Eduard Reuss' Briefwechsel mit seinem Schüler und Freunde Karl Heinrich Graf: Zum Hundertjahrfeier seiner Geburt [Reprint 2019 ed.] 9783111553207, 9783111183572

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Eduard Reuss' Briefwechsel mit seinem Schüler und Freunde Karl Heinrich Graf: Zum Hundertjahrfeier seiner Geburt [Reprint 2019 ed.]
 9783111553207, 9783111183572

Table of contents :
Vorwort
DRUCKFEHLER - BERICHTIGUNG
Inhalt
Der Briefwechsel. Part 1
Der Briefwechsel. Part 2
Der Briefwechsel. Part 3
Zur Erläuterung
Front Matter 2
Inhaltsverzeichnis
Verlagsbericht der J. Ricker'schen Verlagsbuchhandlung

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EDUARD REUSS'

BRIEFWECHSEL MIT SEINEM SCHÜLER UND FREUNDE

KARL HEINRICH GRAF ZUR

HUNDERTJAHRFEIER SEINER GEBURT HERAUSGEGEBEN VON

K. BUDDE UND h. J. HOLTZMANN

MIT DEM BILDNIS DER BRIEFSTELLER

J. RICKER'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG (ALFRED TÖPELMANN) • GIESSEN » 1904

Druck TOB C. 0. BMer, Leipzig.

•CäRCäRI^BliäBKäitRäR Porwort

Vorwort. Darf der Gedanke diesen Briefwechsel herauszugeben ein Verdienst heißen, wie wir es hoffen, so gebührt dies einzig und allein Fräulein Bertha Graf zu Freiberg in Sachsen, der einzigen überlebenden Tochter Karl Heinrich Grafs. Nur im Besitze der Briefe von Eduard Reuss, noch ehe sie die ihres Vaters erhalten oder gelesen hatte, faßte sie den Plan zu dieser Veröffentlichung. Von Julius Wellhausen, an den sie sich zuerst gewandt, wurde sie an mich nach Straßburg gewiesen — es wird im Jahre 1896 gewesen sein — und sofort war mir klar, daß alles getan werden müsse, die Doppelreihe der Briefe zum Abdruck zu bringen. Durch die große Güte ihrer mütterlichen Freundin, der AVitwe Eduard Reuss', erhielt Fräulein Graf sämtliche Briefe ihres Vaters an Reuss zum Geschenk, und nach seiner Mutter Tode erteilte Professor Dr. Rudolf Reuss in Versailles für seines Vaters Briefe die Druckerlaubnis, selbstverständlich nachdem er von seinem Zensurrechte — wir müssen es dankbar anerkennen, einen durchaus maßvollen — Gebrauch gemacht hatte. Da ich einst in die Stelle berufen worden war, die durch Eduard Reuss' Amtsniederlegung offen wurde, auch noch aus manchem Zusammensein mit ihm unvergeßliche Eindrücke bewahrte, so durfte ich mich wohl, solange ich in Straßburg blieb, als befugten Vermittler der Herausgabe ansehen, zumal ich der Unterstützung manches Kundigeren im voraus gewiß war. Seit ich nach Marburg übergesiedelt war, mußte ich

• W B W i t K i t b £ 9 K £ i l W i ( Porwolt UeSH*mc*SHKeSmtKeeBt*Stm mir klar werden, daß ich zwar meine Unterstützung und meine Zeit dem schönen Unternehmen nach wie vor schuldete, aber zum Wegweiser des Lesers durch die dunkeln Stellen des Briefwechsels ganz und gar nicht mehr der Mann war. Als deshalb Reuss' Hundertjahrfeier herannahte, der gegebene Zeitpunkt für die Ausführung, wandte ich mich an den Besten, den ich dafür glaubte finden zu können, an H. Holtzmann, mit der Bitte, sich mit mir in die Arbeit zu teilen, indem er das Wertvollste und Schwierigste, die Erläuterungen beisteuerte. Er verhehlte mir nicht, daß er grundsätzlicher Gegner posthumer Veröffentlichungen, insbesondere auch von Briefen, sei; auch die Äeußerung Seite 460, „da unsre Briefe nach unserm Tode jedenfalls nicht gedruckt werden* verursachte ihm einige Bedenken. Aber das war doch nichts weniger als ein Verbot, und wenn Reuss auf Seite 299 „ seinem künftigen Biographen" seine Briefschaften ausdrücklich zu Gebote stellt, wenn er auf der letzten Seite, in dem Briefe an Grafs Witwe, eine Verwertung der Briefe Graf's nach seinem eigenen Tode andeutet, so lag darin doch eine Art Ermächtigung, und Holtzmann's genaue Bekanntschaft mit der Eigenart seines langjährigen Kollegen entschied nach derselben Seite. So erfüllte er denn meine Bitte, und heute sehe ich voll Freude und Dank auf einige Monate eines regen, zeitweise täglichen Austauschs mit ihm zurück, in dem wir uns über alle, auch die kleinsten Fragen verständigt haben. Als dritter im Bunde fand sich der Verleger, Alfred Töpelmann (J. Rickersche Verlagsbuchhandlung) hinzu, dem wir unsren wärmsten Dank dafür schulden, daß er das umfassende Buch auf sich genommen, ohne von der Besitzerin oder den Herausgebern Geldopfer oder Bürgschaft in Anspruch zu nehmen, nicht minder dafür, daß er es so würdig ausgestattet hat. Und nun die Verteilung der Arbeit, die freilich keine ausschliessende war, da jeder dem andern allen Einfluß und die Berücksichtigung jedes Wunsches offen gehalten hat. Von Holtzmann stammt zunächst der erste der ergänzenden Lebens•t»GCSIifSHMfi£BMS(

IV

KätMitURbatKims»

Dorwort abrisse S. 623—626, die nur das beisteuern sollen, was der Briefwechsel nicht bietet. Der zweite gibt einen Entwurf von Fräulein Bertha Graf wieder, der nur an einigen Stellen verkürzt, am Ende neu gestaltet wurde. Für die Hauptsache, die erläuternden Anmerkungen, bekennt sich Holtzmann zum Teil manchem altern Schüler und Bekannten von Reuss, dazu auch einer verehrten Freundin zum Dank verpflichtet. Für die Auswahl der Anmerkungen war maßgebend, daß nicht bloß gelehrte Kreise als Lesepublikum gedacht waren. Wo Briefe fehlen, was nicht gar häufig und nur an einer Stelle, auf Seiten Graf's im Jahre 1838, in größerem Maßstab der Fall ist, findet sich jedesmal ein Hinweis in den Anmerkungen. Bei Gelegenheit sei noch hervorgehoben, daß Reuss' Briefwechsel mit der Witwe Grafs erst durch seinen eigenen Tod abgeschnitten wurde; noch zum Neujahr 1891 hat er seinen Glückwunsch durch einen Brief dargebracht. Nur der erste dieser Reihe, der Beileidsbrief zu Grafs Tode ist als Abschluß des Ganzen mit abgedruckt. Der Unterzeichnete ist für den Text der Briefe und für das Namen-Verzeichnis verantwortlich und schuldet für sein Verfahren an dieser Stelle Rechenschaft. Holtzmann hat nur das Druckmanuskript, eine musterhafte Abschrift von Fräulein Graf s Hand, vorgelegen; ich habe die entscheidende Korrektur nach den Briefen selbst gelesen, die begreiflicherweise noch viel Ausbeute und zahlreiche Gelegenheiten zu nicht immer leichten Entscheidungen und Entschlüssen bot. Ausdrücklich sei noch hervorgehoben, daß Holtzmann und ich, vor der Drucklegung sowohl wie selbst im fertigen Satz, noch eine Anzahl von größeren und kleineren Stellen, nicht nur aus Reuss' sondern seltener auch aus Grafs Briefen gestrichen und, wie die von Rudolf Reuss getilgten, durch Punkte angedeutet haben. Der Umfang der Punkte soll erkennen lassen, ob nur Worte oder ganze Sätze, ob mitten aus dem Zusammenhang heraus, ob Ende oder Anfang eines Absatzes, oder ganze Absätze gestrichen sind; nicht aber, wie groß der Um•MiwasiatBiwcaeB

p

t*at*attasa*astta&tas*m

Vorwort

fang erheblicherer Streichungen war. Lateinische Schrift statt der deutschen, in der die Briefe geschrieben sind, haben wir nur ungern gewählt, aus schuldiger Bücksicht auf den ausländischen Leser. Für die sehr häufigen fremdsprachlichen Worte und Wortgruppen wurde kursive Schrift eingesetzt, Griechisch und orientalische Schriften in den ursprünglichen Zügen wiedergegeben, die letzteren in den Erläuterungen umschrieben und übersetzt, wobei Theodor Nöldeke hie und da freundlichen Beistand lieh. Abkürzungen, die außerordentlich häufig vorkommen, wurden aufgelöst, sicher beobachtete Verschreibungen und Fehler, stets nur winziger Natur, stillschweigend berichtigt. Die Rechtschreibung aber blieb unangetastet, selbst der Wechsel der Schreibungen S t r a s b u r g und S t r a s s b u r g ist keineswegs willkürlich. Sogar die Interpunktion ist im wesentlichen getreu wiedergegeben, auch die höchst merkwürdige in Reuss' Briefen, namentlich in den sorgfältig geschriebenen der früheren Jahre; später, wo die Briefe oft mit fliegendem Kiel abgefaßt sind, Zeichen kaum oder nur in Gestalt von Punkten vorkommen, wurden schonend die für das Verständnis erwünschten eingefügt. Zweifelfälle waren außerordentlich selten und sind dann von Holtzmann gebührend hervorgehoben; alles in allem darf man sich auf die denkbar treuste Wiedergabe der stets deutlichen oder doch deutbaren Urschriften verlassen. Die äußere Adresse ist bei den Briefen an Graf mit abgedruckt, so lange sein Wohnort noch einem Wechsel unterlag; von seiner Ankunft in Meißen an bleibt sie ebenso wie über den Briefen an Reuss fort. Die Abfassungszeit der undatierten Briefe ließ sich überall genau oder doch ausreichend festlegen, auf welche Weise, ist bei der in Klammer gesetzten Angabe angedeutet. Sonst sind Zutaten irgendwelcher Art beim Text der Briefe völlig vermieden; die Anziehung der Seitenziffer wird genügen, um in den Anmerkungen das Gewünschte leicht zu finden. Im Namenverzeichnis, das alle Namen von Zeitgenossen der Briefsteller mit Ausnahme ihrer selbst und ihrer Gattinnen

Vorwort

enthalten soll, sind die Seiten, zu denen in den Anmerkungen von den betreffenden Persönlichkeiten gehandelt wird, durch fetten Druck ausgezeichnet. Von dem Werte des Briefwechsels braucht hier nichts gesagt zu werden, da er für sich selber reden wird. An andrer Stelle haben beide Herausgeber im voraus darauf hingewiesen, ausführlicher handelt davon der Unterzeichnete in dem Aufsatz „Meister und Schüler, Eduard Reuss und Karl Heinrich Graf", der iu No. 38 der „Christlichen Welt" erscheinen soll. Auch Holtzmann's Aufsatz „Zum hundertjährigen Geburtstag von Eduard Reuss" (Evangelisch-protestantischer Kirchenbote für Elsaß-Lothringen vom 30. Juli 1904; sei nachdrücklich hervorgehoben. Möge nun, was uns selbst unter der Arbeit immer wieder gefördert, ergriffen und erhoben hat, recht vielen Andern zu gute kommen; möge unsre Veröffentlichung für die Würdigung der beiden Männer und ihres Wirkens, für die Geschichte der Theologie und Orientalistik, insbesondere aber der biblischen Wissenschaft, für die Kenntnis des Elsasses und seines Heranreifens zu einem deutschen Lande reiche Frucht tragen! M a r b u r g , den 5. August 1904.

