E-Marketing 9783486593068, 9783486583830

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E-Marketing
 9783486593068, 9783486583830

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E-Marketing von

Prof. Dr.Volkhard Wolf ge

OldenbourgVerlag MünchenWien

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2007 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Lektorat: Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, [email protected] Herstellung: Anna Grosser Coverentwurf: Kochan & Partner, München Cover-Illustration: Hyde & Hyde, München Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza ISBN 978-3-486-58383-0

1 Warum nicht alle Unternehmen auf E-Marketing setzen, was den E-Marketing-Mix bestimmt, Multikanal-Strategien

25

Inhalt

Sekundärquellen, Beobachtungen, Befragungen – wie die Methoden vom Web profitieren

Einführung

OnlineMarktforschung

Wozu E-Marketing? Trotz vergleichsweise niedriger Kosten, hoher Effektivität und geringer Fehlerrate wird E-Marketing noch zu wenig genutzt. Aber das wird sich ändern ............4

Mix aus Online und Offline In schwierigen Zeiten werden mehr denn je Instrumente gebraucht, die die Kundenmeinung schnell und effizient ermitteln ..............................................28

Marketing-Mix im e-business Entscheidend für die Online-Tauglichkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung ist der Zusatznutzen ..................................................6

Sekundärforschung Wer hat nicht schon mal im Internet „gegoogelt“? ..31 Virtuelle Gemeinschaften Als Instrument des E-Marketing sind sie unverzichtbar ...........................................................................37 Beobachtung im Internet Was die Beobachtung angeht, sind Online-Verfahren besser als die traditionellen Methoden ....................50 Spuren-Suche Wer online unterwegs ist, hinterlässt Spuren ..........57 Online-Befragungen ..............................................65 Die Conjoint-Analyse ............................................74 Praxis, Notizen ......................................................80 Literatur ..................................................................88

89

141

Gestaltungselemente des Online-Produktmanagements, elektronische Marken und Mass Customization

Database Marketing, Personalisierung und Newsletter, Sicherheit, Rechtliches und Preisbildungsmechanismen

OnlineProduktpolitik

Online-Distributionsund Preispolitik

E-Share Welche Produkte sind für den Verkauf über das Internet geeignet? ...................................................92

Database Marketing Informationen über Kunden fallen online in großer Menge und in guter Qualität an .............................144

Instrumente der Produktpolitik Das Online-Produktmanagement verfügt über vier Gestaltungselemente ..............................................97

Personalisierung und Newslettermarketing Regeln für die optimierte Kundenansprache im Web und das Marketing mit E-Mail ...............................163

Elektronische Kataloge Mit der einfachen Übertragung eines Print-Katalogs ins Web ist es meist nicht getan ............................104

Fernabsatz Welche gesetzlichen Regelungen gelten beim Online-Kauf? .........................................................177

Konfigurationssysteme im Web Der PC-Hersteller Dell wurde mit der Mass Configuration zum Marktführer ..........................................109

Sicherheit im E-Commerce Von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bis zum Warenkorb .............................................................180

Online-Marken Marken bestimmen den Unternehmenserfolg .......120

Preisdifferenzierung im Internet Im Web sind komplizierte Preisstrukturen und kurzfristige Preisanpassungen möglich .......................190

Produktpräsentation im Web – aber wozu? Welche Anbieter müssen ins Web? ......................127

Preisfindung mit Online-Auktionen Internet-Auktionen bieten Einsparpotenzial ..........196

Praxis ...................................................................138 Literatur ...............................................................140

Preisbildung im Internet Welche Preisstrategie ist optimal? ........................201 Literatur ...............................................................206

207 Unternehmenskommunikation und Kundenansprache mit Hilfe des Internet – vom Webdesign bis zur virtuellen Verkaufsförderung

OnlineKommunikationspolitik

Danke! Meiner Frau Evemie herzlichen Dank für das freundliche Korrekturlesen, meinem Sohn Tilmann für die große Unterstützung und Herrn Dr. Schechler für seine Geduld und Hilfe!

Webdesign Neben dem Corporate Design bestimmt vor allem der Bildschirm das Webdesign. Was zählt ist in jedem Fall die Ergonomie .................................210 Pressearbeit im Internet Das Internet hilft, die Zusammenarbeit mit den Medien zu optimieren ............................................235 Commercials – Werbung im Web Fast eine Milliarde wurde 2005 in Online-Werbung investiert – Tendenz steigend ................................243 Suchmaschinen-Marketing Im Web „existieren“ Unternehmen nur, wenn sie in Suchmaschinen gefunden werden ........................255 Web 2.0 Mitmachen heißt hier auch für Unternehmen die Devise - aber immer schön ehrlich bleiben ..................266 Online-Verkaufsförderung Was im Laden funktioniert, geht oft auch online ...272 Praxis der Kommunikationspolitik ........................280 Literatur eine Auswahl aktueller Titel ...................282

BILDNACHWEIS Alle verwendeten Bildmaterialien sind selbst erzeugt oder, wie sich das in einem Buch über das Internet gehört, den Online-Bilddatenbanken Stock.XCHNG oder Stockxpert entnommen. Fotografen sind nur dann angegeben, wenn es gewünscht wurde.

1 Warum nicht alle Unternehmen auf E-Marketing setzen, was den E-Marketing-Mix bestimmt, Multikanal-Strategien

25

Inhalt

Sekundärquellen, Beobachtungen, Befragungen – wie die Methoden vom Web profitieren

Einführung

OnlineMarktforschung

Wozu E-Marketing? Trotz vergleichsweise niedriger Kosten, hoher Effektivität und geringer Fehlerrate wird E-Marketing noch zu wenig genutzt. Aber das wird sich ändern ............4

Mix aus Online und Offline In schwierigen Zeiten werden mehr denn je Instrumente gebraucht, die die Kundenmeinung schnell und effizient ermitteln ..............................................28

Marketing-Mix im e-business Entscheidend für die Online-Tauglichkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung ist der Zusatznutzen ..................................................6

Sekundärforschung Wer hat nicht schon mal im Internet „gegoogelt“? ..31 Virtuelle Gemeinschaften Als Instrument des E-Marketing sind sie unverzichtbar ...........................................................................37 Beobachtung im Internet Was die Beobachtung angeht, sind Online-Verfahren besser als die traditionellen Methoden ....................50 Spuren-Suche Wer online unterwegs ist, hinterlässt Spuren ..........57 Online-Befragungen ..............................................65 Die Conjoint-Analyse ............................................74 Praxis, Notizen ......................................................80 Literatur ..................................................................88

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Gestaltungselemente des Online-Produktmanagements, elektronische Marken und Mass Customization

Database Marketing, Personalisierung und Newsletter, Sicherheit, Rechtliches und Preisbildungsmechanismen

OnlineProduktpolitik

Online-Distributionsund Preispolitik

E-Share Welche Produkte sind für den Verkauf über das Internet geeignet? ...................................................92

Database Marketing Informationen über Kunden fallen online in großer Menge und in guter Qualität an .............................144

Instrumente der Produktpolitik Das Online-Produktmanagement verfügt über vier Gestaltungselemente ..............................................97

Personalisierung und Newslettermarketing Regeln für die optimierte Kundenansprache im Web und das Marketing mit E-Mail ...............................163

Elektronische Kataloge Mit der einfachen Übertragung eines Print-Katalogs ins Web ist es meist nicht getan ............................104

Fernabsatz Welche gesetzlichen Regelungen gelten beim Online-Kauf? .........................................................177

Konfigurationssysteme im Web Der PC-Hersteller Dell wurde mit der Mass Configuration zum Marktführer ..........................................109

Sicherheit im E-Commerce Von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bis zum Warenkorb .............................................................180

Online-Marken Marken bestimmen den Unternehmenserfolg .......120

Preisdifferenzierung im Internet Im Web sind komplizierte Preisstrukturen und kurzfristige Preisanpassungen möglich .......................190

Produktpräsentation im Web – aber wozu? Welche Anbieter müssen ins Web? ......................127

Preisfindung mit Online-Auktionen Internet-Auktionen bieten Einsparpotenzial ..........196

Praxis ...................................................................138 Literatur ...............................................................140

Preisbildung im Internet Welche Preisstrategie ist optimal? ........................201 Literatur ...............................................................206

207 Unternehmenskommunikation und Kundenansprache mit Hilfe des Internet – vom Webdesign bis zur virtuellen Verkaufsförderung

OnlineKommunikationspolitik

Danke! Meiner Frau Evemie herzlichen Dank für das freundliche Korrekturlesen, meinem Sohn Tilmann für die große Unterstützung und Herrn Dr. Schechler für seine Geduld und Hilfe!

Webdesign Neben dem Corporate Design bestimmt vor allem der Bildschirm das Webdesign. Was zählt ist in jedem Fall die Ergonomie .................................210 Pressearbeit im Internet Das Internet hilft, die Zusammenarbeit mit den Medien zu optimieren ............................................235 Commercials – Werbung im Web Fast eine Milliarde wurde 2005 in Online-Werbung investiert – Tendenz steigend ................................243 Suchmaschinen-Marketing Im Web „existieren“ Unternehmen nur, wenn sie in Suchmaschinen gefunden werden ........................255 Web 2.0 Mitmachen heißt hier auch für Unternehmen die Devise - aber immer schön ehrlich bleiben ..................266 Online-Verkaufsförderung Was im Laden funktioniert, geht oft auch online ...272 Praxis der Kommunikationspolitik ........................280 Literatur eine Auswahl aktueller Titel ...................282

BILDNACHWEIS Alle verwendeten Bildmaterialien sind selbst erzeugt oder, wie sich das in einem Buch über das Internet gehört, den Online-Bilddatenbanken Stock.XCHNG oder Stockxpert entnommen. Fotografen sind nur dann angegeben, wenn es gewünscht wurde.

Einführung

>E-Marketing als Chance Warum nicht alle Unternehmen auf E-Marketing setzen, was den E-Marketing-Mix bestimmt, Multikanal-Strategien

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Einführung

Lernziele WOZU E-MARKETING?

MARKETING MIX IM E-BUSINESS

Online-Marketing wird zu wenig genutzt

Der Zusatznutzen ist entscheidend

>Was wird unter E-Marketing verstanden und welche Vorteile bringt es? >Gründe, warum der Einsatz dennoch nur zögerlich erfolgt >Was sichert grundsätzlich den Erfolg von E-Marketing-Kampagnen? >Die beteiligten Teams und deren Zusammensetzung

>Kundennutzen und Möglichkeiten, online mehr Nutzen zu schaffen >E-Share eines Produkts >Hauptrisiko der Online-Produktpolitik >Preisdifferenzierung und Pricing-Mechanismen im Internet >Neukundengewinnung und die entsprechende Vertriebsund Kommunikationspolitik >Bestandskundenwahrung im Internet >Transaktionale Kunden und Beziehungskunden im Web >Multi-Kanal-Strategie >Preispolitik wenn das Internet als Absatzkanal hinzu kommt >Online- und Offline-Vertriebskanäle, die sich ergänzen

2

E-MARKETING

2

Agenda

Online-Marktforschung

Wozu E-Marketing? Trotz vergleichsweise niedriger Kosten, hoher Effektivität und geringer Fehlerrate wird E-Marketing noch zu wenig genutzt. Aber das wird sich ändern ............4 Marketing-Mix im e-business Entscheidend für die Online-Tauglichkeit eines Produkts oder einer Dienstleistung ist der Zusatznutzen ..................................................6

4 Kostet weniger und bringt mehr – dennoch bisher kein Erfolg. Das Online-Marketing muss erst noch Boden gutmachen

6 Marketing-Manager in ihren Glaspalästen müssen umlernen. Die virtuelle Welt funktioniert nach ihren eigenen Regeln. Was ist das Neue am OnlineMarketing-Mix?

1

Einführung

Wozu E-Marketing? Verglichen mit dem traditionellen Marketing zeichnet es sich durch geringere Kosten, höhere Effektivität und geringere Fehlerraten aus. Dennoch wird E-Marketing zur Zeit noch zu wenig genutzt. Aber das wird sich ändern.

S

chwierige Märkte setzen auch das Marketing unter Erfolgsdruck. Mit geringeren Budgets muss mehr erreicht werden. Ein Ausweg aus diesem Dilemma bietet das so genannte E-Marketing („Electronic“ Marketing oder auch Online Marketing genannt). Dabei werden marketing-orientierte Geschäftsprozesse hauptsächlich oder ausschließlich online abgewickelt. Ein Beispiel: Im „Direct Marketing“ werden die Kunden zwar immer noch direkt angeschrieben – jetzt aber nicht mehr per „Gelber Post“ sondern per E-Mail. E-Marketing zeichnet sich dabei durch geringere Kosten, höhere Effektivität, geringere Fehlerrate bei gleichzeitig verbessertem Marketing-Controlling aus. Im „Direct Marketing, um bei diesem Beispiel zu bleiben, entfallen die Prozessschritte Eintüten in Briefumschläge, Frankieren etc., was zu Kosteneinsparungen führt. Gleichzeitig kann eine E-Mail im Vergleich zum klassischen Anschreiben noch sehr viel weitgehender personalisiert, d. h. auf den Kunden zugeschnitten werden. Klickt der Kunde einen Link im E-Mail-Text an, kann dies registriert und als Kundeninteresse interpretiert werden. Das nächste „Mailing“ kann so verstärkt Hinweise auf das wirkliche Interessengebiet enthalten.

E-Marketing auch in den Unternehmen eingesetzt wird. Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist das Wissen um die Möglichkeiten des E-Marketings bei den Verantwortlichen oft nicht besonders ausgeprägt. Nur wenige sind in der Lage zu erkennen, welche Potenziale sich zum Beispiel durch die präzise Erfolgsmessung beim E-Marketing erschließen lassen. Der Wissensstand bei Entscheidern und Medien ist recht unterschiedlich. Hier helfen nur konkrete Erfolge – und noch dazu am besten in unterschiedlichen Branchen. Wenn nachprüfbare Erfolge da sind, werden andere Projekte folgen. Informationsquellen wie die „Competence Site“1 müssen dabei die Lücken schließen, die dadurch entstehen, dass E-Marketing in den klassischen Marketing-Medien noch nicht ausreichend präsent ist.

Der Wissensstand bei Entscheidern und Medien ist recht unterschiedlich

MARKETING MEHR UND MEHR online zu gestalten, birgt mithin bedeutende Nutzenpotenziale. Allerdings führt dies in der Regel heute noch zu wenig dazu, dass

4

E-MARKETING

ZUM ANDEREN leidet der Online-Bereich immer noch unter den Folgen des „Hypes“ zu Beginn der 2000-er Jahre. Damals sind schlecht konzipierte E-Marketing-Aktionen mit entsprechend geringem Erfolg realisiert

1 Betreiber dieser „Website“ ist die NetSkill AG, 1999 als „Spin-off“ der Fraunhofer Gesellschaft entstanden, Firmensitz Düsseldorf; zur Zeit beschäftigt NetSkill 15 Mitarbeiter und kooperiert mit über 1.100 Experten aus Wissenschaft und Unternehmenspraxis, www.competence.site.de, „online im Internet“, abgerufen am 29.11.05

Zwischen Nürnberg und der Nachbarstadt Fürth fuhr 1835 die erste Eisenbahn auf dem europäischen Kontinent. Mit der Lokomotive hatte man die Dampfmaschine auf Räder gestellt und damit ihr wirtschaftliches Potenzial erst so richtig erschlossen. Die Analogie zum e-business: Mit dem Internet stellt man die Computer-Technologie „auf Schienen“ und erschließt damit ein vergleichbares Potenzial. Wie an die ersten Eisenbahnen müssen wir uns allerdings auch daran erst noch gewöhnen und empfinden aktuell noch Unbehagen. worden. So wurden beispielsweise „Online-Kampagnen“ wie „Offline-Kampagnen“ geschaltet und die eigenen Gesetzmäßigkeiten des E-Marketings nicht ausreichend berücksichtigt. In den Köpfen der Entscheider hat sich damals festgesetzt: E-Marketing funktioniert nicht. Auch um das zu verändern, braucht es erfolgreiche E-Marketing-Projekte, die als „Best Practices“ und damit als Basis für eine fortschreitende Etablierung des E-Marketings dienen können. MEIST SICHERT allerdings nur die konzeptionelle und technische Integration von E-Marketing-Aktionen mit klassischen Medienkampagnen den Erfolg. Insgesamt wird E-Marketing in fünf Jahren mindestens 5% bis 10% der betrieblichen Aufwendungen für Marketing ausmachen.2 Je nach Marketingziel kann bereits heute jeder Ansatz erfolgreich sein. Voraussetzung ist, dass er nicht isoliert realisiert wird, sondern auf Basis einer hoch vernetzten E-Marketing-Strategie. So müssen für eine gute „Cross-Media“-Kampagne bereits in der frühen Konzeptionsphase „Online-Experten“ hinzugezogen werden. Die Arbeit einer traditionell ausgerichteten Agentur kann eben nicht einfach online adaptiert werden – interaktive Kommunikation unterscheidet sich essentiell von der klassischen „One-Way“-Kommunikation. Nur interdisziplinäre Teams realisieren Medien-übergreifende Kampagnen auch erfolgreich.3

DIESES BUCH soll helfen, die Ausbildung junger Marketing-Fachleute im Online-Bereich einzuleiten. Auf diese Art und Weise können zumindest schon einmal grobe Fehler bei E-Marketing-Aktionen vermieden werden. Der vorliegende Text richtet sich dabei am klassischen Marketing-Curriculum aus. Es wird damit versucht, ein einführendes Lehrwerk zum Thema vorzulegen, dass an Hochschulen, Fachhochschulen und Berufsakademien eingesetzt werden kann. In Kapitel 2 wird das Online-Potenzial der Marktforschung untersucht. In den folgenden Abschnitten werden dann die Marketing-Instrumente der Reihe nach auf die neuen interaktiven Möglichkeiten hin evaluiert. Noch ein Wort zur Orthografie. Die Thematik kann nur mit zahlreichen englischen Fachbegriffen wie E-Commerce, Internet, online und offline etc. dargestellt werden, die korrekterweise alle in Anführungszeichen gesetzt werden müssten. Die Übersichtlichkeit würde darunter allerdings leiden, so dass eine Reihe häufig vorkommender Begriffe ohne Anführungszeichen erscheinen.

Der Online-Bereich leidet immer noch unter dem „Hype“.

2 vgl. dazu den Online-Artikel von Kurwig, M. (Planetactive GmbH): E-Marketing: Status Quo und Zukunft, „online im Internet“, www.competence-site.de/ __ C1256E35003A5F3C.nsf/0/ 5FF895CE75051018C1256E3600397595?Open, 2003, abgerufen am 29.11.05 3 vgl. ebenda

E-MARKETING

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Einführung

MarketingMix im e-business

Entscheidend für die Online-Tauglichkeit ist der Zusatznutzen.

D

ie Gestaltung des Marketing-Mix im e-business hängt davon ab, ob das Internet zukünftig als alleiniger oder nur als ein zusätzlicher Vertriebskanal vorgesehen ist. Ein reiner Internet-Betrieb, wie beispielsweise Amazon, muss andere Schwerpunkte setzen, was den Einsatz der Marketing-Instrumente angeht, wie Quelle oder das Versandhaus Otto, deren Internet-Auftritte nur die angestammten Vertriebswege ergänzen. ZUNÄCHST SOLL EIN ONLINE-BETRIEB untersucht werden – Kundenkontakte sind hier ausschließ-

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E-MARKETING

lich über das Internet realisiert. Was bestimmt in einem solchen Szenario die Produktpolitik? Klar ist, dass der Kunde nur dann Produkte über den Online-Kanal bezieht, wenn sich dadurch für ihn ein Vorteil eröffnet; mithin wenn sich ein Zusatznutzen identifizieren lässt. Kunden sind es einfach gewöhnt, ihre Ware über den traditionellen Handel zu beziehen. Das Internet stellt immer noch einen Sonderfall dar. Irgendetwas muss den Kunden dazu bringen (muss als Nutzen hinzukommen), einmal nicht den althergebrachten Weg zum Händler um die Ecke einzuschlagen, sondern den PC einzuschalten, um ein Produkt online zu erwerben.

NUR ÜBER INTERNET Produktpolitik, wenn das Internet den einzigen Marktzugang darstellt >Im Vordergrund steht der Kundennutzen, für dessen Bereitstellung es vier Möglichkeiten gibt: Nutzen durch ... >mehr Information, >Zeitersparnis, >niedrigere Preise, >bessere Produkte. >Der E-Share eines Produkts oder einer Dienstleistung ist im Zusammenhang mit der Nutzenproblematik zu untersuchen >Hauptrisiko einer Produktpolitik, die sich nur auf den Online-Handel konzentriert, ist die Limitiertheit des Marktes

Vorrangig auf diesen Nutzenaspekt hin muss der Online-Produktmanager sein Portfolio untersuchen, wenn Waren im Internet erfolgreich angeboten werden sollen. In der Vergangenheit wurde in der Literatur als Zusatznutzen zunächst immer ausgewiesen, dass online prinzipiell rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche bestellt werden kann. Die nach 19.00 Uhr oft gähnend leeren Verkaufsflächen in den Warenhäusern lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, ob längere Öffnungszeiten tatsächlich zu mehr Umsatz führen. Auch im Online-Umfeld ist es fragwürdig, ob die zeitlich unbeschränkte Bestellmöglichkeit allein schon einen attraktiven Zusatznutzen herstellt. Zur genaueren Untersuchung der Nutzenproblematik wird in der Literatur der Begriff des E-Share eingeführt.1 Damit ist der Anteil elektronischer Komponenten an einem Produkt gemeint. Dieser kann von Natur aus hoch sein, wie beispielsweise im Fall von Software, die nicht nur

Lebensmittel wie beispielsweise Kiwis haben einen niedrigen E-Share. Die Produkte geben wenig her, was online für den Kunden nützlich sein könnte. Allenfalls Zusatzinformationen zum Nähstoffgehalt oder Tipps zum Verzehr wie beispielsweise bei www.fruitlife.de könnten im Internet von Interesse sein. E-MARKETING

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1

Einführung

NUR ÜBER INTERNET Preispolitik, wenn das Internet den einzigen Marktzugang darstellt >Möglichkeiten der Preisdifferenzierung sind z. B.: kunden-bezogene Preissetzungen, Preisbündelungen, nicht-lineare Preisbildung, Preisänderungen im Lebenszyklus, Echtzeit-Pricing oder Monitoring (Reaktionen auf Wettbewerbermaßnahmen in Echtzeit) >Pricing-Mechanismen des Internet sind: Gruppenkäufe, kundenindividuelle Maximalpreise (Benennung maximaler Zahlungsbereitschaft) und vor allem auch >Auktionen, wobei im B2B-Bereich meist die holländische Variante („von oben“) und im B2C-Umfeld die englische Variante („von unten“) eingesetzt wird >Hohe Preistransparenz für Kunden und Wettbewerb ist Basis für das Preisparadoxon des Internet

online ausgewählt und bestellt, sondern auch über das Netz spontan per Download ausgeliefert werden kann. Bei entsprechender Bandbreite des Internet-Zugangs kann die Ware unmittelbar nach dem Kauf genutzt werden. Der gesamte Transaktionsprozess verläuft zu 100 Prozent im virtuellen Raum. Eine physische Ausprägung des Produkts in Form von Datenträgern, Gebrauchsanweisung oder Verpackung ist nicht zwingend vorhanden. Der oben erwähnte E-Share beläuft sich mithin auf hundert Prozent. Lebensmittel wie Kiwis haben dagegen von Hause aus einen mit Null verträglichen E-Share. Hier können überhaupt nur mit kreativen Marketing-Aktionen elektronische Komponenten realisiert werden. Die Online-Verlosung einer Reise ins Erzeugerland der Kiwis wäre beispielsweise denkbar oder auch ein Reklamations-Tool im Internet. Der E-Share ist demzufolge ein erstes Kriterium zur Bewertung der Online-Eignung von Produkten. Ist der prozentuale Anteil elektronischer Komponenten hoch,

Die Streif GmbH startete euphorisch ins Internet-Zeitalter. Am heimischen PC konnten Kunden auf der StreifWebsite ihr Traumhaus konfigurieren. Bei komplexen Produkten wie Fertighäusern ist dabei jedoch der Erklärungsbedarf zu hoch. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der Kunde wird eher abgeschreckt als zum Kauf ermutigt. Heute findet sich nur noch wenig Interaktives auf www.streif.de. Website: www.streif.de, Photo: stock.xchng

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E-MARKETING

Mehr noch als der traditionelle Anbieter muss der Internet-Händler möglichst schnell zur Marke werden. Und das aus zwei Gründen: Zum einen gibt es im Netz der Netze eine für die Kunden nicht zu überschauende Anbietervielfalt und zum anderen herrscht große Anonymität im Web. Dennoch schaffen nur wenige, wie Amazon, den Sprung zur etablierten Online-Marke.

eröffnen sich mehr Möglichkeiten, den Kunden einen zusätzlichen Nutzen über das World Wide Web anzubieten. Ist der E-Share gering, muss mehr Kreativität eingebracht werden, um einen Online-Verkaufserfolg doch noch zu realisieren. Das ist übrigens durchaus nicht unmöglich, wie in Kapitel 3 genauer ausgeführt werden wird. Mit der richtigen Idee, können sogar Blumensträuße online gewinnbringend veräußert werden. Auf der anderen Seite ist ein hoher E-Share noch keine Online-Erfolgsgarantie, wenn der Internet-Verkauf den Kunden keinen wirklichen Zusatznutzen bringt. Viele Kunden wollen ihre Software beispielsweise

nach wie vor nicht via „Download“, sondern per Datenträger geliefert bekommen. Sie haben so einfach das Gefühl unabhängiger vom Anbieter zu sein, wenn das Produkt physisch zu Hause auf dem Regal gelagert werden kann. Auch könnte ihre Internet-Anbindung zu langsam sein, sodass das Herunterladen der Ware keine echte Alternative darstellt. Ein Internet-Software-Anbieter ist demnach gut beraten, seine Produkte nach wie vor auch auf CD bereitzustellen. Der mögliche E-Share wird in solchen Fällen bewusst nicht vollständig ausgenutzt. Es muss mithin eine differenziertere Betrachtung

E-MARKETING

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Einführung

Photo: rtullio, stock.xchng

Online gilt die Maxime: Weg vom starren Preis. „Powershopping“ beispielsweise steht für einen altbekannten Gedanken: Interessenten schließen ihre Kaufkraft zusammen, um als Großabnehmer Mengenrabatte zu erhalten. Hinter den neuen Begriffen steckt daher nichts weiter als eine Internet-Variante der klassischen Sammelbestellung. Je mehr Besteller für ein Produkt zusammenkommen, desto günstiger wird es.

angestrengt werden. Nützlich ist in diesem Zusammenhang, sich den E-Share in zwei Dimensionen aufgefaltet zu denken: 1. Die Digitalisierbarkeit des Produktes selbst; 2. der erforderliche Grad der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager. Können Kunden online Fragen zum Produkt stellen oder gar ein Pro-

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E-MARKETING

dukt nach ihren eigenen Wünschen im Internet konfigurieren, wirkt sich das letztlich auch als elektronische Produktkomponente aus und trägt damit zum E-Share bei. Hat der Konfigurationsvorgang einen hohen Stellenwert beim Erwerb des Produkts, ist auch der EShare hoch, obwohl es sich möglicherweise um eine nicht digitalisierbare Ware handelt. Ein Beispiel: Neuwagen müssen letztendlich physisch beim Kunden ausgeliefert werden. Die Digitalisierbarkeit des PKW ist naturgemäß gering. Aber jeder Wagenkauf erfordert Angaben vom Kunden – beispielsweise zur gewünschten Motorisierung, zur Wagenfarbe oder zu Sonderausstattungsmerkmalen. Diese Angaben können via Internet eingegeben werden. Mit einem gut realisierten Online-Konfigurator können sich Kunden intensiv mit ihrer geplanten Neuerwerbung auseinandersetzen. Beispielsweise können Ausstattungsmerkmale miteinander kombiniert und gegenseitig abgewogen werden, bis schließlich für ein vorhandenes Budget ein nach individueller Vorstellung optimales Produkt herausgefunden wird. Der Kunde empfindet solchermaßen ein optimiertes Preis-Leistungsverhältnis, was zweifelsohne als Zusatznutzen wahrgenommen wird. Das gilt allerdings nicht für jeden Internet-Konfigurationsvorgang. Ein online offeriertes Fertighaus zum Beispiel erfordert einen ungewöhnlich hohen Interakti-

NUR ÜBER INTERNET Vertriebs- und Kommunikationspolitik, wenn das Internet den einzigen Marktzugang darstellt >Vorteile: Optimale Kontrollmöglichkeit des Vertriebskanals, niedrige Informations- und Transaktionskosten, 24-Stunden- und globale Verfügbarkeit, Internationalisierung möglich >Nachteile: Fehlende persönliche Kundenbeziehung, Absatz erklärungsbedürftiger Produkte fragwürdig >Vorrangiges Ziel Neukundengewinnung: Bekanntmachung bei identifizierten Zielgruppen, Generierung von „traffic“, Abbau von Berührungsängsten, kritische Masse muss erreicht werden, Promotion über klassische Medien wichtig >Vorrangiges Ziel Bestandskunden halten: Präferenzen der Kunden in Angebote umsetzen, Oneto-One-Marketing (Database Marketing), interaktive Kommunikation realisieren, direkte Rückkopplung des Kunden nutzen

Photo: rtullio, stock.xchng

Benennung maximaler Zahlungsbereitschaft ist eine weitere OnlineMethode der Preisbildung. Kunden geben im Web an, was sie zu zahlen bereit sind. Findet sich ein Anbieter, der die Leistung solchermaßen erbringen möchte, kommt es verbindlich zum Vertrag. Bei Priceline.com lohnt es nicht, einen Preis unterhalb der Preisbereitschaft zu nennen. Geht der Interessent doch in diesem Fall das Risiko ein, sich ein teures Ticket am Flugschalter kaufen zu müssen.

onsgrad, denn jede Menge Kunden-Spezifikationen müssen eingeholt werden, bis das Traumhaus konzipiert ist. Dreißig und mehr Gewerke müssen über das Internet konfiguriert werden, was in Online-Sitzungen von mehreren Stunden oder sogar Tagen mündet. Das allein schreckt die potenziellen Käufer aber noch nicht unbedingt ab. Ein Hauskauf wird nicht alle Tage

erwogen. Von der Kunden-Bereitschaft Zeit zu investieren, kann mithin durchaus ausgegangen werden. Schwerer wiegt dagegen die außergewöhnlich hohe Erklärungsbedürftigkeit des Produkts. Jede Angabe die der Kunden zum gewünschten Haus macht, zieht eine Vielzahl von Fragen nach sich. In den meisten Fällen werden sich dabei die Probleme online gar nicht lösen lassen. Daraus resultieren Unsicherheiten seitens der Nachfrager. Entspricht das im Internet konfigurierte Produkt tatsächlich auch den eigenen Vorstellungen? Diese Unsicherheiten empfindet der im traditionellen Verkaufsgespräch von einem Berater persönlich betreute Kunde (je nach Qualität des Beratungsgesprächs) weniger oder gar nicht. Die OnlineKonfiguration führt mithin im Fall eines zu hohen Interaktionsgrades sogar zu einem reduzierten Kundennutzen. Wie Interaktionsgrad und Digitalisierbarkeit sich auf den Kundennutzen auswirken, wird in Kapitel 3 im Rahmen der Mass Customization genauer betrachtet werden. Hier bleibt festzuhalten, dass die Kundennutzenproblematik sorgfältig erwogen werden will, bevor Waren und Dienstleistungen online offeriert werden. Generell gibt es vier Möglichkeiten, mehr Kundennutzen im Rahmen eines Internet-Angebotes zu realisieren: Nutzen durch mehr Information (1), durch Zeitersparnis (2), durch niedrigere Preise (3) und durch

AUCH ÜBER INTERNET Produktpolitik, wenn das Internet als Absatzkanal hinzukommt >Durch Leistungs- und Preisunterschiede Zäune zwischen Systemen errichten („fencing“) >Transaktionale Kunden fragen Standardleistungen zu günstigsten Preisen nach, auch „Ich-weiß-was-ichwill“-Kunden genannt, Zusatznutzen hier nur durch Standardisierung und Kostenreduktion möglich >Beziehungskunden: Beratung durch Verkäufer erwünscht und wird als „Added-Value“ wahrgenommen, Preisaufschläge durchsetzbar, Beratung muss Bestandteil des Produktes sein

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Einführung

bessere Produkte (4). Bereits hieran wird deutlich, dass sich die Nutzenproblematik weit über die OnlineProduktpolitik hinaus erstreckt. Alle Instrumente des Internet-Marketing-Mix sind letztlich davon betroffen. Zu (1): Ein reichliches Informationsangebot im Internet erleichtert dem Kunden die Beurteilung, den Kauf und die Nutzung des Produktes. Damit hieraus Kundennutzen entsteht, müssen Informationen allerdings geordnet und vor allem individuell auf jeden einzelnen Nachfrager zugeschnitten bereitgestellt werden. Der Online-Produktmanager wird mithin einen leistungsfähigen elektronischen Katalog auswählen müssen, der auch ein personalisiertes Warenangebot unterstützt. Der individuelle Zuschnitt auf den einzelnen Kunden ist dann Aufgabe der Online-Vertriebspo-

Photo: Cheon Fong Liew, Flickr

Auktionen sind im Internet ein Erfolgsmodell. In der betrieblichen Beschaffung sind sie heute in einigen Branchen gängige Einkaufspraxis. Für den privaten Verbraucher sind sie ohnehin spätestens seit eBay auf dem Vormarsch. Ist das Internet nicht der einzige Vertriebskanal muss eine so genannte Multi-Kanal-Strategie verfolgt werden. Für jede Marke muss untersucht werden, über welchen Kanal an welche Zielgruppe ausgeliefert werden soll. Beispielsweise wird den wichtigsten Kunden Z1 weiterhin die Premium-Marke über den

(a)

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litik. Im Internet wird nur dann komfortabel, zeitsparend und rund um die Uhr eingekauft (2), wenn die eingesetzte Technik auch permanent verfügbar und leistungsfähig ist. Web-Seiten die bei Bedarf nicht geladen werden können, werden kaum dauerhaftes Kundeninteresse erwecken. Auch ein Online-Informationsangebot, was erst nach Minuten vollständig auf dem Bildschirm aufgebaut ist, bindet den Internet-Surfer nicht. Skalierbare Hardware die mit zunehmender Nachfrage auch mitwachsen kann, stellt mithin eine Grundvoraussetzung dar. Optimal umgesetzte Shops führen zudem zu kürzeren Durchlaufzeiten und damit zu schnellerer Lieferung. Bei digitalen Produkten ist die Lieferung sogar unmittelbar. Hier ist neben dem Käufer können als transaktionale Kunden und zum anderen als so genannte Beziehungskunden eingestuft werden. Weiß der erste Kundentyp genau was er will, ist der zweite Typus auf Beratung angewiesen. Außendienst angeboten (Bild a). Der Außendienst vertreibt jedoch keine Premium-Produkte an die Kundengruppe Z3 (b). Z1-Kunden können jedoch EconomyWare über das Internet bestellen (c). Für jede Konstellation muss eine Entscheidung getroffen werden, bis schließlich die Multi-Kanal-Strategie steht (d).

(c)

(d)

E-MARKETING

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Einführung

Online-Produktmanagement mithin auch die OnlineDistributionspolitik betroffen. Der Internet-Besteller hat zumindest prinzipiell die Möglichkeit, Preisvergleiche anzustellen bevor er sich für einen bestimmen Online-Anbieter entscheidet (in Kapitel 4 wird noch einmal genauer darauf eingegangen werden, inwieweit Kunden diese Möglichkeit tatsächlich nutzen). Im Grunde schauen sich aber die Internet-Wettbewerber ständig auch gegenseitig über die Schulter, was dazu führt, dass sich die Online-Preise mehr oder weniger angleichen. Internet-Preise sind mithin nicht unbedingt niedriger als im traditionellen

Die Kosten einer Transaktion sind im aufwändig gestalteten Ladengeschäft deutlich höher als im Online-Shop. Zur Bestimmung des gewinnoptimalen Preises muss mithin auf jeden Fall die Kostenseite berücksichtigt werden. Weitere Orientierungsgrößen zur kanalspezifischen Preisfindung basieren auf dem Kundennutzen und dem Preisgebahren der Konkurrenz.

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E-MARKETING

Handel. Letztendlich zahlen Kunden im World Wide Web nur dann niedrigere Preise (3), wenn Anbieter erzielte Kosteneinsparungen weitergeben können. Solche Einsparungen lassen sich beispielsweise über optimal gelöste Informationsflüsse, durch den Wegfall von Händlerbeziehungen aber auch durch reduzierte Lagerhaltung erreichen. Das gesamte Instrumentarium des Marketing-Mix ist mithin betroffen, wenn erreicht werden soll, dass dem Kunden ein Zusatznutzen entsteht, was die Online-Preise angeht. Im Internet beziehen Kunden bessere Produkte (4), wenn der Anbieter das Medium auch nutzt, um sein

Kommt das Internet als zusätzlicher Vertriebskanal hinzu, gilt möglichst: Sich ergänzende Online- und Offline-Vertriebskanäle nutzen! Online gekaufte Ware im Ladenlokal umtauschen zu können, sollte genauso selbstverständlich sein, wie im Geschäft nicht verfügbare Teile online nachkaufen zu können.

Angebot kundenorientiert weiterzuentwickeln und kundenindividualisierte Produkte anbietet. Umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten tragen hierzu bei. Diese im Internet anzubieten, obliegt nun tatsächlich vor allem dem Online-Produktmanager. Dieser muss mithin ständig den Kundennutzen, den sein Portfolio der Online-Kundschaft eröffnet, im Auge behalten. Zusätzlich hat er noch eine weitere Aufgabe, der er sich vor allem dann intensiv widmen muss, wenn der OnlineHandel den einzigen Absatzkanal darstellt. Der Internet-Anbieter muss nämlich möglichst schnell zur Marke werden. Das hat zwei Gründe. Zum einen ist

die Anbietervielfalt im Web außerordentlich hoch. Kaum ist eine gute Erwerbsquelle im Internet identifiziert, finden sich auch schon eine ganze Reihe von Nachahmern. Es geht mithin bereits in einer frühen Phase darum, einen unverwechselbaren Charakter, eben eine Markenabstrahlung zu entwickeln. Wer online Bücher erwerben möchte, kauft in der Regel bei Amazon, auch wenn es noch eine ganze Reihe weiterer virtueller Buchläden gibt. Gerade Online-Marken wie Amazon dienen den Nachfragern als willkommene „Abkürzung“ ihrer Kaufentscheidung. Wo sie sonst eine ganze Vielfalt von Für und Wider langwierig abE-MARKETING

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Eine erfolgskritische Frage der Multi-KanalStrategie ist: Wie lässt sich die gegenseitige Kannibalisierung der Kanäle vermeiden?

wägen müssten, erlaubt ihnen die Marke den kurzen Prozess, bürgt sie doch nicht zuletzt für eine gewisse Qualität, auf die man sich verlassen kann. Damit geht aber auch schon das zweite Argument einher, warum gerade der Online-Anbieter unbedingt zur Marke werden muss: Die Anonymität im Web. Im stationären Handel sprechen Ladengestaltung und Verkaufspersonal entweder für oder gegen einen Anbieter. Im persönlichen Kontakt entwickelt der Kunde oftmals spon-

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tan ein Gefühl dafür, ob ihm das Geschäft behagt oder nicht. Im Internet fehlt dieser persönliche Kontakt. Die virtuelle Präsenz ist der einzige Indikator für Vertrauenswürdigkeit. Eine wacklige Vertrauensbasis, zu der unbedingt der festigende Charakter einer Marke hinzukommen sollte. Einem Risiko sehen sich die Online-Produktmanager aber in jedem Fall ausgesetzt und zwar insbesondere dann wenn der elektronische Vertrieb den einzigen Absatzkanal darstellt: Dieser Markt ist limitiert. Anfangs waren Online-Discount-Broker beispielsweise sehr erfolgreich. So hatten die Comdirect und DAB Bank zusammengerechnet einen Stamm von fast einer Million Kunden bis Mitte des Jahres 2001 erreicht, den sie vor allem den Sparkassen und Genossenschaftsbanken abtrotzen konnten. Die DAB, eine Tochter der HypoVereinsbank, war dann auch die erste Online-Bank, die im November 1999 an die Börse ging, gefolgt von der Commerzbank-Tochter Comdirect im Juni 2000. Im dritten Quartal 2000 erreichten die beiden Unternehmen ihren Höchststand mit einem Marktwert von zusammen neun Milliarden Euro. Ende September 2001 folgte dann der Absturz um über 85 Prozent. Von da an lief das Geschäft mit dem Handel von Wertpapieren via Web eher schleppend. Für die Krise der Internet-Broker wurden gerne die sinkenden Provisionseinnahmen verantwortlich gemacht. Den Anlegern sei die Lust am Wertpapierhandel wegen der hohen Kursverluste an den Aktienmärkten vergangen, so hieß es. Deshalb liefen weniger Transaktionen über die Sites, was den Online-Brokern wiederum geringere Provisionseinnahmen beschere. Das war aber nur ein Teil der Wahrheit. Der zweite Teil hängt wie bereits erwähnt mit dem Geschäftsmodell zusammen, Kunden ausschließlich über das Internet zu akquirieren und zu betreuen. Internet-Broker konnten kaum noch Neukunden gewinnen, denn ihre klassische Klientel, technikbegeisterte und wertpapier-erfahrene „Heavy Trader“, war so gut wie abgeschöpft. Die Online-Unternehmen waren jedoch auf ein kräftiges Kundenwachstum angewiesen. Deshalb interessieren sich die Direct-Broker danach verstärkt für ein weiteres Kundensegment: Für die einkommensstarken 40- bis 60-Jährigen, die so genannte zweite Welle der Anleger. Diese sind zwar prinzipiell nicht abgeneigt, ihre Wertpapiergeschäfte über das Internet zu erledigen, benötigen dafür aber wesentlich mehr Unterstützung als die „Heavy Trader“. Und dabei stößt das Medium Internet bald an seine Grenzen. Das wissen auch die Online-Broker. Bei Comdirect geht man davon aus, dass der Kunde künftig mehr Betreuung braucht. Deshalb will der Anbieter mehr Hilfestellung auf seiner Site geben. „Ein Kunde möchte beispielsweise einen Fonds kaufen und ist sich nicht sicher, welcher der richtige für ihn ist. Er kann auf der Site

Kommt das Internet als Absatzweg hinzu, stellt sich die Frage: Wird die Marke durch den neuen Vertriebskanal bzw. neue Zielsegmente aufgeweicht?

anklicken, welches Anlegerprofil er hat und welche Risikoklasse er eingehen will, ob er konservativ oder spekulativ investieren möchte. Das System zeigt ihm dann drei bis vier Fonds an, die für ihn in Frage kämen.“2 Die endgültige Entscheidung liegt letztlich aber immer beim Kunden. Es gibt aber auch schon Überlegungen, die über das Internet hinausgehen, etwa die Kunden über Callcenter oder über einen mobilen Außendienst zu betreuen. Damit verlässt man den Weg des reinen Internet-Vertriebs.3

HIER SOLL ABER NOCH ETWAS vom reinen OnlineGeschäft die Rede sein. Bezogen auf die Preispolitik ist eine Anmerkung wesentlich: Der starre, vom Anbieter festgelegte Preis sollte auf keinen Fall die einzige Strategie sein, bietet doch das Online-Medium eine ganze Reihe weiterer, hochinteressanter Pricing- Mechanismen. Unternehmen wissen zwar, dass Kunden eine unterschiedliche Preisbereitschaft für ein und dasselbe Produkt haben, machen sich dieses Wissen traditionell aber nur in den seltensten Fällen zunutze. Sie verschenken mit ihrem Einheitspreis enormes Gewinnpotenzial. Online kann beispielsweise das so genannte „Powershopping“ (auch „Powerbuying“, „PowerSales“ und „Coshopping“) erwogen werden. Die Vielfalt dieser neuen Begriffe steht für einen altbekannten Gedanken: Interessenten schließen ihre Kaufkraft zusammen, um als Großabnehmer Mengenrabatte zu erhalten. Hinter den neuen Begriffen steckt daher nichts weiter als eine Internet-Variante der klassischen Sammelbestellung. Je mehr Besteller für ein Produkt zusammenkommen, desto günstiger wird es. Viel Popularität erhielten die Internet-„Powershopping“-Sites im Zuge einiger Gerichtsentscheidungen. Sowohl PrimusPower als auch LetsBuyIt.com wurden per einstweiliger Verfügung daran gehindert, bestimmte Waren im Stufenpreismodell anzubieten. Obwohl die Verfügungen anschließend teilweise wieder aufgehoben wurden, entstand durch die Gerichtsbeschlüsse der Eindruck, beim „Co-Shopping“ würden außergewöhnlich hohe Rabatte gewährt. Das Rabattgesetz ist mittlerweile bekanntlich abgeschafft worden. Das fast 70 Jahre alte Gesetz war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Hier muss in Zukunft die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden. Interessanter werden für „Powershopping“-Anbieter in Zukunft die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sein. Das LG Köln (AZ: 31 O 990/99) hat in einem Fall festgestellt, dass Powershopping als übertriebenes Anlocken des Kunden gegen § 1 UWG verstößt. Dabei stehe nicht mehr das Vergleichen der Preise im Vordergrund, sondern der Spiele-Charakter solcher Veranstaltungen. Problematisch kann es für die Anbieter also dann werden, wenn durch das Warenangebot lediglich die Spiellust und das Gewinnstreben des Verbrauchers ausgenutzt werden soll. Dies ist nach § 1 UWG als sittenwidrig einzustufen.4 Neben dem „Powershopping“ gibt es aber noch eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten für die Online-Preisdifferenzierung. Beispielsweise die Benennung der maximalen Zahlungsbereitschaft. Kunden geben hierbei einen Preis im Internet an, den sie für eine Ware oder eine Dienstleistung maximal zu zahlen bereit sind. Findet sich ein Anbieter, der die

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Leistung zu den genannten Konditionen erbringen möchte, kommt automatisch ein Kauf zustande. Bei Priceline.com lohnt es sich für den Kunden nicht, einen Preis zu nennen, der unterhalb seiner Preisbereitschaft liegt. Geht er doch in diesem Fall das Risiko ein, am Ende leer auszugehen und sich ein teures Ticket am Flugschalter kaufen zu müssen. Mittlerweile hat Priceline.com das Konzept des individuellen „Pricings“ neben Flugbuchungen auch auf andere Produkte wie Autos, Hotel- und Mietautobuchungen und Eigenheimfinanzierungen ausgedehnt. Auch Auktionen sind im Internet ein Erfolgsmodell. In der betrieblichen Beschaffung sind sie heute in einigen Branchen bereits gängige Einkaufspraxis. Neben niedrigeren Einkaufspreisen sind effizientere Beschaffungsprozesse das Hauptziel des Auktionseinsatzes. Auch wenn die elektronische Auktion bereits Jahre alt ist, befindet sich ihre Anwendung in der professionellen Beschaffung allerdings bisher, mit der Ausnahme einiger Branchen, noch in der Orientierungs- und Aufbauphase. In einer aktuellen Studie hat die WHU in Vallendar zusammen mit dem CAPS Institute aus den USA in Europa rund 50 Experteninterviews mit Nutzern elektronischer Auktionen geführt. Diese Studie und verschiedene Auktionsprojekte haben gezeigt, dass zwischen 35% und 50% der größeren Unternehmen elektronische Beschaffungsauktionen nutzen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Auktionen in der Zukunft in zahlreichen Branchen zu einem wichtigen Beschaffungsinstrument werden. Aus Erfahrungen heraus sind Beschaffungsprozesse aber als reine Auktionen ohne weitere Zusammenarbeit mit den Lieferanten eher selten. Realitätsnäher ist es deshalb, von auktionsintegrierten Beschaffungsprozessen zu sprechen, denn in deutlich über 90% der Fälle wird lediglich der Preis des Beschaffungsobjektes als einziger Verhandlungsparameter über eine Auktion festgelegt. Alle anderen, vor allem die nicht-finanziellen Parameter, werden im Vorfeld verhandelt und festgelegt.5 Im B2C-Umfeld sind Online-Auktionen ohnehin seit längerem auf dem Vormarsch. Was ist zum Beispiel im Online-Auktionshaus eBay für die Endverbraucher von Interesse? Bei den Marken ist Esprit nach wie vor die Nummer eins. Insgesamt wurde die Modemarke 2006 kategorieübergreifend über 14 Millionen Mal gesucht, das entspricht mehr als 38.000 Suchanfragen pro Tag und 27 pro Minute. Im Vergleich zum Vorjahr hat der zweitplatzierte Suchbegriff BMW aufgeholt. Über 13 Millionen Mal fahndeten die Mitglieder nach Autos, Ersatzteilen und Zubehör im Zusammenhang mit der Bayerischen Motoren Werke AG. Harry Potter behauptete seine Spitzenposition in der Kategorie Bücher: 150.000 Mal wurde er gesucht.6 Wenn ein Artikel über eBay nicht versteigert werden konnte, muss dies noch

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Mit dem Internet als zusätzlichem Vertriebskanal werden in jedem Fall die Kommunikationskosten steigen.

AUCH ÜBER INTERNET Preispolitik, wenn das Internet als Absatzkanal hinzukommt >Einheitspreis nicht optimal, >Kanalspezifische Preisspielräume ausnutzen, Preisfindung über historische Marktdaten, Expertenschätzungen, Kundenbefragungen >Keine vorschnellen Preisreduzierungen >Innerhalb eines vorab definierten Preiskorridors bewegen

lange nicht am Artikel gelegen haben. Denn die meisten Fehler, die zu einer erfolglosen Versteigerung führen, werden bei der Präsentation gemacht. Vier Hauptursachen für gescheiterte Auktionen hat der Markt-Analyst Channel Advisor bei der Beobachtung von eBay-Versteigerungen gefunden. Erstens: Wenn Artikel unvollständig oder nur allgemein bezeichnet sind, können sie nicht gefunden werden, denn der Erfahrung nach suchen Käufer sehr oft nach dem konkreten Namen. Zweitens führen auch ungenaue Beschreibungen zu Missverständnissen, etwa wenn nicht klar wird, worauf der Anbieter in seinem Text hinaus will. Drittens landen Artikel häufig in falschen Kategorien. Das ist vor allem für jene Käufer ärgerlich, die nicht nach Namen suchen, sondern sich in den einzelnen Kategorien zu einem bestimmten Gegenstand durchkämpfen. Und schließlich verschafft unzureichendes oder fehlendes Bildmaterial einen schlechten Eindruck. Denn wer den Artikel nicht sehen oder nur schemenhaft erkennen kann, wird skeptisch und verzichtet in der Regel auf ein Gebot.7 Grundsätzlich sind Online-Auktionshäuser aber ein Erfolgsmodell. Allein bei eBay werden im deutschsprachigen Raum alle 43 Sekunden ein Kleidungsstück, alle 1,8 Minuten eine Antiquität, alle 1,9 Minuten ein Buch, alle 2,4 Minuten ein Computer und alle 26 Minuten ein Auto verkauft.8 Im B2B-Umfeld ist die Online-Auktion nach holländischem Muster verbreitet. Eine Versteigerung, bei

der ein vorgegebener Startpreis so lange immer weiter fällt, bis entweder ein Käufer zugreift oder aber ein zuvor vom Verkäufer festgelegtes Zeit- und Preislimit erreicht wird und das Angebot automatisch erlischt. Bei konventionellen Auktionen via Internet hingegen, wie beispielsweise auch bei eBay startet die Auktion nach englischem Muster mit einem Mindest-Gebot, das für eine festgesetzte Dauer überboten werden kann. Hier geht es gewöhnlich erst in den letzten paar Sekunden spannend zu. Das Auktionsverfahren mit fallenden Preisen hat aus Sicht des Käufers den Vorteil, dass er nach Abschluss seiner Gebotsabgabe sofort Besitzer des Objekts ist und nicht bloß ein Bieter unter anderen. Andererseits aber, und das mag manche Verkäufer stören, sind hier keine regelrechten Bieterschlachten mehr möglich, wie man sie ja etwa auch aus Kunstauktionen kennt und die etwa für einen Picasso extrem hohe Erlöse bescheren können. Es darf davon ausgegangen werden, dass das „holländische Verkaufen“ eher für den B2B-Bereich oder für Massenartikel mit allgemein bekanntem Preisniveau geeignet ist.9 Die Preispolitik im Internet-Handel steht generell unter dem Vorzeichen hoher Preistransparenz. Sowohl Käufer als auch die Online-Anbieter können sich jederzeit leicht über das aktuelle Preisniveau informieren. Das führt zum so genannten Preisparadoxon im

AUCH ÜBER INTERNET Vertriebs- und Kommunikationspolitik, wenn das Internet als Absatzkanal hinzukommt >Sich ergänzende Online- und Offline-Vertriebskanäle nutzen, Online gekaufte Ware im Geschäft umtauschen – im Geschäft nicht verfügbare Teile online kaufen

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E-Commerce.10 Kunden kaufen in diesem Zusammenhang unter Umständen gerade deshalb im Netz, weil sie dort den niedrigsten Preis herausfinden können. Auf der anderen Seite führt die hohe Preistransparenz im Online-Umfeld aber dazu, dass sich Wettbewerber genauestens beobachten und die Internet-Preise sich in der Regel schnell angleichen. Der Online-Schnäppchenjäger jagt mithin nicht selten einem Phantom hinterher.

Kunden beziehen nur dann Produkte über den Online-Kanal, wenn sich dadurch für sie ein Vorteil eröffnet; mithin wenn sich ein Zusatznutzen identifizieren lässt.

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IST DAS INTERNET der einzige Absatzkanal eines Unternehmens ergeben sich für die Vertriebs- und Kommunikationspolitik einige Vorteile. Der einzige Vertriebsweg lässt sich ohne Frage sehr viel leichter kontrollieren und managen als das in einer Firma mit unterschiedlichen Absatzwegen jemals der Fall sein könnte. Auch sind die Informations- und Transaktionskosten sehr viel niedriger, wenn Kunden ausschließlich über das Internet angesprochen werden. Eine Preisänderung beispielsweise braucht nicht erst umständlich an eine komplette Vertriebsmannschaft kommuniziert zu werden. In dem Moment, in dem sie beschlossene Sache ist, kann der neue Preis auch online gestellt und den Kunden so bekannt gemacht werden. Der Online-Shop ist, wenn die Technik mitspielt, 24 Stunden und das an sieben Tagen in der Woche verfügbar. Eine Website kann auch jederzeit in unterschiedlichen Sprachen angeboten werden und eröffnet so dem Online-Händler Zugang zu einem weltumspannenden Markt. Wo Vorteile sind, ergeben sich allerdings zumeist auch Nachteile. Wesentliches Defizit des ausschließlich im Web agierenden Händlers ist die fehlende persönliche Kundenbeziehung. Viele erinnern sich noch an den Tante-Emma-Laden um die Ecke. Für die etwas höheren Preise, die dort bezahlt werden mussten, bekam man eine Gegenleistung. Da die Ladenbesitzerin mit den Einkaufsgewohnheiten und Vorlieben ihrer Kunden vertraut war, konnte sie genau auf deren Wünsche eingehen und ihnen individuelle Angebote machen. Zwar sind in den letzten Jahrzehnten viele dieser Läden eingegangen, geblieben ist jedoch das Bedürfnis nach persönlicher Ansprache. Im Web fehlt jede zwischenmenschliche Komponente. Das führt zu einer Anonymisierung. In einem Internet-Shop kaufen viele deshalb nur ein einziges Mal. Und zwar auch dann, wenn sie mit ihrem Einkauf eigentlich zufrieden waren. Das Einkaufen im virtuellen Laden verläuft einfach zu unpersönlich und noch dazu überall in immer gleicher Weise, sodass sich kaum jemand daran erinnern kann, wo genau er vor einigen Monaten den Elektroartikel online gekauft hat. Und noch etwas kommt erschwerend hinzu: Der Absatz erklärungsbedürftiger Produkte über das Internet ist nach wie vor fragwürdig. In der Regel lässt sich nur der unproble-

matische Standardartikel über das World Wide Web absetzen. Stellen sich beim Einkaufen komplizierte Fragen zum Produkt, sucht die Kundin oder der Kunde doch lieber das Beratungsgespräch im traditionellen Laden und wendet sich dort an das Fachpersonal. Ein Informationsdefizit führt bei der Kundschaft immer zu Unsicherheiten. Diese stellen im Internet eine Barriere dar, die die Kaufabsicht vereitelt. Einziger Ausweg: Eventuelle Unsicherheiten müssen den Kunden als Aufwand zugerechnet und vergütet werden. Der erklärungsbedürftige Artikel muss im Online-Umfeld mithin sehr viel preiswerter angeboten werden, wenn er eine Chance bei den Kunden haben soll.11 Zwei Konstellationen sollten in der Online-Vertriebsund Kommunikationspolitik klar unterschieden werden, wenn das Internet den einzigen Vertriebsweg darstellt. Ist das vorrangige Ziel die Neukundengewinnung (1) oder geht es vielmehr darum, eine bereits erschlossene Klientel an den Web-Shop zu binden (2). Wird im Internet eine neue Aktivität gestartet und müssen mithin erst noch Kunden gewonnen werden (1), steht die Bekanntmachung bei den identifizierten Zielgruppen im Vordergrund. Ein beträchtlicher Anteil des Budgets muss in die Generierung von „traffic“ auf der Website investiert werden. Bei einigen Milliarden Websites weltweit kann niemand erwarten, dass die Kunden zufällig im Online-Shop vorbeischauen. Neben der Online-Werbung und dem so genannten Suchmaschinenmarketing (siehe Kapitel 5) wird in der Anfangsphase auch die Promotion über klassische Medien in Erwägung gezogen werden müssen. In einer späteren Phase, wenn die Internet-Aktivitäten bereits angelaufen sind (2), wird zur Bindung von Kunden eine andere Strategie in den Vordergrund treten müssen. Jetzt geht es darum, Präferenzen der Kunden in Angebote umzusetzen. Das so genannte One-to-One-Marketing (Database Marketing) wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Ansprache der Kunden muss möglichst individuell erfolgen. Persönliche Vorlieben der Online-Besucher müssen erkannt und berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 4). In dieser Phase wird es auch nützlich sein, möglichst viel interaktive Kommunikation, beispielsweise durch Online-Gewinnspiele, zu realisieren. Alles muss daran gesetzt werden, den Kunden aus seiner Anonymität zu locken. Auch der Einsatz einer virtuellen Gemeinschaft kann hier viel bewirken (vgl. Kapitel 5).

IN EINIGER HINSICHT anders gestaltet sich das Online-Business, wenn das Internet nicht den einzigen, sondern einen unter vielen Absatzkanälen darstellt. Entschließt sich ein traditionell bereits etabliertes Unternehmen dazu, in Zukunft auch online Waren

anzubieten, muss sichergestellt sein, dass physischer und elektronischer Vertrieb sich ergänzen und gegenseitig nützen. Dies ist nicht selbstverständlich oder gar automatisch der Fall. Eine so genannte Multi-KanalStrategie muss dazu explizit verfolgt werden. Das bedeutet nicht weniger als die erneute Analyse der Unternehmenspositionierung, der Marktsegmentierung und der Vertriebskanäle des gesamten Unternehmens. Letzteres heißt eine verbindliche Festlegung darüber zu treffen, welches Produkt über welchen Vertriebskanal an welche Zielgruppe ausgeliefert werden soll. Wichtige Schlüsselkunden des Unternehmens sollen vielleicht gar nicht über das Internet angesprochen, sondern nach wie vor über dediziertes Vertriebspersonal betreut werden. Andererseits könnte im Rahmen einer Multi-Kanal-Strategie auch beschlossen werden, wenig erklärungsbedürftige Waren, wie beispielsweise Zubehörartikel, in Zukunft ausschließlich kostensparend über das Web zu vertreiben. Erfolgskritische Fragen der Multi-Kanal-Strategie sind: >Wie lässt sich eine Kannibalisierung der Kanäle vermeiden? >Wird die Marke durch neue Vertriebskanäle bzw. neue Zielsegmente aufgeweicht? >Wie erfolgreich lässt sich die Soll-Positionierung mit der bestehenden Vertriebskanal-Zielsegment-Konstellation erreichen? EIN WESENTLICHES MERKMAL der Produktpolitik

Einem Risiko sehen sich die InternetProduktmanager immer ausgesetzt: Der OnlineMarkt ist limitiert.

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wird mit dem Internet als zusätzlichen Vertriebskanal das so genannte „Fencing“ sein.12 Hierbei geht es darum, durch Leistungs- und Preisunterschiede „Zäune“ zwischen den Vertriebswegen zu errichten. Grundsätzlich können die Kunden hier in zweifacher Weise eingestuft werden. Einmal als transaktionale Kunden und zum anderen als so genannte Beziehungskunden. Transaktionale Internet-Käufer fragen Standardleistungen zu günstigsten Preisen nach. Sie werden auch als „Ich-weiß-was-ich-will“-Kunden bezeichnet. Ein Zusatznutzen lässt sich für diesen Käufertyp nur durch Standardisierung und Kostenreduktion im Web bereitstellen. Die Standardisierung ermöglicht der transaktionalen Kundschaft ihren Kauf möglichst schnell, mit so wenig Klicks wie irgend möglich, abzuwickeln. Bevorzugt gekauft wird darüber hinaus in den Shops, die die günstigsten Preise bieten. Beziehungskunden sehen neben dem Preis als weiteres Kriterium die verfügbare Beratung. Dieser Käufertyp ist sich noch etwas unsicher, für welche Ausführung er sich beispielsweise entscheiden soll. Beratung wird hier als „Added-Value“ wahrgenommen und Preisaufschläge sind immer dann durchsetzbar, wenn der angebotene Beratungsservice als hinreichend empfunden wird. Um Beziehungs-Kundschaft dauerhaft zu binden, muss versucht werden, die Beratung als Bestandteil des Produkts zu etablieren. Ein Teil der Beratungsdienstleistung könnte beispielsweise in einer nach gelagerten Transaktionsphase, etwa der „After-Sales-Phase“, angesiedelt sein. Hier bietet sich individuelle Beratung zum dauerhaften Gebrauch des Produkts oder eine unkomplizierte Bereitstellung von Zubehör- und Ersatzteilen an. Auch die Anbindung an eine virtuelle Gemeinschaft, exklusiv für Kunden des Hauses, könnte ein attraktives Angebot sein. Auch die Differenzierung von konkurrierenden Internet-Anbietern über die Marke könnte ein Erfolgsrezept sein. WAS DIE PREISPOLITIK ANGEHT, so ist ein Einheitspreis nicht optimal, wenn das Internet als Vertriebskanal hinzukommt. Der OnlinePreis ist durch die hohe Preistransparenz im

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Entschließt sich ein traditionell bereits etabliertes Unternehmen dazu, in Zukunft auch online Waren anzubieten, muss sichergestellt sein, dass physischer und elektronischer Vertrieb sich ergänzen und gegenseitig nützen

Web immer hohem Druck ausgesetzt. Auf jeden Fall sollten kanal-spezifische Preisspielräume ausgenutzt werden. So differenzieren viele Banken die Transaktionsgebühren bei Wertpapiergeschäften nach der Art der Auftragserteilung – via Internet, WAP, Sprachcomputer, Call Center, Fax, Brief oder beim Kundenberater in einer Filiale. Dabei liegen kostengünstige Kanäle wie Internet, WAP und Sprachcomputer im Preisgefüge auf dem niedrigsten Niveau, bei Nutzung anderer Medien (Call Center, Fax und Brief) steigen die Transaktionsgebühren erheblich. Sie erreichen in der Regel ihr Maximum bei der Abwicklung über einen Kundenberater in der Filiale. Die Praxis zeigt, dass unter Gewinnmaximierungsaspekten Einheitspreise der kanalspezifischen Preissetzung zumeist unterlegen sind. Dies liegt vor allem darin begründet, dass beim Einheitspreis unterschiedliche Zahlungsbereitschaften und Preiselastizitäten keine Berücksichtigung finden und damit der Preisspielraum in den Kanälen nicht genutzt wird. Das bedeutet aber den Verzicht auf die Abschöpfung der so genannten Konsumentenrente, das heißt des Differenzbetrags zwischen der Zahlungsbereitschaft der Kunden für ein Angebot und dem tatsächlich verlangten Preis. Diese Problematik wird noch verschärft durch Unterschiede bei Vertriebs-, Transaktions- und Servicekosten zwischen den Kanälen, die durch einen Einheitspreis nicht abgebildet werden. Kanal-spezifische Preise verlangen allerdings in der Regel auch zumindest kleinere Produktdifferenzierungen, um die unterschiedlichen Preise durch Nutzenunterschiede zu rechtfertigen (z. B. ausführlichere Beratung in Filialen als bei telefonischer Betreuung). Jede Kundin und jeder Kunde wählt dann das für sie oder ihn optimale Angebot aus. Auf diese Weise erreicht der Anbieter ein faires und differenziertes „Pricing“. Ist die grundsätzliche Preisstruktur festgelegt, muss im Anschluss das optimale Preisniveau des betrachteten Produktes für jeden einzelnen Vertriebskanal isoliert bestimmt werden. Bei dieser isolierten Preisoptimierung sind für jeden Absatzweg jeweils drei Orientierungsgrößen zu berücksichtigen: Kunden, Kosten und Konkurrenz. Um die Attraktivität des Vertriebskonzeptes zu gewährleisten, müssen die Kundenpräferenzen immer den Ausgangspunkt der Preisfindung darstellen. Der Nutzen eines Produktes bestimmt die Zahlungsbereitschaft des Kunden und in der Konsequenz den zu zahlenden Preis. Da der Nutzen aber nicht für alle Kunden in jeder Situation gleich ist, bildet die segmentspezifische Erfassung des durch die einzelnen Kanäle gestifteten Nutzens und der daraus resultierenden Preisbereitschaft die Grundlage der kanalspezifischen Preisfindung. Hierzu bedarf es zunächst der Erfassung der Bedürfnisse der Kunden und deren Zahlungsbereitschaft. Hier hilft am besten

das Conjoint Measurement weiter. Ein Verfahren, das den Vorteil hat, dass die Kunden nicht direkt zum Preis befragt, sondern mit verschiedenen Angeboten konfrontiert werden, die sie hinsichtlich ihrer Präferenz beurteilen. Alle Angebote haben mehrere Merkmale, von denen jedes seinen Teil zum individuellen Gesamtnutzen beiträgt. Merkmale können im Beispiel des Angebotes Wertpapiertransaktion Preis, anbietende Bank, Zusatzinformationen und Zugangskanäle sein, wobei jedes Kriterium verschiedene Ausprägungen aufweist. Im Falle der Vertriebskanäle wären dies z.B. die Ausprägungen Internet, Filiale oder Telefon. Dabei sind manche Eigenschaften für die Kundschaft von hoher, andere von untergeordneter Bedeutung. Für jede Ausprägung der Eigenschaften ermittelt das Verfahren einen Nutzenwert. So können auf indirekte Weise Zahlungsbereitschaften für die verschiedenen Kanäle ermittelt werden. In allen Branchen, in denen der „Pricing-Prozess“ professionell gemanagt wird, wie beispielsweise im Automobilsektor, kommt heute dieses Verfahren zum Einsatz. Nur das Conjoint Measurement erlaubt die Bestimmung des Nutzens, den verschiedene Vertriebskanäle stiften. Da der Kundennutzen die Zahlungsbereitschaft determiniert, ist dessen Kenntnis Voraussetzung für die Festlegung des gewinnoptimalen kanal-spezifischen Preises. Die verschiedenen Vertriebskanäle unterscheiden sich allerdings auch erheblich bezüglich Kostenstruktur und -niveau. Die Kosten einer Transaktion sind in der Bankfiliale rund 100-mal so hoch wie beim InternetBanking. Zur Bestimmung des gewinnoptimalen Preises sollte die Kostenseite berücksichtigt werden. Auf diese Weise werden Kosten und Kunden als Orientierungspunkte der Preisfindung integriert. Neben Kundennutzen und Kosten müssen auch die Wettbewerber im Rahmen der kanalspezifischen Preisfindung Beachtung finden. So ist beispielsweise zu vermeiden, dass sich Konkurrenten angesichts eines niedrigen Preises in einem Kanal gezwungen sehen, nachzuziehen und so eine Preisspirale nach unten ausgelöst wird. Das nutzt aber letztlich niemandem, sondern senkt nur das Preisniveau und damit die Gewinnspanne im Markt. Deshalb sollte zur Berücksichtigung von Wettbewerberreaktionen eine Bereinigung der Preis-Absatz-Funktion immer auch auf der Basis von Expertenschätzungen vorgenommen werden. Für ein erfolgreiches „Multi-Channel-Management“ müssen in jedem Fall alle Absatzkanäle in eine gemeinsame Strategie eingebunden werden. Preisanpassungen sind in diesem Zusammenhang immer dann notwendig, wenn trotz der oben erwähnten Produktdifferenzierungen Wanderbewegungen zwischen den Kanälen auftreten. Jetzt hilft nur noch ein Preiskorridor. Die für die einzelnen Kanäle ermittelten Preise werden in einem Koordinatensystem abgetragen.

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Maximal- und Minimalpreise sind für jeden Absatzweg zu bestimmen, die nicht über- bzw. unterschritten werden dürfen. Das hört sich zunächst recht einfach an, aber der kritische Punkt bei der Festlegung des Preiskorridors ist die Bestimmung dieser Grenzen. Viele Randbedingungen müssen hier berücksichtigt werden, insbesondere zum Marktvolumen in den einzelnen Kanälen, zu den Preiselastizitäten oder den möglichen Wanderungstendenzen13 (mehr hierzu in Kapitel 4). NOCH EIN ABSCHLIESSENDES WORT zur Vertriebs- und Kommunikationspolitik, wenn das Internet als zusätzlicher Vertriebskanal hinzukommt. Das Credo lautet für diesen Bereich in jedem Fall: Sich ergänzende Online- und Offline-Vertriebskanäle nutzen!

Online gekaufte Ware im Ladenlokal umtauschen zu können, sollte genauso selbstverständlich sein, wie im Geschäft nicht verfügbare Teile online nachkaufen zu können. Auch sollten, falls nicht ohnehin schon vorhanden, Mehrmarkensysteme in Betracht gezogen werden. Premium-Produkte können als beratungsintensive Produkte durch den Außendienst vertrieben werden. Daneben kann die Standard-Marke mit reduzierten Service-Leistungen über das Web bezogen werden. In jedem Fall aber werden zusätzliche Kommunikationskosten anfallen. Um dennoch mit dem Internet gute Geschäfte zu machen, bedarf es der Marktforschung. Gerade diese profitiert ihrerseits aber auch immer ganz erheblich vom World Wide Web. Mehr zu dieser „Ménage à deux“ im nächsten Kapitel.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. hierzu Bliemel, Friedhelm: Produktpolitik mit EShare, in: Electronic commerce, Wiesbaden, 2000, S. 191-204 2 Mathias Hajek, Unternehmenssprecher bei Comdirect, in: Neubauer Constanze, Online-Broker auf glattem Parkett, I Week, Ausgabe 2, 24. Januar 2002 3

Vgl. Neubauer Constanze, Online-Broker auf glattem Parkett, I Week, Ausgabe 2, 24. Januar 2002

Computer-Informations-Dienst vom 21. September 2006 8

Vgl. o. V.: Mehr als 4.000 Menschen leben von eBay Österreich, „medianet“ Nr. 841/06 vom 12.07.2006, S. 20 9 Vgl. Schmidt, Egon: Online-Auktionen, VDI NR. 048 vom 28.11.2003 S. 29 10

Vgl. hierzu beispielsweise Weiber, Rolf/Krämer, Tanja: Paradoxien des Electronic Business in: Weiber, Rolf (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden, 2000, S. 149-177

4 Vgl. Siebert, Sören: Powershopping, „online im Internet“, www.e-recht24.de/artikel/onlineauktionen/29.html, abgerufen am 31.12.06

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5 Vgl. Germer, Thomas: Elektronische Auktionen in der Beschaffung. Nachhaltige Werttreiber oder HightechSpielzeug?, BA Beschaffung aktuell, Heft 3, 2004, S. 62

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6 Vgl. Eckert, Michae: Ebay-Jahresrückblick: Die Top-Hits 2006, „online im Internet“, tecChannel.de Online, Meldung vom 27.12.2006, abgerufen am 2.1.07 7

Vgl. o. V.: Warum Auktionen bei Ebay oft scheitern, cid

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Vgl. hierzu beispielsweise Reichwald, Ralf/Piller, Frank Thomas: Mass Customization-Konzepte im Electronic Business, in: Weiber, Rolf, a.a.O., S. 469ff. Vgl. Simon, H./Dolan, R. J.: Profit durch Power Pricing, Frankfurt/M., 1997

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Vgl. hierzu Hardock, Petra/Wübker, Georg/Lauszus, Dieter: Multi Channel Management, Die Bank, Heft 2/2003, S. 100-103

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Einführung

MarketingMix im e-business

Entscheidend für die Online-Tauglichkeit ist der Zusatznutzen.

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ie Gestaltung des Marketing-Mix im e-business hängt davon ab, ob das Internet zukünftig als alleiniger oder nur als ein zusätzlicher Vertriebskanal vorgesehen ist. Ein reiner Internet-Betrieb, wie beispielsweise Amazon, muss andere Schwerpunkte setzen, was den Einsatz der Marketing-Instrumente angeht, wie Quelle oder das Versandhaus Otto, deren Internet-Auftritte nur die angestammten Vertriebswege ergänzen. ZUNÄCHST SOLL EIN ONLINE-BETRIEB untersucht werden – Kundenkontakte sind hier ausschließ-

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lich über das Internet realisiert. Was bestimmt in einem solchen Szenario die Produktpolitik? Klar ist, dass der Kunde nur dann Produkte über den Online-Kanal bezieht, wenn sich dadurch für ihn ein Vorteil eröffnet; mithin wenn sich ein Zusatznutzen identifizieren lässt. Kunden sind es einfach gewöhnt, ihre Ware über den traditionellen Handel zu beziehen. Das Internet stellt immer noch einen Sonderfall dar. Irgendetwas muss den Kunden dazu bringen (muss als Nutzen hinzukommen), einmal nicht den althergebrachten Weg zum Händler um die Ecke einzuschlagen, sondern den PC einzuschalten, um ein Produkt online zu erwerben.

NUR ÜBER INTERNET Produktpolitik, wenn das Internet den einzigen Marktzugang darstellt >Im Vordergrund steht der Kundennutzen, für dessen Bereitstellung es vier Möglichkeiten gibt: Nutzen durch ... >mehr Information, >Zeitersparnis, >niedrigere Preise, >bessere Produkte. >Der E-Share eines Produkts oder einer Dienstleistung ist im Zusammenhang mit der Nutzenproblematik zu untersuchen >Hauptrisiko einer Produktpolitik, die sich nur auf den Online-Handel konzentriert, ist die Limitiertheit des Marktes

Vorrangig auf diesen Nutzenaspekt hin muss der Online-Produktmanager sein Portfolio untersuchen, wenn Waren im Internet erfolgreich angeboten werden sollen. In der Vergangenheit wurde in der Literatur als Zusatznutzen zunächst immer ausgewiesen, dass online prinzipiell rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche bestellt werden kann. Die nach 19.00 Uhr oft gähnend leeren Verkaufsflächen in den Warenhäusern lassen allerdings Zweifel daran aufkommen, ob längere Öffnungszeiten tatsächlich zu mehr Umsatz führen. Auch im Online-Umfeld ist es fragwürdig, ob die zeitlich unbeschränkte Bestellmöglichkeit allein schon einen attraktiven Zusatznutzen herstellt. Zur genaueren Untersuchung der Nutzenproblematik wird in der Literatur der Begriff des E-Share eingeführt.1 Damit ist der Anteil elektronischer Komponenten an einem Produkt gemeint. Dieser kann von Natur aus hoch sein, wie beispielsweise im Fall von Software, die nicht nur

Lebensmittel wie beispielsweise Kiwis haben einen niedrigen E-Share. Die Produkte geben wenig her, was online für den Kunden nützlich sein könnte. Allenfalls Zusatzinformationen zum Nähstoffgehalt oder Tipps zum Verzehr wie beispielsweise bei www.fruitlife.de könnten im Internet von Interesse sein. E-MARKETING

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Einführung

NUR ÜBER INTERNET Preispolitik, wenn das Internet den einzigen Marktzugang darstellt >Möglichkeiten der Preisdifferenzierung sind z. B.: kunden-bezogene Preissetzungen, Preisbündelungen, nicht-lineare Preisbildung, Preisänderungen im Lebenszyklus, Echtzeit-Pricing oder Monitoring (Reaktionen auf Wettbewerbermaßnahmen in Echtzeit) >Pricing-Mechanismen des Internet sind: Gruppenkäufe, kundenindividuelle Maximalpreise (Benennung maximaler Zahlungsbereitschaft) und vor allem auch >Auktionen, wobei im B2B-Bereich meist die holländische Variante („von oben“) und im B2C-Umfeld die englische Variante („von unten“) eingesetzt wird >Hohe Preistransparenz für Kunden und Wettbewerb ist Basis für das Preisparadoxon des Internet

online ausgewählt und bestellt, sondern auch über das Netz spontan per Download ausgeliefert werden kann. Bei entsprechender Bandbreite des Internet-Zugangs kann die Ware unmittelbar nach dem Kauf genutzt werden. Der gesamte Transaktionsprozess verläuft zu 100 Prozent im virtuellen Raum. Eine physische Ausprägung des Produkts in Form von Datenträgern, Gebrauchsanweisung oder Verpackung ist nicht zwingend vorhanden. Der oben erwähnte E-Share beläuft sich mithin auf hundert Prozent. Lebensmittel wie Kiwis haben dagegen von Hause aus einen mit Null verträglichen E-Share. Hier können überhaupt nur mit kreativen Marketing-Aktionen elektronische Komponenten realisiert werden. Die Online-Verlosung einer Reise ins Erzeugerland der Kiwis wäre beispielsweise denkbar oder auch ein Reklamations-Tool im Internet. Der E-Share ist demzufolge ein erstes Kriterium zur Bewertung der Online-Eignung von Produkten. Ist der prozentuale Anteil elektronischer Komponenten hoch,

Die Streif GmbH startete euphorisch ins Internet-Zeitalter. Am heimischen PC konnten Kunden auf der StreifWebsite ihr Traumhaus konfigurieren. Bei komplexen Produkten wie Fertighäusern ist dabei jedoch der Erklärungsbedarf zu hoch. Viele Fragen bleiben unbeantwortet. Der Kunde wird eher abgeschreckt als zum Kauf ermutigt. Heute findet sich nur noch wenig Interaktives auf www.streif.de. Website: www.streif.de, Photo: stock.xchng

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Mehr noch als der traditionelle Anbieter muss der Internet-Händler möglichst schnell zur Marke werden. Und das aus zwei Gründen: Zum einen gibt es im Netz der Netze eine für die Kunden nicht zu überschauende Anbietervielfalt und zum anderen herrscht große Anonymität im Web. Dennoch schaffen nur wenige, wie Amazon, den Sprung zur etablierten Online-Marke.

eröffnen sich mehr Möglichkeiten, den Kunden einen zusätzlichen Nutzen über das World Wide Web anzubieten. Ist der E-Share gering, muss mehr Kreativität eingebracht werden, um einen Online-Verkaufserfolg doch noch zu realisieren. Das ist übrigens durchaus nicht unmöglich, wie in Kapitel 3 genauer ausgeführt werden wird. Mit der richtigen Idee, können sogar Blumensträuße online gewinnbringend veräußert werden. Auf der anderen Seite ist ein hoher E-Share noch keine Online-Erfolgsgarantie, wenn der Internet-Verkauf den Kunden keinen wirklichen Zusatznutzen bringt. Viele Kunden wollen ihre Software beispielsweise

nach wie vor nicht via „Download“, sondern per Datenträger geliefert bekommen. Sie haben so einfach das Gefühl unabhängiger vom Anbieter zu sein, wenn das Produkt physisch zu Hause auf dem Regal gelagert werden kann. Auch könnte ihre Internet-Anbindung zu langsam sein, sodass das Herunterladen der Ware keine echte Alternative darstellt. Ein Internet-Software-Anbieter ist demnach gut beraten, seine Produkte nach wie vor auch auf CD bereitzustellen. Der mögliche E-Share wird in solchen Fällen bewusst nicht vollständig ausgenutzt. Es muss mithin eine differenziertere Betrachtung

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Photo: rtullio, stock.xchng

Online gilt die Maxime: Weg vom starren Preis. „Powershopping“ beispielsweise steht für einen altbekannten Gedanken: Interessenten schließen ihre Kaufkraft zusammen, um als Großabnehmer Mengenrabatte zu erhalten. Hinter den neuen Begriffen steckt daher nichts weiter als eine Internet-Variante der klassischen Sammelbestellung. Je mehr Besteller für ein Produkt zusammenkommen, desto günstiger wird es.

angestrengt werden. Nützlich ist in diesem Zusammenhang, sich den E-Share in zwei Dimensionen aufgefaltet zu denken: 1. Die Digitalisierbarkeit des Produktes selbst; 2. der erforderliche Grad der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager. Können Kunden online Fragen zum Produkt stellen oder gar ein Pro-

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dukt nach ihren eigenen Wünschen im Internet konfigurieren, wirkt sich das letztlich auch als elektronische Produktkomponente aus und trägt damit zum E-Share bei. Hat der Konfigurationsvorgang einen hohen Stellenwert beim Erwerb des Produkts, ist auch der EShare hoch, obwohl es sich möglicherweise um eine nicht digitalisierbare Ware handelt. Ein Beispiel: Neuwagen müssen letztendlich physisch beim Kunden ausgeliefert werden. Die Digitalisierbarkeit des PKW ist naturgemäß gering. Aber jeder Wagenkauf erfordert Angaben vom Kunden – beispielsweise zur gewünschten Motorisierung, zur Wagenfarbe oder zu Sonderausstattungsmerkmalen. Diese Angaben können via Internet eingegeben werden. Mit einem gut realisierten Online-Konfigurator können sich Kunden intensiv mit ihrer geplanten Neuerwerbung auseinandersetzen. Beispielsweise können Ausstattungsmerkmale miteinander kombiniert und gegenseitig abgewogen werden, bis schließlich für ein vorhandenes Budget ein nach individueller Vorstellung optimales Produkt herausgefunden wird. Der Kunde empfindet solchermaßen ein optimiertes Preis-Leistungsverhältnis, was zweifelsohne als Zusatznutzen wahrgenommen wird. Das gilt allerdings nicht für jeden Internet-Konfigurationsvorgang. Ein online offeriertes Fertighaus zum Beispiel erfordert einen ungewöhnlich hohen Interakti-

NUR ÜBER INTERNET Vertriebs- und Kommunikationspolitik, wenn das Internet den einzigen Marktzugang darstellt >Vorteile: Optimale Kontrollmöglichkeit des Vertriebskanals, niedrige Informations- und Transaktionskosten, 24-Stunden- und globale Verfügbarkeit, Internationalisierung möglich >Nachteile: Fehlende persönliche Kundenbeziehung, Absatz erklärungsbedürftiger Produkte fragwürdig >Vorrangiges Ziel Neukundengewinnung: Bekanntmachung bei identifizierten Zielgruppen, Generierung von „traffic“, Abbau von Berührungsängsten, kritische Masse muss erreicht werden, Promotion über klassische Medien wichtig >Vorrangiges Ziel Bestandskunden halten: Präferenzen der Kunden in Angebote umsetzen, Oneto-One-Marketing (Database Marketing), interaktive Kommunikation realisieren, direkte Rückkopplung des Kunden nutzen

Photo: rtullio, stock.xchng

Benennung maximaler Zahlungsbereitschaft ist eine weitere OnlineMethode der Preisbildung. Kunden geben im Web an, was sie zu zahlen bereit sind. Findet sich ein Anbieter, der die Leistung solchermaßen erbringen möchte, kommt es verbindlich zum Vertrag. Bei Priceline.com lohnt es nicht, einen Preis unterhalb der Preisbereitschaft zu nennen. Geht der Interessent doch in diesem Fall das Risiko ein, sich ein teures Ticket am Flugschalter kaufen zu müssen.

onsgrad, denn jede Menge Kunden-Spezifikationen müssen eingeholt werden, bis das Traumhaus konzipiert ist. Dreißig und mehr Gewerke müssen über das Internet konfiguriert werden, was in Online-Sitzungen von mehreren Stunden oder sogar Tagen mündet. Das allein schreckt die potenziellen Käufer aber noch nicht unbedingt ab. Ein Hauskauf wird nicht alle Tage

erwogen. Von der Kunden-Bereitschaft Zeit zu investieren, kann mithin durchaus ausgegangen werden. Schwerer wiegt dagegen die außergewöhnlich hohe Erklärungsbedürftigkeit des Produkts. Jede Angabe die der Kunden zum gewünschten Haus macht, zieht eine Vielzahl von Fragen nach sich. In den meisten Fällen werden sich dabei die Probleme online gar nicht lösen lassen. Daraus resultieren Unsicherheiten seitens der Nachfrager. Entspricht das im Internet konfigurierte Produkt tatsächlich auch den eigenen Vorstellungen? Diese Unsicherheiten empfindet der im traditionellen Verkaufsgespräch von einem Berater persönlich betreute Kunde (je nach Qualität des Beratungsgesprächs) weniger oder gar nicht. Die OnlineKonfiguration führt mithin im Fall eines zu hohen Interaktionsgrades sogar zu einem reduzierten Kundennutzen. Wie Interaktionsgrad und Digitalisierbarkeit sich auf den Kundennutzen auswirken, wird in Kapitel 3 im Rahmen der Mass Customization genauer betrachtet werden. Hier bleibt festzuhalten, dass die Kundennutzenproblematik sorgfältig erwogen werden will, bevor Waren und Dienstleistungen online offeriert werden. Generell gibt es vier Möglichkeiten, mehr Kundennutzen im Rahmen eines Internet-Angebotes zu realisieren: Nutzen durch mehr Information (1), durch Zeitersparnis (2), durch niedrigere Preise (3) und durch

AUCH ÜBER INTERNET Produktpolitik, wenn das Internet als Absatzkanal hinzukommt >Durch Leistungs- und Preisunterschiede Zäune zwischen Systemen errichten („fencing“) >Transaktionale Kunden fragen Standardleistungen zu günstigsten Preisen nach, auch „Ich-weiß-was-ichwill“-Kunden genannt, Zusatznutzen hier nur durch Standardisierung und Kostenreduktion möglich >Beziehungskunden: Beratung durch Verkäufer erwünscht und wird als „Added-Value“ wahrgenommen, Preisaufschläge durchsetzbar, Beratung muss Bestandteil des Produktes sein

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bessere Produkte (4). Bereits hieran wird deutlich, dass sich die Nutzenproblematik weit über die OnlineProduktpolitik hinaus erstreckt. Alle Instrumente des Internet-Marketing-Mix sind letztlich davon betroffen. Zu (1): Ein reichliches Informationsangebot im Internet erleichtert dem Kunden die Beurteilung, den Kauf und die Nutzung des Produktes. Damit hieraus Kundennutzen entsteht, müssen Informationen allerdings geordnet und vor allem individuell auf jeden einzelnen Nachfrager zugeschnitten bereitgestellt werden. Der Online-Produktmanager wird mithin einen leistungsfähigen elektronischen Katalog auswählen müssen, der auch ein personalisiertes Warenangebot unterstützt. Der individuelle Zuschnitt auf den einzelnen Kunden ist dann Aufgabe der Online-Vertriebspo-

Photo: Cheon Fong Liew, Flickr

Auktionen sind im Internet ein Erfolgsmodell. In der betrieblichen Beschaffung sind sie heute in einigen Branchen gängige Einkaufspraxis. Für den privaten Verbraucher sind sie ohnehin spätestens seit eBay auf dem Vormarsch. Ist das Internet nicht der einzige Vertriebskanal muss eine so genannte Multi-Kanal-Strategie verfolgt werden. Für jede Marke muss untersucht werden, über welchen Kanal an welche Zielgruppe ausgeliefert werden soll. Beispielsweise wird den wichtigsten Kunden Z1 weiterhin die Premium-Marke über den

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litik. Im Internet wird nur dann komfortabel, zeitsparend und rund um die Uhr eingekauft (2), wenn die eingesetzte Technik auch permanent verfügbar und leistungsfähig ist. Web-Seiten die bei Bedarf nicht geladen werden können, werden kaum dauerhaftes Kundeninteresse erwecken. Auch ein Online-Informationsangebot, was erst nach Minuten vollständig auf dem Bildschirm aufgebaut ist, bindet den Internet-Surfer nicht. Skalierbare Hardware die mit zunehmender Nachfrage auch mitwachsen kann, stellt mithin eine Grundvoraussetzung dar. Optimal umgesetzte Shops führen zudem zu kürzeren Durchlaufzeiten und damit zu schnellerer Lieferung. Bei digitalen Produkten ist die Lieferung sogar unmittelbar. Hier ist neben dem Käufer können als transaktionale Kunden und zum anderen als so genannte Beziehungskunden eingestuft werden. Weiß der erste Kundentyp genau was er will, ist der zweite Typus auf Beratung angewiesen. Außendienst angeboten (Bild a). Der Außendienst vertreibt jedoch keine Premium-Produkte an die Kundengruppe Z3 (b). Z1-Kunden können jedoch EconomyWare über das Internet bestellen (c). Für jede Konstellation muss eine Entscheidung getroffen werden, bis schließlich die Multi-Kanal-Strategie steht (d).

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Online-Produktmanagement mithin auch die OnlineDistributionspolitik betroffen. Der Internet-Besteller hat zumindest prinzipiell die Möglichkeit, Preisvergleiche anzustellen bevor er sich für einen bestimmen Online-Anbieter entscheidet (in Kapitel 4 wird noch einmal genauer darauf eingegangen werden, inwieweit Kunden diese Möglichkeit tatsächlich nutzen). Im Grunde schauen sich aber die Internet-Wettbewerber ständig auch gegenseitig über die Schulter, was dazu führt, dass sich die Online-Preise mehr oder weniger angleichen. Internet-Preise sind mithin nicht unbedingt niedriger als im traditionellen

Die Kosten einer Transaktion sind im aufwändig gestalteten Ladengeschäft deutlich höher als im Online-Shop. Zur Bestimmung des gewinnoptimalen Preises muss mithin auf jeden Fall die Kostenseite berücksichtigt werden. Weitere Orientierungsgrößen zur kanalspezifischen Preisfindung basieren auf dem Kundennutzen und dem Preisgebahren der Konkurrenz.

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Handel. Letztendlich zahlen Kunden im World Wide Web nur dann niedrigere Preise (3), wenn Anbieter erzielte Kosteneinsparungen weitergeben können. Solche Einsparungen lassen sich beispielsweise über optimal gelöste Informationsflüsse, durch den Wegfall von Händlerbeziehungen aber auch durch reduzierte Lagerhaltung erreichen. Das gesamte Instrumentarium des Marketing-Mix ist mithin betroffen, wenn erreicht werden soll, dass dem Kunden ein Zusatznutzen entsteht, was die Online-Preise angeht. Im Internet beziehen Kunden bessere Produkte (4), wenn der Anbieter das Medium auch nutzt, um sein

Kommt das Internet als zusätzlicher Vertriebskanal hinzu, gilt möglichst: Sich ergänzende Online- und Offline-Vertriebskanäle nutzen! Online gekaufte Ware im Ladenlokal umtauschen zu können, sollte genauso selbstverständlich sein, wie im Geschäft nicht verfügbare Teile online nachkaufen zu können.

Angebot kundenorientiert weiterzuentwickeln und kundenindividualisierte Produkte anbietet. Umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten tragen hierzu bei. Diese im Internet anzubieten, obliegt nun tatsächlich vor allem dem Online-Produktmanager. Dieser muss mithin ständig den Kundennutzen, den sein Portfolio der Online-Kundschaft eröffnet, im Auge behalten. Zusätzlich hat er noch eine weitere Aufgabe, der er sich vor allem dann intensiv widmen muss, wenn der OnlineHandel den einzigen Absatzkanal darstellt. Der Internet-Anbieter muss nämlich möglichst schnell zur Marke werden. Das hat zwei Gründe. Zum einen ist

die Anbietervielfalt im Web außerordentlich hoch. Kaum ist eine gute Erwerbsquelle im Internet identifiziert, finden sich auch schon eine ganze Reihe von Nachahmern. Es geht mithin bereits in einer frühen Phase darum, einen unverwechselbaren Charakter, eben eine Markenabstrahlung zu entwickeln. Wer online Bücher erwerben möchte, kauft in der Regel bei Amazon, auch wenn es noch eine ganze Reihe weiterer virtueller Buchläden gibt. Gerade Online-Marken wie Amazon dienen den Nachfragern als willkommene „Abkürzung“ ihrer Kaufentscheidung. Wo sie sonst eine ganze Vielfalt von Für und Wider langwierig abE-MARKETING

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Eine erfolgskritische Frage der Multi-KanalStrategie ist: Wie lässt sich die gegenseitige Kannibalisierung der Kanäle vermeiden?

wägen müssten, erlaubt ihnen die Marke den kurzen Prozess, bürgt sie doch nicht zuletzt für eine gewisse Qualität, auf die man sich verlassen kann. Damit geht aber auch schon das zweite Argument einher, warum gerade der Online-Anbieter unbedingt zur Marke werden muss: Die Anonymität im Web. Im stationären Handel sprechen Ladengestaltung und Verkaufspersonal entweder für oder gegen einen Anbieter. Im persönlichen Kontakt entwickelt der Kunde oftmals spon-

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tan ein Gefühl dafür, ob ihm das Geschäft behagt oder nicht. Im Internet fehlt dieser persönliche Kontakt. Die virtuelle Präsenz ist der einzige Indikator für Vertrauenswürdigkeit. Eine wacklige Vertrauensbasis, zu der unbedingt der festigende Charakter einer Marke hinzukommen sollte. Einem Risiko sehen sich die Online-Produktmanager aber in jedem Fall ausgesetzt und zwar insbesondere dann wenn der elektronische Vertrieb den einzigen Absatzkanal darstellt: Dieser Markt ist limitiert. Anfangs waren Online-Discount-Broker beispielsweise sehr erfolgreich. So hatten die Comdirect und DAB Bank zusammengerechnet einen Stamm von fast einer Million Kunden bis Mitte des Jahres 2001 erreicht, den sie vor allem den Sparkassen und Genossenschaftsbanken abtrotzen konnten. Die DAB, eine Tochter der HypoVereinsbank, war dann auch die erste Online-Bank, die im November 1999 an die Börse ging, gefolgt von der Commerzbank-Tochter Comdirect im Juni 2000. Im dritten Quartal 2000 erreichten die beiden Unternehmen ihren Höchststand mit einem Marktwert von zusammen neun Milliarden Euro. Ende September 2001 folgte dann der Absturz um über 85 Prozent. Von da an lief das Geschäft mit dem Handel von Wertpapieren via Web eher schleppend. Für die Krise der Internet-Broker wurden gerne die sinkenden Provisionseinnahmen verantwortlich gemacht. Den Anlegern sei die Lust am Wertpapierhandel wegen der hohen Kursverluste an den Aktienmärkten vergangen, so hieß es. Deshalb liefen weniger Transaktionen über die Sites, was den Online-Brokern wiederum geringere Provisionseinnahmen beschere. Das war aber nur ein Teil der Wahrheit. Der zweite Teil hängt wie bereits erwähnt mit dem Geschäftsmodell zusammen, Kunden ausschließlich über das Internet zu akquirieren und zu betreuen. Internet-Broker konnten kaum noch Neukunden gewinnen, denn ihre klassische Klientel, technikbegeisterte und wertpapier-erfahrene „Heavy Trader“, war so gut wie abgeschöpft. Die Online-Unternehmen waren jedoch auf ein kräftiges Kundenwachstum angewiesen. Deshalb interessieren sich die Direct-Broker danach verstärkt für ein weiteres Kundensegment: Für die einkommensstarken 40- bis 60-Jährigen, die so genannte zweite Welle der Anleger. Diese sind zwar prinzipiell nicht abgeneigt, ihre Wertpapiergeschäfte über das Internet zu erledigen, benötigen dafür aber wesentlich mehr Unterstützung als die „Heavy Trader“. Und dabei stößt das Medium Internet bald an seine Grenzen. Das wissen auch die Online-Broker. Bei Comdirect geht man davon aus, dass der Kunde künftig mehr Betreuung braucht. Deshalb will der Anbieter mehr Hilfestellung auf seiner Site geben. „Ein Kunde möchte beispielsweise einen Fonds kaufen und ist sich nicht sicher, welcher der richtige für ihn ist. Er kann auf der Site

Kommt das Internet als Absatzweg hinzu, stellt sich die Frage: Wird die Marke durch den neuen Vertriebskanal bzw. neue Zielsegmente aufgeweicht?

anklicken, welches Anlegerprofil er hat und welche Risikoklasse er eingehen will, ob er konservativ oder spekulativ investieren möchte. Das System zeigt ihm dann drei bis vier Fonds an, die für ihn in Frage kämen.“2 Die endgültige Entscheidung liegt letztlich aber immer beim Kunden. Es gibt aber auch schon Überlegungen, die über das Internet hinausgehen, etwa die Kunden über Callcenter oder über einen mobilen Außendienst zu betreuen. Damit verlässt man den Weg des reinen Internet-Vertriebs.3

HIER SOLL ABER NOCH ETWAS vom reinen OnlineGeschäft die Rede sein. Bezogen auf die Preispolitik ist eine Anmerkung wesentlich: Der starre, vom Anbieter festgelegte Preis sollte auf keinen Fall die einzige Strategie sein, bietet doch das Online-Medium eine ganze Reihe weiterer, hochinteressanter Pricing- Mechanismen. Unternehmen wissen zwar, dass Kunden eine unterschiedliche Preisbereitschaft für ein und dasselbe Produkt haben, machen sich dieses Wissen traditionell aber nur in den seltensten Fällen zunutze. Sie verschenken mit ihrem Einheitspreis enormes Gewinnpotenzial. Online kann beispielsweise das so genannte „Powershopping“ (auch „Powerbuying“, „PowerSales“ und „Coshopping“) erwogen werden. Die Vielfalt dieser neuen Begriffe steht für einen altbekannten Gedanken: Interessenten schließen ihre Kaufkraft zusammen, um als Großabnehmer Mengenrabatte zu erhalten. Hinter den neuen Begriffen steckt daher nichts weiter als eine Internet-Variante der klassischen Sammelbestellung. Je mehr Besteller für ein Produkt zusammenkommen, desto günstiger wird es. Viel Popularität erhielten die Internet-„Powershopping“-Sites im Zuge einiger Gerichtsentscheidungen. Sowohl PrimusPower als auch LetsBuyIt.com wurden per einstweiliger Verfügung daran gehindert, bestimmte Waren im Stufenpreismodell anzubieten. Obwohl die Verfügungen anschließend teilweise wieder aufgehoben wurden, entstand durch die Gerichtsbeschlüsse der Eindruck, beim „Co-Shopping“ würden außergewöhnlich hohe Rabatte gewährt. Das Rabattgesetz ist mittlerweile bekanntlich abgeschafft worden. Das fast 70 Jahre alte Gesetz war in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Hier muss in Zukunft die aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden. Interessanter werden für „Powershopping“-Anbieter in Zukunft die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) sein. Das LG Köln (AZ: 31 O 990/99) hat in einem Fall festgestellt, dass Powershopping als übertriebenes Anlocken des Kunden gegen § 1 UWG verstößt. Dabei stehe nicht mehr das Vergleichen der Preise im Vordergrund, sondern der Spiele-Charakter solcher Veranstaltungen. Problematisch kann es für die Anbieter also dann werden, wenn durch das Warenangebot lediglich die Spiellust und das Gewinnstreben des Verbrauchers ausgenutzt werden soll. Dies ist nach § 1 UWG als sittenwidrig einzustufen.4 Neben dem „Powershopping“ gibt es aber noch eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten für die Online-Preisdifferenzierung. Beispielsweise die Benennung der maximalen Zahlungsbereitschaft. Kunden geben hierbei einen Preis im Internet an, den sie für eine Ware oder eine Dienstleistung maximal zu zahlen bereit sind. Findet sich ein Anbieter, der die

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Leistung zu den genannten Konditionen erbringen möchte, kommt automatisch ein Kauf zustande. Bei Priceline.com lohnt es sich für den Kunden nicht, einen Preis zu nennen, der unterhalb seiner Preisbereitschaft liegt. Geht er doch in diesem Fall das Risiko ein, am Ende leer auszugehen und sich ein teures Ticket am Flugschalter kaufen zu müssen. Mittlerweile hat Priceline.com das Konzept des individuellen „Pricings“ neben Flugbuchungen auch auf andere Produkte wie Autos, Hotel- und Mietautobuchungen und Eigenheimfinanzierungen ausgedehnt. Auch Auktionen sind im Internet ein Erfolgsmodell. In der betrieblichen Beschaffung sind sie heute in einigen Branchen bereits gängige Einkaufspraxis. Neben niedrigeren Einkaufspreisen sind effizientere Beschaffungsprozesse das Hauptziel des Auktionseinsatzes. Auch wenn die elektronische Auktion bereits Jahre alt ist, befindet sich ihre Anwendung in der professionellen Beschaffung allerdings bisher, mit der Ausnahme einiger Branchen, noch in der Orientierungs- und Aufbauphase. In einer aktuellen Studie hat die WHU in Vallendar zusammen mit dem CAPS Institute aus den USA in Europa rund 50 Experteninterviews mit Nutzern elektronischer Auktionen geführt. Diese Studie und verschiedene Auktionsprojekte haben gezeigt, dass zwischen 35% und 50% der größeren Unternehmen elektronische Beschaffungsauktionen nutzen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Auktionen in der Zukunft in zahlreichen Branchen zu einem wichtigen Beschaffungsinstrument werden. Aus Erfahrungen heraus sind Beschaffungsprozesse aber als reine Auktionen ohne weitere Zusammenarbeit mit den Lieferanten eher selten. Realitätsnäher ist es deshalb, von auktionsintegrierten Beschaffungsprozessen zu sprechen, denn in deutlich über 90% der Fälle wird lediglich der Preis des Beschaffungsobjektes als einziger Verhandlungsparameter über eine Auktion festgelegt. Alle anderen, vor allem die nicht-finanziellen Parameter, werden im Vorfeld verhandelt und festgelegt.5 Im B2C-Umfeld sind Online-Auktionen ohnehin seit längerem auf dem Vormarsch. Was ist zum Beispiel im Online-Auktionshaus eBay für die Endverbraucher von Interesse? Bei den Marken ist Esprit nach wie vor die Nummer eins. Insgesamt wurde die Modemarke 2006 kategorieübergreifend über 14 Millionen Mal gesucht, das entspricht mehr als 38.000 Suchanfragen pro Tag und 27 pro Minute. Im Vergleich zum Vorjahr hat der zweitplatzierte Suchbegriff BMW aufgeholt. Über 13 Millionen Mal fahndeten die Mitglieder nach Autos, Ersatzteilen und Zubehör im Zusammenhang mit der Bayerischen Motoren Werke AG. Harry Potter behauptete seine Spitzenposition in der Kategorie Bücher: 150.000 Mal wurde er gesucht.6 Wenn ein Artikel über eBay nicht versteigert werden konnte, muss dies noch

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Mit dem Internet als zusätzlichem Vertriebskanal werden in jedem Fall die Kommunikationskosten steigen.

AUCH ÜBER INTERNET Preispolitik, wenn das Internet als Absatzkanal hinzukommt >Einheitspreis nicht optimal, >Kanalspezifische Preisspielräume ausnutzen, Preisfindung über historische Marktdaten, Expertenschätzungen, Kundenbefragungen >Keine vorschnellen Preisreduzierungen >Innerhalb eines vorab definierten Preiskorridors bewegen

lange nicht am Artikel gelegen haben. Denn die meisten Fehler, die zu einer erfolglosen Versteigerung führen, werden bei der Präsentation gemacht. Vier Hauptursachen für gescheiterte Auktionen hat der Markt-Analyst Channel Advisor bei der Beobachtung von eBay-Versteigerungen gefunden. Erstens: Wenn Artikel unvollständig oder nur allgemein bezeichnet sind, können sie nicht gefunden werden, denn der Erfahrung nach suchen Käufer sehr oft nach dem konkreten Namen. Zweitens führen auch ungenaue Beschreibungen zu Missverständnissen, etwa wenn nicht klar wird, worauf der Anbieter in seinem Text hinaus will. Drittens landen Artikel häufig in falschen Kategorien. Das ist vor allem für jene Käufer ärgerlich, die nicht nach Namen suchen, sondern sich in den einzelnen Kategorien zu einem bestimmten Gegenstand durchkämpfen. Und schließlich verschafft unzureichendes oder fehlendes Bildmaterial einen schlechten Eindruck. Denn wer den Artikel nicht sehen oder nur schemenhaft erkennen kann, wird skeptisch und verzichtet in der Regel auf ein Gebot.7 Grundsätzlich sind Online-Auktionshäuser aber ein Erfolgsmodell. Allein bei eBay werden im deutschsprachigen Raum alle 43 Sekunden ein Kleidungsstück, alle 1,8 Minuten eine Antiquität, alle 1,9 Minuten ein Buch, alle 2,4 Minuten ein Computer und alle 26 Minuten ein Auto verkauft.8 Im B2B-Umfeld ist die Online-Auktion nach holländischem Muster verbreitet. Eine Versteigerung, bei

der ein vorgegebener Startpreis so lange immer weiter fällt, bis entweder ein Käufer zugreift oder aber ein zuvor vom Verkäufer festgelegtes Zeit- und Preislimit erreicht wird und das Angebot automatisch erlischt. Bei konventionellen Auktionen via Internet hingegen, wie beispielsweise auch bei eBay startet die Auktion nach englischem Muster mit einem Mindest-Gebot, das für eine festgesetzte Dauer überboten werden kann. Hier geht es gewöhnlich erst in den letzten paar Sekunden spannend zu. Das Auktionsverfahren mit fallenden Preisen hat aus Sicht des Käufers den Vorteil, dass er nach Abschluss seiner Gebotsabgabe sofort Besitzer des Objekts ist und nicht bloß ein Bieter unter anderen. Andererseits aber, und das mag manche Verkäufer stören, sind hier keine regelrechten Bieterschlachten mehr möglich, wie man sie ja etwa auch aus Kunstauktionen kennt und die etwa für einen Picasso extrem hohe Erlöse bescheren können. Es darf davon ausgegangen werden, dass das „holländische Verkaufen“ eher für den B2B-Bereich oder für Massenartikel mit allgemein bekanntem Preisniveau geeignet ist.9 Die Preispolitik im Internet-Handel steht generell unter dem Vorzeichen hoher Preistransparenz. Sowohl Käufer als auch die Online-Anbieter können sich jederzeit leicht über das aktuelle Preisniveau informieren. Das führt zum so genannten Preisparadoxon im

AUCH ÜBER INTERNET Vertriebs- und Kommunikationspolitik, wenn das Internet als Absatzkanal hinzukommt >Sich ergänzende Online- und Offline-Vertriebskanäle nutzen, Online gekaufte Ware im Geschäft umtauschen – im Geschäft nicht verfügbare Teile online kaufen

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E-Commerce.10 Kunden kaufen in diesem Zusammenhang unter Umständen gerade deshalb im Netz, weil sie dort den niedrigsten Preis herausfinden können. Auf der anderen Seite führt die hohe Preistransparenz im Online-Umfeld aber dazu, dass sich Wettbewerber genauestens beobachten und die Internet-Preise sich in der Regel schnell angleichen. Der Online-Schnäppchenjäger jagt mithin nicht selten einem Phantom hinterher.

Kunden beziehen nur dann Produkte über den Online-Kanal, wenn sich dadurch für sie ein Vorteil eröffnet; mithin wenn sich ein Zusatznutzen identifizieren lässt.

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IST DAS INTERNET der einzige Absatzkanal eines Unternehmens ergeben sich für die Vertriebs- und Kommunikationspolitik einige Vorteile. Der einzige Vertriebsweg lässt sich ohne Frage sehr viel leichter kontrollieren und managen als das in einer Firma mit unterschiedlichen Absatzwegen jemals der Fall sein könnte. Auch sind die Informations- und Transaktionskosten sehr viel niedriger, wenn Kunden ausschließlich über das Internet angesprochen werden. Eine Preisänderung beispielsweise braucht nicht erst umständlich an eine komplette Vertriebsmannschaft kommuniziert zu werden. In dem Moment, in dem sie beschlossene Sache ist, kann der neue Preis auch online gestellt und den Kunden so bekannt gemacht werden. Der Online-Shop ist, wenn die Technik mitspielt, 24 Stunden und das an sieben Tagen in der Woche verfügbar. Eine Website kann auch jederzeit in unterschiedlichen Sprachen angeboten werden und eröffnet so dem Online-Händler Zugang zu einem weltumspannenden Markt. Wo Vorteile sind, ergeben sich allerdings zumeist auch Nachteile. Wesentliches Defizit des ausschließlich im Web agierenden Händlers ist die fehlende persönliche Kundenbeziehung. Viele erinnern sich noch an den Tante-Emma-Laden um die Ecke. Für die etwas höheren Preise, die dort bezahlt werden mussten, bekam man eine Gegenleistung. Da die Ladenbesitzerin mit den Einkaufsgewohnheiten und Vorlieben ihrer Kunden vertraut war, konnte sie genau auf deren Wünsche eingehen und ihnen individuelle Angebote machen. Zwar sind in den letzten Jahrzehnten viele dieser Läden eingegangen, geblieben ist jedoch das Bedürfnis nach persönlicher Ansprache. Im Web fehlt jede zwischenmenschliche Komponente. Das führt zu einer Anonymisierung. In einem Internet-Shop kaufen viele deshalb nur ein einziges Mal. Und zwar auch dann, wenn sie mit ihrem Einkauf eigentlich zufrieden waren. Das Einkaufen im virtuellen Laden verläuft einfach zu unpersönlich und noch dazu überall in immer gleicher Weise, sodass sich kaum jemand daran erinnern kann, wo genau er vor einigen Monaten den Elektroartikel online gekauft hat. Und noch etwas kommt erschwerend hinzu: Der Absatz erklärungsbedürftiger Produkte über das Internet ist nach wie vor fragwürdig. In der Regel lässt sich nur der unproble-

matische Standardartikel über das World Wide Web absetzen. Stellen sich beim Einkaufen komplizierte Fragen zum Produkt, sucht die Kundin oder der Kunde doch lieber das Beratungsgespräch im traditionellen Laden und wendet sich dort an das Fachpersonal. Ein Informationsdefizit führt bei der Kundschaft immer zu Unsicherheiten. Diese stellen im Internet eine Barriere dar, die die Kaufabsicht vereitelt. Einziger Ausweg: Eventuelle Unsicherheiten müssen den Kunden als Aufwand zugerechnet und vergütet werden. Der erklärungsbedürftige Artikel muss im Online-Umfeld mithin sehr viel preiswerter angeboten werden, wenn er eine Chance bei den Kunden haben soll.11 Zwei Konstellationen sollten in der Online-Vertriebsund Kommunikationspolitik klar unterschieden werden, wenn das Internet den einzigen Vertriebsweg darstellt. Ist das vorrangige Ziel die Neukundengewinnung (1) oder geht es vielmehr darum, eine bereits erschlossene Klientel an den Web-Shop zu binden (2). Wird im Internet eine neue Aktivität gestartet und müssen mithin erst noch Kunden gewonnen werden (1), steht die Bekanntmachung bei den identifizierten Zielgruppen im Vordergrund. Ein beträchtlicher Anteil des Budgets muss in die Generierung von „traffic“ auf der Website investiert werden. Bei einigen Milliarden Websites weltweit kann niemand erwarten, dass die Kunden zufällig im Online-Shop vorbeischauen. Neben der Online-Werbung und dem so genannten Suchmaschinenmarketing (siehe Kapitel 5) wird in der Anfangsphase auch die Promotion über klassische Medien in Erwägung gezogen werden müssen. In einer späteren Phase, wenn die Internet-Aktivitäten bereits angelaufen sind (2), wird zur Bindung von Kunden eine andere Strategie in den Vordergrund treten müssen. Jetzt geht es darum, Präferenzen der Kunden in Angebote umzusetzen. Das so genannte One-to-One-Marketing (Database Marketing) wird eine immer wichtigere Rolle spielen. Die Ansprache der Kunden muss möglichst individuell erfolgen. Persönliche Vorlieben der Online-Besucher müssen erkannt und berücksichtigt werden (vgl. Kapitel 4). In dieser Phase wird es auch nützlich sein, möglichst viel interaktive Kommunikation, beispielsweise durch Online-Gewinnspiele, zu realisieren. Alles muss daran gesetzt werden, den Kunden aus seiner Anonymität zu locken. Auch der Einsatz einer virtuellen Gemeinschaft kann hier viel bewirken (vgl. Kapitel 5).

IN EINIGER HINSICHT anders gestaltet sich das Online-Business, wenn das Internet nicht den einzigen, sondern einen unter vielen Absatzkanälen darstellt. Entschließt sich ein traditionell bereits etabliertes Unternehmen dazu, in Zukunft auch online Waren

anzubieten, muss sichergestellt sein, dass physischer und elektronischer Vertrieb sich ergänzen und gegenseitig nützen. Dies ist nicht selbstverständlich oder gar automatisch der Fall. Eine so genannte Multi-KanalStrategie muss dazu explizit verfolgt werden. Das bedeutet nicht weniger als die erneute Analyse der Unternehmenspositionierung, der Marktsegmentierung und der Vertriebskanäle des gesamten Unternehmens. Letzteres heißt eine verbindliche Festlegung darüber zu treffen, welches Produkt über welchen Vertriebskanal an welche Zielgruppe ausgeliefert werden soll. Wichtige Schlüsselkunden des Unternehmens sollen vielleicht gar nicht über das Internet angesprochen, sondern nach wie vor über dediziertes Vertriebspersonal betreut werden. Andererseits könnte im Rahmen einer Multi-Kanal-Strategie auch beschlossen werden, wenig erklärungsbedürftige Waren, wie beispielsweise Zubehörartikel, in Zukunft ausschließlich kostensparend über das Web zu vertreiben. Erfolgskritische Fragen der Multi-Kanal-Strategie sind: >Wie lässt sich eine Kannibalisierung der Kanäle vermeiden? >Wird die Marke durch neue Vertriebskanäle bzw. neue Zielsegmente aufgeweicht? >Wie erfolgreich lässt sich die Soll-Positionierung mit der bestehenden Vertriebskanal-Zielsegment-Konstellation erreichen? EIN WESENTLICHES MERKMAL der Produktpolitik

Einem Risiko sehen sich die InternetProduktmanager immer ausgesetzt: Der OnlineMarkt ist limitiert.

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wird mit dem Internet als zusätzlichen Vertriebskanal das so genannte „Fencing“ sein.12 Hierbei geht es darum, durch Leistungs- und Preisunterschiede „Zäune“ zwischen den Vertriebswegen zu errichten. Grundsätzlich können die Kunden hier in zweifacher Weise eingestuft werden. Einmal als transaktionale Kunden und zum anderen als so genannte Beziehungskunden. Transaktionale Internet-Käufer fragen Standardleistungen zu günstigsten Preisen nach. Sie werden auch als „Ich-weiß-was-ich-will“-Kunden bezeichnet. Ein Zusatznutzen lässt sich für diesen Käufertyp nur durch Standardisierung und Kostenreduktion im Web bereitstellen. Die Standardisierung ermöglicht der transaktionalen Kundschaft ihren Kauf möglichst schnell, mit so wenig Klicks wie irgend möglich, abzuwickeln. Bevorzugt gekauft wird darüber hinaus in den Shops, die die günstigsten Preise bieten. Beziehungskunden sehen neben dem Preis als weiteres Kriterium die verfügbare Beratung. Dieser Käufertyp ist sich noch etwas unsicher, für welche Ausführung er sich beispielsweise entscheiden soll. Beratung wird hier als „Added-Value“ wahrgenommen und Preisaufschläge sind immer dann durchsetzbar, wenn der angebotene Beratungsservice als hinreichend empfunden wird. Um Beziehungs-Kundschaft dauerhaft zu binden, muss versucht werden, die Beratung als Bestandteil des Produkts zu etablieren. Ein Teil der Beratungsdienstleistung könnte beispielsweise in einer nach gelagerten Transaktionsphase, etwa der „After-Sales-Phase“, angesiedelt sein. Hier bietet sich individuelle Beratung zum dauerhaften Gebrauch des Produkts oder eine unkomplizierte Bereitstellung von Zubehör- und Ersatzteilen an. Auch die Anbindung an eine virtuelle Gemeinschaft, exklusiv für Kunden des Hauses, könnte ein attraktives Angebot sein. Auch die Differenzierung von konkurrierenden Internet-Anbietern über die Marke könnte ein Erfolgsrezept sein. WAS DIE PREISPOLITIK ANGEHT, so ist ein Einheitspreis nicht optimal, wenn das Internet als Vertriebskanal hinzukommt. Der OnlinePreis ist durch die hohe Preistransparenz im

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Entschließt sich ein traditionell bereits etabliertes Unternehmen dazu, in Zukunft auch online Waren anzubieten, muss sichergestellt sein, dass physischer und elektronischer Vertrieb sich ergänzen und gegenseitig nützen

Web immer hohem Druck ausgesetzt. Auf jeden Fall sollten kanal-spezifische Preisspielräume ausgenutzt werden. So differenzieren viele Banken die Transaktionsgebühren bei Wertpapiergeschäften nach der Art der Auftragserteilung – via Internet, WAP, Sprachcomputer, Call Center, Fax, Brief oder beim Kundenberater in einer Filiale. Dabei liegen kostengünstige Kanäle wie Internet, WAP und Sprachcomputer im Preisgefüge auf dem niedrigsten Niveau, bei Nutzung anderer Medien (Call Center, Fax und Brief) steigen die Transaktionsgebühren erheblich. Sie erreichen in der Regel ihr Maximum bei der Abwicklung über einen Kundenberater in der Filiale. Die Praxis zeigt, dass unter Gewinnmaximierungsaspekten Einheitspreise der kanalspezifischen Preissetzung zumeist unterlegen sind. Dies liegt vor allem darin begründet, dass beim Einheitspreis unterschiedliche Zahlungsbereitschaften und Preiselastizitäten keine Berücksichtigung finden und damit der Preisspielraum in den Kanälen nicht genutzt wird. Das bedeutet aber den Verzicht auf die Abschöpfung der so genannten Konsumentenrente, das heißt des Differenzbetrags zwischen der Zahlungsbereitschaft der Kunden für ein Angebot und dem tatsächlich verlangten Preis. Diese Problematik wird noch verschärft durch Unterschiede bei Vertriebs-, Transaktions- und Servicekosten zwischen den Kanälen, die durch einen Einheitspreis nicht abgebildet werden. Kanal-spezifische Preise verlangen allerdings in der Regel auch zumindest kleinere Produktdifferenzierungen, um die unterschiedlichen Preise durch Nutzenunterschiede zu rechtfertigen (z. B. ausführlichere Beratung in Filialen als bei telefonischer Betreuung). Jede Kundin und jeder Kunde wählt dann das für sie oder ihn optimale Angebot aus. Auf diese Weise erreicht der Anbieter ein faires und differenziertes „Pricing“. Ist die grundsätzliche Preisstruktur festgelegt, muss im Anschluss das optimale Preisniveau des betrachteten Produktes für jeden einzelnen Vertriebskanal isoliert bestimmt werden. Bei dieser isolierten Preisoptimierung sind für jeden Absatzweg jeweils drei Orientierungsgrößen zu berücksichtigen: Kunden, Kosten und Konkurrenz. Um die Attraktivität des Vertriebskonzeptes zu gewährleisten, müssen die Kundenpräferenzen immer den Ausgangspunkt der Preisfindung darstellen. Der Nutzen eines Produktes bestimmt die Zahlungsbereitschaft des Kunden und in der Konsequenz den zu zahlenden Preis. Da der Nutzen aber nicht für alle Kunden in jeder Situation gleich ist, bildet die segmentspezifische Erfassung des durch die einzelnen Kanäle gestifteten Nutzens und der daraus resultierenden Preisbereitschaft die Grundlage der kanalspezifischen Preisfindung. Hierzu bedarf es zunächst der Erfassung der Bedürfnisse der Kunden und deren Zahlungsbereitschaft. Hier hilft am besten

das Conjoint Measurement weiter. Ein Verfahren, das den Vorteil hat, dass die Kunden nicht direkt zum Preis befragt, sondern mit verschiedenen Angeboten konfrontiert werden, die sie hinsichtlich ihrer Präferenz beurteilen. Alle Angebote haben mehrere Merkmale, von denen jedes seinen Teil zum individuellen Gesamtnutzen beiträgt. Merkmale können im Beispiel des Angebotes Wertpapiertransaktion Preis, anbietende Bank, Zusatzinformationen und Zugangskanäle sein, wobei jedes Kriterium verschiedene Ausprägungen aufweist. Im Falle der Vertriebskanäle wären dies z.B. die Ausprägungen Internet, Filiale oder Telefon. Dabei sind manche Eigenschaften für die Kundschaft von hoher, andere von untergeordneter Bedeutung. Für jede Ausprägung der Eigenschaften ermittelt das Verfahren einen Nutzenwert. So können auf indirekte Weise Zahlungsbereitschaften für die verschiedenen Kanäle ermittelt werden. In allen Branchen, in denen der „Pricing-Prozess“ professionell gemanagt wird, wie beispielsweise im Automobilsektor, kommt heute dieses Verfahren zum Einsatz. Nur das Conjoint Measurement erlaubt die Bestimmung des Nutzens, den verschiedene Vertriebskanäle stiften. Da der Kundennutzen die Zahlungsbereitschaft determiniert, ist dessen Kenntnis Voraussetzung für die Festlegung des gewinnoptimalen kanal-spezifischen Preises. Die verschiedenen Vertriebskanäle unterscheiden sich allerdings auch erheblich bezüglich Kostenstruktur und -niveau. Die Kosten einer Transaktion sind in der Bankfiliale rund 100-mal so hoch wie beim InternetBanking. Zur Bestimmung des gewinnoptimalen Preises sollte die Kostenseite berücksichtigt werden. Auf diese Weise werden Kosten und Kunden als Orientierungspunkte der Preisfindung integriert. Neben Kundennutzen und Kosten müssen auch die Wettbewerber im Rahmen der kanalspezifischen Preisfindung Beachtung finden. So ist beispielsweise zu vermeiden, dass sich Konkurrenten angesichts eines niedrigen Preises in einem Kanal gezwungen sehen, nachzuziehen und so eine Preisspirale nach unten ausgelöst wird. Das nutzt aber letztlich niemandem, sondern senkt nur das Preisniveau und damit die Gewinnspanne im Markt. Deshalb sollte zur Berücksichtigung von Wettbewerberreaktionen eine Bereinigung der Preis-Absatz-Funktion immer auch auf der Basis von Expertenschätzungen vorgenommen werden. Für ein erfolgreiches „Multi-Channel-Management“ müssen in jedem Fall alle Absatzkanäle in eine gemeinsame Strategie eingebunden werden. Preisanpassungen sind in diesem Zusammenhang immer dann notwendig, wenn trotz der oben erwähnten Produktdifferenzierungen Wanderbewegungen zwischen den Kanälen auftreten. Jetzt hilft nur noch ein Preiskorridor. Die für die einzelnen Kanäle ermittelten Preise werden in einem Koordinatensystem abgetragen.

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Einführung

Maximal- und Minimalpreise sind für jeden Absatzweg zu bestimmen, die nicht über- bzw. unterschritten werden dürfen. Das hört sich zunächst recht einfach an, aber der kritische Punkt bei der Festlegung des Preiskorridors ist die Bestimmung dieser Grenzen. Viele Randbedingungen müssen hier berücksichtigt werden, insbesondere zum Marktvolumen in den einzelnen Kanälen, zu den Preiselastizitäten oder den möglichen Wanderungstendenzen13 (mehr hierzu in Kapitel 4). NOCH EIN ABSCHLIESSENDES WORT zur Vertriebs- und Kommunikationspolitik, wenn das Internet als zusätzlicher Vertriebskanal hinzukommt. Das Credo lautet für diesen Bereich in jedem Fall: Sich ergänzende Online- und Offline-Vertriebskanäle nutzen!

Online gekaufte Ware im Ladenlokal umtauschen zu können, sollte genauso selbstverständlich sein, wie im Geschäft nicht verfügbare Teile online nachkaufen zu können. Auch sollten, falls nicht ohnehin schon vorhanden, Mehrmarkensysteme in Betracht gezogen werden. Premium-Produkte können als beratungsintensive Produkte durch den Außendienst vertrieben werden. Daneben kann die Standard-Marke mit reduzierten Service-Leistungen über das Web bezogen werden. In jedem Fall aber werden zusätzliche Kommunikationskosten anfallen. Um dennoch mit dem Internet gute Geschäfte zu machen, bedarf es der Marktforschung. Gerade diese profitiert ihrerseits aber auch immer ganz erheblich vom World Wide Web. Mehr zu dieser „Ménage à deux“ im nächsten Kapitel.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. hierzu Bliemel, Friedhelm: Produktpolitik mit EShare, in: Electronic commerce, Wiesbaden, 2000, S. 191-204 2 Mathias Hajek, Unternehmenssprecher bei Comdirect, in: Neubauer Constanze, Online-Broker auf glattem Parkett, I Week, Ausgabe 2, 24. Januar 2002 3

Vgl. Neubauer Constanze, Online-Broker auf glattem Parkett, I Week, Ausgabe 2, 24. Januar 2002

Computer-Informations-Dienst vom 21. September 2006 8

Vgl. o. V.: Mehr als 4.000 Menschen leben von eBay Österreich, „medianet“ Nr. 841/06 vom 12.07.2006, S. 20 9 Vgl. Schmidt, Egon: Online-Auktionen, VDI NR. 048 vom 28.11.2003 S. 29 10

Vgl. hierzu beispielsweise Weiber, Rolf/Krämer, Tanja: Paradoxien des Electronic Business in: Weiber, Rolf (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden, 2000, S. 149-177

4 Vgl. Siebert, Sören: Powershopping, „online im Internet“, www.e-recht24.de/artikel/onlineauktionen/29.html, abgerufen am 31.12.06

11

5 Vgl. Germer, Thomas: Elektronische Auktionen in der Beschaffung. Nachhaltige Werttreiber oder HightechSpielzeug?, BA Beschaffung aktuell, Heft 3, 2004, S. 62

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6 Vgl. Eckert, Michae: Ebay-Jahresrückblick: Die Top-Hits 2006, „online im Internet“, tecChannel.de Online, Meldung vom 27.12.2006, abgerufen am 2.1.07 7

Vgl. o. V.: Warum Auktionen bei Ebay oft scheitern, cid

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Vgl. hierzu beispielsweise Reichwald, Ralf/Piller, Frank Thomas: Mass Customization-Konzepte im Electronic Business, in: Weiber, Rolf, a.a.O., S. 469ff. Vgl. Simon, H./Dolan, R. J.: Profit durch Power Pricing, Frankfurt/M., 1997

13

Vgl. hierzu Hardock, Petra/Wübker, Georg/Lauszus, Dieter: Multi Channel Management, Die Bank, Heft 2/2003, S. 100-103

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Marktforschung

>Recherche mit und im Internet Sekundärquellen, Beobachtungen, Befragungen – wie die Methoden vom Web profitieren

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Online-Marktforschung

Lernziele Mix aus Online und Offline

Sekundärforschung

Schnelle und effiziente Kundenbefragung

Informationssuche im Netz

>Das Hauptmanko internet-basierter Umfragen und welche beiden Verzerrungseffekte sich hier auswirken >Die Methode mit der dieser Problematik begegnet werden kann >Die drei Hauptstärken von Online-Befragungen >Die beiden Grundkonfigurationen für Online-Befragungen

>Die drei Haupthindernisse der Informationssuche im Internet >Die drei Möglichkeiten der Sekundärforschung im Internet >Die Funktionsweise einer Online-Suchmaschine und die effiziente Recherche mit diesem Werkzeug >Die Suchmaschine Google und deren Bewertungsverfahren von Suchergebnissen >Web-Verzeichnisse >Möglichkeiten der Recherche mit kostenpflichtigen Online-Datenbanken

Virtuelle Gemeinschaften

Beobachtung im Internet

Freundeskreis mit hoher Glaubwürdigkeit

Besser als die traditionellen Methoden

>Bedeutung virtueller Gemeinschaften (VC) für das E-Marketing >Kommunikationsstruktur virtueller Gemeinschaften >Zu den beiden Eigenschaften, die eine VC ausmachen >Glaubwürdigkeit und größte Herausforderung beim Einsatz einer abhängigen VC >Abhängige und unabhängige VCs >Beispiele für den erfolgreichen Einsatz abhängiger VCs >Vier Vorteile, die eine abhängige VC dem Betreiber bieten >Drei Möglichkeite, die der VC-Betreiber hat, um Mitglieder zu gewinnen >Warum funktionierende abhängige VCs für den Betreiber auch zum Risiko werden können

>Die wesentlichen Methoden der Primärforschung im Internet >Die Vorteile der Online-Beobachtung gegenüber traditionellen Beobachtungsverfahren >Den dreistufigen Prozess, der bei der Online-Beobachtung durchlaufen werden muss >Visits und Page Impressions >Die Systematisierung der OnlineBeobachtung >Mögliche Probleme im Rahmen der Online-Beobachtung

Spuren-Suche

Online-Befragungen

Analyse mit Data Mining

Kontrolle muss sein

>Fragestellungen die mit Data Mining im E-Marketing beantwortet werden können >Die im Vorfeld von Data-Mining-Untersuchungen notwendigen Maßnahmen >Visualisierung und Assoziationsanalyse, Clusterung, Segmentierung und Klassifizierung mit neuronalen Netzen und Entscheidungsbäumen >Vorhersage von Kundenverhalten mit Data Mining >„Web Usage Mining“, Sequenzanalysen und Muster-Analysen in sequenziellen Abläufen

>Qualitätsstandards für Online-Befragungen >Vorund Nachteile von Online-Befragungen >Methoden der Teilnehmeransprache >Motivation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer >Kontrollmechanismen vor, während und nach der Online-Befragung >Begleitende Dokumentation von Online-Befragungen >Ethische und rechtliche Rahmenbedingungen von Befragungen

Die Conjoint-Analyse

Praxis

Wichtigen Kaufmerkmalen auf der Spur

Qual der Wahl

>Prinzipielle Funktionsweise der Conjoint-Analyse >Vorgehensweise bei einer Conjoint-Analyse >Zu ACA und CBC, den beiden Conjoint-Methoden >Online-Conjoint-Analyse

>Die wichtigsten Felder im Online-Forschungsbereich >Die Kriterien zur Auswahl der Forschungsmethode >Die fünf Phasen der systematischen Entscheidung für eine Online-Forschungsmethode

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Agenda

Online-Marktforschung

Mix aus Online und Offline In schwierigen Zeiten werden mehr denn je Instrumente gebraucht, die die Kundenmeinung schnell und effizient ermitteln. Das Internet ist die ideale Plattform dafür ........................................................28

28 Online-Umfragen sind kostengünstig, zielgruppenspezifisch und führen schnell zu Ergebnissen. Einziger Nachteil: Sie sind nicht repräsentativ. Abhilfe schafft erst ein spezieller Mix aus Online- und Offline-Methoden.

Sekundärforschung Wer hat nicht schon mal im Internet „gegoogelt“? Auch für die betriebliche Informationssuche gewinnt das Netz an Bedeutung ..........................................31 Virtuelle Gemeinschaften Als Instrument des E-Marketing sind sie unverzichtbar, denn funktionierende „Online Communities“ werden zum virtuellen Freundeskreis ...........................37 Beobachtung im Internet Was die Beobachtung angeht, sind Online-Verfahren besser als die traditionellen Methoden ....................50 Spuren-Suche Wer online unterwegs ist, hinterlässt Spuren. Data Mining kann diese Muster analysieren ....................57

37 Was uns von Freunden und Bekannten so erzählt wird, weckt nicht immer unser Interesse. Glaubhaft erscheint uns der Kaffeeklatsch aber allemal. Abhängige virtuelle Gemeinschaften nutzen dieses Phänomen mit Erfolg für sich aus.

Online-Befragungen Bei Befragungen im Web müssen vor, während und nach der Aktion Kontrollmechanismen etabliert sein, um die Qualität zu sichern ......................................65 Die Conjoint-Analyse Mit der Online-Conjoint-Analyse lässt sich herausfinden, welche Produktmerkmale für eine Kaufentscheidung wichtig sind ....................................................74 Praxis Welche Methode der Online-Forschung ist die Richtige? ...........................................................80

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Wann gefällt ein Produkt? Die Conjoint-Analyse geht der Frage online auf den Grund.

Notizen Einkaufen im virtuellen Supermarkt, Forschung mit Online Panels ..........................................................86 Literatur ..................................................................88

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Mix aus Offline und Online Instrumente werden gebraucht, die schnell und kostengünstig die Kundenmeinung ermitteln. Die ideale Plattform dafür: das Internet.

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uropas größte Internet-Umfrage (www. perspektive-deutschland.de) war Testfeld für eine völlig neue Methode. Mit ihr war zum ersten Mal die Repräsentativität von Online-Umfragen gewährleistet. Ein entscheidender Durchbruch. Auf Basis dieser so genannten „ROW“-Methode ist es jetzt möglich, Kunden in die Wertschöpfungskette von Unternehmen einzubinden – von der Marktforschung über die Produktentwicklung bis zur Steuerung des Vertriebs. Das Internet mausert sich derzeit zum weltweit wichtigsten Kommunikationsmedium. Über 40 Prozent der deutschen Bevölkerung sind online zu erreichen. Unter den 14- bis 29-Jährigen sind es sogar über 60 Prozent. Inzwischen haben nicht nur die berüchtigten „Dotcoms“, sondern auch viele traditionelle Unternehmen das Internet als Medium für die Kundenkommunikation entdeckt. SCHWARZKOPF NUTZT sein „Women‘s Net“ beispielsweise professionell für Produkttests. 36.000 Teilnehmerinnen sind registriert und können systematisch zum Erfolg von Produkten und Marketing- oder Vertriebskampagnen befragt werden. Bei Langnese kann interaktiv die Darstellerin für den nächsten Fernsehspot ausgewählt werden. Quer durch die Branchen bieten sich der Online-Marktforschung vielfältige Anwendungsmöglichkeiten mit enormem Wachstumspotenzial, wie Befragungen in unterschiedlichen Branchen bestätigten. Einen Anteil der internet-basierten Marktforschung am Gesamtetat für Marktforschung

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von 40 Prozent scheint realistisch. Klare Stärken des Internets liegen aus Sicht der befragten Unternehmen vor allem in der Schnelligkeit, der Interaktion, der Möglichkeit, mit interessanten Zielgruppen selektiv in Kontakt zu treten und den realisierbaren Kosteneinsparungen gegenüber traditionellen Marktforschungsinstrumenten. Hauptmanko der Online-Marktforschung sind die bisher ungelösten Repräsentativitätsprobleme. Hier wirken sich vor allem zwei Verzerrungseffekte aus: Zum einen nutzt ein beträchtlicher, wenn auch schrumpfender Bevölkerungsanteil immer noch keinen Internet-Zugang. Zum anderen nimmt an OnlineUmfragen teil, wer will – ein kontrolliertes Auswahlverfahren gibt es nicht. Beides sind keine neuen Probleme der Demoskopie. Auch traditionelle Umfragemethoden haben mit ähnlichen Repräsentativitätsproblemen zu kämpfen. Auch hier werden in der Regel nicht alle zu Befragenden erreicht. Meist sind es nur zwischen 40 und 60 Prozent der Ausgangsstichprobe. Bei schriftlichen Umfragen sinkt die Quote sogar auf etwa 30 Prozent. Gerade so genannte „Opinion Leader“, das heißt Leistungsträger und gesellschaftlich Engagierte, werden bei interviewer-gestützten Umfragen oder Telefoninterviews zu Hause meist nicht angetroffen. EINE NEUE METHODIK macht das Internet jetzt verzerrungsfrei. In Zusammenarbeit mit Prof. Daniel McFadden, seinerseits Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, ist es McKinsey gelungen, die

bislang hinderlichen internet-typischen Verzerrungen zu beheben und die „ROW“-Methode (Representative Online Weighting) zu entwickeln. Ausgangspunkt ist dabei eine repräsentative Offline-Erhebung, die neben soziodemografischen Daten auch grundlegende Einstellungen der Befragten erfasst. Mit Hilfe dieser repräsentativen Daten können beide Verzerrungseffekte, Internet-Zugang wie auch Teilnahmeselektion, gezielt bereinigt werden. Problem Internet-Zugang: Nicht jeder verfügt über einen Internet-Anschluss. Daneben sind bestimmte Gruppen, wie beispielsweise junge Akademiker, unter den Nutzern eindeutig in der Mehrzahl. Um diese Verzerrung zu bereinigen, ermittelt man auf Grundlage der Daten der Offline-Umfrage die Wahrscheinlichkeit eines Internet-Zugangs für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Auf Basis dieser Wahrscheinlichkeiten können die Daten der Teilnehmer dann entsprechend gewichtet werden. Problem Teilnahmeselektion: Das Interesse an Internet-Umfragen teilzunehmen, ist unter den Nutzern unterschiedlich stark ausgeprägt. Die Auswahl vollzieht sich also nicht gesteuert, sondern hängt allein von der Entscheidung des Einzelnen ab. Um dieses Problem zu lösen, wird die in der Online-Umfrage vorgefundene Verteilung von demografischen Merkmalen, vor allem aber auch von Persönlichkeitscharakteristika und Einstellungen, an die repräsentative Offline-Erhebung angepasst. Auch dies geschieht durch Gewichtung. Beide Schritte werden jeweils iterativ durchlaufen,

um das Antwortverhalten der Online-Umfrage an das der Offline-Umfrage in wesentlichen Merkmalen stetig anzunähern. Auf diese Weise wird die Online-Erhebung durch eine repräsentative Offline-Befragung mit üblicher Fallzahl gewichtet und kann dann direkt für tiefer gehende Analysen genutzt werden. BEI PERSPEKTIVE-DEUTSCHLAND hat die neue „ROW“-Methode erfolgreich den Praxistest bestanden. Die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage mit 2.700 Teilnehmern dienten dazu, die Aussagen der 170.000 Teilnehmer der Internet-Umfrage zu gewichten. Nur dadurch war es möglich, repräsentative Aussagen bis auf Regierungsbezirke und Landkreise der Bundesrepublik herunter zu brechen. Mit der „ROW“-Methode kommen die Stärken des Internets voll zum Tragen: Schnelligkeit, Interaktivität, multimediale Darstellung, Selbstselektion und geringere Kosten. Damit können jetzt auch Befragungen durchgeführt werden, die bisher nicht möglich oder zu teuer waren. Interaktivität und multimediale Darstellung machen es möglich, die Kunden via Internet systematisch zu den Erfolgschancen von Produktinnovationen zu befragen und besonders Erfolg versprechende Gestaltungsvarianten zu identifizieren. Das wird immer interessanter, gerade auch vor dem Hintergrund verkürzter Produktzyklen. Die machen es erforderlich, Kunden in immer kürzeren Intervallen zu befragen. Durch Kalibrierung mittels einer repräsentativen Offline-Umfrage liefert die „ROW“-Methode dabei zuverlässige, repräsentative Aussagen.

So genannte „Opinion Leader“, das heißt Leistungsträger werden bei interviewer-gestützten Umfragen zu Hause meist nicht angetroffen. In den Marketing-Abteilungen geht der Trend aber ohnehin derzeit in Richtung Online-Marktforschung. Die Gründe sind vielfältig. Genannt werden hauptsächlich Schnelligkeit, Zielgruppen-Selektivität und Kostenersparnis. Unübersehbar allerdings: Auch die OnlineRecherche ist zunächst nicht repräsentativ.

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Interaktivität und multimediale Darstellung liefern auch eine ausgezeichnete Plattform zur systematischen Bewertung der Attraktivität von Werbe-Spots oder -Slogans. Und das sowohl einmalig für Nischenmarken als auch kontinuierlich. Erfahrungsgemäß lassen sich für solche Themenstellungen Konsumenten unschwer für ein Panel rekrutieren und die Ergebnisse dann mittels der „ROW“-Methode kalibrieren. Mit dem Internet lassen sich auch kleinste Zielgruppen spezifisch ansprechen, die für klassische Erhebungsmethoden unerreichbar oder nur zu sehr hohen Kosten erreichbar wären. Auch bei diesen Gruppen lassen sich durch die „ROW“-Methode repräsentative Aussagen ableiten. ONLINE-MARKTFORSCHUNG WIRD im Regelfall die klassische Marktforschung nicht ersetzen können. Jedoch dürfte sie sich schon bald als unverzichtbare Ergänzung traditioneller Methoden erweisen. Es ergeben sich vielversprechende, heute noch kaum absehbare Möglichkeiten der Verzahnung der Marktforschung mit den fundamentalen Geschäftsprozessen – insbesondere in Vertrieb, Produktion und Forschung und Entwicklung. Auf diese Weise kann die Meinung von Kunden und Nutzern kontinuierlich in die Unternehmenssteuerung einfließen. Für viele Unternehmen lohnt es sich schon heute, die Kompetenz und Infrastruktur für die Nutzung bzw. auch Durchführung solcher internet-basierter Umfragen selbst aufzubauen. Dies gilt ganz allgemein für Unternehmen, die eine Vielzahl von Umfragen in kurzer Frist durchführen müssen bzw. sehr eng definierte Zielgruppen oder Fragestellungen intensiver untersuchen wollen; ganz

besonders aber für Unternehmen, die es ohnehin gewohnt sind, im Rahmen ihrer Marketing-Strategie eng mit Kunden zu interagieren, zum Beispiel via Kundenclubs, „Online-Communities“ oder auch Bonus-Programmen. Für sie kann und sollte Online-Marktforschung ein integraler Bestandteil des Tagesgeschäfts werden. ZWEI GRUNDKONFIGURATIONEN für die Durchführung von Online-Umfragen durch Unternehmen selbst oder Dienstleister sind denkbar: „Online Panel“: Häufige Befragungen können flexibel mit einem „Online Panel“ durchgeführt werden; die Teilnehmer lassen sich dafür aus den Besuchern der firmen-eigenen „Website“ oder über bereits existierende E-Mail-Adresslisten rekrutieren. Bereits bei der ersten Befragung sollten Stammdaten und grundlegende Einstellungen erhoben werden. Nach einer einmaligen Grundbereinigung im Panel können diese Selektionseffekte dann für jede weitere Befragung automatisch herausgerechnet werden, da der Teilnehmerstamm bekannt ist. „Online Sample“: Gelegentliche, breit angelegte Befragungen können mit einem „Online Sample“ durchgeführt werden. Hierfür werden die Teilnehmer direkt und einmalig befragt, ohne in ein festes „Panel“ aufgenommen zu werden. Die Selektion ist daher für jede Befragung neu zu bereinigen. In beiden Fällen ist eine repräsentative OfflineUmfrage zumindest einmalig und über einen längeren Zeitraum wiederholt erforderlich, um die Repräsentativitätsgewichtung wie oben beschrieben zu kalibrieren.1

1 Der Text basiert auf einem Artikel von Michael Kliger, Partner bei McKinsey & Company, Absatzwirtschaft Online, Competence Center, „online im Internet“, www.absatzwirtschaft.de, abgerufen am 3.1.06

Zwei Effekte sind in der Hauptsache für die schlechte Repräsentativität von Online-Umfragen verantwortlich. Nicht jeder nutzt einen Internet-Zugang und an Befragungen nimmt in der Regel teil, wer will. Gezielte Auswahlverfahren gestalten sich schwierig.

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Sekundärforschung Wer im Internet Informationen sucht, versucht es in aller Regel zuerst einmal mit einer Suchmaschine. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten.

