung festgehalten.

KapazitlJtsabbau:

In diesem Fall ergeben sich finanzwirtschaftliche Konsequenzen, falls das Material aus einem zum Ausgliederungszeitpunkt noch vorhandenen Lagerbestand nicht oder nur teilweise in anderen Bereichen des Unternehmens verbraucht werden kann und deshalb vernichtet werden muß.41 In der Vergleichsrechnung werden die Kosten hierfür als einmalige Auszahlung im Teilfinanzplan der Ausgliederungsvariante erfaßt. 42 (2) Anlagenwirtschajt

Für die Ausübung der Inkassofunktion sind insbesondere drei Arten von Aniagen43 relevant: Gebäude bzw. Gebäudeteile zur Unterbrin40

Vgl. Kremeyer (1982), S. 189 ff.

41 Dies kann z.B. bei der Verwendung bereits vorgedruckter Mahnschreiben der Fall sein, die bei einer Ausgliederung der Inkassofunktion aufgrund ihres Textes auch für die verzugsbegründende Mahnung nicht mehr zu verwenden sind. 42 Vgl. Kremeyer (1982), S. 175. 43 Zu den Begriffen "Anlage" und "Anlagenwirtschaft" vgl. Männel (1974a), Sp. 139 ff.

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

49

gung der mit dem Inkasso beauftragten Stelle, EDV-Anlagen einschließlich einer entsprechenden Software sowie die sonstige technische Ausstattung zur Inkassobearbeitung. Es wird angenommen, daß diese Anlagen nur für die Ausübung der Inkassofunktion genutzt werden, um die Ausgliederungsentscheidung eindeutig von anderen Unternehmensbereichen abzugrenzen.

KapazitlJtserweiterung:

Besteht die Notwendigkeit zu Erweiterungsmaßnahmen, ist im Hinblick auf die zu erfassenden Zahlungsvorgänge zu unterscheiden, ob bereits vorhandene Anlagen für die Erweiterung genutzt werden können, oder ob zusätzliche Anlagen bereitzustellen sind. Die Nutzung vorhandener, frei zur Verfügung stehender Räumlichkeiten, ist für die Vergleichsrechnung bedeutungslos. Davon wird jedoch in den seltensten Fällen auszugehen sein. Sind die betreffenden Räume dagegen anderweitig vermietet und würden die Mieteinnahmen in Folge der Erweiterungsmaßnahmen in Zukunft wegfallen, sind die entgehenden Erträge als Opportunitätskosten periodengerecht im Teilfinanzplan der internen Lösung einzusetzen. 44 Da normalerweise jedes Unternehmen bereits vor Entstehen der Ausgliederungsproblematik eine Mahntätigkeit ausübt, ist anzunehmen, daß in vielen Fällen bereits vorhandene EDV-Anlagen und sonstige technische Ausstattungen für eine Kapazitätserweiterung genutzt werden können. Die Beschaffungskosten der betreffenden Anlagen und die daraus resultierenden früheren und zukünftigen Auszahlungen sind für die zu erstellende Vergleichsrechnung nicht relevant. Dies gilt allerdings nur, sofern keine speziellen Veränderungen, z.B. eine Weiterentwicklung der bisher verwendeten Software, notwendig werden, die zusätzliche, zu berücksichtigende Auszahlungen verursachen. Im Zusammenhang mit einer Erhöhung der Betriebsbereitschaft können Auswirkungen für den Teilfinanzplan der internen Lösung durch eine erhöhte Nutzungsintensität entstehen. Verringert sich durch eine verstärkte Nutzung der Anlagen deren Lebensdauer oder verkürzt sich der Abstand zwischen den Wartungsterminen, sind die Wiederbeschaffungsauszahlungen bzw. die Auszahlungen für die Instandhaltung zu den veränderten Terminen zu erfassen. 4! Stehen dagegen keine vorhandenen Anlagen für eine Kapazitätserweiterung zur Verfügung, müssen zusätzliche Anlagen durch Kauf, 44 Vgl. Kremeyer (1982), S. 140. 45 Vgl. Kremeyer (1982), S. 142 ff.

SO

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Miete oder Leasing bereitgestellt werden. Mietzahlungen gehen in den partiellen Finanzplan zu den jeweiligen Zahlungsterminen ein, unabhängig davon, ob sie für Räumlichkeiten oder andere Anlagen anfallen. Sie sind insofern unproblematisch in ihrer finanzwirtschaftlichen Behandlung. Die Alternative des Leasing besteht sowohl für EDV-Anlagen und Software als auch für die sonstige technische Ausstattung. Durch den Abschluß eines Leasingvertrages mit Kaufoption hat das Unternehmen die Möglichkeit, einen geplanten, aber aus Liquiditäts- oder anderen Gründen zur Zeit nicht durchführbaren Kauf auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. In diesem Fall werden im Teilfinanzplan während der Grundmietzeit die Auszahlungen für die Leasingraten und zum Kaufzeitpunkt die Anschaffungsauszahlung erfaßt. Entsprechend sind bei einem Vertrag mit Verlängerungsoption nur die Leasingraten anzusetzen. Hinzu kommen bei beiden Vertragsvarianten alle Zahlungen, die der Leasingnehmer bereitswährend der Mietzeit für Transport und Montage sowie für den laufenden Betrieb und die Instandhaltung der jeweiligen Anlage zu leisten hat. Weitere entscheidungsrelevante Auszahlungen entstehen, falls sich aufgrund einer Zurechnung der Anlage zum Leasingnehmer die zu zahlenden Steuerbeträge insgesamt erhöhen. 46 Der Kauf von Anlagen kommt für alle Anlagenarten in Frage. Die wesentlichen zu berücksichtigenden Zahlungen ergeben sich aus dem Kaufvertrag und dem gegebenenfalls zur Finanzierung abgeschlossenen Kreditvertrag: die Anschaffungszahlung bzw. die Zins- und Tilgungszahlungen für den Kredit. Die Informationen über Höhe und Zeitpunkte der Auszahlungen sind deshalb im Vergleich zu anderen Zahlungen, wie z.B. den Wartungskosten, über einen langen Zeitraum genau bekannt. Wie beim Anlagenleasing sind zusätzlich alle Auszahlungen für Transport, Montage und Instandhaltung, zu ihren voraussichtlichen Fälligkeitsterminen im Teilfinanzplan zu erfassen. Die beim Erwerb von Haus- und Grundstücks- bzw. Wohnungseigentum anfallenden Beurkundungsgebühren, Grund- und Grunderwerbssteuern47 , Versicherungsprämien etc. sind entsprechend zu behandeln. 48

46 Vgl. ebenda, S. 149 ff. Zur Zurechnung von Leasingobjekten sowie deren handels- und steuerrecbtlieben Konsequenzen vgl. Ullrieb (1992), S. 78 ff. 47 Vgl. Geese (1972), S. 38 f., 62 ff. 48 Vgl. Kremeyer (1982), S. 155 f.

111. Die Entscheidung über die Ausgliederung

51

KapazitlJtsabbau:

Durch eine Ausgliederung der Inkassofunktion benötigt das Unternehmen bisher genutzte Räumlichkeiten, EDV-Anlagen und sonstige technische Ausstattungen gegebenenfalls nicht mehr im gleichen Maße wie vorher oder kann ganz darauf verzichten. Im letztgenannten Fall können die Anlagen entweder anderweitig vom Unternehmen genutzt oder, sofern es sich um Eigentum des Unternehmens handelt, vermietet oder veräußert werden. Hat die Funktionsausgliederung eine verringerte Nutzungsintensität der betreffenden Anlage zur Folge und verlängern sich dadurch deren Lebensdauer sowie die Wartungsintervalle, hat dies insofern finanzwirtschaftliche Konsequenzen, als sich die Zahlungstermine für Ersatzinvestitionen und Instandhaltungskosten verschieben. 49 Einsparungen, die sich aus diesem Zusammenhang ergeben, sind Opportunitätserlöse der externen Alternative. Eine Weiterverwendung der Anlagen in anderen Unternehmensbereichen kann zu Kosteneinsparungen führen, wenn dadurch beispielsweise die Anmietung für andere Anlagen entfällt. In diesem Fall entstehen ebenfalls Opportunitätserlöse der Ausgliederungsalternative. 50 Die Vermietung von Anlagen führt zu regelmäßigen Einzahlungen, deren Höhe und Zahlungstermine im Mietvertrag festgelegt sind. Sie werden im Teilfmanzplan der externen Alternative erfaßt. Im Falle der Veräußerung wird das in der jeweiligen Anlage gebundene Kapital freigesetzt. Der daraus resultierende Zufluß an liquiden Mitteln ist der Ausgliederungsvariante zuzurechnen. 51

(3) Personalwinschaft Diesem Bereich kommt, wie bereits erwähnt, gerade bei Dienstleistungen eine vergleichsweise große Bedeutung für die Ausgliederungsentscheidung zu.

Kapazitlltserweiterung:

Sofern für die interne Ausübung der Inkassofunktion eine Vermehrung des Stammpersonals notwendig ist, führen die geplanten Neueinstel49 Vgl. Selchert (1971), S. 202 f., 222 f.

50 Vgl. Kremeyer (1982), S. 192 f. 51 Vgl. ebenda, S. 204. f. Zu steuer- und bilanzpolitischen Wirkungen, die

sich aus verschiedenen Konstellationen von Restbuchwert und Verkaufserlös der Anlage ergeben vgl. ebenda, S. 205 ff. und Männel (1981), S. 284 ff.

5 Stahrenberg

52

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

lungen bereits in der Beschaffungsphase zu entscheidungsrelevanten Auszahlungen: Es entstehen Anwerbungskosten für Stelleninserate sowie Auswahl- und Einstellungskosten (z.B. Bewerbungsspesen) bzw. es ist ein Honorar für eine mit der Suche nach geeigneten Arbeitskräften beauftragten Personalberatung zu zahlen. Ab dem Zeitpunkt der Einstellung fallen Auszahlungen für das im Arbeitsvertrag vereinbarte Entgelt sowie für Personalnebenkosten an. Die zukünftigen Fälligkeitstermine für die meisten Entlohnungsbestandteile sind bekannt und deshalb problemlos erfaßbar. Unter Umständen sind darüber hinaus einmalige Zahlungen, z.B. für die Übernahme von Umzugskosten, zu berücksichtigen. Kosten für die Ausbildung neuer Mitarbeiter sind für die Aufstellung des Finanzplanes nur relevant, falls sie mit effektiven Auszahlungen verbunden sind. 52 Ein besonderer Aspekt von Neueinstellungen kann sich ergeben, wenn die Stellenbesetzungen nur über den Anreiz einer relativ hohen Dotierung realisiert werden können. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, daß aufgrund einer Signalwirkung dieser Konditionen das gesamte Entlohnungsniveau im Inkassobereich steigt. Soweit die so entstandenen zusätzlichen Auszahlungen überhaupt erfaßbar sind, wären sie grundsätzlich ebenfalls im Finanzplan anzusetzen. 53

Kapazitl1tsabbau: Eine Realisierung der externen Ausübung der Inkassofunktion kann mit einer Entscheidung für den Abbau der internen Personalkapazitäten verbunden sein. Hierfür kommen sowohl direkte als auch indirekte Vorgehensweisen in Betracht. Zu den direkten Möglichkeiten des Personalabbaus zählen insbesondere Frühpensionierungen und Entlassungen von Mitarbeitern. 54 Beide können zu entscheidungsrelevanten Auszahlungen führen. Beispielsweise entstehen durch die Vereinbarung von Abfindungszahlungen kurzfristig fällige Auszahlungen, die im Teilfinanzplan der Ausgliederungsvariante zu berücksichtigen sind. Ebenso werden Zahlungen behandelt, die aufgrund eines Sozialplans zu leisten sind. 55 Durch eine vorzeitige Pensionierung von Mitarbeitern entstehen, in Abhängigkeit von der Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung, lau52 Vgl. Kremeyer (1982), S. 163 ff. Zu den einzelnen Kosten der Personaleinstellung vgl. Kolb (1992), Sp. 1674. 53 Vgl. Everling (1965), S. 1493, Kremeyer (1982), S. 163 f. 54 Vgl. Wagner (1992), Sp. 1549. 55 Zu Bedingungen und Konzeption eines Sozialplans vgl. Drumm (1989), S. 177 ff.

1II. Die Entscheidung über die Ausgliederung

53

fende Pensionszahlungen früher als geplant. Im externen Finanzplan werden diese Opportunitätskosten bis zum ursprünglich für die Zahlung der Altersrente angesetzten Zeitpunkt erfasst. Von diesem Zeitpunkt an sind die Pensionszahlungen nicht mehr entscheidungsrelevant, da sie in jedem Fall, d.h. unabhängig von der Ausgliederungsentscheidung, angefallen wären. 56 Indirekte Maßnahmen zum Personalabbau im Inkassobereich sind im wesentlichen die Ausnutzung der normalen Fluktuation durch den Verzicht auf Neueinstellungen, die Nichtverlängerung von Zeitverträgen sowie Versetzun~.en innerhalb des Unternehmens. 57 Eine weitere Möglichkeit ist die Ubemahme der bestehenden Arbeitsverhältnisse durch den mit der Ausübung der Inkassofunktion beauftragten externen Partner. 58 Allen indirekten Maßnahmen ist gemeinsam, daß sie in den meisten Fällen keine entscheidungsrelevanten Zahlungen zur Folge haben. 59 Sowohl die Ausführungen zum statischen Kostenvergleich als auch die geschilderten Aspekte der drei Bereiche Material-, Anlagen- und Personalwirtschaft verdeutlichen die mögliche Reichweite und Bedeutung fmanzieller Kriterien für die Ausgliederungsentscheidung. Sie werden leicht unterschätzt und bedürfen deshalb einer kritischen Erfassung und Bewertung. 60

b) Nicht-finanzielle Aspekte Neben der Durchführung von Wirtschaftlichkeitsvergleichen wird in der Literatur auf die Relevanz verschiedener, nicht oder nur bedingt quantiflzierbarer Kriterien für eine Make-or-Buy-Entscheidung hingewiesen. Teilweise wird ihnen sogar eine größere Bedeutung beigemessen als den Kostengrößen. 61 Die Vielzahl der genannten nicht-f1nan56 Vgl. Kremeyer (1982), S. 217 f. 57 Vgl. Wagner (1992), Sp. 1548; vgl. auch Albach (1984), S. 1185 ff. 58 Diese Möglichkeit besteht insbesondere im Fall der Funktionsausgliederung auf. eine Tochtergesellschaft (vgl. Selchert (1971), S. 120). 59 Nur falls Ubergangskosten, z.B. aufgrund höherer Gehaltszahlungen nach interner Versetzung, entstehen sollten, sind diese als Opportunitätskosten der externen Variante zu erfassen. Vgl. Kremeyer (1982), S. 210 ff. 60 Vgl. Rembeck (1973), S. 30, Buzell (1983), S. 100. 61 Vgl. Jauch/Wilson (1979), S. 56, Gambino (1980), S. 35.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

ziellen Aspekte ist allerdings häufig nicht überschneidungsfrei. Zu den meistgenannten Aspekten zählen: Qualität, Zeit, Elastizität, Absatz und Risiko. 62 Da sie sich zumeist an einer im Produktionsbereich zu treffenden Entscheidung orientieren, ist im folgenden zu überprüfen, ob und in welcher Form sie auf die Inkassofunktion anwendbar sind. (1) Qualitllt

Bisher wurde unterstellt, daß sich die interne und die externe Alternative zur Ausübung der Inkassofunktion in qualitativer Hinsicht nicht unterscheiden. Es ist aber ebenso denkbar, daß diese Annahme nicht zutrifft und stattdessen deutliche Unterschiede in der Qualität des Inkassos bestehen. In diesem Fall wären, soweit quantifizierbar , die erfolgsmäßigen Auswirkungen des Qualitätsunterschiedes in die Vergleichsrechnung einzubeziehen. Das setzt zunächst eine Präzisierung des Qualitätsbegriffes voraus. 63 In der traditionell orientierten Literatur zu Make-or-Buy-Entscheidungen wird der Begriff der Qualität kaum definiert. Teilweise dienen zur Beschreibung der Qualität die Leistungsfähigkeit und Lebensdauer eines Gutes64 oder die Ausschußquote bzw. das Ausschußrisiko65 . In diesen Fällen, die sich zumeist auf Entscheidungen im Produktionsbereich beziehen, kann die Qualität als verwendungsbezogene stofflichtechnische Beschaffenheit der zu produzierenden Teile, Zwischenprodukte oder anderer Güter definiert werden. 66

Für das Forderungsinkasso ist diese Definition unbrauchbar, da es sich um eine Dienstleistung handelt. Beim Inkasso besteht diese Leistung in den Bemühungen, fällige Forderungen einzutreiben. Sie wird vorrangig nach dem Erfolg der Inkassobemühungen beurteilt. Die Qualität des Inkassos definiert sich entsprechend über den Einziehungserfolg und ist damit von zentraler Bedeutung für die Inkasso62 Vgl. z.B. die Kriterienkataloge bei OehmelWalterlMüller (1990), S. 796 ff., Männel (1984), S. 18 ff., Scheuring (1983), S. 435, Westermann (1968), S. 173. Bei den genannten Kriterien handelt es sich nur um solche, die eine Wahl zwischen den Alternativen nicht von vornherein unmöglich machen. Sogenannte "K.O.-Kriterien", z.B. Geheimhaltung, kapazitätsmäßige oder finanzielle Restriktionen, werden hier nicht betrachtet (vgl. dazu Andreas/Reichle (1989), S. 38 ff.). 63 Vgl. Männel (1973), S. 64,77. 64 Vgl. Westermann (1968), S. 173. 65 Vgl. Männel (1974b), Sp. 1235, Schmitt (1951), S. 551. 66 Vgl. Männel (1973), S. 64 ff.

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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funktion. Insbesondere bei externen Anbietern können darüber hinaus der Umfang der Bemühungen und Serviceleistungen, beispielsweise Art und Häufigkeit der Abrechnungen, ein Bestandteil der Qualität sein. 67 Um jedoch die Vergleichbarkeit von interner und externer Ausübung der Inkassofunktion zu erreichen, soll hier nur der Inkassoerfolg als wichtigste und am besten objektiv vergleichbare Qualitätsdimension betrachtet werden. Auf der Basis dieser Definition bestehen im Gegensatz zu anderen Qualitätsbegriffen bzw. -dimensionen keine Quantifizierungsprobleme. 68 Der Erfolg des Inkassos läßt sich grundsätzlich auf zwei Arten berechnen: entweder über die Anzahl oder über den Gesamtbetrag der eingetriebenen Forderungen im Verhältnis zum jeweiligen Ausgangswert. 69 Zur Bestimmung der erlösmäßigen Konsequenzen der Qualität ist allerdings nur die zweite Variante geeignet. Die erste Berechnungsmöglichkeit dient zwar der Quantifizierung des Inkassoerfolges, kann aber nicht direkt zu Kosten- und Erlösgrößen in Beziehung gesetzt werden. Aus diesem Grunde nimmt der Qualitätsaspekt im Hinblick auf das Inkasso eine Zwischenstellung zwischen finanziellen und nicht-finanziellen Aspekten ein. Qualitätsunterschiede zwischen interner und externer Ausübung der Inkassofunktion können sich aus verschiedenen Gründen ergeben. Argumente für einen möglichen Qualitätsvorteil der internen Lösung sind: - Der Informationsfluß und die Koordination aller Vorgänge wird durch eine unmittelbare organisatorische Verbindung der Inkassofunktion mit der Vertriebs- und Marketingabteilung und dem Rechnungswesen des Unternehmens erleichtert. 70 - Die Art, der Umfang und der Erfolg der internen Inkassobemühungen lassen sich besser kontrollieren. 71 - Der Kontakt zum Kunden bzw. Schuldner bleibt dem Unternehmen im Gegensatz zur Ausgliederung erhalten. 72 - Durch eine Vorauswahl der zur Ausgliederung vorgesehenen Forderungen kann ein subjektiver Qualitätsvorteil entstehen, wenn 67

68 69 70 71 72

Zur Beurteilung von Inkasso-Unternehmen vgl. Capell (1989), S. 148 und S. 205, David (1989), S. 15. Zur Problematik der Quantifizierung der Qualität vgl. Männel (1981), S. 293 ff. Vgl. hierzu Kap. C.I. Vgl. Männel (1973), S. 68, OehmelWalter/Müller (1990), S. 796. Vgl. Gambino (1980), S. 40, Männel (1973), S. 66 ff. Vgl. hierzu auch Kap.B.II.2.bb).

56

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

die Forderungen bereits sehr intensiven internen Beitreibungsbemühungen unterzogen wurden. Der externe Partner hat in diesem Fall keine vergleichbare Ausgangsposition mehr. 73 Ebenso bestehen Argumente für einen Qualitätsvorteil der externen Ausübung der Inkassofunktion: - Aufgrund seiner Spezialisierung verfügt der externe Partner über mehr Erfahrung und inkassospezifisches Know-How74 , wodurch er einen besonderen "collection sense" 75 entwickeln kann. Darüber hinaus verlangt die Spezialisierung eine ständige Orientierung am neuesten Wissens- und Entwicklungsstand des Forderungsinkassos. 76 Dies betrifft sowohl die inhaltliche und technische Durchführung des Inkassos als auch die Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung etc. - Unter Umständen kann die externe im Vergleich zur internen Leistung rigoroseren Qualitätskontrollen unterworfen werden, da die Reklamation von Qualitätsmängeln im eigenen Unternehmen möglicherweise auf Schwierigkeiten stößt.1'7 Die Qualitätskontrolle wirkt sich speziell bei der Beauftragung von Inkasso-Unternehmen aus, weil diese erfolgsabhängig honoriert werden. 78 Außerdem ist das ausgliedernde Unternehmen nicht auf einen externen Partner festgelegt, sondern kann diesen wechseln, wenn er den Qualitätsanforderungen nicht gerecht wird. - Es wird häufig angenommen, daß Inkasso-Unternehmen dem Schuldner gegenüber einen psychologischen Vorteil besitzen. 79 In diesem Zusammenhang spielt möglicherweise die Vermittlerposition, die ein externer Partner zwischen dem ausgliedernden Unternehmen und dem Schuldner einnimmt, eine Rolle. 80 Sofern tatsächlich Qualitätsunterschiede zwischen den Alternativen der Inkassodurchführung bestehen, wird ihnen in der Praxis oftmals eine dominante Bedeutung für die Entscheidungsfindung zugemessen.