KARL BUDDE.

vii

vassttasstt^sttaxttassttastm

Dni(fciehIer>Beriditlgung

feSBGéRC^iiE^S»«

DRUCKFEHLER - BERICHTIGUNG. Seite I I I (Vorwort), Zeile 5 von oben, lies: „ältesten" statt „einzigen". Seite 103, Zeile 9 von unten, lies: „doch werde ich mich" statt „dort werde ich mich". Seite 162, Zeile 1 von oben, lies: „Ecole des Charles (Schule der Diplomatik)" statt „Ecole de Chartres". Seite 575, Zeile 16 von unten, lies: „Stammes" statt „Namens".

Pill

Inhalt. Vorwort

Seite III

Der Briefwechsel

1

Zur Erläuterung

621

Biographisches

623

Anmerkungen

628

IN" amen-Verzeichnis

654

• esss

taatt&stt&sttaattasi

IX

Mittäai^Biäassstiäin

Der Briefwechsel.



1. Graf απ Reuss feSRfeSi»l f i a e B K « l • Zuerst einige Antworten auf mehreres was in Ihrem Briefe vorkömmt. Am allgemeinen anzufangen, so sehe ich mit wahrer Lust Ihre literarische und wissenschaftliche Thätigkeit und wünsche Ihnen Müsse und Gesundheit dazu; hüten Sie sich nur vor einem — und davor hüten Sie sich gewiss: Sie geben ach nicht immer Glut, der Wahrheit helle Strahlen; wohl denen die des Wissens Gut nicht mit dem Herzen zahlen — drum paart, zu eurem schönsten Glück, mit Schwärmers Ernst des Weltmanns Blick (Schiller). Sie verstehn mich. Es wird immer heller in Ihrem Kopfe, sorgen Sie ja dafür dass es nicht zugleich kälter in Ihrem Herzen werde. Nähren Sie ja nicht allein den Verstand sondern auch das Gemüth; und für jedes Stück aus der alten Dogmatik, das in die Brüche fällt, schaffen Sie sich ein andres aus der neuen das eben so tüchtig die Probe gegen Versuchung und Schicksal besteht. Studieren Sie die Dogmatik nicht bei Wegscheider. Er giebt Ihnen für Ihr Herz nichts. Lieber, zehnmal lieber bei Hase der sehr glücklich eine Versöhnung zwischen Herz und Verstand angebahnt hat. Auch Bartholmess hat sich unserm Glauben zugewandt, so wie hier der eine oder andre unter den begabtem Studierenden dem Haerter'schen Extrem den Rücken zu wenden beginnt. Eine Erscheinung die mich und jeden doppelt warnen muss nicht wieder die Vernunft wie vor 50 Jahren einseitig zu vergöttern, damit wir vor denen die sich uns nähern nicht armselig und entblösst dastehen. Doch was ich hier sage, ist überflüssig, denn an Herz und Gemüth fehlt es Ihnen nicht, und ein bischen Mystik mit Ihrem Rationalismus zu verbinden wird Ihnen nicht schwer werden. Unseres Gerock gelehrte Schrift über die Christologie des Koran wird demnächst bei Perthes in Hamburg erscheinen. — Unsre Facultät ist kürzlich von der Heidelberger aus, wie alle andern deutschen theologischen Facultäten offiziell von der Amtsjubelfeier des Dr. Paulus in Kenntniss gesetzt worden,, und hat durch mich eine Gratulation verfassen lassen worirn •UitbStiMM»iäcRKtiSi

66

rasarossnasatasBtasRtasam

•tastt^acaestt^st^ss 17. Reuss an 6raf. ich natürlich den germanischen Sinn unsrer elsasser Theologie nicht ermangelt habe auszudrücken. Die sämtlichen Gratulation sschreiben will Paulus im Druck herausgeben. Nur drei Facultäten, Berlin, Bonn und Erlangen haben die Gratulation verweigert. Hirtzens Gedichte und der Catalog sind Ihnen hoffentlich von Wüst expedirt worden? Ich habe ihm wenigstens dieselben zu diesem Behufe gegeben mit Ihrer Adresse. Meine academischen Verhältnisse haben sich sehr getrübt. Der schlechte Geist der unter den jüngern Studenten herrscht hat so sehr überhand genommen, dass Cunitz und ich nach mehrern vergeblichen Versuchen die philologische Gesellschaft zu heben uns gezwungen gesehen haben sie aufzulösen; es war nemlich nicht blos zu einer gänzlichen Inertie und Schlafsucht sondern auch zu Mangel an Disziplin und zu förmlichen Flegeleien und Impertinenzen gekommen. Sie soll zwar auf den Winter mit bessern Auspizien reorganisirt werden, allein auf zwei Jahre ist aller bedeutende Zuwachs der theologischen Gesellschaft abgeschnitten, und es steht somit dieser letztern eine gefährliche Periode bevor. Ich werde suchen sie durch die Ehrenmitglieder zusammen zu halten. Der Abstand wird um so grösser sein da grade die letzten drei Jahre zu den schönsten und interessantesten gehört haben. Das diesjährige Fest wird am 29. Juli auf dem Neuhof gefeiert werden. Wollten Sie uns mit einer Zuschrift begrüssen. Die edle Sitte ist leider abgekommen. Oder, besser, können Sie selbst kommen? In der Pfarrconferenz habe ich mein altes Project eines zweiten Examen practicum pro ministerio vorgetragen und trotz gewaltiger Einsprache, besonders auch von Seiten Jungks in so fern durchgesetzt als dasselbe einer Commission zur Prüfung zugewiesen worden. In der Commission sind aber nur zwei, Röhrich und ich entschieden für die Massregel. Edel, Bruch und Bockel eher contra als pro. — Die (Konferenz war stärker als je.

17. Reuss an Graf «¡^WKsSRGsSiKsSRKssiiB Mit meiner Umarbeitung der Geschichte der neutestamentlichen Literatur bin ich gegen Pfingsten zu Stand gekommen; der Umfang des Collegiums ist jetzt doppelt (§§ 350) und die deutsche Ausarbeitung auch schon aufs Fünftel vorgerückt. Sie soll im Laufe von 1841 gedruckt werden. In diesem Augenblick arbeite ich mein Heft über Johannes aus, mit Lust und Liebe da ich nicht nur sämtliche Studierende, die ihn voriges Jahr bei Bruch gehört, sondern auch mehrere Candidaten zu Zuhörern habe. Nächsten Winter vielleicht dürfte es endlich zur Geschichte der hebräischen Literatur kommen, wenn ich anders Zeit finde. Denn meine versprochnen Recensionen für die ALZ sind wieder einmal verschoben. Und die Ferien möchte ich gern auf die Berliner Reise verwenden, für welche ich seit drei Jahren nichts mehr gethan habe. Spoerleins Stelle in Mühlhausen ist noch nicht besetzt. Man verlangt Horning, wird ihn aber nicht erhalten. Tachard hat sich mit den Leuten brouillirt und hat seine Demission gegeben. Jaegle von Athis hat sich bereits den Tag nach Spoerlein's Tod melden lassen und ist deswegen durchgefallen. Doch verlangt man einen von dieser theologischen Farbe. Sp. in Antwerpen hat von seinem Consistorium wegen derselben Farbe das Consilium abeundi bekommen, seitdem aber sich wieder mit ihm versöhnt. Baum docirt jetzt auch am Seminar, ausserdem nur Cunitz und Dürrbach. Die übrigen haben nichts zusammen gebracht; selbst Schwebel der den Winter für die Theologen las hat vergeblich auf die Füchse für den Sommer gerechnet. Das Studium der Philosophie liegt durch Willm's Mangel an Ernst ganz darnieder. Doch ist zu erwarten, dass diesem Mangel nächstens auf energische Weise abgeholfen werde. Adieu, Theuerster, leben Sie wohl! Ich schreibe Ihre städtische Adresse weil ich die andre nicht hier habe. Ich

18. Sraf an Reuss iSs£i»iäi£»iSs£i»feSi»KäS5»B denke aber das soll dem Brief doch den Weg zu Ihnen zeigen. Mit Herz und Mund Ihr EDUARD REUSS. Unser Arabicum ist am Ostern sanft und selig eingeschlafen. Haben Sie Bergmann gesehn? (rue Corneille No. 5) Ich wohne im Goldgiessen No. 2. isäiüälcaniaiKscaiisüeäiliäniä) P o i s s y 17. Juli 1839. Meinen herzlichen Gruss zuvor! Ihr letzter Brief, mein theuerster Lehrer, hat mich um so mehr gefreut, da ich so lange vergebens darauf gewartet hatte; doch in den Umständen in welchen Sie sich befanden war mir Ihr Stillschweigen wohl erklärlich und machte mich nicht für Ihre Freundschaft bange wie es sonst wohl einigermassen hätte geschehen können. Doppelt freut es mich darum aber dass Sie nun glücklich und wohlbehalten in den Hafen der Ehe hineingeschifft sind, und ich wünsche Ihnen aus vollem Herzen Glück dazu. Was die Besorgniss betrifft welche Sie äussern, dass ich des Wissens Gut mit dem Herzen zahlen möge, so ist sie, hoffe ich und glaube ich auch ungegründet. Zwar ist meine Dogmatik sammt und sonders zu Grunde gegangen und in meinem Verstände ist in dieser Hinsicht tabula rasa, aber ich gräme mich darüber nicht mehr wie früher, denn ich fühle dass in meinem Herzen keine tabula rasa ist, sondern ich fühle dass es darin nicht kälter, sondern von Tag zu Tag wärmer wird. Mein Herz ist noch ein Kind, ein armes verwahrlostes Geschöpf das kaum noch wagt an das Tageslicht hervorzutreten; es wurde so lange im Drucke und im engen Gefängniss gehalten, kannte so wenig die Freiheit und sah so wenige seiner Bedürfnisse erfüllt, dass es kein Wunder ist