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uch im Internet macht die Unterscheidung zwischen Sekundär- und Primärforschung Sinn. Letztere basiert auf neu zu erhebenden Daten. Methoden, um online an neue Daten heranzukommen, gibt es viele. Im Prinzip kann jeder Klick auf jede WebSeite nachvollzogen werden. Bei der Sekundärforschung wird auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen. Solche Daten fallen im Web an vielen Stellen an. Jeder Kunde, der beispielsweise in einem Online Shop etwas kauft, hinterlässt Spuren, denn meist geht nichts ohne Angabe von Namen, Adresse, E-Mail und Kreditkarten-Nummer. Aber auch Daten ganz anderer Art lassen sich im Internet gut recherchieren. Wird zum Beispiel ein neuer Lieferant für die betriebliche Beschaffung gesucht, gibt eine einigermaßen sinnvoll formulierte Anfrage in einer Suchmaschine wie Google einen brauchbaren ersten Überblick. Nirgendwo gibt es so viele, so aktuelle Daten, wie im World Wide Web.

ABER DIE INFORMATIONSSUCHE im Internet hat auch Nachteile. Oft endet die Suchmaschinen-Anfrage in einer unüberschaubaren Flut von Ergebnissen. Eine Liste mit 10.000 und mehr Einträgen hilft wenig, kann sie doch in einer vertretbaren Zeit nicht abgearbeitet werden. Meist finden sich zudem auf den ersten Positionen der Seiten immer wieder die gleichen kommerziellen Einträge, die den Informationssuchenden so gar nicht weiterhelfen. Außer der Suche in Google oder ähnlichen Suchmaschinen gibt es leider nicht viel, was einen Zugang zu den Web-Daten vereinfachen könnte. Das Internet ist in keiner Weise strukturiert. Kein zentrales Inhaltsverzeichnis hat sich bisher durchsetzen können. Fast noch schlimmer wiegt die Tatsache, dass es auch keine Regeln und Restriktionen für das Einstellen von Inhalten in den virtuellen Raum gibt. Im Internet kann publizieren wer will. Keine Instanz wacht verlässlich über die Qualität der Einträ-

Online-Suchmaschinen wie „Google“ bieten neue Möglichkeiten der Sekundärforschung. Weltweit gibt es mehr als vier Milliarden „Websites“. Nie waren so viele Informationen auf Knopfdruck abrufbar. Leider sind mit der Online-Recherche auch Nachteile verbunden. So liefert die Eingabe des Schlüsselbegriffs „E-Marketing“ eine Ergebnisliste mit 1.680.000 Einträgen. Erschwerend kommt die oft zweifelhafte Qualität der Informationen hinzu.

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ge. So wird in zahlreichen Diplom- und Doktor-Arbeiten zwar aus dem Web zitiert und dabei die Quelle auch sorgfältig angegeben. Die Wissenschaftlichkeit ist damit allerdings leider noch lange nicht nachgewiesen. Allzu oft finden sich Verweise auf private Seiten, die mit wenig Sorgfalt zusammengestellt wurden und sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen. Bei der Sekundärforschung im Internet ist mithin Vorsicht angeraten. Dennoch lohnt es sich, folgende drei Möglichkeiten auf ihr Potenzial hin, näher zu untersuchen: Suchmaschinen, Web-Verzeichnisse und Datenbanken. EINE SUCHMASCHINE besteht aus drei Teilen. Der erste Teil ist der Informationssammler, „Robot“, „Spider“ oder „Crawler“ genannt, der Seiten im Internet vollautomatisch „durchstöbert“. Als Ergebnis werden Daten an die Indizierungssoftware übergeben (Teil 2 der Suchmaschine). Hier werden die Daten strukturiert und für die effiziente Suche in einer Datenbank abgelegt. Eine weitere Software wertet die Suchanfrage aus, verknüpft logische Operatoren und schickt die

Keine andere Suchmaschine kann Google heute das Wasser reichen Auch in Diplom- und Doktor-Arbeiten wird aus dem Web zitiert und dabei die Quelle auch sorgfältig angegeben. Die Wissenschaftlichkeit ist damit allerdings noch nicht nachgewiesen.

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Anfrage an den Datenserver, um von dort aus die Ergebnisse zu präsentieren. Hierbei wird meist auch der Ort des Vorkommens im Dokument besonders berücksichtigt. Wenn das Wort im Titel oder im „Meta-Tag“ (beschreibende Informationen zu einer Web-Seite, die mit einem entsprechenden HTML-Befehl zugewiesen werden) vorkommt, wird es höher gewichtet als im eigentlichen Text. Ungeschickt ist es zum Beispiel, nach dem Begriff „Kundenadresse“ zu suchen. Die Suche endet mit über 30.000 Treffern. Wer im Internet recherchiert, muss möglichst präzise das Umfeld definieren und sich über den Zusammenhang klar werden, in dem der Begriff gesucht wird. Wichtig ist mithin, welche Begriffe in Zusammenhang mit dem Suchwort stehen oder welche explizit ausgeschlossen werden sollen. Zu viele „UND-Begriffe“ zu Beginn engen die Suche allerdings möglicherweise zu stark ein. Schrittweises Eingrenzen empfiehlt sich schon eher. Hilfreich ist es, die verknüpften Begriffe leicht zu variieren, denn die Suche ist in vielen Fällen nur dann erfolgreich, wenn genau die Terminologie verwendet wird, derer sich der Autor der entsprechenden Seite bedient hat. Ein Pluszeichen (+) oder „AND“ verknüpft das nachfolgende Wort mit dem vorherigen. Beide Begriffe müssen im Ergebnis-Dokument vorkommen. Ein Minuszeichen (-) oder „NOT“ schließt das nachfolgen-

de Wort aus. Das Ergebnis darf das Wort dann nicht enthalten. Mehrere Worte lassen sich mit Anführungszeichen verbinden. Sie werden dann als zusammenhängender Begriff behandelt, wie zum Beispiel „Kundenadressen im Direct Marketing“. Die Syntax der Such-Server unterscheidet sich allerdings zum Teil erheblich voneinander. Die bekannteste Suchmaschine ist unter www.google. de zu finden. Die Bezeichnung kommt von „googol“, ein Begriff der von Milton Sirotta, dem Neffen des amerikanischen Mathematikers Edward Kasner, geprägt wurde. Er bezeichnete damit eine hohe Zahl mit einer 1 und 100 Nullen. Google verwendet diesen Begriff, um das Ziel des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen: die Organisation der enormen Menge an Informationen, die im Web verfügbar ist. Nach einer Untersuchung von Nielsen/NetRatings ist Google mit 14 Millionen Nutzern die zweitgrößte aller Internet-Seiten in Deutschland. Eine Reichweite von 52,2 % wird erreicht – über die Hälfte aller deutschen Internet-Nutzer besucht monatlich die Seite. StarMarket fand im April

Yahoo ging 1995 als rein handgepflegter Katalog an den Markt 2003 heraus, dass sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland 25 % des von Suchmaschinen generierten Internet-Verkehrs von Google aus erfolgt. In 88 Sprachen kann im Gehirn des Internets gesucht werden. Gut 200 Millionen Anfragen laufen täglich ein. Sie kommen aus Rio, Peking und Mosbach – von Surfern, die nach einer Diplomarbeit suchen oder beispielsweise Informationen über „Watergate“ haben wollen.1 Google hat Erfolg. Das Unternehme ist zwar langsam aber stetig gewachsen. Etwa 3.000 Mitarbeiter sind es heute. Investmentbanker schätzen den Wert von Google auf 15 bis 21 Milliarden Dollar. Dies entspricht etwa dem Wert des Online-Buchhändlers Amazon. Mitarbeiter Nummer 1 ist Craig Silverstein, der Technologie-Chef – der erste, den Firmengründer Sergey Brin und Larry Page anheuerten. Silverstein hatte die beiden Doktoranden in einer Forschungsgruppe an der Stanford University kennen gelernt. Ihre Idee einer Suchmaschine begeisterte ihn. „Damals liefen im Silicon Valley viele Leute mit Ideen herum, aber bei den meisten ging es nur um Marketing, nicht um Technologie“, erzählt der Computerexperte. Die zehntausend Computer über die Google herrscht, sind PCs aus Standardkomponenten zusammengebastelt. „Wahrscheinlich sind gerade jetzt hunderte davon außer Betrieb“, sagt Silverstein. Aber das sei egal: Das System ignoriert ausgefallene Rechner und

Die zehntausend Computer über die Google herrscht, sind gewöhnliche PCs. „Wahrscheinlich sind gerade jetzt hunderte davon außer Betrieb“, sagt Technologiechef Silverstein.

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macht mit denen weiter, die noch funktionieren. Das Gehirn des Internet hat hier ein paar Zellen und dort ein paar: Weltweit wird einfach Platz in Datenzentren angemietet. Sollte ein Erdbeben ein Datenzentrum in Kalifornien platt machen, stehen in anderen Teilen der Welt genügend Rechner, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Nicht umsonst hat Google das ganze Internet zwei- bis dreifach auf seinen Festplatten gespeichert. Davon braucht es immer mehr, denn das World Wide Web wächst, und immer mehr Menschen suchen darin nach Telefonnummern, Rezepten und Gebrauchtwagen. „Alles kein Problem“, sagt Silverstein, dann miete man eben noch mehr Platz in weiteren Datenzentren an und stelle noch mehr Computer hinein. Die Suchmaschine ist so konstruiert, dass sie sich beliebig erweitern lässt. Gibt es Grenzen des Wachstums? „Wir haben sie noch nicht gefunden“, sagt er.2 „Googeln“ ist heute ein Fachausdruck für das Suchen im Internet. Man benutzt ihn wie Tempo für Papiertaschentücher. „Du kannst das ja nachher zu Hause googeln“, sagt die Schauspielerin Jennifer Lopez im Film „Manhattan Love Story“ zu ihrem Sohn. Keine andere Suchmaschine kann Google heute das Wasser reichen. Google weiß, was Schwangere als erstes kaufen, welche Musik 30-jährige Männer bevorzugen und was Kinder am meisten umtreibt. Google lizenziert die Technologie seiner Suchmaschine an über 100 andere Unternehmen. Entwickelt hat die innovative Technik Larry Page als Student an der Stanford University. Der entscheidende Unterschied zur vorangegangenen Generation von Suchmaschinen: Google bewertet Suchergebnisse (von 1,6 Milliarden Sites) anhand von Links, die andere Anbieter im Netz setzen. Beispiel: Wenn die Adresse www.manager-magazin.de von vielen Wirtschaftsseiten im Internet per Link empfohlen wird, ist ein Suchtreffer auf „manager-magazin.de“ wertvoll – und erscheint damit in der Google-Suche weit oben in der Ergebnisliste. Diese erscheint schneller und mit brauchbareren Fundstellen als bei den meisten anderen Anbietern. Bei Google gibt es auch keine Werbeflaute. Prinzipiell bietet die Suchmaschine zwei Formen der text-basierten Bannerwerbung. Das „Sponsorship Advertising Program“ für den großen Geldbeutel und das „AdWords Advertising Program“, im Rahmen dessen schon für kleine Beträge in Google geworben werden kann. „AdWords Advertising Program“. Wie funktioniert es? Die Inserenten suchen sich die passenden Begriffe aus. Deren Zahl ist nicht beschränkt und wird nur durch das Budget der Inserenten festgelegt. Jetzt muss nur noch der kleine Anzeigentext geschrieben werden. Verschiedene Positionen rechts oben auf der Ergebnisseite fordern unterschiedliche Preise: ca. 20$ pro tausend Einblendungen sind zu bezahlen, wenn

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Google weiß, was Schwangere kaufen, welche Musik 30jährige Männer bevorzugen und was Kinder umtreibt. Die dazu gehörige Technologie lizenziert Google an viele andere Unternehmen.

Die zentrale Seite für juristische Angebote im deutschsprachigen Internet ist das Internet-Projekt des Fachbereichs aus Saarbrücken. Neben aktuellen Inhalten findet sich hier auch eine juristische LinkSammlung.

die Anzeige ganz oben erscheint. Die Position wird von den Besuchern durch die Anzahl der Klicks festgelegt. Zunächst erscheinen die drei Anzeigen nach einem Rotationsprinzip bis schließlich feststeht, welche Anzeige sich größter Beliebtheit erfreut. Die beliebteste Anzeige bekommt die oberste Position. In der Anzeige erscheint ein Querbalken („Interest“), der die Beliebtheit der Anzeige visualisiert. Die Preise gelten für jeweils 1.000 Einblendungen – im Gegensatz zur Suchmaschine „Overture“, bei der die Bezahlung nur nach Anzahl der Klicks auf diesen Eintrag veranschlagt wird. Google berichtet aus Erfahrung von einer durchschnittlich fünfmal höheren Klickrate im Vergleich zu herkömmlicher Bannerwerbung.3 WEB-VERZEICHNISSE sind neben den Suchmaschinen ein weiterer Ansatz, die im Internet gespeicherte Informationsflut zu beherrschen. Mit den Verzeichnissen wird eine thematische Gliederung des Informationsangebots im Web versucht. In einer baumartig verzweigten Struktur nähert sich der InternetNutzer dem gewünschten Angebot. Nachteil: Nur etwa ein Drittel des Gesamtangebots wird erfasst. Kleinere Kataloge beinhalten sogar nur einen einstelligen Prozentanteil. Zum größten Web-Verzeichnis überhaupt soll das „Open Directory Project“ (ODP) werden. Dieses Ziel wird mit Hilfe einer großen Gemeinschaft freiwilliger Editoren angestrebt. Die Editoren kommerzieller Verzeichnisse können es nach Meinung der ODP-Gründer einfach nicht mit der Anzahl der Neuerscheinungen im Web aufnehmen. Qualität und Umfang ihrer Verzeichnisse leiden darunter. Statt das explosive Wachstum des Internet zu behindern, bietet das ODP eine Möglichkeit für das WWW an, sich selbst zu organisieren. Denn gleichzeitig mit dem Internet wächst auch die Anzahl seiner Nutzer. Diese sollen jeweils kleine Bereiche des Internet ordnen und das Ergebnis frei im Web zur Verfügung stellen. Dabei sortieren sie weniger Nützliches aus und übernehmen nur die nach ihrer Meinung besten Inhalte. 4 Einen der größten deutschsprachigen Web-Kataloge „allesklar.de“ hat sich der Hamburger InternetDienstleister freenet ins Haus geholt. Das umfangreiche Web-Verzeichnis „allesklar.com“ ist jetzt auch unter www.webkatalog.freenet.de abrufbar. Nach eigenen Angaben stehen dort 600.000 redaktionell beschriebene Websites zur Auswahl. Auch Yahoo hat ehemals als Web-Verzeichnis begonnen. Heute ist nur noch die Web-Marke Google bekannter. Was Yahoo gegenüber seinen meisten Konkurrenten auszeichnet: es macht Gewinn. Begonnen hat seine Geschichte im April 1994 als simple Link-Sammlung der beiden Studenten David Filo und Jerry Yang. Die beiden sammelten brauchbare WebAdressen. Eine Liste die bald Interessenten fand und

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im Internet publiziert wurde. Damit war der erste WebKatalog entstanden und schon die Besucherzahlen der Anfangszeit machten das hohe Geschäftspotenzial deutlich. Yahoo ging zwar 1995 als rein handgepflegter Katalog an den Start, offerierte aber von Anfang an auch Werbe-Möglichkeiten. Das von einer schnell wachsenden Redaktion gepflegte „Link“-Angebot konnte allerdings mit der sich rasch vermehrenden Web-Seitenzahl bald nicht mehr mithalten. Dass Yahoo damals noch wachsende Besucherzahlen (und damit auch höhere Werbeeinnahmen) verbuchte, verdankte die Marke ihrem Image, ihrem früh etablierten Bekanntheitsgrad und ihrem wachsenden Werbeetat. Doch fortan hieß es: „Suchst Du wenige, aber leidlich verlässliche Quellen, geh zu Yahoo. Suchst Du was Neues, musst Du zu ‚Altavista‘ gehen.“1 In der Tat dauerte es oft Wochen, bis neue Links bei Yahoo auftauchten. Eine Spitzenposition im Internet war mit einem reinen Web-Katalog offensichtlich auch für Yahoo nicht zu halten. Die Firma wurde daraufhin jedoch erneut zum Trendsetter und wandelte sich zum Online-Portal. Postdienste, ein Shop und das Nachrichtengeschäft kamen hinzu. Neben die Katalog-Suche, die in ihrer Bedeutung immer weiter abnahm, trat das freie Suchen im Web. Diese Technik musste Yahoo beim damaligen Marktführer Altavista mieten. Ende der Neunziger war Yahoo schon keine kleine technikbegeisterte Experimentierschmiede mehr, sondern längst ein eher an Bilanzen orientiertes Unternehmen. Yang und Filo genossen mittlerweile ihren Milliardärsstatus und überließen die Tagesgeschäfte auf Erfolgsbasis professionellen Managern. Heute ist Yahoo in erster Linie ein vermarktbarer Name und machte damit 2004 einen Umsatz von 3,6 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 370 Millionen Dollar. WEITERE MÖGLICHKEITEN der Sekundärforschung im Internet eröffnen sind neben den Web-Verzeichnissen und den Suchmaschinen auch durch zahlreiche, kostenpflichtige Online-Datenbanken. Die zentrale Seite für juristische Angebote im deutschsprachigen Internet ist beispielsweise das Internet-Projekt des Fachbereichs aus Saarbrücken. Nicht nur dass hier zahlreiche eigene Inhalte (wie Entscheidungssammlungen) geboten werden, zusätzlich findet sich auch einer der besten Indizes über weitere Angebote im WWW (der so genannte „Jurindex“) und ein großer Bereich rund um das Thema Jura-Studium für Studenten aller Universitäten (das Lernportal „Yoorah!“). Abgerundet wird das ständig gepflegte Angebot noch durch aktuelle juristische Meldungen. Von diesen Seiten aus ist der Einstieg in das juristische Internet ein Kinderspiel. Neben weiteren Datenbanken für spezielle The-

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men, wie beispielsweise Medizin, Technik, Industrie, Finanz- und Unternehmensdaten, gibt es in Deutschland einen großen Anbieter, der die Recherche in Tausenden von Quellen ermöglicht: das Datenbankportal GENIOS. Mit mehr als 600 Datenbanken ist die GBI-GENIOS einer der größten Anbieter von Presse-, Fach- und Firmeninformationen im deutschsprachigen Raum – zunehmend mit internationaler Ausrichtung. GENIOS ist Partner von rund 240 Verlagen und Informationsanbietern und übernimmt für viele die komplette Erstellung der digitalen Ableger ihrer Publikationen. Die Datenbanken und Archive werden über die registr ierungspflichtigen Internet-Dienste „GENIOS Classic“ (Einzelzugang für Geschäftskunden) und „GENIOS Premium“ (Zugang für Unternehmen mit mehreren Nutzern) angeboten. Für Gelegenheitsnutzer ist der „GENIOS Recherche-Shop“ gedacht, ohne Vertragsbindung mit Bezahlung über Kreditkarte oder Micropayment (FIRSTGATE, T-Pay, Web.Cent). Weiterhin haben zahlreiche Verlage auf ihrer Homepage einen Zugriff auf ihr eigenes Archiv bei GENIOS integriert. Immer bedeutender wird der Bereich „GENIOS Portale“, unter dem alle maßgeschneiderten Lösungen für Unternehmen zusammen gefasst sind. Die Bündelung von ausschließlich relevanten und urheberrechtlich gesicherten Quellen im Unternehmensportal oder Intranet ermöglicht eine effiziente und wirtschaftliche Informationsversorgung der Mitarbeiter oder Kunden.6

1 Mehr zu Thema im Google-Pressezentrum, „online im Internet“, www.google.de/intl/de/picasa.html, abgerufen am 6.1.06 2 Antonie Bauer, Marc Hujer und Andreas Oldag: Die Alleswisser, SZ vom 15.11.2003 3 Manager Magazin, 10.12.2001 4 Mehr zum ODP unter dmoz.org/World/Deutsch/about.html 5 Frank Patalong, Spiegel Online, www. spiegel.de, abgerufen am 01.03.2005 6 GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH, „online im Internet“,http://profi.genios.de/psgenios/fn/page/ sfn/genios/pid/134/index.html, abgerufen am 11.02.06

Das Dorf der Gallier Asterix und Obelix ist virtuell. Es hat nicht einmal einen Namen. Für die Community könnte das Geschehen jedoch nicht realer sein.

Virtuelle Gemeinschaften Photo: Harry Nederend (stock.xchng)

Funktionierende Gemeinschaften im Web 2.0 wachsen sich zum virtuellen Freundeskreis aus. Im Chat werden Triumphe gefeiert und bei Problemen findet sich jemand der hilft.

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irtuelle Gemeinschaften (VCs = Virtual Communities) stellen auf die soziale Ebene ab. Sie sind mittlerweile ein fester Bestandteil des so genannten Web 2.0. Hier geht es darum, die Kunden nicht mit statischen Web-Angeboten zu langweilen, sondern Sie zu aktivieren und damit besser zu binden. Kunden können heute nicht mehr nur als isolierte Individuen betrachtet werden, sondern vielmehr in ihrer Einbettung in verschiedene soziale Systeme wie Familie, Organisationen, Communities und gesellschaftliche Gruppen. Diese bilden gemeinsame Wertsysteme aus und nehmen Einfluss auf die Kundenbedürfnisse. Für jedes Produkt und jede Dienstleistung müssen so neben den individuellen auch die sozial-

kollektiven Funktionen berücksichtigt werden.1 In vielen Lebensbereichen und Branchen sind Communities zum wichtigen Orientierungsmaßstab für die Bewertung von Leistungen geworden. Angenommen die schönste Freizeitbeschäftigung ist das Sammeln und Genießen edler Rotweine. Das Kaufen und Verkosten der Ware ist eine Sache; aber auch das Reden darüber gehört dazu. Was aber, wenn sich im näheren Umfeld einfach niemand finden will, der die exklusive Leidenschaft teilt? Was wenn im persönlichen Freundeskreis nur mit dem Kopf geschüttelt wird, wenn Äußerungen fallen, wie: „Ich habe eine echte Weinpersönlichkeit gefunden. In Bordeaux besinnt man sich wieder auf seine Stärken – Konzentration wird jetzt

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Für das traditionelle Marketing ist eine 1:n-Kommunikationsbeziehung typisch. Jeder Nachfrager kann hierbei mit dem Anbieter Kontakt aufnehmen – ein Meinungsaustausch der Kunden untereinander ist dagegen nicht vorgesehen. Virtuelle Gemeinschaften ermöglichen eine multidirektionale Kommunikation, die vor allem sehr viel mehr Glaubwürdigkeit hat, als die herkömmliche, radial-strukturierte Kommunikation.

nicht mehr mit Überextraktion und viel Neuholz erreicht ...“ Wenn wirkliche Gesinnungsgenossen in der Realität einfach nicht zu finden sind, bietet der virtuelle Freundeskreis im Internet Ersatz. Egal wann eine Mitteilung auf der Zunge brennt, immer ist irgendjemand online, der sich mitfreut und etwas Passendes dazu bemerken kann. Im virtuellen Interaktionsraum bleibt die Zusammensetzung und Größe von Communities im Gegensatz zu früher eben nicht mehr zwangsläufig geographisch und räumlich begrenzt.2 „Community became more than a place. It became a common understanding of a shared identity“.3 Was liegt für den Weinanbieter da näher, als auf seiner Website eine virtuelle Gemeinschaft zu beheimaten. Eröffnet doch die intensive zwischenmenschliche Kommunikation in VCs den Einstieg in langfristige Geschäftsbeziehun-

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gen. Hat sich ein passender virtueller Freundeskreis erst einmal etabliert, wird er auch dauerhaft gesucht. So wird die Website des Weinhändlers vom langweiligen Internet-Daumenkino zum beliebten Treffpunkt, den man nicht mehr missen möchte. Verfolgt der Anbieter den Online-Chat seiner mitteilungsbedürftigen Kunden darüber hinaus noch intensiv, ist eine völlig neue Methode der Marktforschung gefunden auf deren Basis differenzierte Kundenprofile erstellt werden können. Wichtig für Unternehmen ist hierbei, dass das ökonomische Potenzial virtueller Gemeinschaften auch ein nicht zu vernachlässigendes Gefahrenpotenzial birgt. Auf der einen Seite verbreiten sich innerhalb von Communities Einstellungen gegenüber einem Unternehmen oder Produkt schnell, und der Anbieter profitiert, sofern diese Meinungen positiv sind, von dieser

Das Schwätzchen zwischendurch wird meist für bare Münze genommen. Auch Kaufentscheidungen fußen weit öfter auf Empfehlungen von Bekannten oder Freunden als auf Informationen aus den Medien. Am wenigsten Glaubwürdigkeit wird der klassischen Werbung beigemessen.

effektiven Mund-zu-Mund-Werbung. Andererseits haben Communities aber auch die Tendenz, eine große Eigendynamik zu entwickeln und sind daher von außen nur schwer zu steuern.4 Funktioniert die VC allerdings auch nur einigermaßen im Sinne des Anbieters, winkt der Profit: Die US-Unternehmensberater John Hagel und Arthur Armstrong gehen davon aus, dass eine gut gesteuerte Community in zehn Jahren zehnmal so viel Umsatz machen wird wie eine statische Website.5 Im Laufe der Kommerzialisierung des Internets gewann das Community-Konzept nicht zuletzt wegen der spektakulären Markterfolge einiger amerikanischer „Community“-Marken, zum Beispiel GeoCities, Tripod oder TalkCity, an Bedeutung. Allein GeoCities konnte innerhalb von wenigen Jahren einen Mitgliederbestand

von 3,3 Millionen aktiven Nutzern aufbauen. Gleichzeitig ist das Angebot von kommerziell ausgerichteten Communities im Internet im Zeitraum von 1997 bis 2001 von ca. 96.000 auf über 300.000 angestiegen.6 Aber welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die virtuelle Gemeinschaft richtig funktioniert? Hier heißt es Neuland zu betreten. Schließlich handelt es sich dabei aus Anbietersicht um eine völlig neue Kommunikationsstruktur. Traditionell werden Kunden im Rahmen einer 1:n-Beziehung angesprochen. Gleichgültig ob es sich um Werbung, ein Mailing oder eine E-Mail an die Kunden handelt, zu jedem Kunden wird immer nur ein Kommunikationskanal eröffnet. In der VC etablieren sich dagegen viele Kommunikationskanäle unter den Mitgliedern und von diesen zum Anbieter. VCs basieren damit nicht nur auf der Kom-

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munikation zwischen Anbieter und Nachfragern, sondern vor allem auch auf der Interaktion zwischen den Nachfragern. Vor diesem Hintergrund lassen sich VCs als ego-zentrierte, soziale Netzwerke mit Vollstruktur auffassen. Vollstruktur bedeutet, dass sich jedes Mitglied der Gemeinschaft prinzipiell mit jedem anderen und darüber hinaus mit dem Betreiber unterhalten kann. Die Nachfrager-interne Kommunikation – der so genannte multidirektionale Kommunikationsfluss – ist somit ein zentrales Konstitutionskriterium der VC. Funktionierende VCs haben darüber hinaus immer auch einen Themenbezug, der den Anlass bietet, dass sich Nutzer im Internet unterhalten. Das Interessante daran: aufgrund des gemeinsamen Themas sind VCs Orte, an denen sich Mitglieder mit gleichen Interessen treffen. VCs sind damit homogene Nachfragergruppen. Muss der Anbieter im Normalfall hohen Aufwand betreiben, um seine Kunden in geeignete homogene Gruppen zu segmentieren, nehmen ihm die Kunden durch ihr Interesse an der VC diese Arbeit ab. Sie gruppieren sich selbst in Kundensegmente mit hoher Homogenität und generieren so im Alleingang eine geeignete Basis für Marktforschungsaktivitäten des Anbieters. DAS THEMA ist der Grund, warum die Mitglieder der VC kommen. DIE INTERAKTION, also die multidirektionale Kommunikation, ist der Grund, weshalb die Mitglieder der VC bleiben und wiederkehren. Zusammenfassend definiert sich die virtuelle Gemeinschaft wie folgt: „Eine Virtual Community (VC) ist ein nicht radial-strukturiertes, ego-zentriertes Netzwerk im virtuellen Raum, in dem die Nutzer multidirektional und

themenspezifisch interagieren und so die Basis einer glaubwürdigen Kommunikation schaffen.“ Die Glaubwürdigkeit ist dabei der entscheidende Punkt. Sie lässt sich in dieser Form mit keinem anderen Marketing-Instrument herstellen. Der Grund dafür: das menschliche Weiterempfehlungsverhalten. Wird untersucht was uns letztlich dazu bringt, eine Kaufentscheidung zu treffen, stehen Testzeitschriften (wie Stiftung Warentest) weiter hinten auf der Liste. Schon eher beeinflussen uns Informationen aus dem Fernsehen, Rundfunk oder aus der Presse. Vor dem Kauf wird in vielen Fällen auch noch einmal das Internet zu Rate gezogen. Wirklich entscheidend für die Kaufentscheidung ist oft aber das Gespräch mit Freunden, Bekannten oder auch auf der Arbeitsstelle. Diesen Botschaften wird eine enorme Glaubwürdigkeit beigemessen, die durch nichts übertroffen wird.7 Virtuelle Gemeinschaften machen sich als MarketingInstrument diese Mund-zu-Mund-Propaganda, den so genannten „Word of Mouth“ (WoM), zueigen. Mit dem VC-Konzept stellen Anbieter von Produkten den Nachfragern im Internet eine zur Mund-zu-Mund-Propaganda analoge Interaktionsform zur Verfügung. Beispiel: Ein Hersteller von Anglerausrüstungen etabliert eine VC im Internet und bietet den Anglern eine Plattform für ihr Hobby. Innerhalb der VC haben die Angler die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und vom Wissen der übrigen Mitglieder zu profitieren: Erfahrungen mit Angelruten, Ködern und Fischgründen werden ausgetauscht. Angestoßen durch die Diskussion in der VC werden höchstwahrscheinlich mehr Angelruten und Fischgründe ausprobiert und mehr Köder ge-

Die Vorführungen und der Verkauf der TupperwareProdukte wurden in einen gesellschaftlichen Event verpackt, bei denen sich Hausfrauen in freundschaftlicher Umgebung miteinander austauschen konnten. Auf diese Weise entwickelten sich rund um die Tupperware-Produkte Communities von „Haushaltsexpertinnen“, aus denen schließlich die eigentlichen Tupperware Communities entstanden.

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testet als das normalerweise der Fall gewesen wäre. Insgesamt fließen deutlich mehr Informationen über das Fischen, als der Hersteller von Anglerbedarf auch bei maximalem Einsatz von Werbemitteln je hätte generieren können. Denn keine Kombination publizierter Expertenmeinungen reicht an die geballten Einsichten und Erfahrungen einer Gemeinschaft von Menschen heran, die ein leidenschaftliches Interesse verbindet. EINES MUSS DER HERSTELLER von Anglerausrüstung, der als Betreiber einer VC auftritt, dabei allerdings vor allem beherrschen: Die größte Herausforderung beim Betrieb einer VC besteht darin, den potenziellen Mitgliedern das glaubhafte Umfeld zu erhalten. Es muss auf jeden Fall vermieden werden, dass der Eindruck einer „virtuellen Butterfahrt“ entsteht. Dazu gehört unbedingt, den Besuchern einer Site nicht zu verheimlichen, wer der Betreiber ist. Wird die Internet-Seite der VC von einem Unternehmen betrieben, das die Waren herstellt oder vertreibt, über die „gechattet“ wird, so muss dieses für jeden intuitiv ersichtlich sein. Glaubhaft erscheinen bedeutet auch, den Eindruck zu vermeiden, es gehe dem Betreiber der VC ausschließlich um Absatzsteigerungen. Gerade kritische Kundenäußerungen bieten dem Anbieter die Möglichkeit, auf unzufriedene Kunden einzugehen und in zufriedene Nachfrager zu wandeln, die ihre positiven Erfahrungen bei der Problemlösung dann in der VC weitergeben können. Allerdings muss auch Rezension der Beiträge sein. Aus unkontrollierter Kommunikation folgt zwar ein Maximum an Entfaltungsmöglichkeit – diese kann aber

auch zu irrelevanten, störenden Beiträgen führen. Die Herausforderung für den Betreiber einer VC besteht mithin vor allem darin, die Konversation so zu steuern, dass sowohl die Mitglieder-Bedürfnisse nach glaubhaften Informationen als auch die Interessen des Anbieters gewahrt bleiben. Sowohl Themenbezug als auch multidirektionale Kommunikation müssen gegeben sein, um von einer VC sprechen zu können, denn nur daraus resultiert die glaubwürdige Kommunikationsbasis. Fehlt eines dieser Kriterien, bröckelt auch die Glaubwürdigkeit. Der typische Chatroom ist ein Beispiel für fehlenden Themenbezug. Hier ist zwar ein multidirektionaler Kommunikationsfluss gegeben, die Kommunikation selbst aber ist meist ziellos. Die Teilnehmer begegnen sich zufällig und nicht regelmäßig. Aus dem mangelnden Themenbezug resultieren die mangelhafte Glaubwürdigkeit und die geringe Bindung in Chats. Beim Online-Buchhändler Amazon können Bücherrezensionen von Privatpersonen eingestellt werden. Dort existiert mithin ein gemeinsamer Themenbezug. Eine Diskussion zwischen den einzelnen Lesern findet allerdings nicht statt – es ist kein multidirektionaler Kommunikationsfluss etabliert. Damit kann auch hier nicht von einer VC gesprochen werden. Seit mehr als fünf Jahrzehnten, also schon lange bevor VCs überhaupt ein Thema waren, liefert die Tupperware Corporation einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass sich selbst im Bereich „Plastikschüsseln“ Communities schaffen lassen, wenn Themenbezug und multidirektionale Kommunikation gegeben sind. Der 1944 gegründete Produktionsbetrieb für die welt-

Auf der Homepage des Fernsehsenders Eurosport wurde eine „Gamezone“ mit virtuellen Snooker-Spielen und eine Web-Chatbox eingerichtet. Für die Snooker-Begeisterten war es dadurch möglich, dem Kommentator während der Sendung übers Internet Fragen zu stellen. Diese community-orientierte Strategie führte zu hohen Einschaltquoten.

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bekannten Haushaltsbehälter entwickelte Anfang der Fünfzigerjahre ein einmaliges System des Direktvertriebs. Durch die Organisation und Durchführung von Heimveranstaltungen bei Kundinnen, so genannten „Tupperware Partys“, wurde es dem Unternehmen möglich, die optimale Anwendung der Haushaltsbehälter in direktem Kundenkontakt eingängig zu erklären und die Kundinnen von der hohen Qualität der Tupperware-Produkte zu überzeugen. Darüber hinaus konnte durch die Verlagerung des Kundenkontakts in die ungezwungene Atmosphäre privater Wohnungen die Marke emotional aufgeladen werden. Rund um die Produkte entwickelten sich Communities von „Haushaltsexpertinnen“. Der „Tupperware-Kult“ bescherte dem Anbieter einen enormen Verkaufserfolg. Im Jahr 2004 erzielte das Unternehmen einen weltweiten Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar. Der Direktvertrieb des mittlerweile 1.000 Artikel umfassenden Sortiments erfolgt heute mithilfe von rund einer Million unabhängiger Beraterinnen in mehr als 100 Ländern auf der ganzen Welt (www.tupperware.de). Es gibt aber auch nicht-kommerzielle Gemeinschaften im Internet. Man unterscheidet dabei zwischen ansprechbaren oder nicht ansprechbaren VCs, je nachdem, ob Marketing-Maßnahmen, wie Sponsoring oder ähnliches, akzeptiert oder abgelehnt werden. Kommerzielle VCs können in zwei Bereichen funktionieren: Einmal zur Etablierung einer neuen und eigenständigen Erwerbsquelle im Internet (unabhängige VC) und zum anderen zur Verbesserung des InternetAuftritts des Anbieters von Waren oder Dienstleistun-

gen (abhängige VC). UNABHÄNGIGE VIRTUELLE GEMEINSCHAFTEN finanzieren sich entweder durch den Verkauf von Werbung (VC „of interest“) oder sie agieren als Agent (VC „of consumption“). In dieser Rolle koordinieren sie die Bedürfnisse ihrer Nutzer mit den Leistungen von Anbietern. Beispielsweise durch Nachfragebündelung können so für die Nutzer verbesserte Konditionen erzielt werden. Der Erfolg der kommerziellen Aktivitäten hängt direkt oder indirekt vom Bestand an Mitgliedern beziehungsweise von der Interaktion im Mitgliedernetzwerk ab. Bekannte Beispiele für diese Erscheinungsform des Community-Konzepts sind Dooyoo oder Ciao.com, deren Kernleistung im Angebot von Entscheidungshilfen für den Produktkauf liegt. Ciao ist eine Community von mehreren Millionen Mitgliedern, die zum Nutzen anderer Verbraucher Produkte und Dienstleistungen testen und kritisch bewerten. Durch die Verbindung unabhängiger Verbrauchertests mit aktuellen Preisinformationen hunderter Online-Shops ist Ciao einer der umfangreichsten Einkaufsberater im Internet, der Millionen von Konsumenten in den wichtigsten westeuropäischen Märkten in landessprachlichen Versionen kostenlos zur Verfügung steht. Mehr als zehn Millionen Verbraucher besuchen Ciao jeden Monat und machen es damit zu einem der größten und erfolgreichsten Shopping-Portale in Europa.8 Im Auftrag von Unternehmen führt Ciao Online-Verbraucherumfragen zum Zwecke der Marktforschung durch. Hier liegt eines der Erlöspotenziale der VC. Durch den direkten Zugang zu sieben Millionen Kon-

Virtuelle Gemeinschaften sind beliebte Einkaufshelfer. Ciao beispielsweise ist eine Community von mehreren Millionen Mitgliedern, die zum Nutzen anderer Verbraucher Produkte testen und kritisch bewerten.

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sumenten in weltweit 32 Ländern ist Ciao in der Lage, Marktforschungsinstitute und Marketing-Abteilungen kostenpflichtig mit Daten zu versorgen. Open BC, ein Beziehungsnetzwerk für Geschäftsleute, erzielt seine wesentlichen Erlöse durch die Nutzung des Community-Netzwerks selbst. Die Nutzer können ein persönliches Profil kostenlos einstellen. Sobald sie jedoch im Netzwerk umfassender nach anderen Teilnehmern suchen oder sich mit ihnen austauschen möchten, fällt eine Teilnahmegebühr an. EINE ABHÄNGIGE VIRTUELLE GEMEINSCHAFT unterhält beispielsweise eBay. Die Community bietet Nutzern ein Forum zum Austausch über gehandelte Produkte oder die eigenen Dienste. Unternehmen wie AOL, MSN oder Yahoo hingegen betreiben mitgliederstarke Community-Bereiche, die vor allem dem Zweck dienen, weitere Nutzer für das Gesamtangebot zu interessieren. Darüber hinaus sollen sie die Verweildauer beziehungsweise die Besuchshäufigkeit der Nutzer erhöhen. Parallel werden andere Dienste wie OnlineShops oder Online-Auktionen angeboten, mit denen die wesentlichen Teile des Umsatzes erzielt werden. Communities werden jedoch auch von Unternehmen eingesetzt, deren Kerngeschäft im traditionellen „Offline“-Bereich liegt, beispielsweise in der Herstellung und/oder dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen. Dann kann es sich bei der Community beispielsweise um einen zusätzlichen direkten Vertriebskanal zu den Endkonsumenten handeln. Ein Beispiel hierfür wären TUI oder L’TUR, die im Rahmen einer Community den Austausch über eigene Reisen

fördern und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, online Reisen zu buchen. Alternativ können Communities von Unternehmen ausschließlich im Rahmen einer unterstützenden Marketing-Funktion eingesetzt werden. Diese Communities, wie zum Beispiel bei Nivea, dienen dann der Pflege des Marken-Images. Der Community-Betreiber stellt hier nur Informationen rund um die Marke bereit. Die Mitglieder fühlen sich sowohl der Community als auch der Marke gegenüber verbunden.9 Die Motivation für die Einrichtung dieser kommerziellen Communities liegt oft in der Hoffnung begründet, dass das Unternehmen von Netzwerkeffekten profitieren kann. Unter Netzwerkeffekten werden dabei sich selbst verstärkende Prozesse verstanden, die in kurzer Zeit in einem exponentiellen Anstieg der Nutzerzahl resultieren können. Dabei verstärken sich einerseits das wachsende Angebot einer Community und andererseits die steigende Nutzerzahl wechselseitig. Es kommt auf diese Weise zu einem dynamischen Ertragswachstum.10 Die abhängige VC bietet ihrem Betreiber darüber hinaus im wesentlichen vier Vorteile, die alle darauf basieren, dass den Beiträgen hohe Glaubwürdigkeit beigemessen wird: > Generierung von Marktforschungsdaten > Einsatz kundenspezifischer Werbung > Verbesserung des Kundenservices > Erhöhung der Kundenbindung und des Umsatzes MARKTFORSCHUNG: Die Analyse der themenspezifischen Interaktion in einer VC zeigt Präferenz-

Communities wie www.feierabend.com werden sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Das ist schon deshalb so, weil deren Klientel, die älteren Menschen, einen immer größeren Anteil der Bevölkerung stellt. Themen wie z. B. Gesundheit stehen im Mittelpunkt des Interesses.Ein idealer Marktplatz für entsprechende Anbieter.

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Virtuelle Gemeinschaften leben auch aus psychologischen Bindungseffekten.Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Hat sich erst einmal ein kleiner aber feiner Kreis gefunden, in dem „gefachsimpelt“ werden kann, verlässt man diesen „virtuellen Freundeskreis“ nur ungern wieder.

Profile potenzieller Kunden auf. Fließen diese Informationen in die Produktion ein, sind die Produkte besser an Kundenbedürfnissen ausgerichtet, was vor allem im industriellen Systemgeschäft bereits umgesetzt wird (User Groups). WERBUNG: Aus der Interaktion in einer abhängigen VC gewonnene Kundenprofile können zur Platzierung gezielter Werbung genutzt werden. Beispiel: Einige Angler monieren in einer VC die mangelnde Haltbarkeit ihrer Angel bei der Hochseefischerei. Noch während das interaktive Gespräch läuft, könnten spezielle Hochsee-Angeln angeboten werden. Eine Werbeform, die wahrscheinlich als wenig störend empfunden wird, da sie direkt Kundeninteressen berührt.

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KUNDENSERVICE: Da innerhalb einer VC themenspezifisch kommuniziert wird, findet sich schnell kompetenter Rat. Somit werden etwa Hotlines und „FAQ“ zum Teil an die VC delegiert. Probleme werden mit Hilfe anderer VC-Mitglieder behoben, die vor gleichen Schwierigkeiten standen. Zudem geht das Informationsangebot über das hinaus, was Anbieter leisten könnten. Diskutiert wird nicht mehr nur über das Produkt selbst, sondern auch über Produkte im Umfeld und erweiterte Einsatzmöglichkeiten. Vorteile des Kundenservice über VCs werden in der Software-Branche vielfach bereits eingesetzt (z. B. SPSS. com). KUNDENBINDUNG: Über die schnelle Hilfe, die

Benutzer der Orange-Mobiltelefone-Community entwickelten und verbreiteten eine eigene Software für das Handy. Ein Beispiel für Konsumentengruppen, die hinsichtlich ihres Produkts ein hohes „Customer-Involvement“ aufweisen und bereit sind, mit Eigeninitiative ihr Produkt zu verbessern.

themenspezifische und glaubwürdige Kommunikation in einer VC werden Wechselbarrieren zu anderen Anbietern aufgebaut. Hinzu treten psychologische Bindungseffekte: Die Nutzer sind irgendwann mit Navigation und Erscheinungsbild der VC vertraut. Darüber hinaus entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Hat sich erst einmal ein kleiner aber feiner Kreis gefunden, in dem „gefachsimpelt“ werden kann, verlässt man diesen „virtuellen Freundeskreis“ nur ungern wieder. Eine Studie zum Internet-Geschäftsmodell „Virtuelle Community“ zeigt, dass die wesentliche Stärke in den Augen der befragten 150 Community-Betreiber in der Bindung von neu gewonnenen Nutzern besteht. Dieser Befund wurde im Rahmen einer Befragung

von 1.560 Community-Nutzern bestätigt. Die Mehrheit der befragten Community-Mitglieder (51 Prozent) neigt dazu, sich langfristig (mehr als 6 Monate) und freiwillig an eine Community zu binden und diese aktiv weiterzuempfehlen. Sie weist eine hohe wiederholte Bindungsbereitschaft sowie eine hohe Bindungsabsicht auf.11 Tatsächlich erhöht die Möglichkeit der Interaktion auch die Besucherfrequenz einer Website um 50 % und verdreifacht die mittlere Aufenthaltsdauer dort von wenigen Minuten auf eine halbe Stunde. Es lässt sich allgemein zeigen, dass Websites mit umfangreichen Community-Elementen beziehungsweise einem community-basierten Business-Modell eine höhere

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operative „Performance“ besitzen als andere B2C-Sites.12 So weisen Communities eine 50 Prozent höhere „Conversion-Rate“ von Interessenten zu Kunden auf als schlichte Transaktions-Sites. Diese Erfolgswirksamkeit lässt sich insbesondere auf eine gesteigerte Marketingelastizität durch Communities zurückführen.13

Fallbeispiele für virtuelle Gemeinschaften Beispiele aus unterschiedlichen Branchen zeigen, wie erfolgreich Communities gebildet werden und Community-Effekte positiv genutzt werden können. EUROSPORT-SNOOKER Im Medienbereich können die Snooker-Sendungen sowie die dazugehörigen Dienstleistungen des Fernsehsenders Eurosport als Praxisbeispiel herangezogen werden, um die gezielte Entwicklung von Communities in einem „Low-Interest“-Bereich zu analysieren. Bis vor wenigen Jahren war Snooker nur in den geographischen Herkunftsländern England, Irland und Schottland eine Sportart, die die Massen begeistern konnte. In zentral- und westeuropäischen Kreisen galt es als emotionslose Sportart, vergleichbar etwa mit Dart oder Curling. Eurosport stellte sich dieser Herausforderung und räumte dem Snooker-Sport systematisch mehr Sendezeit ein. Damit gelang es, eine Community aufzubauen. Während der Live-Übertragungen wurde eine SMS-„Chatbox“ eingerichtet, so dass die Fans Kontakt aufnehmen konnten. Dem fachkundigen Kommentator konnten interaktiv Fragen zu Snooker gestellt werden. Auf der Homepage von Eurosport wurden eine „Gamezone“ mit virtuellen Snooker-Spielen und eine „Web-Chatbox“ eingerichtet (www.eurosport.de/ snooker). Auch der Kommentator konnte direkt über das Internet befragt werden. Diese community-orientierte Neulancierung der Snooker-Übertragungen, gepaart mit modernen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten hatte zweierlei positive Folgen für Eurosport. Einerseits stiegen die Einschaltquoten massiv an und andererseits bildeten sich regionale oder teilweise sogar nationale Snooker-Communities. ORANGE Das Telekommunikationsunternehmen war der erste Anbieter eines so genannten Smartphones, das mit einem Betriebssystem von Microsoft (Smartphone 2002) ausgestattet war. Auf dem Smartphone konnte jedoch nur von Orange digital zertifizierte und unverhältnismäßig teure Software installiert werden.

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Der öffentlichen Kritik an den überhöhten SoftwarePreisen begegnete das Unternehmen mit der Argumentation, dass nur so Telefone und Netzwerk gegen Viren geschützt werden konnten. Gleichzeitig existierten im Markt jedoch bereits Mobiltelefone, die die Installation wesentlich preiswerterer Software zuließen. Postwendend organisierten Benutzer der OrangeMobiltelefone Communities wie beispielsweise www. modaco.com oder www.coolsmartphone.com. Dort wurde eigene Software entwickelt und verbreitet. Ein Beispiel für Konsumentengruppen, die hinsichtlich ihres Produkts ein hohes „Customer-Involvement“ aufweisen und bereit sind, mit Eigeninitiative ihr Produkt zu verbessern.14

VC Mitglieder gewinnen Konkurrenz für abhängige virtuelle Gemeinschaften findet sich bei aktuellen Mitbewerbern und in unabhängigen VCs zum jeweiligen Thema. Aus diesem Wettbewerbsdruck kann sich nur befreien, wer die kritische Masse zuerst erreicht. Hierzu muss sich ein Unternehmen damit beschäftigen, was Verbraucher dazu bringt, an einer VC teilzunehmen und dort Beiträge einzustellen. Im Rahmen zweier Befragungen aus dem „Filesharing-Bereich“ (z. B. KaZaA und eDonkey) wird deutlich, welche fünf Kernmotive für die Teilnahme an solchen Netzwerken dominieren.15 Nutzer bieten immer dann gerne Inhalte an, wenn sie positive Netzwerkeffekte erwarten. Dieses Motiv ist insbesondere am Anfang des Lebenszyklus einer Community vorherrschend. Daher sollte stets versucht werden, die Erwartung an Netzwerkeffekte zu steigern und eine Zukunftssicherheit der Community zu kommunizieren. Netzwerke wie zum Beispiel die IP-TelefonieCommunity „Skype“ tun dies, indem sie stets die aktive Mitgliederzahl offen kommunizieren. Daneben ist das Prinzip der Reziprozität entscheidend. Wenn der anbietende Nutzer nicht mehr das Gefühl hat, dass sein Engagement durch die Community gewürdigt wird, erlahmt sein Interesse. Regelmäßige Beiträge schreiben weniger als zehn Prozent der Mitglieder.16 Die meisten der Community-Mitglieder rufen lediglich Inhalte ab. Motivationsstrukturen für engagierte Inhalte Lieferanten aufzubauen, wird damit zur überlebenswichtigen Aufgabe des VC-Betreibers. Altruismus ist ein weiteres Motiv für ein bestimmtes Nutzersegment, um sich in einer Community zu engagieren. Die Open-Source-Bewegung ist exemplarisch hierfür. Die einzige Art der Kompensation für die Programmierleistung besteht dort in sozialen Anreizen in Form von Anerkennung innerhalb der virtuellen Ge-

meinschaft. Dies wird in vielen Communities zum Beispiel durch ein gutes „Rating“ offensichtlich gemacht. Die Interessen und Motive der Mitglieder verstehen ist eine Sache, die der Betreiber einer VC beherrschen muss, um mit seiner Gemeinschaft schnell zu wachsen. Weitere Möglichkeiten hierzu bestehen in strategischen Allianzen mit komplementären Anbietern. Bei den bereits öfter zitierten Herstellern von Anglerausrüstungen bietet sich dabei Reisebüros, Literaturfachverlage oder auch Kochforen an. Die Allianz aus Anglern und Köchen spricht dann eine erweiterte Zielgruppe an und erhöht das Mitgliederpotenzial. Strategische Allianzen bieten auch unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit Vorteile. Der einzelne Anbieter tritt in den Hintergrund. Gleichzeitig bürgt der dem Kunden

bekannte Anbieter quasi für die weniger bekannten. Außerdem erhöht sich die Finanz- und Innovationskraft der Betreiber insgesamt. Grundsätzlich gibt es daneben noch drei Möglichkeiten, schnell Mitglieder zu gewinnen und damit die kritische Masse eher zu erreichen: > Ankopplung an bestehende (meist unabhängige) Communities > Community-Potenziale aufbauen durch „High Interest“ > Community-Potenziale aufbauen durch „High Involvement“ ANKOPPLUNG an bestehende Communities bedeutet, das Unternehmen nimmt eine untergeordnete Rolle ein und beschränkt sich auf seine Funktion als

Die stark wachsenden Märkte rund um Themen wie Gesundheit und Schönheit spiegeln jeweils hohes Interesse und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager. Community-Betreiber müssen überlegen, an welches dieser Felder ihre Produkte angrenzen könnten.

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Produkte Lieferant. Die virtuelle Gemeinschaft entscheidet, ob ein Unternehmen mit seinen Produkten beziehungsweise Dienstleistungen einen Mehrwert für die Mitglieder bietet und überhaupt in Erscheinung treten darf. In der Praxis lassen sich bereits erste Beispiele finden, wie zum Beispiel www.feierabend.com, der größte Web-Treff für aktive Menschen der „50plus“Generation in Deutschland, eine Community mit über 69.000 Mitgliedern und 49 Regionalgruppen, in denen sich die Mitglieder vor Ort treffen und austauschen. Auf der Internet-Plattform gibt es eine Reihe von Themenbereichen mit speziellen Informationen und Angeboten für die Mitglieder. In diesem Kontext gibt es einen Themenbereich: Versichern & Sicherheit, in dem zum Beispiel ausgesuchte Versicherer speziell auf die Community zugeschnittene Produkte anbieten. „HIGH INTEREST“ Die stark wachsenden Märkte rund um Themen wie Gesundheit, Schönheit, Rente und soziale Absicherung, Sport etc. spiegeln jeweils hohes Interesse und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager. Der Anbieter muss überlegen, an welches dieser Felder sein Produkt angrenzen könnte. Gleichzei-

Virtuelle Gemeinschaften bringen Umwälzungen in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung mit sich. In ihnen organisiert sich eine zunehmende Nachfragermacht, die unter Umständen über größeres Expertenwissen als der Anbieter selbst verfügt. Außerdem kann die kumulierte Kaufkraft der VC ausreichen, um vom Anbieter bestimmte Produkte und Preise einzufordern. Trotz des „Hypes“ um Web 2.0: Damit der Himmel über der Konzernzentrale sich nicht unter Umständen eintrübt, sollte die Community im Marketing niemals unbedarft eingesetzt werden.

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E-MARKETING

tig eignen sich diese Themen auch für den sozialen Austausch, die Generierung von Zusammenhalt und emotionale Aufladung. In grundlegenden Bedürfnisbereichen von Kunden wie Gesundheit, Mobilität, Sicherheit usw. lassen sich so eine Vielzahl von Optionen für Communities entwickeln, die auch neue strategische Positionierungen des eigenen Produkt- und Dienstleistungsangebots ermöglichen. Wer dieses Potenzial nutzen will, sollte sich mit den Logiken dieser sozialen Phänomene intensiv auseinander setzen. „HIGH INVOLVEMENT“ Die aktive Einbeziehung in die Leistungserstellung bietet einen weiteren Ansatzpunkt, um Gemeinschaften aufzubauen. So hat sich etwa der Finanzdienstleister Charles Schwab zum Ziel gesetzt, seine Kunden zu befähigen, all ihre FinanzAngelegenheiten selbst erledigen zu können (www. aboutschwab.com/schwabcorp/mission.html). Hierzu hat das Unternehmen eine E-Learning-Plattform eingerichtet, eine „E-University“ gegründet, Weiterbildungskurse und Seminare vor Ort angeboten, sowie Freizeit-Events mit Kunden, Partnern und Unternehmen organisiert. Ziel war es, Kunden-Communities

und User-Groups sowohl virtuell als auch vor Ort ins Leben zu rufen, um die direkte Interaktion und Kommunikation zwischen Kunden sowie zwischen Kunden, Partnern und Unternehmen zu fördern.

Bedrohliche Nachfragermacht VCs werden im Marketing Mix des e-business einen festen Platz einnehmen. Der Kreis der Personen, die an Mund-zu-Mund-Propaganda teilnehmen, ist dadurch nicht mehr auf Freunde und Bekannte begrenzt, sondern umfasst jetzt potenziell alle themenspezifischen Interessenten, die am Internet teilnehmen. VCs bringen aber auch Umwälzungen in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung mit sich. In ihnen organisiert sich eine zunehmende Nachfragermacht. Ein

Effekt besteht darin, dass die teilnehmenden Nachfrager unter Umständen über größeres Expertenwissen als der Anbieter selbst verfügen. Außerdem kann die kumulierte Kaufkraft der VC ausreichen, um vom Anbieter bestimmte Produkte und Preise einzufordern. Dies kann sich im Wege einer nicht steuerbaren Eigendynamik zur ernsten Gefahr für ein Unternehmen entwickeln, wie etwa in den Fällen Shell (Versenken der Bohrplattform Brent Spar) oder auch Deutsche Bahn (Einführung eines neuen Preissystems). Dies trifft dann den Begriff des umgekehrten Marktes (Hagel und Armstrong sprechen von „reverse economy“). Mit zunehmender Verbreitung der VCs steigt auch der Wettbewerbsdruck, denn die Gemeinschaft weiß nicht nur über die Produkte des Anbieters Bescheid, sondern verfügt über detailliertes Wissen zu Wettbewerbsprodukten. Bei allen unübersehbaren Vorteilen – die virtuelle Gemeinschaft darf im E-Marketing nicht unbedarft eingesetzt werden. Unternehmen könnten sonst Opfer ihrer eigenen Strategie werden.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Haller, M. u. Maas, P.: Kunde als Risiko? Das Customer Value-Konzept als Herausforderung der Versicherer, in: Albrecht, P. / Lorenz, E. /Rudolph, B. (Hrsg.): Risikoforschung und Versicherung, Karlsruhe 2004, S. 179-214 2

Vgl. hierzu auch Wolfensberger, T.: Virtual Communities. Unternehmenspolitik und Erfolgsmessung, Wiesbaden 2002 3

Vgl. Muniz, A.M.Jr. u. O’Guinn, T. C.: Brand Community, in: Journal of Consumer Research, Vol. 27, March 2001, pp. 412-432. S. 413

10

Vgl. dazu auch Hagel III, J. u. Armstrong, A. G.: Net Gain - Expanding Markets through Virtual Communities, Boston 1997.

11

Vgl. Panten, G.: Internet-Geschäftsmodell Virtuelle Community: Analyse zentraler Erfolgsfaktoren aus Betreiber- und Mitgliedersicht mit dem PartialLeast-SquaresAnsatz, Wiesbaden 2005

12

Zahlenmaterial hierzu findet sich z. B. in Bughin, J. und Hagel III: The Operational Performance of Virtual Communities, in: Electronic Markets, Vol. 10/2000, S. 237-243

4 Vgl. Maas, P. u. a.: Communities im Finanzdienstleistungsbereich: Innovation oder Illusion?, Thexis, Jg. 22, Nr. 3 vom 01.06.2005, S. 27-32

13

5 Vgl. werben und verkaufen - W&V Nr. 42 vom 16.10.1998, Seite 170-172

14

6

Vgl. McWilliam, G.: Building Stronger Brands through Online Communities, in: Sloan Management Review, Vol. 41, No. 3/2000, S. 43-54 7 Dieses Verhalten lässt sich durch zahlreiche Studien belegen, wie zum Beispiel unter www.horizont.net vom 08.07.2005 8

www.ciao.de, abgerufen am 16.2.06

9

Vgl. Muniz, A.M. u. O’Guinn, T. C., a. a. O.

Vgl. Bughin, J. u. Zeisser, M. P.: The Marketing Scale Effectiveness of Virtual Communities, in: Electronic Markets, Vol. 11, No. 4/2001, S. 258-262 Vgl. Maas, P. u. a., a. a. O

15

Hierbei können die Erkenntnisse aus: Becker, J. U. und Clement, M.: Dynamics of Illegal Participation in Peerto-Peer-Networks - Why do People Illegally Share Media Files?, in: Journal of Media Economics 2005 problemlos übertragen werden

16

Vgl. hierzu Panten, G., a. a. O.

E-MARKETING

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Online-Marktforschung

#FPCBDIUVOH im Internet

Gerade was die Beobachtung angeht, sind Online-Verfahren den traditionellen haushoch überlegen. Die Daten fallen online automatisch und permanent an, müssen allerdings noch aufbereitet werden. Photo: Nota (stock.xchng)

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W

esentliche Methoden der Primärforschung im Internet sind Beobachtungen und Befragungen. Aber gerade was die Beobachtung angeht, ist das Web jedem traditionellen Verfahren überlegen.1 Jeder Nutzer hinterlässt, ob er will oder nicht, Spuren beim Besuch einer Website. Sich im Web bewegen, ist wie einen frisch verschneiten Weg begehen. Jeder „Schritt“ und jede „Gehpause“ durch die virtuellen Regalreihen eines Internet-Shops können verfolgt werden. Jedes Verhalten an „Weggabelungen“ kann detailliert protokolliert werden. Doch nicht nur die bevorzugten Wege durch das Web-Angebot, auch jedes Produkt, das der Nutzer herausgreift, sowie die Reihenfolge der Produkte und die Zeitspannen, die auf die Produkte verwendet werden, sind beobachtbar. Und zwar unabhängig davon, ob letzten Endes etwas gekauft wird oder nicht. Die Beobachtung im Internet ist dabei ohne Aufwand permanent durchführbar. Die Ergebnisse repräsentieren eben nicht nur isolierte Zeitpunkte, sondern auch Verhaltensänderungen im Verlauf der Zeit. Alle Daten fallen dabei automatisch in digitaler Form an und können direkt weitergehend analysiert werden. Im Prinzip hat der Website-Betreiber damit die Chance, unmittelbar auf jede Regung des Nachfragers reagieren zu können.2 Im Gegensatz dazu leisten Beobachtungen in der traditionellen Offline-Marktforschung vergleichsweise wenig und sind deswegen auch von untergeordneter Bedeutung.3 Sie werden überhaupt nur dort angewandt, wo der Informationswert den erheblichen Erfassungsaufwand rechtfertigt. Das aber ist allenfalls bei der Beobachtung des Einkaufs- und Informationsverhaltens gelegentlich der Fall.4 Geistige und seelische Vorgänge, Wissen und Meinungen entziehen sich normalerweise den traditionelle Verfahren der Beobachtung.5 Besonders gravierend ist die Problematik bei einer großen Anzahl an Probanden: Müssen viele Menschen beobachtet werden, um zu einem repräsentativen Ergebnis zu kommen, zieht das einen erheblichen zeitlichen, konzeptionellen und kostenmäßigen Aufwand nach sich.6

Systematische Vorgehensweise Methodisch gesehen muss bei der Online-Beobachtung ein dreistufiger Prozess durchlaufen werden: Datenerhebung (1), Datenaufbereitung (2) und Speicherung in einer geeigneten Datenstruktur (3).7 DATENERHEBUNG Zunächst einmal werden verlässliche Daten gebraucht. Im Internet greift man da-

bei auf Aufzeichnungen zurück, die das Nutzungsverhalten der Website widerspiegeln. Hierzu ist wichtig zu wissen, dass das World Wide Web auf Basis des Client-Server-Prinzips funktioniert. Software-Programme die Dienste anfragen, werden als Client, solche die Dienste bereitstellen, als Server bezeichnet. Wird beispielsweise „www.bild.de“ in einen Browser getippt, was täglich mehrere Millionen Mal passiert, so fordert der an das Internet angeschlossene Computer (in diesem Fall der Client) einen Dienst vom Webserver der Bildzeitung an. Daten werden über das Internet übermittelt und die Website mit den „unverzichtbaren“ Nachrichten von Bild wird aufgebaut. Dabei wird in der so genannten Log-Datei auf dem Webserver der Bildzeitung automatisch mitgeschrieben, welche Daten der Online-Leser angefordert hat – ob er sich beispielsweise zuerst die Homepage und dann vielleicht noch den Sportteil angeschaut hat. Jeder Datenzubzw. -abgang wird verzeichnet. Im Prinzip also eine ergiebige Quelle für Beobachtungen, denn Bild weiß in unserem Beispiel ganz genau, welche Artikel am betreffenden Tag besonders häufig angeklickt wurden und damit auf Interesse stießen und welche Informationen als eher langweilig empfunden wurden. Daten in Log-Dateien werden übrigens automatisch mitgeschrieben und sind damit für jeden Website-Betreiber zugänglich. Viele Verlage und Bertreiber prominenter Websites melden ihre Statistik an die Informationsgemeinschaft zur Festlegung der Verbreitung von Werbeträgern (www.ivw.de). Dort können die Daten dann frei zugänglich abgerufen werden und dienen als Entscheidungsgrundlage beispielsweise für die Schaltung von Online-Werbung. Vor allem bei Web-Auftritten, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen, sind eine Identifizierung der Nutzer-Typen und eine entsprechende Abstimmung der Website wichtig. So zeigt beispielsweise der WebAuftritt eines internationalen Unternehmens aus dem Bereich der Entwicklung von Verbrennungsmotoren wesentliche Nutzungsunterschiede bei Besuchern aus verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Anwendergruppen (Technik, Marketing, Verkauf, usw.)8 Es macht also durchaus Sinn, sich als Betreiber die ohnehin vorhandenen Informationen in der Web-LogDatei genauer anzuschauen. Diese Log-Dateien können bei gleichem Informationsgehalt in verschiedenen Formaten festgehalten werden. Gängig ist derzeit das Extended Common Log Format (ECLF). Hierbei ist genau festgelegt, welche Felder der Log-Datei für welche Informationen stehen. Protokolliert werden unter anderem die IP-Adresse des Computers, von dem eine Anfrage einging, Daten über den Zeitpunkt und welche Informationen genau abgerufen wurden, Hinweise auf den Erfolg des Datenaustausches und ein so genannter „Referrer“, der Angaben über die zuvor besuchten

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Online-Marktforschung

Page Impressions und Visits sind die Zielgrößen der Online-Beobachtung. Den Marktforschern geht es darum, herauszufinden welche Web-Seiten in welcher Reihenfolge angeklickt werden. Daraus lässt sich letztlich ableiten, wie sich Nutzer beispielsweise durch einen virtuellen Laden bewegen.

Seiten beinhaltet. Aus der Log-Datei geht mithin schon ziemlich konkret hervor, wie sich Interessenten auf der Website bewegen. Diese Informationen können noch durch den Einsatz so genannter „Cookies“ ergänzt werden. Bei dieser Art von „Keksen“ werden Dateien auf die Festplatte des anfragenden Computers geschrieben. Wird die Website später einmal wieder besucht, kann das „Cookie“ abgerufen werden und den Betreibern ist damit unter anderem bekannt, welche Seiten bei der letzten Sitzung angeschaut wurden. Der Einsatz solcher „Kekse“ sollte aber wohlüberlegt sein. Zum einen gibt es beträchtliche Bedenken dagegen seitens der Internet-Teilnehmer. Längst nicht jedem ist es recht, wenn Daten unkontrolliert auf seine

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Festplatte geschrieben werden. Zum anderen kann die Funktion „Cookies“ jederzeit im Browser des Surfers abgeschaltet werden und steht dann nicht mehr oder nur unvollständig zur Verfügung. Teurer als die Cookie-Methode aber allemal besser geeignet, sind spezielle, modifizierte Erhebungsumgebungen zur Untersuchung des Surf-Verhaltens auf der eigenen Web-Seite. Eigens dafür rekrutierte Web-Teilnehmer bewegen sich dabei als Testpersonen auf den WebSeiten und verwenden unter Umständen modifizierte Browser, bei denen der Quellcode verändert wird, um die Fähigkeit zur Datenerhebung noch weiter zu verbessern.9

Um welche Art von Online-Beobachtung es sich handelt, hängt von drei Faktoren ab: Wie ist der Bewusstseinsgrad des Beobachteten, um welches Erhebungsumfeld handelt es sich und was soll inhaltlich mit der Beobachtung erreicht werden?

DATENAUFBEREITUNG Leider sind die Informationen der Online-Beobachtung zunächst nur Rohdaten und noch nicht unmittelbar für eine weitergehende Analyse zu gebrauchen. Eine Reihe an Transformationen müssen erst noch vorgenommen werden, um vom Informationsgehalt des erhobenen Materials profitieren zu können. Das liegt vor allem auch daran, dass es sich bei den Rohdaten in der Log-Datei um Aufzeichnungen über den Datenaustausch zwischen Clientund Server-Computern handelt. Jeder Mouseclick auf einen Link führt zum Wechsel des dargestellten WebSeiten-Inhalts und damit zur Erzeugung eines neuen „Bildes“ im Bildschirmfenster, das aus mehreren neuen Grafik-Elementen und HTML-Files bestehen kann,

die jeweils einen separaten Eintrag in der Log-Datei hinterlassen. Für eine aussagekräftige Analyse des Nutzerverhaltens sind aber nicht die einzelnen versandten Dateien von Interesse, sondern auf dem Nutzerbildschirm vollständig aufgebaute Web-Seiten mit konkreten Informationen. Ziel der Datenaufbereitung muss deshalb eine intelligente Zusammenfassung der protokollierten Einzeleinträge sein, um daraus geeignete Indikatoren für das Nutzerverhalten eindeutig ableiten zu können. Zentrale Indikatoren zur Interpretation des Verhaltens sind Visits, Page Impressions und Episoden.10 Von einer Page Impression (oder auch Page View) wird immer dann gesprochen, wenn alle zugehörigen

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Online-Marktforschung

Visits

29.000.000

7.200.00

Page Impressions

330.000.000

53.000.000

Page Impressions / Visits

11

7,5

Nachrichten

51.000.000

15.000.000

Sport

41.000.000

2.600.000

Wirtschaft

8.000.000

4.200.000

Wissenschaft

4.000.000

1.200.000

Auto

14.000.000

1.400.000

Zahlen beziehen sich auf den Monat Oktober 2005

Wichtige Indikatoren der Beobachtung, wie Visits (zusammenhängende Nutzungsvorgänge) und Page Impressions (Sichtkontakt mit einer vollständig aufgebauten Web-Seite) werden von der Informationsgesellschaft zur Verbreitung von Werbeträgern monatlich erfasst und im Internet veröffentlicht. Über 300 Millionen Bildzeitungs-Seiten werden im Monat aufgerufen. Das Publikumsinteresse richtet sich dabei hauptsächlich auf Nachrichten und Sport.

Komponenten im Browser des Nutzers geladen sind und die entsprechende Web-Seite komplett angeschaut werden kann (Sichtkontakt mit einer Web-Seite). Praktisch gesehen handelt es sich um alle Elemente, die der Nutzer als Reaktion auf einen Mouseclick im Bildschirmfenster präsentiert bekommt.11 Wird eine Web-Seite von einer Person mehr als einmal besucht, macht es Sinn, alle Datenabrufe, die in der Log-Datei aufgezeichnet sind und dieser Person zugeordnet werden können, in einzelne Sessions zu unterteilen. Nur so kann die zeitliche Verteilung des Nutzer-Verhaltens untersucht werden. Eine solche Server Session bezeichnet einen zusammenhängenden Nutzungsvorgang auf einer Web-Seite durch einen Client in Form miteinander verbundener Page Impressions. Als Nutzungsvorgang zählt also jeder technisch erfolgreiche Zugriff eines Internet Browsers auf die Website, wenn er von außen erfolgt.12 Die Identifikation von Benutzern, um Beobachtungsdaten einzelnen Probanden zuordnen zu können, ist allerdings nicht unproblematisch. Websites werden nor-

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malerweise anonym besucht. Diesem Problem kann nur durch geeignete Heuristiken, den kombinierten Einsatz von Erhebungsmethoden und/oder eine explizite Registrierung der Probanden begegnet werden. Server Sessions werden auch als Visits bezeichnet. Bei Episoden handelt es sich schließlich um semantisch bedeutungsvolle Teilbereiche eines Visits. Beispiele für Episoden im Internet-Auftritt einer Wochenzeitung sind alle Seiten, die etwa mit Wirtschaft oder mit Politik zu tun haben.13 DATENSPEICHERUNG Die aufbereiteten Daten lassen Rückschlüsse zu, wann welcher Nutzer, welche Seite, wie lange im Internet besucht hat, in welcher Reihenfolge er das getan hat und ob er dort Transaktionen getätigt hat. Jetzt müssen die Daten nur noch in eine geeignete Datenstruktur überführt werden, damit sie für Analysen genutzt werden können. Dort werden sie den Beobachtungszielen entsprechend abgelegt und gespeichert. Die Durchführung von Beobachtungen kann zu sehr großen Datenbeständen führen,

Vor allem biotische Verfahren, bei denen die Probanden keine Ahnung haben, dass ihr Surf-Verhalten beobachtet wird, sind in die Kritik geraten. Verbraucher fürchten um den Schutz ihrer Privatsphäre. Unternehmen die im Internet Daten erheben, sollten daher peinlichst darauf achten, dass Ihre Kunden sich nicht durch solche Marktforschungsprojekte beeinträchtigt fühlen. Photo: kilokilo (stock.xchng)

deren Handhabung und Nutzbarmachung gute methodische Kenntnisse erfordert. Online-Betreiber die die Internet-Beobachtung intensiv zu nutzen beabsichtigen, werden nicht umhin kommen, sich mit der Data-Warehouse-Technolgie auseinanderzusetzen. Data Warehouses sind spezielle Datenbank-Anwendungen, die große Datenmengen strukturiert, redundanzfrei und dokumentiert beherbergen. Erst die so gespeicherten Daten können letztlich für die Steuerung der marktgerichteten Aktivitäten nutzbar gemacht werden.14 UM WELCHEN ANWENDUNGSTYP der Beobachtung in der Online-Marktforschung es sich handelt, hängt ab vom Bewusstseinsgrad des Beobachteten, von inhaltlichen Gesichtspunkten sowie vom Typus des Erhebungsumfeldes.15 Wer Web-Seiten besucht, kann sich vollkommen bewusst sein, dass sein Surf-Verhalten beobachtet wird. Es kann aber auch vollkommene Ahnungslosigkeit gegeben sein. Ist letzteres der Fall, wird das

Verhalten des Nachfragers im Internet relativ frei von Störgrößen beobachtbar sein. Jemand der weiß, dass ihm jemand „über die Schulter schaut“, verhält sich einfach anders als jemand der sich vollkommen unbeobachtet fühlt. Zwischen beiden Extremen gibt es fließende Übergänge. Ein Nachfrager einer Web-Seite kann beispielsweise auch eine vage Ahnung davon haben, dass in einem bestimmten Web-Auftritt OnlineBeobachtungen durchgeführt werden, beispielsweise weil er davon von einem Freund erfahren hat. Berekoven u. a. schlagen vor, vier generelle bewusstseinsbezogene Anwendungsarten der Beobachtung in der Online-Marktforschung voneinander zu unterscheiden:16 Bei der offenen Beobachtung weiß die beobachtete Person um den Zweck der Beobachtung, ihre eigentliche Aufgabe und um ihre Rolle als Beobachtungsperson. Bei der nicht-durchschaubaren Beobachtung kennt die beobachtete Person den Zweck der Beobachtung nicht, weiß aber um ihre Aufgabe und ihre Rolle als Beobachtungsobjekt. Bei einer quasi-biotischen Beobachtung weiß die beobachtete Person

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Online-Marktforschung

nicht um Zweck und ihre Aufgabe bei der Beobachtung, wohl aber, dass sie beobachtet wird. Bei einer biotischen Beobachtung schließlich ist die beobachtete Person vollkommenen ahnungslos. Beobachtungen können unter inhaltlichen Gesichtspunkten in unmodifizierten oder in modifizierten Erhebungsumfeldern durchgeführt werden: Wird auf bereits existierenden, nicht weiter aufgearbeiteten Web-Seiten beobachtet, liegt ein unmodifiziertes Erhebungsumfeld vor. Von einem modifizierten Erhebungsumfeld wird dann gesprochen, wenn die WebSeiten, verändert oder speziell für die Durchführung einer Untersuchung neu geschaffen werden. Spezielle Online-Testmärkte wie Marktforschungsinstitutionen wären Beispiele hierfür. Auch inhaltliche Gesichtspunkte (was soll mit der Beobachtung erreicht werden?) können zur Systematisierung dienen. So kann es beispielsweise darum gehen, Informationen über das Nutzungsverhalten auf bereits bestehenden Web-Seiten zu erheben, die Attraktivität einzelner Bereiche der Web-Seite zu bewerten, das Design und die Nutzerführung von Web-Seiten zu optimieren, Cross- und Up-selling-Po-

tenziale zu entdecken, Nutzertypen zu klassifizieren (Customer-Value-Management) oder Segmentierungen durchzuführen.

Problembereiche Vor allem (voll-)biotische Beobachtungen in natürlichen Erhebungsumfeldern sind nicht unproblematisch. Das wachsende Bewusstsein der Nutzer, dass sie von Unternehmen möglicherweise beobachtet und ihr Surf-Verhalten aufgezeichnet wird, führt zu Kritik und zu Bedenken, was die Verletzung der Privatsphäre angeht.17 Weitere Kritik richtet sich gegen die Gefahren aus einer unsachgemäßen Verwendung der Daten, beispielsweise für die Versendung von störenden Massen-Werbemails.18 Unternehmen, die im Internet Daten mittels Beobachtung erheben, sollten daher peinlichst darauf achten, dass sie die Daten so erheben und verwenden, dass Kunden sich dadurch nicht beeinträchtigt fühlen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Chancen und Problembereiche von Befragungen über das Internet werden intensiv in der Literatur diskutiert, vgl. hierzeu beispielsweise: Theobald, A.: Das World Wide Web als Befragungsinstrument, Wiesbaden 2000 2

Vgl. Wiedmann, K.-P. u. a.: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 9/2003, S. 528-534 3 Berekoven, L. u. a.: Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, Wiesbaden 1999, S. 146 4

Vgl. ebenda, S. 148ff.

5 Vgl. Henze, A.: Marktforschung. Grundlagen für Marketing und Marktpolitik, Stuttgart 1994, S. 34 6 Vgl. Buxel, H. (2001a): Customer Profiling im Electronic Commerce. Methodische Grundlagen, Anwendungsprobleme und Managementimplikationen, Aachen 2001, S. 28f. 7

Vgl. ebenda, S. 55f.

8

Vgl. Nadjafi, Mark & Christian Haider: Lokale Kulturen und globales Medium. Der Einfluss von kulturellen Unterschieden auf die Usability einer Website, www.user-focus. net, 2002

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9 Vgl. Cooley, R.: Web Usage Mining. Discovery and Application of Interesting Patterns from Web Data, PhD Thesis, University of Minnesota 2000, S. 20f. 10

Vgl. ebenda, S. 25f.

11

Werner, A.: Kontaktmessung im WWW, in: B. Batinic u. a. (Hrsg.): Online Research. Methoden, Anwendungen und Ergebnisse, Göttingen u.a. 1999, S. 216

12

Vgl. ebenda, S. 220

13

Vgl. Buxel, H. (2001a), a. a. O., S. 95ff.

14

Informieren Sie sich über die Data-Warehouse-Technologie weiter hinten in diesem Buch unter Individualmarketing oder in der einschlägigen Literatur, wie beispielsweise Kemper, H.-G.: Business Intelligence – Grundlagen und praktische Anwendungen, Wiesbaden 2004

15

Vgl. Wiedmann, K.-P., a. a. O

16

Vgl. Berekoven, L., a. a. O., S. 146f.

17

Sehr aufschlussreich schildert Buxel die Problematik, vgl dazu Buxel, H. (2001b): Die sieben Kernprobleme des Online-Profiling aus Nutzerperspektive, in: DuD, Heft 10, 2001, S. 597–583

18

Vgl. Buxel, H. (2001a), a. a. O., S. 196ff.

Spurensuche Photo: stockxpert

Wer im Internet unterwegs ist hinterlässt Spuren. Doch wer als Anbieter davon profitieren will, muss sie auch lesen und interpretieren können. Data-Mining-Verfahren erkennen selbst in riesigen Datenbergen brauchbare Muster. Und erst die sind der Schlüssel zum Verständnis von Käuferinteressen.

D

as World Wide Web eignet sich hervorragend für die Beobachtung im Rahmen der Marktforschung. Jeder Online-Besuch hinterlässt Spuren auf dem Webserver und diese wertvollen Informationen gilt es auszuwerten. Zum „Spurenleser“ wird der Online-Marketingmanager dabei mit Data Mining. Aus Bergen von Rohdaten lassen sich mit dieser Methode Informationen herauslesen, die einfach mehr über die Kunden des Online-Shops und deren Interessen verraten. Data-Mining-Analysen verschaffen solchermaßen Einblicke, die selbst Branchen-Experten verblüffen und mit denen niemand gerechnet hätte. Banner sind beispielsweise seit langem die bevorzugte Werbeform im Internet. Bis in alle Einzelheiten verstanden ist ihre Wirkungsweise damit allerdings noch lange nicht. Wer die blinkenden Rechtecke als störend empfindet oder umgekehrt, wann und von wem sie angeklickt werden, lässt sich oft nur vermuten. Data Mining eröffnet hier völlig neue Möglichkeiten. Ist eine Web-Seite erst einmal lange genug online und kann auf ausreichend viele Daten zurückgegriffen werden, lassen sich mit Data Mining Profile der Kundinnen und Kunden erstellen, die bevorzugt auf Werbung im Internet reagieren.

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Online-Marktforschung

Im Idealfall erscheint die Werbeeinblendung dann nur noch denen, die sich auch dafür begeistern können. Alle anderen werden nicht mehr belästigt und surfen „reklame-frei“. Aber wie funktioniert dieses Data Mining? Es beruht auf Software für künstliche Intelligenz, wie zum Beispiel auf selbst-organisierenden Netzwerken oder auf genetischen Algorithmen und maschinellem Lernen. Solche Anwendungen sind durchaus auch in der „Offline-Welt“ anzutreffen: Die amerikanische Handelskette Wal Mart beispielsweise praktiziert Data Mining in großem Stil. Jede der 2.900 Filialen wird wöchentlich in Bezug auf die Produktnachfrage analysiert. Dabei werden mehr als 700 Millionen Filiale-Produkt-Kombinationen ausgewertet und zu Prognosen zusammengefasst. Damit entsteht ein sehr viel differenzierteres Bild davon, was sich in welcher Filiale verkaufen lässt. Mittels Data Mining kann Wal Mart die Nachfrage vorhersehen und dadurch die Kosten für Überbestände, Lagerhaltung und das Sortiment in den Geschäften reduzieren. Das Unternehmen ist in der Lage, den Kunden zielgruppengerecht die jeweils am Ort bevorzugte Biermarke, Brot- oder Buttersorte anzubieten. Aber Data Mining ist nicht auf den Supermarkt begrenzt. Auch Banken, Versicherungen und Kreditkarteninstitute nutzen es, um ihr Wissen zu verfeinern und Kundenentscheidungen voraussehen zu können. So kön-

nen Finanzdienstleistungen gleich den Kundinnen und Kunden angeboten werden, die sich potenziell auch am meisten dafür interessieren. Viele Branchen profitieren traditionell bereits von Data Mining. In der Qualitätskontrolle, der Überwachung von Produktionsprozessen und sogar zur Verbrechensbekämpfung wird es eingesetzt. Das Bundesamt für den Wertpapierhandel in Frankfurt ist damit beispielsweise erfolgreich so genannten „Insider-Geschäften“ auf der Spur. Die meisten Data-Mining-Anwendungen (online wie offline) betreffen jedoch verbraucher-zentrierte Untersuchungen. Für Online-Händler wie Amazon ist es geradezu überlebenswichtig, genau zu wissen, wie Produkte im Internet positioniert werden müssen. Daher ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Form von Data Mining zu einem wesentlichen Hilfsmittel geworden, um in schnellen und umkämpften Märkten wie dem Online-Business zu bestehen. Unter den harten Wettbewerbsbedingungen im Internet werden nur diejenigen einen Vorsprung erarbeiten und Umsatzsteigerungen erzielen, die schnell und flexibel agieren und in der Lage sind, das Kundenverhalten und Vorlieben zu antizipieren. Das Mining von Kundendaten ist beispielsweise notwendig, um Entscheidungen darüber zu fällen, welches die kaufkräftigsten und somit wichtigsten Kunden sind und nach welchen Eigenschaften gesucht werden muss, um genau solche Kunden zu

Data Mining findet aus Bergen von Rohdaten die wirklich interessanten Zusammenhänge heraus. So häufen traditionelle Anbieter beispielsweise über Kundenkarten permanent Daten an, sind aber mit herkömmlichen Methoden nicht in der Lage, diese auch zu analysieren. Ähnlich gestaltet es sich auch im Online-Business zunächst schwierig, Rückschlüsse auf das Käuferverhalten zu ziehen, obwohl dort automatisch kundenbezogene Daten anfallen. Erst Data Mining bringt Licht ins Dunkel des Datendschungels und findet dort die, in der Literatur oft so bezeichneten, Diamanten.

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identifizieren. Erfahrene Händler setzen ausgefeilte Data-Mining-Software ein, in denen genetische Algorithmen zum Einsatz kommen, um beispielsweise das Warenwirtschaftssystem gemäß der Kundenprofile und ihrer Neigungen zu optimieren. Genetische Algorithmen sind Programme, die den Evolutionsprozess (Selektion, Kreuzung und Mutation) nachahmen, um aus einer gegebenen Menge von Lösungsansätzen eine optimale Lösung zu finden. Händler benutzen diese Software in Kombination mit neuronalen Netzen nicht nur, um das Sortiment der einzelnen Filialen festzulegen, sondern auch, um die Verkaufsflächen selbst zu gestalten. Dies kann zu weit reichenden Änderungen – von der Regalhöhe bis zum Parkplatzangebot – führen. Wenn Data Mining also dazu in der Lage ist, das Design physischer Läden zu optimieren, lässt sich erahnen, was es zur Verbesserung des Designs großer Online-Shops wie Amazon beiträgt. Bevor allerdings das eigentliche Mining der Website beginnen kann, muss klar sein, was erreicht werden soll und welche Informationen vorab benötigt werden. So kann es zum Beispiel unumgänglich sein, Cookies (kleine Dateien, die auf die Festplatte des WebsiteBesuchers geschrieben werden) zu setzen.1 Diese Technik erlaubt es, über mehrere Internet-Sitzungen hinweg zu verfolgen, welche Seiten ein bestimmter Kunde im Web-Angebot besucht hat. Diese Daten

wiederum lassen sich dann zu Attributen wie dem Alter oder Geschlecht in Beziehung setzen, falls diese Angaben über den entsprechenden Kunden vorliegen. Anhand der Postleitzahl oder der Adresse eines Besuchers kann das „Bild“ des Kunden um demographische Daten ergänzt werden. Allerdings müssen „web-erzeugte“ Daten, also Informationen, die direkt aus dem Internet stammen, vor jeder Art von Data-Mining-Analyse erst einmal aufbereitet werden: Jeder „Hit“ des Kunden speichert nicht nur die HTML-Seite selbst, sondern auch jede einzelne Grafik auf dieser Seite. Damit entstehen Rohdaten, die für sich genommen noch keine Aussagekraft besitzen. Sie müssen erst noch zu verwertbaren Größen wie beispielsweise Page Views (Sichtkontakt mit einer Web-Seite) oder Visits (zusammenhängender Nutzungsvorgang) verdichtet werden. Die aufbereiteten Daten sollten zudem in ein standardisiertes Datenbank-Format umgewandelt werden, in dem weitere Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen werden können. Wird bereits eine Software für die Analyse des „Traffic“ auf der Website benutzt, sind die Daten vermutlich schon im richtigen Format und können direkt für eine Data-Mining-Analyse verwendet werden. In jedem Fall aber sollten Data-Mining-Analysen mit geeigneten Mitteln, wie zum Beispiel einer EMail-Testkampagne, überprüft werden.2 Eine Gefahr,

Dicke Linien zeigen in der Assoziationsanalyse an, wer sich beispielsweise für welche Literatur besonders interessiert.

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Entscheidungsbäume dienen im Marketing zur Klassifizierung von Kunden. Wichtig dabei: Alle relevanten Merkmale müssen im Trainingsset bereits erfasst sein. Sonst ist der Baum unvollständig und liefert für neu zu klassifizierende Kunden möglicherweise falsche Ergebnisse. Im Beispiel hier können zwar bereits einige Künstlerpersönlichkeiten korrekt klassifiziert werden. Die Schauspielerin Veronika Ferres wäre allerdings noch als Anne-Sophie Mutter durchgegangen (keine Bildende Künstlerin, Frau). Das liegt daran, dass einfach noch zu wenige Merkmale erfasst sind.

die mit Mining verbunden ist, besteht in jedem Fall darin, dass immer nur eine Momentaufnahme entsteht. Aber Kunden behalten ihr Verhalten nicht unbedingt für längere Zeit bei. Neue Trends oder auch eine Veränderung der persönlichen Lebensumstände wirken sich aus und tragen dazu bei, dass die Käufer sich unter Umständen radikal umstellen. Die Mining-Ergebnisse sind damit hinfällig und nicht mehr länger brauchbar. In vielen Fällen werden sie jedoch als dauerhaft gültig angesehen. Der durch Mining „optimierte“ Shop ist solchermaßen unter Umständen schon seit längerer Zeit auf dem Holzweg und trifft auf kein Kundeninteresse mehr. Wie oft sollte mithin eine Data-Mining-Analyse wiederholt werden? Die Intervalle hängen davon ab, wie schnell sich die Kundenattribute ändern. So kann eine Bank zum Beispiel Vorhersagen mit Data Mining entwickeln, die für mehrere Monate effektiv sind. Bei Suchmaschinen im Internet wird hingegen

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die Erstellung von Prognosen auf wöchentlicher Basis erforderlich sein, da sich der Inhalt ständig verändert und immer wieder andere Online-Besucher mit neuen Eigenschaften auf die Website kommen. Auch das zu analysierende Endprodukt ändert sich bei einem Online-Auftritt (zum Beispiel ein Banner) häufiger als das einer traditionellen Bank (etwa ein Darlehen). ES IST DESHALB SINNVOLL, zur genaueren Beschreibung des Data Mining ein konkretes Beispiel zu betrachten. Mena beschreibt den Verlauf in Zusammenhang mit einem Online-Buchhändler.3 Data Mining ermöglicht im Internet-Buchhandel demnach folgende wichtige Einblicke in den Geschäftsverlauf: >Welche Bücher werden an welche Kunden verkauft? >Wer sind die Kunden und woher stammen sie? >Welche Kunden sind am profitabelsten? >Welche Faktoren beeinflussen die Online-Verkäufe?

>Wer kauft voraussichtlich welche Bücher? Für den Anfang verfolgt der Buchhändler mit Data Mining üblicherweise drei Ziele: Die Daten zu visualisieren, um nach signifikanten Trends oder versteckten Assoziationen zu suchen (1); die Daten aufzuteilen, um einmalige Klassen oder verschiedene Gruppierungen (so genannte Cluster oder auch Segmente) zu finden (2); die Daten zu modellieren, um das Verhalten von Online-Besuchern vorherzusagen (3). Visualisierung und Assoziationsanalyse Die Charakteristika seiner Kunden stellt der Internet-Bibliothekar dabei am besten erst einmal in Form eines Diagramms dar, um einen Überblick über seine Kundschaft zu bekommen. Visuelle Untersuchungen dieser Art helfen bestimmte demographische Eigenschaften aufzudecken, wie zum Beispiel, wer etwas kauft und wer nicht. Darüber hinaus geben sie dem

Web-Designer sowie dem Marketingteam des Buchhändlers Aufschluss darüber, welche Werbekampagnen, Preisangebote, „Incentives“ oder Buchangebote sinnvoll sind und wem sie angeboten werden sollten. Beispielsweise könnte ein Ergebnis der Visualisierung sein, dass die Kategorie „Science Fiction“ die begehrteste und damit wichtigste der Website ist. Bereits mit der Visualisierung werden verschiedene Beziehungen (Assoziationen) deutlich. Beispielsweise zwischen Buchkategorie und Altersgruppe (junge Leute kaufen Science Fiction, ältere möglicherweise eher Krimis). Im Data Mining werden solche Beziehungen am besten in Form von Netzdiagrammen visualisiert. Je stärker die Beziehung, desto dicker die Linien im Netz. Data Mining hat dabei umso mehr Vorteile und Gewicht, je umfangreicher und komplexer die zu analysierende Datenmenge ist. Das Data Mining einer gro-

Photo: Slawa Gu (stock.xchng)

Die „Click-Stream-Analyse“ macht deutlich, wie die Kundschaft sich durch das Online-Angebot bewegt. Sie dient in erster Linie der Verbesserung der Site-Struktur, so dass Besucherinnen und Besucher dadurch möglichst auf umsatzfördernde Maßnahmen gelenkt werden.

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ßen Website, wie der eines Online-Shops, erfordert in der Regel die Analyse von Hunderttausenden von Transaktionen. Clusterung und Segmentierung Jetzt geht es darum, sinnvolle Kundengruppen (Cluster) herauszufinden. Die Mitglieder einer solchen Kundengruppe werden gemeinsame Merkmale aufweisen und sich in gewisser Weise ähnlich verhalten. Data Mining bietet die Möglichkeit, über den so genannten Prozess der Selbstorganisation Gruppierungen in Datensätzen zu finden. Dies geschieht nicht auf Basis der menschlichen Intuition, sondern auf der Grundlage der Daten selbst, läuft mithin zunächst einmal automatisch ab. Selbstverständlich wird der Buchhändler später diese Cluster kritisch begutachten müssen und beurteilen, ob sie für seine Branche auch sinnvoll sind oder nicht. Die Maschine wird hier nur auf der Basis der Daten „Vorschläge“ machen können, die stimmig aber auch unter Umständen abwegig sein können. Anschließend können Regeln abgeleitet werden, welche die Eigenschaften der Klassen beschreiben. Auch mit Hilfe der Segmentierungs-Analyse können wichtige Gruppierungen der Buchhändler-Website sichtbar werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Segmentierung und Clusterung ist, dass es bei der Segmentierung Zielvorgaben gibt, bei der Clusterung jedoch nicht. Letztere stellt eher eine erforschende Analyse dar, bei der den Daten eine Selbstorganisation ermöglicht wird. Eine Segmentierung würde hingegen mit einer konkreten Fragestellung des Buchhändlers star-

Sequenzanalysen im Rahmen des „Web Usage Mining“ dienen dazu, Beziehungen zwischen Ereignissen zu erkennen. Im besten Fall wird für den Web-ShopBetreiber dabei deutlich, unter welchen Umständen Interessenten zu Käufern werden.

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ten; etwa mit „wer sind meine profitabelsten Kunden und wie können Sie angesprochen werden?“ Modelle Der vielleicht wichtigste Arbeitsschritt kommt aber erst: Das Erstellen eines Modells für das Kundenverhalten. Diese Data-Mining-Phase wird als Klassifizierung oder Vorhersage bezeichnet und umfasst das Feststellen und Kennenlernen von Kundeneigenschaften und ihrem Online-Verhalten. Wie die Segmentierung untersucht auch die Klassifizierung das Kundenverhalten und die Neigung der Kunden, auf ein Werbe-Banner zu klicken oder einen OnlineKauf zu tätigen. Zur Vorhersage des Verhaltens von Online-Besuchern wird auch Data-Mining-Software eingesetzt, die neuronale Netze beinhaltet. Das sind Modelle, die selbstständig Muster in großen Datenbeständen erkennen können, wenn man sie mit Beispieldaten „trainiert“. So werden viele Details im Kundenverhalten offensichtlich, bis schließlich ein geschlossenes Gesamtbild entsteht, das eine bestimmte Kundengruppe gut beschreibt. Die Details tragen unterschiedlich zum Kundenverhalten bei, weshalb sie gewichtet werden müssen. So entsteht letztlich eine Formel für eine homogene Kundengruppe, mit der auch deren zukünftiges Verhalten eingeschätzt werden kann. Auf dieser mathematischen Grundlage kann der Buchhändler gezielt E-Mail-Kampagnen starten und nur den Personen Buch-Neuerscheinungen anbieten, die sich voraussichtlich am meisten dafür interessieren und daher natürlich am ehesten auch zum Kauf neigen.

Die Untersuchung mit neuronalen Netzen heißt auch Sensitivitätsanalyse. Sie gibt dem Buchhändler Aufschluss über die Faktoren, die seine Online-Verkäufe maßgeblich beeinflussen. Das könnten beispielsweise Buchkategorie, Alter und Geschlecht der Käufer sein. Neben den neuronalen Netzen sind auch andere Methoden zur Klassifizierung geeignet. Entscheidungsbäume beispielsweise dienen ebenfalls dazu, eine Menge von Daten in mehrere vordefinierte Klassen aufzuteilen. Dabei wird eine Struktur geschaffen, bei der zur Klassifizierung eines Kunden mit unterschiedlichen Eigenschaften (männlich, 45 Jahre, mittleres Einkommen etc.) an der „Baumwurzel“ begonnen wird und solange Abfragen durchgeführt werden, bis ein „Blatt“ des Entscheidungsbaumes erreicht ist, das die Klassifizierung des Kunden angibt. Meistens wird mit Hilfe einer ausgewählten Menge an Daten, dem so genannten Trainingsset, ein Baum generiert, der dann mit weiteren Daten so lange getestet wird, bis eine vorher festgelegte Güte erreicht ist oder aber keine falsch klassifizierten Testdaten mehr auftreten. Für neue, bisher noch nicht betrachtete Objekte können aber natürlich immer wieder auch falsche Ergebnisse auftreten. Christian Ammer gibt ein gut nachvollziehbares Beispiel, wie ein solcher Entscheidungsbaum prinzipiell funktioniert.4 Der Baum wird dabei mit einem Trainingsdatensatz erstellt, der mehrere Tierarten (beispielsweise: Goldfisch, Bär und Reh) mit unterschiedlichen Eigenschaften beinhaltet. Die erste

davon, wird gleich an der „Wurzel“ des Entscheidungsbaumes abgefragt: Haustier, ja oder nein. Für alle Tiere, die in die Kategorie „Kein Haustier“ fallen, wird abgefragt: Allesfresser, ja oder nein. Für alle Haustiere wird dagegen abgefragt: Fell, ja oder nein. Jetzt kann bereits der Goldfisch eingeordnet werden (Haustier, kein Fell). Auch der Bär und das Reh sind bereits klassifiziert (Reh, kein Haustier, kein Allesfresser; Bär, kein Haustier, Allesfresser). Ein bis jetzt unbekanntes Tier kann probeweise durch das von der „Wurzel“ beginnende Durchlaufen des Entscheidungsbaums klassifiziert werden. Ein Löwe (kein Haustier, kein Allesfresser) würde in dieser Phase allerdings noch als Reh identifiziert werden. Das liegt daran, dass der Baum natürlich noch lange nicht fertig ist. Tiere sind ja durch wesentlich mehr Merkmale ausgezeichnet. Bei diesem Beispiel handelt es sich zudem um den Spezialfall des binären Baumes, das heißt an jedem Knoten wird nur zwischen zwei Werten unterschieden (Allesfresser, ja oder nein). Grundsätzlich können aber auch beliebig viele mehrwertige Knoten in einem Entscheidungsbaum vorkommen. Hier im Tier-Beispiel möglicherweise zur Unterscheidung von Fleischfressern, Pflanzenfressern und Allesfressern. INTERESSANTESTER ANWENDUNGSBEREICH des Data Mining für die Online-Marktforschung ist das so genannte „Web Usage Mining“.5 Es wird mit dem Ziel der automatischen Entdeckung von Zugriffsmustern betrieben, meist für einen, teilweise auch für

Data-Mining-Untersuchungen beschränken sich längst nicht nur auf den OnlineBereich. So manche Ladenstraße analysiert die Wege ihrer Kunden ganz genau. Die amerikanische Handelskette Wal Mart beispielsweise praktiziert Data Mining in großem Stil. Jede der 2.900 Filialen wird wöchentlich in Bezug auf die Produktnachfrage analysiert. Dabei werden mehr als 700 Millionen Filiale-Produkt-Kombinationen ausgewertet und zu Prognosen zusammengefasst. Damit entsteht ein differenzierteres Bild vom Kaufverhalten der Kunden.

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mehrere zusammengehörende Webserver. Mit den gewonnenen Ergebnissen versuchen die Betreiber von Websites, ihre Inhalte möglichst an die Bedürfnisse der Besucher anzupassen. Häufig verwendete und schon lange auf dem Markt befindliche AnalyseSoftware wie beispielsweise von OpenMarket oder NetGenesis zielen nach wie vor hauptsächlich auf die Technik ab. Mit übersichtlichen Auswertungsdiagrammen ermöglichen sie eine Auswertung von Log-Dateien zur Ermittlung von Server-Zugriffszahlen, -zeiten und –intervallen. Erst in den letzten Jahren kommen auch hoch entwickelte Systeme zur Erkennung von Benutzerverhalten auf den Markt. Aus den analysierten Log-Dateien können damit dann typische Navigationspfade der Besucher durch eine Website identifiziert werden. Sind häufig auftretende Muster im Benutzerverhalten erst einmal entdeckt, kommen so genannte „Pattern Analysis Tools“ zum Einsatz, die bei der Visualisierung, für das Verständnis und für die Interpretation dieser aufgedeckten Muster hilfreich sind. Auch für den Online-Handel gilt dabei: die Erzielung eines möglichst hohen Umsatzes steht im Vordergrund. Die Beobachtung von Seitenzugriffen und das Auffinden typischer Pfade durch die Website („Click-StreamAnalyse“) sollten daher in erste Linie zur Verbesserung der Site-Struktur dienen, so dass die Besucher dadurch möglichst auf umsatzfördernde Maßnahmen gelenkt werden. Ein erster Schritt des Web Mining ist dazu die Sequenzanalyse. Sie erlaubt es, häufig vorkommende Pfade beim Zugriff auf Web-Seiten zu erkennen. Als Ergebnis werden daraus Regeln etwa folgender Art generiert: Vierzig Prozent der Kunden, die auf der WebSeite „Produkt bezahlen“ waren, haben anschließend die Seite „Hilfe“ aufgerufen. Siebzig Prozent dieser Besucher haben daraufhin die Site verlassen. Mithin kamen die Kunden offensichtlich mit dem Bezahlmo-

dus nicht zu Recht. Ein anderes Beispiel: Ein E-Commerce-Anbieter weist auf seiner Homepage zweimal auf ein neues Produkt in seinem Sortiment hin. Einmal führt die Homepage den Kunden auf eine werbewirksame Präsentation des Produktes (1) und zum anderen bekommt der Interessent nur eine nüchterne Beschreibung zu Gesicht, bei der allein die technischen Daten im Vordergrund stehen (2). Beide Wege enden auf einer Seite, die den Erwerb des Produkts erlaubt. Welchen Weg wählen die Kunden? Die Sequenzanalyse visualisiert das Datenmaterial. Häufige gefundene Pfade werden markiert. Jetzt stellt sich noch die Frage nach möglichen Assoziationen. Gibt es eindeutige Wechselwirkungen zwischen den Dokumenten in einem Web-Angebot? Mit Hilfe verschiedener Algorithmen werden innerhalb von Websites Korrelationen herausgefunden, bei denen das Aufrufen einer Seite den späteren Aufruf einer anderen Seite mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach sich zieht. Ein Ergebnis könnte so aussehen: Siebzig Prozent der Benutzer, die Weg (1) gewählt haben, kaufen auch das Produkt. Die werbewirksame Aufbereitung hat mithin ihr Ziel erreicht und ist der nüchternen technischen Präsentation überlegen. Jetzt kann zusätzlich noch nach Mustern in den sequenziellen Abläufen gesucht werden. Damit kommt dann noch eine zeitliche Komponente zur Analyse mit hinzu. Sequenzielle Muster zielen darauf ab, innerhalb eines festgelegten Zeitraumes Beziehungen zwischen Ereignissen zu erkennen. Ein Beispiel: 25 Prozent der Kunden (ein erkleklicher Anteil), die zu einem Zeitpunkt die Produkte A und B eingekauft haben, haben zu einem späteren Zeitpunkt auch das Produkt C gekauft. Sobald A und B gekauft wird, sollte mithin sofort der Hinweis auf Produkt C erfolgen. Sonst kauft der Kunde möglicherweise die benötigte Ware woanders.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Natürlich sollten die Kunden auf diese Technik explizit hingewiesen werden und auch die Möglichkeit haben, ihre Zustimmung zu verweigern. Schließlich werden bei der Cookie-Technik Dateien auf die private Festplatte des jeweiligen Kunden geschrieben, was durchaus als Eingriff in die Privatsphäre verstanden werden kann. 2 Vgl. Mena, J.: Data Mining und E-Commerce, Wie Sie Ihre Online-Kunden besser kennen lernen und gezielter ansprechen, Düsseldorf 2000, S. 38 3

ebenda S. 41ff. Vgl. Ammer, C.: Einsatzmöglichkeiten von Data Mining im E-Commerce Bereich, Diplomarbeit am Studiengang 4

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für Betriebswirtschaftslehre der Univers. Augsburg 2001, S. 51ff. 5 Web Usage Mining ist ein Teilbereich des so genannten Web Mining. Weitere Teilbereiche sind das Web Content Mining und das Web Structure Mining, bei denen es aber mehr um Inhalte und Suchalgorithmen geht. Der Begriff des Web Mining ist mit Data Mining gleichzusetzen mit der Einschränkung, dass es bei der Web-Variante in erster Linie um Daten aus dem Internet geht. Vgl. dazu auch das ausgezeichnete Buch von Hippner H. u. a.: Handbuch Web Mining im Marketing. Konzepte, Systeme, Fallstudien, Vieweg 2002

Online-Befragungen Bei Befragungen im Web muss vor, während und nach der Aktion Kontrolle sein, um die Qualität zu sichern. Auch ethische und rechtliche Regeln gilt es einzuhalten.

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ie eigene Website als Marktforschungsplattform bleibt von vielen Unternehmen noch ungenutzt. Dabei bietet sie durchaus Potenzial, Kundenwünsche zu analysieren und den eigenen Service zu verbessern. Ein Beispiel: Im Jahr 2003 führte die S-ConVia AG in zwei Aktionen auf rund 170 Sparkassen-Websites Online-Befragungen durch. Die Teilnehmer waren Nutzer des Sparkassen-Web-Angebots. Im Ergebnis sammelte das Unternehmen rund 80.000 Meinungen von Sparkassen-Kunden. Sie demonstrierten damit eine überwältigende Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit durch Lob und konstruktive Kritik an den Angeboten und Serviceleistungen der eigenen Sparkasse. Neben den bisherigen Fragebögen hat die

S-ConVia einen Fragebogen zum Thema „Online-Banking“ entwickelt. Damit soll allen interessierten Sparkassen ein weiterer Baustein zur Stärkung der Kundenkommunikation und Kundenbindung an die Hand gegeben werden. 80.000 Kundenmeinungen sind ein

80.000 Kundenmeinungen sind ein Pfund Pfund, mit dem jede Sparkasse für geschäftspolitische Planungen wuchern kann. Hinzu kommt, dass die direkte Kommunikation mit Sparkassen-Kunden hilfreich

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für die Anpassung bzw. den Ausbau des Produktportfolios ist oder auch zur Optimierung und Qualitätssicherung bestehender Leistungen herangezogen werden kann. Zum einen erhalten die Sparkassen dabei originäre Informationen, zum anderen fühlen sich die Kunden ernst genommen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse können Leistungen zielgerichtet an Kundenbedürfnisse angepasst werden. Die S-ConVia AG ist eine Tochter des Deutschen Sparkassen Verlags in Stuttgart, die auf „Content“ und E-Services von OnlineMedien spezialisiert ist.1 Für Online-Befragungen gelten grundsätzlich dieselben methodischen Anforderungen wie für wissenschaftliche Umfragen, die mittels persönlich-mündlicher, telefonischer oder schriftlicher Interviews durchgeführt werden. Wer bei Online-Kundenbefragungen alles richtig machen will, richtet sich nach den „Qualitätsstandards für Online-Befragungen“, die im Mai 2001 vom Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM), der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. (ASI), dem Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. (BVM) und der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung e.V. (D.G.O.F.) herausgegeben wurden. Der Begriff Online-Befragungen umfasst dabei Befragungen, bei denen die Teilnehmer > den auf einem Server abgelegten Fragebogen im Internet online ausfüllen, > Fragebögen von einem Server herunterladen und per E-Mail zurücksenden oder > Fragebögen per E-Mail zugeschickt bekommen und zurücksenden. Die Qualitätsstandards sollen sicherstellen, dass die Befragungen repräsentativ sind. Dazu muss sich die Auswahl der Teilnehmer auf eine sachlich, regional und zeitlich klar definierte Grundgesamtheit beziehen. Die Personen müssen auf der Grundlage eines eindeutig definierten Auswahlverfahrens individuell angesprochen werden. Die Selbstselektion der Teilnehmer ist möglichst zu vermeiden – Personen sollten aktiv zur Befragung eingeladen werden. Ganz wichtig: Die

Deutschland ist noch von Telefonbefragungen geprägt kontinuierliche Pflege und Aktualisierung der erforderlichen Adressdaten. Darüber hinaus sollte verhindert werden, dass Mehrfachbefragungen innerhalb kurzer Zeiträume erfolgen. Vorteile von Online-Kundenbefragungen: Bei der Datenerhebung entfallen Interviewerkosten, da die Teilnehmer die Fragebögen selbst ausfüllen. In der

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Die „w3b“-Umfrage von Fittkau & Maas gehört zu den bedeutendsten Online-Befragungen im Web. Ca. 100.000 Web-Surfer nehmen teil und geben Auskunft über ihre InternetNutzungsgewohnheiten. Mitmachen kann dabei wer will. Auf die Befragung wird durch Schaltung von Werbe-Bannern auf diversen Web-Seiten aufmerksam gemacht.

anonymen Befragungssituation sind die Teilnehmer offener und ehrlicher. Online-Befragungen eignen sich daher auch für sensible Themen. Hinzu kommt die breite regionale Streuung der Zielgruppen. Die Daten stehen außerdem direkt nach Beendigung der Feldphase zur Analyse bereit. Der Zugriff auf vorselektierte Zielgruppen (Panels) ist kostengünstig und multimediale Elemente (Werbefilme etc.), Interaktion sowie Reporting in Echtzeit sind möglich. Die Teilnehmer von Online-Access-Panels sind oft auskunfts- und innovationsfreudig. Nachteile: Nachfragen/Tiefeninterviews sind nicht möglich. Ältere Zielgruppen sind weniger gut erreichbar. Im Schnitt sind rund 60 Prozent der

Deutschen online (sechs von zehn Haushalten verfügen über einen Online-Zugang). Doch bei den über 60-Jährigen sinkt diese Quote auf etwa 30 Prozent. Die Online-Stichprobenbasis ist eingeschränkter als bei klassischen Marktforschungsansätzen. Außerdem ist die „Awareness“ für Online-Marktforschung noch nicht groß genug. „Direktmarketer“ vernachlässigen dieses Medium der Zielgruppenforschung bislang. Online-Marktforschung wird sich voraussichtlich erst in den nächsten Jahren voll entfalten, Deutschland ist nach wie vor noch von traditionellen „Face-to-Face“Ansätzen und Telefonbefragungen geprägt.2 Drei Herausforderungen müssen im Prinzip bei der Durchführungen von Online-Befragungen bewältigt werden: Potenzielle Teilnehmer anzusprechen, diese zum Ausfüllen zu motivieren und schließlich noch die Qualität und Verwertbarkeit der Ergebnisse zu kontrollieren. ANSPRACHE POTENZIELLER TEILNEHMER Die Teilnehmeransprache ist eines der größten Probleme bei Web-Befragungen, denn im Netz entscheiden die Nutzer selbst, mit welchen Inhalten sie sich beschäftigen wollen („Pull“-Prinzip). Die gezielte Ansprache ist deshalb unmöglich.3 Es verbleiben zwei Möglichkeiten: Einmal die ungezielte Ansprache und zum zweiten die gezielte Ansprache über anderen Medien, die wie bereits weiter oben angesprochen, in jedem Fall die zu bevorzugende Methode ist. Internet-Surfer können auf drei verschiedene Arten indirekt angesprochen werden. Zunächst bietet sich die Multi-Link-Methode an. Auf mehreren Web-Seiten werden hierbei z. B. Werbe-Banner geschaltet, um auf die Befragung im Internet hinzuweisen. Berühmtestes Beispiel: Die W3B-Umfrage der Fittkau & Maaß GmbH. Sie gilt als eine der wichtigsten Meinungsumfragen im deutschsprachigen Internet. Vorbild sind die internationalen Web-Umfragen der Georgia Tech Research Corporation, die so genannten „GVU-Surveys“. Wie dort werden auch bei W3B online Internet-Nutzungsgewohnheiten befragt. Teilnehmen kann wer will. Im

Bei Befragungen per E-Mail den Eindruck vermeiden, es handele sich um Werbung Frühjahr 1998 wurde die sechste Meinungsumfrage erstmalig europaweit durchgeführt – in insgesamt neun Sprachen. Den bisherigen Teilnehmerrekord erreichte allerdings die 17. W3B-Umfrage im Herbst 2003 mit 117.467 Internet-Nutzern. Die erste Umfrage verdeutlichte 1995, dass das deutschsprachige Web fast ausschließlich von Männern genutzt wurde;

Wird bei einer Internet-Befragung Repräsentativität innerhalb einer bestimmten Nutzergruppe angestrebt, ist die Methode der gezielten Ansprache über anderen Medien anzuwenden. Die Probanden werden dabei am besten per E-Mail darüber informiert, dass eine Online-Befragung ansteht. Der Vorteil besteht darin, dass bereits nach kurzer Zeit beurteilt werden kann, ob bezüglich der Teilnahme die Aktion ein Erfolg oder Misserfolg werden wird.

gerade mal 6,2% Frauen hatten das Online-Medium bis zu diesem Zeitpunkt für sich entdeckt. Heute liegt der Anteil der Frauen bei 46,3%. Auch die Altersverteilung der Online-Nutzer hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Die einst stärkste Altersgruppe der 20- bis 30-jährigen nimmt prozentual immer weiter ab (1995 62,6%, derzeit 24,0%). Heute sind die 30bis 39-jährigen die eifrigsten Web-Surfer. Die größten Zuwächse fanden in den letzten Jahren allerdings bei den Internet-Nutzern über 50 Jahre statt. Von 2,5% in 1995, 11,9% in 1999 zu 20,1% in 2004 (mehr zu W3B findet sich unter www.w3b.de). Bei der Single-Link-Methode wird ganz bewusst

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Die Virtual Reality Modelling Language (VRML) erlaubt die Darstellung dreidimensionaler Szenen. Geht es bei der OnlineBefragung etwa um die Bewertung eines Produkts, lässt sich der Gegenstand im virtuellen Raum mit VRML von allen Seiten anschauen.

darauf verzichtet, eine Befragung großflächig zu bewerben. Wegweiser finden sich im Internet einzig und allein auf einer Web-Seite. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich immer dann, wenn Popularität eher stört und ganz bestimmte Zielgruppen gesondert befragt werden sollen. Beispiele sind Feedback- und Beschwerde-Systeme im Web. Die dritte Möglichkeit der ungezielten Ansprache basiert auf dem Zufallsprinzip. Sie kann mit zwei Methoden realisiert werden: der Methode des n-ten Besuchers und der Zufallszahlmethode. Im ersten Fall wird beim n-ten Site-Besucher ein zusätzliches BrowserFenster eingeblendet, das auf die Befragung hinweist. Alle anderen erfahren davon nichts. Bei der Zufallszahlmethode wird ein zusätzliches Browser-Fenster immer dann eingeblendet, wenn eine produzierte Zufallszahl einen fest definierten Schwellenwert über-

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Während der Befragung können online Qualitätskontrollen durchgeführt werden schreitet. Gleichgültig welche Methode konkret angewendet wird, das Zufallsprinzip hat einen wichtigen Vorteil: höhere Repräsentativität. So wird beispielsweise der befragte Anteil der so genannten IntensivNutzer geringer ausfallen als bei den Link Methoden, was zu einer ausgewogeneren Stichprobe führt. Auch ist die Repräsentativität hier messbar. Allerdings ist die einzige Möglichkeit für eine WWWBefragung eine mathematisch fundierte, rechnerisch repräsentative Stichprobe zu gewinnen, die gezielte

Der klassische Fragebogen darf bei einer OnlineAktion nicht einfach eingescannt und ins Netz gestellt werden. Wichtig ist die spezifischen Stärken des Internet zu nutzen. So ist zum Beispiel die dynamische Anpassung möglich: Trifft etwas auf die befragte Person nicht zu, werden Folgefragen erst gar nicht gestellt.

Die wirksame Kontrolle auf Mehrfachausfüller ist wichtig Ansprache über andere Medien. Potenzielle Probanden werden hierbei aus Listen ausgewählt und per EMail, Fax, Post oder Telefon informiert, mit der Bitte um Ausfüllen des Fragebogens im Internet. Voraussetzung ist dabei natürlich das Wissen oder wenigstens die begründete Annahme, dass die Probanden über geeignete Zugangsmöglichkeiten zum Web verfügen. Online-Befragungen die für die Zielgruppe der Internet-Nutzer insgesamt Anspruch auf Repräsentativität erheben, sollten gegenwärtig auf der Grundla-

ge einer Offline-Auswahl der Teilnehmer durchgeführt werden. Online liegt einfach keine vollständige und aktuelle Liste aller Internet-Nutzer vor und es kann auch auf keine typischen Websites zurückgegriffen werden, deren Besucherstrukturen für die der Internet-Nutzer insgesamt repräsentativ wären.4 Die beste Methode die Teilnehmer zu informieren, ist ohnehin das Anschreiben per E-Mail. Ganz wichtig hierbei ist zu beachten, dass auf jeden Fall der Eindruck vermieden wird, es handele sich um Werbung.5 MOTIVATION DER TEILNEHMER Dass Online-Fragebögen allgemein verständlich formuliert werden, sollte klar sein. Auch dass ein Mix aus Themen und Methoden für Abwechslung sorgt und die Teilnehmer motiviert, ist selbstverständlich.6 Lediglich auf eine Befragung hinzuweisen, reicht allerdings auch dann

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nicht aus. Besonders nicht im World Wide Web, da es sich um ein unpersönliches, anonymes Medium handelt. So manche Befragung ist dort schon mit einem ernüchternden Ergebnis verlaufen. Zwei Dinge helfen, die angeschriebenen Personen zusätzlich zu motivieren, den Fragebogen auszufüllen. Wesentliches Instrument sind dabei Belohnungssysteme. Es müssen unbedingt Anreize geschaffen werden – sollte eine Befragungsaktion nicht mit einem entsprechenden Budget ausgestattet sein, ist das Scheitern vorprogrammiert. Belohnungen dürfen allerdings auch nicht zu hoch angesetzt werden, sonst treten „Schnäppchenjäger“ auf den Plan. Um diese nicht überproportional zu berücksichtigen, sollten „Incentives“ nur im Rahmen einer Aufwandsentschädigung angeboten werden. Auch die Motivation durch optimale Gestaltung des Fragebogens kann dazu beitragen, dass mehr Befragte online zum Ausfüllen bereit sind. Die allgemeinen methodischen Anforderungen, die an die Gestaltung von Fragebögen sowie die Abfolge und Formulierung von Fragen bei herkömmlichen Befragungstechniken zu stellen sind, gelten sowieso auch für OnlineBefragungen. Hier ist ihre Beachtung allerdings von besonderer Bedeutung, da die Befragten sich ohne Hilfe eines Interviewers im Fragebogen zurechtfinden, die Fragen verstehen und angemessen beantworten müssen. Online-Fragebögen müssen auch für den weniger erfahrenen und sachkundigen Internet-Nutzer zu handhaben sein. Deshalb sollten ihre spezifischen technischen Möglichkeiten wie zum Beispiel optisch hervorgehobene Buttons und vordefinierte Eingabefelder genutzt werden.7 Audio-, Video-Daten und Animationen können eingebunden werden. „PlugIns“ wie QuickTime, VRML, Shockwave können zum Einsatz kommen. Online-Fragebögen werden dadurch wesentlich lebendiger und das Bearbeiten kann den Probanden sogar Spaß machen. Die Virtual Reality Modelling Language (VRML) beispielsweise ist eine Skriptsprache, die es erlaubt, dreidimensionale Szenen darzustellen. Geht es bei der Online-Befragung etwa um die Bewertung einer Produkt-Verpackung,

Die Erhebung von AdressDaten dient bei der OnlineBefragung ausschließlich zur Qualitätskontrolle. Adressund Interview-Daten müssen unmittelbar nach Eingang voneinander getrennt werden. Die Adress-Daten sind zu vernichten, wenn die Qualitätskontrollen der erhobenen Daten abgeschlossen sind (bei Einmal-Befragungen) oder wenn die Gesamtuntersuchung abgeschlossen ist (bei Wiederholungs-Befragungen).

Die Standesregeln der Marktforschung sind justiziabel Photo: stockxpert

lässt sich die Schachtel im virtuellen Raum mit VRML von allen Seiten anschauen. Ein umfassender Eindruck entsteht – durchaus vergleichbar mit der Realität. Benötigt wird dazu allerdings ein geeigneter Browser oder ein „PlugIn“. Nachteil dabei: Der Befragte verfügt möglicherweise nicht über die entsprechende Ausstattung und muss erst gebeten werden, sich die Zusatz-

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Software auf seinen PC zu laden. Hinzu kommt: Je aufwendiger die Animation, desto länger die Ladezeit, was den gesamten Prozess unter Umständen so sehr verlangsamt, dass der Proband genervt aufgibt. Es muss mithin ein geeigneter Kompromiss zwischen sinnvoller und anspruchsvoller Gestaltung gefunden werden. Mindestanforderung in diesem Zusammenhang: Der Fragebogen sollte sowohl mit unterschiedlichen Betriebssystemen als auch Browser-Fabrikaten und Browser-Versionen problemlos bearbeitet werden können. Auf der Seite des Befragers ist darüber hinaus sicherzustellen, dass die Internet-Anbindung des Servers, auf dem die Befragung läuft, zu jedem Zeitpunkt der Befragung ausreichende Kapazitäten vorhält.8 KONTROLLE Das dritte Problemfeld der Online-Befragung ist durch die zahlreichen Kontrollen gegeben, die im Internet einfach sein müssen. Kontrollen sind dabei vor, während und nach der Befragung angezeigt.9 Den Kreis der Teilnehmer gezielt durch die Vergabe von Passwörtern einschränken, kann ein empfehlenswerter Kontrollmechanismus vorab sein. Er spielt immer dann eine Rolle, wenn innerhalb eines Nutzerkreises Repräsentativität angestrebt wird oder der Teilnehmerkreis auf eine spezifische Zielgruppe eingeschränkt werden soll. Vor allem aber während der Befragung können im Online-Umfeld effizient Qualitätskontrollen durchgeführt werden. Hier unterscheidet sich der professionelle Ansatz vom Amateur-Fragebogen einfach dadurch, dass im Internet eben nicht nur eine eingescannte Offline-Version an die Probanden übermittelt wird. Fragebögen in Papierform haben nämlich den Nachteil, dass es sich um starre Gebilde handelt. Gleichgültig was geantwortet wird, Reihenfolge und Inhalt der Fragen sind fest vorgegeben. Möglich sind allenfalls Hinweise, dass bei Nichtzutreffen bestimmte Fragenkomplexe übersprungen werden können – was aber meist zu mehr Verwirrung als bei starr vorgegebener Reihenfolge führt. Ganz anders im Online-Umfeld. Hier kann die nächste Frage von der Antwort des Befragten abhängig gemacht werden. Wird beispielsweise die Angabe gemacht, dass in den nächsten zwölf Monaten kein Budget für Investitionen vorhanden ist, taucht die Frage nach der Höhe des Budgets online erst gar nicht auf. Es erfolgt mithin eine dynamische Anpassung im Sinne einer Filterführung. Online können auch Plausibilitätsprüfungen eingebaut werden. Passt die Postleitzahl zum eingegebenen Ort oder sind es nur drei Ziffern, die der Befragte eingetippt hat? Auch absichtliche Falscheingaben können bereits bei der Eingabe zumindest zum Teil abgefangen werden, indem beispielsweise die Antwortzeit für den Fragebogen oder einen Fragenkomplex gemessen

Kontrollen müssen bei InternetBefragungen einfach sein. Sonst kann es schon einmal vorkommen, dass sich „ein Schelm“ einen Spaß daraus macht, tausende von Fragebögen zurückzusenden und damit die Server lahm zu legen. Ohne Kontrollmechanismen ist auch die Repräsentativität der Fragebogenaktion fragwürdig. Sinn macht Kontrolle vor, während und nach der Befragung, wobei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung kommen.

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wird. Ist die Zeit einfach zu kurz, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass willkürliche Eingaben erfolgt sind, um der befragenden Einrichtung unbrauchbares Material unterzuschieben. Auch nach der Befragung sind fest eingebaute Kontrollen hilfreich. Nicht selten enden Online-Befragungen in einer Flut von Zusendungen, die einfach von einem „Scherzbold“ im Netz automatisch erzeugt worden sind. Je nachdem wie gut die Fälschungen gemacht sind, ist es bisweilen unmöglich, brauchbares Material herauszufiltern. Damit ist das gesamte Projekt gescheitert. In diesem Zusammenhang ist eine wirksame Kontrolle auf Mehrfachausfüller wichtig. Hier könnten beispielsweise die IP-Nummern der übermittelnden Rechner gespeichert werden oder auch Zeitfenster gesetzt werden.10

Auch Online-Befragungen unterliegen den ethischen und rechtlichen Grundlagen der Markt- und Sozialforschung. So ist beispielsweise die Teilnahme grundsätzlich freiwillig. Die Datenerhebung erfolgt anonymisiert und die Weitergabe von Adressmaterial ist selbstverständlich ausgeschlossen.

UM DIE QUALITÄT EINER ONLINE-BEFRAGUNG erkennen zu können, sollte die begleitende Dokumentation folgende Angaben beinhalten: 11 > Name des Auftraggebers der Befragung > Eventuell der Name des die Befragung durchführenden Instituts > Aufgabenstellung der Befragung > Zielgruppe der Befragung (Grundgesamtheit) > Stichproben-Methode > Zahl der befragten Personen > Befragungszeitraum > Stichproben-Ausschöpfung > Art und Umfang der Feldkontrollen > Statistische Fehlertoleranz der Ergebnisse (bei Zufallsauswahl) > Gewichtung (Quellen, Sollvorgaben, Verfahren) > Auch den Fragebogen selbst beifügen Wie für Befragungen generell, so }gelten auch für die Online-Projekte ethische und rechtliche Rahmenbedingungen. Sie sind z. B. im so genannten „IHK/ESOMAR Internationaler Kodex für die Praxis der Markt- und Sozialforschung“ festgehalten.12 Gerade im Bereich der Online-Befragungen gibt es Quereinsteiger, denen die Regeln der Markt- und Sozialforschung nicht bekannt sind. Die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Anonymisierung der erhobenen Daten und die strikte Trennung von Forschung und forschungsfremden Tätigkeiten bilden die ethischen und rechtlichen Grundlagen der Markt- und Sozialforschung.13 Befragende Unternehmen sollten die Teilnehmer bereits während der Rekrutierung auf die Freiwilligkeit hinweisen. Nicht fehlen darf der Hinweis, dass alle Angaben in anonymisierter Form verwendet werden. Besuchern, die nicht an der Befragung teilnehmen wollen, muss es z. B. durch Klicken eines gut sichtbaren Buttons problemlos möglich sein, auf die ursprünglich gewünschte Website zu gelangen. Selbstredend schließt

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Photo: johannalg (stock.xchng)

die Freiwilligkeit der Teilnahme auch das Recht der Befragten ein, einzelne Fragen nicht zu beantworten. Sofern nicht zwingend benötigte Pflichtfelder betroffen sind, sollten mithin ausgefüllte Fragebögen auch dann online zurückgeschickt werden können, wenn sie lückenhaft sind. Auch für das Belohnungssystem sollten Rückantworten dieser Art in vollem Umfang in Frage kommen. Das Interview muss zu jedem Zeitpunkt abgebrochen werden können. Von der entsprechenden Website muss weggeklickt werden können, ohne dass beispielsweise „aufpoppende“ neue Browser-Fenster dies erschweren. Allenfalls erlaubt ist die Nachfrage nach dem Grund des Abbruchs. Die Gewinnung von Daten ohne Kenntnis der Befragten, wie das scriptgesteuerte Auslesen von Browser-Informationen und das Setzen von Cookies, sind nur zulässig, wenn sie zum Erreichen des Forschungszwecks der Online-Befragung unerlässlich sind. Die Befragten sollten darüber vor Beginn des Interviews informiert werden und darin einwilligen. In methodisch begründeten Ausnahmefällen kann die Einwilligung auch erst während des Interviews eingeholt werden. Online erhobene Daten dürfen nur in anonymisierter Form verarbeitet und weitergegeben werden. Die Erhebung von Adress-Daten der Teilnehmer dient dabei ausschließlich zur Qualitätskontrolle sowie zur Durchführung von Wiederholungs-Befragungen. Adress- und Interview-Daten müssen unmittelbar nach Eingang voneinander getrennt werden, wobei die Adressdaten baldmöglichst zu vernichten sind. Wann ist das der Fall? Bei Einmal-Befragungen, wenn die Qualitätskontrollen der erhobenen Daten abgeschlossen sind; bei Wiederholungs-Befragungen werden die Adress-Daten bis zum Abschluss der Gesamtunter-

suchung aufbewahrt. Ist eine Folge- oder Wiederholungs-Befragung geplant, muss spätestens am Ende des ersten Interviews den Befragten zusammen mit dem Einholen der Einwilligung in die notwendige Speicherung der Adress-Daten eine, mit den obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz vereinbarte, „Erklärung zum Datenschutz“ angezeigt werden. Diese sollte ausdruckbar sein. Die Option sollte deutlich werden, dass die weitere Teilnahme abgelehnt werden kann. In jedem Fall ist die temporäre Speicherung der erhobenen Daten auf einem Server frühest möglich zu beenden. Dritte sollten nicht auf die Daten zugreifen können. Wissenschaftliche Befragungen und andere Forschungsinstrumente dürfen nicht mit werblichen oder verkaufsfördernden Aktivitäten verbunden werden. So ist zum Beispiel die Banner-Werbung auf den Websites von Befragungen unzulässig. Das schließt selbstverständlich nicht den Fall ein, dass potenzielle Teilnehmer mittels Banner auf die Befragung aufmerksam gemacht werden. Auch die Teilnehmer von Online-Panels dürfen nicht mit gezielten Werbeangeboten konfrontiert werden. Die Zusendung von Testprodukten zum Zwecke der Forschung stellt dabei keine Werbung oder Verkaufsförderung dar. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: auch durch die Abgabe von „Incentives“ darf keine Werbung für Produkte und Dienstleistungen des Auftraggebers oder eines anderen Unternehmens betrieben werden. Die Standesregeln der deutschen Markt- und Sozialforschung sind das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und dem Recht auf Forschung. Sie sind als so genannte Verkehrssitte justiziabel.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Oberorfer, A. u. a.: Betriebswirtschaftliche Blätter, April 2004, Nr. 04, S. 197 2

Vgl. Gohr, S.: Online-Kundenbefragungen, Direct Marketing 06, 2005

8

Vgl. ebenda, S. 53

9

Vgl. Bliemel, F. u. Theobald, A.: Marktforschung im Internet, in: Weiber, R. (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 239 - 260, S. 253ff.

3 Vgl. Pitkow u. a.: Using the Web as a Survey Tool, in: Computer Networks and ISDN Systems, 27 (1995), S. 809 - 822

10

4 Vgl. Wiegand, E. (12/2001): Direkt Marketing, Heft 12/2001, S. 52f., S. 52

11

Einen sehr guten Einblick über die möglichen Verfahren bietet Janetzko: Statistische Anwendungen im Internet, München 1999 Vgl. Wiegand, E. (12/2001), a. a. O., S. 53

12

Vgl. Frost, F.: Electronic Surveys, 27th EMAC Conference, Stockholm, 1998

Im Internet abrufbar unter www.adm-ev.de/pdf/Datenschutz_2005.pdf, abgerufen am 03.03.06

6

Vgl. Wiegand, E. (12/2001), a. a. O., S. 52

13

7

Vgl. ebenda

5

Vgl. Wiegand, E.: Direkt Marketing, Heft 11/2001, S. 42-44

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Conjoint-Analyse Das Internet und der Erfolg der Online-Marktforschung in den 90-er Jahren haben der leistungsfähigen Online-Conjoint-Analyse zum Durchbruch verholfen. Mit ihr lässt sich herausfinden, welche Produktmerkmale für eine Kaufentscheidung wichtig sind. Mit einer geeigneten Software können Conjoint-Befragungen in kürzester Zeit ins Netz gestellt und große Kundengruppen befragt werden.1

L

uce und Tukey haben sie 1964 erstmalig erwähnt.2 Seit den 70-er Jahren ist sie zum häufig eingesetzten Erhebungsverfahren von Konsumenten-Präferenzen geworden: Die Conjoint-Analyse. Sie entschlüsselt Merkmalskombinationen und gibt beispielsweise einem Automobilhersteller wichtige Hinweise an die Hand, wie bedeutsam die Merkmale „Wagenfarbe“, „Getriebe“ und „Treibstoff“ für die Kaufentscheidung sind. Aus diesen Merkmalen wird eine Reihe von Gesamtprodukten kombiniert (zum Beispiel schwarz, Automatik, Diesel oder grau, Schaltgetriebe,

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Benziner). Die Befragten geben zu jedem Gesamtprodukt ihr Votum ab. Das Conjoint-Verfahren macht es möglich, daraus Kunden-Präferenzen abzuleiten. Welcher Wagen – um beim Beispiel zu bleiben – wird am Markt erfolgreich sein? Hierzu ist jetzt eine Vorhersage möglich: Beim Kauf ihres nächsten Fahrzeugs werden sich die Kunden in erster Linie am Merkmal „Treibstoff“ orientieren. Wesentlich für das Verständnis der Conjoint-Analyse ist ihr dekompositionelles Prinzip: Die Bewertungen der Befragten beziehen sich zunächst auf ganzheitli-

che Produktkombinationen. Erst bei der Auswertung werden diese zerlegt und auf diejenigen Merkmale umgerechnet, die in die Befragung eingeflossen sind. Dadurch gibt die Conjoint-Analyse den Bewertungsprozess der realen Kaufsituation wieder – denn auch hier sind die Konsumenten ja zunächst mit ganzheitlichen Produkten konfrontiert. Diese haben für die Kaufinteressenten dann sowohl Vor- als auch Nachteile, die relativ zueinander abzuwägen sind (daher kommt auch der Name Conjoint, was für „CONsider JOINTly“ steht). Der Käufer oder die Käuferin im Warenhaus muss sich wohl oder übel darüber klar werden, welche tatsächliche Bedeutung die einzelnen Produktmerkmale für sie persönlich haben. Das kann sehr mühsam sein – wer stand nicht schon einmal ratlos vor dem Kaufhausregal und konnte sich einfach nicht entscheiden? Aber nur so kann letztlich eine vernünftige Kaufentscheidung getroffen werden. In dieser Entscheidungs-Situation beantworten die Kunden sich (meist unterbewusst) eine zentrale Frage: Welches Produktmerkmal stiftet mir den maximalen Nutzen? Darauf müssen die Kunden letztlich eine Antwort finden. An einer solchen Information wäre aber

natürlich auch der Hersteller interessiert. Ihm hilft dabei die Conjoint-Analyse weiter. Ein sinnvolles Unterfangen, denn hier können enorme Kosten eingespart werden. Und zwar immer dann, wenn sich Produktmerkmale für die Kunden als irrelevant herausstellen, die in der Herstellung teuer sind. Im Bereich der Preisbestimmung werden ConjointAnalysen häufig eingesetzt, um die Datenbasis für die Berechnung der voraussichtlichen Preis-Absatzfunktion für ein Produkt auf einem gegebenen Markt zu liefern. Hierbei kann eine Marktsimulation durchgeführt werden, über die sich für ein gegebenes Produkt derjenige Preis errechnen lässt, der dem Hersteller das Gewinn-Optimum einbringt. Mit Hilfe der ConjointAnalyse können aber auch Märkte segmentiert, das heißt in sinnvolle Gruppen eingeteilt werden. Dabei werden Individuen einer Stichprobe aufgrund ihrer spezifischen Präferenzstruktur gruppiert. So lässt sich in einem Pool von potenziellen Autokäufern beispielsweise ein Hochpreis-Segment identifizieren. Das sind dann möglicherweise Menschen, die bereit sind, hohe Neuwagen-Preise zu bezahlen, solange der (für den Hersteller vergleichsweise kostengünstige) Kunden-

Ist der Kunde bereit, mehr für Finanzdienstleistungen zu zahlen, wenn die Bank über eine starke Marke verfügt? Kundenbefragungen bringen Klarheit.

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service jederzeit erreichbar ist. Zum besseren Verständnis dient ein konkretes Beispiel aus einer ganz anderen Branche: Markenhersteller können kaum abschätzen, welchen Spielraum in der Preisgestaltung ihnen ihre Marke konkret eröffnet. Wie viel mehr sind Kunden im Vergleich zum markenlosen Produkt bereit zu bezahlen (so genanntes Markenpremium)? Würde man im Bankenbereich beispielsweise bei der Preisdifferenzierung zusätzlich Potenziale mit einbeziehen, die sich aufgrund eines solchen Markenpremiums ergeben, ließen sich erhebliche Umsatz- und Gewinnpotenziale erschließen. Eine Erhöhung des individuellen Zinses aufgrund des Markenpremiums um nur wenige Basispunkte brächte bei Großbanken allein im Geschäftskunden-Segment Gewinn-Zuwächse im zweistelligen Millionenbereich.3 Konkrete Informationen können nur mit Hilfe einer Kundenbefragung generiert werden. Hierbei stehen zwei grundsätzlich verschiedene Methoden zur Verfügung: die direkte Kundenbefragung sowie die Conjoint-Analyse. Die direkte Methode ist zwar einfach, kostengünstig und oft auch schnell durchführbar – andererseits ist sie aber auch nicht unproblematisch: Durch die direkte Frage, wie viel der Kunde für die Marke mehr zu zahlen bereit ist, gerät der Preis zu sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Damit wird bei den Befragten ein atypisch hohes Preisbewusstsein induziert. Dies ist dann weit von den realistischen Verhältnissen entfernt. Die direkte Befragung bewirkt zudem, dass der Preis isoliert betrachtet wird. In der Realität wird der Preis aber durchaus gemeinsam mit anderen Nutzenaspekten erwogen.4 Ein solcher „Trade-Off“ lässt sich nur mit Hilfe der Conjoint-Methode erfassen. Der Kunde wird dabei nicht direkt zum Preis befragt, sondern mit Preis-Marken-Alternativen konfrontiert, die er hinsichtlich seiner Präferenz beurteilt. Auf Basis dieser Präferenzurteile lassen sich die Preisbereitschaften dann indirekt ermitteln. Wie ist die konkrete Vorgehensweise? Zunächst ist die Produktauswahl zu treffen. Den Kunden müssen schließlich verschiedene Produkt-Marken-Kombinationen zur Beurteilung vorgelegt werden. Die Auswahl erfolgt am besten anhand unterschiedlicher Kriterien wie Umsätze, Kundenbedarf, Bekanntheitsgrad etc. Im Bankenbereich kommt beispielsweise das Produkt: Annuitätendarlehen in Frage. Jeder Bankkunde der schon einmal erwogen hat, eine Immobilie zu finanzieren, ist damit bereits in Berührung gekommen und musste ein geeignetes Geldinstitut auswählen. Im nächsten Schritt werden die zu analysierenden Merkmale und deren Ausprägungen festgelegt. Merkmale könnten sein: Darlehenssumme, Zinssatz, Tilgung oder auch die Zinsfestschreibungszeit. Ausprägungen sind die jeweils sinnvollen konkreten Werte für die einzelnen Merkmale. Nach Erhebung der Daten lassen

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sich die Teilnutzenwerte mit Hilfe einer mehrstufigen Regressionsanalyse für die einzelnen Merkmalsausprägungen berechnen. Johnson zeigt detailliert auf, wie die mathematische Berechnung vor sich geht.5 Solche Berechnungen sind heute aber meist in die entsprechenden Computer-Programme für die Conjoint-Analyse integriert. Aus den Teilnutzwerten lässt sich dann ableiten, inwieweit Kunden bereit sind, für eine entsprechende Marke mehr zu zahlen. DIE STANDARDVERFAHREN Zwei spezielle Conjoint-Methoden haben sich im Laufe der Jahre entwickelt und durchgesetzt: die „Adaptive-Conjoint-Analyse“ (ACA) und die „Choice-Based-Conjoint-Analyse“ (CBC). Im Unterschied zu den „klassischen“ ConjointMethoden, wird die ACA computer-gestützt durchgeführt. Als adaptiv bezeichnet man sie, weil Kundenbewertungen bereits während des Interviews vom Rechner verarbeitet werden. Abhängig davon was geantwortet wird, wird die jeweils nächste Fragebogen-Seite entwickelt. Das Interview passt sich also der individuellen Präferenzstruktur des einzelnen Nutzers an, um möglichst dichte und aussagekräftige Informationen aus den Interviews zu ziehen. Die Befragten

ZU CONJOINT Links >Conjoint mit SPSS Praktischer Leitfaden der Universität Trier zur Conjoint-Analyse mit der Software SPSS, www.uni-trier.de/urt/user/baltes/docs/conjoint/ conjoint.htm >Conjoint in Deutschland Befragung der Westfälische Wilhelms-Universität, Psychologisches Institut IV, http://www.geocities.com/CollegePark/Housing/5559/ CAEinsatz.pdf >Publikationen zu Conjoint Sammlung mit Veröffentlichungen zum Thema, www.synergy.de/praeferenz-conjoint-paper.htm

Software >SPSS Conjoint www.spss.com/conjoint/ >SAS Market Research Application support.sas.com/rnd/app/da/market.html

Ergebnis einer typischen ConjointAnalyse: Befragt wurden Merkmale im Zusammenhang mit Sprühreinigern. Was und in welchem Umfang tragen Verpackung, Marke, Preis, Prüfsiegel und Geldzurück-Garantie zur Kaufentscheidung bei? Kunden bewerteten in diesem Zusammenhang jeweils Produkte mit allen Merkmalen in verschiedenen Ausprägungen. Resultat: Das Verpackungsdesign und der Preis bestimmen, zu welchem Reiniger der Kunde greift.

empfinden ACA als abwechslungsreich, werden doch fünf Befragungsphasen durchlaufen. Dabei lernt der Rechner die Präferenzstruktur des Probanden von Phase zu Phase besser kennen und konfiguriert die Fragebogenseiten jeweils so, dass sie den maximalen Informationswert bringen. Durch diese „intelligente“ Interview-Führung lassen sich ohne zu überfordern viele Merkmale (mit zahlreichen Ausprägungen) verarbeiten. Im Gegensatz zur klassischen Conjoint-Analyse ist die ACA keine „Full-Profile-Methode“: es werden in keiner Phase Produktkombinationen bewerten, die sich aus allen Merkmalen zusammensetzen. Jedes der zu bewertenden Produkte besteht vielmehr aus wenigen Merkmalen. Im Laufe des Interviews ergeben sich trotzdem Informationen über die Präferenzstruktur bezüglich aller Merkmale. Die Interview-Längen bewegen sich dabei aber selbst bei großen Untersuchungs-Designs in moderaten Größenordnungen. In der Praxis werden ACA-Studien meist mit acht bis 15 Merkmalen und jeweils etwa fünf Ausprägungen durchgeführt. Theoretisch könnten bis zu 30 Merkma-

le in das Befragungs-Design aufgenommen werden. Neben ACA ist auch die wahl-basierte ConjointAnalyse, das so genannte „Choice Based Conjoint“ (CBC) verbreitet. Im Gegensatz zur „Adaptive-Conjoint-Analyse“ handelt es sich bei CBC um ein „FullProfile-Verfahren“. Es werden ausschließlich Produkte bewertet, die alle möglichen Merkmale beinhalten. Sechs Merkmale sind dabei allerdings die Obergrenze, da die Probanden ansonsten kognitiv zu stark belastet würden. Weiterer Unterschied zur ACA: Bewertungen können nicht abgestuft werden. Pro Befragungsseite werden Produkt-Reihen vorgelegt, aus denen nur eines (oder keines) als das Präferierte ausgewählt werden kann. Hier ist die Aufmerksamkeit der befragten Personen ungleich stärker gefordert als bei ACA. Der Vorteil ist allerdings darin zu sehen, dass das „Befragungssetting“ große Ähnlichkeit zur tatsächlichen Kaufentscheidungssituation hat: Auch im Kaufhaus beispielsweise, muss sich der Kunde für eines oder keines der angebotenen Produkte entscheiden. Ein Nachteil kommt jedoch bei CBC hinzu: Durch die re-

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lativ langen Interviews schleicht sich oft ein gewisser Automatismus ein. Die Produkte werden nicht mehr in ihrer Gesamtheit wahrgenommen. Ein einziges Merkmal steht dabei häufig im Vordergrund (zum Beispiel Preis) – mehr kann einfach nicht verarbeitet werden. Bei ACA hingegen werden Merkmale gelegentlich überschätzt und die in der Realität entscheidenden Kriterien unterbewertet. ONLINE-CONJOINT-ANALYSE Erst computer-gestützte Verfahren haben der Conjoint-Analyse so richtig Auftrieb gegeben. Telefon-basierte Interviews beispielsweise lassen sich zwar relativ kostengünstig durchführen, der Interviewer muss dabei allerdings alle Merkmale und deren Ausprägungen jeweils komplett vorlesen. Dadurch ist die mögliche Anzahl der Merkmale naturgemäß begrenzt. Als Conjoint-Verfahren kommt am Telefon eigentlich nur der paarweise Ausschluss von Merkmalskombinationen in Betracht. Telefonisch lassen sich auch keine Visualisierungen übermitteln, was bei bestimmten Fragestellungen unerlässlich sein kann. Der Aufstieg des Mediums Internet und der Erfolg der Online-Marktforschung in den 90-er Jahren haben der wesentlich leistungsfähigeren Online-Conjoint-Analyse zum Durchbruch verholfen. Prinzipiell stellt sie kein eigenes methodisches

Ein Vorteil der Online-Befragung besteht darin, dass ohne Interviewer gearbeitet werden kann und somit kein „Interviewer-Bias“ auftritt (Beeinflussung der befragten Person durch den Interviewer). Ferner kann der Respondent unabhängig von einem Gegenüber Ort und Geschwindigkeit, mit der er die Befragung bearbeitet, selbst bestimmen.