Vgl. Hauschildt/Stahrenberg (1991), S. 4, Capell (1989), S. 196. Männel (1973), S. 70 ff., Schwinn (1973), S. 16. Lunn (1989), S. 40. Vgl. Gambino (1980), S. 41. Vgl. Männel (1976a), S. 1075. Vgl. Kap. B.n.2.be). 79 Vgl. Seitz (1985), S. 115, Watson (1981), S. 178, Hoene (1971), S. 131, Hanusch (1969), S. 52. 80 Vgl. Wallstab-Schneider (1991), S. 15. 73

74 75 76 77 78

ill. Die Entscheidung über die Ausgliederung

57

Teilweise wird sogar auf die Durchführung von Wirtschaftlichkeitsvergleichen verzichtet. 81 (2) Zeit

Zum Zeitaspekt zählen die Kriterien Terminplanung, Liefer- und Transportzeit und der Zeitbedarf für die eigentliche Leistungserstellung. 8"2 Für das Inkasso ist lediglich das letzte Kriterium von Bedeutung, da das Unternehmen im Normalfall daran interessiert sein muß, Außenstände möglichst schnell zu realisieren. Unterstellt man, daß weder bei einer internen noch bei einer externen Ausübung der Inkassofunktion die Beitreibung der Forderungen mutwillig verzögert wird, ist davon auszugehen, daß bei vergleichbarer Vorgehensweise keine wesentlichen zeitlichen Unterschiede zwischen den Alternativen bestehen. 83 (3) Elastizität

Die Elastizität der verschiedenen Alternativen kann für die Entscheidung von Bedeutung sein, falls eine Anpassung an konjunkturelle, saisonale oder andere Veränderungen der Nachfrageverhältnisse erforderlich ist. Dabei ist zwischen quantitativer Elastizität (der Möglichkeit einer mengenmäßigen Variation des Bearbeitungsvolumens) und qualitativer Elastizität (der Fähigkeit zur Anpassung an fremde AufgabensteIlungen) zu unterscheiden. 84 Da sich das zu bearbeitende Inkassovolumen direkt aus der Absatztätigkeit des Unternehmens ergibt, können sich sowohl konjunkturelle als auch saisonale Veränderungen auf das Inkasso auswirken. Die quantitative Elastizität des innerbetrieblichen Inkassos ist dabei vor allem bei einem periodenhaft schwankenden Arbeitsvolumen relativ gering: Eine knappe Personalbesetzung verursacht Arbeitsen~ässe, im umgekehrten Fall herrscht zeitweise Unterbeschäftigung. Ein externer Anbieter hat dagegen die Möglichkeit, Schwankungen im Bearbeitungsvolumen einzelner Auftraggeber durch die Mandate anderer Auftraggeber zu kompensieren. 86

81 Vgl. Männel (1976a), S. 1074 f. 82 Vgl. Männel (1981), S. 52 f. 83 Zum Zeitaspekt vgl. auch Kap. C.IV.3. 84 Vgl. ebenda, S. 62 f. 85 Vgl. Weckerl (1980), S. 6. 86 Vgl. Männel (1984), S. 20.

58

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Die qualitative Elastizität wird überwiegend vom Spezialisierungsgrad der Mitarbeiter und Anlagen bestimmt: Mit zunehmender Spezialisierung sinkt die qualitative Elastizität des Unternehmens bei interner Leistungserstellung. 87 Da das Inkasso in der Regel keine hochspezialisierte Funktion des Unternehmens darstellt, ist davon auszugehen, daß eine Ausgliederung der Inkassofunktion keinen wesentlichen Einfluß auf die qualitative Elastizität des Unternehmens hat. (4) Absatz

Als weitere Konsequenz der zu treffenden Entscheidung ist eine Veränderung des Absatzes in Abhängigkeit von der gewählten Alternative in Betracht zu ziehen. 88 Beispielsweise wird als möglicher Grund für eine Vergrößerung des Absatzvolumens die Honorierung kostenmäßiger oder qualitativer Vorteile der Eigenfertigung bzw. des Fremdbezuges durch die Kunden genannt. 89 Im Zusammenhang mit der Inkassofunktion verändert sich allerdings die inhaltliche Bedeutung des Absatzaspektes: Nicht die allgemeine Absatzwirkung ist relevant, sondern der Einfluß der Inkassovariante auf die Verbindung zum einzelnen Kunden. Für eine Entscheidung im Inkassobereich ist deshalb der Begriff "Kundenproblematik" zutreffender. Nicht immer wird der Gläubiger auf eine Geschäftsverbindung mit einem Kunden, der seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt, verzichten wollen. Zwar kann ihm nicht an einer weiteren Zusammenarbeit mit einem Schuldner gelegen sein, dem die grundsätzliche Zahlungsbereitschaft fehlt, wohl aber an einem Kunden, der sich in vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten befindet. 90 Dies gilt umso eher, je größer der mit diesem Kunden erzielte und in Zukunft erwartete Umsatz ist. In diesem Fall ist die Art der Forderungsbeitreibung auch von der Bedeutung der Kundenbeziehung abhängig. 91 Zunächst ist zu überprüfen, ob und in welcher Form die Ausgliederungsentscheidung das Fortbestehen der Kundenverbindung beeinflussen kann. Es ist nicht auszuschließen, daß eine schärfere Vorgehensweise gegenüber Kunden, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen, sich negativ auf die Geschäfte mit dem jeweiligen Kunden auswirkt. 92 Das innerbetriebliche Inkasso bietet aufgrund der or87 88 89 90 91 92

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Männel (1981), S. 64. OehmelWalterIMüller (1990), S. 797, Männel (1981), S. 54 ff. Männel (1984), S. 19. Seitz (1985), S. 107. Arbeitskreis Tacke (1981a), S. 695. ebenda, S. 695.

m. Die Entscheidung über die Ausgliederung

59

ganisatorischen Verbindung zum Absatzbereich die meisten Möglichkeiten, die Art der Kundenbeziehung in der Forderungsbeitreibung zu berücksichtigen. Empirische Ergebnisse belegen, daß Mahnungen gegenüber Firmen bei interner Inkassotätigkeit üblicherweise so abgefaßt sind, daß die Geschäftsverbindung nicht gefährdet wird. 93 Zum Teil ist aber auch bei externen Anbietern eine Beeinflussung der individuellen Vorgehensweise möglich. 94 Eine Ausgliederung der Inkassofunktion ist zumeist mit einer Verschärfung der Maßnahmen gleichzusetzen. In diesem Zusammenhang wird unterstellt, daß die Einschaltung eines Rechtsanwaltes eher dazu führt, den Kunden zu verärgern und eine bestehende Geschäftsverbindung zu zerstören als die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens, weil letzteres teilweise als eine Mahnabteilung des Gläubigers angesehen wird. 95 Die bereits angesprochene Vermittlerposition eines Inkasso-Unternehmens kann sich positiv auf die Kundenbeziehung auswirken: Das ausgliedernde Unternehmen tritt dem Schuldner gegenüber nur noch als Auftraggeber, aber nicht mehr als direkter Betreiber des Inkassos auf; das Image des ausgliedernden Unternehmens wird durch die Forderungsbeitreibung nicht negativ belastet. 96 Die Bedeutung der jeweiligen Geschäftsverbindung für das Unternehmen bestimmt somit das Ausmaß der Kundenproblematik. Bei einem relativ großen und überwiegend anonymen Kundenkreis (z.B. im Versandhandel), wird der einzelnen Verbindung vermutlich eine geringere Bedeutung zugemessen als im umgekehrten Fall eines kleinen Kundenkreises, zu dem individuelle Kontakte gepflegt werden. 97 Entsprechend ist eine Ausgliederung der Inkassofunktion umso eher in Betracht zu ziehen, je weniger Wert auf eine zukünftige Geschäftsverbindung mit Kunden gelegt wird, die ihre Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten. Sofern der vermutete Unterschied zwischen der Beauftragung eines Rechtsanwaltes oder eines Inkasso-Un93 Vgl. Arbeitskreis Tacke (1981b), S. 784 f. 94 Z.B. enthalten die Creditreform Inkasso-Aufträge eine Klassifizierung der Schuldner in "guter Kunde - vorsichtig mahnen" bzw. "hartnäckiger Schuldner - mit allen zulässigen Mitteln vorgehen" (vgl. Creditreform (o.J.), S. 11). 95 Vgl. Seitz (1985), S. 156. Für den Fall, daß das Inkasso-Unternehmen zusätzlich zu den üblichen Mahnschreiben psychischen Druck auf den Schuldner ausübt, vertritt Lausen eine gegensätzliche Auffassung (vgl. Lausen (1991), S. 282). 96 Vgl. ShultzlReinhardt (1962), S. 276 f., Ohle (1991). 97 Vgl. hierzu auch Ohle (1985), S. 15, Weckert (1980), S. 1.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

ternehmens der Realität entspricht, kann zudem durch die Form der Ausgliederung eine Art "Feinabstimmung" vorgenommen werden. (5) Risiko

Eine Ausgliederung befreit das Unternehmen von den Risiken, die mit der Erstellung der betreffenden Leistung verbunden sind. Andererseits werden dabei häufig bestimmte Risikoformen lediglich gegen andere Risiken eingetauscht. 98 Im Falle der Inkassofunktion besteht das Leistungsrisiko vor allem in der Qualität der Beitreibungsbemühungen. Dieses Risiko wird durch eine Ausgliederung reduziert, wenn das externe Inkasso härteren Qualitätskontrollen unterzogen werden kann als die innerbetriebliche Leistung. 99 Gleichzeitig können jedoch neue Risiken entstehen: Das ausgliedernde Unternehmen begibt sich in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem externen Partner. 100 Dies kommt besonders zum Tragen, falls ein längerfristiger Vertrag über die Zusammenarbeit besteht und ein Wechsel zu einem anderen Anbieter nicht ohne weiteres möglich ist. Ein zweiter Risikoaspekt kann in der Bonität des externen Partners bestehen. 101 Dies gilt insbesondere für die Zusammenarbeit mit Inkasso-Unternehmen, denn es gibt immer wieder "schwarze Schafe" in der Branche, die ohne behördliche Genehmigung arbeiten oder durch unkonventionelle Methoden negativ auffallen. 102 Die Zugehörigkeit des beauftragten Unternehmens zum Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen reduziert dieses Risiko. Die Mitglieder verpflichten sich gemäß der Satzung zur Einhaltung bestimmter Verhaltensrichtlinien, Verstöße werden konsequent geahndet. 103

98 99

100 101 102

103

Vgl. Männel (1976b), S. 1250 f. Zu einer entscheidungstheoretischen Berücksichtigung des Risikos für die Wahl zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug vgl. Hölscher (1971), S. 21 ff. Vgl. hierzu die Ausführungen zum Qualitätsaspekt in diesem Kapitel. Vgl. Männel (1976b), S. 1250. Vgl. Rembeck (1973), S. 28. Vgl. o.V. (1992b), S. 16. Vgl. Muchow (1987), S. 13 sowie die Satzung des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. und die "Grundsätze für die Berufsausübung zugelassener Inkasso-Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin (vgl. Bundesverband Deutscher InkassoUnternehmen e.V. (1989a), S. 5 (§2, Ziff. Id), S. 15 ff.

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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(6) Inkassospezijische Aspekte Zusätzlich zu den allgemeinen nicht-finanziellen Kriterien, die in der Literatur zu Make-or-Buy-Entscheidungen behandelt werden, bestehen im Zusammenhang mit der Ausübung der Inkassofunktion weitere, themenspezifische Aspekte, die sich aus der Untersuchung des zu bearbeitenden Forderungsbestandes ergeben. Im Rahmen der Entscheidungsvorbereitung ist zu überprüfen, ob und in welcher Form zwischen den folgenden Kriterien und den alternativen Möglichkeiten des Inkassos entscheidungsrelevante Beziehungen bestehen: Schuldnerstruktur: - homogenlheterogen, - Anteil Privat- und Firmenschuldner, - Privatschuldner: Anteil Hausfrauen, Rentner etc. Forderungsvolumen: - ständiger/vereinzelter Forderungsanfall, - vereinzelt: geringelhohe Durchschnittswerte, - ständig: geringelhohe Durchschnittswerte. Reklamationen: - hohe/geringe Reklamationshäufigkeit, - individuelle/ständig wiederkehrende, stereotype Argumentation. Sicherheiten: - z.B. Eigentumsvorbehalte, Lohn-/Gehaltsabtretungen, Bürgschaften, Zessionen. Geschäftsgrundlage: - z.B. Kauf von Waren oder Dienstleistungen, handwerkliche Leistungen, ärztliche Behandlungen. Vertriebsform: - z.B. Versandhandel, Groß-/Einzelhandel, Außendienst. 104 Im Anschluß an die Analyse aller relevanten finanziellen und nichtfinanziellen Aspekte ist auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse eine Entscheidungsstrategie zu entwickeln.

104 Vgl. Weckert (1980), S. 2.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

c) Entscheidungsstrategie Grundsätzlich wird für jede in Erwägung gezogene Inkassoalternative eine separate Beurteilung vorgenommenlOS, wobei die Vielzahl der zu berücksichtigenden Aspekte die Entscheidungsfindung erschwert. Es empfiehlt sich deshalb eine dreistufige Vorgehensweise: 106 1. Ermittlung der finanziell günstigsten Alternative. 2. Bewertung der nicht-finanziellen Aspekte. 3. Gesamtbeurteilung. Der erste Schritt dürfte aufgrund der Quantifizierbarkeit der Daten im allgemeinen mit den geringsten Problemen verbunden sein. Zwar besteht in der Praxis die Gefahr, daß Kostenelemente nicht erfaßt oder unterschätzt werden, die Erfassung selbst ist aber gegenüber den nicht-finanziellen Aspekten vergleichsweise einfach. Die Ermittlung der günstigsten Alternative erfolgt entweder über einen Kostenvergleich für eine bestimmte Vergleichsperiode oder über einen mehrperiodigen Vergleich mit Hilfe einer Investitionsrechnung, falls finanzwirtschaftliche Unterschiede zu berücksichtigen sind. Auch wenn für die Entscheidung von vornherein nicht-finanzielle Aspekte Priorität besitzen, empfiehlt es sich, diesen Schritt in jedem Fall durchzuführen, um bestimmen zu können, was man sich eine bestimmte Entscheidung möglicherweise "kosten läßt" .107 Für die im zweiten Schritt vorzunehmende Bewertung der relevanten nicht-finanziellen Aspekte ist zwischen quantifizierbaren und nicht quantifizierbaren Aspekten zu unterscheiden. Im Falle der Inkassofunktion ist eine monetäre Bewertung des Qualitätskriteriums, d.h. des Inkassoerfolges, möglich. Auf die Integration dieses Aspektes in den Kostenvergleich wird an späterer Stelle eingegangen. 108 Alle anderen Aspekte des Forderungsinkassos lassen sich normalerweise nicht in finanziellen Größen erfassen, es müssen andere Vorgehensweisen gewählt werden. Die einfachste Möglichkeit ist die Auflistung von Vor- und Nachteilen der relevanten nicht-finanziellen Aspekte für die jeweiligen Alternativen, um einen Trend in Richtung einer bestimmten EntscheiVgl. Scheuring (1983), S. 435. 106 Vgl. Kruschwitz (1974), S. 311. 107 Vgl. Everling (1973), S. 132, Lücke (1960), S. 70. 108 Vgl. Kap. B.IV.

105

111. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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dung zu bestimmen. 109 Ein solches Verfahren kann aber nur Anhaltspunkte liefern, da die individuelle Bedeutung der einzelnen Aspekte vernachlässigt wird. Detailliertere Bewertungsmöglichkeiten bieten dagegen Punktwert- bzw. Scoringmodelle: Den einzelnen Aspekten werden entsprechend ihrer Bedeutung für die Entscheidung Gewichte zugeordnet. Für jede Alternative werden im Anschluß daran die Aspekte anband einer Punkt- oder Nutzenskala bewertet und mit dem vorher bestimmten Faktor gewichtet. Problematisch ist hierbei nicht nur die Festlegung von Gewichten und Bewertungsskala sowie die Bewertung selbst, sondern auch die Aggregation der einzelnen Punktwerte zu einem Gesamtpunktwert. 110 Die Argumentation anband von Punktwerten kann dazu verleiten, die Ergebnisse als objektive Werte zu interpretieren. Es handelt sich jedoch, auch wenn dieses Verfahren auf der Basis von Expertenschätzungen durchgeführt wird, um eine subjektive Vorgehensweise. 111 Der dritte Schritt, die Gesamtbeurteilung, wirft keine Probleme auf, sofern die Beurteilungen der finanziellen und der nicht-finanziellen Aspekte für die gleiche Alternative sprechen. Andernfalls ist zu klären, welcher Gruppe von Kriterien die größere Bedeutung zugemessen werden soll. Es stellt sich die Frage, ob kostenmäßige Vorteile sonstige Nachteile aufwiegen, oder umgekehrt, ob dem Unternehmen die sonstigen Vorteile entsprechende kostenmäßige Nachteile wert sind. In diesem Fall kann die Entscheidung letztlich nur im Rahmen subjektiver Überlegungen getroffen werden. 112 An den traditionellen Ansätzen zur Entscheidungsfindung, insbesondere dem Kostenvergleich, wird vielfach Kritik geäußert. Im hier be109 Vgl. z.B. OehmelWalter/Müller (1990), S. 796 ff., Kruschwitz (1974), S. 312, Rembeck (1973), S. 25 ff., AndreaslReichle (1989), S. 39 ff., Lücke (1960), S. 69 f. 110 Beispielsweise berücksichtigt eine multiplikative Verknüpfung extreme Ausprägungen stärker als eine additive Verknüpfung. 111 Vgl. hierzu und zu einer ausführlicheren Darstellung von Scoringmodellen für Make-or-Buy-Entscheidungen Männel (1981), S. 70 ff. und (1983), S. 305 ff., Scheuring (1983), S. 435 f., Kruschwitz (1974), S.313. 112 Vgl. Männel (1983), S. 307, Lücke (1960), S. 70. Eine Integration der Kostenunterschiede in das Scoringmodell ist nicht zweckmäßig, da die objektiv bestimmbaren Kosteninformationen und die subjektiv bewerteten nicht-finanziellen Aspekte auf eine Ebene gestellt würden (vgl. Männel (1981), S. 75 f.). Eine andere Vorgehensweise schlägt Hartmann vor: Er fügt die Informationen der nicht-finanziellen Aspekte in Form eines Trendfaktors in den Kostenkalkül ein (vgl. Hartmann (1988), S. 464 f.).

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B. Theoretische ElWägungen zur Funktionsausgliederung

trachteten Fall einer Grundsatzentscheidung über die Ausübung der Inkassofunktion auf der Basis sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Größen lassen sich gegen das traditionelle Lösungsverfahren folgende Einwände vorbringen: - Die Subjektivität der Selektion und Bewertung nicht-finanzieller Aspekte ermöglicht den beteiligten Personen eine Auswahl der jeweils ihren individuellen Zielen entsprechenden Argumente aus dem Kriterienkatalog und damit die gezielte Steuerung der Makeor-Buy-Entscheidung. 113 - Ähnliches gilt für den kostenrechnerischen Kalkül: Die zugrundegelegte Datenbasis ist nur scheinbar objektiv. Bei der Ermittlung der entscheidungsrelevanten Kosten der Eigenleistung besteht ein nicht zu unterschätzender Gestaltungsspielraum, der für individuelle Interessen ausgenutzt werden kann. 114 - Objektivierungsschwierigkeiten birgt aber auch die Ermittlung der Kosten einer externen Alternative: Ausgehend von günstigen Ursprungskonditionen des Anbieters besteht die Gefahr, daß sich dieser, unter Ausnutzung eines zwischenzeitlich gewonnenen Informationsvorteils gegenüber Mitbewerbern, Vertragsänderungen vergleichsweise hoch bezahlen läßt. 11S - Die Kostenvergleiche konzentrieren sich auf die direkten Kosten der Leistungserstellung und berücksichtigen keine Kosten für die Koordination und Organisation der internen und externen Abwicklung, die sogenannten Transaktionskosten. 116 Der letzte Kritikpunkt bildet zugleich die Ausgangsbasis für eine zweite Möglichkeit zur Entscheidungsfindung - den Transaktionskostenansatz.

113 Vgl. Baur (1990), S. 37. 114 Vgl. ebenda, S. 20. Aus diesen Gründen wurde bereits an anderer Stelle auf die Zweckmäßigkeit von Make-or-Buy-Teams zur Entscheidungsvorbereitung hingewiesen (vgl. Kap. B.III.). l1S Vgl. Picot (1993a), S. 177. Diese Situation entspricht der von Williamson geschilderten "fundamentalen Transformation" in arbeitsteiligen Leistungsbeziehungen (vgl. Kap. B.III.3.c». 116 Vgl. ebenda, S. 177 f., Schneider (1989), S. 154. Zum Begriff der Transaktionskosten vgl. Kap. B.III.3.c).