18. Sraf an Reuss

• M B M B B / B B r t t l W 18. Srof an Reuss G f i M M W M M W n wenn es oft nach vergeblichem Rütteln an seinem Kerkergitter, voll Mismuth und Trauer alle Hoffnung aufgab, und sogar nur mistrauisch die Hand ergriff die sich ihm liebevoll entgegenstreckte. Darum ist mein Herz aber auch noch jung, und wenn es auch jetzt da es sich freier fühlt, sich nicht sogleich an das helle Tageslicht gewöhnen kann, so wird es ihm doch immer wohler und besser. Vor vier Monaten hatte ich den Schmerz meine Mutter zu verlieren; Gott hat sie in ein besseres Leben abgerufen wo sie die Ruhe gefunden die ihr in diesem nie zu Theil wurde; sie hat viel gelitten, vielen Kummer mit Engelsgeduld ertragen, und von dem Glücke dieses Lebens wenig, sehr wenig erfahren; ihr Leben war ein Leben der stillen Resignation, der einsamen Trauer; sie war immer liebreich, vielleicht nur zu ängstlich für ihre Kinder besorgt, und wohl hätten ihre Kinder gewünscht, ihr noch wenigstens den Abend ihres Lebens erheitern zu können, doch Gott hat es besser mit ihr gemacht, Friede sei ihrer Asche und ihr Andenken sei geehrt. Dass ihr Tod es sein musste welcher anfing den grauen Schleier zu lüften der auf meinem Leben lag, o es ist wohl traurig, und doch musste es so sein. Es hat mich lange genug unglücklich gemacht, dass ich bei dem Verluste meines Vaters kein anderes Gefühl hatte, als das einer Last welche von mir gewälzt war, Gott möge mir die Sünde verzeihen, aber gewiss es war nicht meine Schuld. Es gibt Kummer den man in sich verschliesst und in den man sich scheut ein fremdes Auge blicken zu lassen, leicht ist es da zu verurtheilen und zu verdammen, aber Gott allein sieht in das Innere. Der trübe Nebel der mein Leben umhüllte fängt nun an sich zu lichten, und hellere wärmere Strahlen dringen hinein, und ich sehe wohl dass ein neuer Zeitabschnitt für mich beginnt. In einem fremden Hause musste ich die Ruhe und das Glück des Familienlebens finden, welche ich in dem meinigen vergebens suchte, und hier eine Liebe und Zuneigung gemessen und empfinden, welche mir bei den Meinen nie zu Theil geworden ist und welche ich

n w a g n w a s n w 18. Sraf an Reuss M H M ü h » i < ä ) R i a i auch vergeblich zu fühlen suchte. Gott hat es doch wohl mit mir gemacht; zwar ist die Zeit der Träume und Ideale vorbei, und mit einem Duokel bedeckt, aus dem nur die lichten Augenblicke die mir Ihre mir entgegenkommende Freundschaft und Ihr Umgang verschafft hat hervorstrahlen, aber schwerlich würde ich, wenn mich Gott anders geführt hätte, mich so glücklich gefühlt haben, als ich mich jetzt fühle. So lange hielt ich alles was ich vom Leben vergeblich gehofft hatte, für blosse Täuschung und eitle Vorspiegelung der Einbildungskraft, desto dankbarer und freudiger nehme ich nun alles an was mir zeigt dass doch nicht alles blos leeres Ideal und Täuschung war. Darum weg mit den trüben Gedanken zu denen ich keine Ursache habe, ich bin im Gegentheil aufgelegt eben so heiter zu sein als ich früher zuweilen bei Ihnen war. Mein Leben hier auf dem Lande fliesst ganz ruhig und ungestört fort, und ich lebe ungefähr einen Tag wie den andern der Erziehung meiner Jungen und meiner eignen Erziehung. Um 5 Uhr fängt der Tag mit einem Spaziergang im Garten an, dann dauern die Lehrstunden, nur durch das Frühstück um 10 Uhr unterbrochen bis gegen 2 Uhr, hierauf nach einem Bade im Teiche lasse ich meine Jungen arbeiten und arbeite für mich ziemlich ungestört in ihrer Gesellschaft bis 6 Uhr. Nach dem Essen gehe ich spazieren und klimpere auf dem Ciavier oder besorge meinen kleinen Privatgarten, und wenn die Jungen zur Kühe gebracht sind, bringe ich den Rest des Abends, gewöhnlich in der Woche wenn die Herren in Paris sind, allein generis masculini in Gesellschaft von 13, sage dreizehn Frauenzimmern von 60 bis 16 Jahren zu. Nun denken Sie vielleicht: Süsser Mond du gehst so stille, oder so etwas, oder schauen besorgt den Vollmond an, ob nicht sein Glanz allmählig abzunehmen beginne? Gedanken sind zollfrei, aber nur so viel kann ich Ihnen sagen, dass ich als ein ächter Benediktiner ein wahres wissenschaftliches Klosterleben führe. Sie lachen wohl über den philosophischen Benediktiner mit seinen drei-

18. 6ra! an Reuss t^tt^ttassttasstwsstm zehn Frauenzimmern, dies ist aber eine kleine Modification in der Regel des heiligen Benedict welche der Aufklärung unsrer Zeit ganz angemessen ist und woraus nur Heil und Segen für die Bildung der Menschheit hervorgehn kann. Der Feier der theologischen Gesellschaft auf dem Neuhofe würde ich gerne persönlich beiwohnen, wenn ich des Fortunati Wünschhütlein hätte, anders kann es aber nicht geschehen; um aber doch meine Gegenwart im Geiste zu bezeugen, und um die Sitte der Zuschriften, so viel an mir liegt, aufrecht zu erhalten, schliesse ich hier einige Worte an die versammelten Mitglieder ein. Ich werde schwerlich eher nach Strasburg kommen als bis ich licencire und dies wird noch eine ziemliche Zeit währen; denn ausser meinen Thesen welche auch bedeutende Vorarbeit erfordern, wenn etwas einigermassen Erkleckliches daraus werden soll, habe ich vor meine ganze Theologie von A bis Z von Grund aus durchzuarbeiten. Was die Thesen betrifft, so habe ich bis jetzt für die eine, nach Lesung der scharfsinnigen Abhandlung von Rühle von Lilienstern „zur Geschichte der Araber vor Mohammed", zum Gegenstande mir vorgenommen: den religiösen Zustand Arabiens vor Mohammed; dabei ist. besonders eine schwierige weitgehende Untersuchung was es eigentlich mit dem Mythus der Erbauung der Caaba durch Abraham und Ismael, mit der Abstammung der Vorfahren Mohammed's von Ismael, und überhaupt mit dem religiösen Verhältniss der Araber zu den Juden für eine Bewandniss habe, und ich weiss noch nicht ob ich da zu etwas kommen werde oder nicht; für die zweite denke ich zum Gegenstande die Frage zu machen, welche Stelle dem Mohammed unter den Propheten gebührt, eine Art Prolegomenen zu seiner Geschichte. Bis jetzt habe ich über den eigentlichen Character Mohammed's durchaus keine Meinung, und die Geschichten von ihm die ich bis jetzt gelesen haben mir auch keine geben können, ich gehe also mit gänzlicher Voraussetzungslosigkeit an die Arbeit; die Geschichte Mohammed's ist aber wohl werth dass man

• M B b S i l i f B b f f l C ^ i ) 18. Graf an Reuss

feS»KssS»ftsS»«»Ks»«

ein halbes Leben darauf verwende, und meine Gedanken müssen sich sonderbar ändern wenn ich dies nicht thue. Mit meiner Uebersetzung des Koran bin ich nun an das Ende der vierten Sure gediehen, habe aber noch einen weiten Weg vor mir. Ich helfe mir dabei mit der Paraphrase im Perückenstil des Herrn Dr. Günther Wahl (da man mir den Sale wieder zurückbegehrt hat), welche zum Verständniss des arabischen Textes zwar nothdürftig hinreicht, übrigens aber erbärmlich ist. Die glühende Entrüstung des Herrn Dr. Günther Wahl gegen den abgefeimten Betrüger und Erzschelm ist wirklich zum Todtlachen, und er wird dafür gewiss einst beim jüngsten Gericht von Gott zum Assessor ernannt werden wenn man die Mohammedaner und Juden auf ewig in den Höllenpfuhl schleudert. Wenn Sie sich ergötzen wollen, lesen Sie doch den Anfang seiner Einleitung, wo er alle zehn Zeilen von der „ trefflichen Jobiade" spricht. — Ich denke Wüst wird den Brief und das Geld erhalten haben, das ich ihm geschickt habe. Ich habe nur noch Ullmann's Leben Wessels zu lesen und excerpiren, dann werde ich mein Paket Bücher wieder zurückschicken. — Es thut mir sehr leid dass die ¡philologische Gesellschaft hat aufgelöst werden müssen, dies I beweist auch dass es in der Studentenschaft ziemlich erbärmllich aussieht, doch ist zu hoffen dass es wieder besser kommen wird. — Auf Gerock's Christologie des Koran pränumerire ich ¡natürlich. — Leben Sie wohl, mein geliebter Lehrer und Freund, wie immer der Ihrige K. H. GRAF.

19. Reuss an Gral

19.Reuss an Graf

. Poststempel 20. August 1839. r 6 Monsieur GRAF Minütre du St. Evangüe chee M. Gros ä l'abbaye de POISSY Seine & Oise.