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Verfahren dar, da auch hier ACA und CBC die am häufigsten benutzen Verfahren sind. Mit einer geeigneten Software können jetzt aber Conjoint-Befragungen in kürzester Zeit ins Netz gestellt und damit Zugang für große zu befragende Kundengruppen geschaffen werden.6 Der Projektleiter gibt in seinem Conjoint-Software-Paket zunächst die Merkmale und Ausprägungen an, [email protected] im Laufe der Befragung für den Nutzer zu Produkten kombiniert werden sollen. Wenn der Projektleiter ACA gewählt hat, können bestimmte Parameter für die fünf zu durchlaufenden Fragebogenphasen eingestellt werden. Beispielsweise die Skalengröße, die Beschriftung der Skalenpunkte, die Seitenüberschriften etc. Nach der Einstellung dieser wenigen variablen Teile steht beim ACA-Verfahren die komplette Conjoint-Analyse bereits fest. Da es sich dabei um ein adaptives Verfahren handelt, das individuell auf die Angaben der einzelnen Nutzer reagiert, ist es für den Projektleiter weder notwendig noch möglich, den Fragebogen auf der Ebene einer einzelnen Fragebogenseite zu editieren. Der Fragebogen ergibt sich zu einem großen Teil aus der „Intelligenz“ des ACA-Algorithmus. Die so erstellte Analyse lässt sich nun sehr einfach in einen klassischen Online-Fragebogen einbetten. Der Conjoint-Block folgt so beispielsweise auf einige einleiten-

de „Eisbrecher“-Fragen. Danach könnten noch Fragen zur Demographie gestellt werden. Es kann zusätzlich mit Filtern gearbeitet werden, so dass sich die Inhalte der Conjoint-Analyse für bestimmte Untergruppen der Stichprobe voneinander unterscheiden. Im Rahmen des Untersuchungsdesigns kann prinzipiell die gesamte Multimedia-Fähigkeit des Mediums Internet ausgeschöpft werden. Es können beispielsweise Befragungen mit einer Flash-Oberfläche realisiert werden. Hierdurch sind optisch anspruchsvolle und ansprechende Umsetzungen denkbar, die dem Nutzer durch ihren interaktiven und fast spielerischen Charakter einen Mehrwert vermitteln. Zweitens können Multimedia-Elemente auch hinsichtlich der Fragebogeninhalte zum Einsatz kommen, so dass als Merkmale oder Merkmalsausprägungen beispielsweise Bilder, Töne oder kurze Filme integriert werden können. Im Internet können sich Probanden allerdings auch einfach durch den Fragebogen durchklicken, um sich einen Überblick über Inhalt und Länge der Aktion zu verschaffen. Das wiederum bringt eine Verzerrung der Ergebnisse mit sich und ist ein deutlicher Nachteil der Online-Methode. Plausibilitätschecks und damit das Einblenden von Hinweisen zum Ausfüllen sind mithin unbedingt erforderlich. Insgesamt ist davon auszugehen, dass Online-

Conjoint-Analysen zwar aufgrund der weniger kontrollierbaren Befragungssituation einen höheren Anteil an Falschangaben produzieren als konventionelle Methoden, dafür aber in weniger abgebrochenen Interviews resultieren.7 Ein zusätzlicher Vorteil der online durchgeführten Befragung besteht darin, dass ohne Interviewer gearbeitet werden kann und somit kein „Interviewer-Bias“ auftritt (Beeinflussung der befragten Person durch den Interviewer). Ferner kann der Respondent unabhängig von einem Gegenüber die Geschwindigkeit, mit der er die Befragung bearbeitet, selbst bestimmen. Die Daten die sich im Lauf der Online-Befragung ergeben, fließen direkt in eine Datenbank ein. Die Ergebnisse liegen dann in Form von Teilnutzenwerten vor, die das Maß und die Verteilung der Präferenzen jedes einzelnen Kunden auf die Merkmale und Merkmalsausprägungen darstellen. Mittlerweile sind ausgesprochen leistungsstarke Software-Pakete am Markt verfügbar, die die Marktforscher bei der Konzeption, Durchführung und Auswertung von Conjoint-Analysen unterstützen. Die alles andere als einfache Auswahl der Merkmale und Ausprägungen der Analyse im Vorfeld der Feldphase bleibt dem Marktforscher aber trotz Online-Conjoint-Verfahren nicht erspart.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Eine gute erste Einführung in die Online-Conjoint-Methode gibt der Aufsatz von Achim Daiber und Werner Hemsing: Online Conjoint: Eine bewährte Methode im neuen Gewand, (Z 180a) Planung & Analyse, Frankfurt 2005, S. 47-52, an der sich auch dieser Artikel orientiert 2

Vgl. Luce, R.D., J.W. Tukey, Simultaneous Conjoint Measurement. A New Type of Fundamental Measurement, in: Journal of Mathematical Psychology, 8. Jg. (1964), S. 1–17 3

Vgl. Wübker, G. u. Baumgarten, J.: Der Markenwert von Banken - Messung komplexer Sachverhalte mit modernen Verfahren, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebs-

wirtschaftliche Forschung, Ausgabe September 2004, S. 577-592, S. 577 4 Vgl. Simon, Hermann, in: Preismanagement - Analyse, Strategie, Umsetzung, 1992 5 Vgl Johnson, R. M.: Comment on Adaptive Conjoint Analysis, in: Some Caveats and Suggestions, Journal of Marketing Research, 28, 1991, S. 223-225 6 Vgl. Melles, Torsten u. Holling, Heinz: Einsatz der Conjoint-Analyse in Deutschland : eine Befragung von Anwendern, Münster 1998 7

Vgl. Daiber u. a., a. a. O.

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PRAXIS Online-Forschung – Qual der Wahl In der Marktforschung für das e-business kommen die unterschiedlichsten Problemstellungen vor. Welches Verfahren ist aber zur jeweiligen Bearbeitung geeignet? Klar ist, der „One-size-fits-all-Ansatz“ ist unmöglich. Die entscheidende Frage lautet daher nicht: „Was ist die beste Methode in der Online-Marktforschung?“, sondern muss vielmehr heißen: „Wie wählt man aus der breiten Methodenpalette das problemadäquate Werkzeug aus?“

Zu den wichtigsten Forschungsfeldern im OnlineBereich gehören Untersuchungen von Kundenbedürfnissen, Nutzerdifferenzierung (Marktsegmentierung), Wirtschaftlichkeitsprüfung, „Usability Testing“ und Potentialermittlung. Welche Methode für das jeweilige Forschungsfeld ausgewählt wird, sollte systematisch bewertet werden. Dazu wird ein Kriterienkatalog gebraucht. Einen ersten Anhaltspunkt bieten eine Reihe von „universellen“ Kri-

Die Online-Marktforschung lässt sich als Prozess auffassen, der fünf Phasen durchläuft: Entscheidung für Primär- oder Sekundärforschung, Zielgruppenwahl, Stichprobenkonstruktion, Wahl der Erhebungsmethode (Beobachtung, Befragung etc.) und Wahl der Analysemethode.

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Phase

terien, also solche, die für die meisten Wahlentscheidungen relevant sind. Hierzu gehören die Vorgaben des Auftraggebers und die vorhandenen Ressourcen, wie etwa Zeit und Geld. Auch das Kriterium der Problemorientierung hat quasi universellen Charakter. So ist es beispielsweise von der jeweiligen Problemstellung abhängig, ob es sich um gut untersuchte Forschungsbereiche handelt oder nicht. Ein nächstes Kriterium ist die „formale Orientierung“. Gemeint ist damit die Frage, ob das Untersuchungsfeld erschlossen werden soll (explorative Studie), beschrieben werden soll (deskriptive Studie), ob theoretische Konzepte verifi-

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ziert werden sollen (konfirmatorische Studie) oder ob Untersuchungsobjekte bewertet werden sollen (evaluatorische Studie). Die „Prozessharmonisierung“ ist ein weiteres Kriterium. Es bezieht sich auf die Tatsache, dass Methoden in unterschiedlichen Prozessphasen aufeinander abgestimmt werden müssen. Das Kriterium „Detaillierungsgrad“ bezieht sich auf die Tatsache, dass unterschiedliche Verfahren zur Informationsgewinnung (das bezieht sich auf die Wahl zwischen Primär- und Sekundärforschung) auch unterschiedlich gut geeignet sind. Generell lässt sich sagen, dass Sekundärforschung umso schlechter geeignet sein

Kriterium Repräsentativität Vorgaben des DetaillierungsZielgruppen- WiederRessourcen Messgenauigkeit Auftraggebers grad orientierung holbarkeit Standardisierungsgrad Primär- oder Sekundärforschung

Zielgruppen-, Stichprobenwahl

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Erhebungsmethode

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Analysemethode Kriterium zur Auswahl maßgeblich Kriterium zur Auswahl nicht maßgeblich

Für jede Phase der Online-Marktforschung lassen sich Kriterien finden, anhand derer systematisch die Entscheidung getroffen werden kann, welche Forschungsmethode letztlich zum Einsatz kommen soll. Hier ist eine Auswahl möglicher Kriterien sowie deren Maßgeblichkeit aufgeführt.

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PRAXIS Online-Marktforschung kann auch im Sinne einer Nutzerdifferenzierung zur Ermittlung homogener Kunden-Zielgruppen verwendet werden. So lassen sich beispielsweise Nutzer-Typen mit ähnlichem Kaufverhalten identifizieren.

Photo: Cristina Chirtes (stock.xchng)

wird, je höher der Detaillierungsgrad der Studie ist. Eine Sonderstellung nimmt die folgende Gruppe von Entscheidungskriterien ein, die hier unter der Bezeichnung „interne Charakteristika“ zusammengefasst werden. Sie beinhalten die Faktoren Repräsentativität, Messgenauigkeit, Standardisierungsgrad und Strukturierungsgrad. Obwohl es sich dabei eigentlich um Charakteristika des Forschungsprozesses handelt, die sich aus der Methodenwahl ergeben, werden sie häufig durch den Auftraggeber oder durch organisatorische Rahmenbedingungen vorgegeben. So werden beispielsweise bestimmte Stichprobenauswahlverfahren gewählt, um das Kriterium der Repräsentativität zu erfüllen. Das Kriterium der Zielgruppenorientierung verweist darauf, dass bestimmte Methoden bei bestimmten Zielgruppen nicht oder nur unzureichend anwendbar sind. So lassen sich beispielsweise regionale Markttests im globalen Umfeld des Internet in der Regel nicht durchführen. Das Kriterium des Verbali-

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sierungsgrades bezieht sich auf die Frage, inwieweit bei der Datenerhebung nur verbale Information oder auch andere Reaktionen dokumentiert werden sollen. So beinhalten Untersuchungen im „Usability-Labor“ beispielsweise „Eyetracking-Analysen“. Diese können mit der Erhebungsmethode der Befragung unmöglich zuverlässig dokumentiert werden. Das Kriterium der Wiederholbarkeit verweist auf spezifische Probleme, die dann auftreten, wenn Längsschnittsstudien zur Anwendung kommen. Hier ist es von zentraler Bedeutung, dass Daten aus mehreren Erhebungswellen miteinander verglichen werden können. Vergleiche lassen sich aber um so leichter durchführen je höher der Strukturierungs- und Standardisierungsgrad der Erhebungsmethode ist. Als letztes soll hier das Kriterium „Informationsqualität“ genannt werden. Gemeint ist damit die Frage, welche Persönlichkeitsmerkmale (Wissen, Einstellungen, Verhalten, Gefühle) erfasst werden sollen. So können Verhaltensvariablen am zu-

Wie im Büro so steigert auch im Internet gute Ordnung und Ergonomie die Effizienz. „Web-Usability“ ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Feld der Online-Marktforschung.

verlässigsten mit der Methode der Beobachtung dokumentiert werden, während sich andere Variablen mit dieser Methode überhaupt nicht erfassen lassen. Der Unterschied zwischen Marktforschung und alltäglichen Erkenntnisprozessen liegt nun prinzipiell darin, dass bei der Forschung ein Prozess mit den folgenden fünf Phasen durchlaufen wird: >Entscheidung Primär- oder Sekundärforschung >Zielgruppenwahl Hier geht es um die klare Festlegung der zu untersuchenden Grundgesamtheit (Population). Handelt es sich dabei etwa um alle Besucher einer bestimmten Website? Oder ist vielleicht nur eine bestimmet Alters- oder Einkommensgruppe von Interesse? >Stichprobenkonstruktion Zwei Grundtypen lassen sich unterscheiden: zufallsgesteuerte („random sampling“) und nicht-zufallsgesteuerte Verfahren. Letztere lassen sich nochmals untergliedern in: die willkürliche Auswahl (völlig unsystematische Auswahl) und die be-

wusste Auswahl („nonprobability sampling“), die auch häufig als Quota-Verfahren bezeichnet wird. Eine Vielzahl der Forschungsfragen für das Internet setzen eine Online- und Offline-Stichprobe voraus. >Wahl der Erhebungsmethode In Frage kommen: Beobachtung, Befragung oder Experiment >Wahl der Analysemethode Je nach vorhandenem Datenmaterial kommen qualitative und quantitative (=statistische) Verfahren in Frage. Bei letzteren ist die Unterscheidung in deskriptiven Analysen (bestimmte Merkmalsausprägungen innerhalb der Stichprobe werden beschrieben) und verknüpfenden Analysen (Zusammenhänge zwischen zwei oder mehr Variablen werden untersucht) möglich. Martin Gomilschak, Reinhard Franz, Julia Sinkovits und Michael Ksela diskutieren in ihrem Artikel mehrere Szenarien, die die systematische Entscheidungsfindung für eine Online-Marktforschungsmethode auf Basis

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Bei der Potenzialermittlung spielt vor allem die Conjoint-Analyse, die online leistungsfähig zu realisieren ist, eine große Rolle. Probanden bewerten dabei nicht Einzelmerkmale isoliert voneinader, sondern beurteilen Produkte in ihrer Gesamtheit.

der eingangs erwähnten Kriterien verdeutlichen.1 Unter anderem wird das Internet-Banking vor dem Hintergrund der Fragestellung betrachtet, welche Kunden potenziell für Online-Banking in Frage kommen und welche nicht. An dieser Stelle soll nur beispielhaft auf Phase 1 und 4 des Marktforschungsprozesses kurz eingegangen werden: Die erste Entscheidung die in Bezug auf eine adäquate Methodenwahl zu treffen ist, bezieht sich auf die Frage, ob man sich für Primär- oder Sekundärforschung entscheiden soll. Der notwendige Detaillierungsgrad der zu analysierenden Informationen spricht eindeutig für Primärforschung

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[Kriterium Detaillierungsgrad ist entscheidend]. In Phase 4 wäre prinzipiell im Bankbereich eine reine Zufallsauswahl und eine „Face-to-face-Befragung“ wegen der geringsten Verweigerungsquoten als Kontaktform die erste Wahl. Das ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden. Stattdessen wird die schriftliche Befragung ausgewählt, wobei sowohl eine postalische Befragung als auch eine Online-Befragung zum Einsatz kommt. Bei einer Unterrepräsentierung einer bestimmten Gruppe infolge mangelnder Rücklaufquoten ist es im Bedarfsfall möglich, ergänzend telefonische Interviews einzusetzen. Durch diesen Mix

an Erhebungsmethoden gelingt es im vorgegebenen finanziellen Rahmen die erwünschten Zielgruppen anzusprechen [Kriterien Problemorientierung, Prozessharmonisierung, Ressourcen]. Oftmals stehen Kostengründe und zeitliche Beschränkungen einer empirisch hochwertigen OnlineMarktforschungstätigkeit im Wege. Der Kriterienkatalog von Gomilschak, in Kombination mit den zur Verfügung stehenden Methoden, sollte Hinweise darauf geben, wie eine Problemstellung auch bei limitierenden Kosten- und Zeitbudgets zu einer zufrieden stellenden Lösung geführt werden kann.2 Doch welche Problemstellungen sind das eigentlich, die der OnlineForscher typischerweise bearbeitet? Zu den wichtigsten Forschungsfeldern im OnlineMarktforschungsbereich gehören Untersuchungen von Kundenbedürfnissen, die Nutzerdifferenzierung (Marktsegmentierung), die Wirtschaftlichkeitsprüfung, das „Usability Testing“ und die Potenzialermittlung. >Das Forschungsfeld der Kundenbedürfnisse beschäftigt sich mit der Ermittlung der Präferenzen und Anforderungen der Internet-Besucher. Wirklich erfolgreiche Geschäftsstrategien können nur dann entwickelt werden, wenn sie auf den Interessen und Wünschen der Kunden aufsetzen. Um hier mehr zu wissen, sollten zum Beispiel Kundenzufriedenheitsmessungen der Website-Nutzer durchgeführt werden. >Die Nutzerdifferenzierung zielt darauf ab, gemeinsame Verhaltensweisen der Online-Nutzer zu ermitteln und daraus homogene Kunden-Zielgruppen

abzuleiten. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Dimensionen Kauf-, Navigations- und Zahlungsverhalten. Darauf aufbauend lassen sich Nutzer-Typen identifizieren, was schließlich in einer Marktsegmentierung mündet.3 >Beim Forschungsfeld Wirtschaftlichkeitsprüfung geht es darum herauszufinden, welche OnlineAktivitäten aus ökonomischer Sicht Sinn machen und gegebenenfalls die Gründe für die Nicht-Nutzung zu erforschen.4 >Die „Usability“ beschäftigt sich mit der Ergonomie und Funktionalität von Websites. Mögliche Schwachstellen sollen identifiziert und beseitigt und damit die Benutzbarkeit des Internet-Auftritts optimiert werden. Die Nielsen Norman Group fand in ihrer Studie „Designing Usable Intranets“5 heraus, dass für die Erledigung ein und derselben Aufgabe via Intranet zwischen 27 und 196 Stunden benötigen wurden – je nachdem, ob ihnen eine benutzer-freundliche oder aber eine eher kompliziert zu handhabende Online-Umgebung zur Verfügung stand.6 >Die Potenzialermittlung erstreckt sich von der eigentlichen Ermittlung von Produktpotenzialen (OnlineProdukte, „Crossmedia-Produkte“) bis hin zur Markenartikelforschung (Marktanteil, Markenbekanntheit, Markenoriginalität, Markenattraktivität). In diesem Zusammenhang spielt vor allem die Conjoint-Analyse, die online leistungsfähig zu realisieren ist, eine große Rolle.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Gomilschak, M. u. a.: Die Qual der Wahl. Zur Bestimmung einer problemadäquaten Methode in der Marktforschung für eBusiness, Der Markt, 42. Jahrgang, Nr. 166/167, 2003, S. 117-131 2 Weitere nützliche Hinweise zur Auswahl der Marktforschungsmethode geben Alex Theobald u. a. (Hrsg.): Online-Marktforschung - Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, Wiesbaden, 2001 3

Berekoven, L. u. a.: Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, Wiesbaden,

2001 4 Vgl. Auer, C.: eMeasurement. An Integrated Concept for eService Performance Measurement, Proceedings of the 4th McMaster Management of eBusiness Conference, 2003 5 Vgl. Intranet Usability: Design Guidelines from Studies with Intranet Users, Nielsen Norman Group Report, 2002 6 Vgl. zum Thema gutes Webdesign auch Wirth, T.: Missing Links, Hanser Fachbuchverlag, 2004

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NOTIZEN ZUM THEMA Im virtuellen Supermarkt

Online-Marktforschung hat zwei grundsätzliche Einsatzbereiche: Das Internet selbst als Untersuchungsgegenstand und das Internet als Instrument der Primär- oder Sekundärforschung. Letzteres hat mittlerweile breiten Einzug in die Marktforschungslandschaft gehalten. Das Internet selbst, die virtuellen Welten, sind dagegen ein offener Untersuchungsgegenstand. Und das obwohl sich zahlreiche interessante Möglichkeiten bieten: In virtuellen Testumgebungen ist es z. B. möglich, den Einfluss des Preises, der Werbung, der Verpackung, der Regalplatzierung und der Regalbestückung auf das Kaufverhalten der Konsumenten zu testen. Darüber hinaus können Tests zur Neuprodukteinführung und zum Produktwechsel-Verhalten durchgeführt werden. Noch realistischer werden solche Untersuchungen, wenn virtuelle Realitäten es den Probanden ermöglichen, 3D-Produkte ähnlich wie in der realen Umwelt wahrzunehmen und zu bewerten. Dadurch könnten aufwendige Laborexperimente und die Anfertigung von Prototypen kostengünstig und zeitsparend ersetzt werden. Das Forschungsprojekt BENEVIT (Beschreibung von Nutzeraktivitäten in virtuellen Test-Umgebungen, durchgeführt vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Operations Research der RWTH Aachen u. a.) beschäftigt sich mit solchen virtuellen Realitäten. Die Zielsetzung des Projekts besteht unter anderem in der Realisierung eines standardisierten virtuellen Supermarktes. Der VRML-Supermarkt kann von einem Webserver geladen und mit einem VRML-Browser-

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PlugIn dargestellt werden1 (das PlugIn, Größe ca. 5 MB, muss vom virtuellen Kunden aus dem Internet einmalig herunter geladen werden und arbeitet dann als Erweiterung des Internet-Browsers). Der Konsument geht „maus-gesteuert“ an künstlichen Regalen vorbei und begutachtet Verpackungen und Preise, die allerdings sehr real sind. Ganz anders als in der wirklichen Kaufhauswelt hinterlässt er dabei, ganz gleich was er tut, Spuren, die jederzeit nachvollziehbar und auswertbar sind. Details sind nachzulesen bei Guido Schryen und Jan Herstell (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Operations Research der RWTH Aachen): Online-Marktforschung – Analyse von Konsumentenverhalten in virtuellen Umgebungen, Information Management & Consulting 18 (2003) 2, S. 74ff.

1 „online im Internet“, www.winfor.rwth-aachen.de/inhalte/ forschung/vrmafo/supermarkt/eingabe.html), aufgerufen am 14.03.06

Online Panels Das Internet ist für Datenerhebungen ein geeignetes Instrument. Systematische, technisch zuverlässige Online-Stichprobenverfahren kommen nicht selten an Stelle der traditionellen Befragungsformen zum Einsatz. Professionell und methodisch gebündelt werden diese Verfahren in so genannten Online Panels (englisch: panel=Forum).1 Bei einem solchen Online Panel handelt es sich grundsätzlich um einen Kreis von Internet-Nutzern, der sich bereit erklärt hat, an Online-Untersuchungen zu bestimmten Themen teilzunehmen. Um eine aussagekräftige Untersuchung von Konsum- oder Lebensgewohnheiten zu erlauben, ist eine gewisse Mindestanzahl an Teilnehmern, sogenannten Panelisten, erforderlich. Die Forschungsinstitute gewinnen diese meist über attraktive Websites, die zu mehrmaligen, wenn möglich regelmäßigen Besuchen einladen. Über ein Registrierungsformular melden sich die Befragungswilligen beim Panel an. Einen Anreiz bieten Preise und Belohnungen. Zum Einsatz kommen Geld, einlösbare Bonuspunkte, Lotterielose, Spendeoptionen, Produkte, Aktien, nicht-materielle „Incentives“ oder eine Kombination davon. Bei der Entlohnung von Panelisten gilt es, ein Gleichgewicht des Erhalts der Teilnahmemotivation und der Entmutigung von „Incentive-Jägern“ zu finden.2 Bei der Registrierung werden bereits Angaben zur Soziodemografie und zu individuellen Netznutzungsgewohnheiten erfragt. Die registrierten Daten werden in eine Datenbank aufgenommen und nach Profilen ausgewertet. Die weitere Aufarbeitung der Daten erfolgt schließlich mit Hilfe der traditionellen wissenschaftlichen Auswertungsmethoden. Das Ziel der „klassischen“ Online Panels ist, wiederholt in regelmäßigen Abständen, so genannten „Wellen“, unter den gleichen Randbedingungen (wie der gleichen Menge von Erhebungseinheiten, zum gleichen Untersuchungsgegenstand und mit den gleichen Instrumenten) Untersuchungen mit einer profilscharfen Probandengruppe durchführen zu können. Damit werden Beobachtungen und Entwicklungen über einen längeren Zeitraum hinweg möglich. Die Ergebnisse der Untersuchungen fließen in Aussagen über Tendenzen in der Umfrage-, Sozial- und Politikforschung ein. Welche IT-Infrastruktur muss aber für solche Projekte vorhanden sein? Als Rückgrat für ein solches Projekt benötigt man zunächst eine abgesicherte und leistungsfähige Website mit Datenbankanbindung. Die Website eines Online Panels besteht im Allgemeinen aus den Informationsseiten, einem Registrierungsfor-

mular für neue Panelisten und dynamisch erzeugten individuellen Bereichen, die durch ein persönliches Passwort geschützt sind. In diesen Bereichen können Panelisten ihre Daten aktualisieren und falls die Belohnung über ein Punktvergabesystem läuft, ihren Kontostand einsehen und ihre Prämien einlösen. Um automatisch Stichproben ziehen und anschließend Einladungen an die ausgewählten Panelisten versenden zu können, ist ein mit der Datenbank interagierendes Auswahl-Instrument erforderlich. Für den Einsatz von Zielgruppenidentifikationssystemen ist außerdem ein automatisches Rückkopplungssystem für die Versendung der Profilauswertungen an die Befragten nötig. Mit bestimmten Maßnahmen, die natürlich unterschiedlich aufwendig und teuer sind, lässt sich die Qualität von Daten aus Online Panel-Studien verbessern. Solche Vorkehrungen können z.B. in Folgendem bestehen: Zeitmessungen an Formularen, regelmäßige Aktualisierung der Profildaten, Nachfassaktionen auf nicht beachtete Untersuchungseinladungen, Konsistenz- und Reliabilitätsprüfungen, Senkung der Panelmortalität durch Panelpflegemaßnahmen und „Incentives“ sowie Identitätskontrollen durch OfflineKontaktversuche.3

1 Eine Übersicht über das Thema vermittelt das Buch von Andrei Postoaca: The Anonymous Elect Market Research Through Online Access Panels, Berlin 2005 2 Vgl. dazu Göritz, A. u. a.: Marktforschung mit Online Panels: State of the Art, in: Planung & Analyse, 3 2000, S. 62-67 3 Vgl. Göritz, A. S.: Online-Panels, in: Göritz, A. S., Batinic, B., Bandilla, W., & Bosnjak, M.: ZUMA-Online Research Newsletter, 17, in: www.or.zuma-mannheim.de/inhalt/Informationsquellen/newsletter/um17.htm,28.05.2000

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Online-Marktforschung

Literatur ... ... zum weitergehenden Studium der Online-Marktforschung

Wie einst mithilfe der Kugel lesen moderne Seher das Wünschen und Wollen der Online-Kunden aus deren Spuren im Web. Dahinter steht allerdings meist harte wissenschaftliche Arbeit. >Brusch, Michael: Präferenzanalyse für Dienstleistungsinnovationen mittels multimedialgestützter Conjointanalyse, Wiesbaden 2005 >Decker, Dominik: Marktforschung mit dem Internet. Einsatzmöglichkeiten, Grenzen und Entwicklungspotenziale, Marburg 2001 >Deutschmann, Christel und Walter, Norman: Ana-

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lyse der Daten einer Online-Befragung eines deutschen Reiseveranstalters mittels multivariater statistischer Methoden, Fachhochschule Stralsund 2002 >Eckardt, Matthias: Möglichkeiten und Grenzen der Online-Befragung in der empirischen Sozialforschung. Eine vergleichende Untersuchung postalischer, telefonischer und internetbasierter Befragungstechniken zum Soziologenberufsbild von Oldenburger Studierenden, Oldenburg, 2004 >Fries, Ralph: Großumfragen im World Wide Web. Durchführung, Repräsentativität und Bereinigung von Selektionseffekten untersucht am Beispiel von Perspektive-Deutschland 2001/02, Aachen 2006 >Herstatt, Cornelius und Sander, Jan G.: Produktentwicklung mit virtuellen Communities. Kundenwünsche erfahren und Innovationen realisieren, Wiesbaden 2004 >Leopold, Helmut: Rücklauf bei Online Befragungen im Online Access Panel, Hamburg 2004 >Lütters, Holger: Online-Marktforschung, Wiesbaden 2004 >Meyer, Jörg: Der Einsatz virtueller Gemeinschaften im Marketing. Eine netzwerkanalytische Betrachtung von Virtual Communities, Trier 2000 >Moranz , Claudia: Vertrauen bilden auf Community-Plattformen. Evaluation der UnternehmerTUMCommunity; Ergebnisse einer Online-Befragung im Rahmen des Projekts „Telekooperation in Beziehungsnetzwerken für informationsbezogene Dienstleistungen (TiBiD)“, Lehrst. für Psychologie, Techn. Univ. München 2004 >Postoaca, Andrei: The Anonymous Elect. Market Research Through Online Access Panels, Berlin 2005 >Schryen, Guido u. a.: Online-Marktforschung im Mittelstand. Analyse von Konsumentenverhalten in 3D-Internet-Welten, Wiesbaden 2003 >Schubert, Petra: Virtuelle Transaktionsgemeinschaften im Electronic Commerce. Management, Marketing und Soziale Umwelt, Köln 2000 >Stahlhut, Ilka: Auswahlverfahren in der klassischen und in der Online-Marktforschung, Hildesheim 2005 >Theobald, Axel: Online-Marktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, Wiesbaden 2003 >Welker, Martin: Online-Research. Markt- und Sozialforschung mit dem Internet, Heidelberg 2005 >Wiedmann, Klaus-Peter u. a.: Konsumentenverhalten im Internet. Konzepte - Erfahrungen – Methoden, Wiesbaden 2004

Sekundärforschung Wer im Internet Informationen sucht, versucht es in aller Regel zuerst einmal mit einer Suchmaschine. Doch es gibt auch andere Möglichkeiten.

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uch im Internet macht die Unterscheidung zwischen Sekundär- und Primärforschung Sinn. Letztere basiert auf neu zu erhebenden Daten. Methoden, um online an neue Daten heranzukommen, gibt es viele. Im Prinzip kann jeder Klick auf jede WebSeite nachvollzogen werden. Bei der Sekundärforschung wird auf bereits vorhandene Daten zurückgegriffen. Solche Daten fallen im Web an vielen Stellen an. Jeder Kunde, der beispielsweise in einem Online Shop etwas kauft, hinterlässt Spuren, denn meist geht nichts ohne Angabe von Namen, Adresse, E-Mail und Kreditkarten-Nummer. Aber auch Daten ganz anderer Art lassen sich im Internet gut recherchieren. Wird zum Beispiel ein neuer Lieferant für die betriebliche Beschaffung gesucht, gibt eine einigermaßen sinnvoll formulierte Anfrage in einer Suchmaschine wie Google einen brauchbaren ersten Überblick. Nirgendwo gibt es so viele, so aktuelle Daten, wie im World Wide Web.

ABER DIE INFORMATIONSSUCHE im Internet hat auch Nachteile. Oft endet die Suchmaschinen-Anfrage in einer unüberschaubaren Flut von Ergebnissen. Eine Liste mit 10.000 und mehr Einträgen hilft wenig, kann sie doch in einer vertretbaren Zeit nicht abgearbeitet werden. Meist finden sich zudem auf den ersten Positionen der Seiten immer wieder die gleichen kommerziellen Einträge, die den Informationssuchenden so gar nicht weiterhelfen. Außer der Suche in Google oder ähnlichen Suchmaschinen gibt es leider nicht viel, was einen Zugang zu den Web-Daten vereinfachen könnte. Das Internet ist in keiner Weise strukturiert. Kein zentrales Inhaltsverzeichnis hat sich bisher durchsetzen können. Fast noch schlimmer wiegt die Tatsache, dass es auch keine Regeln und Restriktionen für das Einstellen von Inhalten in den virtuellen Raum gibt. Im Internet kann publizieren wer will. Keine Instanz wacht verlässlich über die Qualität der Einträ-

Online-Suchmaschinen wie „Google“ bieten neue Möglichkeiten der Sekundärforschung. Weltweit gibt es mehr als vier Milliarden „Websites“. Nie waren so viele Informationen auf Knopfdruck abrufbar. Leider sind mit der Online-Recherche auch Nachteile verbunden. So liefert die Eingabe des Schlüsselbegriffs „E-Marketing“ eine Ergebnisliste mit 1.680.000 Einträgen. Erschwerend kommt die oft zweifelhafte Qualität der Informationen hinzu.

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ge. So wird in zahlreichen Diplom- und Doktor-Arbeiten zwar aus dem Web zitiert und dabei die Quelle auch sorgfältig angegeben. Die Wissenschaftlichkeit ist damit allerdings leider noch lange nicht nachgewiesen. Allzu oft finden sich Verweise auf private Seiten, die mit wenig Sorgfalt zusammengestellt wurden und sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisen. Bei der Sekundärforschung im Internet ist mithin Vorsicht angeraten. Dennoch lohnt es sich, folgende drei Möglichkeiten auf ihr Potenzial hin, näher zu untersuchen: Suchmaschinen, Web-Verzeichnisse und Datenbanken. EINE SUCHMASCHINE besteht aus drei Teilen. Der erste Teil ist der Informationssammler, „Robot“, „Spider“ oder „Crawler“ genannt, der Seiten im Internet vollautomatisch „durchstöbert“. Als Ergebnis werden Daten an die Indizierungssoftware übergeben (Teil 2 der Suchmaschine). Hier werden die Daten strukturiert und für die effiziente Suche in einer Datenbank abgelegt. Eine weitere Software wertet die Suchanfrage aus, verknüpft logische Operatoren und schickt die

Keine andere Suchmaschine kann Google heute das Wasser reichen Auch in Diplom- und Doktor-Arbeiten wird aus dem Web zitiert und dabei die Quelle auch sorgfältig angegeben. Die Wissenschaftlichkeit ist damit allerdings noch nicht nachgewiesen.

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Anfrage an den Datenserver, um von dort aus die Ergebnisse zu präsentieren. Hierbei wird meist auch der Ort des Vorkommens im Dokument besonders berücksichtigt. Wenn das Wort im Titel oder im „Meta-Tag“ (beschreibende Informationen zu einer Web-Seite, die mit einem entsprechenden HTML-Befehl zugewiesen werden) vorkommt, wird es höher gewichtet als im eigentlichen Text. Ungeschickt ist es zum Beispiel, nach dem Begriff „Kundenadresse“ zu suchen. Die Suche endet mit über 30.000 Treffern. Wer im Internet recherchiert, muss möglichst präzise das Umfeld definieren und sich über den Zusammenhang klar werden, in dem der Begriff gesucht wird. Wichtig ist mithin, welche Begriffe in Zusammenhang mit dem Suchwort stehen oder welche explizit ausgeschlossen werden sollen. Zu viele „UND-Begriffe“ zu Beginn engen die Suche allerdings möglicherweise zu stark ein. Schrittweises Eingrenzen empfiehlt sich schon eher. Hilfreich ist es, die verknüpften Begriffe leicht zu variieren, denn die Suche ist in vielen Fällen nur dann erfolgreich, wenn genau die Terminologie verwendet wird, derer sich der Autor der entsprechenden Seite bedient hat. Ein Pluszeichen (+) oder „AND“ verknüpft das nachfolgende Wort mit dem vorherigen. Beide Begriffe müssen im Ergebnis-Dokument vorkommen. Ein Minuszeichen (-) oder „NOT“ schließt das nachfolgen-

de Wort aus. Das Ergebnis darf das Wort dann nicht enthalten. Mehrere Worte lassen sich mit Anführungszeichen verbinden. Sie werden dann als zusammenhängender Begriff behandelt, wie zum Beispiel „Kundenadressen im Direct Marketing“. Die Syntax der Such-Server unterscheidet sich allerdings zum Teil erheblich voneinander. Die bekannteste Suchmaschine ist unter www.google. de zu finden. Die Bezeichnung kommt von „googol“, ein Begriff der von Milton Sirotta, dem Neffen des amerikanischen Mathematikers Edward Kasner, geprägt wurde. Er bezeichnete damit eine hohe Zahl mit einer 1 und 100 Nullen. Google verwendet diesen Begriff, um das Ziel des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen: die Organisation der enormen Menge an Informationen, die im Web verfügbar ist. Nach einer Untersuchung von Nielsen/NetRatings ist Google mit 14 Millionen Nutzern die zweitgrößte aller Internet-Seiten in Deutschland. Eine Reichweite von 52,2 % wird erreicht – über die Hälfte aller deutschen Internet-Nutzer besucht monatlich die Seite. StarMarket fand im April

Yahoo ging 1995 als rein handgepflegter Katalog an den Markt 2003 heraus, dass sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland 25 % des von Suchmaschinen generierten Internet-Verkehrs von Google aus erfolgt. In 88 Sprachen kann im Gehirn des Internets gesucht werden. Gut 200 Millionen Anfragen laufen täglich ein. Sie kommen aus Rio, Peking und Mosbach – von Surfern, die nach einer Diplomarbeit suchen oder beispielsweise Informationen über „Watergate“ haben wollen.1 Google hat Erfolg. Das Unternehme ist zwar langsam aber stetig gewachsen. Etwa 3.000 Mitarbeiter sind es heute. Investmentbanker schätzen den Wert von Google auf 15 bis 21 Milliarden Dollar. Dies entspricht etwa dem Wert des Online-Buchhändlers Amazon. Mitarbeiter Nummer 1 ist Craig Silverstein, der Technologie-Chef – der erste, den Firmengründer Sergey Brin und Larry Page anheuerten. Silverstein hatte die beiden Doktoranden in einer Forschungsgruppe an der Stanford University kennen gelernt. Ihre Idee einer Suchmaschine begeisterte ihn. „Damals liefen im Silicon Valley viele Leute mit Ideen herum, aber bei den meisten ging es nur um Marketing, nicht um Technologie“, erzählt der Computerexperte. Die zehntausend Computer über die Google herrscht, sind PCs aus Standardkomponenten zusammengebastelt. „Wahrscheinlich sind gerade jetzt hunderte davon außer Betrieb“, sagt Silverstein. Aber das sei egal: Das System ignoriert ausgefallene Rechner und

Die zehntausend Computer über die Google herrscht, sind gewöhnliche PCs. „Wahrscheinlich sind gerade jetzt hunderte davon außer Betrieb“, sagt Technologiechef Silverstein.

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macht mit denen weiter, die noch funktionieren. Das Gehirn des Internet hat hier ein paar Zellen und dort ein paar: Weltweit wird einfach Platz in Datenzentren angemietet. Sollte ein Erdbeben ein Datenzentrum in Kalifornien platt machen, stehen in anderen Teilen der Welt genügend Rechner, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Nicht umsonst hat Google das ganze Internet zwei- bis dreifach auf seinen Festplatten gespeichert. Davon braucht es immer mehr, denn das World Wide Web wächst, und immer mehr Menschen suchen darin nach Telefonnummern, Rezepten und Gebrauchtwagen. „Alles kein Problem“, sagt Silverstein, dann miete man eben noch mehr Platz in weiteren Datenzentren an und stelle noch mehr Computer hinein. Die Suchmaschine ist so konstruiert, dass sie sich beliebig erweitern lässt. Gibt es Grenzen des Wachstums? „Wir haben sie noch nicht gefunden“, sagt er.2 „Googeln“ ist heute ein Fachausdruck für das Suchen im Internet. Man benutzt ihn wie Tempo für Papiertaschentücher. „Du kannst das ja nachher zu Hause googeln“, sagt die Schauspielerin Jennifer Lopez im Film „Manhattan Love Story“ zu ihrem Sohn. Keine andere Suchmaschine kann Google heute das Wasser reichen. Google weiß, was Schwangere als erstes kaufen, welche Musik 30-jährige Männer bevorzugen und was Kinder am meisten umtreibt. Google lizenziert die Technologie seiner Suchmaschine an über 100 andere Unternehmen. Entwickelt hat die innovative Technik Larry Page als Student an der Stanford University. Der entscheidende Unterschied zur vorangegangenen Generation von Suchmaschinen: Google bewertet Suchergebnisse (von 1,6 Milliarden Sites) anhand von Links, die andere Anbieter im Netz setzen. Beispiel: Wenn die Adresse www.manager-magazin.de von vielen Wirtschaftsseiten im Internet per Link empfohlen wird, ist ein Suchtreffer auf „manager-magazin.de“ wertvoll – und erscheint damit in der Google-Suche weit oben in der Ergebnisliste. Diese erscheint schneller und mit brauchbareren Fundstellen als bei den meisten anderen Anbietern. Bei Google gibt es auch keine Werbeflaute. Prinzipiell bietet die Suchmaschine zwei Formen der text-basierten Bannerwerbung. Das „Sponsorship Advertising Program“ für den großen Geldbeutel und das „AdWords Advertising Program“, im Rahmen dessen schon für kleine Beträge in Google geworben werden kann. „AdWords Advertising Program“. Wie funktioniert es? Die Inserenten suchen sich die passenden Begriffe aus. Deren Zahl ist nicht beschränkt und wird nur durch das Budget der Inserenten festgelegt. Jetzt muss nur noch der kleine Anzeigentext geschrieben werden. Verschiedene Positionen rechts oben auf der Ergebnisseite fordern unterschiedliche Preise: ca. 20$ pro tausend Einblendungen sind zu bezahlen, wenn

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Google weiß, was Schwangere kaufen, welche Musik 30jährige Männer bevorzugen und was Kinder umtreibt. Die dazu gehörige Technologie lizenziert Google an viele andere Unternehmen.

Die zentrale Seite für juristische Angebote im deutschsprachigen Internet ist das Internet-Projekt des Fachbereichs aus Saarbrücken. Neben aktuellen Inhalten findet sich hier auch eine juristische LinkSammlung.

die Anzeige ganz oben erscheint. Die Position wird von den Besuchern durch die Anzahl der Klicks festgelegt. Zunächst erscheinen die drei Anzeigen nach einem Rotationsprinzip bis schließlich feststeht, welche Anzeige sich größter Beliebtheit erfreut. Die beliebteste Anzeige bekommt die oberste Position. In der Anzeige erscheint ein Querbalken („Interest“), der die Beliebtheit der Anzeige visualisiert. Die Preise gelten für jeweils 1.000 Einblendungen – im Gegensatz zur Suchmaschine „Overture“, bei der die Bezahlung nur nach Anzahl der Klicks auf diesen Eintrag veranschlagt wird. Google berichtet aus Erfahrung von einer durchschnittlich fünfmal höheren Klickrate im Vergleich zu herkömmlicher Bannerwerbung.3 WEB-VERZEICHNISSE sind neben den Suchmaschinen ein weiterer Ansatz, die im Internet gespeicherte Informationsflut zu beherrschen. Mit den Verzeichnissen wird eine thematische Gliederung des Informationsangebots im Web versucht. In einer baumartig verzweigten Struktur nähert sich der InternetNutzer dem gewünschten Angebot. Nachteil: Nur etwa ein Drittel des Gesamtangebots wird erfasst. Kleinere Kataloge beinhalten sogar nur einen einstelligen Prozentanteil. Zum größten Web-Verzeichnis überhaupt soll das „Open Directory Project“ (ODP) werden. Dieses Ziel wird mit Hilfe einer großen Gemeinschaft freiwilliger Editoren angestrebt. Die Editoren kommerzieller Verzeichnisse können es nach Meinung der ODP-Gründer einfach nicht mit der Anzahl der Neuerscheinungen im Web aufnehmen. Qualität und Umfang ihrer Verzeichnisse leiden darunter. Statt das explosive Wachstum des Internet zu behindern, bietet das ODP eine Möglichkeit für das WWW an, sich selbst zu organisieren. Denn gleichzeitig mit dem Internet wächst auch die Anzahl seiner Nutzer. Diese sollen jeweils kleine Bereiche des Internet ordnen und das Ergebnis frei im Web zur Verfügung stellen. Dabei sortieren sie weniger Nützliches aus und übernehmen nur die nach ihrer Meinung besten Inhalte. 4 Einen der größten deutschsprachigen Web-Kataloge „allesklar.de“ hat sich der Hamburger InternetDienstleister freenet ins Haus geholt. Das umfangreiche Web-Verzeichnis „allesklar.com“ ist jetzt auch unter www.webkatalog.freenet.de abrufbar. Nach eigenen Angaben stehen dort 600.000 redaktionell beschriebene Websites zur Auswahl. Auch Yahoo hat ehemals als Web-Verzeichnis begonnen. Heute ist nur noch die Web-Marke Google bekannter. Was Yahoo gegenüber seinen meisten Konkurrenten auszeichnet: es macht Gewinn. Begonnen hat seine Geschichte im April 1994 als simple Link-Sammlung der beiden Studenten David Filo und Jerry Yang. Die beiden sammelten brauchbare WebAdressen. Eine Liste die bald Interessenten fand und

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im Internet publiziert wurde. Damit war der erste WebKatalog entstanden und schon die Besucherzahlen der Anfangszeit machten das hohe Geschäftspotenzial deutlich. Yahoo ging zwar 1995 als rein handgepflegter Katalog an den Start, offerierte aber von Anfang an auch Werbe-Möglichkeiten. Das von einer schnell wachsenden Redaktion gepflegte „Link“-Angebot konnte allerdings mit der sich rasch vermehrenden Web-Seitenzahl bald nicht mehr mithalten. Dass Yahoo damals noch wachsende Besucherzahlen (und damit auch höhere Werbeeinnahmen) verbuchte, verdankte die Marke ihrem Image, ihrem früh etablierten Bekanntheitsgrad und ihrem wachsenden Werbeetat. Doch fortan hieß es: „Suchst Du wenige, aber leidlich verlässliche Quellen, geh zu Yahoo. Suchst Du was Neues, musst Du zu ‚Altavista‘ gehen.“1 In der Tat dauerte es oft Wochen, bis neue Links bei Yahoo auftauchten. Eine Spitzenposition im Internet war mit einem reinen Web-Katalog offensichtlich auch für Yahoo nicht zu halten. Die Firma wurde daraufhin jedoch erneut zum Trendsetter und wandelte sich zum Online-Portal. Postdienste, ein Shop und das Nachrichtengeschäft kamen hinzu. Neben die Katalog-Suche, die in ihrer Bedeutung immer weiter abnahm, trat das freie Suchen im Web. Diese Technik musste Yahoo beim damaligen Marktführer Altavista mieten. Ende der Neunziger war Yahoo schon keine kleine technikbegeisterte Experimentierschmiede mehr, sondern längst ein eher an Bilanzen orientiertes Unternehmen. Yang und Filo genossen mittlerweile ihren Milliardärsstatus und überließen die Tagesgeschäfte auf Erfolgsbasis professionellen Managern. Heute ist Yahoo in erster Linie ein vermarktbarer Name und machte damit 2004 einen Umsatz von 3,6 Milliarden Dollar und einen Gewinn von 370 Millionen Dollar. WEITERE MÖGLICHKEITEN der Sekundärforschung im Internet eröffnen sind neben den Web-Verzeichnissen und den Suchmaschinen auch durch zahlreiche, kostenpflichtige Online-Datenbanken. Die zentrale Seite für juristische Angebote im deutschsprachigen Internet ist beispielsweise das Internet-Projekt des Fachbereichs aus Saarbrücken. Nicht nur dass hier zahlreiche eigene Inhalte (wie Entscheidungssammlungen) geboten werden, zusätzlich findet sich auch einer der besten Indizes über weitere Angebote im WWW (der so genannte „Jurindex“) und ein großer Bereich rund um das Thema Jura-Studium für Studenten aller Universitäten (das Lernportal „Yoorah!“). Abgerundet wird das ständig gepflegte Angebot noch durch aktuelle juristische Meldungen. Von diesen Seiten aus ist der Einstieg in das juristische Internet ein Kinderspiel. Neben weiteren Datenbanken für spezielle The-

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men, wie beispielsweise Medizin, Technik, Industrie, Finanz- und Unternehmensdaten, gibt es in Deutschland einen großen Anbieter, der die Recherche in Tausenden von Quellen ermöglicht: das Datenbankportal GENIOS. Mit mehr als 600 Datenbanken ist die GBI-GENIOS einer der größten Anbieter von Presse-, Fach- und Firmeninformationen im deutschsprachigen Raum – zunehmend mit internationaler Ausrichtung. GENIOS ist Partner von rund 240 Verlagen und Informationsanbietern und übernimmt für viele die komplette Erstellung der digitalen Ableger ihrer Publikationen. Die Datenbanken und Archive werden über die registr ierungspflichtigen Internet-Dienste „GENIOS Classic“ (Einzelzugang für Geschäftskunden) und „GENIOS Premium“ (Zugang für Unternehmen mit mehreren Nutzern) angeboten. Für Gelegenheitsnutzer ist der „GENIOS Recherche-Shop“ gedacht, ohne Vertragsbindung mit Bezahlung über Kreditkarte oder Micropayment (FIRSTGATE, T-Pay, Web.Cent). Weiterhin haben zahlreiche Verlage auf ihrer Homepage einen Zugriff auf ihr eigenes Archiv bei GENIOS integriert. Immer bedeutender wird der Bereich „GENIOS Portale“, unter dem alle maßgeschneiderten Lösungen für Unternehmen zusammen gefasst sind. Die Bündelung von ausschließlich relevanten und urheberrechtlich gesicherten Quellen im Unternehmensportal oder Intranet ermöglicht eine effiziente und wirtschaftliche Informationsversorgung der Mitarbeiter oder Kunden.6

1 Mehr zu Thema im Google-Pressezentrum, „online im Internet“, www.google.de/intl/de/picasa.html, abgerufen am 6.1.06 2 Antonie Bauer, Marc Hujer und Andreas Oldag: Die Alleswisser, SZ vom 15.11.2003 3 Manager Magazin, 10.12.2001 4 Mehr zum ODP unter dmoz.org/World/Deutsch/about.html 5 Frank Patalong, Spiegel Online, www. spiegel.de, abgerufen am 01.03.2005 6 GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH, „online im Internet“,http://profi.genios.de/psgenios/fn/page/ sfn/genios/pid/134/index.html, abgerufen am 11.02.06

Das Dorf der Gallier Asterix und Obelix ist virtuell. Es hat nicht einmal einen Namen. Für die Community könnte das Geschehen jedoch nicht realer sein.

Virtuelle Gemeinschaften Photo: Harry Nederend (stock.xchng)

Funktionierende Gemeinschaften im Web 2.0 wachsen sich zum virtuellen Freundeskreis aus. Im Chat werden Triumphe gefeiert und bei Problemen findet sich jemand der hilft.

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irtuelle Gemeinschaften (VCs = Virtual Communities) stellen auf die soziale Ebene ab. Sie sind mittlerweile ein fester Bestandteil des so genannten Web 2.0. Hier geht es darum, die Kunden nicht mit statischen Web-Angeboten zu langweilen, sondern Sie zu aktivieren und damit besser zu binden. Kunden können heute nicht mehr nur als isolierte Individuen betrachtet werden, sondern vielmehr in ihrer Einbettung in verschiedene soziale Systeme wie Familie, Organisationen, Communities und gesellschaftliche Gruppen. Diese bilden gemeinsame Wertsysteme aus und nehmen Einfluss auf die Kundenbedürfnisse. Für jedes Produkt und jede Dienstleistung müssen so neben den individuellen auch die sozial-

kollektiven Funktionen berücksichtigt werden.1 In vielen Lebensbereichen und Branchen sind Communities zum wichtigen Orientierungsmaßstab für die Bewertung von Leistungen geworden. Angenommen die schönste Freizeitbeschäftigung ist das Sammeln und Genießen edler Rotweine. Das Kaufen und Verkosten der Ware ist eine Sache; aber auch das Reden darüber gehört dazu. Was aber, wenn sich im näheren Umfeld einfach niemand finden will, der die exklusive Leidenschaft teilt? Was wenn im persönlichen Freundeskreis nur mit dem Kopf geschüttelt wird, wenn Äußerungen fallen, wie: „Ich habe eine echte Weinpersönlichkeit gefunden. In Bordeaux besinnt man sich wieder auf seine Stärken – Konzentration wird jetzt

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Für das traditionelle Marketing ist eine 1:n-Kommunikationsbeziehung typisch. Jeder Nachfrager kann hierbei mit dem Anbieter Kontakt aufnehmen – ein Meinungsaustausch der Kunden untereinander ist dagegen nicht vorgesehen. Virtuelle Gemeinschaften ermöglichen eine multidirektionale Kommunikation, die vor allem sehr viel mehr Glaubwürdigkeit hat, als die herkömmliche, radial-strukturierte Kommunikation.

nicht mehr mit Überextraktion und viel Neuholz erreicht ...“ Wenn wirkliche Gesinnungsgenossen in der Realität einfach nicht zu finden sind, bietet der virtuelle Freundeskreis im Internet Ersatz. Egal wann eine Mitteilung auf der Zunge brennt, immer ist irgendjemand online, der sich mitfreut und etwas Passendes dazu bemerken kann. Im virtuellen Interaktionsraum bleibt die Zusammensetzung und Größe von Communities im Gegensatz zu früher eben nicht mehr zwangsläufig geographisch und räumlich begrenzt.2 „Community became more than a place. It became a common understanding of a shared identity“.3 Was liegt für den Weinanbieter da näher, als auf seiner Website eine virtuelle Gemeinschaft zu beheimaten. Eröffnet doch die intensive zwischenmenschliche Kommunikation in VCs den Einstieg in langfristige Geschäftsbeziehun-

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gen. Hat sich ein passender virtueller Freundeskreis erst einmal etabliert, wird er auch dauerhaft gesucht. So wird die Website des Weinhändlers vom langweiligen Internet-Daumenkino zum beliebten Treffpunkt, den man nicht mehr missen möchte. Verfolgt der Anbieter den Online-Chat seiner mitteilungsbedürftigen Kunden darüber hinaus noch intensiv, ist eine völlig neue Methode der Marktforschung gefunden auf deren Basis differenzierte Kundenprofile erstellt werden können. Wichtig für Unternehmen ist hierbei, dass das ökonomische Potenzial virtueller Gemeinschaften auch ein nicht zu vernachlässigendes Gefahrenpotenzial birgt. Auf der einen Seite verbreiten sich innerhalb von Communities Einstellungen gegenüber einem Unternehmen oder Produkt schnell, und der Anbieter profitiert, sofern diese Meinungen positiv sind, von dieser

Das Schwätzchen zwischendurch wird meist für bare Münze genommen. Auch Kaufentscheidungen fußen weit öfter auf Empfehlungen von Bekannten oder Freunden als auf Informationen aus den Medien. Am wenigsten Glaubwürdigkeit wird der klassischen Werbung beigemessen.

effektiven Mund-zu-Mund-Werbung. Andererseits haben Communities aber auch die Tendenz, eine große Eigendynamik zu entwickeln und sind daher von außen nur schwer zu steuern.4 Funktioniert die VC allerdings auch nur einigermaßen im Sinne des Anbieters, winkt der Profit: Die US-Unternehmensberater John Hagel und Arthur Armstrong gehen davon aus, dass eine gut gesteuerte Community in zehn Jahren zehnmal so viel Umsatz machen wird wie eine statische Website.5 Im Laufe der Kommerzialisierung des Internets gewann das Community-Konzept nicht zuletzt wegen der spektakulären Markterfolge einiger amerikanischer „Community“-Marken, zum Beispiel GeoCities, Tripod oder TalkCity, an Bedeutung. Allein GeoCities konnte innerhalb von wenigen Jahren einen Mitgliederbestand

von 3,3 Millionen aktiven Nutzern aufbauen. Gleichzeitig ist das Angebot von kommerziell ausgerichteten Communities im Internet im Zeitraum von 1997 bis 2001 von ca. 96.000 auf über 300.000 angestiegen.6 Aber welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die virtuelle Gemeinschaft richtig funktioniert? Hier heißt es Neuland zu betreten. Schließlich handelt es sich dabei aus Anbietersicht um eine völlig neue Kommunikationsstruktur. Traditionell werden Kunden im Rahmen einer 1:n-Beziehung angesprochen. Gleichgültig ob es sich um Werbung, ein Mailing oder eine E-Mail an die Kunden handelt, zu jedem Kunden wird immer nur ein Kommunikationskanal eröffnet. In der VC etablieren sich dagegen viele Kommunikationskanäle unter den Mitgliedern und von diesen zum Anbieter. VCs basieren damit nicht nur auf der Kom-

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munikation zwischen Anbieter und Nachfragern, sondern vor allem auch auf der Interaktion zwischen den Nachfragern. Vor diesem Hintergrund lassen sich VCs als ego-zentrierte, soziale Netzwerke mit Vollstruktur auffassen. Vollstruktur bedeutet, dass sich jedes Mitglied der Gemeinschaft prinzipiell mit jedem anderen und darüber hinaus mit dem Betreiber unterhalten kann. Die Nachfrager-interne Kommunikation – der so genannte multidirektionale Kommunikationsfluss – ist somit ein zentrales Konstitutionskriterium der VC. Funktionierende VCs haben darüber hinaus immer auch einen Themenbezug, der den Anlass bietet, dass sich Nutzer im Internet unterhalten. Das Interessante daran: aufgrund des gemeinsamen Themas sind VCs Orte, an denen sich Mitglieder mit gleichen Interessen treffen. VCs sind damit homogene Nachfragergruppen. Muss der Anbieter im Normalfall hohen Aufwand betreiben, um seine Kunden in geeignete homogene Gruppen zu segmentieren, nehmen ihm die Kunden durch ihr Interesse an der VC diese Arbeit ab. Sie gruppieren sich selbst in Kundensegmente mit hoher Homogenität und generieren so im Alleingang eine geeignete Basis für Marktforschungsaktivitäten des Anbieters. DAS THEMA ist der Grund, warum die Mitglieder der VC kommen. DIE INTERAKTION, also die multidirektionale Kommunikation, ist der Grund, weshalb die Mitglieder der VC bleiben und wiederkehren. Zusammenfassend definiert sich die virtuelle Gemeinschaft wie folgt: „Eine Virtual Community (VC) ist ein nicht radial-strukturiertes, ego-zentriertes Netzwerk im virtuellen Raum, in dem die Nutzer multidirektional und

themenspezifisch interagieren und so die Basis einer glaubwürdigen Kommunikation schaffen.“ Die Glaubwürdigkeit ist dabei der entscheidende Punkt. Sie lässt sich in dieser Form mit keinem anderen Marketing-Instrument herstellen. Der Grund dafür: das menschliche Weiterempfehlungsverhalten. Wird untersucht was uns letztlich dazu bringt, eine Kaufentscheidung zu treffen, stehen Testzeitschriften (wie Stiftung Warentest) weiter hinten auf der Liste. Schon eher beeinflussen uns Informationen aus dem Fernsehen, Rundfunk oder aus der Presse. Vor dem Kauf wird in vielen Fällen auch noch einmal das Internet zu Rate gezogen. Wirklich entscheidend für die Kaufentscheidung ist oft aber das Gespräch mit Freunden, Bekannten oder auch auf der Arbeitsstelle. Diesen Botschaften wird eine enorme Glaubwürdigkeit beigemessen, die durch nichts übertroffen wird.7 Virtuelle Gemeinschaften machen sich als MarketingInstrument diese Mund-zu-Mund-Propaganda, den so genannten „Word of Mouth“ (WoM), zueigen. Mit dem VC-Konzept stellen Anbieter von Produkten den Nachfragern im Internet eine zur Mund-zu-Mund-Propaganda analoge Interaktionsform zur Verfügung. Beispiel: Ein Hersteller von Anglerausrüstungen etabliert eine VC im Internet und bietet den Anglern eine Plattform für ihr Hobby. Innerhalb der VC haben die Angler die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und vom Wissen der übrigen Mitglieder zu profitieren: Erfahrungen mit Angelruten, Ködern und Fischgründen werden ausgetauscht. Angestoßen durch die Diskussion in der VC werden höchstwahrscheinlich mehr Angelruten und Fischgründe ausprobiert und mehr Köder ge-

Die Vorführungen und der Verkauf der TupperwareProdukte wurden in einen gesellschaftlichen Event verpackt, bei denen sich Hausfrauen in freundschaftlicher Umgebung miteinander austauschen konnten. Auf diese Weise entwickelten sich rund um die Tupperware-Produkte Communities von „Haushaltsexpertinnen“, aus denen schließlich die eigentlichen Tupperware Communities entstanden.

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testet als das normalerweise der Fall gewesen wäre. Insgesamt fließen deutlich mehr Informationen über das Fischen, als der Hersteller von Anglerbedarf auch bei maximalem Einsatz von Werbemitteln je hätte generieren können. Denn keine Kombination publizierter Expertenmeinungen reicht an die geballten Einsichten und Erfahrungen einer Gemeinschaft von Menschen heran, die ein leidenschaftliches Interesse verbindet. EINES MUSS DER HERSTELLER von Anglerausrüstung, der als Betreiber einer VC auftritt, dabei allerdings vor allem beherrschen: Die größte Herausforderung beim Betrieb einer VC besteht darin, den potenziellen Mitgliedern das glaubhafte Umfeld zu erhalten. Es muss auf jeden Fall vermieden werden, dass der Eindruck einer „virtuellen Butterfahrt“ entsteht. Dazu gehört unbedingt, den Besuchern einer Site nicht zu verheimlichen, wer der Betreiber ist. Wird die Internet-Seite der VC von einem Unternehmen betrieben, das die Waren herstellt oder vertreibt, über die „gechattet“ wird, so muss dieses für jeden intuitiv ersichtlich sein. Glaubhaft erscheinen bedeutet auch, den Eindruck zu vermeiden, es gehe dem Betreiber der VC ausschließlich um Absatzsteigerungen. Gerade kritische Kundenäußerungen bieten dem Anbieter die Möglichkeit, auf unzufriedene Kunden einzugehen und in zufriedene Nachfrager zu wandeln, die ihre positiven Erfahrungen bei der Problemlösung dann in der VC weitergeben können. Allerdings muss auch Rezension der Beiträge sein. Aus unkontrollierter Kommunikation folgt zwar ein Maximum an Entfaltungsmöglichkeit – diese kann aber

auch zu irrelevanten, störenden Beiträgen führen. Die Herausforderung für den Betreiber einer VC besteht mithin vor allem darin, die Konversation so zu steuern, dass sowohl die Mitglieder-Bedürfnisse nach glaubhaften Informationen als auch die Interessen des Anbieters gewahrt bleiben. Sowohl Themenbezug als auch multidirektionale Kommunikation müssen gegeben sein, um von einer VC sprechen zu können, denn nur daraus resultiert die glaubwürdige Kommunikationsbasis. Fehlt eines dieser Kriterien, bröckelt auch die Glaubwürdigkeit. Der typische Chatroom ist ein Beispiel für fehlenden Themenbezug. Hier ist zwar ein multidirektionaler Kommunikationsfluss gegeben, die Kommunikation selbst aber ist meist ziellos. Die Teilnehmer begegnen sich zufällig und nicht regelmäßig. Aus dem mangelnden Themenbezug resultieren die mangelhafte Glaubwürdigkeit und die geringe Bindung in Chats. Beim Online-Buchhändler Amazon können Bücherrezensionen von Privatpersonen eingestellt werden. Dort existiert mithin ein gemeinsamer Themenbezug. Eine Diskussion zwischen den einzelnen Lesern findet allerdings nicht statt – es ist kein multidirektionaler Kommunikationsfluss etabliert. Damit kann auch hier nicht von einer VC gesprochen werden. Seit mehr als fünf Jahrzehnten, also schon lange bevor VCs überhaupt ein Thema waren, liefert die Tupperware Corporation einen eindrucksvollen Beleg dafür, dass sich selbst im Bereich „Plastikschüsseln“ Communities schaffen lassen, wenn Themenbezug und multidirektionale Kommunikation gegeben sind. Der 1944 gegründete Produktionsbetrieb für die welt-

Auf der Homepage des Fernsehsenders Eurosport wurde eine „Gamezone“ mit virtuellen Snooker-Spielen und eine Web-Chatbox eingerichtet. Für die Snooker-Begeisterten war es dadurch möglich, dem Kommentator während der Sendung übers Internet Fragen zu stellen. Diese community-orientierte Strategie führte zu hohen Einschaltquoten.

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bekannten Haushaltsbehälter entwickelte Anfang der Fünfzigerjahre ein einmaliges System des Direktvertriebs. Durch die Organisation und Durchführung von Heimveranstaltungen bei Kundinnen, so genannten „Tupperware Partys“, wurde es dem Unternehmen möglich, die optimale Anwendung der Haushaltsbehälter in direktem Kundenkontakt eingängig zu erklären und die Kundinnen von der hohen Qualität der Tupperware-Produkte zu überzeugen. Darüber hinaus konnte durch die Verlagerung des Kundenkontakts in die ungezwungene Atmosphäre privater Wohnungen die Marke emotional aufgeladen werden. Rund um die Produkte entwickelten sich Communities von „Haushaltsexpertinnen“. Der „Tupperware-Kult“ bescherte dem Anbieter einen enormen Verkaufserfolg. Im Jahr 2004 erzielte das Unternehmen einen weltweiten Umsatz von 1,2 Milliarden US-Dollar. Der Direktvertrieb des mittlerweile 1.000 Artikel umfassenden Sortiments erfolgt heute mithilfe von rund einer Million unabhängiger Beraterinnen in mehr als 100 Ländern auf der ganzen Welt (www.tupperware.de). Es gibt aber auch nicht-kommerzielle Gemeinschaften im Internet. Man unterscheidet dabei zwischen ansprechbaren oder nicht ansprechbaren VCs, je nachdem, ob Marketing-Maßnahmen, wie Sponsoring oder ähnliches, akzeptiert oder abgelehnt werden. Kommerzielle VCs können in zwei Bereichen funktionieren: Einmal zur Etablierung einer neuen und eigenständigen Erwerbsquelle im Internet (unabhängige VC) und zum anderen zur Verbesserung des InternetAuftritts des Anbieters von Waren oder Dienstleistun-

gen (abhängige VC). UNABHÄNGIGE VIRTUELLE GEMEINSCHAFTEN finanzieren sich entweder durch den Verkauf von Werbung (VC „of interest“) oder sie agieren als Agent (VC „of consumption“). In dieser Rolle koordinieren sie die Bedürfnisse ihrer Nutzer mit den Leistungen von Anbietern. Beispielsweise durch Nachfragebündelung können so für die Nutzer verbesserte Konditionen erzielt werden. Der Erfolg der kommerziellen Aktivitäten hängt direkt oder indirekt vom Bestand an Mitgliedern beziehungsweise von der Interaktion im Mitgliedernetzwerk ab. Bekannte Beispiele für diese Erscheinungsform des Community-Konzepts sind Dooyoo oder Ciao.com, deren Kernleistung im Angebot von Entscheidungshilfen für den Produktkauf liegt. Ciao ist eine Community von mehreren Millionen Mitgliedern, die zum Nutzen anderer Verbraucher Produkte und Dienstleistungen testen und kritisch bewerten. Durch die Verbindung unabhängiger Verbrauchertests mit aktuellen Preisinformationen hunderter Online-Shops ist Ciao einer der umfangreichsten Einkaufsberater im Internet, der Millionen von Konsumenten in den wichtigsten westeuropäischen Märkten in landessprachlichen Versionen kostenlos zur Verfügung steht. Mehr als zehn Millionen Verbraucher besuchen Ciao jeden Monat und machen es damit zu einem der größten und erfolgreichsten Shopping-Portale in Europa.8 Im Auftrag von Unternehmen führt Ciao Online-Verbraucherumfragen zum Zwecke der Marktforschung durch. Hier liegt eines der Erlöspotenziale der VC. Durch den direkten Zugang zu sieben Millionen Kon-

Virtuelle Gemeinschaften sind beliebte Einkaufshelfer. Ciao beispielsweise ist eine Community von mehreren Millionen Mitgliedern, die zum Nutzen anderer Verbraucher Produkte testen und kritisch bewerten.

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sumenten in weltweit 32 Ländern ist Ciao in der Lage, Marktforschungsinstitute und Marketing-Abteilungen kostenpflichtig mit Daten zu versorgen. Open BC, ein Beziehungsnetzwerk für Geschäftsleute, erzielt seine wesentlichen Erlöse durch die Nutzung des Community-Netzwerks selbst. Die Nutzer können ein persönliches Profil kostenlos einstellen. Sobald sie jedoch im Netzwerk umfassender nach anderen Teilnehmern suchen oder sich mit ihnen austauschen möchten, fällt eine Teilnahmegebühr an. EINE ABHÄNGIGE VIRTUELLE GEMEINSCHAFT unterhält beispielsweise eBay. Die Community bietet Nutzern ein Forum zum Austausch über gehandelte Produkte oder die eigenen Dienste. Unternehmen wie AOL, MSN oder Yahoo hingegen betreiben mitgliederstarke Community-Bereiche, die vor allem dem Zweck dienen, weitere Nutzer für das Gesamtangebot zu interessieren. Darüber hinaus sollen sie die Verweildauer beziehungsweise die Besuchshäufigkeit der Nutzer erhöhen. Parallel werden andere Dienste wie OnlineShops oder Online-Auktionen angeboten, mit denen die wesentlichen Teile des Umsatzes erzielt werden. Communities werden jedoch auch von Unternehmen eingesetzt, deren Kerngeschäft im traditionellen „Offline“-Bereich liegt, beispielsweise in der Herstellung und/oder dem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen. Dann kann es sich bei der Community beispielsweise um einen zusätzlichen direkten Vertriebskanal zu den Endkonsumenten handeln. Ein Beispiel hierfür wären TUI oder L’TUR, die im Rahmen einer Community den Austausch über eigene Reisen

fördern und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, online Reisen zu buchen. Alternativ können Communities von Unternehmen ausschließlich im Rahmen einer unterstützenden Marketing-Funktion eingesetzt werden. Diese Communities, wie zum Beispiel bei Nivea, dienen dann der Pflege des Marken-Images. Der Community-Betreiber stellt hier nur Informationen rund um die Marke bereit. Die Mitglieder fühlen sich sowohl der Community als auch der Marke gegenüber verbunden.9 Die Motivation für die Einrichtung dieser kommerziellen Communities liegt oft in der Hoffnung begründet, dass das Unternehmen von Netzwerkeffekten profitieren kann. Unter Netzwerkeffekten werden dabei sich selbst verstärkende Prozesse verstanden, die in kurzer Zeit in einem exponentiellen Anstieg der Nutzerzahl resultieren können. Dabei verstärken sich einerseits das wachsende Angebot einer Community und andererseits die steigende Nutzerzahl wechselseitig. Es kommt auf diese Weise zu einem dynamischen Ertragswachstum.10 Die abhängige VC bietet ihrem Betreiber darüber hinaus im wesentlichen vier Vorteile, die alle darauf basieren, dass den Beiträgen hohe Glaubwürdigkeit beigemessen wird: > Generierung von Marktforschungsdaten > Einsatz kundenspezifischer Werbung > Verbesserung des Kundenservices > Erhöhung der Kundenbindung und des Umsatzes MARKTFORSCHUNG: Die Analyse der themenspezifischen Interaktion in einer VC zeigt Präferenz-

Communities wie www.feierabend.com werden sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Das ist schon deshalb so, weil deren Klientel, die älteren Menschen, einen immer größeren Anteil der Bevölkerung stellt. Themen wie z. B. Gesundheit stehen im Mittelpunkt des Interesses.Ein idealer Marktplatz für entsprechende Anbieter.

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Virtuelle Gemeinschaften leben auch aus psychologischen Bindungseffekten.Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Hat sich erst einmal ein kleiner aber feiner Kreis gefunden, in dem „gefachsimpelt“ werden kann, verlässt man diesen „virtuellen Freundeskreis“ nur ungern wieder.

Profile potenzieller Kunden auf. Fließen diese Informationen in die Produktion ein, sind die Produkte besser an Kundenbedürfnissen ausgerichtet, was vor allem im industriellen Systemgeschäft bereits umgesetzt wird (User Groups). WERBUNG: Aus der Interaktion in einer abhängigen VC gewonnene Kundenprofile können zur Platzierung gezielter Werbung genutzt werden. Beispiel: Einige Angler monieren in einer VC die mangelnde Haltbarkeit ihrer Angel bei der Hochseefischerei. Noch während das interaktive Gespräch läuft, könnten spezielle Hochsee-Angeln angeboten werden. Eine Werbeform, die wahrscheinlich als wenig störend empfunden wird, da sie direkt Kundeninteressen berührt.

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KUNDENSERVICE: Da innerhalb einer VC themenspezifisch kommuniziert wird, findet sich schnell kompetenter Rat. Somit werden etwa Hotlines und „FAQ“ zum Teil an die VC delegiert. Probleme werden mit Hilfe anderer VC-Mitglieder behoben, die vor gleichen Schwierigkeiten standen. Zudem geht das Informationsangebot über das hinaus, was Anbieter leisten könnten. Diskutiert wird nicht mehr nur über das Produkt selbst, sondern auch über Produkte im Umfeld und erweiterte Einsatzmöglichkeiten. Vorteile des Kundenservice über VCs werden in der Software-Branche vielfach bereits eingesetzt (z. B. SPSS. com). KUNDENBINDUNG: Über die schnelle Hilfe, die

Benutzer der Orange-Mobiltelefone-Community entwickelten und verbreiteten eine eigene Software für das Handy. Ein Beispiel für Konsumentengruppen, die hinsichtlich ihres Produkts ein hohes „Customer-Involvement“ aufweisen und bereit sind, mit Eigeninitiative ihr Produkt zu verbessern.

themenspezifische und glaubwürdige Kommunikation in einer VC werden Wechselbarrieren zu anderen Anbietern aufgebaut. Hinzu treten psychologische Bindungseffekte: Die Nutzer sind irgendwann mit Navigation und Erscheinungsbild der VC vertraut. Darüber hinaus entsteht ein Gemeinschaftsgefühl. Hat sich erst einmal ein kleiner aber feiner Kreis gefunden, in dem „gefachsimpelt“ werden kann, verlässt man diesen „virtuellen Freundeskreis“ nur ungern wieder. Eine Studie zum Internet-Geschäftsmodell „Virtuelle Community“ zeigt, dass die wesentliche Stärke in den Augen der befragten 150 Community-Betreiber in der Bindung von neu gewonnenen Nutzern besteht. Dieser Befund wurde im Rahmen einer Befragung

von 1.560 Community-Nutzern bestätigt. Die Mehrheit der befragten Community-Mitglieder (51 Prozent) neigt dazu, sich langfristig (mehr als 6 Monate) und freiwillig an eine Community zu binden und diese aktiv weiterzuempfehlen. Sie weist eine hohe wiederholte Bindungsbereitschaft sowie eine hohe Bindungsabsicht auf.11 Tatsächlich erhöht die Möglichkeit der Interaktion auch die Besucherfrequenz einer Website um 50 % und verdreifacht die mittlere Aufenthaltsdauer dort von wenigen Minuten auf eine halbe Stunde. Es lässt sich allgemein zeigen, dass Websites mit umfangreichen Community-Elementen beziehungsweise einem community-basierten Business-Modell eine höhere

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operative „Performance“ besitzen als andere B2C-Sites.12 So weisen Communities eine 50 Prozent höhere „Conversion-Rate“ von Interessenten zu Kunden auf als schlichte Transaktions-Sites. Diese Erfolgswirksamkeit lässt sich insbesondere auf eine gesteigerte Marketingelastizität durch Communities zurückführen.13

Fallbeispiele für virtuelle Gemeinschaften Beispiele aus unterschiedlichen Branchen zeigen, wie erfolgreich Communities gebildet werden und Community-Effekte positiv genutzt werden können. EUROSPORT-SNOOKER Im Medienbereich können die Snooker-Sendungen sowie die dazugehörigen Dienstleistungen des Fernsehsenders Eurosport als Praxisbeispiel herangezogen werden, um die gezielte Entwicklung von Communities in einem „Low-Interest“-Bereich zu analysieren. Bis vor wenigen Jahren war Snooker nur in den geographischen Herkunftsländern England, Irland und Schottland eine Sportart, die die Massen begeistern konnte. In zentral- und westeuropäischen Kreisen galt es als emotionslose Sportart, vergleichbar etwa mit Dart oder Curling. Eurosport stellte sich dieser Herausforderung und räumte dem Snooker-Sport systematisch mehr Sendezeit ein. Damit gelang es, eine Community aufzubauen. Während der Live-Übertragungen wurde eine SMS-„Chatbox“ eingerichtet, so dass die Fans Kontakt aufnehmen konnten. Dem fachkundigen Kommentator konnten interaktiv Fragen zu Snooker gestellt werden. Auf der Homepage von Eurosport wurden eine „Gamezone“ mit virtuellen Snooker-Spielen und eine „Web-Chatbox“ eingerichtet (www.eurosport.de/ snooker). Auch der Kommentator konnte direkt über das Internet befragt werden. Diese community-orientierte Neulancierung der Snooker-Übertragungen, gepaart mit modernen Kommunikations- und Interaktionsmöglichkeiten hatte zweierlei positive Folgen für Eurosport. Einerseits stiegen die Einschaltquoten massiv an und andererseits bildeten sich regionale oder teilweise sogar nationale Snooker-Communities. ORANGE Das Telekommunikationsunternehmen war der erste Anbieter eines so genannten Smartphones, das mit einem Betriebssystem von Microsoft (Smartphone 2002) ausgestattet war. Auf dem Smartphone konnte jedoch nur von Orange digital zertifizierte und unverhältnismäßig teure Software installiert werden.

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Der öffentlichen Kritik an den überhöhten SoftwarePreisen begegnete das Unternehmen mit der Argumentation, dass nur so Telefone und Netzwerk gegen Viren geschützt werden konnten. Gleichzeitig existierten im Markt jedoch bereits Mobiltelefone, die die Installation wesentlich preiswerterer Software zuließen. Postwendend organisierten Benutzer der OrangeMobiltelefone Communities wie beispielsweise www. modaco.com oder www.coolsmartphone.com. Dort wurde eigene Software entwickelt und verbreitet. Ein Beispiel für Konsumentengruppen, die hinsichtlich ihres Produkts ein hohes „Customer-Involvement“ aufweisen und bereit sind, mit Eigeninitiative ihr Produkt zu verbessern.14

VC Mitglieder gewinnen Konkurrenz für abhängige virtuelle Gemeinschaften findet sich bei aktuellen Mitbewerbern und in unabhängigen VCs zum jeweiligen Thema. Aus diesem Wettbewerbsdruck kann sich nur befreien, wer die kritische Masse zuerst erreicht. Hierzu muss sich ein Unternehmen damit beschäftigen, was Verbraucher dazu bringt, an einer VC teilzunehmen und dort Beiträge einzustellen. Im Rahmen zweier Befragungen aus dem „Filesharing-Bereich“ (z. B. KaZaA und eDonkey) wird deutlich, welche fünf Kernmotive für die Teilnahme an solchen Netzwerken dominieren.15 Nutzer bieten immer dann gerne Inhalte an, wenn sie positive Netzwerkeffekte erwarten. Dieses Motiv ist insbesondere am Anfang des Lebenszyklus einer Community vorherrschend. Daher sollte stets versucht werden, die Erwartung an Netzwerkeffekte zu steigern und eine Zukunftssicherheit der Community zu kommunizieren. Netzwerke wie zum Beispiel die IP-TelefonieCommunity „Skype“ tun dies, indem sie stets die aktive Mitgliederzahl offen kommunizieren. Daneben ist das Prinzip der Reziprozität entscheidend. Wenn der anbietende Nutzer nicht mehr das Gefühl hat, dass sein Engagement durch die Community gewürdigt wird, erlahmt sein Interesse. Regelmäßige Beiträge schreiben weniger als zehn Prozent der Mitglieder.16 Die meisten der Community-Mitglieder rufen lediglich Inhalte ab. Motivationsstrukturen für engagierte Inhalte Lieferanten aufzubauen, wird damit zur überlebenswichtigen Aufgabe des VC-Betreibers. Altruismus ist ein weiteres Motiv für ein bestimmtes Nutzersegment, um sich in einer Community zu engagieren. Die Open-Source-Bewegung ist exemplarisch hierfür. Die einzige Art der Kompensation für die Programmierleistung besteht dort in sozialen Anreizen in Form von Anerkennung innerhalb der virtuellen Ge-

meinschaft. Dies wird in vielen Communities zum Beispiel durch ein gutes „Rating“ offensichtlich gemacht. Die Interessen und Motive der Mitglieder verstehen ist eine Sache, die der Betreiber einer VC beherrschen muss, um mit seiner Gemeinschaft schnell zu wachsen. Weitere Möglichkeiten hierzu bestehen in strategischen Allianzen mit komplementären Anbietern. Bei den bereits öfter zitierten Herstellern von Anglerausrüstungen bietet sich dabei Reisebüros, Literaturfachverlage oder auch Kochforen an. Die Allianz aus Anglern und Köchen spricht dann eine erweiterte Zielgruppe an und erhöht das Mitgliederpotenzial. Strategische Allianzen bieten auch unter dem Aspekt der Glaubwürdigkeit Vorteile. Der einzelne Anbieter tritt in den Hintergrund. Gleichzeitig bürgt der dem Kunden

bekannte Anbieter quasi für die weniger bekannten. Außerdem erhöht sich die Finanz- und Innovationskraft der Betreiber insgesamt. Grundsätzlich gibt es daneben noch drei Möglichkeiten, schnell Mitglieder zu gewinnen und damit die kritische Masse eher zu erreichen: > Ankopplung an bestehende (meist unabhängige) Communities > Community-Potenziale aufbauen durch „High Interest“ > Community-Potenziale aufbauen durch „High Involvement“ ANKOPPLUNG an bestehende Communities bedeutet, das Unternehmen nimmt eine untergeordnete Rolle ein und beschränkt sich auf seine Funktion als

Die stark wachsenden Märkte rund um Themen wie Gesundheit und Schönheit spiegeln jeweils hohes Interesse und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager. Community-Betreiber müssen überlegen, an welches dieser Felder ihre Produkte angrenzen könnten.

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Produkte Lieferant. Die virtuelle Gemeinschaft entscheidet, ob ein Unternehmen mit seinen Produkten beziehungsweise Dienstleistungen einen Mehrwert für die Mitglieder bietet und überhaupt in Erscheinung treten darf. In der Praxis lassen sich bereits erste Beispiele finden, wie zum Beispiel www.feierabend.com, der größte Web-Treff für aktive Menschen der „50plus“Generation in Deutschland, eine Community mit über 69.000 Mitgliedern und 49 Regionalgruppen, in denen sich die Mitglieder vor Ort treffen und austauschen. Auf der Internet-Plattform gibt es eine Reihe von Themenbereichen mit speziellen Informationen und Angeboten für die Mitglieder. In diesem Kontext gibt es einen Themenbereich: Versichern & Sicherheit, in dem zum Beispiel ausgesuchte Versicherer speziell auf die Community zugeschnittene Produkte anbieten. „HIGH INTEREST“ Die stark wachsenden Märkte rund um Themen wie Gesundheit, Schönheit, Rente und soziale Absicherung, Sport etc. spiegeln jeweils hohes Interesse und Zahlungsbereitschaft der Nachfrager. Der Anbieter muss überlegen, an welches dieser Felder sein Produkt angrenzen könnte. Gleichzei-

Virtuelle Gemeinschaften bringen Umwälzungen in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung mit sich. In ihnen organisiert sich eine zunehmende Nachfragermacht, die unter Umständen über größeres Expertenwissen als der Anbieter selbst verfügt. Außerdem kann die kumulierte Kaufkraft der VC ausreichen, um vom Anbieter bestimmte Produkte und Preise einzufordern. Trotz des „Hypes“ um Web 2.0: Damit der Himmel über der Konzernzentrale sich nicht unter Umständen eintrübt, sollte die Community im Marketing niemals unbedarft eingesetzt werden.

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tig eignen sich diese Themen auch für den sozialen Austausch, die Generierung von Zusammenhalt und emotionale Aufladung. In grundlegenden Bedürfnisbereichen von Kunden wie Gesundheit, Mobilität, Sicherheit usw. lassen sich so eine Vielzahl von Optionen für Communities entwickeln, die auch neue strategische Positionierungen des eigenen Produkt- und Dienstleistungsangebots ermöglichen. Wer dieses Potenzial nutzen will, sollte sich mit den Logiken dieser sozialen Phänomene intensiv auseinander setzen. „HIGH INVOLVEMENT“ Die aktive Einbeziehung in die Leistungserstellung bietet einen weiteren Ansatzpunkt, um Gemeinschaften aufzubauen. So hat sich etwa der Finanzdienstleister Charles Schwab zum Ziel gesetzt, seine Kunden zu befähigen, all ihre FinanzAngelegenheiten selbst erledigen zu können (www. aboutschwab.com/schwabcorp/mission.html). Hierzu hat das Unternehmen eine E-Learning-Plattform eingerichtet, eine „E-University“ gegründet, Weiterbildungskurse und Seminare vor Ort angeboten, sowie Freizeit-Events mit Kunden, Partnern und Unternehmen organisiert. Ziel war es, Kunden-Communities

und User-Groups sowohl virtuell als auch vor Ort ins Leben zu rufen, um die direkte Interaktion und Kommunikation zwischen Kunden sowie zwischen Kunden, Partnern und Unternehmen zu fördern.

Bedrohliche Nachfragermacht VCs werden im Marketing Mix des e-business einen festen Platz einnehmen. Der Kreis der Personen, die an Mund-zu-Mund-Propaganda teilnehmen, ist dadurch nicht mehr auf Freunde und Bekannte begrenzt, sondern umfasst jetzt potenziell alle themenspezifischen Interessenten, die am Internet teilnehmen. VCs bringen aber auch Umwälzungen in der Anbieter-Nachfrager-Beziehung mit sich. In ihnen organisiert sich eine zunehmende Nachfragermacht. Ein

Effekt besteht darin, dass die teilnehmenden Nachfrager unter Umständen über größeres Expertenwissen als der Anbieter selbst verfügen. Außerdem kann die kumulierte Kaufkraft der VC ausreichen, um vom Anbieter bestimmte Produkte und Preise einzufordern. Dies kann sich im Wege einer nicht steuerbaren Eigendynamik zur ernsten Gefahr für ein Unternehmen entwickeln, wie etwa in den Fällen Shell (Versenken der Bohrplattform Brent Spar) oder auch Deutsche Bahn (Einführung eines neuen Preissystems). Dies trifft dann den Begriff des umgekehrten Marktes (Hagel und Armstrong sprechen von „reverse economy“). Mit zunehmender Verbreitung der VCs steigt auch der Wettbewerbsdruck, denn die Gemeinschaft weiß nicht nur über die Produkte des Anbieters Bescheid, sondern verfügt über detailliertes Wissen zu Wettbewerbsprodukten. Bei allen unübersehbaren Vorteilen – die virtuelle Gemeinschaft darf im E-Marketing nicht unbedarft eingesetzt werden. Unternehmen könnten sonst Opfer ihrer eigenen Strategie werden.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Haller, M. u. Maas, P.: Kunde als Risiko? Das Customer Value-Konzept als Herausforderung der Versicherer, in: Albrecht, P. / Lorenz, E. /Rudolph, B. (Hrsg.): Risikoforschung und Versicherung, Karlsruhe 2004, S. 179-214 2

Vgl. hierzu auch Wolfensberger, T.: Virtual Communities. Unternehmenspolitik und Erfolgsmessung, Wiesbaden 2002 3

Vgl. Muniz, A.M.Jr. u. O’Guinn, T. C.: Brand Community, in: Journal of Consumer Research, Vol. 27, March 2001, pp. 412-432. S. 413

10

Vgl. dazu auch Hagel III, J. u. Armstrong, A. G.: Net Gain - Expanding Markets through Virtual Communities, Boston 1997.

11

Vgl. Panten, G.: Internet-Geschäftsmodell Virtuelle Community: Analyse zentraler Erfolgsfaktoren aus Betreiber- und Mitgliedersicht mit dem PartialLeast-SquaresAnsatz, Wiesbaden 2005

12

Zahlenmaterial hierzu findet sich z. B. in Bughin, J. und Hagel III: The Operational Performance of Virtual Communities, in: Electronic Markets, Vol. 10/2000, S. 237-243

4 Vgl. Maas, P. u. a.: Communities im Finanzdienstleistungsbereich: Innovation oder Illusion?, Thexis, Jg. 22, Nr. 3 vom 01.06.2005, S. 27-32

13

5 Vgl. werben und verkaufen - W&V Nr. 42 vom 16.10.1998, Seite 170-172

14

6

Vgl. McWilliam, G.: Building Stronger Brands through Online Communities, in: Sloan Management Review, Vol. 41, No. 3/2000, S. 43-54 7 Dieses Verhalten lässt sich durch zahlreiche Studien belegen, wie zum Beispiel unter www.horizont.net vom 08.07.2005 8

www.ciao.de, abgerufen am 16.2.06

9

Vgl. Muniz, A.M. u. O’Guinn, T. C., a. a. O.

Vgl. Bughin, J. u. Zeisser, M. P.: The Marketing Scale Effectiveness of Virtual Communities, in: Electronic Markets, Vol. 11, No. 4/2001, S. 258-262 Vgl. Maas, P. u. a., a. a. O

15

Hierbei können die Erkenntnisse aus: Becker, J. U. und Clement, M.: Dynamics of Illegal Participation in Peerto-Peer-Networks - Why do People Illegally Share Media Files?, in: Journal of Media Economics 2005 problemlos übertragen werden

16

Vgl. hierzu Panten, G., a. a. O.

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#FPCBDIUVOH im Internet

Gerade was die Beobachtung angeht, sind Online-Verfahren den traditionellen haushoch überlegen. Die Daten fallen online automatisch und permanent an, müssen allerdings noch aufbereitet werden. Photo: Nota (stock.xchng)

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W

esentliche Methoden der Primärforschung im Internet sind Beobachtungen und Befragungen. Aber gerade was die Beobachtung angeht, ist das Web jedem traditionellen Verfahren überlegen.1 Jeder Nutzer hinterlässt, ob er will oder nicht, Spuren beim Besuch einer Website. Sich im Web bewegen, ist wie einen frisch verschneiten Weg begehen. Jeder „Schritt“ und jede „Gehpause“ durch die virtuellen Regalreihen eines Internet-Shops können verfolgt werden. Jedes Verhalten an „Weggabelungen“ kann detailliert protokolliert werden. Doch nicht nur die bevorzugten Wege durch das Web-Angebot, auch jedes Produkt, das der Nutzer herausgreift, sowie die Reihenfolge der Produkte und die Zeitspannen, die auf die Produkte verwendet werden, sind beobachtbar. Und zwar unabhängig davon, ob letzten Endes etwas gekauft wird oder nicht. Die Beobachtung im Internet ist dabei ohne Aufwand permanent durchführbar. Die Ergebnisse repräsentieren eben nicht nur isolierte Zeitpunkte, sondern auch Verhaltensänderungen im Verlauf der Zeit. Alle Daten fallen dabei automatisch in digitaler Form an und können direkt weitergehend analysiert werden. Im Prinzip hat der Website-Betreiber damit die Chance, unmittelbar auf jede Regung des Nachfragers reagieren zu können.2 Im Gegensatz dazu leisten Beobachtungen in der traditionellen Offline-Marktforschung vergleichsweise wenig und sind deswegen auch von untergeordneter Bedeutung.3 Sie werden überhaupt nur dort angewandt, wo der Informationswert den erheblichen Erfassungsaufwand rechtfertigt. Das aber ist allenfalls bei der Beobachtung des Einkaufs- und Informationsverhaltens gelegentlich der Fall.4 Geistige und seelische Vorgänge, Wissen und Meinungen entziehen sich normalerweise den traditionelle Verfahren der Beobachtung.5 Besonders gravierend ist die Problematik bei einer großen Anzahl an Probanden: Müssen viele Menschen beobachtet werden, um zu einem repräsentativen Ergebnis zu kommen, zieht das einen erheblichen zeitlichen, konzeptionellen und kostenmäßigen Aufwand nach sich.6

Systematische Vorgehensweise Methodisch gesehen muss bei der Online-Beobachtung ein dreistufiger Prozess durchlaufen werden: Datenerhebung (1), Datenaufbereitung (2) und Speicherung in einer geeigneten Datenstruktur (3).7 DATENERHEBUNG Zunächst einmal werden verlässliche Daten gebraucht. Im Internet greift man da-

bei auf Aufzeichnungen zurück, die das Nutzungsverhalten der Website widerspiegeln. Hierzu ist wichtig zu wissen, dass das World Wide Web auf Basis des Client-Server-Prinzips funktioniert. Software-Programme die Dienste anfragen, werden als Client, solche die Dienste bereitstellen, als Server bezeichnet. Wird beispielsweise „www.bild.de“ in einen Browser getippt, was täglich mehrere Millionen Mal passiert, so fordert der an das Internet angeschlossene Computer (in diesem Fall der Client) einen Dienst vom Webserver der Bildzeitung an. Daten werden über das Internet übermittelt und die Website mit den „unverzichtbaren“ Nachrichten von Bild wird aufgebaut. Dabei wird in der so genannten Log-Datei auf dem Webserver der Bildzeitung automatisch mitgeschrieben, welche Daten der Online-Leser angefordert hat – ob er sich beispielsweise zuerst die Homepage und dann vielleicht noch den Sportteil angeschaut hat. Jeder Datenzubzw. -abgang wird verzeichnet. Im Prinzip also eine ergiebige Quelle für Beobachtungen, denn Bild weiß in unserem Beispiel ganz genau, welche Artikel am betreffenden Tag besonders häufig angeklickt wurden und damit auf Interesse stießen und welche Informationen als eher langweilig empfunden wurden. Daten in Log-Dateien werden übrigens automatisch mitgeschrieben und sind damit für jeden Website-Betreiber zugänglich. Viele Verlage und Bertreiber prominenter Websites melden ihre Statistik an die Informationsgemeinschaft zur Festlegung der Verbreitung von Werbeträgern (www.ivw.de). Dort können die Daten dann frei zugänglich abgerufen werden und dienen als Entscheidungsgrundlage beispielsweise für die Schaltung von Online-Werbung. Vor allem bei Web-Auftritten, die unterschiedliche Zielgruppen ansprechen, sind eine Identifizierung der Nutzer-Typen und eine entsprechende Abstimmung der Website wichtig. So zeigt beispielsweise der WebAuftritt eines internationalen Unternehmens aus dem Bereich der Entwicklung von Verbrennungsmotoren wesentliche Nutzungsunterschiede bei Besuchern aus verschiedenen Ländern und bei verschiedenen Anwendergruppen (Technik, Marketing, Verkauf, usw.)8 Es macht also durchaus Sinn, sich als Betreiber die ohnehin vorhandenen Informationen in der Web-LogDatei genauer anzuschauen. Diese Log-Dateien können bei gleichem Informationsgehalt in verschiedenen Formaten festgehalten werden. Gängig ist derzeit das Extended Common Log Format (ECLF). Hierbei ist genau festgelegt, welche Felder der Log-Datei für welche Informationen stehen. Protokolliert werden unter anderem die IP-Adresse des Computers, von dem eine Anfrage einging, Daten über den Zeitpunkt und welche Informationen genau abgerufen wurden, Hinweise auf den Erfolg des Datenaustausches und ein so genannter „Referrer“, der Angaben über die zuvor besuchten

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Page Impressions und Visits sind die Zielgrößen der Online-Beobachtung. Den Marktforschern geht es darum, herauszufinden welche Web-Seiten in welcher Reihenfolge angeklickt werden. Daraus lässt sich letztlich ableiten, wie sich Nutzer beispielsweise durch einen virtuellen Laden bewegen.

Seiten beinhaltet. Aus der Log-Datei geht mithin schon ziemlich konkret hervor, wie sich Interessenten auf der Website bewegen. Diese Informationen können noch durch den Einsatz so genannter „Cookies“ ergänzt werden. Bei dieser Art von „Keksen“ werden Dateien auf die Festplatte des anfragenden Computers geschrieben. Wird die Website später einmal wieder besucht, kann das „Cookie“ abgerufen werden und den Betreibern ist damit unter anderem bekannt, welche Seiten bei der letzten Sitzung angeschaut wurden. Der Einsatz solcher „Kekse“ sollte aber wohlüberlegt sein. Zum einen gibt es beträchtliche Bedenken dagegen seitens der Internet-Teilnehmer. Längst nicht jedem ist es recht, wenn Daten unkontrolliert auf seine

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Festplatte geschrieben werden. Zum anderen kann die Funktion „Cookies“ jederzeit im Browser des Surfers abgeschaltet werden und steht dann nicht mehr oder nur unvollständig zur Verfügung. Teurer als die Cookie-Methode aber allemal besser geeignet, sind spezielle, modifizierte Erhebungsumgebungen zur Untersuchung des Surf-Verhaltens auf der eigenen Web-Seite. Eigens dafür rekrutierte Web-Teilnehmer bewegen sich dabei als Testpersonen auf den WebSeiten und verwenden unter Umständen modifizierte Browser, bei denen der Quellcode verändert wird, um die Fähigkeit zur Datenerhebung noch weiter zu verbessern.9

Um welche Art von Online-Beobachtung es sich handelt, hängt von drei Faktoren ab: Wie ist der Bewusstseinsgrad des Beobachteten, um welches Erhebungsumfeld handelt es sich und was soll inhaltlich mit der Beobachtung erreicht werden?

DATENAUFBEREITUNG Leider sind die Informationen der Online-Beobachtung zunächst nur Rohdaten und noch nicht unmittelbar für eine weitergehende Analyse zu gebrauchen. Eine Reihe an Transformationen müssen erst noch vorgenommen werden, um vom Informationsgehalt des erhobenen Materials profitieren zu können. Das liegt vor allem auch daran, dass es sich bei den Rohdaten in der Log-Datei um Aufzeichnungen über den Datenaustausch zwischen Clientund Server-Computern handelt. Jeder Mouseclick auf einen Link führt zum Wechsel des dargestellten WebSeiten-Inhalts und damit zur Erzeugung eines neuen „Bildes“ im Bildschirmfenster, das aus mehreren neuen Grafik-Elementen und HTML-Files bestehen kann,

die jeweils einen separaten Eintrag in der Log-Datei hinterlassen. Für eine aussagekräftige Analyse des Nutzerverhaltens sind aber nicht die einzelnen versandten Dateien von Interesse, sondern auf dem Nutzerbildschirm vollständig aufgebaute Web-Seiten mit konkreten Informationen. Ziel der Datenaufbereitung muss deshalb eine intelligente Zusammenfassung der protokollierten Einzeleinträge sein, um daraus geeignete Indikatoren für das Nutzerverhalten eindeutig ableiten zu können. Zentrale Indikatoren zur Interpretation des Verhaltens sind Visits, Page Impressions und Episoden.10 Von einer Page Impression (oder auch Page View) wird immer dann gesprochen, wenn alle zugehörigen

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Visits

29.000.000

7.200.00

Page Impressions

330.000.000

53.000.000

Page Impressions / Visits

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7,5

Nachrichten

51.000.000

15.000.000

Sport

41.000.000

2.600.000

Wirtschaft

8.000.000

4.200.000

Wissenschaft

4.000.000

1.200.000

Auto

14.000.000

1.400.000

Zahlen beziehen sich auf den Monat Oktober 2005

Wichtige Indikatoren der Beobachtung, wie Visits (zusammenhängende Nutzungsvorgänge) und Page Impressions (Sichtkontakt mit einer vollständig aufgebauten Web-Seite) werden von der Informationsgesellschaft zur Verbreitung von Werbeträgern monatlich erfasst und im Internet veröffentlicht. Über 300 Millionen Bildzeitungs-Seiten werden im Monat aufgerufen. Das Publikumsinteresse richtet sich dabei hauptsächlich auf Nachrichten und Sport.

Komponenten im Browser des Nutzers geladen sind und die entsprechende Web-Seite komplett angeschaut werden kann (Sichtkontakt mit einer Web-Seite). Praktisch gesehen handelt es sich um alle Elemente, die der Nutzer als Reaktion auf einen Mouseclick im Bildschirmfenster präsentiert bekommt.11 Wird eine Web-Seite von einer Person mehr als einmal besucht, macht es Sinn, alle Datenabrufe, die in der Log-Datei aufgezeichnet sind und dieser Person zugeordnet werden können, in einzelne Sessions zu unterteilen. Nur so kann die zeitliche Verteilung des Nutzer-Verhaltens untersucht werden. Eine solche Server Session bezeichnet einen zusammenhängenden Nutzungsvorgang auf einer Web-Seite durch einen Client in Form miteinander verbundener Page Impressions. Als Nutzungsvorgang zählt also jeder technisch erfolgreiche Zugriff eines Internet Browsers auf die Website, wenn er von außen erfolgt.12 Die Identifikation von Benutzern, um Beobachtungsdaten einzelnen Probanden zuordnen zu können, ist allerdings nicht unproblematisch. Websites werden nor-

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malerweise anonym besucht. Diesem Problem kann nur durch geeignete Heuristiken, den kombinierten Einsatz von Erhebungsmethoden und/oder eine explizite Registrierung der Probanden begegnet werden. Server Sessions werden auch als Visits bezeichnet. Bei Episoden handelt es sich schließlich um semantisch bedeutungsvolle Teilbereiche eines Visits. Beispiele für Episoden im Internet-Auftritt einer Wochenzeitung sind alle Seiten, die etwa mit Wirtschaft oder mit Politik zu tun haben.13 DATENSPEICHERUNG Die aufbereiteten Daten lassen Rückschlüsse zu, wann welcher Nutzer, welche Seite, wie lange im Internet besucht hat, in welcher Reihenfolge er das getan hat und ob er dort Transaktionen getätigt hat. Jetzt müssen die Daten nur noch in eine geeignete Datenstruktur überführt werden, damit sie für Analysen genutzt werden können. Dort werden sie den Beobachtungszielen entsprechend abgelegt und gespeichert. Die Durchführung von Beobachtungen kann zu sehr großen Datenbeständen führen,

Vor allem biotische Verfahren, bei denen die Probanden keine Ahnung haben, dass ihr Surf-Verhalten beobachtet wird, sind in die Kritik geraten. Verbraucher fürchten um den Schutz ihrer Privatsphäre. Unternehmen die im Internet Daten erheben, sollten daher peinlichst darauf achten, dass Ihre Kunden sich nicht durch solche Marktforschungsprojekte beeinträchtigt fühlen. Photo: kilokilo (stock.xchng)

deren Handhabung und Nutzbarmachung gute methodische Kenntnisse erfordert. Online-Betreiber die die Internet-Beobachtung intensiv zu nutzen beabsichtigen, werden nicht umhin kommen, sich mit der Data-Warehouse-Technolgie auseinanderzusetzen. Data Warehouses sind spezielle Datenbank-Anwendungen, die große Datenmengen strukturiert, redundanzfrei und dokumentiert beherbergen. Erst die so gespeicherten Daten können letztlich für die Steuerung der marktgerichteten Aktivitäten nutzbar gemacht werden.14 UM WELCHEN ANWENDUNGSTYP der Beobachtung in der Online-Marktforschung es sich handelt, hängt ab vom Bewusstseinsgrad des Beobachteten, von inhaltlichen Gesichtspunkten sowie vom Typus des Erhebungsumfeldes.15 Wer Web-Seiten besucht, kann sich vollkommen bewusst sein, dass sein Surf-Verhalten beobachtet wird. Es kann aber auch vollkommene Ahnungslosigkeit gegeben sein. Ist letzteres der Fall, wird das

Verhalten des Nachfragers im Internet relativ frei von Störgrößen beobachtbar sein. Jemand der weiß, dass ihm jemand „über die Schulter schaut“, verhält sich einfach anders als jemand der sich vollkommen unbeobachtet fühlt. Zwischen beiden Extremen gibt es fließende Übergänge. Ein Nachfrager einer Web-Seite kann beispielsweise auch eine vage Ahnung davon haben, dass in einem bestimmten Web-Auftritt OnlineBeobachtungen durchgeführt werden, beispielsweise weil er davon von einem Freund erfahren hat. Berekoven u. a. schlagen vor, vier generelle bewusstseinsbezogene Anwendungsarten der Beobachtung in der Online-Marktforschung voneinander zu unterscheiden:16 Bei der offenen Beobachtung weiß die beobachtete Person um den Zweck der Beobachtung, ihre eigentliche Aufgabe und um ihre Rolle als Beobachtungsperson. Bei der nicht-durchschaubaren Beobachtung kennt die beobachtete Person den Zweck der Beobachtung nicht, weiß aber um ihre Aufgabe und ihre Rolle als Beobachtungsobjekt. Bei einer quasi-biotischen Beobachtung weiß die beobachtete Person

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Online-Marktforschung

nicht um Zweck und ihre Aufgabe bei der Beobachtung, wohl aber, dass sie beobachtet wird. Bei einer biotischen Beobachtung schließlich ist die beobachtete Person vollkommenen ahnungslos. Beobachtungen können unter inhaltlichen Gesichtspunkten in unmodifizierten oder in modifizierten Erhebungsumfeldern durchgeführt werden: Wird auf bereits existierenden, nicht weiter aufgearbeiteten Web-Seiten beobachtet, liegt ein unmodifiziertes Erhebungsumfeld vor. Von einem modifizierten Erhebungsumfeld wird dann gesprochen, wenn die WebSeiten, verändert oder speziell für die Durchführung einer Untersuchung neu geschaffen werden. Spezielle Online-Testmärkte wie Marktforschungsinstitutionen wären Beispiele hierfür. Auch inhaltliche Gesichtspunkte (was soll mit der Beobachtung erreicht werden?) können zur Systematisierung dienen. So kann es beispielsweise darum gehen, Informationen über das Nutzungsverhalten auf bereits bestehenden Web-Seiten zu erheben, die Attraktivität einzelner Bereiche der Web-Seite zu bewerten, das Design und die Nutzerführung von Web-Seiten zu optimieren, Cross- und Up-selling-Po-

tenziale zu entdecken, Nutzertypen zu klassifizieren (Customer-Value-Management) oder Segmentierungen durchzuführen.

Problembereiche Vor allem (voll-)biotische Beobachtungen in natürlichen Erhebungsumfeldern sind nicht unproblematisch. Das wachsende Bewusstsein der Nutzer, dass sie von Unternehmen möglicherweise beobachtet und ihr Surf-Verhalten aufgezeichnet wird, führt zu Kritik und zu Bedenken, was die Verletzung der Privatsphäre angeht.17 Weitere Kritik richtet sich gegen die Gefahren aus einer unsachgemäßen Verwendung der Daten, beispielsweise für die Versendung von störenden Massen-Werbemails.18 Unternehmen, die im Internet Daten mittels Beobachtung erheben, sollten daher peinlichst darauf achten, dass sie die Daten so erheben und verwenden, dass Kunden sich dadurch nicht beeinträchtigt fühlen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Chancen und Problembereiche von Befragungen über das Internet werden intensiv in der Literatur diskutiert, vgl. hierzeu beispielsweise: Theobald, A.: Das World Wide Web als Befragungsinstrument, Wiesbaden 2000 2

Vgl. Wiedmann, K.-P. u. a.: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Heft 9/2003, S. 528-534 3 Berekoven, L. u. a.: Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, Wiesbaden 1999, S. 146 4

Vgl. ebenda, S. 148ff.

5 Vgl. Henze, A.: Marktforschung. Grundlagen für Marketing und Marktpolitik, Stuttgart 1994, S. 34 6 Vgl. Buxel, H. (2001a): Customer Profiling im Electronic Commerce. Methodische Grundlagen, Anwendungsprobleme und Managementimplikationen, Aachen 2001, S. 28f. 7

Vgl. ebenda, S. 55f.

8

Vgl. Nadjafi, Mark & Christian Haider: Lokale Kulturen und globales Medium. Der Einfluss von kulturellen Unterschieden auf die Usability einer Website, www.user-focus. net, 2002

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E-MARKETING

9 Vgl. Cooley, R.: Web Usage Mining. Discovery and Application of Interesting Patterns from Web Data, PhD Thesis, University of Minnesota 2000, S. 20f. 10

Vgl. ebenda, S. 25f.

11

Werner, A.: Kontaktmessung im WWW, in: B. Batinic u. a. (Hrsg.): Online Research. Methoden, Anwendungen und Ergebnisse, Göttingen u.a. 1999, S. 216

12

Vgl. ebenda, S. 220

13

Vgl. Buxel, H. (2001a), a. a. O., S. 95ff.

14

Informieren Sie sich über die Data-Warehouse-Technologie weiter hinten in diesem Buch unter Individualmarketing oder in der einschlägigen Literatur, wie beispielsweise Kemper, H.-G.: Business Intelligence – Grundlagen und praktische Anwendungen, Wiesbaden 2004

15

Vgl. Wiedmann, K.-P., a. a. O

16

Vgl. Berekoven, L., a. a. O., S. 146f.

17

Sehr aufschlussreich schildert Buxel die Problematik, vgl dazu Buxel, H. (2001b): Die sieben Kernprobleme des Online-Profiling aus Nutzerperspektive, in: DuD, Heft 10, 2001, S. 597–583

18

Vgl. Buxel, H. (2001a), a. a. O., S. 196ff.

Spurensuche Photo: stockxpert

Wer im Internet unterwegs ist hinterlässt Spuren. Doch wer als Anbieter davon profitieren will, muss sie auch lesen und interpretieren können. Data-Mining-Verfahren erkennen selbst in riesigen Datenbergen brauchbare Muster. Und erst die sind der Schlüssel zum Verständnis von Käuferinteressen.

D

as World Wide Web eignet sich hervorragend für die Beobachtung im Rahmen der Marktforschung. Jeder Online-Besuch hinterlässt Spuren auf dem Webserver und diese wertvollen Informationen gilt es auszuwerten. Zum „Spurenleser“ wird der Online-Marketingmanager dabei mit Data Mining. Aus Bergen von Rohdaten lassen sich mit dieser Methode Informationen herauslesen, die einfach mehr über die Kunden des Online-Shops und deren Interessen verraten. Data-Mining-Analysen verschaffen solchermaßen Einblicke, die selbst Branchen-Experten verblüffen und mit denen niemand gerechnet hätte. Banner sind beispielsweise seit langem die bevorzugte Werbeform im Internet. Bis in alle Einzelheiten verstanden ist ihre Wirkungsweise damit allerdings noch lange nicht. Wer die blinkenden Rechtecke als störend empfindet oder umgekehrt, wann und von wem sie angeklickt werden, lässt sich oft nur vermuten. Data Mining eröffnet hier völlig neue Möglichkeiten. Ist eine Web-Seite erst einmal lange genug online und kann auf ausreichend viele Daten zurückgegriffen werden, lassen sich mit Data Mining Profile der Kundinnen und Kunden erstellen, die bevorzugt auf Werbung im Internet reagieren.

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Im Idealfall erscheint die Werbeeinblendung dann nur noch denen, die sich auch dafür begeistern können. Alle anderen werden nicht mehr belästigt und surfen „reklame-frei“. Aber wie funktioniert dieses Data Mining? Es beruht auf Software für künstliche Intelligenz, wie zum Beispiel auf selbst-organisierenden Netzwerken oder auf genetischen Algorithmen und maschinellem Lernen. Solche Anwendungen sind durchaus auch in der „Offline-Welt“ anzutreffen: Die amerikanische Handelskette Wal Mart beispielsweise praktiziert Data Mining in großem Stil. Jede der 2.900 Filialen wird wöchentlich in Bezug auf die Produktnachfrage analysiert. Dabei werden mehr als 700 Millionen Filiale-Produkt-Kombinationen ausgewertet und zu Prognosen zusammengefasst. Damit entsteht ein sehr viel differenzierteres Bild davon, was sich in welcher Filiale verkaufen lässt. Mittels Data Mining kann Wal Mart die Nachfrage vorhersehen und dadurch die Kosten für Überbestände, Lagerhaltung und das Sortiment in den Geschäften reduzieren. Das Unternehmen ist in der Lage, den Kunden zielgruppengerecht die jeweils am Ort bevorzugte Biermarke, Brot- oder Buttersorte anzubieten. Aber Data Mining ist nicht auf den Supermarkt begrenzt. Auch Banken, Versicherungen und Kreditkarteninstitute nutzen es, um ihr Wissen zu verfeinern und Kundenentscheidungen voraussehen zu können. So kön-

nen Finanzdienstleistungen gleich den Kundinnen und Kunden angeboten werden, die sich potenziell auch am meisten dafür interessieren. Viele Branchen profitieren traditionell bereits von Data Mining. In der Qualitätskontrolle, der Überwachung von Produktionsprozessen und sogar zur Verbrechensbekämpfung wird es eingesetzt. Das Bundesamt für den Wertpapierhandel in Frankfurt ist damit beispielsweise erfolgreich so genannten „Insider-Geschäften“ auf der Spur. Die meisten Data-Mining-Anwendungen (online wie offline) betreffen jedoch verbraucher-zentrierte Untersuchungen. Für Online-Händler wie Amazon ist es geradezu überlebenswichtig, genau zu wissen, wie Produkte im Internet positioniert werden müssen. Daher ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Form von Data Mining zu einem wesentlichen Hilfsmittel geworden, um in schnellen und umkämpften Märkten wie dem Online-Business zu bestehen. Unter den harten Wettbewerbsbedingungen im Internet werden nur diejenigen einen Vorsprung erarbeiten und Umsatzsteigerungen erzielen, die schnell und flexibel agieren und in der Lage sind, das Kundenverhalten und Vorlieben zu antizipieren. Das Mining von Kundendaten ist beispielsweise notwendig, um Entscheidungen darüber zu fällen, welches die kaufkräftigsten und somit wichtigsten Kunden sind und nach welchen Eigenschaften gesucht werden muss, um genau solche Kunden zu

Data Mining findet aus Bergen von Rohdaten die wirklich interessanten Zusammenhänge heraus. So häufen traditionelle Anbieter beispielsweise über Kundenkarten permanent Daten an, sind aber mit herkömmlichen Methoden nicht in der Lage, diese auch zu analysieren. Ähnlich gestaltet es sich auch im Online-Business zunächst schwierig, Rückschlüsse auf das Käuferverhalten zu ziehen, obwohl dort automatisch kundenbezogene Daten anfallen. Erst Data Mining bringt Licht ins Dunkel des Datendschungels und findet dort die, in der Literatur oft so bezeichneten, Diamanten.

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identifizieren. Erfahrene Händler setzen ausgefeilte Data-Mining-Software ein, in denen genetische Algorithmen zum Einsatz kommen, um beispielsweise das Warenwirtschaftssystem gemäß der Kundenprofile und ihrer Neigungen zu optimieren. Genetische Algorithmen sind Programme, die den Evolutionsprozess (Selektion, Kreuzung und Mutation) nachahmen, um aus einer gegebenen Menge von Lösungsansätzen eine optimale Lösung zu finden. Händler benutzen diese Software in Kombination mit neuronalen Netzen nicht nur, um das Sortiment der einzelnen Filialen festzulegen, sondern auch, um die Verkaufsflächen selbst zu gestalten. Dies kann zu weit reichenden Änderungen – von der Regalhöhe bis zum Parkplatzangebot – führen. Wenn Data Mining also dazu in der Lage ist, das Design physischer Läden zu optimieren, lässt sich erahnen, was es zur Verbesserung des Designs großer Online-Shops wie Amazon beiträgt. Bevor allerdings das eigentliche Mining der Website beginnen kann, muss klar sein, was erreicht werden soll und welche Informationen vorab benötigt werden. So kann es zum Beispiel unumgänglich sein, Cookies (kleine Dateien, die auf die Festplatte des WebsiteBesuchers geschrieben werden) zu setzen.1 Diese Technik erlaubt es, über mehrere Internet-Sitzungen hinweg zu verfolgen, welche Seiten ein bestimmter Kunde im Web-Angebot besucht hat. Diese Daten

wiederum lassen sich dann zu Attributen wie dem Alter oder Geschlecht in Beziehung setzen, falls diese Angaben über den entsprechenden Kunden vorliegen. Anhand der Postleitzahl oder der Adresse eines Besuchers kann das „Bild“ des Kunden um demographische Daten ergänzt werden. Allerdings müssen „web-erzeugte“ Daten, also Informationen, die direkt aus dem Internet stammen, vor jeder Art von Data-Mining-Analyse erst einmal aufbereitet werden: Jeder „Hit“ des Kunden speichert nicht nur die HTML-Seite selbst, sondern auch jede einzelne Grafik auf dieser Seite. Damit entstehen Rohdaten, die für sich genommen noch keine Aussagekraft besitzen. Sie müssen erst noch zu verwertbaren Größen wie beispielsweise Page Views (Sichtkontakt mit einer Web-Seite) oder Visits (zusammenhängender Nutzungsvorgang) verdichtet werden. Die aufbereiteten Daten sollten zudem in ein standardisiertes Datenbank-Format umgewandelt werden, in dem weitere Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen werden können. Wird bereits eine Software für die Analyse des „Traffic“ auf der Website benutzt, sind die Daten vermutlich schon im richtigen Format und können direkt für eine Data-Mining-Analyse verwendet werden. In jedem Fall aber sollten Data-Mining-Analysen mit geeigneten Mitteln, wie zum Beispiel einer EMail-Testkampagne, überprüft werden.2 Eine Gefahr,

Dicke Linien zeigen in der Assoziationsanalyse an, wer sich beispielsweise für welche Literatur besonders interessiert.

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Entscheidungsbäume dienen im Marketing zur Klassifizierung von Kunden. Wichtig dabei: Alle relevanten Merkmale müssen im Trainingsset bereits erfasst sein. Sonst ist der Baum unvollständig und liefert für neu zu klassifizierende Kunden möglicherweise falsche Ergebnisse. Im Beispiel hier können zwar bereits einige Künstlerpersönlichkeiten korrekt klassifiziert werden. Die Schauspielerin Veronika Ferres wäre allerdings noch als Anne-Sophie Mutter durchgegangen (keine Bildende Künstlerin, Frau). Das liegt daran, dass einfach noch zu wenige Merkmale erfasst sind.

die mit Mining verbunden ist, besteht in jedem Fall darin, dass immer nur eine Momentaufnahme entsteht. Aber Kunden behalten ihr Verhalten nicht unbedingt für längere Zeit bei. Neue Trends oder auch eine Veränderung der persönlichen Lebensumstände wirken sich aus und tragen dazu bei, dass die Käufer sich unter Umständen radikal umstellen. Die Mining-Ergebnisse sind damit hinfällig und nicht mehr länger brauchbar. In vielen Fällen werden sie jedoch als dauerhaft gültig angesehen. Der durch Mining „optimierte“ Shop ist solchermaßen unter Umständen schon seit längerer Zeit auf dem Holzweg und trifft auf kein Kundeninteresse mehr. Wie oft sollte mithin eine Data-Mining-Analyse wiederholt werden? Die Intervalle hängen davon ab, wie schnell sich die Kundenattribute ändern. So kann eine Bank zum Beispiel Vorhersagen mit Data Mining entwickeln, die für mehrere Monate effektiv sind. Bei Suchmaschinen im Internet wird hingegen

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die Erstellung von Prognosen auf wöchentlicher Basis erforderlich sein, da sich der Inhalt ständig verändert und immer wieder andere Online-Besucher mit neuen Eigenschaften auf die Website kommen. Auch das zu analysierende Endprodukt ändert sich bei einem Online-Auftritt (zum Beispiel ein Banner) häufiger als das einer traditionellen Bank (etwa ein Darlehen). ES IST DESHALB SINNVOLL, zur genaueren Beschreibung des Data Mining ein konkretes Beispiel zu betrachten. Mena beschreibt den Verlauf in Zusammenhang mit einem Online-Buchhändler.3 Data Mining ermöglicht im Internet-Buchhandel demnach folgende wichtige Einblicke in den Geschäftsverlauf: >Welche Bücher werden an welche Kunden verkauft? >Wer sind die Kunden und woher stammen sie? >Welche Kunden sind am profitabelsten? >Welche Faktoren beeinflussen die Online-Verkäufe?

>Wer kauft voraussichtlich welche Bücher? Für den Anfang verfolgt der Buchhändler mit Data Mining üblicherweise drei Ziele: Die Daten zu visualisieren, um nach signifikanten Trends oder versteckten Assoziationen zu suchen (1); die Daten aufzuteilen, um einmalige Klassen oder verschiedene Gruppierungen (so genannte Cluster oder auch Segmente) zu finden (2); die Daten zu modellieren, um das Verhalten von Online-Besuchern vorherzusagen (3). Visualisierung und Assoziationsanalyse Die Charakteristika seiner Kunden stellt der Internet-Bibliothekar dabei am besten erst einmal in Form eines Diagramms dar, um einen Überblick über seine Kundschaft zu bekommen. Visuelle Untersuchungen dieser Art helfen bestimmte demographische Eigenschaften aufzudecken, wie zum Beispiel, wer etwas kauft und wer nicht. Darüber hinaus geben sie dem

Web-Designer sowie dem Marketingteam des Buchhändlers Aufschluss darüber, welche Werbekampagnen, Preisangebote, „Incentives“ oder Buchangebote sinnvoll sind und wem sie angeboten werden sollten. Beispielsweise könnte ein Ergebnis der Visualisierung sein, dass die Kategorie „Science Fiction“ die begehrteste und damit wichtigste der Website ist. Bereits mit der Visualisierung werden verschiedene Beziehungen (Assoziationen) deutlich. Beispielsweise zwischen Buchkategorie und Altersgruppe (junge Leute kaufen Science Fiction, ältere möglicherweise eher Krimis). Im Data Mining werden solche Beziehungen am besten in Form von Netzdiagrammen visualisiert. Je stärker die Beziehung, desto dicker die Linien im Netz. Data Mining hat dabei umso mehr Vorteile und Gewicht, je umfangreicher und komplexer die zu analysierende Datenmenge ist. Das Data Mining einer gro-

Photo: Slawa Gu (stock.xchng)

Die „Click-Stream-Analyse“ macht deutlich, wie die Kundschaft sich durch das Online-Angebot bewegt. Sie dient in erster Linie der Verbesserung der Site-Struktur, so dass Besucherinnen und Besucher dadurch möglichst auf umsatzfördernde Maßnahmen gelenkt werden.

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ßen Website, wie der eines Online-Shops, erfordert in der Regel die Analyse von Hunderttausenden von Transaktionen. Clusterung und Segmentierung Jetzt geht es darum, sinnvolle Kundengruppen (Cluster) herauszufinden. Die Mitglieder einer solchen Kundengruppe werden gemeinsame Merkmale aufweisen und sich in gewisser Weise ähnlich verhalten. Data Mining bietet die Möglichkeit, über den so genannten Prozess der Selbstorganisation Gruppierungen in Datensätzen zu finden. Dies geschieht nicht auf Basis der menschlichen Intuition, sondern auf der Grundlage der Daten selbst, läuft mithin zunächst einmal automatisch ab. Selbstverständlich wird der Buchhändler später diese Cluster kritisch begutachten müssen und beurteilen, ob sie für seine Branche auch sinnvoll sind oder nicht. Die Maschine wird hier nur auf der Basis der Daten „Vorschläge“ machen können, die stimmig aber auch unter Umständen abwegig sein können. Anschließend können Regeln abgeleitet werden, welche die Eigenschaften der Klassen beschreiben. Auch mit Hilfe der Segmentierungs-Analyse können wichtige Gruppierungen der Buchhändler-Website sichtbar werden. Der wesentliche Unterschied zwischen Segmentierung und Clusterung ist, dass es bei der Segmentierung Zielvorgaben gibt, bei der Clusterung jedoch nicht. Letztere stellt eher eine erforschende Analyse dar, bei der den Daten eine Selbstorganisation ermöglicht wird. Eine Segmentierung würde hingegen mit einer konkreten Fragestellung des Buchhändlers star-

Sequenzanalysen im Rahmen des „Web Usage Mining“ dienen dazu, Beziehungen zwischen Ereignissen zu erkennen. Im besten Fall wird für den Web-ShopBetreiber dabei deutlich, unter welchen Umständen Interessenten zu Käufern werden.

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ten; etwa mit „wer sind meine profitabelsten Kunden und wie können Sie angesprochen werden?“ Modelle Der vielleicht wichtigste Arbeitsschritt kommt aber erst: Das Erstellen eines Modells für das Kundenverhalten. Diese Data-Mining-Phase wird als Klassifizierung oder Vorhersage bezeichnet und umfasst das Feststellen und Kennenlernen von Kundeneigenschaften und ihrem Online-Verhalten. Wie die Segmentierung untersucht auch die Klassifizierung das Kundenverhalten und die Neigung der Kunden, auf ein Werbe-Banner zu klicken oder einen OnlineKauf zu tätigen. Zur Vorhersage des Verhaltens von Online-Besuchern wird auch Data-Mining-Software eingesetzt, die neuronale Netze beinhaltet. Das sind Modelle, die selbstständig Muster in großen Datenbeständen erkennen können, wenn man sie mit Beispieldaten „trainiert“. So werden viele Details im Kundenverhalten offensichtlich, bis schließlich ein geschlossenes Gesamtbild entsteht, das eine bestimmte Kundengruppe gut beschreibt. Die Details tragen unterschiedlich zum Kundenverhalten bei, weshalb sie gewichtet werden müssen. So entsteht letztlich eine Formel für eine homogene Kundengruppe, mit der auch deren zukünftiges Verhalten eingeschätzt werden kann. Auf dieser mathematischen Grundlage kann der Buchhändler gezielt E-Mail-Kampagnen starten und nur den Personen Buch-Neuerscheinungen anbieten, die sich voraussichtlich am meisten dafür interessieren und daher natürlich am ehesten auch zum Kauf neigen.

Die Untersuchung mit neuronalen Netzen heißt auch Sensitivitätsanalyse. Sie gibt dem Buchhändler Aufschluss über die Faktoren, die seine Online-Verkäufe maßgeblich beeinflussen. Das könnten beispielsweise Buchkategorie, Alter und Geschlecht der Käufer sein. Neben den neuronalen Netzen sind auch andere Methoden zur Klassifizierung geeignet. Entscheidungsbäume beispielsweise dienen ebenfalls dazu, eine Menge von Daten in mehrere vordefinierte Klassen aufzuteilen. Dabei wird eine Struktur geschaffen, bei der zur Klassifizierung eines Kunden mit unterschiedlichen Eigenschaften (männlich, 45 Jahre, mittleres Einkommen etc.) an der „Baumwurzel“ begonnen wird und solange Abfragen durchgeführt werden, bis ein „Blatt“ des Entscheidungsbaumes erreicht ist, das die Klassifizierung des Kunden angibt. Meistens wird mit Hilfe einer ausgewählten Menge an Daten, dem so genannten Trainingsset, ein Baum generiert, der dann mit weiteren Daten so lange getestet wird, bis eine vorher festgelegte Güte erreicht ist oder aber keine falsch klassifizierten Testdaten mehr auftreten. Für neue, bisher noch nicht betrachtete Objekte können aber natürlich immer wieder auch falsche Ergebnisse auftreten. Christian Ammer gibt ein gut nachvollziehbares Beispiel, wie ein solcher Entscheidungsbaum prinzipiell funktioniert.4 Der Baum wird dabei mit einem Trainingsdatensatz erstellt, der mehrere Tierarten (beispielsweise: Goldfisch, Bär und Reh) mit unterschiedlichen Eigenschaften beinhaltet. Die erste

davon, wird gleich an der „Wurzel“ des Entscheidungsbaumes abgefragt: Haustier, ja oder nein. Für alle Tiere, die in die Kategorie „Kein Haustier“ fallen, wird abgefragt: Allesfresser, ja oder nein. Für alle Haustiere wird dagegen abgefragt: Fell, ja oder nein. Jetzt kann bereits der Goldfisch eingeordnet werden (Haustier, kein Fell). Auch der Bär und das Reh sind bereits klassifiziert (Reh, kein Haustier, kein Allesfresser; Bär, kein Haustier, Allesfresser). Ein bis jetzt unbekanntes Tier kann probeweise durch das von der „Wurzel“ beginnende Durchlaufen des Entscheidungsbaums klassifiziert werden. Ein Löwe (kein Haustier, kein Allesfresser) würde in dieser Phase allerdings noch als Reh identifiziert werden. Das liegt daran, dass der Baum natürlich noch lange nicht fertig ist. Tiere sind ja durch wesentlich mehr Merkmale ausgezeichnet. Bei diesem Beispiel handelt es sich zudem um den Spezialfall des binären Baumes, das heißt an jedem Knoten wird nur zwischen zwei Werten unterschieden (Allesfresser, ja oder nein). Grundsätzlich können aber auch beliebig viele mehrwertige Knoten in einem Entscheidungsbaum vorkommen. Hier im Tier-Beispiel möglicherweise zur Unterscheidung von Fleischfressern, Pflanzenfressern und Allesfressern. INTERESSANTESTER ANWENDUNGSBEREICH des Data Mining für die Online-Marktforschung ist das so genannte „Web Usage Mining“.5 Es wird mit dem Ziel der automatischen Entdeckung von Zugriffsmustern betrieben, meist für einen, teilweise auch für

Data-Mining-Untersuchungen beschränken sich längst nicht nur auf den OnlineBereich. So manche Ladenstraße analysiert die Wege ihrer Kunden ganz genau. Die amerikanische Handelskette Wal Mart beispielsweise praktiziert Data Mining in großem Stil. Jede der 2.900 Filialen wird wöchentlich in Bezug auf die Produktnachfrage analysiert. Dabei werden mehr als 700 Millionen Filiale-Produkt-Kombinationen ausgewertet und zu Prognosen zusammengefasst. Damit entsteht ein differenzierteres Bild vom Kaufverhalten der Kunden.

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mehrere zusammengehörende Webserver. Mit den gewonnenen Ergebnissen versuchen die Betreiber von Websites, ihre Inhalte möglichst an die Bedürfnisse der Besucher anzupassen. Häufig verwendete und schon lange auf dem Markt befindliche AnalyseSoftware wie beispielsweise von OpenMarket oder NetGenesis zielen nach wie vor hauptsächlich auf die Technik ab. Mit übersichtlichen Auswertungsdiagrammen ermöglichen sie eine Auswertung von Log-Dateien zur Ermittlung von Server-Zugriffszahlen, -zeiten und –intervallen. Erst in den letzten Jahren kommen auch hoch entwickelte Systeme zur Erkennung von Benutzerverhalten auf den Markt. Aus den analysierten Log-Dateien können damit dann typische Navigationspfade der Besucher durch eine Website identifiziert werden. Sind häufig auftretende Muster im Benutzerverhalten erst einmal entdeckt, kommen so genannte „Pattern Analysis Tools“ zum Einsatz, die bei der Visualisierung, für das Verständnis und für die Interpretation dieser aufgedeckten Muster hilfreich sind. Auch für den Online-Handel gilt dabei: die Erzielung eines möglichst hohen Umsatzes steht im Vordergrund. Die Beobachtung von Seitenzugriffen und das Auffinden typischer Pfade durch die Website („Click-StreamAnalyse“) sollten daher in erste Linie zur Verbesserung der Site-Struktur dienen, so dass die Besucher dadurch möglichst auf umsatzfördernde Maßnahmen gelenkt werden. Ein erster Schritt des Web Mining ist dazu die Sequenzanalyse. Sie erlaubt es, häufig vorkommende Pfade beim Zugriff auf Web-Seiten zu erkennen. Als Ergebnis werden daraus Regeln etwa folgender Art generiert: Vierzig Prozent der Kunden, die auf der WebSeite „Produkt bezahlen“ waren, haben anschließend die Seite „Hilfe“ aufgerufen. Siebzig Prozent dieser Besucher haben daraufhin die Site verlassen. Mithin kamen die Kunden offensichtlich mit dem Bezahlmo-

dus nicht zu Recht. Ein anderes Beispiel: Ein E-Commerce-Anbieter weist auf seiner Homepage zweimal auf ein neues Produkt in seinem Sortiment hin. Einmal führt die Homepage den Kunden auf eine werbewirksame Präsentation des Produktes (1) und zum anderen bekommt der Interessent nur eine nüchterne Beschreibung zu Gesicht, bei der allein die technischen Daten im Vordergrund stehen (2). Beide Wege enden auf einer Seite, die den Erwerb des Produkts erlaubt. Welchen Weg wählen die Kunden? Die Sequenzanalyse visualisiert das Datenmaterial. Häufige gefundene Pfade werden markiert. Jetzt stellt sich noch die Frage nach möglichen Assoziationen. Gibt es eindeutige Wechselwirkungen zwischen den Dokumenten in einem Web-Angebot? Mit Hilfe verschiedener Algorithmen werden innerhalb von Websites Korrelationen herausgefunden, bei denen das Aufrufen einer Seite den späteren Aufruf einer anderen Seite mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach sich zieht. Ein Ergebnis könnte so aussehen: Siebzig Prozent der Benutzer, die Weg (1) gewählt haben, kaufen auch das Produkt. Die werbewirksame Aufbereitung hat mithin ihr Ziel erreicht und ist der nüchternen technischen Präsentation überlegen. Jetzt kann zusätzlich noch nach Mustern in den sequenziellen Abläufen gesucht werden. Damit kommt dann noch eine zeitliche Komponente zur Analyse mit hinzu. Sequenzielle Muster zielen darauf ab, innerhalb eines festgelegten Zeitraumes Beziehungen zwischen Ereignissen zu erkennen. Ein Beispiel: 25 Prozent der Kunden (ein erkleklicher Anteil), die zu einem Zeitpunkt die Produkte A und B eingekauft haben, haben zu einem späteren Zeitpunkt auch das Produkt C gekauft. Sobald A und B gekauft wird, sollte mithin sofort der Hinweis auf Produkt C erfolgen. Sonst kauft der Kunde möglicherweise die benötigte Ware woanders.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Natürlich sollten die Kunden auf diese Technik explizit hingewiesen werden und auch die Möglichkeit haben, ihre Zustimmung zu verweigern. Schließlich werden bei der Cookie-Technik Dateien auf die private Festplatte des jeweiligen Kunden geschrieben, was durchaus als Eingriff in die Privatsphäre verstanden werden kann. 2 Vgl. Mena, J.: Data Mining und E-Commerce, Wie Sie Ihre Online-Kunden besser kennen lernen und gezielter ansprechen, Düsseldorf 2000, S. 38 3

ebenda S. 41ff. Vgl. Ammer, C.: Einsatzmöglichkeiten von Data Mining im E-Commerce Bereich, Diplomarbeit am Studiengang 4

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für Betriebswirtschaftslehre der Univers. Augsburg 2001, S. 51ff. 5 Web Usage Mining ist ein Teilbereich des so genannten Web Mining. Weitere Teilbereiche sind das Web Content Mining und das Web Structure Mining, bei denen es aber mehr um Inhalte und Suchalgorithmen geht. Der Begriff des Web Mining ist mit Data Mining gleichzusetzen mit der Einschränkung, dass es bei der Web-Variante in erster Linie um Daten aus dem Internet geht. Vgl. dazu auch das ausgezeichnete Buch von Hippner H. u. a.: Handbuch Web Mining im Marketing. Konzepte, Systeme, Fallstudien, Vieweg 2002

Online-Befragungen Bei Befragungen im Web muss vor, während und nach der Aktion Kontrolle sein, um die Qualität zu sichern. Auch ethische und rechtliche Regeln gilt es einzuhalten.

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ie eigene Website als Marktforschungsplattform bleibt von vielen Unternehmen noch ungenutzt. Dabei bietet sie durchaus Potenzial, Kundenwünsche zu analysieren und den eigenen Service zu verbessern. Ein Beispiel: Im Jahr 2003 führte die S-ConVia AG in zwei Aktionen auf rund 170 Sparkassen-Websites Online-Befragungen durch. Die Teilnehmer waren Nutzer des Sparkassen-Web-Angebots. Im Ergebnis sammelte das Unternehmen rund 80.000 Meinungen von Sparkassen-Kunden. Sie demonstrierten damit eine überwältigende Bereitschaft zur aktiven Mitarbeit durch Lob und konstruktive Kritik an den Angeboten und Serviceleistungen der eigenen Sparkasse. Neben den bisherigen Fragebögen hat die

S-ConVia einen Fragebogen zum Thema „Online-Banking“ entwickelt. Damit soll allen interessierten Sparkassen ein weiterer Baustein zur Stärkung der Kundenkommunikation und Kundenbindung an die Hand gegeben werden. 80.000 Kundenmeinungen sind ein

80.000 Kundenmeinungen sind ein Pfund Pfund, mit dem jede Sparkasse für geschäftspolitische Planungen wuchern kann. Hinzu kommt, dass die direkte Kommunikation mit Sparkassen-Kunden hilfreich

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für die Anpassung bzw. den Ausbau des Produktportfolios ist oder auch zur Optimierung und Qualitätssicherung bestehender Leistungen herangezogen werden kann. Zum einen erhalten die Sparkassen dabei originäre Informationen, zum anderen fühlen sich die Kunden ernst genommen. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse können Leistungen zielgerichtet an Kundenbedürfnisse angepasst werden. Die S-ConVia AG ist eine Tochter des Deutschen Sparkassen Verlags in Stuttgart, die auf „Content“ und E-Services von OnlineMedien spezialisiert ist.1 Für Online-Befragungen gelten grundsätzlich dieselben methodischen Anforderungen wie für wissenschaftliche Umfragen, die mittels persönlich-mündlicher, telefonischer oder schriftlicher Interviews durchgeführt werden. Wer bei Online-Kundenbefragungen alles richtig machen will, richtet sich nach den „Qualitätsstandards für Online-Befragungen“, die im Mai 2001 vom Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM), der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. (ASI), dem Berufsverband Deutscher Markt- und Sozialforscher e.V. (BVM) und der Deutschen Gesellschaft für Online-Forschung e.V. (D.G.O.F.) herausgegeben wurden. Der Begriff Online-Befragungen umfasst dabei Befragungen, bei denen die Teilnehmer > den auf einem Server abgelegten Fragebogen im Internet online ausfüllen, > Fragebögen von einem Server herunterladen und per E-Mail zurücksenden oder > Fragebögen per E-Mail zugeschickt bekommen und zurücksenden. Die Qualitätsstandards sollen sicherstellen, dass die Befragungen repräsentativ sind. Dazu muss sich die Auswahl der Teilnehmer auf eine sachlich, regional und zeitlich klar definierte Grundgesamtheit beziehen. Die Personen müssen auf der Grundlage eines eindeutig definierten Auswahlverfahrens individuell angesprochen werden. Die Selbstselektion der Teilnehmer ist möglichst zu vermeiden – Personen sollten aktiv zur Befragung eingeladen werden. Ganz wichtig: Die

Deutschland ist noch von Telefonbefragungen geprägt kontinuierliche Pflege und Aktualisierung der erforderlichen Adressdaten. Darüber hinaus sollte verhindert werden, dass Mehrfachbefragungen innerhalb kurzer Zeiträume erfolgen. Vorteile von Online-Kundenbefragungen: Bei der Datenerhebung entfallen Interviewerkosten, da die Teilnehmer die Fragebögen selbst ausfüllen. In der

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Die „w3b“-Umfrage von Fittkau & Maas gehört zu den bedeutendsten Online-Befragungen im Web. Ca. 100.000 Web-Surfer nehmen teil und geben Auskunft über ihre InternetNutzungsgewohnheiten. Mitmachen kann dabei wer will. Auf die Befragung wird durch Schaltung von Werbe-Bannern auf diversen Web-Seiten aufmerksam gemacht.

anonymen Befragungssituation sind die Teilnehmer offener und ehrlicher. Online-Befragungen eignen sich daher auch für sensible Themen. Hinzu kommt die breite regionale Streuung der Zielgruppen. Die Daten stehen außerdem direkt nach Beendigung der Feldphase zur Analyse bereit. Der Zugriff auf vorselektierte Zielgruppen (Panels) ist kostengünstig und multimediale Elemente (Werbefilme etc.), Interaktion sowie Reporting in Echtzeit sind möglich. Die Teilnehmer von Online-Access-Panels sind oft auskunfts- und innovationsfreudig. Nachteile: Nachfragen/Tiefeninterviews sind nicht möglich. Ältere Zielgruppen sind weniger gut erreichbar. Im Schnitt sind rund 60 Prozent der

Deutschen online (sechs von zehn Haushalten verfügen über einen Online-Zugang). Doch bei den über 60-Jährigen sinkt diese Quote auf etwa 30 Prozent. Die Online-Stichprobenbasis ist eingeschränkter als bei klassischen Marktforschungsansätzen. Außerdem ist die „Awareness“ für Online-Marktforschung noch nicht groß genug. „Direktmarketer“ vernachlässigen dieses Medium der Zielgruppenforschung bislang. Online-Marktforschung wird sich voraussichtlich erst in den nächsten Jahren voll entfalten, Deutschland ist nach wie vor noch von traditionellen „Face-to-Face“Ansätzen und Telefonbefragungen geprägt.2 Drei Herausforderungen müssen im Prinzip bei der Durchführungen von Online-Befragungen bewältigt werden: Potenzielle Teilnehmer anzusprechen, diese zum Ausfüllen zu motivieren und schließlich noch die Qualität und Verwertbarkeit der Ergebnisse zu kontrollieren. ANSPRACHE POTENZIELLER TEILNEHMER Die Teilnehmeransprache ist eines der größten Probleme bei Web-Befragungen, denn im Netz entscheiden die Nutzer selbst, mit welchen Inhalten sie sich beschäftigen wollen („Pull“-Prinzip). Die gezielte Ansprache ist deshalb unmöglich.3 Es verbleiben zwei Möglichkeiten: Einmal die ungezielte Ansprache und zum zweiten die gezielte Ansprache über anderen Medien, die wie bereits weiter oben angesprochen, in jedem Fall die zu bevorzugende Methode ist. Internet-Surfer können auf drei verschiedene Arten indirekt angesprochen werden. Zunächst bietet sich die Multi-Link-Methode an. Auf mehreren Web-Seiten werden hierbei z. B. Werbe-Banner geschaltet, um auf die Befragung im Internet hinzuweisen. Berühmtestes Beispiel: Die W3B-Umfrage der Fittkau & Maaß GmbH. Sie gilt als eine der wichtigsten Meinungsumfragen im deutschsprachigen Internet. Vorbild sind die internationalen Web-Umfragen der Georgia Tech Research Corporation, die so genannten „GVU-Surveys“. Wie dort werden auch bei W3B online Internet-Nutzungsgewohnheiten befragt. Teilnehmen kann wer will. Im

Bei Befragungen per E-Mail den Eindruck vermeiden, es handele sich um Werbung Frühjahr 1998 wurde die sechste Meinungsumfrage erstmalig europaweit durchgeführt – in insgesamt neun Sprachen. Den bisherigen Teilnehmerrekord erreichte allerdings die 17. W3B-Umfrage im Herbst 2003 mit 117.467 Internet-Nutzern. Die erste Umfrage verdeutlichte 1995, dass das deutschsprachige Web fast ausschließlich von Männern genutzt wurde;

Wird bei einer Internet-Befragung Repräsentativität innerhalb einer bestimmten Nutzergruppe angestrebt, ist die Methode der gezielten Ansprache über anderen Medien anzuwenden. Die Probanden werden dabei am besten per E-Mail darüber informiert, dass eine Online-Befragung ansteht. Der Vorteil besteht darin, dass bereits nach kurzer Zeit beurteilt werden kann, ob bezüglich der Teilnahme die Aktion ein Erfolg oder Misserfolg werden wird.

gerade mal 6,2% Frauen hatten das Online-Medium bis zu diesem Zeitpunkt für sich entdeckt. Heute liegt der Anteil der Frauen bei 46,3%. Auch die Altersverteilung der Online-Nutzer hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Die einst stärkste Altersgruppe der 20- bis 30-jährigen nimmt prozentual immer weiter ab (1995 62,6%, derzeit 24,0%). Heute sind die 30bis 39-jährigen die eifrigsten Web-Surfer. Die größten Zuwächse fanden in den letzten Jahren allerdings bei den Internet-Nutzern über 50 Jahre statt. Von 2,5% in 1995, 11,9% in 1999 zu 20,1% in 2004 (mehr zu W3B findet sich unter www.w3b.de). Bei der Single-Link-Methode wird ganz bewusst

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Die Virtual Reality Modelling Language (VRML) erlaubt die Darstellung dreidimensionaler Szenen. Geht es bei der OnlineBefragung etwa um die Bewertung eines Produkts, lässt sich der Gegenstand im virtuellen Raum mit VRML von allen Seiten anschauen.

darauf verzichtet, eine Befragung großflächig zu bewerben. Wegweiser finden sich im Internet einzig und allein auf einer Web-Seite. Diese Vorgehensweise empfiehlt sich immer dann, wenn Popularität eher stört und ganz bestimmte Zielgruppen gesondert befragt werden sollen. Beispiele sind Feedback- und Beschwerde-Systeme im Web. Die dritte Möglichkeit der ungezielten Ansprache basiert auf dem Zufallsprinzip. Sie kann mit zwei Methoden realisiert werden: der Methode des n-ten Besuchers und der Zufallszahlmethode. Im ersten Fall wird beim n-ten Site-Besucher ein zusätzliches BrowserFenster eingeblendet, das auf die Befragung hinweist. Alle anderen erfahren davon nichts. Bei der Zufallszahlmethode wird ein zusätzliches Browser-Fenster immer dann eingeblendet, wenn eine produzierte Zufallszahl einen fest definierten Schwellenwert über-

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Während der Befragung können online Qualitätskontrollen durchgeführt werden schreitet. Gleichgültig welche Methode konkret angewendet wird, das Zufallsprinzip hat einen wichtigen Vorteil: höhere Repräsentativität. So wird beispielsweise der befragte Anteil der so genannten IntensivNutzer geringer ausfallen als bei den Link Methoden, was zu einer ausgewogeneren Stichprobe führt. Auch ist die Repräsentativität hier messbar. Allerdings ist die einzige Möglichkeit für eine WWWBefragung eine mathematisch fundierte, rechnerisch repräsentative Stichprobe zu gewinnen, die gezielte

Der klassische Fragebogen darf bei einer OnlineAktion nicht einfach eingescannt und ins Netz gestellt werden. Wichtig ist die spezifischen Stärken des Internet zu nutzen. So ist zum Beispiel die dynamische Anpassung möglich: Trifft etwas auf die befragte Person nicht zu, werden Folgefragen erst gar nicht gestellt.