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

65

3. Entscheidung auf der Basis einer Transaktionskostenanalyse Die Transaktionskostentheorie ist dem Forschungsgebiet der Neuen Institutionellen Ökonomie zuzurechnen, die sich mit Koordinationsmechanismen sozioökonomischer Austauschbeziehungen befaßt. Der Transaktionskostenansatz dient als analytisches Instrument zur Erklärung und Gestaltung institutioneller Ordnungsmuster und findet insbesondere Anwendung im Rahmen von Make-or-Buy-Entscheidungen bzw. der Ermittlung des vertikalen Integrationsgrades .117

a) Grundlagen Das heute vorherrschende mikroökonomische Paradigma ist die neoklassische Theorie, die die Allokation knapper Ressourcen vor allem durch die Wirkung des Marktmechanismus erklärt. Sie basiert auf zwei zentralen Annahmen: 1. Der nutzenrnaximierenden Verhaltensweise und der vollständigen Information der Marktteilnehmer über die Alternativen, 2. dem Konzept des (statischen) Marktgleichgewichtes. Der Gleichgewichtspreis wird durch einen walrasianischen Auktionator ohne besonderen Zeitaufwand oder Informationskosten bestimmt. Bei vollständiger Information ist der Marktpreis daher die einzige für den Vertragsabschluß relevante Information, mögliche Informationsprobleme werden ausgeschaltet. 118 In bezug auf eine Entscheidung über den vertikalen Integrationsgrad sind entsprechend die Produktionskosten das einzige Selektionskriterium. 119 Die Transaktionskostentheorie stellt dagegen die Realitätsnähe der alleinigen Funktion des Preises bzw. der Produktionskosten als Allokations- und Koordina-

117 Vgl. Picot/Dietl (1990), S. 178, 182; zur Einordnung des Trans-

aktionskostenansatzes vgl. auch Williamson (1985a), S. 16 und (1985b), s. 19 f. Zu Untersuchungen in diesem Anwendungsgebiet vgl. z.B. Baur (1990), Ande~n/Weitz (1986), Levy (1985), Walker/Weber (1984). Eine allgemeine Ubersicht transaktionskostentheoretisch orientierter Studien findet !lieh bei Picot/Franek (1993), S. 192 ff. 118 Vgl. Neumann (1983), S. 617 ff., Williamson (1984), S. 195, Hart (1990), S. 154 f. 119 Vgl. Windsperger (1983), S. 890.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

tionsmechanismus und vor allem die Annahme vollständiger Information der Wirtschaftssubjekte in Frage. 120 Die Entwicklung des Transaktionskostenansatzes geht vor allem auf eine Arbeit von Coase aus dem Jahre 1937 zuruck.1 21 Er erklärt die Existenz von Unternehmen in einer spezialisierten Tauschwirtschaft durch die Tatsache, daß der Gebrauch" des Preismechanismus mit spezifischen Kosten verbunden ist (" cost of using the price mechanism").1 22 Diese Kosten können in moderner Sprechweise als Transaktionskosten bezeichnet werden.1 23 Nach Coase handelt es sich dabei um die Kosten der Entdeckung des relevanten Marktpreises, der den Marktteilnehmern nicht von vornherein bekannt ist, sowie die Kosten für Verhandlung und Vertragsabschluß bei jeder einzelnen Markttransaktion. Mit zunehmender vertikaler Integration eines Unternehmens reduziert sich die Anzahl der auf dem Markt abzuschließenden Verträge und gleichzeitig die damit verbunden Kosten. 124 Ihnen stehen jedoch die Kosten für die unternehmens interne Koordination gegenüber, die überproportional zur Anzahl der zu koordinierenden Transaktionen ansteigen, d.h. eine Zunahme des vertikalen Integrationsgrades ist mit abnehmenden Grenzerträgen verbunden. Die optimale Unternehmensgröße leitet Coase aus einem marginalistischen Kalkül ab: Ein Unternehmen wird so lange wachsen, d.h. so viele Transaktionen intern und nicht über den Markt koordinieren, bis die Organisationskosten für die interne Abwicklung einer weiteren Transaktion den Kosten der Abwicklung dieser Transaktion über den Markt oder den Kosten ihrer Organisation in einem anderen Unternehmen entsprechen. 125 11

Der Ansatz von Coase, der primär auf die Erklärung der Existenz von Unternehmen ausgerichtet ist, wurde in den letzten Jahren vor allem von Williamson126 weiterentwickelt und der Anwendungsbereich erweitert: "Virtually any relation, economic or otherwise, that takes the form or can be described as a contracting problem can be evalua120 Vgl. hierzu auch Frey/Gülker (1988), S. 168 f. Zur Beziehung zwischen Neoklassik und Transaktionskostentheorie vgl. Schneider (1988), S. 12 ff. 121 Vgl. Coase (1937); vgl. hierzu auch Bössmann (1981) und (1983). Coase erhielt 1991 den Wirtschaftsnobelpreis (vgl. Maier (1991), S. 34). 122 Vgl. Coase (1937), S. 390. 123 Vgl. Bössmann (1981), S. 668. 124 Vgl. Coase (1937), S. 390 f. 125 Vgl. ebenda, S. 394 f. 126 Vgl. insbesondere Williamson (1975) und (1985a).

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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ted to advantage in transaction cost economics terms" .127 Ziel ist es, anband der jeweiligen Transaktionskosten sowohl effiziente Koordinationsformen zu analysieren als auch normative Gestaltungsempfehlungen für die Koordination bestimmter Aufgaben abzuleiten. 128 Gegenstand der Analyse ist somit die einzelne Transaktion. 129 Dieser Terminus wird in der Literatur allerdings nicht einheitlich verwendet. 130 Commons, der den Begriff der Transaktion vermutlich als erster eingeführt hat l31 , definiert wie folgt: "Transactions, [ ... ] , are not the exchange of commodities, in the physical sense of delivery, they are the alienation and acquisition, between individuals, of the rights of future ownership of physical things [ ... ]. The transfer of these rights must therefore be negotiated between the parties concerned, according to the working rules of society, before labor can produce, or consumers can consume, or commodities be physically delivered to other persons. "132

Williamson spricht dagegen von einer Transaktion, "when a good or service is transferred across a technologically separable interface. One stage of activity terminates and another begins ".133 Im folgenden soll der Begriff der Transaktion den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie alle damit verbundenen Verhandlungen, Vereinbarungen, Klärungs- und Kontrollprozesse bezeichnen. Im Gegensatz zur Vorgehensweise der neoklassischen Theorie wird eine Transaktion jedoch nicht vor dem Hintergrund rational handelnder und vollständig informierter Wirtschaftssubjekte betrachtet, wie bereits durch die explizite Berücksichtigung von Verhandlungsprozessen sichtbar wird. Vielmehr ist es ein Ziel der neuen institutionellen Ökonomie, das Verhalten der Marktteilnehmer anband realitätsnäherer Prämissen zu betrachten. 134 Hierfür werden in der Transaktionsko-

127 Williamson (1985a), S. 387. 128 Vgl. Baur (1990), S. 42 f. 129 Vgl. Williamson (1990), S. 187 f. (in Anlehnung an Commons (1934), S.4). 130 Vgl. ausführlich hierzu Michaelis (1985), S. 65-77. 131 Vgl. Picot (1982), S. 269. 132 Commons (1934), S. 58 (Hervorhebungen im Original wurden nicht übernommen). 133 Williamson (1985a), S. 1. 134 "Modem institutional economics should study man as he is, acting within the constraints imposed by real institutions" (Coase (1984), S. 231). 6 Stahrenberg

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

stentheorie zwei zentrale Verhaltensannahmen getroffen: 1. beschränkte Rationalität und 2. opportunistisches Verhalten der Tauschpartner .1 35 Die Annahme beschränkter Rationalität geht auf die Erkenntnis Simons zurück, daß der Mensch zwar beabsichtigt, rational zu handeln, ihm dies aber nur in begrenztem Maße gelingt. Als Gründe hierfür nennt Simon die limitierte Informationsverarbeitungskapazität, Beschränkungen in Können, Wissen und Zeit sowie Kommunikationsprobleme des Menschen. 136 Beschränkte Rationalität zeigt sich jedoch erst dann, wenn die Grenzen der Rationalität erreicht werden und nicht mehr alle relevanten Aspekte eines Problems erfaßt werden können. Dies kann nur in einer unsicheren und komplexen Umwelt der Fall sein. 137 Die zweite Verhaltensannahme, Opportunismus der Tauschpartner , verschärft das in vielen Theorien verwendete Konzept der individuellen Nutzenmaximierung. 138 Als opportunistisches Verhalten bezeichnet Williamson strategische Verhaltensweisen, die nicht einfach auf die Realisierung des eigenen Vorteils ausgerichtet sind, sondern das Eigeninteresse unter Zuhilfenahme von List verfolgen. 139 Opportunismus kann verschiedene Formen annehmen: z.B. Lügen, Stehlen, Betrügen, aber auch unvollständige oder verzerrte Weitergabe von Informationen, vorsätzliche Versuche der Irreführung, Verschleierung etc. sowie gezielte Uminterpretationen von Vertragsinhalten.1 40 Für Entscheidungen über den vertikalen Integrationsgrad ist opportunistisches Verhalten insbesondere im Fall transaktionsspezifischer Investitionen von Bedeutung,141 Unter den Bedingungen beschränkter Rationalität und Opportunismus ist die Durchführung von Transaktionen nicht kostenlos, sondern sie ist mit spezifischen Transaktionskosten verbunden. 135 Vgl. Williamson (1987), S. 617. Eine dritte Verhaltensannahme, die in der Regel nur wenig beachtet wird, ist die Risikoneutralität der Transaktionspartner. Williamson führt diese Annahme ein, um die zentralen Eigenschaften der Effizienz verschiedener Abwicldungsformen aufdecken zu können, die unter der Annahme von Risikoscheu fehlgedeutet würden oder unbeachtet blieben (vgl. Williamson (1985a), S. 388 ff.). 136 Vgl. Simon (1957), S. 199. 137 Vgl. Williamson (1975), S. 21 ff. und (1981), S. 553 f.; vgl. hierzu auch Kap. B.III.3.c). 138 Vgl. PicotlDietl (1990), S. 179. 139 Vgl. Williamson (1975), S. 26. 140 Vgl. Williamson (1985a), S. 47 f. und (1991), S. 34. 141 Vgl. Williamson (1975), S. 26 ff. sowie Kap. B.III.3.c).

UI. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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b) Transaktionskosten Obwohl die Transaktionskosten das zentrale theoretische Element dieses Ansatzes darstellen, ist ihre Definition in der Literatur nicht einheitlich und ihre Operationalisierung problematisch. Einige Autoren zählen bereits die Kosten der Rechtsinstitutionalisierung, d.h. der Bereitstellung, Sicherung und Änderung einer staatlichen Gemeinschaft als Interaktionsbasis zu den Transaktionskosten142 . In den meisten Fällen werden jedoch nur die laufenden Kosten, die in Verbindung mit einer Transaktion anfallen, betrachtet. Dabei handelt es sich überwiegend um typische Verwaltungs- und Dienstleistungskosten.1 43 Es werden aber auch die mit der Transaktion verbundenen Nachteile oder Opfer, z.B. Bindungskosten, Opportunitätskosten aus der Verwendung knapper Ressourcen 144 oder Verluste aufgrund ineffizienter Entscheidungen oder Vereinbarungen145 zu den Transaktionskosten gerechnet. Die laufenden Transaktionskosten werden üblicherweise in fünf Kategorien aufgeteilt: Die Kosten der (1) Anbahnung, (2) Vereinbarung, (3) Abwicklung, (4) Kontrolle und (5) Anpassung. 146 Sie entstehen in Verbindung mit dem Abschluß von Verträgen. Dabei berücksichtigt die Transaktionskostentheorie jedoch nicht nur explizite, sondern auch implizite Verträge.1 47 Vor diesem Hintergrund kann auch ein Unternehmen als ein System von Verträgen interpretiert werden. 148 Transaktionskosten fallen somit sowohl bei der Funktionsaus-

142 Vgl. z.B. Richter (1990), S. 576 f., North (1984), S. 7. Wegehenkel be-

143 144 145

146

147

148

zeichnet diese Kosten im Hinblick auf die anlaufenden Marktprozesse als versunkene Kosten und unterscheidet sie von laufenden Transaktionskosten der Marktprozesse (vgl. Wegehenkel (1980b), S. 18 ff.). Vgl. hierzu auch Michaelis (1985), S. 81 f. Vgl. Schneider (1989), S. 155. Vgl. Baur (1990), S. 46. Vgl. Picot (1985), S. 224, MilgromlRoberts (199q), S. 60 f. Vgl. Picot (1991a), S. 344 und (1982), S. 270. Ahnliche Cbarakterisierungen der Transaktionskosten finden sich z.B. bei Coase (1960), S. 15, Williamson (1985a), S. 20, Richter (1990), S. 577, Berger (1990), S. 24, Windsperger (1983), S. 896. Beide Vertragsformen können Gegenstand eines Transaktionskostenproblems sein (vgl. Williamson (1985a), S. 387). Vgl. Hart (1990), S. 159 f., Jensen/Meckling (1976), S. 307 f., Alchian/Demsetz (1972), S. 777 f.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

gliederung als auch bei der internen Leistungserstellung an. 149 Aus der Sicht des ausgliedernden Unternehmens dürfte der Schwerpunkt bei externem Inkasso auf den Anbahnungs- und Vereinbarungskosten. bei interner Ausübung der Inkassofunktion auf den Abwicklungs- und Kontrollkosten liegen. 150

(1) Anbahnungskosten Sie entstehen bei der Suche nach einem geeigneten Transaktionspartner. in diesem Fall einem Rechtsanwalt151 oder Inkasso-Unternehmen. Zu den Anbahnungskosten gehören beispielsweise die Information über alternative Möglichkeiten des Inkassos im allgemeinen. eine Vorauswahl potentieller Partner und die Überprüfung ihrer Reputation. die erste Kontaktaufnahme. das Studium von Werbematerial. Informationstermine vor Ort. Zusätzlich können sich die uneinheitlichen Konditionen der Inkasso-Unternehmen durch den notwendigen Vergleichsprozeß erhöhend auf die Anbahnungskosten auswirken. (2) Vereinbarungskosten

Die Vereinbarungskosten entstehen in Verbindung mit dem Abschluß eines ausdrücklichen oder auch impliziten Vertrages. Sie beinhalten die Kosten der Verhandlung über die Konditionen und die Durchführung des Inkassos. der Vertragsformulierung und des eigentlichen Vertragsabschlusses. Bei interner Ausübung der Inkassofunktion handelt es sich um die Kosten der Abstimmung mit anderen Abteilungen. Z.B. der Marketingabteilung. sowie der Erarbeitung und Verabschiedung von Richtlinien zur Inkassobearbeitung.

(3) Abwicklungskosten Die Kosten der Abwicklung beziehen sich überwiegend auf die interne 149 Vereinzelt wird nur für die Kosten von Markttransaktionen der Begriff "Transaktionskosten ", für die Kosten der internen Abwicklung dagegen der Begriff "Organisationskosten" verwendet. Beide werden dann unter dem Begriff "Koordinationskosten " zusammengefaßt (vgl. Bössmann (1982), S. 664 f .• Schütier (1983), S. 161). Zur Typologie externer und interner Transaktionskosten vgl. auch Wegehenkel (1980a), S. 7 ff. 150 Vgl. Picot (1982). S. 271. Zu den allgemeinen, d.h. nicht aufgabenspezifischen Inhalten der einzelnen Kostenkategorien vgl. Picot (1991a), S. 344 und (1982), S. 270. 151 Gegebenenfalls erhöhen sich die Suchkosten für den Nachfrager aufgrund des für die Rechtsanwaltschaft geltenden Werbeverbotes (vgl. Dicke/ Hartung (1986), S. 18).

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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Leistungserstellung. Es sind dies die Kosten der Prozeßsteuerung, der Führung und Koordination während der Ausübung der Inkassofunktion. Bei einer Funktionsausgliederung entstehen Abwicklungskosten, wenn das ausgliedernde Unternehmen in die Inkassobearbeitung eingreifen muß. Das kann z.B. bei Reklamationen des Schuldners der Fall sein, zu deren Klärung sich der externe Partner an das Unternehmen wendet.

(4) Kontrollkosten Hierzu zählen die Kosten für die Qualitäts- und Terminüberwachung. Während beim externen Inkasso der Erfolg anband der Berichte des Partners kontrolliert wird und vor allem ein zeitlicher Aufwand entsteht, ist beim internen Inkasso entsprechendes Informations- und Berichtsmaterial vom Unternehmen selbst zu erstellen, wodurch zusätzliche Kosten anfallen. Weitere Kosten des internen Inkassos ergeben sich aus der Kontrolle von Verhalten und Leistung der Mitarbeiter. (5) Anpassungskosten Anpassungskosten entstehen, wenn Verträge, Vereinbarungen, Richtlinien etc. aufgrund veränderter Bedingungen nachträglich geändert werden müssen. Besteht beispielsweise eine Rahmenvereinbarung mit dem externen Partner, die ein bestimmtes Auftragsvolumen festlegt, und kann oder will das ausgliedernde Unternehmen dieses nicht erfüllen, müssen neue Konditionen ausgehandelt werden, falls der Vertrag keine Klausel für diesen Fall enthält. ex post

ex ante Anbahnungskosten

Vereinbarungskosten

Abwicklungskosten

Kontrollkosten

Anpassungskosten

Zeit Vertragsabschlu ß Quelle: eigene Erstellung

Abb. 8: Transaktionskosten im Zeitablauf

Die Charakterisierung der einzelnen Kostenkategorien zeigt, daß zwischen ex ante- und ex post-Transaktionskosten unterschieden werden kann. Die Transaktionskosten vor und nach dem Vertragsabschluß können jedoch nicht unabhängig voneinander betrachtet werden, denn es besteht ein wechselseitiger Zusammenhang: Ein intensiv vorberei-

72

B. Theoretische ElWägungen zur Funktionsausgliederung

teter und umfangreicher Vertragsabschluß verursacht ex ante erhebliche Transaktionskosten, gleichzeitig sinken die Kosten ex post im Vergleich zu einem weniger ausführlichen Vertrag und umgekehrt. 152 Die QuantifIzierung der Transaktionskosten erweist sich als problematisch, da sie in den Kostenrechnungssystemen üblicherweise nicht oder nicht vollständig erfaßt sind und eine monetäre Bewertung teilweise nicht möglich ist. 153 Dies gilt besonders für Nachteile, die dem Unternehmen aus einer bestimmten Abwicklungsform entstehen. Schwierigkeiten können sich auch aus der Tatsache ergeben, daß häufIg kein Problembewußtsein für die Existenz von Transaktionskosten vorliegt.154 In den sich immer mehr zu Informations- und Dienstleistungsgesellschaften entwickelnden westlichen Volkswirtschaften dürfte ihnen aber eine zunehmende Bedeutung erwachsen. 155 North schätzt den Anteil der Transaktionskosten am Bruttosozialprodukt westlicher Industrienationen auf etwa 50 Prozent. 156 Das Problem der Operationalisierung wird üblicherweise dadurch umgangen, daß in der Transaktionskostentheorie eine komparative Analyse verschiedener Abwicklungsformen für eine bestimmte Aufgabe vorgenommen wird. Dementsprechend ist die erwartete Differenz zwischen den Transaktionskosten der jeweiligen Alternativen und nicht deren absolute Höhe relevant. 157 Das Ausmaß und die Struktur der Transaktionskosten variieren nicht nur mit der organisatorischen und vertraglichen Form der Leistungserstellung. Auch die spezifIschen Eigenschaften und Rahmenbedingungen der Leistung und die damit verbundenen Koordinationsprobleme beeinflussen die Transaktionskosten. 158

152 Vgl. Williamson (1985a), S. 20 ff., Baur (1990), S. 45. 153 Vgl. Schneider (1989), S. 155. Zur Forderung nach einer Erweiterung 154 155 156 157 158

des betrieblichen Rechnungswesens um Transaktionskosten vgI. Albach (1988), S. 1159 ff., Ballwieser (1991), S. 109. Vgl. Schneider/Zieringer (1991), S. 50. VgI. Schneider (1989), S. 155. Vgl. North (1984), S. 7. Vgl. Williamson (1985a), S. 21 f., Picot (1991b), S. 149, PicotlDietl (1990), S. 183. VgI. Picot (1993b), Sp. 4194 f.

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

73

c) Determinanten der Transaktionskosten Die wichtigsten Transaktionseigenschaften, die die Höhe der Transaktionskosten beeinflussen sind: (1) Spezifität, (2) Unsicherheit und Komplexität, (3) strategische Relevanz, (4) verschiedene Rahmenbedingungen und (5) Häufigkeit. Dabei mißt Williamson der Spezifität die größte Bedeutung zu. 159 (1) SpezijitlJt

Eine Ressource wird spezifisch genannt, wenn sie nur im Rahmen einer bestimmten Transaktion ihren maximalen Wert erreicht. Andere Einsatzmöglichkeiten sind begrenzt und würden zu Nutzwerteinbußen führen. l60 Dieser Wertveriust, der dadurch entsteht, daß das Objekt nicht für die beabsichtigte Transaktion, sondern in seiner nächstbesten Verwendungs möglichkeit eingesetzt wird, wird auch als Quasi-Rente bezeichnet. 161 Der Spezifitätsgrad einer Ressource ist umso höher, je größer der Wert der entsprechenden Quasi-Rente ist. 162 Spezifität entsteht durch transaktionsspezifische, sogenannte idiosynkratische Investitionen. 163 Es werden üblicherweise vier Arten der Spezifität unterschieden: 164

1. StandonspezijitlJt: Die Investitionen werden an einem bestimmten Standort getätigt. Die Spezifität ergibt sich aus der Immobilität der Anlagen bzw. hohen Kosten der Standortveriagerung.

2. SachkapitalspezijitlJt: Der Anbieter schafft spezielle, für die Durchführung der Transaktion notwendige, Anlagen an. 3. HumankapitalspezijitlJt: Das Personal des Anbieters erwirbt

idiosynkratisches Know-How durch Lerneffekte während der Abwicklung der Transaktion oder spezielle Einarbeitungs- und Ausbildungsmaßnahmen. Es bestehen möglicherweise Teams, die auf die Bearbeitung der Aufträge bestimmter Kunden spezialisiert sind.