Herrn Graf in Poissy. Wenn Sie die Adresse von Gambs und Braun wissen, und mit diesen überhaupt in Berührung stehn, schreiben Sie denselben von dem Inhalt dieser encyclischen Epistel und entschuldigen Sie mich mit der Unbekanntschaft mit ihrem dermaligen Aufenthalt. Mein Herr, Wir haben die Ehre, Ihnen anzuzeigen dass die unter unsrer Leitung bestehende theologische Gesellschaft zu Strassburg, welche Sie in frühern Jahren mit Ihrer thätigen Theilnahme beehrten, in ihrer allgemeinen Sitzung vom 31. Juli dieses Jahres beschlossen hat von nun an jährlich eine eigne Denkschrift drucken zu lassen theils um das Band der Erinnerung fester um die sämmtlichen Mitglieder zu schlingen, theils um dem grössern theologischen Publicum und namentlich der Geistlichkeit unsres Vaterlandes regelmässige Kunde von dem Fortgang eines Institutes zu geben welches einst mit schönen Hoffnungen für die Kirche des Elsasses ins Leben trat, und bis jetzt die Erwartungen seiner Gönner nicht getäuscht hat. Es soll diese Denkschrift, nach der in Deutschland allgemein üblichen Sitte, ausser der jedesmaligen Chronik der Gesellschaft, welche dieses Jahr besonders ausführlich werden müsste weil die Gesellschaft schon eilf Jahre besteht, immer eine oder mehrere gediegene Abhandlungen über theologische Gegenstände enthalten für welche wir altern Mitgliedern die noch Müsse haben neben andern Berufsgeschäften für die Wissenschaft zu arbeiten gewiss dankbar sein würden. Wir hegen die Hoffnung für dieses neue Institut, sobald es sich bewährt haben wird, vielleicht schon in einem der

19. Reuss an Sraf nächsten Jahre einen Verleger zu finden. Vorläufig aber sehn wir uns genöthigt die Druckkosten selbst zu bestreiten. Wir wenden uns daher im Namen der Gesellschaft auch an Sie mit der Bitte sich diesem Werke nicht zu entziehn sondern im Andenken an die in unserer Mitte verlebten Stunden nach besten Kräften zur Verwirklichung eines schon vor Jahren ausgesprochenen Wunsches beizutragen. Die Q-esellschaft hat sich einen verhältnissmässigen Beitrag auferlegt und bittet die altern Theilnehmer sich mit einem ähnlichen, nach Lust und Vermögen, an sie anzuschliessen. Für die jüngern, jetzigen Mitglieder ist ein Fixum von drei Franken bestimmt worden. Dem gemäss haben wir die Ehre Sie zu ersuchen vor dem nächsten ersten October einem der Unterzeichneten postfrei anzuzeigen 1) ob Sie die Gesellschaft mit Ihrem Beitritt erfreuen wollen; welche Summe Sie uns desfalls bestimmen; und wie wir dieselbe beziehn können, was wir jedenfalls vor Neujahr müssten thun können; 2) welche öffentliche oder andre Anstellungen Sie seit Ihrem Abgang von hiesiger Universität erhalten haben, nebst chronologischen Angaben; 3) welche Schriften, sowohl besondere, als andern Werken und Sammlungen einverleibte, von Ihnen, ausser Ihrer academischen Dissertationen, erschienen sind, mit vollständiger Angabe des Titels; 4) auf welchem Wege Sie wünschen, sofern Sie ausser Strassburg wohnen, die Denkschrift zugesendet zu erhalten. In Erwartung Ihrer geneigten Antwort haben wir die Ehre hochachtungsvoll zu verharren Ihre ergebensten Diener S t r a s s b u r g den 11. August 1839. ED. REUSS ED. CUNITZ Prof. der Theol.

Lic. der Theol.

Goldgiessen No. 2 Lange Strasse (rue d'or No. 2) No. 12. m*0Gttasatagstcasittastt^t 75 t&stcaesttagsttaGtta&tastm

BMfiMWRMStitfitffcEil 19. Reuss an 0ral

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Meinen herzlichen Grass zuvor! Diesmal nur als Anhängsel, denn ich habe gegen 70 Circularschreiben zu apostilliren, zwei Worte mein Theurer auf Ihren Brief vom 17. Juli — den an die Gesellschaft wird diese selbst offiziell beantworten. Unser Fest war schöner, heiterer und namentlich ungetrübter als irgend ein früheres. Die Burschikosität machte uns keine Sprünge wie zu Ostwald, und der Pietismus hing das Maul nicht wie vor zwei Jahren. Lieder, Toaste und Briefe wechselten in schöner Ordnung ab und elf Promotionen waren von Anwesenden repräsentirt. Für den äussern Glanz des Festes hatte meine liebe Julie mit sinniger Hand gesorgt, für die innere Heiterkeit und Harmonie der Geist der, seit Cunitz mir die Hand reicht, sich immer freier und herrlicher entfaltet. Das Projekt welches gegenwärtigem Circularschreiben das Dasein gegeben hat rührt von dem Chef unsrer Pietisten, Scherer, her, ist also gewiss keine Opposition zu finden, weil eine solche nur von dieser Seite hätte kommen dürfen. Der Stand der Parteien wird in Strasburg immer schroffer, da die Orthodoxen bereits in zwei feindliche Lager zerfallen sind, wie ich dies vorausgesagt, allein der Geist unsrer Gesellschaft schwebt wie ein guter Engel über der Zukunft, wenn es uns gelingt sie dem Elsass zu erhalten so ist unendlich viel gewonnen. Die jährliche Denkschrift ist ein Mittel mehr zum Zwecke. Über Ihre orientalischen Studien ein andermal mehr. Nur so viel. Burger, dem es an Gründlichkeit und Geschmack sehr fehlt, soit dit entre nous, hat um zu doctoriren sich über Mahomet hermachen wollen, und zunächst wieder seine Christologie abdreschen. Es ist ihm aber die Weisung gegeben worden etwas c h r i s t l i c h e s zu schreiben, selbst ohne den Mahomet deswegen zu verbannen. Namentlich wünschte man z. B. die Frage gelöst: Was hat Mahomet aus dem Christenthum entlehnt an Lehre, Geist und Form. Ob er es behan•lUBGaiBGjatKfSMäBläSI

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•GäibcBKicüliäREi» 20. Graf an Reuss B « M » & i B W i » « i i i B » dein 'wird weiss ich nicht. — Gerock's Buch wird ehestens fertig gedruckt sein. — Für unsre Denkschrift geben Sie uns irgend etwas gründliches und n e u e s für nächstes Jahr. — Wüst hat alles erhalten was Sie ihm geschickt haben. Er wird, höre ich, im nächsten Pack den Brief der Gesellschaft an Sie verpacken. Die philologische Gesellschaft wird als Phönix aus der Asche schöner hervorgehn. Popultts romanus praelio saepe victus, hello nunquam. Wüst hat glänzend soutenirt. Mein herzliches Beileid für den Verlust Ihrer Mutter nehmen Sie von geprüftem Freundesherzen. Durch Schmerz wird der Mensch gut, durch Verlust gross, durch Trennung findet er den Weg zum wahren Wiedersehn. Mein Johannes ist glücklich, doch leider zuletzt mit Unterbrechung wegen schlechter Gesundheit hinausgelesen. Ich arbeite jetzt an einer Reihe Recensionen für Halle. Dann ehe die Denkschrift kömmt, müssen Artikel für die grosse Encyclopädie gemacht werden. Ich bin engagirt für die biblischen Artikel die mit Jo- anfangen, wobei namentlich meine Einleitung in die Apocalypse soll gedruckt werden. Sie sehn, ich werfe mich jetzt in die Schriftstellern hinein. Adieu, Adieu. Ein mehreres in Erwiederung auf Ihre baldige Antwort auf das Circular. Ihr ED. REUSS.

P o i s s y 19. September 1839. Meinen herzlichen Gruss zuvor! Schon längst hätte ich Ihnen, mein theurer Lehrer, auf Ihren Brief mit dem Circular der Gesellschaft geantwortet, wenn ich nicht immer das Paket vom Casino mit dem Antwortschreiben erwartet hätte, dessen Empfang ich Ihnen zugleich anzeigen wollte. Gestern habe ich endlich das Paket erhalten, wie mir Wüst schreibt durch die nicht erschienene 77

tasttaestt&stvaeatiästta&m

20. Graf an Reuss

• M B U R U B U B M Ü 20. Graf an Reuss Antwort von Rittelmeyer verspätigt, und ich beeile mich nun Ihnen zu sagen, dass ich mich von ganzem Herzen an das Institut der jährlichen Denkschrift anschliesse. Schon lange dachte ich ob es nicht möglich wäre einmal eine wissenschaftliche Zeitschrift zu gründen, durch welche man an dem wissenschaftlichen Verkehr Deutschlands thätigern Antheil nehmen könnte; nun ist dies ein vortrefflicher Anfang, und für den nähern Zweck der Verknüpfung und Erinnerung für die Mitglieder der Gesellschaft sehr erwünscht. Auf die verschiedenen Fragen des Circulars habe ich weiter nichts zu antworten, da Sie alles wissen; ich verpflichte mich zu einem jährlichen Beitrag von 20 fs., der Ihnen in Bälde zukommen soll. Etwas ist mir nicht ganz klar geworden, nämlich ob schon für dieses Jahr eine solche Denkschrift erscheinen soll, und zu welcher Zeit etwa sie erscheinen wird. Für das nächste Jahr verspreche ich Ihnen wo möglich und so viel in meinen Kräften steht etwas gründliches und neues, und ich werde dieses Jahr hindurch meine Müsse, die nicht eben sehr gross ist, dazu anwenden; was der Gegenstand sein wird, kann ich noch nicht genau bestimmen. Da ich jetzt durch die Vakanz von der Bibliothek abgeschnitten bin, habe ich mich ernstlich an den Koran gemacht, und bin mit Ehren bis an die Sure Jussuf, die zwölfte gekommen; es wird mir immer interessanter, je weiter ich voran komme und je heller ich darin sehe, doch werde ich froh sein wenn ich einmal mit dieser nothwendigen provisorischen Arbeit zu Ende bin. Ich sehe schon zum voraus was für ein Licht mir aufgehn wird, wenn ich wieder an die hebräischen Propheten komme und ich freue mich darauf. Die fünfte Sure, der Tisch, ist sehr interessant für das Verhältniss in das sich Mohammed zu den vorhergehenden Propheten setzt, und die sechste, das Vieh, verdient wahrhaftig ihren Titel nicht, denn sie enthält viele herrliche Stellen. Die neunte, die Busse, lässt einen tiefen Blick in den Zustand der ersten mohammedanischen Gemeinde in Medina thun, und zeigt dass Mohammed eben mvesattaatt&sit&at&wttassk

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i»H»bat»R»i)imi

•EAGAlMCCiiim

20. 6raf an Reuss MBWaMi>Cac»>i

ein geplagter Mann war wie Moses und der Apostel Paulus. Täglich überzeuge ich mich auch mehr, wie grundschlecht Freytags Lexicon ist, und dass er sich nicht einmal die Mühe gegeben hat den Koran dazu ein bischen durchzusehen ; übrigens kann man schon aus seinen Vorreden abnehmen, dass in seinem Hirnschädel nichts als eine gemeine Buchhändlersseele wohnt, und dass die Wissenschaft ihm nur die Kuh ist die ihn mit Butter versorgt. Das arabische Lexicon ist noch durchaus in seiner Kindheit, um sich davon zu überzeugen darf [man] nur z. B. die Bedeutungen des Wortes j ^ f t I I I p. 112 nachsehen, und sich fragen ob in irgend einer Sprache ein Wort gar nichts oder alles auf der Welt bedeuten kann. Mit dem Durchstudiren der Dogmatik bin ich nun an der Hand von Wegscheider, Bretschneider, De Wette und Hase's Hutterus redivivus fast zu Ende, um das Zeug dann bei Seite zu legen; ich hatte mir noch vorgenommen Schleiermacher zu lesen, werde aber noch damit warten, denn es ist mir wahrhaftig zu trocken und leer; es ist nichts als eine endlose Zergliederung von Verstandesbegriffen, leeres und dürres Stroh an dem die Leute herumdreschen um noch hie und da ein Korn herauszukriegen, es wäre doch Zeit dass man es einmal auf den Mist würfe und wieder anfinge den Acker zu bauen. Diese Dogmatiker wissen so genau alles was Gott denkt und will, denken und wollen kann und muss, als ob er sie gefragt hätte, und doch ist im Grunde der Gott der Dogmatik selbst nichts als ein Begriff oder vielmehr ein Gespinst von Begriffen an den sich das übrige Spinngewebe anhängt, es ist der idealisirte Mensch in Hinsicht auf seine geistigen Vermögen, wie der Gott der Griechen das Ideal des Körpers war, was aber eigentlich an diesem Ideal Wahres ist, |*Xet Wenn man die ganze Dogmatik durcbstudirt hat, bleibt am Ende nichts fest übrig als das religiöse Gefühl und daß Sittengesetz, aber eben weil dies letztere eigentlich das einzige sichere Factum ist, kann ich mich mit dem Pantheismus 79