Die wirksame Kontrolle auf Mehrfachausfüller ist wichtig Ansprache über andere Medien. Potenzielle Probanden werden hierbei aus Listen ausgewählt und per EMail, Fax, Post oder Telefon informiert, mit der Bitte um Ausfüllen des Fragebogens im Internet. Voraussetzung ist dabei natürlich das Wissen oder wenigstens die begründete Annahme, dass die Probanden über geeignete Zugangsmöglichkeiten zum Web verfügen. Online-Befragungen die für die Zielgruppe der Internet-Nutzer insgesamt Anspruch auf Repräsentativität erheben, sollten gegenwärtig auf der Grundla-

ge einer Offline-Auswahl der Teilnehmer durchgeführt werden. Online liegt einfach keine vollständige und aktuelle Liste aller Internet-Nutzer vor und es kann auch auf keine typischen Websites zurückgegriffen werden, deren Besucherstrukturen für die der Internet-Nutzer insgesamt repräsentativ wären.4 Die beste Methode die Teilnehmer zu informieren, ist ohnehin das Anschreiben per E-Mail. Ganz wichtig hierbei ist zu beachten, dass auf jeden Fall der Eindruck vermieden wird, es handele sich um Werbung.5 MOTIVATION DER TEILNEHMER Dass Online-Fragebögen allgemein verständlich formuliert werden, sollte klar sein. Auch dass ein Mix aus Themen und Methoden für Abwechslung sorgt und die Teilnehmer motiviert, ist selbstverständlich.6 Lediglich auf eine Befragung hinzuweisen, reicht allerdings auch dann

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nicht aus. Besonders nicht im World Wide Web, da es sich um ein unpersönliches, anonymes Medium handelt. So manche Befragung ist dort schon mit einem ernüchternden Ergebnis verlaufen. Zwei Dinge helfen, die angeschriebenen Personen zusätzlich zu motivieren, den Fragebogen auszufüllen. Wesentliches Instrument sind dabei Belohnungssysteme. Es müssen unbedingt Anreize geschaffen werden – sollte eine Befragungsaktion nicht mit einem entsprechenden Budget ausgestattet sein, ist das Scheitern vorprogrammiert. Belohnungen dürfen allerdings auch nicht zu hoch angesetzt werden, sonst treten „Schnäppchenjäger“ auf den Plan. Um diese nicht überproportional zu berücksichtigen, sollten „Incentives“ nur im Rahmen einer Aufwandsentschädigung angeboten werden. Auch die Motivation durch optimale Gestaltung des Fragebogens kann dazu beitragen, dass mehr Befragte online zum Ausfüllen bereit sind. Die allgemeinen methodischen Anforderungen, die an die Gestaltung von Fragebögen sowie die Abfolge und Formulierung von Fragen bei herkömmlichen Befragungstechniken zu stellen sind, gelten sowieso auch für OnlineBefragungen. Hier ist ihre Beachtung allerdings von besonderer Bedeutung, da die Befragten sich ohne Hilfe eines Interviewers im Fragebogen zurechtfinden, die Fragen verstehen und angemessen beantworten müssen. Online-Fragebögen müssen auch für den weniger erfahrenen und sachkundigen Internet-Nutzer zu handhaben sein. Deshalb sollten ihre spezifischen technischen Möglichkeiten wie zum Beispiel optisch hervorgehobene Buttons und vordefinierte Eingabefelder genutzt werden.7 Audio-, Video-Daten und Animationen können eingebunden werden. „PlugIns“ wie QuickTime, VRML, Shockwave können zum Einsatz kommen. Online-Fragebögen werden dadurch wesentlich lebendiger und das Bearbeiten kann den Probanden sogar Spaß machen. Die Virtual Reality Modelling Language (VRML) beispielsweise ist eine Skriptsprache, die es erlaubt, dreidimensionale Szenen darzustellen. Geht es bei der Online-Befragung etwa um die Bewertung einer Produkt-Verpackung,

Die Erhebung von AdressDaten dient bei der OnlineBefragung ausschließlich zur Qualitätskontrolle. Adressund Interview-Daten müssen unmittelbar nach Eingang voneinander getrennt werden. Die Adress-Daten sind zu vernichten, wenn die Qualitätskontrollen der erhobenen Daten abgeschlossen sind (bei Einmal-Befragungen) oder wenn die Gesamtuntersuchung abgeschlossen ist (bei Wiederholungs-Befragungen).

Die Standesregeln der Marktforschung sind justiziabel Photo: stockxpert

lässt sich die Schachtel im virtuellen Raum mit VRML von allen Seiten anschauen. Ein umfassender Eindruck entsteht – durchaus vergleichbar mit der Realität. Benötigt wird dazu allerdings ein geeigneter Browser oder ein „PlugIn“. Nachteil dabei: Der Befragte verfügt möglicherweise nicht über die entsprechende Ausstattung und muss erst gebeten werden, sich die Zusatz-

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Software auf seinen PC zu laden. Hinzu kommt: Je aufwendiger die Animation, desto länger die Ladezeit, was den gesamten Prozess unter Umständen so sehr verlangsamt, dass der Proband genervt aufgibt. Es muss mithin ein geeigneter Kompromiss zwischen sinnvoller und anspruchsvoller Gestaltung gefunden werden. Mindestanforderung in diesem Zusammenhang: Der Fragebogen sollte sowohl mit unterschiedlichen Betriebssystemen als auch Browser-Fabrikaten und Browser-Versionen problemlos bearbeitet werden können. Auf der Seite des Befragers ist darüber hinaus sicherzustellen, dass die Internet-Anbindung des Servers, auf dem die Befragung läuft, zu jedem Zeitpunkt der Befragung ausreichende Kapazitäten vorhält.8 KONTROLLE Das dritte Problemfeld der Online-Befragung ist durch die zahlreichen Kontrollen gegeben, die im Internet einfach sein müssen. Kontrollen sind dabei vor, während und nach der Befragung angezeigt.9 Den Kreis der Teilnehmer gezielt durch die Vergabe von Passwörtern einschränken, kann ein empfehlenswerter Kontrollmechanismus vorab sein. Er spielt immer dann eine Rolle, wenn innerhalb eines Nutzerkreises Repräsentativität angestrebt wird oder der Teilnehmerkreis auf eine spezifische Zielgruppe eingeschränkt werden soll. Vor allem aber während der Befragung können im Online-Umfeld effizient Qualitätskontrollen durchgeführt werden. Hier unterscheidet sich der professionelle Ansatz vom Amateur-Fragebogen einfach dadurch, dass im Internet eben nicht nur eine eingescannte Offline-Version an die Probanden übermittelt wird. Fragebögen in Papierform haben nämlich den Nachteil, dass es sich um starre Gebilde handelt. Gleichgültig was geantwortet wird, Reihenfolge und Inhalt der Fragen sind fest vorgegeben. Möglich sind allenfalls Hinweise, dass bei Nichtzutreffen bestimmte Fragenkomplexe übersprungen werden können – was aber meist zu mehr Verwirrung als bei starr vorgegebener Reihenfolge führt. Ganz anders im Online-Umfeld. Hier kann die nächste Frage von der Antwort des Befragten abhängig gemacht werden. Wird beispielsweise die Angabe gemacht, dass in den nächsten zwölf Monaten kein Budget für Investitionen vorhanden ist, taucht die Frage nach der Höhe des Budgets online erst gar nicht auf. Es erfolgt mithin eine dynamische Anpassung im Sinne einer Filterführung. Online können auch Plausibilitätsprüfungen eingebaut werden. Passt die Postleitzahl zum eingegebenen Ort oder sind es nur drei Ziffern, die der Befragte eingetippt hat? Auch absichtliche Falscheingaben können bereits bei der Eingabe zumindest zum Teil abgefangen werden, indem beispielsweise die Antwortzeit für den Fragebogen oder einen Fragenkomplex gemessen

Kontrollen müssen bei InternetBefragungen einfach sein. Sonst kann es schon einmal vorkommen, dass sich „ein Schelm“ einen Spaß daraus macht, tausende von Fragebögen zurückzusenden und damit die Server lahm zu legen. Ohne Kontrollmechanismen ist auch die Repräsentativität der Fragebogenaktion fragwürdig. Sinn macht Kontrolle vor, während und nach der Befragung, wobei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung kommen.

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wird. Ist die Zeit einfach zu kurz, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass willkürliche Eingaben erfolgt sind, um der befragenden Einrichtung unbrauchbares Material unterzuschieben. Auch nach der Befragung sind fest eingebaute Kontrollen hilfreich. Nicht selten enden Online-Befragungen in einer Flut von Zusendungen, die einfach von einem „Scherzbold“ im Netz automatisch erzeugt worden sind. Je nachdem wie gut die Fälschungen gemacht sind, ist es bisweilen unmöglich, brauchbares Material herauszufiltern. Damit ist das gesamte Projekt gescheitert. In diesem Zusammenhang ist eine wirksame Kontrolle auf Mehrfachausfüller wichtig. Hier könnten beispielsweise die IP-Nummern der übermittelnden Rechner gespeichert werden oder auch Zeitfenster gesetzt werden.10

Auch Online-Befragungen unterliegen den ethischen und rechtlichen Grundlagen der Markt- und Sozialforschung. So ist beispielsweise die Teilnahme grundsätzlich freiwillig. Die Datenerhebung erfolgt anonymisiert und die Weitergabe von Adressmaterial ist selbstverständlich ausgeschlossen.

UM DIE QUALITÄT EINER ONLINE-BEFRAGUNG erkennen zu können, sollte die begleitende Dokumentation folgende Angaben beinhalten: 11 > Name des Auftraggebers der Befragung > Eventuell der Name des die Befragung durchführenden Instituts > Aufgabenstellung der Befragung > Zielgruppe der Befragung (Grundgesamtheit) > Stichproben-Methode > Zahl der befragten Personen > Befragungszeitraum > Stichproben-Ausschöpfung > Art und Umfang der Feldkontrollen > Statistische Fehlertoleranz der Ergebnisse (bei Zufallsauswahl) > Gewichtung (Quellen, Sollvorgaben, Verfahren) > Auch den Fragebogen selbst beifügen Wie für Befragungen generell, so }gelten auch für die Online-Projekte ethische und rechtliche Rahmenbedingungen. Sie sind z. B. im so genannten „IHK/ESOMAR Internationaler Kodex für die Praxis der Markt- und Sozialforschung“ festgehalten.12 Gerade im Bereich der Online-Befragungen gibt es Quereinsteiger, denen die Regeln der Markt- und Sozialforschung nicht bekannt sind. Die Freiwilligkeit der Teilnahme, die Anonymisierung der erhobenen Daten und die strikte Trennung von Forschung und forschungsfremden Tätigkeiten bilden die ethischen und rechtlichen Grundlagen der Markt- und Sozialforschung.13 Befragende Unternehmen sollten die Teilnehmer bereits während der Rekrutierung auf die Freiwilligkeit hinweisen. Nicht fehlen darf der Hinweis, dass alle Angaben in anonymisierter Form verwendet werden. Besuchern, die nicht an der Befragung teilnehmen wollen, muss es z. B. durch Klicken eines gut sichtbaren Buttons problemlos möglich sein, auf die ursprünglich gewünschte Website zu gelangen. Selbstredend schließt

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Photo: johannalg (stock.xchng)

die Freiwilligkeit der Teilnahme auch das Recht der Befragten ein, einzelne Fragen nicht zu beantworten. Sofern nicht zwingend benötigte Pflichtfelder betroffen sind, sollten mithin ausgefüllte Fragebögen auch dann online zurückgeschickt werden können, wenn sie lückenhaft sind. Auch für das Belohnungssystem sollten Rückantworten dieser Art in vollem Umfang in Frage kommen. Das Interview muss zu jedem Zeitpunkt abgebrochen werden können. Von der entsprechenden Website muss weggeklickt werden können, ohne dass beispielsweise „aufpoppende“ neue Browser-Fenster dies erschweren. Allenfalls erlaubt ist die Nachfrage nach dem Grund des Abbruchs. Die Gewinnung von Daten ohne Kenntnis der Befragten, wie das scriptgesteuerte Auslesen von Browser-Informationen und das Setzen von Cookies, sind nur zulässig, wenn sie zum Erreichen des Forschungszwecks der Online-Befragung unerlässlich sind. Die Befragten sollten darüber vor Beginn des Interviews informiert werden und darin einwilligen. In methodisch begründeten Ausnahmefällen kann die Einwilligung auch erst während des Interviews eingeholt werden. Online erhobene Daten dürfen nur in anonymisierter Form verarbeitet und weitergegeben werden. Die Erhebung von Adress-Daten der Teilnehmer dient dabei ausschließlich zur Qualitätskontrolle sowie zur Durchführung von Wiederholungs-Befragungen. Adress- und Interview-Daten müssen unmittelbar nach Eingang voneinander getrennt werden, wobei die Adressdaten baldmöglichst zu vernichten sind. Wann ist das der Fall? Bei Einmal-Befragungen, wenn die Qualitätskontrollen der erhobenen Daten abgeschlossen sind; bei Wiederholungs-Befragungen werden die Adress-Daten bis zum Abschluss der Gesamtunter-

suchung aufbewahrt. Ist eine Folge- oder Wiederholungs-Befragung geplant, muss spätestens am Ende des ersten Interviews den Befragten zusammen mit dem Einholen der Einwilligung in die notwendige Speicherung der Adress-Daten eine, mit den obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz vereinbarte, „Erklärung zum Datenschutz“ angezeigt werden. Diese sollte ausdruckbar sein. Die Option sollte deutlich werden, dass die weitere Teilnahme abgelehnt werden kann. In jedem Fall ist die temporäre Speicherung der erhobenen Daten auf einem Server frühest möglich zu beenden. Dritte sollten nicht auf die Daten zugreifen können. Wissenschaftliche Befragungen und andere Forschungsinstrumente dürfen nicht mit werblichen oder verkaufsfördernden Aktivitäten verbunden werden. So ist zum Beispiel die Banner-Werbung auf den Websites von Befragungen unzulässig. Das schließt selbstverständlich nicht den Fall ein, dass potenzielle Teilnehmer mittels Banner auf die Befragung aufmerksam gemacht werden. Auch die Teilnehmer von Online-Panels dürfen nicht mit gezielten Werbeangeboten konfrontiert werden. Die Zusendung von Testprodukten zum Zwecke der Forschung stellt dabei keine Werbung oder Verkaufsförderung dar. Wichtig ist in diesem Zusammenhang: auch durch die Abgabe von „Incentives“ darf keine Werbung für Produkte und Dienstleistungen des Auftraggebers oder eines anderen Unternehmens betrieben werden. Die Standesregeln der deutschen Markt- und Sozialforschung sind das Ergebnis einer Güterabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und dem Recht auf Forschung. Sie sind als so genannte Verkehrssitte justiziabel.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Oberorfer, A. u. a.: Betriebswirtschaftliche Blätter, April 2004, Nr. 04, S. 197 2

Vgl. Gohr, S.: Online-Kundenbefragungen, Direct Marketing 06, 2005

8

Vgl. ebenda, S. 53

9

Vgl. Bliemel, F. u. Theobald, A.: Marktforschung im Internet, in: Weiber, R. (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 239 - 260, S. 253ff.

3 Vgl. Pitkow u. a.: Using the Web as a Survey Tool, in: Computer Networks and ISDN Systems, 27 (1995), S. 809 - 822

10

4 Vgl. Wiegand, E. (12/2001): Direkt Marketing, Heft 12/2001, S. 52f., S. 52

11

Einen sehr guten Einblick über die möglichen Verfahren bietet Janetzko: Statistische Anwendungen im Internet, München 1999 Vgl. Wiegand, E. (12/2001), a. a. O., S. 53

12

Vgl. Frost, F.: Electronic Surveys, 27th EMAC Conference, Stockholm, 1998

Im Internet abrufbar unter www.adm-ev.de/pdf/Datenschutz_2005.pdf, abgerufen am 03.03.06

6

Vgl. Wiegand, E. (12/2001), a. a. O., S. 52

13

7

Vgl. ebenda

5

Vgl. Wiegand, E.: Direkt Marketing, Heft 11/2001, S. 42-44

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Conjoint-Analyse Das Internet und der Erfolg der Online-Marktforschung in den 90-er Jahren haben der leistungsfähigen Online-Conjoint-Analyse zum Durchbruch verholfen. Mit ihr lässt sich herausfinden, welche Produktmerkmale für eine Kaufentscheidung wichtig sind. Mit einer geeigneten Software können Conjoint-Befragungen in kürzester Zeit ins Netz gestellt und große Kundengruppen befragt werden.1

L

uce und Tukey haben sie 1964 erstmalig erwähnt.2 Seit den 70-er Jahren ist sie zum häufig eingesetzten Erhebungsverfahren von Konsumenten-Präferenzen geworden: Die Conjoint-Analyse. Sie entschlüsselt Merkmalskombinationen und gibt beispielsweise einem Automobilhersteller wichtige Hinweise an die Hand, wie bedeutsam die Merkmale „Wagenfarbe“, „Getriebe“ und „Treibstoff“ für die Kaufentscheidung sind. Aus diesen Merkmalen wird eine Reihe von Gesamtprodukten kombiniert (zum Beispiel schwarz, Automatik, Diesel oder grau, Schaltgetriebe,

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Benziner). Die Befragten geben zu jedem Gesamtprodukt ihr Votum ab. Das Conjoint-Verfahren macht es möglich, daraus Kunden-Präferenzen abzuleiten. Welcher Wagen – um beim Beispiel zu bleiben – wird am Markt erfolgreich sein? Hierzu ist jetzt eine Vorhersage möglich: Beim Kauf ihres nächsten Fahrzeugs werden sich die Kunden in erster Linie am Merkmal „Treibstoff“ orientieren. Wesentlich für das Verständnis der Conjoint-Analyse ist ihr dekompositionelles Prinzip: Die Bewertungen der Befragten beziehen sich zunächst auf ganzheitli-

che Produktkombinationen. Erst bei der Auswertung werden diese zerlegt und auf diejenigen Merkmale umgerechnet, die in die Befragung eingeflossen sind. Dadurch gibt die Conjoint-Analyse den Bewertungsprozess der realen Kaufsituation wieder – denn auch hier sind die Konsumenten ja zunächst mit ganzheitlichen Produkten konfrontiert. Diese haben für die Kaufinteressenten dann sowohl Vor- als auch Nachteile, die relativ zueinander abzuwägen sind (daher kommt auch der Name Conjoint, was für „CONsider JOINTly“ steht). Der Käufer oder die Käuferin im Warenhaus muss sich wohl oder übel darüber klar werden, welche tatsächliche Bedeutung die einzelnen Produktmerkmale für sie persönlich haben. Das kann sehr mühsam sein – wer stand nicht schon einmal ratlos vor dem Kaufhausregal und konnte sich einfach nicht entscheiden? Aber nur so kann letztlich eine vernünftige Kaufentscheidung getroffen werden. In dieser Entscheidungs-Situation beantworten die Kunden sich (meist unterbewusst) eine zentrale Frage: Welches Produktmerkmal stiftet mir den maximalen Nutzen? Darauf müssen die Kunden letztlich eine Antwort finden. An einer solchen Information wäre aber

natürlich auch der Hersteller interessiert. Ihm hilft dabei die Conjoint-Analyse weiter. Ein sinnvolles Unterfangen, denn hier können enorme Kosten eingespart werden. Und zwar immer dann, wenn sich Produktmerkmale für die Kunden als irrelevant herausstellen, die in der Herstellung teuer sind. Im Bereich der Preisbestimmung werden ConjointAnalysen häufig eingesetzt, um die Datenbasis für die Berechnung der voraussichtlichen Preis-Absatzfunktion für ein Produkt auf einem gegebenen Markt zu liefern. Hierbei kann eine Marktsimulation durchgeführt werden, über die sich für ein gegebenes Produkt derjenige Preis errechnen lässt, der dem Hersteller das Gewinn-Optimum einbringt. Mit Hilfe der ConjointAnalyse können aber auch Märkte segmentiert, das heißt in sinnvolle Gruppen eingeteilt werden. Dabei werden Individuen einer Stichprobe aufgrund ihrer spezifischen Präferenzstruktur gruppiert. So lässt sich in einem Pool von potenziellen Autokäufern beispielsweise ein Hochpreis-Segment identifizieren. Das sind dann möglicherweise Menschen, die bereit sind, hohe Neuwagen-Preise zu bezahlen, solange der (für den Hersteller vergleichsweise kostengünstige) Kunden-

Ist der Kunde bereit, mehr für Finanzdienstleistungen zu zahlen, wenn die Bank über eine starke Marke verfügt? Kundenbefragungen bringen Klarheit.

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service jederzeit erreichbar ist. Zum besseren Verständnis dient ein konkretes Beispiel aus einer ganz anderen Branche: Markenhersteller können kaum abschätzen, welchen Spielraum in der Preisgestaltung ihnen ihre Marke konkret eröffnet. Wie viel mehr sind Kunden im Vergleich zum markenlosen Produkt bereit zu bezahlen (so genanntes Markenpremium)? Würde man im Bankenbereich beispielsweise bei der Preisdifferenzierung zusätzlich Potenziale mit einbeziehen, die sich aufgrund eines solchen Markenpremiums ergeben, ließen sich erhebliche Umsatz- und Gewinnpotenziale erschließen. Eine Erhöhung des individuellen Zinses aufgrund des Markenpremiums um nur wenige Basispunkte brächte bei Großbanken allein im Geschäftskunden-Segment Gewinn-Zuwächse im zweistelligen Millionenbereich.3 Konkrete Informationen können nur mit Hilfe einer Kundenbefragung generiert werden. Hierbei stehen zwei grundsätzlich verschiedene Methoden zur Verfügung: die direkte Kundenbefragung sowie die Conjoint-Analyse. Die direkte Methode ist zwar einfach, kostengünstig und oft auch schnell durchführbar – andererseits ist sie aber auch nicht unproblematisch: Durch die direkte Frage, wie viel der Kunde für die Marke mehr zu zahlen bereit ist, gerät der Preis zu sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Damit wird bei den Befragten ein atypisch hohes Preisbewusstsein induziert. Dies ist dann weit von den realistischen Verhältnissen entfernt. Die direkte Befragung bewirkt zudem, dass der Preis isoliert betrachtet wird. In der Realität wird der Preis aber durchaus gemeinsam mit anderen Nutzenaspekten erwogen.4 Ein solcher „Trade-Off“ lässt sich nur mit Hilfe der Conjoint-Methode erfassen. Der Kunde wird dabei nicht direkt zum Preis befragt, sondern mit Preis-Marken-Alternativen konfrontiert, die er hinsichtlich seiner Präferenz beurteilt. Auf Basis dieser Präferenzurteile lassen sich die Preisbereitschaften dann indirekt ermitteln. Wie ist die konkrete Vorgehensweise? Zunächst ist die Produktauswahl zu treffen. Den Kunden müssen schließlich verschiedene Produkt-Marken-Kombinationen zur Beurteilung vorgelegt werden. Die Auswahl erfolgt am besten anhand unterschiedlicher Kriterien wie Umsätze, Kundenbedarf, Bekanntheitsgrad etc. Im Bankenbereich kommt beispielsweise das Produkt: Annuitätendarlehen in Frage. Jeder Bankkunde der schon einmal erwogen hat, eine Immobilie zu finanzieren, ist damit bereits in Berührung gekommen und musste ein geeignetes Geldinstitut auswählen. Im nächsten Schritt werden die zu analysierenden Merkmale und deren Ausprägungen festgelegt. Merkmale könnten sein: Darlehenssumme, Zinssatz, Tilgung oder auch die Zinsfestschreibungszeit. Ausprägungen sind die jeweils sinnvollen konkreten Werte für die einzelnen Merkmale. Nach Erhebung der Daten lassen

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sich die Teilnutzenwerte mit Hilfe einer mehrstufigen Regressionsanalyse für die einzelnen Merkmalsausprägungen berechnen. Johnson zeigt detailliert auf, wie die mathematische Berechnung vor sich geht.5 Solche Berechnungen sind heute aber meist in die entsprechenden Computer-Programme für die Conjoint-Analyse integriert. Aus den Teilnutzwerten lässt sich dann ableiten, inwieweit Kunden bereit sind, für eine entsprechende Marke mehr zu zahlen. DIE STANDARDVERFAHREN Zwei spezielle Conjoint-Methoden haben sich im Laufe der Jahre entwickelt und durchgesetzt: die „Adaptive-Conjoint-Analyse“ (ACA) und die „Choice-Based-Conjoint-Analyse“ (CBC). Im Unterschied zu den „klassischen“ ConjointMethoden, wird die ACA computer-gestützt durchgeführt. Als adaptiv bezeichnet man sie, weil Kundenbewertungen bereits während des Interviews vom Rechner verarbeitet werden. Abhängig davon was geantwortet wird, wird die jeweils nächste Fragebogen-Seite entwickelt. Das Interview passt sich also der individuellen Präferenzstruktur des einzelnen Nutzers an, um möglichst dichte und aussagekräftige Informationen aus den Interviews zu ziehen. Die Befragten

ZU CONJOINT Links >Conjoint mit SPSS Praktischer Leitfaden der Universität Trier zur Conjoint-Analyse mit der Software SPSS, www.uni-trier.de/urt/user/baltes/docs/conjoint/ conjoint.htm >Conjoint in Deutschland Befragung der Westfälische Wilhelms-Universität, Psychologisches Institut IV, http://www.geocities.com/CollegePark/Housing/5559/ CAEinsatz.pdf >Publikationen zu Conjoint Sammlung mit Veröffentlichungen zum Thema, www.synergy.de/praeferenz-conjoint-paper.htm

Software >SPSS Conjoint www.spss.com/conjoint/ >SAS Market Research Application support.sas.com/rnd/app/da/market.html

Ergebnis einer typischen ConjointAnalyse: Befragt wurden Merkmale im Zusammenhang mit Sprühreinigern. Was und in welchem Umfang tragen Verpackung, Marke, Preis, Prüfsiegel und Geldzurück-Garantie zur Kaufentscheidung bei? Kunden bewerteten in diesem Zusammenhang jeweils Produkte mit allen Merkmalen in verschiedenen Ausprägungen. Resultat: Das Verpackungsdesign und der Preis bestimmen, zu welchem Reiniger der Kunde greift.

empfinden ACA als abwechslungsreich, werden doch fünf Befragungsphasen durchlaufen. Dabei lernt der Rechner die Präferenzstruktur des Probanden von Phase zu Phase besser kennen und konfiguriert die Fragebogenseiten jeweils so, dass sie den maximalen Informationswert bringen. Durch diese „intelligente“ Interview-Führung lassen sich ohne zu überfordern viele Merkmale (mit zahlreichen Ausprägungen) verarbeiten. Im Gegensatz zur klassischen Conjoint-Analyse ist die ACA keine „Full-Profile-Methode“: es werden in keiner Phase Produktkombinationen bewerten, die sich aus allen Merkmalen zusammensetzen. Jedes der zu bewertenden Produkte besteht vielmehr aus wenigen Merkmalen. Im Laufe des Interviews ergeben sich trotzdem Informationen über die Präferenzstruktur bezüglich aller Merkmale. Die Interview-Längen bewegen sich dabei aber selbst bei großen Untersuchungs-Designs in moderaten Größenordnungen. In der Praxis werden ACA-Studien meist mit acht bis 15 Merkmalen und jeweils etwa fünf Ausprägungen durchgeführt. Theoretisch könnten bis zu 30 Merkma-

le in das Befragungs-Design aufgenommen werden. Neben ACA ist auch die wahl-basierte ConjointAnalyse, das so genannte „Choice Based Conjoint“ (CBC) verbreitet. Im Gegensatz zur „Adaptive-Conjoint-Analyse“ handelt es sich bei CBC um ein „FullProfile-Verfahren“. Es werden ausschließlich Produkte bewertet, die alle möglichen Merkmale beinhalten. Sechs Merkmale sind dabei allerdings die Obergrenze, da die Probanden ansonsten kognitiv zu stark belastet würden. Weiterer Unterschied zur ACA: Bewertungen können nicht abgestuft werden. Pro Befragungsseite werden Produkt-Reihen vorgelegt, aus denen nur eines (oder keines) als das Präferierte ausgewählt werden kann. Hier ist die Aufmerksamkeit der befragten Personen ungleich stärker gefordert als bei ACA. Der Vorteil ist allerdings darin zu sehen, dass das „Befragungssetting“ große Ähnlichkeit zur tatsächlichen Kaufentscheidungssituation hat: Auch im Kaufhaus beispielsweise, muss sich der Kunde für eines oder keines der angebotenen Produkte entscheiden. Ein Nachteil kommt jedoch bei CBC hinzu: Durch die re-

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lativ langen Interviews schleicht sich oft ein gewisser Automatismus ein. Die Produkte werden nicht mehr in ihrer Gesamtheit wahrgenommen. Ein einziges Merkmal steht dabei häufig im Vordergrund (zum Beispiel Preis) – mehr kann einfach nicht verarbeitet werden. Bei ACA hingegen werden Merkmale gelegentlich überschätzt und die in der Realität entscheidenden Kriterien unterbewertet. ONLINE-CONJOINT-ANALYSE Erst computer-gestützte Verfahren haben der Conjoint-Analyse so richtig Auftrieb gegeben. Telefon-basierte Interviews beispielsweise lassen sich zwar relativ kostengünstig durchführen, der Interviewer muss dabei allerdings alle Merkmale und deren Ausprägungen jeweils komplett vorlesen. Dadurch ist die mögliche Anzahl der Merkmale naturgemäß begrenzt. Als Conjoint-Verfahren kommt am Telefon eigentlich nur der paarweise Ausschluss von Merkmalskombinationen in Betracht. Telefonisch lassen sich auch keine Visualisierungen übermitteln, was bei bestimmten Fragestellungen unerlässlich sein kann. Der Aufstieg des Mediums Internet und der Erfolg der Online-Marktforschung in den 90-er Jahren haben der wesentlich leistungsfähigeren Online-Conjoint-Analyse zum Durchbruch verholfen. Prinzipiell stellt sie kein eigenes methodisches

Ein Vorteil der Online-Befragung besteht darin, dass ohne Interviewer gearbeitet werden kann und somit kein „Interviewer-Bias“ auftritt (Beeinflussung der befragten Person durch den Interviewer). Ferner kann der Respondent unabhängig von einem Gegenüber Ort und Geschwindigkeit, mit der er die Befragung bearbeitet, selbst bestimmen.

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Verfahren dar, da auch hier ACA und CBC die am häufigsten benutzen Verfahren sind. Mit einer geeigneten Software können jetzt aber Conjoint-Befragungen in kürzester Zeit ins Netz gestellt und damit Zugang für große zu befragende Kundengruppen geschaffen werden.6 Der Projektleiter gibt in seinem Conjoint-Software-Paket zunächst die Merkmale und Ausprägungen an, [email protected] im Laufe der Befragung für den Nutzer zu Produkten kombiniert werden sollen. Wenn der Projektleiter ACA gewählt hat, können bestimmte Parameter für die fünf zu durchlaufenden Fragebogenphasen eingestellt werden. Beispielsweise die Skalengröße, die Beschriftung der Skalenpunkte, die Seitenüberschriften etc. Nach der Einstellung dieser wenigen variablen Teile steht beim ACA-Verfahren die komplette Conjoint-Analyse bereits fest. Da es sich dabei um ein adaptives Verfahren handelt, das individuell auf die Angaben der einzelnen Nutzer reagiert, ist es für den Projektleiter weder notwendig noch möglich, den Fragebogen auf der Ebene einer einzelnen Fragebogenseite zu editieren. Der Fragebogen ergibt sich zu einem großen Teil aus der „Intelligenz“ des ACA-Algorithmus. Die so erstellte Analyse lässt sich nun sehr einfach in einen klassischen Online-Fragebogen einbetten. Der Conjoint-Block folgt so beispielsweise auf einige einleiten-

de „Eisbrecher“-Fragen. Danach könnten noch Fragen zur Demographie gestellt werden. Es kann zusätzlich mit Filtern gearbeitet werden, so dass sich die Inhalte der Conjoint-Analyse für bestimmte Untergruppen der Stichprobe voneinander unterscheiden. Im Rahmen des Untersuchungsdesigns kann prinzipiell die gesamte Multimedia-Fähigkeit des Mediums Internet ausgeschöpft werden. Es können beispielsweise Befragungen mit einer Flash-Oberfläche realisiert werden. Hierdurch sind optisch anspruchsvolle und ansprechende Umsetzungen denkbar, die dem Nutzer durch ihren interaktiven und fast spielerischen Charakter einen Mehrwert vermitteln. Zweitens können Multimedia-Elemente auch hinsichtlich der Fragebogeninhalte zum Einsatz kommen, so dass als Merkmale oder Merkmalsausprägungen beispielsweise Bilder, Töne oder kurze Filme integriert werden können. Im Internet können sich Probanden allerdings auch einfach durch den Fragebogen durchklicken, um sich einen Überblick über Inhalt und Länge der Aktion zu verschaffen. Das wiederum bringt eine Verzerrung der Ergebnisse mit sich und ist ein deutlicher Nachteil der Online-Methode. Plausibilitätschecks und damit das Einblenden von Hinweisen zum Ausfüllen sind mithin unbedingt erforderlich. Insgesamt ist davon auszugehen, dass Online-

Conjoint-Analysen zwar aufgrund der weniger kontrollierbaren Befragungssituation einen höheren Anteil an Falschangaben produzieren als konventionelle Methoden, dafür aber in weniger abgebrochenen Interviews resultieren.7 Ein zusätzlicher Vorteil der online durchgeführten Befragung besteht darin, dass ohne Interviewer gearbeitet werden kann und somit kein „Interviewer-Bias“ auftritt (Beeinflussung der befragten Person durch den Interviewer). Ferner kann der Respondent unabhängig von einem Gegenüber die Geschwindigkeit, mit der er die Befragung bearbeitet, selbst bestimmen. Die Daten die sich im Lauf der Online-Befragung ergeben, fließen direkt in eine Datenbank ein. Die Ergebnisse liegen dann in Form von Teilnutzenwerten vor, die das Maß und die Verteilung der Präferenzen jedes einzelnen Kunden auf die Merkmale und Merkmalsausprägungen darstellen. Mittlerweile sind ausgesprochen leistungsstarke Software-Pakete am Markt verfügbar, die die Marktforscher bei der Konzeption, Durchführung und Auswertung von Conjoint-Analysen unterstützen. Die alles andere als einfache Auswahl der Merkmale und Ausprägungen der Analyse im Vorfeld der Feldphase bleibt dem Marktforscher aber trotz Online-Conjoint-Verfahren nicht erspart.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Eine gute erste Einführung in die Online-Conjoint-Methode gibt der Aufsatz von Achim Daiber und Werner Hemsing: Online Conjoint: Eine bewährte Methode im neuen Gewand, (Z 180a) Planung & Analyse, Frankfurt 2005, S. 47-52, an der sich auch dieser Artikel orientiert 2

Vgl. Luce, R.D., J.W. Tukey, Simultaneous Conjoint Measurement. A New Type of Fundamental Measurement, in: Journal of Mathematical Psychology, 8. Jg. (1964), S. 1–17 3

Vgl. Wübker, G. u. Baumgarten, J.: Der Markenwert von Banken - Messung komplexer Sachverhalte mit modernen Verfahren, Schmalenbachs Zeitschrift für betriebs-

wirtschaftliche Forschung, Ausgabe September 2004, S. 577-592, S. 577 4 Vgl. Simon, Hermann, in: Preismanagement - Analyse, Strategie, Umsetzung, 1992 5 Vgl Johnson, R. M.: Comment on Adaptive Conjoint Analysis, in: Some Caveats and Suggestions, Journal of Marketing Research, 28, 1991, S. 223-225 6 Vgl. Melles, Torsten u. Holling, Heinz: Einsatz der Conjoint-Analyse in Deutschland : eine Befragung von Anwendern, Münster 1998 7

Vgl. Daiber u. a., a. a. O.

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PRAXIS Online-Forschung – Qual der Wahl In der Marktforschung für das e-business kommen die unterschiedlichsten Problemstellungen vor. Welches Verfahren ist aber zur jeweiligen Bearbeitung geeignet? Klar ist, der „One-size-fits-all-Ansatz“ ist unmöglich. Die entscheidende Frage lautet daher nicht: „Was ist die beste Methode in der Online-Marktforschung?“, sondern muss vielmehr heißen: „Wie wählt man aus der breiten Methodenpalette das problemadäquate Werkzeug aus?“

Zu den wichtigsten Forschungsfeldern im OnlineBereich gehören Untersuchungen von Kundenbedürfnissen, Nutzerdifferenzierung (Marktsegmentierung), Wirtschaftlichkeitsprüfung, „Usability Testing“ und Potentialermittlung. Welche Methode für das jeweilige Forschungsfeld ausgewählt wird, sollte systematisch bewertet werden. Dazu wird ein Kriterienkatalog gebraucht. Einen ersten Anhaltspunkt bieten eine Reihe von „universellen“ Kri-

Die Online-Marktforschung lässt sich als Prozess auffassen, der fünf Phasen durchläuft: Entscheidung für Primär- oder Sekundärforschung, Zielgruppenwahl, Stichprobenkonstruktion, Wahl der Erhebungsmethode (Beobachtung, Befragung etc.) und Wahl der Analysemethode.

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Phase

terien, also solche, die für die meisten Wahlentscheidungen relevant sind. Hierzu gehören die Vorgaben des Auftraggebers und die vorhandenen Ressourcen, wie etwa Zeit und Geld. Auch das Kriterium der Problemorientierung hat quasi universellen Charakter. So ist es beispielsweise von der jeweiligen Problemstellung abhängig, ob es sich um gut untersuchte Forschungsbereiche handelt oder nicht. Ein nächstes Kriterium ist die „formale Orientierung“. Gemeint ist damit die Frage, ob das Untersuchungsfeld erschlossen werden soll (explorative Studie), beschrieben werden soll (deskriptive Studie), ob theoretische Konzepte verifi-

1

2 3

ziert werden sollen (konfirmatorische Studie) oder ob Untersuchungsobjekte bewertet werden sollen (evaluatorische Studie). Die „Prozessharmonisierung“ ist ein weiteres Kriterium. Es bezieht sich auf die Tatsache, dass Methoden in unterschiedlichen Prozessphasen aufeinander abgestimmt werden müssen. Das Kriterium „Detaillierungsgrad“ bezieht sich auf die Tatsache, dass unterschiedliche Verfahren zur Informationsgewinnung (das bezieht sich auf die Wahl zwischen Primär- und Sekundärforschung) auch unterschiedlich gut geeignet sind. Generell lässt sich sagen, dass Sekundärforschung umso schlechter geeignet sein

Kriterium Repräsentativität Vorgaben des DetaillierungsZielgruppen- WiederRessourcen Messgenauigkeit Auftraggebers grad orientierung holbarkeit Standardisierungsgrad Primär- oder Sekundärforschung

Zielgruppen-, Stichprobenwahl

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Erhebungsmethode

5

Analysemethode Kriterium zur Auswahl maßgeblich Kriterium zur Auswahl nicht maßgeblich

Für jede Phase der Online-Marktforschung lassen sich Kriterien finden, anhand derer systematisch die Entscheidung getroffen werden kann, welche Forschungsmethode letztlich zum Einsatz kommen soll. Hier ist eine Auswahl möglicher Kriterien sowie deren Maßgeblichkeit aufgeführt.

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PRAXIS Online-Marktforschung kann auch im Sinne einer Nutzerdifferenzierung zur Ermittlung homogener Kunden-Zielgruppen verwendet werden. So lassen sich beispielsweise Nutzer-Typen mit ähnlichem Kaufverhalten identifizieren.

Photo: Cristina Chirtes (stock.xchng)

wird, je höher der Detaillierungsgrad der Studie ist. Eine Sonderstellung nimmt die folgende Gruppe von Entscheidungskriterien ein, die hier unter der Bezeichnung „interne Charakteristika“ zusammengefasst werden. Sie beinhalten die Faktoren Repräsentativität, Messgenauigkeit, Standardisierungsgrad und Strukturierungsgrad. Obwohl es sich dabei eigentlich um Charakteristika des Forschungsprozesses handelt, die sich aus der Methodenwahl ergeben, werden sie häufig durch den Auftraggeber oder durch organisatorische Rahmenbedingungen vorgegeben. So werden beispielsweise bestimmte Stichprobenauswahlverfahren gewählt, um das Kriterium der Repräsentativität zu erfüllen. Das Kriterium der Zielgruppenorientierung verweist darauf, dass bestimmte Methoden bei bestimmten Zielgruppen nicht oder nur unzureichend anwendbar sind. So lassen sich beispielsweise regionale Markttests im globalen Umfeld des Internet in der Regel nicht durchführen. Das Kriterium des Verbali-

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sierungsgrades bezieht sich auf die Frage, inwieweit bei der Datenerhebung nur verbale Information oder auch andere Reaktionen dokumentiert werden sollen. So beinhalten Untersuchungen im „Usability-Labor“ beispielsweise „Eyetracking-Analysen“. Diese können mit der Erhebungsmethode der Befragung unmöglich zuverlässig dokumentiert werden. Das Kriterium der Wiederholbarkeit verweist auf spezifische Probleme, die dann auftreten, wenn Längsschnittsstudien zur Anwendung kommen. Hier ist es von zentraler Bedeutung, dass Daten aus mehreren Erhebungswellen miteinander verglichen werden können. Vergleiche lassen sich aber um so leichter durchführen je höher der Strukturierungs- und Standardisierungsgrad der Erhebungsmethode ist. Als letztes soll hier das Kriterium „Informationsqualität“ genannt werden. Gemeint ist damit die Frage, welche Persönlichkeitsmerkmale (Wissen, Einstellungen, Verhalten, Gefühle) erfasst werden sollen. So können Verhaltensvariablen am zu-

Wie im Büro so steigert auch im Internet gute Ordnung und Ergonomie die Effizienz. „Web-Usability“ ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Feld der Online-Marktforschung.

verlässigsten mit der Methode der Beobachtung dokumentiert werden, während sich andere Variablen mit dieser Methode überhaupt nicht erfassen lassen. Der Unterschied zwischen Marktforschung und alltäglichen Erkenntnisprozessen liegt nun prinzipiell darin, dass bei der Forschung ein Prozess mit den folgenden fünf Phasen durchlaufen wird: >Entscheidung Primär- oder Sekundärforschung >Zielgruppenwahl Hier geht es um die klare Festlegung der zu untersuchenden Grundgesamtheit (Population). Handelt es sich dabei etwa um alle Besucher einer bestimmten Website? Oder ist vielleicht nur eine bestimmet Alters- oder Einkommensgruppe von Interesse? >Stichprobenkonstruktion Zwei Grundtypen lassen sich unterscheiden: zufallsgesteuerte („random sampling“) und nicht-zufallsgesteuerte Verfahren. Letztere lassen sich nochmals untergliedern in: die willkürliche Auswahl (völlig unsystematische Auswahl) und die be-

wusste Auswahl („nonprobability sampling“), die auch häufig als Quota-Verfahren bezeichnet wird. Eine Vielzahl der Forschungsfragen für das Internet setzen eine Online- und Offline-Stichprobe voraus. >Wahl der Erhebungsmethode In Frage kommen: Beobachtung, Befragung oder Experiment >Wahl der Analysemethode Je nach vorhandenem Datenmaterial kommen qualitative und quantitative (=statistische) Verfahren in Frage. Bei letzteren ist die Unterscheidung in deskriptiven Analysen (bestimmte Merkmalsausprägungen innerhalb der Stichprobe werden beschrieben) und verknüpfenden Analysen (Zusammenhänge zwischen zwei oder mehr Variablen werden untersucht) möglich. Martin Gomilschak, Reinhard Franz, Julia Sinkovits und Michael Ksela diskutieren in ihrem Artikel mehrere Szenarien, die die systematische Entscheidungsfindung für eine Online-Marktforschungsmethode auf Basis

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Online-Marktforschung

Bei der Potenzialermittlung spielt vor allem die Conjoint-Analyse, die online leistungsfähig zu realisieren ist, eine große Rolle. Probanden bewerten dabei nicht Einzelmerkmale isoliert voneinader, sondern beurteilen Produkte in ihrer Gesamtheit.

der eingangs erwähnten Kriterien verdeutlichen.1 Unter anderem wird das Internet-Banking vor dem Hintergrund der Fragestellung betrachtet, welche Kunden potenziell für Online-Banking in Frage kommen und welche nicht. An dieser Stelle soll nur beispielhaft auf Phase 1 und 4 des Marktforschungsprozesses kurz eingegangen werden: Die erste Entscheidung die in Bezug auf eine adäquate Methodenwahl zu treffen ist, bezieht sich auf die Frage, ob man sich für Primär- oder Sekundärforschung entscheiden soll. Der notwendige Detaillierungsgrad der zu analysierenden Informationen spricht eindeutig für Primärforschung

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[Kriterium Detaillierungsgrad ist entscheidend]. In Phase 4 wäre prinzipiell im Bankbereich eine reine Zufallsauswahl und eine „Face-to-face-Befragung“ wegen der geringsten Verweigerungsquoten als Kontaktform die erste Wahl. Das ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden. Stattdessen wird die schriftliche Befragung ausgewählt, wobei sowohl eine postalische Befragung als auch eine Online-Befragung zum Einsatz kommt. Bei einer Unterrepräsentierung einer bestimmten Gruppe infolge mangelnder Rücklaufquoten ist es im Bedarfsfall möglich, ergänzend telefonische Interviews einzusetzen. Durch diesen Mix

an Erhebungsmethoden gelingt es im vorgegebenen finanziellen Rahmen die erwünschten Zielgruppen anzusprechen [Kriterien Problemorientierung, Prozessharmonisierung, Ressourcen]. Oftmals stehen Kostengründe und zeitliche Beschränkungen einer empirisch hochwertigen OnlineMarktforschungstätigkeit im Wege. Der Kriterienkatalog von Gomilschak, in Kombination mit den zur Verfügung stehenden Methoden, sollte Hinweise darauf geben, wie eine Problemstellung auch bei limitierenden Kosten- und Zeitbudgets zu einer zufrieden stellenden Lösung geführt werden kann.2 Doch welche Problemstellungen sind das eigentlich, die der OnlineForscher typischerweise bearbeitet? Zu den wichtigsten Forschungsfeldern im OnlineMarktforschungsbereich gehören Untersuchungen von Kundenbedürfnissen, die Nutzerdifferenzierung (Marktsegmentierung), die Wirtschaftlichkeitsprüfung, das „Usability Testing“ und die Potenzialermittlung. >Das Forschungsfeld der Kundenbedürfnisse beschäftigt sich mit der Ermittlung der Präferenzen und Anforderungen der Internet-Besucher. Wirklich erfolgreiche Geschäftsstrategien können nur dann entwickelt werden, wenn sie auf den Interessen und Wünschen der Kunden aufsetzen. Um hier mehr zu wissen, sollten zum Beispiel Kundenzufriedenheitsmessungen der Website-Nutzer durchgeführt werden. >Die Nutzerdifferenzierung zielt darauf ab, gemeinsame Verhaltensweisen der Online-Nutzer zu ermitteln und daraus homogene Kunden-Zielgruppen

abzuleiten. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Dimensionen Kauf-, Navigations- und Zahlungsverhalten. Darauf aufbauend lassen sich Nutzer-Typen identifizieren, was schließlich in einer Marktsegmentierung mündet.3 >Beim Forschungsfeld Wirtschaftlichkeitsprüfung geht es darum herauszufinden, welche OnlineAktivitäten aus ökonomischer Sicht Sinn machen und gegebenenfalls die Gründe für die Nicht-Nutzung zu erforschen.4 >Die „Usability“ beschäftigt sich mit der Ergonomie und Funktionalität von Websites. Mögliche Schwachstellen sollen identifiziert und beseitigt und damit die Benutzbarkeit des Internet-Auftritts optimiert werden. Die Nielsen Norman Group fand in ihrer Studie „Designing Usable Intranets“5 heraus, dass für die Erledigung ein und derselben Aufgabe via Intranet zwischen 27 und 196 Stunden benötigen wurden – je nachdem, ob ihnen eine benutzer-freundliche oder aber eine eher kompliziert zu handhabende Online-Umgebung zur Verfügung stand.6 >Die Potenzialermittlung erstreckt sich von der eigentlichen Ermittlung von Produktpotenzialen (OnlineProdukte, „Crossmedia-Produkte“) bis hin zur Markenartikelforschung (Marktanteil, Markenbekanntheit, Markenoriginalität, Markenattraktivität). In diesem Zusammenhang spielt vor allem die Conjoint-Analyse, die online leistungsfähig zu realisieren ist, eine große Rolle.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Gomilschak, M. u. a.: Die Qual der Wahl. Zur Bestimmung einer problemadäquaten Methode in der Marktforschung für eBusiness, Der Markt, 42. Jahrgang, Nr. 166/167, 2003, S. 117-131 2 Weitere nützliche Hinweise zur Auswahl der Marktforschungsmethode geben Alex Theobald u. a. (Hrsg.): Online-Marktforschung - Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, Wiesbaden, 2001 3

Berekoven, L. u. a.: Marktforschung. Methodische Grundlagen und praktische Anwendung, Wiesbaden,

2001 4 Vgl. Auer, C.: eMeasurement. An Integrated Concept for eService Performance Measurement, Proceedings of the 4th McMaster Management of eBusiness Conference, 2003 5 Vgl. Intranet Usability: Design Guidelines from Studies with Intranet Users, Nielsen Norman Group Report, 2002 6 Vgl. zum Thema gutes Webdesign auch Wirth, T.: Missing Links, Hanser Fachbuchverlag, 2004

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Online-Marktforschung

NOTIZEN ZUM THEMA Im virtuellen Supermarkt

Online-Marktforschung hat zwei grundsätzliche Einsatzbereiche: Das Internet selbst als Untersuchungsgegenstand und das Internet als Instrument der Primär- oder Sekundärforschung. Letzteres hat mittlerweile breiten Einzug in die Marktforschungslandschaft gehalten. Das Internet selbst, die virtuellen Welten, sind dagegen ein offener Untersuchungsgegenstand. Und das obwohl sich zahlreiche interessante Möglichkeiten bieten: In virtuellen Testumgebungen ist es z. B. möglich, den Einfluss des Preises, der Werbung, der Verpackung, der Regalplatzierung und der Regalbestückung auf das Kaufverhalten der Konsumenten zu testen. Darüber hinaus können Tests zur Neuprodukteinführung und zum Produktwechsel-Verhalten durchgeführt werden. Noch realistischer werden solche Untersuchungen, wenn virtuelle Realitäten es den Probanden ermöglichen, 3D-Produkte ähnlich wie in der realen Umwelt wahrzunehmen und zu bewerten. Dadurch könnten aufwendige Laborexperimente und die Anfertigung von Prototypen kostengünstig und zeitsparend ersetzt werden. Das Forschungsprojekt BENEVIT (Beschreibung von Nutzeraktivitäten in virtuellen Test-Umgebungen, durchgeführt vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Operations Research der RWTH Aachen u. a.) beschäftigt sich mit solchen virtuellen Realitäten. Die Zielsetzung des Projekts besteht unter anderem in der Realisierung eines standardisierten virtuellen Supermarktes. Der VRML-Supermarkt kann von einem Webserver geladen und mit einem VRML-Browser-

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PlugIn dargestellt werden1 (das PlugIn, Größe ca. 5 MB, muss vom virtuellen Kunden aus dem Internet einmalig herunter geladen werden und arbeitet dann als Erweiterung des Internet-Browsers). Der Konsument geht „maus-gesteuert“ an künstlichen Regalen vorbei und begutachtet Verpackungen und Preise, die allerdings sehr real sind. Ganz anders als in der wirklichen Kaufhauswelt hinterlässt er dabei, ganz gleich was er tut, Spuren, die jederzeit nachvollziehbar und auswertbar sind. Details sind nachzulesen bei Guido Schryen und Jan Herstell (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Operations Research der RWTH Aachen): Online-Marktforschung – Analyse von Konsumentenverhalten in virtuellen Umgebungen, Information Management & Consulting 18 (2003) 2, S. 74ff.

1 „online im Internet“, www.winfor.rwth-aachen.de/inhalte/ forschung/vrmafo/supermarkt/eingabe.html), aufgerufen am 14.03.06

Online Panels Das Internet ist für Datenerhebungen ein geeignetes Instrument. Systematische, technisch zuverlässige Online-Stichprobenverfahren kommen nicht selten an Stelle der traditionellen Befragungsformen zum Einsatz. Professionell und methodisch gebündelt werden diese Verfahren in so genannten Online Panels (englisch: panel=Forum).1 Bei einem solchen Online Panel handelt es sich grundsätzlich um einen Kreis von Internet-Nutzern, der sich bereit erklärt hat, an Online-Untersuchungen zu bestimmten Themen teilzunehmen. Um eine aussagekräftige Untersuchung von Konsum- oder Lebensgewohnheiten zu erlauben, ist eine gewisse Mindestanzahl an Teilnehmern, sogenannten Panelisten, erforderlich. Die Forschungsinstitute gewinnen diese meist über attraktive Websites, die zu mehrmaligen, wenn möglich regelmäßigen Besuchen einladen. Über ein Registrierungsformular melden sich die Befragungswilligen beim Panel an. Einen Anreiz bieten Preise und Belohnungen. Zum Einsatz kommen Geld, einlösbare Bonuspunkte, Lotterielose, Spendeoptionen, Produkte, Aktien, nicht-materielle „Incentives“ oder eine Kombination davon. Bei der Entlohnung von Panelisten gilt es, ein Gleichgewicht des Erhalts der Teilnahmemotivation und der Entmutigung von „Incentive-Jägern“ zu finden.2 Bei der Registrierung werden bereits Angaben zur Soziodemografie und zu individuellen Netznutzungsgewohnheiten erfragt. Die registrierten Daten werden in eine Datenbank aufgenommen und nach Profilen ausgewertet. Die weitere Aufarbeitung der Daten erfolgt schließlich mit Hilfe der traditionellen wissenschaftlichen Auswertungsmethoden. Das Ziel der „klassischen“ Online Panels ist, wiederholt in regelmäßigen Abständen, so genannten „Wellen“, unter den gleichen Randbedingungen (wie der gleichen Menge von Erhebungseinheiten, zum gleichen Untersuchungsgegenstand und mit den gleichen Instrumenten) Untersuchungen mit einer profilscharfen Probandengruppe durchführen zu können. Damit werden Beobachtungen und Entwicklungen über einen längeren Zeitraum hinweg möglich. Die Ergebnisse der Untersuchungen fließen in Aussagen über Tendenzen in der Umfrage-, Sozial- und Politikforschung ein. Welche IT-Infrastruktur muss aber für solche Projekte vorhanden sein? Als Rückgrat für ein solches Projekt benötigt man zunächst eine abgesicherte und leistungsfähige Website mit Datenbankanbindung. Die Website eines Online Panels besteht im Allgemeinen aus den Informationsseiten, einem Registrierungsfor-

mular für neue Panelisten und dynamisch erzeugten individuellen Bereichen, die durch ein persönliches Passwort geschützt sind. In diesen Bereichen können Panelisten ihre Daten aktualisieren und falls die Belohnung über ein Punktvergabesystem läuft, ihren Kontostand einsehen und ihre Prämien einlösen. Um automatisch Stichproben ziehen und anschließend Einladungen an die ausgewählten Panelisten versenden zu können, ist ein mit der Datenbank interagierendes Auswahl-Instrument erforderlich. Für den Einsatz von Zielgruppenidentifikationssystemen ist außerdem ein automatisches Rückkopplungssystem für die Versendung der Profilauswertungen an die Befragten nötig. Mit bestimmten Maßnahmen, die natürlich unterschiedlich aufwendig und teuer sind, lässt sich die Qualität von Daten aus Online Panel-Studien verbessern. Solche Vorkehrungen können z.B. in Folgendem bestehen: Zeitmessungen an Formularen, regelmäßige Aktualisierung der Profildaten, Nachfassaktionen auf nicht beachtete Untersuchungseinladungen, Konsistenz- und Reliabilitätsprüfungen, Senkung der Panelmortalität durch Panelpflegemaßnahmen und „Incentives“ sowie Identitätskontrollen durch OfflineKontaktversuche.3

1 Eine Übersicht über das Thema vermittelt das Buch von Andrei Postoaca: The Anonymous Elect Market Research Through Online Access Panels, Berlin 2005 2 Vgl. dazu Göritz, A. u. a.: Marktforschung mit Online Panels: State of the Art, in: Planung & Analyse, 3 2000, S. 62-67 3 Vgl. Göritz, A. S.: Online-Panels, in: Göritz, A. S., Batinic, B., Bandilla, W., & Bosnjak, M.: ZUMA-Online Research Newsletter, 17, in: www.or.zuma-mannheim.de/inhalt/Informationsquellen/newsletter/um17.htm,28.05.2000

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Online-Marktforschung

Literatur ... ... zum weitergehenden Studium der Online-Marktforschung

Wie einst mithilfe der Kugel lesen moderne Seher das Wünschen und Wollen der Online-Kunden aus deren Spuren im Web. Dahinter steht allerdings meist harte wissenschaftliche Arbeit. >Brusch, Michael: Präferenzanalyse für Dienstleistungsinnovationen mittels multimedialgestützter Conjointanalyse, Wiesbaden 2005 >Decker, Dominik: Marktforschung mit dem Internet. Einsatzmöglichkeiten, Grenzen und Entwicklungspotenziale, Marburg 2001 >Deutschmann, Christel und Walter, Norman: Ana-

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lyse der Daten einer Online-Befragung eines deutschen Reiseveranstalters mittels multivariater statistischer Methoden, Fachhochschule Stralsund 2002 >Eckardt, Matthias: Möglichkeiten und Grenzen der Online-Befragung in der empirischen Sozialforschung. Eine vergleichende Untersuchung postalischer, telefonischer und internetbasierter Befragungstechniken zum Soziologenberufsbild von Oldenburger Studierenden, Oldenburg, 2004 >Fries, Ralph: Großumfragen im World Wide Web. Durchführung, Repräsentativität und Bereinigung von Selektionseffekten untersucht am Beispiel von Perspektive-Deutschland 2001/02, Aachen 2006 >Herstatt, Cornelius und Sander, Jan G.: Produktentwicklung mit virtuellen Communities. Kundenwünsche erfahren und Innovationen realisieren, Wiesbaden 2004 >Leopold, Helmut: Rücklauf bei Online Befragungen im Online Access Panel, Hamburg 2004 >Lütters, Holger: Online-Marktforschung, Wiesbaden 2004 >Meyer, Jörg: Der Einsatz virtueller Gemeinschaften im Marketing. Eine netzwerkanalytische Betrachtung von Virtual Communities, Trier 2000 >Moranz , Claudia: Vertrauen bilden auf Community-Plattformen. Evaluation der UnternehmerTUMCommunity; Ergebnisse einer Online-Befragung im Rahmen des Projekts „Telekooperation in Beziehungsnetzwerken für informationsbezogene Dienstleistungen (TiBiD)“, Lehrst. für Psychologie, Techn. Univ. München 2004 >Postoaca, Andrei: The Anonymous Elect. Market Research Through Online Access Panels, Berlin 2005 >Schryen, Guido u. a.: Online-Marktforschung im Mittelstand. Analyse von Konsumentenverhalten in 3D-Internet-Welten, Wiesbaden 2003 >Schubert, Petra: Virtuelle Transaktionsgemeinschaften im Electronic Commerce. Management, Marketing und Soziale Umwelt, Köln 2000 >Stahlhut, Ilka: Auswahlverfahren in der klassischen und in der Online-Marktforschung, Hildesheim 2005 >Theobald, Axel: Online-Marktforschung. Theoretische Grundlagen und praktische Erfahrungen, Wiesbaden 2003 >Welker, Martin: Online-Research. Markt- und Sozialforschung mit dem Internet, Heidelberg 2005 >Wiedmann, Klaus-Peter u. a.: Konsumentenverhalten im Internet. Konzepte - Erfahrungen – Methoden, Wiesbaden 2004

OnlineProduktpolitik

>E-Share und Kundennutzen Gestaltungselemente des OnlineProduktmanagements, elektronische Marken und Mass Customization

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Online-Produktpolitik

Lernziele E-Share

Instrumente der Produktpolitik

Was verkauft sich im Netz?

Online Produktmanagement

>Die Definition eines Produktes als Leistungsbündel aus materiellen und immateriellen Komponenten zur Bedürfnisbefriedigung >Basisprodukte und augmentierte Produkte >E-Share >Die beiden grundsätzlichen Fragen im e-business im Zusammenhang mit Produkten >Die Produktpyramide von United Research >Zusatznutzen und die vier prinzipiellen Möglichkeiten ihn im Internet bereitzustellen

>Die vier Gestaltungsmöglichkeiten des Produktmanagements im Rahmen der Online-Marktforschung >Die drei Ansätze der Produktindividualisierung >Möglichkeiten Produkte elektronisch zu ergänzen >Die prinzipielle Notwendigkeit, Marken im Internet zu etablieren

Elektronische Kataloge

Konfigurationssysteme im Web

Mehr als Print-Kataloge

Mass Customization

>Kataloge im Internet und was diese zu elektronischen Sekundärdienstleistungen macht >Elektronische B2B-Kataloge und deren Vorteile gegenüber Print-Katalogen >Volltext-basierte und kontextsensitive Navigation >Zum Thema attribut-basierte Suche >Verwendung von Hyperlinks in elektronischen Katalogen

>Die „On-Demand-Fertigung“ von Dell >Differenzierungsoption und Kostenoption >Unsicherheiten beim Konfigurationsvorgang >Digitalisierbarkeit der Kernleistung >Interaktion >Vier-QuadrantenDarstellung

Online-Marken

Produktpräsentation im Web – aber wozu?

Im Netz noch wichtiger

Wann wird die Web-Präsenz zum Muss?

>Unterschiedliche Netz-Markentypen und zugehörige Unterscheidungskriterien >Netzmarken und Beispiele >Die Relevanz von Marken im Web als Orientierungshilfe und Vertrauensbasis >Die Wiedererkennungsfunktion von Marken im Internet >Weitere Funktionen von Marken im Web >Die große Bedeutung des Individualmarketing im Internet >Die Notwendigkeit Marken im Web rational zu positionieren >Die Vorteile traditioneller gegenüber Internet-Marken >Felder in denen Netzmarken den traditionellen Marken überlegen sind >„ONE-Branding“ >Die Vorgehensweise bei integrierter Markenführung

>Probleme, die Verlagshäuser aktuell mit ihren Internet-Auftritten haben >Zu Möglichkeiten, die sich der Versicherungsbranche im Zusammenhang mit dem Web bieten >Internet-Apotheken >Kompromiss zwischen Güter- und Informationsökonomie >Zur Frage: Wann das Internet auf der Basis dieses Kompromisses zum Problem für eine Branche werden kann und können ein Beispiel dazu geben >Kompromiss zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite

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Agenda

Online-Produktpolitik

E-Share Welche Produkte sind für den Verkauf über das Internet geeignet? ...................................................92 Instrumente der Produktpolitik Das Online-Produktmanagement verfügt über vier Gestaltungselemente ..............................................97

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Der so genannte E-Share bezeichnet den Anteil elektronischer Komponenten an einem Produkt. Da dieses nicht nur aus materiellen, sondern durchaus auch aus immateriellen Komponenten besteht und der E-Share den gesamten Lebenszyklus eines Produkts umfasst, gelingt es dem cleveren Produktmanager sogar einem Blumenstrauß auf sinnvolle Art und Weise zu E-Share zu verhelfen. Damit lässt sich die duftende Ware wider Erwarten ausgesprochen gut im Internet vermarkten.

Elektronische Kataloge Mit der einfachen Übertragung eines Print-Katalogs ins Web ist es meist nicht getan ............................104 Konfigurationssysteme im Web Der PC-Hersteller Dell wurde mit der Mass Configuration zum Marktführer. Sie hat aber auch Nachteile und führt deshalb nicht immer zum Erfolg ............109 Online-Marken Marken bestimmen im Internet noch mehr als im traditionellen Geschäft den Unternehmenserfolg ......120 Produktpräsentation im Web – aber wozu? Welche Anbieter müssen ins Web? ......................127

109

Praxis elektronischer Sekundärdienstleistungen Elektronische Auftragsverfolgung, Remote Control, Ferndiagnose, Ersatzteile im Internet ...................138 Literatur ...............................................................140

Bald kneift keine Hose mehr. Mit der Mass Customization konfigurieren sich die Verbraucher ihre Garderobe am PC nach Maß. Und das zum Preis herkömmlicher Massenware. Das sollte eigentlich ein Erfolgsmodell sein.

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Wie könnte ein sinnvoller Web-Auftritt eines Fernsehsenders aussehen?

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Online-Produktpolitik

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Ein Produkt ist mehr als nur Basis-Produkt. Das zeigt eindrucksvoll die Zigarettenwerbung.

Welches Produkt ist für den Verkauf über das Internet geeignet? Es gibt Produkte, die für das Web prädestiniert sind, wie zum Beispiel Software. Aber selbst nicht geeignete Basisprodukte, wie beispielsweise ein Blumenstrauß, können zum Online-Erfolgsmodell werden. 92

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cher über das Internet. Würde Amazon as ist eigentlich ein Produkt? heute noch einmal vor der EntscheiEin Produkt ist eine Problemdung stehen, ob das Wagnis der Grünlösung beziehungsweise ein dung einer Internet-Firma eingegangen Mittel zur Bedürfnisbefriedigung. Um werden soll, müsste, was die Produktdieses zu erreichen, wird ein Leistungspolitik angeht, geprüft werden: sind Bübündel aus materiellen und immaterielcher für den Abverkauf über das Web len Komponenten geschnürt. Marlborogeeignet (1) und wie verändert sich Zigaretten sind zum einen einfach nur Unter www.shop.de sind das Produkt Buch, wenn es erfolgreich eine Form von Tabak, die in einem netüber 45.000 Online-Anonline gehandelt werden soll (2)? Was ten Päckchen angeboten wird. Hinzu bieter erfasst. Wer einen Punkt (1) angeht, kann die Produktpykommt aber noch eine ganze immateriInternet-Handel plant, ramide von United Research als erster elle „Welt“. Der Verbraucher sehnt sich sollte hier schauen, wie Anhaltspunkt dienen. Online-Idealauf der einen Seite nach einer Zigarette es um die Konkurrenz Produkte sind demnach Artikel, die im – er könnte zu irgendeiner greifen – auf bestellt ist. Laden nicht erstanden werden könder anderen Seite aber auch danach, nen (oder nicht unbedingt erstanden seiner Persönlichkeit Ausdruck zu verleihen. Jede Zigarettenmarke spricht in diesem Zu- werden wollen). Dazu gehören unter anderem „Spesammenhang ihre eigene Sprache und ist damit eben cial-Interest-Produkte“ die einen kleinen Käufermarkt nicht mehr gegen irgendeine andere Sorte austausch- adressieren und die deshalb im Angebot des traditiobar. Das Basisprodukt stellt dabei einen Kernnutzen nellen Handels schwer zu finden sind. Sportgeräte für sicher – die Zigarette muss vom Geschmack her die ausgefallene Sportarten könnten ein Beispiel sein. Gut Erwartungen des Konsumenten treffen. Aber erst geeignet für den Online-Verkauf sind die markenlosen durch immaterielle Komponenten wird sie zu einem Produkte, wie CDs oder Bücher. Amazon hätte im marktfähigen Leistungsbündel ergänzt (man spricht in ersten Schritt mithin durchaus Mut schöpfen können. diesem Zusammenhang auch von augmentierten Pro- Weniger gut geeignet für das Web sind nach der „Unidukten, mit denen sich Differenzierungsmöglichkeiten ted-Research-Pyramide“ ausgesprochene Markenvom Wettbewerb eröffnen).1 Die emotionale Kompo- produkte, vor allem auch dann, wenn – wie beispielsnente der Zigarettenwerbung beeinflusst in der Tat die weise bei Genussmitteln – Marken einen sinnlichen Präferenzen der Kunden stark. Marlboro-Werbung regt Eindruck auf den Konsumenten ausüben. Ein gutes das Bedürfnis nach „grenzenloser Freiheit und Unge- Parfüm gehört normalerweise in die Parfümerie, wo es die Kundschaft bundenheit“ an und ausprobieren kann. erhöht dadurch den Die Produktpyramide Teure Kleidung Absatz dieses Provon United Research gehört ins Konfekdukts zulasten angibt einen ersten Antionsgeschäft, wo derer Marken.2 haltspunkt, ob Produkte die Sachen anproIm e-business für den Online-Handel biert werden könstellen sich im Zugeeignet sind oder nen. Und ein neusammenhang mit nicht. es Auto lernt der Produkten zwei Kunde erst dann grundsätzliche Fraso richtig schätgen: Welche Bazen, wenn er einsisprodukte sind mal drin gesessen für das Internet ist und den unwigeeignet und wie derstehlichen Duft verändern sich des Neuen geatProdukte durch met hat. Aber auch e-business? Als wenn das Produkt Modell dazu kann durchaus geeignet der so genannte ist, ist der Erfolg im E-Share verwendet Internet noch nicht werden.2a Ein Beispiel: Die Internetvorprogrammiert. Firma Amazon verWichtig ist, das treibt bekanntlich richtige Produkt unter anderem Büzum richtigen Zeit-

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Online-Produktpolitik

Lebensmittel lassen sich zwar gut ins Bild setzen, bieten aber ansonsten ausgesprochen wenige Möglichkeiten, auf sinnvolle Art und Weise zusätzlichen E-Share zu generieren. Das Basisprodukt hat einen E-Share von nahezu null. Möglichkeiten im erweiterten Produktumfeld müssten gesucht werden, um den E-Share zu erhöhen. Das macht aber nur Sinn, wenn damit ein zusätzlicher Kundennutzen verbunden ist. punkt am Online-Markt anzubieten. Eine Analyse der bereits vorhandenen Web-Anbieter mit gleichem oder ähnlichem Sortiment ist angebracht. Portale wie www. shop.de erfassen einen erheblichen Anteil der beispielsweise in Deutschland vertretenen Online Shops, wobei im Internet-Handel auch internationale Konkurrenz berücksichtigt werden sollte. Generell stellt sich für die Produktplatzierung im Web aber noch eine weitere, ausgesprochen relevante Frage: Welcher Zusatznutzen ist mit der Online-Präsentation für den potenziellen Kunden verbunden? Genauso wie es keinen Sinn macht, ein für das Medium völlig ungeeignetes oder bereits vielfach dort zu habendes Produkt im Internet neu anzubieten, genauso wenig macht es Sinn, traditionell erhältliche Ware online zu handeln, wenn sich kein ersichtlicher Zusatznutzen für den Kunden daraus ergibt. Amazon müsste sich mithin als Internet-Neueinsteiger dieser Frage stellen. Eng damit verbunden, ist der bereits oben erwähnte Punkt (2): wie verändert sich ein Produkt, wenn es online angeboten wird? Kommt durch die Platzierung im virtuellen Regal erheblicher Zusatznutzen zum Pro-

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dukt hinzu, dann ergibt sich im Ergebnis möglicherweise ein so stark variiertes Leistungsbündel, dass die Produkte anders wahrgenommen werden. Bücher, so wie sie heute von Amazon angeboten werden, haben diesen Schritt noch nicht hinter sich. Auch das online bestellte Buch, ist immer noch ein Stapel Papier, der zwischen zwei Deckel gebunden ist. Der E-Share, um diesen Begriff wieder aufzugreifen, ist von Amazon bisher niedrig gehalten worden. Dennoch unterscheidet sich der Online-Handel bereits jetzt vom traditionellen Buchhandel. Der Kunde wird beispielsweise von Amazon erkannt, wenn er zum wiederholten Male die Website wählt. Was traditionell zumindest in großen Buchläden häufig nicht der Fall ist. Der Wert seiner bisher im Online-Shop erworbenen Ware wird beziffert und mitgeteilt. Anders als im Buchladen kann er problemlos seine Bücher anderen Kunden anbieten, mithin vom Käufer zum Verkäufer werden. Das gekaufte Buch kann zum einen weiterhin isoliert erworben werden, ganz analog zum traditionellen Buchhandel. Meist werden dem Kunden jedoch sinnvolle Bündel angeboten. Kriterien für die Bündelung könnten sein: Welche Titel haben andere Kunden, die sich für das gleiche Buch entschieden haben, vielleicht noch zusätzlich erworben? Welche Bücher gehen thematisch in eine ähnliche Richtung? Für solche Kombinationen wird in vielen Fällen ein attraktiver Preis angeboten, der es dem Kunden leichter macht, sich für das Bündel zu entscheiden. Der E-Share ist mithin auch bei Amazon durchaus nicht gleich null. Was versteht man genau unter diesem Begriff. Er beschreibt den Anteil der elektronischen Komponenten (Werkzeugen des e-business) am Produkt.3 Musik beispielsweise, die im Internet gekauft und anschließend aus dem Netz auf den PC geladen und dort abgespielt werden kann, hat einen E-Share von 100%. Das Produkt ist in diesem Fall vollkommen digitalisiert, eine physische Ausprägung beispielsweise in Form einer CD als Datenträger wird nicht benötigt. Der E-Share eines Blumenstraußes ist dagegen zunächst gleich null. Es handelt sich um ein physisches Produkt, das für gewöhnlich im Laden gekauft und zu Hause in die Blumenvase gestellt wird. Das Internet spielt dabei keine Rolle. Doch auch hier sind elektronische Komponenten denkbar. Beispielsweise könnte ein Web-Dienstleister registrierte Kunden per E-Mail erinnern, wann ein Blumenstrauß benötigt wird. Die Zahl der vergessenen Hochzeits- und Geburtstage lässt sich dadurch erheblich senken, weshalb das Modell in den USA durchaus Erfolg hat. Der „Schnittblumen-E-Share“ ist damit nicht mehr gleich null. Da der E-Share den gesamten Kauf- und Nutzungszyklus eines Produktes oder einer Dienstleistung umfasst, lässt sich mithin für jedes Angebot ein Wert größer Null generieren. Die Frage muss dabei aber

immer sein, welcher zusätzliche Kundennutzen damit verbunden ist? Es kann sogar für Produkte mit naturgemäß hohem E-Share, wie Software oder die eben beschrieben Musik, durchaus sinnvoll sein, auch im Netz die 100 Prozent nicht voll auszuschöpfen. Viele Kunden legen nach wie vor Wert darauf, ihre Ware auf CD oder DVD physisch ausgeliefert zu bekommen, weil ihnen die Ladezeiten aus dem Internet möglicherweise zu lang sind oder weil ein sicheres Backup-Medium gewünscht wird. Ein falsch angesetzter EShare würde in diesem Fall mithin den Markt unnötig einengen, denn nur die „Download-Community“ würde angesprochen, die am traditionellen Vertriebsweg interessierten Kunden aber vernachlässigt. Den E-Share richtig anzusetzen, ist mithin eine wesentliche Aufgabe der Online-Produktpolitik. Nützlich dabei ist die folgende Überlegung: Es gibt vier Möglichkeiten, mit E-Share zusätzlichen Kundennutzen zu schaffen: >Nutzen durch mehr Information Im Internet können Informationen, die Beurteilung, Kauf, und Nutzung von Produkten unterstützen, bereitgestellt werden. Damit jedoch hieraus ein Produktnutzen entsteht, müssen Informationen geordnet und individuell zugeschnitten bereitgestellt werden. Der Käufer investiert durchschnittlich 37 Stunden in den Autokauf, recherchiert vor allem im Internet, stellt sich den Wunschwagen schon mal virtuell zusammen und kauft erst dann im Autohaus.4 Vor allem Premium-Marken wie Audi, BMW und Mercedes-Benz bieten bei der Ausstattung dutzende Wahlmöglichkeiten. Wer sich etwa bei Audi durch den Online-Konfigurator klickt, bekommt seinen Neuwagen „maßgeschneidert“. Nach der Wahl des Modells kommen die passenden Innen- und Außenfarben, Einparkhilfen, Schiebedach und viele andere Extras auf Wunsch hinzu. Die vielen möglichen Varianten führen dazu, dass mittlerweile kaum ein Auto mehr die Fertigungshallen verlässt, das einem anderen vollkommen gleicht. „Insgesamt haben wir zehn hoch 20 Möglichkeiten, die Bestandteile zu kombinieren“, sagt Klaus Alders, Leiter des Komplexitätsmanagements bei Audi. Der Variantenmanager Franz Decker von BMW spricht sogar von zehn hoch 32 Möglichkeiten, doch da muss er selbst schmunzeln. „Wenn man ganz visionär denkt, könnte ein Kunde in Zukunft den Bauauftrag seines Wagens komplett im Internet beobachten. Wo befindet sich gerade meine Karosserie, wo mein Lenkrad, wo meine Reifen?“ Ein solch transparenter Ablauf erfordert absolute Termintreue. „Aber“, sagt Alders: „so etwas kann man bei einem weiterhin steigenden Komplexitätsniveau gar nicht mehr abwickeln.“4a >Nutzen durch Zeitersparnis Im Internet kann komfortabel, zeitsparend, rund um die Uhr eingekauft werden. Optimal umgesetzte Shops führen zudem zu

Photo: lemonfridg (stock.xchng)

Bei digitalisierter Musik, die vom Internet auf den iPod geladen werden kann, handelt es sich um ein Produkt mit 100% E-Share. Doch trotz des steigenden Marktanteils für Musik-Downloads wird es auch weiterhin einen Bedarf an Musik auf CD oder DVD geben. Für viele Anbieter macht es deshalb Sinn, den E-Share der Musikproduktionen niedriger anzusetzen, um auch dieses Marktsegment noch zu erreichen. kürzeren Durchlaufzeiten und damit zu schnellerer Lieferung. Als besonders störend gilt hier der Zeitverlust, der durch Rückfragen an Schnittstellen der einzelnen Partner (Händler, Lieferanten, Produktion) entsteht. Beim Maßkonfektionär Odermark beispielsweise rechnet man damit, das in der Auftragsabwicklung bis zu drei Tage eingespart werden können, wenn alle Maßnahmen eines Internet-Verbundprojektes auf allen Stufen der Wertschöpfungskette umgesetzt werden. Ähnliche Erfahrungen konnten in der Tuchfabrik Willy Schmitz, Mönchengladbach, gemacht werden: Von der Anlieferung des Garns bis zum fertigen Tuch seien vor einem entsprechenden Online-Projekt namens „MyNet“ rund drei Monate vergangen, nach Projektende sind es nur noch knapp mehr als zwei Monate. Und es steckt noch Potenzial drin: Eigentlich ist ein fertiger Maßanzug nach 48 Stunden möglich.5 >Nutzen durch niedrigere Preise Im Internet zahlen Kunden niedrigere Preise und zwar immer dann wenn Anbieter durch das Online-Angebot Kosten reduzieren können. Beispiel: Online-Banking. Fast 20 Millionen Deutsche sind mittlerweile drin. Von 1997 bis

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Online-Produktpolitik

2001 hat sich die Zahl der online geführten Bankkonten mehr als verfünffacht. Was für die Bankkunden bequem ist und Wege spart, spart den Banken wiederum enorme Kosten - führt allerdings in letzter Konsequenz auch dazu, dass sich die Geldinstitute nach und nach von ihren Filialen verabschieden. Wohin man auch blickt, die Geldinstitute ziehen sich aus der Fläche zurück: Die Zahl der Sparkassen beispielsweise ging in den vergangenen zehn Jahren um 7.000 auf heute rund 13.200 Filialen zurück. Wer als Kunde durch Online-Banking Geld sparen will, zahlt mithin auf der anderen Seite auch den Preis eines eingeschränkten Beratungsangebots dafür.6 >Nutzen durch bessere Produkte Im Internet beziehen Kunden bessere Produkte, wenn der Anbieter das Medium nutzt, um seine Produkte kundenorientiert weiterzuentwickeln und kundenindividualisierte Produkte anbietet. Laut Booz Allen Hamilton werden die Erlöse in Web-Werbung um zwölf Prozent jährlich auf netto 395 Millionen Euro 2008 steigen. E-MailMarketing nimmt von 250 auf 450 Millionen Euro zu. Schon heute nutzen 84 Prozent aller Unternehmen Dialogmedien. Dahinter steht nicht weniger als die Individualisierung der Massenkommunikation. BMW machte es bei der Einführung des 1er über die Plattform www.prinzip-freude.de vor: Die Autobauer erreichten schon vor Einführung 100.000 Interessenten. Aber: Nutzer reagieren ablehnend, wenn es nicht wirklich gut gemacht, das heißt tatsächlich auf jeden Einzelnen individuell zugeschnitten ist. Der Internet-Kunde ist nicht nur König, sondern vor allem auch einmalig. Auf ihn wird Online-Werbung künftig noch genauer zugeschnitten werden müssen. „Location Based

Services“, das heißt Werbebotschaften passend zum Aufenthaltsort, sehen Experten als einen Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang. Wo in meiner Nähe läuft gerade der Film King Kong? Kann ich noch Karten reservieren? Welche Kneipe bietet anschließend eine „Happy hour“? Und wo finde ich auf dem Heimweg eine Apotheke, in der ich mir Aspirin besorgen kann?7 Im Bankenbereich zeigte eine Studie, dass Kunden im Alter von 25 bis 35 Jahren, die unzufrieden mit ihrem Institut sind, das zu 33% mit mangelndem Service und zu 28% mit schlechter Beratung begründen. Danach erst folgt die Kritik an der Performance (22%) und der Produktpalette (17%). Hier liegt ein zweiter Ansatzpunkt für die Individualisierung im Web. Traditionell zeigen sich offenkundige Defizite in der Ausbildung der Kundenbetreuer. Die klassischen Ausbildungswege sind angesichts der gestiegenen Anforderungen längst an ihre Grenzen gestoßen, und viele Bank-Institute scheuen vor allem aus Kostengründen davor zurück, ihre Kundenbetreuer über die fachliche Schulung hinaus in Verhaltensfragen zu qualifizieren. Um hier die Produkte zu verbessern, hilft eigentlich nur das Internet. Der zügige Ausbau der modernen Kommunikationswege kann und muss mit der Verbesserung der individuellen Beratung via Web einhergehen. 30-jährige Kunden, die sich mit den Zugangskanälen unzufrieden zeigen, begründen dies zu 65% mit fehlenden oder schlecht funktionierenden elektronischen Selbstbedienungssystemen. Vermisst wird ein sinnvolles Internet-Banking (41%), ein Callcenter (12%) und der Zugang via E-Mail (12%). Es bleibt mithin noch viel zu tun.8

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Kotler, P. u. a., Marketing-Management, Stuttgart 1999, S. 670f. 2 Vgl. dazu Meyer, W.: Tabakwerbung und Gesundheitspolitik, Jahrbücher f. Nationalökonomie u. Statistik, Bd. 224/1+2, Stuttgart 2004 2a Vgl. Bliemel, F. u. a.: Produktpolitik im Internet, in: Weiber, R. (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 507ff. 3

Bliemel, F. u. a., a. a. O., S. 509ff.

4 Vgl. Andres, M.: Die optimale Varianz, brand eins, Heft 1/2006, S. 64-69 4a

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ebenda

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5 Lippok, C.: Beschleunigte Maßkonfektion, Forschungsprojekt „MyNet“ nach drei Jahren abgeschlossen, TextilWirtschaft 20 vom 19.05.2005, Seite 63 6 Weisweiler, D.: Geschäftskonto, die Bankverbindung aus dem Netz, Handel, Nr. 11, 2002, S. 72 7 o. V., Alles ganz persönlich, werben & verkaufen Nr. 5051 vom 15.12.2005, S. 54 8 Brunner, W. L. u. a.: Die unbekannte Kundschaft der 25- bis 35-Jährigen, Ertragssteigerungen durch intensive Zielgruppenbetreuung, Betriebswirtschaftliche Blätter, Januar 2006, Nr. 01, S. 35

Instrumente der Produktpolitik Vier Gestaltungselemente stehen dem Online-Produktmanager prinzipiell zur Verfügung

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elche Gestaltungselemente stehen dem Produkt-Manager im e-business zur Verfügung? Um sein Produkt online weiterzuentwickeln kann er auf Methoden der Marktforschung, auf Produktindividualisierung, auf die Ergänzung um elektronische Sekundärdienstleistungen und vor allem auch auf die Gestaltung des Marken-Images zurückgreifen. >Marktforschung e-business bietet viele Möglichkeiten, Kundenadressen und Präferenzen zu erfahren. So besteht z. B. die Chance, Kunden in die Produktentwicklung einzubeziehen. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist Fiat: Kunden stellen über die Fiat-Website aus Design- und Ausstattungselementen ihr Wunschauto zusammen. Über dreitausend Rückmeldungen flossen so in ein Punto-Modell

später tatsächlich ein.1 Aber Kunden können auch in die Markteinführung einbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist eine ausgezeichnete Möglichkeit darin zu sehen, die heute so beliebten Online-Auktionen zur Ermittlung von Nachfragekurven für Produktneuheiten zu nutzen. Inzwischen geben die Nutzer jeden vierten Euro im Internet bei Auktionen aus, was eine Studie des Nürnberger Marktforschers GfK ergab. Demnach werden nicht nur Neuprodukte oder tatsächliche „Secondhand-Ware“ angeboten, sondern immer häufiger auch ‚neuwertige‘ Gebrauchsgüter. Was liegt da näher als ab und an einen Testballon zu starten? Welcher Preis beispielsweise für ein neu entwickeltes Produkt erzielbar ist, lässt sich nirgendwo sonst so gut ermitteln. Denn die potenziellen Kunden sind mit Lei-

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Den Charme des Handels mit Gebrauchtwaren, wie solchen Feuerwehrautos, hat eBay längst hinter sich gelassen. Immer häufiger werden auch neuwertige Gebrauchsgüter angeboten. Eine ideale Plattform für die OnlineMarktforschung.

denschaft dabei und dem Internet-Auktionshaus eBay sind neue Geschäftsfelder immer willkommen. „Wir pflegen eine offene Kultur“, sagt die Spitzenmanagerin und Vorstandschefin von eBay Meg Whitman ohnehin im Interview mit der Zeitschrift Capital. 220 Millionen Artikel wurden allein im ersten Quartal 2003 angeboten - in 18.000 Kategorien. Ob Babystrampler, Designerbrille, Automobil, Chanel-Kostüm, Digitalkamera, Kampfjet oder „Leuchtturm Helgoland mit Blinklicht 15 cm“ für vier Euro: Auf dem Online-Flohmarkt wird einfach alles gehandelt. Die Leidenschaft Schnäppchen zu machen und der Kick beim Steigern im virtuellen Auktionshaus sind ein Schlüssel zum Erfolg. „Du bist eBay-abhängig“, berichten Nutzer im virtuellen Cafe der Website, „wenn du die Silvesterparty um halb zwölf verlässt, weil die Auktion für ein supergünstiges Kochtopfset ausläuft.“ Im Land der Steuern und Abgaben wachsen Sparfüchse über sich hinaus. „Die Deut-

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schen suchen hartnäckig nach dem besten Preis und sind leidenschaftliche Sammler“, sagt Philipp Justus, Geschäftsführer von eBay Deutschland im Interview zur Zeitschrift Capital. Das Jagdfieber hat längst auch die Prominenz gepackt. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch nutzt ebenso wie die Modedesignerin Jette Joop oder die TV-Moderatorin Carola Ferstl die Chance zum günstigen Online-Einkauf rund um die Uhr.3 Weitere wichtige Instrumente des e-business für die Marktforschung sind: Befragung über E-Mail und Virtuelle Gemeinschaften. >Produktindividualisierung Aber im Internet eröffnen sich noch ganz andere Chancen, was die Produktpolitik angeht. Hierzu gehört die Möglichkeit, für Kunden mit Hilfe des World Wide Web maßgeschneiderte Produkte zu entwickeln. Diese Produktindivi-

dualisierung (PI) wird auch als Mass Customization bezeichnet. Dabei werden individuelle Produkte zum Preis von Massenware angeboten. Wie ist das möglich? Prinzipiell gibt es im e-business drei Ansätze zur PI: einmal die Identifikation des besten Produkts, dann die so genannte Entbündelung von Produkten und schließlich die Einzelfertigung. Im Internet lässt sich sehr viel besser als im traditionellen Handel herausfinden, für was sich der Kunde wirklich interessiert. Verkaufsgespräche laufen konventionell ja meist so ab, dass Käufer und Verkäufer zusammen um den heißen Brei herum reden. Der Verkäufer ist dabei oft viel zu sehr damit beschäftigt, den Kunden in eine für ihn günstige Position zu drängen, als dass ihm auffiele, was den Kunden tatsächlich umtreibt. Im Internet-Handel stehen dagegen beispiels-

weise das so genannte „Collaborative Filtering“ oder auch die „Clickstream-Analyse“ zur Verfügung. Diese Verfahren schließen aus bisherigem Kundenverhalten oder aus dem Verhalten ähnlicher Kunden, welche Produkte im vorliegenden Fall interessant sein könnten. Das ist sowohl für die Abnehmer als auch für die Anbieter interessant. So registrierte der Internet-Primus Amazon im ersten Quartal 2005 zwar steigenden Umsatz. Der Überschuss lag aber unter dem des Vorjahres. Der scharfe Wettbewerb zwingt auch Amazon, sich von anderen Internet-Firmen zu differenzieren. Neben Preisaktionen muss Amazon mit Marketingmaßnahmen wie der PI zu punkten versuchen. So berichtete beispielsweise MARKET am 18.09.2002: „Jedem Amazon-Kunden sein eigener Shop: Der weltgrößte Online-Händler setzt in Deutschland auf weitgehende Personalisierung. Unter der Rubrik ‚Mein Shop‘ finden registrierte User künftig eine individuell zusam-

Mehr maßgeschneiderte Angebote bringen mehr Kunden-Loyalität im Online-Handel. Bestes Beispiel: Amazon.

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mengestellte Produktauswahl, deren Zusammenset- Registrierte Kunden erhalten ihre aktuellen Nettopreizung auf dem bisherigen Nutzungsverhalten basiert. se online angezeigt, und die ausgelegte Pumpe kann Amazon orientiert sich dabei nicht nur an den bisheri- sofort bestellt werden. Die Aufträge laufen in das SAP gen Einkäufen, sondern auch an vorher aufgerufenen R/3-System des Herstellers ein und werden nach Freigabe durch den Produkt-Sites, am Innendienst diInhalt des Einrekt in die Fertikaufswagens und gungssteuerung an Artikeln, die übertragen. Die vom Kunden poPreisangabe sitiv bewertet wuraktualisiert sich den. Außerdem entsprechend fließen Umfragedem Ausleergebnisse mit gungsergebnis. ein. Für den gläDer in Deutsch, sernen Kunden Englisch und bleibt der Trost, Französisch verdass er seinen eifügbare Konfigugen Shop mitgerator ist ein Teil stalten kann: Es des Webshops. bleibt ihm überIn diesem sind lassen, Produktrund 3.000 Pumlinien hinzuzufüpen und Armatugen oder einzelne ren sowie rund Amazon-Vorga500.000 Ersatzben zu löschen.“4 teile aufbereitet.6 Unter den Onlineshops weist Amazon Der Anbieter pc-sofort.de Der weitestgehende Ansatz bei der Produktindiaufgrund solcher Maß- vidualisierung ist die Einzelfertigung. Bei Dolzer hat in seinem Internet Shop nahmen denn auch die unter der gleichnamigen können Kunden sich ihr maßgeschneidertes höchste User-Loyalität Domäne folgende LeistunOberhemd über das Internet bestellen. Zum auf. Dies ergab beigen realisiert: Das ProduktPreis von nur 50 Euro. spielsweise eine Studie programm umfasst rund des Marktforschungsin8.000 Artikel und „Bundles“, stituts Jupiter MMXI. Fast jeder zweite Besucher der die in Rubriken geordnet mit Preis, Bild und den weAmazon-Website im November 2001 hat sich im Fe- sentlichen technischen Daten vorgestellt werden. Der bruar 2002 wieder im Shop blicken lassen. Zum Ver- Nutzer erhält online Auskunft, wie teuer z. B. die Kongleich: Bei Tchibo.de kehrt nur jeder dritte Besucher figuration eines kompletten CAD-Arbeitsplatzes wird. zurück. Bei Quelle.de, einem eher traditionellen Ver- Registrierte Kunden bekommen über den Internetsandhaus mit zusätzlichem Web-Auftritt und auch bei Shop alle benötigten Produktinformationen sowie Otto.de ist es ungefähr sogar nur jeder Fünfte.5 Konfigurationsvorschläge, Lieferverfügbarkeiten und Die Entbündelung von Produkten in Einzelkompo- -termine. Die Bestellung geht per E-Procurement dinenten ist eine weitere Möglichkeit der Produktindivi- rekt an den jeweiligen Lieferanten und wird dort audualisierung. Die Ware wird dabei bewusst in zahlrei- tomatisch in das Unternehmensinformationssystem che Einzelkomponenten zerlegt. Kunden setzen sich eingespeist. Lieferantenbeziehungen hat pc-sofort.de daraus ihr individuelles Produkt zusammen. Der Kon- derzeit zu Actebis, CoCreate, Computer 2000, Peafigurator muss dabei eng mit der Fertigungssteuerung cock, Maxdata, Hewlett-Packard und Workstations verzahnt sein. Ein Beispiel: Das Unternehmen KSB 2000 etabliert.7 Am weitesten gehen allerdings Ansätze zur Produktbietet die Möglichkeit, Pumpen im Internet zu konfigurieren und zu bestellen. Die Konfiguration umfasst individualisierung, die tatsächlich auf Einzelfertigung eine vollständige hydraulische Auslegung und die abzielen. Das ist immer dort relevant, wo Kunden SonAuswahl aller konstruktiven Optionen. Dabei wird der dermaße benötigen, wie zum Beispiel in der MöbelbranAnwender nach Fördermedium und Betriebspunkt be- che (etwa bei Einbauküchen) oder auch bei Konfektifragt. Nach der Selektion einer Baureihe wählt er eine on. Kleidung wird hier über das Web bestellt, nachdem Baugröße aus und konfiguriert diese. Sein kundenin- zuvor die Maße des Kunden eingescannt wurden. Bei dividueller Preis wird in einem Fenster ausgewiesen. dem deutschen Maßkonfektionär Dolzer beispielswei-

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se lässt sich der Kunde aus einer Vielzahl von Stoffen und Schnittvarianten sein individuelles Kleidungsstück erstellen. Im Dolzer-Onlineshop werden unter anderem maßgeschneiderte Hemden und Blusen zum Einheitspreis angeboten. Ein Konfigurator leitet den Kunden von der Stoffauswahl über Manschettenform bis hin zur Eingabe seiner Körpermaße (www.dolzershop.de).

Aber auch in der Abwicklungsphase sind elektronische Ergänzungen denkbar. Hier spielt vor allem die elektronische Auftragsverfolgung eine Rolle. Führend ist in diesem Zusammenhang sicherlich der PacketDienstleister United Parcel Service (UPS). UPS hat erst jüngst wieder 200 Millionen Dollar in Bluetoothund Mobilfunktechnik investiert. Kunden und Empfänger können damit noch effizienter via Internet abrufen, wo sich das >Ergänzung von ihnen versandum elektronite beziehungsweische Sekunse erwartete Paket därdienstleisgerade befindet. tungen Der Um diesen Service e-business-Prozu verbessern, duktmanager setzt der Pakethat noch ein dienstleister weltweiteres Werkweit auf Bluetooth zeug zur Hand: Produkte Über eine drahtlose Internet-Verbindung kann im und „Wifi-basierende“ Gemit niedrigem E-Share räte (das Kürzel steht für Audi A8 jederzeit die Software (beispielsweise können im Internet durch „Wireless Fidelity“), mit dezum Motormanagement) aktualisiert werden. Im Sekundärdienstleistunren Hilfe sich die entspreFalle einer Panne ist den Audi-Mechanikern die gen im Web ergänzt chenden Daten schneller Online-Ferndiagnose möglich. werden. Das ist in ganz zur Verfügung stellen lasPhoto: Rafael Prust (stock.xchng) unterschiedlichen Phasen. So sollen unter andesen denkbar. Beispielsweise während der Kunde sich rem Paketsortierer mit Bluetooth-Scannern ausgestatnoch in der Evaluationsphase befindet. Produktdemos tet werden, die sie am Mittelfinger tragen. Sie senden und gut navigierbare Produktkataloge im Web, genau- die Daten gemäß WLAN- Standard 802.11b an kleine so wie Konfigurationssysteme und „Frequently Asked „Wifi-Geräte“, die am Gürtel der Mitarbeiter befestigt Questions“ (FAQ) machen es dem Kunden leichter, sind. Von dort werden die Daten an das UPS-Netz sein Wunsch-Produkt zu identifizieren. Ein Beispiel weitergeleitet und sind dann im Internet verfügbar. für einen hervorragend ausgeführten Online-Katalog Auch die Auslieferungsfahrer werden entsprechend ist der Shop des Werkzeugherstellers Stehle, der sich mit „Wireless-Technik“ ausgestattet. Sie erhalten ein speziell an das Handwerk und den Fachhandel rich- neues Gerät, das ebenfalls drahtlos den Status der tet (www.stehle-int.com). Der elektronische Katalog Paketauslieferung kommunizieren kann.8 Selbst in der Nutzungsphase, wenn der eigentliche mit detaillierten Informationen zu Sägeblättern, Messerköpfen, Fräsern, CNC-Werkzeugen etc. bietet ver- Produktkauf mithin schon abgeschlossen ist, bieten schiedenste Suchmöglichkeiten und Produktdetails. sich noch zahlreiche elektronische ErgänzungsmögDurch Farbcodes und eindeutige Piktogramme wer- lichkeiten. Computer Based Training, virtuelle Geden die Interessenten zu den von ihnen gewünschten meinschaften, E-Mail-Beschwerde-Center, FerndiagWerkzeug-Gruppen geführt. Zu Beginn eines jeden nosen, Updates, Ersatzteil- und Zubehörverkauf sind Kapitels bzw. einer jeden Werkzeug-Gruppe steht der Schlagworte, die in diesem Zusammenhang diskutiert so genannte „Produktfinder“ zur Verfügung, der eine werden. Zusammen mit IBM hat beispielsweise Audi gezielte Werkzeugauswahl ermöglicht. Das Ablegen einen robusten und sicheren Internet-Zugang für seider ausgewählten Artikel in einen Warenkorb und die ne Premium-Autos vorgestellt. In dieser Form bisher Möglichkeit der anschließenden Online-Bestellung einmalig ist die fahrzeuginterne Kommunikation von Komponenten über ein optisches Bussystem mit dem sind ebenfalls Bestandteil des Internet-Auftritts.

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Internet-Protokoll TCP/IP. Erstmalig im automobilen Umfeld wird für die Kommunikation aus dem Fahrzeug heraus zunächst ein virtuelles, privates Netzwerk, eine Art Intranet, zwischen dem Fahrzeug und dem Audi-Portal aufgebaut. Der Fahrer erhält damit Zugriff auf zahlreiche Internet-Dienste. Zum Aufbau einer Kommunikation müssen sich beide Seiten erfolgreich gegenseitig identifizieren. Ein Highlight dieser automobilen Online-Lösung ist die Möglichkeit, die im Automobil arbeitende Software (beispielsweise zur Motorsteuerung) über das Internet automatisch zu aktualisieren. Notwendige Updates erfolgen drahtlos über Funk. Entscheidender Vorteil dieser Lösung: Die kurzen Innovationszyklen unterworfene Software passt sich so während der üblicherweise sehr viel längeren Lebensdauer des Fahrzeugs kontinuierlich dem neuesten Stand der Technik an. Mit dieser Verfahrensweise sind auch die Service-Dienste für den Kunden dynamisch weiter entwickelbar, ohne dass eine Änderung an der Hardware notwendig wird. Darüber hinaus ist die Anwendung so ausgelegt, dass es zukünftig möglich sein wird, Ferndiagnosen im Schadensfall zu stellen und eventuell sogar so genannte „Remote-Reparaturen“ per Software durchzuführen. Neu ist außerdem der Einsatz eines HTTP-Servers als Teil des Fahrzeug-Netzwerks. Er bietet die Möglichkeit,

Für den Online-Produktmanager ist die Gestaltung des Markenimage wichtig. Große InternetMarken sind auch bereits bei Wettbewerben mit ihren traditionellen Konkurrenten um die erfolgreichsten Marken ganz vorne.

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mit Standard-Internet-Browsern auf technische Daten im Fahrzeug zuzugreifen – eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Diagnose-Applikationen. Der Monteur wird in Zukunft mithin drahtlos mit seinem Laptop durch die Technik des Fahrzeugs navigieren.9 Neben den Kostensenkungspotenzialen die solche elektronischen Sekundärleistungen bergen (UPS spart beispielsweise durch die Internet-basierte Möglichkeit der Paketverfolgung im Vergleich zu Verfolgung über Telefon 1,7 Millionen US $ im Jahr) führen sie auch zu erhöhtem Kundennutzen und damit zur Steigerung der Kundenbindung. >Gestaltung des Markenimage Mehr als in der traditionellen Offline-Welt muss der Internet-Anbieter zur Marke werden. Gerade auch hieran wird der Produktmanager arbeiten müssen. Die Online-Kunden empfinden auf der einen Seite Unsicherheiten aufgrund der räumlichen Trennung vom Anbieter und auf der anderen Seite nicht zuletzt auch aufgrund der Anbieter-Vielfalt im Netz. Marken, denen der Kunde vertraut, erleichtern ihm in dieser Situation die Kaufentscheidung. Dabei spielt, insbesondere für neue Kunden, die Website-Gestaltung eine große Rolle. Hier wird Vertrauen z. B. durch „Response“-Möglichkeiten aufgebaut. Der Kunde sollte in jedem Fall den Anbieter

Dem Teddybären-Hersteller Steiff ist es gelungen, seine Marke ins Web zu transferieren. Die Händler (Galerien) sind integriert. Der Kunde bestellt bei einer Galerie seiner Wahl und bekommt die Ware in der Regel ein bis zwei Tage nach Bestelleingang. Als zusätzliches interaktives Element dient die Mitgliedschaft im Steiff-Club, der derzeit über 50.000 Mitglieder zählt. Für sie ist ein Teil des Web-Auftritts exklusiv reserviert.

unkompliziert per Mail erreichen und den dazu notwendigen „Mail-to-Button“ auch problemlos im Web-Auftritt lokalisieren können. Eingehende Anfragen sollten entsprechend schnell – spätestens innerhalb von acht Stunden – beantwortet werden. Die bedienerfreundliche Navigation durch das Web-Angebot baut NutzerUnsicherheiten ab. Gut sichtbare Sicherheitshinweise und Verknüpfung zu Internet-spezifischen Gütesiegeln dienen dem Vertrauensaufbau. Dieser wird auch durch den Einsatz virtueller Gemeinschaften begünstigt. Falls vorhanden muss in jedem Fall die traditionelle Marke ins Web transferiert werden. Kaufhof beispielsweise baut die Marke „Galeria Kaufhof“ gleichermaßen online wie offline aus. Unter www.galeriakaufhof.de sind die einzelnen Filialen stark vertreten. Der Internet-Auftritt dient dabei nicht nur als Vertriebskanal, sondern auch als Marketing-Instrument. Kommunikation, Information, Service und Kundenbindung werden intensiviert. Diese Verzahnung von Onlineund Offline-Aktivitäten stärkt Internet- und stationäres Geschäft.10 Im Wettbewerb um die erfolgreichsten Marken in Deutschland sind aber auch Online-Marken ohne traditionelle Vorgeschichte bereits vorne dabei. 2006 sicherte sich die Internet- Suchmaschine Google in der Kategorie „Stärkste Unternehmensmarke“ den ersten Platz – noch vor der Deutschen Lufthansa und Siemens (Sieger in 2004).11

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Iansiti, Marco u. a.: Developing products of internet time, HARVARD BUSINESS REVIEW , Heft: 10, 1997, S. 108-117 2

W&V Online-Magazin: Studie: Jeder vierte Euro geht bei Online-Auktionen über den Tisch, vom 06.09.2004 3 Aigner, T. Göttert, J.-M., Hagen, J., Jahn, T., Mayerhöfer, A., Stoll, T.: Ebay - Online-Auktionen: Sieben Millionen Deutsche steigern mit - Die neue Kauf-Lust, Capital vom 28.05.2003, Seite 68 4

MARKET WEBMAGAZIN: Amazon eröffnet individualisierte Kunden-Shops, vom 18.09.2002 5

Jahnke, K.: STUDIE: Deutsche sind loyale Online-Shopper, Amazon hat treueste Nutzer, HORIZONT 12 vom 21.03.2002, Seite 43 6

Pumpen im Internet konfigurieren, Process Magazin für

Chemie- und Pharmatechnik, Nr. 04 vom 31.03.2003, Seite 48 7 Elekronisch Einkaufen ist die Zukunft, CAD-Arbeitsplätze via Internet-Shop konfigurieren und bestellen, INDUSTRIE SERVICE, Verlag für Technik und Wirtschaft, Heft 12, Mainz 2000, S. 62 8 200-Millionen-Dollar-Projekt, UPS investiert in WirelessTechnik, Computerwoche, 09.07.2004, Nr. 28, S. 29 9 Internet im Auto. Stabiler, sicherer und leistungsfähiger Zugang, Markt und Technik, Heft 37/2001, S. 52 10

Kaufhof baut seine Marke im Internet aus, ACQUISA, Heft 12/2001, S. 51

11

Erfolgreichste Marken Deutschlands, „best brands“Award für Tchibo, Motorola, Google und UBS, medien aktuell vom 13.02.2006, S. 12

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Elektronische Kataloge

Mit der einfachen Übertragung eines Print-Kataloges ins Web ist es meist nicht getan.

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n der Evaluationsphase, mithin dann, wenn der Kunde noch auf der Suche nach der für ihn passenden Ware ist, sind Kataloge im Web eine Ergänzung des Produkts in Form einer elektronischen Sekundärdienstleistung. Sie sind damit auch Teil der Produktpolitik und bilden den wichtigsten Kommunikationskanal zwischen Hersteller und Käufer. Der elektronische Katalog stellt die Inhalte so zur Verfügung, dass der Nutzer sie effektiv durchsuchen, sofort verstehen und problemlos für Bestellungen verwenden kann. Es handelt sich bei solchen Katalogen um elektronische Dateien, in denen Produkt- und Dienstleistungsbeschreibungen an Kunden, Interessenten und Käuferunternehmen vermittelt werden. Es können ein paar wenige Produkte bis hin zu mehreren Millionen aufgenommen werden. Der Möbeltechnik-Hersteller Hettich hat seinen CD-Rom-Katalog für Händler, Handwerk und Endverbraucher mit 4.500 Produkten ins Internet gestellt

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(www.hettich.com). Dieses Projekt sollte aber bewusst über die in den 1990-er Jahren noch übliche Vorgehensweise hinausgehen, der zufolge konventionelle auf Papier gedruckte Kataloge ohne größere Anpassungen in eine elektronische Form gebracht wurden.1 Aber erst durch weitergehende Funktionen wird ein Online-Katalog auch tatsächlich zur ergänzenden elektronischen Sekundärdienstleistung und damit zum Instrument der Kundenbindung. Das Internet ist ein interaktives und ubiquitäres Medium, welches eine multimediale Darstellung von Produkten, sowie die Anbindung einer Fülle zusätzlicher Produktinformationen ermöglicht. Solche Informationen sind beispielsweise Käuferkommentare und -bewertungen, Diskussionsforen oder Käufergemeinschaften.2 Die Anforderungen von Seiten des Fertigungsunternehmens Hettich an die Internet-Lösung waren demzufolge auch vielfältig: So sollten die Katalogdaten der vorhandenen CD-ROM-Lösung einbezogen werden und zusätzlich

umfangreiche Produktinformationen wie zum Beispiel Zubehör, Ausführung, Bohrbilder etc. angelegt werden. Die Möglichkeit solche zusätzlichen Dateien (oder genauer: Referenzen zu zusätzlichen Dateien) anlegen zu können, sind eine prinzipielle Anforderung an die Katalog-Software, die auf jeden Fall erfüllt sein sollte. Hier können sich dann weiterführende Informationen zu den Produkten und Dienstleistungen in Form von PDF-Dateien befinden. Es könnten aber auch beispielsweise digitalisierte Videos sein, in denen z. B. Montageanweisungen gezeigt werden. Bei Hettich sollte der Katalog zudem mehrsprachig sein. Es gibt ihn auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Auch benutzer-spezifische Preise sind realisiert. Dazu wählte der Möbeltechnikhersteller die e-Business-Produktsuite von Myview aus. Diese ist so aufgebaut, dass die Informationsstrukturierung und Verwaltung für alle Anwendungen über ein Grundmodul realisiert werden; für den Aufbau kleinerer Anwendungen steht damit bereits eine Minimalkonfiguration bereit. Der weitere Ausbau der Anwendungen erfolgt je nach Einsatzbereich des Systems über die anwendungs-spezifischen Lösungsmodule wie „Catalogue“, „Shop“ oder „Project“. Für die Möbel verarbeitende Industrie hat sich der Einsatz des Zusatzmoduls „Catalogue“ bewährt. Dieser Industriezweig muss oftmals weltweit den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Zu ihnen zählen die Möbelindustrie,

der das Handwerk bedienende Fachhandel sowie die „Do-it-yourself-Branche“. Der Internet-Katalog ist bei Hettich direkt mit dem Warenwirtschaftssystem SAP R/3 verbunden. Jeder Internet-Besucher kann über einen einfachen Gastzugang Anfragen starten, Produkte suchen und bestellen. Eine solche Bestellung wird dann an einen Handelspartner in der Nähe des Kunden weitergeleitet. Handelspartner erhalten neben allen Informationen auch eine Preisliste, können den Warenkorb füllen und erhalten die richtigen Lieferpreise sämtlicher Stellgrössen und eine detaillierte Lagerbestandsauskunft. Die Preiskalkulation erfolgt über das angebundene SAP R/3. Tischler, Schreiner und Innenausbauer werden den Händlern zugeordnet. Diese Verarbeiter erhalten ebenfalls alle Informationen über die Produkte und zusätzlich eine Vorab-Preisliste mit ungefähren Preisen. Ihre Bestellung wird ebenfalls direkt an den Händler weitergeleitet. Der Händler entscheidet über die Preisgestaltung. In Zukunft soll der Handel seine kalkulierten Preise in die Datenbank stellen können. Bereits nach 12-monatigem Projektverlauf waren etliche Kunden an das Online-Bestellwesen angeschlossen. Zusätzlich gibt es im Internet mittlerweile einen „Do-it-yourself-Bereich“ für Verbraucher. Damit erfährt zum Beispiel der Heimwerker nach Eingabe der eigenen Postleitzahl, welche Baumärkte in der Nähe Hettich-Produkte führen. Zusätzlich kann der Ratsuchende sein Problem schildern und über das

Der elektronische Produktkatalog bei Hettich geht weit über einen PrintKatalog hinaus. Unterschiedliche Zielgruppen, wie Händler, Handwerker oder Heimwerker, erhalten auch unterschiedliche Informationen einschließlich individueller Preisangaben. Dazu ist das Katalogsystem mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden.

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Internet einsenden – so wird der Online-Katalog zum Instrument der Kundenbindung.3 QUALITÄT UND QUANTITÄT der Informationen in elektronischen Katalogen hängen davon ab, bei welchen E-Commerce-Anwendungen der Katalog eingesetzt werden soll. Bei endverbraucher-orientierten Webshops sind die Produktinformationen werblicher und umfangreicher ausgelegt als im B2B-Bereich. Daher ist es wichtig zu entscheiden, welche Möglichkeiten des elektronischen Handels genutzt werden sollen. Ein typisches Beispiel für einen hochfunktionalen B2B-Katalog ist die Internet-Anwendung des Unternehmens Seebauer Leitungstechnik, das sich und seine Produkte unter www.seebauer-twist.de vorstellt.4 Seit 15 Jahren entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen vorisolierte, flexible Wasser- und Heizungs-Rohrleitungen sowie Zubehör. Die Produktserie Twist besteht aus Rohrleitungen, die endlos von der Rolle erdverlegt werden. Auch ohne Spezialwerkzeuge ist es mit diesen Systemen möglich, lokale Versorgungsnetze für Wärme und Wasser zu errichten. Ein umfassender Online-Katalog gibt Auskünfte zum Produktspektrum, zu Artikelbezeichnungen und Bestellmöglichkeiten von Twist. Im Bereich der Internet-Order

Seebauer betreibt unter www. seebauer-twist.de einen hochfunktionalen elektronischen Katalog im B2B-Bereich. Ein integriertes Online-Ausschreibungssystem erleichtert die Arbeit von Planern und Architekten, die so alle Spezifika der Rohrleitungen sofort in ihre Ausschreibungs- und Planungsunterlagen einfügen können.

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bietet Seebauer Zusatzleistungen wie personalisierte Warenkörbe an. Kunden die einen regelmäßigen Bedarf haben, können hier ihre Parameter eingeben, nach denen Ihnen die Ware geliefert werden soll. Ein weiterer Sektor des Internet-Auftritts beinhaltet die detaillierten Ausschreibungstexte aller Produkte und Zubehörteile. Dieses Online-Ausschreibungssystem erleichtert die Arbeit von Planern und Architekten, die so alle Spezifika der Rohrleitungen sofort in ihre Ausschreibungs- und Planungsunterlagen einfügen können. Vor der Installierung des Internet-Auftrittes trat Seebauer ausschließlich mit einem 36-seitigen Papierkatalog halbjährlich an seine Kunden heran. In einer Auflage von 40.000 Exemplaren entstanden dem Unternehmen Kosten von jährlich 120.000 Euro. Zusätzlich war diese Präsentationsweise nicht geeignet, kurzfristige Aktualisierungen an Produkten und Informationen vorzunehmen. Außerdem erreichte Seebauer mit dem Printkatalog in erster Linie seine bestehenden Kunden, Neukontakte erfolgten weitestgehend durch Empfehlungen. Die Daten des Printkatalogs dienten aber als Ausgangsbasis für den Online-Shop, wobei auch die bisher im Unternehmen verwendete Datenbank und das Warenwirtschaftsystem an die Katalog-Software angebunden wurden.

Der elektronische Katalog für MercedesBenz Gebrauchtfahrzeuge lässt die Kategorisierung nach unterschiedlichen Attributen zu. Produkte können nach Typ, Herkunft, Kraftstoffart, Ausstattungslinie, Lackierung, Erstzulassung, km und Preis sortiert werden.

Verschiedene Quellen bzw. Formate lassen sich so zusammenführen. Planer als auch der Handel sollen mit der Kataloglösung angesprochen werden. Unter den Rubriken News, Firma und Produkte erfahren registrierte Kunden und potentielle neue Handelspartner alle wesentlichen Informationen des Unternehmens. Hierbei wird ein direkter Draht zum Kunden aufgebaut, Online-Kontakt und Bestellvorgang verlaufen nicht anonym. Im Bestellkatalog finden sich alle SeebergerProdukte mit Abbildungen und den entsprechenden Produktdaten. Hat der Besucher seine gewünschten Artikel gefunden, generiert der Katalog aus dem Inhalt der Bestellliste ein Formular, das via E-Mail an Seebauer geleitet wird. Die Gefahr von Fehlbestellungen wird durch die Kopplung von bereitgestellten Bild- und Textdaten erheblich minimiert. Mehrere Features des Online-Kataloges bieten dem Kunden zusätzliche Sicherheit und Übersicht: Jeder Abnehmer errichtet sich nach der Registrierung optional personalisierte Warenkörbe. In ihnen kann er verschiedene Bestellvorgänge oder Aufträge ablegen, über ein Login jederzeit wieder aufrufen und modifizieren. Über die Eingabe der Kundennummer erhält er eine Aufstellung aller für ihn bestehenden Einkaufslisten. Seebauer gewährleistet durch die zügige Auftragsabwicklung via E-Mail einer

Liefersicherheit innerhalb 48 Stunden für jeden Artikel. Durch die Nutzung des preiswerten und aktuellen Mediums kann das Leitungsunternehmen zudem eine 12-monatige Preisgarantie aussprechen. Ein wichtiger Bestandteil des Internet-Auftrittes ist das integrierte Online-Ausschreibungssystem. Dahinter verbergen sich ausführliche Ausschreibungstexte zur Produktpalette, die sich direkt in Planungsunterlagen integrieren lassen. Der Planer hat so alle wichtigen Informationen zu den Leitungssystemen an der Hand und auf seinen Ausschreibungspapieren. An das System ist ein Auswahlvorgang gekoppelt, der die eruierten Rohre und Zubehörteile über Index und Suchformular findet. Aus dem Inhalt der zusammengetragenen Artikelliste entsteht dann ein RTF-Dokument mit den Ausschreibungstexten, das dem Architekten zum Download bereitsteht. Die Kommunikation zwischen Hersteller und Kunde verläuft durch größere Erreichbarkeit und weniger Telefonsupport direkter. Seebauers Detailangaben, Hilfestellungen und Verwendungstipps erleichtern die Geschäftsprozesse mit Baufirmen, Planern und Handwerkern.5 WEITERE WESENTLICHE EIGENSCHAFTEN elektronischer Produktkataloge sind: Die Navigation soll-

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te volltext-basiert und kontext-sensitiv möglich sein. Suchbegriffe sollten mithin nicht nur in den Produktbezeichnungen und Überschriften auffindbar sein, sondern im gesamten Text. Kontext-sensitiv bedeutet, dass auch der semantische Zusammenhang, in dem gesucht wird, Berücksichtigung findet. Sucht ein Kunde beispielsweise im elektronischen Katalog eines Computershops nach Service und einem bestimmten PC-Modell, sollten ihm keine Informationen für den Erwerb eines Neugerätes angezeigt werden. Auch die Suche nach verschiedenen miteinander kombinierbaren Kriterien (Preis, Größe, Farbe etc.) im Katalog ist wichtig. Diese Funktion wird in der Literatur auch als attribut-basiert bezeichnet. Die Attribute, auch Such- oder Stichwörter genannt, sind Informationen über Informationen, d. h. Meta-Beschreibungen. Sie dienen somit als Referenzen und zeigen, dass bestimmte Informationen existieren und wie auf diese zugegriffen werden kann. Beispiel wäre etwa eine Gebrauchtwagenbörse, bei der nach bestimmten Kriterien, Farbe, Baujahr, km-Stand etc. gesucht werden kann.6 Hyperlinks sollten im Katalog umfangreich verwendet und damit die unendliche Tiefe des Internet ausgenutzt werden. Erläuterungen zu allen Fachbegriffen beispielsweise sollten dem Kunden auf diese Art und Weise zugänglich sein. Bei Verlinkung auf externe Seiten ist allerdings Vorsicht geboten. Sie verursachen zum einen sehr hohen Wartungsaufwand, müssen sie doch regelmäßig auf Gültigkeit überprüft werden. Zum anderen ist mit der Verlinkung „nach außen“ immer auch die Gefahr verbunden, den Kunden zu verlieren.

Im Mercedes-Benz Gebrauchtwagen-Katalog ist die Suche nach über 30 miteinander kombinierbaren Kriterien möglich.

Die Kategorisierung über Attribute sollte mit dem Katalogsystem vielfältig möglich sein. Nur so kann eine für den Kunden übersichtliche Produktstruktur realisiert werden. Steht diese Eigenschaft im Vordergrund, wird auch von so genannten konstruierenden elektronischen Produktkatalogen gesprochen. Sie dienen dazu, komplexe Produkte aus mehreren Einzelteilen zusammenzustellen. Beispiele hierfür sind Autos mit Zubehör, Einbauküchen oder Computer-Systeme mit Zubehör.7 Der elektronische Katalog sollte auch Preismaßnahmen, wie Cross- und Up-Selling, Bundles und Packages zulassen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Segev, A. u. a.: Designing Electronic Catalogs for Business Value, CITM Working Paper, CITM-WP-1005, Oktober 1995

4 Zum Thema B2B-Kataloge bietet das Buch von Johannes Hentrich: „B2B-Katalog-management“, Bonn 2001, einen guten Einstieg

2 Vgl hierzu den grundlegenden Artikel von Katarina Stanoevska-Slabeva: : Elektronische Produktkataloge, in: Weiber, R.: Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S.523ff

5 Kunden über den Internetauftritt an sich binden Komplexe Produkte verständlich erklären, Computer @ Produktion, Heft 9, 2000

3

Hettich: Internet-Produktinformationssystem für die Möbelindustrie 4.500 Produkte im Online-Möbelteile-Shop, Computer @ Produktion, Heft 10, 2000

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6

Vgl. Stanoevska-Slabeva, K., a. a. O

7

Vgl. ebenda

Konfigurationssys

teme

im Web

Der PC-Hersteller Dell wurde damit zum Marktführer: Direktvertrieb über das Internet und „On-Demand-Fertigung“ individuell konfigurierter Produkte. Das alles zum Preis von Massenware. Diese so genannte Mass Customization hat aber für Kunden und Anbieter auch Nachteile und führt deshalb nicht immer zum Erfolg.

D

ell ist heute weltweit einer der profitabelsten Computerhersteller. Das Unternehmen wurde am 3. Mai 1984 von Michael Dell gegründet. Firmensitz ist Round Rock, Texas. Aktivitäten: Verkauf von Personalcomputern, Servern und Peripheriegeräten in über 170 Ländern (www.dell.com). Michael Dell brach 1984 sein Medizinstudium ab, lieh sich 1.000 Dollar von seinem Vater und verkündete knapp: „Ich will IBM Konkurrenz machen“. Er gründete sein Unternehmen auf einem simplen Konzept: durch den direkten Verkauf von Computern an Kunden konnte Dell deren Bedürfnisse am schnellsten und effektivsten

erkennen und am effizientesten darauf reagieren. Das „Direct Model“ von Dell war geboren. Es basiert auf vier Kernprinzipien: 1. „Make-to-Order“ – individuelle Konfiguration aller Computersysteme (Hardware und Software), 2. „Speed-to-Market“ – Herstellung und Auslieferung von Computern mit extrem kurzer Vorlaufzeit, 3. Direktverkauf – nur direkter Vertrieb und 4. enge Lieferantenbeziehungen – Umsetzung des Kundenverständnisses im Bereich F&E und gleichzeitig signifikante Reduktion der Lagerhaltung. Dieses innovative Geschäftsmodell machte Dell in den letzten Jahren auch zu einem gefragten Un-

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Kultobjekt Dell-PC: Mit einem jährlichen Umsatz von über 50 Milliarden US-Dollar gehört Dell weltweit zu den größten Herstellern. Das Erfolgsgeheimnis: Kundennähe.

ternehmen an der Wall Street. Aus einem Dollar, den ein Anleger zur Erstnotierung von Dell im Juni 1988 investierte, wären im Jahr 2000 über 485 US-Dollar geworden. Das Leistungsspektrum von Dell für die Kernzielgruppe Großkunden (Unternehmen und Institutionen der öffentlichen Hand) umfasst neben den individuell auf Bestellung gefertigten PCs, direkte und persönliche Beziehungen, einen flexiblen und schnellen Produkt-Service vor Ort beim Kunden sowie viele weitere Dienstleistungen von der technologischen Beratung bis hin zur Umsetzung. Darüber hinaus ist Dell der erste PC-Hersteller, der seinen Kunden die Installation von Anwendungsprogrammen gratis als eine Standard-Service-Option geboten hat (DellPlus). Die Dell Web-Site www.dell.com wird pro Quartal von über 25 Mio. Interessenten besucht, die hier über 50 länderspezifische Sites vorfinden; im Juli 1996 öffnete Dell Store, über das heute täglich Produkte und Services im Wert von mehr als 30 Millionen US-Dollar mit stark steigender Tendenz, umgesetzt werden. Der Online-Kauf bietet dem Kunden die Möglichkeit, bestellte Systeme noch einmal zu überprüfen, nach eigenen Wünschen zu konfigurieren und durch die Wahl

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der Komponenten den Endpreis anzupassen. Sowohl Standard- als auch proprietäre Software wird vorinstalliert. Die Systeme können für die Kunden individuell etikettiert, nummeriert und sogar für einzelne Angestellte konfiguriert werden. Der Kunde kann die Bestellung von der Herstellung bis zur Lieferung laufend verfolgen. Auf der Web-Site gibt es für Großkunden außerdem individuelle Service-Support-Seiten, über die technische Probleme behoben oder Fragen beantwortet werden. Aber nicht nur der Kunde profitiert vom Internet. Für Dell bietet das Web die effizienteste Form des direkten Vertriebes. Dell verzichtet dabei komplett auf Händler oder andere Wiederverkäufer als Vertriebskanal, da diese aus Sicht von Dell nur zeit- und kostenintensiv sind und als Mittler zwischen Kunde und Hersteller das eigene Verstehen der Kundenwünsche und -bedürfnisse reduzieren. Die Kostenvorteile, die durch den Verzicht auf Händler im Vertrieb realisiert werden, werden an den Kunden weitergegeben. Weitere Kostenvorteile werden durch die drastisch sinkenden Komponentenkosten realisiert. Eine Lagerreichweite von nur sechs Tagen senkt nicht nur die Lager- und Logistikkosten erheblich, sondern erlaubt außerdem die Weitergabe der im Komponenteneinkauf erzielten Einsparungen an die Kunden bei branchenführender Rentabilität. Die Computersysteme bieten aufgrund der kurzen Lagerhaltung darüber hinaus immer die neueste Technologie. Der zentrale Erfolgsfaktor von Dell ist die kundenorientierte Gestaltung aller Leistungsprozesse, von F&E bis zum „Customer Care“. Bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten (F&E) gemeinsam mit marktführenden Lieferanten nutzt die bei Dell vorhandene Kenntnis der Kundenwünsche. Die Anbindung der Lieferanten an das Unternehmensnetz erlaubt effek-

Die vier Kernprinzipien von Dell: „Make-to-Order“, „Speed-to-Market“, Direktverkauf und enge Lieferantenbeziehungen. tive Just-in-Time-Lieferungen und geringstmögliche Lagerhaltung. Die interaktive Einbindung des Kunden in den Prozess der Leistungserstellung zur individuellen Konfiguration der Systeme („Make-to-Order“) verschafft Marktnähe und senkt die Lagerhaltungskosten. Dabei werden Bestellungen innerhalb von Minuten in den Produktionsprozess eingegeben und verlassen innerhalb von vier Stunden die Fabrik. Dazu sind die

meisten Lieferanten mittlerweile in unmittelbarer Nähe angesiedelt (20 Minuten) und können daher auch Justin-Time direkt in die Montagehalle liefern. Für über 50 Kernabsatzländer gibt es eigene Websites in Landessprache, die an die lokalen Verhältnisse – z. B. in Form der Währung und der Preise – angepasst sind. Durch abgestufte Benutzerführung und vorkonfigurierte Produkte ist die Bestellung über das Netz für den Endkunden besonders einfach, übersichtlich und schnell. Es gibt aber auch individuelle Großkunden-Sites mit unternehmens-spezifischem Angebot. Die Lieferung des fertig konfigurierten Produktes erfolgt dabei in jedem Fall direkt zum Endkunden. Auf Wunsch wird bereits am nächsten Arbeitstag ausgeliefert. Der Direktvertrieb ermöglicht den persönlichen Kundenkontakt (Großkunden) und die genaue Erfassung der Kundenwünsche und -bedürfnisse. Was den After-Sales-Service angeht, haben die Kunden direkten Zugriff auf das Call Center. Für Großkunden gibt es darüber hinaus auch individuell geschneiderte Websites als Online-Forum für alle Wünsche, Anregungen, Probleme oder zum „OrderTracking“. Die Erreichbarkeit ist dabei in hohem Maße gegeben: Online-verfügbar sind ca. tausend Seiten technischer Support-Dokumente, aber auch auf die 24 Stunden geschaltete, gebührenfreie Telefon-ServiceNummer für Kunden kann zurückgegriffen werden. Das Beispiel Dell zeigt eindrucksvoll, dass ein Unternehmen durch konsequente Kundenorientierung in den in sich abgeschlossenen Geschäftsprozessen selbst in einem höchst wettbewerbsintensiven Umfeld und in einem dynamischen Markt ohne „realWorld“Vertriebspartner erfolgreich sein kann. Das „virtuelle Unternehmen“ nimmt im Fall Dell Gestalt an. Der Computerhandel wird in Zukunft noch stärker unter Druck geraten. Das Marktpotenzial für den Online-Ver-

Für Dell bietet das Web die effizienteste Form des direkten Vertriebes. trieb von Computern und damit verbundenen Dienstleistungen könnten auch Wettbewerber zu erobern suchen, da unabhängig vom Hersteller PCs heute aufgrund der Standards von Intel und Microsoft qualitativ recht einheitlich und weniger erklärungsbedürftig denn je sind. Tatsächlich sieht sich Dell schon heute mit Online-Konkurrenz konfrontiert. Dell besitzt jedoch nicht nur einen jahrelangen Erfahrungsvorsprung im

Mass Customization unterscheidet sich grundsätzlich von der herkömmlichen Massenproduktion. Liegt traditionell in der Fertigung der Fokus stark auf der optimalen Kapazitätsauslastung, so steht in der Mass Customization die „on-demand“ zu fertigende individuelle Kundenanfrage im Vordergrund. e-business-Prozessdesign und in der individualisierten Gestaltung von Angeboten, sondern auch einen enormen Wissensvorsprung zu umsatzgenerierendem 1-to-1 Marketing. Konsequente Nutzung und Ausbau dieser Vorsprünge dürfte bei Aufrechterhaltung wettbewerbsfähiger Kosten die Verteidigung einer führenden Marktposition auch in der schnelllebigen „eWorld“ auf längere Zeit ermöglichen.1 DAS GESCHÄFTSMODELL von Dell wird auch als Mass Customization oder zu deutsch als kundenindividuelle Massenproduktion bezeichnet. Ziel ist dabei die Produktion von Gütern und Leistungen für einen relativ großen Absatzmarkt, welche jedoch die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers treffen (Differenzierungsoption). Und das zu Kosten, die ungefähr denen einer massenhaften Fertigung eines zugrunde liegenden Standardprodukts entsprechen (Kostenoption).2 Differenzierungsoption: Kunden konfigurieren ein Produkt oder eine Dienstleistung im Internet und erhalten dafür eine besser auf sie zugeschnittene Ware. Die Idee so etwas anzubieten, basiert auf der Kon-

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Der im Internet konfigurierte Maßschuh zum günstigen Preis war zwar eine gute Idee aber trotzdem ein Flop. Die Informationsflüsse waren nicht zufrieden stellend gelöst. So dauerte es zu lang bis zur Auslieferung und die Qualität der Schuhe war zu schlecht.

sumtheorie von Lancaster. Nach dieser Theorie richten sich die Präferenzen eines Nachfragers nicht auf ein Produkt als solches, sondern auf Kombinationen von Eigenschaften, die in den nachgefragten Gütern verkörpert sind.3 Im Rahmen der Mass Customization sind Produkteigenschaften entsprechend der Präferenzstruktur der Kunden frei wählbar. Daraus folgt für den Kunden: Ein kundenindividuell gefertigtes Massenprodukt mit erhöhter Attraktivität für den Kunden. Solchermaßen optimal bedient ist der Abnehmer sogar geneigt, Aufschläge zu zahlen, was dem Anbieter einen Ausbruch aus dem reinen Preiswettbewerb ermöglicht. Ist die Präferenzstruktur des Kunden bekannt, können beim Wiederholungskauf Produkte und Leistungen bereitgestellt werden, die noch genauer die Wünsche des Kunden treffen („Learning Relationships“). Darüber hinaus können neuen Kunden individuelle Produktvariationen vorgeschlagen werden, die Abnehmer mit ähnlichem Profil in der Vergangenheit erworben haben (Profiling). Auf Basis der Kunden-

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präferenzen können über die Häufigkeit individueller Kombinationen marktkonforme neue Produkte oder Produktvariationen entworfen werden. Kostenoption: Sinkende Kosten ergeben sich einmal durch den möglichen Abbau von Fertigwarenbeständen. Außerdem können Sonderaktionen vermieden werden, um überzählige Güter in falschen, nicht marktkonformen Varianten abzusetzen. Die verbesserte Planungssituation ist ein weiteres, Kosten senkendes Element, denn es muss keine Produktion mehr auf Verdacht erfolgen. Planungskomplexität und -risiko sind reduziert. Wie das Beispiel Dell eindrucksvoll zeigt, intensiviert sich die Kundenbindung und der Aufwand der Kundengewinnung sinkt dementsprechend. Auf der anderen Seite steigen die Kosten durch die hohe Anzahl an Teilen in der Produktion. Zu erhöhten Kosten führen außerdem die kleinen Losgrößen, die instabile, häufig wechselnde Produktionsprozesse zur Folge haben. Die Mass Customization führt damit zu einem großen Individualanteil in der Fertigung. Größ-

Maßkonfektion konnte bisher online nur selten erfolgreich verkauft werden. Der zusätzliche Nutzen (Maßanzug zum Preis von Massenware) wird durch Nachteile offensichtlich aufgewogen.

Photo: graphiteBP (stock.xchng)

tes Problem dabei: Einschränkungen im Rahmen der nutzbaren Maschinenkapazitäten. Normalerweise werden im Rahmen der Massenproduktion ca. 80% der technischen Kapazität genutzt. Dieser Wert kann selbst im optimalen Fall nicht 100% betragen, denn Abschaltungen für Wartungen und Reparaturen und Zeiten für Ausschuss müssen in jedem Fall berücksichtigt werden. Aufgrund der kleinen Losgrößen bei der Mass Customization müssen die Maschinen in der Produktion jetzt jedoch wesentlich öfter runter- und wieder hochgefahren werden, weil häufig umgerüstet werden muss. Die Maschinenauslastung sinkt damit dramatisch auf Werte bis zu 10%, was zu deutlich erhöhten Fertigungskosten führt. Der größte Kostenfaktor aber besteht darin, dass es zu einem starken Anstieg der Informations- und Kommunikationsintensität im Vergleich zur Massenfertigung kommt. „Custom Foot Inc., ein erst 1995 gegründetes, innovatives Unternehmen aus Westport in den USA, hatte die Lösung gefunden: ‚Custom-made Italian shoes.

Delivered in about three weeks. At off the shelf prices.‘ Custom Foot lieferte individuell passende Schuhe, sowohl hinsichtlich der Maße als auch des Designs, zum Preis herkömmlicher massengefertigter Markenschuhe von der Stange. Die Firma galt als eines der besten Beispiele für die konsequente Umsetzung des Mass-Customization-Gedankens. Der Schuhhersteller wollte den Traum vieler frustrierter Schuhkäufer wahr machen und maßgeschneiderte Schuhe zum Preis von herkömmlichen Schuhen aus dem Regal anbieten. Das Konzept wurde von den Kunden begeistert aufgenommen und schien der Prototyp der kundenindividuellen Massenproduktion zu sein. Vor einiger Zeit wurde aber zunächst der Betrieb eingestellt. Warum versagte das so perfekte System? Neben den üblichen Management-Problemen, denen sich kleine innovative Unternehmen gegenübersehen, lag die Ursache vor allem in einer inkonsequenten Gestaltung der gesamten Mass-Customization-Wertkette. Das Unternehmen hatte ein perfektes System

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zur Erhebung der Kunden-Information (Fußscanner etc.) und zur Umrechnung der Kundendaten in SchuhInformationen. Auch für den Aufbau von „Learning Relationship“, also dem Aufbau andauernder Kundenbeziehungen, gab es viele Potentiale. Die Fertigung der Schuhe vollzog sich allerdings auf traditionellem Wege in halbautomatisierter Handarbeit bei mehreren italienischen Lohnfertigern (wie in der Schuhindustrie üblich). Hier waren nicht die Maßnahmen sichergestellt, die eine maßgenaue individuelle Fertigung garantieren konnten - die Folge waren viele schlecht passende Schuhe. Auch waren die Betriebe nicht auf einen schnellen Auftragsdurchlauf eingestellt - und die Kunden mussten zu lange auf ihre bestellten Schuhe warten. Auch die Informationsschnittstelle zwischen dem amerikanischen Anbieter und den italienischen Lohnfertigern schien nur mehr schlecht als recht zu funktionieren.“4 Damit basiert die Mass Customization vor allem auf der Gestaltung der Informationsflüsse. Blattberg und Glazer bemerkten dazu schon 1994: „Being truly customer focused is not possible if the organization is not, first, information intensive.“5 Grundsätzlich ist dies überhaupt nur mit einem überall verfügbaren Medium wie dem Internet realisierbar. Durch die zentrale Rolle der Information kommt dem Übertragungsmedium bei der Mass Customization eine hohe Bedeutung zu. Neben der Anbindung von Lieferanten, der Fertigung und der Produktion ist es in erster Linie die Effizienz bei der Erhebung und der Verarbeitung der individuellen Wünsche des Kunden, die den direkten Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager in Massenmärkten erst ermöglichen. Deshalb ist die Mass Customization prinzipiell eine ideale Anwendung des e-business.6 Geradezu vorbildlich bezüglich der Gestaltung der Informationsflüsse ist folgendes Mass-Customization-Projekt: „Ein Ansatz zum drei-dimensionalen Ganzkörper-Scannen wurde vom Kaiserslauterner Forschungsinstitut Tecmath zusammen mit etlichen Industriepartnern entwickelt. Mittelpunkt des Ansatzes ist das 3D-Maßsystem TOPAS, das innerhalb von einer Sekunde 128.000 Messpunkte am Körper erfassen und vermessen kann. Die Transformation der Scanner-Daten in CAD-Daten wird durch das von Tecmath entwickelte 3D-CAD-Menschmodell RAMSIS vollzogen. Dieses ursprünglich für die Automobilindustrie entworfene Modell wurde zusammen mit dem Bekleidungsphysiologischen Institut Hohenstein derart modifiziert, dass die Scanner-Daten (die ja den menschlichen Körper samt aller „Runzeln“, Falten, Haltungsformen etc. widerspiegeln) in Schnittmaße umgewandelt werden, welche die Fertigung von Kleidung mit hoher Passformsicherheit zulassen. Als erster Herrenbekleidungshersteller hat die Bernhardt GmbH & Co. KG zusammen mit Tecmath den beschriebenen

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Ansatz umgesetzt. Unter dem Namen „High-Tech Perfektion“ wird qualitativ hochwertige Maßkonfektion für Herren (Anzüge) angeboten. Dieses innovative System verwirklicht einen „echten“ Mass-CustomizationAnsatz in der Bekleidungsindustrie. In einem Maßcenter werden die Kunden berührungslos innerhalb weniger Sekunden ausgemessen, die Körperdaten automatisch errechnet und für eine Bestellung aufbereitet. Der Kunde hat dabei die Auswahl aus mehr als 1.000 Oberstoffen und etlichen Grundschnitten des Anzugs. Die Lieferzeit beträgt etwa drei Wochen, der Preis entspricht herkömmlicher Konfektionsware. Produktionstechnisch basiert das Konzept auf der GERBERsuite von Gerber Garmet, ein modular aufgebautes Software- und Fertigungssystem, das sämtliche Fertigungsschritte der (individuellen) Textilherstellung – vom Maßnehmen über individuellen Zuschnitt bis hin zum Nähen – plant und ausführt. Das Besondere von Mplus liegt in der Symbiose modernster Computertechnologie mit traditioneller Handwerkskunst - berührungslose Körpervermessung verbunden mit der industriellen Produktion einer deutschen Manufaktur garantieren eine unübertroffene Qualität zu den Kosten herkömmlicher Ware.“7 Bezüglich der Informationsflüsse lässt sich hier zumindest auf den ersten Blick nichts mehr optimieren. Dennoch ist das Projekt damit nicht automatisch ein Erfolg. Zu prüfen ist, ob der Kunde den Zusatznutzen durch den erweiterten E-Share des Basisprodukts auch als solchen akzeptiert. Schließlich ist Konfektion nicht für den Internet-Verkauf prädestiniert. Anzüge wollen normalerweise in einer dafür geeigneten Umgebung ausgesucht und anprobiert werden. Auch die Beratung eines erfahrenen Verkäufers ist oft für die Kaufentscheidung nicht unerheblich. Der Kunde hat jetzt aber den Nutzen des im Vergleich zur konventionellen Maßkonfektion niedrigen Preises und des bequemen Bestellens rund um die Uhr. Auch muss er jetzt nicht mehr für jeden Anzug ins Fachgeschäft, sondern kann bei Bedarf von überall her bestellen. Diese Vor- und Nachteile aus Kundensicht müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Um diesen Prozess etwas strukturierter angehen zu können, gibt es eine Systematisierung von Mass-Customization-Ansätzen. Zwei Grundgrößen werden dabei zur Einordnung der Projekte in eine Matrix verwendet:8 Die Interaktion zwischen Anbieter und Abnehmer und die Digitalisierbarkeit der Leistung. >INTERAKTION Die Integration des Kunden ist ein kontinuierliches Merkmal der kundenspezifischen Leistungserstellung. Gersch interpretiert das Verhältnis Abnehmer zu Anbieter als Kooperation, die beiden Seiten Nutzen bringt aber auch „Inputs“ beider Beteiligten benötigt.9 Davidow spricht in diesem Zusammenhang sogar vom Kunden als Co-Produzenten

oder „Prosumer“.10 Zwischen Anbieter und Nachfrager besteht allerdings eine asymmetrische Informationsverteilung, nach Jacob eine typische „Principal-AgentKonstellation“. Damit sind Unsicherheiten seitens des Abnehmers verbunden: Vergleichsprozesse sind unübersichtlicher, Kunden besitzen oft nicht in ausreichendem Maß die Kenntnisse, um das Produkt nach ihren Bedürfnissen konfigurieren zu können.11 Ohne einen Anhaltspunkt zur Definition der optimalen Leistung ist beispielsweise nur schwer zu beurteilen, ob ein Garantiefall eingetreten ist. Überhaupt wird der Kunde sich nie so ganz sicher sein, ob er bei seiner Bestellung wirklich alles berücksichtigt hat. Als einfaches Beispiel kann die Konfiguration eines Autos über das Internet dienen. Hier können gerade bei der Fahrzeug-Innenausstattung so viele Merkmale angekreuzt bzw. auch weggelassen werden, dass sich automatisch ein ungutes Gefühl einstellt. Auch sind die grafischen Darstellungen der gewählten Konfiguration aufgrund der eingeschränkten Bandbreite der Datenübertragung über das Internet nie wirklich zufrieden stellend. Auf diese Art und Weise wird immer nur ein grober Eindruck der ausgewählten Innenausstattung vermittelt (Beispielsweise Farbe der Sitze). Die damit verbundene Unsicherheit verlässt den Kunden eigentlich erst wieder, wenn er zum ersten Mal in sein selbstkonfiguriertes Auto physisch einsteigt und feststellt, dass er nichts Wesentliches vermisst und sich einigermaßen wohl

fühlt. Solche Unsicherheiten sind auch im traditionellen Bestellprozess vorhanden. Hier ist es allerdings dann Sache des Verkäufers, seinem Kunden darüber hinweg zu helfen. Im Internet-Shop dagegen müssen diese Unsicherheiten als zusätzlicher Aufwand des Kunden interpretiert werden. Diesen Aufwand muss der Online-Anbieter möglichst gering halten, zumindest geringer als den Nutzen, den der Kunde aus der Mass Customization erfährt. Zur Risikominimierung des Kunden tragen bei: Informationen, Garantien und auch die Reputation des Anbieters. Letztlich wird sich das vom Kunden empfundene Bestellrisiko aber nicht in vollem Umfang mit der Risikominimierung auffangen lassen, so dass in den meisten Fällen Preisvorteile eingeräumt werden müssen. Der Grad der Interaktion ist durch die zu individualisierenden Produkte bzw. Leistungen bestimmt. Er ist gering bei einem Blumenstrauß (800-flowers.com) und maximal bei der Online-Konfiguration eines Fertighauses beispielsweise von Streif (www.streif.de). Verschiedene Einflussfaktoren lassen sich auf den Grad der Kundenintegration unterscheiden: der Preis des Produkts, die Höhe des Risikos eines Fehlkaufs, die Umtauschmöglichkeiten, Lieferzeit und Beurteilungsmöglichkeiten, die Erfahrungen des Abnehmers – etwa ob es sich um einen Wiederholungskauf handelt und wie es um die Vorbildung des Käufers bestellt ist. Daneben bestimmt die Komplexität des Produkts

Soll der Kunde Produkte am PC selbst konfigurieren, kommt es zu Unsicherheiten. Wird z. B. die Auto-Innenausstattung online ausgewählt, werden Veränderungen nur grob angezeigt. Details sieht der Kunde erst, wenn die Ware ausgeliefert wird.