4. AbnehmerspezijitlJt: Der Anbieter erweitert seine Anlagen im Interesse eines bestimmten Auftraggebers.

159 Vgl. Williamson (1981), S. 555. 160 Vgl. WalkerIWeber (1984), S. 373, Williamson (1985a), S. 54. 161 Vgl. Klein/Crawford/Alchian (1978), S. 298 ff. und Alchian (1984), S. 36 ff. 162 Vgl. PicotlDieti (1990), S. 179. 163 Vgl. Williamson (1979), S. 239 ff. 164 Vgl. Williamson (1985a), S. 95 f. und (1979), S. 240.

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B. Theoretische ElWägungen zur Funktionsausgliederung

Die Formulierung weiterer Spezifitätsarten ist denkbar, z.B. eine Spezifität der Zeit165 oder des Markennamens l66 . Als problematisch kann es sich erweisen, daß die einzelnen Arten nicht immer eindeutig voneinander abzugrenzen sind. 167 Zur Beurteilung der Spezifität ist die Unterscheidung von ex anteund ex post-Spezifität von Bedeutung. Während bei einigen Transaktionen von vornherein eine spezifische Leistungsbeziehung mit idiosynkratischen Investitionen vorliegt, handelt es sich bei anderen Funktionen um eine standardisierte Leistung, für deren Ausübung vor Beginn der Transaktion ein konkurrenzintensiver Wettbewerb existiert. Nach der Auswahl eines Transaktionspartners aus der Vielzahl der Wettbewerber setzt sich die Konkurrenz um die Leistungserstellung jedoch nicht in jedem Fall fort. Erfolgen während der Abwicklung idiosynkratische Investitionen, kann der Anbieter z.B. kundenspezifisches Wissen erwerben, so erzielt er gegenüber seinen ursprünglichen Konkurrenten Vorteile. Zum Zeitpunkt der Vertragsverlängerung bestehen dann keine gleichen Ausgangsbedingungen mehr. Die ex ante unspezifische Leistungsbeziehung wandelt sich mit der Zeit zu einer bilateralen, monopol artigen Verbindung. Williamson bezeichnet diesen Vorgang als "fundamentale Transformation" .168 Die wechselseitige Abhängigkeit der Transaktionspartner ist umso stärker, je höher der Grad der Spezifität ist: Der Anbieter kann die spezifischen Ressourcen nicht oder nur bedingt anderweitig verwenden, der Auftraggeber kann den Lieferanten nicht wechseln bzw. muß vergleichsweise höhere Kosten in Kauf nehmen. 169 Diese Interdependenz in der sogenannten "smali numbers"-Situation mit nur wenigen alternativen Anbietern schafft den Spielraum für opportunistisches Verhalten. 170 Bei einem hohen Spezifitätsgrad sind deshalb vermehrt Informationen über den Transaktionspartner einzuholen.!71 Zur Koordination des Leistungsaustausches mit einem externen Partner bedarf es in diesem Fall einer stabilen Absicherung im Rahmen längerfristiger Verträge, damit die Vertragsparteien keine Ausnützung der Abhängigkeitssituation durch den anderen Vertragspartner befürchten

165 Vgl. 166 Vgl. 167 Vgl. 168 Vgl. 169 Vgl. 170 Vgl. 171 Vgl.

Picot/Dietl (1990), S. 179. Williamson (1989), S. 143. Picot/Dietl (1990), S. 179. Williamson (1985a), S. 61-63. Williamson (1979), S. 240. Williamson (1975), S. 26 ff. Schneider/Zieringer (1991), S. 52.

111. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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müssen. l72 Mit der Zunahme des Spezifitätsgrades entstehen darüber hinaus Beschreibungs- und Bewertungsprobleme der zu erstellenden Leistung, da die Anzahl von Vergleichsleistungen auf dem Markt abnimmt. Für die Verhandlungen stehen im Extremfall keine Referenzleistungen zur Verfügung, die problemrelevanten Aspekte müssen durch aufwendige Analysen erfaßt werden. Die Anbahnung und Vereinbarung des Vertrages ist mit hohen Transaktionskosten verbunden. Bei einer Funktionsausgliederung steigen daher mit zunehmender Spezifität der Leistung tendenziell die Transaktionskosten. 173 Der Anstieg ist stärker als bei einer internen Leistungserstellung, weil dort weniger Maßnahmen zur Absicherung getroffen werden müssen. Damit ergibt sich folgender Zusammenhang: Transaktionskosten extern intern

'----------------~.

Spezifitot

Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung on Picot (1982). S. 277.

Abb. 9: Zusammenhang zwischen Spezifität und Transaktionskosten 174

Das Inkasso kann zunächst als eine standardisierte Leistung eingestuft werden. Es wird von relativ vielen spezialisierten Unternehmen sowie von der Mehrzahl der Rechtsanwälte auf dem Markt angeboten. Ein Unternehmen somit hat die Möglichkeit, seine Forderungen ohne größeren Aufwand einem Rechtsanwalt oder einem Inkasso-Unternehmen zum Inkasso zu übertragen. Eine unternehmens interne Bearbeitung kann ebenfalls routinemäßig, Z.B. durch die Buchhaltung, erfol172 Vgl. Picot (1991a), S. 345 f.

173 Vgl. Picot (1990), S. 299. 174 Williamson unterstellt dabei einen Ausgangsvorteil der externen Alternative aufgrund der Bürokratiekosten der internen Leistungserstellung (vgl. Williamson (1991), S. 22 ff.).

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

gen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die Inkassofunktion durchaus verschiedene idiosynkratische Merkmale aufweist, die vor allem bei einem relativ großen Inkassovolumen zum Tragen kommen. Eine wesentliche Rolle für das Inkasso spielt dabei die Humankapitalspezififät: Obwohl die Vorgehensweise beim Forderungsinkasso weitestgehend standardisiert ist, unterscheiden sich die Forderungen einzelner Auftraggeber unter Umständen erheblich (z.B. im Forderungsgrund, der Kundenstruktur oder der Rekiamationshäufigkeit und -gründe) und sind mit den Mandanten verschiedene Bearbeitungsweisen abgesprochen (z.B. Anzahl der vorgerichtlichen Mahnungen, Mindestforderung bei Beantragung eines Mahnbescheides). Die Sachbearbeiter erwerben mit der Zeit mandantenspezifisches Wissen für die Bearbeitung der Forderungen. Für häufig wiederkehrende Probleme werden zwischen Auftraggeber und externem Partner zusätzlich implizite oder explizite Regelungen getroffen. Darüber hinaus ist die Sachbearbeitung in vielen Inkasso-Unternehmen in Gruppen organisiert, die ausschließlich die Forderungen eines oder nur weniger Auftraggeber bearbeiten. Es ist davon auszugehen, daß dies den Erwerb spezifischen Wissens noch verstärkt. Gerade im Bereich des Humankapitals besteht so die Möglichkeit einer fundamentalen Transformation. Eine Abnehmerspezifität kann sich ergeben, falls der externe Anbieter nur dann einen Vertrag mit einem neuen Mandanten abschließen kann, wenn er seine Bearbeitungskapazitäten wesentlich erweitert (z.B. PersonaleinsteIlungen, Erweiterung der EDV-Anlage). Gerade bei Neukunden mit einem großen Forderungsvolumen kann die Abnehmerspezififät deshalb von erheblicher Bedeutung sein. Gegebenenfalls ist der Standort des externen Anbieters zu berücksichtigen, wenn der Auftraggeber ihm aus Kommunikations- und Übertragungsgründen einen entsprechenden Stellenwert beimißt. Die Sachkapitalspezifität ist dagegen von geringer Bedeutung, weil sich die Anlagen für die Bearbeitung der Inkassofälle verschiedener Auftraggeber in der Regel nicht unterscheiden. Eine weitere Form der Spezifität kann sich beim Inkasso aus der Art der Forderungsbeitreibung und dem daraus resultierenden Erfolg, d.h. der Qualität des Inkassos ergeben, wenn man unterstellt, daß diese Größen in Abhängigkeit vom Anbieter variieren. Ergibt ein Bearbeitungstest potentieller Partner die qualitative Überlegenheit eines bestimmten Anbieters, kann dessen Vorgehensweise als idiosynkratische Investition betrachtet werden, die zu einem hohen Spezifitätsgrad führt. Durch ein günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis wird diese Form

ill. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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der Spezifität, die sich als "Leistungsspezifität" oder "Qualitäts-spezifität" bezeichnen läßt, noch verstärkt.

(2) Unsicherheit/Komplexität Während Komplexität die Unüberschaubarkeit und Unklarheit einer Situation aufgrund der Vielschichtigkeit der zu berücksichtigenden Zusammenhänge bezeichnet, bezieht sich die Unsicherheit auf die Unvorhersehbarkeit der Ereignisse. Unter der Annahme beschränkter Rationalität der Transaktionspartner ist es deshalb nicht möglich, eine Strategie zu entwickeln, die alle Eventualitäten einer Transaktion von vornherein berücksichtigt. Die einzelnen Alternativen zur Durchführung einer Transaktion sind in unterschiedlichem Maße dazu geeignet, der Unsicherheit und Komplexität zu begegnen. Aus diesem Grunde fallen bei den einzelnen Abwicklungsformen verschieden hohe Transaktionskosten an, um Veränderungen aufzufangen und zu verarbeiten. Die Komplexität und Unsicherheit der zukünftigen Umweltzustände, unter denen die Transaktionsleistungen erbracht und verwendet werden, sind daher als weitere Einflußgrößen der Transaktionsaktionskosten zu betrachten. 175 Unsicherheit kann sowohl zustands- als auch verhaltensbedingt sein: Während zustandsbedingte Unsicherheit aus qualitativen, quantitativen, terminlichen oder technischen Veränderungen entsteht176 , resultiert Verhaltensunsicherheit aus der Unvorhersehbarkeit der Entscheidungen des Transaktionspartners . Hinzu kommt die Möglichkeit, daß die Partner strategische Pläne gegeneinander schmieden. Dieser Unsicherheitsaspekt ist auf das opportunistische Verhalten der Vertragspartner zurückzuführen. Hier besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Spezifität: Bei unspezifischen Transaktionen ist die Unsicherheit von untergeordneter Bedeutung, da die Kontinuität der Tauschbeziehung unwichtig ist und der Transaktionspartner relativ problemlos gewechselt werden kann; im Falle einer nicht-trivialen Spezifität der Transaktion steigt dagegen mit zunehmender Unsicherheit die Notwendigkeit, Verfahren zur Problembewältigung zu entwickeln, da die Vertragslücken größer und schrittweise Anpassungen immer mehr erforderlich werden. 177 175 Vgl. Williamson (1975), S. 23 f. und (1985a), S. 56 f., Picot/Dietl (1990), S. 179. Zum Begriff der Komplexität vgl. auch Hauschildt (1977), S. 117 ff. 176 Vgl. Picot (1991a), S. 347. 177 Vgl. Williamson (1985a), S. 57 ff.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Zur Anpassung der Austauschbeziehung an die Unsicherheit bzw. Komplexität bestehen verschiedene Möglichkeiten: Beispielsweise kann ein großer Teil der Unwägbarkeiten im Vertrag (z.B. durch bedingte Alternativvereinbarungen) antizipativ berücksichtigt werden. Das hat jedoch zur Folge, daß sich der Einigungsprozeß kompliziert. Dadurch erhöhen sich die Vereinbarungskosten sowie die Kontrollkosten (z.B. für die Überwachung der korrekten Vertragserfüllung) und gegebenenfalls auch die Anpassungskosten (z.B. durch die Bereithaltung von Flexibilitätsreserven) . Eine andere Möglichkeit besteht darin, keine komplexen Verträge abzuschließen, sondern erst nach dem Eintritt von Veränderungen zu verhandeln. In diesem Fall ist es jedoch unklar, in welchem Umfang die Transaktionspartner zu einer Anpassung bereit und in der Lage sind. Hier entstehen unter Umständen hohe Anpassungskosten. Tendenziell steigen in beiden Fällen die externen Transaktionskosten bei einer Zunahme der Unsicherheit bzw. Komplexität. 178 Bei einer internen Erstellung der Leistung ist dieser Aufwand nur teilweise notwendig, die entsprechenden Transaktionskosten sind vergleichsweise geringer. Bei der Inkassofunktion handelt es sich um eine Leistung, die einen relativ geringen Grad an Unsicherheit aufweist. Umweltveränderungen, beispielsweise konjunktureller Art, können zwar einen Einfluß auf das Inkassoergebnis, nicht aber auf die Inkassofunktion selbst haben. Dieser Einfluß trifft jedoch alle alternativen Formen des Inkassos. Das gleiche gilt für Veränderungen der rechtlichen Grundlagen und ähnliche Entwicklungen. Unsicherheit kann sich deshalb vor allem aus der Bonität des externen Partners, dessen Vorgehensweise und Inkassoerfolg ergeben. Die verschiedenen Aktions- und Reaktionsmöglichkeiten sowohl des Schuldners als auch des Betreibers des Inkassoverfahrens sind zwar vielfältig, aber mit entsprechender Erfahrung überschaubar . Die vertragliche Berücksichtigung der wesentlichen Elemente des Inkassos ist somit relativ problemlos. Der größte Teil der Transaktionskosten entsteht in diesem Fall, sofern ein Inkasso-Unternehmen beauftragt wird, bei der Aushandlung der Konditionen, die durch das Erfolgshonorar bzw. die Negativpauschale auch den Qualitätsaspekt berücksichtigen.

(3) Strategische Relevanz Transaktionen können von zentraler oder peripherer Bedeutung für die Erreichung der strategischen Zielsetzungen eines Unternehmens 178 Vgl. Picot (1982), S. 272.

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

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sein.1 79 Um strategisch bedeutsame Transaktionen handelt es sich, wenn die betreffende Leistung einen wesentlichen Beitrag zur Ziel erreichung leistet. 180 Zumeist sind diese Leistungen gleichzeitig spezifisch, nicht jede spezifische Leistung ist aber zugleich auch von strategischer Bedeutung (z.B. eine untemehmensspezifische Softwarelösung).181 Alle Phasen einer strategisch relevanten Funktion sind im Vergleich zu einer peripheren Leistung mit größeren Aufwand verbunden, da eine schlechte oder eine Nicht-Erfüllung des Vertrages zu ungleich höheren Einbußen führen würde. 182 Eine strategisch relevante Leistung verursacht deshalb in der Regel höhere Transaktionskosten. Im Rahmen der inkassospezifischen Besonderheiten wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Inkassofunktion in vielen Fällen nur wenig Aufmerksamkeit zukommt, da es sich nicht um eine Kerntätigkeit eines Unternehmens handelt. Es ist daher davon auszugehen, daß das Inkasso zumeist keine besondere strategische Relevanz besitzt. Eine Erhöhung der Transaktionskosten aufgrund dieses Aspektes wird deshalb in der Regel nicht zu erwarten sein. Dies ist allerdings anders zu bewerten, falls die strategische Zielsetzung eines Unternehmens das Inkasso explizit im Hinblick auf die Liquidität miteinbezieht. (4) Rahmenbedingungen

Die Durchführung einer Transaktion erfolgt innerhalb bestimmter Rahmenbedingungen, die sich auf die Höhe der Transaktionskosten auswirken. 1. Rechtliche Rahmenbedingungen: Hier spielt der Aspekt der Rechtssicherheit eine wesentliche Rolle: In einem ökonomischen System mit hoher Rechtsunsicherheit entstehen erhebliche Informations- und Kontrollprobleme, die mit entsprechend hohen Transaktionskosten für die Stabilisierung der Austauschbeziehung verbunden sind. So muß z.B. ein Partner gefunden werden, der vertrauenswürdig ist und die Rechtsunsicherheit nicht zu seinem Vorteil ausnutzt, und es müssen Mechanismen entwickelt und durchgesetzt werden, die eine Konstanthaltung des rechtlichen Rahmens sicherstellen. In einem System mit 179 Hess unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Funktionen des Tätigkeit-Markt-Bereichs und Versorgungsfunktionen (vgl. Hess (1989), S. 6 ff.). 180 VgI. Bonus (1986), S. 328 f. 181 Vgl. Picot (1991a), S. 346 f. 182 Vgl. Meyer (1992), S. 109.

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B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

hoher Rechtssicherheit reduzieren sich solche Erfordernisse. 183 Die rechtlichen Vorschriften im einzelnen haben dagegen unterschiedliche Auswirkungen auf die Transaktionskosten. So können gesetzliche Regeln, die formale Bedingungen für Verträge schaffen (z.B. Schriftform, notarielle Beglaubigung), Transaktionskosten in Form späterer Streitkosten reduzieren. Ein anderes Beispiel ist die Verringerung von Informations- und Vereinbarungskosten durch die Regelungen des Handels- und Gesellschaftsrechts (z.B. Haftungsbestimmungen). Andere Gesetze wirken dagegen transaktionskostensteigernd, wie z.B. Regelungen, die mit Ge- und Verboten operieren oder den Rahmen für zulässige Verträge sehr eng abstecken. Beispielsweise erfordert der im Arbeits- oder Mietrecht verankerte Kündigungsschutz eine sorgfältige und somit transaktionkostenintensive Auswahl des Mitarbeiters bzw. Mieters. 184 Die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Inkasso sind klar definiert18S , so daß hier von Rechtssicherheit gesprochen werden kann. Unsicherheitsaspekte, die zu einer Erhöhung der Transaktionskosten führen können, ergeben sich lediglich aus der Rechtsprechung zu einigen speziellen Problembereichen. 186

2. Technologische Rahmenbedingungen: Die technologischen Gege-

benheiten betreffen insbesondere die Möglichkeiten der Information und Kommunikation. Verbesserte Informations- und Kommunikationstechnologien erleichtern die Suche und Anbahnung von Transaktionsbeziehungen, aber auch deren Durchführung und Überwachung. Sie reduzieren daher sowohl bei externer als auch bei interner Leistungserstellung das Niveau der Transaktionskosten. 187

Für das Inkasso sind vor allem die technischen Möglichkeiten zur Übergabe der Forderungen von Bedeutung, um bei einem größeren Forderungsvolumen nicht für jede einzelne Forderung einen gesonderten Auftrag schriftlich ausfüllen zu müssen (z.B. Datenträgeraustausch). Des weiteren kann die Form der Berichterstattung (Auswertungsvarianten etc.), die der externe Partner dem Auftraggeber anbieten kann, relevant sein. 183 Vgl. Schneider/Zieringer (1991), S. 54. 184 Vgl. Dicke/Hartung (1986), S. 13 ff. Zu gesetzlichen Rahmenbedin-

gungen vgl. auch Williamson (1991), S. 25 ff. Regelungen des BGB, RBerG, AGBG etc.; vgl. hierzu Kap. B.II.2. 186 Beispielsweise die Einschaltung von Rechtsanwälten durch Inkasso-Unternehmen (vgl. Bundesverwaltungsgericht (1991» oder die Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten durch den Schuldner (vgl. Kap. B.IV.). 187 Vgl. Picot (1982), S. 272 f.

185

III. Die Entscheidung über die Ausgliederung

81

3. Sozio-kulturelle Rahmenbedingungen: Hierzu zählen alle materiellen und geistigen Werthaltungen der Transaktionspartner: Bestehen konsensf6rdernde Bedingungen, d.h. übereinstimmende Werthaltungen, können quasi-moralische Verbindungen zwischen den Transaktionspartnern entstehen und die Transaktion kann in einer vertrauensvollen Atmosphäre durchgeführt werden. 188 Dadurch reduzieren sich zum einen die Koordinationsprobleme, zum anderen verringert sich die Gefahr opportunistischen Verhaltens. Beide Effekte führen zu einer Senkung des Transaktionskostenniveaus. 189 Die wichtigste soziale Rahmenbedingung des Inkassos dürfte eine vertrauensvolle Transaktionsatmosphäre sein, in der der Auftraggeber davon ausgehen kann, daß der Partner das Inkasso in seinem Sinne durchführt und sich keine negativen Auswirkungen auf das Unternehmensimage ergeben.

(5) Hl1ufigkeit Mit zunehmender Häufigkeit gleichartiger Transaktionen besteht die Chance zur Realisierung von "economies of scale", es kommt zu Lerneffekten und zur Entwicklung von Vertrauensbeziehungen, der Informationstluß verläuft reibungsloser. Diese Effekte führen zu einer Senkung der Transaktionskosten. Gleichzeitig verteilen sich die Kosten der Anbahnung und Vereinbarung des Vertrages auf eine größere Anzahl einzelner Transaktionen. Insgesamt sinken dadurch die durchschnittlichen Kosten pro Transaktion. 19o Großunternehmen haben deshalb tendenziell mehr Möglichkeiten zur EigenersteIlung, da interne Kapazitäten zumeist erst ab einer bestimmten Menge ökonomisch sinnvoll genutzt werden können. 191 Im Hinblick auf Investitionen ergibt sich aus der Häufigkeit einer Leistung, ob eher eine spezifische oder eine unspezifische Investition vorteilhaft erscheint. Kaum ein Anbieter wird sich auf eine Aufgabe spezialisieren, die nur gelegentlich durchzuführen ist. Dagegen lohnt sich der Einsatz spezifischer Technologien umso eher, je häufiger eine bestimmte Leistung zu er188 Williamson bezieht diesen Effekt zunächst hauptsächlich auf die interne

Organisation (vgl. Williamson (1975), s. 38 f.), später weist er jedoch darauf hin, daß die sozialen Rahmenbedingungen immer dann zu berücksichtigen sind, wenn eine Bewegung von einer Kultur zu einer anderen stattfindet (vgl. Williamson (1985a), S. 22). 189 Vgl. Kappich (1989), S. 198 ff., Williamson (1975), S. 37 ff., Picot (1991b), S. 148. 190 Vgl. Schneider/Zieringer (1991), S. 54, Picot (1982), S. 272, Williamson (1984), S. 206. 191 Vgl. Baur (1990), S. 80.