BfiifeSBiaacaaMBefSn

• t e a M B B C B i ü a c a a 20. Graf an Reuss

fiä»Kfi®iii»i M « 2 . Sraf an Reuss über die Geschichte von Senneville, welcher eine Menge Persönlichkeiten gegen Roussel und dergleichen enthielt. Buob hatte nun nichts eiligeres zu thun als abzuschneiden und abzukürzen was ihm nicht gefiel. Als ihn Coquerel einige Tage darauf nach seinem Artikel fragte, sagte er ihm er habe manches aasgestrichen, aber doch die Hauptsache gelassen. Was daraus erfolgte lässt sich denken. Bartholmess arbeitet immer noch an seinem Bruno, er hat aber seinen Plan verändert; er will nun das Ganze auf einen Band von 600 Seiten reduciren, der ihm zugleich als These für den Grad eines Docteur es lettres dienen soll; für die lateinische These nimmt er den Gegenstand, den er schon für den Schmutzischen Preis behandelt hat. Beide Gegenstände sind von der Facultät angenommen, und er hofft im Oktober mit der Arbeit fertig zu werden. Er hat auch den Plan noch nicht aufgegeben einmal Licentiat der Theologie zu werden, da er aber nicht im Stande wäre das Examen zu machen, will er seinen Grad in Montauban holen. Vor einiger Zeit sah ich bei Herrn Verny den berühmten Hase von Jena; alle Candidaten deutscher Zunge in Paris waren an einem Samstag Abend deshalb zu Verny zusammenberufen worden; aus dem Elsass waren da Kroh, Bartholmess, Magnus und meine Wenigkeit. Auch Prof. Stähelin von Basel habe ich kürzlich hier gesehn; ich erwarte seine kritische Arbeit über die historischen Schriften des Alten Testamente; nach dem was er mir davon sagte, scheint er darin eine Idee ausgeführt zu haben, die mir selbst schon lange vorschwebte. Ich hätte im Sinne, indessen bis ein Verleger kommt, nicht eine Monographie, sondern nur einen Artikel für irgend ein Journal, über Richard Simon als Kritiker zu schreiben; da ich für meinen Faber einigemal seine Werke in Händen hatte, kam mir dieser Gedanke schon längst ein; mehr eine Charakterisirung als eine Biographie. Schreiben Sie mir doch gefälligst was Sie davon halten, und ob nicht etwa schon et•t&ßt&atacstz&av&az&a

166

v^stf^stt^t^stt^st^stm

(3. Reuss an ®raf ^ R i ^ ^ K â t C i â R i was der Art über ihn existirt. Noch eine Bitte müssen Sie mir erlauben. Auf der Strasburger Stadtbibliothek soll sich eine Ausgabe von Fahrt Stapulensis Ars Moralis von 1493 finden; diese Ausgabe habe ich sonst nirgends verzeichnet gefunden, sie wäre aber so eine der ältesten Schriften Faber's. Wollten Sie wohl, nicht sich selbst deshalb bemühen, sondern nur Fritz Jung gelegentlich bitten nachzusehn ob diese Ausgabe wirklich da ist, und mir genau den Titel und was vorn und hinten dazu gehört abzuschreiben. Ich muss schliessen; mit der Bitte meiner auch bei Madame Reuss zu gedenken, umarme ich Sie in Gedanken als Ihr treuer und ergebenster Schüler und Freund K. H. GKAF. 15 Boulev.

Poissonnière.

(Dieselbe Adresse.)

Strasb. 20. Mai 1843. Meinen herzlichen Gruss zuvor! Vorerst meinen besten Dank für Ihre Bemühungen um meine Zabier, welche wirklich grösser waren als ich mir vorstellte, weswegen ich auch grössere Verpflichtungen gegen Sie übernommen. Ich habe noch nicht einmal Zeit gehabt mich zu überzeugen dass ich noch arabisch genug kann um Ihre Mittheilungen gründlich zu benutzen, doch habe ich schon bei der ersten oberflächlichen Durchsicht die Gewissheit erlangt dass das Wesentliche längst in unsre gewöhnlichen Wörterbücher übergegangen ist. Ich gehe zu der Hauptsache über, zu Ihrem Werke. Und auch hier muss ich mit einem warmen und gerührten Danke beginnen, mein Theuerster. Ich war schon so glücklich Ihre Freundschaft zu besitzen, wie von wenigen meiner Schüler, und Gott weiss, und Sie wissen dass dieses stille Glück mir voll-

43. Reuss an Graf

Reuss an Sraf CdgR&ERfäEStcäSRCäSta kommen genügte. Sie wollen mehr thun und es der Welt laut sagen dass Sie mir gut sind. Wie mir diese Ihre Absicht zu Herzen gegangen ist, kann ich Ihnen nicht ausdrücken. Ich rechne mir's allerdings zur Ehre an vor denen draussen, und freue mich dessen mehr noch innerlich weil ich weiss dass ich's Ihnen jetzt schon im Herzen vergelte und hoffentlich auch noch mit der That vergelten kann. Um den Verleger zu finden ist natürlich das nächste dass Sie e n t w e d e r selbst an jemanden schreiben, und zwar zunächst wohl an einen der genannten oder an Weidmann der Baum's Verleger ist ihm sagend, dass Sie resp. von mir oder Baum oder Bruch an ihn gewiesen seien, und ihm Ihr Werk als aus »den gedruckten und ungedruckten Schätzen der Parisei Bibliotheken erwachsen" darstellen nebst ungefährer Angabe des Volumens, zugleich mit zwei Worten die Stellung Ihres Helden zu seiner Zeit recht wichtig bezeichnend; oder dass Sie Ihren Pariser Buchhändler der ja auch ein Deutscher ist bitten es (wofern er auf die Messe geht) mit zu nehmen und dort an den Mann zu bringen wie ich's mit Gerock's Buch gemacht habe das Perthes so übernommen hat. Ich würde gleich selbst an meinen Verleger schreiben, der aber ist vor acht Wochen gestorben und ich weiss noch nicht wie die Geschäfte dort fortgesetzt werden da ich kein Handelscirculaire bekommen habe. Nur weiss ich dass die Firma bleiben wird. Jedenfalls dürfen Sie sich dort auf mich berufen. Verzieht sich's noch ein paar Monate so bin ich auch mit Perthes in Relation, da ein längerer Artikel von mir im 1844. I. in den Studien gedruckt wird, und an diesen will ich dann gern direkt schreiben. Die neusten Veränderungen am Seminar wissen Sie wohl schon, Matter ging wieder, und da wurde Stahl unanim minus 1 Stimme die Sie kennen zum Professor ord. gewählt. Ich war auf der Bibliothek und habe mit Professor Jung die ars moralis gesucht. In Oberlin's Catalog der Incunabeln vom Seminarium ist sie 1494. 8°. eingeschrieben und war mit vielem andern zusammen gebunden. In einem daraus gemachten

»3. Reuss an Sraf aber anders eingerichteten Catalog steht 1493. 4°. J u n g s a g t es sei j e d e n f a l l s d a s s e l b e E x e m p l a r und sehr wahrscheinlich im j Ungern Catalog nur verschrieben. Das Exemplar selbst aber, welches Oberlin, wie vieles, herausgeschnitten und anderweitig hatte binden lassen, konnten wir mit keiner Mühe b i s j e t z t finden. Doch werde ich weiter nachgehn. Das Format muss jenes ganz kleine 4° sein welches wie breit 8° aussieht und damals gewöhnlich war. Die Stadtbibliothek besitzt kein älteres Exemplar als von Stephanus 1519 in welchem weder Vorrede noch sonst etwas auf die frühere Ausgabe aufmerksam macht. Von Lachenmeyer's und Herrenschneiders Bibliotheken werde ich Ihnen keinen Catalog zu schicken haben. Letztere ist dem Seminarium, und ihrem philologischen Theile nach dem Wilhelmitanum geschenkt worden, erstere hat Heitz en bloc für 1700 fr. (es waren nur Ausgaben der Classiker und wenig andres) für seinen Sohn gekauft der jetzt in Selecta ist und sich ausschliesslich der Philologie widmen will. F ü r Sacy's Auction habe ich keine Aufträge gegeben, ich weiss aus Erfahrung wie schlecht sie in Paris von den Buchhändlern besorgt werden, andererseits aber auch dass alles wirklich Wünschenswerthe mit Gold bezahlt werden muss. Ich habe auch sonst Auctionen genug auf dem Gewissen (meiner Frau gegenüber die immer wehrt) und seit Anfang Winters sind wenigstens 300 Bände wieder eingewandert. Hase war Sonntag und Montag vor acht Tagen bei unä und diese Zeit über mein Gast. E r kam von Nizza und Genf. Hupfeld wird Gesenius' Nachfolger. Von Ewald hat eine Geschichte des Volkes Israel angefangen. Uber R. Simon existirt nichts besonderes aus neuerer Zeit. Im vorigen Jahrhundert ist er unbedingt verketzert worden, von Semler's Zeit an ebenso überschätzt, die wahre Würdigung seiner Stellung, aus seiner Zeit heraus begriffen, fehlt. Einem Artikel über ihn wüsste ich leicht in den Studien Bürgerrecht zu verschaffen. Meine Recensenten haben mehr-

u . Graf an Reuss ess»i«sSii£S»iäs5tfeSR» fach wieder bewiesen dass das Urtheil über ihn noch keinen festen Halt hat. Man könnte auch mit diesem Artikel anfangen, und wenn er gedruckt wäre hätten Sie an Perthes per se Ihren Verleger, gerade wie ich es durch die Allg. Lit.Zeit. mit Schwetschke gehabt. Ich umarme Sie herzlich ED. REUSS. Meine Frau lässt Sie bestens grüssen.