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Grad der Interaktion und Digitalisierbarkeit sind bei einem Blumenstrauß gering. Das Produkt wird überhaupt erst durch ein „Add-on“ für die InternetKonfiguration interessant: Dieses besteht aus einer Erinnerungsfunktion beispielsweise an den Geburtstag.

– der Varietätsgrad und die angebotenen Individualisierungsmöglichkeiten – den Interaktionsgrad. Dieser wird schließlich noch davon bestimmt, wie hoch der Anteil des Konfigurationsvorgangs als Teil der Absatzleistung anzusetzen ist. >DIE DIGITALISIERBARKEIT der Kernleistung beschreibt das Ausmaß, in dem zentrale Nutzen stiftende Funktionen eines Produkts oder einer Dienstleistung digitalisierbar, das heißt rein informationstechnisch abwickelbar sind. In diesem Sinne am besten für die Mass Customization geeignet sind reine Informationsgüter: Sie können im Internet konfiguriert, bestellt und direkt auf den PC herunter geladen und dort verwendet werden. Eine physische Ausprägung, beispielsweise eine Kopie auf CD, ist mithin nicht zwingend notwendig. Sie können über Computer-Netzwerke verschickt und von Computerprozessoren be- und verarbeitet werden. Diese Informationsprodukte werden damit zu digitalen Produkten. Das Geschäft mit ihnen bildet das „Herz des e-business“ da hier relativ leicht und ohne zusätzliche Kosten eine kundenindividuelle Massen-

Soll ein Haus online konfiguriert werden, ist der Grad der Interaktion sehr hoch. Der Kunde wird einige Tage vor dem Bildschirm verbringen und große Unsicherheiten empfinden, ob er auch an alles gedacht hat.

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produktion ermöglicht wird. Bekannte Beispiele sind Online-Ausgaben von Zeitungen. Diese bestehen dann als reines elektronisches Produkt – als Kombination aus E-Mail-Benachrichtigung und benutzerindividueller Website mit den eigentlichen Artikeln. So kann etwa über das Zeitungsportal Welt.de ein individuell konfigurierbarer Gratis-Newsletter abonniert werden. Auch Bild.de, Spiegel.de und Focus.de bieten individuelle elektronische Nachrichten. Daneben existieren reine Online-Zeitungen wie etwa Netzeitung.de (dnnd. de), deren Chefredakteur der ehemalige „Stern“-Chef Michael Maier ist. Im Angebot hat er aktuelle Informationen und Analysen zu Brennpunktthemen. Eine Personalisierungsfunktion, genannt „myNZ“, erlaubt es, bis zu zehn Ressorts zu wählen, die beim Anklicken der Titelseite automatisch erscheinen. Darüber hinaus lässt sich einstellen, ob vollständige Texte, Hintergrundberichte oder nur Überschriften auf den Monitor kommen sollen. Die Netzeitung gehört inzwischen zur Gruppe Lycos Europe (Lycos, Comundo, Tripod, Spray.net, Angelfire, Fireball und Paperball). Ande-

re Projekte können nicht auf solchermaßen großen Rückhalt bauen. So ist beispielsweise Alphanews.de eine bloße Schlagzeilensammlung mit Links zu den Quellen. Man hat sich auf das Medium E-Mail spezialisiert. Viele Leser kommen morgens ins Büro und checken zunächst bei einer Tasse Kaffee ihre Mailbox. Dort finden sie ihre E-Mail-Tageszeitung ,Alphanews‘ mit einem Überblick über die wichtigsten Meldungen des Tages – kostenlos, weil Werbung die Einnahmen generiert.12 Fast 13.000 Menschen nutzen das Angebot. Darunter sind Auslandsdeutsche aus Kanada, Namibia und Australien. Ungewöhnlichster Kunde ist die via Satellit angebundene deutsche Marinefregatte Brandenburg, deren Besatzung auch auf den Weltmeeren durch Alphanews erfährt, was passiert. Der Wandel des Massenguts Encyclopaedia Britannica zum typischen Internet-Dienst Britannica-Online ist ein weiteres Beispiel. Die Benutzer zahlen für einen Artikel einmalig eine Gebühr. Für alle Zukunft werden zum Stichwort stets aktualisierte Informationen bereitgestellt, so dass der Kunde schließlich ein persönli-

Bei den so genannten E-Service Innovations sind Interaktionsgrad und Digitalisierbarkeit hoch. Meist werden hierbei Informationsgüter in Form komplexer Beratungs- und Informationsleistungen angeboten, wie beispielsweise durch Online Health Center, die den Fitness-Trainer ersetzen. Jeden Tag wird ein individueller Fitnessplan erstellt. Vom Anwender ist eine tägliche Rückmeldung erforderlich (hoher Interaktionsgrad).

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Werden Digitalisierbarkeit und Grad der Interaktion als Achsen gewählt, lässt sich die Mass Customization in einer Vier-Quadranten-Darstellung systematisieren.

ches, niemals veraltendes Lexikon auf einer für ihn reservierten Website vorfindet. In einer Systematisierungsmatrix lassen sich aus der Digitalisierbarkeit und dem Grad der Interaktion vier Felder mit jeweils verschiedenen Ansprüchen an die Mass Customization abgrenzen. Das „Addon“ (Feld 1) ist durch geringe Digitalisierbarkeit und keine ausgeprägte Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager beschrieben. In diese Gruppe fällt die Individualisierung vieler klassischer Dienstleistungen. Die eigentliche Kernleistung eines Online-Floristen beispielsweise ist nicht digitalisierbar. Er differenziert sich aber vom stationären Floristen durch individuelle Online-Services wie Erinnerungsdienste, Adresssuche und Geburtstagskalender. Dem Kunden wird damit nicht nur die Peinlichkeit des vergessenen Hochzeitstages erspart, sondern auch ein Anreiz zur Wiederkehr geboten. Damit erhöht sich die Kundenbindung. Im Feld 2 („Attract attention“) ist weitgehende Digitalisierbarkeit der Leistungserstellung bei geringem Interaktionsgrad zwischen Abnehmer und Anbie-

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ter gegeben. Hierzu gehören Informationsprodukte im weitesten Sinne. Mass Customization kann in diesem Bereich als Ökonomie der Aufmerksamkeit gesehen werden: Informationen sind im Internet keine knappe Ressource mehr. Knapp dagegen ist die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden. Klassisch muss hier die Aufmerksamkeit der Kunden durch Werbemaßnahmen erhöht werden. Mass Customization ergänzt diese durch einen zusätzlichen Kundennutzen. Ein gutes Beispiel sind Internet-Radiostationen, die nur Musik der präferierten Interpreten und Stilrichtungen bringen. Die hohe Digitalisierbarkeit ermöglicht das kostenlose Anbieten der Individualisierung. Das Ziel ist dabei nicht der Verkauf der individualisierten Leistung. Es geht vielmehr um den Aufbau von „Learning Relationships“ und die Gewinnung von Informationen über die einzelnen Kunden. Hierüber wird der Absatz anderer standardisierter Produkte – beispielsweise kommen hier Musik-CDs in Frage – angebahnt. Im Feld Nr. 3 („Configuration“) ist die Digitalisierbarkeit gering. Gleichzeitig liegt eine intensive Inter-

aktion zwischen Anbieter und Nachfrager vor. Der Bekleidungsbereich gehört hierher, wo ein intensives Maßnehmen erforderlich ist. Auch bei hochpreisigen oder komplexen Waren, wie beispielsweise beim Design maßgeschneiderter Fertighäuser, ist ein hoher Interaktionsgrad nötig. Hier besitzen die Abnehmer oft nicht das notwendige Know-how, eine Konfiguration durchgängig zu definieren. Zum anderen muss frühzeitig Vertrauen aufgebaut werden, um aus Sicht des Kunden das Kaufrisiko zu reduzieren. Möglich wäre es hier, menschliche Berater per „Help-Button“ zuzuschalten. Die Option auf Rückruf sollte eingebaut sein und vielleicht ein Online-Chatroom angebunden werden. Im Vergleich zur reinen Offline-Beratung besitzt die Online-Offline-Kombination Effizienzvorteile, da viele Informationen schon vorliegen. Zusätzlich muss aber immer auch eine entsprechende Preispolitik den selbstkonfigurierenden Kunden belohnen. Bei einem Fertighaus erspart die Kundenkonfiguration dem Anbieter bis zu 25.000 EUR. Dieser Vorteil muss zumindest zum Teil weitergegeben werden. „E-Service-Innovations“ (Feld 4) zeichnet sich durch gute Digitalisierbarkeit bei gleichzeitig vorhandenem hohen Interaktionsgrad aus. Informationsgüter in Form komplexer Beratungs- und Informationsleistungen gehören in diese Klasse. Aktuelles Beispiel sind „Online Health Center“, die den Fitness-Trainer erset-

zen. Nach anfänglichem Gesundheitscheck wird jeden Tag ein individueller Fitness-Plan online erstellt. Vom Anwender ist eine tägliche Rückmeldung erforderlich (hoher Interaktionsgrad). Auch manche Newsletter sind von ihrer Konzeption her so intelligent gemacht, dass man sie zu den „Innovations“ zählen kann. Der Adressat bekommt hierbei aufgrund eines zuvor angelegten Benutzerprofils Artikel zugesendet. Jeder Artikel wird vom Leser bewertet. Diese Bewertungen schärfen von Mal zu Mal das ursprünglich angelegte Profil. Der so konzipierte Newsletter First! der Firma Individual Inc. startet mit einer anfänglichen Trefferquote von etwa 50%, um aufgrund der sukzessiv hinzukommenden Bewertungen nach etwa fünf Wochen eine Quote von bis zu 80% zu erreichen. Dieser hohe Individualisierungsgrad ist naturgemäß meist von einer entsprechend hohen Kundenbindung begleitet. Dem Anbieter eröffnen sich dabei neue Erlösfelder, wie etwa Cross-Selling. Im anfänglich angeführten „Online Health Center“ könnte der Fitness-Stand der Kunden beispielsweise Ausgangsbasis dafür sein, genau auf den körperlichen Trainingszustand hin, spezielle Vitaminpräparate anzubieten. Bei diesem allgemein als „Versioning“ bezeichneten Vorgehen bekommt der Kunde anhand eines Leistungs- und Preisbaukastens, die für ihn am besten geeignete Leistung angeboten.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. dazu o. V., 10 Erfolgsfaktoren im e-business - Die Strategien der Gewinner. Eine Analyse neuer Geschäftsansätze im Internet von Booz Allen & Hamilton, erschienen im: FAZ-Institut 2

Der Artikel basiert auf den ausgezeichneten Arbeiten von Frank T. Piller zum Thema Mass Configuration, vgl. z. B. Reichwald, R. und Piller, T. F.: Mass CustomizationKonzepte im Electronic Business, in: Weiber, R. (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 359ff.

5 Vgl. Blattberg, R. und Glazer, R.: Marketing in the information revolution, in: Blattberg, R. et al. (Hrsg.): The marketing information revolution, Boston 1994, S. 9 - 29 6 Vgl. hierzu z. B. auch Piller, F. und Schoder, D.: Mass Customization und Electronic Commerce: Eine empirische Einschätzung zur Umsetzung in deutschen Unternehmen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre, 69 (1999), Heft 10, S. 1111-1136 7

Vgl. Piller, F., www.mass-customization.de, a. a. O.

8

Vgl. Reichwald, R. und Piller, F., a. a. O. S. 367ff.

3

Vgl. Lancaster, K. J.: Consumer Demand, New York 1971 4

Piller, F., www.mass-customization.de, Fallstudien zur Mass Customization, „Online im Internet“, abgerufen am 26.09.2002, Frank Piller hat zwischenzeitliche eine hervorragende Sammlung von Fallstudien auch in seinem Buch zusammengestellt: Piller, F. und Stotko, C. (Hrsg.): Mass Customization und Kunden-Integration: neue Wege zum innovativen Produkt, Düsseldorf 2003, auch als ibook (Individualbuch, einzelne Kapitel gebührenpflichtig downloaden) unter der oben angegebenen InternetAdresse

9

Vgl. Gersch, M.: Die Standardisierung integrativ erstellter Leistungen, Arbeitsbericht Nr. 57 des Inst. für Unternehmensführung u. Unternehmensforschung, Univ. Bochum 1995, S. 64f. 10

Vgl. Davidow, W. H. und Malone, M. S.: Das virtuelle Unternehmen, Frankfurt u. a. 1992

11

Vgl. Jacob, F.: Produktindividualisierung, Wiesbaden 1995, S. 168ff.

12

Vgl. Welt am Sonntag, Jg. 53, 27.05.2001, Nr. 21, S. 65

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Photo: Allison Choppick (stock.xchng)

Das Internet hat das Potenzial bewiesen, eine neue Markengattung zu generieren – die Netzmarken. Aber auch traditionell etablierte Unternehmen expandieren ins Web und platzieren dort ihre „Offline-Brands“. 120

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arken bestimmen im Internet noch mehr als im traditionellen Geschäft den Unternehmenserfolg. Der Markenführung kommt deswegen sowohl auf Topmanagement-Ebene („Brand Governance“) als auch auf Produktmanagement-Ebene eine herausragende Bedeutung zu. Grundsatzentscheidungen wie die Einordnung der Marke in das Markenportfolio sowie die wettbewerbsspezifische Ausrichtung von Markenstrategien werden dabei in der Regel auf oberer Führungsebene getroffen.1 Vor der Markenführung steht die Markenpositionierung. Die Marke muss zunächst profiliert und gegenüber Konkurrenzmarken abgegrenzt werden. Aber nur durch eine konsequente und kontinuierliche Markenführung lässt sich eine einzigartige Marke erreichen, die auch in der Lage ist, sich Veränderungsprozessen erfolgreich anzupassen.2 Im Netz existieren unterschiedliche Markentypen. Unterscheidungskriterien sind: die Präsenz in der virtuellen und/oder realen Welt und die Nutzungsorientierung (transaktions- oder informations- und kommunikationsorientiert).3 Das Internet hat durchaus das

Potenzial bewiesen, eine völlig neue Markengattung zu generieren, die so genannten Netzmarken (synonym: „Pure-Click-Marken“, „Online-Brands“). Diese sind virtuell und ohne Präsenz in der realen Welt. Als reine Netzmarken bauen sie auf ausschließlich internet-orientierten Geschäftsmodellen auf. Wer beispielsweise online Bücher bestellen will, denkt sofort an Amazon. Diesen großen Bekanntheitsgrad hat der in Deutschland im Oktober 1998 gegründete „Marketplace“ nicht nur seinem breit gefächerten Bücherangebot zu verdanken. Vor allem die Tatsache, dass der Online- Buchhändler im Vertrieb kontinuierlich den Wünschen seiner Kunden Rechnung trägt, dürfte dafür ausschlaggebend sein. Amazon bietet Kunden inzwischen etwa auch die Möglichkeit, über das WAP-Portal www.amazon.de/mobil per Handy Bestellungen aufzugeben. Auch die Angebotspalette wurde stark erweitert. So gibt es mittlerweile Plattformen für CD, Videos, DVD, Elektronik, Computer- und Videospiele sowie Software und Computer-Zubehör. Außerdem können Unternehmen und Privatpersonen über „Marketplace“, „zShops“ und „Auctions“ neue

Nicht nur wer online Bücher bestellt, denkt sofort an Amazon. Der Internet-Anbieter ist mittlerweile auch als Werbepartner rund um die Welt begehrt. Vor allem die Tatsache, dass der OnlineBuchhändler im Vertrieb kontinuierlich den Wünschen seiner Kunden Rechnung trägt, dürfte dazu geführt haben, dass Amazon beispielsweise in Deutschland zur bekanntesten Marke geworden ist.

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und gebrauchte Artikel sowie Sammlerstücke zum Verkauf anbieten. Der Erfolg von Amazon kann sich sehen lassen. Das Unternehmen ist unter anderem zum Händler mit der größten Kundenzufriedenheit in Deutschland gewählt worden. Zudem gewann es im Februar 2003 den begehrten „Echo“ für die beste Musik-Webpage. Vom Logistikzentrum in Bad Hersfeld, das mit 42.000 Quadratmeter Fläche die Größe von sieben Fußballfeldern hat, werden täglich bis zu 250.000 Artikel in 170 Länder weltweit verschickt. Daher wundert es nicht, dass die Marke amazon.de ein Synonym für den Online-Buchhandel geworden ist. Ein anderer Markenname, der ebenso für sich steht und alle Konkurrenten im Feld weit hinter sich gelassen hat, ist eBay. Die größte Online-Handelsgemeinschaft der Welt bietet sowohl potenziellen Käufern als auch Verkäufern die Möglichkeit, mit sehr geringem Aufwand miteinander Geschäfte zu tätigen. Es gibt nur wenige Konsumgüter, die auf der Auktionsplattform eBay nicht zu erwerben sind. Ob nun Babywäsche, Sportgeräte, Münzen, Schmuck, elektronische Geräte oder gar Autos, für alle Waren finden sich Anbieter und Nachfrager. Über 10 Millionen Artikel hat eBay weltweit im Angebot, die sich täglich neu „umschlagen“. Dafür dass dieses Angebot sich permanent erneuert, sorgen allein die Erfolgserlebnisse, eine Ware zu einem „guten“ Preis verkauft zu haben oder auf der anderen Seite ein „Schnäppchen“ gemacht zu haben. Auch hier sind Vielfalt und Flexibilität des Auftritts ein weiterer Grund für den Erfolg von eBay – gibt es doch neben den Handelsplattformen auch „eBay-Cafés“ zum Plaudern, Diskussionsforen oder die Möglichkeit, professionell über eBay Artikel zu vertreiben. Das Unternehmen wurde von Pierre Omidyar im September

Tchibo ist online wie offline erfolgreich.

Auch etablierte Unternehmen expandieren ins Web und platzieren dort „Click & Brick-Marken“ 1995 in den USA „im Glauben an die Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit“ der Mitglieder gegründet. Auch auf der Einhaltung dieser Grundsätze gründet der Erfolg der einzigartigen Online-Gemeinschaft. Aber auch traditionell etablierte Unternehmen expandieren ins Web und platzieren dort ihre „OfflineBrands“ und etablieren damit so genannte „Click & Brick-Marken“ (auch „E-enabled-Brands“). Dabei werden Geschäfte sowohl über das Netz als auch über herkömmliche Vertriebswege abgewickelt. Quelle, Otto, TUI und vor allem auch Tchibo sind prominente Beispiele. Darüber hinaus sind jedoch auch zahlreiche Marken im Internet vertreten, die das neue Medium als reine Kommunikationsplattform nutzen. Klassische Markenartikelhersteller wie Coca-Cola und Nivea sind Beispiele dafür. Sollen Geschäfte im Internet angebahnt werden, dienen Marken als entscheidende Orientierungshilfe und Qualitätsgarant. Sie bauen Vertrauen auf, was gerade im Netz essentiell ist, da der Anbieter einer Ware für den Käufer nicht physisch in Erscheinung tritt. Dass Marken im Kontext des Internet eine besondere Bedeutung für Kauf- und Auswahlentscheidungen der Nutzer zukommt, ist mittlerweile kaum noch umstritten.4 So kommt auch der Wiedererkennungsfunktion von Marken im Web eine große Bedeutung zu, besonders wenn Marken bereits in der realen Welt etabliert sind. Der dadurch erlangte Vertrauensvorschuss wirkt dem Risiko mangelnder Online-Transaktionssicherheit sowie möglicher, unberechtigter Weitergabe persönlicher Daten an Dritte entscheidend entgegen. Vielleicht noch ausgeprägter als im traditionellen Geschäft dienen Marken im Internet als Navigationshilfen. Sie erleichtern das Auffinden entsprechender Angebote im Online-Dschungel und wirken sich somit als Zeit- und Suchkostenersparnisse aus. Starke Marken erhöhen den „Traffic“ (d.h. die Besucherzahlen) einer Website und führen zu einer Steigerung der „Conversion Rate“ (Verhältnis Käufer zu Besucher) und der Wiederkaufrate.5 UM DIE LEISTUNGSPOTENZIALE des Internet für die Markenführung beurteilen zu können, müssen medienspezifische Besonderheiten des Online-Mediums beachtet werden: Hier sind Individual- und Massenkommunikation gleichermaßen möglich. Das Web ebnet einer Rückbesinnung vom Massenmarketing zum

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Bei vielen Internet-Marken ist eine eher rationale Positionierung vorherrschend Individualmarketing den Weg. Die Online-Technik fördert die Personalisierung und intensiviert die „AnbieterKunde-Beziehung“.6 Die steigende Individualisierung im Online-Medium führt bis hin zum „Segment-of-OneMarketing“, bei dem jeder Kunde schließlich eine nur für ihn spezifische Ansprache erfährt. Aber Markenführung im Internet erfordert noch aus einem anderen Grund ein radikales Umdenken: Aufgrund der Tatsache, dass Internet-Nutzer ein hohes Aktivierungspotential aufbringen müssen, um sich mit Informationen zu versorgen („Pull-Kummunikation“), ist bei vielen Internet-Marken eine eher rationale als emotionale Positionierung vorherrschend. Der OnlineKunde will mit nachvollziehbaren Argumenten überzeugt werden. So gibt erst die Darstellung sachlichfunktionaler Eigenschaften von Produkt und Marke die Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern. Die Relevanz der dargebotenen Informationen ist im Netz deutlich höher als in anderen Medien.7 Da die Aktivität eher vom Online-Nutzer ausgeht ist eine Steigerung der allgemeinen Markenbekanntheit von daher eher skeptisch zu beurteilen. Auch hat das Internet keine bzw. sehr eingeschränkte Substitutionswirkung auf andere Kommunikationsmaßnahmen zur Markenführung. Instrumente wie z.B. Sponsoring oder Werbung in Zeitungen und Zeitschriften können durch „E-Branding“ nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden. Dieses besitzt demnach lediglich flankierenden Charakter als Baustein im Kontext ganzheitlicher Markenführung.8 ONLINE- UND OFFLINE-MARKEN unterscheiden sich für den Internet-Nutzer sehr deutlich voneinander. Traditionelle „Brands“ besitzen gegenüber Netzmarken einen Vertrauensvorschuss, da diese den Konsumenten meist bereits lange aus der realen Welt bekannt sind. Werte wie Seriosität, Markenkontinuität und -qualität, sowie der Aufbau eines emotionalen Zusatznutzens charakterisieren Offline-Marken. Netzmarken weisen in diesen Bereichen oft erhebliche Defizite auf. Die Devise lautet mithin, dass eine traditionelle Marke, falls verfügbar, in jedem Fall ins Netz transferiert werden sollte. Doch Vorsicht – auch beim Transfer sind durchaus Fehler möglich. So setzen sich im Internet typische Netzmarken durchaus gelegentlich auch gegen gut eingeführte traditionelle „Brands“ durch. Online-Marken sind ihrer traditionel-

len Konkurrenz oft durch Eigenschaften wie Vernetzungskompetenz und schnelle Reaktionsfähigkeit auf Kundenwünsche überlegen. Sie beweisen Dialogfähigkeit und „soziale Intelligenz“ im Umgang mit den Nutzern. Die direkte Erfolgskontrolle (durch Messbarkeit der Zugriffszahlen, Werbeeinnahmen und kontinuierlichem Benutzer-Feedback) gibt der Online-Marke etwas Gläsernes, wodurch sich die Chance der kontinuierlichen Verbesserung eröffnet.9 Virtuelle Marken gelten zudem bei den Internet-Besuchern als modern und attraktiv. Zentrale Herausforderungen sind dabei allerdings Markenbildung und -aufbau. Der Konsument muss lernen, welche Produkte und Dienste hinter bestimmten Namen (wie z.B. Amazon oder eBay) stehen. Dazu gehört vor allem in der Anfangsphase der Markenetablierung auch die Bekanntmachung in klassischen Medien. Ohne die traditionelle Werbung, die wesentlich zum Markenaufbau beiträgt, haben Online-Marken im Wettbewerb um die Gunst der Kunden keine Chance.10 Viele reine „New-Economy-Unternehmen“ geraten schnell ins finanzielle Abseits, da in der Aufbauphase nicht selten mehr in Marketing und Werbung investiert werden muss, als der eigene Umsatz ausmacht. Die Trennung zwischen neuer virtueller und der alten klassischen Markenwelt wird nicht bestehen bleiben. Immer mehr traditionelle Offline-Marken drängen ins Netz und reine Online-Marken bauen sich eine physische Präsenz in der realen Welt auf. Erfolgreich werden nur diejenigen Marken sein, welche die Verknüpfung der Erfolgsfaktoren klassischer Markenführung mit den neuen Potenzialen der Netzmarken beherrschen. Die Online-Werber haben lange darauf gewartet, dass die Markenartikler das Internet als

Coca-Cola nutzt das Web nur als Kommunikationsmedium.

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Die Zielgruppe des modernisierten Klassikers Mini hat eine hohe Affinität für das Internet. Die Markenerfahrung wird damit wesentlich von der Website geprägt.

Werbemedium entdecken. Die Marken konzentrieren sich verstärkt auf eigene Websites und -initiativen, um sie als Marketing-Mittel einzusetzen. Exemplarisch war und ist die Mini-Kampagne der BMW Group. Als der Münchner Autohersteller den modernisierten Klassiker auf den Markt brachte, nutzte er das Internet nicht nur als Informationsmedium. Er setzte es in der Pre-Launch-Phase sogar als alleiniges Positionierungsinstrument ein. „Wir haben ein Zeichen gesetzt. In der Automobilbranche ist es sonst üblich, Modelle auf einer Autoschau zu launchen. Wir haben dafür das Internet benutzt“, sagte Jochen Schmalholz, Leiter Internet und Dialogmarketing bei Mini, der Zeitschrift Absatzwirtschaft.11 Neben der internationalen Seite mini.com startete der Autohersteller 1999 in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden nationale Auftritte im Netz. „Aus der Marktforschung hatte sich ergeben, dass die Mini-Zielgruppe eine hohe Affinität zum Internet hat und auch schon länger mit dem Medium umgeht. Über 90 Prozent nutzten das Internet für die Recherche. In diesem Fall ist der Schritt vom Interesse an der Marke bis zur Website nicht mehr so groß.“12 Die Grenzen zwischen

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On- und Offline-Markenführung werden auch bei vielen anderen Marken im „ONE-Branding“ („ONE“ für „Old New Economy“) aufgelöst werden. Die Markenerfahrung bleibt hier nicht auf das Internet beschränkt, sondern die Eindrücke der Konsumenten in der physischen und virtuellen Welt verschmelzen zu einem Gesamtbild. „On“- und „Offline-Brands“ müssen daher unweigerlich voneinander lernen, um die Vorteile beider Markenwelten im „ONE-Branding“ zu vereinen.13 Ferrero sorgte Anfang des Jahres 2002 mit einer Web-Initiative auch im virtuellen Orbit für Kinderüberraschungen. Auf den Beipackzetteln der Schoko-Eier finden sich seither zehnstellige „Magic Codes“, mit denen man Zugang zu einer Online-Spielewelt auf der „Magic-Kinder-Site“ (www.magic-kinder.com) erhält. Die Ziffernkombination bietet die Möglichkeit, eines

Im „ONE-Branding“ verschmelzen physiche und virtuelle Eindrücke

von 50 unterschiedlichen Spielen für 20 Minuten zu spielen. Nach dem Spiel verfällt der Code. Die Hauptdarsteller sind die Figuren der Kinderüberraschungen: die „Happy Hippos“, „Crazy Crocos“ und „Super Spacys“. Dieses Konzept ist eine völlig neuartige Konsumentenansprache. „Ferrero verbindet hier die Vorteile und technischen Möglichkeiten des Internet mit denen des klassischen Konzeptes: Spannung, Spiel und Schokolade“, kommentierte eine Ferrero-Sprecherin.14 Beispiele für den Trend zur „ONE-Brand“ sind auch bei Procter & Gamble zu finden. Dabei reflektiert das Unternehmen allerdings jeweils genau, für welche Marken das Sinn macht. Denn es ist teuer, genügend und interessanten Content auf die Site zu bringen, damit die Kunden auch bleiben. Der Auftritt von Pampers bietet das und kann deshalb als eigenständiges CRMWerkzeug betrachtet werden. Auf den Internet-Seiten können (werdende) Eltern ihre Erfahrungen rund ums Baby austauschen oder Expertentipps zur Ernährung, Gesundheit und Sicherheit des Kindes erhalten. Wer sich kostenlos im Pampers-Club registriert, nimmt regelmäßig an Gewinnspielen teil und kann Produktproben anfordern.15 Dabei gilt es, keine kognitiven Dissonanzen durch den Bruch zwischen Online- und Offline-Kanälen auszulösen. Daher muss eine Integration der Markenpräsenz im Internet in den gesamten kommunikativen Marktauftritt der Marke bzw. des Unternehmens unter Berücksichtigung der spezifischen „Corporate- / Brand Identity“ stattfinden. Integrierte Markenführung beinhaltet die formal-inhaltliche, instrumentelle, personell-organisatorische sowie die zeitliche Integration aller markenbezogenen Marketing-Aktivitäten. Ziel ist es, Synergieeffekte zwischen den eingesetzten Elementen der Marketing-Kommunikation sowie Rationalisierungseffekte beim Mitteleinsatz zu realisieren. Es lassen sich so synergetische kommunikative Wirkungen auf Seiten der Konsumenten erzeugen – der Marktauftritt wirkt ganzheitlich. Die Wirkung der Ganzheitlichkeit übersteigt dabei die Summe der Wirkung der einzelnen Kommunikationsinstrumente. Paradebeispiel ist die aufwändige Maggi-Seite. Alle anderen Kommunikationswege weisen dort hin. Monatlich verzeichnete Maggi im Jahr 2002 rund 250.000 Visits. Rund 25.000 Kunden nutzten ein Online-Abonnement, um sich das Rezept der Woche schicken zu lassen. Neben einer 3.000 Rezepte umfassenden Datenbank gibt es unter

Durch vernetzte Markenführung erhöht sich der Wirkungsgrad des „E-Branding“

www.maggi.de auch ein Internet-Kochstudio. Die formal-inhaltliche Integration beinhaltet die Einhaltung von Gestaltungsprinzipien und -richtlinien bei der Markenpräsenz im Internet. Dabei gilt es die Ausnutzung technischer und funktionaler Möglichkeiten des Internet und die strikte Einhaltung formaler und inhaltlicher Gestaltungsprinzipien der Marke in optimalen Einklang zu bringen. Unter der Leitmaxime „Marke vor Medium“ dominiert jedoch die Marke die Gestaltung der Internet-Präsenz. Daher sind z.B. der Verzicht auf Logos, um kürzere Ladezeiten zu erzielen, oder veränderte Markenbotschaften, für die besondere Umgebung im Internet, nicht gerechtfertigt.16 Durch den Online-Auftritt soll die Wiedererkennbarkeit und Unverwechselbarkeit der Marke zum Ausdruck gebracht werden. Ein einheitlicher Auftritt vereinfacht zudem den Lernprozess der Konsumenten. Erfolgreiches „E-Branding“ erfordert die Verbindung mit anderen markenpolitischen Maßnahmen und Instrumenten. So kann durch Kommunikationsmaßnahmen wie z.B. Werbung, PR, Sponsoring und Sales Promotion auf die Internet-Präsenz der Marke hingewiesen werden, um die Kontaktwahrscheinlichkeit im Web zu erhöhen und umgekehrt. Durch vernetzte Markenführung erhöht sich der Wirkungsgrad des „EBranding“ erheblich. Erfolgversprechendes „E-Branding“ umfasst daher die Steuerung der Markenaktivitäten durch interne „Markenprofis“ sowie die Beteiligung externer InternetExperten bzw. „Medienkenner“, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Z. B. arbeiten idealerweise Marketing- und PR-Fachleute mit Technikern und Designern bei der Online-Markeninszenierung zusammen. Ein gutes Beispiel dafür ist Bertelsmann. Hier arbeiten die Internet-Tochter Webmiles und das Direktmarketing-Unternehmen Arvato Hand in Hand.17 Ein anderes Beispiel ist ProSiebenSat.1. Hier prallen allerdings Kulturen aufeinander: Einerseits die „Krawattenträger“ aus dem Marketing und andererseits die ziegenbärtigen „New-Media-Nerds“ aus der Abteilung Online und Co. Die 70 Internet-Experten der SevenOne Interactive und die 310 Fernsehspezialisten der SevenOne Media arbeiten Tür an Tür in der Unterföhringer Firmenzentrale. Der „Clash of Cultures“ in der Kaffeeküche blieb bislang jedoch aus. Ganz im Gegenteil: Beteiligte schwärmen von „der Erotik“ der Liaison und werden nicht müde, die Chancen der Verbindung von Fernsehen und weiteren Werbeträgern zu preisen. Kein anderer Vermarkter in Deutschland führt neue und klassische Medien so konsequent zusammen.18 Im Hinblick auf die zeitliche Integration sind die Abstimmung des Instrumentaleinsatzes untereinander sowie die Kontinuität des Markenauftritts zu berücksichtigen. Häufiger Kampagnen-Wechsel und zeitlich nicht miteinander abgestimmte On- und Off-

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line-Kampagnen behindern den Aufbau eines konsistenten kommunikativen Gesamtkonzepts. Einzelne Maßnahmen müssen koordiniert ablaufen, damit ihre einheitliche Zielsetzung nicht aus dem Blickfeld gerät. „Vom 23. Januar 2006 an macht ein 20-Sekünder auf ProSieben Zuschauern ein Online-Special unter der Internet-Adresse des Senders schmackhaft. Bahlsens Krümel-Snack ‚Pick up‘ lockt dort 19- bis 29-Jährige mit schrägen Verköstigungen. ‚Gewinne dein verrücktes Picknick‘, verheißt das Spiel. Neugierige, die nicht sofort den Computer anschalten, finden im ProSieben-Text weitere Informationen. ‚Pick ups‘ verrücktes Picknick ist nicht das erste Projekt dieser Art, das die Familien-KG aus Hannover angeht. In den Sommerferien 2005 brachte Bahlsen seinen Klassiker Leibniz Butterkeks ins Gespräch. Das Vorgehen war ähnlich: als unübersehbarer Hinweis ein Fernsehspot, der Aufmerksamkeit weckt (auf Sat.1), ergänzt um Zusatzinformationen im Videotext und - als Attraktion im Internet - ein ausgiebiges Backwaren-Special mit Gewinnspiel (Preise: täglich zehn Benzingutscheine für die Fahrt in den Urlaub). Eine Schnitzeljagd quer durch die Medien. Das Ziel: Verbraucher zu animieren, sich eingehend mit dem beworbenen Sujet zu beschäftigen. SevenOne Media und SevenOne Interactive, Unterföhring, nennen das Konvergenz. Die beiden Vermarkter der ProSiebenSat.1-Gruppe, seit April 2005 unter einem Dach vereint, gelten als Mit-Erfinder

des Begriffs - und sehen sich ‚als Marktführer für konvergente Werbung‘, so Interactive-Geschäftsführer Matthias Falkenberg. Sein Dienstleister ist für sämtliche Konvergenz-Kunden der Gruppe aus der Entertainment-Branche zuständig (DVD, Kino, Games). Alle anderen übernimmt SevenOne Media mit der rund 20köpfigen Abteilung ‚Integrated Brand Solutions‘ (IBS). Tatsächlich sorgt das Konzept für Furore. Verbuchte SevenOne 2003 gerade mal 37 Konvergenz-Kampagnen, so waren es 2005 bereits 150, zu einem wachsenden Teil (40 Prozent) vernetzt über drei und mehr Medien. Werbeumsätze von 280 Millionen Euro erzielt SevenOne Media auf diese Weise, neun Prozent des jährlichen Brutto-Umsatzes.“19 „Die Klassiker kommen immer mehr ins Internet“, meint auch Dirk Freytag, Vorsitzender der Adtech AG und Leiter des Arbeitskreises Werbung beim Deutschen Multimedia Verband (DMMV) 2002. „Denn durch Onlinewerbung ist die Verstärkung der Marke ungemein hoch.“ Auch Forrester will in einer Untersuchung erkannt haben, dass die „zögerlichen großen Marken“ die Online-Werbung entdeckt haben. Grund sei, dass über das Web mittlerweile der „Mainstream“ erreichbar sei. Schließlich lautete das Motto des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Roberto C. Goizueta (1981 - 1997): „Es muss Menschen weltweit unmöglich gemacht werden, Coca Cola zu entfliehen.“20

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Buck, A. und Herrmann, C.: Innovation, Marke und Design; Teil 2: Markenführung, www.innovationaktuell. de/kv1002-02.htm, Stand: 03.12.02 2

Vgl. Scheffler, H.: Markenführung mit Marktforschung, in: Marketingjournal, Heft 1/2002, S. 20f. 3

8

Vgl. Meffert, H. und Bongartz, M., a.a.O., S. 20f.

9

Vgl. N.N.: The Boston Consulting Group, Gruner + Jahr, e-Branding, a.a.O.,S. 12f. 10

vgl. Fantapiè Altobelli, C. und Sander, M., a.a.O., S. 173

11

Vgl. Arends, G.: Die Marken und das Internet, Selbst ist die Marke, absatzwirtschaft Nr. 08 vom 01.08.2002, S. 108

Vgl. Meffert, H. und Bongartz, M.: e-Branding: Integration des Internet in die Markenführung – ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Meffert, H. u. a. (Hrsg.): Arbeitspapier Nr. 147 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster 2001, S. 6

12

Vgl. ebenda

13

Vgl. N.N.: The Boston Consulting Group, S. 6ff

14

Vgl. Arends, G., a.a.O.

4

15

Vgl. ebenda

16

Vgl. Meffert, H., Bongartz, M., a.a.O., S. 22ff

Vgl. Teege G.: E-Commerce quo vadis?, in: Eggers, B., Hoppen, G. (Hrsg.), Strategisches E-Commerce-Management, Wiesbaden 2001, S. 634 5

Vgl. Meffert, H. und Bongartz, M., a.a.O., S. 9

6 Vgl. Picot, A. und Neuburger, R.: Grundsätze und Leitlinien der Internet-Ökonomie, in: Eggers, B. und Hoppen, G. (Hrsg.): Strategisches E-Commerce-Management, a.a.O., S. 25ff. 7

Fantapiè Altobelli, C. und Sander, M.: Internet-Branding, Stuttgart 2001, S. 3

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17

Vgl. Freund oder Feind?, werben & verkaufen Nr. 35 vom 01.09.2005, S. 9

18

Vgl. werben & verkaufen Nr. 24 vom 16.06.2005, S. 57

19

Aufwändiges Media-Puzzle, werben & verkaufen Nr. 0102 vom 12.01.2006, S. 16

20

Vgl. Arends, G., a.a.O.

Produktpräsentation im Web – aber wozu?

Müssen Produkte im Web präsentiert werden und wenn ja, worauf muss sich die Web-Präsenz schwerpunktmäßig konzentrieren? Nach Antworten wird derzeit noch branchenabhängig nicht ohne Probleme gesucht. Denn die anfängliche „Hauptsache-wir-sind-drin“-Mentalität erweist sich als kostenintensiv und wenig einträglich. Dabei besteht in einigen Branchen akuter Handlungsbedarf, während andere sich eigentlich zurücklehnen könnten.

A

uch wenn der Produktmanager zunächst die Online-Vermarktung eines bestimmten Produkts nicht unbedingt für förderlich hält, sind im

Web immer noch jede Menge elektronischer Sekundärdienstleistungen denkbar. Produktdemos und -kataloge, Systeme zur Auftragsverfolgung, FAQ-Listen,

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Liest er Print oder Web? Für die meisten Medien gehört es mittlerweile zum guten Ton, ihre Auftritte durch eine InternetPräsenz zu ergänzen. Das ist teuer, denn verdienen lässt sich online bisher wenig.

virtuelle Gemeinschaften und vieles mehr können hier durchaus hilfreich sein. Manchmal kommt die Forderung nach dem Web-Auftritt aber auch von außen: Viele Zeitungsleser beispielsweise erwarten heutzutage einfach, dass ihre Zeitung im Internet vertreten ist. Doch es gibt dabei auch Schwierigkeiten, vor allem wenn die Projekte nur halbherzig angegangen werden. Letztendlich kann eine schlechte Website einer erfolgreichen Print-Publikation sogar schaden. Das englische Revolverblatt Sun beispielsweise hatte lange einen ausgesprochen unausgereiften Internet-Auftritt. Ganz anders die Konkurrenz: Während der Guardian sich als Print-Titel nur unter ferner liefen halten kann, hat das Portal www.guardian.co.uk der Print-Publikation geholfen. Durch den Absatz von Probe-Abos über die Website wurde beispielsweise der Verkauf des Print-Titels angekurbelt. Dabei darf jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass kaum einer in der Zeitungsbranche Profit mit dem Web-Auftritt macht. Ob geglückte oder misslungene Web-Präsenz – kein Verlagshaus weiß so recht, für welche Dienste die Nutzer wirklich zu zahlen bereit sind. Vor allem da die Surfer nicht für Inhalte und Dienste Geld ausgeben, die sie auf anderen Websites umsonst bekommen.

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Darüber hinaus ist die Konkurrenz im Netz groß, denn schließlich treten die Verlagshäuser nicht nur gegen andere elektronische Zeitungen an, sondern wetteifern auch mit den Auftritten von Fernsehsendern, ja letztlich mit allen Portalen, die Nachrichteninhalte bieten. Im Internet kann ohne weiteres der Auftritt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) mit dem des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) verglichen werden. Da mittlerweile auch die deutschen Verlagshäuser wissen, dass es schwer ist, in der virtuellen Welt mittel- bis langfristig Geld zu verdienen, sehen sie ihre Ausgaben als strategisch an. Sie wollen nicht auf eine Internet-Präsenz verzichten, die vielleicht eines Tages eine größere Rolle als ihre Print-Ausgabe spielen könnte. Die Suche der Medienhäuser nach rentablen Geschäftsmodellen läuft daher auf vollen Touren. Das Konzept der Financial Times Deutschland (FTD) ist in vieler Hinsicht ein Sonderfall: Denn die erste gedruckte Ausgabe war noch gar nicht zu kaufen, da zitierte bereits die Deutsche Presse-Agentur (DPA) den Wirtschaftstitel. Der Grund: Schon ab Januar des Jahres 2000 publizierte die Redaktion übungshalber online einen Newsletter. Die FTD war so bereits rund zwei Monate virtuell präsent, bevor sie

zum 21. Februar 2000 an den Kiosken zu haben war. Als Neugründung setzte die FTD von Anfang an auf ein in der Branche nahezu einmaliges Konzept: Eine wirklich integrierte Print- und Online-Redaktion, in der die Online-Mitarbeiter in enger Abstimmung mit den Print-Ressorts arbeiten. So entstand ein geschlossenes Team, in dem sich die sonst in Verlagshäusern übliche Kluft zwischen alteingesessenem Print-Redakteur und dem Online-Kollegen nicht auftun konnte. Auch der Aufbau des gemeinsamen Redaktions- und Content-Management-Systems erfolgte aus einem Guss, die übliche Schnittstellenproblematik konnte vermieden werden. Der Bereich Electronic Media ist so auch nicht wie bei fast allen anderen Verlagshäusern ein Tochterunternehmen, sondern fester Bestandteil der gesamten Redaktion, und das propagierte Motto: „One Brand – all Media“ kann wirkungsvoller durchgesetzt werden. Wird der Online-Auftritt als Tochtergesellschaft ausgegliedert, ist es oft schwierig „cross-mediale“ Konzepte aufzubauen, Synergien zu nutzen und die Marke konsequent durch beide Unternehmen zu vermarkten. Die Folge ist ein Wasserkopf, eine aufgeblähte Verwaltung und zwei getrennte Redaktionen,

die unnötig Geld fressen. Das ist anders bei Unternehmen, die mehrere Online-Titel betreuen und verstärkt als Dienstleister arbeiten. Ein solcher Fall ist die im Jahr 2000 gegründete Tochter der Verlagsgruppe Handelsblatt, Economyone – zumindest nachdem das Management im Juli 2001 das Unternehmen umstrukturiert, 29 Mitarbeiter entlassen und die bis dahin getrennten Redaktionen zu einer Zentralredaktion zusammengelegt hatte. Diese beliefert nun Web-Auftritte wie die des Handelsblatts, der Wirtschaftswoche und von DMEuro mit Inhalten. Auch die Vermarktung wurde neu ausgerichtet, und Economyone arbeitet heute für verlagsfremde Internet-Auftritte wie den der Zeit und von n-tv. Die Einnahmen, die Economyone auf diese Weise erzielt, decken jedoch nicht die Ausgaben, und die hauseigenen Portale müssen daher früher oder später selbst Geld verdienen. Geld sollen Internet-Auftritte in die Kassen der Verlage eines Tages spülen. Als Vorbild sehen die Medienhäuser wohl vor allem den Online-Auftritt des Wall Street Journal, der nahe an der Profitabilität ist. Wsj. com hat über 600.000 zahlende Abonnenten für seine Dienste gewonnen. Der größte Teil der Abonnenten sind Firmen, die Wirtschaftsnachrichten abfragen

Konzeptlosigkeit wird derzeit noch dem Internet-Auftritt des ZDF vorgeworfen, auch wenn die Online-Redaktion 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst und Millionenbeträge für die Web-Präsenz fällig werden. Für das ZDF steht trotzdem fest: ZDF. de wird eine zentrale publizistische Rolle am deutschen Markt spielen. Derzeit sind die Internet-Seiten jedenfalls noch keine sinnvolle Ergänzung zu den Fernsehbeiträgen.

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und das Archiv für ihre Recherchen nutzen. Niemand möchte heutzutage noch in seinem Haus Tonnen von Blattwald durchforsten. Das wissen auch die deutschen Medienhäuser und so machen sie mit OnlineBezahlmodellen schon seit einiger Zeit Gehversuche. Die Wege auf denen die Verlage hoffen, Geld zu verdienen, sind mannigfaltig: Die FTD zum Beispiel bietet ihren Print-Abonnenten im Netz ein Archiv der gedruckten Ausgabe und die Möglichkeit, sich Artikel als pdf-Datei herunter zu laden. Wer will, kann Börsenberichte und Top-News per SMS empfangen. Die Kosten werden nach Aussagen des Verlages durch das Print-Abonnement mit abgedeckt. In Kürze sollen kostenpflichtige Dienste für Nicht-Abonnenten folgen. Das Handelsblatt bietet seit dem Relaunch im Sommer 2000 den Premium-Bereich Topix, der mit der PrintAusgabe kostenlos oder gesondert abonniert werden kann. Er richtet sich vor allem an Geschäftsleute, die effizient recherchieren und auf sie zugeschnittene Informationen erhalten wollen. Anfang des Jahres 2002 nutzten Topix nach Aussagen des Verlages bereits 40.000 Leser, davon allerdings noch rund 27.000 gratis zum Print-Abo. Mittelfristiges Geschäftsziel der Internet-Auftritte ist es aber immer, möglichst schnell den „Breakeven“ zu schaffen und den Bereich Electronic Media in die Gewinnzone zu bringen. Woher die Unternehmen ihren Optimismus nehmen, bleibt angesichts der wenigen und eher unergiebigen Erlösquellen über ihre Websites allerdings unklar. Auch die überregionalen Tageszeitungen FAZ und Süddeutsche Zeitung (SZ) haben mit ihren Tochterunternehmen FAZ Electronic Media und Sueddeutsche. de ihre Füße auf virtuellen Boden gesetzt. Sie wollen über das Netz neue Abonnenten für die Print-Objekte gewinnen. Einig sind sich beide, dass über das Web nur bestimmte Zielgruppen bedient werden können. Für die FAZ ist das eine gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt besser verdienende und gebildetere Klientel. Faz.net will dabei speziell die Zielgruppe der einkommensstarken 19- bis 39-Jährigen bedienen. Diese so genannte Info-Elite interessiert sich vorrangig für aktuelle Nachrichten, aber etwa auch für Geldanlagen, Reisen, Bücher und Freizeitgestaltung. Die FAZ sieht ihren Online-Auftritt nicht nur als Zeitung im Netz, sondern glaubt, das Verlagshaus versuche so dem Wandel der Informationsaufnahme zu Gunsten des Internet gerecht zu werden. Wie sich die Strategie des Hauses Schritt für Schritt entwickelt, zeigt die Ausgliederung der Tochter FAZ Electronic Media im Sommer 1999 genauso wie der langsame Aufbau des 60 Personen umfassenden Mitarbeiterstabs im Jahr 2000. Dafür steht auch die Integration von FAZ.de in das neue Online-Angebot, das Anfang 2001 „live“ ging. Dieses bildet nicht mehr nur die Zeitung ab, sondern liefert aktuellere Nachrichten sowie „Livestreams“

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Der gläserne Versicherungsmarkt ist heute schon Realität. Wer sich versichern möchte, kann leicht im Web das preisgünstigste Angebot herausfinden. Der traditionelle Anbieter muss irgendwie reagieren. Aber wie?

Über das Web können nur bestimmte Zielgruppen bedient werden vom FAZ-Business-Radio und bewegte Bilder. Profit macht aber selbst Faz.net nicht. Zwar ist das Archiv kostenpflichtig und einige Bereiche sind Abonnenten vorbehalten, doch das reicht eben nicht, um Gewinn einzufahren. So werden gerade einzelne Erlöswege wie der Verkauf von Inhalten unter die Lupe genommen. Allerdings geht man hausintern davon aus, dass es dauern wird, bis Faz.net Geld verdient. Die SZ legt vor allem Wert darauf, mit ihrem 1997 gestarteten Online-Auftritt neue Leser aus anderen Bevölkerungsschichten und auch außerhalb des Freistaats zu gewinnen. Immerhin leben zwei Drittel der Online-Leser nördlich des Mains, aber der Großteil der Zeitungsabonnenten, 60 Prozent, wohnt in Bayern. Eine Tatsache, die das Verlagshaus schon länger wurmt. Um das zu ändern, setzt der Konzern auf die Vergabe von Probe-Abos im Netz – 40.000 Leser haben so die Zeitung im letzten Jahr getestet. Auch schätzt der Verlag seine Web-Präsenz deshalb, weil sie noch aktueller als die Print-Ausgabe informieren und ausführlicher, zum Beispiel in Form von Themenschwerpunkten, berichten kann. Der Online-Auftritt darf jedoch Artikel, die er aus der Print-Ausgabe übernimmt, nicht umschreiben, sondern nur Zitate hervorheben und Bilder hinzufügen. Veredeln nennt Sueddeutsche.de dieses Prinzip. Das Portal besitzt seit dem Relaunch im April 2001 auch endlich eine durchgehende Optik mit einheitlichen Logos. Zusätzlich kamen neue Bereiche wie Auto & Mobil sowie zwei getrennte Rubriken für Innen- und Außenpolitik hinzu. Stark ausgebaut sind bereits die Online-Rubriken wie der Immobilien- und der Automarkt. Nur dieser Teil des Portals kann wohl tatsächlich in naher Zukunft den „Breakeven“ schaffen. Bei der Redaktion wird es wohl länger dauern. Um zu sparen hat das Unternehmen die externen Quellen eingedampft und etwa einen Teilbereich von Reuters gekündigt, sowie das Marketing-Budget gekürzt. Immerhin bewegen sich die getätigten Investitionen im zweistelligen MillionenEuro-Bereich. Das mutet mittlerweile schon professioneller an. Der erste Business-Plan lief noch unter dem Motto „Wir sind auch mit dabei!“ DAS ZDF IM WEB Im Vergleich zu den Sorgen der Web-Auftritte von Print-Titeln haben die Portale der öffentlichrechtlichen Sender kaum finanzielle Probleme. Da können private Sender und Zeitungsverleger noch so vehement gegen die aus GEZ-Gebühren finanzierte Konkurrenz protestieren – die rund 60 Mitarbeiter der

ZDF-Online-Redaktion werden in erster Linie von den Fernsehzuschauern bezahlt. Aus Sicht der öffentlichrechtlichen Sender spielen ihre Online-Auftritte eine herausragende Rolle beim Vertiefen und Begleiten der Fernsehprogramme. Die ARD halten daher 350 Millionen Euro pro Gebührenperiode für den Ausbau der Portale für erforderlich, selbst wenn der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) dem ganzen Auftritt Konzeptlosigkeit vorwirft. Das ZDF verteidigt den Internet-Auftritt seines Senders: Man wolle den Nutzer doch an dem Ort und zu dem Zeitpunkt erreichen, an dem dieser informiert und unterhalten werden möchte. Vor diesem Hintergrund steht für das ZDF bereits heute fest: Zdf.de wird eine zentrale publizistische Rolle am deutschen Markt spielen. Der Sender hat gut reden, hat er doch seine Gebührenzahler.1 AUCH VON DER VERSICHERUNGSBRANCHE werden die Möglichkeiten des Internet bisher nur ansatzweise ausgeschöpft. Wesentlicher Kritikpunkt bisher: Die eindimensionale Kommunikationsstruktur. Auch gilt noch flächendeckend der Wahlspruch „Hauptsache wir sind drin“. Damit beschränkt sich die Präsenz im Netz oft auf reine Firmen- und Produktpräsentationen. Möglichkeiten zur Interaktion, bei denen der Kunde beispielsweise seine Schadensmeldung online vornehmen kann, gehören nicht zum Standard. Richtig düster sieht es bei individuellen Angeboten aus. Personalisierte Kundenseiten im Web sind ebenso wenig zu finden wie automatische Feed-back-Schleifen zur Identifizierung der Bedürfnisse verschiedener NutzerGruppen. Tatsächlich wächst die Zahl derer, die im Netz mit Versicherungsangeboten hausieren gehen. Firmen wie die transparent Gmbh (www.versicherung.net) versprechen der Internet-Gemeinde echten Nutzwert. Kern des Angebots ist der Vergleich von Versicherungsangeboten – eine Geschäftsidee, die zunehmend Nachahmer findet. Wenn die Prognosen eintreffen, dann werden die Versicherungsmarktplätze schon in naher Zukunft knapp die Hälfte des Internet-Geschäfts im Privatkundenbereich unter sich aufteilen, Allianz & Co. müssen sich, so die Expertise der Forit-Marktforschung, mit einem Marktanteil von 36 Prozent bescheiden. Der Rest des Geschäfts entfällt auf spezielle Internet-Versicherer (wie beispielsweise die Direct Line Versicherung AG, www.directline.de). Die Innovativen der Versicherungsszene haben dort schon den

Die Web-Präsenz beschränkt sich auf die Prodkuktpräsentation E-MARKETING

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Fuß in der Tür. Seit einiger Zeit schon hat die Internet Insurance Lebensversicherungs AG die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb – Partner des Projekts ist die Mannheimer Versicherung. Der Anbieter firmiert jetzt unter mamax (www.mamax.de). Die Bezeichnung ist als Markenname eingetragen und ersetzt den bisherigen Projektnamen Internet Insurance. Mit dem neuen, geschützten Namen kann die Gesellschaft eine unverwechselbare Marke im Internet nutzen, ohne dass eventuelle Nachahmer davon profitieren können. Die Internet-Nutzer finden im Internet auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Versicherungslösungen. Aber Web-Konzepte sind ein sensibles Thema. Wie in anderen Branchen stellt das Internet auch in der Versicherungslandschaft die angestammten Vertriebswege in Frage – und ruft bei so manchem Versicherungsmanager offenbar eher Lähmungserscheinungen als Aufbruchstimmung hervor. Die Abstimmung mit dem Außendienst erweist sich oft als komplizierter als zunächst angenommen. Er muss von Anfang an integriert werden. Auch der Marktführer der Branche, die Allianz, legt ihre Internet-Strategie nicht ohne den Außendienst an. Die Allianz-Vertriebsmannschaft – über 10.000 Männer und Frauen bundesweit – wird auch im Internet-Zeitalter als wichtigster Dienstleister und Ansprechpartner für die Kunden gepriesen. Trotzdem müssen sich die Außendienstler auf einen Rückgang des Geschäfts einstellen. Das Internet hat sich relativ schnell als mehr als eine elektronische

Die „Web-Pille“ ist bis zu 60% billiger. Nur der Gesetzgeber ist den virtuellen Apotheken derzeit noch eine Last.

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Sekundärdienstleistung entpuppt. Bereits in einigen Jahren werden Außendienstler nur noch mit maximal 60 Prozent des Geschäfts rechnen können. Der Rest wird online abgeschlossen werden. Die Zukunft des Versicherungsgeschäfts liegt im Internet, kann doch der E-Share dieser Dienstleistung bis zu 100% betragen. Mithin handelt es sich um ein digitales Produkt, das geradezu ideal im Netz vertrieben werden kann. Dabei sind die Einsparmöglichkeiten enorm. Mummert + Partner beziffert die Kosten für eine Vertragsänderung, die über das Internet durchgeführt wird, auf 50 Cent – geht der Vorgang über die Agentur-Organisation, laufen Kosten von ca. 20 Euro auf. Das Sparpotenzial wird auch deutsche Versicherungen überzeugen, ihre Kunden mehr und mehr im Netz zu betreuen. Derzeit endet der Online-Prozess allerdings noch bei der Antragstellung. Der Versand der Versicherungsunterlagen erfolgt aus rechtlichen Gründen per Post. Das Potenzial für Versicherungsanbieter im Netz ist dennoch enorm, urteilen die Marktforschungsunternehmen. Schon in allernächster Zukunft kann ein Prämienvolumen von über 30 Milliarden Mark übers Internet abgewickelt werden.2 Einen ähnlichen Effekt hat das Internet möglicherweise im Gesundheitswesen. Denn dort ist Sparen angesagt. Angesichts dramatischer Haushaltsdefizite wird fieberhaft nach Einsparpotenzialen gesucht. Fündig wird man bei den Arzneimittelausgaben. Den Löwen-

Traditionell muss eine höhere Reichweite immer um den Preis eingeschränkter Reichhaltigkeit erkauft werden. Im Versandkatalog wird die Ware nur unzureichend beschrieben, dafür kann der Katalog an Tausende verschickt werden. Umgekehrt kann im Laden das reichhaltige Beratungsgespräch täglich nur mit wenigen Kunden geführt werden. anteil davon schluckt in Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen der Weg eines Medikamentes vom Hersteller zum Patienten. So entfielen etwa 40 Prozent der gesamten Medikamenten-Kosten auf den Vertrieb. In Frankreich seien es dagegen nur 30 Prozent und in Schweden trotz geringer Bevölkerungsdichte sogar nur 25 Prozent. Schuld daran sind nach Meinung der Kassen die hohen gesetzlich festgelegten Zuschläge des Großhandels und der Apotheken, die in der deutschen Arzneimittelpreisverordnung festgelegt sind. Die Verordnung garantiert den Apothekern eine feste Marge für jedes Produkt. Doch mit Hilfe von Internet-Apotheken könnte man die Ausgaben pro Jahr um etwa eine Milliarde reduzieren.

Eine Internet-Apotheke ist eine Versandapotheke, bei der das Web als Medium zur Geschäftsanbahnung und zum Geschäftsabschluss mit dem Verbraucher dient. Im internationalen Umfeld ist der Versandhandel mit Arzneimitteln längst Realität. Heute kann sich weltweit jeder Medikamente über das Internet bestellen und schicken lassen, sofern er diese selbst bezahlt. Zwar sind Lieferungen aus dem Ausland nach Deutschland bisher illegal, da verschreibungspflichtige Medikamente hierzulande nur in stationären Apotheken, in so genannten Offizinapotheken, verkauft werden dürfen; doch der Staat hat dagegen kaum eine Handhabe. Der politische Wille zur Änderung ist da – deshalb wird derzeit heißer denn je um das Thema Internet-Apotheken gestritten. Ein Alarmzeichen

Das Internet durchbricht den traditionellen Reichweite-Reichhaltigkeits-Kompromiss. Ist damit – wie beispielsweise bei Tageszeitungen, Versicherungen, Apotheken usw. – ein hohes Wertpotenzial verbunden, gerät die Branche ins Rutschen. Jetzt besteht für alle Beteiligten akuter Handlungsbedarf. Jeder muss sich bewegen, um dem neuen Kompromiss erneut gerecht zu werden.

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So manches Zeitungsinserat hat einfach Charme. Hier sind Veränderungen schwer vorstellbar. Die elektronische Kleinanzeige im Bereich Gebrauchtwarenoder Immobilienmarkt ist allerdings der traditionellen überlegen.

für die Apotheker und deren Verbände – sie machen sich mittlerweile berechtigte Sorgen um ihr Verkaufsmonopol. Die virtuelle Konkurrenz aus dem Ausland lehnen sie aus nahe liegenden Gründen ab. Zum einen fürchten sie um den eigenen Geldbeutel, zum anderen sehen sie die Gesundheit des Verbrauchers in Gefahr, da man beispielsweise Patienten nicht ausreichend über das Internet beraten könne. Es gibt in Deutschland etwa 45.000 zugelassene Medikamente. Diese sollten grundsätzlich nicht ohne Beratung abgegeben werden, meint beispielsweise der Bayerische Apothekerverband. Der Hausapotheker wisse um die Beschwerden seiner Patienten und könne dies bei der Abgabe von Medikamenten auch berücksichtigen. Das Internet sei eher etwas für gebildete, junge Menschen, die den Rat des Apothekers nicht benötigten. Ältere Menschen bräuchten dagegen einen Ansprechpartner, dem sie vertrauen.3 Bei Internet-Apotheken wie etwa beim holländischen Anbieter Doc Morris (www.docmorris.de) könnten die Kunden bei Problemen lediglich bei einer Hotline anrufen. Und noch etwas stört die Apotheker und deren Bundes- sowie Landesverbände gewaltig: die „Rosinenpickerei“ der virtuellen Konkurrenz. InternetApotheken würden sich vor allem auf hochpreisige Präparate konzentrieren, während Offizinapotheken ein weit größeres Sortiment vorhalten müssten. Während über Doc Morris noch heftig gestritten wird, haben zum Beispiel einige Betriebskrankenkassen (BKK) bereits Tatsachen geschaffen. Sie akzeptieren Direktabrechnungen der holländischen Internet-Apotheke. Ihre etwa 25.0000 Versicherten können rezeptpflichtige Medikamente über die Site von Doc Morris bestellen – sie müssen lediglich das Originalrezept mitschicken. Die Medikamente werden dann von Kurierdienstfahrern ausgeliefert und dem Kunden persönlich ausge-

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händigt. Das derzeit für deutsche Kunden eigentlich verbotene Angebot der Internet-Apotheke umfasst verschreibungspflichtige und rezeptfreie Medikamente. Dazu gehören auch Präparate, die in Deutschland gar nicht zugelassen sind, wohl aber in Holland oder in anderen europäischen Ländern. Nach Angaben der Landesarbeitsgemeinschaft BKK sind Arzneimittel bei Doc Morris um 15 bis zu 60 Prozent billiger als in herkömmlichen Apotheken. Kein Wunder – ist das niederländische Unternehmen ja nicht an die deutsche Festpreisregelung für Medikamente gebunden. Doc Morris startete im Juni 2000 und hat nach eigenen Angaben mittlerweile 700.000 Kunden, die der Web-Apotheke mehr als 4 Millionen Rezepte anvertrauen und damit 25 Millionen Euro gespart haben.4 Zusätzliche elektronische Dienstleistungen im Web können sich mithin vollkommen unterschiedlich auswirken. Einmal, wie im Fall des ZDF, ist nicht so recht klar, was es überhaupt bringen soll. Ein anderes Mal, wie z. B. bei den Versicherungsdienstleistungen und den Medikamenten, wird sich möglicherweise eine ganze Branche vollkommen verändern. Kann unter diesen Voraussetzungen überhaupt im Vorfeld erkannt werden, welche Auswirkungen die Einbeziehung des Internet für das Produkt-Management hat? ZUR BEANTWORTUNG dieser Frage und zur besseren Einschätzung möglicher Konsequenzen des Internet-Einsatzes helfen die Überlegungen von Evans und Wurster.5 Im Normalfall, so die beiden Autoren, ist jedes Geschäft ein Kompromiss zwischen Güter- und Informationsökonomie. Beispiel: Regale – sie wirken auf der einen Seite im Sinne einer Reklame-Tafel (Information), auf der anderen Seite fungieren sie aber auch als Lager (und sind damit ein gegenständliches Gut). Information kann gar nicht genug fließen – es ist

Die Frau am Kiosk ist dem anonymen Internet-Anbieter überlegen. Sie kennt die Wünsche und Vorlieben ihrer Kunden genau und schafft über das ein oder andere „personalisierte Schwätzchen“ Kundenbindung. Ein gutes Vorbild für den Marken-Anbieter im Web. Mit einer solchen kundenbezogenen Reichhaltigkeit kann er gegen den freien Internet-Anbieter konkurrieren. Dieser ist ansonsten im Vorteil, hat er doch die wesentlich höhere Reichweite. Denn das Versicherungsportal bietet z. B. Policen vieler Anbieter an – die einzelne Versicherung kann dagegen nur auf ihr eigenes Portfolio verweisen.

immer gut, seiner Kundschaft möglichst viele Ausprägungen eines Produkts präsentieren zu können. Das Lager und damit der wirtschaftliche Bestand dagegen kann aus Kostengründen gar nicht klein genug sein. Im Ladengeschäft muss daher prinzipiell ein Kompromiss zwischen Warenpräsentation und wirtschaftlichem Bestand gefunden werden. Der logistische Imperativ steht im Widerspruch zum informatorischen Imperativ. Dieser Kompromiss wird noch durch eine andere Sache erschwert: Die reine Ökonomie eine Gutes und die reine Ökonomie einer Information unterscheiden sich nämlich grundsätzlich. Information lässt sich kostenlos reproduzieren, Güter nur zu den Herstellungskosten. Güter nutzen sich ab, Informationen nicht – sie werden höchstens obsolet oder falsch. Güter existieren raumgebunden und unterliegen einer Rechtsprechung. Informationen sind überall und nirgends. Die Güterproduktion skaliert nicht linear – eine Verdopplung landwirtschaftlicher Arbeit beispielsweise verdoppelt nicht deren Ertrag. Bei Informationen hingegen ist die Ausbeute geradezu perfekt. Dieser Kompromiss zwischen Güter- und Informationsökonomie erzeugt eine Spannung. Sie ist mitunter so groß, dass der ökonomische Wert gemindert wird. Dieser unterdrückte Wert ist seinerseits jetzt das gesuchte Maß für die Auswirkungen elektronischer Online-Dienstleistungen auf das traditionelle Geschäftsmodell. Es wird immer dann durch das Internet zu großen Veränderungen kommen – auch wenn diese von Anfang an vielleicht gar nicht geplant sind – wenn ein hoher Wert unterdrückt wird. An dieser Stelle macht es Sinn, sich als Beispiel noch einmal die eingangs erwähnte Zeitungsbranche vorzunehmen. FAZ und Süddeutsche präsentieren sich zwar im Netz, eine hohe Wertschöpfung scheint damit bisher

aber nicht verknüpft zu sein. Die Zeitungsmacher können sich vordergründig also durchaus Zeit nehmen, ihre Internet-Auftritte zu konzipieren und im Extremfall vielleicht sogar aus Kostengründen auf eine Web-Präsenz verzichten. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu und das ist auch oben bereits angeklungen: Die Zeitungsbranche verfügt nämlich traditionell über eine horizontal und vertikal integrierte Wertekette. Sie wirkt als Vermittler zwischen Journalisten, Inserenten und Lesern. Journalisten und Inserenten liefern das Manuskript, die Redaktion übernimmt das Layout, die Druckerpresse druckt das physische Produkt und das Distributionssystem liefert die Zeitung am frühen Morgen aus. Diese vertikale Integration einer ganz normalen Tageszeitung bringt den Vorteil mit sich, dass wegen der Größenvorteile im Druckbereich und wegen des Distributionssystems Zeitungen Produkte und Services bündeln können: Der Leser findet am Morgen in Form seiner Tageszeitung ja im Grunde alles mögliche im Briefkasten: Inserate, Schlagzeilenwerbung, Börsenkurse, Beilagen, Fernsehprogramme, Comics etc. Diese Produkte nützen sich gegenseitig. Ist mit den redaktionellen Inhalten beispielsweise nur schwer Geld verdient, lassen sich mit anderen Angeboten dagegen leicht Gewinne realisieren. Das Internet mit seiner neuen Informationsökonomie wird für die Zeitung mithin genau dann zum Problem, wenn es die einträglichen Geschäftsfelder negativ beeinflusst. Und genau das ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall, ist doch der Kleinanzeigenmarkt betroffen: Elektronische Anzeigen sind einfach aktueller, ausführlicher, interaktiver und systematischer als ihr gedrucktes Pendant. Daraus aber beziehen die Zeitungen 40% ihrer Einnahmen. Hinzu kommt noch, dass das Anzeigengeschäft nur 10% der Gesamtkosten ausmacht. Diese Gewinnspanne von 75% sichert das Überleben

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Das Anzeigengeschäft bringt 40% der Einnahmen, macht aber nur 10% der Kosten aus. Das sichert das Überleben der Tageszeitungen. der meisten Tageszeitungen. Der Produktmanager muss sich in diesem Fall also sehr wohl Gedanken darüber machen, in welcher Form ein Internet-Auftritt seinem Angebot nützt. Die Leserschaft wird zwar in Zukunft nicht vorrangig die elektronische Zeitungen nachfragen. Sie wird aber höchstwahrscheinlich ihre Anzeigen mehr und mehr im Web nachsuchen und auch schalten. Der Zeitungsmacher muss also seinerseits frühzeitig ein eigenes Online-Anzeigenangebot in seinen traditionellen Print-Auftritt integrieren, wenn er das einträgliche Geschäftsfeld nicht ganz verlieren will. Die elektronische Sekundärdienstleistung im Internet ist mithin in diesem Fall ein klares Muss. Und es ist auch bereits vorgegeben, was der Web-Auftritt in erster Linie beinhalten und wie er aussehen sollte. Schwerpunkt muss für die Tageszeitungen das elektronische Inserat sein. Produktmanager müssen sich bei der Bewertung des Webs im Bezug auf ihr Portfolio also generell folgende Frage stellen: Wo stellt Information einen Wert in der aktuellen Lieferkette dar und wie hoch ist das Wertpotenzial? Je größer dieses Potenzial, desto größer der Einfluss der sich wandelnden Informationsökonomie. Diese neue Informationsökonomie wirkt sich noch in einer anderen Art und Weise aus: Ist Information nach Evans und Wurster6 in physische Zustellungsarten eingebettet, existiert traditionell ein fester Kompromiss zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite. Bis vor kurzem konnten reichhaltige Informationen, also qualitativ hochwertige Informationen, immer nur einer kleinen Personenzahl zugänglich gemacht werden. Es war tatsächlich unmöglich, ein Maximum an Qualität gleichzeitig beliebig vielen Menschen zukommen zu lassen. Dieser Kompromiss ist das Kernstück der alten Informationsökonomie. Wie hat man sich das genau vorzustellen? Zum Verständnis dient zunächst einmal eine Definition der Begriffe: Die Reichweite bezeichnet die Anzahl der Personen, die Informationen austauschen. Die Reichhaltigkeit einer Information kann sein: ihre Bandbreite (Informationsmenge pro Zeiteinheit), ihre individuelle Anpassung, ihre Interaktivität, ihre Zuverlässigkeit, ihre Sicherheit oder auch ihre Aktualität. Ein Fachhändler beispielsweise, der zahlreiche Produktschulungen besucht hat und seit Jahren Artikel der gleichen Art anbietet, ist in der Lage, mit seiner Kundschaft kompetente Beratungs-

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gespräche zu führen. Die Reichhaltigkeit ist in diesem Fall hoch. Leider dauert eine Kundenberatung dementsprechend lang und der Händler kann pro Tag nur eine Handvoll Kunden bedienen. Seine Reichweite ist daher gering. Ganz anders liegt der Fall bei einer Warenpräsentation im Versandhauskatalog. Hier ist die Reichweite wesentlich größer. Der druckfrische Katalog kann – nur durch das vorhandene Budget begrenzt – gleichzeitig an viele tausend Kunden verschickt werden. Zuhause wird der Katalog dann in der Regel zunächst einmal weggelegt und bei Gelegenheit immer wieder mal durchgeblättert, bis es möglicherweise zu einer Bestellung kommt. Jedem einzelnen Artikel wird aber im Katalog meist nur wenig Platz eingeräumt. Eine kleine Abbildung und ein bisschen Text, mehr steht dem Kunden an Information nicht zur Verfügung. Die Reichhaltigkeit ist gering. Schon diese beiden Beispiele zeigen: Eine vergrößerte Reichweite muss um den Preis eingeschränkter Reichhaltigkeit erkauft werden. Ganz anders stellt sich in einigen Fällen die Sache dar, wenn das Internet hinzukommt. Die Reichweite dieses Mediums ist hoch und wächst auch heute noch. In vielen Fällen kann aber gleichzeitig eine relativ hohe Reichhaltigkeit angeboten werden, jedenfalls eine höhere, als das mit konventionellen Mitteln bei vergleichbarer Reichweite möglich wäre. Der Kunde kann sich die Produkte im virtuellen Laden beispielsweise ähnlich gut wie im wirklichen Laden betrachten. Er kann auf die Bauteile klicken und bekommt eine Erklärung geliefert, fast so gut, als wenn er einen Verkäufer gefragt hätte. Er kann so lange konfigurieren, bis das gesuchte Produkt genau seinen Wünschen und seinen Preisvorstellungen entspricht. Natürlich ersetzt das virtuelle Geschäft nicht den realen Laden. Aber die Reichhaltigkeit ist für die vorhandene Reichweite mitunter doch hoch. In der entsprechenden Branche wird sich etwas bewegen, denn der Kompromiss zwischen Reichweite und Reichhaltigkeit hat sich verschoben. Alle beteiligten Intermediäre (Händler, Vertriebsbeauftragte, Call Center etc.) werden ihre Position wohl oder übel überdenken müssen, wenn sie nicht auf Dauer rückläufiges Geschäft hinnehmen wollen. In Branchen wie zum Beispiel Printmedien, Versi-

Die Reichhaltigkeit des Internet ist für die vorhandene Reichweite zu hoch. Das bringt Probleme, wenn das freigesetzte Wertpotenzial hoch genug ist.

cherungen, Banken und Pharma wird dies sicherlich der Fall sein. Die betroffenen Produktmanager haben hier eigentlich nur die Chance, sich selbst auf das Internet einzulassen. Es besteht entschieden Handlungsbedarf. Sie können allerdings nur über die Reichhaltigkeit mit freien Anbietern aus dem Web konkurrieren. Bezüglich der Reichweite ist das in den meisten Fällen unmöglich. Freie Internet-Portale beispielsweise, die alle verfügbaren Versicherungen im Netz anbieten, sind einer Allianz immer überlegen: Diese kann im Netz immer nur ihre eigene Dienstleistung, zu ihren eigenen Konditionen anbieten und muss in Kauf nehmen, dass es immer irgendeinen Anbieter gibt, der noch etwas bessere Leistungen anbieten kann. Zwei Möglichkeiten bleiben der Allianz, die sie möglichst beide nutzen sollte. Zum einen kann sie die produktbezogene Reichhaltigkeit erhöhen, um gegenüber dem konkurrierenden freien Web-Angebot bestehen zu können. Aktuelle, tiefgehende Produktinformationen können dem Kunden angeboten werden und Mar-

ken sollten genutzt werden. Auch kann der traditionelle Vertrieb eng mit dem eigenen Web-Auftritt verzahnt werden. Ein Klick muss dem Kunden beispielsweise genügen, um mit dem zuständigen Außendienstler in Kontakt treten zu können, falls noch Fragen sind oder eine weitergehende Beratung gewünscht wird. Auch sollte der Außendienst möglichst immer automatisch informiert werden, wenn ein Kunde im entsprechenden Zuständigkeitsbereich sich im Internet-Auftritt der Allianz für ein bestimmtes Angebot weitergehend interessiert. Zum anderen sollte auch die so genannte kundenbezogene Reichhaltigkeit erhöht werden. Kundenspezifische Informationen müssen dazu für ein kundenspezifisches Marketing gesammelt und genutzt werden. Kundenbezogene Reichhaltigkeit bedeutet immer auch Personalisierung, das heißt auf den einzelnen Kunden hin individuell zugeschnittenes Marketing. So muss auch der Web-Auftritt des Marken-Anbieters immer darauf ausgerichtet sein, den Kunden von Visit zu Visit besser kennen zu lernen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Informationweek, Ausgabe 4 2002, www.informationweek.de, abgerufen 21. februar 2002 2

-Market, www.emar.de, abgerufen am 29.01.2004

3

Informationweek, Pillen per Mausklick, Ausgabe 7 vom 28. März 2002 4

5 Vgl. hierzu beispielsweise Evans, P. B. und Wurster, T. S.: Strategy and the New Economics of Information, Harvard Business Review, 09/10 1997, S. 74 6 Vgl. Evans, Philip u. Wurster, T.: WEB ATT@CK, Hanser, München 2000

www.docmorris.de, abgerufen am 29.03.06

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Online-Produktpolitik

PRAXIS Elektronische Auftragsverfolgung

Ferndiagnose

Mit einer ganz bestimmten elektronischen Sekundärleistung lässt sich die Wertschöpfungskette eines Druckprodukts optimieren: Mit der elektronischen Auftragsverfolgung. Eine Studie an der Stuttgarter Hochschule der Medien kommt zu dem Schluss, dass web-basierte Auftragsmanagement-Lösungen wie beispielsweise Danka DirectPrint dem Druckdienstleister oder auch einer Hausdruckerei messbare Vorteile bringen.1 Besonders im Digitaldruck-Bereich mit typischerweise kleinen Auflagen und hoher Auftragsfrequenz sind neue Strategien gefragt. Vor diesem Hintergrund nimmt die Studie die Wertschöpfungskette in Druckereien ins Visier. Je nach Auftragsstruktur lassen sich schon in den ersten fünf Jahren reale Kosten im sechsstelligen Bereich einsparen. Gespart wird vor allem durch das Vermeiden von Rückfragen, weil bereits bei der digitalen Auftragsvergabe alle wichtigen Präzisierungen gemacht werden müssen. Durch transparente Online-Kalkulation, zeitlich und geografisch unabhängige Auftragserteilung und die implementierte Auftragsverfolgung erhöht sich auch die Kundenbindung deutlich. Die betriebswirtschaftliche Beurteilung deckt erhebliche Kostenvorteile für den Druckdienstleister vor allem dann auf, wenn das web-basierte Auftragsmanagement-System konsequent in den Gesamtprozess integriert wird. Denn die Mitarbeiter wenden kaum noch Arbeitszeit für die reine Auftragsorganisation auf und können statt dessen produktivere Aufgaben im Unternehmen wahrnehmen. So kann sich eine DirectPrint-Lösung nach 14 bis 18 Monaten amortisieren – ab diesem Zeitpunkt schlagen sich die Einsparungen real im Betriebsergebnis nieder. Und die können sich sehen lassen. Nach fünf Jahren belaufen sich die Personaleinsparungskosten bereits auf durchschnittlich rund 110.000 Euro. Bei Implementierungskosten von knapp 15.500 Euro ergibt sich somit ein erhebliches Rationalisierungspotenzial.2

Auch die Ferndiagnose ist ein produktpolitisches Instrument im Online-Marketing. Produkte mit niedrigem E-Share, wie beispielsweise Maschinen, profitieren damit vom Internet-Einsatz. Mit „Heires“ entwickelte die Heidelberger Druckmaschinen AG beispielsweise ein intelligentes Service- und Supportsystem mit Fernzugriff. Damit gewann sie in der Kategorie Großkonzerne den Wettbewerb Anwender des Jahres 2005. Druckmaschinen sind komplexe Anlagen, die jahrelang möglichst rund um die Uhr im Kundeneinsatz „drucken“ sollen. Um dieses sicherzustellen, ist neben einer hohen Produktqualität auch ein exzellenter Service mit kurzen Reaktions- und Instandsetzungszeiten unabdingbar. Zur Erfüllung dieser Serviceanforderungen nutzen die Experten beim Marktführer Heidelberger Druckmaschinen AG (Heidelberg) die neuen Möglichkeiten des Remote Service. Das Projekt Heires (Heidelberg Remote Services) entwickelte dazu eine globale, Internet-basierende Serviceplattform, die Informationen über Zustand und Fehlersituationen der Maschinen global erfasst und für Heidelberg-Techniker bereitstellt. Darüber hinaus dient das System als Zugriffsplattform auf die angeschlossenen Maschinen und gewährleistet den sicheren, interaktiven Zugang von Experten über das Internet für die Störungsbehebung und für Trainings. Die Experten betreuen Druckereien von 250 Vertriebs- und Service-Stützpunkten aus in 170 Ländern. Ruft der Kunde wegen eines Problems an, haben die Spezialisten anhand der gesammelten Informationen schon erste Anhaltspunkte über den Hintergrund der Schwierigkeiten. Für eine effiziente Analyse der übermittelten Diagnosedaten steht ein selbstlernendes Expertensystem bereit, welches die empfangenen Daten auswertet und basierend auf dem gespeicherten Expertenwissen Lösungsvorschläge erstellt. Diese Schnittstelle wurde im Projekt Heires so integriert, dass weltweit alle Heidelberg-Techniker darauf zugreifen können.1

1 Die Studie steht zum Download bereit unter www. danka.de 2 Vgl. o. V.: Auftragsmanagement via Internet. Einsparungen im sechsstelligen Bereich, BA Beschaffung aktuell, Heft 9, 2005, S. 68

1 Vgl. o. V.: Sex and Druck and Rock´n´Roll, Computerwoche, 18.11.2005, Nr. 46 Seite 26-27

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Remote Control

Ersatzteile online

Die Windows Server Update Services (WSUS) ermöglichen es IT-Administratoren, die Windows-PCs in ihrem Unternehmen verwalten, mit den allmonatlich veröffentlichten Sicherheitsupdates von Windows zu versorgen. Dabei behalten sie stets die Kontrolle darüber, welche Updates die PCs automatisch installieren, und können neue Patches zunächst ausgiebig testen. So lässt sich das Risiko minimieren, dass ein neues Microsoft-Update wichtige Produktionsrechner außer Gefecht setzt. Der neue Update-Server WSUS beschränkt sich aber nicht mehr nur darauf, Windows mit kritischen Sicherheitsupdates zu beliefern: Microsoft versorgt nun auch auch Office und die Server-Produkte Exchange sowie das Datenbankprodukt SQL-Server. Neben den sicherheitsrelevanten Paketen kann der Server jetzt auch Updates anderer Kategorien, etwa weniger dringliche Updates, neue Funktionen und Treiber ausliefern. Der Administrator kann dabei im Detail bestimmen, für welche Produkte WSUS die Updates aus dem Internet herunterladen und ausliefern soll. Er kann per Knopfdruck Berichte abrufen und auf einen Blick erkennen, welche seiner Client-PCs Updates installiert haben und ob dabei Probleme aufgetreten sind. Der Server kann sogar eine Liste der Client-PCs erstellen, für die ein neues Update relevant ist, bevor es zum Einspielen freigegeben wird. Die betreuten PCs lassen sich in Gruppen verwalten. So kann eine Gruppe mit Test-PCs neue Updates zunächst „vorkosten“, bevor der Administrator die Installation in der Produktionsumgebung erlaubt. Die Web-Oberfläche des Update-Produkts ist mit Bildschirmtexten ausführlich in deutscher Sprache dokumentiert. Berichte, die der Server aus der darunterliegenden Datenbank generiert, informieren den Administrator, welche Arbeitsstationen neue Updates erfolgreich installiert haben und welche nicht.1

motoso.de ist eine Plattform für den Verkauf von neuen und gebrauchten Ersatzteilen für Pkw, Motorräder und Wohnmobile. motoso bringt private und gewerbliche Anbieter mit ihren Teileangeboten und -bedürfnissen zusammen. Seit dem Start von motoso im Oktober 2004 nutzen nach Unternehmensangaben monatlich mehr als 350.000 Besucher die Seite. Was sie in motoso gezielt finden können, sind Ersatz- und TuningTeile aller Art, vom Austauschmotor über Felgen bis hin zur Zündkerze. Verkäufer der Teile sind Hersteller, Groß- und Fachhändler, Teileverwerter und Privatleute. Aber auch Werkstätten und Autohäuser bieten Lagerüberbestände oder längst vergessene Altteile an. Inseriert werden die Teile mit Beschreibung und Bild in von der Plattform vorgegebenen Kategorien. Inserate sind für Privatanbieter grundsätzlich kostenlos. Gewerbliche Anbieter zahlen nach einer zweimonatigen kostenlosen Testphase eine gestaffelte monatliche Pauschalgebühr in Abhängigkeit von der Anzahl der eingestellten Teile. Darüber hinaus entstehen für Inserenten keinerlei Kosten oder Gebühren. Teile zu suchen ist für jeden kostenlos. Auch mit dem Verkauf an sich hat motoso nichts zu tun. Preisfindung und die Verkaufs- und Zahlungsmodalitäten regeln Verkäufer und Käufer grundsätzlich unter sich. Damit auf motoso.de dennoch kein Schrott oder Teile minderwertiger Qualität angeboten werden, können Käufer eine Art Bewertung abgeben und Verkäufer mit der Funktion „fehlerhaftes Inserat“ abwerten, wenn Produktbeschreibung und -beschaffenheit nicht übereinstimmen. Auf der Teilebörse, die noch als Geheimtipp gilt, tummeln sich überwiegend Auto-Enthusiasten. Das hat sich auch in großen Unternehmen herumgesprochen, denn neuerdings nutzen auch „Schwergewichte“ wie das Mercedes-Benz Altteile-Center in Stuttgart motoso.de als zusätzlichen Absatzkanal für ihre Sortimente.1

1 Vgl. Finkenzeller, S.: Microsoft-Updates via WSUS im LAN ausliefern und bequem verwalten, c‘t - Magazin für Computertechnik 14/05, Seite 178

1

Vgl. Schlieben, F.: Zweite Chance, AUTO SERVICE PRAXIS, Heft 2/2006, S. 56-57

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Online-Produktpolitik

Literatur ... ... zum weitergehenden Studium der Online-Produktpolitik

Photo: Marinela Sotoncic (stock.xchng)

Kunden kaufen online nur, wenn sie sich einen Zusatznutzen davon verspechen. >Anderson, David M.: Build-to-order & mass customization, Cambria, Calif. 2004 >Barbknecht, Christian: Konzeption und Aufbau eines Kundeninformationssystems für Online – Shops, Stuttgart, Fachhochschule, Dipl.-Arb., 2000 >Bauer, Hans: Nutzenorientierte Markenführung im Internet, Universität Mannheim, Institut f. Marktorientierte Unternehmensführung, Mannheim 2004 >Blecker, Thorsten und Friedrich, Gerhard (Hrsg.): Mass customization, New York 2006 >Chandra, Charu und Kamrani, Ali: Mass customization, New York u.a. 2004 >Fassott, Georg: Dienstleistungspolitik industrieller Unternehmen. Sekundärdienstleistungen als Marketinginstrument bei Gebrauchsgütern, Wiesbaden 1995 >Forza, Cipiano und Salvador, Fabrizio: Product information management for mass customization, New York 2006 >Grabosch, Uwe: Mass customization in der privaten Krankenzusatzversicherung, Karlsruhe 2004 >Grasmugg, Stefan: Mass Customization als strategische Anwendung des Electronic Business, Lohmar

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u.a. 2006 >Hackenschuh, Katrin M.: Der Tageszeitungsverlag im digitalen Wettbewerb, Baden-Baden 2004 >Herbst, Dieter: E-Branding - starke Marken im Netz, Berlin 2002 >Jacob, Frank: Produktindividualisierung, Wiesbaden 1995 >Kaplan, Andreas M.: Factors influencing the adoption of mass customization, Göttingen 2006 >Kiss, Greg: Wirkung interaktiver Markenauftritte im Internet, Berlin 2005 >Kreuzer, Michael: Die praktische Relevanz von mass customization, Bern 2005 >Loose, Sascha: Strategische Markenführung von Online-Marken, Diplomica 2002 >Matzdorf, Stefan: Ansätze zum Aufbau von Marken im Internet, Marburg 2003 >Meffert, Heribert: Führung von Marken im Internet - ein modellbasierter empirischer Ansatz, Münster 2002 >Moon, Michael und Millison, Doug: Brandheisse Marken, Regensburg 2002 >Nitschke, Dirk: Marketing im Internet, Produkt, Kommunikations- und Distributionspolitik im Business-ToConsumer-Bereich, Ulm, Univ., Diplomarbeit, 2002 >Payer, Margarete: Entwicklung eines deutschen Regelwerks für Online-Kataloge, Stuttgart, Fachhochschule, Dipl.-Arb., 2004 >Piller, Frank Thomas: Mass Customization, Wiesbaden 2006 >Seibold, Felix: Entwurf eines Gateways zur Internetfähigen Ferndiagnose von Systemen mit CANopen basierter Kommunikationsstruktur am Beispiel einer professionellen Kaffeemaschine, Ulm, Univ., Diplomarbeit, 2003 >Schneider, Paul: Produktindividualisierung als Marketing-Ansatz, St. Gallen, Univ., Diss., 1998 >Sewart, Bettina: Kundenindividuelle Turnschuhe, Chemnitz, Techn. Univ., Magisterarb., 2004 >Thuet, Nadine: Digitalisierbare Produkte im Internet, Konstanz, Univ., Diplomarb., 2001 >Vath, Nuria, Hasselhorn, Marcus und Lüer, Gerd: Multimedia-Produkte für das Internet, München u. a. 2001 >Yom, Miriam: Web usability von Online-Shops, Göttingen 2003 >Zacharopoulos, Dionysis: The influence of mass customization on distribution logistics, Offenburg, Fachhochschule für Technik u. Wirtschaft, Master Thesis, 2005

Instrumente der Produktpolitik Vier Gestaltungselemente stehen dem Online-Produktmanager prinzipiell zur Verfügung

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elche Gestaltungselemente stehen dem Produkt-Manager im e-business zur Verfügung? Um sein Produkt online weiterzuentwickeln kann er auf Methoden der Marktforschung, auf Produktindividualisierung, auf die Ergänzung um elektronische Sekundärdienstleistungen und vor allem auch auf die Gestaltung des Marken-Images zurückgreifen. >Marktforschung e-business bietet viele Möglichkeiten, Kundenadressen und Präferenzen zu erfahren. So besteht z. B. die Chance, Kunden in die Produktentwicklung einzubeziehen. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist Fiat: Kunden stellen über die Fiat-Website aus Design- und Ausstattungselementen ihr Wunschauto zusammen. Über dreitausend Rückmeldungen flossen so in ein Punto-Modell

später tatsächlich ein.1 Aber Kunden können auch in die Markteinführung einbezogen werden. In diesem Zusammenhang ist eine ausgezeichnete Möglichkeit darin zu sehen, die heute so beliebten Online-Auktionen zur Ermittlung von Nachfragekurven für Produktneuheiten zu nutzen. Inzwischen geben die Nutzer jeden vierten Euro im Internet bei Auktionen aus, was eine Studie des Nürnberger Marktforschers GfK ergab. Demnach werden nicht nur Neuprodukte oder tatsächliche „Secondhand-Ware“ angeboten, sondern immer häufiger auch ‚neuwertige‘ Gebrauchsgüter. Was liegt da näher als ab und an einen Testballon zu starten? Welcher Preis beispielsweise für ein neu entwickeltes Produkt erzielbar ist, lässt sich nirgendwo sonst so gut ermitteln. Denn die potenziellen Kunden sind mit Lei-

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Den Charme des Handels mit Gebrauchtwaren, wie solchen Feuerwehrautos, hat eBay längst hinter sich gelassen. Immer häufiger werden auch neuwertige Gebrauchsgüter angeboten. Eine ideale Plattform für die OnlineMarktforschung.

denschaft dabei und dem Internet-Auktionshaus eBay sind neue Geschäftsfelder immer willkommen. „Wir pflegen eine offene Kultur“, sagt die Spitzenmanagerin und Vorstandschefin von eBay Meg Whitman ohnehin im Interview mit der Zeitschrift Capital. 220 Millionen Artikel wurden allein im ersten Quartal 2003 angeboten - in 18.000 Kategorien. Ob Babystrampler, Designerbrille, Automobil, Chanel-Kostüm, Digitalkamera, Kampfjet oder „Leuchtturm Helgoland mit Blinklicht 15 cm“ für vier Euro: Auf dem Online-Flohmarkt wird einfach alles gehandelt. Die Leidenschaft Schnäppchen zu machen und der Kick beim Steigern im virtuellen Auktionshaus sind ein Schlüssel zum Erfolg. „Du bist eBay-abhängig“, berichten Nutzer im virtuellen Cafe der Website, „wenn du die Silvesterparty um halb zwölf verlässt, weil die Auktion für ein supergünstiges Kochtopfset ausläuft.“ Im Land der Steuern und Abgaben wachsen Sparfüchse über sich hinaus. „Die Deut-

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schen suchen hartnäckig nach dem besten Preis und sind leidenschaftliche Sammler“, sagt Philipp Justus, Geschäftsführer von eBay Deutschland im Interview zur Zeitschrift Capital. Das Jagdfieber hat längst auch die Prominenz gepackt. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch nutzt ebenso wie die Modedesignerin Jette Joop oder die TV-Moderatorin Carola Ferstl die Chance zum günstigen Online-Einkauf rund um die Uhr.3 Weitere wichtige Instrumente des e-business für die Marktforschung sind: Befragung über E-Mail und Virtuelle Gemeinschaften. >Produktindividualisierung Aber im Internet eröffnen sich noch ganz andere Chancen, was die Produktpolitik angeht. Hierzu gehört die Möglichkeit, für Kunden mit Hilfe des World Wide Web maßgeschneiderte Produkte zu entwickeln. Diese Produktindivi-

dualisierung (PI) wird auch als Mass Customization bezeichnet. Dabei werden individuelle Produkte zum Preis von Massenware angeboten. Wie ist das möglich? Prinzipiell gibt es im e-business drei Ansätze zur PI: einmal die Identifikation des besten Produkts, dann die so genannte Entbündelung von Produkten und schließlich die Einzelfertigung. Im Internet lässt sich sehr viel besser als im traditionellen Handel herausfinden, für was sich der Kunde wirklich interessiert. Verkaufsgespräche laufen konventionell ja meist so ab, dass Käufer und Verkäufer zusammen um den heißen Brei herum reden. Der Verkäufer ist dabei oft viel zu sehr damit beschäftigt, den Kunden in eine für ihn günstige Position zu drängen, als dass ihm auffiele, was den Kunden tatsächlich umtreibt. Im Internet-Handel stehen dagegen beispiels-

weise das so genannte „Collaborative Filtering“ oder auch die „Clickstream-Analyse“ zur Verfügung. Diese Verfahren schließen aus bisherigem Kundenverhalten oder aus dem Verhalten ähnlicher Kunden, welche Produkte im vorliegenden Fall interessant sein könnten. Das ist sowohl für die Abnehmer als auch für die Anbieter interessant. So registrierte der Internet-Primus Amazon im ersten Quartal 2005 zwar steigenden Umsatz. Der Überschuss lag aber unter dem des Vorjahres. Der scharfe Wettbewerb zwingt auch Amazon, sich von anderen Internet-Firmen zu differenzieren. Neben Preisaktionen muss Amazon mit Marketingmaßnahmen wie der PI zu punkten versuchen. So berichtete beispielsweise MARKET am 18.09.2002: „Jedem Amazon-Kunden sein eigener Shop: Der weltgrößte Online-Händler setzt in Deutschland auf weitgehende Personalisierung. Unter der Rubrik ‚Mein Shop‘ finden registrierte User künftig eine individuell zusam-

Mehr maßgeschneiderte Angebote bringen mehr Kunden-Loyalität im Online-Handel. Bestes Beispiel: Amazon.

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mengestellte Produktauswahl, deren Zusammenset- Registrierte Kunden erhalten ihre aktuellen Nettopreizung auf dem bisherigen Nutzungsverhalten basiert. se online angezeigt, und die ausgelegte Pumpe kann Amazon orientiert sich dabei nicht nur an den bisheri- sofort bestellt werden. Die Aufträge laufen in das SAP gen Einkäufen, sondern auch an vorher aufgerufenen R/3-System des Herstellers ein und werden nach Freigabe durch den Produkt-Sites, am Innendienst diInhalt des Einrekt in die Fertikaufswagens und gungssteuerung an Artikeln, die übertragen. Die vom Kunden poPreisangabe sitiv bewertet wuraktualisiert sich den. Außerdem entsprechend fließen Umfragedem Ausleergebnisse mit gungsergebnis. ein. Für den gläDer in Deutsch, sernen Kunden Englisch und bleibt der Trost, Französisch verdass er seinen eifügbare Konfigugen Shop mitgerator ist ein Teil stalten kann: Es des Webshops. bleibt ihm überIn diesem sind lassen, Produktrund 3.000 Pumlinien hinzuzufüpen und Armatugen oder einzelne ren sowie rund Amazon-Vorga500.000 Ersatzben zu löschen.“4 teile aufbereitet.6 Unter den Onlineshops weist Amazon Der Anbieter pc-sofort.de Der weitestgehende Ansatz bei der Produktindiaufgrund solcher Maß- vidualisierung ist die Einzelfertigung. Bei Dolzer hat in seinem Internet Shop nahmen denn auch die unter der gleichnamigen können Kunden sich ihr maßgeschneidertes höchste User-Loyalität Domäne folgende LeistunOberhemd über das Internet bestellen. Zum auf. Dies ergab beigen realisiert: Das ProduktPreis von nur 50 Euro. spielsweise eine Studie programm umfasst rund des Marktforschungsin8.000 Artikel und „Bundles“, stituts Jupiter MMXI. Fast jeder zweite Besucher der die in Rubriken geordnet mit Preis, Bild und den weAmazon-Website im November 2001 hat sich im Fe- sentlichen technischen Daten vorgestellt werden. Der bruar 2002 wieder im Shop blicken lassen. Zum Ver- Nutzer erhält online Auskunft, wie teuer z. B. die Kongleich: Bei Tchibo.de kehrt nur jeder dritte Besucher figuration eines kompletten CAD-Arbeitsplatzes wird. zurück. Bei Quelle.de, einem eher traditionellen Ver- Registrierte Kunden bekommen über den Internetsandhaus mit zusätzlichem Web-Auftritt und auch bei Shop alle benötigten Produktinformationen sowie Otto.de ist es ungefähr sogar nur jeder Fünfte.5 Konfigurationsvorschläge, Lieferverfügbarkeiten und Die Entbündelung von Produkten in Einzelkompo- -termine. Die Bestellung geht per E-Procurement dinenten ist eine weitere Möglichkeit der Produktindivi- rekt an den jeweiligen Lieferanten und wird dort audualisierung. Die Ware wird dabei bewusst in zahlrei- tomatisch in das Unternehmensinformationssystem che Einzelkomponenten zerlegt. Kunden setzen sich eingespeist. Lieferantenbeziehungen hat pc-sofort.de daraus ihr individuelles Produkt zusammen. Der Kon- derzeit zu Actebis, CoCreate, Computer 2000, Peafigurator muss dabei eng mit der Fertigungssteuerung cock, Maxdata, Hewlett-Packard und Workstations verzahnt sein. Ein Beispiel: Das Unternehmen KSB 2000 etabliert.7 Am weitesten gehen allerdings Ansätze zur Produktbietet die Möglichkeit, Pumpen im Internet zu konfigurieren und zu bestellen. Die Konfiguration umfasst individualisierung, die tatsächlich auf Einzelfertigung eine vollständige hydraulische Auslegung und die abzielen. Das ist immer dort relevant, wo Kunden SonAuswahl aller konstruktiven Optionen. Dabei wird der dermaße benötigen, wie zum Beispiel in der MöbelbranAnwender nach Fördermedium und Betriebspunkt be- che (etwa bei Einbauküchen) oder auch bei Konfektifragt. Nach der Selektion einer Baureihe wählt er eine on. Kleidung wird hier über das Web bestellt, nachdem Baugröße aus und konfiguriert diese. Sein kundenin- zuvor die Maße des Kunden eingescannt wurden. Bei dividueller Preis wird in einem Fenster ausgewiesen. dem deutschen Maßkonfektionär Dolzer beispielswei-

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se lässt sich der Kunde aus einer Vielzahl von Stoffen und Schnittvarianten sein individuelles Kleidungsstück erstellen. Im Dolzer-Onlineshop werden unter anderem maßgeschneiderte Hemden und Blusen zum Einheitspreis angeboten. Ein Konfigurator leitet den Kunden von der Stoffauswahl über Manschettenform bis hin zur Eingabe seiner Körpermaße (www.dolzershop.de).

Aber auch in der Abwicklungsphase sind elektronische Ergänzungen denkbar. Hier spielt vor allem die elektronische Auftragsverfolgung eine Rolle. Führend ist in diesem Zusammenhang sicherlich der PacketDienstleister United Parcel Service (UPS). UPS hat erst jüngst wieder 200 Millionen Dollar in Bluetoothund Mobilfunktechnik investiert. Kunden und Empfänger können damit noch effizienter via Internet abrufen, wo sich das >Ergänzung von ihnen versandum elektronite beziehungsweische Sekunse erwartete Paket därdienstleisgerade befindet. tungen Der Um diesen Service e-business-Prozu verbessern, duktmanager setzt der Pakethat noch ein dienstleister weltweiteres Werkweit auf Bluetooth zeug zur Hand: Produkte Über eine drahtlose Internet-Verbindung kann im und „Wifi-basierende“ Gemit niedrigem E-Share räte (das Kürzel steht für Audi A8 jederzeit die Software (beispielsweise können im Internet durch „Wireless Fidelity“), mit dezum Motormanagement) aktualisiert werden. Im Sekundärdienstleistunren Hilfe sich die entspreFalle einer Panne ist den Audi-Mechanikern die gen im Web ergänzt chenden Daten schneller Online-Ferndiagnose möglich. werden. Das ist in ganz zur Verfügung stellen lasPhoto: Rafael Prust (stock.xchng) unterschiedlichen Phasen. So sollen unter andesen denkbar. Beispielsweise während der Kunde sich rem Paketsortierer mit Bluetooth-Scannern ausgestatnoch in der Evaluationsphase befindet. Produktdemos tet werden, die sie am Mittelfinger tragen. Sie senden und gut navigierbare Produktkataloge im Web, genau- die Daten gemäß WLAN- Standard 802.11b an kleine so wie Konfigurationssysteme und „Frequently Asked „Wifi-Geräte“, die am Gürtel der Mitarbeiter befestigt Questions“ (FAQ) machen es dem Kunden leichter, sind. Von dort werden die Daten an das UPS-Netz sein Wunsch-Produkt zu identifizieren. Ein Beispiel weitergeleitet und sind dann im Internet verfügbar. für einen hervorragend ausgeführten Online-Katalog Auch die Auslieferungsfahrer werden entsprechend ist der Shop des Werkzeugherstellers Stehle, der sich mit „Wireless-Technik“ ausgestattet. Sie erhalten ein speziell an das Handwerk und den Fachhandel rich- neues Gerät, das ebenfalls drahtlos den Status der tet (www.stehle-int.com). Der elektronische Katalog Paketauslieferung kommunizieren kann.8 Selbst in der Nutzungsphase, wenn der eigentliche mit detaillierten Informationen zu Sägeblättern, Messerköpfen, Fräsern, CNC-Werkzeugen etc. bietet ver- Produktkauf mithin schon abgeschlossen ist, bieten schiedenste Suchmöglichkeiten und Produktdetails. sich noch zahlreiche elektronische ErgänzungsmögDurch Farbcodes und eindeutige Piktogramme wer- lichkeiten. Computer Based Training, virtuelle Geden die Interessenten zu den von ihnen gewünschten meinschaften, E-Mail-Beschwerde-Center, FerndiagWerkzeug-Gruppen geführt. Zu Beginn eines jeden nosen, Updates, Ersatzteil- und Zubehörverkauf sind Kapitels bzw. einer jeden Werkzeug-Gruppe steht der Schlagworte, die in diesem Zusammenhang diskutiert so genannte „Produktfinder“ zur Verfügung, der eine werden. Zusammen mit IBM hat beispielsweise Audi gezielte Werkzeugauswahl ermöglicht. Das Ablegen einen robusten und sicheren Internet-Zugang für seider ausgewählten Artikel in einen Warenkorb und die ne Premium-Autos vorgestellt. In dieser Form bisher Möglichkeit der anschließenden Online-Bestellung einmalig ist die fahrzeuginterne Kommunikation von Komponenten über ein optisches Bussystem mit dem sind ebenfalls Bestandteil des Internet-Auftritts.

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Internet-Protokoll TCP/IP. Erstmalig im automobilen Umfeld wird für die Kommunikation aus dem Fahrzeug heraus zunächst ein virtuelles, privates Netzwerk, eine Art Intranet, zwischen dem Fahrzeug und dem Audi-Portal aufgebaut. Der Fahrer erhält damit Zugriff auf zahlreiche Internet-Dienste. Zum Aufbau einer Kommunikation müssen sich beide Seiten erfolgreich gegenseitig identifizieren. Ein Highlight dieser automobilen Online-Lösung ist die Möglichkeit, die im Automobil arbeitende Software (beispielsweise zur Motorsteuerung) über das Internet automatisch zu aktualisieren. Notwendige Updates erfolgen drahtlos über Funk. Entscheidender Vorteil dieser Lösung: Die kurzen Innovationszyklen unterworfene Software passt sich so während der üblicherweise sehr viel längeren Lebensdauer des Fahrzeugs kontinuierlich dem neuesten Stand der Technik an. Mit dieser Verfahrensweise sind auch die Service-Dienste für den Kunden dynamisch weiter entwickelbar, ohne dass eine Änderung an der Hardware notwendig wird. Darüber hinaus ist die Anwendung so ausgelegt, dass es zukünftig möglich sein wird, Ferndiagnosen im Schadensfall zu stellen und eventuell sogar so genannte „Remote-Reparaturen“ per Software durchzuführen. Neu ist außerdem der Einsatz eines HTTP-Servers als Teil des Fahrzeug-Netzwerks. Er bietet die Möglichkeit,

Für den Online-Produktmanager ist die Gestaltung des Markenimage wichtig. Große InternetMarken sind auch bereits bei Wettbewerben mit ihren traditionellen Konkurrenten um die erfolgreichsten Marken ganz vorne.

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mit Standard-Internet-Browsern auf technische Daten im Fahrzeug zuzugreifen – eine wichtige Voraussetzung für zukünftige Diagnose-Applikationen. Der Monteur wird in Zukunft mithin drahtlos mit seinem Laptop durch die Technik des Fahrzeugs navigieren.9 Neben den Kostensenkungspotenzialen die solche elektronischen Sekundärleistungen bergen (UPS spart beispielsweise durch die Internet-basierte Möglichkeit der Paketverfolgung im Vergleich zu Verfolgung über Telefon 1,7 Millionen US $ im Jahr) führen sie auch zu erhöhtem Kundennutzen und damit zur Steigerung der Kundenbindung. >Gestaltung des Markenimage Mehr als in der traditionellen Offline-Welt muss der Internet-Anbieter zur Marke werden. Gerade auch hieran wird der Produktmanager arbeiten müssen. Die Online-Kunden empfinden auf der einen Seite Unsicherheiten aufgrund der räumlichen Trennung vom Anbieter und auf der anderen Seite nicht zuletzt auch aufgrund der Anbieter-Vielfalt im Netz. Marken, denen der Kunde vertraut, erleichtern ihm in dieser Situation die Kaufentscheidung. Dabei spielt, insbesondere für neue Kunden, die Website-Gestaltung eine große Rolle. Hier wird Vertrauen z. B. durch „Response“-Möglichkeiten aufgebaut. Der Kunde sollte in jedem Fall den Anbieter

Dem Teddybären-Hersteller Steiff ist es gelungen, seine Marke ins Web zu transferieren. Die Händler (Galerien) sind integriert. Der Kunde bestellt bei einer Galerie seiner Wahl und bekommt die Ware in der Regel ein bis zwei Tage nach Bestelleingang. Als zusätzliches interaktives Element dient die Mitgliedschaft im Steiff-Club, der derzeit über 50.000 Mitglieder zählt. Für sie ist ein Teil des Web-Auftritts exklusiv reserviert.

unkompliziert per Mail erreichen und den dazu notwendigen „Mail-to-Button“ auch problemlos im Web-Auftritt lokalisieren können. Eingehende Anfragen sollten entsprechend schnell – spätestens innerhalb von acht Stunden – beantwortet werden. Die bedienerfreundliche Navigation durch das Web-Angebot baut NutzerUnsicherheiten ab. Gut sichtbare Sicherheitshinweise und Verknüpfung zu Internet-spezifischen Gütesiegeln dienen dem Vertrauensaufbau. Dieser wird auch durch den Einsatz virtueller Gemeinschaften begünstigt. Falls vorhanden muss in jedem Fall die traditionelle Marke ins Web transferiert werden. Kaufhof beispielsweise baut die Marke „Galeria Kaufhof“ gleichermaßen online wie offline aus. Unter www.galeriakaufhof.de sind die einzelnen Filialen stark vertreten. Der Internet-Auftritt dient dabei nicht nur als Vertriebskanal, sondern auch als Marketing-Instrument. Kommunikation, Information, Service und Kundenbindung werden intensiviert. Diese Verzahnung von Onlineund Offline-Aktivitäten stärkt Internet- und stationäres Geschäft.10 Im Wettbewerb um die erfolgreichsten Marken in Deutschland sind aber auch Online-Marken ohne traditionelle Vorgeschichte bereits vorne dabei. 2006 sicherte sich die Internet- Suchmaschine Google in der Kategorie „Stärkste Unternehmensmarke“ den ersten Platz – noch vor der Deutschen Lufthansa und Siemens (Sieger in 2004).11

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Iansiti, Marco u. a.: Developing products of internet time, HARVARD BUSINESS REVIEW , Heft: 10, 1997, S. 108-117 2

W&V Online-Magazin: Studie: Jeder vierte Euro geht bei Online-Auktionen über den Tisch, vom 06.09.2004 3 Aigner, T. Göttert, J.-M., Hagen, J., Jahn, T., Mayerhöfer, A., Stoll, T.: Ebay - Online-Auktionen: Sieben Millionen Deutsche steigern mit - Die neue Kauf-Lust, Capital vom 28.05.2003, Seite 68 4

MARKET WEBMAGAZIN: Amazon eröffnet individualisierte Kunden-Shops, vom 18.09.2002 5

Jahnke, K.: STUDIE: Deutsche sind loyale Online-Shopper, Amazon hat treueste Nutzer, HORIZONT 12 vom 21.03.2002, Seite 43 6

Pumpen im Internet konfigurieren, Process Magazin für

Chemie- und Pharmatechnik, Nr. 04 vom 31.03.2003, Seite 48 7 Elekronisch Einkaufen ist die Zukunft, CAD-Arbeitsplätze via Internet-Shop konfigurieren und bestellen, INDUSTRIE SERVICE, Verlag für Technik und Wirtschaft, Heft 12, Mainz 2000, S. 62 8 200-Millionen-Dollar-Projekt, UPS investiert in WirelessTechnik, Computerwoche, 09.07.2004, Nr. 28, S. 29 9 Internet im Auto. Stabiler, sicherer und leistungsfähiger Zugang, Markt und Technik, Heft 37/2001, S. 52 10

Kaufhof baut seine Marke im Internet aus, ACQUISA, Heft 12/2001, S. 51

11

Erfolgreichste Marken Deutschlands, „best brands“Award für Tchibo, Motorola, Google und UBS, medien aktuell vom 13.02.2006, S. 12

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Elektronische Kataloge

Mit der einfachen Übertragung eines Print-Kataloges ins Web ist es meist nicht getan.

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n der Evaluationsphase, mithin dann, wenn der Kunde noch auf der Suche nach der für ihn passenden Ware ist, sind Kataloge im Web eine Ergänzung des Produkts in Form einer elektronischen Sekundärdienstleistung. Sie sind damit auch Teil der Produktpolitik und bilden den wichtigsten Kommunikationskanal zwischen Hersteller und Käufer. Der elektronische Katalog stellt die Inhalte so zur Verfügung, dass der Nutzer sie effektiv durchsuchen, sofort verstehen und problemlos für Bestellungen verwenden kann. Es handelt sich bei solchen Katalogen um elektronische Dateien, in denen Produkt- und Dienstleistungsbeschreibungen an Kunden, Interessenten und Käuferunternehmen vermittelt werden. Es können ein paar wenige Produkte bis hin zu mehreren Millionen aufgenommen werden. Der Möbeltechnik-Hersteller Hettich hat seinen CD-Rom-Katalog für Händler, Handwerk und Endverbraucher mit 4.500 Produkten ins Internet gestellt

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(www.hettich.com). Dieses Projekt sollte aber bewusst über die in den 1990-er Jahren noch übliche Vorgehensweise hinausgehen, der zufolge konventionelle auf Papier gedruckte Kataloge ohne größere Anpassungen in eine elektronische Form gebracht wurden.1 Aber erst durch weitergehende Funktionen wird ein Online-Katalog auch tatsächlich zur ergänzenden elektronischen Sekundärdienstleistung und damit zum Instrument der Kundenbindung. Das Internet ist ein interaktives und ubiquitäres Medium, welches eine multimediale Darstellung von Produkten, sowie die Anbindung einer Fülle zusätzlicher Produktinformationen ermöglicht. Solche Informationen sind beispielsweise Käuferkommentare und -bewertungen, Diskussionsforen oder Käufergemeinschaften.2 Die Anforderungen von Seiten des Fertigungsunternehmens Hettich an die Internet-Lösung waren demzufolge auch vielfältig: So sollten die Katalogdaten der vorhandenen CD-ROM-Lösung einbezogen werden und zusätzlich

umfangreiche Produktinformationen wie zum Beispiel Zubehör, Ausführung, Bohrbilder etc. angelegt werden. Die Möglichkeit solche zusätzlichen Dateien (oder genauer: Referenzen zu zusätzlichen Dateien) anlegen zu können, sind eine prinzipielle Anforderung an die Katalog-Software, die auf jeden Fall erfüllt sein sollte. Hier können sich dann weiterführende Informationen zu den Produkten und Dienstleistungen in Form von PDF-Dateien befinden. Es könnten aber auch beispielsweise digitalisierte Videos sein, in denen z. B. Montageanweisungen gezeigt werden. Bei Hettich sollte der Katalog zudem mehrsprachig sein. Es gibt ihn auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch. Auch benutzer-spezifische Preise sind realisiert. Dazu wählte der Möbeltechnikhersteller die e-Business-Produktsuite von Myview aus. Diese ist so aufgebaut, dass die Informationsstrukturierung und Verwaltung für alle Anwendungen über ein Grundmodul realisiert werden; für den Aufbau kleinerer Anwendungen steht damit bereits eine Minimalkonfiguration bereit. Der weitere Ausbau der Anwendungen erfolgt je nach Einsatzbereich des Systems über die anwendungs-spezifischen Lösungsmodule wie „Catalogue“, „Shop“ oder „Project“. Für die Möbel verarbeitende Industrie hat sich der Einsatz des Zusatzmoduls „Catalogue“ bewährt. Dieser Industriezweig muss oftmals weltweit den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Zu ihnen zählen die Möbelindustrie,

der das Handwerk bedienende Fachhandel sowie die „Do-it-yourself-Branche“. Der Internet-Katalog ist bei Hettich direkt mit dem Warenwirtschaftssystem SAP R/3 verbunden. Jeder Internet-Besucher kann über einen einfachen Gastzugang Anfragen starten, Produkte suchen und bestellen. Eine solche Bestellung wird dann an einen Handelspartner in der Nähe des Kunden weitergeleitet. Handelspartner erhalten neben allen Informationen auch eine Preisliste, können den Warenkorb füllen und erhalten die richtigen Lieferpreise sämtlicher Stellgrössen und eine detaillierte Lagerbestandsauskunft. Die Preiskalkulation erfolgt über das angebundene SAP R/3. Tischler, Schreiner und Innenausbauer werden den Händlern zugeordnet. Diese Verarbeiter erhalten ebenfalls alle Informationen über die Produkte und zusätzlich eine Vorab-Preisliste mit ungefähren Preisen. Ihre Bestellung wird ebenfalls direkt an den Händler weitergeleitet. Der Händler entscheidet über die Preisgestaltung. In Zukunft soll der Handel seine kalkulierten Preise in die Datenbank stellen können. Bereits nach 12-monatigem Projektverlauf waren etliche Kunden an das Online-Bestellwesen angeschlossen. Zusätzlich gibt es im Internet mittlerweile einen „Do-it-yourself-Bereich“ für Verbraucher. Damit erfährt zum Beispiel der Heimwerker nach Eingabe der eigenen Postleitzahl, welche Baumärkte in der Nähe Hettich-Produkte führen. Zusätzlich kann der Ratsuchende sein Problem schildern und über das

Der elektronische Produktkatalog bei Hettich geht weit über einen PrintKatalog hinaus. Unterschiedliche Zielgruppen, wie Händler, Handwerker oder Heimwerker, erhalten auch unterschiedliche Informationen einschließlich individueller Preisangaben. Dazu ist das Katalogsystem mit dem Warenwirtschaftssystem verbunden.

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Internet einsenden – so wird der Online-Katalog zum Instrument der Kundenbindung.3 QUALITÄT UND QUANTITÄT der Informationen in elektronischen Katalogen hängen davon ab, bei welchen E-Commerce-Anwendungen der Katalog eingesetzt werden soll. Bei endverbraucher-orientierten Webshops sind die Produktinformationen werblicher und umfangreicher ausgelegt als im B2B-Bereich. Daher ist es wichtig zu entscheiden, welche Möglichkeiten des elektronischen Handels genutzt werden sollen. Ein typisches Beispiel für einen hochfunktionalen B2B-Katalog ist die Internet-Anwendung des Unternehmens Seebauer Leitungstechnik, das sich und seine Produkte unter www.seebauer-twist.de vorstellt.4 Seit 15 Jahren entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen vorisolierte, flexible Wasser- und Heizungs-Rohrleitungen sowie Zubehör. Die Produktserie Twist besteht aus Rohrleitungen, die endlos von der Rolle erdverlegt werden. Auch ohne Spezialwerkzeuge ist es mit diesen Systemen möglich, lokale Versorgungsnetze für Wärme und Wasser zu errichten. Ein umfassender Online-Katalog gibt Auskünfte zum Produktspektrum, zu Artikelbezeichnungen und Bestellmöglichkeiten von Twist. Im Bereich der Internet-Order

Seebauer betreibt unter www. seebauer-twist.de einen hochfunktionalen elektronischen Katalog im B2B-Bereich. Ein integriertes Online-Ausschreibungssystem erleichtert die Arbeit von Planern und Architekten, die so alle Spezifika der Rohrleitungen sofort in ihre Ausschreibungs- und Planungsunterlagen einfügen können.

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bietet Seebauer Zusatzleistungen wie personalisierte Warenkörbe an. Kunden die einen regelmäßigen Bedarf haben, können hier ihre Parameter eingeben, nach denen Ihnen die Ware geliefert werden soll. Ein weiterer Sektor des Internet-Auftritts beinhaltet die detaillierten Ausschreibungstexte aller Produkte und Zubehörteile. Dieses Online-Ausschreibungssystem erleichtert die Arbeit von Planern und Architekten, die so alle Spezifika der Rohrleitungen sofort in ihre Ausschreibungs- und Planungsunterlagen einfügen können. Vor der Installierung des Internet-Auftrittes trat Seebauer ausschließlich mit einem 36-seitigen Papierkatalog halbjährlich an seine Kunden heran. In einer Auflage von 40.000 Exemplaren entstanden dem Unternehmen Kosten von jährlich 120.000 Euro. Zusätzlich war diese Präsentationsweise nicht geeignet, kurzfristige Aktualisierungen an Produkten und Informationen vorzunehmen. Außerdem erreichte Seebauer mit dem Printkatalog in erster Linie seine bestehenden Kunden, Neukontakte erfolgten weitestgehend durch Empfehlungen. Die Daten des Printkatalogs dienten aber als Ausgangsbasis für den Online-Shop, wobei auch die bisher im Unternehmen verwendete Datenbank und das Warenwirtschaftsystem an die Katalog-Software angebunden wurden.

Der elektronische Katalog für MercedesBenz Gebrauchtfahrzeuge lässt die Kategorisierung nach unterschiedlichen Attributen zu. Produkte können nach Typ, Herkunft, Kraftstoffart, Ausstattungslinie, Lackierung, Erstzulassung, km und Preis sortiert werden.

Verschiedene Quellen bzw. Formate lassen sich so zusammenführen. Planer als auch der Handel sollen mit der Kataloglösung angesprochen werden. Unter den Rubriken News, Firma und Produkte erfahren registrierte Kunden und potentielle neue Handelspartner alle wesentlichen Informationen des Unternehmens. Hierbei wird ein direkter Draht zum Kunden aufgebaut, Online-Kontakt und Bestellvorgang verlaufen nicht anonym. Im Bestellkatalog finden sich alle SeebergerProdukte mit Abbildungen und den entsprechenden Produktdaten. Hat der Besucher seine gewünschten Artikel gefunden, generiert der Katalog aus dem Inhalt der Bestellliste ein Formular, das via E-Mail an Seebauer geleitet wird. Die Gefahr von Fehlbestellungen wird durch die Kopplung von bereitgestellten Bild- und Textdaten erheblich minimiert. Mehrere Features des Online-Kataloges bieten dem Kunden zusätzliche Sicherheit und Übersicht: Jeder Abnehmer errichtet sich nach der Registrierung optional personalisierte Warenkörbe. In ihnen kann er verschiedene Bestellvorgänge oder Aufträge ablegen, über ein Login jederzeit wieder aufrufen und modifizieren. Über die Eingabe der Kundennummer erhält er eine Aufstellung aller für ihn bestehenden Einkaufslisten. Seebauer gewährleistet durch die zügige Auftragsabwicklung via E-Mail einer

Liefersicherheit innerhalb 48 Stunden für jeden Artikel. Durch die Nutzung des preiswerten und aktuellen Mediums kann das Leitungsunternehmen zudem eine 12-monatige Preisgarantie aussprechen. Ein wichtiger Bestandteil des Internet-Auftrittes ist das integrierte Online-Ausschreibungssystem. Dahinter verbergen sich ausführliche Ausschreibungstexte zur Produktpalette, die sich direkt in Planungsunterlagen integrieren lassen. Der Planer hat so alle wichtigen Informationen zu den Leitungssystemen an der Hand und auf seinen Ausschreibungspapieren. An das System ist ein Auswahlvorgang gekoppelt, der die eruierten Rohre und Zubehörteile über Index und Suchformular findet. Aus dem Inhalt der zusammengetragenen Artikelliste entsteht dann ein RTF-Dokument mit den Ausschreibungstexten, das dem Architekten zum Download bereitsteht. Die Kommunikation zwischen Hersteller und Kunde verläuft durch größere Erreichbarkeit und weniger Telefonsupport direkter. Seebauers Detailangaben, Hilfestellungen und Verwendungstipps erleichtern die Geschäftsprozesse mit Baufirmen, Planern und Handwerkern.5 WEITERE WESENTLICHE EIGENSCHAFTEN elektronischer Produktkataloge sind: Die Navigation soll-

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te volltext-basiert und kontext-sensitiv möglich sein. Suchbegriffe sollten mithin nicht nur in den Produktbezeichnungen und Überschriften auffindbar sein, sondern im gesamten Text. Kontext-sensitiv bedeutet, dass auch der semantische Zusammenhang, in dem gesucht wird, Berücksichtigung findet. Sucht ein Kunde beispielsweise im elektronischen Katalog eines Computershops nach Service und einem bestimmten PC-Modell, sollten ihm keine Informationen für den Erwerb eines Neugerätes angezeigt werden. Auch die Suche nach verschiedenen miteinander kombinierbaren Kriterien (Preis, Größe, Farbe etc.) im Katalog ist wichtig. Diese Funktion wird in der Literatur auch als attribut-basiert bezeichnet. Die Attribute, auch Such- oder Stichwörter genannt, sind Informationen über Informationen, d. h. Meta-Beschreibungen. Sie dienen somit als Referenzen und zeigen, dass bestimmte Informationen existieren und wie auf diese zugegriffen werden kann. Beispiel wäre etwa eine Gebrauchtwagenbörse, bei der nach bestimmten Kriterien, Farbe, Baujahr, km-Stand etc. gesucht werden kann.6 Hyperlinks sollten im Katalog umfangreich verwendet und damit die unendliche Tiefe des Internet ausgenutzt werden. Erläuterungen zu allen Fachbegriffen beispielsweise sollten dem Kunden auf diese Art und Weise zugänglich sein. Bei Verlinkung auf externe Seiten ist allerdings Vorsicht geboten. Sie verursachen zum einen sehr hohen Wartungsaufwand, müssen sie doch regelmäßig auf Gültigkeit überprüft werden. Zum anderen ist mit der Verlinkung „nach außen“ immer auch die Gefahr verbunden, den Kunden zu verlieren.

Im Mercedes-Benz Gebrauchtwagen-Katalog ist die Suche nach über 30 miteinander kombinierbaren Kriterien möglich.

Die Kategorisierung über Attribute sollte mit dem Katalogsystem vielfältig möglich sein. Nur so kann eine für den Kunden übersichtliche Produktstruktur realisiert werden. Steht diese Eigenschaft im Vordergrund, wird auch von so genannten konstruierenden elektronischen Produktkatalogen gesprochen. Sie dienen dazu, komplexe Produkte aus mehreren Einzelteilen zusammenzustellen. Beispiele hierfür sind Autos mit Zubehör, Einbauküchen oder Computer-Systeme mit Zubehör.7 Der elektronische Katalog sollte auch Preismaßnahmen, wie Cross- und Up-Selling, Bundles und Packages zulassen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Segev, A. u. a.: Designing Electronic Catalogs for Business Value, CITM Working Paper, CITM-WP-1005, Oktober 1995

4 Zum Thema B2B-Kataloge bietet das Buch von Johannes Hentrich: „B2B-Katalog-management“, Bonn 2001, einen guten Einstieg

2 Vgl hierzu den grundlegenden Artikel von Katarina Stanoevska-Slabeva: : Elektronische Produktkataloge, in: Weiber, R.: Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S.523ff

5 Kunden über den Internetauftritt an sich binden Komplexe Produkte verständlich erklären, Computer @ Produktion, Heft 9, 2000

3

Hettich: Internet-Produktinformationssystem für die Möbelindustrie 4.500 Produkte im Online-Möbelteile-Shop, Computer @ Produktion, Heft 10, 2000

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6

Vgl. Stanoevska-Slabeva, K., a. a. O

7

Vgl. ebenda

Konfigurationssys

teme

im Web

Der PC-Hersteller Dell wurde damit zum Marktführer: Direktvertrieb über das Internet und „On-Demand-Fertigung“ individuell konfigurierter Produkte. Das alles zum Preis von Massenware. Diese so genannte Mass Customization hat aber für Kunden und Anbieter auch Nachteile und führt deshalb nicht immer zum Erfolg.

D

ell ist heute weltweit einer der profitabelsten Computerhersteller. Das Unternehmen wurde am 3. Mai 1984 von Michael Dell gegründet. Firmensitz ist Round Rock, Texas. Aktivitäten: Verkauf von Personalcomputern, Servern und Peripheriegeräten in über 170 Ländern (www.dell.com). Michael Dell brach 1984 sein Medizinstudium ab, lieh sich 1.000 Dollar von seinem Vater und verkündete knapp: „Ich will IBM Konkurrenz machen“. Er gründete sein Unternehmen auf einem simplen Konzept: durch den direkten Verkauf von Computern an Kunden konnte Dell deren Bedürfnisse am schnellsten und effektivsten

erkennen und am effizientesten darauf reagieren. Das „Direct Model“ von Dell war geboren. Es basiert auf vier Kernprinzipien: 1. „Make-to-Order“ – individuelle Konfiguration aller Computersysteme (Hardware und Software), 2. „Speed-to-Market“ – Herstellung und Auslieferung von Computern mit extrem kurzer Vorlaufzeit, 3. Direktverkauf – nur direkter Vertrieb und 4. enge Lieferantenbeziehungen – Umsetzung des Kundenverständnisses im Bereich F&E und gleichzeitig signifikante Reduktion der Lagerhaltung. Dieses innovative Geschäftsmodell machte Dell in den letzten Jahren auch zu einem gefragten Un-

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Kultobjekt Dell-PC: Mit einem jährlichen Umsatz von über 50 Milliarden US-Dollar gehört Dell weltweit zu den größten Herstellern. Das Erfolgsgeheimnis: Kundennähe.

ternehmen an der Wall Street. Aus einem Dollar, den ein Anleger zur Erstnotierung von Dell im Juni 1988 investierte, wären im Jahr 2000 über 485 US-Dollar geworden. Das Leistungsspektrum von Dell für die Kernzielgruppe Großkunden (Unternehmen und Institutionen der öffentlichen Hand) umfasst neben den individuell auf Bestellung gefertigten PCs, direkte und persönliche Beziehungen, einen flexiblen und schnellen Produkt-Service vor Ort beim Kunden sowie viele weitere Dienstleistungen von der technologischen Beratung bis hin zur Umsetzung. Darüber hinaus ist Dell der erste PC-Hersteller, der seinen Kunden die Installation von Anwendungsprogrammen gratis als eine Standard-Service-Option geboten hat (DellPlus). Die Dell Web-Site www.dell.com wird pro Quartal von über 25 Mio. Interessenten besucht, die hier über 50 länderspezifische Sites vorfinden; im Juli 1996 öffnete Dell Store, über das heute täglich Produkte und Services im Wert von mehr als 30 Millionen US-Dollar mit stark steigender Tendenz, umgesetzt werden. Der Online-Kauf bietet dem Kunden die Möglichkeit, bestellte Systeme noch einmal zu überprüfen, nach eigenen Wünschen zu konfigurieren und durch die Wahl

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der Komponenten den Endpreis anzupassen. Sowohl Standard- als auch proprietäre Software wird vorinstalliert. Die Systeme können für die Kunden individuell etikettiert, nummeriert und sogar für einzelne Angestellte konfiguriert werden. Der Kunde kann die Bestellung von der Herstellung bis zur Lieferung laufend verfolgen. Auf der Web-Site gibt es für Großkunden außerdem individuelle Service-Support-Seiten, über die technische Probleme behoben oder Fragen beantwortet werden. Aber nicht nur der Kunde profitiert vom Internet. Für Dell bietet das Web die effizienteste Form des direkten Vertriebes. Dell verzichtet dabei komplett auf Händler oder andere Wiederverkäufer als Vertriebskanal, da diese aus Sicht von Dell nur zeit- und kostenintensiv sind und als Mittler zwischen Kunde und Hersteller das eigene Verstehen der Kundenwünsche und -bedürfnisse reduzieren. Die Kostenvorteile, die durch den Verzicht auf Händler im Vertrieb realisiert werden, werden an den Kunden weitergegeben. Weitere Kostenvorteile werden durch die drastisch sinkenden Komponentenkosten realisiert. Eine Lagerreichweite von nur sechs Tagen senkt nicht nur die Lager- und Logistikkosten erheblich, sondern erlaubt außerdem die Weitergabe der im Komponenteneinkauf erzielten Einsparungen an die Kunden bei branchenführender Rentabilität. Die Computersysteme bieten aufgrund der kurzen Lagerhaltung darüber hinaus immer die neueste Technologie. Der zentrale Erfolgsfaktor von Dell ist die kundenorientierte Gestaltung aller Leistungsprozesse, von F&E bis zum „Customer Care“. Bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten (F&E) gemeinsam mit marktführenden Lieferanten nutzt die bei Dell vorhandene Kenntnis der Kundenwünsche. Die Anbindung der Lieferanten an das Unternehmensnetz erlaubt effek-

Die vier Kernprinzipien von Dell: „Make-to-Order“, „Speed-to-Market“, Direktverkauf und enge Lieferantenbeziehungen. tive Just-in-Time-Lieferungen und geringstmögliche Lagerhaltung. Die interaktive Einbindung des Kunden in den Prozess der Leistungserstellung zur individuellen Konfiguration der Systeme („Make-to-Order“) verschafft Marktnähe und senkt die Lagerhaltungskosten. Dabei werden Bestellungen innerhalb von Minuten in den Produktionsprozess eingegeben und verlassen innerhalb von vier Stunden die Fabrik. Dazu sind die

meisten Lieferanten mittlerweile in unmittelbarer Nähe angesiedelt (20 Minuten) und können daher auch Justin-Time direkt in die Montagehalle liefern. Für über 50 Kernabsatzländer gibt es eigene Websites in Landessprache, die an die lokalen Verhältnisse – z. B. in Form der Währung und der Preise – angepasst sind. Durch abgestufte Benutzerführung und vorkonfigurierte Produkte ist die Bestellung über das Netz für den Endkunden besonders einfach, übersichtlich und schnell. Es gibt aber auch individuelle Großkunden-Sites mit unternehmens-spezifischem Angebot. Die Lieferung des fertig konfigurierten Produktes erfolgt dabei in jedem Fall direkt zum Endkunden. Auf Wunsch wird bereits am nächsten Arbeitstag ausgeliefert. Der Direktvertrieb ermöglicht den persönlichen Kundenkontakt (Großkunden) und die genaue Erfassung der Kundenwünsche und -bedürfnisse. Was den After-Sales-Service angeht, haben die Kunden direkten Zugriff auf das Call Center. Für Großkunden gibt es darüber hinaus auch individuell geschneiderte Websites als Online-Forum für alle Wünsche, Anregungen, Probleme oder zum „OrderTracking“. Die Erreichbarkeit ist dabei in hohem Maße gegeben: Online-verfügbar sind ca. tausend Seiten technischer Support-Dokumente, aber auch auf die 24 Stunden geschaltete, gebührenfreie Telefon-ServiceNummer für Kunden kann zurückgegriffen werden. Das Beispiel Dell zeigt eindrucksvoll, dass ein Unternehmen durch konsequente Kundenorientierung in den in sich abgeschlossenen Geschäftsprozessen selbst in einem höchst wettbewerbsintensiven Umfeld und in einem dynamischen Markt ohne „realWorld“Vertriebspartner erfolgreich sein kann. Das „virtuelle Unternehmen“ nimmt im Fall Dell Gestalt an. Der Computerhandel wird in Zukunft noch stärker unter Druck geraten. Das Marktpotenzial für den Online-Ver-

Für Dell bietet das Web die effizienteste Form des direkten Vertriebes. trieb von Computern und damit verbundenen Dienstleistungen könnten auch Wettbewerber zu erobern suchen, da unabhängig vom Hersteller PCs heute aufgrund der Standards von Intel und Microsoft qualitativ recht einheitlich und weniger erklärungsbedürftig denn je sind. Tatsächlich sieht sich Dell schon heute mit Online-Konkurrenz konfrontiert. Dell besitzt jedoch nicht nur einen jahrelangen Erfahrungsvorsprung im

Mass Customization unterscheidet sich grundsätzlich von der herkömmlichen Massenproduktion. Liegt traditionell in der Fertigung der Fokus stark auf der optimalen Kapazitätsauslastung, so steht in der Mass Customization die „on-demand“ zu fertigende individuelle Kundenanfrage im Vordergrund. e-business-Prozessdesign und in der individualisierten Gestaltung von Angeboten, sondern auch einen enormen Wissensvorsprung zu umsatzgenerierendem 1-to-1 Marketing. Konsequente Nutzung und Ausbau dieser Vorsprünge dürfte bei Aufrechterhaltung wettbewerbsfähiger Kosten die Verteidigung einer führenden Marktposition auch in der schnelllebigen „eWorld“ auf längere Zeit ermöglichen.1 DAS GESCHÄFTSMODELL von Dell wird auch als Mass Customization oder zu deutsch als kundenindividuelle Massenproduktion bezeichnet. Ziel ist dabei die Produktion von Gütern und Leistungen für einen relativ großen Absatzmarkt, welche jedoch die unterschiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers treffen (Differenzierungsoption). Und das zu Kosten, die ungefähr denen einer massenhaften Fertigung eines zugrunde liegenden Standardprodukts entsprechen (Kostenoption).2 Differenzierungsoption: Kunden konfigurieren ein Produkt oder eine Dienstleistung im Internet und erhalten dafür eine besser auf sie zugeschnittene Ware. Die Idee so etwas anzubieten, basiert auf der Kon-

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Der im Internet konfigurierte Maßschuh zum günstigen Preis war zwar eine gute Idee aber trotzdem ein Flop. Die Informationsflüsse waren nicht zufrieden stellend gelöst. So dauerte es zu lang bis zur Auslieferung und die Qualität der Schuhe war zu schlecht.

sumtheorie von Lancaster. Nach dieser Theorie richten sich die Präferenzen eines Nachfragers nicht auf ein Produkt als solches, sondern auf Kombinationen von Eigenschaften, die in den nachgefragten Gütern verkörpert sind.3 Im Rahmen der Mass Customization sind Produkteigenschaften entsprechend der Präferenzstruktur der Kunden frei wählbar. Daraus folgt für den Kunden: Ein kundenindividuell gefertigtes Massenprodukt mit erhöhter Attraktivität für den Kunden. Solchermaßen optimal bedient ist der Abnehmer sogar geneigt, Aufschläge zu zahlen, was dem Anbieter einen Ausbruch aus dem reinen Preiswettbewerb ermöglicht. Ist die Präferenzstruktur des Kunden bekannt, können beim Wiederholungskauf Produkte und Leistungen bereitgestellt werden, die noch genauer die Wünsche des Kunden treffen („Learning Relationships“). Darüber hinaus können neuen Kunden individuelle Produktvariationen vorgeschlagen werden, die Abnehmer mit ähnlichem Profil in der Vergangenheit erworben haben (Profiling). Auf Basis der Kunden-

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präferenzen können über die Häufigkeit individueller Kombinationen marktkonforme neue Produkte oder Produktvariationen entworfen werden. Kostenoption: Sinkende Kosten ergeben sich einmal durch den möglichen Abbau von Fertigwarenbeständen. Außerdem können Sonderaktionen vermieden werden, um überzählige Güter in falschen, nicht marktkonformen Varianten abzusetzen. Die verbesserte Planungssituation ist ein weiteres, Kosten senkendes Element, denn es muss keine Produktion mehr auf Verdacht erfolgen. Planungskomplexität und -risiko sind reduziert. Wie das Beispiel Dell eindrucksvoll zeigt, intensiviert sich die Kundenbindung und der Aufwand der Kundengewinnung sinkt dementsprechend. Auf der anderen Seite steigen die Kosten durch die hohe Anzahl an Teilen in der Produktion. Zu erhöhten Kosten führen außerdem die kleinen Losgrößen, die instabile, häufig wechselnde Produktionsprozesse zur Folge haben. Die Mass Customization führt damit zu einem großen Individualanteil in der Fertigung. Größ-

Maßkonfektion konnte bisher online nur selten erfolgreich verkauft werden. Der zusätzliche Nutzen (Maßanzug zum Preis von Massenware) wird durch Nachteile offensichtlich aufgewogen.

Photo: graphiteBP (stock.xchng)

tes Problem dabei: Einschränkungen im Rahmen der nutzbaren Maschinenkapazitäten. Normalerweise werden im Rahmen der Massenproduktion ca. 80% der technischen Kapazität genutzt. Dieser Wert kann selbst im optimalen Fall nicht 100% betragen, denn Abschaltungen für Wartungen und Reparaturen und Zeiten für Ausschuss müssen in jedem Fall berücksichtigt werden. Aufgrund der kleinen Losgrößen bei der Mass Customization müssen die Maschinen in der Produktion jetzt jedoch wesentlich öfter runter- und wieder hochgefahren werden, weil häufig umgerüstet werden muss. Die Maschinenauslastung sinkt damit dramatisch auf Werte bis zu 10%, was zu deutlich erhöhten Fertigungskosten führt. Der größte Kostenfaktor aber besteht darin, dass es zu einem starken Anstieg der Informations- und Kommunikationsintensität im Vergleich zur Massenfertigung kommt. „Custom Foot Inc., ein erst 1995 gegründetes, innovatives Unternehmen aus Westport in den USA, hatte die Lösung gefunden: ‚Custom-made Italian shoes.