82

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

bringen ist. 192 Die Transaktionshäufigkeit ist keine eigenständige Einflußgröße, sondern wird in Verbindung mit den Einflußgrößen Spezitität, Unsicherheit und Komplexität, strategische Relevanz und den Rahmenbedingungen der Austauschbeziehung betrachtet. Sie wirkt sich nur verstärkend auf die Wirkungsrichtung dieser Größen aus. 193 Zusammenfassend zeigt Abbildung 10 die Wirkungen der einzelnen Einflußgrößen auf die Höhe der Transaktionskosten bei externer Leistungserstellung.

Ausprogung EinflußgrOßen

hoch bzw. negativ

Spezifitöt

Unsicherheit/ Kamplexitöt

strategisc he Relevanz Rahmenbedingungen

Höufigkeit

t ,

,t

niedrig bzw . positiv

t

J!

t t t

i !

insgesamt

pro Transaktion

, , t

insgesamt

pro Transaktion

erhoht die Transaktionskosten (ceteris paribus) senkt die Transaktionskosten ( ceteris paribus)

Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Baur (1990), S. 89.

Abb. 10: Einflußgrößen der Transaktionskosten

192 Vgl. Rennings (1992), S. 20. 193 Vgl. Baur (1990), S. 80, Picot (1982), S. 277.

111. Die Entscheidung über die Ausgliederung

83

d) Entscheidungsstrategie Anhand der Analyse der dargestellten Elemente der Transaktionskostentheorie lassen sich grundlegende Strategieempfehlungen für die effiziente Organisation einer bestimmten Aufgabe ableiten. Unterstellt man, daß zwischen den betrachteten Alternativen keine Produktionskostenunterschiede bestehen, kann sich die Analyse auf die Transaktionskosten beschränken. In diesem Fall ist jene Organisationsform effizient, die bei einer bestimmten transaktionalen Umwelt die geringsten Transaktionskosten verursacht. 194 Im Regelfall wird jedoch davon auszugehen sein, daß Produktionskostendifferenzen bestehen, die nicht vernachlässigt werden können. Die effIZiente Organisationsform entspricht dann der Alternative, deren Summe von Produktions- und Transaktionskosten minimal ist. 195 Spezifitöt niedrig

hoch

Produktionskosten

Vorteil extern

kein/geringer Vorteil extern

Transaktionskosten

Vorteil extern

Vorteil intern

Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung an Baur (1990), S. 114.

Abb. 11: Interdependenzen zwischen Spezifität, Transaktions- und Produktionskosten

Für eine solche Gesamtkostenbetrachtung wäre jedoch eine Operationalisierung der Produktionskosten erforderlich. Um dies zu umgehen, erfolgt die Erfassung der Produktionskostenunterschiede üblicherweise über die Einschätzung der Ausprägung der Spezifität. 196 Bei Leistungen, die einen gewissen Standardisierungsgrad aufweisen, wird der externe Anbieter diese Leistung oder Teile davon nicht nur an einen, sondern an mehrere Kunden verkaufen. Kann er aus diesem Grund Größenvorteile ("economies of scale") ausnutzen, verfügt er 194 Vgl. Windsperger (1983), S. 899. 195 Vgl. Williamson (1979), S. 245, Windsperger (1985), S. 212, Michaelis

(1985), S. 89 f., Meyer (1992), S. 105.

196 Vgl. Baur (1990), S. 117. 1 Slahrenbcrg

84

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

über Produktionskostenvorteile gegenüber der internen Leistungserstellung. Mit zunehmender Spezifität der Leistung verringert sich jedoch der Kundenkreis, die Leistungsmenge nimmt ab. Dadurch sinken auch die Produktionskostenvorteile des externen Anbieters. Im Extremfall einer vollkommen spezifischen Leistung gibt es nur noch einen Anbieter und einen Abnehmer. In diesem Fall wird angenommen, daß sich die Produktionstechnologien von Anbieter und Abnehmer nicht mehr wesentlich unterscheiden und die Produktionskosten deshalb auf annähernd gleichem Niveau liegen. 197 Unter Berücksichtigung des in Abbildung 9 dargestellten Zusammenhanges ergibt sich die Abbildung 11 gezeigte Interdependenz von Spezifität, Transaktions- und Produktionskosten. Die Ableitung der grundSätzlicher Strategieempfehlungen kann sich somit ausschließlich auf die Einschätzung der Einflußgrößen und ihrer Wirkung auf die Transaktionskosten stützen. Eine zusätzliche Erfassung der Produktionskostenunterschiede ist für Grundsatzentscheidungen nicht erforderlich. 198 Ebenso ist die Quantifizierung der Transaktionskosten nicht notwendig, da eine komparative Analyse durchgeführt wird. 199 Über die Beurteilung der Eigenschaften der jeweiligen Leistung (Spezifität, Unsicherheit/Komplexität, strategische Relevanz und Rahmenbedingungen) wird das zu erwartende Transaktionskostenniveau bestimmt. Aus der Sicht eines Unternehmens, das eine Ausgliederungsentscheidung zu treffen hat, ergibt sich mit zunehmenden externen Transaktionskosten ein Trend zur internen Leistungserstellung, mit abnehmenden externen Transaktionskosten ein Trend zur Funktionsausgliederung. Eine hohe Transaktionshäufigkeit verstärkt den jeweiligen Trend. Zusammenfassend erscheint eine Ausgliederung bei standardisierten, gut planbaren und überschaubaren Unternehmensleistungen, die keine bedeutsame strategische Relevanz besitzen, sinnvoll, sofern keine der Rahmenbedingungen dagegenspricht. Unternehmensspezifische, strategisch relevante Leistungen, die mit relativ hoher Unsicherheit bzw. Komplexität verbunden sind, sollten dagegen tendenziell im eigenen Unternehmen erbracht werden. Die Voraussetzung hierfür ist allerdings, daß das erforderliche Know-How vorhanden oder mit akzeptablem Aufwand zu erwerben ist. 200 Die beiden Basisstrategien Eigen- und FremdersteIlung bilden dabei lediglich die Extrempunkte 197 198 199 200

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Picot (1991a), S. 348 f. ebenda, S. 349, Baur (1990), S. 117. Kap. B.III.3.b). Picot (1991a), S. 352 f., Schneider (1989), S. 155.

85

1II. Die Entscheidung über die Ausgliederung

eines Kontinuums verschiedener Koordinationsformen mit unterschiedlichem Integrationsgrad. Auf entsprechend detaillierte Strategieempfehlungen anband verschiedener Ausprägungen der Einflußgrößen soll hier aufgrund der geringen Relevanz für die Inkassopraxis jedoch nicht eingegangen werden. 201

Einflußgrößen

Kasten bei Fremdbezug

Spezifitat Unsicherheit/ Komplexitot

Basis strategien

strategische Relevanz

Rahmenbedingungen fOr eine Ausgliederung

hoch

negativ

keine/ geringe

keine

EigenersteIlung

niedrig

positiv

hohe

hohe

tend enziell Fremdbezug

Praduktionskostenvorteile Transaktionsdes Anbieters kostenvort e ile tendenziell

Quelle: eigene Erstellung in Anlehnung on Picot (19930), S. 189.

Abb. 12: Grundprinzip der Transaktionskostenanalyse

Die Ableitung einer grundsätzlichen Strategieempfehlung für die Organisation der Inkassofunktion ist nicht möglich. Sofern es sich um eine große Menge an Forderungen aus einem weitestgehend anonymen Kundenkreis handelt, ist das Forderungsinkasso zwar eher als standardisierte bzw. standardisierbare Leistung einzustufen, die mit relativ geringer Unsicherheit behaftet ist. Die Ausführungen zur Spezifität haben aber gezeigt, daß verschiedene Möglichkeiten für unternehmensspezifische Investitionen bestehen, die nur im Einzelfall beurteilt werden können. Das gleiche gilt für die strategische Relevanz und die 201 Vgl. hierzu z. B. Picot (1982), S. 275, Bauf (1990), S. 119 ff., William-

son (1985a), S. 72 ff.

86

B. Theoretische Erwägungen zur Funktionsausgliederung

Rahmenbedingungen des Inkassos. Eine Entscheidung über die Ausgliederung der Inkassofunktion auf der Basis einer Transaktionskostenanalyse erfordert deshalb eine individuelle Beurteilung aller Einflußgrößen. Hier wird jedoch die Problematik der schematisierten Vorgehensweise der Transaktionskostenanalyse deutlich: Ebenso wie bei den Transaktionskosten selbst kann die Messung bzw. Beurteilung der Einflußgrößen Probleme aufwerfen. Darüber hinaus ist eine Gewichtung und gegenseitige Abwägung der einzelnen Einflußpotentiale erforderlich, falls nicht alle Einflußgrößen in die gleiche Richtung weisen. Die Transaktionskostentheorie bietet bisher keine Lösungen für diese Problematik. Sie kann daher in dieser Form nur zur tendenziellen Beurteilung des Make-or-Buy-Problems beitragen. 202

202 Vgl. Williamson (1989), S. 174.

IV. Ableitung eines integrativen Entscheidungskalküls Die Darstellung der traditionellen Vorgehensweise sowie des Transaktionskostenansatzes zeigt, daß beide Verfahren den Grundaspekt des jeweils anderen Ansatzes entweder völlig vernachlässigen oder nur bedingt berücksichtigen. Der Transaktionskostenansatz ist in dieser Hinsicht zwar umfassender, weil er explizit auf die Relevanz der Produktionskosten hinweist, die geforderte gemeinsame Minimierung von Produktions- und Transaktionskosten wird hingegen nur indirekt über die Beurteilung der Spezifität vorgenommen. Der Grund liegt vor allem in der zumeist schwierigen Operationalisierung der Transaktionskosten. Eine ähnliche Problematik besteht bei der traditionellen Vorgehensweise in Form der Quantifizierung nicht-finanzieller Kriterien. Im folgenden sollen beide Ansätze zu einem inkassospezifischen Entscheidungskalkül zusammengeführt werden, der die verschiedenen Aspekte so weit wie möglich berücksichtigt. Zur Vereinfachung wird angenommen, daß die Ausgliederungsentscheidung weder mit Investitionen noch mit Desinvestitionen verbunden ist, so daß sich der Alternativenvergleich auf eine Periode beschränken kann. Das erste Element des Kalküls bilden die internen Produktionskosten

...... 7 .... ,.,. "'.



",

.,' ,' ...

,'

..... .•...

I I.· ·~ I •.. ;111···

".1 11:·· . • o

Al

A2

A3

A4

A5

A6

A7

A8

Unternehmen B/C.

Mittelwert e hf 100

80

C2 Unternehmen •

monnlich

[J]

weiblich

0

Gesamtschuldner

Quelle: eigene Erstellung

Abb. 25: Privatschuldnergruppen

5) Alter des Schuldners Lediglich in sieben der untersuchten Unternehmen konnte das Alter des Schuldners erhoben werden. Allerdings stand auch hier diese In-

161

IV. Datenanalyse

formation nicht für alle Inkassofälle zur Verfügung. Auf der Basis verschiedener Untersuchungsergebnisse war folgender Zusammenhang zwischen dem Alter des Schuldners und der Inkassoeffektivität vermutet worden:

H10: Mit zunehmendem Lebensalter des Schuldners steigen die Erjolgsaussichten der InkassotlJtigkeit. Zumindest liegt die durchschnittliche Effektivitat von Forderungen gegen Schuldner, die 40 Jahre und alter sind, aber der von Forderungen gegen jungere Schuldner. Die Befunde der zunächst mit den noch ungruppierten Daten durchgeführten Regression weisen weder auf einen linearen noch auf einen nicht-linearen Zusammenhang hin. Nur in einem einzigen Unternehmen (Al) besteht ein signifikanter, linear positiver Zusammenhang, wie ihn die Hypothese unterstellt. 57 Der erste Satz der Hypothese 10 kann auf dieser Basis jedoch nicht bestätigt werden. Im nächsten Schritt wurden die Daten in zwei Altersklassen aufgeteilt: eine Gruppe mit Schuldnern bis zu 40 Jahren, die andere mit Schuldnern im Alter von 40 Jahren und darüber. Abbildung 26 gibt einen Überblick über die jeweiligen Gruppenmittelwerte der Inkassoeffektivität. Mittelwert e hf 100 . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - ,

80 60 40

20

o

Al

A3

A5

A6

A7

A8

C2

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

Abb. 26: Alter des Schuldners

57 at =

+ 0,53, R2=0,015 (Sign. =0,04).

~

bis 40 Jahre

[2J

ober 40 Jahre

162

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Die Differenzen der Gruppenmittelwerte sind in keinem der sieben Unternehmen signifikant. Zwar ist der Anteil der jüngeren Altersklasse in allen Unternehmen größer, ein Einfluß des Lebensalters auf die Rückführung der Forderung kann jedoch nicht festgestellt werden. 58 Die vorliegenden Befunde bestätigen die Ergebnisse von Holzscheck, Hörmann und Daviter zum Forderungsausgleich bei gekündigten Krediten nicht. 59 Die Gültigkeit von Hypothese 10 wird abgelehnt.

6) Firmen- versus Privatschuldner Für die Überprüfung der Hypothese 11 konnten die Daten von fünf Inkasso-Unternehmen herangezogen werden, da in allen anderen untersuchten Unternehmen keine Forderungen gegen Firmen in der Stichprobe enthalten waren. 60 Hll.' Die EjJektivitlJt der Forderungsbeitreibung ist bei Firmenschuld-

nern hiJher als bei Privatschuldnern.

Die Befunde zu den durchschnittlichen Effektivitätswerten dieser beiden Schuldnergruppen weisen große Unterschiede auf.6 1 Aus Abbildung 27 ist erkennbar, daß das Inkasso gegenüber Firmenschuldnern im Durchschnitt effektiver ist als gegenüber Privatschuldnern. Die beobachtete Mittelwertdifferenz ist in allen Unternehmen, mit Ausnahme von B4, signifikant. Die Befunde bestätigen die Aussage der Hypothese 11. Die betrachtete Gruppenzugehörigkeit ist dabei von unterschiedlicher, im Fall von B3 sogar vergleichsweise hoher, Bedeutung für die Erklärung der Gesamtvarianz der Effektivität. Tab. 9: Varianzerklänmg durch Firmen-lPrivatschuldner

Unt.

81

Eta"'100 Si9n.

2,5 6,5 21,1 0,02 0,00 0,00

82

83

84

C2 4,0 0,01

58 Vgl. Anhang, S. 216. 59 Vgl. Kap. C.II.2. 60 Dies entspricht dem normalen Tätigkeitsfeld dieser Unternehmen. Aufgrund der Zusammensetzung ihres Kundenkreises sind keine oder nur sehr wenige Forderungen gegen Firmen zu bearbeiten. 61 Vgl. Anhang, S. 216.

163

IV. Datenanalyse

Millelwert eh!

100

l!iI C2J

80

Firmenschuldner Privatschuldner

60

40 20

o

81

82

83

84

C2

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

Abb. 27: Privat-/Firmenschuldner

7) Branche der Schuldnerjirma Nach der Abgrenzung zu den Privatschuldnern wurden die Firmenschuldner anband ihres jeweiligen Haupttätigkeitsfeldes näher untersucht. Die Basis bildeten die gleichen fünf Unternehmen, wobei nicht in allen Fällen die Branche des Schuldners ermittelt werden konnte. 62

H12: In der EffektivitlJt des Inkassos gibt es signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Branchengruppen der Firmenschuldner. Obwohl die Werte der verschiedenen Branchen relativ hohe Differenzen aufweisen63 , liefert die durchgeführte Varianzanalyse nur für das Unternehmen B2 ein signifikantes Ergebnis: Die durchschnittliche Effektivität des Inkassos gegen Firmen aus dem Dienstleistungsbereich ist in diesem Fall signifikant niedriger beim Forderungsinkasso gegen Firmen aus dem Handelsbereich. 64 In allen anderen Unternehmen 62 Dies war z.B. der Fall, wenn der Firmenname keinen Rückschluß auf die Branche zuließ und keine weiteren Unterlagen zur Verfügung standen. 63 Vgl. Anhang, S. 214. 64 Eta2 • 1()()= 12,4 (Sign. =0,03). 12 Slobrenberg

164

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

können die beobachteten Unterschiede in der Inkassoeffektivität nicht auf den Einfluß der Schuldnerbranche zurückgeführt werden. Hypothese 12 ist anhand der vorliegenden Befunde nicht zu bestätigen. 8) Mehifachschuldner

Dieses Kriterium konnte nur in acht Unternehmen erhoben werden. 65 Zu überprüfen war der in Hypothese 13 formulierte negative Einfluß mehrerer Forderungen gegen einen Schuldner auf den Erfolg der Forderungsbeitreibung. R13: Die EjJektivitiJt des Inkassos ist bei Mehifachschuldnern geringer als bei Schuldnern, gegen die nur eine Forderung vorliegt.

Die durchschnittliche Effektivität der Gruppe der Mehrfachschuldner ist in allen Fällen niedriger als die der Vergleichsgruppe mit nur einer Forderung (Abbildung 28), aber nur in drei der Unternehmen ist dieser Unterschied signifikant. Die Befunde können Hypothese 13 somit insgesamt nicht bestätigen.

Mittelwert e hf

100 , - - - - - - - - - - - - - - - - ----,

80

iiiil l2J

Mehrfachschuldner kein Mehrfachschuldner

60

40

A2

A3

A7

A8

81

84

Cl

C2

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

Abb. 28: Einmal-/Mehrfachschuldner

65 Vgl. Kap. C.III.2.; zu den Befunden vgl. Anhang, S. 217.

165

IV. Datenanalyse

Tab. 10: Varianzerklärung durch Mehrfachschuldner Unt.

A2

Eta l '100 Sign.

2,0 0,03

A3

---

A7

---

A8

81

---

4,2 0,00

84

C1

-- -----

C2 5,7 0,00

Auffällig ist, daß in zwei dieser drei Unternehmen Mehrfachschuldner nur "per Zufall" vom Sachbearbeiter erkannt werden. In den anderen Unternehmen bestehen EDV-Routinen, oder es wird eine manuelle Überprüfung durchgeführt. Das läßt vermuten, daß bei gezielter Ermittlung von Mehrfachschuldnern eine entsprechende Bearbeitung erfolgt, die sich positiv auf die Inkassoeffektivität dieser Fälle auswirkt. 9) Wechselwirkungen

Für die Analyse möglicher Wechselwirkungen zwischen den Einflußfaktoren wurde eine mehrfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt, da die Mehrzahl der Einflußfaktoren nicht metrisch skaliert war. Die Forderungshöhe, als einzige in allen Unternehmen erhebbare, metrisch skalierte Variable, wurde dabei als Kovariate berücksichtigt, um einen möglichen systematischen Einfluß dieser Variablen auf die anderen unabhängigen Faktoren zu kontrollieren. Aus diesem Grunde wurde zuerst die Kovariate in die Analyse einbezogen und danach die Faktoren angepaßt. 66 Für die Unternehmen der Gruppen A und C wurden die Faktoren Privatschuldnergruppe und, soweit erhebbar , die Gläubigerbranche $owie das Kriterium "Mehrfachschuldner" berücksichtigt, für die Gruppe B entsprechend die Zugehörigkeit zur Gruppe der Privat- oder Firmenschuldner , die Gläubigerbranche und, ebenfalls soweit erhebbar, das Kriterium "Mehrfachschuldner" . Die Faktoren "Alter der Forderung", "Alter des Schuldners" sowie "Branche der Schuldnerfirma" wurden ausgeklammert, da sie in den einzelnen Unternehmen nicht für alle Inkassofälle zu erheben waren. Die Befunde der auf dieser Basis durchgeführten Varianzanalyse weisen nur in Einzelfällen auf signifikante Interaktionen der Variablen hin. Die Berücksichtigung der Kovariate führt nur in zwei Fällen zu einer Veränderung der Befunde der isolierten Analyse der Einflußfaktoren. In Unternehmen Al entsteht unter Berücksichtigung der 66

~u den Möglichkeiten der Berechnungsreihenfolge vgl. Brosius (1988), S.388.

166

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Forderungshöhe ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Gläubigerbranche und der Effektivität. Bei isolierter Betrachtung der Gläubigerbranche ist dies nicht der Fall gewesen. Dieser Befund kann durch eine sehr unterschiedliche Durchschnittshöhe der Forderungen der einzelnen Gläubigerbranchen in diesem Unternehmen erklärt werden. 67 Die Aussagen zu Hypothese 7 verändern sich hierdurch jedoch nicht. In Unternehmen A5 ist unter dem Einfluß der Forderungshöhe der Unterschied zwischen der durchschnittlichen Inkassoeffektivität bei männlichen und weiblichen Schuldnern, im Vergleich zur isolierten Betrachtung dieses Faktors, nicht mehr signifikant. Dieser Befund ist daher weiter konform zu Hypothese 9. Zwischen den genannten Faktoren sind, außer bei Unternehmen B3, keine signifikanten Wechsel wirkungen zu beobachten. In diesem Inkasso-Unternehmen besteht eine signifikante Interaktion zwischen der Gläubigerbranche und den Firmen- bzw. Privatschuldnern. Bei Betrachtung der durchschnittlichen Effektivitätswerte der beiden Schuldnergruppen in den verschiedenen Branchen zeigt sich, daß die Werte der Firmenschuldner in Abhängigkeit von der Gläubigerbranche sehr unterschiedlich ausfallen, bei den Privatschuldnern ist dieser Unterschied dagegen nicht so stark ausgeprägt.68 Da sich in fast allen Fällen die Einzelbefunde nicht wesentlich verändert haben und keine bedeutsamen Interaktionen zwischen den Einflußfaktoren vorliegen, ist der Anteil der durch dieses Analysedesign erklärten Varianz relativ gering. Mit Ausnahme von Unternehmen B3 (Eta2 • 100 =36,6%) liegt dieser Wert in allen anderen Unternehmen unter 15% und ist zum Teil nicht einmal signifikant. 69 Die bisher betrachteten Einflußfaktoren haben damit nur eine geringe Erklärungskraft für die Effektivität des Inkassos. Die Relevanz der verschiedenen Faktoren kann im Einzelfall dennoch nicht außer acht gelassen werden. ab) Implilcotionen für die Inkassopraxis

Zum Zeitpunkt der Übergabe der Forderung an ein Inkasso-Unternehmen existieren offensichtlich nur wenige erfolgsrelevante Informatio67 Vgl. Anhang, S. 217. 68 Vgl. Anhang, S. 217. 69 Eine Übersicht zum Analysedesign findet sich im Anhang, S. 220.