Graf euss

P a r i s 13. Juni 1843. Meinen herzlichen Gruss zuvor. Mit Dank habe ich, mein theurer Lehrer und Freund, Ihren guten Rath wegen der Verlegersache empfangen, und ich danke Ihnen auch für die Nachsuchung wegen Faber's Ars moralis die Sie die Güte gehabt haben selbst zu machen. Von Faber'schen Werken habe ich ein ellenlanges Verzeichniss gesammelt, bei manchem sechs bis acht verschiedene Ausgaben, und ich denke dass es so ziemlich vollständig sein wird; wegen der besagten Ausgabe der Ars moralis werde ich mich begnügen das was Sie mir darüber bemerken anzuführen, wenn nicht das Buch selbst sich noch von ungefähr findet. Ehe ich an einen Verleger geschrieben, habe ich noch mit Herrn Vieweg, welcher in der Buchhandlung Brockhaus & Avenarius den Verkauf besorgt, einem sehr unterrichteten und artigen und in dergleichen Geschäften bewanderten Manne, Rücksprache gehalten. Er machte mir zwar keine grosse Hoffnung, und erzählte mir zum Tröste von den vielen abschlägigen Antworten die er zu seiner Zeit in Leipzig habe schreiben müssen; doch rieth er mir mich zugleich an mehrere Verleger zu wenden, und bot mir an die Briefe selbst zu befördern so wie auch das Manuscript wenn sie es verlangten. Da Perthes mir wie Schwetschke den Streich gespielt hat zu sterben, und so sich die abschlägige Antwort erspart hat, so habe ich nun

•r«l>B«BWPBg>ias>

M . Graf on Reuss M B M B M B n f i i M



vor der Hand blos an Weidmann und an Brockhaus geschrieben, und erwarte jetzt ihre Antwort. In meinen Briefen habe ich natürlich die Bescheidenheit etwas in den Schatten gestellt und meine Waare gehörig in ihrer Wichtigkeit dargestellt (denn für die Verleger ist es ja doch nur eine Waare); darin unterscheiden sich eben dergleichen Briefe von den Vorreden, wo man die Bescheidenheit im Gegentheil in den Vordergrund treten lässt, wenn sie sich auch bisweilen vor dem Publikum ein bischen linkisch ausnimmt. Herr Vieweg rieth mir auch noch an Cotta und an Perthes's Nachfolger zu schreiben, ich will aber jetzt warten, und wenn ich von Leipzig keine günstige Antwort erhalte, dann an meinem Aufsatz über R. Simon arbeiten für den Sie die Güte haben mich einen Platz in den Studien und Kritiken hoffen zu lassen, und erst nachher bei Perthes anfragen. Buob begehrt mir immer Artikel und Recensionen für den Lien; die Recensionen können aber nichts anderes sein als Anzeigen oder Réclames in denen man den Autoren einige Complimente macht, wissenschaftliche Beurtheilung kann dabei keine Statt finden. Seit mehreren Wochen habe ich einige das Alte Testament betreffende Schriften eines gewissen bekehrten Juden Namens Frank liegen, der einige Zeit in Genf studirt hat und sich anerbietet in allen alten und neuen Sprachen et quibusdam aliis Unterricht zu ertheilen; von diesen soll ich eine Recension machen. In einer deutschen Recension wäre es ein leichtes, die philologische Willkühr die sich, wie mir der erste Anblick gezeigt hat (denn genauer habe ich die Bücher noch nicht angesehn), mit grosser Anmassung darin geltend macht, in ihrer Blosse darzustellen; da aber Frank den Redacteur selbst um die Anzeige gebeten hat, und er einem etwa mit einer Pistole auf den Hals käme, wenn man zu hart mit ihm verführe, so wird man es in einigen Phrasen abthun müssen. Ich habe auch eine Anzeige von Burckhardts These über die Zabier gemacht, wofür mir Buob die These geschenkt hat; auch habe ich den Artikel über •

171

CgBMîH^BMBRâBMBa

• a « B < B » W » W H W U . Sraf an Reuss M B i H M B S i l H M i « Faber's und Olivetan's Bibel neu bearbeitet, es währt aber lange bis er gedruckt wird. Dabei bin ich auf manches aufmerksam gemacht worden was sich zwar nicht für eine französische, wohl aber für eine deutsche Recension eignen würde; und so nehme ich mir die Freiheit Ihnen eine Recension von Glaire'8 Einleitung zuzuschicken mit der Bitte, wenn Sie glauben dass sie etwa in der Halleschen Lit.-Zeit. Aufnahme finden könnte, sie gütigst mit Gelegenheit der Rédaction vorzuschlagen. Ich möchte gern eine Gesammtrecension über folgende Werke machen die ich nach und nach entdeckt habe: 1) eine Uebersetzung des Pentateuchs mit Text und Commentar von demselben abbé Glaire; 2) eine hebräische Grammatik von demselben; 3) ein hebräisches Lexicon von demselben; 4) eine neue Uebersetzung von Hiob und den Psalmen, von einem abbé Laurens in Montauban, mit Commentar (nach Rosenmüller); 5) eine Uebersetzung des Jesaias nach dem Originale, von einem Priester der Diöcese von Tours Namens Bodin; 6) eine Uebersetzung der Psalmen nach dem Original von dem abbé Danicourt, Generalvicar in Tours, mit Anmerkungen; 7) eine Uebersetzung der Psalmen und des Hohenliedes in französischen Versen mit hebräischem Text und Noten. Von allen diesen Büchern kenne ich aber bis jetzt nur die Titel, und kaufen mag ich sie nicht; den Pentateuch von Glaire hat man schon auf der königlichen Bibliothek nicht finden können, wegen der andern habe ich noch nicht nachgefragt. Der Sacy'schen Versteigerung habe ich nur einmal im Vorbeigehn einen Augenblick beigewohnt; sie ging in einem ganz kleinen engen Zimmer vor sich; da sassen acht bis zehn Buchhändler um einen grünen Tisch, und steigerten ganz en famille so weit es gehn mochte auf Kosten ihrer Committenten ; der Laie der es gewagt hätte zu bieten wäre bald mit leeren HMMBIWM«ba>bE«

172

M9«ÜC»»i»»Hmi

•MRCaCRKAlURlMB 45. 6raf an Reuss

MMMAMHWl

Taschen nach Haus gekommen. Ich wollte aus Neugierde zu der Versteigerung der Polyglotten gehn, habe es aber ganz vergessen. Vor einiger Zeit las ich dass die Gesellschaft zur Vertheidigung der christlichen Religion im Haag unter andern Preisfragen auch eine über die apokryphischen Evangelien ausgeschrieben habe (bis zum December 1844). Eine solche Arbeit würde nun ganz in meine speciellen Studien passen, und wenn ich auch den nächsten Winter an den französischen Bibelübersetzungen arbeite, so könnte sie doch damit Hand in Hand gehn, denn ich habe gern Arbeit im Vorrath. Vor allem aber möchte ich gern etwas näheres über den Geist dieser Gesellschaft wissen, denn darnach muss man sich doch in Form und Methode richten, und ich muss Sie daher bitten mir doch gefälligst, wenn Sie etwas davon wissen, mit Gelegenheit es mitzutheilen. Kommt nichts bei meiner Arbeit heraus, so schadet jedenfalls das Studium zu dem sie mich veranlasst nichts; es ist übrigens noch ein blosses Project. Neues weiss ich Ihnen von hier nichts zu sagen. Wie immer Ihr treuer und ergebener Schüler und Freund K. H. GRAF. «BKSMiKtfiMiätBäHiCBKäKaBBä) Poissy 5. August 1843. Diesmal nicht nur meinen herzlichen Gruss, sondern auch meinen herzlichen Glückwunsch zuvor, mein theurer Lehrer, für die Ehre die Ihnen durch die Jenaer Facultät zu Theil geworden ist, Ihre Ernennung zum Doctor erfuhr ich leider erst durch den Lien, also mehr als einen Monat nachher; meine Freude darüber war aber darum nicht geringer, und ich fühlte mich den Jenaern zu tiefem Danke verpflichtet dass sie, in Folge Ihrer Arbeit über das Neue Testament, Ihr VermK&ataSitagBcasvtc&BKaeii

173

t&st&ac&mic&mit&stt&gstm

45. Graf an Reuss

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Sraf an Reuss t^tt&sttaatvasstt&stm

dienst hatten anzuerkennen wissen. Es sollte aber noch mehr geschehn, und mit Schrecken gelangte bald darauf das Gerücht an mich, Sie seien als Nachfolger von BaumgartenCrusius nach Jena berufen worden; erst vor einigen Tagen erfuhr ich zu meiner Beruhigung Sie hätten nicht angenommen, und so kann ich Einen jetzt auch mit freudigem Herzen den zweiten Glückwunsch für diese neue, noch grössere Ehre darbringen, welche Ihnen und Strasburg durch Sie widerfahren ist. Eine solche Berufung ist in Strasburg seit Jahrhunderten nicht erhört worden, und wiewohl ich nicht im geringsten dabei betheiligt bin, so kann ich mich eines gewissen Gefühles von Stolz nicht erwehren. Ich hätte Ihnen schon früher geschrieben, aber während vierzehn Tagen war ich fast zu aller Arbeit untüchtig und auch jetzt bin ich meine Unpässlichkeit noch nicht ganz los. Während acht Tagen hatte ich Kopfweh und Mangel an Appetit, dann hörte das Kopfweh nach und nach auf, der Appetit ist aber bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Der Arzt gab mir Brechmittel und Purganzen und was weiss ich was; dies alles mattete mich so ab, dass ich seit den vier Tagen seit denen wir hier auf dem Lande sind, mich herumschleppe als ob ich sechs Monate krank gewesen wäre; auch kann mein Kopf nicht viel Anstrengung vertragen. Ich hoffe in einigen Tagen wird alles wieder im alten Gleise sein; die Tage während denen man nichts thun kann sind so schrecklich lange. Man wirft mir vor ich arbeite zu viel et hinc illae lacrymae d. h. daher komme meine Krankheit, aber was soll ich anders thun als arbeiten? wozu lebe ich wenn ich nicht arbeite? Ich befinde mich doch gewöhnlich wohl dabei; mein Magen war von jeher schwacher Natur, und ob ich arbeite oder nicht, so wird er mir immer Molesten machen. Noch habe ich Ihnen nicht für Ihre Becension in der Jenaer Literaturzeitung gedankt, in welcher Sie die Güte gehabt haben nicht nur meiner Arbeit über Samuel, sondern selbst in einer besondern Anmerkung meines schwachen Versuches über Lefevre d'Etaples •«WMBiaaBanaaiw

174

wustt^situssttueBtusstnastm

•U»(ibEtí 61. Reuss an 6raf KsS»R¡£5íCíS»fcéitGsS*« Titel: Extraits du Boman cFAntar (texte arabe) ä Vusage des eleves de l'Ecóle des langues orientales vivantes, Paris, Firm.Didot 1841. 204 SS. gr. 8; es kostet 6 fs. bei Dondey Dupré, mein Exemplar hat mir Caussin geschenkt. Eine Fortsetzung soll erscheinen wenn es Caussin's Trägheit erlaubt. — Gestern sind alle meine Zöglinge zu ihren Eltern gewandert, und ich habe nun vollkommen freie Zeit bis zum 9 ten Januar. Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Glück und Ihre Gesundheit im bald anfangenden Neuen Jahre Ihr treuer und ergebener Schüler und Freund K. H. GRAF.