Delivered in about three weeks. At off the shelf prices.‘ Custom Foot lieferte individuell passende Schuhe, sowohl hinsichtlich der Maße als auch des Designs, zum Preis herkömmlicher massengefertigter Markenschuhe von der Stange. Die Firma galt als eines der besten Beispiele für die konsequente Umsetzung des Mass-Customization-Gedankens. Der Schuhhersteller wollte den Traum vieler frustrierter Schuhkäufer wahr machen und maßgeschneiderte Schuhe zum Preis von herkömmlichen Schuhen aus dem Regal anbieten. Das Konzept wurde von den Kunden begeistert aufgenommen und schien der Prototyp der kundenindividuellen Massenproduktion zu sein. Vor einiger Zeit wurde aber zunächst der Betrieb eingestellt. Warum versagte das so perfekte System? Neben den üblichen Management-Problemen, denen sich kleine innovative Unternehmen gegenübersehen, lag die Ursache vor allem in einer inkonsequenten Gestaltung der gesamten Mass-Customization-Wertkette. Das Unternehmen hatte ein perfektes System

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zur Erhebung der Kunden-Information (Fußscanner etc.) und zur Umrechnung der Kundendaten in SchuhInformationen. Auch für den Aufbau von „Learning Relationship“, also dem Aufbau andauernder Kundenbeziehungen, gab es viele Potentiale. Die Fertigung der Schuhe vollzog sich allerdings auf traditionellem Wege in halbautomatisierter Handarbeit bei mehreren italienischen Lohnfertigern (wie in der Schuhindustrie üblich). Hier waren nicht die Maßnahmen sichergestellt, die eine maßgenaue individuelle Fertigung garantieren konnten - die Folge waren viele schlecht passende Schuhe. Auch waren die Betriebe nicht auf einen schnellen Auftragsdurchlauf eingestellt - und die Kunden mussten zu lange auf ihre bestellten Schuhe warten. Auch die Informationsschnittstelle zwischen dem amerikanischen Anbieter und den italienischen Lohnfertigern schien nur mehr schlecht als recht zu funktionieren.“4 Damit basiert die Mass Customization vor allem auf der Gestaltung der Informationsflüsse. Blattberg und Glazer bemerkten dazu schon 1994: „Being truly customer focused is not possible if the organization is not, first, information intensive.“5 Grundsätzlich ist dies überhaupt nur mit einem überall verfügbaren Medium wie dem Internet realisierbar. Durch die zentrale Rolle der Information kommt dem Übertragungsmedium bei der Mass Customization eine hohe Bedeutung zu. Neben der Anbindung von Lieferanten, der Fertigung und der Produktion ist es in erster Linie die Effizienz bei der Erhebung und der Verarbeitung der individuellen Wünsche des Kunden, die den direkten Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager in Massenmärkten erst ermöglichen. Deshalb ist die Mass Customization prinzipiell eine ideale Anwendung des e-business.6 Geradezu vorbildlich bezüglich der Gestaltung der Informationsflüsse ist folgendes Mass-Customization-Projekt: „Ein Ansatz zum drei-dimensionalen Ganzkörper-Scannen wurde vom Kaiserslauterner Forschungsinstitut Tecmath zusammen mit etlichen Industriepartnern entwickelt. Mittelpunkt des Ansatzes ist das 3D-Maßsystem TOPAS, das innerhalb von einer Sekunde 128.000 Messpunkte am Körper erfassen und vermessen kann. Die Transformation der Scanner-Daten in CAD-Daten wird durch das von Tecmath entwickelte 3D-CAD-Menschmodell RAMSIS vollzogen. Dieses ursprünglich für die Automobilindustrie entworfene Modell wurde zusammen mit dem Bekleidungsphysiologischen Institut Hohenstein derart modifiziert, dass die Scanner-Daten (die ja den menschlichen Körper samt aller „Runzeln“, Falten, Haltungsformen etc. widerspiegeln) in Schnittmaße umgewandelt werden, welche die Fertigung von Kleidung mit hoher Passformsicherheit zulassen. Als erster Herrenbekleidungshersteller hat die Bernhardt GmbH & Co. KG zusammen mit Tecmath den beschriebenen

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Ansatz umgesetzt. Unter dem Namen „High-Tech Perfektion“ wird qualitativ hochwertige Maßkonfektion für Herren (Anzüge) angeboten. Dieses innovative System verwirklicht einen „echten“ Mass-CustomizationAnsatz in der Bekleidungsindustrie. In einem Maßcenter werden die Kunden berührungslos innerhalb weniger Sekunden ausgemessen, die Körperdaten automatisch errechnet und für eine Bestellung aufbereitet. Der Kunde hat dabei die Auswahl aus mehr als 1.000 Oberstoffen und etlichen Grundschnitten des Anzugs. Die Lieferzeit beträgt etwa drei Wochen, der Preis entspricht herkömmlicher Konfektionsware. Produktionstechnisch basiert das Konzept auf der GERBERsuite von Gerber Garmet, ein modular aufgebautes Software- und Fertigungssystem, das sämtliche Fertigungsschritte der (individuellen) Textilherstellung – vom Maßnehmen über individuellen Zuschnitt bis hin zum Nähen – plant und ausführt. Das Besondere von Mplus liegt in der Symbiose modernster Computertechnologie mit traditioneller Handwerkskunst - berührungslose Körpervermessung verbunden mit der industriellen Produktion einer deutschen Manufaktur garantieren eine unübertroffene Qualität zu den Kosten herkömmlicher Ware.“7 Bezüglich der Informationsflüsse lässt sich hier zumindest auf den ersten Blick nichts mehr optimieren. Dennoch ist das Projekt damit nicht automatisch ein Erfolg. Zu prüfen ist, ob der Kunde den Zusatznutzen durch den erweiterten E-Share des Basisprodukts auch als solchen akzeptiert. Schließlich ist Konfektion nicht für den Internet-Verkauf prädestiniert. Anzüge wollen normalerweise in einer dafür geeigneten Umgebung ausgesucht und anprobiert werden. Auch die Beratung eines erfahrenen Verkäufers ist oft für die Kaufentscheidung nicht unerheblich. Der Kunde hat jetzt aber den Nutzen des im Vergleich zur konventionellen Maßkonfektion niedrigen Preises und des bequemen Bestellens rund um die Uhr. Auch muss er jetzt nicht mehr für jeden Anzug ins Fachgeschäft, sondern kann bei Bedarf von überall her bestellen. Diese Vor- und Nachteile aus Kundensicht müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. Um diesen Prozess etwas strukturierter angehen zu können, gibt es eine Systematisierung von Mass-Customization-Ansätzen. Zwei Grundgrößen werden dabei zur Einordnung der Projekte in eine Matrix verwendet:8 Die Interaktion zwischen Anbieter und Abnehmer und die Digitalisierbarkeit der Leistung. >INTERAKTION Die Integration des Kunden ist ein kontinuierliches Merkmal der kundenspezifischen Leistungserstellung. Gersch interpretiert das Verhältnis Abnehmer zu Anbieter als Kooperation, die beiden Seiten Nutzen bringt aber auch „Inputs“ beider Beteiligten benötigt.9 Davidow spricht in diesem Zusammenhang sogar vom Kunden als Co-Produzenten

oder „Prosumer“.10 Zwischen Anbieter und Nachfrager besteht allerdings eine asymmetrische Informationsverteilung, nach Jacob eine typische „Principal-AgentKonstellation“. Damit sind Unsicherheiten seitens des Abnehmers verbunden: Vergleichsprozesse sind unübersichtlicher, Kunden besitzen oft nicht in ausreichendem Maß die Kenntnisse, um das Produkt nach ihren Bedürfnissen konfigurieren zu können.11 Ohne einen Anhaltspunkt zur Definition der optimalen Leistung ist beispielsweise nur schwer zu beurteilen, ob ein Garantiefall eingetreten ist. Überhaupt wird der Kunde sich nie so ganz sicher sein, ob er bei seiner Bestellung wirklich alles berücksichtigt hat. Als einfaches Beispiel kann die Konfiguration eines Autos über das Internet dienen. Hier können gerade bei der Fahrzeug-Innenausstattung so viele Merkmale angekreuzt bzw. auch weggelassen werden, dass sich automatisch ein ungutes Gefühl einstellt. Auch sind die grafischen Darstellungen der gewählten Konfiguration aufgrund der eingeschränkten Bandbreite der Datenübertragung über das Internet nie wirklich zufrieden stellend. Auf diese Art und Weise wird immer nur ein grober Eindruck der ausgewählten Innenausstattung vermittelt (Beispielsweise Farbe der Sitze). Die damit verbundene Unsicherheit verlässt den Kunden eigentlich erst wieder, wenn er zum ersten Mal in sein selbstkonfiguriertes Auto physisch einsteigt und feststellt, dass er nichts Wesentliches vermisst und sich einigermaßen wohl

fühlt. Solche Unsicherheiten sind auch im traditionellen Bestellprozess vorhanden. Hier ist es allerdings dann Sache des Verkäufers, seinem Kunden darüber hinweg zu helfen. Im Internet-Shop dagegen müssen diese Unsicherheiten als zusätzlicher Aufwand des Kunden interpretiert werden. Diesen Aufwand muss der Online-Anbieter möglichst gering halten, zumindest geringer als den Nutzen, den der Kunde aus der Mass Customization erfährt. Zur Risikominimierung des Kunden tragen bei: Informationen, Garantien und auch die Reputation des Anbieters. Letztlich wird sich das vom Kunden empfundene Bestellrisiko aber nicht in vollem Umfang mit der Risikominimierung auffangen lassen, so dass in den meisten Fällen Preisvorteile eingeräumt werden müssen. Der Grad der Interaktion ist durch die zu individualisierenden Produkte bzw. Leistungen bestimmt. Er ist gering bei einem Blumenstrauß (800-flowers.com) und maximal bei der Online-Konfiguration eines Fertighauses beispielsweise von Streif (www.streif.de). Verschiedene Einflussfaktoren lassen sich auf den Grad der Kundenintegration unterscheiden: der Preis des Produkts, die Höhe des Risikos eines Fehlkaufs, die Umtauschmöglichkeiten, Lieferzeit und Beurteilungsmöglichkeiten, die Erfahrungen des Abnehmers – etwa ob es sich um einen Wiederholungskauf handelt und wie es um die Vorbildung des Käufers bestellt ist. Daneben bestimmt die Komplexität des Produkts

Soll der Kunde Produkte am PC selbst konfigurieren, kommt es zu Unsicherheiten. Wird z. B. die Auto-Innenausstattung online ausgewählt, werden Veränderungen nur grob angezeigt. Details sieht der Kunde erst, wenn die Ware ausgeliefert wird.

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Grad der Interaktion und Digitalisierbarkeit sind bei einem Blumenstrauß gering. Das Produkt wird überhaupt erst durch ein „Add-on“ für die InternetKonfiguration interessant: Dieses besteht aus einer Erinnerungsfunktion beispielsweise an den Geburtstag.

– der Varietätsgrad und die angebotenen Individualisierungsmöglichkeiten – den Interaktionsgrad. Dieser wird schließlich noch davon bestimmt, wie hoch der Anteil des Konfigurationsvorgangs als Teil der Absatzleistung anzusetzen ist. >DIE DIGITALISIERBARKEIT der Kernleistung beschreibt das Ausmaß, in dem zentrale Nutzen stiftende Funktionen eines Produkts oder einer Dienstleistung digitalisierbar, das heißt rein informationstechnisch abwickelbar sind. In diesem Sinne am besten für die Mass Customization geeignet sind reine Informationsgüter: Sie können im Internet konfiguriert, bestellt und direkt auf den PC herunter geladen und dort verwendet werden. Eine physische Ausprägung, beispielsweise eine Kopie auf CD, ist mithin nicht zwingend notwendig. Sie können über Computer-Netzwerke verschickt und von Computerprozessoren be- und verarbeitet werden. Diese Informationsprodukte werden damit zu digitalen Produkten. Das Geschäft mit ihnen bildet das „Herz des e-business“ da hier relativ leicht und ohne zusätzliche Kosten eine kundenindividuelle Massen-

Soll ein Haus online konfiguriert werden, ist der Grad der Interaktion sehr hoch. Der Kunde wird einige Tage vor dem Bildschirm verbringen und große Unsicherheiten empfinden, ob er auch an alles gedacht hat.

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produktion ermöglicht wird. Bekannte Beispiele sind Online-Ausgaben von Zeitungen. Diese bestehen dann als reines elektronisches Produkt – als Kombination aus E-Mail-Benachrichtigung und benutzerindividueller Website mit den eigentlichen Artikeln. So kann etwa über das Zeitungsportal Welt.de ein individuell konfigurierbarer Gratis-Newsletter abonniert werden. Auch Bild.de, Spiegel.de und Focus.de bieten individuelle elektronische Nachrichten. Daneben existieren reine Online-Zeitungen wie etwa Netzeitung.de (dnnd. de), deren Chefredakteur der ehemalige „Stern“-Chef Michael Maier ist. Im Angebot hat er aktuelle Informationen und Analysen zu Brennpunktthemen. Eine Personalisierungsfunktion, genannt „myNZ“, erlaubt es, bis zu zehn Ressorts zu wählen, die beim Anklicken der Titelseite automatisch erscheinen. Darüber hinaus lässt sich einstellen, ob vollständige Texte, Hintergrundberichte oder nur Überschriften auf den Monitor kommen sollen. Die Netzeitung gehört inzwischen zur Gruppe Lycos Europe (Lycos, Comundo, Tripod, Spray.net, Angelfire, Fireball und Paperball). Ande-

re Projekte können nicht auf solchermaßen großen Rückhalt bauen. So ist beispielsweise Alphanews.de eine bloße Schlagzeilensammlung mit Links zu den Quellen. Man hat sich auf das Medium E-Mail spezialisiert. Viele Leser kommen morgens ins Büro und checken zunächst bei einer Tasse Kaffee ihre Mailbox. Dort finden sie ihre E-Mail-Tageszeitung ,Alphanews‘ mit einem Überblick über die wichtigsten Meldungen des Tages – kostenlos, weil Werbung die Einnahmen generiert.12 Fast 13.000 Menschen nutzen das Angebot. Darunter sind Auslandsdeutsche aus Kanada, Namibia und Australien. Ungewöhnlichster Kunde ist die via Satellit angebundene deutsche Marinefregatte Brandenburg, deren Besatzung auch auf den Weltmeeren durch Alphanews erfährt, was passiert. Der Wandel des Massenguts Encyclopaedia Britannica zum typischen Internet-Dienst Britannica-Online ist ein weiteres Beispiel. Die Benutzer zahlen für einen Artikel einmalig eine Gebühr. Für alle Zukunft werden zum Stichwort stets aktualisierte Informationen bereitgestellt, so dass der Kunde schließlich ein persönli-

Bei den so genannten E-Service Innovations sind Interaktionsgrad und Digitalisierbarkeit hoch. Meist werden hierbei Informationsgüter in Form komplexer Beratungs- und Informationsleistungen angeboten, wie beispielsweise durch Online Health Center, die den Fitness-Trainer ersetzen. Jeden Tag wird ein individueller Fitnessplan erstellt. Vom Anwender ist eine tägliche Rückmeldung erforderlich (hoher Interaktionsgrad).

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Werden Digitalisierbarkeit und Grad der Interaktion als Achsen gewählt, lässt sich die Mass Customization in einer Vier-Quadranten-Darstellung systematisieren.

ches, niemals veraltendes Lexikon auf einer für ihn reservierten Website vorfindet. In einer Systematisierungsmatrix lassen sich aus der Digitalisierbarkeit und dem Grad der Interaktion vier Felder mit jeweils verschiedenen Ansprüchen an die Mass Customization abgrenzen. Das „Addon“ (Feld 1) ist durch geringe Digitalisierbarkeit und keine ausgeprägte Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager beschrieben. In diese Gruppe fällt die Individualisierung vieler klassischer Dienstleistungen. Die eigentliche Kernleistung eines Online-Floristen beispielsweise ist nicht digitalisierbar. Er differenziert sich aber vom stationären Floristen durch individuelle Online-Services wie Erinnerungsdienste, Adresssuche und Geburtstagskalender. Dem Kunden wird damit nicht nur die Peinlichkeit des vergessenen Hochzeitstages erspart, sondern auch ein Anreiz zur Wiederkehr geboten. Damit erhöht sich die Kundenbindung. Im Feld 2 („Attract attention“) ist weitgehende Digitalisierbarkeit der Leistungserstellung bei geringem Interaktionsgrad zwischen Abnehmer und Anbie-

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ter gegeben. Hierzu gehören Informationsprodukte im weitesten Sinne. Mass Customization kann in diesem Bereich als Ökonomie der Aufmerksamkeit gesehen werden: Informationen sind im Internet keine knappe Ressource mehr. Knapp dagegen ist die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden. Klassisch muss hier die Aufmerksamkeit der Kunden durch Werbemaßnahmen erhöht werden. Mass Customization ergänzt diese durch einen zusätzlichen Kundennutzen. Ein gutes Beispiel sind Internet-Radiostationen, die nur Musik der präferierten Interpreten und Stilrichtungen bringen. Die hohe Digitalisierbarkeit ermöglicht das kostenlose Anbieten der Individualisierung. Das Ziel ist dabei nicht der Verkauf der individualisierten Leistung. Es geht vielmehr um den Aufbau von „Learning Relationships“ und die Gewinnung von Informationen über die einzelnen Kunden. Hierüber wird der Absatz anderer standardisierter Produkte – beispielsweise kommen hier Musik-CDs in Frage – angebahnt. Im Feld Nr. 3 („Configuration“) ist die Digitalisierbarkeit gering. Gleichzeitig liegt eine intensive Inter-

aktion zwischen Anbieter und Nachfrager vor. Der Bekleidungsbereich gehört hierher, wo ein intensives Maßnehmen erforderlich ist. Auch bei hochpreisigen oder komplexen Waren, wie beispielsweise beim Design maßgeschneiderter Fertighäuser, ist ein hoher Interaktionsgrad nötig. Hier besitzen die Abnehmer oft nicht das notwendige Know-how, eine Konfiguration durchgängig zu definieren. Zum anderen muss frühzeitig Vertrauen aufgebaut werden, um aus Sicht des Kunden das Kaufrisiko zu reduzieren. Möglich wäre es hier, menschliche Berater per „Help-Button“ zuzuschalten. Die Option auf Rückruf sollte eingebaut sein und vielleicht ein Online-Chatroom angebunden werden. Im Vergleich zur reinen Offline-Beratung besitzt die Online-Offline-Kombination Effizienzvorteile, da viele Informationen schon vorliegen. Zusätzlich muss aber immer auch eine entsprechende Preispolitik den selbstkonfigurierenden Kunden belohnen. Bei einem Fertighaus erspart die Kundenkonfiguration dem Anbieter bis zu 25.000 EUR. Dieser Vorteil muss zumindest zum Teil weitergegeben werden. „E-Service-Innovations“ (Feld 4) zeichnet sich durch gute Digitalisierbarkeit bei gleichzeitig vorhandenem hohen Interaktionsgrad aus. Informationsgüter in Form komplexer Beratungs- und Informationsleistungen gehören in diese Klasse. Aktuelles Beispiel sind „Online Health Center“, die den Fitness-Trainer erset-

zen. Nach anfänglichem Gesundheitscheck wird jeden Tag ein individueller Fitness-Plan online erstellt. Vom Anwender ist eine tägliche Rückmeldung erforderlich (hoher Interaktionsgrad). Auch manche Newsletter sind von ihrer Konzeption her so intelligent gemacht, dass man sie zu den „Innovations“ zählen kann. Der Adressat bekommt hierbei aufgrund eines zuvor angelegten Benutzerprofils Artikel zugesendet. Jeder Artikel wird vom Leser bewertet. Diese Bewertungen schärfen von Mal zu Mal das ursprünglich angelegte Profil. Der so konzipierte Newsletter First! der Firma Individual Inc. startet mit einer anfänglichen Trefferquote von etwa 50%, um aufgrund der sukzessiv hinzukommenden Bewertungen nach etwa fünf Wochen eine Quote von bis zu 80% zu erreichen. Dieser hohe Individualisierungsgrad ist naturgemäß meist von einer entsprechend hohen Kundenbindung begleitet. Dem Anbieter eröffnen sich dabei neue Erlösfelder, wie etwa Cross-Selling. Im anfänglich angeführten „Online Health Center“ könnte der Fitness-Stand der Kunden beispielsweise Ausgangsbasis dafür sein, genau auf den körperlichen Trainingszustand hin, spezielle Vitaminpräparate anzubieten. Bei diesem allgemein als „Versioning“ bezeichneten Vorgehen bekommt der Kunde anhand eines Leistungs- und Preisbaukastens, die für ihn am besten geeignete Leistung angeboten.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. dazu o. V., 10 Erfolgsfaktoren im e-business - Die Strategien der Gewinner. Eine Analyse neuer Geschäftsansätze im Internet von Booz Allen & Hamilton, erschienen im: FAZ-Institut 2

Der Artikel basiert auf den ausgezeichneten Arbeiten von Frank T. Piller zum Thema Mass Configuration, vgl. z. B. Reichwald, R. und Piller, T. F.: Mass CustomizationKonzepte im Electronic Business, in: Weiber, R. (Hrsg.): Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 359ff.

5 Vgl. Blattberg, R. und Glazer, R.: Marketing in the information revolution, in: Blattberg, R. et al. (Hrsg.): The marketing information revolution, Boston 1994, S. 9 - 29 6 Vgl. hierzu z. B. auch Piller, F. und Schoder, D.: Mass Customization und Electronic Commerce: Eine empirische Einschätzung zur Umsetzung in deutschen Unternehmen, in: Zeitschrift für Betriebswirtschaftslehre, 69 (1999), Heft 10, S. 1111-1136 7

Vgl. Piller, F., www.mass-customization.de, a. a. O.

8

Vgl. Reichwald, R. und Piller, F., a. a. O. S. 367ff.

3

Vgl. Lancaster, K. J.: Consumer Demand, New York 1971 4

Piller, F., www.mass-customization.de, Fallstudien zur Mass Customization, „Online im Internet“, abgerufen am 26.09.2002, Frank Piller hat zwischenzeitliche eine hervorragende Sammlung von Fallstudien auch in seinem Buch zusammengestellt: Piller, F. und Stotko, C. (Hrsg.): Mass Customization und Kunden-Integration: neue Wege zum innovativen Produkt, Düsseldorf 2003, auch als ibook (Individualbuch, einzelne Kapitel gebührenpflichtig downloaden) unter der oben angegebenen InternetAdresse

9

Vgl. Gersch, M.: Die Standardisierung integrativ erstellter Leistungen, Arbeitsbericht Nr. 57 des Inst. für Unternehmensführung u. Unternehmensforschung, Univ. Bochum 1995, S. 64f. 10

Vgl. Davidow, W. H. und Malone, M. S.: Das virtuelle Unternehmen, Frankfurt u. a. 1992

11

Vgl. Jacob, F.: Produktindividualisierung, Wiesbaden 1995, S. 168ff.

12

Vgl. Welt am Sonntag, Jg. 53, 27.05.2001, Nr. 21, S. 65

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Photo: Allison Choppick (stock.xchng)

Das Internet hat das Potenzial bewiesen, eine neue Markengattung zu generieren – die Netzmarken. Aber auch traditionell etablierte Unternehmen expandieren ins Web und platzieren dort ihre „Offline-Brands“. 120

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arken bestimmen im Internet noch mehr als im traditionellen Geschäft den Unternehmenserfolg. Der Markenführung kommt deswegen sowohl auf Topmanagement-Ebene („Brand Governance“) als auch auf Produktmanagement-Ebene eine herausragende Bedeutung zu. Grundsatzentscheidungen wie die Einordnung der Marke in das Markenportfolio sowie die wettbewerbsspezifische Ausrichtung von Markenstrategien werden dabei in der Regel auf oberer Führungsebene getroffen.1 Vor der Markenführung steht die Markenpositionierung. Die Marke muss zunächst profiliert und gegenüber Konkurrenzmarken abgegrenzt werden. Aber nur durch eine konsequente und kontinuierliche Markenführung lässt sich eine einzigartige Marke erreichen, die auch in der Lage ist, sich Veränderungsprozessen erfolgreich anzupassen.2 Im Netz existieren unterschiedliche Markentypen. Unterscheidungskriterien sind: die Präsenz in der virtuellen und/oder realen Welt und die Nutzungsorientierung (transaktions- oder informations- und kommunikationsorientiert).3 Das Internet hat durchaus das

Potenzial bewiesen, eine völlig neue Markengattung zu generieren, die so genannten Netzmarken (synonym: „Pure-Click-Marken“, „Online-Brands“). Diese sind virtuell und ohne Präsenz in der realen Welt. Als reine Netzmarken bauen sie auf ausschließlich internet-orientierten Geschäftsmodellen auf. Wer beispielsweise online Bücher bestellen will, denkt sofort an Amazon. Diesen großen Bekanntheitsgrad hat der in Deutschland im Oktober 1998 gegründete „Marketplace“ nicht nur seinem breit gefächerten Bücherangebot zu verdanken. Vor allem die Tatsache, dass der Online- Buchhändler im Vertrieb kontinuierlich den Wünschen seiner Kunden Rechnung trägt, dürfte dafür ausschlaggebend sein. Amazon bietet Kunden inzwischen etwa auch die Möglichkeit, über das WAP-Portal www.amazon.de/mobil per Handy Bestellungen aufzugeben. Auch die Angebotspalette wurde stark erweitert. So gibt es mittlerweile Plattformen für CD, Videos, DVD, Elektronik, Computer- und Videospiele sowie Software und Computer-Zubehör. Außerdem können Unternehmen und Privatpersonen über „Marketplace“, „zShops“ und „Auctions“ neue

Nicht nur wer online Bücher bestellt, denkt sofort an Amazon. Der Internet-Anbieter ist mittlerweile auch als Werbepartner rund um die Welt begehrt. Vor allem die Tatsache, dass der OnlineBuchhändler im Vertrieb kontinuierlich den Wünschen seiner Kunden Rechnung trägt, dürfte dazu geführt haben, dass Amazon beispielsweise in Deutschland zur bekanntesten Marke geworden ist.

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und gebrauchte Artikel sowie Sammlerstücke zum Verkauf anbieten. Der Erfolg von Amazon kann sich sehen lassen. Das Unternehmen ist unter anderem zum Händler mit der größten Kundenzufriedenheit in Deutschland gewählt worden. Zudem gewann es im Februar 2003 den begehrten „Echo“ für die beste Musik-Webpage. Vom Logistikzentrum in Bad Hersfeld, das mit 42.000 Quadratmeter Fläche die Größe von sieben Fußballfeldern hat, werden täglich bis zu 250.000 Artikel in 170 Länder weltweit verschickt. Daher wundert es nicht, dass die Marke amazon.de ein Synonym für den Online-Buchhandel geworden ist. Ein anderer Markenname, der ebenso für sich steht und alle Konkurrenten im Feld weit hinter sich gelassen hat, ist eBay. Die größte Online-Handelsgemeinschaft der Welt bietet sowohl potenziellen Käufern als auch Verkäufern die Möglichkeit, mit sehr geringem Aufwand miteinander Geschäfte zu tätigen. Es gibt nur wenige Konsumgüter, die auf der Auktionsplattform eBay nicht zu erwerben sind. Ob nun Babywäsche, Sportgeräte, Münzen, Schmuck, elektronische Geräte oder gar Autos, für alle Waren finden sich Anbieter und Nachfrager. Über 10 Millionen Artikel hat eBay weltweit im Angebot, die sich täglich neu „umschlagen“. Dafür dass dieses Angebot sich permanent erneuert, sorgen allein die Erfolgserlebnisse, eine Ware zu einem „guten“ Preis verkauft zu haben oder auf der anderen Seite ein „Schnäppchen“ gemacht zu haben. Auch hier sind Vielfalt und Flexibilität des Auftritts ein weiterer Grund für den Erfolg von eBay – gibt es doch neben den Handelsplattformen auch „eBay-Cafés“ zum Plaudern, Diskussionsforen oder die Möglichkeit, professionell über eBay Artikel zu vertreiben. Das Unternehmen wurde von Pierre Omidyar im September

Tchibo ist online wie offline erfolgreich.

Auch etablierte Unternehmen expandieren ins Web und platzieren dort „Click & Brick-Marken“ 1995 in den USA „im Glauben an die Ehrlichkeit und Vertrauenswürdigkeit“ der Mitglieder gegründet. Auch auf der Einhaltung dieser Grundsätze gründet der Erfolg der einzigartigen Online-Gemeinschaft. Aber auch traditionell etablierte Unternehmen expandieren ins Web und platzieren dort ihre „OfflineBrands“ und etablieren damit so genannte „Click & Brick-Marken“ (auch „E-enabled-Brands“). Dabei werden Geschäfte sowohl über das Netz als auch über herkömmliche Vertriebswege abgewickelt. Quelle, Otto, TUI und vor allem auch Tchibo sind prominente Beispiele. Darüber hinaus sind jedoch auch zahlreiche Marken im Internet vertreten, die das neue Medium als reine Kommunikationsplattform nutzen. Klassische Markenartikelhersteller wie Coca-Cola und Nivea sind Beispiele dafür. Sollen Geschäfte im Internet angebahnt werden, dienen Marken als entscheidende Orientierungshilfe und Qualitätsgarant. Sie bauen Vertrauen auf, was gerade im Netz essentiell ist, da der Anbieter einer Ware für den Käufer nicht physisch in Erscheinung tritt. Dass Marken im Kontext des Internet eine besondere Bedeutung für Kauf- und Auswahlentscheidungen der Nutzer zukommt, ist mittlerweile kaum noch umstritten.4 So kommt auch der Wiedererkennungsfunktion von Marken im Web eine große Bedeutung zu, besonders wenn Marken bereits in der realen Welt etabliert sind. Der dadurch erlangte Vertrauensvorschuss wirkt dem Risiko mangelnder Online-Transaktionssicherheit sowie möglicher, unberechtigter Weitergabe persönlicher Daten an Dritte entscheidend entgegen. Vielleicht noch ausgeprägter als im traditionellen Geschäft dienen Marken im Internet als Navigationshilfen. Sie erleichtern das Auffinden entsprechender Angebote im Online-Dschungel und wirken sich somit als Zeit- und Suchkostenersparnisse aus. Starke Marken erhöhen den „Traffic“ (d.h. die Besucherzahlen) einer Website und führen zu einer Steigerung der „Conversion Rate“ (Verhältnis Käufer zu Besucher) und der Wiederkaufrate.5 UM DIE LEISTUNGSPOTENZIALE des Internet für die Markenführung beurteilen zu können, müssen medienspezifische Besonderheiten des Online-Mediums beachtet werden: Hier sind Individual- und Massenkommunikation gleichermaßen möglich. Das Web ebnet einer Rückbesinnung vom Massenmarketing zum

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Bei vielen Internet-Marken ist eine eher rationale Positionierung vorherrschend Individualmarketing den Weg. Die Online-Technik fördert die Personalisierung und intensiviert die „AnbieterKunde-Beziehung“.6 Die steigende Individualisierung im Online-Medium führt bis hin zum „Segment-of-OneMarketing“, bei dem jeder Kunde schließlich eine nur für ihn spezifische Ansprache erfährt. Aber Markenführung im Internet erfordert noch aus einem anderen Grund ein radikales Umdenken: Aufgrund der Tatsache, dass Internet-Nutzer ein hohes Aktivierungspotential aufbringen müssen, um sich mit Informationen zu versorgen („Pull-Kummunikation“), ist bei vielen Internet-Marken eine eher rationale als emotionale Positionierung vorherrschend. Der OnlineKunde will mit nachvollziehbaren Argumenten überzeugt werden. So gibt erst die Darstellung sachlichfunktionaler Eigenschaften von Produkt und Marke die Möglichkeit zur Differenzierung gegenüber Wettbewerbern. Die Relevanz der dargebotenen Informationen ist im Netz deutlich höher als in anderen Medien.7 Da die Aktivität eher vom Online-Nutzer ausgeht ist eine Steigerung der allgemeinen Markenbekanntheit von daher eher skeptisch zu beurteilen. Auch hat das Internet keine bzw. sehr eingeschränkte Substitutionswirkung auf andere Kommunikationsmaßnahmen zur Markenführung. Instrumente wie z.B. Sponsoring oder Werbung in Zeitungen und Zeitschriften können durch „E-Branding“ nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt werden. Dieses besitzt demnach lediglich flankierenden Charakter als Baustein im Kontext ganzheitlicher Markenführung.8 ONLINE- UND OFFLINE-MARKEN unterscheiden sich für den Internet-Nutzer sehr deutlich voneinander. Traditionelle „Brands“ besitzen gegenüber Netzmarken einen Vertrauensvorschuss, da diese den Konsumenten meist bereits lange aus der realen Welt bekannt sind. Werte wie Seriosität, Markenkontinuität und -qualität, sowie der Aufbau eines emotionalen Zusatznutzens charakterisieren Offline-Marken. Netzmarken weisen in diesen Bereichen oft erhebliche Defizite auf. Die Devise lautet mithin, dass eine traditionelle Marke, falls verfügbar, in jedem Fall ins Netz transferiert werden sollte. Doch Vorsicht – auch beim Transfer sind durchaus Fehler möglich. So setzen sich im Internet typische Netzmarken durchaus gelegentlich auch gegen gut eingeführte traditionelle „Brands“ durch. Online-Marken sind ihrer traditionel-

len Konkurrenz oft durch Eigenschaften wie Vernetzungskompetenz und schnelle Reaktionsfähigkeit auf Kundenwünsche überlegen. Sie beweisen Dialogfähigkeit und „soziale Intelligenz“ im Umgang mit den Nutzern. Die direkte Erfolgskontrolle (durch Messbarkeit der Zugriffszahlen, Werbeeinnahmen und kontinuierlichem Benutzer-Feedback) gibt der Online-Marke etwas Gläsernes, wodurch sich die Chance der kontinuierlichen Verbesserung eröffnet.9 Virtuelle Marken gelten zudem bei den Internet-Besuchern als modern und attraktiv. Zentrale Herausforderungen sind dabei allerdings Markenbildung und -aufbau. Der Konsument muss lernen, welche Produkte und Dienste hinter bestimmten Namen (wie z.B. Amazon oder eBay) stehen. Dazu gehört vor allem in der Anfangsphase der Markenetablierung auch die Bekanntmachung in klassischen Medien. Ohne die traditionelle Werbung, die wesentlich zum Markenaufbau beiträgt, haben Online-Marken im Wettbewerb um die Gunst der Kunden keine Chance.10 Viele reine „New-Economy-Unternehmen“ geraten schnell ins finanzielle Abseits, da in der Aufbauphase nicht selten mehr in Marketing und Werbung investiert werden muss, als der eigene Umsatz ausmacht. Die Trennung zwischen neuer virtueller und der alten klassischen Markenwelt wird nicht bestehen bleiben. Immer mehr traditionelle Offline-Marken drängen ins Netz und reine Online-Marken bauen sich eine physische Präsenz in der realen Welt auf. Erfolgreich werden nur diejenigen Marken sein, welche die Verknüpfung der Erfolgsfaktoren klassischer Markenführung mit den neuen Potenzialen der Netzmarken beherrschen. Die Online-Werber haben lange darauf gewartet, dass die Markenartikler das Internet als

Coca-Cola nutzt das Web nur als Kommunikationsmedium.

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Die Zielgruppe des modernisierten Klassikers Mini hat eine hohe Affinität für das Internet. Die Markenerfahrung wird damit wesentlich von der Website geprägt.

Werbemedium entdecken. Die Marken konzentrieren sich verstärkt auf eigene Websites und -initiativen, um sie als Marketing-Mittel einzusetzen. Exemplarisch war und ist die Mini-Kampagne der BMW Group. Als der Münchner Autohersteller den modernisierten Klassiker auf den Markt brachte, nutzte er das Internet nicht nur als Informationsmedium. Er setzte es in der Pre-Launch-Phase sogar als alleiniges Positionierungsinstrument ein. „Wir haben ein Zeichen gesetzt. In der Automobilbranche ist es sonst üblich, Modelle auf einer Autoschau zu launchen. Wir haben dafür das Internet benutzt“, sagte Jochen Schmalholz, Leiter Internet und Dialogmarketing bei Mini, der Zeitschrift Absatzwirtschaft.11 Neben der internationalen Seite mini.com startete der Autohersteller 1999 in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden nationale Auftritte im Netz. „Aus der Marktforschung hatte sich ergeben, dass die Mini-Zielgruppe eine hohe Affinität zum Internet hat und auch schon länger mit dem Medium umgeht. Über 90 Prozent nutzten das Internet für die Recherche. In diesem Fall ist der Schritt vom Interesse an der Marke bis zur Website nicht mehr so groß.“12 Die Grenzen zwischen

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On- und Offline-Markenführung werden auch bei vielen anderen Marken im „ONE-Branding“ („ONE“ für „Old New Economy“) aufgelöst werden. Die Markenerfahrung bleibt hier nicht auf das Internet beschränkt, sondern die Eindrücke der Konsumenten in der physischen und virtuellen Welt verschmelzen zu einem Gesamtbild. „On“- und „Offline-Brands“ müssen daher unweigerlich voneinander lernen, um die Vorteile beider Markenwelten im „ONE-Branding“ zu vereinen.13 Ferrero sorgte Anfang des Jahres 2002 mit einer Web-Initiative auch im virtuellen Orbit für Kinderüberraschungen. Auf den Beipackzetteln der Schoko-Eier finden sich seither zehnstellige „Magic Codes“, mit denen man Zugang zu einer Online-Spielewelt auf der „Magic-Kinder-Site“ (www.magic-kinder.com) erhält. Die Ziffernkombination bietet die Möglichkeit, eines

Im „ONE-Branding“ verschmelzen physiche und virtuelle Eindrücke

von 50 unterschiedlichen Spielen für 20 Minuten zu spielen. Nach dem Spiel verfällt der Code. Die Hauptdarsteller sind die Figuren der Kinderüberraschungen: die „Happy Hippos“, „Crazy Crocos“ und „Super Spacys“. Dieses Konzept ist eine völlig neuartige Konsumentenansprache. „Ferrero verbindet hier die Vorteile und technischen Möglichkeiten des Internet mit denen des klassischen Konzeptes: Spannung, Spiel und Schokolade“, kommentierte eine Ferrero-Sprecherin.14 Beispiele für den Trend zur „ONE-Brand“ sind auch bei Procter & Gamble zu finden. Dabei reflektiert das Unternehmen allerdings jeweils genau, für welche Marken das Sinn macht. Denn es ist teuer, genügend und interessanten Content auf die Site zu bringen, damit die Kunden auch bleiben. Der Auftritt von Pampers bietet das und kann deshalb als eigenständiges CRMWerkzeug betrachtet werden. Auf den Internet-Seiten können (werdende) Eltern ihre Erfahrungen rund ums Baby austauschen oder Expertentipps zur Ernährung, Gesundheit und Sicherheit des Kindes erhalten. Wer sich kostenlos im Pampers-Club registriert, nimmt regelmäßig an Gewinnspielen teil und kann Produktproben anfordern.15 Dabei gilt es, keine kognitiven Dissonanzen durch den Bruch zwischen Online- und Offline-Kanälen auszulösen. Daher muss eine Integration der Markenpräsenz im Internet in den gesamten kommunikativen Marktauftritt der Marke bzw. des Unternehmens unter Berücksichtigung der spezifischen „Corporate- / Brand Identity“ stattfinden. Integrierte Markenführung beinhaltet die formal-inhaltliche, instrumentelle, personell-organisatorische sowie die zeitliche Integration aller markenbezogenen Marketing-Aktivitäten. Ziel ist es, Synergieeffekte zwischen den eingesetzten Elementen der Marketing-Kommunikation sowie Rationalisierungseffekte beim Mitteleinsatz zu realisieren. Es lassen sich so synergetische kommunikative Wirkungen auf Seiten der Konsumenten erzeugen – der Marktauftritt wirkt ganzheitlich. Die Wirkung der Ganzheitlichkeit übersteigt dabei die Summe der Wirkung der einzelnen Kommunikationsinstrumente. Paradebeispiel ist die aufwändige Maggi-Seite. Alle anderen Kommunikationswege weisen dort hin. Monatlich verzeichnete Maggi im Jahr 2002 rund 250.000 Visits. Rund 25.000 Kunden nutzten ein Online-Abonnement, um sich das Rezept der Woche schicken zu lassen. Neben einer 3.000 Rezepte umfassenden Datenbank gibt es unter

Durch vernetzte Markenführung erhöht sich der Wirkungsgrad des „E-Branding“

www.maggi.de auch ein Internet-Kochstudio. Die formal-inhaltliche Integration beinhaltet die Einhaltung von Gestaltungsprinzipien und -richtlinien bei der Markenpräsenz im Internet. Dabei gilt es die Ausnutzung technischer und funktionaler Möglichkeiten des Internet und die strikte Einhaltung formaler und inhaltlicher Gestaltungsprinzipien der Marke in optimalen Einklang zu bringen. Unter der Leitmaxime „Marke vor Medium“ dominiert jedoch die Marke die Gestaltung der Internet-Präsenz. Daher sind z.B. der Verzicht auf Logos, um kürzere Ladezeiten zu erzielen, oder veränderte Markenbotschaften, für die besondere Umgebung im Internet, nicht gerechtfertigt.16 Durch den Online-Auftritt soll die Wiedererkennbarkeit und Unverwechselbarkeit der Marke zum Ausdruck gebracht werden. Ein einheitlicher Auftritt vereinfacht zudem den Lernprozess der Konsumenten. Erfolgreiches „E-Branding“ erfordert die Verbindung mit anderen markenpolitischen Maßnahmen und Instrumenten. So kann durch Kommunikationsmaßnahmen wie z.B. Werbung, PR, Sponsoring und Sales Promotion auf die Internet-Präsenz der Marke hingewiesen werden, um die Kontaktwahrscheinlichkeit im Web zu erhöhen und umgekehrt. Durch vernetzte Markenführung erhöht sich der Wirkungsgrad des „EBranding“ erheblich. Erfolgversprechendes „E-Branding“ umfasst daher die Steuerung der Markenaktivitäten durch interne „Markenprofis“ sowie die Beteiligung externer InternetExperten bzw. „Medienkenner“, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Z. B. arbeiten idealerweise Marketing- und PR-Fachleute mit Technikern und Designern bei der Online-Markeninszenierung zusammen. Ein gutes Beispiel dafür ist Bertelsmann. Hier arbeiten die Internet-Tochter Webmiles und das Direktmarketing-Unternehmen Arvato Hand in Hand.17 Ein anderes Beispiel ist ProSiebenSat.1. Hier prallen allerdings Kulturen aufeinander: Einerseits die „Krawattenträger“ aus dem Marketing und andererseits die ziegenbärtigen „New-Media-Nerds“ aus der Abteilung Online und Co. Die 70 Internet-Experten der SevenOne Interactive und die 310 Fernsehspezialisten der SevenOne Media arbeiten Tür an Tür in der Unterföhringer Firmenzentrale. Der „Clash of Cultures“ in der Kaffeeküche blieb bislang jedoch aus. Ganz im Gegenteil: Beteiligte schwärmen von „der Erotik“ der Liaison und werden nicht müde, die Chancen der Verbindung von Fernsehen und weiteren Werbeträgern zu preisen. Kein anderer Vermarkter in Deutschland führt neue und klassische Medien so konsequent zusammen.18 Im Hinblick auf die zeitliche Integration sind die Abstimmung des Instrumentaleinsatzes untereinander sowie die Kontinuität des Markenauftritts zu berücksichtigen. Häufiger Kampagnen-Wechsel und zeitlich nicht miteinander abgestimmte On- und Off-

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line-Kampagnen behindern den Aufbau eines konsistenten kommunikativen Gesamtkonzepts. Einzelne Maßnahmen müssen koordiniert ablaufen, damit ihre einheitliche Zielsetzung nicht aus dem Blickfeld gerät. „Vom 23. Januar 2006 an macht ein 20-Sekünder auf ProSieben Zuschauern ein Online-Special unter der Internet-Adresse des Senders schmackhaft. Bahlsens Krümel-Snack ‚Pick up‘ lockt dort 19- bis 29-Jährige mit schrägen Verköstigungen. ‚Gewinne dein verrücktes Picknick‘, verheißt das Spiel. Neugierige, die nicht sofort den Computer anschalten, finden im ProSieben-Text weitere Informationen. ‚Pick ups‘ verrücktes Picknick ist nicht das erste Projekt dieser Art, das die Familien-KG aus Hannover angeht. In den Sommerferien 2005 brachte Bahlsen seinen Klassiker Leibniz Butterkeks ins Gespräch. Das Vorgehen war ähnlich: als unübersehbarer Hinweis ein Fernsehspot, der Aufmerksamkeit weckt (auf Sat.1), ergänzt um Zusatzinformationen im Videotext und - als Attraktion im Internet - ein ausgiebiges Backwaren-Special mit Gewinnspiel (Preise: täglich zehn Benzingutscheine für die Fahrt in den Urlaub). Eine Schnitzeljagd quer durch die Medien. Das Ziel: Verbraucher zu animieren, sich eingehend mit dem beworbenen Sujet zu beschäftigen. SevenOne Media und SevenOne Interactive, Unterföhring, nennen das Konvergenz. Die beiden Vermarkter der ProSiebenSat.1-Gruppe, seit April 2005 unter einem Dach vereint, gelten als Mit-Erfinder

des Begriffs - und sehen sich ‚als Marktführer für konvergente Werbung‘, so Interactive-Geschäftsführer Matthias Falkenberg. Sein Dienstleister ist für sämtliche Konvergenz-Kunden der Gruppe aus der Entertainment-Branche zuständig (DVD, Kino, Games). Alle anderen übernimmt SevenOne Media mit der rund 20köpfigen Abteilung ‚Integrated Brand Solutions‘ (IBS). Tatsächlich sorgt das Konzept für Furore. Verbuchte SevenOne 2003 gerade mal 37 Konvergenz-Kampagnen, so waren es 2005 bereits 150, zu einem wachsenden Teil (40 Prozent) vernetzt über drei und mehr Medien. Werbeumsätze von 280 Millionen Euro erzielt SevenOne Media auf diese Weise, neun Prozent des jährlichen Brutto-Umsatzes.“19 „Die Klassiker kommen immer mehr ins Internet“, meint auch Dirk Freytag, Vorsitzender der Adtech AG und Leiter des Arbeitskreises Werbung beim Deutschen Multimedia Verband (DMMV) 2002. „Denn durch Onlinewerbung ist die Verstärkung der Marke ungemein hoch.“ Auch Forrester will in einer Untersuchung erkannt haben, dass die „zögerlichen großen Marken“ die Online-Werbung entdeckt haben. Grund sei, dass über das Web mittlerweile der „Mainstream“ erreichbar sei. Schließlich lautete das Motto des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Roberto C. Goizueta (1981 - 1997): „Es muss Menschen weltweit unmöglich gemacht werden, Coca Cola zu entfliehen.“20

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Buck, A. und Herrmann, C.: Innovation, Marke und Design; Teil 2: Markenführung, www.innovationaktuell. de/kv1002-02.htm, Stand: 03.12.02 2

Vgl. Scheffler, H.: Markenführung mit Marktforschung, in: Marketingjournal, Heft 1/2002, S. 20f. 3

8

Vgl. Meffert, H. und Bongartz, M., a.a.O., S. 20f.

9

Vgl. N.N.: The Boston Consulting Group, Gruner + Jahr, e-Branding, a.a.O.,S. 12f. 10

vgl. Fantapiè Altobelli, C. und Sander, M., a.a.O., S. 173

11

Vgl. Arends, G.: Die Marken und das Internet, Selbst ist die Marke, absatzwirtschaft Nr. 08 vom 01.08.2002, S. 108

Vgl. Meffert, H. und Bongartz, M.: e-Branding: Integration des Internet in die Markenführung – ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: Meffert, H. u. a. (Hrsg.): Arbeitspapier Nr. 147 der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster 2001, S. 6

12

Vgl. ebenda

13

Vgl. N.N.: The Boston Consulting Group, S. 6ff

14

Vgl. Arends, G., a.a.O.

4

15

Vgl. ebenda

16

Vgl. Meffert, H., Bongartz, M., a.a.O., S. 22ff

Vgl. Teege G.: E-Commerce quo vadis?, in: Eggers, B., Hoppen, G. (Hrsg.), Strategisches E-Commerce-Management, Wiesbaden 2001, S. 634 5

Vgl. Meffert, H. und Bongartz, M., a.a.O., S. 9

6 Vgl. Picot, A. und Neuburger, R.: Grundsätze und Leitlinien der Internet-Ökonomie, in: Eggers, B. und Hoppen, G. (Hrsg.): Strategisches E-Commerce-Management, a.a.O., S. 25ff. 7

Fantapiè Altobelli, C. und Sander, M.: Internet-Branding, Stuttgart 2001, S. 3

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17

Vgl. Freund oder Feind?, werben & verkaufen Nr. 35 vom 01.09.2005, S. 9

18

Vgl. werben & verkaufen Nr. 24 vom 16.06.2005, S. 57

19

Aufwändiges Media-Puzzle, werben & verkaufen Nr. 0102 vom 12.01.2006, S. 16

20

Vgl. Arends, G., a.a.O.

Produktpräsentation im Web – aber wozu?

Müssen Produkte im Web präsentiert werden und wenn ja, worauf muss sich die Web-Präsenz schwerpunktmäßig konzentrieren? Nach Antworten wird derzeit noch branchenabhängig nicht ohne Probleme gesucht. Denn die anfängliche „Hauptsache-wir-sind-drin“-Mentalität erweist sich als kostenintensiv und wenig einträglich. Dabei besteht in einigen Branchen akuter Handlungsbedarf, während andere sich eigentlich zurücklehnen könnten.

A

uch wenn der Produktmanager zunächst die Online-Vermarktung eines bestimmten Produkts nicht unbedingt für förderlich hält, sind im

Web immer noch jede Menge elektronischer Sekundärdienstleistungen denkbar. Produktdemos und -kataloge, Systeme zur Auftragsverfolgung, FAQ-Listen,

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Liest er Print oder Web? Für die meisten Medien gehört es mittlerweile zum guten Ton, ihre Auftritte durch eine InternetPräsenz zu ergänzen. Das ist teuer, denn verdienen lässt sich online bisher wenig.

virtuelle Gemeinschaften und vieles mehr können hier durchaus hilfreich sein. Manchmal kommt die Forderung nach dem Web-Auftritt aber auch von außen: Viele Zeitungsleser beispielsweise erwarten heutzutage einfach, dass ihre Zeitung im Internet vertreten ist. Doch es gibt dabei auch Schwierigkeiten, vor allem wenn die Projekte nur halbherzig angegangen werden. Letztendlich kann eine schlechte Website einer erfolgreichen Print-Publikation sogar schaden. Das englische Revolverblatt Sun beispielsweise hatte lange einen ausgesprochen unausgereiften Internet-Auftritt. Ganz anders die Konkurrenz: Während der Guardian sich als Print-Titel nur unter ferner liefen halten kann, hat das Portal www.guardian.co.uk der Print-Publikation geholfen. Durch den Absatz von Probe-Abos über die Website wurde beispielsweise der Verkauf des Print-Titels angekurbelt. Dabei darf jedoch nicht in Vergessenheit geraten, dass kaum einer in der Zeitungsbranche Profit mit dem Web-Auftritt macht. Ob geglückte oder misslungene Web-Präsenz – kein Verlagshaus weiß so recht, für welche Dienste die Nutzer wirklich zu zahlen bereit sind. Vor allem da die Surfer nicht für Inhalte und Dienste Geld ausgeben, die sie auf anderen Websites umsonst bekommen.

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Darüber hinaus ist die Konkurrenz im Netz groß, denn schließlich treten die Verlagshäuser nicht nur gegen andere elektronische Zeitungen an, sondern wetteifern auch mit den Auftritten von Fernsehsendern, ja letztlich mit allen Portalen, die Nachrichteninhalte bieten. Im Internet kann ohne weiteres der Auftritt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) mit dem des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF) verglichen werden. Da mittlerweile auch die deutschen Verlagshäuser wissen, dass es schwer ist, in der virtuellen Welt mittel- bis langfristig Geld zu verdienen, sehen sie ihre Ausgaben als strategisch an. Sie wollen nicht auf eine Internet-Präsenz verzichten, die vielleicht eines Tages eine größere Rolle als ihre Print-Ausgabe spielen könnte. Die Suche der Medienhäuser nach rentablen Geschäftsmodellen läuft daher auf vollen Touren. Das Konzept der Financial Times Deutschland (FTD) ist in vieler Hinsicht ein Sonderfall: Denn die erste gedruckte Ausgabe war noch gar nicht zu kaufen, da zitierte bereits die Deutsche Presse-Agentur (DPA) den Wirtschaftstitel. Der Grund: Schon ab Januar des Jahres 2000 publizierte die Redaktion übungshalber online einen Newsletter. Die FTD war so bereits rund zwei Monate virtuell präsent, bevor sie

zum 21. Februar 2000 an den Kiosken zu haben war. Als Neugründung setzte die FTD von Anfang an auf ein in der Branche nahezu einmaliges Konzept: Eine wirklich integrierte Print- und Online-Redaktion, in der die Online-Mitarbeiter in enger Abstimmung mit den Print-Ressorts arbeiten. So entstand ein geschlossenes Team, in dem sich die sonst in Verlagshäusern übliche Kluft zwischen alteingesessenem Print-Redakteur und dem Online-Kollegen nicht auftun konnte. Auch der Aufbau des gemeinsamen Redaktions- und Content-Management-Systems erfolgte aus einem Guss, die übliche Schnittstellenproblematik konnte vermieden werden. Der Bereich Electronic Media ist so auch nicht wie bei fast allen anderen Verlagshäusern ein Tochterunternehmen, sondern fester Bestandteil der gesamten Redaktion, und das propagierte Motto: „One Brand – all Media“ kann wirkungsvoller durchgesetzt werden. Wird der Online-Auftritt als Tochtergesellschaft ausgegliedert, ist es oft schwierig „cross-mediale“ Konzepte aufzubauen, Synergien zu nutzen und die Marke konsequent durch beide Unternehmen zu vermarkten. Die Folge ist ein Wasserkopf, eine aufgeblähte Verwaltung und zwei getrennte Redaktionen,

die unnötig Geld fressen. Das ist anders bei Unternehmen, die mehrere Online-Titel betreuen und verstärkt als Dienstleister arbeiten. Ein solcher Fall ist die im Jahr 2000 gegründete Tochter der Verlagsgruppe Handelsblatt, Economyone – zumindest nachdem das Management im Juli 2001 das Unternehmen umstrukturiert, 29 Mitarbeiter entlassen und die bis dahin getrennten Redaktionen zu einer Zentralredaktion zusammengelegt hatte. Diese beliefert nun Web-Auftritte wie die des Handelsblatts, der Wirtschaftswoche und von DMEuro mit Inhalten. Auch die Vermarktung wurde neu ausgerichtet, und Economyone arbeitet heute für verlagsfremde Internet-Auftritte wie den der Zeit und von n-tv. Die Einnahmen, die Economyone auf diese Weise erzielt, decken jedoch nicht die Ausgaben, und die hauseigenen Portale müssen daher früher oder später selbst Geld verdienen. Geld sollen Internet-Auftritte in die Kassen der Verlage eines Tages spülen. Als Vorbild sehen die Medienhäuser wohl vor allem den Online-Auftritt des Wall Street Journal, der nahe an der Profitabilität ist. Wsj. com hat über 600.000 zahlende Abonnenten für seine Dienste gewonnen. Der größte Teil der Abonnenten sind Firmen, die Wirtschaftsnachrichten abfragen

Konzeptlosigkeit wird derzeit noch dem Internet-Auftritt des ZDF vorgeworfen, auch wenn die Online-Redaktion 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umfasst und Millionenbeträge für die Web-Präsenz fällig werden. Für das ZDF steht trotzdem fest: ZDF. de wird eine zentrale publizistische Rolle am deutschen Markt spielen. Derzeit sind die Internet-Seiten jedenfalls noch keine sinnvolle Ergänzung zu den Fernsehbeiträgen.

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und das Archiv für ihre Recherchen nutzen. Niemand möchte heutzutage noch in seinem Haus Tonnen von Blattwald durchforsten. Das wissen auch die deutschen Medienhäuser und so machen sie mit OnlineBezahlmodellen schon seit einiger Zeit Gehversuche. Die Wege auf denen die Verlage hoffen, Geld zu verdienen, sind mannigfaltig: Die FTD zum Beispiel bietet ihren Print-Abonnenten im Netz ein Archiv der gedruckten Ausgabe und die Möglichkeit, sich Artikel als pdf-Datei herunter zu laden. Wer will, kann Börsenberichte und Top-News per SMS empfangen. Die Kosten werden nach Aussagen des Verlages durch das Print-Abonnement mit abgedeckt. In Kürze sollen kostenpflichtige Dienste für Nicht-Abonnenten folgen. Das Handelsblatt bietet seit dem Relaunch im Sommer 2000 den Premium-Bereich Topix, der mit der PrintAusgabe kostenlos oder gesondert abonniert werden kann. Er richtet sich vor allem an Geschäftsleute, die effizient recherchieren und auf sie zugeschnittene Informationen erhalten wollen. Anfang des Jahres 2002 nutzten Topix nach Aussagen des Verlages bereits 40.000 Leser, davon allerdings noch rund 27.000 gratis zum Print-Abo. Mittelfristiges Geschäftsziel der Internet-Auftritte ist es aber immer, möglichst schnell den „Breakeven“ zu schaffen und den Bereich Electronic Media in die Gewinnzone zu bringen. Woher die Unternehmen ihren Optimismus nehmen, bleibt angesichts der wenigen und eher unergiebigen Erlösquellen über ihre Websites allerdings unklar. Auch die überregionalen Tageszeitungen FAZ und Süddeutsche Zeitung (SZ) haben mit ihren Tochterunternehmen FAZ Electronic Media und Sueddeutsche. de ihre Füße auf virtuellen Boden gesetzt. Sie wollen über das Netz neue Abonnenten für die Print-Objekte gewinnen. Einig sind sich beide, dass über das Web nur bestimmte Zielgruppen bedient werden können. Für die FAZ ist das eine gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt besser verdienende und gebildetere Klientel. Faz.net will dabei speziell die Zielgruppe der einkommensstarken 19- bis 39-Jährigen bedienen. Diese so genannte Info-Elite interessiert sich vorrangig für aktuelle Nachrichten, aber etwa auch für Geldanlagen, Reisen, Bücher und Freizeitgestaltung. Die FAZ sieht ihren Online-Auftritt nicht nur als Zeitung im Netz, sondern glaubt, das Verlagshaus versuche so dem Wandel der Informationsaufnahme zu Gunsten des Internet gerecht zu werden. Wie sich die Strategie des Hauses Schritt für Schritt entwickelt, zeigt die Ausgliederung der Tochter FAZ Electronic Media im Sommer 1999 genauso wie der langsame Aufbau des 60 Personen umfassenden Mitarbeiterstabs im Jahr 2000. Dafür steht auch die Integration von FAZ.de in das neue Online-Angebot, das Anfang 2001 „live“ ging. Dieses bildet nicht mehr nur die Zeitung ab, sondern liefert aktuellere Nachrichten sowie „Livestreams“

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Der gläserne Versicherungsmarkt ist heute schon Realität. Wer sich versichern möchte, kann leicht im Web das preisgünstigste Angebot herausfinden. Der traditionelle Anbieter muss irgendwie reagieren. Aber wie?

Über das Web können nur bestimmte Zielgruppen bedient werden vom FAZ-Business-Radio und bewegte Bilder. Profit macht aber selbst Faz.net nicht. Zwar ist das Archiv kostenpflichtig und einige Bereiche sind Abonnenten vorbehalten, doch das reicht eben nicht, um Gewinn einzufahren. So werden gerade einzelne Erlöswege wie der Verkauf von Inhalten unter die Lupe genommen. Allerdings geht man hausintern davon aus, dass es dauern wird, bis Faz.net Geld verdient. Die SZ legt vor allem Wert darauf, mit ihrem 1997 gestarteten Online-Auftritt neue Leser aus anderen Bevölkerungsschichten und auch außerhalb des Freistaats zu gewinnen. Immerhin leben zwei Drittel der Online-Leser nördlich des Mains, aber der Großteil der Zeitungsabonnenten, 60 Prozent, wohnt in Bayern. Eine Tatsache, die das Verlagshaus schon länger wurmt. Um das zu ändern, setzt der Konzern auf die Vergabe von Probe-Abos im Netz – 40.000 Leser haben so die Zeitung im letzten Jahr getestet. Auch schätzt der Verlag seine Web-Präsenz deshalb, weil sie noch aktueller als die Print-Ausgabe informieren und ausführlicher, zum Beispiel in Form von Themenschwerpunkten, berichten kann. Der Online-Auftritt darf jedoch Artikel, die er aus der Print-Ausgabe übernimmt, nicht umschreiben, sondern nur Zitate hervorheben und Bilder hinzufügen. Veredeln nennt Sueddeutsche.de dieses Prinzip. Das Portal besitzt seit dem Relaunch im April 2001 auch endlich eine durchgehende Optik mit einheitlichen Logos. Zusätzlich kamen neue Bereiche wie Auto & Mobil sowie zwei getrennte Rubriken für Innen- und Außenpolitik hinzu. Stark ausgebaut sind bereits die Online-Rubriken wie der Immobilien- und der Automarkt. Nur dieser Teil des Portals kann wohl tatsächlich in naher Zukunft den „Breakeven“ schaffen. Bei der Redaktion wird es wohl länger dauern. Um zu sparen hat das Unternehmen die externen Quellen eingedampft und etwa einen Teilbereich von Reuters gekündigt, sowie das Marketing-Budget gekürzt. Immerhin bewegen sich die getätigten Investitionen im zweistelligen MillionenEuro-Bereich. Das mutet mittlerweile schon professioneller an. Der erste Business-Plan lief noch unter dem Motto „Wir sind auch mit dabei!“ DAS ZDF IM WEB Im Vergleich zu den Sorgen der Web-Auftritte von Print-Titeln haben die Portale der öffentlichrechtlichen Sender kaum finanzielle Probleme. Da können private Sender und Zeitungsverleger noch so vehement gegen die aus GEZ-Gebühren finanzierte Konkurrenz protestieren – die rund 60 Mitarbeiter der

ZDF-Online-Redaktion werden in erster Linie von den Fernsehzuschauern bezahlt. Aus Sicht der öffentlichrechtlichen Sender spielen ihre Online-Auftritte eine herausragende Rolle beim Vertiefen und Begleiten der Fernsehprogramme. Die ARD halten daher 350 Millionen Euro pro Gebührenperiode für den Ausbau der Portale für erforderlich, selbst wenn der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) dem ganzen Auftritt Konzeptlosigkeit vorwirft. Das ZDF verteidigt den Internet-Auftritt seines Senders: Man wolle den Nutzer doch an dem Ort und zu dem Zeitpunkt erreichen, an dem dieser informiert und unterhalten werden möchte. Vor diesem Hintergrund steht für das ZDF bereits heute fest: Zdf.de wird eine zentrale publizistische Rolle am deutschen Markt spielen. Der Sender hat gut reden, hat er doch seine Gebührenzahler.1 AUCH VON DER VERSICHERUNGSBRANCHE werden die Möglichkeiten des Internet bisher nur ansatzweise ausgeschöpft. Wesentlicher Kritikpunkt bisher: Die eindimensionale Kommunikationsstruktur. Auch gilt noch flächendeckend der Wahlspruch „Hauptsache wir sind drin“. Damit beschränkt sich die Präsenz im Netz oft auf reine Firmen- und Produktpräsentationen. Möglichkeiten zur Interaktion, bei denen der Kunde beispielsweise seine Schadensmeldung online vornehmen kann, gehören nicht zum Standard. Richtig düster sieht es bei individuellen Angeboten aus. Personalisierte Kundenseiten im Web sind ebenso wenig zu finden wie automatische Feed-back-Schleifen zur Identifizierung der Bedürfnisse verschiedener NutzerGruppen. Tatsächlich wächst die Zahl derer, die im Netz mit Versicherungsangeboten hausieren gehen. Firmen wie die transparent Gmbh (www.versicherung.net) versprechen der Internet-Gemeinde echten Nutzwert. Kern des Angebots ist der Vergleich von Versicherungsangeboten – eine Geschäftsidee, die zunehmend Nachahmer findet. Wenn die Prognosen eintreffen, dann werden die Versicherungsmarktplätze schon in naher Zukunft knapp die Hälfte des Internet-Geschäfts im Privatkundenbereich unter sich aufteilen, Allianz & Co. müssen sich, so die Expertise der Forit-Marktforschung, mit einem Marktanteil von 36 Prozent bescheiden. Der Rest des Geschäfts entfällt auf spezielle Internet-Versicherer (wie beispielsweise die Direct Line Versicherung AG, www.directline.de). Die Innovativen der Versicherungsszene haben dort schon den

Die Web-Präsenz beschränkt sich auf die Prodkuktpräsentation E-MARKETING

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Fuß in der Tür. Seit einiger Zeit schon hat die Internet Insurance Lebensversicherungs AG die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb – Partner des Projekts ist die Mannheimer Versicherung. Der Anbieter firmiert jetzt unter mamax (www.mamax.de). Die Bezeichnung ist als Markenname eingetragen und ersetzt den bisherigen Projektnamen Internet Insurance. Mit dem neuen, geschützten Namen kann die Gesellschaft eine unverwechselbare Marke im Internet nutzen, ohne dass eventuelle Nachahmer davon profitieren können. Die Internet-Nutzer finden im Internet auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Versicherungslösungen. Aber Web-Konzepte sind ein sensibles Thema. Wie in anderen Branchen stellt das Internet auch in der Versicherungslandschaft die angestammten Vertriebswege in Frage – und ruft bei so manchem Versicherungsmanager offenbar eher Lähmungserscheinungen als Aufbruchstimmung hervor. Die Abstimmung mit dem Außendienst erweist sich oft als komplizierter als zunächst angenommen. Er muss von Anfang an integriert werden. Auch der Marktführer der Branche, die Allianz, legt ihre Internet-Strategie nicht ohne den Außendienst an. Die Allianz-Vertriebsmannschaft – über 10.000 Männer und Frauen bundesweit – wird auch im Internet-Zeitalter als wichtigster Dienstleister und Ansprechpartner für die Kunden gepriesen. Trotzdem müssen sich die Außendienstler auf einen Rückgang des Geschäfts einstellen. Das Internet hat sich relativ schnell als mehr als eine elektronische

Die „Web-Pille“ ist bis zu 60% billiger. Nur der Gesetzgeber ist den virtuellen Apotheken derzeit noch eine Last.

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Sekundärdienstleistung entpuppt. Bereits in einigen Jahren werden Außendienstler nur noch mit maximal 60 Prozent des Geschäfts rechnen können. Der Rest wird online abgeschlossen werden. Die Zukunft des Versicherungsgeschäfts liegt im Internet, kann doch der E-Share dieser Dienstleistung bis zu 100% betragen. Mithin handelt es sich um ein digitales Produkt, das geradezu ideal im Netz vertrieben werden kann. Dabei sind die Einsparmöglichkeiten enorm. Mummert + Partner beziffert die Kosten für eine Vertragsänderung, die über das Internet durchgeführt wird, auf 50 Cent – geht der Vorgang über die Agentur-Organisation, laufen Kosten von ca. 20 Euro auf. Das Sparpotenzial wird auch deutsche Versicherungen überzeugen, ihre Kunden mehr und mehr im Netz zu betreuen. Derzeit endet der Online-Prozess allerdings noch bei der Antragstellung. Der Versand der Versicherungsunterlagen erfolgt aus rechtlichen Gründen per Post. Das Potenzial für Versicherungsanbieter im Netz ist dennoch enorm, urteilen die Marktforschungsunternehmen. Schon in allernächster Zukunft kann ein Prämienvolumen von über 30 Milliarden Mark übers Internet abgewickelt werden.2 Einen ähnlichen Effekt hat das Internet möglicherweise im Gesundheitswesen. Denn dort ist Sparen angesagt. Angesichts dramatischer Haushaltsdefizite wird fieberhaft nach Einsparpotenzialen gesucht. Fündig wird man bei den Arzneimittelausgaben. Den Löwen-

Traditionell muss eine höhere Reichweite immer um den Preis eingeschränkter Reichhaltigkeit erkauft werden. Im Versandkatalog wird die Ware nur unzureichend beschrieben, dafür kann der Katalog an Tausende verschickt werden. Umgekehrt kann im Laden das reichhaltige Beratungsgespräch täglich nur mit wenigen Kunden geführt werden. anteil davon schluckt in Deutschland nach Angaben des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen der Weg eines Medikamentes vom Hersteller zum Patienten. So entfielen etwa 40 Prozent der gesamten Medikamenten-Kosten auf den Vertrieb. In Frankreich seien es dagegen nur 30 Prozent und in Schweden trotz geringer Bevölkerungsdichte sogar nur 25 Prozent. Schuld daran sind nach Meinung der Kassen die hohen gesetzlich festgelegten Zuschläge des Großhandels und der Apotheken, die in der deutschen Arzneimittelpreisverordnung festgelegt sind. Die Verordnung garantiert den Apothekern eine feste Marge für jedes Produkt. Doch mit Hilfe von Internet-Apotheken könnte man die Ausgaben pro Jahr um etwa eine Milliarde reduzieren.

Eine Internet-Apotheke ist eine Versandapotheke, bei der das Web als Medium zur Geschäftsanbahnung und zum Geschäftsabschluss mit dem Verbraucher dient. Im internationalen Umfeld ist der Versandhandel mit Arzneimitteln längst Realität. Heute kann sich weltweit jeder Medikamente über das Internet bestellen und schicken lassen, sofern er diese selbst bezahlt. Zwar sind Lieferungen aus dem Ausland nach Deutschland bisher illegal, da verschreibungspflichtige Medikamente hierzulande nur in stationären Apotheken, in so genannten Offizinapotheken, verkauft werden dürfen; doch der Staat hat dagegen kaum eine Handhabe. Der politische Wille zur Änderung ist da – deshalb wird derzeit heißer denn je um das Thema Internet-Apotheken gestritten. Ein Alarmzeichen

Das Internet durchbricht den traditionellen Reichweite-Reichhaltigkeits-Kompromiss. Ist damit – wie beispielsweise bei Tageszeitungen, Versicherungen, Apotheken usw. – ein hohes Wertpotenzial verbunden, gerät die Branche ins Rutschen. Jetzt besteht für alle Beteiligten akuter Handlungsbedarf. Jeder muss sich bewegen, um dem neuen Kompromiss erneut gerecht zu werden.

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So manches Zeitungsinserat hat einfach Charme. Hier sind Veränderungen schwer vorstellbar. Die elektronische Kleinanzeige im Bereich Gebrauchtwarenoder Immobilienmarkt ist allerdings der traditionellen überlegen.

für die Apotheker und deren Verbände – sie machen sich mittlerweile berechtigte Sorgen um ihr Verkaufsmonopol. Die virtuelle Konkurrenz aus dem Ausland lehnen sie aus nahe liegenden Gründen ab. Zum einen fürchten sie um den eigenen Geldbeutel, zum anderen sehen sie die Gesundheit des Verbrauchers in Gefahr, da man beispielsweise Patienten nicht ausreichend über das Internet beraten könne. Es gibt in Deutschland etwa 45.000 zugelassene Medikamente. Diese sollten grundsätzlich nicht ohne Beratung abgegeben werden, meint beispielsweise der Bayerische Apothekerverband. Der Hausapotheker wisse um die Beschwerden seiner Patienten und könne dies bei der Abgabe von Medikamenten auch berücksichtigen. Das Internet sei eher etwas für gebildete, junge Menschen, die den Rat des Apothekers nicht benötigten. Ältere Menschen bräuchten dagegen einen Ansprechpartner, dem sie vertrauen.3 Bei Internet-Apotheken wie etwa beim holländischen Anbieter Doc Morris (www.docmorris.de) könnten die Kunden bei Problemen lediglich bei einer Hotline anrufen. Und noch etwas stört die Apotheker und deren Bundes- sowie Landesverbände gewaltig: die „Rosinenpickerei“ der virtuellen Konkurrenz. InternetApotheken würden sich vor allem auf hochpreisige Präparate konzentrieren, während Offizinapotheken ein weit größeres Sortiment vorhalten müssten. Während über Doc Morris noch heftig gestritten wird, haben zum Beispiel einige Betriebskrankenkassen (BKK) bereits Tatsachen geschaffen. Sie akzeptieren Direktabrechnungen der holländischen Internet-Apotheke. Ihre etwa 25.0000 Versicherten können rezeptpflichtige Medikamente über die Site von Doc Morris bestellen – sie müssen lediglich das Originalrezept mitschicken. Die Medikamente werden dann von Kurierdienstfahrern ausgeliefert und dem Kunden persönlich ausge-

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händigt. Das derzeit für deutsche Kunden eigentlich verbotene Angebot der Internet-Apotheke umfasst verschreibungspflichtige und rezeptfreie Medikamente. Dazu gehören auch Präparate, die in Deutschland gar nicht zugelassen sind, wohl aber in Holland oder in anderen europäischen Ländern. Nach Angaben der Landesarbeitsgemeinschaft BKK sind Arzneimittel bei Doc Morris um 15 bis zu 60 Prozent billiger als in herkömmlichen Apotheken. Kein Wunder – ist das niederländische Unternehmen ja nicht an die deutsche Festpreisregelung für Medikamente gebunden. Doc Morris startete im Juni 2000 und hat nach eigenen Angaben mittlerweile 700.000 Kunden, die der Web-Apotheke mehr als 4 Millionen Rezepte anvertrauen und damit 25 Millionen Euro gespart haben.4 Zusätzliche elektronische Dienstleistungen im Web können sich mithin vollkommen unterschiedlich auswirken. Einmal, wie im Fall des ZDF, ist nicht so recht klar, was es überhaupt bringen soll. Ein anderes Mal, wie z. B. bei den Versicherungsdienstleistungen und den Medikamenten, wird sich möglicherweise eine ganze Branche vollkommen verändern. Kann unter diesen Voraussetzungen überhaupt im Vorfeld erkannt werden, welche Auswirkungen die Einbeziehung des Internet für das Produkt-Management hat? ZUR BEANTWORTUNG dieser Frage und zur besseren Einschätzung möglicher Konsequenzen des Internet-Einsatzes helfen die Überlegungen von Evans und Wurster.5 Im Normalfall, so die beiden Autoren, ist jedes Geschäft ein Kompromiss zwischen Güter- und Informationsökonomie. Beispiel: Regale – sie wirken auf der einen Seite im Sinne einer Reklame-Tafel (Information), auf der anderen Seite fungieren sie aber auch als Lager (und sind damit ein gegenständliches Gut). Information kann gar nicht genug fließen – es ist

Die Frau am Kiosk ist dem anonymen Internet-Anbieter überlegen. Sie kennt die Wünsche und Vorlieben ihrer Kunden genau und schafft über das ein oder andere „personalisierte Schwätzchen“ Kundenbindung. Ein gutes Vorbild für den Marken-Anbieter im Web. Mit einer solchen kundenbezogenen Reichhaltigkeit kann er gegen den freien Internet-Anbieter konkurrieren. Dieser ist ansonsten im Vorteil, hat er doch die wesentlich höhere Reichweite. Denn das Versicherungsportal bietet z. B. Policen vieler Anbieter an – die einzelne Versicherung kann dagegen nur auf ihr eigenes Portfolio verweisen.

immer gut, seiner Kundschaft möglichst viele Ausprägungen eines Produkts präsentieren zu können. Das Lager und damit der wirtschaftliche Bestand dagegen kann aus Kostengründen gar nicht klein genug sein. Im Ladengeschäft muss daher prinzipiell ein Kompromiss zwischen Warenpräsentation und wirtschaftlichem Bestand gefunden werden. Der logistische Imperativ steht im Widerspruch zum informatorischen Imperativ. Dieser Kompromiss wird noch durch eine andere Sache erschwert: Die reine Ökonomie eine Gutes und die reine Ökonomie einer Information unterscheiden sich nämlich grundsätzlich. Information lässt sich kostenlos reproduzieren, Güter nur zu den Herstellungskosten. Güter nutzen sich ab, Informationen nicht – sie werden höchstens obsolet oder falsch. Güter existieren raumgebunden und unterliegen einer Rechtsprechung. Informationen sind überall und nirgends. Die Güterproduktion skaliert nicht linear – eine Verdopplung landwirtschaftlicher Arbeit beispielsweise verdoppelt nicht deren Ertrag. Bei Informationen hingegen ist die Ausbeute geradezu perfekt. Dieser Kompromiss zwischen Güter- und Informationsökonomie erzeugt eine Spannung. Sie ist mitunter so groß, dass der ökonomische Wert gemindert wird. Dieser unterdrückte Wert ist seinerseits jetzt das gesuchte Maß für die Auswirkungen elektronischer Online-Dienstleistungen auf das traditionelle Geschäftsmodell. Es wird immer dann durch das Internet zu großen Veränderungen kommen – auch wenn diese von Anfang an vielleicht gar nicht geplant sind – wenn ein hoher Wert unterdrückt wird. An dieser Stelle macht es Sinn, sich als Beispiel noch einmal die eingangs erwähnte Zeitungsbranche vorzunehmen. FAZ und Süddeutsche präsentieren sich zwar im Netz, eine hohe Wertschöpfung scheint damit bisher

aber nicht verknüpft zu sein. Die Zeitungsmacher können sich vordergründig also durchaus Zeit nehmen, ihre Internet-Auftritte zu konzipieren und im Extremfall vielleicht sogar aus Kostengründen auf eine Web-Präsenz verzichten. Es kommt aber noch etwas anderes hinzu und das ist auch oben bereits angeklungen: Die Zeitungsbranche verfügt nämlich traditionell über eine horizontal und vertikal integrierte Wertekette. Sie wirkt als Vermittler zwischen Journalisten, Inserenten und Lesern. Journalisten und Inserenten liefern das Manuskript, die Redaktion übernimmt das Layout, die Druckerpresse druckt das physische Produkt und das Distributionssystem liefert die Zeitung am frühen Morgen aus. Diese vertikale Integration einer ganz normalen Tageszeitung bringt den Vorteil mit sich, dass wegen der Größenvorteile im Druckbereich und wegen des Distributionssystems Zeitungen Produkte und Services bündeln können: Der Leser findet am Morgen in Form seiner Tageszeitung ja im Grunde alles mögliche im Briefkasten: Inserate, Schlagzeilenwerbung, Börsenkurse, Beilagen, Fernsehprogramme, Comics etc. Diese Produkte nützen sich gegenseitig. Ist mit den redaktionellen Inhalten beispielsweise nur schwer Geld verdient, lassen sich mit anderen Angeboten dagegen leicht Gewinne realisieren. Das Internet mit seiner neuen Informationsökonomie wird für die Zeitung mithin genau dann zum Problem, wenn es die einträglichen Geschäftsfelder negativ beeinflusst. Und genau das ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall, ist doch der Kleinanzeigenmarkt betroffen: Elektronische Anzeigen sind einfach aktueller, ausführlicher, interaktiver und systematischer als ihr gedrucktes Pendant. Daraus aber beziehen die Zeitungen 40% ihrer Einnahmen. Hinzu kommt noch, dass das Anzeigengeschäft nur 10% der Gesamtkosten ausmacht. Diese Gewinnspanne von 75% sichert das Überleben

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Das Anzeigengeschäft bringt 40% der Einnahmen, macht aber nur 10% der Kosten aus. Das sichert das Überleben der Tageszeitungen. der meisten Tageszeitungen. Der Produktmanager muss sich in diesem Fall also sehr wohl Gedanken darüber machen, in welcher Form ein Internet-Auftritt seinem Angebot nützt. Die Leserschaft wird zwar in Zukunft nicht vorrangig die elektronische Zeitungen nachfragen. Sie wird aber höchstwahrscheinlich ihre Anzeigen mehr und mehr im Web nachsuchen und auch schalten. Der Zeitungsmacher muss also seinerseits frühzeitig ein eigenes Online-Anzeigenangebot in seinen traditionellen Print-Auftritt integrieren, wenn er das einträgliche Geschäftsfeld nicht ganz verlieren will. Die elektronische Sekundärdienstleistung im Internet ist mithin in diesem Fall ein klares Muss. Und es ist auch bereits vorgegeben, was der Web-Auftritt in erster Linie beinhalten und wie er aussehen sollte. Schwerpunkt muss für die Tageszeitungen das elektronische Inserat sein. Produktmanager müssen sich bei der Bewertung des Webs im Bezug auf ihr Portfolio also generell folgende Frage stellen: Wo stellt Information einen Wert in der aktuellen Lieferkette dar und wie hoch ist das Wertpotenzial? Je größer dieses Potenzial, desto größer der Einfluss der sich wandelnden Informationsökonomie. Diese neue Informationsökonomie wirkt sich noch in einer anderen Art und Weise aus: Ist Information nach Evans und Wurster6 in physische Zustellungsarten eingebettet, existiert traditionell ein fester Kompromiss zwischen Reichhaltigkeit und Reichweite. Bis vor kurzem konnten reichhaltige Informationen, also qualitativ hochwertige Informationen, immer nur einer kleinen Personenzahl zugänglich gemacht werden. Es war tatsächlich unmöglich, ein Maximum an Qualität gleichzeitig beliebig vielen Menschen zukommen zu lassen. Dieser Kompromiss ist das Kernstück der alten Informationsökonomie. Wie hat man sich das genau vorzustellen? Zum Verständnis dient zunächst einmal eine Definition der Begriffe: Die Reichweite bezeichnet die Anzahl der Personen, die Informationen austauschen. Die Reichhaltigkeit einer Information kann sein: ihre Bandbreite (Informationsmenge pro Zeiteinheit), ihre individuelle Anpassung, ihre Interaktivität, ihre Zuverlässigkeit, ihre Sicherheit oder auch ihre Aktualität. Ein Fachhändler beispielsweise, der zahlreiche Produktschulungen besucht hat und seit Jahren Artikel der gleichen Art anbietet, ist in der Lage, mit seiner Kundschaft kompetente Beratungs-

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gespräche zu führen. Die Reichhaltigkeit ist in diesem Fall hoch. Leider dauert eine Kundenberatung dementsprechend lang und der Händler kann pro Tag nur eine Handvoll Kunden bedienen. Seine Reichweite ist daher gering. Ganz anders liegt der Fall bei einer Warenpräsentation im Versandhauskatalog. Hier ist die Reichweite wesentlich größer. Der druckfrische Katalog kann – nur durch das vorhandene Budget begrenzt – gleichzeitig an viele tausend Kunden verschickt werden. Zuhause wird der Katalog dann in der Regel zunächst einmal weggelegt und bei Gelegenheit immer wieder mal durchgeblättert, bis es möglicherweise zu einer Bestellung kommt. Jedem einzelnen Artikel wird aber im Katalog meist nur wenig Platz eingeräumt. Eine kleine Abbildung und ein bisschen Text, mehr steht dem Kunden an Information nicht zur Verfügung. Die Reichhaltigkeit ist gering. Schon diese beiden Beispiele zeigen: Eine vergrößerte Reichweite muss um den Preis eingeschränkter Reichhaltigkeit erkauft werden. Ganz anders stellt sich in einigen Fällen die Sache dar, wenn das Internet hinzukommt. Die Reichweite dieses Mediums ist hoch und wächst auch heute noch. In vielen Fällen kann aber gleichzeitig eine relativ hohe Reichhaltigkeit angeboten werden, jedenfalls eine höhere, als das mit konventionellen Mitteln bei vergleichbarer Reichweite möglich wäre. Der Kunde kann sich die Produkte im virtuellen Laden beispielsweise ähnlich gut wie im wirklichen Laden betrachten. Er kann auf die Bauteile klicken und bekommt eine Erklärung geliefert, fast so gut, als wenn er einen Verkäufer gefragt hätte. Er kann so lange konfigurieren, bis das gesuchte Produkt genau seinen Wünschen und seinen Preisvorstellungen entspricht. Natürlich ersetzt das virtuelle Geschäft nicht den realen Laden. Aber die Reichhaltigkeit ist für die vorhandene Reichweite mitunter doch hoch. In der entsprechenden Branche wird sich etwas bewegen, denn der Kompromiss zwischen Reichweite und Reichhaltigkeit hat sich verschoben. Alle beteiligten Intermediäre (Händler, Vertriebsbeauftragte, Call Center etc.) werden ihre Position wohl oder übel überdenken müssen, wenn sie nicht auf Dauer rückläufiges Geschäft hinnehmen wollen. In Branchen wie zum Beispiel Printmedien, Versi-

Die Reichhaltigkeit des Internet ist für die vorhandene Reichweite zu hoch. Das bringt Probleme, wenn das freigesetzte Wertpotenzial hoch genug ist.

cherungen, Banken und Pharma wird dies sicherlich der Fall sein. Die betroffenen Produktmanager haben hier eigentlich nur die Chance, sich selbst auf das Internet einzulassen. Es besteht entschieden Handlungsbedarf. Sie können allerdings nur über die Reichhaltigkeit mit freien Anbietern aus dem Web konkurrieren. Bezüglich der Reichweite ist das in den meisten Fällen unmöglich. Freie Internet-Portale beispielsweise, die alle verfügbaren Versicherungen im Netz anbieten, sind einer Allianz immer überlegen: Diese kann im Netz immer nur ihre eigene Dienstleistung, zu ihren eigenen Konditionen anbieten und muss in Kauf nehmen, dass es immer irgendeinen Anbieter gibt, der noch etwas bessere Leistungen anbieten kann. Zwei Möglichkeiten bleiben der Allianz, die sie möglichst beide nutzen sollte. Zum einen kann sie die produktbezogene Reichhaltigkeit erhöhen, um gegenüber dem konkurrierenden freien Web-Angebot bestehen zu können. Aktuelle, tiefgehende Produktinformationen können dem Kunden angeboten werden und Mar-

ken sollten genutzt werden. Auch kann der traditionelle Vertrieb eng mit dem eigenen Web-Auftritt verzahnt werden. Ein Klick muss dem Kunden beispielsweise genügen, um mit dem zuständigen Außendienstler in Kontakt treten zu können, falls noch Fragen sind oder eine weitergehende Beratung gewünscht wird. Auch sollte der Außendienst möglichst immer automatisch informiert werden, wenn ein Kunde im entsprechenden Zuständigkeitsbereich sich im Internet-Auftritt der Allianz für ein bestimmtes Angebot weitergehend interessiert. Zum anderen sollte auch die so genannte kundenbezogene Reichhaltigkeit erhöht werden. Kundenspezifische Informationen müssen dazu für ein kundenspezifisches Marketing gesammelt und genutzt werden. Kundenbezogene Reichhaltigkeit bedeutet immer auch Personalisierung, das heißt auf den einzelnen Kunden hin individuell zugeschnittenes Marketing. So muss auch der Web-Auftritt des Marken-Anbieters immer darauf ausgerichtet sein, den Kunden von Visit zu Visit besser kennen zu lernen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Informationweek, Ausgabe 4 2002, www.informationweek.de, abgerufen 21. februar 2002 2

-Market, www.emar.de, abgerufen am 29.01.2004

3

Informationweek, Pillen per Mausklick, Ausgabe 7 vom 28. März 2002 4

5 Vgl. hierzu beispielsweise Evans, P. B. und Wurster, T. S.: Strategy and the New Economics of Information, Harvard Business Review, 09/10 1997, S. 74 6 Vgl. Evans, Philip u. Wurster, T.: WEB ATT@CK, Hanser, München 2000

www.docmorris.de, abgerufen am 29.03.06

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Online-Produktpolitik

PRAXIS Elektronische Auftragsverfolgung

Ferndiagnose

Mit einer ganz bestimmten elektronischen Sekundärleistung lässt sich die Wertschöpfungskette eines Druckprodukts optimieren: Mit der elektronischen Auftragsverfolgung. Eine Studie an der Stuttgarter Hochschule der Medien kommt zu dem Schluss, dass web-basierte Auftragsmanagement-Lösungen wie beispielsweise Danka DirectPrint dem Druckdienstleister oder auch einer Hausdruckerei messbare Vorteile bringen.1 Besonders im Digitaldruck-Bereich mit typischerweise kleinen Auflagen und hoher Auftragsfrequenz sind neue Strategien gefragt. Vor diesem Hintergrund nimmt die Studie die Wertschöpfungskette in Druckereien ins Visier. Je nach Auftragsstruktur lassen sich schon in den ersten fünf Jahren reale Kosten im sechsstelligen Bereich einsparen. Gespart wird vor allem durch das Vermeiden von Rückfragen, weil bereits bei der digitalen Auftragsvergabe alle wichtigen Präzisierungen gemacht werden müssen. Durch transparente Online-Kalkulation, zeitlich und geografisch unabhängige Auftragserteilung und die implementierte Auftragsverfolgung erhöht sich auch die Kundenbindung deutlich. Die betriebswirtschaftliche Beurteilung deckt erhebliche Kostenvorteile für den Druckdienstleister vor allem dann auf, wenn das web-basierte Auftragsmanagement-System konsequent in den Gesamtprozess integriert wird. Denn die Mitarbeiter wenden kaum noch Arbeitszeit für die reine Auftragsorganisation auf und können statt dessen produktivere Aufgaben im Unternehmen wahrnehmen. So kann sich eine DirectPrint-Lösung nach 14 bis 18 Monaten amortisieren – ab diesem Zeitpunkt schlagen sich die Einsparungen real im Betriebsergebnis nieder. Und die können sich sehen lassen. Nach fünf Jahren belaufen sich die Personaleinsparungskosten bereits auf durchschnittlich rund 110.000 Euro. Bei Implementierungskosten von knapp 15.500 Euro ergibt sich somit ein erhebliches Rationalisierungspotenzial.2

Auch die Ferndiagnose ist ein produktpolitisches Instrument im Online-Marketing. Produkte mit niedrigem E-Share, wie beispielsweise Maschinen, profitieren damit vom Internet-Einsatz. Mit „Heires“ entwickelte die Heidelberger Druckmaschinen AG beispielsweise ein intelligentes Service- und Supportsystem mit Fernzugriff. Damit gewann sie in der Kategorie Großkonzerne den Wettbewerb Anwender des Jahres 2005. Druckmaschinen sind komplexe Anlagen, die jahrelang möglichst rund um die Uhr im Kundeneinsatz „drucken“ sollen. Um dieses sicherzustellen, ist neben einer hohen Produktqualität auch ein exzellenter Service mit kurzen Reaktions- und Instandsetzungszeiten unabdingbar. Zur Erfüllung dieser Serviceanforderungen nutzen die Experten beim Marktführer Heidelberger Druckmaschinen AG (Heidelberg) die neuen Möglichkeiten des Remote Service. Das Projekt Heires (Heidelberg Remote Services) entwickelte dazu eine globale, Internet-basierende Serviceplattform, die Informationen über Zustand und Fehlersituationen der Maschinen global erfasst und für Heidelberg-Techniker bereitstellt. Darüber hinaus dient das System als Zugriffsplattform auf die angeschlossenen Maschinen und gewährleistet den sicheren, interaktiven Zugang von Experten über das Internet für die Störungsbehebung und für Trainings. Die Experten betreuen Druckereien von 250 Vertriebs- und Service-Stützpunkten aus in 170 Ländern. Ruft der Kunde wegen eines Problems an, haben die Spezialisten anhand der gesammelten Informationen schon erste Anhaltspunkte über den Hintergrund der Schwierigkeiten. Für eine effiziente Analyse der übermittelten Diagnosedaten steht ein selbstlernendes Expertensystem bereit, welches die empfangenen Daten auswertet und basierend auf dem gespeicherten Expertenwissen Lösungsvorschläge erstellt. Diese Schnittstelle wurde im Projekt Heires so integriert, dass weltweit alle Heidelberg-Techniker darauf zugreifen können.1

1 Die Studie steht zum Download bereit unter www. danka.de 2 Vgl. o. V.: Auftragsmanagement via Internet. Einsparungen im sechsstelligen Bereich, BA Beschaffung aktuell, Heft 9, 2005, S. 68

1 Vgl. o. V.: Sex and Druck and Rock´n´Roll, Computerwoche, 18.11.2005, Nr. 46 Seite 26-27

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Remote Control

Ersatzteile online

Die Windows Server Update Services (WSUS) ermöglichen es IT-Administratoren, die Windows-PCs in ihrem Unternehmen verwalten, mit den allmonatlich veröffentlichten Sicherheitsupdates von Windows zu versorgen. Dabei behalten sie stets die Kontrolle darüber, welche Updates die PCs automatisch installieren, und können neue Patches zunächst ausgiebig testen. So lässt sich das Risiko minimieren, dass ein neues Microsoft-Update wichtige Produktionsrechner außer Gefecht setzt. Der neue Update-Server WSUS beschränkt sich aber nicht mehr nur darauf, Windows mit kritischen Sicherheitsupdates zu beliefern: Microsoft versorgt nun auch auch Office und die Server-Produkte Exchange sowie das Datenbankprodukt SQL-Server. Neben den sicherheitsrelevanten Paketen kann der Server jetzt auch Updates anderer Kategorien, etwa weniger dringliche Updates, neue Funktionen und Treiber ausliefern. Der Administrator kann dabei im Detail bestimmen, für welche Produkte WSUS die Updates aus dem Internet herunterladen und ausliefern soll. Er kann per Knopfdruck Berichte abrufen und auf einen Blick erkennen, welche seiner Client-PCs Updates installiert haben und ob dabei Probleme aufgetreten sind. Der Server kann sogar eine Liste der Client-PCs erstellen, für die ein neues Update relevant ist, bevor es zum Einspielen freigegeben wird. Die betreuten PCs lassen sich in Gruppen verwalten. So kann eine Gruppe mit Test-PCs neue Updates zunächst „vorkosten“, bevor der Administrator die Installation in der Produktionsumgebung erlaubt. Die Web-Oberfläche des Update-Produkts ist mit Bildschirmtexten ausführlich in deutscher Sprache dokumentiert. Berichte, die der Server aus der darunterliegenden Datenbank generiert, informieren den Administrator, welche Arbeitsstationen neue Updates erfolgreich installiert haben und welche nicht.1

motoso.de ist eine Plattform für den Verkauf von neuen und gebrauchten Ersatzteilen für Pkw, Motorräder und Wohnmobile. motoso bringt private und gewerbliche Anbieter mit ihren Teileangeboten und -bedürfnissen zusammen. Seit dem Start von motoso im Oktober 2004 nutzen nach Unternehmensangaben monatlich mehr als 350.000 Besucher die Seite. Was sie in motoso gezielt finden können, sind Ersatz- und TuningTeile aller Art, vom Austauschmotor über Felgen bis hin zur Zündkerze. Verkäufer der Teile sind Hersteller, Groß- und Fachhändler, Teileverwerter und Privatleute. Aber auch Werkstätten und Autohäuser bieten Lagerüberbestände oder längst vergessene Altteile an. Inseriert werden die Teile mit Beschreibung und Bild in von der Plattform vorgegebenen Kategorien. Inserate sind für Privatanbieter grundsätzlich kostenlos. Gewerbliche Anbieter zahlen nach einer zweimonatigen kostenlosen Testphase eine gestaffelte monatliche Pauschalgebühr in Abhängigkeit von der Anzahl der eingestellten Teile. Darüber hinaus entstehen für Inserenten keinerlei Kosten oder Gebühren. Teile zu suchen ist für jeden kostenlos. Auch mit dem Verkauf an sich hat motoso nichts zu tun. Preisfindung und die Verkaufs- und Zahlungsmodalitäten regeln Verkäufer und Käufer grundsätzlich unter sich. Damit auf motoso.de dennoch kein Schrott oder Teile minderwertiger Qualität angeboten werden, können Käufer eine Art Bewertung abgeben und Verkäufer mit der Funktion „fehlerhaftes Inserat“ abwerten, wenn Produktbeschreibung und -beschaffenheit nicht übereinstimmen. Auf der Teilebörse, die noch als Geheimtipp gilt, tummeln sich überwiegend Auto-Enthusiasten. Das hat sich auch in großen Unternehmen herumgesprochen, denn neuerdings nutzen auch „Schwergewichte“ wie das Mercedes-Benz Altteile-Center in Stuttgart motoso.de als zusätzlichen Absatzkanal für ihre Sortimente.1

1 Vgl. Finkenzeller, S.: Microsoft-Updates via WSUS im LAN ausliefern und bequem verwalten, c‘t - Magazin für Computertechnik 14/05, Seite 178

1

Vgl. Schlieben, F.: Zweite Chance, AUTO SERVICE PRAXIS, Heft 2/2006, S. 56-57

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Online-Produktpolitik

Literatur ... ... zum weitergehenden Studium der Online-Produktpolitik

Photo: Marinela Sotoncic (stock.xchng)

Kunden kaufen online nur, wenn sie sich einen Zusatznutzen davon verspechen. >Anderson, David M.: Build-to-order & mass customization, Cambria, Calif. 2004 >Barbknecht, Christian: Konzeption und Aufbau eines Kundeninformationssystems für Online – Shops, Stuttgart, Fachhochschule, Dipl.-Arb., 2000 >Bauer, Hans: Nutzenorientierte Markenführung im Internet, Universität Mannheim, Institut f. Marktorientierte Unternehmensführung, Mannheim 2004 >Blecker, Thorsten und Friedrich, Gerhard (Hrsg.): Mass customization, New York 2006 >Chandra, Charu und Kamrani, Ali: Mass customization, New York u.a. 2004 >Fassott, Georg: Dienstleistungspolitik industrieller Unternehmen. Sekundärdienstleistungen als Marketinginstrument bei Gebrauchsgütern, Wiesbaden 1995 >Forza, Cipiano und Salvador, Fabrizio: Product information management for mass customization, New York 2006 >Grabosch, Uwe: Mass customization in der privaten Krankenzusatzversicherung, Karlsruhe 2004 >Grasmugg, Stefan: Mass Customization als strategische Anwendung des Electronic Business, Lohmar

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E-MARKETING

u.a. 2006 >Hackenschuh, Katrin M.: Der Tageszeitungsverlag im digitalen Wettbewerb, Baden-Baden 2004 >Herbst, Dieter: E-Branding - starke Marken im Netz, Berlin 2002 >Jacob, Frank: Produktindividualisierung, Wiesbaden 1995 >Kaplan, Andreas M.: Factors influencing the adoption of mass customization, Göttingen 2006 >Kiss, Greg: Wirkung interaktiver Markenauftritte im Internet, Berlin 2005 >Kreuzer, Michael: Die praktische Relevanz von mass customization, Bern 2005 >Loose, Sascha: Strategische Markenführung von Online-Marken, Diplomica 2002 >Matzdorf, Stefan: Ansätze zum Aufbau von Marken im Internet, Marburg 2003 >Meffert, Heribert: Führung von Marken im Internet - ein modellbasierter empirischer Ansatz, Münster 2002 >Moon, Michael und Millison, Doug: Brandheisse Marken, Regensburg 2002 >Nitschke, Dirk: Marketing im Internet, Produkt, Kommunikations- und Distributionspolitik im Business-ToConsumer-Bereich, Ulm, Univ., Diplomarbeit, 2002 >Payer, Margarete: Entwicklung eines deutschen Regelwerks für Online-Kataloge, Stuttgart, Fachhochschule, Dipl.-Arb., 2004 >Piller, Frank Thomas: Mass Customization, Wiesbaden 2006 >Seibold, Felix: Entwurf eines Gateways zur Internetfähigen Ferndiagnose von Systemen mit CANopen basierter Kommunikationsstruktur am Beispiel einer professionellen Kaffeemaschine, Ulm, Univ., Diplomarbeit, 2003 >Schneider, Paul: Produktindividualisierung als Marketing-Ansatz, St. Gallen, Univ., Diss., 1998 >Sewart, Bettina: Kundenindividuelle Turnschuhe, Chemnitz, Techn. Univ., Magisterarb., 2004 >Thuet, Nadine: Digitalisierbare Produkte im Internet, Konstanz, Univ., Diplomarb., 2001 >Vath, Nuria, Hasselhorn, Marcus und Lüer, Gerd: Multimedia-Produkte für das Internet, München u. a. 2001 >Yom, Miriam: Web usability von Online-Shops, Göttingen 2003 >Zacharopoulos, Dionysis: The influence of mass customization on distribution logistics, Offenburg, Fachhochschule für Technik u. Wirtschaft, Master Thesis, 2005

OnlineDistributionsund Preispolitik

>Personalisierung und flexible Preise Database Marketing, Personalisierung und Newsletter, Sicherheit, Rechtliches und Preisbildungsmechanismen

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4

Online-Distributions- und Preispolitik

Lernziele Database Marketing

Personalisierung und Newslettermarketing

Erfolgreiche Verkäufer als Vorbild

Kundenansprache – persönlich & relevant

>One-to-One-Marketing >eCRM und mCRM >RFMModelle >Das Data Warehouse als Datenbasis zur Verwertung kundenrelevanter Informationen >Online Analytical Processing zur mehrdimensionalen Datenanalyse >Data Mining im elektronischen Handel

>Personalisierung als Wettbewerbsfaktor >Verfahren der Personalisierung >Newsletter und deren Rechtssicherheit >Erfolgsfaktoren im Newslettermarketing

Fernabsatz

Sicherheit im E-Commerce

Online-Verträge

Sicherer Umgang mit Kundendaten

>Gesetzliche Regelungen für Fernabsatzverträge >Notwendige Angaben den Online-Anbieter betreffend >Widerruf und Rückgaberecht und die geltenden Fristen

>Cookies zur Realsierung von Warenkörben >Vertraulicher Umgang mit kundenbezogenen Daten >Gütesiegel für Websites >Problemfelder der Datensicherheit im Netz >Verschlüsselung und digitale Unterschrift beim elektronischen Datenaustausch >Zahlungsarten im Internet >Viren und andere Sicherheitsrisiken im Web

Preisdifferenzierung im Internet

Preisfindung mit Online-Auktionen

Flexible Online-Preise

Potenziale und Randbedingungen

>Möglichkeiten der Preisdifferenzierung im Netz >Selbstselektion bei Preissetzungen >Dimensionen der Preisdifferenzierung >Preisbündelung im Internet

>Auktionsplattformen im Internet >Ablauf und Arten von Online-Auktionen >Randbedingungen für den erfolgreichen Einsatz von Auktionen

Preisbildung im Internet Strategien und Elastizität >Strategien der Online-Preisbildung >Preiselastizität und Preisbildung

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E-MARKETING

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Agenda

Preise, Distribution

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Database Marketing Informationen über Kunden fallen online in großer Menge und in guter Qualität an – interpretieren muss man sie aber auch können ....................................144

Online ist vieles einfacher und schneller. Beim Verkauf gelten jedoch auch hier gesetzliche Regelungen.

Personalisierung und Newslettermarketing Regeln für die optimierte Kundenansprache im Web und das Marketing mit E-Mail ...............................163 Fernabsatz Welche gesetzlichen Regelungen gelten beim Online-Kauf? .........................................................177 Sicherheit im E-Commerce Von den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bis zum Warenkorb – die Sicherheit betrifft alle Aspekte des E-Commerce .........................................................180 Preisdifferenzierung im Internet Im Web sind komplizierte Preisstrukturen und kurzfristige Preisanpassungen möglich. Ideal für die flexible Preisgestaltung .........................................190 Preisfindung mit Online-Auktionen Internet-Auktionen bieten im B2B-Bereich enormes Einsparpotenzial. Die vorhandene Lieferantenstrategie darf allerdings nicht gefährdet werden ............196

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Preisbildung im Internet Welche Preisstrategie ist für die virtuelle Welt optimal? ................................................................201

Ohne Datensicherheit geht nichts im Online-Handel

Literatur ...............................................................206

Sind im Internet nur Kampfpreise möglich?

201

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Online-Distributions- und Preispolitik

Database Marketing Über Kunden Informationen zu sammeln, ist gerade im Online-Umfeld heute gängige Praxis. Doch niemand braucht sich zu beunruhigen. Längst nicht jedes Unternehmen hat auch die geeigneten Analysewerkzeuge an Bord. Meist wird vor den aufgetürmtem Datenbergen tatenlos kapituliert. Dabei ist die geeignete Technik am Markt längst verfügbar.

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ie Umsätze im Internet wachsen kontinuierlich und das liegt nicht nur an der bequem zugänglichen, rund um die Uhr verfügbaren Einkaufs-

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umgebung. Das Online-Medium kommt in besonderem Maße aktuellen Trends im Konsumentenverhalten entgegen. Den Markt beherrschen mehr denn je hohe

Preissensitivität bei gleichzeitig hohem Informationsstand, sowie das Bedürfnis nach individualisierten Angeboten und der Wunsch nach Servicequalität. All das kann gerade das Internet bieten. Die Kunden können dort preiswert einkaufen und sich nahezu unbegrenzt, direkt, sofort und überall informieren. Unmittelbarkeit ist gegeben. Das Internet ist als Verkaufsumgebung aber per se auch kein Allheilmittel. Die Konsumenten sind dort schnell reiz- und informationsüberlastet. Man wird multidimensional überinformiert. Hinzu kommt, dass Nachfrager heute ein hybrides Kaufverhalten zeigen. Markenartikel im Premium-Segment werden von denselben Personen nachgefragt, die andererseits als Stammkunden im Billigdiscounter einkaufen. Dem muss eine Online-Shop-Umgebung gerecht werden, wenn dort profitable Geschäfte getätigt werden wollen. Es geht darum, mehr und mehr ein personalisiertes Marketing umzusetzen. Ursprünglich mussten kommerzielle Anbieter sich überhaupt nicht mit Marketing befassen. Die Kunden hielten sich mittels Mundpropaganda auf dem Laufenden und als Konsumenten sozusagen selbst in Kauflaune. Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert kam es allerdings zu größerem Wettbewerb und die Anforderung, die Bedürfnisse der Kunden zu befriedigen wurde überlebenswichtig. Details über KonsumentenPräferenzen festzuhalten und individuelle Produkte und Dienstleistungen anzubieten, wurden zum Muss. Das Marketing begann, sich vom Produktfokus Photo: Klaus Post, stock.xchng

Konsumenten zeigen heute oft ein so genanntes hybrides Kaufverhalten. Auf der einen Seite kommt nur der Markensportwagen infrage. Auf der anderen Seite findet man diesen nicht selten zum Einkaufen vor dem Billig-Discounter geparkt. Eine kundenindividuelle Ansprache in Form von One-to-One-Marketing wird unumgänglich.

One-to-one-Marketing kann in Form einer Produkt-Individualisierung oder aber als Beziehungs-Individualisierung realisiert werden. Eine besondere Form diese Art von One-to-one-Marketing ist das so genannte Database Marketing, das die kundenindividuelle Ansprache auf der Basis von Informationstechnik ermöglicht.

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zu lösen und sich hin zu einer Fokussierung auf den Kunden zu entwickeln. Bestimmten in den 1950er und 1960er Jahren noch die Markenprodukte und Werbeagenturen mit ihren Massenmarketing-Kampagnen das Bild, so rückte bereits in den 1970er und 1980er Jahren das Direktmarketing ins Zentrum des Interesses. Der Fokus lag damit auf der Identifikation relevanter Zielgruppen. In den 1990er Jahren war das Aufkommen von Club-Formeln und Loyaltity-Programmen zu beobachten. Jetzt drehte sich alles um das Database Marketing, bei dem die Gewinnung aussagekräftiger Kundendaten und deren Auswertung in entsprechenden Analysesystemen im Vordergrund steht. Der Trend ging solchermaßen Schritt für Schritt weg vom Massenmarketing hin zum individualisierten Marketing (One-to-One-Marketing). Darunter ist die Differenzierung der Zielgruppe über die traditionelle Segmentierung hinaus bis auf das einzelne Individuum, auf den einzelnen Kunden zu verstehen. Zu einem solchen One-to-One-Marketing führen grundsätzlich zwei Wege: zum einen die zunehmende Individualisierung

auf der Produkt- bzw. Leistungsebene – das so genannte Customized Marketing (auch als Produktindividualisierung und als Mass Customization bezeichnet, vgl. Kapitel 3 dieses Buches). Zum anderen kann aber auch der Weg einer zunehmenden Individualisierung der Beziehung zu den Kunden in Richtung eines Relationship Marketing gegangen werden. Tatsächlich wird hier jeder einzelne Kunde identifiziert, analysiert und, um die Kundenzufriedenheit und damit die Kundenbindung zu erhöhen, individuell nach seinen Bedürfnissen und Wünschen betreut. Im Extremfall bedeutet dies, dass jeder Kunde zu dem für ihn optimalen Zeitpunkt und mit den auf seine individuellen Verhältnisse zugeschnittenen Argumenten ein maßgeschneidertes Leistungsangebot erhält mit dem Ziel, eine langfristige, individuelle Geschäftsbeziehung aufzubauen (Customer Relationship Management, CRM), wobei bereits bestehende Kundenbeziehungen intensiviert werden müssen (so genanntes Retention Marketing). Denn eines ist spätestens seit den späten 1990er-Jahren bekannt: Nur die dauerhafte Kundenbeziehung führt zu

CRM umfasst sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens zur bedürfnisgerechten Gestaltung von Leistungen und Interaktionsprozessen im Rahmen von Transaktionen mit seinen Austauschpartnern, insbesondere Kunden, mit dem Ziel, langfristig profitable Bindungen aufzubauen, zu erhalten und zu investieren.

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neuen Produkten und Dienstleistungen. Damals war das CRM endgültig in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Die Entwicklung weg vom Produktfokus und hin zum Kundenfokus war vorläufig abgeschlossen. Mit dem World Wide Web aber hat sich diese Herangehensweise heute zum so genannten eCRM („electronic“ CRM) ausgewachsen. Dahinter steht die Verschmelzung der technologischen Möglichkeiten des Internet mit dem CRM. Kennzeichnend sind ein hoher Grad an Personalisierung, neue Vertriebs- und Kommunikationswege und der Einbezug des Kunden bei der Produktentwicklung. Ganz aktuell geht die Entwicklung hin zum mCRM („mobile“ CRM), das als Ergänzung verstanden werden kann. Mit der ständigen Erreichbarkeit des Kunden und neuen Möglichkeiten seiner Ortung kann hier sogar eine ortsabhängige Kundenansprache erfolgen. CRM, auch als Kundenbeziehungsmarketing bekannt, umfasst sämtliche Maßnahmen eines Unternehmens zur bedürfnisgerechten Gestaltung von Leistungen und Interaktionsprozessen im Rahmen

von Transaktionen mit seinen Austauschpartnern, insbesondere Kunden, mit dem Ziel, langfristig profitable Bindungen aufzubauen, zu erhalten und zu investieren. eCRM und mCRM können als Teilmengen des CRM verstanden werden. Ziel des eCRM ist, alle webbasierten Kommunikations- und Transaktionsprozesse auf die Bedürfnisse des Kunden auszurichten. Im Rahmen von mCRM soll ein mobiles Steuern, Führen und Gestalten der Beziehung zu den Kunden erreicht werden. DAS INTERNET bietet eine ganze Reihe von Möglichkeiten, CRM wirkungsvoll umzusetzen und damit die Kundenbeziehung zu intensivieren. Das fängt beispielsweise schon damit an, den Kunden mehr Informationen zukommen zu lassen, als diese zunächst angefordert haben. Ist ein Flug beispielsweise online gebucht, können noch in der gleichen Internet-Sitzung Hotelzimmer und Mietwagen vor Ort offeriert werden. Das ursprüngliche Angebot wird solchermaßen um Komplementärprodukte erweitert. Professioneller

eCRM und mCRM können als Teilmengen des CRM verstanden werden. Ziel des eCRM ist, alle web-basierten Kommunikations- und Transaktionsprozesse auf die Bedürfnisse des Kunden auszurichten. Im Rahmen von mCRM soll ein mobiles Steuern, Führen und Gestalten der Beziehung zu den Kunden erreicht werden.

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wird das CRM im Internet aber immer dann, wenn die Dauerhaftigkeit der Kundenbeziehung positiv beeinflusst wird, was beispielsweise mit einem Newsletter erreicht werden kann. Oft bedarf es jedoch zusätzlicher Anreizsysteme, um die Konsumenten zu einem Abonnement des elektronischen Kundenbriefs zu bewegen. So könnte der Newsletter auf besonders preiswerte Angebote hinweisen, die nur für Abonnenten zur Verfügung stehen, den exklusiven Zugang zu Diskussionsforen eröffnen, Downloads interessanter Gratis-Software oder Screensaver ermöglichen oder den Zugang zu Treuesystemen und Interaktivität, wie Online-Wettbewerbe und Spiele eröffnen. Newsletter stellen jedoch nur eine von drei Optionen des Online-

Umfelds dar, den Kunden-Dialog zu intensivieren. Daneben gibt es noch die Möglichkeit der Personalisierung. Hier werden spezielle personen-gebundene Informationen auf der Website angezeigt, wenn sich der Kunde anmeldet. Außerdem können „Push“-Technologien angewendet werden, um den Konsumenten gezielt zu informieren. Diese Möglichkeiten den Kundendialog im Internet dauerhaft zu etablieren und damit auch online Relationship Marketing zu verwirklichen, werden später noch einmal genauer untersucht. Hier soll allerdings das Database Marketing und damit sozusagen erst einmal die technische Basis thematisiert werden, denn ohne den Einsatz von Informationstechnik ist im Web kein Relationship Marketing

Über 90% aller unzufriedenen Kunden verlassen den Anbieter kommentarlos. Es kommt hinzu, dass acht bis zehn anderen Kunden von den Problemen erzählt wird.

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möglich. WERDEN WEBSITES BESUCHT, entsteht eine Flut von Daten. Durch Registrierungen, Beobachtung, Transaktionen etc. fallen permanent Informationen über das Online-Verhalten der Konsumenten an. Marketing-Aktionen gezielt aus diesen kundenbezogenen Informationen abzuleiten, wird als Database Marketing bezeichnet. Ein Verfahren, was auch traditionell im Offline-Umfeld durchaus Anwendung findet. So sind beispielsweise Banken und Sparkassen schon seit Jahren im Filialgeschäft mit einem veränderten Kundenverhalten konfrontiert und haben es heute mit rationalen, rendite- und preisbewussten Kunden zu tun, die häufig Mehrfachbankverbindungen unterhalten. Mehr denn je tendiert ein solcher Kundentypus dazu, das Institut zu wechseln, wenn bei der angestammten Bank die Beratung und das Angebot nicht den Vorstellungen entsprechen. So wandern Erfahrungsgemäß bereits im ersten Jahr ca. zehn Prozent der mit hohem Aufwand akquirierten Kunden wieder ab. Mittel- bis langfristig sind sogar dreißig Prozent aller Kunden abwanderungsgefährdet, weil in der frühen Phase der Kundenbeziehung die Informationschancen oft vernachlässigt werden: „Der Kunde kauft, aber man kennt ihn nicht, erkundigt sich nicht nach seinen Wünschen und Erwartungen.“ } Noch etwas kommt erschwerend hinzu: Banken oder Sparkassen hören überhaupt nur von vier Prozent der Abwanderer, dass sie unzufrieden sind – 96 Prozent der Kunden verlassen ihr Kreditinstitut kommentarlos. Im Online-Banking wird ein solcher Wechsel eher noch begünstigt, liegt doch die nächste virtuelle Bank nur den sprichwörtlichen Mausklick entfernt. Doch damit noch nicht genug. Der abgewanderte, unzufriedene Kunde erzählt normalerweise auch noch acht bis zehn anderen Kunden von seinen Problemen. Dagegen sind etwa zwölf positive Aussagen nötig, um eine negative auszugleichen. Der Geschäftsabschluss mit einem Neukunden dauert aber durchschnittlich fünf- bis sechsmal länger als mit einem Stammkunden. Es ist also wesentlich leichter und profitabler, die Beziehungen zu dem bereits existierenden Kundenstamm zu intensivieren, als Neukunden zu gewinnen. So ist es dann auch möglich, den Gewinn um sechzig bis achtzig Prozent zu erhöhen, wenn nur fünf Prozent der Kunden dauerhaft gehalten werden können.2 Der Kunde muss viel stärker im Mittelpunkt des Interesses stehen, aus seinem Verhalten muss ständig gelernt werden, Informationen müssen systematisch gesammelt und analysiert werden – kurz gesagt, an der Einführung von Database Marketing führt kein Weg vorbei. Im Grunde genommen ist das dann nichts anderes, als das was früher Tante Emma ohnehin in ihrem Laden um die Ecke immer schon gepflegt hat: ihr

persönliches Verhältnis zu jedem einzelnen Kunden. Jeder der zum Einkaufen kam, wurde nicht nur bevorzugt mir seinen Lieblingsprodukten bedient, sondern auch nach seinem Befinden und seinen vielen kleinen Problemchen befragt. Kam die Kundin oder der Kunde wieder, wurde konsequent nachgefragt, ob schon eine Besserung oder eine Lösung in Sicht war. Doch wie gelingt es heute, die Kunden individuell anzusprechen, ihnen auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Angebote zu machen? Denn das Verständnis des Kunden und seiner Wünsche ist entscheidend für den Erfolg von kundenorientierten Maßnahmen wie Database Marketing. Wer nämlich den Kunden als gleichberechtigten Partner in den Prozess der Wertschöpfung einbezieht,

Database Marketing bedeutet, wie früher im Tante-Emma-Laden, ein persönliches Verhältnis zu jedem einzelnen Kunden zu pflegen.

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muss den Kontext verstehen, in dem der Konsument handelt, muss seine Themen verstehen, muss den Kunden im Idealfall besser kennen als sich selbst. Database Marketing wird solchermaßen aber durchaus bereits praktiziert. Was zunächst vielleicht verblüfft: Gemeinnützige Organisationen wie Unicef beweisen hierbei unerwartet hohe Innovationsfreudigkeit. Wie kommt das zustande? Der Schwerpunkt der Marketing-Tätigkeit von Spendenorganisationen liegt im Bereich „Direct Mail“. Spender werden persönlich angeschrieben und so beispielsweise mit Katalogen und Informationen über dringend benötigte Spendengelder versorgt. Hohe Streuverluste sind dabei allerdings die Regel. Ein Großteil der angeschriebenen Personen reagiert einfach nicht und jede Briefaktion verursacht unnötig hohe Kosten. Mit Database Marketing wird deshalb versucht, eine sinnvolle Zielgruppen-Segmentierung durchzuführen und so für jedes Kundensegment ein adäquates Angebot bereitzustellen. Es sollen jeweils möglichst wenige Menschen angeschrieben werden, die dann aber eine hohe Affinität für die jeweilige Spendenaktion aufweisen. So kann der prozentuale Anteil der Reagierer vergrößert und das Kosten-Nutzen-Verhältnis optimiert werden. Ein reicher Unternehmer hat einmal gesagt, ihm sei vollkommen bewusst, dass die Hälfte seiner Werbebriefe ungelesen weggeworfen würde. Jetzt müsse man nur noch herausfinden welche Hälfte! Die ersten Versuche über ein undifferenziertes Massen-Mailing hinauszugehen und Database Marketing umzusetzen, waren bei Unicef so genannte RFM-Modelle (RFM steht für „Recency“, „Frequency“ und „Monetary Value“). Dabei stützt man sich auf die Annahme, dass Merkmale des Spenders, wie Datum des letzten Kaufs oder der letzten Spende („Recency“), Anzahl der bisher getätigten Transaktionen („Frequency“) und die Höhe des Spendenbetrags („Monetary Value“), entscheidend mitbestimmen, ob ein Spender auf eine konkrete Direct Mail reagiert oder nicht. Ein RFM-Modell ist durch die begrenzte Anzahl von Merkmalen allerdings noch nicht optimal. Es müssen einfach mehr Einflussgrößen identifiziert werden, die eine Vorhersage der Spendenwahrscheinlichkeit deutlich differenzierter erlauben. Unicef setzt heute die Software SPSS Chaid zur Zielgruppenmodellierung ein. Dazu werden ca. dreißig Variablen aggregiert und auf deren Einfluss auf die Zielvariable „gespendet“ bzw. „nicht gespendet“ überprüft. Neben den Standardvariablen: Alter, Geschlecht, Wohnort (Soziodemographie) sowie Häufigkeit der Spende, Datum der letzten Spende, Summe aller Spenden innerhalb der letzten 36 Monate etc. werden zusätzlich nichttriviale Merkmale gebildet. So zeigten Adressaten von Spendenaufrufen eine deutliche Themenaffinität. Einige reagierten z.B. eher auf das Thema „Hunger

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in Afrika“ als auf „Katastrophenhilfe in Asien“. Solche Themenaffinitäten sind wiederum abhängig von bestimmten Merkmalen des Spenders, wie Lifestyle, Alter, etc. Aufgrund der Fülle von Variablen und den unterschiedlichen Skalenniveaus wird ein auf dem Chi-Quadrat-Test basierendes statistisches Segmentierungsmodell (CHAID) angewendet. CHAID bietet die Möglichkeit, umfassende Segmentierungen von

Unicef kontaktiert seine potentiellen Spender direkt per Mail. Streuverluste sind dabei allerdings unvermeidlich. Mit Database Marketing wird deshalb versucht, jeweils nur sinnvolle Zielgruppen anzuschreiben.

kategorialen Daten, bezogen auf eine Erfolgsvariable, durchzuführen. Mit anderen Worten: CHAID ermöglicht das Auffinden der besten Vorhersage-Merkmale für eine Erfolgsvariable. Die Erfolgsvariable im Fall Unicef ist „Antwort“ bzw. „Nicht-Antwort“ auf die spezifische Mailing-Aktion. Die CHAID-optimierten Mailing-Bestände zeigen noch einmal bis zu achtzig Prozent mehr Reagierer als

Nicht selten klafft in den Unternehmen eine riesige Lücke zwischen den verfügbaren Informationen und den technischen Auswertungsmöglichkeiten. Modernste Informationstechnik muss eingesetzt werden.

mit der RFM-Methode. Auf eine ausgesendete Mailing-Aktion antworten bei Unicef solchermaßen heute bis zu 15 Prozent. Damit kann das Mailing-Volumen bei gleichem Spendenaufkommen drastisch gesenkt werden und Mailings werden besser auf den Unicef Fördererbestand verteilt.3 Nicht immer sind Database-Marketing-Verfahren so erfolgreich wie in diesem Beispiel. Zwar hat es inzwischen fast überall vielfältige Anstrengungen gegeben, Informationen über die Kunden zu sammeln und sie den Mitarbeitern wieder zur Verfügung zu stellen in der Hoffnung, dass sie nun bessere und vor allem kundenorientierte Entscheidungen fällen können. Doch diese Rechnung geht oft nicht auf. Die Mitarbeiter werden mit Informationen überhäuft und ihre Entscheidungsfähigkeit sinkt in vielen Fällen sogar. Es entsteht ein so genanntes „Marketing Knowledge Gap”. Eine Lücke zwischen den riesigen Mengen an verfügbaren Informationen und den technischen Fähigkeiten, diese zu analysieren. Dazu muss einfach fortgeschrittenere Informationstechnik eingesetzt werden. Feste Bestandteile des Database Marketing sind daher heutzutage das Data Warehousing, OLAP und das Data Mining. EIN DATA WAREHOUSE ist ein Werkzeug zur Speicherung entscheidungsrelevanter Informationen mit dem Ziel der Verbesserung der unternehmensweiten Informationsversorgung. Der Terminus wurde erstmals von Barry Devlin 1988 verwendet. Doch erst mit Computern, die riesige Datenmengen rasch verarbeiten konnten, kam es zur Umsetzung auf breiter Basis. Ein Data Warehouse ist konzipiert auf extrem rasche Abfragen von Massendaten und komplexe Querschnittsanalysen.4 Es handelt sich im Prinzip um so genannte Relationale Datenbanken (wie beispielsweise IBM DB2 oder Oracle) mit einer Reihe von Zusatzfunktionen. Für die Arbeitsschritte zum Aufbau des Data Warehouse werden unterschiedlichste Werkzeuge angeboten, die als ETL bezeichnet werden: Extraktion, Transformation und Laden-Werkzeuge. Die Extraktion ist dabei die Selektion der Daten aus diversen Datenquellen. Dieser folgt die Transformation, die Anpassung der Daten an vorgegebene Schema- und Qualitätsanforderungen in der so genannten „Staging

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Area“, in der die Daten sozusagen zwischengespeichert werden. Die richtige Aufbereitung und Modellierung der dortigen Daten ist für die Aussagekraft und die Zugriffsmöglichkeit der daraus gewonnenen Informationen entscheidend. Aus der „Staging Area“ heraus erfolgt das regelmäßige (meist tägliche) Einbringen aktueller Daten in den Datenpool, auf den die Nutzer zugreifen können.5 Aus den unterschiedlichen im Unternehmen existierenden Daten muss zunächst ein einheitlicher Datenbestand erzeugt werden. Eines der Hauptprobleme beim Aufbau eines Data Warehouse. Jeder im Unternehmen hat so seine eigenen Gepflogenheiten kundenbezogene Daten zu speichern. Im e-business beispielsweise existieren Informationen über Kunden unter anderem in den LogDateien in Form von Page Views und Visits. Das ShopSystem selbst generiert Daten bezogen auf die Zusammensetzung der individuellen Warenkörbe und das Surf- und Kaufverhalten der Online-Konsumenten. Im EMail-System liegen kundenbezogenen Daten in Form von Anfragen, Beschwerden usw. vor. Und nicht zuletzt hat jedes Online-Business natürlich auch eine Verwaltung, die mit Kundendaten umgeht

Henkel betreibt ein Data Warehouse, das zu den leistungs stärksten in Europa gehört. Die Datenbank umfasst derzeit etwa 1,2 Terabyte und circa tauend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter greifen darauf zu.

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und diese beispielsweise in einem Warenwirtschaftssystem (wie etwa SAP R/3) oder individuell auf den PCs der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter speichert. Aus diesem Wust von Ausgangsdaten unternehmensweit einen konsistenten und aktuellen Datenbestand aufzubereiten, ist eine große Herausforderung. Ein Beispiel: AC Nielsen, weltweit führendes MarketingInformationsunternehmen, und Henkel, eines der weltgrößten Konsumgüterunternehmen, betreiben ein Data Warehouse, das zu den umfassendsten und leistungsstärksten in Europa zählt. Dabei handelt es sich um ein maßgeschneidertes Marketing-Informationssystem, das derzeit Daten für über 50 Produktgruppen aus neun europäischen Ländern beinhaltet. Nahezu 1.000 Henkel-Mitarbeiter greifen auf das Data-Ware-

house zu, um wichtige Entscheidungen im Bereich der Geschäftsführung, des Brand- und Category-Managements, des Vertriebs und der Medien- und Finanzplanung zu treffen. Für das Projekt erstellte AC Nielsen eine offene Plattform zur Integration von Informationen über Warengruppen, Länder und Datenquellen in einer Datenbank, die derzeit 1,2 Terabyte umfasst. Alle Informationen werden entsprechend einer gemeinsamen Definition der Märkte, Segmente und Produktmerkmale harmonisiert, um Vergleichbarkeit und effiziente Analyse quer über Länder, Warengruppen und Datenquellen hinweg zu ermöglichen.6 Die Felder der operativen Datenbanken müssen zunächst in die Felder der Data-Warehouse-Datenbank transformiert werden. Auch bei Henkel liegen kundenbezoge-

ne Daten in vielfältiger Form vor und sind zudem an ganz verschiedenen Orten gespeichert. Die oftmals von der Vertriebsabteilung und den Controllern eingesetzten Access-Datenbanken und Excel-Dateien häufen sich in der Regel zu einer unüberschaubaren Datenansammlung und bieten keine zuverlässigen Unternehmenszahlen. Beispielsweise präsentierten die Mitarbeiter der Handelsgruppe Globus der Geschäftsführung voneinander abweichende Umsatzzahlen, die zum Teil aus dem SAP-Modul Financials, teils aus der Warenwirtschaft und teils direkt aus den „Point-of-Sales“-Systemen einzelner Niederlassungen stammten.7 Aber nicht nur die normalerweise unterschiedliche Form der Daten, die so gar nicht in einen Zusammenhang gebracht werden können, ist ein Grund für den Einsatz eines Data Warehouse. Das Database Marketing erfordert in der Regel Vergleiche über längere Zeiträume, um über Zeitreihenanalysen Trends erkennen zu können. Alte, historische Datenbestände werden von operativen Informationssystemen im Unternehmen jedoch meist auf kostengünstigere, langsame Datenträger ausgelagert und sind gewöhnlich gar nicht direkt verfügbar. Eine Analyse, die auf alte

Nicht nur die normalerweise unterschiedliche Form der Daten ist ein Grund für den Einsatz eines Data Warehouse. Auch können erst mit dieser Technik Analysen, die auf ältere Daten zurückgreifen, durchgeführt werden.

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Daten zurückgreift, kann daher unter Umständen schon nach kurzer Zeit nicht mehr nachvollzogen werden. Im Data Warehouse sind aus diesem Grund alle Daten unveränderbar. Erst diese so genannte NichtVolatilität gewährleistet die Reproduzierbarkeit der Analyseergebnisse. In ein Data Warehouse werden neue Daten hinzu geladen oder andere archiviert, aber nie werden vorhandene Daten verändert. Das Data Warehouse ist somit kein Echtzeitsystem – kein so genanntes operatives System – sondern eine regelmäßig aktualisierte Datenbank, die parallel zum Alltagsgeschäft mitgeführt wird. Diese bietet keinen Produktivzugriff auf Daten, sondern ist ein separates Abfrage- und Auswertungssystem. Es liegt an den Anwendern zu bestimmen, welche Daten in welchem Umfang im Data Warehouse dauerhaft gehalten werden sollen.8 Die Daten müssen aus diesem Grund auch einen Zeitstempel oder Gültigkeitszeitraum erhalten. Auf diese Weise wird eine Historie, z.B. für Zeitreihenanalysen oder Zeitvergleiche, aufgebaut. Der Zeitstempel gehört zu den so genannten Metadaten, anhand derer alle Einträge in das Data Warehouse dokumentiert sind. Solche Metadaten sind Daten über Daten. Beispiele sind Informationen über existierende Standardberichte, fachliche Berechnungsvorschriften und Begriffslexika, wem gehören die Daten? und viele kommentierende Informationen mehr. Im Bereich Brief setzt die Deutsche Post AG ein zentrales Data Warehouse ein. Dabei reicht die Bandbreite der Quellsysteme von Microsoft Access und Excel über „Backend“-Systeme von SAP und Oracle bis hin zu Services, die auf einer Service-orientierten Architektur (SOA) basieren. Die dezentralen Datenhaltungssysteme sind bundesweit auf über hundert Standorte verteilt. Für den Aufbau und Unterhalt des zentralen Data Warehouse nutzt die Deutsche Post künftig das ETL-Tool Powercenter sowie die Metadaten-Management-Lösung Superglue von Informatica. Laut der Deutschen Post AG berührt das Projekt fast alle Datenbanken und das gesamte Reporting des Unternehmensbereichs. Das Projekt umfasse drei große Herausforderungen: „Die Integration großer Datenmengen über sehr viele Datenbanksysteme hinweg, das Metadaten-Management sowie die Integration dieser beiden Funktionen in die ervice-orientierte Architektur.“ 9 Der Logistik-Konzern erhofft sich von dem Projekt niedrigere Kosten für die Datenintegration, eine verbesserte Datenqualität und kürzere Reaktionszeiten. Zunächst müssen die Daten selektiert werden, die berücksichtigt werden sollen. Dazu gehört die Prüfung, aus welchen internen und externen Quellen, sowie welche Daten hiervon in das Data Warehouse geladen werden sollen. Neben dem aktuellen wird hierbei

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insbesondere auch der zukünftige Informationsbedarf berücksichtigt werden müssen. Oft werden zur Reduktion dieser Entscheidungskomplexität über die Wichtigkeit zukünftiger Daten, zusätzliche aufgaben- oder abteilungs-bezogene kleinere Data Warehouses (so genannte DataMarts) aufgebaut. Ist schließlich eine initiale Füllung des unternehmensweiten Data Warehouses erfolgt, gibt es einen Testlauf des Prototypen in einem ausgewählten Anwenderkreis. In dieser Phase können Modifikationen vorgenommen werden. Nach „Prototyping“ und erfolgreichem „Rollout“ ist sicherzustellen, dass auf die Informationen jederzeit zugegriffen werden kann. Die Anwender können Informationen in Form von Standard- oder Ad-hoc-Berichten abrufen, die sie bei Entscheidungen bezüglich

Im Bereich Brief setzt die Post ein zentrales Data Warehouse ein. Das Projekt berührt fast alle Datenbanken und das gesamte Reporting. Größte Herausforderung: die Integration großer Datenmengen über sehr viele Datenbank-Systeme, das MetadatenManagement und die Integration dieser beiden Funktionen in die serviceorientierte Architektur.

der Sortimentsgestaltung, der Lieferantenbewertung oder des Aktionsmanagements unterstützen.10 Dabei handelt es sich meist um aggregierte Unternehmensdaten, die Aufschluss über die Entwicklung wichtiger Unternehmenszahlen geben sollen. Ein Data Warehouse ist solchermaßen die Voraussetzung für das Database Marketing, da dieses auf Daten zugreifen muss, die üblicherweise nur in einem Data Warehouse in geeigneter Form vorhanden sind. ANGESICHTS DER ZUNEHMENDEN Notwendigkeit für einen kommerziellen Anbieter, seine Märkte, seine Zielgruppen, seine Absatzgebiete, seine Kunden, seine Verkäufe, seine Produkte, seine Vertriebswege, seine Marketingmaßnahmen, seine Qualität, seine

Online Analytical Processing (OLAP) erlaubt die mehrdimensionale Datenanalyse. Dreidimensional kann man sich vorstellen, dass auf den Achsen z.B. Kunden, Produkte und die Zeit dargestellt sind. OLAP beantwortet nun die Frage, wer kauft was in welchem Zeitraum.

Transaktionen und nicht zuletzt seine Prozesse besser beurteilen zu können, ist deren Analyse unbedingt notwendig. Die Voraussetzung dazu liefert ein Data Warehouse. Für die Analyse selbst hat sich das so genannte OLAP- (Online Analytical Processing ) Konzept durchgesetzt. Hier werden Abverkaufszahlen, Bondaten oder Bestandswerte und anderes mehrdimensional untersucht. OLAP beschreibt eine Kategorie von Werkzeugen, die aus dem Datenbestand eines Unternehmens geschäftsrelevante mehrdimensionale Daten(verknüpfungen) extrahieren und deren Analyse aus verschiedenen Blickwinkeln ermöglichen. OLAP strukturiert Daten auf hierarchische Weise und erlaubt in der Regel sowohl Einzel- als auch Trendanalysen. Bei OLAP-Abfragen wird zunächst ein Extrakt aus der relationalen Datenbank oder dem Warehouse entnommen und in einem multidimensionalen Datenwürfel abgelegt. Dieser lässt sich entlang der verschiedenen Dimensionen (wie Produkte, Verkaufsregionen, Zeiträume etc.) drehen und wenden. ROLAP (Relationales OLAP) verzichtet auf das Speichern im mehrdimensionalen Datenwürfel: Hier wird direkt auf die relationale Datenbank – und damit auf den gesamten Datenbestand – zugegriffen. Das verspricht verlässlichere Resultate und ist vor allem dann von Bedeutung, wenn sich die Daten schnell verändern. Über eine grafische Oberfläche werden ganz normale SQL-Abfragen ausgeführt.11 MOLAP (Multidimensionales OLAP) verlässt das SQL-Territorium und bedient sich eigener Programmierschnittstellen. Dadurch können die Grenzen von Standard SQL überschritten werden und unvergleichlich viele analytische Funktionen am Server selbst durchgeführt werden. Die Integration von MOLAP-Techniken und MOLAP-Zugriffsmethoden mit der relationalen Technologie gestaltet sich schwierig; die Daten müssen aus dem Data Warehouse in das multidimensionale Format kopiert werden, was Zeit und Kosten bedeutet. Darüber hinaus gestaltet sich die Abbildung von Dimensionen aufwendig. Bei allen genannten Schwächen bleibt allerdings ein Kardinalvorteil: MOLAP-Lösungen bringen in der Leistung beeindruckende Resultate. Denn die Transaktionsdaten werden gerechnet und konsolidiert, bevor sie in die mehrdimensionalen Gefilde wandern. Je umfangreicher die Berechnungen bei der Abfrage der archivierten Daten sind, desto länger warten Benutzer auf die Beantwortung ihrer Fragestellungen. Wenn die in einer Region erzielten Ergebnisse einer Produktgruppe für einen bestimmten Zeitraum abgefragt werden, sind komplexe Berechnungen notwendig, die relationalen Systemen „Performance“-Probleme bereiten. Die Reaktionszeit der Warehouse-Datenbanken wird gesenkt und nicht selten das gesamte System lahm gelegt. Einen Lösungsansatz bieten zusätzliche Datenbanken für Online Analytical Processing (OLAP).

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Die Leistungsfähigkeit von OLAP zeigt sich besonders dann, wenn beispielsweise die Ergebnisse von Produktgruppen pro Region zu ermitteln und die Angaben mit den Vorjahresdaten zu vergleichen sind. Ein Beispiel: Um den Vertrieb eines Unternehmens mit Hilfe des Vertriebs-Informationssystems noch schneller und effizienter zu steuern, bedarf es einer Datenbasis, die das Vertriebsgeschehen in allen Facetten transparent macht. Dazu werden absolute Werte und Kennziffern, wie Auftragseingang, Absatz, Umsatz, Frachten, Verfügbarkeit oder Durchlaufzeiten benötigt. Diese Werte erstrecken sich über alle Ebenen als Ist- und Plan-Werte mit den entsprechenden Abweichungen – von Kunden und Produkten bis zu Tagesebenen, verdichtet zu Wochen, Monaten, Quar-

In der John Crane GmbH wird die Vertriebsplanung auf der Basis von OLAP durchgeführt. Die multidimensionale Datenbank erlaubt die Analyse der Vertriebsdaten aus allen Perspektiven. Die Vertriebsbeauftragten wissen zu jedem Zeitpunkt wie die Geschäfte laufen.

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talen, Geschäftsjahren. In dem „OLAP-Vertriebs-Würfel“ der John Crane GmbH stehen alle Auftragseingänge, Rechnungen und Gutschriften auf Tagesebene ab 1999 zur Verfügung. Dazu wird die multidimensionale OLAP-Datenbank Applix iTM1 eingesetzt. Die Vertriebsplanung verläuft in einem dreistufigen Prozess. Jeder Vertriebsmitarbeiter plant zunächst die Erlöse für die Schlüsselkunden auf Jahresebene. Im zweiten Schritt erfolgt eine Differenzierung nach Produkt-Hauptgruppen und anschließend eine Saisonalisierung auf die Monate. Der budgetierte Monatswert wird im Verhältnis der Arbeitstage auf die Tagesebene heruntergerechnet. Diese Werte dienen innermonatlich als Indikatoren, ob die Ziele der jeweiligen Periode bei

Auftragseingang, Umsatz und Deckungsbeitrag noch erreicht werden. Im Rahmen der Planung sollen auch die Ist-Werte als Orientierungsgrößen genutzt und umgekehrt der tägliche Auftragseingang mit dem Budget verglichen werden. So lassen sich die OLAP-Würfel untereinander über Rechenregeln („Rules“) auf Datenbankebene verbinden. Eine „Rule“ holt die benötigten Werte zur Laufzeit aus dem jeweils anderen Cube. Als Bindeglied zwischen den operativen Transaktionssystemen und den OLAP-„Cubes“ dient der so genannte OLAPImporter der Firma Cubeware. Über eine standardisierte Schnittstelle ist der Zugriff auf alle gängigen relationalen Datenbanken und Textdateien möglich. Für individuelle Anpassungen des Importprozesses steht eine vollständig integrierte, umfassende Programmiersprache (TCL) zur Verfügung. Bereits während des Imports können Berechnungen, DatenbereinigungsProzesse und Plausibilitätsprüfungen durchgeführt werden. Darüber hinaus können Werte vorkonsolidiert und Bedingungen abgefragt werden. Die multidimensionale OLAP-Datenbank erlaubt die Analyse der Vertriebsdaten aus allen Perspektiven. Zu den ausgesprochen vielseitigen Analysemöglichkeiten gehören zum Beispiel auch die Deckungsbeiträge oder Durchlaufzeiten als absolute und prozentuale Werte aufgeschlüsselt nach Kunden, Produkt, Vertriebsweg oder Vertriebsverantwortlichen. Den Kern des Vertriebsinformationssystems bildet ein 13-dimensionaler OLAP-Würfel, der täglich mit aktuellen Daten bedient wird und dementsprechend keine Auswertungswünsche offen lässt. Die detaillierte Analyse lässt die Verantwortlichen Zusammenhänge erkennen, die sonst im Verborgenen blieben. Für zahlenorientierte Abfragen kann beispielsweise der CubeViewer genutzt werden – eine Funktion des Applix iTM1 OLAP-Systems. Mit diesem Werkzeug können individuell eine Reihe von Sichten erstellt und gespeichert werden. Sie stellen in den Zeilen und Spalten dann jeweils andere, teilweise auch geschachtelte,

Informationen dar. Dank einer Kollektion von Sichten, weiß der Vertriebsbeauftragte zu jedem Zeitpunkt wie die Geschäfte laufen und kann in enger Abstimmung mit der Vertriebsleitung „Forecasts“ erstellen.12 NEBEN DEM Online Analytical Processing gibt es im Databasemarketing auch noch die etwas weiter fortgeschrittene Analysemethode des Data Mining. Der Name kommt daher, dass wie in einer Edelstein-Mine der Datenbestand abgeschürft wird. Das meiste Material wird dabei keine neuen Erkenntnisse bringen, aber wie beim wirklichen Schürfvorgang werden einige besonders interessante Zusammenhänge, sozusagen die Edelsteine, im Sieb hängen bleiben. Wie definiert sich dieses Data Mining jetzt aber genau? Unter Data Mining ist die effiziente Suche nach verborgenen, aber wertvollen Informationen in großen Datenmengen sowie deren Interpretation und Anwendung zu verstehen.13 Was bedeutet in diesem Satz das Wort effizient? Darunter ist zu verstehen, dass zielgerichtet, mithin basierend auf konkreten Fragestellungen, vorgegangen werden soll. Weiterhin ist in der Definition von verborgenen Informationen die Rede. Damit sind nicht offensichtliche Informationen gemeint. Im Gegensatz zu OLAP ist Data Mining kein verifikativer Ansatz. Es ist hier nicht von vornherein klar, was genau gesucht wird. Vielmehr sind es gerade die unerwarteten Dinge, die im Mittelpunkt des Interesses stehen. So sind manche Gesetzmäßigkeiten im Abverkauf auch für Experten nicht gleich offensichtlich. In einer britischen Supermarktkette wurde beispielsweise mithilfe von Data Mining herausgefunden, dass mit statistischer Signifikanz Windeln und Bier häufiger zusammen verkauft wurden. Eine merkwürdige Gesetzmäßigkeit! Erst als die Data-Mining-Untersuchung das entsprechende Ergebnis untermauerte, begann man über einen möglichen Sinn nachzudenken. Jetzt wurde schnell klar, dass es sich bei den Kunden um junge Väter handelte, die an den Wochenenden, von den mit der Babypflege beschäftigten Müttern, zum

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Einkaufen geschickt worden waren. Um sich für die Mühsal des Windelkaufens zu belohnen, wurde gerne einmal auch ein Kasten Bier in den Einkaufswagen gestellt. Das Data Mining erstreckt sich über die folgenden vier Funktionen: Verbindungen erkennen (1), segmentieren (2), klassifizieren (3) und Abweichungen feststellen (4). Die Basis des Data Mining ist jedoch in jedem Fall das Data Warehouse. In der Verbindungs-Erkennung (1) werden die Daten zunächst durch mathematische Verfahren analysiert. Zumeist liegt diesem Verfahren eine so genannte Korrelationsanalyse zu Grunde. Zum Beispiel kann solchermaßen festgestellt werden, dass mit zunehmendem Alter im Normalfall das Einkommen steigt. Erkannt werden aber nicht nur banalen Zusammenhänge dieser Art,

Photo: mlpotma, stock.xchng

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sondern eben auch solche, die nicht erwartet worden wären. Erst das sind dann die eigentlichen „Edelsteine“ des Verfahrens, um das eingangs verwendete Bild noch einmal zu strapazieren. Data Mining wird aus diesem Grund zu den hypothese-freien Verfahren gerechnet. Niemand weiß zu Beginn des Projekts, was die späteren Ergebnisse sein werden. Bei der so genannten Segmentierung (2), auch „Clusterung“ genannt, werden Kunden, in deren Daten man Verbindungen erkannt hat, Segmenten zugeordnet. Das können relativ grobe Segmente sein, wie beispielsweise „Akademiker“ oder auch ganz spezifische Nischensegmente, wie „gut verdienende Mittvierziger mit geringer Risikoneigung, die gerne Bausparverträge abschließen“. Während die Segmentierung noch nicht bewertet,

kommt bei der Klassifizierung (3) eine solche Bewertung hinzu. Hier geht es dann beispielsweise darum herauszufinden, welche Kunden die schlechteste oder auch die beste Zahlungsmoral haben. Die Abweichungserkennung (4) schließlich ist genau das Gegenteil der Segmentierung. Gesucht werden hier nicht zusammenhängende, sondern vom Normalfall abweichende Fälle. Die Abweichungserkennung wird allerdings weniger im Marketing als vielmehr in der Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität eingesetzt. Hier checken große Computer Transaktionen auf Unregelmäßigkeiten durch und erkennen dann typische Muster beispielsweise für Betrugsfälle. Eine große Gefahr von Data Mining liegt darin, dass das Verfahren sich immer auf die Vergangenheit bezieht. Neue Entwicklungen werden grundsätzlich

nicht generiert. Im Marketing wird die Welt zwar nicht täglich neu erfunden, doch es kommt immer etwas noch nie da gewesenes hinzu. Solche Phänomene werden jedoch durch das Data-Mining-Verfahren nicht erfasst. Wird ein gefundener Zusammenhang als auf Dauer gegeben akzeptiert, so kann ein Fehlverhalten entstehen. Die sture Anwendung von Regeln produziert dann genau das Gegenteil der ursprünglichen Absicht. Ein Student zum Beispiel kann durch eine Data-Mining-Analyse bezüglich seines Kaufverhaltens von einer Internet-Firma eindeutig erkannt und der entsprechenden Kundengruppe zugeordnet werden. Er erhält dann in Zukunft immer die MarketingMaterialien, die für die Kundengruppe der Studenten vorgesehen sind. Schließt er sein Studium jedoch irgendwann ab, wird er auch weiterhin Studenten-

Data Mining sucht vor allem nach unbekannten Zusammenhängen. So wurde beispielsweise herausgefunden, dass in einer britischen Supermarktkette häufig Windeln und Bier zusammen gekauft wurden. Auf den ersten Blick eine merkwürdige Gesetzmäßigkeit.