IV. Datenanalyse

167

nen. Dennoch kann bereits die kritische Beurteilung der Schuldnerstruktur sowie gegebenenfalls der Höhe der auszugliedernden Forderungen die Einschätzung der Erfolgsaussichten des Inkassos erleichtern. Ebenso ist die Wahl des Ausgliederungszeitpunktes, d.h. das Forderungsalter in Betracht zu ziehen. Pauschale Erwartungshaltungen des ausgliedernden Unternehmens können so möglicherweise bereits zu Beginn modifiziert und den forderungsspezifischen Gegebenheiten angepaßt werden. Für die Inkasso-Unternehmen können sich aus den genannten Kriterien zum einen Anhaltspunkte für die Beurteilung zu übernehmender Forderungen und einer entsprechenden Vertragsgestaltung mit dem Auftraggeber ergeben. Zum anderen kann eine differenzierte Bearbeitung anband dieser Faktoren, soweit dieses nicht schon der Fall ist, einen positiven Effektivitätsbeitrag versprechen. Darüber hinaus deuten die Befunde auf eine positive Wirkung der gezielten Ermittlung von Mehrfachschuldnern und einer speziellen Bearbeitung dieser Fälle hin. Allerdings scheint eine Abwägung des zusätzlichen Bearbeitungsaufwandes im Vergleich zur erwarteten Effektivitätssteigerung aufgrund des zumeist geringen Erklärungspotentials der genannten Faktoren notwendig. Insgesamt lassen die Befunde vermuten, daß die aktuelle Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit der Schuldner - als Gemeinsamkeit der zum Inkasso übergebenen Fälle - andere Unterschiede in den Forderungsattribute der Einzelfälle überlagert. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß es sich bei den untersuchten Forderungen bereits um eine Negativauslese aus dem ursprünglichen Forderungsbestand des ausgliedernden Unternehmens handelt. Im InkassoUnternehmen findet dann wiederum eine Trennung dieser bereits vorsortierten Forderungen in Erfolgs- und Nichterfolgsfälle statt. 70 Die Versorgung der Inkasso-Unternehmen mit mehr forderungs- und schuldnerspezifischen Daten durch das ausgliedernde Unternehmen könnte möglicherweise zu einer gezielteren und damit besseren Bearbeitung beitragen. 71

70 Vgl. Kap. B.III.2.b) (1). Auf ein Informationsdefizit der Inkasso-Unternehmen wird auch in der Literatur hingewiesen (vgl. Jaffe (1989), S. 53).

71

168

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

b) Aktionsdaten des Inkasso-Unternehmens Im Gegensatz zu den Attributen der Forderung unterscheiden die sich aus dem Inkassoverlauf ergebenden Aktions- und Reaktionsdaten die Einzelfälle nach Verhaltensaspekten. Inwieweit sich hieraus Erklärungen für den Inkassoerfolg ergeben, wurde in den folgenden Analyseabschnitten untersucht. Mit der ersten Mahnung des Inkasso-Unternehmens beginnt das vom ausgliedernden Unternehmen unabhängige Stadium des Inkassoprozesses. Neben der üblichen Methode der Versendung eines Mahnschreibens stehen dem Inkasso-Unternehmen noch andere, seltener verwendete Inkassomethoden zur Verfügung, deren möglicher Einfluß auf die Effektivität des Inkassos untersucht wurde.

ba) Aktionsschwerpunkt Mahnschreiben: mit steigender Anzahl sinken die Erfolgschancen 1) Mahnschreiben Vor der Analyse der Mahnschreiben als Einflußfaktor der Effektivität, wurde zunächst die von den einzelnen Inkasso-Unternehmen versandte Standardanzahl an vorgerichtlichen Mahnungen für die Fälle ermittelt, in denen keine Reaktion des Schuldners während des vorgerichtlichen Inkassoprozesses verzeichnet werden konnte.

H14: Bei Nichtreaktion des Schuldners leiten die Inkilsso-Unternehmen bereits nach einer einzigen Mahnung das gerichtliche Mahnverfahren ein. Für die Berechnung der durchschnittlich im Nichtreaktionsfall verschickten Mahnungen wurde das gewichtete arithmetische Mittel der Anzahl der Mahnungen verwendet. Zehn der untersuchten Inkasso-Unternehmen verschicken im Durchschnitt zwei oder mehr Mahnungen, wenn der Schuldner nicht reagiert, bevor sie gerichtliche Schritte einleiten. Das sind 71,4% der untersuchten Unternehmen. Mehr als drei Mahnungen versenden immer noch rund ein Drittel (35,7%) aller Unternehmen. Die Befunde zeigen, daß es zwar Inkasso-Unternehmen gibt, die wie in der Hypothese vermutet verfahren, aber daß dies nicht als vorherrschende Praxis bezeichnet werden kann. Aus Abbildung 29 läßt sich eine Obergrenze von maximal vier bis fünf Mahnungen für die große Mehrheit der Unternehmen ableiten. Die meisten der untersuchten Unternehmen

169

IV. Datenanalyse

versenden zwei bis drei vorgerichtIiche Mahnungen bei Nichtreaktion des Schuldners. Hypothese 14 wird somit abgelehnt. Es ist davon auszugehen, daß die Inkasso-Unternehmen in der Regel eine spezielle vorgerichtliche Tätigkeit ausüben, deren Schwerpunkt nicht von vornherein die gerichtliche Geltendmachung der Forderung ist. 72 durchschnittliche Anzahl der Mahnungen

8

6

-----------

4

------------------------------------ -----------------------------------------------------------------------------------

o

~

__

L_~~~~~_ _~L_~~_L~~~

81 A8 A2 Al

A6 A4 A7

C2 82 Cl A3 A5

84 83

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

Abb. 29: Anzahl der Mahnungen bei Nichtreaktion des Schuldners

Um systematische Verzerrungen durch die Standardbehandlung der nichtreagierenden Schuldner zu vermeiden, wurden diese von der weiteren Analyse ausgeklammert und nur die Inkassofälle betrachtet, in denen eine Schuldnerreaktion vorlag. Zum potentiellen Einfluß der Anzahl der Mahnschreiben auf die Inkassoeffektivität war folgende Hypothese zu überprüfen:

H15: Es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der Anzahl der Mahnschreiben und der Effektivitat, d.h. je mehr Mahnungen notwendig sind, desto niedriger ist die EffektivitlJt des Inkassos. Aus der durchgeführten Regressionsrechnung ergibt sich in fast allen Unternehmen ein signifikanter Befund für einen linearen Zusammenhang zwischen der Mahnungszahl und der Effektivität. 72 Vgl. Kap. C.II.2.

c.

170

Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Tab. 11: Einfluß der Anzahl der Mahnschreiben (linear) Unt.

:L

A2

-7,58 -9,20 100 8,3 30,4

Sign. Unt.

:L

A1

0,00 0,00 81

82

-3,03 -9,35 100 8,2 11,2

Sign.

0,00 0,00

Al

---83

-----

A4

A5

A6

A7

A8

-18,16 -17,92 -10,50 -13,00 -15,11 56,0 21,3 23,4 7,4 67,4 0,00 84

0,00 C1

-6,95 -31,57 4,2 56,2 0,05

0,00

0,00

0,01

0,00

C2

--

--

--

Das Vorzeichen des Regressionskoeffizienten ist jeweils negativ. Die durchschnittliche Inkassoeffektivität sinkt mit jeder Mahnung im Extremfall um bis zu 32 %. Die vermutete Richtung des Wirkungszusammenhanges wird damit bestätigt. Der durch die Anzahl der Mahnungen erklärte Anteil an der Gesamtvarianz der Effektivität variiert stark zwischen den verschiedenen Unternehmen, ist aber insgesamt relativ hoch. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen A und B. Die Stärke des Einflusses ist in den Unternehmen der Gruppe A und in Unternehmen Cl deutlich stärker ausgeprägt als in Gruppe B. Insgesamt betrachtet, wird Hypothese 15 bestätigt: Die Anzahl der vorgerichtlichen Mahnungen ist ein wichtiger negativer Indikator der Inkassoeffektivität.

2) Telejoninkasso In den untersuchten Inkasso-Unternehmen war der Einsatz des Telefoninkassos nur von geringer Bedeutung. Lediglich in drei Unternehmen wurde diese Methode für Forderungen der Stichprobe verwendet, wenn auch nur in einer geringen Anzahl von Fällen. Die positive Beurteilung der Effektivität des Telefoninkassos durch Fachleute hatte zur Formulierung der folgenden Hypothese geführt:

H16: Die durchschnittliche InkassoeffektivitlJt beim Einsatz von Telejoninkasso ist mindestens ebenso hoch wie im Falle des Forderungsinkassos ohne diese Maßnahme. Da das Telefoninkasso immer mit einer Reaktion des Schuldners verbunden ist, wurde die bereits für die Analyse der Mahnschreiben

171

IV. Datenanalyse

verwendete Berechnungsbasis der Inkassofälle mit Schuldnerreaktion beibehalten. Mittelwert e hf

l!Iiil EJ

100

Telefoninkosso kein Telefon-

inkasso

80

60 40 20

o

Al

A2

C2

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

Abb. 30: Telefoninkasso

Die aus Abbildung 30 ersichtlichen Unterschiede zwischen den Gruppen mit und ohne Telefoninkasso sind in zwei Unternehmen (A2, C2) signifikant (Sign. =0,00). Die durch dieses Kriterium erreichte Varianzerklärung liegt bei 10,2% (A2) bzw. 15,2% (C2). Die durchschnittliche Effektivität der Forderungen mit Telefoninkasso ist jedoch signifikant niedriger, es liegt somit ein hypothesenkonträrer Befund vor. In Unternehmen Al konnte dagegen in allen Fällen mit Telefoninkasso eine Vollzahlung verzeichnet werden, der Unterschied ist aber nicht signifikant. 73 Hypothese 16 wird durch die vorliegenden Befunde nicht bestätigt. Zur Wirkung des Telefoninkassos auf die Effektivität kann keine eindeutige Aussage getroffen werden. Es ist zu vermuten, daß die Vorselektion der Fälle, in denen diese Methode eingesetzt wird, von Bedeutung für die Effektivität des Telefoninkassos ist.

73 Vgl. Anhang, S. 218.

172

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

3) Außendienst Nur eines der untersuchten Inkasso-Unternehmen setzte im vorgerichtlichen Stadium einen Außendienst zur Beitreibung von Forderungen ein. 74 H17: Der Einsatz eines Außendienstes wirkt positiv auf die Effektivi-

tlJt: In FlJIlen, in denen perSiJnliche Schuldnerbesuche durchge-

fUhrt werden, ist sie hiJher als in FlJIlen ohne Außendienstein-

satz.

Wie das Telefoninkasso, ist auch der Außendiensteinsatz durch den direkten Kontakt mit dem Schuldner immer mit einer Reaktion verbunden. Die Analyse erfolgte daher auf der gleichen Basis von Inkassofällen wie zuvor. Tab. 12: Befunde Außendiensteinsatz Anz. Mittelwert 95X Konfidenzehf intervall ehf 63 AUßendienst kein Außendienst 215

56,8 69,6

45,0 - 68,8 63,8 - 75,3

Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen ist signifikant (Sign. =0,04). Da die durchschnittliche Effektivität bei Einsatz des Außendienstes niedriger ist, liegt jedoch ein hypothesenkonträrer Befund vor. Dabei ist die durch den Faktor Außendiensteinsatz erklärte Varianz der Inkassoeffektivität mit 1,5% allerdings äußerst gering. Hypothese 17 wird nicht bestätigt. Auch dieser Befund könnte möglicherweise durch die Vorauswahl der Fälle, die der Außendienst übernimmt, erklärt werden. Eine Nachfrage im Unternehmen ergab, daß insbesondere Schuldner mit vergleichsweise hohen Forderungen von einem Außendienstmitarbeiter besucht werden. Tatsächlich ergibt die Überprüfung der durchschnittlichen Forderungshöhe von Inkassofällen mit und ohne Außendiensteinsatz einen signifikanten Betragsunterschied. In der Gruppe mit Außendiensteinsatz ist die durchschnittliche Forderungshöhe mit 1190 DM signifikant höher als in der Gruppe ohne Außendiensteinsatz, in der diese nur 738 DM beträgt. Hinsichtlich des Einflusses der Forderungshöhe liegt in diesem Inkasso-Unternehmen jedoch ein 74 Um die Anonymisierung der Unternehmensdaten zu gewährleisten, kann das Inkasso-Unternehmen an dieser Stelle nicht genannt werden.

IV. Datenanalyse

173

signifikant negativer Befund vor. Die niedrigere Effektivität des Außendienstes ist daher vor dem Hintergrund einer für die Effektivität ungünstigeren Forderungsbasis zu sehen. Eine generelle Aussage über die Effektivität eines Außendiensteinsatzes kann auf der Basis dieser Befunde nicht gemacht werden. 4) Postnachnahmen

Lediglich drei der untersuchten Inkasso-Unternehmen (A8, BI, Cl) verwenden Postnachnahmen zur Beitreibung der Forderungen. Zur Wirkung dieser Methode im Hinblick auf die Inkassoeffektivität war keine Hypothese formuliert worden. Für die Analyse wurden nur die Forderungen betrachtet, zu deren Inkasso Postnachnahmen verschickt wurden. Mit einer Regressionsanalyse wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der Anzahl der versandten Postnachnahmen und der Effektivität untersucht. Der daraus resultierende Befund ist nur für Unternehmen A8 signifikant (Sign. =0,(0). Hier steigt die Effektivität mit der Anzahl der Postnachnahmen. Der Anteil der erklärten Varianz beträgt 14,2%. Sofern ein Schuldner die Postnachnahmen einlöst, ist es in diesem Fall offenbar lohnend, ihm weitere Nachnahmen zuzusenden. Der pro Nachnahme erzielte Effektivitätsanstieg ist mit al = + 1,13 allerdings gering. Ein Grund dafür könnte sein, daß die Nachnahmen jeweils nur über geringe Teilbeträge der Gesamtforderung ausgestellt sind, so daß die Zahlungen nur wenig zur Rückführung der Hauptforderung beitragen. In den anderen beiden Unternehmen hat auch die mehrfache Zusendung von Postnachnahmen keinen Einfluß auf die Inkassoeffektivität. In diesen Fällen scheint die Postnachnahme eher den Charakter eines Mahnschreibens zu besitzen und wird vom Schuldner ignoriert. Eine Analyse von Wechselwirkungen der Aktionsdaten wurde nicht durchgeführt, da lediglich das Mahnschreiben von allen Unternehmen zum Forderungsinkasso benutzt wird. bb) Implikationen für die Inlcassopraxis

Aus den Befunden zum Einfluß der Anzahl der Mahnungen auf die Effektivität des Inkassos ergeben sich für die Praxis vermutlich keine grundsätzlich neuen Erkenntnisse. Von Interesse kann in diesem Zusammenhang jedoch sein, daß die Stärke des negativen Einflusses der

174

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Mahnungen in den einzelnen Unternehmen stark variiert. Hier bestehen gegebenenfalls Ansätze für Veränderungen oder Flexibilisierungen der Mahnrhythmen. Es ließe sich beispielsweise folgende Vorgehensweise ableiten: Je stärker die negative Bedeutung der Anzahl der Mahnschreiben für die Erklärung der Effektivitätsvarianz ist, desto eher ist die Anzahl der Mahnschreiben vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zu reduzieren. Andererseits kann es bei einem geringen Einfluß der Anzahl der Mahnungen auf die Inkassoeffektivität durchaus sinnvoll sein, eine oder mehrere zusätzliche Mahnungen im vorgerichtlichen Stadium zu versenden. Hierzu wäre in den InkassoUnternehmen das Zahlungsverhalten in Abhängigkeit der Mahnungen zu untersuchen und die Mahnrhythmen wären unter Umständen entsprechend anzupassen. Die Effektivität der übrigen Inkassomethoden konnte nicht eindeutig geklärt werden. Die Befunde weisen darauf hin, daß eine Beurteilung der Inkassoeffektivität dieser Methoden nur vor dem Hintergrund der individuellen Anwendungsvoraussetzungen im jeweiligen InkassoUnternehmen erfolgen kann.

c) Reaktionsdaten des Schuldners Mit seiner Reaktion signalisiert der Schuldner dem Inkasso-Unternehmen seine grundsätzliche Kommunikationsbereitschaft. Nicht jede Reaktion ist jedoch zugleich mit einer Zahlung oder sogar einer Vollzahlung verbunden. Deshalb wurde im folgenden der Zusammenhang zwischen einzelnen Aspekten der Schuldnerreaktion und der Inkassoeffektivität untersucht. Entsprechend wurden der Analyse nur die Inkassofälle zugrundegelegt, in denen eine Reaktion des Schuldners verzeichnet werden konnte.

ca) Ratenvereinbarung als Negativindikator 1)

Reaktionszeit

Unabhängig von der Art der Reaktion wurde für alle Fälle der Zeitraum zwischen der ersten Kommunikation des Inkasso-Unternehmens mit dem Schuldner und dessen erster Reaktion, gemessen in Monaten, bestimmt. Hinsichtlich des potentiellen Einflusses dieser Größe auf die Inkassoeffektivität ist folgendes zu überprüfen:

175

IV. Datenanalyse

H19: Die Zeitdauer zwischen der ersten Mahnung des Inkasso-Unternehmens und der ersten Reaktion des Schuldners steht in einem negativen Zusammenhang mit der Effektivitat der Inkassobemahungen: je IlJnger die Reaktionszeit, desto geringer die EfjektivitlJt. Tab. 13: Einfluß der Reaktionszeit (linear)

Unt.

:L

A1

A2

A3

-5,15 -6,78 -11,79 100 3,4 9,6 7,2

Sign.

0,00 0,00

0,00

Unt.

81

:L

82

83

----

---

----

100

Sign.

--

A4

---

-84 -3,64 4,7 0,03

A5

----

C1

----

A6 -5,89 12,2 0,00

A7

----

A8 -8,12 28,S 0,00

C2

----

In sechs Unternehmen ergibt die Regressionsrechnung einen signifikanten Befund für einen linearen Zusammenhang zwischen Reaktionszeit und Effektivität. Der Regressionskoeffizient ist in allen sechs Fällen negativ. Mit jedem Monat, der bis zur ersten Reaktion des Schuldners vergeht, sinkt die durchschnittliche Inkassoeffektivität zwischen 5% und 12%. Dieser Befund bestätigt die in Hypothese 19 vermutete Richtung des Zusammenhanges. Die durch den betrachteten Einflußfaktor erreichte Varianzerklärung ist unterschiedlich, überwiegend jedoch schwach ausgeprägt. Auffallend ist der vergleichsweise hohe Wert von 28,8% in Unternehmen A8 (Tabelle 13). Die Befunde deuten darauf hin, daß dem betrachteten Zeitraum zwischen der ersten Mahnung und der ersten Reaktion des Schuldners in Einzelfällen durchaus eine Bedeutung für die Inkassoeffektivität zukommen kann. Dies gilt insbesondere bei isolierter Betrachtung der Gruppe A. Insgesamt gesehen wird die Hypothese durch die vorliegenden Befunde aber nicht bestätigt, da für die Mehrzahl der Unternehmen kein signifikanter Zusammenhang vorliegt. 2) Ratenvereinbarung und Stundung Aufgrund der ähnlichen Charakteristik dieser beiden Reaktionsformen

176

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

war eine gemeinsame Hypothese formuliert worden. Die Untersuchung der jeweiligen Vereinbarung erfolgte jedoch getrennt. H20: Es besteht kein Unterschied in der durchschnittlichen EjJektivitl1t des Inkassos von Forderungen mit bzw. ohne Raten- oder Stun~ dungsvereinbarungen. In den Unternehmen A4, B3, B4 und Cl waren jeweils in weniger als fünf Inkassofällen der Stichprobe Ratenvereinbarungen getroffen worden, so daß diese vier Unternehmen nicht in die Analyse einbezogen wurden. Mittelwert e hf

100

BO 60

40 20

o

Al

A2

A3

A5

A6

A7

AB

81

82

C2

Unternehmen

~

Ratenvereinbarung

Quelle: eigene Erstellung

EJ

keine Ratenvereinbarung

Abb. 31: Ratenvereinbarung75

Abbildung 31 zeigt in allen Unternehmen eine deutliche Differenz der durchschnittlichen Effektivität für die Gruppen mit und ohne Ratenvereinbarung. Im Gegensatz zur Hypothese ist diese Differenz, mit Ausnahme von Unternehmen AS, in allen Fällen signifikant. Entscheidend ist hierbei, daß sich die Fälle, in denen eine Ratenvereinbarung getroffen wurde, negativ von denen ohne eine solche Vereinbarung unterscheiden. Die Bekundung der Zahlungswilligkeit durch den Schuldner in Verbindung mit der Anpassung der Zahlungen an dessen individuelle Möglichkeiten vermögen offensichtlich die Auswirkungen 75 Vgl. hierzu auch Anhang, S. 218.

177

IV. Datenanalyse

eventueller Zahlungsschwierigkeiten nicht zu kompensieren. Hypothese 20 wird für Ratenzahlungsvereinbarungen abgelehnt. Bei der Betrachtung des erklärten Anteils an der Varianz der Effektivität zeigt sich darüber hinaus, daß dem Kriterium Ratenvereinbarung eine vergleichsweise hohe, negative Bedeutung zukommt. Tab. 14: Varianzerldärung durch Ratenvereinbarung Unt.