61.Reuss an Sral

S t r a s s b u r g den 31. März 1845. Meinen herzlichen Gruss zuvor! Ich komme ein bischen spät an die Beantwortung Ihres Briefes vom 22. December vorigen Jahres weil die Gelegenheit womit Ihnen dieselbe zukommen sollte (nebst einigen Papieren), sich von Woche zu Woche verschob. Einer meiner zahlreichen Neffen, Carl Wieger, der Buchhändler, geht auf gut Glück nach Leipzig um eine Stelle als Commis zu suchen und nimmt diesen Brief mit. Es ist sein erster Ausflug aus dem Neste, obgleich er schon sechs Jahre im Geschäfte ist, und er wird deshalb auf dem fremden Pflaster auch Ihres Rathes bedürftig sein. Lassen Sie ihm denselben gelegentlich wenn Sie ihm etwa damit dienen können angedeihen. Von Heidelberg habe ich seitdem keine Nachricht, ich weiss also nicht ob Ullmann Ihren Aufsatz aufnehmen wird, sollte es aber kaum glauben nach der Miene die er damals zu dessen Volumen gemacht. Wenn Wieger sich in Heidelberg aufhielte und nicht gerade durchdampfte so würde ich ihn anweisen bei Ullmann vorzusprechen und allenfalls das Manuscript mitzunehmen. So aber werde ich mich wohl entschliessen an ihn zu schreiben und ihn dasselbe durch den Buch220

PäSiCäSRt&mit&wit&Bt&wim

61. Reuss on Siuf handel nach Leipzig schicken zu lassen. Ich verschob dies bisher weil ich wohl weiss dass wenn ich schreibe er jedenfalls es fortschickt, während ich sonst immer noch hoffte es in den Studien erscheinen zu sehen. In diesen Tagen sollen Sie möglicher Weise eine Karte oder einen Besuch von dem Candidaten Daumas erhalten haben den ich als Professor linguae gallicae nach Dresden in das Blochmannsche Institut spedirt habe. — Ich schicke Ihnen die bis jetzt heraus gekommenen Hefte des Conferenzarchivs, das erste haben Sie zur Zeit nach Paris bekommen. Sauf conlr'ordre lasse ich Sie für die Zukunft von der Abonnentenliste weg? — Ausser dem 2 ten Jahrgang desselben habe ich zu verschiedenen Malen für Sie ausgelegt fr. 7,30 was ich Sie bitte, um Weitläufigkeiten zu vermeiden, entweder C. Wieger zu geben oder in einem Antiquariatsgeschäft für meine Rechnung anzulegen, wenn Sie einmal eine gute Gelegenheit finden. A propos, bouquiniren Sie denn auch? Neues von hier wenig oder nichts. Ich habe die Hälfte des Semesters auf Reinschreibung meines grossen Catalogs verwendet, welcher nun auch in sieben prachtvollen Folianten gebunden vor mir steht und circa 3700 Werke, 1000 Broschüren, 4000 Dissertationen, 6000 Journale und andre in Sammlungen eingerückte Aufsätze, 3000 Recensionen und über 7000 sonstige von mir gesammelte (versteht sich aus meiner Bibliothek) literarische Notizen, Nachweisungen, Bemerkungen über Bücher &c. enthält, circa 25000 Artikel. Die Vermehrung der Bibliothek geht rasch voran, fast wie wenns Eile hätte damit ichs noch erlebe! Das Jahr fing glänzend an; der alte Papa Brunner war am 12. December 88 Jahre alt gestorben und ich machte den Catalog seiner Bücher welche nicht verkauft werden sollten. Es war im Ganzen nicht viel, circa 250 Incunabeln, Manuscripte und Kupferwerke, alles übrige ohne Bedeutung (die Alsatica ausgenommen). Ich durfte mitnehmen was ich wollte und so bekam ich 70 Werke zum Theil von ungemeiner Bedeutimg,

61. Reuss an Sral «5»fes»Cii£»csSïKseﻫ zum Beispiel eine Vulgata mit Holztypen (bei Eggesteyn in Strassburg ante 1466) gedruckt, eine handschriftliche deutsche Historienbibel aus dem 15 ton Jahrhundert worüber nächstens öffentlich, mehrere andere Manuscripte zur biblischen Literatur ohne sehr bedeutenden Werth aber schön, ein Neues Testament von Lefèvre d'Etaples Basel 1525. 8° und eine Bibel Anvers chez Mt. Lempereur 1534 fol., mehrere Exemplare des Lyra; einen deutschen Psalter mit der Glosse ohne Ort und Jahr fol. (1477?), die deutschen Evangelien von J . Lang 1522! die Editiones Principes von Luthers Altem Testament in einzelnen Theilen; die Mirifica von 1549 die mir noch fehlte; das prachtvolle arabisch-persische Manuscript mit calligraphischen Mustern über das ich schon vor 16 Jahren ihm eine Abhandlung geschrieben hatte, die hebräische Bibel von van der Hooght 1705, eine herrliche Vulgata von Stephanus 1540 fol. max., den Otfrid von Flacius 1571, zwei vorlutherische deutsche Bibeln, die Nürnberger 1483 und die Strassburger 1485, erstere ein herrliches Exemplar, Luthers Neues Testament 1535 Augsburg Stayner auf Pergament, noch ein Exemplar von Emser's Neuem Testament und von Hetzer's Propheten die ich schon hatte &c. Meine Bibelsammlung begreift jetzt 400 Nummern worunter 110 griechische Neue Testamente. Es gebricht mir wieder gänzlich an Baum und wird deswegen nächster Tage ein grosser remue-ménage mit neuen Schäften und einer totalen Umstellung werden. Wären Sie da und hülfen wieder! Ich habe schon wieder eine Reise vor; ich will zu Darmstadt dem Philologencongress beiwohnen. Roediger hat mir versprochen von dort mit mir nach Strassburg zu kommen. Auch hoffe ich noch andre alte Bekannte dort anzutreffen. In Montauban war eine Insurrection der Studenten gegen die Professoren. Man sagt sie seien alle ausgezogen, wahrscheinlich nach Genf. Bestimmte Nachrichten fehlen noch hier; es ist vielleicht auch nicht so arg. In den Gesellschaften und auf dem Casino gehts, nur die exegetische Section ist weniger als IMBläiHäStlUiHWillitSI

222

»BläiHliäEB«

mta&tasBtasatasatast 163. erat an Reuss t a s & c & R & s a t & a t & a n würden mich ganz gern haben, aber man müsse dieses Mal die dringenden Wünsche von Altenburg und Meiningen berücksichtigen, die mehrmals unberücksichtigt geblieben seien, und diese Wünsche gingen auf einen Orthodoxen.

Zuerst

hatte man, um beiden Parteien zu genügen, das Augenmerk auf Riehm in Halle gerichtet, doch dieser sitzt dort fest und hat die glänzendsten Aussichten, so dass von ihm abgesehen werden musste; dann waren Diestel in Greifswalde und Köhler in Erlangen, Commentator einiger kleiner Propheten, im V o r schlag, der letztere natürlich eine persona graiissima,

da er

den Stempel der ächten Firma trug, von der allein für die Regierungen

die richtige Theologie

zu

beziehen ist.

Vor

kurzem las ich nun in einer Zeitung, dass Köhler wirklich ernannt worden ist.

Delitzsch mit seinem Freunde K e i l ist

ja jetzt bemüht, die Exegese des Alten Testaments ganz für sich in Beschlag zu nehmen, bald werden auch seine Schüler auf allen Kathedern Deutschlands sitzen, und so wird die nächste theologische Generation durch Delitzsch'sche Scheinwissenschaft und Phrasenmacherei selig werden.

Da in Jena

nichts wurde, so hat für mich die Hoffnung auf ein Katheder nun ein Ende, und merkwürdiger Weise ist auch mein fünfzigstes Jahr da, welches ich mir von jeher als das Endziel dieser meiner Hoffnung

gesetzt hatte.

Aus zwei

triftigen

Gründen, von denen der zweite von Jahr zu Jahr triftiger wird, kann mich eine Facultät gar nicht mehr mit gutem Gewissen vorschlagen:

1) man weiss nicht was ich als Docent

leiste, 2) ich bin zu alt.

Somit muss ich mich ergeben und

mich mit dem Bischen begnügen, was ich so nebenbei noch für die Wissenschaft leisten kann.

Ich

weiss nur zu gut,

was mir von jeher im W e g e gestanden hat; wenn ich auch mancherlei Gaben und Talente hatte, so fehlte mir doch, in Folge

sowohl mangelhafter Erziehung

als mütterlichen und

väterlichen Erbtheils die Kunst dieselben im Umgange mit Menschen geltend zu machen; ich war schüchtern, linkisch und ungeschickt, und wusste nicht meine Gedanken mitzutheilen, 537

t&stc&Rt&ataattaait^n

•t^at^tvasstva^t^asst 163. erat an Reuss so dass Andere auch nicht wissen konnten, ob ich überhaupt welche hatte. Dies klingt wie ein Nekrolog und ist auch in gewissem Sinne einer. Fleischer hielt sich von Mitte August bis Mitte September mit zwei Töchtern in Kötzschenbroda zwischen hier und Dresden zur Sommerfrische auf, und hat uns auch zweimal hier besucht; auch Flügel wohnte den ganzen Sommer dort. Zur Philologenversammlung ist Niemand von hier gereist; sie tagte vorige Woche in Hannover, und soll, wie ich eben gelesen, nächstes Jahr in Heidelberg sein. Ich habe mich im vorigen Juli vier Wochen zur Molkenkur in Streitberg (in der sogenannten fränkischen Schweiz zwischen Bamberg und Erlangen) aufgehalten, und bin mit dem Erfolge sehr zufrieden; ich hatte zu den drei Wochen Ferien noch zwei Wochen Urlaub und 50 Thaler Beitrag zu den Kurkosten erhalten; spazierengegangen wurde viel, gearbeitet wenig, alles nach Vorschrift. Nächstens wird in der Deutschen Morgenländischen Zeitschrift eine Recension von mir über eine höchst abenteuerliche Schrift von Dozy über „die Israeliten in Mekka von Davids Zeit an" erscheinen. Ein grösserer Aufsatz über Altes Testament, der schon seit bald einem Jahre wartet, wird versprochenermassen auch in einem der nächsten Hefte gedruckt werden. Ich bin Dir vielen Dank schuldig, dass Du es ermöglicht hast in Deiner Geschichte des Neuen Testaments meinen Jeremia zu erwähnen, und zwar erscheint er dort neben Hupfeld's Psalmen, was mir nur höchst schmeichelhaft sein kann. Meine Familie befindet sich wohl; meine Frau ist erst vorgestern von einer vierzehntägigen Abwesenheit in Bremen und Hamburg, wohin sie auf Veranlassung einer Hochzeit zum längst beabsichtigten Besuche von Verwandten und Bekannten gereist war, zurückgekehrt. Die besten Grüsse an Deine liebe Frau, die meinige lässt

164. ReUSS an 6raf

auch bestens grüssen.