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Material zugeschickt bekommen. Und das obwohl er möglicherweise zwischenzeitlich längst ein biederes Angestelltendasein fristet und ganz anderes Informationsmaterial nützlich fände. Auch kann es aufgrund von einmalig durchgeführten Data-Mining-Analysen auf Dauer zu einer Vernachlässigung einzelner Kunden kommen. Beispielsweise wenn diese in eine nicht wichtige Kundengruppe eingestuft werden. Noch schlimmer ist es, wenn die als besonders interessant eingestuften Kunden mit Aktivitäten überschwemmt werden. Nicht selten stapeln sich auf den Schreibtischen so genannter Schlüsselkunden die Einladungen zu Kulturveranstaltungen und Seminaren und weitere spezielle Angebo-

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te und es häufen sich die Kundenbetreuungsanrufe. Welcher Kunde würde in einem solchen Fall nicht zu viel kriegen? Auch im E-Commerce geht es darum, mithilfe von Data Mining aus einem ganzen Berg kundenbezogener Rohdaten die profitablen Kunden herauszufinden. Hinweise zur Identifizierung potentieller Kunden unter den Website-Besuchern sind in den Daten enthalten, die über Log-Dateien, Cookies, Gewinnspiele oder Fragebögen generiert werden. Werden diese Daten als aufgezeichnete Fakten definiert, so verbergen sich die verwertbaren Informationen als dahinter versteckte Muster. Diesen gilt es mit Data Mining auf die Spur zu kommen. Dazu werden geeignete Software-Program-

me eingesetzt, die Regelmäßigkeiten herausfinden können. Data Mining beantwortet im E-Commerce z.B. folgende Fragen: warum ist ein Kunde profitabel und ein anderer unprofitabel?, wie wird ein Sortiment optimiert?, welche Nutzer reagieren auf eine bestimmte Bannerwerbung?, welche Produkte werden für bestimmte Nutzer in Zukunft von Interesse sein? Grob gesagt, helfen Mustererkennungs-Techniken bei einem der wichtigsten Probleme im Internet: der Steigerung der Online-Verkäufe. Einerseits werden die profitablen Kunden herausgefiltert, andererseits können mit dem Wissen um deren Eigenschaften gezielt neue profitable Kunden gewonnen werden. Data Mining ist dabei nicht ein einziges Programm,

sondern besteht vielmehr aus einem ganzen Set verschiedenster Verfahren. Viele dieser „Tools“ stützen sich auf statistische Algorithmen für Entscheidungsbäume, neuronale Netze oder Datenreduktionstechniken. Dabei sind die neuronalen Netze außerordentlich hilfreich beim Ermitteln des zukünftigen Kaufverhaltens („Forecasting“) oder der Kreditwürdigkeit. Entscheidungsformeln dagegen helfen, die „Response-Raten“ zu erhöhen oder geeignete Cross-Selling-Möglichkeiten zu finden. „Clusteranalysen“ wiederum sind für die Zielgruppenbildung ideal. Hat sich durch eine Warenkorbanalyse beispielsweise eine Gruppe häufig zusammen verkaufter Produkte herausgestellt, kann das Sortiment auf der

Schüler werden durch eine Data Mining Analyse von einer InternetFirma erkannt und auf Dauer der entsprechenden Käufergruppe zugeordnet. Schließen sie die Schule ab, erhalten Sie auch weiterhin MarketingMaterial für Schüler und Studenten, obwohl sie möglicherweise mittlerweile längst im Beruf sind. Damit ist ein Problem der einmalig durchgeführten Analyse verbunden.

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Website optimiert und konsumgerecht platziert werden. Werden auf der anderen Seite die Resultate einer Warenkorbanalyse mit Kundendaten verknüpft, kann die Kaufwahrscheinlichkeit bei einem zukünftigen Internetshop-Besucher vorhergesagt werden. Es ist dann zum Beispiel möglich, Werbe-Banner aufgrund von Anmeldedaten gruppen- oder personenbezogen zu steuern. Durch Klassifizierung der Kunden kann das Cross- und Up-Selling-Potenzial innerhalb eines bestehenden Kundenstamms ausgeschöpft werden. Dazu werden Kunden, die ähnliche Interessen haben, in ein Segment eingeordnet. Sie sind folglich Zielgruppen für die gleichen Produkte. Eine mögliche Frage in

diesem Zusammenhang lautet: Welche Personen interessieren sich für neue Automobile und gleichzeitig für Tuning-Zubehör? Moderne Data-Mining-Pakete kombinieren verschiedene Technologien miteinander und stellen die ermittelten Ergebnisse mit Bezug zueinander dar. Sie vereinigen mehrere Technologien wie neuronale Netze, genetische Algorithmen, Statistikmodule, Entscheidungsbäume und Visualisierungsmodule miteinander und versetzen Unternehmen damit in die Lage, Assoziationen, Klassifizierungen, Segmentierungen und Prognosen zu realisieren.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Jung, Hans Hermann: Integriertes Database Marketing als zukunftsorientierte Lösung für erfolgreiches Zielkundenmanagement, in: DATABASE MARKETING, Nr. 1, 1997 2

Vgl. Reimann, Eckhard: Kundenbindung im Retail Banking (Ergebnisse einer Studie bei amerikanischen Banken), in: geldinstitute Nr. 6, 1996 und Reimann Eckhard: Database Marketing und Relationship Management im Zeitalter der Neuen Medien, in: Marketing (Loseblattwerk), hrsg. v. Gerhard Fischer, 24. Nachlieferung, 6 1998, Landsberg/Lech 3 Vgl. Lühe, Markus von der: Database Marketing: Fallstudie Unicef, ABSATZWIRTSCHAFT, Heft: 2, 1998, S. 46-49 4 Vgl. Judt, Ewald/Aigner, Barbara: Was ist ein Data Warehouse?, Bank und Markt 06 vom 01.06.2005, S. 46 5

Vgl. ebenda

6

Vgl. o. V.: Henkel baut Data-Warehouse für Marktinformationen, Absatzwirtschaft Nr. 11 vom 01.11.2006, S. 61 7

Vgl. o. V.: Data Warehouse ersetzt Excel-Dschungel,

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Computer Zeitung, Heft 35, 2005, S. 23 8

Vgl. Judt, Ewald/Aigner, Barbara, a.a.O.

9

Vgl. o. V.: Post richtet zentrales Data Warehouse ein, Computerwoche, 22.07.2005, Nr. 29, S. 32 10 Vgl. Karpfinger, Daniel/Marz, Oliver: Data Warehouse Vor der Einführung sorgfältig planen, Retail & Technology, Heft 3/2005, S. 46f. 11

Von IBM in den 1970er Jahren entworfene Sprache zur Abfrage von relationalen Datenbanken. Viele bekannte Datenbanksysteme wie IBM DB2, Microsoft SQL Server und Oracle arbeiten mit dem SQL-Sprachstandard. Dadurch ist es möglich, SQL-Anwendungen zu erstellen, die vom verwendeten Datenbanksystem unabhängig sind 12 Vgl. Klesse, Joachim: Transparenz bis zur kleinsten Position, OLAP fürs Vertriebscontrolling, eCRM profi, Heft 5/2001, S. 20-23 13 Vgl. Schommer, C. u. a.: Mining your own Business, in: Retail using DB2 Intelligent Miner for Data, SG24-627100, IBM Redbook Series, 2001

Personalisierung und Newslettermarketing

Nur personalisierte Web-Angebote haben eine Chance, dauerhaft erfolgreich zu sein. Wer eine solche Website besucht oder einen solchen Newsletter öffnet, bekommt ausschließlich zu sehen, was seinem Kundenprofil entspricht. Aber bei der Personalisierung gilt es, eine Reihe von Regeln zu beachten.

I

mmer mehr Unternehmen verabschieden sich mit ihren Online-Angeboten vom klassischen „Onefits-all-Konzept“ und stimmen ihren Internet-Auftritt durchgängig auf Kundenwünsche und unterschiedliche Nutzervorlieben ab. Personalisierung und Individualisierung stehen auf der Tagesordnung. „Unter-

nehmen, die personalisierte Webangebote umsetzen, erarbeiten sich in puncto Service für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner einen erheblichen Vorsprung“, schreibt Bernfried Howe, ein Experte für Personalisierung.1 Leider, so Howe, unterschieden sich das klassische Kaufhaus und der virtuelle Shop aber

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Internet-Besucher kennzeichnet nicht selten eine geradezu kindliche Ungeduld. Das Stöbern in Bergen von Informationen hat für sie meist nur kurz einen Reiz. Mit Personalisierung erwarten den eiligen Kunden im Idealfall immer genau die Inhalte, die er auch gesucht hat. Jeder Besucher erhält dabei vom Anbieter ein Profil, das explizit oder implizit erstellt werden kann. Im ersten Fall wird die Kundin oder der Kunde nach den Vorlieben befragt. Im zweiten Fall merkt sich das System die Kunden-Interessen.

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noch viel zu wenig. Auch online gibt es Regale, also Angebote, aus denen ausgewählt werden kann. Aber viel zu selten eröffnet sich für den Konsumenten die Möglichkeit, nur die Produkte zu sehen, die aufgrund vorheriger Käufe interessant sein könnten.2 Das Internet hat die Regeln für Konzerne und Gesellschaft bereits erheblich verändert. Ein Abschied von der Massenkultur ist nicht mehr zu übersehen. Mit ihren individuellen Angeboten, Nischenmärkten und außergewöhnlichem Service hat die Online-Welt so manchen Kunden aus den traditionellen Ladenpassagen abgezogen. Andererseits, wer im Web kein Unterscheidungsmerkmal bietet, läuft Gefahr, schnell zerrieben zu werden. Nur personalisierte, dynami-

sche Online-Angebote haben eine Chance dauerhaft erfolgreich zu sein. Während sich der eine damit begnügt, den Namen des Besuchers zu erfragen, um ihn persönlich zu begrüßen, bietet ihm der andere an, ein Interessenprofil zusammenzustellen und zu speichern, damit sich der Inhalt der Website künftig dynamisch an dieses Profil anpassen kann. Wieder andere werten aus, welche Seiten ein Besucher wählt, um daraus auf ein spezielles Interesse schließen und gezielte Angebote unterbreiten zu können. Das fängt schon damit an, dass Informationen nicht mehr für jeden in der gleichen Art und Weise angezeigt werden. Wer eine solchermaßen personalisierte Website besucht, bekommt ausschließlich zu sehen, was sei-

Den weitestgehenden Ansatz der Personalisierung verfolgt das kollaborative Filtern. Hier werden in Befragungsaktionen Meinungen von Anwendern zu den Produkten ermittelt. In Zusammenhang mit anderen Attributen der Kundinnen und Kunden werden in einem komplexen Verfahren „Peergruppen“ ermittelt, deren Mitglieder sich bezüglich ihres Kaufverhaltens ähneln. Das führt zu ausgesprochen subtilen Kaufempfehlungen. Die neue CD eines Künstlers kann beispielsweise vom Inhalt her empfehlenswert sein, jedoch in der Meinung der Benutzer nicht hoch im Kurs stehen. Beim kollaborativen Filtern würde diese CD den entsprechenden Kunden auch nicht empfohlen werden.

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Die verschiedenen Methoden der Personalisierung sind in unterschiedlichem Maß aufwändig. Wird z.B. auf einer Website ähnlich wie im Supermarkt eine Vielzahl von Objekten mit sehr vielen Attributen angeboten, erfordert das inhaltsbasierte Filtern zu viel Aufwand. Dagegen macht kollaboratives Filtern nur Sinn, wenn Bewertungen durch Benutzer auch in ausreichendem Maß vorliegen.

nem Kundenprofil entspricht. Nur so kann der zunehmenden Fragmentierung der Konsumentenwünsche Rechnung getragen werden. Ein weiteres Ziel der Personalisierung von InternetAuftritten ist, den Benutzer zu leiten, damit er sich in einem großen Web-Angebot bestmöglich zurechtfindet. So werden beispielsweise bestimmten Kunden manche Links, Dokumente oder Dokumententeile bewusst vorenthalten. Umfang und Komplexität des Online-Auftritts werden damit für jeden einzelnen Kunden reduziert. Dies gilt gleichermaßen für WebPräsenzen von Großunternehmen wie für solche von mittelständischen Betrieben, etwa von Maklern oder Händlern. Personalisierung ist in jedem Fall umso wichtiger, je heterogener die Zielgruppe ist. Personalisierungsmodule sind heute Bestandteil von Content-Management-Systemen und bie-

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ten unterschiedliche Möglichkeiten der besucherspezifischen Anpassung von Web-Inhalten. Jeder Web-Besucher erhält ein Profil, wobei zwei Arten unterschieden werden können: die explizite und die implizite Form. Bei der expliziten Personalisierung stellt der Benutzer selbst Informationen zur Verfügung. Dies kann z.B. durch das Ausfüllen eines Fragebogens bei der Registrierung geschehen. Dagegen ist die implizite Personalisierung aufwändiger. Vom Webserver erfasste Daten, wie das Datum des letzten Besuchs der Website oder die Anzahl der aufgerufenen Seiten, werden dem Benutzerprofil hinzugefügt. Informationen über den Benutzer werden mithin nicht vom Kunden abgefragt, sondern indirekt gesammelt, indem sein Online-Verhalten beobachtet wird. In der Regel ist sich der Web-Kunde dabei nicht bewusst, dass jeder seiner „virtuellen Schritte“ registriert wird,

Unabhängig davon, welche Personalisierungs-Methoden zur Anwendung kommen, müssen die Benutzer zunächst identifiziert werden. Eine Vorgehensweise, die dazu meist mit der impliziten Form verwendet wird, geht mit der Verwendung von Cookies einher. Bei dieser Art von „Keksen“ handelt es sich um kleine Dateien, die auf der Festplatte der Kunden gespeichert werden. Besuchen diese die Website erneut, verraten die CookieDaten, was beim letzten Mal der Gegenstand des Interesses war. Diese Inhalte können dann bevorzugt angezeigt werden. Auf die Verwendung der Kekse sollte allerdings explizit hingewiesen werden, um die Kunden nicht zu verärgern.

womit auch schon der größte Nachteil dieses Verfahrens benannt ist. Kunden reagieren oft ausgesprochen negativ, wenn ihnen klar wird, dass sie ohne ihr Wissen beobachtet wurden. In vielen Fällen macht es Sinn, durch eine Kundenbefragung Vorbehalte im Vorfeld zu untersuchen und sich eventuell auf die explizite Personalisierung zu beschränken. Die beiden gängigsten Methoden um Benutzerprofile zu analysieren und eine Empfehlung abzugeben, sind regelbasierte und Filter- Verfahren. Die verwendeten Regeln, um einem Benutzer Inhalt oder Produkte zu empfehlen, werden am besten von den Marketing-Experten im Unternehmen bestimmt und können z.B. auf Erfahrungswerten oder aktuellen Trends beruhen. Ein Beispiel ist die Empfehlung einer zusätzlichen Hardware- oder Software-Komponente für Kunden, die vor kurzem einen PC erworben haben.

Filterverfahren sind eine andere Methode, um Kundenprofile zu analysieren. Die Filterung kann auf verschiedene Arten erfolgen und auch mit regelbasierten Verfahren kombiniert werden. Beim einfachen Filtern wird der Benutzer einer zuvor definierten Gruppe von Anwendern zugeordnet. Entsprechend seiner Gruppe wird der dargestellte Inhalt angepasst. Typische Gruppen sind Rentner, Studierende etc. Eine weitergehende Filterungsmethode ist das inhaltsbasierte Filtern. Im Fokus ist hier das Objekt das dargestellt oder angeboten werden soll. Es verfügt über ein oder mehrere Attribute und durch diese Attribute werden ähnliche Objekte erkannt. Ein Beispiel ist die Identifizierung verwandter Artikel durch den Vergleich vorkommender Schlüsselwörter im Text. Große E-Commerce-Anbieter wie etwa Amazon nutzen diese Möglichkeiten und weisen beim Kauf eines Buches auf verwandte

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oder interessengleiche Titel hin. Mit einem einfachen, überschaubaren Empfehlungssystem winkt dabei nicht nur zusätzlicher Umsatz, sondern auch höhere Kundenzufriedenheit. Einen weitergehenden Ansatz verfolgt das kollaborative Filtern. Hier werden nicht objektiv vergebene Attribute miteinander verglichen, sondern Meinungen von Anwendern zu den Objekten. Dadurch werden „Peergruppen“ ermittelt, die ein ähnliches Profil haben. So werden z.B. durch Bewertungen zu CDs oder Büchern Kaufempfehlungen herausgefiltert, die durchaus von denen abweichen, die durch inhaltsbasiertes Filtern ermittelt wurden. Die neue CD eines Künstlers kann beispielsweise vom Inhalt her empfehlenswert sein, jedoch in der Meinung der Benutzer nicht hoch im Kurs stehen. Beim kollaborativen Filtern würde diese CD den entsprechenden Kunden auch nicht empfohlen werden. Die Entscheidung, welche Methode der Personalisierung gewählt wird, hängt aber nicht nur davon ab, um welche Art von Inhalt bzw. Produkt es sich handelt und ob die Meinung anderer Personen entscheidend sein soll. Die verschiedenen Methoden sind auch in unterschiedlichem Maß aufwändig. Für unterschied-

liche Seitentypen kommen daher oft nur bestimmte Methoden in Frage. Wird z.B. auf einer Website eine Vielzahl von Objekten mit sehr vielen Attributen angeboten, erfordert das inhaltsbasierte Filtern enorm viel Aufwand. Dagegen macht kollaboratives Filtern nur Sinn, wenn Bewertungen durch Benutzer auch in ausreichendem Maß vorliegen. Für Seiten, auf denen sehr viele Informationen angeboten werden (z.B. Nachrichtenseiten) und auf denen die Möglichkeit zur Bewertung der einzelnen Artikel nur in geringem Umfang genutzt wird, empfiehlt es sich, eher auf inhaltsbasiertes als auf kollaboratives Filtern zu setzen. Unabhängig davon, welche Methoden zur Anwendung kommen, müssen die Benutzer zunächst identifiziert werden. Eine übliche Methode, die meist zusammen mit der expliziten Form der Personalisierung verwendet wird, ist der „Login“. Der Benutzer wählt einmalig einen Benutzernamen und ein -kennwort. Bei nachfolgenden Besuchen kann er durch Angabe dieser Daten wieder erkannt und mit personalisierten Inhalten versorgt werden. Aber auch Cookies erlauben die Identifizierung von Kunden, wobei sich vor allem die implizite Personalisierung dieses Mittels bedient.

PERSONALISIERUNG Die unterschiedlichen Verfahren >Ausgangspunkt ist ein Schüler, der viel liest – vor allem Harry Potter >Regelbasiertes Filtern: Durch eine festgelegte Regel werden weitere Harry Potter Bücher angeboten >Einfaches Filtern: Zuordnung zur Gruppe der Schüler >Inhaltsbasiertes Filtern: Das zuvor ausgewählte Harry Potter Buch wird bezüglich seiner Attribute ausgewertet – Thema: Harry Potter, Genre: „Fantasy“, Autorin: Rowling etc. Entsprechend der jeweils gültigen Regel werden z.B. andere „Fantasy“ oder andere Bücher von Rowling angeboten >Kollaboratives Filtern: Der Schüler wird der „Peergroup“ der Vielleser von Jugendliteratur insbesondere Harry Potter zugeordnet. Repräsentanten dieser Peergroup wurden zuvor befragt, wie sie den neuen Harry Potter finden. Schnitt dieses Buch schlecht ab, wird der neueste Harry Potter nicht empfohlen

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EINE WEITERE MÖGLICHKEIT die Kundenbeziehung im Internet zu individualisieren, ist durch den Newsletter-Versand gegeben. Die Chefin des Theaterorganisationsbüros in Hamburg meint dazu, „elektronische Newsletter ermöglichen es mir, ohne viel Aufwand Kunden anzusprechen, zu gewinnen und langfristig an mein Unternehmen zu binden.“ Oberstes Prinzip für die Künstleragentin ist allerdings dabei, nur zu mailen, wenn sie auch wirklich etwas zu sagen hat. „Weil wir nur relevante Informationen an die Empfänger versenden, ist die Akzeptanz unseres Newsletters sehr hoch.“3 Gute Inhalte sind mithin entscheidend. Für den Kunden muss ein Zusatznutzen entstehen. Der Anbieter sollte daher Themen wählen, die nicht nur zu den eigenen Produkten und Dienstleistungen passen, sondern für den Kunden einen echten Mehrwert bringen. Dann allerdings können Newsletter durchaus zum Umsatzwachstum beitragen. Immerhin 5 Prozent des deutschen Versandhandels-Umsatzes lassen sich auf E-Mail zurückführen.4 Damit der Newsletter jedoch funktioniert, muss bereits eine Beziehung zum Adressaten bestehen. Wer hingegen Neukunden gewinnen möchte, sollte stattdessen eher auf Suchmaschinen-Marketing, An-

zeigen oder Öffentlichkeitsarbeit setzen. Nur bei Bestandskunden erreichen periodisch gesendete Newsletter gute Reaktionsraten.5 Der Grund ist, dass die Leser in diesem Falle die Zusendung wünschen. Sie haben sich dafür immerhin eigens registrieren lassen. Das Erfolgsgeheimnis lautet: Freiwilligkeit.6 Weil ungebetene Werbung die Mailboxen verstopft, dürfen Newsletter nur an Adressaten gesandt werden, die dem Empfang ausdrücklich zugestimmt haben. Um mögliche rechtliche Probleme zu vermeiden, sollte auf jeden Fall das so genannte „Double-Opt-In-Verfahren“ eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Interessenten nach ihrer Registrierung eine E-Mail bekommen und dort ihren Eintrag nochmals bestätigen müssen. Wer ohne diese Einwilligung Newsletter verschickt, riskiert eine Abmahnung.7 Überraschend viele Newsletter weisen solche juristische Schwachstellen auf. Torsten Schwarz gibt in seinem Online-Artikel acht Regeln an die Hand, wie ein Newsletter rechtssicher gestaltet werden kann.8 Neben der Einwilligung (1) kommt es nach Schwarz darauf an, dass diese auch korrekt eingeholt wird (2). Ein klein gedruckter oder in den AGBs versteckter Satz genügt nicht. Bei einer juristisch einwandfreien Einwilligung muss auf die Abbestellmög-

NEWSLETTER Erfolgsfaktoren >Relevanz Nur mailen, wenn es auch etwas zu sagen gibt und nur an registrierte Empfänger >Rechtliches Acht Regeln beachten >Sichtbarkeit Newsletter gut sichtbar auf Website positionieren, Beispiel-Newsletter bereit stellen >An- und Abmeldeprozess kurz und unkompliziert gestalten. Newsletter auch in traditionelle Geschäftsprozesse integrieren: zum Beispiel auch auf herkömmlichem Bestellformular oder auf Rechnungen auf die Möglichkeit hinweisen, dass ein Newsletter bezogen werden kann >Regelmäßiger Versand In festen Abständen und während der Arbeitszeit aussenden >Personalisierung Empfänger mit Namen ansprechen, möglichst auch Inhalte persönlich zuschneiden >Präsentation Kurze E-Mails versenden und von dort auf ausführliche Inhalte verlinken, Betreff-Zeile sorgfältig formulieren

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besteht die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung (7). Der Newsletter muss vor diesem Hintergrund eine vorladungsfähige Adresse beinhalten. Er braucht ein komplettes Impressum, das Namen, Anschrift, Vertretungsberechtigte, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Handelsregister- und Steuernummer enthält. Letzte Anmerkung aus rechtlicher Sicht: Klicks sind immer „anonymisiert“ zu messen (8). Nie darf festgehalten werden, welche E-Mail-Adresse welche Links anklickt. Nutzungsprofile dürfen zwar erstellt, müssen aber „pseudonymisiert“ sein, d.h. sie dürfen nicht mit den E-Mail-Adressen zusammengeführt werden können. Bei weitem nicht alle E-Mail-Systeme arbeiten hier datenschutz-konform. Um eine hohe Abonnentenzahl zu erreichen, muss die Sichtbarkeit des Newsletter-Angebots möglichst hoch sein. Auf der Website des Unternehmens sollte beispielsweise bereits auf der Homepage, für die Kunden gut sichtbar, ein Hinweis auf die Möglichkeit Newsletter sollten nur an Empfänger gehen, die sich zuvor freiwillig registriert haben.

lichkeit sowie auf den Umgang mit den Daten hingewiesen werden. Auch wenn nur die E-Mail-Adresse der Kunden gespeichert wird, muss auf die Zweckbestimmung der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung hingewiesen werden. Darüber hinaus ist die Einwilligung zu protokollieren (3). Bei einem „Double-Opt-InVerfahren“ wird der Einwilligungstext per E-Mail an die angegebene E-Mail-Adresse geschickt. Datum und Umstände der Einwilligung werden in einer Datenbank gespeichert. Die Einwilligung muss jederzeit bewiesen werden können (4), denn der Hauptgrund für Beschwerden ist die Vergesslichkeit der Empfänger. Auf der sicheren Seite ist der Anbieter auch hier, wenn das „Double-Opt-In-Verfahren“ angewendet wird. Der Newsletter sollte in jedem Fall auch anonym bezogen werden können (5). Das Anmeldeformular darf außer der E-Mail-Adresse deshalb keine weiteren Pflichtfelder haben, damit die gesetzlich geforderte anonyme Nutzung möglich ist. Der Empfänger muss der elektronischen Werbung jederzeit bequem widersprechen können (6). Dazu muss jede E-Mail am Ende auch immer eine Abbestellmöglichkeit enthalten. Es

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Dem Empfang des elektronischen Newsletters muss jederzeit bequem widersprochen werden können. Dazu muss jede E-Mail am Ende auch immer eine Abbestellmöglichkeit enthalten.

enthalten sein, einen elektronischen Newsletter zu beziehen. In vielen Fällen ist es sogar sinnvoll, das Newsletter-Angebot in die Hauptnavigationsleiste zu integrieren. Die meisten Unternehmen haben mittlerweile auch erkannt, dass die Newsletter-Registrierung in alle bereits bestehenden Registrierungsprozesse zu integrieren ist. Es werden jedoch immer noch Fälle beobachtet, in denen bis zu sieben Klicks benötigt werden, um sich für einen Newsletter anzumelden. Auch fehlt nicht selten ein Beispiel-Newsletter im Internet als Angesichtsexemplar. Hinzu kommt, dass das Layout der Anmeldeseite für den elektronischen Brief oftmals nicht gut ausgeführt ist. So fehlt gelegentlich eine klare optische Trennung zwischen Anmeldung, Abmeldung und „E-Mail-Adresse-ändern“. Auch sind die Anmeldefelder nicht immer optisch hervorgehoben und es fällt auf, dass Pflicht- und optionale Felder in vielen Fällen auf den ersten Blick nicht deutlich voneinander unterschieden werden können. Der Newsletter sollte auch anonym bezogen werden können. Das Anmeldeformular darf außer der E-Mail-Adresse keine weiteren Pflichtfelder enthalten.

Es besteht die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung. Der Newsletter muss deshalb eine vorladungsfähige Adresse beinhalten.

Auch wird bei der Registrierung häufig zu viel abgefragt. Es kommen durchaus immer wieder Fälle vor, in denen bis zu acht Felder ausgefüllt werden müssen – kaum ein Kunde bekommt da nicht zu viel. Im Gegenteil: Solche Fehler vermeiden schnelles Abonnenten-Wachstum. Gerade in der Aufbauphase des neuen Newsletters ist auch die inhaltliche Integration besonders wichtig. Immer wenn Kunden sich beim Unternehmen registrieren müssen, etwas bestellen, vom Unternehmen angeschrieben werden oder Prospektmaterial erhalten, darf der Hinweis auf den Newsletter nicht fehlen. Ist ein Abonnentenstamm aufgebaut, geht es darum, dass der elektronische Kundenbrief dauerhaft Interessenten findet. Laut Christian Scheier beträgt die übliche Verweildauer bei Newslettern nur 15 Sekunden.9 Der flüchtige Leser muss mithin sofort aufmerksam werden oder der elektronische Infobrief landet gleich im virtuellen Papierkorb. Langatmigkeit ist fehl am Platz. Dennoch war der größte Newsletter, aller 40.000 in einer Studie untersuchten, 1,3 Megabyte (!) groß.10 Eine HTML-Serien-E-Mail sollte aber ca. hundert Kilobyte nicht wesentlich überschreiten.

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Überhaupt sollte ein Anschreiben, das per E-Mail übermittelt wird, immer nur ein paar Zeilen lang sein. Auf den eigentlichen Newsletter, der dann im Web zu finden ist, wird verlinkt.11 Und noch ein paar Dinge müssen umgesetzt werden, um gerade den flüchtigen Leser an den elektronischen Newsletter zu binden: Das Wichtigste sollte immer ganz oben stehen. Übersichtlichkeit ist beim Newsletter oberstes Gebot. Ein Inhaltsverzeichnis beispielsweise erleichtert den Überblick erheblich. Eine erfolgreiche und deshalb auch häufig eingesetzte Strukturierung von Newslet-

vom Newsletter ermöglicht, sowie juristisch motivierte Hinweise beispielsweise die Datensicherheit betreffend (siehe oben). Die Formulierungen im Newsletter sollten knapp und bündig sein. E-Mails werden meist nur „gescannt“ und nicht sorgfältig gelesen. Die Sätze sollten daher maximal 25 Worte lang und möglichst in der Sprache der Zielgruppe formuliert sein. Der Kunde sollte möglichst persönlich angesprochen werden. Leider verwendet allerdings immer noch fast die Hälfte aller Aussender nicht die persönliche Ansprache, sondern

tern sieht so aus: Kopfbereich, Editorial, Inhaltsverzeichnis, eigentlicher Inhaltsbereich und so genannter Abbinder. Im Kopfbereich befinden sich alle notwendigen Angaben zur Identifikation des Aussenders. Das Editorial sollte von einer höher gestellten Person im Unternehmen (beispielsweise Geschäftsführung) unterschrieben sein und in knapper Form das „Highlight“ des aktuellen Rundschreibens beleuchten. Der so genannte Abbinder schließlich beinhaltet vor allem auch einen Link auf eine Web-Seite, die eine Änderung der Registrierungsdaten und auch das unkomplizierte Abmelden

Die übliche Verweildauer bei einem Newsletter beträgt nur einige Sekunden. Elektronische Post wird meist nur „gescannt“. Die Sätze sollten daher kurz und in der Sprache der Zielgruppe formuliert sein.

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das unverbindliche „sehr geehrte Damen und Herren“. Und das obwohl personalisierte Newsletter deutlich höhere Klickraten erzielen. Diese Personalisierung sollte nach Möglichkeit sogar noch über die Anrede hinausgehen. Im Idealfall erhält jeder Empfänger einen nach seinen Interessen zusammengestellten Newsletter. Um diese persönlichen Interessen und damit das Leser-Profil zu ermitteln, ist meist ein Bewertungsverfahren nützlich. Für jeden Artikel wird dem Leser ein „Rating-Verfahren“ bereitgestellt. Aus der Summe der Bewertungen entsteht schließlich ein Leserprofil, das

Das Corporate Design ist auch beim elektronischen Newsletter zu beachten. Hierdurch werden Wiedererkennungswert und eine seriöse Anmutung erzielt. Der Kunde erkennt, dass er hier von einem Marken-Anbieter und nicht von dubioser Seite angeschrieben wurde.

Rückschlüsse auf die Interessen der Lesrein oder des Lesers zulässt. Ganz wesentlich zum Gelingen von NewsletterMarketing trägt eine gut formulierte Betreffzeile bei. Das erste, was der angeschriebenen Kunde zu Gesicht bekommt ist schließlich das „Mail-Subject“. Auf die Formulierung dieser Zeile sollte allergrößten Wert gelegt werden. Niemand tut sich einen Gefallen, wenn in der Betreffzeile Allgemeinplätze auftauchen. Der Kunde bekommt in der Regel zu viele E-Mails und wird einfach dazu neigen, alles was abgedroschen, langatmig und vor allem uninteressant klingt, ohne Umschweife zu löschen. Wichtigster Punkt hierbei: das Hauptnutzenargument aus Sicht des Kunden gehört in die Betreffzeile. Mehrwert statt Werbung! Und noch eine wichtige Sache: das „Mail-Subject“ darf auf keinen Fall den Anschein von Werbung erwecken oder gar an „Spam“ erinnern. Im Zusammenhang mit der „SpamProblematik“ sind noch folgende Dinge erwähnenswert: Der Empfänger sollte immer sofort den Absendernamen im Blick haben. Begriffe die irgendwie auf „Spam“ hindeuten könnten, sind zu vermeiden. Auch sollte ernsthaft abgewogen werden, ob es wirklich Sinn macht, fremde Werbung in den Newsletter zu übernehmen. Gerade heute ist das ein gefährliches Unterfangen, denn wie Symantec berichtet, imitieren „Spammer“ Newsletter bekannter Firmen, fügen jedoch ein Bild oder einen Link auf eine Bilddatei ein. Sie verwenden schematisierte Vorlagen, um die Newsletter bestmöglich nachzuahmen. Kurz nach dem Öffnen der „HTML-Mails“ wird dann die Bilddatei angezeigt, die zum Beispiel für einen dubiosen Anbieter vermeintlich preisgünstiger Medikamente wirbt. Imitiert werden Newsletter bekannter Unternehmen wie Amazon, Ebay oder Wal-

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mart.12 Mithin gilt: Abstand nehmen von Werbung im Newsletter. Nur wenn das elektronische Rundschreiben ansonsten nicht zu finanzieren wäre, ist im Notfall an Werbe-Maßnahmen zu denken. Das Corporate Design des eigenen Unternehmens ist auch beim elektronischen Newsletter strengstens zu beachten. Hierdurch wird nicht nur der Wiedererkennungswert

Der Versand des Newsletters sollte prinzipiell während der Arbeitszeit erfolgen.

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erhöht, sondern auch die Seriosität des Rundschreibens herausgestellt. Der Kunde erkennt, dass er hier von einem Marken-Anbieter und nicht von dubioser Seite angeschrieben wurde. Noch eine Bemerkung zur Lesbarkeit des Newsletter-Textes. Kursiv gesetzter Text ist am Bildschirm schlecht zu lesen und daher möglichst zu vermeiden.

Auch sollten Wörter nicht unterstrichen werden, es sei denn, es handelt sich um einen Link. Newsletter sollten regelmäßig versendet werden. Gibt es vergleichsweise wenig Neues zu berichten reicht eine monatliche Aussendung vollkommen aus. Ansonsten ist das wöchentliche oder auch vierzehntägige Versenden eine angemessene Alternative.

Der Versand selbst sollte prinzipiell während der Arbeitszeit erfolgen. Das liegt schon daran, wie Studien immer wieder eindeutig belegen, dass weit über 90% der betrieblichen Nutzer ihre E-Mails während der Arbeitszeit lesen. Newsletter die tagsüber versandt werden – etwa zwischen 10 und 14 Uhr – werden dabei deutlich häufiger gelesen, als solche die in der Nacht

Newsletter-Marketing ist erfolgreicher als sein Ruf: Ca. 20% der Empfänger lesen die Mail.

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oder am frühen Abend eingehen. E-Mail-Marketing ist erfolgreicher als sein Ruf. Nach einer Studie der Münchener eCircle AG im Jahr 2005 erinnerten sich beispielsweise sechs Tage nach der letzten Werbemail noch 25 Prozent der Befragten daran, die Mail erhalten zu haben. Bei Vorlage des Anzeigenmotivs stieg der Erinnerungsgrad auf über

70 Prozent. Danach befragt, welche Grundhaltung sie zum E-Mail-Marketing via Newsletter haben, gaben nur knapp 31 Prozent der Studienteilnehmer an, sie als störend zu empfinden. 22 Prozent der Befragten bekundeten dagegen, abonnierte E-Mail-Newsletter grundsätzlich zu lesen.13

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

o. V.: Abschied von der Massenkultur: Personalisierung und Individualisierung im Kundenservice immer wichtiger, vwd, Vereinigte Wirtschaftsdienste, 21.08.2006

2

Vgl. ebenda

3 Buske, Manuela, Chefin des T.O.B. Hamburg, Zitat aus Gestmann, Michael: E-MAIL-NEWSLETTER - Die ersten 15 Sekunden entscheiden, ProFirma, Vol. 10, Heft 01/2007, S. 22–23 4 Vgl. Gestmann, Michael: E-MAIL-NEWSLETTER - Die ersten 15 Sekunden entscheiden, ProFirma, Vol. 10, Heft 01/2007, S. 22–23 5

Vgl. ebenda

6

Vgl. ebenda

7

Über die Rechtslage informiert u.a. die Website www. recht-im-internet.de/themen/spam/rechtslage.htm 8 Vgl. Schwarz, Torsten: Acht Regeln für rechtssichere Newsletter, online im Internet, www.marketing-boerse.de/

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Fachartikel/details/Acht-Regeln-fuer-rechtssichere-Newsletter/1525, abgerufen am 25.01.07 9 Vgl. Scheier, Christian: Wie Werbung wirkt, Freiburg, 2006 zit. nach Gestmann, Michael: E-MAIL-NEWSLETTER - Die ersten 15 Sekunden entscheiden, ProFirma, Vol. 10, Heft 01/2007, S. 22–23 10 Vgl. o. V., Jeder dritte deutsche Newsletter ist zu groß, online im Internet, www.cybiz.de vom 19.05.2006 11

Vgl. Schwarz Torsten, zitiert in o. V.: Jeder dritte deutsche Newsletter ist zu groß, www.cybiz.de vom 19.05.2006 12 Vgl. Pilzweger, Markus: Spammer imitieren echte Newsletter, PC-Welt Online, Meldung vom 17.01.2007 13 Vgl. Leidigkeit, Wolfgang A.: Newsletter-Werbung steigert das Produktinteresse, Versicherungsjournal.de, Ausgabe vom 28.07.2005, online im Internet, www.versicherungsjournal.de/mehr.php?Nummer=11137, abgerufen am 30.06.06

Fernabsatz

Wer keine Überraschungen erleben will, macht sich vor Eröffnung seines Online-Shops erst einmal über die Rahmenbedingungen des Fernabsatzes schlau, denn Widerruf und Rückgabe sind im BGB genauestens geregelt.

A

uf einer Internet-Seite, auf der Büroartikel für private Endkunden angeboten wurden, hatte der Seitenbetreiber Links gesetzt, die zu den vom damals noch gültigen Fernabsatzgesetz geforderten Belehrungen führten. Der Büroartikler wähnte sich damit, was seine rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des Internet-Handels anging, auf der sicheren Seite. Bis allerdings ein Online-Kunde gegen ihn klagte und vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Recht bekam. Das angerufene Gericht war der Meinung, dass die Möglichkeit, mit Hilfe entsprechender Links etwas über sein Widerspruchsrecht zu erfahren, nicht ausreicht. Damit lag erstmals ein Urteil in II. Instanz vor, welches sich mit den Angabepflichten im Fernabsatz befasste. Das Gericht ging dabei relativ weit, was beispielsweise die Wahrnehmbarkeit der Widerrufsbelehrungen bei Online-Kauf betraf. Nach Ansicht des

Senats muss der Nutzer zwanghaft solche Angaben aufrufen, bevor er bestellt. Das Urteil hat Auswirkungen auf die Gestaltung vieler Internetshops. Immer ist vom Betreiber zu überprüfen, in welcher Weise die Kunden auf die Pflichtangaben hingewiesen werden. Ganz besondere Aufmerksamkeit sollte darauf gelegt werden, in welcher Weise Kunden von ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht erfahren. Wer auf Nummer sicher gehen will, wird bei der Bestellung einen Ablauf kreieren, der den Kunden Klick für Klick durch die Bestellung führt. Unübersehbar sollten dabei Identität und Anschriften des Anbieters und die aktuellen Regelungen im Widerrufs- oder Rückgaberecht angezeigt werden.1 DAS EINKAUFEN IM NETZ unterscheidet sich von jeder Form des traditionellen Handels. War das Herausgeben eines Warenkatalogs noch mit großem

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FERNABSATZVERTRÄGE

WIDERRUF, RÜCKGABE

Verträge im Internet

§355 und §356 BGB

>Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden.

>Das Widerrufsrecht im Fernabsatz muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

>Fernkommunikationsmittel werden ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt; gemeint sind Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, Rundfunk, Tele- und Mediendienste >Nicht geregelt durch die Vorschriften über Fernabsatz sind u. a. Fernunterricht, Vermittlung von Versicherungen und Verträge, die unter Verwendung von Warenautomaten zustande kommen.

>Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem das Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist. Namen und Anschrift des Anbieters, einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Widerrufsrechtes sollten darin ausgeführt sein. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer. >Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. >Ein Rückgaberecht kann als Ersatz für das Widerrufsrecht angewandt werden. >Voraussetzung ist, dass eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht erteilt wird, der Verbraucher den Verkaufsprospekt in Abwesenheit des Unternehmers eingehend zur Kenntnis nehmen konnte und dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger das Rückgaberecht in Textform eingeräumt wird.

Aufwand und entsprechendem finanziellen Einsatz verbunden, so kann heute jedermann zum OnlineHändler werden. Alles was dazu benötigt wird, ist eine Software zum Betrieb eines Internetshops und etwas gemieteten Platz auf einem Server. Entsprechende Software-Programme werden online sogar kostenlos angeboten. Im E-Commerce tummeln sich daher auch unterschiedlichste Anbieter – vom Großkonzern mit mehreren Milliarden Euro Umsatz bis hin

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zum Amateur, der am Feierabend einige selbst gebastelte Produkte in seinen Shop stellt. Noch einfacher geht es übrigens, wenn die Anbieter eine vorhandene Plattform wie eBay nutzen. Der ambitionierte OnlineHändler braucht sich in diesem Fall nur noch um sein Sortiment zu kümmern. Aber ist das wirklich so? Was ist zum Beispiel mit dem Kaufvertrag? Auch im Netz wechselt Ware den Besitzer, wenn auch über eine virtuelle Verkaufstheke.

Geregelt wird die Transaktion in jedem Fall auf Basis eines Kaufvertrags. Dieser beinhaltet eine gegenseitige Willenserklärung von Käufer und Verkäufer. Im Online-Handel wird mit dem Abschicken des WebBestellformulars (übrigens auch durch Bestellung per Telefon, SMS, E-Mail oder Fax) seitens des Verbrauchers verbindlich gegenüber dem Online-Unternehmer erklärt, den Inhalt des Warenkorbes erwerben zu wollen. Der Vertrag kommt dann entweder durch Erklärung (Auftragsbestätigung) des Anbieters oder mit der Absendung der Ware zustande. Diese Online-Vertragsgestaltung unterliegt den Rahmenbedingungen des Fernabsatzes und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt – wie im Übrigen alle Verträge über die Lieferung von Waren oder Leistungen, die zwischen Händler und Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden.2 Die Verlagsgruppe Milchstraße, die insbesondere mit ihrem Flaggschiff „TV Spielfilm“ am Markt wahrgenommen wird, machte unlängst mit diesem Fernabsatzrecht Bekanntschaft. Bei der Bewerbung eines Filmkalenders wurden im Internet keine Angaben zur Anschrift und Identität des vertragsschließenden Unternehmens gemacht. Im Gegensatz zur älteren Rechtslage wurde jetzt aber ausdrücklich in § 1 Abs. 1 BGB-Info V, auf den sich § 31 BGB bezieht, die noch weitergehende Benennung der „Identität“ sowie einer „ladungsfähigen Anschrift“ verlangt. Die Angabe eines Postfachs genügt nicht. Daneben muss die komplette korrekte Firma genannt werden. Eine Angabe, wie „CINEMA-Leserservice“ reicht nicht aus.3

DA KUNDEN DIE ONLINE BESTELLTE WARE nicht zuvor ansehen und prüfen können, gilt im Internet ein generelles Widerrufsrecht nach § 355 BGB. In einer Frist, die im Regelfall 14 Tage beträgt, kann der Käufer ohne Angabe von Gründen vom Kauf zurücktreten. Dazu reicht der rechtzeitige Widerruf in Textform oder die fristgerechte Rücksendung der Ware aus, wobei

die Frist mit dem Erhalt der bestellten Artikel beginnt. Diese Regelung gilt allerdings nicht bei Verträgen zwischen zwei Verbrauchern. Privatversteigerungen bei eBay sind mithin nicht betroffen, denn es muss auf der Verkäuferseite ein Unternehmer beteiligt sein. Wird im Internet allerdings bei einem Händler bestellt oder ersteigert, gilt in jedem Fall, das hat der Bundesgerichtshof am 03.11.2004 endgültig entschieden, ein Widerrufsrecht.4 Widerruft ein Kunde die Bestellung, so ist er zur Rücksendung der Ware verpflichtet, wenn dies per Paket möglich ist (bis 20 kg). In der Regel erfolgt die Rücksendung auf Kosten des Online-Händlers. Der Händler kann aber in seinen Geschäftsbedingungen festlegen, dass der Kunde die Rücksendekosten für Warenlieferungen mit einem Bestellwert bis zu 40 Euro übernehmen muss. Bei über diesem Betrag liegenden Bestellwerten oder dann, wenn die Ware nicht der Bestellten entspricht, trägt der Händler immer die Rücksendekosten. Der Online-Händler sollte seine Lesart, was die Rückgabe von Waren angeht, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), auf die er hinweisen muss, kommentieren. So kann dem Kunden beispielsweise auch ein generelles Rückgaberecht nach § 356 BFB eingeräumt werden. Gewährt der Händler ein solches Rückgaberecht, trägt der Verkäufer immer die Kosten der Rücksendung. Beim Rückgaberecht gelten die gleichen Fristen und Formerfordernisse wie beim Widerrufsrecht. Im Unterschied zum Widerrufsrecht muss allerdings die Ware vom Verbraucher beim Rückgaberecht innerhalb der Zweiwochenfrist auch zurückgesandt werden. Beim Widerrufsrecht ist das nicht zwingend erforderlich, wenn der Widerruf in Textform rechtzeitig erfolgt ist. Bestimmte Waren fallen nicht unter die gesetzlichen Vorschriften des Fernabsatzes. Demnach ist also auch ein Widerrufsrecht ausgeschlossen. Unter anderem ist dies bei schnellverderblichen Lebensmitteln, vom Kunden entsiegelten Datenträgern, Eintrittskarten für Freizeitveranstaltungen und bei Maßanfertigungen der Fall.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Becker, R. und Wienke, A.: Fernabsatzgesetz Angabepflichten im Internet, http://www.urteilsticker.de/index. php4?z=urteil&id=135, abgerufen am 14.11.06

2

Näheres zu den Fernabsatzverträgen bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch in den Paragrafen 312 b bis 312 f

3

Vgl. Becker, R. und Wienke, A.: Adressangaben im Fern-

absatz, online im Internet, www.urteilsticker.de/index. php4?z=urteil&id=233, abgerufen am 14.11.06 4

Vgl. Becker, R. und Wienke, A.: Widerrufsrecht bei eBay, online im Internet, www.fernabsatz-gesetz.de/grundlagen/versteigerungen/ebaywiderruf.htm, abgerufen am 14.11.06

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Sicherheit im E-Commerce

Von den AGBs bis zum Warenkorb – Sicherheit betrifft alle Aspekte des E-Commerce. Nur wer sich der Problematik stellt, kann als Anbieter dauerhaft im Netz bestehen. 180

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A

m 7. Februar 2006 rückte das brisante Thema Sicherheit im Netz weltweit wieder einmal ins öffentliche Bewusstsein. Zahlreiche deutsche Institutionen beteiligten sich an dem Aktionstag „Safer Internet Day“. Die EU-Initiative „Klicksafe“ stellte dafür eigens einen Sicherheitstest für Einsteiger ins Netz. Alle Computer-Nutzer wurden aufgerufen, ihr InternetWissen zu testen. Jeder, der an dem Online-Quiz unter www.klicksafe.de teilnahm, unterstützte damit die EUInitiative für mehr Internet-Sicherheit. Nach Ansicht von “Klicksafe“ kann sich jeder durch Medienkompetenz vor Viren, „Spams“, „Spyware“, „0190-Dialern“ und Hackern schützen.1 Eine sinnvolle Initiative, denn trotz der großen Bedeutung des E-Commerce stehen immer noch viele Kunden und Online-Shop-Betreiber

dem Thema Sicherheit etwas ratlos gegenüber. Und das obwohl im Netz viel Information zum Thema zugänglich ist.2 Mittlerweile hat der Online-Handel dem klassischen Versandhandel per Katalog ja auch längst den Rang abgelaufen. Als Einkaufsumgebung ist das Netz etabliert. Während in den neuen Bundesländern Bücher besonders gefragt sind, bestellt der Rest der Republik lieber CDs und DVDs. Das sind erste Ergebnisse der Studie eCommerce 2006, die Pay-Pal, der Online-Zahlungsservice von eBay, bei EuPD Research in Auftrag gegeben hat und in der auch das Thema Sicherheit eine große Rolle spielt. Für die repräsentative Studie wurden im Januar 2006 über tausend OnlineNutzer befragt. Gekauft wird in Westdeutschland eher in den großen, bekannten Shops. Der Grund: Von die-

Gefüllte Warenkörbe sorgen auch im virtuellen Shop für hohe Umsätze. Anders als im Supermarkt birgt der elektronische Einkaufshelfer aber noch einen anderen Nutzen – er lässt sich analysieren und verhilft so zu nützlichen Informationen über die Kundschaft. Problematisch wird die Sache allerdings, wenn dazu Cookies verwendet werden.

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sen wird das Thema Sicherheit stärker kommuniziert. Kleine Shops haben es hier deshalb deutlich schwerer.3 Aber das Einkaufen im Netz unterscheidet sich grundsätzlich vom normalen Einkaufsbummel. War der Aufbau eines klassischen Versandhauses mit großem Aufwand und entsprechendem finanziellen Einsatz verbunden, so kann heute jeder relativ einfach zum Online-Händler werden. Alles was er dazu benötigt, ist eine Software zum Betrieb seines Online-Shops und einen gemieteten Server im Internet. Entsprechende Software-Programme werden im Internet sogar kostenlos angeboten. Dies hat dazu geführt, dass sich im Bereich des Online-Handels äußerst unterschiedliche Anbieter tummeln – vom Großkonzern mit mehreren Milliarden Euro Umsatz bis zum Feierabend-Händler, der eigene Produkte und Beschreibungen in seinen Shop stellt. Diese wiederum kauft er nicht selten selbst bei Online-Großhändlern ein. Noch einfacher geht es übrigens, wenn man als Anbieter eine vorhandene Plattform wie eBay nutzt. Dann spart man sich sogar den eigenen Server und die notwendige Software. Eigentlich steht dem Start ins digitale Geschäftsleben für jedermann mithin nichts mehr im Wege, wenn, ja wenn das leidige Thema Sicherheit nicht wäre. Die neue Vielfalt der Anbieter im Netz birgt nämlich durchaus auch schwarze Schafe, die es mit der Seriosität nicht allzu ernst nehmen. Hinzu kommen auch auf Kundenseite „Schelme“, die sich einen Spaß daraus machen, Ware digital zu bestellen und nicht zu bezahlen oder einen E-Commerce-Server mit Viren außer Gefecht zu setzen. Worum geht es aber beim Thema Sicherheit im Einzelnen? DIE THEMATIK BEGINNT schon ganz am Anfang des virtuellen Einkaufs beim so genannten Warenkorb. Dieser ist im Online-Shop nichts anderes als die Bestellliste des Kunden. Artikel, für die sich die Konsumenten interessieren, werden hier erst einmal abgelegt, um später dann an der virtuellen Kasse möglicherweise auch gekauft zu werden. Je nach verwendeter Shop-Software4 werden Warenkorbsysteme über so genannte Cookies realisiert – kleine Textdateien, die ein Server auf dem Kunden-Computer speichert. Viele Kundinnen und Kunden fühlen sich durch diesen Speichervorgang in ihrer Privatsphäre verletzt. Die technisch versierteren unter ihnen stellen denn auch ihren Browser so ein, dass Cookies verhindert werden. Viele Internet-Läden funktionieren jedoch mit dieser Einstellung nicht und der Online-Einkauf muss abgebrochen werden. Das kommt daher, dass es für die Anbieter im Web in den Anfangszeiten kaum Alternativen zu Cookies gab. Besonders wenn es darum geht, Personen, die früher schon einmal den Shop besucht haben, wieder zu erkennen, gibt es

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heute noch keine vernünftige Alternative im Internet. Der Datenstrom im Internet ist anonym und nur wenn man den Computer sozusagen „markiert“, kann er wieder erkannt werden. Für die Kundenbindung im virtuellen Handel ist das aber eine wichtige Voraussetzung, denn wenn über einen längeren Zeitraum die Chance gegeben ist, die Vorlieben und Interessen der Konsumenten aufzuzeichnen, lässt sich eine individuelle Kundenansprache realisieren. Bei den dazu verwendeten Cookies kann zwischen verschiedenen Arten unterschieden werden. Unterscheidungskriterien sind das Ablaufdatum und, ob sie vom besuchten Webserver oder einem externen Server (Drittanbieter) angelegt werden. Cookies sind durchaus auch für die Konsumenten nützlich. Sie werden erst dann zu einer Gefahr, wenn sie missbräuchlich verwendet werden. Was mitunter als Kundenpflege verstanden werden kann, wird spätestens dann zweifelhaft, wenn Cookies von einem externen Server auf dem PC angelegt werden. Es gibt große Internet-Vermarktungsfirmen wie beispielsweise DoubleClick, die die Werbebanner ihrer Kunden auf vielen verschiedenen Internet-Seiten einblenden. Dabei wird dann gleich ein passendes Cookie auf jedem Rechner hinterlassen. Der Vermarkter kann anhand der Cookies individuell feststellen, auf welchen Internet-Seiten welche Informationen abgerufen wurden. Werden die Angaben zusammen geführt, so können Benutzerprofile erstellt werden, mit deren Hilfe gezielt Werbebanner und Angebote für jeden einzelnen Internet-Besucher auslieferbar sind. Dabei treten Skrupel meist nur auf massiven Druck von Verbraucher- und Datenschützern auf. So bietet www.A9.com personalisierte Suchdienste an, bei denen jeder Nutzer zum Beispiel alle gestellten Suchanfragen zur späteren Wiederverwendung speichern kann. In den Geschäftsbedingungen weist A9.com allerdings darauf hin, dass die Firma eine Tochter von amazon.com ist und die Cookies gegenseitig gelesen und ausgewertet werden. Jeder Browser verfügt über Einstellmöglichkeiten für die Behandlung von Cookies. Von vielen Kunden werden Cookies von Drittanbietern – also von externen Servern – nicht akzeptiert. Darüber hinaus können die Einstellungen so gewählt werden, dass alle Cookies nach Ende des Internet-Besuches auf dem Server gelöscht werden.5 BEI DEN MEISTEN Internet-Händlern müssen sich die Konsumenten vor einer Bestellung erst registrieren und eine Reihe von Daten preisgeben. Der ECommerce-Server hält mithin für jeden Einkauf, der im Shop getätigt wurde, auch die Daten der Kundin oder des Kunden vor. Für viele Web-Besucher hat das etwas Beklemmendes. Im Supermarkt kann ja bar bezahlt und damit anonym eingekauft werden und aus

Kundensicht ist die Forderung nach neuen, anonymisierten Einkaufsmöglichkeiten im Web durchaus nachvollziehbar. Bei der heute üblichen Registrierung werden jedoch in vielen Fällen ein Kundenname und eine Kundennummer individuell vergeben und verschiedene persönliche Daten abgefragt – einige Angaben sind freiwillig, andere müssen jedoch gemacht werden, um den Shop nutzen zu können. Auch für den Kunden kann eine Registrierung durchaus sinnvoll sein, vereinfacht sie doch das Verfahren bei häufiger Nutzung des Online-Shops. Bestellt eine Kundin oder ein Kunde beispielsweise regelmäßig bei Amazon, so genügt die Eingabe eines Kennwort und die E-Mail-Adresse und schon kann nach einigen Bestätigungen innerhalb von Sekunden bestellt werden. Was dem Internet-Anbieter jedoch bewusst sein sollte: Die Konsumenten geben durch die Angabe ihrer Daten immer auch ein Stück Privatsphäre preis. Dabei besteht das Risiko des gewollten oder auch ungewollten Datenmissbrauchs. Viele deutsche Internet-Nutzer beispielsweise haben daher immer noch kein Vertrauen in die Sicherheit ihrer persönlichen Daten und den Zahlungsvorgang

beim Online-Shopping. Das hält Interessenten in vielen Fällen vom Online-Kauf ab. Web-Händler sollten schon aus diesem Grund alles tun, um dem Kunden die Botschaft zu vermitteln, dass mit Daten nicht missbräuchlich umgegangen wird. Klares Signal in diesem Fall: Ein Online-Gütesiegel. Gut sichtbar auf der Website positioniert, zeigt es den Verbrauchern, dass der Web-Shop von neutraler Seite zertifiziert und damit vertrauenswürdig ist. Die Existenz einer Vielzahl von Online-Gütesiegeln auf dem deutschen Markt trägt allerdings auch zur Verwirrung der Verbraucher bei. Die Initiative D21 stellt auf ihrem Internet-Portal deshalb eine Reihe gut eingeführter Gütesiegel vor.6 Der Online-Handel ist gut beraten, einer dieser Empfehlungen auch zu folgen. SO HAT SICH EXPEDIA.DE, ein führender Touristikanbieter, für das Online-Prüfsiegel s@fer-shopping, eine Initiative von TÜV Management Service GmbH und Winterthur Garantie AG, entschieden. Die Initiative s@fer-shopping führte im dazu notwendigen Audit eine Befragung der verantwortlichen Personen des

Bei vielen InternetHändlern müssen sich die Kunden vor dem Bestellen erst registrieren. Dabei besteht immer auch das Risiko des Datenmissbrauchs.

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haben von Kundendaten an und durch Dritte.7 Als Reisebüro handelt Expedia.de auch im Internet nur als Mittler und muss zur Erfüllung seiner Lieferpflicht Kundendaten an seine Partner weitergeben. Aus diesem Grund müssen auch die Übertragungswege zu Partnern wie Airlines, Reiseveranstaltern und Technologiepartnern verschlüsselt sein. Eine „normale“ Datenübertragung im Internet ist nämlich alles andere als eine sichere Angelegenheit. Sämtliche Informationen des Http-Protokolls werden unverschlüsselt durch die Leitungen übermittelt und können jederzeit abgefangen und mitgelesen werden. Dies gilt übrigens ebenso für den E-Mail-Verkehr. Unverschlüsselt werden diese im Klartext versendet. Fazit: Sollen elektronische Daten, wie beispielsweise kundenbezogene Informationen, vertraulich bleiben, sind sie zu verschlüsseln.8

Der Online-Touristikanbieter EXPEDIA.DE hat sich für das Online-Prüfsiegel s@fer-shopping entschieden. Damit wird der Internet-Kundschaft unter anderem die Botschaft signalisiert, dass mit kundenbezogenen Daten korrekt umgegangen wird.

Online-Reisebüros durch. Zudem fand eine erweiterte Dokumentenprüfung und eine Beobachtung der Aktivitäten im Unternehmen statt. Außerdem wurde die gesamte Systemlandschaft von Expedia.de nochmals genau geprüft. Dazu gehörten auch die Prüfung der notwendigen Übertragungsprozesse und das Hand-

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BEIM DIGITALEN DATENAUSTAUSCH müssen, allgemein gesprochen, vier grundsätzliche Problemfelder beachtete werden:9 >Vertraulichkeit >Echtheit >Unverfälschtheit >Verbindlichkeit Vertraulichkeit: Hier wird sichergestellt, dass außer dem Adressaten keiner die Nachricht lesen kann. Im E-Commerce ist es von großer Bedeutung, Dokumente vertraulich zu behandeln. Echtheit: Stammt die Nachricht wirklich vom angegebenen Absender? Es ist relativ leicht, eine E-Mail, SMS oder Bestellung im Online-Shop unter einem falschen Namen zu versenden. Bei so genannten „Spam-Mails“ passiert das laufend. Der wahre Absender bleibt hier verborgen. Unverfälschtheit: Wie kann sichergestellt werden, dass Nachrichten, die online eingehen, nicht verändert wurden? Auch im Online-Shop kann durch Manipulationen Schaden entstehen, etwa bei der Übermittlung von Bestellmengen. Eine eingefügte „0“ kann dazu führen, dass der ahnungslose „Internet-Shopper“ seine Eingangstür mit einem Berg von Paketen verstellt vorfindet. Verbindlichkeit: Kommen Bestellungen auch wirklich beim angegebenen Adressaten an? Beim Abschluss von Kaufverträgen geht es auch darum, dass der Adressat der Bestellung nicht abstreiten kann, dass die Order eingegangen ist. Um die Vertraulichkeit digitaler Dokumente sicherzustellen, werden unterschiedliche Verschlüsselungsverfahren angewendet, beispielsweise die Caesar-, Vigenère- oder RSA-Verschlüsselung.10 Im E-Commerce kommen sie meist im Rahmen des so genannten Https-Protokolls zum Einsatz. Dabei werden die Daten, beispielsweise die Kreditkarten-Num-

Im elektronischen Geschäftsverkehr besiegelt die digitale Unterschrift die Echtheit und Unverfälschtheit von Dokumenten. Sie ist rechtlich ebenso verbindlich wie ihr herkömmliches Pendant auf dem Firmenbriefbogen.

mer einer Kundin oder eines Kunden, verschlüsselt übertragen. Ob eine verschlüsselte oder unverschlüsselte Übertragung vorliegt, ist in der Adresszeile des Browsers leicht ablesbar. Im dortigen Übertragungsprotokoll sollte immer „https://“ stehen. Obwohl dieses Https-Protokoll einen deutlichen Fortschritt in punkto

Sicherheit gebracht hat, bestehen nach wie vor Sicherheitslücken. Im E-Commerce sollte deshalb die Übertragung schützenswerter Informationen auf ein Minimum begrenzt werden. Mag die einfache Warenbestellung noch recht unbedenklich sein, so ist die Übertragung von Kreditkartendaten und Bankinformationen sicherlich kritisch. AUCH BEI DER ÜBERMITTLUNG von Verträgen jeder Art spielt die Datensicherheit eine große Rolle. Hier hilft die so genannte elektronische Signatur weiter. Sie dient vor allem dazu, die Echtheit und Unverfälschtheit von Dokumenten zu belegen. Diese wird im herkömmlichen Datenverkehr oft durch die persönliche Unterschrift „besiegelt“. Im digitalen Datenverkehr gibt es mittlerweile ein „elektronisches“ und rechtlich bindendes Pendant.11 Man braucht dazu einen privaten und einen öffentlichen Schlüssel. Der Unterzeichner und Absender (Unternehmen A) verschlüsselt seine elektronische Unterschrift mit seinem privaten Schlüssel. Der Empfänger (Unternehmen B) erhält das Dokument und entschlüsselt die Signatur wiederum mit dem öffentlichen Schlüssel von A. Die Unterschrift erscheint nun im Klartext. So ist B sicher, dass das Dokument wirklich von A stammt. Denn würde ein Dritter

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eine E-Mail im Namen von A unterschreiben und mit dem eigenen privaten Schlüssel verschlüsseln, würde B nur kryptische Zeichen erkennen, passen doch die beiden Schlüssel in diesem Falle nicht zusammen. Zusammengefasst heißt das: Da der öffentliche Schlüssel von A allgemein bekannt ist, kann jeder ihn entschlüsseln. Mit Hilfe dieses Schlüssels wird also nur die Echtheit der Nachricht sichergestellt. Um auch die Unverfälschtheit zu gewährleisten, sollte A Nachrichten – wie oben beschrieben – mit dem privaten Schlüssel verschlüsseln. Damit kommt allerdings ein gewaltiger Nachteil des Verfahrens ins Spiel. Die Sache hat nämlich einen Haken: Die Signatur ist jetzt etwa so lang wie der eigentliche Text und die Verschlüsselung nimmt einfach zu viel Zeit in Anspruch. Abhilfe schafft eine geniale Idee. Für jede Zeichenfolge lässt sich ein charakteristischer Wert, der so genannte Hash-Wert berechnen. Er ist vergleichbar mit einer Prüfsumme. Das Geniale daran: verändert sich nur ein einziges Zeichen innerhalb des Dokuments, verändert sich auch der zugehörige Hash-Wert. Schon das Einfügen eines Leerzeichens oder das Weglassen eines Kommas ändert den Wert. Auch ist es so gut wie ausgeschlossen, dass verschiedene Texte den gleichen „Hash-Wert“ ergeben. Dieser ist mithin eine Art digitaler Fingerabdruck der Nachricht. Wie alle Menschen einen individuellen Fingerabdruck besitzen, so besitzt auch jeder Text seinen eigenen „Hash-Wert“. Um die

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Nachricht an B zu signieren, berechnet A aus dem zu übermittelnden Text den zugehörigen „Hash-Wert“. Diesen verschlüsselt A dann mit dem privaten Schlüssel, um ihn unter den Text als elektronische Signatur zu setzen. Aus dem übermittelten Text kann B nach dem gleichen Verfahren wie A den „Hash-Wert“ errechnen. Danach entschlüsselt er mit dem öffentlichen Schlüssel von A die Signatur. Stimmen beide Werte überein, ist die Nachricht echt. Da nur der öffentliche Schlüssel von A zur Nachricht passt, ist sichergestellt, dass der Text auch von A stammt. Da die Signatur selbst für jeden Text unterschiedlich ist, ist zudem sichergestellt, dass der Text unverfälscht ist. Die beschriebenen Verfahren gelten als sicher. Sie beruhen auf ausgefeilten mathematischen Algorithmen, bei denen in der Regel sehr große Primzahlen eine wichtige Rolle spielen. Um eine Verschlüsselung zu „knacken“, würde ein heutiger Hochleistungscomputer, der pro Sekunde eine Milliarde Schlüssel ausprobieren kann, für eine sehr lange Zeit beschäftigt sein. Absolute Sicherheit gibt es jedoch auch hier nicht. Die größte Gefahr besteht – wie bei Passwörtern – darin, dass unvorsichtig mit dem privaten Schlüssel umgegangen wird und andere ihn erfahren. Dann hilft selbst das aufwändigste Verfahren nicht, um eine Nachricht sicher zu übermitteln. Was aber passiert, wenn das gleiche Schlüsselpaar mehrmals vergeben wird oder Schlüsselpaa-

Click&Buy von Firstgate ist ein sicheres und anonymes Bezahlsystem im Internet. Hier werden die Zahlungen mit den Käufern monatlich per Kreditkarte oder Lastschriftverfahren abgerechnet. Der Verkäufer erhält dabei keine Kreditkartenoder Bankinformationen des Kunden.

re unter falschem Namen erstellt werden? Um dies zu verhindern, gibt es vertrauenswürdige Instanzen: Diese so genannten Trust-Center stellen sicher, dass die Schlüsselpaare eindeutig natürlichen Personen zugeordnet werden, d.h. dass kein Schlüsselpaar an zwei unterschiedliche Personen geht und dass keine Schlüsselpaare an irgendwelche „erfundenen“ Personen vergeben werden. Die Arbeit der Trust-Center funktioniert so: Für jeden öffentlichen Schlüssel erteilen sie ein Zertifikat, das neben dem eigentlichen Schlüssel weitere Informationen zu der jeweiligen Person enthält. Gleichzeitig werden die verwendeten Verschlüsselungsverfahren sowie ein Zeitraum für die Gültigkeit der Schlüssel festgelegt. Bei elektronischen Signaturen, die auf derartige Zertifikate zurückgreifen, spricht man von einer qualifizierten elektronischen Signatur. Sie wird im Geschäftsverkehr und bei Behörden mittlerweile der handschriftlichen Unterschrift gleichgesetzt.12 EBENSO wie der klassische Versandhandel bietet auch der Online-Handel unterschiedliche Zahlungsarten an. Zahlung per Nachnahme oder auch die Banküberweisung sind dabei gängige Möglichkeiten. Weit verbreitet und in der Abwicklung einfach ist das Bezahlen per Kreditkarte. Dazu übermittelt der Kunde seine Kreditkarten-Informationen (Name, Nummer, Kartenanbieter) an den Verkäufer, der die Abrechnung

Impressumpflicht und Allgemeine Geschäftsbedingungen sollte kein Internet-Anbieter vergessen. Zustellbare Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail und Steuernummer gehören dabei zu den Kontaktdaten, die seriöse Anbieter veröffentlichen. Fehlen Angaben dieser Art, kommen Bedenken auf.

mit der Kartenfirma regelt. Gerade bei der Übermittlung von Kreditkartendaten ist aber unbedingt auf eine sichere Übertragung zu achten. Außer den bereits genannten Zahlungsarten existieren auch reine InternetAbrechnungssysteme, über die der komplette Kaufvorgang abgewickelt wird. Ein Beispiel ist Click&Buy von Firstgate. Hier werden die Zahlungen mit den Käufern monatlich per Kreditkarte oder Lastschriftverfahren abgerechnet. Der Verkäufer erhält dabei keine Kreditkarten- oder Bankinformationen des Kunden und Transaktionen über Firstgate werden grundsätzlich verschlüsselt abgewickelt. Seine Seriosität signalisiert der Online-Shop aber noch mit anderen Mitteln. Das Impressum leistet beispielsweise einen wichtigen Beitrag, um Kunden ein sicheres Gefühl bei der Internet-Bestellung zu vermitteln. Es ist mittlerweile auch gesetzlich vorgeschrieben. Im Impressum muss der Betreiber (Eigentümer) der Website eindeutig identifizierbar sein. Seriöse Anbieter veröffentlichen dabei vollständige Kontaktdaten: zustellbare Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail und Steuernummer. Bedenken kommen immer dann auf, wenn Angaben fehlen, wenn Shops beispielsweise telefonisch nicht erreichbar sind oder nur eine Mobilfunknummer angegeben ist. Unerlässlich sind auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) des jeweiligen Anbieters. Diese enthalten die wesentlichen Informationen zum Umtauschrecht, zu den Liefer- und

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Zahlungsbedingungen, zu Garantie- und Gewährleistungsvereinbarungen sowie zu anderen wichtigen Fragen der Online-Bestellung. Ein gutes Online-Angebot zeichnet sich dadurch aus, dass der Käufer vor der Bestellung einer Ware ausdrücklich über die AGBs des jeweiligen Händlers informiert wird und diese anerkennt. Web-Angebote, bei denen die AGBs nur sehr schwer auffindbar oder extrem klein geschrieben sind, deuten nicht unbedingt auf die Seriosität des Anbieters hin. SCHLIMM GENUG, dass „Spammer“ die Mailboxen „zumüllen“, Fremde auf den Firmen-PCs herumschnüffeln wollen oder Computerschädlinge die Lust am Online-Handel verderben. Aktuell gibt es eine weitere Plage: „Phishing“. Der Begriff setzt sich aus „Password“ und „fishing“ zusammen, zu Deutsch „nach Passwörtern angeln“. Immer öfter fälschen „Phishing-Betrüger“ E-Mails und Internet-Seiten und haben damit einen neuen Weg gefunden, um an vertrauliche Daten wie Passwörter, Zugangsdaten oder Kreditkartennummern heran zu kommen. Als seriöser Anbieter getarnt, fordern die „Phisher“ in einer E-Mail beispielsweise auf, vertrauliche Daten zu aktualisieren. Davor ist niemand wirklich gefeit, denn die Aufforderung wirkt täuschend echt. Meist wird ein „offizieller Link“ angezeigt. Die „Phishing-Betrüger“ nutzen dabei entweder Internet-Adressen, die sich nur geringfügig von denen der renommierten Firmen unterscheiden. Oder aber sie fälschen die Adressleiste des Browsers mit einem Java-Script. Wer einer solchen Seite seine EC-Geheimnummer, Passwörter oder andere Daten anvertraut, der beschert dem Angler fette Beute und kann sich selbst jede Menge Ärger einhandeln. Den haben allerdings auch die Unternehmen, deren Namen missbraucht wurde. Sie erleiden oft einen beträchtlichen Image-Schaden. Seit Februar 2004 ist deshalb in der „Toolbar“ von eBay eine spezielle Sicherheitsfunktion integriert. Wird die „Toolbar“ instal-

So genannte Trojanische Pferde funktionieren nach demselben Prinzip wie das historische Vorbild. Ein scheinbar nützliches Programm bringt ein anderes versteckt mit sich. Vorbeugung durch Schutzprogramme und umsichtiges Verhalten ist die wichtigste Waffe gegen Computerschädlinge.

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liert, leuchtet der Button „Sicherheits-Check“ grün, wenn man sich tatsächlich bei eBay befindet. Andere Firmen arbeiten an ähnlichen Lösungen, um ihre Kunden zu schützen. In Deutschland hat sich eine interdisziplinäre Vereinigung des „Phishing-Problems“ angenommen. Die „Arbeitsgruppe Identitätsmissbrauch im Internet“ (www.a-i3.org/) stellt auf ihrem Online-Portal nicht nur aktuelle Informationen zu Themen der IT-Sicherheit bereit, sondern auch konkrete Hilfestellungen und Tools. Doch es gibt noch andere Bedrohungen im Web. Wer vorsätzlich beispielsweise Viren, Würmer oder Trojanische Pferde versendet, der macht sich in der Regel der versuchten oder vollendeten Datenveränderung (§ 303a StGB) schuldig, die nach dem Strafgesetzbuch strafbar ist. Wenn Firmen betroffen sind, kann es sich sogar um eine noch strenger bestrafte Computersabotage (§ 303b StGB) handeln. Bei Trojanischen Pferden und anderen Spionageprogrammen kann auch eine Strafbarkeit wegen Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) hinzukommen. Vorbeugung durch Schutzprogramme und umsichtiges Verhalten ist die wichtigste Waffe gegen Computerschädlinge. Damit ein Virenangriff stattfinden kann, benötigt das angreifende Programm Zugang zu einem PC im Unternehmen – entweder über eine Netzwerk- oder Telefonverbindung oder über Datenträger, wie CD-ROMs oder DVDs. Viren zeichnen sich durch zwei Dinge aus: Sie können sich selbst verbreiten und richten Schaden an. Mittlerweile wird die Anzahl an weltweit existierenden Viren-Programmen auf über Hunderttausend geschätzt. Jeden Monat entstehen Hunderte neue. Diese haben bislang weltweit Kosten und Schäden in Milliardenhöhe verursacht.13 „Anstecken“ kann sich ein PC immer dann, wenn Dateien auf den Rechner geladen werden. In jeder ausführbaren Datei, wie zum Beispiel *.exe oder *.com, kann sich ein Virus verstecken. Auch Textdokumente vom Typ *.doc oder Tabellen vom Typ *.xls können virenverseucht sein.

Die meisten Infektionen entstehen durch so genannte E-Mail-Würmer. Wird eine an die Mail angehängte Datei gestartet, wird der Virus aktiviert und verbreitet sich anschließend selbst weiter. Die Computer-Version des Trojanischen Pferdes funktioniert nach demselben Prinzip wie das historische Vorbild. Ein scheinbar nützliches Programm bringt ein anderes versteckt mit sich. So können beispielsweise Passwörter und andere vertrauliche Daten ausgespäht, verändert, gelöscht oder bei der nächsten Datenübertragung an den Angreifer verschickt werden. „Hoax“ steht im Englischen für „schlechter Scherz“. Im Internet hat sich der Begriff als Bezeichnung für Falschmeldungen, vergleichbar mit Zeitungsenten, eingebürgert. Darunter fallen beispielsweise die zahlreichen falschen Warnungen vor bösartigen Computer-Programmen. Der wirtschaftliche Schaden durch „Hoaxes“ ist enorm: Im Schneeball-System können Tausende erreicht werden und jeder der Empfänger

verbringt einige Sekunden teurer Arbeitszeit damit. Noch teurer kann es werden, wenn Handlungsanleitungen befolgt und die Computersysteme verändert werden. Wer diese Anleitungen befolgt, löscht meist Systemdateien und der PC funktioniert danach mitunter nicht mehr.14 Für den E-Commerce-Betreiber ist es wichtig, alles zu tun, um sich und seine Kunden vor solchen Viren zu schützen. Deshalb sollte beispielsweise eine leistungsstarke Virenschutz-Software installiert und regelmäßig aktualisiert werden.15 Das Firmen-Netz und alle WLANs müssen genau wie die fest verkabeltes LANs mit Firewall und Intrusion Detection abgesichert werden. Besonders auch die Anmeldung am Unternehmenssystem muss einer durchgängigen sicherheitstechnischen „Unternehmens-Policy“ entsprechen - hier ist eine sichere, unter Umständen zweistufige Authentisierung gefragt.16

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. o. V.: Aktionstag für mehr Internet-Sicherheit, W&V Online-Magazin vom 05.01.2006 2

Vgl. „secure-it.nrw“ (www.secure-it.nrw.de/initiative/ziele. php). Dabei handelt es sich um eine Landesinitiative aus Nordrhein-Westfalen, die von einer bei der IHK Bonn/ Rhein-Sieg angesiedelten Agentur betreut wird. Die Initiative will das Bewusstsein für IT-Sicherheit in Unternehmen und die flächendeckende Verbreitung des E-Commerce vorantreiben 3 Vgl. ergänzend noch einige Beispiele für große OnlineShops: www.amazon.de, www.quelle.de, www.otto.de sowie Beispiele für Suchdienste, die den günstigsten Preis für einen bestimmten Artikel in angeschlossenen OnlineShops suchen: www.guenstiger.de oder auch www.idealo. de 4 Die Firma Intershop ist ein großer Anbieter in diesem Bereich. Die Homepage des Unternehmens: www.intershop. de 5

Cookies können am Ende einer Internet-Sitzung auch manuell gelöscht werden

6

www.internet-guetesiegel.de

7

Vgl. Seiler, Jürgen: Am Puls des Kunden - Kundenorientierung im Umfeld von Online-Dienstleistungen, QZ - Qualität und Zuverlässigkeit, Heft 2/2002, S. 129-132 8 GnuPG (GNU Privacy Guard) ist beispielsweise ein Verschlüsselungsprogramm, das sicher und leicht zu bedienen ist und sowohl unter Windows- als auch unter LinuxSystemen lauffähig ist; GnuPG ist eine mit Bundesmitteln geförderte, kostenlose Software 9 Vgl. http://sun01.ibe.sit.fraunhofer.de/wbtdemo/ecwbt01/1000.html, unter dieser Adresse findet sich eine kostenlose Demo-Version eines vom Fraunhofer-Institut entwickelten Webkurses zum Thema „Sicherheit im elek-

tronischen Geschäftsverkehr“ 10

Vgl. www.cryptool.de, neben dem Programm CrypTool enthalten diese Seiten ein ausführliches Skript mit einer detaillierten Darstellung der verschiedenen Verschlüsselungsverfahren; ausgesprochen empfehlenswert

11

Der Wortlaut des Signaturgesetzes (Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen) findet sich unter : http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/sigg_2001/ index.html. Unter www.iid.de/iukdg/index_esig.html betreibt auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eine Seite zum Signaturgesetz

12

Das Signaturgesetz schafft die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Signaturen und legt gesetzliche Anforderungen an die Trust-Center sowie für die verwendeten Verschlüsselungsverfahren fest; vgl. dazu auch Unkelbach, W.: secure-it in NRW. IT-Sicherheit macht Schule. Elektronische Signatur, Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW, „online im Internet“, www.secure-it.nrw.de, abgerufen am 25.08.06

13

Vgl. Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik, „online im Internet“, www.bsi-fuer-buerger.de/viren/

14

Vgl. die „Hoax-Liste“ der TU-Berlin (www.tu-berlin.de/ www/software/hoaxlist.shtml)

15

Gängige „Viren-Jäger“ sind: McAfee oder auch NortonAntiVirus; mehr Informationen Virenschutz-Programmen finden sich auch unter www.polizei-beratung.de/ vorbeugung/gefahren_im_internet/viren_und_trojaner/ tipps_und_verhaltenshinweise/

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Vgl. beispielsweise Coester, Ursula und Hein, Mathias: IT-Sicherheit für den Mittelstand, Datakontext-Verlag, 2005

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Online-Distributions- und Preispolitik

Preisdifferenzierung im Internet

Das Internet ermöglicht die Handhabung selbst komplizierter Preisstrukturen. Außerdem sind kurzfristige Preisanpassungen möglich: Ideal für die flexible Preisgestaltung.

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as Internet macht es möglich: Kunden können zu vertretbaren Kosten direkt angesprochen und Preise bei Bedarf beliebig schnell angepasst werden. Flexibler geht es nicht. Der Schuss kann allerdings auch nach hinten losgehen: Im September 2000 waren verschiedenen Kunden für das gleiche Produkt Preise berechnet worden, die sich um 10 US$ und mehr unterschieden. Ein Produkt wurde im Netscape Navigator für 64,99 US$ angeboten, und Sekunden später im Internet Explorer für 74,99 US$. Der Preis schien vom verwendeten Browser abzuhängen und auch davon, ob der Surfer regelmäßiger Kunde war. Die Empörung war groß. Amazon erstattete schließlich allen, die höhere Preise gezahlt hatten, die Differenz.1 Die Kunden fühlten sich trotzdem als Versuchskaninchen und Amazon erhielt eine negative Presse. Dabei ist diese Art von Geschäftsgebaren so ungewöhnlich nicht. Wenn ein Tourist auf einem orientalischen Basar einkauft, macht er beispielsweise durchaus die gleiche Erfahrung – nur in der Regel etwas besser kaschiert. Nicht selten lassen sich Händler dort um die Hälfte des ursprünglich geforderten Preises herunterhandeln. Was allerdings als Schnäppchen anmutet, war aller Wahrscheinlichkeit aber nur eine geschickte Preisdifferenzierung: im Laufe der Verhandlungen konnte der Händler herausfinden, was die Kundin oder der Kunde zu zahlen bereit ist. Je ah-

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nungsloser die Konsumenten und je professioneller der Händler, desto näher wird der Kaufpreis an der maximalen Zahlungsbereitschaft der Touristen liegen. Vorausgesetzt natürlich, diese Zahlungsbereitschaft übersteigt die Kosten. Der nächste Tourist, der den angebotenen Wandteppich zunächst eigentlich gar nicht will, erhält womöglich einen günstigeren Preis.2 Ebenso wie das Internet es den „Online-Shoppern“ erlaubt, mehr Geschäfte zu erreichen als beispielsweise in einer Fußgängerzone, so kann auch jeder Online-Anbieter mehr Kunden erreichen als seine Offline-Konkurrenten. Unterschiedliche Nachfrager besuchen den Online-Shop – durchaus vergleichbar mit der illustren Touristengemeinde, die sich im Urlaub auf dem orientalischen Basar einfindet. Die Kundschaft ist in beiden Fällen heterogener als das im traditionellen Handel der Fall ist. Was liegt da näher, als auch im Internet eine Preisdifferenzierung einzuführen, um die Online-Kaufbereitschaft besser abschöpfen zu können. Online-Preise sind sowieso flexibler anpassbar. Während im Supermarkt eine Preisänderung meist die Neuauszeichnung der einzelnen Artikel erfordert, wird im Web-Shop lediglich ein Eintrag in einer Datenbank korrigiert. Dadurch sind Änderungen von Preisen in Sekundenschnelle und zu minimalen Kosten möglich. Selbst wenn ein bestimmtes Produkt auf mehreren

Seiten der Website auftaucht, reicht eine Änderung an zentraler Stelle, da die Seiten in der Regel dynamisch aus Datenbanken erzeugt werden. Damit können Preise in kürzesten Abständen an die Nachfrage und an neue Erkenntnisse über die Marktsituation angepasst werden. Sogar geringfügigste Preisanpassungen können im Web noch Sinn machen. Offline dagegen würde damit ein viel zu hoher Aufwand verbunden sein. Eine empirische Analyse von Preisänderungen bei CDs hat untersucht, um welchen Betrag es sich jeweilig handelte. Es stellte sich heraus, dass im konventionellen Einzelhandel alle Änderungen zwischen 1 US$ und 7 US$ lagen; bei Internet-Händlern waren dagegen fast 30% aller Preisänderungen kleiner als 1 US$, bis hinab zu Korrekturen von nur einem Cent.3 Im E-Commerce sind die verbundenen Prozesse eben sehr viel leichter digitalisierbar, als das traditionell möglich ist. Die Integration der „Front-End“Systeme im Internet (das was der Kunde in seinem Web-Browser zu Gesicht bekommt) mit den entsprechenden Warenwirtschaftssystemen im Hintergrund (wie z.B. SAP R/3 oder Baan) ist weitgehend möglich. Diese zunehmende Digitalisierung von Prozessen führt dazu, dass sich das Verhältnis von variablen zu fixen Kosten immer mehr zugunsten der Letzteren

verschiebt. Bei den so genannten digitalen Produkten, wie Software, Informationen oder auch Musikproduktionen, fallen im Wesentlichen nur noch fixe Bereitstellungskosten an. Demnach verursacht die Produktion des ersten Exemplars erhebliche (fixe) Kosten, während für die Produktion von weiteren Exemplaren nur geringe weitere (variable) Kosten entstehen.4 So entstehen dem Hersteller beispielsweise für das Entwickeln einer Software wie Microsoft Internet Explorer hohe Kosten, während weitere Kopien kaum mehr nennenswerte Kosten verursachen. BEI DEN MÖGLICHKEITEN zur Preisdifferenzierung kann zunächst zwischen dem so genannten Ein-Produkt-Fall und dem Mehr-Produkt-Fall unterschieden werden. Die Preisdifferenzierung im Ein-Produkt-Fall hat unterschiedliche Dimensionen.5 Sie unterscheiden sich zunächst dadurch, dass entweder die Anbieter selbst die Konsumenten in unterschiedliche Gruppen aufteilen und jede Gruppe einen Preis zugewiesen bekommt oder ob das gleiche Produkt, in verschiedenen Varianten, zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird. In diesem Fall suchen sich die Konsumenten selbst die für sie in Frage kommende Variante aus. Im ersten Fall liegt eine Preisdifferenzierung „ohne

Bei der Preisdifferenzierung kann zunächst zwischen dem so genannten Ein-Produkt-Fall und dem Mehr-Produkt-Fall unterschieden werden.

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Online-Distributions- und Preispolitik

Sowohl Kunde (mit Selbstselektion) als auch Anbieter (ohne Selbstselektion) können im Web zum Preisgestalter werden.

Selbstselektion“ vor. Der zweite Fall wird als Preisdifferenzierung „mit Selbstselektion“ der Konsumenten beschrieben. >Ohne Selbstselektion Um noch einmal den exotischen Basar zu bemühen – dieser Fall entspricht genau der dortigen Vorgehensweise. Hier wie dort geht es darum, herauszufinden, was die Kundin oder der Kunde maximal zu zahlen bereit ist. Dieser Preis wird auch schließlich eingeräumt, vorausgesetzt, die Zahlungsbereitschaft übersteigt die variablen Kosten des Produkts. Der Anbieter erwirtschaftet dabei den maximal erzielbaren Gewinn, da kein Kunde bereit gewesen wäre, mehr für das Produkt zu zahlen und jedes Produkt über den variablen Kosten verkauft wird. Pigou (1929) spricht von einer Preisdifferenzierung ersten Grades. Das Problem dabei: Die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden ist unbekannt und muss herausgefunden werden. Nun sind zum einen personenbezogene Festlegungen der Preise aus juristischen Gründen oder Gründen der Fairness normalerweise nicht umsetzbar. Dennoch wird jeder Außendienstmitarbeiter mit Preiskompetenz versuchen, eine solche Preisdifferenzierung zu realisieren. Auch der Computerhersteller Dell (www.dell.com), der vielen seiner Kunden eine individualisierte Einstiegsseite

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anbietet, strebt eine solche Preisgestaltung an. Online ist diese ohnehin gut realisierbar, kann doch vom Surfund Kaufverhalten der Internet-Kunden auch auf deren Zahlungsbereitschaft rückgeschlossen werden. Die gruppenbezogene Preisdifferenzierung kann personen- oder regionen-bezogen vorgenommen werden. Sie ist jedoch nur sinnvoll, wenn die Charakteristika der Nachfrager übergeprüft werden können. Wer ein studentisches Angebot wahrnimmt und einen entsprechenden Preisnachlass eingeräumt bekommt, der sollte auch nachweislich dieser Gruppe angehören. Gruppenbezogene Preissetzungen erweisen sich als gutes Instrument zur langfristigen Kundenbindung. Wer schon als Studierender mit einer bestimmten Computer-Marke Erfahrungen gesammelt hat, wird möglicherweise auch für seine spätere Firma, bei einem betrieblichen Einkauf, auf die gleiche Marke zurückgreifen. Außerdem wird mit gruppenbezogenen Preissetzungen zusätzliche Zahlungsbereitschaft abgeschöpft ohne einen langfristigen Preisverfall einzuleiten. >Mit Selbstselektion Die Konsumenten können hierbei unter verschiedenen Varianten auswählen, wobei die Preise zeit-, mengen-, leistungs- oder suchkostenbezogen differenziert sein können.

Gängiges Instrument flexibler Preisgestaltung sind gruppenbezogene Preissetzungen. Studierende beziehen Waren beispielsweise zum Vorzugspreis. Werden sie später im Beruf zum betrieblichen Einkäufer, greifen Sie möglicherweise auf die Marke zurück.

Mit der zeitbezogenen Preisdifferenzierung wird ausgenutzt, dass Konsumenten eine unterschiedlich hohe Zahlungsbereitschaft zu verschiedenen Zeiten und für unterschiedliche Zeitverzögerungen haben. So bietet es sich an, unterschiedlich hohe Preise zu unterschiedlichen Tageszeiten, an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu veranschlagen. Telefonanbieter könnten solchermaßen beispielsweise unterschiedliche Tarife anbieten, bei denen entweder die Nacht- oder die Tagesstunden billiger als die übrige Zeit sind. Urlaubsreisen unterscheiden sich meist dadurch, ob während oder außerhalb der Schulferien gebucht wird. Im Finanzbereich dagegen werden Preise meist danach differenziert, mit welcher Verzögerung Informationen ausgeliefert werden. Beispielsweise bietet die Comdirect-Bank (www. comdirect.de) mit ihrer Tradermatrix einen Zugriff auf permanent aktualisierte Kursinformationen („Realtime Push“) der deutschen Börsenplätze an. Institutionelle Investoren sind aufgrund des von ihnen verwalteten hohen Anlagevolumens in der Regel bereit, für zeitnahe Kursinformationen auch höhere Preise zu zahlen. Bei der mengenbezogenen Preisdifferenzierung unterscheiden sich die Produktvarianten nach der Zahl der Mengeneinheiten und dem durchschnittlichen

Preis pro Einheit. Eine solche Differenzierung nehmen insbesondere Internet-Service-Provider, z.B. AOL (www.aol.de), durch die Erhebung eines (nutzungsunabhängigen) Grundpreises pro Monat und eines (nutzungsabhängigen) Preises pro Stunde Zugang zum Internet vor. Ein weiteres Beispiel der mengenbezogenen Preisdifferenzierung ist die so genannte „Flatrate“, wobei jeweils nur ein von der Nutzungsdauer unabhängiger Pauschalbetrag anfällt. Der Anbieter hat dabei den Vorteil, dass der zu einer intensiven Nutzung animierte Konsument seine Nachfrage normalerweise nicht zwischen verschiedenen Anbietern aufteilt. Damit erhöht sich die Kundenbindung. Die leistungsbezogene Preisdifferenzierung, auch als qualitative Preisdifferenzierung bezeichnet, steht in enger Beziehung zur Produktlinienpolitik. Sie liegt vor, wenn ein Anbieter einander ähnliche Produktvarianten zu unterschiedlichen Preisen anbietet. Dabei unterscheiden sich die angebotenen Varianten einer solchen leistungsbezogenen Preisdifferenzierung insbesondere hinsichtlich des Leistungsumfangs, der Leistungsfähigkeit und der Zusatzleistungen. Webdesigner unterscheiden ihren angebotenen Leistungsumfang und die damit verbundenen Preise beispielsweise danach, ob Zugriffsstatistiken und CGI-Bibliotheken

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zur Verfügung gestellt werden oder nicht, oder ob entsprechende Software im Paket enthalten ist. Mitunter werden die Preise für Produkte auch danach unterschieden, über welchen Vertriebskanal oder unter welchem Markennamen und im Rahmen welcher Verkaufsförderungsaktion sie angeboten werden. Bei dieser Differenzierungsstrategie wird somit die Tatsache ausgenutzt, dass die Konsumenten unterschiedlich hohe Suchkosten haben. Beispielsweise werden von AOL immer wieder Promotionsaktionen, die mit einer unterschiedlich hohen Anzahl an Freistunden ausgestattet sind, für Neueinsteiger ins Internet gestartet. Es besteht daher die Möglichkeit, durch intensives Suchen besonders viele Freistunden zu erhalten. Bislang wurden lediglich Fälle betrachtet, bei denen

die Preise nur auf Basis der Ausprägung einer Dimension, z.B. der Menge oder der Leistung, differenziert wurden. Es finden sich in der Praxis aber auch viele Varianten, in denen die Preise auf der Basis mehrerer Dimensionen differenziert werden. So werden in der „realen Welt“ vor allem Mobilfunktarife nicht nur nach der Menge, sondern auch nach der Zeit, den Einheiten und nach weiteren Merkmalen differenziert. Mit dieser mehrdimensionalen Preisdifferenzierung wird eine feinere Segmentierung der Konsumenten angestrebt, um die vorhandene Zahlungsbereitschaft noch besser abzuschöpfen. Konsumenten können allerdings mitunter die angebotene, komplexe Preisstruktur nicht mehr überblicken. Zudem muss auch die korrekte Abrechnung gewährleistet sein.

In der Praxis werden Preise oft auf der Basis mehrerer Dimensionen differenziert. So werden Telefontarife nicht nur nach der Menge, sondern auch nach der Zeit oder den Einheiten berechnet. Mit dieser mehrdimensionalen Preisdifferenzierung wird eine feinere Segmentierung der Konsumenten angestrebt.

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DIE PREISBÜNDELUNG stellt eine Preisdifferenzierung im Mehr-Produkt-Fall dar, wobei die Preise für die Produkte abhängig voneinander sind und eine isolierte Kaufbetrachtung stattfindet. Gerade im Internet bieten viele Unternehmen mehrere Produkte gemeinsam an. So stellt beispielsweise AOL seinen Nutzern gleich eine ganze Reihe von Angeboten zur Verfügung, wie z.B. ein Internet-Zugang, E-Mail, Newsgruppen, Nachrichten, Börseninformationen. Diese Zusammenstellung der Produkte und die damit verbundene Preissetzung wird in der Literatur unter dem Begriff Preisbündelung behandelt.6 Dabei kann das separate Anbieten von Produkten als Entbündelung, das ausschließlich gemeinsame Anbieten von Produkten als Bündelung und das gleichzeitige Anbieten von Produkten in entbündelter und gebündelter Form als

gemischte Bündelung bezeichnet werden.7 Olderog und Skiera8 zeigen, dass eine Kostenstruktur mit hohen Fixkosten und niedrigen variablen Kosten für die Preisbündelung besonders gut geeignet ist. Dabei nimmt der Vorteil der Bündelung mit steigenden variablen Kosten ab. Da viele der im Internet angebotenen Produkte, z.B. Informationsdienste, Suchdienste, Software, im Wesentlichen Fixkosten und kaum variable Kosten verursachen, wird gerade im Internet zukünftig mit einer verstärkten Anwendung der Preisbündelung zu rechnen sein. So ist es beispielsweise denkbar, dass Banken, Internet-Service-Provider oder Portal-Betreiber zukünftig nicht mehr nur noch den Zugang zu Bankleistungen, zum Internet oder zum Portal anbieten, sondern ein Bündel an zahlreichen weiteren Leistungen zu einem etwas höheren Preis anbieten.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. ComputerWorld: Amazon charging different prices on some DVDs, 05.09.2000 2 Vgl. Henkel, J.: Preissetzung im E-Commerce, in: Strömsdörfer, R., u. a. (Hrsg.): E-Commerce – Wettbewerbsvorteile realisieren, Stuttgart, 2001 3 Vgl. Brynjolfsson, E. and Smith, M. D.: Frictionless Commerce? A Comparison of Internet and Conventional Retailers, in: Management Science, Vol. 46, 2000a, S. 563-585 4 Vgl. Shapiro, C. und Varian, H. R.: Information Rules: Strategic Guide to the Network Economy, Boston, 1998

5 Vgl. Skiera, B. und Spann, M.: Flexible Preisgestaltung im Electronic Business, in: Weiber, R. (Hrsg.), in: Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 539–557 6 Olderog, T. und Skiera, B.: The Benefits of Bundling Strategies, in: Schmalenbach Business Review, No. 1/2000, S. 137–160 7 Vgl. Adams, W. J. und Yellen, J. L.: Commodity Bundling and the Burden of Monopoly, in: Quarterly Journal of Economics, No. 90/1976, S. 475–498 8

Vgl. Olderog, T. und Skiera, B., a.a.O.

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Online-Distributions- und Preispolitik

Preisfindung mit Online-Auktionen

Für den betrieblichen Einkauf bergen sie Einsparpotenzial. Die vorhandene Lieferantenstrategie darf durch Auktionen allerdings nicht gefährdet werden.

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nzwischen wird im Internet jeder vierte Euro bei Auktionen ausgegeben. Dies ergab eine Studie des Nürnberger Marktforschers GfK. Dabei werden nicht nur Neuprodukte oder tatsächliche SecondhandWare angeboten, sondern immer häufiger auch ‚neuwertige‘ Gebrauchsgüter. Fachhandel und Kaufhäuser könnten den virtuellen Anbietern im Preiswettbewerb und in der Sortimentsvielfalt nur wenig entgegen setzen. Insgesamt kauften deutsche Konsumenten der Studie zufolge im ersten Halbjahr 2004 für 5,3 Milliarden Euro im Internet ein.1 Dazu überlegen sich die Anbieter ständig neue Werbegags: Was der OnlineKäufer möglicherweise nur von eBay kannte, gab es zum Beispiel auch auf den Seiten von Wrigleys: Die Kaugummi-Firma bediente sich der Online-Auktion, um ihr Produkt Airwaves in Szene zu setzen. Die Kölner Agentur b+d new media konzipierte und realisierte die Auktion, die folgendermaßen funktionierte: Jedes Päckchen der Marke Airwaves erhält einen individuellen Code, der im Internet oder per SMS gegen Aktionspunkte eingelöst werden konnte. Ab einem gewis-

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sen Zeitpunkt konnten die Punkte dann auf der Side www.airwaves.de zum Mitsteigern eingesetzt werden. Im Angebot standen Preise wie Foto-Handys, PlasmaBildschirme und Reisen. Die Aktion lief bis Dezember 2004. Beworben wurde die Werbemaßnahme mit einem TV-Spot, den BBDO, Düsseldorf, eigens für die Airwaves-Auktion kreierte. Der 18-Sekünder lief für sechs Wochen auf allen großen Privatsendern. In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche, teilweise stark unterschiedliche, teilweise von der Konzeption nahezu identische Auktionsplattformen entwickelt. Wenngleich bei Diskussionen um OnlineAuktionen immer wieder sofort das Stichwort „eBay“ fällt, so darf die Fülle anderer Auktionsplattformen nicht unbeachtet bleiben. Online-Auktionen existieren nämlich in zahlreichen Varianten. Eine grundsätzliche Einteilung wird nach der Art der Anbieter und Nachfrager vorgenommen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen B2C und C2C-Auktionen oft nur schwer möglich, da auf vielen Plattformen sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen Produkte bzw. Dienst-

In der Automobilindustrie sind die möglichen Einsparpotenziale von Online-Auktionen 7 bis 16 Prozent leistungen anbieten. Klar abgegrenzt können jedoch die B2B-Auktionen werden, denn sie werden im Normalfall in geschlossenen, zumeist durch Passwort geschützten Bereichen durchgeführt. Die Teilnehmer werden häufig gezielt eingeladen bzw. selektiert. Bei den B2C- bzw. C2C-Auktionen handelt es sich hingegen zumeist um offene Plattformen, bei denen sich alle Interessenten registrieren lassen können. Den B2B-Plattformen wird für die Zukunft ein besonders hohes Umsatzvolumen zugeschrieben. Insbesondere Großunternehmen wickeln bereits heute umfassende Beschaffungsvorgänge auf diesem Wege ab.2 Für die Preispolitik im Internet sind gerade diese B2B-Auktionen besonders interessant, weil es sich dabei zumeist um ein neuartiges Preisfindungsmodell handelt. Mit den B2C- und C2C-Auktionen entstehen neue Distributionswege. Sie gehören damit eher in den Bereich der Online-Distributionspolitik. Auf B2B-Plattformen wurden bereits Aufträge von insgesamt mehreren Milliarden Euro per Online-Auktion vergeben. Lieferanten können während der Preisverhandlungen die Attraktivität des eigenen Preises in Echtzeit mit den Konkurrenzangeboten messen und gegebenenfalls anpassen. In der Automobilindustrie belaufen sich die möglichen Einsparungen auf durchschnittlich 7 bis 16 Prozent des erwarteten Einkaufspreises pro Auktion.3 Innerhalb eines eCollaborationUmfeldes, wie die B2B-Plattform auch bezeichnet wird, setzt der Einkäufer den Rahmen einer Ausschreibung fest und lässt den Markt den Preis anhand einer Rückwärts-Auktion (Preis sinkt) selbst bestimmen. Gerade im heutigen Umfeld erreicht der erhöhte Wettbewerbsdruck unter Zulieferern in einem kollaborativen Preisfindungsprozess durch Online-Auktionen den höchsten Wirkungsgrad. Zu einem festgelegten Termin findet eine Preisverhandlung im Internet statt. In deren Verlauf geben die vom Einkäufer eingeladenen Lieferanten für alle Beteiligten sichtbar ihre Eingangsangebote online ab. Im weiteren Verlauf der Auktion werden sie sich - ebenfalls für alle sichtbar - mit ihren Angeboten unter- bzw. überbieten. Untereinander bleiben die Lieferanten anonym und nur der Einkäufer erkennt, welches Angebot von welchem Lieferanten stammt. Die Angebote werden in Form einer entsprechend betitelten Position (Line Item) im Internet-Browser angezeigt. Das niedrigste Gebot (Reverse Auction, Buyers Auction) bzw. das höchste Gebot (Forward Auction,

Sellers Auction) wird während der Preisverhandlung kontinuierlich aktualisiert: Da die Einkäufer sich das Recht vorbehalten, den Auftrag nicht an den günstigsten Anbieter, sondern an den zweit- oder drittgünstigsten Anbieter zu vergeben, wird die Bezeichnung „Online-Preisverhandlung“ gegenüber der Bezeichnung „Online-Auktion“ bevorzugt. In der Automobilbranche gehören Online-Preisverhandlungen im Einkauf durchaus zum Tagesgeschäft. Über Covisint wurden beispielsweise in der ersten Jahreshälfte 2001 online Preisverhandlungen von insgesamt 36 Milliarden Dollar abgewickelt.4 Im Durchschnitt lagen die Endpreise dabei zwischen 7 und 16 Prozent unter dem Erstgebot. Die internetgestützte Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Abnehmern wird inzwischen sehr vielfältig praktiziert. So kontrolliert beispielsweise Bosch nach dem Prinzip des „Vendor Managed Inventory“ (VMI) über Covisint bei Mercedes die Bestände an Autobatterien und kann frühzeitig die Produktion hochfahren, wenn der Vorrat schwindet.5 Die größte Online-Preisverhandlung hat nach eigenen Angaben Daimler-Chrysler durchgeführt. Das Gesamtvergabevolumen der Bieterrunde lag bei 3,5 Mrd. Euro. Insgesamt wurden an vier Tagen 1.200 Teile in 80 Kombinationen verhandelt (keine Standardteile, sondern Produktionsmaterial).6 Mit der B2B-Online-Auktionsplattform „Input auction“ hat das Unternehmen Input new media solutions aus dem ostwestfälischen Bünde eine E-Procurement-Lösung für mittelständische Firmen geschaffen. Das Auktionsverfahren gestaltet sich einfach: Ein Unternehmen nimmt zunächst eine Ausschreibung für die benötigten Produkte oder Dienstleistungen vor. Mögliche Lieferanten werden dann per E-Mail eingeladen an der Auktion teilzunehmen und während eines festgesetzten Zeitraumes ein Angebot abzugeben. Die Teilnehmer sind damit aufgefordert, sich im Sinne einer „umgekehrten Versteigerung“ (Reverse auction) gegenseitig zu unterbieten. Der Einkauf des ausschreibenden Unternehmens erteilt schließlich demjenigen Lieferanten den Zuschlag, der das günstigste Angebot abgegeben hat. Über ein Passwort gelangen nur autorisierte Teilnehmer in den geschützten Auktionsbereich.7 Im folgenden Beispiel wird der Ablauf einer Online-Preisverhandlung nocheinmal Schritt für Schritt verdeutlicht:8 „Ein Einkäufer möch-

Die Teilnehmer sind aufgefordert, sich im Sinne einer „umgekehrten Versteigerung“ gegenseitig zu unterbieten E-MARKETING

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Online-Distributions- und Preispolitik

te 200.000 Pressteile einkaufen. Er startet zunächst ein ‚Request for Information‘ (RFI), um zu prüfen, ob seine Stammlieferanten aufgrund der technischen Anforderungen die gewünschten Teile liefern können. Die danach ausgewählten Lieferanten werden im Rahmen eines ‚Request for Quotation‘ (RFQ) dazu aufgefordert, ihr schriftliches Angebot abzugeben. Im konventionellen Einkaufsprozess würde der Einkäufer nun die Preisverhandlungen mit den Lieferanten einzeln aufnehmen. Stattdessen gibt der Einkäufer den Lieferanten die Gelegenheit, während einer OnlinePreisverhandlung ihre Angebote gegenüber dem Wettbewerb zu messen und schließlich (nach unten) zu korrigieren. Nach Abschluss der Verhandlung bestätigen die Lieferanten ihr letztes Angebot nochmals schriftlich. Der über eine derartige Auktion erzielte Preis dürfte aufgrund der offenen Preisfindung sehr nah am tatsächlichen Marktpreis liegen. Die Kostensenkungspotenziale können also in diesem Bereich auch ohne langwierige Verhandlungen mit einzelnen Lieferanten ausgereizt werden. Üblicherweise dauert eine Online-Preisverhandlung zwischen 30 Minuten und zwei Stunden. Die Vorteile für Einkäufer und Verkäufer liegen auf der Hand: Der Einkäufer gewinnt durch den Preis, die Lieferanten können ihr Angebot mit dem der Konkurrenz vergleichen und so auch Defizite in ihren Kostenstrukturen und Produktionsprozessen aufdecken. Hinzu kommt, dass aufgrund der Internettechnologie auch Lieferanten an der Bieterrunde teilnehmen können, die unter ‚normalen‘ Umständen - beispielsweise aus geographischen Gründen - nicht um ein Angebot gefragt worden wären.“ Allerdings werden bisher beispielsweise in der Automobilindustrie 55 bis 75 Prozent der potenziellen Einsparungen bei Online-Preisverhandlungen nicht realisiert. Der Grund dafür: Es wird nicht systematisch vorgegangen. Das liegt hauptsächlich daran, dassnicht alle Güter und Dienstleistungen für eine Auktion im Internet geeignet sind. Eine so genannte „Commodity-Analyse“, bei der die Eignung für eine OnlinePreisverhandlung festgestellt werden soll, wird von den wenigsten Unternehmen vorgenommen. Etwa 40 Prozent der nicht realisierten Einsparungspotenziale sind auf diese Ursache zurückzuführen.9 Anhand der folgenden Kriterien lassen sich „Commodities“ identifizieren, die für eine Online-Preisverhandlung geeignet sind:10

Allerdings werden bisher 55 bis 75 Prozent der möglichen Einsparungen bei OnlineAuktionen nicht realisiert 198

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Die vorhandene Lieferantenstrategie darf nicht durch Online-Verhandlungen gefährdet werden >Markt. Die notwendige Dynamik entsteht in der Online-Preisverhandlung erst, wenn mindestens drei Lieferanten mit vergleichsweise wettbewerbsfähigen Angeboten an der Preisverhandlung teilnehmen. >Lieferanten. Auch im Online-Umfeld müssen die teilnehmenden Lieferanten prinzipiell alle auch tatsächlich für die Auftragsvergabe in Frage kommen. Ein Lieferantenaudit und eine Bewertung der angebotenen Leistung sollte mithin – wie im traditionellen Umfeld – vor der Preisverhandlung stattgefunden haben. >Einkäuferposition. Nur wenn der zu vergebende Auftrag für die Lieferanten attraktiv ist, werden die Lieferanten bereit sein, sich einen „Preiskampf“ zu liefern. Kriterien hierfür sind beispielsweise Auftragsvolumen, Laufzeit, Folgegeschäft, strategisches Interesse, aktuelle Auslastung etc. >Produkt Das Produkt muss vollständig in einem technischen Lastenheft definiert werden. Ausschließlich auf dieser Basis wird dann geboten – abweichende Angebote sind ausgeschlossen. Nur so sind Qualität der Leistung und Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet. >Lieferantenstrategie Eine eventuell laufende Lieferantenstrategie darf nicht durch Online-Preisverhandlungen gefährdet werden.

ETWA 10 BIS 15 PROZENT werden nicht realisiert, weil einfach die Vorbereitung magelhaft ist. Der Zeitaufwand wird dabei häufig unterschätzt. Die Erstellung des technischen Lastenheftes setzt zum Beispiel häufig ein umfangreiches „Briefing“ der Lieferanten voraus. Oft müssen Schulungen für die richtige Verwendung des Internet-Tools durchgeführt werden.11 Auch muss sich der Einkäufer klar über das Ziel der Verhandlung sein, denn Auktionstyp und Konfiguration der Online-Preisverhandlung werden dadurch wesentlich beeinflusst. Mögliche Ziele könnten sein, dem aktuellen Lieferanten eine Chance zu geben, sich am Marktpreis zu orientieren, einen Lieferantenwechsel zu planen oder lediglich den kostengünstigsten Preis auszuhandeln. Einige Auktionstypen unterstützen beispielsweise das Bieten auf mehrere Variablen, wie Stückpreis, Werkzeugkosten, Transportkosten, Entwicklungsaufwand etc. Innerhalb der Konfiguration muss die Anzahl der Auktionspakete, der Eröffnungspreis, das Mindestgebot und die Regeln zur Beendi-

gung der Auktion festgelegt werden. Vor der Online-Preisverhandlung müssen die Regeln der Zuschlagsvergabe und die damit verbundenen Konsequenzen den Lieferanten mitgeteilt werden. Oft versuchen Lieferanten, nach Verhandlungsschluss ein letztes Angebot einzureichen. Die strikte Einhaltung dieser Regeln erhöht die Glaubwürdigkeit des Verfahrens und damit den Erfolg der kommenden Bieterrunden. Eine koordinierte Methodik garantiert den richtigen Einsatz von Online-Preisverhandlungen. Die wichtigsten Elemente dieser Methodik sind eine fundierte Analyse & Design-Phase und ein robustes ProgrammManagement. In der Analyse- und Design-Phase werden sämtliche Warengruppen analysiert und geeignete „Commodities“ identifiziert. Darauf aufbauend kann die Rentabilität für die Einführung des OnlineVerhandlungsverfahrens abgeschätzt werden. Sollte sich die Einkaufsorganisation für eine Einführung entscheiden, wird ein Programm Management entworfen, im Rahmen dessen für sämtliche Preisverhandlungen

übers Internet ein Zeitplan erstellt wird. Jede OnlinePreisverhandlung bedarf einer Schulung der Beteiligten sowie einer taktischen Vorbereitung, bei der ein Kommunikationsplan mit den Lieferanten erstellt und die Konfiguration der Preisverhandlung festgelegt wird. Nach Abschluss der Preisverhandlung sind die Ergebnisse in einer Statistik nach Art der „Commodity“ und erzieltem Einsparungspotenzial festzuhalten. An letzterem kann regelmäßig die Rentabilität der Auktionen gemessen werden und damit als Erfahrungswert in künftige Transaktionen einfließen. Die umfangreichen Maßnahmen, was die Vorbereitung und Durchführung angeht, haben mittlerweile auch die Euphorie um Online-Auktionen im B2B-Bereich deutlich gedämpft. Nach dem Verkauf des größten elektronischen Marktplatzes der Automobilindustrie Covisint im Jahre 2004 wird deutlich: Nicht nur interne Probleme ließen das Projekt scheitern. Vor allem fehlte der Bedarf. Die Gründung der Einkaufsplattform war noch von einem enormen Medienecho begleitet worden. Als sich die drei weltweit größten

Online-Marktplätze wie GNX bezeichnen sich selbst heute eher als „Connect“-Lösungen. Der Schwerpunkt liegt dabei oft nicht mehr auf den Auktionen, sondern auf der Prozess-Optimierung.

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Automobilhersteller – Daimler-Chrysler, Ford und General Motors – 1999 entschlossen, eine gemeinsame Plattform für die Anbindung ihrer Zulieferer zu gründen, herrschte Hochstimmung. Die Zulieferer hingegen zeigten sich von Anfang an weitgehend skeptisch. Sie befürchteten, dass Covisint in erster Linie gegründet worden war, um die Preise zu drücken. Besonders die Auktionen, so die Angst, seien geeignet, die Margen nach unten zu drücken. Rechtsgutachten und Kartellverfahren wurden angestrengt, um den drohenden Marktmissbrauch zu verhindern. Ab 2003 wurde es allerdings wider Erwarten ruhig und ruhiger um Covisint. Das Unternehmen machte bestenfalls mit PersonaliaMeldungen auf sich aufmerksam. Der Erfolg bemaß sich entsprechend mäßig: 230 Mrd. US-$ könnten die beteiligten Autohersteller über Covisint umsetzen, hatte der damalige Daimler-Chrysler-Chef Schrempp bei der Gründung prognostiziert. Geworden sind es im Jahr 2002 gerade mal 80 Mrd. US-Dollar.12 Der B2BMarktplatz GNX dagegen hat nach eigenen Angaben 2004 erstmals den „Break-even“ erreicht. GNX gehört den Handelskonzernen Metro Group, KarstadtQuelle, Carrefour, Sears, Kroger, Sainsbury‘s, PPR sowie Coles Myer und wird unter anderem auch von Markant und Hornbach aus Deutschland genutzt. Nach Angaben des Unternehmens hat das im Monatsdurchschnitt über die Plattform abgewickelte Einkaufsvolumen inzwischen 1 Mrd. US- Dollar erreicht. GNX bietet

Online-Auktionen und Internet-Ausschreibungen, Workflow-Software für die Zusammenarbeit entlang der Lieferkette und ein Web-Werkzeug für die Produktentwicklung von Eigenmarken an. Statt als B2BMarktplatz bezeichnet sich das Unternehmen selbst fünf Jahre nach der Gründung als Anbieter von „Retail Connect Lösungen“.13 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Supply-on, oft als kleiner Bruder von Covisint bezeichnet. Auch hier werden seit Ende 2003 schwarze Zahlen geschrieben, wobei der Fokus allerdings nie auf Einsparungen durch Auktionen, sondern von Anfang an auf der Senkung von Prozesskosten lag. Mit der Zulieferindustrie hat sich Supply-on für eine Zielgruppe entschieden, die standardisierte Marktplatzlösungen benötigt, um sinnvoll Geschäftsprozesse elektronisch abzuwickeln. Die großen Automobil-Hersteller kommunizieren dagegen in erster Linie mit einer überschaubaren Anzahl an Großunternehmen. Die direkte Kommunikation zwischen Einkäufer und Lieferant ist dabei nach wie vor der wichtigste Bestandteil, denn die Lieferanten müssen ein tiefgehendes Verständnis bezüglich Auftragsumfang und Bedingungen bei der Zuschlagsvergabe entwickeln. Daneben spielt die Lieferantenstrategie des Einkäufers eine wesentliche Rolle. Online-Preisverhandlungen sind hier allenfalls integraler Bestandteil dieser Strategie.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. o. V.: Jeder vierte Euro geht bei Online-Auktionen über den Tisch, W&V Online-Magazin vom 06.09.2004, www.wuv.de

Mega-Marktplatz durchsetzen? „online im Internet“, www. ecin.de/state-of-theart/autoindustrie/index-2.html, abgerufen am 31.1.03

2 Vgl. hierzu die zahlreichen Beispiele auf der Website des ECC Handel unter www.ecc-handel.de/ecinfos/ im Problemfeld „B2B-Marktplätze und elektronische Beschaffung

7 Vgl. o. V.: Input auction für den Mittelstand Online-Beschaffung über Reverse-Auctions, BA Beschaffung aktuell, Heft 2, 2005, S. 49

3

English, Kevin: Vortrag vor dem Management-BriefingSeminar der University Michigan, „online im Internet“, covisint.com/ger/about/pressroom/speeches/uofm.html, abgerufen am 31.1.03

4

Vgl. ebenda

8 Miras, A.: Mit offenen Karten spielen - Preisverhandlungen im Internet, Information Management & Consulting 17 (2002) 4, S. 78ff. 9

Vgl. ebenda

10

Vgl. ebenda

11

Vgl. ebenda

12

Baumgärtner, T, a.a.O.

5

Vgl. Baumgärtner, T.: Virtueller Marktplatz der großen Autobauer ist gescheitert. Das Ende von Covisint kam still und leise, Industrieanzeiger, Heft 20, 2004, S. 80 6

Nase, Alexander: Kann sich Covisint als automobiler

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13

Vgl. Rode, J.: BITS UND BYTES, GNX schreibt schwarze Zahlen, Lebensmittel Zeitung Nr. 12 vom 24.03.2005, S. 23

C

1SFJT

JMEVOH

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wei unterschiedliche Strategien dominieren die Preisbildung für Produkte und Dienstleistungen im Internet: Die Niedrigpreis-Strategie vieler Start-Ups und die 1:1-Preisübertragung aus der Offline-Welt der meisten etablierten Unternehmen. Der Preisbildungsstrategie vieler Internet-Unternehmen der ersten Stunde lag die Annahme zugrunde, dass das Netz eine große Markttransparenz schafft und die Preise dadurch auf den niedrigst möglichen Stand gedrückt werden. Folglich basierte ihre Strategie auf dem Preis als wichtigstem Unterscheidungsmerkmal. Die Bedeutung von Produktnutzen, Qualität und Service wurde dagegen als untergeordnet angesehen.1 Tatsächlich können im Internet Kunden viel schneller als in der Offline-Welt, Preise und Produkte verschiedener Händler vergleichen. Jedenfalls dann, wenn die Produkte gut für das Internet geeignet sind, also gut über Text und Bild beschreibbar. Standardisierte Güter wie Bücher, CDs und Software sind aus diesem Grund im E-Commerce gängig. Für solche Güter ist auch ein automatischer Vergleich durch „Shopbots“ möglich, der von Diensten wie eVendi, GuensTiger, PriceContrast und uCompare angeboten wird. Sortiert nach Gesamtpreisen, Produkt und Lieferung umfassend, werden die Angebote von unterschiedlichen Web-Shops aufgelistet, deren Preise erheblich variieren können.2 Aber auch wer im Internet solche Preissuchmaschinen benutzt, entscheidet sich beim Kauft keinesfalls immer für das günstigste Produkt: zwar spielt der Preis eine Rolle bei der Auswahl, aber der Markenname des Händlers sowie die Frage, ob der Kunde dort schon einmal eingekauft hat, haben ebenfalls Einfluss. Viele etablierte Unternehmen aus der Offline-Welt entwickelten deshalb erst gar keine Preisstrategie für das Internet sondern übertrugen ihre Preise 1:1 in die Online-Welt. Keine der beiden Strategien lässt sich in vollem Umfang vertreten. Die Online-Konsumenten sind eben weder ausdrückliche Schnäppchenjäger noch exakte Duplikate der Offline-Käufer. Natürlich gibt es in der Gesamtheit der Online-Shopper auch eine Teilgruppe, die ausschließlich preisbewusst kauft. Es gibt aber auch Internet-Shopper in beträchtlicher Anzahl, die andere Präferenzen aufweisen. So führte eine Studie von McKinsey zu dem Ergebnis, dass sogar eine Mehrzahl von Online-Shoppern nur wenig Preisvergleiche anstellt und gleich auf der ersten Website, die besucht wird, auch den Einkauf tätigt.3 Der (zu!) oft zitierte Spruch, der Wettbewerb sei „nur einen Klick entfernt“, mag im Prinzip stimmen, aber ein mörderischer Preiswettbewerb ist dadurch im E-Commerce nicht ausgelöst worden. Die Hoffnung vieler Ökonomen, das Internet würde durch Reduktion der Suchkosten und Verringerung der Informationsdefizite zu perfekten Märkten führen, zu einer „frictionless economy“,

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Online-Händler nutzen Preisvergleichsplattformen, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern hat sich nicht erfüllt.4 Dennoch wird die durch das Internet entstehende Preistransparenz sowohl von Abnehmern als auch von Anbietern mehr und mehr wahrgenommen. OnlineShop-Betreiber haben längst erkannt, dass Dienste wie guenstiger.de, Idealo.de, Kelkoo.de oder eVendi. de ihnen eine kaufwillige Kundschaft vermitteln. Nicht umsonst erzielen die Dienste pro Monat oft jeweils Hunderttausende von Visits und Millionen von PageImpressions. Online-Shop-Betreiber können sich diese Reichweite zunutze machen, um ihre eigene Bekanntheit zu steigern und das ohne große Anfangsinvestitionen. Denn ähnlich wie beim „Keyword-Advertising“ auf den großen Suchmaschinen verlangen die meisten Preisvergleichsplattformen nur erfolgsbasierte Honorare in Form von „Pay-per-Click“-(PPC-) oder „Pay-per-Order“- (PPO-)Modellen. Der Basiseintrag hingegen, und damit zumindest theoretisch der Zugang zu Millionen kaufwilliger Konsumenten, ist in der Regel kostenlos. Trotz des „Pay-per-Performance“-Vorteils: Ein ganz preisgünstiges Unterfangen ist die Präsenz auf den Shopping-Plattformen nicht. Denn die Betreiber lassen sich die Vermittlung potenzieller Kunden mit durchschnittlich rund 25 Cent pro Klick relativ hoch vergüten. Dass ein Shop-Betreiber im Vorfeld auch nicht genau absehen kann, wie viele Klicks pro Monat er vermittelt bekommt, ist gerade für mittelständische Unternehmen nicht selten ein entscheidendes Argument gegen eine solche Präsenz. Shop-Betreiber, die sich auf Preisvergleichsdiensten präsentieren wollen, sollten mit einem ungefähren Budget von einigen hundert Euro pro Monat rechnen. Dafür bekommen sie bei einem PPC von 25 Cent zwischen 800 und 2.000 Kunden vermittelt, die sich gezielt für ein Produkt aus ihrem Sortiment interessieren. Die Chance, aus diesen potenziellen Kunden echte Käufer zu machen, liegt nach Angaben des Preisvergleichers guenstiger. de je nach Produkt und Shop bei 0,7 bis 2,4 Prozent. Grob kalkuliert bedeutet das: Um einen Neukunden zu gewinnen, muss ein Shop zwischen 10 und 36 Euro investieren und gleichzeitig seine Marge drücken, um günstiger zu sein als seine Mitbewerber.5 Doch müssen sie zuvor zumindest eine Bedingung erfüllen. Die Preisvergleichsplattform selbst sollte gleichzeitig möglichst viele Produktinformationen bereits auf der eigenen Seite bieten und möglichst spät zum Händler verlinken. Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch,

Im Internet sind die Suchkosten gering. Ein Klick auf eine Preisvergleichsplattform genügt, um zahlreiche Angebote einzuholen. Die demzufolge höhere Transparenz des Markts sollte dazu führen, dass die Anbieter niedrigere Preise setzen.

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dass der Kunde von dem Produkt überzeugt ist und auf der Händler-Site wirklich kaufen will. Viele namhafte Unternehmen wie Amazon.de, Conrad, Dell, Quelle, Otto, Neckermann, Schlecker oder Karstadt nutzen inzwischen Preisvergleichsplattformen solchermaßen als zusätzlichen Vertriebskanal, um über gezielte Schnäppchenangebote neue Zielgruppen in ihre Shops zu locken oder Restposten aus ihren Lagern zu räumen. Auch die Preiselastizität lässt sich gut über Preisvergleichsplattformen im Internet bestimmen. Jedes Produkt verfügt über eine Preisspanne, in der die Preisänderung keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen hat. Diese Preiselastizität kann variieren. So liegt sie beispielsweise für Markenartikel aus dem Gesundheits- und Kosmetikbereich bei etwa 17 Prozent, dagegen beträgt sie für einige

Online lässt sich die Preiselastizität sehr viel besser bestimmen als offline. Photo: Felipe Skroski, stock.xchng

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Finanzdienstleistungstypen lediglich 0,2 Prozent.6 In der Offline-Welt lässt sich die Preiselastizität nur sehr zeitintensiv und kostspielig bestimmen. Das fängt schon damit an, dass Preisänderungen meist nur sehr umständlich durchführbar sind. In den Geschäften müssen dazu erst einmal sämtliche Preisschilder und Displays geändert werden oder sogar Broschüren und Kataloge, die die Preise enthalten, neu gedruckt werden. Über Online-Preisvergleichsplattformen hingegen können Reaktionen der Konsumenten auf Preisänderungen in Echtzeit getestet und ausgewertet werden. Ein weiterer Vorteil in diesem Zusammenhang: das Ganze kann problemlos anonym durchgeführt werden. So manche große Marke bedient sich online eines neuen Namens, um sich über die Web-Testpreise nicht die stationären Verkaufspreise zu ruinieren. Eine Studie von McKinsey ergab, dass Kunden diese

Form der flexiblen Preisgestaltung aber auch meist unter dem Markennamen akzeptieren.7 Der Wert des Internet liegt mithin keinesfalls immer darin, den Preis zu minimieren, sondern ihn zu optimieren.8 Zusammenfassend lassen sich vier Merkmale nennen, anhand derer die Besonderheiten der Preisbildung im Internet im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen erfasst werden können: Neben den schon diskutierten Merkmalen Preiselastizität und Preisflexibilität, sind das noch das Preisniveau und die Preisstreuung.9 Häufig wird vermutet, dass das Preisniveau im Internet niedriger ist als im stationären Handel. Auf der Angebotsseite wirken sich hier zwei Effekte aus. Händler, die ihre Produkte über das Internet vertreiben, haben zum einen geringere Kosten als stationäre Händler, insbesondere, da sie keine physischen Geschäftslokale betreiben müssen. Dadurch erniedrigen sich

aber andererseits auch die Markteintrittsbarrieren und die Marktteilnehmer sind einer höheren Konkurrenz ausgesetzt als im stationären Handel. Dementsprechend sollten Preisaufschläge aufgrund von monopolistischen Spielräumen reduziert werden. Auch ein nachfragerseitiger Effekt kann für ein niedrigeres Presiniveau im Internet angeführt werden: Im Internet sind die Suchkosten gering. Ein Klick auf eine Preisvergleichsplattform genügt, um zahlreiche Angebote einzuholen. Die demzufolge höhere Transparenz des Markts sollte dazu führen, dass die Anbieter niedrigere Preise setzen. Die bisherigen Studien zum Online-Preisniveau weisen denn auch tatsächlich aus, dass das Preisniveau im Internet niedriger ist als im stationären Handel.10

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Förster, A.: Erfolgreiche Preisgestaltung im Internet, in: Hrsg. Kreuz, P., Förster, A. und Schlegelmilch, B. B. (Hrsg.): Customer Relationship Management im Internet: Grundlagen und Werkzeuge für Manager, BoD Verlag Oktober 2001, Kap. 8

2

Vgl. Henkel, J.: Preissetzungen im E-Commerce, in: Reinhardt, Strömsdörfer, Kurz (Hrsg.): E-Commerce – Wettbewerbsvorteile realisieren, Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart (2001) 3

Vgl. Baker, W. L., Lin, E., Marn, M. V. und Zawada, C. C.: Getting the prices right on the web, The McKinsey Quarterly 2001 4

5 Vgl. o. V.: Geiz ist geil. E-Commerce Preisvergleichsdienste im Web bieten Online-Händlern eine günstige Möglichkeit, die Reichweite zu steigern, Market Nr. 10 vom 23.05.2005, S. 1 6

Vgl. Baker, W. L. u.a., a.a.O.

7

Vgl. ebenda

8

Vgl. Förster, A., a.a.O., S. 3

9

Vgl. Koch, J. V. and Cebula, R. J.: Price, Quality, and Service on the Internet: Sense and Nonsense, in: Contemporary Economic Policy, 20. Jg, (2002) H. 1 (Januar), S. 25-37 10

Vgl. Henkel, J., a.a.O., S. 3

Vgl. Latzer, M. und Schmitz, S. W.: Die Ökonomie des eCommerce, Marburg 2002, S. 110f.

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Literatur ... ... zum weitergehenden Studium

Personalisierung, Sicherheit und flexible Preise >Baal van, Sebastian/Heidjann, Jörg/Schrader, Christian: Die Preisbildung im Internet und im stationären Handel: Ein exemplarischer, Universität Köln Inst. f. Handelsforsch., 2004 >Bauer, Andreas u.a. (Hrsg.): Data-Warehouse-Systeme, Heidelberg, 2004 >Bhowmick, Sourav S./Madria, Sanjay K./Keong, Wee Ng: Web data management: a warehouse approach, New York u.a., 2004 >Bölter, Ralf: Die Sicherheit von Internet-Zahlungssystemen und deren Bedeutung für die Entwicklung des Electronic-Commerce: eine kritische Analyse technischer, rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen, Oldenburg, Univ., Diplomarbeit, 2001 >Brandt, Christian/Fischer, Joachim/Meyer, Björn: Data Warehousing mit SAP Business, Paderborn, 2006 >Dörner, Jan-Hendrik: Personalisierung im Internet: Persönliche Empfehlungen mit Collaborative Filtering, Hamburg, 2003 >Elsner, Ralf: Optimiertes Direkt- und Database-Marketing unter Einsatz mehrstufiger dynamischer Modelle, Wiesbaden, 2003

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>Faller, Sascha: Preisstrategien im Internet und im traditionellen Markt: eine empirische Analyse im Reisemarkt, Konstanz, Univ., Diplomarb., 2004 >Frey, Andreas: Personalisierung durch User Tracking im WWW, Offenburg, Fachhochschule für Technik u. Wirtschaft, Diplomarbeit, 2003 >Hughes, Arthur Middleton: Strategic database marketing, New York u.a., 2006 >Jakobitsch, Günther: Database marketing: Der Schlüssel zum Kunden, Bern, 2001 >Kittlaus, Hans-Bernd (Hrsg.): Database Marketing: Konzepte - Erfolgsfaktoren – Umsetzung, Stuttgart, 2001 >Kostyak, Wolfgang: Online Analytical Processing OLAP, Mittweida, Hochschule (FH), University of Applied Sciences, Diplomarbeit, 2005 >Lunk, Markus: Internet-Auktionen: Aspekte des Gewerbe-, Wettbewerbs- und Vertragsrechts, Frankfurt a. M., 2006 >Mayer, Thomas: Personalisierungsstrategien im E-Commerce: die Webloganalyse als Instrument der Personalisierung im Rahmen des eCRM, Frankfurt am Main u.a., 2007; zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 2006 >Messerschmidt, Hartmut: OLAP mit dem SQL-Server: eine Einführung in Theorie und Praxis, Heidelberg, 2003 >Nusselein, Mark A.: Inhaltliche Gestaltung eines Data-Warehouse-Systems am Beispiel einer Hochschule, München, 2003 >Ratner, Bruce: Statistical modeling and analysis for database marketing, Boca Raton u.a., 2003 >Roth, Daniel-Sascha: Personalisierung internetbasierter Nachhaltigkeitskommunikation: theoretische Analyse und empirische Einsichten am Beispiel der Automobilindustrie, Hannover, Univ., Diss., 2007 >Schackmann, Jürgen: Ökonomisch vorteilhafte Individualisierung und Personalisierung: eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Informationstechnologie und des Electronic Commerce, Hamburg, 2003 >Spindler, Gerald (Hrsg.): Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, Köln, 2005 >Uelzen, Carsten und Burmester, Thomas: InternetAuktionen bei eBay & Co.: rechtssicher online kaufen und verkaufen, München, 2005 >Wrembel, Robert und Koncilia, Christian (Hrsg.): Data warehouses and OLAP, Hershey PA, 2007 >Zug, Alexandra: Sicherheit im E-Commerce, Hildesheim, 2005

Personalisierung und Newslettermarketing

Nur personalisierte Web-Angebote haben eine Chance, dauerhaft erfolgreich zu sein. Wer eine solche Website besucht oder einen solchen Newsletter öffnet, bekommt ausschließlich zu sehen, was seinem Kundenprofil entspricht. Aber bei der Personalisierung gilt es, eine Reihe von Regeln zu beachten.

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mmer mehr Unternehmen verabschieden sich mit ihren Online-Angeboten vom klassischen „Onefits-all-Konzept“ und stimmen ihren Internet-Auftritt durchgängig auf Kundenwünsche und unterschiedliche Nutzervorlieben ab. Personalisierung und Individualisierung stehen auf der Tagesordnung. „Unter-

nehmen, die personalisierte Webangebote umsetzen, erarbeiten sich in puncto Service für Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner einen erheblichen Vorsprung“, schreibt Bernfried Howe, ein Experte für Personalisierung.1 Leider, so Howe, unterschieden sich das klassische Kaufhaus und der virtuelle Shop aber

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Internet-Besucher kennzeichnet nicht selten eine geradezu kindliche Ungeduld. Das Stöbern in Bergen von Informationen hat für sie meist nur kurz einen Reiz. Mit Personalisierung erwarten den eiligen Kunden im Idealfall immer genau die Inhalte, die er auch gesucht hat. Jeder Besucher erhält dabei vom Anbieter ein Profil, das explizit oder implizit erstellt werden kann. Im ersten Fall wird die Kundin oder der Kunde nach den Vorlieben befragt. Im zweiten Fall merkt sich das System die Kunden-Interessen.

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noch viel zu wenig. Auch online gibt es Regale, also Angebote, aus denen ausgewählt werden kann. Aber viel zu selten eröffnet sich für den Konsumenten die Möglichkeit, nur die Produkte zu sehen, die aufgrund vorheriger Käufe interessant sein könnten.2 Das Internet hat die Regeln für Konzerne und Gesellschaft bereits erheblich verändert. Ein Abschied von der Massenkultur ist nicht mehr zu übersehen. Mit ihren individuellen Angeboten, Nischenmärkten und außergewöhnlichem Service hat die Online-Welt so manchen Kunden aus den traditionellen Ladenpassagen abgezogen. Andererseits, wer im Web kein Unterscheidungsmerkmal bietet, läuft Gefahr, schnell zerrieben zu werden. Nur personalisierte, dynami-

sche Online-Angebote haben eine Chance dauerhaft erfolgreich zu sein. Während sich der eine damit begnügt, den Namen des Besuchers zu erfragen, um ihn persönlich zu begrüßen, bietet ihm der andere an, ein Interessenprofil zusammenzustellen und zu speichern, damit sich der Inhalt der Website künftig dynamisch an dieses Profil anpassen kann. Wieder andere werten aus, welche Seiten ein Besucher wählt, um daraus auf ein spezielles Interesse schließen und gezielte Angebote unterbreiten zu können. Das fängt schon damit an, dass Informationen nicht mehr für jeden in der gleichen Art und Weise angezeigt werden. Wer eine solchermaßen personalisierte Website besucht, bekommt ausschließlich zu sehen, was sei-

Den weitestgehenden Ansatz der Personalisierung verfolgt das kollaborative Filtern. Hier werden in Befragungsaktionen Meinungen von Anwendern zu den Produkten ermittelt. In Zusammenhang mit anderen Attributen der Kundinnen und Kunden werden in einem komplexen Verfahren „Peergruppen“ ermittelt, deren Mitglieder sich bezüglich ihres Kaufverhaltens ähneln. Das führt zu ausgesprochen subtilen Kaufempfehlungen. Die neue CD eines Künstlers kann beispielsweise vom Inhalt her empfehlenswert sein, jedoch in der Meinung der Benutzer nicht hoch im Kurs stehen. Beim kollaborativen Filtern würde diese CD den entsprechenden Kunden auch nicht empfohlen werden.

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Die verschiedenen Methoden der Personalisierung sind in unterschiedlichem Maß aufwändig. Wird z.B. auf einer Website ähnlich wie im Supermarkt eine Vielzahl von Objekten mit sehr vielen Attributen angeboten, erfordert das inhaltsbasierte Filtern zu viel Aufwand. Dagegen macht kollaboratives Filtern nur Sinn, wenn Bewertungen durch Benutzer auch in ausreichendem Maß vorliegen.

nem Kundenprofil entspricht. Nur so kann der zunehmenden Fragmentierung der Konsumentenwünsche Rechnung getragen werden. Ein weiteres Ziel der Personalisierung von InternetAuftritten ist, den Benutzer zu leiten, damit er sich in einem großen Web-Angebot bestmöglich zurechtfindet. So werden beispielsweise bestimmten Kunden manche Links, Dokumente oder Dokumententeile bewusst vorenthalten. Umfang und Komplexität des Online-Auftritts werden damit für jeden einzelnen Kunden reduziert. Dies gilt gleichermaßen für WebPräsenzen von Großunternehmen wie für solche von mittelständischen Betrieben, etwa von Maklern oder Händlern. Personalisierung ist in jedem Fall umso wichtiger, je heterogener die Zielgruppe ist. Personalisierungsmodule sind heute Bestandteil von Content-Management-Systemen und bie-

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ten unterschiedliche Möglichkeiten der besucherspezifischen Anpassung von Web-Inhalten. Jeder Web-Besucher erhält ein Profil, wobei zwei Arten unterschieden werden können: die explizite und die implizite Form. Bei der expliziten Personalisierung stellt der Benutzer selbst Informationen zur Verfügung. Dies kann z.B. durch das Ausfüllen eines Fragebogens bei der Registrierung geschehen. Dagegen ist die implizite Personalisierung aufwändiger. Vom Webserver erfasste Daten, wie das Datum des letzten Besuchs der Website oder die Anzahl der aufgerufenen Seiten, werden dem Benutzerprofil hinzugefügt. Informationen über den Benutzer werden mithin nicht vom Kunden abgefragt, sondern indirekt gesammelt, indem sein Online-Verhalten beobachtet wird. In der Regel ist sich der Web-Kunde dabei nicht bewusst, dass jeder seiner „virtuellen Schritte“ registriert wird,

Unabhängig davon, welche Personalisierungs-Methoden zur Anwendung kommen, müssen die Benutzer zunächst identifiziert werden. Eine Vorgehensweise, die dazu meist mit der impliziten Form verwendet wird, geht mit der Verwendung von Cookies einher. Bei dieser Art von „Keksen“ handelt es sich um kleine Dateien, die auf der Festplatte der Kunden gespeichert werden. Besuchen diese die Website erneut, verraten die CookieDaten, was beim letzten Mal der Gegenstand des Interesses war. Diese Inhalte können dann bevorzugt angezeigt werden. Auf die Verwendung der Kekse sollte allerdings explizit hingewiesen werden, um die Kunden nicht zu verärgern.

womit auch schon der größte Nachteil dieses Verfahrens benannt ist. Kunden reagieren oft ausgesprochen negativ, wenn ihnen klar wird, dass sie ohne ihr Wissen beobachtet wurden. In vielen Fällen macht es Sinn, durch eine Kundenbefragung Vorbehalte im Vorfeld zu untersuchen und sich eventuell auf die explizite Personalisierung zu beschränken. Die beiden gängigsten Methoden um Benutzerprofile zu analysieren und eine Empfehlung abzugeben, sind regelbasierte und Filter- Verfahren. Die verwendeten Regeln, um einem Benutzer Inhalt oder Produkte zu empfehlen, werden am besten von den Marketing-Experten im Unternehmen bestimmt und können z.B. auf Erfahrungswerten oder aktuellen Trends beruhen. Ein Beispiel ist die Empfehlung einer zusätzlichen Hardware- oder Software-Komponente für Kunden, die vor kurzem einen PC erworben haben.

Filterverfahren sind eine andere Methode, um Kundenprofile zu analysieren. Die Filterung kann auf verschiedene Arten erfolgen und auch mit regelbasierten Verfahren kombiniert werden. Beim einfachen Filtern wird der Benutzer einer zuvor definierten Gruppe von Anwendern zugeordnet. Entsprechend seiner Gruppe wird der dargestellte Inhalt angepasst. Typische Gruppen sind Rentner, Studierende etc. Eine weitergehende Filterungsmethode ist das inhaltsbasierte Filtern. Im Fokus ist hier das Objekt das dargestellt oder angeboten werden soll. Es verfügt über ein oder mehrere Attribute und durch diese Attribute werden ähnliche Objekte erkannt. Ein Beispiel ist die Identifizierung verwandter Artikel durch den Vergleich vorkommender Schlüsselwörter im Text. Große E-Commerce-Anbieter wie etwa Amazon nutzen diese Möglichkeiten und weisen beim Kauf eines Buches auf verwandte

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oder interessengleiche Titel hin. Mit einem einfachen, überschaubaren Empfehlungssystem winkt dabei nicht nur zusätzlicher Umsatz, sondern auch höhere Kundenzufriedenheit. Einen weitergehenden Ansatz verfolgt das kollaborative Filtern. Hier werden nicht objektiv vergebene Attribute miteinander verglichen, sondern Meinungen von Anwendern zu den Objekten. Dadurch werden „Peergruppen“ ermittelt, die ein ähnliches Profil haben. So werden z.B. durch Bewertungen zu CDs oder Büchern Kaufempfehlungen herausgefiltert, die durchaus von denen abweichen, die durch inhaltsbasiertes Filtern ermittelt wurden. Die neue CD eines Künstlers kann beispielsweise vom Inhalt her empfehlenswert sein, jedoch in der Meinung der Benutzer nicht hoch im Kurs stehen. Beim kollaborativen Filtern würde diese CD den entsprechenden Kunden auch nicht empfohlen werden. Die Entscheidung, welche Methode der Personalisierung gewählt wird, hängt aber nicht nur davon ab, um welche Art von Inhalt bzw. Produkt es sich handelt und ob die Meinung anderer Personen entscheidend sein soll. Die verschiedenen Methoden sind auch in unterschiedlichem Maß aufwändig. Für unterschied-

liche Seitentypen kommen daher oft nur bestimmte Methoden in Frage. Wird z.B. auf einer Website eine Vielzahl von Objekten mit sehr vielen Attributen angeboten, erfordert das inhaltsbasierte Filtern enorm viel Aufwand. Dagegen macht kollaboratives Filtern nur Sinn, wenn Bewertungen durch Benutzer auch in ausreichendem Maß vorliegen. Für Seiten, auf denen sehr viele Informationen angeboten werden (z.B. Nachrichtenseiten) und auf denen die Möglichkeit zur Bewertung der einzelnen Artikel nur in geringem Umfang genutzt wird, empfiehlt es sich, eher auf inhaltsbasiertes als auf kollaboratives Filtern zu setzen. Unabhängig davon, welche Methoden zur Anwendung kommen, müssen die Benutzer zunächst identifiziert werden. Eine übliche Methode, die meist zusammen mit der expliziten Form der Personalisierung verwendet wird, ist der „Login“. Der Benutzer wählt einmalig einen Benutzernamen und ein -kennwort. Bei nachfolgenden Besuchen kann er durch Angabe dieser Daten wieder erkannt und mit personalisierten Inhalten versorgt werden. Aber auch Cookies erlauben die Identifizierung von Kunden, wobei sich vor allem die implizite Personalisierung dieses Mittels bedient.