A1

A2

A3

AS

A6

A7

ETAZ ·100 6,1 34,3 4,9 24,2 27,2 14,3 Sign. 0,00 0,00 0,01 0,00 0,00 0,00

A8

.. ..

81

82

C2

16,2 19,8 43,9 0,00 0,00 0,00

Die vorliegenden Befunde weisen damit deutlich auf die Problematik der Ratenzahlungsvereinbarungen hin: Entweder der Schuldner zahlt trotz der Vereinbarung überhaupt nicht oder er stellt seine Zahlungen nach einiger Zeit wieder ein. Die Analyse des Zahlungsverhaltens bei einem Ratenzahlungsabkommen zeigt, daß der zweite Problemkreis von größerer Bedeutung ist (Abbildung 32). In allen Unternehmen kommen deutlich weniger als die Hälfte der Inkassofälle, in denen Ratenzahlungen vereinbart wurden, zum Abschluß, obwohl in den meisten Fällen zunächst mit den Zahlungen begonnen wurde. Prozent

100

................... ~ .. . . ......

80

~

.. .

60 40 20

o

Al

A2

A3

A5

A6

A7

A8

81

C2

82

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

~

Zahlung

EJ

Vollzahlung

Abb. 32: Zahlungsverhalten bei Ratenvereinbarung76 76 Anzahl der Ratenvereinbarungen = 100%.

c. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

178

Der Fall, daß dem Schuldner eine Fristverlängerung für die einmalige Zahlung des Gesamtbetrages eingeräumt wurde, war ebenfalls anhand von Hypothese 20 zu untersuchen. Diese Zahlungsmodalität wurde jedoch nur von zwei Unternehmen in mehr als fünf Inkassofällen der Stichprobe vereinbart. In beiden Unternehmen unterscheiden sich die Fälle mit und ohne Stundungsvereinbarung signifikant voneinander. Dabei ist die durchschnittliche Effektivität bei einer Stundung ebenfalls signifikant geringer. 77 Auch für Stundungsvereinbarungen ist Hypothese 20 auf der Basis dieser Befunde abzulehnen. Der durch die Stundung erklärte Varianzanteil hat mit 2,9% (Al) bzw. 5,7% (A3)78 eine ähnliche Größenordnung wie die entsprechenden Werte für Ratenvereinbarungen in den Unternehmen Al und A3. Das deutet darauf hin, daß beiden Zahlungsvereinbarungen eine vergleichbare, negative Bedeutung für die Inkassoeffektivität zukommt. Mittelwert ehf 100 , - - - - - - - - - - - - - - - - - - ,

~ Stundung 80

........................................................................................................

keine Stundung

60 40 I····················

20

o

Al

A3 Unternehmen

Quelle: eigene Erstellung

Abb. 33: Stundung

3) Reklamation

Bei der Analyse dieses Merkmals ist zu beachten, daß es sich hier nur um Einwände des Schuldners gegenüber berechtigten Forderungen 77 Zu den Befunden vgl. auch Anhang, S. 219. 78 Sign. =0,00 (Al), Sign. =0,01 (A3).

179

IV. Datenanalyse

handelt. Forderungen, bei denen die Reklamation, z.B. aufgrund einer Überschneidung der Zahlung mit der Beauftragung des InkassoUnternehmens, zur Einstellung des Verfahrens geführt hat, sind in der reduzierten Stichprobe nicht mehr enthalten. 79 Auf dieser Basis ist zu überprüfen:

H21: Die durchschnittliche InkassoeffektivitlJt von Forderungen, gegen die der Schuldner EinwlJnde erhoben hat, ist niedriger als der InkassoejfektivitlJt der abrigen Forderungen. Nur in vier der untersuchten Inkasso-Unternehmen hatten jeweils mehr als fünf Schuldner Einwände gegen die Forderung vorgebracht, die sich als unberechtigt herausgestellt hatten. Für die durchschnittliche Inkassoeffektivität dieser Fälle ergeben sich folgende Befunde: 80 Mittelwert ehf

100 ~ Reklamation

C'J

80

keine Reklamation

60 40

o

'----==~

A1

A7

81

82

Unternehmen Quelle: eigene Erstellung

Abb. 34: Reklamation

In allen Unternehmen sind die Werte für die Inkassofälle, in denen Reklamationen vorgebracht wurden, geringer als in der Vergleichsgruppe. Dieser Unterschied ist aber mit einer Varianzerklärung von 10,3 % (Sign. =0,(0) nur für das Unternehmen B2 signifikant. Hypothese 21 wird damit nicht bestätigt. Es scheint, daß die Reklamation Vgl. S. 134. 80 Vgl. Anhang, S. 219.

79

\3 Stahrenbcrg

180

c.

Effektivität von Inkasso-Unternehmen

dem Schuldner eher als "Verzögerungstaktik" dient, als daß es sich um eine manifeste Zahlungsunwilligkeit handelt.

4) Sonstige Reaktionen Neben Raten- und Stundungsvereinbarungen sowie Reklamationen sind andere Schuldnerreaktionen vergleichsweise selten. Sie haben einen Anteil von 0% bis 10,4% aller Reaktionen und erfolgen zum Teil zusätzlich zu den bisher untersuchten Reaktionsformen. Auf eine weitergehende statistische Analyse wurde verzichtet, da die sonstigen Reaktionen sehr heterogen sind und keine Häufungen bestimmter Reaktionsformen festgestellt werden konnten. Die folgende Auflistung gibt einen Überblick über die erhobenen Schuldnerreaktionen, soweit sie in der EDV des jeweiligen Unternehmens nicht lediglich unter Oberbegriffen, wie "Korrespondenz" oder "Telefonanruf', gespeichert und keine weiteren Informationen verfügbar waren: - Schuldner droht mit Anzeige - Briefffelefonanruf vom Rechtsanwalt/Steuerberater - Schuldner leistet eidesstattliche Versicherung - Lohnabtretung - Vergleichsvorschlag durch Schuldner - Vergleichsvereinbarung mit Außendienstmitarbeiter - Schuldanerkenntnis durch Schuldner - Rückscheck

5) Wechselwirkungen Die Analyse der Wechselwirkungen wurde in zwei Schritten vorgenommen. Im ersten Schritt war eine mögliche Interaktion zwischen der Reaktionszeit und der Reaktionsform Gegenstand der Untersuchung. Im zweiten Schritt wurde die Analyse um verschiedene Stammdaten der Forderung ergänzt. Zuerst wurde anband eines t-Tests die durchschnittliche Reaktionszeit in Monaten von Schuldnern mit und solchen ohne Ratenvereinbarung verglichen. 81 Die Befunde zeigen jedoch keine signifikanten Unterschiede in der durchschnittlichen Reaktionszeit dieser beiden Gruppen. Entsprechend wurde für die Fälle mit Stundungsvereinbarungen und Reklamationen verfahren. Auch für diese beiden Reak81

Zum t-Test vgl. Bauer (1986), S. 51 ff.

IV. Datenanalyse

181

tionsformen sind die Befunde zum Vergleich der Reaktionszeiten nicht signifikant. Im zweiten Schritt sollte eine mögliche Interaktion zwischen Reaktions- und Forderungsstammdaten untersucht werden. Hierzu wurden die Stammdaten ausgewählt, die sich auf der Basis aller Inkassofälle als signifikant erwiesen hatten, die Forderungshöhe sowie die Unterscheidung in Privat- und Firmenschuldner. Um den Schuldneraspekt vollständig zu erfassen, wurden zusätzlich, obwohl in der Mehrzahl der Unternehmen nicht signifikant, die einzelnen Privatschuldnergruppen für die Unternehmen unterschieden, die keine Forderungen gegen Firmenschuldner bearbeiten. Aufgrund der Tatsache, daß Stundungen und Reklamationen nur in wenigen Unternehmen eine Rolle spielen, wurden nur die beiden Kriterien Reaktionszeit und Ratenvereinbarung als Reaktionsdaten verwendet. Aufgrund der überwiegend nicht metrisch skalierten Merkmale mit zum Teil mehr als zwei Gruppen sollte eine mehrfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt werden. Die Höhe der Hauptforderung wurde dabei, wie schon bei den Stammdaten, als Kovariate berücksichtigt. Da sowohl für den isolierten Einfluß der Reaktionszeit als auch für die Wechselwirkungen dieses Kriteriums mit den Reaktionsarten keine mehrheitlich signifikanten Befunde vorlagen, wurde nicht vermutet, daß der Reaktionszeit eine Kontrollfunktion für die anderen Größen zukommen würde. Sie wurde deshalb nicht als weitere Kovariate in das Analysedesign aufgenommen. Die auf dieser Basis durchgeführte Varianzanalyse ergibt keine signifikanten Wechselwirkungen zwischen den Einflußfaktoren. Einzige Ausnahme ist das Unternehmen A5: Hier besteht eine signifikante Interaktion zwischen der Privatschuldnergruppe und der Ratenvereinbarung. Bei Vereinbarung von Ratenzahlungen ist die durchschnittliche Inkassoeffektivität von Forderungen gegen männliche Schuldner höher als bei Forderungen gegen weibliche Schuldner. Besteht keine Ratenvereinbarung, ist dieses Verhältnis umgekehrt. Die isolierten Befunde zur Ratenvereinbarung verändern sich unter dem Einfluß der Forderungshöhe nicht. Allerdings ist jetzt der Einfluß der Kovariaten selbst, mit Ausnahme des Unternehmens Cl, in allen Unternehmen signifikant. Damit ergibt sich auf der Basis der Inkassofälle mit Schuldnerreaktion eine Bestätigung des in Hypothese 6 vermuteten negativen Einflusses der Forderungshöhe auf die Effektivität des Inkassos. Dagegen sind beide Schuldneraspekte, sowohl die Privatschuldnergruppe als auch die Unterscheidung in Privat- und

182

c.

Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Firmenschuldner , bereits vor Einbeziehung der Kovariaten nicht mehr signifikant. Allerdings gibt es auch hier eine Ausnahme. Im Unternehmen C2 ist die Unterscheidung in Privat- und Firmenschuldner vor und nach Berücksichtigung der Kovariate signifikant. Die durch dieses Analysedesign erreichte Varianzerklärung ist für die einzelnen Unternehmen sehr unterschiedlich, jedoch höher als bei der Analyse der Stammdaten auf der Basis aller Inkassofälle. 82 Es ist allerdings zu berücksichtigen, daß hier nur die zentralen Aspekte beider Datengruppen betrachtet wurden. eh) Implikationen für die Inkassopraxis

Die Befunde zur Reaktionszeit sowie zu den Reklamationen geben keinen Anlaß, gezielte Maßnahmen für die Inkassopraxis abzuleiten. Zentraler Befund dieses Analyseteils ist die negative Bedeutung von Stundungs-, insbesondere aber von Ratenzahlungsvereinbarungen für die Effektivität des Inkassos, der die Befunde zur Art der Vollzahlung unterstützt. 83 An diesem Punkt bestehen potentielle Ansatzpunkte für die Ausgestaltung der Inkassoaktivitäten. Trotz der negativen Wirkung der genannten Zahlungsmodalitäten für die Inkassoeffektivität, kann dies für die Inkassopraxis nicht bedeuten, dem Schuldner speziell die Zahlung von Ratenbeträgen nicht mehr einzuräumen. Es gelingt zumindest einigen, wenn auch nur wenigen Schuldnern hierdurch der Ausgleich der Forderung. Darüber hinaus steht im Zusammenhang mit Ratenzahlungsvereinbarungen häufig das Anerkenntnis der Forderung durch den Schuldner, das der weiteren Absicherung der Forderung im Hinblick auf weitergehende Beitreibungsmaßnahmen dient. 84 Aus diesen Gründen ist vielmehr die Art der Anwendung solcher Zahlungsvereinbarungen von Bedeutung. Die Durchsicht der jeweils ersten beiden Standardmahnschreiben der untersuchten Unternehmen zeigt, daß die Hälfte der Unternehmen dem Schuldner die Möglichkeit von Ratenzahlungen bereits in der ersten Mahnung anbietet. Es könnte sich die Frage stellen, ob einige Schuldner dadurch animiert werden Ratenzahlungen zu vereinbaren, obwohl sie, wenn vielleicht auch mit 82 Zum Analysedesign vgl. Anhang, S. 220. 83 Vgl. Kap. C.IV.1.c). 84 Vgl. ühle (1985), S. 27. Ein Schuldanerkenntnis unterbricht die Verjährung der Forderung (vgl. §208 BGB).

IV. Datenanalyse

183

größerer Anstrengung, zur einmaligen Zahlung des Gesamtbetrages in der Lage wären. Die nach den vorliegenden Befunden wichtigere Fragestellung, neben dem Zeitpunkt des Ratenzahlungsangebots, bezieht sich jedoch auf die Beitreibung der fälligen Ratenbeträge. Im Gegensatz zur Anmahnung des Gesamtbetrages sind Ratenzahlungsabkommen für das Inkasso-Unternehmen mit mehr Aufwand verbunden, da die Zahlungseingänge regelmäßig überwacht und die einzelnen Raten im Extremfall einzeln angemahnt werden müssen. Die Befunde unterstreichen dies, da die Mehrzahl der Schuldner zwar mit den Ratenzahlungen beginnt, diese aber nicht zum Abschluß bringt.85 Es gilt daher den Schuldner durch gezielte Maßnahmen zur regelmäßigen Zahlung zu bewegen, um am Ende eine Vollzahlung zu erreichen. Eine solche durch Datenträgeraustausch rationalisierbare Maßnahme könnte z.B. das Lastschriftverfahren darstellen. Unter der Voraussetzung, daß der Schuldner dem Inkasso-Unternehmen eine Einzugsermächtigung erteilt, könnte eine automatische Abbuchung der Ratenbeträge vom Konto des Schuldners erfolgen. 86 Die auf dieses Verfahren angesprochenen Praktiker äußerten sich jedoch kritisch. Dem vermeintlichen Vorteil einer im Vergleich zu Ratenzahlungsabkommen ohne Lastschriftverfahren geringer eingeschätzten Abbruchquote - es wurden Zahlen zwischen 10% und 25% genannt - stünden einige Probleme entgegen: Das Verfahren sei sowohl mit als auch ohne Datenträgeraustausch für das Inkasso-Unternehmen sehr aufwendig und damit kostenintensiv. Dazu kämen die Kosten, die dem Schuldner bei einer Lastschriftrückgabe weiterbelastet werden müßten, d.h. die Kosten des fremden und eigenen Kreditinstituts sowie die Bearbeitungskosten des Inkasso-Unternehmens. 87 Als weiteres Problem wurde die Terminierung der Lastschriften genannt. Nur in den wenigsten Fällen gäben die Schuldner die Lastschrift wegen Widerspruchs zurück. Nahezu alle Rücklastschriften würden von den Banken mangels Deckung des Schuldnerkontos zurückgegeben. Da der Vorlagetermin der Lastschrift bei der Bank: des Schuldners nicht auf den Tag genau zu bestimmen sei, könne es entweder passieren, daß die Vorlage zu früh, z.B. vor Eingang des Gehaltes, oder zu spät erfolgt, nachdem schon andere Forderungen vom 85 Vgl. hierzu auch die Befunde zur Teilzahlungsquote, Kap. C.IV.1.d). 86 Zum Inkasso von Lastschriften vgl. Diepen (1989), S. 299 ff. 87 Ein Betrag, der insgesamt auf mindestens DM 15,- pro Lastschriftcückgabe geschätzt wurde.

184

c. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Schuldner beglichen wurden.!8 Die Verwendung von Lastschriften trägt demnach nur teilweise zur Lösung des Ratenzahlungsproblems bei. Die bestehenden Inkassomethoden liefern somit offensichtlich nur unbefriedigende Ergebnisse im Hinblick auf die Ratenzahlungsproblematik. Es erscheint deshalb notwendig, neue Ansatzpunkte für die Ausgestaltung der Inkassomaßnahmen zu finden. Eine Möglichkeit hierfür bietet die Berücksichtigung psychologischer Aspekte, wie sie bereits an anderer Stelle dargestellt wurden. 89

d) Zahlungsdaten Die Analyse der Zahlungsdaten bezieht sich ausschließlich auf die Gruppe der teilzahlenden Schuldner. Hierzu wurden alle Schuldner gezählt, deren erste Zahlung weniger als 100% des Hauptforderungsbetrages betrug. 90 In einigen der untersuchten Unternehmen waren nur wenige teilzahlende Schuldner zu verzeichnen, so daß die geplante Anwendung einer Regressionsrechnung auf dieser Basis nicht sinnvoll erschien. Aus diesem Grunde wurden die Unternehmen der Gruppe A sowie der Gruppe B zu einer jeweils einer Gesamtgruppe zusammengefaßt und die Analyse für diese beiden Gruppen durchgeführt. Die Unternehmen Cl und C2 sind in diesem Teil der Untersuchung nicht enthalten. Da die Anteile der einzelnen Unternehmen an der jeweiligen Gruppe unterschiedlich groß waren, wurde eine Gewichtung der Unternehmen vorgenommen, um eine Verzerrung der Ergebnisse zu vermeiden. Die Gewichtung wurde in der Weise durchgeführt, daß alle Unternehmen einen gleichen Anteil an der Gesamtgruppe besitzen, die ursprüngliche Fallzahl dieser Gruppe aber nicht verändert 88 Nach Aussagen von Vertretern der Unternehmen Al, A2 und A8. Eine

Lastschrift ist bei Sicht zahlbar, Angaben zu Wertstellung oder Fälligkeitsdatum sind ungültig (vgl. Diepen (1989), S. 301). 89 Vgl. Kap. B.II.2.bd). 90 Obwohl auch eine Zahlung von 100% der Hauptforderungssumme erst eine Teilzahlung bedeutet, da noch Kosten und Zinsen ausstehen, wurde diese Grenze gewählt, weil sie das Mindestkriterium für die Einstufung einer Zahlung als Vollzahlung darstellt. Von diesem Punkt an besteht für das Inkasso-Unternehmen grundsätzlich ein Ermessensspielraum, ob und inwieweit Kosten und Zinsen noch beizutreiben sind (vgl. Kap. C.III.2.).

185

IV. Datenanalyse

wird. Durch diese Vorgehensweise konnte der Einfluß einer veränderten Gruppengröße auf das Signifikanzniveau der statistischen Berechnungen vermieden werden. 91 da) Teilmhler: fundamentale Bedeutung der ersten Zahlung

1) Dauer bis zur ersten Teilzahlung Zum Zeitraum zwischen der ersten Kommunikation des InkassoUnternehmens mit dem Schuldner und dessen erster Teilzahlung war folgende Überlegung als Hypothese formuliert worden:

H22: Die Zeitdauer zwischen erster Mahnung und erster Teilzahlung steht in einem negativen Zusammenhang mit der EjfektivitiJJ: Je mehr Zeit verstrichen ist, desto geringer ist die zu erwartende Effektivitllt des Inkassos. Den Verlauf der empirischen Durchschnittswerte der Effektivität in Abhängigkeit von diesem Zeitraum zeigt Abbildung 35. Mittelwert e hf 100 r - - - - - - - - - - - - - - - - - - ,

80

60

...

Gruppe A

.,

...............~ ...........................................................................................................

, ,._________ ' ,;

,,

,

,

.

____________;4_~___ .__ .~,_. __ .____ ... __ ._ .. __ .. ___ .. __ .. ___ .. ______________ . ____ .. _. ____ ._ .......

,.. " ,

,'\

I



40

... --------.----------. ----------_._._---- - ----\-----.,~---.--.~'"-- .. _-_ .. -... _... _._--_. __ ... _---_ .... _-

20

• I' .............................................................................................................. .

I,'

\



I



2

Gruppe B

3

4

5

6

7

8

"



I

9

,

10

.

11

12

Anzahl Monate bis zur 1. Teilzahlung Quelle: eigene Erstellung

Abb. 35: Zeitdauer bis zur ersten Teilzahlung

91 Vgl. Brosius (1988), S. 165 f. und 563, Bortz (1989), S. 157 ff. Zur Konstruktion der Gewichtung siehe Anhang, S. 219.

186

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

In beiden Gruppen sind die Befunde für einen linearen Zusammenhang signifikant. Dabei ist die Erklärungskraft dieses Merkmals jeweils ähnlich ausgeprägt, es liegt in beiden Fällen ein mittelstarker Zusammenhang vor. Mit jedem Monat, der bis zur ersten Teilzahlung vergeht, sinkt die durchschnittliche Effektivität je nach Gruppe um 7,0% bzw. 5,5%. Tab. 15: Einfluß der Zeitdauer bis zur ersten Teilzahlung (linear) Unt. 81

RI'100 Sign.

Gruppe A

Gruppe B

- 6,96

- 5,46

0,00

0,00

13,9

10,8

Die Befunde bestätigen damit den in Hypothese 22 vermuteten Zusammenhang. Aufgrund der Befunde zur Teilzahlungsquote sowie zur Effektivität von Ratenzahlungsvereinbarungen wurde im Verlauf der Arbeit eine weitere Variable eingeführt, um die Ratenzahlungsproblematik näher zu untersuchen: die Höhe der ersten Teilzahlung.