Schone auch Deine Gesundheit

bürde Dir nicht zu viel Last und A r b e i t auf.

und

Dein

K. H. GRAF.

S t r a s s b u r g 30. December 1864. Meinen herzlichen Gruss zuvor!

16V Reuss gra{

fl„

Ich hatte mir längst die Weihnachtferien ausersehn um meine

ganz

vernachlässigte

Correspondenz

in

Ordnung

zu

bringen, als Dein Brief vom '26ten ankam und mich aufs neue an meine Schuld erinnerte.

Der Brief hat mich sehr gefreut,

obgleich er im Grunde zunächst eine unangenehme Täuschung bewirkte.

Als

ich die ersten Zeilen las meinte ich in der

That es sei ein Ruf an Dich an irgend eine Universität ergangen, weil Du von einer schönen Ueberraschung sprachst, und so war im ersten Augenblick in meinen Gedanken Diplom

eine sehr geringe Entschädigung.

Indessen,

das

lieber

Freund, nimm mit Dank an was die Zeit und die Vorsehung bringen, ohne Dich weiter um das nicht erreichte zu grämen. Dass ich D i r von Herzen einen akademischen Wirkungskreis gönnte weisst Du, und dass Du ihn längst hättest wenn ich es machen könnte.

Leider ist der Katheder eine gar sehr

von Umständen abhängende Sache.

Ich war verhältnissmässig

glücklich dass ich mit 30 Jahren Extraordinarius mit 600 fr. Gehalt war, und mit 32 Ordinarius. er so weit kam.

Cunitz war 52 alt, als

Nun ist wohl nicht zu vergessen dass D u

unendlich mehr literärisch geleistet hast als wir in die W a g schale zu legen hatten, und dass Du allerdings über Undank der literärischen W e l t

klagen

kannst.

Es

führt eben

der

W e g zu diesem Ziele nicht durch die Schule, sondern durch das Privatdocententhum, d. h. durch die saure Zeit der Entbehrungen.

Nun ist zwar noch nicht alle Aussicht verloren,

indessen sind die Constellationen ••¡«iBGaSKäitläitläeSGäi

539

allerdings nicht besonders 62BCäci?Kfi«HPäeBlii»«

16«. Renss an Sroi hoffnungsreich, und Du musst Dich mit dem Gedanken vertraut machen dass die Arbeit des Lebens Zierde bleibt, wenn auch der gehoffte Lohn nicht immer der Mühe Preis ist.

Um wieder auf das Diplom zurückzukommen so wird es Dir eine interessante Neuigkeit sein, dass auch ich mit einem schwanger gehe. Du weisst dass ich nie in Frankreich Dr. theol. geworden bin sondern mein Diplom von Jena habe. Nun haben die zwanzig Minister die vor mir vorbeidefilirt sind mich nie zum Professor an der Facultät ernennen wollen, sondern ich bin seit 26 Jahren chargé de cours, und so noch neuerlich bei dem Kathederwechsel nach Fritzens Tod. Das hätte nun so cum gratia in infinitum fortdauern können und focht mich nicht im geringsten an. Meine Collegen aber dachten anders und wandten sich kürzlich, hinter meinem Rücken, an den Herrn Duruy, dass er mir aus seiner Machtvollkommenheit ein französisches Diplom als Aequivalent des deutschen geben sollte. Der Herr Duruy war geneigt unter der Bedingung dass ich 80 fr. bezahlte und — die Gnade entweder begehrte, oder doch zum voraus versicherte dass ich sie annähme. Jetzt mussten mir natürlich Eröffnungen gemacht werden, was denn Präsident Braun übernahm. Ich war ungehalten dass man die Sachc nicht schlafen liess, und erklärte dass ich nie das Begehren stellen würde. Ich merkte aber bald dass mehr dahinter stecke, und dass die Sache wohl eigentlich damit zusammen hing dass man Bruch's Abgang ins Auge fasste und sich fragte, wer nach ihm Decan werden sollte. Man fürchtete (wohl mit Unrecht) dass der chargé de cours nicht qualificirt wäre, und wünschte doch mir die Erbschaft (damit sie nicht Schmidt zufiele) zu sichern. Dies war aber für mich fast ein Grund mehr zu beharren, denn Decan will ich nicht werden wegen der Schreibereien, paperasserie, Disciplinarverantwortlichkeit und officiellen Repräsentation auf

• O T B r t H a W W W

164. Reuss an Graf

M R M M R M R M M

Academie, Präfektur &c. &c. Indessen ruhten sie nicht, und accordirten dass ich gar nichts zu thun haben sollte als 80 fr. zahlen, das übrige wollten sie übernehmen. Und so ist denn wie ich höre in der Facultät eine Schrift aufgesetzt worden, worin sie dem Minister mich zur d e f i n i t i v e n Besetzung des hebräischen Katheders vorschlagen und gleichzeitig das Diplom begehren*). Das weitere ist nun zu erwarten. In Montauban ist ausser Nicolas keiner Doctor. — Baum hat zum CalvinsJubiläum das Doctor-Diplom von Zürich geschickt erhalten.

Ich schrieb im Sommer an Krehl um ihn zu bitten drei Autographe von Calvin abschreiben zu lassen die in Leipzig bei Weigel feil waren, habe aber nie eine Antwort erhalten. — In Heidelberg hoffe ich beizuwohnen. — Meine Arbeiten gehn voran. Vom Bibelwerke sind dies Jahr druckfertig geworden und ins reine geschrieben: Acta, Galater, Epheser, Jacobus, Apocalypse und Passion; nächstes Jahr wird vieles fertig sein, ich sehe aber dass der Druck vor 1867 nicht beginnen wird. — Mit dem Gymnasiumbau ists jetzt Ernst. Wir halten jede Woche eine Sitzung zur Vorbereitung der Installation des Internats. Und da habe ich eine dringende Bitte an Dich: schicke mir e h e s t e n s , wenns existirt, ein Programm der Einrichtung eures Internats (nicht wegen des Unterrichts sondern) so weit es das Materielle angeht. Gibts nichts Gedrucktes so schreib mir — wie ists mit Aufsicht, Kost, Wohnung, Wäsche, Arbeitsiocale, Dienerschaft &c. &c. Was kosten die Schüler en moyenne etc., kurz alles was Du über solche Fragen mitzutheilen weisst, und was wir etwa benützen könnten. Dazu melde mir ob Du andre Anstalten (private z. B.) kennst, an die man sich wenden könnte um ähnliche renseigne*) In diesem Augenblick kömmt Dein Diplom an.

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Gsaii^si^itiäü^Ri^i»

mtasatassttasRK^stnaa 165. Graf an Reuss tasstusettusutasmiasstw ments. Existirt z. B. in Dresden das Blochmann-Vitzthumsche Institut noch? Wir suchen überall Erfahrungen zusammen Wir haben einen neuen Maire Humann, er soll uns aber die 50 000 fr. Indemnität zahlen für den am Markte und in der Gasse weggenommenen Alignementplatz. — Adieu Theuerster. Meine Frau lässt Euch herzlich grüssen. Empfiehl mich bestens der Deinigen und Deinen Schwiegereltern. Mein jüngster Sohn der 15jährige Erwin ist mir über den Kopf gewachsen! Dein ED. REUSS. Die Stimmung im Seminar ist trotz der letzten Wahl so amön wie nie seit ich drin bin, so dass am 4. Januar der Präsident ein cordiales Corpsdiner geben wird.

165. Sraf an Rcuss

Meissen den 29. August 1865. Meinen herzlichen Gruss zuvor! Schon sehr lange habe ich keine Nachricht von Dir erhalten, mein lieber Freund, doch bin ich mir bewusst, dass ich Dir auch sehr lange meinerseits keine gegeben habe, und wer von Beiden zuletzt geschrieben hat, weiss ich nicht mehr. Nur zweierlei, und zwar Erfreuliches, habe ich indirect, nämlich durch die Zeitung von Dir erfahren, erstens, dass die theologische Facultät von Strasburg in corpore, also Du auch mit, der theologischen Facultät in Heidelberg einen Besuch gemacht habe, zweitens dass das Gymnasium mit Internat eröffnet worden ist und Du dabei die Eröffnungsrede gehalten hast. Sollte diese Rede gedruckt worden sein, so würde ich mich sehr freuen sie zum Lesen bekommen zu können. Ich habe mich diesen Sommer mit den Meinigen wohl befunden; zwar war im Frühjahr wieder die Rede davon ge-

165. 6raf an Reuss

wesen, da mich der Winter gewöhnlich etwas mitnimmt, dass ich die Ferien an einem Molkenkurorte zubringen sollte, doch gab ich dies später wieder auf, da keine dringende N o t wendigkeit dazu vorlag und mir für die Wirksamkeit solcher Kuren überhaupt jede Gläubigkeit fehlt. Statt dessen machte ich mit meiner Frau gegen Mitte Juli eine kleine Reise nach Teplitz und Prag, bei beständig schönem Wetter aber kannibalischer Hitze. Unsere Ferien waren wegen Bauveränderungen an der Schule auf vier Wochen verlängert worden, sonst bilden drei Wochen unsere ganze Erholung. In einigen Monaten wirst Du ein neues Werk von mir erhalten, dessen Druck so eben begonnen hat; es enthält das Ergebniss langer und vielfacher alttestamentlicher Studien und wird wohl auch den Abschluss derselben bilden. Der Titel ist: Die geschichtlichen Bücher des Alten Testaments, zwei historisch-kritische Untersuchungen, und es besteht aus zwei Aufsätzen, der eine über Genesis 1—2 Reg. 25, der andere über die Chronik, zusammen etwa 14 Bogen. Der erste Aufsatz sollte zuerst in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft erscheinen und Brockhaus hatte ihn dazu angenommen, doch der Druck liess immer auf sich warten, trotz mehrfacher Versprechungen, und ich sah wohl dass der allzulange Aufsatz dem Herrn Redacteur Verlegenheit machte; nachdem ich auch die Arbeit über die Chronik vollendet und diese ziemlich eben so lang ausgefallen war, liess ich mir, da für diese unter so und so viel Jahren keine Aussicht auf Möglichkeit der Aufnahme in die Zeitschrift vorhanden war, auch die andere wieder zurückschicken, und so wird nun Beides als besonderes Werk und zwar der theologischen F a cultät in Giessen zum Dank für den Dr. theol. gewidmet bei Weigel erscheinen. Was unser guter Oberhofprediger Liebner mit seinem Protest gegen Schenkel für einen genialen Streich gemacht hat, hast Du wohl hinlänglich gelesen; Schenkel hat den hohlen Bombast dieses kläglichen Machwerks in seiner Zeit-

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