2) HlJhe der ersten Teilzahlung Zur Beschreibung des Teilzahlungsverhaltens können vor allem die Höhe sowie die Anzahl der Einzelzahlungen verwendet werden. Da die vereinbarte Ratenhöhe nicht erfaßt worden war und auch Teilzahlungen ohne Ratenvereinbarung berücksichtigt werden sollten, wurde die Höhe der ersten Teilzahlung zur Differenzierung des Teilzahlungsverhaltens ausgewählt. Aus ihr ergibt sich gleichzeitig die theoretische Anzahl von Folgezahlungen bis zum Vollausgleich der Forderung. Um eine Vergleichbarkeit der Erstzahlungen zu gewährleisten, wird die Höhe der ersten Teilzahlung in Prozent der Hauptforderungssumme gemessen. Die bisherigen Befunde haben gezeigt, daß die Problematik von Teilzahlungen insbesondere in einer hohen Abbruchquote besteht. In diesem Zusammenhang wäre bei einer geringen Anzahl von Einzelzahlungen, d.h. einer hohen Erstzahlung, die Gefahr einer Einstellung der Zahlungen geringer, da sie dem Schuldner weniger Möglichkeiten hierzu bietet als eine Vielzahl von Einzelzahlungen bei einer entspre-

187

IV. Datenanalyse

chend niedrigen Erstzahlung. Für die Effektivität des Inkassos läßt sich anband dieser Überlegungen annehmen:

H23: Die HOhe der ersten Teilzahlung hat eine positive Wirkung a'4f die EffektivitlJt des Inkassos: Sie steigt mit zunehmender Erstzahlung. Abbildung 36 zeigt die durchschnittlichen Effektivitätswerte der Gruppen A und B für die in klassifizierter Form dargestellten Erstzahlungen. Mittelwert e hf

100

----------------------------------------------------------- =--------------------------------------------------------------- = -----

t:.--

--------------------- c ----------------------

80 60

berg

196

C. Effektivität von Inkasso-Unternehmen

Typ 1: Der Anteil der Vollzahlungen nimmt kontinuierlich zu. Dieser

Typ überwiegt in den Unternehmen der Gruppe A (Al, A2, A6, A7, A8, BI).

Typ 2: Der größte Teil der Vollzahlungen erfolgt in den ersten zwei

bis drei, teilweise vier Monaten, danach ist die Zunahme gering. Diese Form überwiegt in der Gruppe B (A3, A4, AS, B2, B3, B4).

Im Unternehmen C2 entspricht der Verlauf dem zweiten Muster, jedoch mit einer verlängerten Anlaufphase. Der Kurvenverlauf des Unternehmens C1läßt sich dagegen nicht eindeutig zuordnen. Da sich die Kurvenverläufe auf bestimmte Grundmuster reduzieren lassen, muß dies auch rur die Bestimmung des Beurteilungszeitpunktes möglich sein. Aus den Abbildungen ergibt sich bereits, daß drei bis vier Monate als Beurteilungsbasis ausreichen, wenn es sich um ein Inkasso-Unternehmen handelt, dessen Effektivitätsverlauf dem Typ 2 folgt. Für Unternehmen mit einem Kurvenverlauf vom Typ 1 läßt sich eine solche Aussage nicht direkt ableiten. Deshalb gibt Tabelle 20 rur alle Unternehmen den nach drei, sechs bzw. neun Monaten erreichten prozentualen Anteil der Vollzahlungsquote an (vhf nach 12 Monaten= 100%):100 Tab. 20: Vollzahlungsquote (vhf) nach 3/6/9 Monaten vhf nach 3 Monaten 6 Monaten 12 Monaten vhf nach 3 Monaten 6 Monaten 12 Monaten

A1

A2

A3

Unternehmen A5 A4

A7

A6

A8

33,6 37,2 72,8 76,8 80,5 40,1 40,4 43,2 60,9 63,2 87,9 94,1 89,3 55,4 54,2 56,0 74,6 78,6 90,9 100 96,8 66,2 60,9 78,1 81

82

83

Unternehmen 84 C1

51,0 87,1 80,4 79,0 78,2 93,3 86,1 97,5 82,8 98,2 86,1 100

C2

55,5 56,0 57,8 98,3 100 98,3

Die Werte veranschaulichen nochmals die Aussage rur die Unternehmen A3, A4, AS, BI, B2, B3 (Typ 2): Bereits nach drei Monaten sind 73-87% der Vollzahlungen geleistet. In den anderen Unterneh100 Es wird weiterhin angenommen, daß nach einem Jahr in nahezu allen Inkassotällen das vorgerichtliehe Stadium abgeschlossen ist.

IV. Datenanalyse

197

men (Al, A2, A6, A7 A8, BI) wird eine vergleichbare Größenordnung erst nach neun Monaten erreicht (61-83%). Nach diesem Zeitraum sind in den Unternehmen Cl und C2, deren Kurvenverlauf nicht exakt dem Typ 1 bzw. 2 folgt, sogar nahezu alle Vollzahlungen realisiert. In den meisten Fällen dürfte die Form des Kurvenverlaufs jedoch nicht im voraus bekannt sein. Um den Erfolg der Beitreibungsbe mühungen angemessen beurteilen zu können, erscheint es deshalb sinnvoll, einem Inkasso-Unternehmen die übertragenen Forderungen mindestens neun Monate zur vorgerichtlichen Bearbeitung zu überlassen, bevor eine Entscheidung getroffen wird.

D. Ergebniszusammenfassung und Ausblick Die Gesamtheit der Befunde aus der empirischen Untersuchung zeigt, daß einer Ausgliederungsentscheidung kein pauschales Urteil über die vorgerichtliche Effektivität von Inkasso-Unternehmen zugrunde gelegt werden kann. Damit wird die Bedeutung des Inkassoerfolges für den im ersten Teil der Arbeit aufgestellten Entscheidungskalkül empirisch bestätigt: Um die verschiedenen Ausgliederungsvarianten beurteilen und dem internen Inkasso gegenüberstellen zu können, ist eine individuelle Einschätzung der zu erwartenden Effektivität unbedingt notwendig. Eine Analyse des Forderungsbestandes anhand der ermittelten Einflußfaktoren aus der Gruppe der Stammdaten kann dazu beitragen, die Beurteilung zu erleichtern bzw. zu verbessern. Wird für die Aufstellung des Entscheidungskalküls zunächst ein Bearbeitungstest durchgeführt, ist es darüber hinaus wichtig, daß hierfür ein ausreichender Zeitraum1 angesetzt wird. Grundsätzlich ist zu beachten, daß nur wertorientierte Größen in den Entscheidungskalkül einbezogen werden, denn durch eine Berücksichtigung stückorientierter Vollzahlungs- oder Erfolgsquoten ist eine Verzerrung des Vergleichs zugunsten des externen Inkassos möglich. Sofern Effektivitätsaussagen von Inkasso-Unternehmen für den Kalkül verwendet werden sollen, sind diese daher sowohl anhand ihrer Berechnungsbasis als auch der zugrundegelegten Forderungsstruktur zu beurteilen und gegebenenfalls entsprechend zu modifizieren. Die Befunde zu den Aktions-, Reaktions- und Zahlungsdaten liefern weitere grundsätzliche empirische Erkenntnisse über die Variablen des Inkassoprozesses . Die sich daraus ergebenden Ansatzpunkte für die Gestaltung der Bearbeitung können zu einer Verbesserung sowohl des internen als auch des externen Forderungsinkassos beitragen. Im Falle einer Ausgliederung erstreckt sich der direkte Einflußbereich des ausgliedernden Unternehmens zwar nicht mehr auf die Elemente des Inkassoprozesses, die Befunde bieten ihm aber die Möglichkeit, die Vgl. Kap. C.IV.3.

D. Ergebniszusammenfassung und Ausblick

199

Vorgehensweise und damit auch die Effektivität eines Inkasso-Unternehmens besser zu beurteilen. 2 Die Heterogenität der Ergebnisse ist nicht nur für den Entscheidungskalkül eines Unternehmens von Bedeutung, sie liefert gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Effektivität von Inkasso-Unternehmen: Keine der zitierten Aussagen zur Effektivität3 kann für sich Allgemeingültigkeit beanspruchen. Die Arbeit der Inkasso-Unternehmen ist weder pauschal als effektiv noch als ineffektiv einzustufen. Somit kann auch bei der Frage nach der Erstattungsfähigkeit der Inkassokosten durch den Schuldner nicht mit einem Einheitswert argumentiert werden. Der Vorwurf an das ausgliedernde Unternehmen, es verletze mit der Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens seine Schadensminderungspflicht, ist ohne eine kritische und differenzierte Beurteilung des Einzelfalls nicht haltbar. Es wird festgestellt: Soll eine Grundsatzentscheidung über die zukünftige Ausübung der Inkassofunktion getroffen werden, stellt die Beauftragung eines Inkasso-Unternehmens eine Alternative dar, deren Wirtschaftlichkeit es sich anhand des entwickelten Entscheidungskalküls zu überprüfen lohnt. In der vorliegenden Untersuchung stehen der Aspekt der Funktionsausgliederung des Inkassos und damit die Sicht des ausgliedernden Unternehmens im Vordergrund. Der Inkassoprozess bildet dabei lediglich den Rahmen für die stufenweise Analyse der potentiellen Einflußfaktoren. Durch eine prozeßorientierte Analyse des Inkassoablaufs könnten nachfolgende Untersuchungen die Thematik um die Sichtweise und Belange der Inkasso-Unternehmen oder anderer Betreiber des Inkassos ergänzen.

Des weiteren bezieht sich die vorliegende Untersuchung ausschließlich auf die Effektivität des Inkassos und damit auf den Qualitätsaspekt des Entscheidungskalküls, Kostengrößen werden nicht berücksichtigt. Für weitere Untersuchungen ergibt sich daraus die Aufforderung zur Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse des Inkassos, die entsprechend dem Kalkül auch die Transaktionskosten einbezieht. Darüber hinaus könnte eine Effektivitätsanalyse der vielen kleinen InkassoUnternehmen gegebenenfalls zusätzliche Erkenntnisse über die Branche liefern.

2

3

Für eine Gesamtübersicht vgl. Anhang, S. 228. Vgl. Kap. B.V.

200

D. Ergebniszusammenfassung und Ausblick

Die Befunde zu den verschiedenen Einflußfaktoren zeigen, daß diese nur einen Teil der Effektivität zu erklären vennögen. Am Beispiel einer ausgewählten sozialpsychologischen Theorie wurde bereits theoretisch dargestellt, welcher Einfluß psychologischen Faktoren für die Erklärung der Effektivität des Inkassos zukommen kann. Eine eingehende Analyse der Schuldnerpsychologie würde möglicherweise we:sentlich zur Erklärung des Schuldnerverhaltens und der Inkassoeffektivität beitragen. Es ist zu vennuten, daß es sich mit soziodemografischen Daten der Schuldner ähnlich verhält. Inkassospezifische Untersuchungen auf diesem Gebiet wären deshalb ebenfalls wünschenswert. Darüber hinaus ergeben sich Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten aus regionalen Veränderungen der Inkassotätigkeit: Zum einen erstreckt sich das Inkasso mittlerweile nicht mehr nur auf die alten, sondern auch auf die neuen Bundesländer. Zum anderen besteht durch den EG-Binnenmarkt und den damit verbundenen Anstieg des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs immer häufiger die Notwendigkeit zu einer europaweiten Verfolgung von Inkassofällen. Es existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten, das Forderungsinkasso im Detail wissenschaftlich zu untersuchen, um dadurch zu empirisch fundierten Erkenntnissen über den Ablauf und die Wirtschaftlichkeit des Inkassoprozesses sowie die damit verbundenen inter- und intrapersonellen Aspekte zu gelangen.

Anhang

Berechnungsbeispiel für den Entscheidungskalkül (extern) Gesamtwert der auszugliedernden Forderungen: Erfolgsquote: Kostenanteil : Erstattungsanteil: Pauschalbetragsanteil : Prämienanteil : Transaktionskosten:

Xe = 100.000 DM 'Je = 0,4 w = 0,3 s = 0,95 W = 0,08 g = 0,1 Te = 1.000 DM

Ee = Xe . ['Je - ['Je (g + w(l - s» + (I - qJ. w] ] - Te = 100.000· [0,4 - [0,4 (0,1

+ 0,3·0,05) + 0,6.0,08]] - 1.000

= 100.000· (0,4 - 0,094) - 1.000 = 29.600 DM

202

Anhang

Operationalisierung der Effektivitätskennziffern

e

=

ez

=

ehf =

v

=

Vz

=

Anzahl aller zahlenden Schuldner Auftragsvolumen [Stück]

x 100

Gesamtsumme der Zahlungen [DM] Auftragsvolumen [DM]

x 100

Summe der auf HF angerechneten Zahlungen [DM] Auftragsvolumen [DM]

Anzahl aller Vollzahlungen Auftragsvolumen [Stück]

x 100

Gesamtsumme der Vollzahlungen [DM] Auftragsvolumen [DM]

x 100

Hauptforderungssumme der Vollzahlungen [DM] Auftragsvolumen [DM]

vein

=

x 100

Anzahl der Vollzahlungen durch Einmalzahlung Vollzahlungen [Stück] Anzahl d. Vollzahlungen durch mehrere Teilbeträge Vollzahlungen [Stück]

x 100

x 100

x 100

203

Anhang

t

=

lz

=

thf =

Anzahl der Teilzahlungen l Auftragsvolumen [Stück]

x 100

Gesamtsumme der Teilzahlungen1 [DM] Auftragsvolumen [DM]

x 100

Summe d. auf HF angerechneten Teilzlg. 1 [DM] Auftragsvolumen [DM]

r

=

Anzahl der kommunikativ reagierenden Schuldner

m

=

Anzahl der Mahnbescheidsbeantragungen Auftragsvolumen [Stück]

1

Auftragsvolumen [Stück]

x 100

x 100

x 100

Nur Teilzahlungen, die insgesamt nicht zur Vollzahlung geführt haben.

204

Anhang

Erhebungsbogen

1. Firmenkz.: 2.lfd. Nr.:

3. Hauptforderung (HF): 4. Branche (Mandant): 5. Alter der Forderung bei Übergabe:

DM ............... .

....... Monate

6. Schuldner:

(1) männl.

(2) weibl.

(3) Gesamtschuldner (4) Firma

7. Alter: 8. BeruflBranche (Schuldner): 9. Mehrfachschuldner: 10. erste Kommunikation in: 11. erste Reaktion in:

(1) ja (2) nein (0) n.e.

.. ./.. . .. ./.. .

12. Art der Reaktionen: a) Vollzahlung: wenn ja:

(1) ja (2) nein

in .. ./...

Art:

(E) EinmalzabJung (T) Teilzahlung

Summe:

(H) nur HF (T) Teilforderung (G) Gesamtforderung

b) Teilzahlungen: wenn ja: c) Ratenvereinbarung:

(1) ja (2) nein

ab .. ./... (l)ja (2) Antrag abgelehnt (3) nein

d) Stundung:

(l)ja (2) Antrag abgelehnt (3) nein

e) Reklamation:

(1) ja/akzeptiert (2) ja/nicht akzeptiert (3) nein

f) Sonstige:

205

Anhang

13. geleistete Zahlungen

-

davon angerechnet auf Hauptforderung:

7/90: DM ......... .

DM ......... .

8/90: DM ......... .

DM ......... .

9/90: DM ......... .

DM ......... .

10/90: DM ......... .

DM ......... .

11/90: DM ......... .

DM ......... .

12/90: DM ......... .

DM ......... .

1191: DM ......... .

DM ......... .

2/91: DM ......... .

DM ......... .

3/91: DM ......... .

DM ......... .

4/91: DM ......... .

DM ......... .

5/91: DM ......... .

DM ......... .

6/91: DM ......... .

DM ......... .

14. Teilzahlungen nach 6/91:

(1) ja (2) nein

15. Anzahl Mahnungen (schriftl.): 16. Telefoninkasso:

(1) ja (2) nein

17. Außendiensteinsatz:

(1) ja (2) nein

18. Anzahl Postnachnahmen: 19. Einstellung/Ausbuchung:

(1) ja (2) nein

Grund: 20. Beantragung Mahnbescheid in:

.. ./...

21. Reaktion auf MB:

(0) keine (1) Widerspruch (2) Vollzahlung (3) Teilzahlung (4) sonstige: ............. .

206

Anhang

Einstellungs- und Ausbuchungsgründe

o 1 2 3 4

5 6 7 8 9 10

11 12

1

keine Einstellung Vollzahlung unwirtschaftlich (Restbetragl ), es wurden Zahlungen geleistet unwirtschaftlich (Kleinbetrag l ), es wurden keine Zahlungen geleistet Überschneidung/Gutschrift Mandant Rückruf Mandant (verschiedene, nicht edaßte Grunde) Schuldner ist unauffindbar, d.h. im Erhebungszeitraum unbekannt verzogen, das Vedahren ruht (Einwohnermeldeamtsanfrage o.ä. lief noch) Schuldner ist ins Ausland verzogen Schuldner ist verstorben Schuldnerfirma hat Konkurs angemeldet Akte ruht, da zuviele Forderungen gegen den gleichen Schuldner vorliegen Schuldner hat bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben Sonstiges (z.B. Verjährung, Anspruch nicht nachweisbar)

Die Definitionen "Rest- und Kleinbetrag" sind in den einzelnen InkassoUnternehmen unterschiedlich.

11

111

IV

V

2

Stichprobe 160 252 212 167

2

2 92

2

4

4 7

67 183 217

201

3

3

212

5

2

5

5

8

9

8

5

2

8

2

3

3

3

3

6

44 353 168 212 140 172

--

20

5

2

2439

58

14

7

2

95

60

90

2765

XII I XIV GESAMT

Davon 9 Akten nicht zugänglich und 11 Fälle EDV -seitig falsch in die Ausgangsliste aufgenommen. Davon 20 Fälle, in denen aufgrund eines drohenden Fristablaufs ohne vorherige Mahnung das gerichtliche Mahnverfahren eingeleitet wurde.

= reduzierte

- sonstiges

Schuldnerfinma in Konkurs

3

9

5

6

XII

188 238 152 190

XI

2

6

3

4

6

X

74 380

IX

- Schuldner verstorben

9

5

18

VIII

2

10

- Schuldner unbekannt verzogen

7

17

VII

n 220 226

VI

- Schuldner ins Ausland verzogen

11

22

206 286 246 182 100

- Rückrufe

nkor - Oberschneidungenl Gutschriften

Unternehmen

Tab. 21: Ermittlung des Umfanges der "reduzierten Stichprobe"

~ !;

s

CIQ

208

Anhang

Parametrischer Signifikanztest

c - Co

h=

h c

Co

n

: Zufallsvariable (standardnormalverteilt)l : beobachteter Anteilswert : durch die Hypothese vorgegebener Anteilswert : Stichprobenumfang (hier: Umfang der reduzierten Stichprobe)

Durch die Vorgabe eines Signiflkanzniveaus wird die Stichprobenverteilung der Prüfgröße in einen kritischen Bereich, d.h. einen Ablehnungsbereich für Ho, und einen Nichtablehnungsbereich zerlegt. Der kritische Wert (hc) wird aus der Tabelle der Standardnormalverteilung ermittelt. 2 Ist h > hc kann die Nullhypothese abgelehnt werden. Diese Entscheidungsregel verkehrt sich ins Gegenteil (Ablehnung bei h < hc)' wenn es sich nicht um einen rechts- sondern einen linksseitigen Test handelt, d.h. die Alternativhypothese (Hl) eine "KleinerBedingung" enthält. 3

1

Das beruht auf der Annahme, daß c näherungsweise normalverteilt ist. Ursprünglich ist c hypergeometrisch verteilt. Diese Verteilung kann jedoch durch die Normalverteilung approximiert werden, wenn gilt: nc(I-c) ~ c und M ~ 2n (vgl. Bleymüller/Gehlert/Gülicher (1985),

2 3

Für Sign. =0,05 (0,01) ist h~.= 1,64 (2,33); vgl. Wetzel (1973), S. 261. Vgl. Bleymüller/Gehlert/Gülicher (1985), S. 101 ff.

S.66).

1

7,4 3,9

9,3 10,6

4,8

5,4

3,7

41,3 62,7 34,3 53,8

5,0

2,1

26,1

tz

thf

m

5,7 11,6

--

2,7

5,4 68,6

1,9

5,4

--

1,1

4,3

13,2

7,2

7,8

8,2

Gesamt = arithmetischer Mittelwert der Gruppenwerte

8,0

9,0 14,6 11,4 15,1

19,8

9,9

13,0 11,5

4,5

Vteil t

vein

12,3 12,5

9,3

22,6 37,3 20,8 12,9

22,7 32,5

24,3

14,2

6,4

13,6 16,3

20,4

20,9 21,1

vhf

47,8

3,5

6,6

13,5

11,0

20,7

15,1

19,6

31,7

17,6 20,8

27,9 24,7 25,1

Vz 12,6

41,8 30,7 18,6 20,9 15,0

47,0 44,8 35,1

ehf v 19,1

22,6

9,2

33,2

r

46,8 34,3 35,0 39,9 36,7 24,2 27,7 21,0

GESAMT 1

Unternehmen

31,7 27,9 25,5 30,3 24,4 13,3 17,5 10,5

A8

e

A7

ez

A6 56,6

A5 51,1

A4 48,6 50,0 37,7

A3

78,8 66,7 59,0 55,2 57,1

A2

68,8 60,3 55,8 53,7 51,9 43,6 40,7 34,2

A1

Tab. 22: Übersicht Effektivitätskeonziffem 82

84

56,5 52,5

83

28,3 38,4

23,1

5,4

5,7

2,8 14,9 49,4 32,6 42,1

6,5

8,5

6,0

8,7 10,8 17,5

4,4

6,6

8,8

12,0

17,9 18,1

40,6 27,5 38,0 35,0

46,5 36,9 25,5 23,6

51,3 41,9 30,9 27,0

58,5 45,6 50,0 43,7

54,3 43,5

59,4 50,7 41,7 44,5

66,5 55,0 54,4 49,7

76,9 63,1

81

32,6

4,2

7,6

4,8

70,5 67,3

1,2 0,3

2,3

6,0 9,1

19,4 19,0

20,5

29,1

38,9 23,6

29,5 25,0

29,5 24,2

40,1

31,8 30,4

7,4 36,8

C2

36,4 39,9

C1

10,6

6,5

14,2

35,3

33,1

37,8

49,5

41,4

49,1

56,4

62,3

GESAMT 1

~

f

210

Anhang

A.

Prozent 100

80 60

40

2:

=[~."]~.i

I

o. . =. .~ ' ~rn~~.'----- lL 'n ",--.

3

1000

HF

HF