PERSONALISIERUNG Die unterschiedlichen Verfahren >Ausgangspunkt ist ein Schüler, der viel liest – vor allem Harry Potter >Regelbasiertes Filtern: Durch eine festgelegte Regel werden weitere Harry Potter Bücher angeboten >Einfaches Filtern: Zuordnung zur Gruppe der Schüler >Inhaltsbasiertes Filtern: Das zuvor ausgewählte Harry Potter Buch wird bezüglich seiner Attribute ausgewertet – Thema: Harry Potter, Genre: „Fantasy“, Autorin: Rowling etc. Entsprechend der jeweils gültigen Regel werden z.B. andere „Fantasy“ oder andere Bücher von Rowling angeboten >Kollaboratives Filtern: Der Schüler wird der „Peergroup“ der Vielleser von Jugendliteratur insbesondere Harry Potter zugeordnet. Repräsentanten dieser Peergroup wurden zuvor befragt, wie sie den neuen Harry Potter finden. Schnitt dieses Buch schlecht ab, wird der neueste Harry Potter nicht empfohlen

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EINE WEITERE MÖGLICHKEIT die Kundenbeziehung im Internet zu individualisieren, ist durch den Newsletter-Versand gegeben. Die Chefin des Theaterorganisationsbüros in Hamburg meint dazu, „elektronische Newsletter ermöglichen es mir, ohne viel Aufwand Kunden anzusprechen, zu gewinnen und langfristig an mein Unternehmen zu binden.“ Oberstes Prinzip für die Künstleragentin ist allerdings dabei, nur zu mailen, wenn sie auch wirklich etwas zu sagen hat. „Weil wir nur relevante Informationen an die Empfänger versenden, ist die Akzeptanz unseres Newsletters sehr hoch.“3 Gute Inhalte sind mithin entscheidend. Für den Kunden muss ein Zusatznutzen entstehen. Der Anbieter sollte daher Themen wählen, die nicht nur zu den eigenen Produkten und Dienstleistungen passen, sondern für den Kunden einen echten Mehrwert bringen. Dann allerdings können Newsletter durchaus zum Umsatzwachstum beitragen. Immerhin 5 Prozent des deutschen Versandhandels-Umsatzes lassen sich auf E-Mail zurückführen.4 Damit der Newsletter jedoch funktioniert, muss bereits eine Beziehung zum Adressaten bestehen. Wer hingegen Neukunden gewinnen möchte, sollte stattdessen eher auf Suchmaschinen-Marketing, An-

zeigen oder Öffentlichkeitsarbeit setzen. Nur bei Bestandskunden erreichen periodisch gesendete Newsletter gute Reaktionsraten.5 Der Grund ist, dass die Leser in diesem Falle die Zusendung wünschen. Sie haben sich dafür immerhin eigens registrieren lassen. Das Erfolgsgeheimnis lautet: Freiwilligkeit.6 Weil ungebetene Werbung die Mailboxen verstopft, dürfen Newsletter nur an Adressaten gesandt werden, die dem Empfang ausdrücklich zugestimmt haben. Um mögliche rechtliche Probleme zu vermeiden, sollte auf jeden Fall das so genannte „Double-Opt-In-Verfahren“ eingesetzt werden. Das bedeutet, dass Interessenten nach ihrer Registrierung eine E-Mail bekommen und dort ihren Eintrag nochmals bestätigen müssen. Wer ohne diese Einwilligung Newsletter verschickt, riskiert eine Abmahnung.7 Überraschend viele Newsletter weisen solche juristische Schwachstellen auf. Torsten Schwarz gibt in seinem Online-Artikel acht Regeln an die Hand, wie ein Newsletter rechtssicher gestaltet werden kann.8 Neben der Einwilligung (1) kommt es nach Schwarz darauf an, dass diese auch korrekt eingeholt wird (2). Ein klein gedruckter oder in den AGBs versteckter Satz genügt nicht. Bei einer juristisch einwandfreien Einwilligung muss auf die Abbestellmög-

NEWSLETTER Erfolgsfaktoren >Relevanz Nur mailen, wenn es auch etwas zu sagen gibt und nur an registrierte Empfänger >Rechtliches Acht Regeln beachten >Sichtbarkeit Newsletter gut sichtbar auf Website positionieren, Beispiel-Newsletter bereit stellen >An- und Abmeldeprozess kurz und unkompliziert gestalten. Newsletter auch in traditionelle Geschäftsprozesse integrieren: zum Beispiel auch auf herkömmlichem Bestellformular oder auf Rechnungen auf die Möglichkeit hinweisen, dass ein Newsletter bezogen werden kann >Regelmäßiger Versand In festen Abständen und während der Arbeitszeit aussenden >Personalisierung Empfänger mit Namen ansprechen, möglichst auch Inhalte persönlich zuschneiden >Präsentation Kurze E-Mails versenden und von dort auf ausführliche Inhalte verlinken, Betreff-Zeile sorgfältig formulieren

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besteht die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung (7). Der Newsletter muss vor diesem Hintergrund eine vorladungsfähige Adresse beinhalten. Er braucht ein komplettes Impressum, das Namen, Anschrift, Vertretungsberechtigte, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Handelsregister- und Steuernummer enthält. Letzte Anmerkung aus rechtlicher Sicht: Klicks sind immer „anonymisiert“ zu messen (8). Nie darf festgehalten werden, welche E-Mail-Adresse welche Links anklickt. Nutzungsprofile dürfen zwar erstellt, müssen aber „pseudonymisiert“ sein, d.h. sie dürfen nicht mit den E-Mail-Adressen zusammengeführt werden können. Bei weitem nicht alle E-Mail-Systeme arbeiten hier datenschutz-konform. Um eine hohe Abonnentenzahl zu erreichen, muss die Sichtbarkeit des Newsletter-Angebots möglichst hoch sein. Auf der Website des Unternehmens sollte beispielsweise bereits auf der Homepage, für die Kunden gut sichtbar, ein Hinweis auf die Möglichkeit Newsletter sollten nur an Empfänger gehen, die sich zuvor freiwillig registriert haben.

lichkeit sowie auf den Umgang mit den Daten hingewiesen werden. Auch wenn nur die E-Mail-Adresse der Kunden gespeichert wird, muss auf die Zweckbestimmung der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung hingewiesen werden. Darüber hinaus ist die Einwilligung zu protokollieren (3). Bei einem „Double-Opt-InVerfahren“ wird der Einwilligungstext per E-Mail an die angegebene E-Mail-Adresse geschickt. Datum und Umstände der Einwilligung werden in einer Datenbank gespeichert. Die Einwilligung muss jederzeit bewiesen werden können (4), denn der Hauptgrund für Beschwerden ist die Vergesslichkeit der Empfänger. Auf der sicheren Seite ist der Anbieter auch hier, wenn das „Double-Opt-In-Verfahren“ angewendet wird. Der Newsletter sollte in jedem Fall auch anonym bezogen werden können (5). Das Anmeldeformular darf außer der E-Mail-Adresse deshalb keine weiteren Pflichtfelder haben, damit die gesetzlich geforderte anonyme Nutzung möglich ist. Der Empfänger muss der elektronischen Werbung jederzeit bequem widersprechen können (6). Dazu muss jede E-Mail am Ende auch immer eine Abbestellmöglichkeit enthalten. Es

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Dem Empfang des elektronischen Newsletters muss jederzeit bequem widersprochen werden können. Dazu muss jede E-Mail am Ende auch immer eine Abbestellmöglichkeit enthalten.

enthalten sein, einen elektronischen Newsletter zu beziehen. In vielen Fällen ist es sogar sinnvoll, das Newsletter-Angebot in die Hauptnavigationsleiste zu integrieren. Die meisten Unternehmen haben mittlerweile auch erkannt, dass die Newsletter-Registrierung in alle bereits bestehenden Registrierungsprozesse zu integrieren ist. Es werden jedoch immer noch Fälle beobachtet, in denen bis zu sieben Klicks benötigt werden, um sich für einen Newsletter anzumelden. Auch fehlt nicht selten ein Beispiel-Newsletter im Internet als Angesichtsexemplar. Hinzu kommt, dass das Layout der Anmeldeseite für den elektronischen Brief oftmals nicht gut ausgeführt ist. So fehlt gelegentlich eine klare optische Trennung zwischen Anmeldung, Abmeldung und „E-Mail-Adresse-ändern“. Auch sind die Anmeldefelder nicht immer optisch hervorgehoben und es fällt auf, dass Pflicht- und optionale Felder in vielen Fällen auf den ersten Blick nicht deutlich voneinander unterschieden werden können. Der Newsletter sollte auch anonym bezogen werden können. Das Anmeldeformular darf außer der E-Mail-Adresse keine weiteren Pflichtfelder enthalten.

Es besteht die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung. Der Newsletter muss deshalb eine vorladungsfähige Adresse beinhalten.

Auch wird bei der Registrierung häufig zu viel abgefragt. Es kommen durchaus immer wieder Fälle vor, in denen bis zu acht Felder ausgefüllt werden müssen – kaum ein Kunde bekommt da nicht zu viel. Im Gegenteil: Solche Fehler vermeiden schnelles Abonnenten-Wachstum. Gerade in der Aufbauphase des neuen Newsletters ist auch die inhaltliche Integration besonders wichtig. Immer wenn Kunden sich beim Unternehmen registrieren müssen, etwas bestellen, vom Unternehmen angeschrieben werden oder Prospektmaterial erhalten, darf der Hinweis auf den Newsletter nicht fehlen. Ist ein Abonnentenstamm aufgebaut, geht es darum, dass der elektronische Kundenbrief dauerhaft Interessenten findet. Laut Christian Scheier beträgt die übliche Verweildauer bei Newslettern nur 15 Sekunden.9 Der flüchtige Leser muss mithin sofort aufmerksam werden oder der elektronische Infobrief landet gleich im virtuellen Papierkorb. Langatmigkeit ist fehl am Platz. Dennoch war der größte Newsletter, aller 40.000 in einer Studie untersuchten, 1,3 Megabyte (!) groß.10 Eine HTML-Serien-E-Mail sollte aber ca. hundert Kilobyte nicht wesentlich überschreiten.

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Überhaupt sollte ein Anschreiben, das per E-Mail übermittelt wird, immer nur ein paar Zeilen lang sein. Auf den eigentlichen Newsletter, der dann im Web zu finden ist, wird verlinkt.11 Und noch ein paar Dinge müssen umgesetzt werden, um gerade den flüchtigen Leser an den elektronischen Newsletter zu binden: Das Wichtigste sollte immer ganz oben stehen. Übersichtlichkeit ist beim Newsletter oberstes Gebot. Ein Inhaltsverzeichnis beispielsweise erleichtert den Überblick erheblich. Eine erfolgreiche und deshalb auch häufig eingesetzte Strukturierung von Newslet-

vom Newsletter ermöglicht, sowie juristisch motivierte Hinweise beispielsweise die Datensicherheit betreffend (siehe oben). Die Formulierungen im Newsletter sollten knapp und bündig sein. E-Mails werden meist nur „gescannt“ und nicht sorgfältig gelesen. Die Sätze sollten daher maximal 25 Worte lang und möglichst in der Sprache der Zielgruppe formuliert sein. Der Kunde sollte möglichst persönlich angesprochen werden. Leider verwendet allerdings immer noch fast die Hälfte aller Aussender nicht die persönliche Ansprache, sondern

tern sieht so aus: Kopfbereich, Editorial, Inhaltsverzeichnis, eigentlicher Inhaltsbereich und so genannter Abbinder. Im Kopfbereich befinden sich alle notwendigen Angaben zur Identifikation des Aussenders. Das Editorial sollte von einer höher gestellten Person im Unternehmen (beispielsweise Geschäftsführung) unterschrieben sein und in knapper Form das „Highlight“ des aktuellen Rundschreibens beleuchten. Der so genannte Abbinder schließlich beinhaltet vor allem auch einen Link auf eine Web-Seite, die eine Änderung der Registrierungsdaten und auch das unkomplizierte Abmelden

Die übliche Verweildauer bei einem Newsletter beträgt nur einige Sekunden. Elektronische Post wird meist nur „gescannt“. Die Sätze sollten daher kurz und in der Sprache der Zielgruppe formuliert sein.

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das unverbindliche „sehr geehrte Damen und Herren“. Und das obwohl personalisierte Newsletter deutlich höhere Klickraten erzielen. Diese Personalisierung sollte nach Möglichkeit sogar noch über die Anrede hinausgehen. Im Idealfall erhält jeder Empfänger einen nach seinen Interessen zusammengestellten Newsletter. Um diese persönlichen Interessen und damit das Leser-Profil zu ermitteln, ist meist ein Bewertungsverfahren nützlich. Für jeden Artikel wird dem Leser ein „Rating-Verfahren“ bereitgestellt. Aus der Summe der Bewertungen entsteht schließlich ein Leserprofil, das

Das Corporate Design ist auch beim elektronischen Newsletter zu beachten. Hierdurch werden Wiedererkennungswert und eine seriöse Anmutung erzielt. Der Kunde erkennt, dass er hier von einem Marken-Anbieter und nicht von dubioser Seite angeschrieben wurde.

Rückschlüsse auf die Interessen der Lesrein oder des Lesers zulässt. Ganz wesentlich zum Gelingen von NewsletterMarketing trägt eine gut formulierte Betreffzeile bei. Das erste, was der angeschriebenen Kunde zu Gesicht bekommt ist schließlich das „Mail-Subject“. Auf die Formulierung dieser Zeile sollte allergrößten Wert gelegt werden. Niemand tut sich einen Gefallen, wenn in der Betreffzeile Allgemeinplätze auftauchen. Der Kunde bekommt in der Regel zu viele E-Mails und wird einfach dazu neigen, alles was abgedroschen, langatmig und vor allem uninteressant klingt, ohne Umschweife zu löschen. Wichtigster Punkt hierbei: das Hauptnutzenargument aus Sicht des Kunden gehört in die Betreffzeile. Mehrwert statt Werbung! Und noch eine wichtige Sache: das „Mail-Subject“ darf auf keinen Fall den Anschein von Werbung erwecken oder gar an „Spam“ erinnern. Im Zusammenhang mit der „SpamProblematik“ sind noch folgende Dinge erwähnenswert: Der Empfänger sollte immer sofort den Absendernamen im Blick haben. Begriffe die irgendwie auf „Spam“ hindeuten könnten, sind zu vermeiden. Auch sollte ernsthaft abgewogen werden, ob es wirklich Sinn macht, fremde Werbung in den Newsletter zu übernehmen. Gerade heute ist das ein gefährliches Unterfangen, denn wie Symantec berichtet, imitieren „Spammer“ Newsletter bekannter Firmen, fügen jedoch ein Bild oder einen Link auf eine Bilddatei ein. Sie verwenden schematisierte Vorlagen, um die Newsletter bestmöglich nachzuahmen. Kurz nach dem Öffnen der „HTML-Mails“ wird dann die Bilddatei angezeigt, die zum Beispiel für einen dubiosen Anbieter vermeintlich preisgünstiger Medikamente wirbt. Imitiert werden Newsletter bekannter Unternehmen wie Amazon, Ebay oder Wal-

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mart.12 Mithin gilt: Abstand nehmen von Werbung im Newsletter. Nur wenn das elektronische Rundschreiben ansonsten nicht zu finanzieren wäre, ist im Notfall an Werbe-Maßnahmen zu denken. Das Corporate Design des eigenen Unternehmens ist auch beim elektronischen Newsletter strengstens zu beachten. Hierdurch wird nicht nur der Wiedererkennungswert

Der Versand des Newsletters sollte prinzipiell während der Arbeitszeit erfolgen.

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erhöht, sondern auch die Seriosität des Rundschreibens herausgestellt. Der Kunde erkennt, dass er hier von einem Marken-Anbieter und nicht von dubioser Seite angeschrieben wurde. Noch eine Bemerkung zur Lesbarkeit des Newsletter-Textes. Kursiv gesetzter Text ist am Bildschirm schlecht zu lesen und daher möglichst zu vermeiden.

Auch sollten Wörter nicht unterstrichen werden, es sei denn, es handelt sich um einen Link. Newsletter sollten regelmäßig versendet werden. Gibt es vergleichsweise wenig Neues zu berichten reicht eine monatliche Aussendung vollkommen aus. Ansonsten ist das wöchentliche oder auch vierzehntägige Versenden eine angemessene Alternative.

Der Versand selbst sollte prinzipiell während der Arbeitszeit erfolgen. Das liegt schon daran, wie Studien immer wieder eindeutig belegen, dass weit über 90% der betrieblichen Nutzer ihre E-Mails während der Arbeitszeit lesen. Newsletter die tagsüber versandt werden – etwa zwischen 10 und 14 Uhr – werden dabei deutlich häufiger gelesen, als solche die in der Nacht

Newsletter-Marketing ist erfolgreicher als sein Ruf: Ca. 20% der Empfänger lesen die Mail.

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oder am frühen Abend eingehen. E-Mail-Marketing ist erfolgreicher als sein Ruf. Nach einer Studie der Münchener eCircle AG im Jahr 2005 erinnerten sich beispielsweise sechs Tage nach der letzten Werbemail noch 25 Prozent der Befragten daran, die Mail erhalten zu haben. Bei Vorlage des Anzeigenmotivs stieg der Erinnerungsgrad auf über

70 Prozent. Danach befragt, welche Grundhaltung sie zum E-Mail-Marketing via Newsletter haben, gaben nur knapp 31 Prozent der Studienteilnehmer an, sie als störend zu empfinden. 22 Prozent der Befragten bekundeten dagegen, abonnierte E-Mail-Newsletter grundsätzlich zu lesen.13

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

o. V.: Abschied von der Massenkultur: Personalisierung und Individualisierung im Kundenservice immer wichtiger, vwd, Vereinigte Wirtschaftsdienste, 21.08.2006

2

Vgl. ebenda

3 Buske, Manuela, Chefin des T.O.B. Hamburg, Zitat aus Gestmann, Michael: E-MAIL-NEWSLETTER - Die ersten 15 Sekunden entscheiden, ProFirma, Vol. 10, Heft 01/2007, S. 22–23 4 Vgl. Gestmann, Michael: E-MAIL-NEWSLETTER - Die ersten 15 Sekunden entscheiden, ProFirma, Vol. 10, Heft 01/2007, S. 22–23 5

Vgl. ebenda

6

Vgl. ebenda

7

Über die Rechtslage informiert u.a. die Website www. recht-im-internet.de/themen/spam/rechtslage.htm 8 Vgl. Schwarz, Torsten: Acht Regeln für rechtssichere Newsletter, online im Internet, www.marketing-boerse.de/

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Fachartikel/details/Acht-Regeln-fuer-rechtssichere-Newsletter/1525, abgerufen am 25.01.07 9 Vgl. Scheier, Christian: Wie Werbung wirkt, Freiburg, 2006 zit. nach Gestmann, Michael: E-MAIL-NEWSLETTER - Die ersten 15 Sekunden entscheiden, ProFirma, Vol. 10, Heft 01/2007, S. 22–23 10 Vgl. o. V., Jeder dritte deutsche Newsletter ist zu groß, online im Internet, www.cybiz.de vom 19.05.2006 11

Vgl. Schwarz Torsten, zitiert in o. V.: Jeder dritte deutsche Newsletter ist zu groß, www.cybiz.de vom 19.05.2006 12 Vgl. Pilzweger, Markus: Spammer imitieren echte Newsletter, PC-Welt Online, Meldung vom 17.01.2007 13 Vgl. Leidigkeit, Wolfgang A.: Newsletter-Werbung steigert das Produktinteresse, Versicherungsjournal.de, Ausgabe vom 28.07.2005, online im Internet, www.versicherungsjournal.de/mehr.php?Nummer=11137, abgerufen am 30.06.06

Fernabsatz

Wer keine Überraschungen erleben will, macht sich vor Eröffnung seines Online-Shops erst einmal über die Rahmenbedingungen des Fernabsatzes schlau, denn Widerruf und Rückgabe sind im BGB genauestens geregelt.

A

uf einer Internet-Seite, auf der Büroartikel für private Endkunden angeboten wurden, hatte der Seitenbetreiber Links gesetzt, die zu den vom damals noch gültigen Fernabsatzgesetz geforderten Belehrungen führten. Der Büroartikler wähnte sich damit, was seine rechtlichen Verpflichtungen im Rahmen des Internet-Handels anging, auf der sicheren Seite. Bis allerdings ein Online-Kunde gegen ihn klagte und vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Recht bekam. Das angerufene Gericht war der Meinung, dass die Möglichkeit, mit Hilfe entsprechender Links etwas über sein Widerspruchsrecht zu erfahren, nicht ausreicht. Damit lag erstmals ein Urteil in II. Instanz vor, welches sich mit den Angabepflichten im Fernabsatz befasste. Das Gericht ging dabei relativ weit, was beispielsweise die Wahrnehmbarkeit der Widerrufsbelehrungen bei Online-Kauf betraf. Nach Ansicht des

Senats muss der Nutzer zwanghaft solche Angaben aufrufen, bevor er bestellt. Das Urteil hat Auswirkungen auf die Gestaltung vieler Internetshops. Immer ist vom Betreiber zu überprüfen, in welcher Weise die Kunden auf die Pflichtangaben hingewiesen werden. Ganz besondere Aufmerksamkeit sollte darauf gelegt werden, in welcher Weise Kunden von ihrem gesetzlichen Widerrufsrecht erfahren. Wer auf Nummer sicher gehen will, wird bei der Bestellung einen Ablauf kreieren, der den Kunden Klick für Klick durch die Bestellung führt. Unübersehbar sollten dabei Identität und Anschriften des Anbieters und die aktuellen Regelungen im Widerrufs- oder Rückgaberecht angezeigt werden.1 DAS EINKAUFEN IM NETZ unterscheidet sich von jeder Form des traditionellen Handels. War das Herausgeben eines Warenkatalogs noch mit großem

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Online-Distributions- und Preispolitik

FERNABSATZVERTRÄGE

WIDERRUF, RÜCKGABE

Verträge im Internet

§355 und §356 BGB

>Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden.

>Das Widerrufsrecht im Fernabsatz muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.

>Fernkommunikationsmittel werden ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt; gemeint sind Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, Rundfunk, Tele- und Mediendienste >Nicht geregelt durch die Vorschriften über Fernabsatz sind u. a. Fernunterricht, Vermittlung von Versicherungen und Verträge, die unter Verwendung von Warenautomaten zustande kommen.

>Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem das Widerrufsrecht in Textform mitgeteilt worden ist. Namen und Anschrift des Anbieters, einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Widerrufsrechtes sollten darin ausgeführt sein. Ist der Fristbeginn streitig, so trifft die Beweislast den Unternehmer. >Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. Bei der Lieferung von Waren beginnt die Frist nicht vor dem Tag ihres Eingangs beim Empfänger. Das Widerrufsrecht erlischt nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. >Ein Rückgaberecht kann als Ersatz für das Widerrufsrecht angewandt werden. >Voraussetzung ist, dass eine deutlich gestaltete Belehrung über das Rückgaberecht erteilt wird, der Verbraucher den Verkaufsprospekt in Abwesenheit des Unternehmers eingehend zur Kenntnis nehmen konnte und dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger das Rückgaberecht in Textform eingeräumt wird.

Aufwand und entsprechendem finanziellen Einsatz verbunden, so kann heute jedermann zum OnlineHändler werden. Alles was dazu benötigt wird, ist eine Software zum Betrieb eines Internetshops und etwas gemieteten Platz auf einem Server. Entsprechende Software-Programme werden online sogar kostenlos angeboten. Im E-Commerce tummeln sich daher auch unterschiedlichste Anbieter – vom Großkonzern mit mehreren Milliarden Euro Umsatz bis hin

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zum Amateur, der am Feierabend einige selbst gebastelte Produkte in seinen Shop stellt. Noch einfacher geht es übrigens, wenn die Anbieter eine vorhandene Plattform wie eBay nutzen. Der ambitionierte OnlineHändler braucht sich in diesem Fall nur noch um sein Sortiment zu kümmern. Aber ist das wirklich so? Was ist zum Beispiel mit dem Kaufvertrag? Auch im Netz wechselt Ware den Besitzer, wenn auch über eine virtuelle Verkaufstheke.

Geregelt wird die Transaktion in jedem Fall auf Basis eines Kaufvertrags. Dieser beinhaltet eine gegenseitige Willenserklärung von Käufer und Verkäufer. Im Online-Handel wird mit dem Abschicken des WebBestellformulars (übrigens auch durch Bestellung per Telefon, SMS, E-Mail oder Fax) seitens des Verbrauchers verbindlich gegenüber dem Online-Unternehmer erklärt, den Inhalt des Warenkorbes erwerben zu wollen. Der Vertrag kommt dann entweder durch Erklärung (Auftragsbestätigung) des Anbieters oder mit der Absendung der Ware zustande. Diese Online-Vertragsgestaltung unterliegt den Rahmenbedingungen des Fernabsatzes und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt – wie im Übrigen alle Verträge über die Lieferung von Waren oder Leistungen, die zwischen Händler und Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden.2 Die Verlagsgruppe Milchstraße, die insbesondere mit ihrem Flaggschiff „TV Spielfilm“ am Markt wahrgenommen wird, machte unlängst mit diesem Fernabsatzrecht Bekanntschaft. Bei der Bewerbung eines Filmkalenders wurden im Internet keine Angaben zur Anschrift und Identität des vertragsschließenden Unternehmens gemacht. Im Gegensatz zur älteren Rechtslage wurde jetzt aber ausdrücklich in § 1 Abs. 1 BGB-Info V, auf den sich § 31 BGB bezieht, die noch weitergehende Benennung der „Identität“ sowie einer „ladungsfähigen Anschrift“ verlangt. Die Angabe eines Postfachs genügt nicht. Daneben muss die komplette korrekte Firma genannt werden. Eine Angabe, wie „CINEMA-Leserservice“ reicht nicht aus.3

DA KUNDEN DIE ONLINE BESTELLTE WARE nicht zuvor ansehen und prüfen können, gilt im Internet ein generelles Widerrufsrecht nach § 355 BGB. In einer Frist, die im Regelfall 14 Tage beträgt, kann der Käufer ohne Angabe von Gründen vom Kauf zurücktreten. Dazu reicht der rechtzeitige Widerruf in Textform oder die fristgerechte Rücksendung der Ware aus, wobei

die Frist mit dem Erhalt der bestellten Artikel beginnt. Diese Regelung gilt allerdings nicht bei Verträgen zwischen zwei Verbrauchern. Privatversteigerungen bei eBay sind mithin nicht betroffen, denn es muss auf der Verkäuferseite ein Unternehmer beteiligt sein. Wird im Internet allerdings bei einem Händler bestellt oder ersteigert, gilt in jedem Fall, das hat der Bundesgerichtshof am 03.11.2004 endgültig entschieden, ein Widerrufsrecht.4 Widerruft ein Kunde die Bestellung, so ist er zur Rücksendung der Ware verpflichtet, wenn dies per Paket möglich ist (bis 20 kg). In der Regel erfolgt die Rücksendung auf Kosten des Online-Händlers. Der Händler kann aber in seinen Geschäftsbedingungen festlegen, dass der Kunde die Rücksendekosten für Warenlieferungen mit einem Bestellwert bis zu 40 Euro übernehmen muss. Bei über diesem Betrag liegenden Bestellwerten oder dann, wenn die Ware nicht der Bestellten entspricht, trägt der Händler immer die Rücksendekosten. Der Online-Händler sollte seine Lesart, was die Rückgabe von Waren angeht, in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), auf die er hinweisen muss, kommentieren. So kann dem Kunden beispielsweise auch ein generelles Rückgaberecht nach § 356 BFB eingeräumt werden. Gewährt der Händler ein solches Rückgaberecht, trägt der Verkäufer immer die Kosten der Rücksendung. Beim Rückgaberecht gelten die gleichen Fristen und Formerfordernisse wie beim Widerrufsrecht. Im Unterschied zum Widerrufsrecht muss allerdings die Ware vom Verbraucher beim Rückgaberecht innerhalb der Zweiwochenfrist auch zurückgesandt werden. Beim Widerrufsrecht ist das nicht zwingend erforderlich, wenn der Widerruf in Textform rechtzeitig erfolgt ist. Bestimmte Waren fallen nicht unter die gesetzlichen Vorschriften des Fernabsatzes. Demnach ist also auch ein Widerrufsrecht ausgeschlossen. Unter anderem ist dies bei schnellverderblichen Lebensmitteln, vom Kunden entsiegelten Datenträgern, Eintrittskarten für Freizeitveranstaltungen und bei Maßanfertigungen der Fall.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Becker, R. und Wienke, A.: Fernabsatzgesetz Angabepflichten im Internet, http://www.urteilsticker.de/index. php4?z=urteil&id=135, abgerufen am 14.11.06

2

Näheres zu den Fernabsatzverträgen bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch in den Paragrafen 312 b bis 312 f

3

Vgl. Becker, R. und Wienke, A.: Adressangaben im Fern-

absatz, online im Internet, www.urteilsticker.de/index. php4?z=urteil&id=233, abgerufen am 14.11.06 4

Vgl. Becker, R. und Wienke, A.: Widerrufsrecht bei eBay, online im Internet, www.fernabsatz-gesetz.de/grundlagen/versteigerungen/ebaywiderruf.htm, abgerufen am 14.11.06

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Sicherheit im E-Commerce

Von den AGBs bis zum Warenkorb – Sicherheit betrifft alle Aspekte des E-Commerce. Nur wer sich der Problematik stellt, kann als Anbieter dauerhaft im Netz bestehen. 180

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A

m 7. Februar 2006 rückte das brisante Thema Sicherheit im Netz weltweit wieder einmal ins öffentliche Bewusstsein. Zahlreiche deutsche Institutionen beteiligten sich an dem Aktionstag „Safer Internet Day“. Die EU-Initiative „Klicksafe“ stellte dafür eigens einen Sicherheitstest für Einsteiger ins Netz. Alle Computer-Nutzer wurden aufgerufen, ihr InternetWissen zu testen. Jeder, der an dem Online-Quiz unter www.klicksafe.de teilnahm, unterstützte damit die EUInitiative für mehr Internet-Sicherheit. Nach Ansicht von “Klicksafe“ kann sich jeder durch Medienkompetenz vor Viren, „Spams“, „Spyware“, „0190-Dialern“ und Hackern schützen.1 Eine sinnvolle Initiative, denn trotz der großen Bedeutung des E-Commerce stehen immer noch viele Kunden und Online-Shop-Betreiber

dem Thema Sicherheit etwas ratlos gegenüber. Und das obwohl im Netz viel Information zum Thema zugänglich ist.2 Mittlerweile hat der Online-Handel dem klassischen Versandhandel per Katalog ja auch längst den Rang abgelaufen. Als Einkaufsumgebung ist das Netz etabliert. Während in den neuen Bundesländern Bücher besonders gefragt sind, bestellt der Rest der Republik lieber CDs und DVDs. Das sind erste Ergebnisse der Studie eCommerce 2006, die Pay-Pal, der Online-Zahlungsservice von eBay, bei EuPD Research in Auftrag gegeben hat und in der auch das Thema Sicherheit eine große Rolle spielt. Für die repräsentative Studie wurden im Januar 2006 über tausend OnlineNutzer befragt. Gekauft wird in Westdeutschland eher in den großen, bekannten Shops. Der Grund: Von die-

Gefüllte Warenkörbe sorgen auch im virtuellen Shop für hohe Umsätze. Anders als im Supermarkt birgt der elektronische Einkaufshelfer aber noch einen anderen Nutzen – er lässt sich analysieren und verhilft so zu nützlichen Informationen über die Kundschaft. Problematisch wird die Sache allerdings, wenn dazu Cookies verwendet werden.

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sen wird das Thema Sicherheit stärker kommuniziert. Kleine Shops haben es hier deshalb deutlich schwerer.3 Aber das Einkaufen im Netz unterscheidet sich grundsätzlich vom normalen Einkaufsbummel. War der Aufbau eines klassischen Versandhauses mit großem Aufwand und entsprechendem finanziellen Einsatz verbunden, so kann heute jeder relativ einfach zum Online-Händler werden. Alles was er dazu benötigt, ist eine Software zum Betrieb seines Online-Shops und einen gemieteten Server im Internet. Entsprechende Software-Programme werden im Internet sogar kostenlos angeboten. Dies hat dazu geführt, dass sich im Bereich des Online-Handels äußerst unterschiedliche Anbieter tummeln – vom Großkonzern mit mehreren Milliarden Euro Umsatz bis zum Feierabend-Händler, der eigene Produkte und Beschreibungen in seinen Shop stellt. Diese wiederum kauft er nicht selten selbst bei Online-Großhändlern ein. Noch einfacher geht es übrigens, wenn man als Anbieter eine vorhandene Plattform wie eBay nutzt. Dann spart man sich sogar den eigenen Server und die notwendige Software. Eigentlich steht dem Start ins digitale Geschäftsleben für jedermann mithin nichts mehr im Wege, wenn, ja wenn das leidige Thema Sicherheit nicht wäre. Die neue Vielfalt der Anbieter im Netz birgt nämlich durchaus auch schwarze Schafe, die es mit der Seriosität nicht allzu ernst nehmen. Hinzu kommen auch auf Kundenseite „Schelme“, die sich einen Spaß daraus machen, Ware digital zu bestellen und nicht zu bezahlen oder einen E-Commerce-Server mit Viren außer Gefecht zu setzen. Worum geht es aber beim Thema Sicherheit im Einzelnen? DIE THEMATIK BEGINNT schon ganz am Anfang des virtuellen Einkaufs beim so genannten Warenkorb. Dieser ist im Online-Shop nichts anderes als die Bestellliste des Kunden. Artikel, für die sich die Konsumenten interessieren, werden hier erst einmal abgelegt, um später dann an der virtuellen Kasse möglicherweise auch gekauft zu werden. Je nach verwendeter Shop-Software4 werden Warenkorbsysteme über so genannte Cookies realisiert – kleine Textdateien, die ein Server auf dem Kunden-Computer speichert. Viele Kundinnen und Kunden fühlen sich durch diesen Speichervorgang in ihrer Privatsphäre verletzt. Die technisch versierteren unter ihnen stellen denn auch ihren Browser so ein, dass Cookies verhindert werden. Viele Internet-Läden funktionieren jedoch mit dieser Einstellung nicht und der Online-Einkauf muss abgebrochen werden. Das kommt daher, dass es für die Anbieter im Web in den Anfangszeiten kaum Alternativen zu Cookies gab. Besonders wenn es darum geht, Personen, die früher schon einmal den Shop besucht haben, wieder zu erkennen, gibt es

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heute noch keine vernünftige Alternative im Internet. Der Datenstrom im Internet ist anonym und nur wenn man den Computer sozusagen „markiert“, kann er wieder erkannt werden. Für die Kundenbindung im virtuellen Handel ist das aber eine wichtige Voraussetzung, denn wenn über einen längeren Zeitraum die Chance gegeben ist, die Vorlieben und Interessen der Konsumenten aufzuzeichnen, lässt sich eine individuelle Kundenansprache realisieren. Bei den dazu verwendeten Cookies kann zwischen verschiedenen Arten unterschieden werden. Unterscheidungskriterien sind das Ablaufdatum und, ob sie vom besuchten Webserver oder einem externen Server (Drittanbieter) angelegt werden. Cookies sind durchaus auch für die Konsumenten nützlich. Sie werden erst dann zu einer Gefahr, wenn sie missbräuchlich verwendet werden. Was mitunter als Kundenpflege verstanden werden kann, wird spätestens dann zweifelhaft, wenn Cookies von einem externen Server auf dem PC angelegt werden. Es gibt große Internet-Vermarktungsfirmen wie beispielsweise DoubleClick, die die Werbebanner ihrer Kunden auf vielen verschiedenen Internet-Seiten einblenden. Dabei wird dann gleich ein passendes Cookie auf jedem Rechner hinterlassen. Der Vermarkter kann anhand der Cookies individuell feststellen, auf welchen Internet-Seiten welche Informationen abgerufen wurden. Werden die Angaben zusammen geführt, so können Benutzerprofile erstellt werden, mit deren Hilfe gezielt Werbebanner und Angebote für jeden einzelnen Internet-Besucher auslieferbar sind. Dabei treten Skrupel meist nur auf massiven Druck von Verbraucher- und Datenschützern auf. So bietet www.A9.com personalisierte Suchdienste an, bei denen jeder Nutzer zum Beispiel alle gestellten Suchanfragen zur späteren Wiederverwendung speichern kann. In den Geschäftsbedingungen weist A9.com allerdings darauf hin, dass die Firma eine Tochter von amazon.com ist und die Cookies gegenseitig gelesen und ausgewertet werden. Jeder Browser verfügt über Einstellmöglichkeiten für die Behandlung von Cookies. Von vielen Kunden werden Cookies von Drittanbietern – also von externen Servern – nicht akzeptiert. Darüber hinaus können die Einstellungen so gewählt werden, dass alle Cookies nach Ende des Internet-Besuches auf dem Server gelöscht werden.5 BEI DEN MEISTEN Internet-Händlern müssen sich die Konsumenten vor einer Bestellung erst registrieren und eine Reihe von Daten preisgeben. Der ECommerce-Server hält mithin für jeden Einkauf, der im Shop getätigt wurde, auch die Daten der Kundin oder des Kunden vor. Für viele Web-Besucher hat das etwas Beklemmendes. Im Supermarkt kann ja bar bezahlt und damit anonym eingekauft werden und aus

Kundensicht ist die Forderung nach neuen, anonymisierten Einkaufsmöglichkeiten im Web durchaus nachvollziehbar. Bei der heute üblichen Registrierung werden jedoch in vielen Fällen ein Kundenname und eine Kundennummer individuell vergeben und verschiedene persönliche Daten abgefragt – einige Angaben sind freiwillig, andere müssen jedoch gemacht werden, um den Shop nutzen zu können. Auch für den Kunden kann eine Registrierung durchaus sinnvoll sein, vereinfacht sie doch das Verfahren bei häufiger Nutzung des Online-Shops. Bestellt eine Kundin oder ein Kunde beispielsweise regelmäßig bei Amazon, so genügt die Eingabe eines Kennwort und die E-Mail-Adresse und schon kann nach einigen Bestätigungen innerhalb von Sekunden bestellt werden. Was dem Internet-Anbieter jedoch bewusst sein sollte: Die Konsumenten geben durch die Angabe ihrer Daten immer auch ein Stück Privatsphäre preis. Dabei besteht das Risiko des gewollten oder auch ungewollten Datenmissbrauchs. Viele deutsche Internet-Nutzer beispielsweise haben daher immer noch kein Vertrauen in die Sicherheit ihrer persönlichen Daten und den Zahlungsvorgang

beim Online-Shopping. Das hält Interessenten in vielen Fällen vom Online-Kauf ab. Web-Händler sollten schon aus diesem Grund alles tun, um dem Kunden die Botschaft zu vermitteln, dass mit Daten nicht missbräuchlich umgegangen wird. Klares Signal in diesem Fall: Ein Online-Gütesiegel. Gut sichtbar auf der Website positioniert, zeigt es den Verbrauchern, dass der Web-Shop von neutraler Seite zertifiziert und damit vertrauenswürdig ist. Die Existenz einer Vielzahl von Online-Gütesiegeln auf dem deutschen Markt trägt allerdings auch zur Verwirrung der Verbraucher bei. Die Initiative D21 stellt auf ihrem Internet-Portal deshalb eine Reihe gut eingeführter Gütesiegel vor.6 Der Online-Handel ist gut beraten, einer dieser Empfehlungen auch zu folgen. SO HAT SICH EXPEDIA.DE, ein führender Touristikanbieter, für das Online-Prüfsiegel s@fer-shopping, eine Initiative von TÜV Management Service GmbH und Winterthur Garantie AG, entschieden. Die Initiative s@fer-shopping führte im dazu notwendigen Audit eine Befragung der verantwortlichen Personen des

Bei vielen InternetHändlern müssen sich die Kunden vor dem Bestellen erst registrieren. Dabei besteht immer auch das Risiko des Datenmissbrauchs.

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haben von Kundendaten an und durch Dritte.7 Als Reisebüro handelt Expedia.de auch im Internet nur als Mittler und muss zur Erfüllung seiner Lieferpflicht Kundendaten an seine Partner weitergeben. Aus diesem Grund müssen auch die Übertragungswege zu Partnern wie Airlines, Reiseveranstaltern und Technologiepartnern verschlüsselt sein. Eine „normale“ Datenübertragung im Internet ist nämlich alles andere als eine sichere Angelegenheit. Sämtliche Informationen des Http-Protokolls werden unverschlüsselt durch die Leitungen übermittelt und können jederzeit abgefangen und mitgelesen werden. Dies gilt übrigens ebenso für den E-Mail-Verkehr. Unverschlüsselt werden diese im Klartext versendet. Fazit: Sollen elektronische Daten, wie beispielsweise kundenbezogene Informationen, vertraulich bleiben, sind sie zu verschlüsseln.8

Der Online-Touristikanbieter EXPEDIA.DE hat sich für das Online-Prüfsiegel s@fer-shopping entschieden. Damit wird der Internet-Kundschaft unter anderem die Botschaft signalisiert, dass mit kundenbezogenen Daten korrekt umgegangen wird.

Online-Reisebüros durch. Zudem fand eine erweiterte Dokumentenprüfung und eine Beobachtung der Aktivitäten im Unternehmen statt. Außerdem wurde die gesamte Systemlandschaft von Expedia.de nochmals genau geprüft. Dazu gehörten auch die Prüfung der notwendigen Übertragungsprozesse und das Hand-

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BEIM DIGITALEN DATENAUSTAUSCH müssen, allgemein gesprochen, vier grundsätzliche Problemfelder beachtete werden:9 >Vertraulichkeit >Echtheit >Unverfälschtheit >Verbindlichkeit Vertraulichkeit: Hier wird sichergestellt, dass außer dem Adressaten keiner die Nachricht lesen kann. Im E-Commerce ist es von großer Bedeutung, Dokumente vertraulich zu behandeln. Echtheit: Stammt die Nachricht wirklich vom angegebenen Absender? Es ist relativ leicht, eine E-Mail, SMS oder Bestellung im Online-Shop unter einem falschen Namen zu versenden. Bei so genannten „Spam-Mails“ passiert das laufend. Der wahre Absender bleibt hier verborgen. Unverfälschtheit: Wie kann sichergestellt werden, dass Nachrichten, die online eingehen, nicht verändert wurden? Auch im Online-Shop kann durch Manipulationen Schaden entstehen, etwa bei der Übermittlung von Bestellmengen. Eine eingefügte „0“ kann dazu führen, dass der ahnungslose „Internet-Shopper“ seine Eingangstür mit einem Berg von Paketen verstellt vorfindet. Verbindlichkeit: Kommen Bestellungen auch wirklich beim angegebenen Adressaten an? Beim Abschluss von Kaufverträgen geht es auch darum, dass der Adressat der Bestellung nicht abstreiten kann, dass die Order eingegangen ist. Um die Vertraulichkeit digitaler Dokumente sicherzustellen, werden unterschiedliche Verschlüsselungsverfahren angewendet, beispielsweise die Caesar-, Vigenère- oder RSA-Verschlüsselung.10 Im E-Commerce kommen sie meist im Rahmen des so genannten Https-Protokolls zum Einsatz. Dabei werden die Daten, beispielsweise die Kreditkarten-Num-

Im elektronischen Geschäftsverkehr besiegelt die digitale Unterschrift die Echtheit und Unverfälschtheit von Dokumenten. Sie ist rechtlich ebenso verbindlich wie ihr herkömmliches Pendant auf dem Firmenbriefbogen.

mer einer Kundin oder eines Kunden, verschlüsselt übertragen. Ob eine verschlüsselte oder unverschlüsselte Übertragung vorliegt, ist in der Adresszeile des Browsers leicht ablesbar. Im dortigen Übertragungsprotokoll sollte immer „https://“ stehen. Obwohl dieses Https-Protokoll einen deutlichen Fortschritt in punkto

Sicherheit gebracht hat, bestehen nach wie vor Sicherheitslücken. Im E-Commerce sollte deshalb die Übertragung schützenswerter Informationen auf ein Minimum begrenzt werden. Mag die einfache Warenbestellung noch recht unbedenklich sein, so ist die Übertragung von Kreditkartendaten und Bankinformationen sicherlich kritisch. AUCH BEI DER ÜBERMITTLUNG von Verträgen jeder Art spielt die Datensicherheit eine große Rolle. Hier hilft die so genannte elektronische Signatur weiter. Sie dient vor allem dazu, die Echtheit und Unverfälschtheit von Dokumenten zu belegen. Diese wird im herkömmlichen Datenverkehr oft durch die persönliche Unterschrift „besiegelt“. Im digitalen Datenverkehr gibt es mittlerweile ein „elektronisches“ und rechtlich bindendes Pendant.11 Man braucht dazu einen privaten und einen öffentlichen Schlüssel. Der Unterzeichner und Absender (Unternehmen A) verschlüsselt seine elektronische Unterschrift mit seinem privaten Schlüssel. Der Empfänger (Unternehmen B) erhält das Dokument und entschlüsselt die Signatur wiederum mit dem öffentlichen Schlüssel von A. Die Unterschrift erscheint nun im Klartext. So ist B sicher, dass das Dokument wirklich von A stammt. Denn würde ein Dritter

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eine E-Mail im Namen von A unterschreiben und mit dem eigenen privaten Schlüssel verschlüsseln, würde B nur kryptische Zeichen erkennen, passen doch die beiden Schlüssel in diesem Falle nicht zusammen. Zusammengefasst heißt das: Da der öffentliche Schlüssel von A allgemein bekannt ist, kann jeder ihn entschlüsseln. Mit Hilfe dieses Schlüssels wird also nur die Echtheit der Nachricht sichergestellt. Um auch die Unverfälschtheit zu gewährleisten, sollte A Nachrichten – wie oben beschrieben – mit dem privaten Schlüssel verschlüsseln. Damit kommt allerdings ein gewaltiger Nachteil des Verfahrens ins Spiel. Die Sache hat nämlich einen Haken: Die Signatur ist jetzt etwa so lang wie der eigentliche Text und die Verschlüsselung nimmt einfach zu viel Zeit in Anspruch. Abhilfe schafft eine geniale Idee. Für jede Zeichenfolge lässt sich ein charakteristischer Wert, der so genannte Hash-Wert berechnen. Er ist vergleichbar mit einer Prüfsumme. Das Geniale daran: verändert sich nur ein einziges Zeichen innerhalb des Dokuments, verändert sich auch der zugehörige Hash-Wert. Schon das Einfügen eines Leerzeichens oder das Weglassen eines Kommas ändert den Wert. Auch ist es so gut wie ausgeschlossen, dass verschiedene Texte den gleichen „Hash-Wert“ ergeben. Dieser ist mithin eine Art digitaler Fingerabdruck der Nachricht. Wie alle Menschen einen individuellen Fingerabdruck besitzen, so besitzt auch jeder Text seinen eigenen „Hash-Wert“. Um die

Photo: Ronaldo Taveira, stock.xchng

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Nachricht an B zu signieren, berechnet A aus dem zu übermittelnden Text den zugehörigen „Hash-Wert“. Diesen verschlüsselt A dann mit dem privaten Schlüssel, um ihn unter den Text als elektronische Signatur zu setzen. Aus dem übermittelten Text kann B nach dem gleichen Verfahren wie A den „Hash-Wert“ errechnen. Danach entschlüsselt er mit dem öffentlichen Schlüssel von A die Signatur. Stimmen beide Werte überein, ist die Nachricht echt. Da nur der öffentliche Schlüssel von A zur Nachricht passt, ist sichergestellt, dass der Text auch von A stammt. Da die Signatur selbst für jeden Text unterschiedlich ist, ist zudem sichergestellt, dass der Text unverfälscht ist. Die beschriebenen Verfahren gelten als sicher. Sie beruhen auf ausgefeilten mathematischen Algorithmen, bei denen in der Regel sehr große Primzahlen eine wichtige Rolle spielen. Um eine Verschlüsselung zu „knacken“, würde ein heutiger Hochleistungscomputer, der pro Sekunde eine Milliarde Schlüssel ausprobieren kann, für eine sehr lange Zeit beschäftigt sein. Absolute Sicherheit gibt es jedoch auch hier nicht. Die größte Gefahr besteht – wie bei Passwörtern – darin, dass unvorsichtig mit dem privaten Schlüssel umgegangen wird und andere ihn erfahren. Dann hilft selbst das aufwändigste Verfahren nicht, um eine Nachricht sicher zu übermitteln. Was aber passiert, wenn das gleiche Schlüsselpaar mehrmals vergeben wird oder Schlüsselpaa-

Click&Buy von Firstgate ist ein sicheres und anonymes Bezahlsystem im Internet. Hier werden die Zahlungen mit den Käufern monatlich per Kreditkarte oder Lastschriftverfahren abgerechnet. Der Verkäufer erhält dabei keine Kreditkartenoder Bankinformationen des Kunden.

re unter falschem Namen erstellt werden? Um dies zu verhindern, gibt es vertrauenswürdige Instanzen: Diese so genannten Trust-Center stellen sicher, dass die Schlüsselpaare eindeutig natürlichen Personen zugeordnet werden, d.h. dass kein Schlüsselpaar an zwei unterschiedliche Personen geht und dass keine Schlüsselpaare an irgendwelche „erfundenen“ Personen vergeben werden. Die Arbeit der Trust-Center funktioniert so: Für jeden öffentlichen Schlüssel erteilen sie ein Zertifikat, das neben dem eigentlichen Schlüssel weitere Informationen zu der jeweiligen Person enthält. Gleichzeitig werden die verwendeten Verschlüsselungsverfahren sowie ein Zeitraum für die Gültigkeit der Schlüssel festgelegt. Bei elektronischen Signaturen, die auf derartige Zertifikate zurückgreifen, spricht man von einer qualifizierten elektronischen Signatur. Sie wird im Geschäftsverkehr und bei Behörden mittlerweile der handschriftlichen Unterschrift gleichgesetzt.12 EBENSO wie der klassische Versandhandel bietet auch der Online-Handel unterschiedliche Zahlungsarten an. Zahlung per Nachnahme oder auch die Banküberweisung sind dabei gängige Möglichkeiten. Weit verbreitet und in der Abwicklung einfach ist das Bezahlen per Kreditkarte. Dazu übermittelt der Kunde seine Kreditkarten-Informationen (Name, Nummer, Kartenanbieter) an den Verkäufer, der die Abrechnung

Impressumpflicht und Allgemeine Geschäftsbedingungen sollte kein Internet-Anbieter vergessen. Zustellbare Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail und Steuernummer gehören dabei zu den Kontaktdaten, die seriöse Anbieter veröffentlichen. Fehlen Angaben dieser Art, kommen Bedenken auf.

mit der Kartenfirma regelt. Gerade bei der Übermittlung von Kreditkartendaten ist aber unbedingt auf eine sichere Übertragung zu achten. Außer den bereits genannten Zahlungsarten existieren auch reine InternetAbrechnungssysteme, über die der komplette Kaufvorgang abgewickelt wird. Ein Beispiel ist Click&Buy von Firstgate. Hier werden die Zahlungen mit den Käufern monatlich per Kreditkarte oder Lastschriftverfahren abgerechnet. Der Verkäufer erhält dabei keine Kreditkarten- oder Bankinformationen des Kunden und Transaktionen über Firstgate werden grundsätzlich verschlüsselt abgewickelt. Seine Seriosität signalisiert der Online-Shop aber noch mit anderen Mitteln. Das Impressum leistet beispielsweise einen wichtigen Beitrag, um Kunden ein sicheres Gefühl bei der Internet-Bestellung zu vermitteln. Es ist mittlerweile auch gesetzlich vorgeschrieben. Im Impressum muss der Betreiber (Eigentümer) der Website eindeutig identifizierbar sein. Seriöse Anbieter veröffentlichen dabei vollständige Kontaktdaten: zustellbare Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail und Steuernummer. Bedenken kommen immer dann auf, wenn Angaben fehlen, wenn Shops beispielsweise telefonisch nicht erreichbar sind oder nur eine Mobilfunknummer angegeben ist. Unerlässlich sind auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) des jeweiligen Anbieters. Diese enthalten die wesentlichen Informationen zum Umtauschrecht, zu den Liefer- und

Photo: Ronaldo Taveira, stock.xchng

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Online-Distributions- und Preispolitik

Zahlungsbedingungen, zu Garantie- und Gewährleistungsvereinbarungen sowie zu anderen wichtigen Fragen der Online-Bestellung. Ein gutes Online-Angebot zeichnet sich dadurch aus, dass der Käufer vor der Bestellung einer Ware ausdrücklich über die AGBs des jeweiligen Händlers informiert wird und diese anerkennt. Web-Angebote, bei denen die AGBs nur sehr schwer auffindbar oder extrem klein geschrieben sind, deuten nicht unbedingt auf die Seriosität des Anbieters hin. SCHLIMM GENUG, dass „Spammer“ die Mailboxen „zumüllen“, Fremde auf den Firmen-PCs herumschnüffeln wollen oder Computerschädlinge die Lust am Online-Handel verderben. Aktuell gibt es eine weitere Plage: „Phishing“. Der Begriff setzt sich aus „Password“ und „fishing“ zusammen, zu Deutsch „nach Passwörtern angeln“. Immer öfter fälschen „Phishing-Betrüger“ E-Mails und Internet-Seiten und haben damit einen neuen Weg gefunden, um an vertrauliche Daten wie Passwörter, Zugangsdaten oder Kreditkartennummern heran zu kommen. Als seriöser Anbieter getarnt, fordern die „Phisher“ in einer E-Mail beispielsweise auf, vertrauliche Daten zu aktualisieren. Davor ist niemand wirklich gefeit, denn die Aufforderung wirkt täuschend echt. Meist wird ein „offizieller Link“ angezeigt. Die „Phishing-Betrüger“ nutzen dabei entweder Internet-Adressen, die sich nur geringfügig von denen der renommierten Firmen unterscheiden. Oder aber sie fälschen die Adressleiste des Browsers mit einem Java-Script. Wer einer solchen Seite seine EC-Geheimnummer, Passwörter oder andere Daten anvertraut, der beschert dem Angler fette Beute und kann sich selbst jede Menge Ärger einhandeln. Den haben allerdings auch die Unternehmen, deren Namen missbraucht wurde. Sie erleiden oft einen beträchtlichen Image-Schaden. Seit Februar 2004 ist deshalb in der „Toolbar“ von eBay eine spezielle Sicherheitsfunktion integriert. Wird die „Toolbar“ instal-

So genannte Trojanische Pferde funktionieren nach demselben Prinzip wie das historische Vorbild. Ein scheinbar nützliches Programm bringt ein anderes versteckt mit sich. Vorbeugung durch Schutzprogramme und umsichtiges Verhalten ist die wichtigste Waffe gegen Computerschädlinge.

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liert, leuchtet der Button „Sicherheits-Check“ grün, wenn man sich tatsächlich bei eBay befindet. Andere Firmen arbeiten an ähnlichen Lösungen, um ihre Kunden zu schützen. In Deutschland hat sich eine interdisziplinäre Vereinigung des „Phishing-Problems“ angenommen. Die „Arbeitsgruppe Identitätsmissbrauch im Internet“ (www.a-i3.org/) stellt auf ihrem Online-Portal nicht nur aktuelle Informationen zu Themen der IT-Sicherheit bereit, sondern auch konkrete Hilfestellungen und Tools. Doch es gibt noch andere Bedrohungen im Web. Wer vorsätzlich beispielsweise Viren, Würmer oder Trojanische Pferde versendet, der macht sich in der Regel der versuchten oder vollendeten Datenveränderung (§ 303a StGB) schuldig, die nach dem Strafgesetzbuch strafbar ist. Wenn Firmen betroffen sind, kann es sich sogar um eine noch strenger bestrafte Computersabotage (§ 303b StGB) handeln. Bei Trojanischen Pferden und anderen Spionageprogrammen kann auch eine Strafbarkeit wegen Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) hinzukommen. Vorbeugung durch Schutzprogramme und umsichtiges Verhalten ist die wichtigste Waffe gegen Computerschädlinge. Damit ein Virenangriff stattfinden kann, benötigt das angreifende Programm Zugang zu einem PC im Unternehmen – entweder über eine Netzwerk- oder Telefonverbindung oder über Datenträger, wie CD-ROMs oder DVDs. Viren zeichnen sich durch zwei Dinge aus: Sie können sich selbst verbreiten und richten Schaden an. Mittlerweile wird die Anzahl an weltweit existierenden Viren-Programmen auf über Hunderttausend geschätzt. Jeden Monat entstehen Hunderte neue. Diese haben bislang weltweit Kosten und Schäden in Milliardenhöhe verursacht.13 „Anstecken“ kann sich ein PC immer dann, wenn Dateien auf den Rechner geladen werden. In jeder ausführbaren Datei, wie zum Beispiel *.exe oder *.com, kann sich ein Virus verstecken. Auch Textdokumente vom Typ *.doc oder Tabellen vom Typ *.xls können virenverseucht sein.

Die meisten Infektionen entstehen durch so genannte E-Mail-Würmer. Wird eine an die Mail angehängte Datei gestartet, wird der Virus aktiviert und verbreitet sich anschließend selbst weiter. Die Computer-Version des Trojanischen Pferdes funktioniert nach demselben Prinzip wie das historische Vorbild. Ein scheinbar nützliches Programm bringt ein anderes versteckt mit sich. So können beispielsweise Passwörter und andere vertrauliche Daten ausgespäht, verändert, gelöscht oder bei der nächsten Datenübertragung an den Angreifer verschickt werden. „Hoax“ steht im Englischen für „schlechter Scherz“. Im Internet hat sich der Begriff als Bezeichnung für Falschmeldungen, vergleichbar mit Zeitungsenten, eingebürgert. Darunter fallen beispielsweise die zahlreichen falschen Warnungen vor bösartigen Computer-Programmen. Der wirtschaftliche Schaden durch „Hoaxes“ ist enorm: Im Schneeball-System können Tausende erreicht werden und jeder der Empfänger

verbringt einige Sekunden teurer Arbeitszeit damit. Noch teurer kann es werden, wenn Handlungsanleitungen befolgt und die Computersysteme verändert werden. Wer diese Anleitungen befolgt, löscht meist Systemdateien und der PC funktioniert danach mitunter nicht mehr.14 Für den E-Commerce-Betreiber ist es wichtig, alles zu tun, um sich und seine Kunden vor solchen Viren zu schützen. Deshalb sollte beispielsweise eine leistungsstarke Virenschutz-Software installiert und regelmäßig aktualisiert werden.15 Das Firmen-Netz und alle WLANs müssen genau wie die fest verkabeltes LANs mit Firewall und Intrusion Detection abgesichert werden. Besonders auch die Anmeldung am Unternehmenssystem muss einer durchgängigen sicherheitstechnischen „Unternehmens-Policy“ entsprechen - hier ist eine sichere, unter Umständen zweistufige Authentisierung gefragt.16

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. o. V.: Aktionstag für mehr Internet-Sicherheit, W&V Online-Magazin vom 05.01.2006 2

Vgl. „secure-it.nrw“ (www.secure-it.nrw.de/initiative/ziele. php). Dabei handelt es sich um eine Landesinitiative aus Nordrhein-Westfalen, die von einer bei der IHK Bonn/ Rhein-Sieg angesiedelten Agentur betreut wird. Die Initiative will das Bewusstsein für IT-Sicherheit in Unternehmen und die flächendeckende Verbreitung des E-Commerce vorantreiben 3 Vgl. ergänzend noch einige Beispiele für große OnlineShops: www.amazon.de, www.quelle.de, www.otto.de sowie Beispiele für Suchdienste, die den günstigsten Preis für einen bestimmten Artikel in angeschlossenen OnlineShops suchen: www.guenstiger.de oder auch www.idealo. de 4 Die Firma Intershop ist ein großer Anbieter in diesem Bereich. Die Homepage des Unternehmens: www.intershop. de 5

Cookies können am Ende einer Internet-Sitzung auch manuell gelöscht werden

6

www.internet-guetesiegel.de

7

Vgl. Seiler, Jürgen: Am Puls des Kunden - Kundenorientierung im Umfeld von Online-Dienstleistungen, QZ - Qualität und Zuverlässigkeit, Heft 2/2002, S. 129-132 8 GnuPG (GNU Privacy Guard) ist beispielsweise ein Verschlüsselungsprogramm, das sicher und leicht zu bedienen ist und sowohl unter Windows- als auch unter LinuxSystemen lauffähig ist; GnuPG ist eine mit Bundesmitteln geförderte, kostenlose Software 9 Vgl. http://sun01.ibe.sit.fraunhofer.de/wbtdemo/ecwbt01/1000.html, unter dieser Adresse findet sich eine kostenlose Demo-Version eines vom Fraunhofer-Institut entwickelten Webkurses zum Thema „Sicherheit im elek-

tronischen Geschäftsverkehr“ 10

Vgl. www.cryptool.de, neben dem Programm CrypTool enthalten diese Seiten ein ausführliches Skript mit einer detaillierten Darstellung der verschiedenen Verschlüsselungsverfahren; ausgesprochen empfehlenswert

11

Der Wortlaut des Signaturgesetzes (Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen) findet sich unter : http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/sigg_2001/ index.html. Unter www.iid.de/iukdg/index_esig.html betreibt auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit eine Seite zum Signaturgesetz

12

Das Signaturgesetz schafft die Rahmenbedingungen für den Einsatz digitaler Signaturen und legt gesetzliche Anforderungen an die Trust-Center sowie für die verwendeten Verschlüsselungsverfahren fest; vgl. dazu auch Unkelbach, W.: secure-it in NRW. IT-Sicherheit macht Schule. Elektronische Signatur, Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW, „online im Internet“, www.secure-it.nrw.de, abgerufen am 25.08.06

13

Vgl. Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik, „online im Internet“, www.bsi-fuer-buerger.de/viren/

14

Vgl. die „Hoax-Liste“ der TU-Berlin (www.tu-berlin.de/ www/software/hoaxlist.shtml)

15

Gängige „Viren-Jäger“ sind: McAfee oder auch NortonAntiVirus; mehr Informationen Virenschutz-Programmen finden sich auch unter www.polizei-beratung.de/ vorbeugung/gefahren_im_internet/viren_und_trojaner/ tipps_und_verhaltenshinweise/

16

Vgl. beispielsweise Coester, Ursula und Hein, Mathias: IT-Sicherheit für den Mittelstand, Datakontext-Verlag, 2005

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Online-Distributions- und Preispolitik

Preisdifferenzierung im Internet

Das Internet ermöglicht die Handhabung selbst komplizierter Preisstrukturen. Außerdem sind kurzfristige Preisanpassungen möglich: Ideal für die flexible Preisgestaltung.

D

as Internet macht es möglich: Kunden können zu vertretbaren Kosten direkt angesprochen und Preise bei Bedarf beliebig schnell angepasst werden. Flexibler geht es nicht. Der Schuss kann allerdings auch nach hinten losgehen: Im September 2000 waren verschiedenen Kunden für das gleiche Produkt Preise berechnet worden, die sich um 10 US$ und mehr unterschieden. Ein Produkt wurde im Netscape Navigator für 64,99 US$ angeboten, und Sekunden später im Internet Explorer für 74,99 US$. Der Preis schien vom verwendeten Browser abzuhängen und auch davon, ob der Surfer regelmäßiger Kunde war. Die Empörung war groß. Amazon erstattete schließlich allen, die höhere Preise gezahlt hatten, die Differenz.1 Die Kunden fühlten sich trotzdem als Versuchskaninchen und Amazon erhielt eine negative Presse. Dabei ist diese Art von Geschäftsgebaren so ungewöhnlich nicht. Wenn ein Tourist auf einem orientalischen Basar einkauft, macht er beispielsweise durchaus die gleiche Erfahrung – nur in der Regel etwas besser kaschiert. Nicht selten lassen sich Händler dort um die Hälfte des ursprünglich geforderten Preises herunterhandeln. Was allerdings als Schnäppchen anmutet, war aller Wahrscheinlichkeit aber nur eine geschickte Preisdifferenzierung: im Laufe der Verhandlungen konnte der Händler herausfinden, was die Kundin oder der Kunde zu zahlen bereit ist. Je ah-

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nungsloser die Konsumenten und je professioneller der Händler, desto näher wird der Kaufpreis an der maximalen Zahlungsbereitschaft der Touristen liegen. Vorausgesetzt natürlich, diese Zahlungsbereitschaft übersteigt die Kosten. Der nächste Tourist, der den angebotenen Wandteppich zunächst eigentlich gar nicht will, erhält womöglich einen günstigeren Preis.2 Ebenso wie das Internet es den „Online-Shoppern“ erlaubt, mehr Geschäfte zu erreichen als beispielsweise in einer Fußgängerzone, so kann auch jeder Online-Anbieter mehr Kunden erreichen als seine Offline-Konkurrenten. Unterschiedliche Nachfrager besuchen den Online-Shop – durchaus vergleichbar mit der illustren Touristengemeinde, die sich im Urlaub auf dem orientalischen Basar einfindet. Die Kundschaft ist in beiden Fällen heterogener als das im traditionellen Handel der Fall ist. Was liegt da näher, als auch im Internet eine Preisdifferenzierung einzuführen, um die Online-Kaufbereitschaft besser abschöpfen zu können. Online-Preise sind sowieso flexibler anpassbar. Während im Supermarkt eine Preisänderung meist die Neuauszeichnung der einzelnen Artikel erfordert, wird im Web-Shop lediglich ein Eintrag in einer Datenbank korrigiert. Dadurch sind Änderungen von Preisen in Sekundenschnelle und zu minimalen Kosten möglich. Selbst wenn ein bestimmtes Produkt auf mehreren

Seiten der Website auftaucht, reicht eine Änderung an zentraler Stelle, da die Seiten in der Regel dynamisch aus Datenbanken erzeugt werden. Damit können Preise in kürzesten Abständen an die Nachfrage und an neue Erkenntnisse über die Marktsituation angepasst werden. Sogar geringfügigste Preisanpassungen können im Web noch Sinn machen. Offline dagegen würde damit ein viel zu hoher Aufwand verbunden sein. Eine empirische Analyse von Preisänderungen bei CDs hat untersucht, um welchen Betrag es sich jeweilig handelte. Es stellte sich heraus, dass im konventionellen Einzelhandel alle Änderungen zwischen 1 US$ und 7 US$ lagen; bei Internet-Händlern waren dagegen fast 30% aller Preisänderungen kleiner als 1 US$, bis hinab zu Korrekturen von nur einem Cent.3 Im E-Commerce sind die verbundenen Prozesse eben sehr viel leichter digitalisierbar, als das traditionell möglich ist. Die Integration der „Front-End“Systeme im Internet (das was der Kunde in seinem Web-Browser zu Gesicht bekommt) mit den entsprechenden Warenwirtschaftssystemen im Hintergrund (wie z.B. SAP R/3 oder Baan) ist weitgehend möglich. Diese zunehmende Digitalisierung von Prozessen führt dazu, dass sich das Verhältnis von variablen zu fixen Kosten immer mehr zugunsten der Letzteren

verschiebt. Bei den so genannten digitalen Produkten, wie Software, Informationen oder auch Musikproduktionen, fallen im Wesentlichen nur noch fixe Bereitstellungskosten an. Demnach verursacht die Produktion des ersten Exemplars erhebliche (fixe) Kosten, während für die Produktion von weiteren Exemplaren nur geringe weitere (variable) Kosten entstehen.4 So entstehen dem Hersteller beispielsweise für das Entwickeln einer Software wie Microsoft Internet Explorer hohe Kosten, während weitere Kopien kaum mehr nennenswerte Kosten verursachen. BEI DEN MÖGLICHKEITEN zur Preisdifferenzierung kann zunächst zwischen dem so genannten Ein-Produkt-Fall und dem Mehr-Produkt-Fall unterschieden werden. Die Preisdifferenzierung im Ein-Produkt-Fall hat unterschiedliche Dimensionen.5 Sie unterscheiden sich zunächst dadurch, dass entweder die Anbieter selbst die Konsumenten in unterschiedliche Gruppen aufteilen und jede Gruppe einen Preis zugewiesen bekommt oder ob das gleiche Produkt, in verschiedenen Varianten, zu unterschiedlichen Preisen angeboten wird. In diesem Fall suchen sich die Konsumenten selbst die für sie in Frage kommende Variante aus. Im ersten Fall liegt eine Preisdifferenzierung „ohne

Bei der Preisdifferenzierung kann zunächst zwischen dem so genannten Ein-Produkt-Fall und dem Mehr-Produkt-Fall unterschieden werden.

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Online-Distributions- und Preispolitik

Sowohl Kunde (mit Selbstselektion) als auch Anbieter (ohne Selbstselektion) können im Web zum Preisgestalter werden.

Selbstselektion“ vor. Der zweite Fall wird als Preisdifferenzierung „mit Selbstselektion“ der Konsumenten beschrieben. >Ohne Selbstselektion Um noch einmal den exotischen Basar zu bemühen – dieser Fall entspricht genau der dortigen Vorgehensweise. Hier wie dort geht es darum, herauszufinden, was die Kundin oder der Kunde maximal zu zahlen bereit ist. Dieser Preis wird auch schließlich eingeräumt, vorausgesetzt, die Zahlungsbereitschaft übersteigt die variablen Kosten des Produkts. Der Anbieter erwirtschaftet dabei den maximal erzielbaren Gewinn, da kein Kunde bereit gewesen wäre, mehr für das Produkt zu zahlen und jedes Produkt über den variablen Kosten verkauft wird. Pigou (1929) spricht von einer Preisdifferenzierung ersten Grades. Das Problem dabei: Die maximale Zahlungsbereitschaft der Kunden ist unbekannt und muss herausgefunden werden. Nun sind zum einen personenbezogene Festlegungen der Preise aus juristischen Gründen oder Gründen der Fairness normalerweise nicht umsetzbar. Dennoch wird jeder Außendienstmitarbeiter mit Preiskompetenz versuchen, eine solche Preisdifferenzierung zu realisieren. Auch der Computerhersteller Dell (www.dell.com), der vielen seiner Kunden eine individualisierte Einstiegsseite

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anbietet, strebt eine solche Preisgestaltung an. Online ist diese ohnehin gut realisierbar, kann doch vom Surfund Kaufverhalten der Internet-Kunden auch auf deren Zahlungsbereitschaft rückgeschlossen werden. Die gruppenbezogene Preisdifferenzierung kann personen- oder regionen-bezogen vorgenommen werden. Sie ist jedoch nur sinnvoll, wenn die Charakteristika der Nachfrager übergeprüft werden können. Wer ein studentisches Angebot wahrnimmt und einen entsprechenden Preisnachlass eingeräumt bekommt, der sollte auch nachweislich dieser Gruppe angehören. Gruppenbezogene Preissetzungen erweisen sich als gutes Instrument zur langfristigen Kundenbindung. Wer schon als Studierender mit einer bestimmten Computer-Marke Erfahrungen gesammelt hat, wird möglicherweise auch für seine spätere Firma, bei einem betrieblichen Einkauf, auf die gleiche Marke zurückgreifen. Außerdem wird mit gruppenbezogenen Preissetzungen zusätzliche Zahlungsbereitschaft abgeschöpft ohne einen langfristigen Preisverfall einzuleiten. >Mit Selbstselektion Die Konsumenten können hierbei unter verschiedenen Varianten auswählen, wobei die Preise zeit-, mengen-, leistungs- oder suchkostenbezogen differenziert sein können.

Gängiges Instrument flexibler Preisgestaltung sind gruppenbezogene Preissetzungen. Studierende beziehen Waren beispielsweise zum Vorzugspreis. Werden sie später im Beruf zum betrieblichen Einkäufer, greifen Sie möglicherweise auf die Marke zurück.

Mit der zeitbezogenen Preisdifferenzierung wird ausgenutzt, dass Konsumenten eine unterschiedlich hohe Zahlungsbereitschaft zu verschiedenen Zeiten und für unterschiedliche Zeitverzögerungen haben. So bietet es sich an, unterschiedlich hohe Preise zu unterschiedlichen Tageszeiten, an unterschiedlichen Tagen und zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu veranschlagen. Telefonanbieter könnten solchermaßen beispielsweise unterschiedliche Tarife anbieten, bei denen entweder die Nacht- oder die Tagesstunden billiger als die übrige Zeit sind. Urlaubsreisen unterscheiden sich meist dadurch, ob während oder außerhalb der Schulferien gebucht wird. Im Finanzbereich dagegen werden Preise meist danach differenziert, mit welcher Verzögerung Informationen ausgeliefert werden. Beispielsweise bietet die Comdirect-Bank (www. comdirect.de) mit ihrer Tradermatrix einen Zugriff auf permanent aktualisierte Kursinformationen („Realtime Push“) der deutschen Börsenplätze an. Institutionelle Investoren sind aufgrund des von ihnen verwalteten hohen Anlagevolumens in der Regel bereit, für zeitnahe Kursinformationen auch höhere Preise zu zahlen. Bei der mengenbezogenen Preisdifferenzierung unterscheiden sich die Produktvarianten nach der Zahl der Mengeneinheiten und dem durchschnittlichen

Preis pro Einheit. Eine solche Differenzierung nehmen insbesondere Internet-Service-Provider, z.B. AOL (www.aol.de), durch die Erhebung eines (nutzungsunabhängigen) Grundpreises pro Monat und eines (nutzungsabhängigen) Preises pro Stunde Zugang zum Internet vor. Ein weiteres Beispiel der mengenbezogenen Preisdifferenzierung ist die so genannte „Flatrate“, wobei jeweils nur ein von der Nutzungsdauer unabhängiger Pauschalbetrag anfällt. Der Anbieter hat dabei den Vorteil, dass der zu einer intensiven Nutzung animierte Konsument seine Nachfrage normalerweise nicht zwischen verschiedenen Anbietern aufteilt. Damit erhöht sich die Kundenbindung. Die leistungsbezogene Preisdifferenzierung, auch als qualitative Preisdifferenzierung bezeichnet, steht in enger Beziehung zur Produktlinienpolitik. Sie liegt vor, wenn ein Anbieter einander ähnliche Produktvarianten zu unterschiedlichen Preisen anbietet. Dabei unterscheiden sich die angebotenen Varianten einer solchen leistungsbezogenen Preisdifferenzierung insbesondere hinsichtlich des Leistungsumfangs, der Leistungsfähigkeit und der Zusatzleistungen. Webdesigner unterscheiden ihren angebotenen Leistungsumfang und die damit verbundenen Preise beispielsweise danach, ob Zugriffsstatistiken und CGI-Bibliotheken

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Online-Distributions- und Preispolitik

zur Verfügung gestellt werden oder nicht, oder ob entsprechende Software im Paket enthalten ist. Mitunter werden die Preise für Produkte auch danach unterschieden, über welchen Vertriebskanal oder unter welchem Markennamen und im Rahmen welcher Verkaufsförderungsaktion sie angeboten werden. Bei dieser Differenzierungsstrategie wird somit die Tatsache ausgenutzt, dass die Konsumenten unterschiedlich hohe Suchkosten haben. Beispielsweise werden von AOL immer wieder Promotionsaktionen, die mit einer unterschiedlich hohen Anzahl an Freistunden ausgestattet sind, für Neueinsteiger ins Internet gestartet. Es besteht daher die Möglichkeit, durch intensives Suchen besonders viele Freistunden zu erhalten. Bislang wurden lediglich Fälle betrachtet, bei denen

die Preise nur auf Basis der Ausprägung einer Dimension, z.B. der Menge oder der Leistung, differenziert wurden. Es finden sich in der Praxis aber auch viele Varianten, in denen die Preise auf der Basis mehrerer Dimensionen differenziert werden. So werden in der „realen Welt“ vor allem Mobilfunktarife nicht nur nach der Menge, sondern auch nach der Zeit, den Einheiten und nach weiteren Merkmalen differenziert. Mit dieser mehrdimensionalen Preisdifferenzierung wird eine feinere Segmentierung der Konsumenten angestrebt, um die vorhandene Zahlungsbereitschaft noch besser abzuschöpfen. Konsumenten können allerdings mitunter die angebotene, komplexe Preisstruktur nicht mehr überblicken. Zudem muss auch die korrekte Abrechnung gewährleistet sein.

In der Praxis werden Preise oft auf der Basis mehrerer Dimensionen differenziert. So werden Telefontarife nicht nur nach der Menge, sondern auch nach der Zeit oder den Einheiten berechnet. Mit dieser mehrdimensionalen Preisdifferenzierung wird eine feinere Segmentierung der Konsumenten angestrebt.

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DIE PREISBÜNDELUNG stellt eine Preisdifferenzierung im Mehr-Produkt-Fall dar, wobei die Preise für die Produkte abhängig voneinander sind und eine isolierte Kaufbetrachtung stattfindet. Gerade im Internet bieten viele Unternehmen mehrere Produkte gemeinsam an. So stellt beispielsweise AOL seinen Nutzern gleich eine ganze Reihe von Angeboten zur Verfügung, wie z.B. ein Internet-Zugang, E-Mail, Newsgruppen, Nachrichten, Börseninformationen. Diese Zusammenstellung der Produkte und die damit verbundene Preissetzung wird in der Literatur unter dem Begriff Preisbündelung behandelt.6 Dabei kann das separate Anbieten von Produkten als Entbündelung, das ausschließlich gemeinsame Anbieten von Produkten als Bündelung und das gleichzeitige Anbieten von Produkten in entbündelter und gebündelter Form als

gemischte Bündelung bezeichnet werden.7 Olderog und Skiera8 zeigen, dass eine Kostenstruktur mit hohen Fixkosten und niedrigen variablen Kosten für die Preisbündelung besonders gut geeignet ist. Dabei nimmt der Vorteil der Bündelung mit steigenden variablen Kosten ab. Da viele der im Internet angebotenen Produkte, z.B. Informationsdienste, Suchdienste, Software, im Wesentlichen Fixkosten und kaum variable Kosten verursachen, wird gerade im Internet zukünftig mit einer verstärkten Anwendung der Preisbündelung zu rechnen sein. So ist es beispielsweise denkbar, dass Banken, Internet-Service-Provider oder Portal-Betreiber zukünftig nicht mehr nur noch den Zugang zu Bankleistungen, zum Internet oder zum Portal anbieten, sondern ein Bündel an zahlreichen weiteren Leistungen zu einem etwas höheren Preis anbieten.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. ComputerWorld: Amazon charging different prices on some DVDs, 05.09.2000 2 Vgl. Henkel, J.: Preissetzung im E-Commerce, in: Strömsdörfer, R., u. a. (Hrsg.): E-Commerce – Wettbewerbsvorteile realisieren, Stuttgart, 2001 3 Vgl. Brynjolfsson, E. and Smith, M. D.: Frictionless Commerce? A Comparison of Internet and Conventional Retailers, in: Management Science, Vol. 46, 2000a, S. 563-585 4 Vgl. Shapiro, C. und Varian, H. R.: Information Rules: Strategic Guide to the Network Economy, Boston, 1998

5 Vgl. Skiera, B. und Spann, M.: Flexible Preisgestaltung im Electronic Business, in: Weiber, R. (Hrsg.), in: Handbuch Electronic Business, Wiesbaden 2000, S. 539–557 6 Olderog, T. und Skiera, B.: The Benefits of Bundling Strategies, in: Schmalenbach Business Review, No. 1/2000, S. 137–160 7 Vgl. Adams, W. J. und Yellen, J. L.: Commodity Bundling and the Burden of Monopoly, in: Quarterly Journal of Economics, No. 90/1976, S. 475–498 8

Vgl. Olderog, T. und Skiera, B., a.a.O.

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Online-Distributions- und Preispolitik

Preisfindung mit Online-Auktionen

Für den betrieblichen Einkauf bergen sie Einsparpotenzial. Die vorhandene Lieferantenstrategie darf durch Auktionen allerdings nicht gefährdet werden.

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nzwischen wird im Internet jeder vierte Euro bei Auktionen ausgegeben. Dies ergab eine Studie des Nürnberger Marktforschers GfK. Dabei werden nicht nur Neuprodukte oder tatsächliche SecondhandWare angeboten, sondern immer häufiger auch ‚neuwertige‘ Gebrauchsgüter. Fachhandel und Kaufhäuser könnten den virtuellen Anbietern im Preiswettbewerb und in der Sortimentsvielfalt nur wenig entgegen setzen. Insgesamt kauften deutsche Konsumenten der Studie zufolge im ersten Halbjahr 2004 für 5,3 Milliarden Euro im Internet ein.1 Dazu überlegen sich die Anbieter ständig neue Werbegags: Was der OnlineKäufer möglicherweise nur von eBay kannte, gab es zum Beispiel auch auf den Seiten von Wrigleys: Die Kaugummi-Firma bediente sich der Online-Auktion, um ihr Produkt Airwaves in Szene zu setzen. Die Kölner Agentur b+d new media konzipierte und realisierte die Auktion, die folgendermaßen funktionierte: Jedes Päckchen der Marke Airwaves erhält einen individuellen Code, der im Internet oder per SMS gegen Aktionspunkte eingelöst werden konnte. Ab einem gewis-

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sen Zeitpunkt konnten die Punkte dann auf der Side www.airwaves.de zum Mitsteigern eingesetzt werden. Im Angebot standen Preise wie Foto-Handys, PlasmaBildschirme und Reisen. Die Aktion lief bis Dezember 2004. Beworben wurde die Werbemaßnahme mit einem TV-Spot, den BBDO, Düsseldorf, eigens für die Airwaves-Auktion kreierte. Der 18-Sekünder lief für sechs Wochen auf allen großen Privatsendern. In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche, teilweise stark unterschiedliche, teilweise von der Konzeption nahezu identische Auktionsplattformen entwickelt. Wenngleich bei Diskussionen um OnlineAuktionen immer wieder sofort das Stichwort „eBay“ fällt, so darf die Fülle anderer Auktionsplattformen nicht unbeachtet bleiben. Online-Auktionen existieren nämlich in zahlreichen Varianten. Eine grundsätzliche Einteilung wird nach der Art der Anbieter und Nachfrager vorgenommen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen B2C und C2C-Auktionen oft nur schwer möglich, da auf vielen Plattformen sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen Produkte bzw. Dienst-

In der Automobilindustrie sind die möglichen Einsparpotenziale von Online-Auktionen 7 bis 16 Prozent leistungen anbieten. Klar abgegrenzt können jedoch die B2B-Auktionen werden, denn sie werden im Normalfall in geschlossenen, zumeist durch Passwort geschützten Bereichen durchgeführt. Die Teilnehmer werden häufig gezielt eingeladen bzw. selektiert. Bei den B2C- bzw. C2C-Auktionen handelt es sich hingegen zumeist um offene Plattformen, bei denen sich alle Interessenten registrieren lassen können. Den B2B-Plattformen wird für die Zukunft ein besonders hohes Umsatzvolumen zugeschrieben. Insbesondere Großunternehmen wickeln bereits heute umfassende Beschaffungsvorgänge auf diesem Wege ab.2 Für die Preispolitik im Internet sind gerade diese B2B-Auktionen besonders interessant, weil es sich dabei zumeist um ein neuartiges Preisfindungsmodell handelt. Mit den B2C- und C2C-Auktionen entstehen neue Distributionswege. Sie gehören damit eher in den Bereich der Online-Distributionspolitik. Auf B2B-Plattformen wurden bereits Aufträge von insgesamt mehreren Milliarden Euro per Online-Auktion vergeben. Lieferanten können während der Preisverhandlungen die Attraktivität des eigenen Preises in Echtzeit mit den Konkurrenzangeboten messen und gegebenenfalls anpassen. In der Automobilindustrie belaufen sich die möglichen Einsparungen auf durchschnittlich 7 bis 16 Prozent des erwarteten Einkaufspreises pro Auktion.3 Innerhalb eines eCollaborationUmfeldes, wie die B2B-Plattform auch bezeichnet wird, setzt der Einkäufer den Rahmen einer Ausschreibung fest und lässt den Markt den Preis anhand einer Rückwärts-Auktion (Preis sinkt) selbst bestimmen. Gerade im heutigen Umfeld erreicht der erhöhte Wettbewerbsdruck unter Zulieferern in einem kollaborativen Preisfindungsprozess durch Online-Auktionen den höchsten Wirkungsgrad. Zu einem festgelegten Termin findet eine Preisverhandlung im Internet statt. In deren Verlauf geben die vom Einkäufer eingeladenen Lieferanten für alle Beteiligten sichtbar ihre Eingangsangebote online ab. Im weiteren Verlauf der Auktion werden sie sich - ebenfalls für alle sichtbar - mit ihren Angeboten unter- bzw. überbieten. Untereinander bleiben die Lieferanten anonym und nur der Einkäufer erkennt, welches Angebot von welchem Lieferanten stammt. Die Angebote werden in Form einer entsprechend betitelten Position (Line Item) im Internet-Browser angezeigt. Das niedrigste Gebot (Reverse Auction, Buyers Auction) bzw. das höchste Gebot (Forward Auction,

Sellers Auction) wird während der Preisverhandlung kontinuierlich aktualisiert: Da die Einkäufer sich das Recht vorbehalten, den Auftrag nicht an den günstigsten Anbieter, sondern an den zweit- oder drittgünstigsten Anbieter zu vergeben, wird die Bezeichnung „Online-Preisverhandlung“ gegenüber der Bezeichnung „Online-Auktion“ bevorzugt. In der Automobilbranche gehören Online-Preisverhandlungen im Einkauf durchaus zum Tagesgeschäft. Über Covisint wurden beispielsweise in der ersten Jahreshälfte 2001 online Preisverhandlungen von insgesamt 36 Milliarden Dollar abgewickelt.4 Im Durchschnitt lagen die Endpreise dabei zwischen 7 und 16 Prozent unter dem Erstgebot. Die internetgestützte Zusammenarbeit zwischen Lieferanten und Abnehmern wird inzwischen sehr vielfältig praktiziert. So kontrolliert beispielsweise Bosch nach dem Prinzip des „Vendor Managed Inventory“ (VMI) über Covisint bei Mercedes die Bestände an Autobatterien und kann frühzeitig die Produktion hochfahren, wenn der Vorrat schwindet.5 Die größte Online-Preisverhandlung hat nach eigenen Angaben Daimler-Chrysler durchgeführt. Das Gesamtvergabevolumen der Bieterrunde lag bei 3,5 Mrd. Euro. Insgesamt wurden an vier Tagen 1.200 Teile in 80 Kombinationen verhandelt (keine Standardteile, sondern Produktionsmaterial).6 Mit der B2B-Online-Auktionsplattform „Input auction“ hat das Unternehmen Input new media solutions aus dem ostwestfälischen Bünde eine E-Procurement-Lösung für mittelständische Firmen geschaffen. Das Auktionsverfahren gestaltet sich einfach: Ein Unternehmen nimmt zunächst eine Ausschreibung für die benötigten Produkte oder Dienstleistungen vor. Mögliche Lieferanten werden dann per E-Mail eingeladen an der Auktion teilzunehmen und während eines festgesetzten Zeitraumes ein Angebot abzugeben. Die Teilnehmer sind damit aufgefordert, sich im Sinne einer „umgekehrten Versteigerung“ (Reverse auction) gegenseitig zu unterbieten. Der Einkauf des ausschreibenden Unternehmens erteilt schließlich demjenigen Lieferanten den Zuschlag, der das günstigste Angebot abgegeben hat. Über ein Passwort gelangen nur autorisierte Teilnehmer in den geschützten Auktionsbereich.7 Im folgenden Beispiel wird der Ablauf einer Online-Preisverhandlung nocheinmal Schritt für Schritt verdeutlicht:8 „Ein Einkäufer möch-

Die Teilnehmer sind aufgefordert, sich im Sinne einer „umgekehrten Versteigerung“ gegenseitig zu unterbieten E-MARKETING

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te 200.000 Pressteile einkaufen. Er startet zunächst ein ‚Request for Information‘ (RFI), um zu prüfen, ob seine Stammlieferanten aufgrund der technischen Anforderungen die gewünschten Teile liefern können. Die danach ausgewählten Lieferanten werden im Rahmen eines ‚Request for Quotation‘ (RFQ) dazu aufgefordert, ihr schriftliches Angebot abzugeben. Im konventionellen Einkaufsprozess würde der Einkäufer nun die Preisverhandlungen mit den Lieferanten einzeln aufnehmen. Stattdessen gibt der Einkäufer den Lieferanten die Gelegenheit, während einer OnlinePreisverhandlung ihre Angebote gegenüber dem Wettbewerb zu messen und schließlich (nach unten) zu korrigieren. Nach Abschluss der Verhandlung bestätigen die Lieferanten ihr letztes Angebot nochmals schriftlich. Der über eine derartige Auktion erzielte Preis dürfte aufgrund der offenen Preisfindung sehr nah am tatsächlichen Marktpreis liegen. Die Kostensenkungspotenziale können also in diesem Bereich auch ohne langwierige Verhandlungen mit einzelnen Lieferanten ausgereizt werden. Üblicherweise dauert eine Online-Preisverhandlung zwischen 30 Minuten und zwei Stunden. Die Vorteile für Einkäufer und Verkäufer liegen auf der Hand: Der Einkäufer gewinnt durch den Preis, die Lieferanten können ihr Angebot mit dem der Konkurrenz vergleichen und so auch Defizite in ihren Kostenstrukturen und Produktionsprozessen aufdecken. Hinzu kommt, dass aufgrund der Internettechnologie auch Lieferanten an der Bieterrunde teilnehmen können, die unter ‚normalen‘ Umständen - beispielsweise aus geographischen Gründen - nicht um ein Angebot gefragt worden wären.“ Allerdings werden bisher beispielsweise in der Automobilindustrie 55 bis 75 Prozent der potenziellen Einsparungen bei Online-Preisverhandlungen nicht realisiert. Der Grund dafür: Es wird nicht systematisch vorgegangen. Das liegt hauptsächlich daran, dassnicht alle Güter und Dienstleistungen für eine Auktion im Internet geeignet sind. Eine so genannte „Commodity-Analyse“, bei der die Eignung für eine OnlinePreisverhandlung festgestellt werden soll, wird von den wenigsten Unternehmen vorgenommen. Etwa 40 Prozent der nicht realisierten Einsparungspotenziale sind auf diese Ursache zurückzuführen.9 Anhand der folgenden Kriterien lassen sich „Commodities“ identifizieren, die für eine Online-Preisverhandlung geeignet sind:10

Allerdings werden bisher 55 bis 75 Prozent der möglichen Einsparungen bei OnlineAuktionen nicht realisiert 198

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Die vorhandene Lieferantenstrategie darf nicht durch Online-Verhandlungen gefährdet werden >Markt. Die notwendige Dynamik entsteht in der Online-Preisverhandlung erst, wenn mindestens drei Lieferanten mit vergleichsweise wettbewerbsfähigen Angeboten an der Preisverhandlung teilnehmen. >Lieferanten. Auch im Online-Umfeld müssen die teilnehmenden Lieferanten prinzipiell alle auch tatsächlich für die Auftragsvergabe in Frage kommen. Ein Lieferantenaudit und eine Bewertung der angebotenen Leistung sollte mithin – wie im traditionellen Umfeld – vor der Preisverhandlung stattgefunden haben. >Einkäuferposition. Nur wenn der zu vergebende Auftrag für die Lieferanten attraktiv ist, werden die Lieferanten bereit sein, sich einen „Preiskampf“ zu liefern. Kriterien hierfür sind beispielsweise Auftragsvolumen, Laufzeit, Folgegeschäft, strategisches Interesse, aktuelle Auslastung etc. >Produkt Das Produkt muss vollständig in einem technischen Lastenheft definiert werden. Ausschließlich auf dieser Basis wird dann geboten – abweichende Angebote sind ausgeschlossen. Nur so sind Qualität der Leistung und Vergleichbarkeit der Angebote gewährleistet. >Lieferantenstrategie Eine eventuell laufende Lieferantenstrategie darf nicht durch Online-Preisverhandlungen gefährdet werden.

ETWA 10 BIS 15 PROZENT werden nicht realisiert, weil einfach die Vorbereitung magelhaft ist. Der Zeitaufwand wird dabei häufig unterschätzt. Die Erstellung des technischen Lastenheftes setzt zum Beispiel häufig ein umfangreiches „Briefing“ der Lieferanten voraus. Oft müssen Schulungen für die richtige Verwendung des Internet-Tools durchgeführt werden.11 Auch muss sich der Einkäufer klar über das Ziel der Verhandlung sein, denn Auktionstyp und Konfiguration der Online-Preisverhandlung werden dadurch wesentlich beeinflusst. Mögliche Ziele könnten sein, dem aktuellen Lieferanten eine Chance zu geben, sich am Marktpreis zu orientieren, einen Lieferantenwechsel zu planen oder lediglich den kostengünstigsten Preis auszuhandeln. Einige Auktionstypen unterstützen beispielsweise das Bieten auf mehrere Variablen, wie Stückpreis, Werkzeugkosten, Transportkosten, Entwicklungsaufwand etc. Innerhalb der Konfiguration muss die Anzahl der Auktionspakete, der Eröffnungspreis, das Mindestgebot und die Regeln zur Beendi-

gung der Auktion festgelegt werden. Vor der Online-Preisverhandlung müssen die Regeln der Zuschlagsvergabe und die damit verbundenen Konsequenzen den Lieferanten mitgeteilt werden. Oft versuchen Lieferanten, nach Verhandlungsschluss ein letztes Angebot einzureichen. Die strikte Einhaltung dieser Regeln erhöht die Glaubwürdigkeit des Verfahrens und damit den Erfolg der kommenden Bieterrunden. Eine koordinierte Methodik garantiert den richtigen Einsatz von Online-Preisverhandlungen. Die wichtigsten Elemente dieser Methodik sind eine fundierte Analyse & Design-Phase und ein robustes ProgrammManagement. In der Analyse- und Design-Phase werden sämtliche Warengruppen analysiert und geeignete „Commodities“ identifiziert. Darauf aufbauend kann die Rentabilität für die Einführung des OnlineVerhandlungsverfahrens abgeschätzt werden. Sollte sich die Einkaufsorganisation für eine Einführung entscheiden, wird ein Programm Management entworfen, im Rahmen dessen für sämtliche Preisverhandlungen

übers Internet ein Zeitplan erstellt wird. Jede OnlinePreisverhandlung bedarf einer Schulung der Beteiligten sowie einer taktischen Vorbereitung, bei der ein Kommunikationsplan mit den Lieferanten erstellt und die Konfiguration der Preisverhandlung festgelegt wird. Nach Abschluss der Preisverhandlung sind die Ergebnisse in einer Statistik nach Art der „Commodity“ und erzieltem Einsparungspotenzial festzuhalten. An letzterem kann regelmäßig die Rentabilität der Auktionen gemessen werden und damit als Erfahrungswert in künftige Transaktionen einfließen. Die umfangreichen Maßnahmen, was die Vorbereitung und Durchführung angeht, haben mittlerweile auch die Euphorie um Online-Auktionen im B2B-Bereich deutlich gedämpft. Nach dem Verkauf des größten elektronischen Marktplatzes der Automobilindustrie Covisint im Jahre 2004 wird deutlich: Nicht nur interne Probleme ließen das Projekt scheitern. Vor allem fehlte der Bedarf. Die Gründung der Einkaufsplattform war noch von einem enormen Medienecho begleitet worden. Als sich die drei weltweit größten

Online-Marktplätze wie GNX bezeichnen sich selbst heute eher als „Connect“-Lösungen. Der Schwerpunkt liegt dabei oft nicht mehr auf den Auktionen, sondern auf der Prozess-Optimierung.

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Automobilhersteller – Daimler-Chrysler, Ford und General Motors – 1999 entschlossen, eine gemeinsame Plattform für die Anbindung ihrer Zulieferer zu gründen, herrschte Hochstimmung. Die Zulieferer hingegen zeigten sich von Anfang an weitgehend skeptisch. Sie befürchteten, dass Covisint in erster Linie gegründet worden war, um die Preise zu drücken. Besonders die Auktionen, so die Angst, seien geeignet, die Margen nach unten zu drücken. Rechtsgutachten und Kartellverfahren wurden angestrengt, um den drohenden Marktmissbrauch zu verhindern. Ab 2003 wurde es allerdings wider Erwarten ruhig und ruhiger um Covisint. Das Unternehmen machte bestenfalls mit PersonaliaMeldungen auf sich aufmerksam. Der Erfolg bemaß sich entsprechend mäßig: 230 Mrd. US-$ könnten die beteiligten Autohersteller über Covisint umsetzen, hatte der damalige Daimler-Chrysler-Chef Schrempp bei der Gründung prognostiziert. Geworden sind es im Jahr 2002 gerade mal 80 Mrd. US-Dollar.12 Der B2BMarktplatz GNX dagegen hat nach eigenen Angaben 2004 erstmals den „Break-even“ erreicht. GNX gehört den Handelskonzernen Metro Group, KarstadtQuelle, Carrefour, Sears, Kroger, Sainsbury‘s, PPR sowie Coles Myer und wird unter anderem auch von Markant und Hornbach aus Deutschland genutzt. Nach Angaben des Unternehmens hat das im Monatsdurchschnitt über die Plattform abgewickelte Einkaufsvolumen inzwischen 1 Mrd. US- Dollar erreicht. GNX bietet

Online-Auktionen und Internet-Ausschreibungen, Workflow-Software für die Zusammenarbeit entlang der Lieferkette und ein Web-Werkzeug für die Produktentwicklung von Eigenmarken an. Statt als B2BMarktplatz bezeichnet sich das Unternehmen selbst fünf Jahre nach der Gründung als Anbieter von „Retail Connect Lösungen“.13 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Supply-on, oft als kleiner Bruder von Covisint bezeichnet. Auch hier werden seit Ende 2003 schwarze Zahlen geschrieben, wobei der Fokus allerdings nie auf Einsparungen durch Auktionen, sondern von Anfang an auf der Senkung von Prozesskosten lag. Mit der Zulieferindustrie hat sich Supply-on für eine Zielgruppe entschieden, die standardisierte Marktplatzlösungen benötigt, um sinnvoll Geschäftsprozesse elektronisch abzuwickeln. Die großen Automobil-Hersteller kommunizieren dagegen in erster Linie mit einer überschaubaren Anzahl an Großunternehmen. Die direkte Kommunikation zwischen Einkäufer und Lieferant ist dabei nach wie vor der wichtigste Bestandteil, denn die Lieferanten müssen ein tiefgehendes Verständnis bezüglich Auftragsumfang und Bedingungen bei der Zuschlagsvergabe entwickeln. Daneben spielt die Lieferantenstrategie des Einkäufers eine wesentliche Rolle. Online-Preisverhandlungen sind hier allenfalls integraler Bestandteil dieser Strategie.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. o. V.: Jeder vierte Euro geht bei Online-Auktionen über den Tisch, W&V Online-Magazin vom 06.09.2004, www.wuv.de

Mega-Marktplatz durchsetzen? „online im Internet“, www. ecin.de/state-of-theart/autoindustrie/index-2.html, abgerufen am 31.1.03

2 Vgl. hierzu die zahlreichen Beispiele auf der Website des ECC Handel unter www.ecc-handel.de/ecinfos/ im Problemfeld „B2B-Marktplätze und elektronische Beschaffung

7 Vgl. o. V.: Input auction für den Mittelstand Online-Beschaffung über Reverse-Auctions, BA Beschaffung aktuell, Heft 2, 2005, S. 49

3

English, Kevin: Vortrag vor dem Management-BriefingSeminar der University Michigan, „online im Internet“, covisint.com/ger/about/pressroom/speeches/uofm.html, abgerufen am 31.1.03

4

Vgl. ebenda

8 Miras, A.: Mit offenen Karten spielen - Preisverhandlungen im Internet, Information Management & Consulting 17 (2002) 4, S. 78ff. 9

Vgl. ebenda

10

Vgl. ebenda

11

Vgl. ebenda

12

Baumgärtner, T, a.a.O.

5

Vgl. Baumgärtner, T.: Virtueller Marktplatz der großen Autobauer ist gescheitert. Das Ende von Covisint kam still und leise, Industrieanzeiger, Heft 20, 2004, S. 80 6

Nase, Alexander: Kann sich Covisint als automobiler

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13

Vgl. Rode, J.: BITS UND BYTES, GNX schreibt schwarze Zahlen, Lebensmittel Zeitung Nr. 12 vom 24.03.2005, S. 23

C

1SFJT

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Z

wei unterschiedliche Strategien dominieren die Preisbildung für Produkte und Dienstleistungen im Internet: Die Niedrigpreis-Strategie vieler Start-Ups und die 1:1-Preisübertragung aus der Offline-Welt der meisten etablierten Unternehmen. Der Preisbildungsstrategie vieler Internet-Unternehmen der ersten Stunde lag die Annahme zugrunde, dass das Netz eine große Markttransparenz schafft und die Preise dadurch auf den niedrigst möglichen Stand gedrückt werden. Folglich basierte ihre Strategie auf dem Preis als wichtigstem Unterscheidungsmerkmal. Die Bedeutung von Produktnutzen, Qualität und Service wurde dagegen als untergeordnet angesehen.1 Tatsächlich können im Internet Kunden viel schneller als in der Offline-Welt, Preise und Produkte verschiedener Händler vergleichen. Jedenfalls dann, wenn die Produkte gut für das Internet geeignet sind, also gut über Text und Bild beschreibbar. Standardisierte Güter wie Bücher, CDs und Software sind aus diesem Grund im E-Commerce gängig. Für solche Güter ist auch ein automatischer Vergleich durch „Shopbots“ möglich, der von Diensten wie eVendi, GuensTiger, PriceContrast und uCompare angeboten wird. Sortiert nach Gesamtpreisen, Produkt und Lieferung umfassend, werden die Angebote von unterschiedlichen Web-Shops aufgelistet, deren Preise erheblich variieren können.2 Aber auch wer im Internet solche Preissuchmaschinen benutzt, entscheidet sich beim Kauft keinesfalls immer für das günstigste Produkt: zwar spielt der Preis eine Rolle bei der Auswahl, aber der Markenname des Händlers sowie die Frage, ob der Kunde dort schon einmal eingekauft hat, haben ebenfalls Einfluss. Viele etablierte Unternehmen aus der Offline-Welt entwickelten deshalb erst gar keine Preisstrategie für das Internet sondern übertrugen ihre Preise 1:1 in die Online-Welt. Keine der beiden Strategien lässt sich in vollem Umfang vertreten. Die Online-Konsumenten sind eben weder ausdrückliche Schnäppchenjäger noch exakte Duplikate der Offline-Käufer. Natürlich gibt es in der Gesamtheit der Online-Shopper auch eine Teilgruppe, die ausschließlich preisbewusst kauft. Es gibt aber auch Internet-Shopper in beträchtlicher Anzahl, die andere Präferenzen aufweisen. So führte eine Studie von McKinsey zu dem Ergebnis, dass sogar eine Mehrzahl von Online-Shoppern nur wenig Preisvergleiche anstellt und gleich auf der ersten Website, die besucht wird, auch den Einkauf tätigt.3 Der (zu!) oft zitierte Spruch, der Wettbewerb sei „nur einen Klick entfernt“, mag im Prinzip stimmen, aber ein mörderischer Preiswettbewerb ist dadurch im E-Commerce nicht ausgelöst worden. Die Hoffnung vieler Ökonomen, das Internet würde durch Reduktion der Suchkosten und Verringerung der Informationsdefizite zu perfekten Märkten führen, zu einer „frictionless economy“,

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Online-Händler nutzen Preisvergleichsplattformen, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern hat sich nicht erfüllt.4 Dennoch wird die durch das Internet entstehende Preistransparenz sowohl von Abnehmern als auch von Anbietern mehr und mehr wahrgenommen. OnlineShop-Betreiber haben längst erkannt, dass Dienste wie guenstiger.de, Idealo.de, Kelkoo.de oder eVendi. de ihnen eine kaufwillige Kundschaft vermitteln. Nicht umsonst erzielen die Dienste pro Monat oft jeweils Hunderttausende von Visits und Millionen von PageImpressions. Online-Shop-Betreiber können sich diese Reichweite zunutze machen, um ihre eigene Bekanntheit zu steigern und das ohne große Anfangsinvestitionen. Denn ähnlich wie beim „Keyword-Advertising“ auf den großen Suchmaschinen verlangen die meisten Preisvergleichsplattformen nur erfolgsbasierte Honorare in Form von „Pay-per-Click“-(PPC-) oder „Pay-per-Order“- (PPO-)Modellen. Der Basiseintrag hingegen, und damit zumindest theoretisch der Zugang zu Millionen kaufwilliger Konsumenten, ist in der Regel kostenlos. Trotz des „Pay-per-Performance“-Vorteils: Ein ganz preisgünstiges Unterfangen ist die Präsenz auf den Shopping-Plattformen nicht. Denn die Betreiber lassen sich die Vermittlung potenzieller Kunden mit durchschnittlich rund 25 Cent pro Klick relativ hoch vergüten. Dass ein Shop-Betreiber im Vorfeld auch nicht genau absehen kann, wie viele Klicks pro Monat er vermittelt bekommt, ist gerade für mittelständische Unternehmen nicht selten ein entscheidendes Argument gegen eine solche Präsenz. Shop-Betreiber, die sich auf Preisvergleichsdiensten präsentieren wollen, sollten mit einem ungefähren Budget von einigen hundert Euro pro Monat rechnen. Dafür bekommen sie bei einem PPC von 25 Cent zwischen 800 und 2.000 Kunden vermittelt, die sich gezielt für ein Produkt aus ihrem Sortiment interessieren. Die Chance, aus diesen potenziellen Kunden echte Käufer zu machen, liegt nach Angaben des Preisvergleichers guenstiger. de je nach Produkt und Shop bei 0,7 bis 2,4 Prozent. Grob kalkuliert bedeutet das: Um einen Neukunden zu gewinnen, muss ein Shop zwischen 10 und 36 Euro investieren und gleichzeitig seine Marge drücken, um günstiger zu sein als seine Mitbewerber.5 Doch müssen sie zuvor zumindest eine Bedingung erfüllen. Die Preisvergleichsplattform selbst sollte gleichzeitig möglichst viele Produktinformationen bereits auf der eigenen Seite bieten und möglichst spät zum Händler verlinken. Dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch,

Im Internet sind die Suchkosten gering. Ein Klick auf eine Preisvergleichsplattform genügt, um zahlreiche Angebote einzuholen. Die demzufolge höhere Transparenz des Markts sollte dazu führen, dass die Anbieter niedrigere Preise setzen.

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dass der Kunde von dem Produkt überzeugt ist und auf der Händler-Site wirklich kaufen will. Viele namhafte Unternehmen wie Amazon.de, Conrad, Dell, Quelle, Otto, Neckermann, Schlecker oder Karstadt nutzen inzwischen Preisvergleichsplattformen solchermaßen als zusätzlichen Vertriebskanal, um über gezielte Schnäppchenangebote neue Zielgruppen in ihre Shops zu locken oder Restposten aus ihren Lagern zu räumen. Auch die Preiselastizität lässt sich gut über Preisvergleichsplattformen im Internet bestimmen. Jedes Produkt verfügt über eine Preisspanne, in der die Preisänderung keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen hat. Diese Preiselastizität kann variieren. So liegt sie beispielsweise für Markenartikel aus dem Gesundheits- und Kosmetikbereich bei etwa 17 Prozent, dagegen beträgt sie für einige

Online lässt sich die Preiselastizität sehr viel besser bestimmen als offline. Photo: Felipe Skroski, stock.xchng

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Finanzdienstleistungstypen lediglich 0,2 Prozent.6 In der Offline-Welt lässt sich die Preiselastizität nur sehr zeitintensiv und kostspielig bestimmen. Das fängt schon damit an, dass Preisänderungen meist nur sehr umständlich durchführbar sind. In den Geschäften müssen dazu erst einmal sämtliche Preisschilder und Displays geändert werden oder sogar Broschüren und Kataloge, die die Preise enthalten, neu gedruckt werden. Über Online-Preisvergleichsplattformen hingegen können Reaktionen der Konsumenten auf Preisänderungen in Echtzeit getestet und ausgewertet werden. Ein weiterer Vorteil in diesem Zusammenhang: das Ganze kann problemlos anonym durchgeführt werden. So manche große Marke bedient sich online eines neuen Namens, um sich über die Web-Testpreise nicht die stationären Verkaufspreise zu ruinieren. Eine Studie von McKinsey ergab, dass Kunden diese

Form der flexiblen Preisgestaltung aber auch meist unter dem Markennamen akzeptieren.7 Der Wert des Internet liegt mithin keinesfalls immer darin, den Preis zu minimieren, sondern ihn zu optimieren.8 Zusammenfassend lassen sich vier Merkmale nennen, anhand derer die Besonderheiten der Preisbildung im Internet im Vergleich zu anderen Vertriebskanälen erfasst werden können: Neben den schon diskutierten Merkmalen Preiselastizität und Preisflexibilität, sind das noch das Preisniveau und die Preisstreuung.9 Häufig wird vermutet, dass das Preisniveau im Internet niedriger ist als im stationären Handel. Auf der Angebotsseite wirken sich hier zwei Effekte aus. Händler, die ihre Produkte über das Internet vertreiben, haben zum einen geringere Kosten als stationäre Händler, insbesondere, da sie keine physischen Geschäftslokale betreiben müssen. Dadurch erniedrigen sich

aber andererseits auch die Markteintrittsbarrieren und die Marktteilnehmer sind einer höheren Konkurrenz ausgesetzt als im stationären Handel. Dementsprechend sollten Preisaufschläge aufgrund von monopolistischen Spielräumen reduziert werden. Auch ein nachfragerseitiger Effekt kann für ein niedrigeres Presiniveau im Internet angeführt werden: Im Internet sind die Suchkosten gering. Ein Klick auf eine Preisvergleichsplattform genügt, um zahlreiche Angebote einzuholen. Die demzufolge höhere Transparenz des Markts sollte dazu führen, dass die Anbieter niedrigere Preise setzen. Die bisherigen Studien zum Online-Preisniveau weisen denn auch tatsächlich aus, dass das Preisniveau im Internet niedriger ist als im stationären Handel.10

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Förster, A.: Erfolgreiche Preisgestaltung im Internet, in: Hrsg. Kreuz, P., Förster, A. und Schlegelmilch, B. B. (Hrsg.): Customer Relationship Management im Internet: Grundlagen und Werkzeuge für Manager, BoD Verlag Oktober 2001, Kap. 8

2

Vgl. Henkel, J.: Preissetzungen im E-Commerce, in: Reinhardt, Strömsdörfer, Kurz (Hrsg.): E-Commerce – Wettbewerbsvorteile realisieren, Deutscher Sparkassen Verlag, Stuttgart (2001) 3

Vgl. Baker, W. L., Lin, E., Marn, M. V. und Zawada, C. C.: Getting the prices right on the web, The McKinsey Quarterly 2001 4

5 Vgl. o. V.: Geiz ist geil. E-Commerce Preisvergleichsdienste im Web bieten Online-Händlern eine günstige Möglichkeit, die Reichweite zu steigern, Market Nr. 10 vom 23.05.2005, S. 1 6

Vgl. Baker, W. L. u.a., a.a.O.

7

Vgl. ebenda

8

Vgl. Förster, A., a.a.O., S. 3

9

Vgl. Koch, J. V. and Cebula, R. J.: Price, Quality, and Service on the Internet: Sense and Nonsense, in: Contemporary Economic Policy, 20. Jg, (2002) H. 1 (Januar), S. 25-37 10

Vgl. Henkel, J., a.a.O., S. 3

Vgl. Latzer, M. und Schmitz, S. W.: Die Ökonomie des eCommerce, Marburg 2002, S. 110f.

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Online-Distributions- und Preispolitik

Literatur ... ... zum weitergehenden Studium

Personalisierung, Sicherheit und flexible Preise >Baal van, Sebastian/Heidjann, Jörg/Schrader, Christian: Die Preisbildung im Internet und im stationären Handel: Ein exemplarischer, Universität Köln Inst. f. Handelsforsch., 2004 >Bauer, Andreas u.a. (Hrsg.): Data-Warehouse-Systeme, Heidelberg, 2004 >Bhowmick, Sourav S./Madria, Sanjay K./Keong, Wee Ng: Web data management: a warehouse approach, New York u.a., 2004 >Bölter, Ralf: Die Sicherheit von Internet-Zahlungssystemen und deren Bedeutung für die Entwicklung des Electronic-Commerce: eine kritische Analyse technischer, rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen, Oldenburg, Univ., Diplomarbeit, 2001 >Brandt, Christian/Fischer, Joachim/Meyer, Björn: Data Warehousing mit SAP Business, Paderborn, 2006 >Dörner, Jan-Hendrik: Personalisierung im Internet: Persönliche Empfehlungen mit Collaborative Filtering, Hamburg, 2003 >Elsner, Ralf: Optimiertes Direkt- und Database-Marketing unter Einsatz mehrstufiger dynamischer Modelle, Wiesbaden, 2003

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E-MARKETING

>Faller, Sascha: Preisstrategien im Internet und im traditionellen Markt: eine empirische Analyse im Reisemarkt, Konstanz, Univ., Diplomarb., 2004 >Frey, Andreas: Personalisierung durch User Tracking im WWW, Offenburg, Fachhochschule für Technik u. Wirtschaft, Diplomarbeit, 2003 >Hughes, Arthur Middleton: Strategic database marketing, New York u.a., 2006 >Jakobitsch, Günther: Database marketing: Der Schlüssel zum Kunden, Bern, 2001 >Kittlaus, Hans-Bernd (Hrsg.): Database Marketing: Konzepte - Erfolgsfaktoren – Umsetzung, Stuttgart, 2001 >Kostyak, Wolfgang: Online Analytical Processing OLAP, Mittweida, Hochschule (FH), University of Applied Sciences, Diplomarbeit, 2005 >Lunk, Markus: Internet-Auktionen: Aspekte des Gewerbe-, Wettbewerbs- und Vertragsrechts, Frankfurt a. M., 2006 >Mayer, Thomas: Personalisierungsstrategien im E-Commerce: die Webloganalyse als Instrument der Personalisierung im Rahmen des eCRM, Frankfurt am Main u.a., 2007; zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 2006 >Messerschmidt, Hartmut: OLAP mit dem SQL-Server: eine Einführung in Theorie und Praxis, Heidelberg, 2003 >Nusselein, Mark A.: Inhaltliche Gestaltung eines Data-Warehouse-Systems am Beispiel einer Hochschule, München, 2003 >Ratner, Bruce: Statistical modeling and analysis for database marketing, Boca Raton u.a., 2003 >Roth, Daniel-Sascha: Personalisierung internetbasierter Nachhaltigkeitskommunikation: theoretische Analyse und empirische Einsichten am Beispiel der Automobilindustrie, Hannover, Univ., Diss., 2007 >Schackmann, Jürgen: Ökonomisch vorteilhafte Individualisierung und Personalisierung: eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Informationstechnologie und des Electronic Commerce, Hamburg, 2003 >Spindler, Gerald (Hrsg.): Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, Köln, 2005 >Uelzen, Carsten und Burmester, Thomas: InternetAuktionen bei eBay & Co.: rechtssicher online kaufen und verkaufen, München, 2005 >Wrembel, Robert und Koncilia, Christian (Hrsg.): Data warehouses and OLAP, Hershey PA, 2007 >Zug, Alexandra: Sicherheit im E-Commerce, Hildesheim, 2005

Online-

Kommunikationspolitik

>Zielgruppenansprache online Unternehmenskommunikation und Kundenansprache mit Hilfe des Internet – vom Webdesign bis zur virtuellen Verkaufsförderung

5

5

Online-Kommunikationspolitik

Lernziele Webdesign g

Pressearbeit im Internet

Präsentation im Internet

Push- und Pull-Methoden der Online-PR

>Genormtes Webdesign >Grundprinzipien des Schreibens im Web >NNA, KISS und persönliche Ansprache bei Web-Texten >Aktives Schreiben >Lesbarkeit und Typo >Navigation >Grafikformate >Kontraste, Farbsymbolik und Reizpotenziale >Projektmanagement

>Push- und Pull-Dienste >Die Presserubrik >Pressemitteilungen und deren Versand

Commercials - Werbung g im Web

Suchmaschinen-Marketing

Was zählt ist Unterhaltung

Wie Unternehmen auch gefunden werden

>Banner und Banner-Sonderformen >Neue Werbeformen im Internet >Erfolgsmessung von OnlineWerbung >Was bringt die Zukunft?

>Die wichtigsten Suchmaschinen Optimiertes Webdesign für Suchmaschinen >„Webben“ >Suchbegriffe >„Sponsored Links“

Web 2.0

Online-Verkaufsförderung g

Dabei sein und authentisch bleiben

Erlebnis für die Sinne

>Glaubwürdigkeit im Web 2.0 >Virales Marketing >Interaktivität und Erfolgsmessung >RSS

>Kano-Modell der Kundenzufriedenheit >Sieben Trends der Online-Verkaufsförderung

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Agenda Online-Kommunikation

Webdesign Neben dem Corporate Design bestimmt vor allem der Bildschirm mit seiner guten Farbdarstellung bei schlechter Auflösung das Webdesign. Was zählt ist in jedem Fall die Ergonomie .................................210 Pressearbeit im Internet Das Internet hilft, die Zusammenarbeit mit den Medien zu optimieren ............................................235 Commercials – Werbung im Web Fast eine Milliarde wurde 2005 in Online-Werbung investiert – Tendenz steigend ................................243

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Suchmaschinen-Marketing Im Web „existieren“ Unternehmen nur, wenn sie in Suchmaschinen gefunden werden. Zentral ist dabei die Frage: Wonach würde jemand suchen, der sich darüber freut, die Firma online zu finden? ............255 Web 2.0 Mitmachen heißt hier auch für Unternehmen die Devise - aber immer schön ehrlich bleiben ..................266 Online-Verkaufsförderung Was im Laden funktioniert, geht oft auch online ...272 Praxis der Kommunikationspolitik ........................280 Literatur eine Auswahl aktueller Titel ...................282

Der Mini „fuhr“ 2002 über den Bildschirm und hinterließ dort Spuren in HerzForm. Die Online-Kampagne im Auftrag der BMW AG zeigte eindrucksvoll, wie sich Markenbekanntheit mit Online-Mitteln erhöhen lässt.

Gutes Suchmaschinen-Marketing sorgt für Kunden, die sich darüber freuen, das Unternehmen online zu finden

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Online-Kommunikationspolitik

Web

Photo: Hugo Humberto Plácido da Silva (stock.xchng)

Neben dem Corporate Design bestimmt vor allem der Bildschirm mit seiner guten Farbdarstellung bei schlechter Auflösung das Webdesign. Was zählt, ist in jedem Fall die Ergonomie.

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ängst schon ist die ergonomische Gestaltung der Benutzeroberfläche von Software-Programmen verbindlich geregelt. Tatsächlich ist das ergonomische Niveau von Standard-Software in den letzten Jahren auch deutlich gestiegen. Intuitiv ist heute klar, wie eine Datei abgespeichert, eine Seite gedruckt oder Text in die Zwischenablage kopiert werden muss. Das ist kein Zufall, denn Software-Ergonomie hat sich mittlerweile zum Verkaufsargument entwickelt. Wer im Internet surft, wird dies allerdings nicht

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nachvollziehen können. Und das liegt nicht an den so oft gescholtenen Browsern, denn die sind mittlerweile ergonomisch ausgereift. Es liegt vielmehr an den einzelnen, individuell erstellten Web-Seiten: Schrille Farbkombinationen, alles in kultigem Schwarz, viel zu viele Schrifttypen, ein multimediales Feuerwerk in Bild und Ton – das alles zeugt davon, dass die Webdesigner zwar mit Fantasie, dafür aber ziemlich planlos zu Werke gehen. Dabei lohnt das Durchkämpfen durch diesen optischen Dschungel kaum. Meist erwartet die

Internet-Nutzer auch noch langweiliger, schwer verständlicher Text. Dabei müsste das nicht so sein, gibt es doch ausgezeichnete Richtlinien und Hilfsmittel, die die ergonomische Erstellung von Websites erleichtern: Alle wirklich wichtigen Grundsätze des Webdesigns sind in der DIN EN ISO 9241-10 verzeichnet und stehen damit im Prinzip jedermann zur Verfügung. Bei der Gestaltung und Konsistenz von Web-Seiten kommt es in aller erster Linie darauf an, dass die Navigationselemente im gesamten Web-Auftritt die gleiche Form haben und gleich angeordnet sind. Links sollten verständlich bezeichnet sein. Statt beispielsweise „Weiter? hier klicken!“, was sehr häufig verwendet wird, ist als Beschriftung wesentlich besser geeignet: „Zur Vertiefung zum Thema XY“. Die gleichen Schalter und „Buttons“ (mit einer durchgängig konzipierten Beschriftung) sollten auf allen Seiten benutzt werden. Ungebräuchliche Abkürzungen sollten vermieden werden. Die unterstrichene blaue Schrift auf weißem Hintergrund hat sich als Bezeichnung für Hyperlinks etabliert und sollte diesen damit auch vorbehalten bleiben. Bei allen Informations-Seiten ist ein Positiv-Kontrast mit heller Hintergrundfarbe und dunkler Schrift zu empfehlen. „Eye-catcher“ in Form von blinkenden Bildern (animierte GIFs) oder Schriften stören die Informationsaufnahme – es sei denn, sie weisen auf etwas Wichtiges hin. Es sollte genügend freie Fläche in Form von Leerzeilen oder Abständen bleiben, die nicht für

GESTALTUNG Überblick Gestaltung und Konsistenz >Alle Seiten einer Website in einheitlichem Stil, um den Nutzern Orientierung und Navigation zu erleichtern >Einheitliche Farbwahl, Typografie und Navigationselemente >Nachvollziehbar strukturierte Aufteilung in verschiedene Web-Seiten und Verknüpfung untereinander durch Hyperlinks sind wichtige Aufgaben >Kein waagrechtes „Scrollen“ auch bei niedriger Bildschirmauflösung

Text oder andere Inhalte genutzt wird. Wichtig ist auch die Ausrichtung gleichartiger Elemente (z.B. Schalter) an einer gemeinsamen Fluchtlinie. Das ist besonders bei der Gestaltung von Formularen zu beachten. Hyperlinks sind ein zentrales Gestaltungselement im World Wide Web. Sie tragen erheblich dazu bei, dass das Internet als Informationsquelle jedem Print-

Nichtssagend, verwirrend und noch dazu schlecht lesbar sind leider immer noch viele Web-Seiten. Dabei regelt längst die DIN EN ISO 9241-10 die ergonomische WebGestaltung.

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Online-Kommunikationspolitik

SCHREIBEN IM WEB SC Drei Grundprinzipien >Im Web herrscht Zeitdruck >Texte dienen auch der Navigation >Web-Texte müssen V Vertrauen schaffen

NNA >NNA bedeutet Neu, Nützlich, Aktuell

Medium überlegen ist. Im Zusammenhang mit dem Webdesign sollten sie dazu genutzt werden, Web-Seiten kurz zu halten. Details können über Verlinkung in gesonderte Dokumente ausgelagert werden. Das ermöglicht dem Nutzer, sich entsprechend seiner Interessenlage effektiv im Web-Angebot fortzubewegen. Lange Dokumente müssen nicht mehr von vorne bis hinten gelesen werden. Stattdessen führen jeweils Links auf dem schnellsten Weg zu den gesuchten Inhalten. Vom Entwickler eines Web-Angebots erfordert das eine völlig andere Informationsstrukturierung. Basis der Internet-Präsentation sind eben nicht mehr r

Internet-Texte stehen nicht, wie sonst gewohnt, auf sequentiell aufeinander folgenden Seiten. Nach der ersten Seite im Buch folgt die zweite. Im Web gibt es so viele „zweite“ Seiten wie sich Links auf der ersten befinden.

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Am Ende jeder Web-Seite sollten einige zentrale Angaben zur Orientierung zu finden sein: die wichtigsten Links (zum übergeordneten Menü, zur Startseite und zu den wichtigsten Seiten mit weiterführenden Inhalten), das Datum der Erstellung, der Name der Autorin oder des Autors, am besten mit E-Mail-Adresse, so dass auch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme besteht. AUCH DER INHALT der Dokumente sollte auf die Besonderheiten des Mediums abgestimmt sein. Do-

Kaum jemand will am Bildschirm lange Texte lesen. Am Display geht es darum, schnell den Überblick zu gewinnen. Die zügige Recherche steht im Vordergrund. Texte im Web müssen sich auf das Wesentliche beschränken.

kumente im Internet sind so knapp wie möglich und nur so lang wie nötig. Wichtig ist vor allem ein einfacher, prägnanter journalistischer Schreibstil. Eine Gliederung oder Zusammenfassung zu Beginn eines Dokumentes erleichtern die Orientierung und im Bedarfsfall das schnelles Querlesen. Hier muss sich jede Web-Autorin und jeder Online-Schreiber klar machen, dass die Nutzungsgewohnheiten des Internets von denen der Printmedien abweichen. Kaum jemand will am Bildschirm lange Texte lesen. Am Display geht es darum, schnell einen Überblick über ein Thema zu gewinnen. Die zügige Recherche steht zunächst im Vordergrund, um bei Bedarf anschließend Textpassagen auszudrucken. Texte im Web müssen sich einfach auf

SCHREIBEN IM WEB SC

das Wesentliche beschränken und vor allem auch klar strukturiert sein. Jedem längeren Text ist eine Gliederung voran gestellt in der bereits Links zu den Textstellen weiter unten enthalten sind. Die Leserinnen und Leser haben so die Möglichkeit, die Inhalte zu überfliegen und zu beurteilen, ob sich das weitergehende Lesen lohnt oder nicht. Die Gliederung des Textes sollte sich auch im Layout der Seite in Form von Überschriften und Zwischentiteln widerspiegeln. Drei Grundprinzipien finden sich im Web. Erstens: es herrscht Zeitdruck. Mehr als bei der Nutzung jedes anderen Mediums muss, was immer zu sagen ist, sofort auf den Punkt gebracht werden. Zweitens: im Web dienen Texte immer auch der Navigation. Deshalb nach Möglichkeit mit Hyperlinks und Hervorhebungen arbeiten. Drittens: Web-Texte müssen Vertrauen schaffen. Eine Internet-Seite ist flüchtig und wird daher weniger ernst genommen, als ein Print-Produkt.

KISS >KISS bedeutet: „Keep it short and simple.“ >Wortwahl: Aktuelle Schlüsselbegriffe verwenden, Fachausdrücke vermeiden, Fremdwörter ins Deutsche übersetzen >Satzbau: Einfache und kurze Sätze verwenden, jeder Gedanke in einen eigenen Satz, Nebengedanken weglassen >Darstellung: Gleichwertige Gedanken als Aufzählung darstellen, Zwischenüberschriften verwenden

Persönliche Ansprache >So oft wie möglich die Anrede „Sie“ verwenden >Es geht um die Leser, nicht um den Autor

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Dies ist ein Absatz in der Serifen-Schrift Times New Roman. Diese Schriftart wird zwar in Zeitungen verwendet, aber sie ist bei kleiner Schriftgröße am Bildschirm nicht gut lesbar.

Soll ein Text ins Internet oder nicht? Zur Beantwortung ist das so genannte NNA-Prinzip nützlich. Die Abkürzung steht für: neu, nützlich, aktuell, denn beim Erstellen jeder neuen Web-Seite sind die Fragen zu beantworten: Was ist daran neu? Was ist daran nützlich? Was ist daran aktuell? Findet sich auf keine der drei Fragen eine Antwort, ist die Seite wegzulassen. Überhaupt wird das Internet mehr als andere Medien nach dem Nutzenprinzip bewertet, denn nur Nutzen ist sein Geld wert. Produkteigenschaften und Vorteile sind dabei nur Schritte auf dem Weg zum Nutzen. Der steht auch immer am Anfang der Argumentationskette. Sie lautet: Nutzen, weil Eigenschaft, deshalb Vorteil. KISS ist eine amerikanische Textregel, die auch beim Schreiben im Internet hilfreich sein kann. Sie bedeutet: „Keep It Short and Simple“. Bezüglich der Wortwahl legt KISS nahe: Aktuelle Schlüsselbegriffe verwenden, Fachausdrücke vermeiden, Fremdwörter ins Deutsche übersetzen. Was den Satzbau angeht: Einfache und kurze Sätze verwenden, jeder Gedanke kommt in einen eigenen Satz, Nebengedanken möglichst weglassen. Gleichwertige Gedanken werden nach KISS als Aufzählung dargestellt und möglichst oft kommen Zwischenüberschriften zur Anwendung. Gerade was marketing-orientierte Texte im Internet angeht, sollten die Leser persönlich angesprochen werden. Die Anrede „Sie“ kommt möglichst häufig vor. Im Marketing-Text geht es nie um die Autorin oder um den Autor, sondern immer um die Leserinnen und Leser. Statt: „Die Krauterbach AG hat Niederlassungen in Hamburg, München und Zürich“ – besser: „Besuchen Sie unsere Niederlassungen in Hamburg, München und Zürich.“ Wie bei jedem Marketing-Text gilt auch im Internet: aktiv schreiben! Dazu gehört in erster Linie, dass Verben statt Substantive verwendet werden sollen. Vor allem aber ist die Endsilbe „-ung“ zu vermeiden. Verben sind einfach mächtiger als Substantive. Sie tragen mehr Bedeutung und sagen viel mehr, nämlich: Was getan wird, wer etwas tut und wann etwas getan

wird. Substantive sagen einfach nur, von was die Rede ist. Die Verwendung schwacher Substantive („-ung“) wird als Nominalstil bezeichnet und hat im Internet nichts zu suchen. Also anstatt: „Die Nutzung dieses Dienstes erfolgt ohne Erhebung von Gebühren“, steht im Internet besser: „Nutzen Sie diesen Dienst gratis!“ Immer wenn Menschen bewegt, überzeugt und begeistert werden sollen, verbieten sich Passivkonstruktionen. Diese sind am Hilfsverb „werden“ zu erkennen, wie z.B.: „Der Stuhl wird bemalt.“ Oder auch am Zustandspassiv am Hilfsverb „sein“ („Der Stuhl ist bemalt.“) Auch diese Formulierung könnte durchaus einer schlecht formulierten Internet-Seite entnommen sein: „Ernstgemeinte Kommentare, Kritik und Verbesserungsvorschläge können mit dem unten angehängten Formblatt kundgetan werden.“ Besser formuliert würde sie so lauten: „Ernstgemeinte Kommentare, Kritik oder Verbesserungsvorschläge? Benutzen Sie doch einfach das unten angehängte Formular!“ Vorsicht auch mit Anführungszeichen! Sie vermitteln das Gefühl, der Autor wolle sich distanzieren. Mit Anführungszeichen wirken Begriffe im Web nicht überzeugend und eher undurchschaubar. Außer bei wörtlicher Rede sollten sie nicht verwendet werden. Wesentlich besser zur Hervorhebung sind beispielsweise Fettsetzungen geeignet. „Wenn Sie vor dem Haupteingang parken, benutzen Sie nicht Tor 3.“ Auch hier kann besser formuliert werden. Im Web und in anderen marketing-orientierten Texten sollte nämlich immer positiv geschrieben werden. Negatives filtern Leser eher weg. Der obige Hinweis müsste also lauten: „Wenn Sie vor dem Haupteingang parken, steht Ihnen Tor 1 und 2 zur Verfügung.“ Auch mit Eigenschaftswörtern sollte sparsam umgegangen werden. Sie blähen einen Text auf und tragen oft nichts zur Verständlichkeit bei. Beispielsweise statt : „Wir befinden uns mitten im Planungsprozess“, wäre das einfache: „Wir planen gerade“ auf jeden Fall besser. Der erste Ausdruck klingt

Dies ist ein Absatz in der serifen-losen Schrift Verdana. Diese Schriftart ist auch bei kleiner Schriftgröße am Bildschirm relativ gut lesbar.

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AKTIVES SCHREIBEN Zusammenfassung >Verben statt Substantive >Passivkonstruktionen vermeiden >Keine Anführungszeichen verwenden >Eigenschaftswörter sparsam verwenden >Positiv schreiben >Wortungetüme zerlegen

NNA steht für neu, nützlich, aktuell. Beim Erstellen jeder neuen Web-Seite sind die Fragen zu beantworten: Was ist daran neu? Was ist daran nützlich? Was ist daran aktuell?

aufwendig und bläht eine einfache Sache zur Seifenblase auf. In unserer Vorstellung erledigen wichtige Menschen wichtige Dinge. Und das obwohl nicht mehr Information enthalten ist, als im zweiten Ausdruck. Hier wird einfach nur ausgedrückt, worum es geht und das ist auf jeden Fall vertrauenswürdiger. Je wichtiger uns Deutschen eine Aussage erscheint, desto mehr neigen wir zum Wortungetüm. Bei einem Marketing-Text sollte man jedes Substantiv prüfen. Kann die Aussage nicht einfacher ausgedrückt werden? Wenn immer möglich, sollte jedes Kompositum in seine Bestandteile aufgelöst werden. Liefert bereits ein Bestandteil die wesentliche Aussage, können die anderen beruhigt weggelassen werden. Was nicht zu verstehen ist, befremdet und schüchtert ein. Web-Leser empfinden Fachausdrücke meist als zu technisch oder zu wissenschaftlich. Solche Formulierungen sollten deshalb nur in Abhängigkeit von der angestrebten Zielgruppe verwendet werden. Laien fühlen sich durch Fachausdrücke ausgesperrt, wogegen Experten sich durch ein entsprechendes Vokabular in ihrer Welt bestärkt fühlen. Soll eine gemischte Zielgruppe angesprochen werden, sind allgemein verständliche Begriffe allemal besser geeignet. Wo es auf den Fachbegriff unbedingt ankommt, sollte er mittels Hyperlink erklärt werden. Ideale „Streichkandidaten“ beim Redigieren von Web-Texten sind die beiden Partizipien „existierend“ und „bestehend“. Sie sind im Deutschen beliebt, sagen aber nichts aus. „Das bestehende System wurde rundum erneuert.“ Welches System denn sonst? „Die existierende Gesetzesvorlage reicht nicht aus.“ Über nicht existierende Gesetzesvorlagen braucht nicht diskutiert zu werden. Noch eine Reihe weiterer Partizipien sind überflüssig und gehören nicht in Web-Texte. „Haben Sie sich eigentlich schon Gedanken ge-

DER LETZTE SCHLIFF

LESBARKEIT UND TYPO

Zusammenfassung:

Überblick

>Fachausdrücke vermeiden, es sei denn die Zielgruppe setzt sich aus Experten zusammen >Partizipien vor allem „existierend“ und „bestehend“ streichen >Einschränkungen wie „eigentlich“ oder „ein bisschen“ weglassen >Statt “aber“ besser „und“ >Authentisch bleiben

>Für Bildschirme sind bei kleinen Schriftgrößen nur bestimmte Zeichenfonts geeignet >Ein hoher Positiv-Kontrast zwischen Text und Hintergrund verbessert die Lesbarkeit der Seiten; bestimmte Farbkombinationen für Schrift und Hintergrund sind zu vermeiden >Tabellen eignen sich hervorragend zur Gestaltung von Webseiten, um Zwischenräume und Abstände gezielt zu definieren

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Grundschema einer WebSeite: Gut sichtbare Navigationsleisten optimieren die Orientierung im WebAngebot. Der Text ist in kurzen Zeilen mehrspaltig angeordnet. Eine Suchfunktion ermöglicht die Schlagwortsuche von jeder Web-Seite aus.

macht, ob Sie nicht noch unverbindlicher schreiben wollen?“ Sprachliche Einschränkungen wie diese sind verbreitet, denn man ist nur „eigentlich“ anderer Ansicht und auch nur ein „bisschen“ spät dran, jedenfalls manchmal „irgendwo“ vom Gegenteil überzeugt. Web-Texter dokumentieren mit diesen Wendungen Unsicherheit, wo doch gerade das Gegenteil Ziel der Marketing-Schrift ist. Wenn schon nicht die Autoren überzeugt sind, von dem was sie schreiben, wie sollen es dann Kunden sein? Einschränkungen sind auf jeden Fall ersatzlos zu streichen. Formuliert werden sollte so, dass sich die Aussagen vertreten lassen können. Das Wort „aber“ zieht einen tiefen Graben zwischen Menschen. „Wir reagieren flexibel auf Ihre Anfrage, sind aber nur ein kleines Team.“ Die zweite Aussage

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ist zu mächtig, sodass die erste überstrahlt wird und verblasst. „Wir sind ein kleines Team und reagieren flexibel auf Ihre Wünsche“, ist allemal besser. Am Anfang fällt der Verzicht auf das gewohnte „aber“ schwer. Je mehr allerdings darauf geachtet wird, desto seltener wird es gebraucht werden, bis es schließlich ganz aus den Online-Texten verschwindet. Auf dem Weg dorthin wird „aber“ am besten erst einmal durch „nur“ ersetzt. Das zieht keinen so tiefen Graben. Ist dieser Zwischenschritt geschafft, wird „nur“ durch „und“ ersetzt. Die Leser von Marketing-Texten spüren genau, ob der oder die Autoren hinter dem stehen, was sie sagen. Klischees, Stereotypien und Übertreibungen sollten deshalb gemieden werden. Der beste Web-Text ist der authentische Text.

LESBARKEIT UND TYPOGRAFIE Trotz der Möglichkeit Bilder, Grafiken, Video- und Audio-Elemente in eine Web-Seite zu integrieren, werden die wesentlichen Informationen per Text übermittelt. Verbale Inhalte müssen deshalb interessant, ansprechend und gut lesbar gestaltet sein. HTML, die Sprache mit der WebSeiten kodiert werden, bietet zwar Möglichkeiten der Textgestaltung, allerdings doch deutlich weniger als ein Textverarbeitungsprogramm. So sind z.B. nur sieben Schriftgrößen vorgesehen. Die Zahl der Schrifttypen (Fonts) ist dagegen prinzipiell nicht begrenzt, aber die Darstellbarkeit auf dem Computer des Internet-Lesers hängt davon ab, ob die Schrift dort auch installiert ist. Unterschiede, z.B. zwischen Mac- und Windows-Rechnern, machen sich hier bemerkbar. Nur die Schriften Times New Roman und Arial (Windows) bzw. Times und Helvetica (Mac) können als sicher vorausgesetzt werden. Anstelle nicht installierter Schriften wird automatisch ersatzweise die Standardschrift verwendet. Solche Schriftersetzungen sind aber problematisch, denn andere Schriften fordern auch andere Abstände und vieles mehr. Im schlimmsten Fall ist die Web-Seite dann nicht mehr lesbar. Damit die Anzeige auch passt, wenn eine Schrift beim Nutzer nicht installiert ist, kann eine Ersatzschriftart beim „FONT-Tag“ in HTML angegeben werden. Ergonomisches Informationsangebot = schnell und bequem finden; Voraussetzung dazu ist: geeignete inhaltlich-fachliche Strukturierung >Zusätzlich vom Text getrennte Navigation in Form von Menüleisten anbieten >Sprechende Link-Bezeichnungen verwenden >Für Anwender mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Aufgaben verschiedene Navigationsarten anbieten >Auf jeder Web-Seite Hinweise zur Orientierung geben und Schlagwort-Suche anbieten

Neues Werk feierlich eröffnet Der Bürgermeister von Kupferzell eröffnete das neue Werk der Vrede GmbH. Die Geschäftsführung verblüffte anschließend mit einer unerwarteten Botschaft: Das Werk wird 1.000 neue Arbeitsplätze in die Region bringen. Mehr zum Thema: Neue Arbeitsplätze … Web-Text mit weiterführendem Link. Der relevanteste Textteil wird als Link-Text verwendet.

Business Intelligence (BI) gibt die Möglichkeit an die Hand, bestehende Daten zu analysieren. Sind alle Unternehmensdaten erst einmal erfasst, kann die Unternehmensführung optimiert werden. Diese Systeme beinhaltet BI: DataWarehouse-Systeme, OLAP-Anwendungen bis hin zu Data-Mining-Projekten. Web-Text mit assoziativer Verlinkung auf Fachbegriffe.

Arial, Helvetica“ SIZE=“2“>. Wesentlich für die Lesbarkeit ist es also, die Möglichkeiten von HTML wenigstens ein bisschen zu kennen und im ergonomischen Sinne optimal zu nutzen. Dies gilt für die Auswahl von geeigneten Schrifttypen, Textauszeichnungen, Farben, Abständen und Zwischenräumen, Hervorhebungen und Überschriften – um nur die wichtigsten Aspekte zu nennen. Grundsätzlich empfiehlt sich am Bildschirm die Verwendung einer so genannten serifen-losen Schrift wie Arial und Helvetica. Gerade bei kleiner Schriftgröße ist die Auflösung des Bildschirms zu niedrig für einen anderen Font. Der speziell fürs Web entwickelte Font „Verdana“ eignet sich übrigens am besten. Die beste Lesbarkeit ist bei einer dunklen Schrift auf hellem Grund gegeben (der so genannten „Positiv-

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Das GIF oben rechts ist verlustfrei um den Faktor 30 gegenüber dem Original (oben links) im Bitmap-Format komprimiert. Das Farbspektrum ist dabei allerdings auf 250 Farben begrenzt. Das JPEG (unten) ist um den Faktor 90 komprimiert, was allerdings zu deutlichen Verlusten in der Auflösung führt. Farblich gesehen besteht auch bei hoher Komprimierung kein Unterschied zum Original.

Darstellung“). Besonders schwer lesbar ist dagegen blaue oder rote Schrift auf schwarzem Hintergrund oder gelbe Schrift auf weißem Hintergrund. Web-Seiten, die nur aus Text bestehen, womöglich ohne irgendwelche Hervorhebungen und ohne Veranschaulichung durch Grafiken, wirken monoton und ermüden die Betrachter. Auch ohne Bilder lassen sich Texte immer noch lesefreundlich darstellen. Hervorhebungen durch Fettdruck und durch Überschriften sorgen für eine bildschirm-tauglichere Präsentation. Kursivschrift sollte möglichst vermieden werden, denn sie ist am Bildschirm nur schwer lesbar, genauso übrigens wie NUR GROSSBUCHSTABEN. Auch Unterstreichungen sollten im Web nicht verwendet werden, sind sie doch für die Kennzeichnung von Links reserviert. Wo immer möglich, werden gleichwertige Gedanken als Aufzählungen dargestellt und nummeriert oder mit so genannten „Bullets“ gekennzeichnet. Entscheidend für die Lesbarkeit sind auch Zwischen-

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räume und Abstände zur Auflockerung eines Textes. Sie sind für ein Überfliegen oder schnelles Querlesen unumgänglich. Geschrieben werden sollte in relativ kurzen Absätzen, die durch deutliche Zwischenräume voneinander getrennt werden. Diese lassen sich über Tabellen zuverlässig steuern: Einen Zwischenraum erhält man über eine leere Tabellenzeile, für die man die Höhe in HTML definieren kann. Auch Aufzählungen mit definierten Abständen und eigenen Aufzählungszeichen lassen sich gut über Tabellen gestalten. Bei zu langen Satz- oder Spaltenbreiten verliert das menschliche Auge leicht die Linie beim Zeilenwechsel. Deshalb werden zum Beispiel Tageszeitungen in mehreren Spalten gesetzt. Gerade auch bei den immer größer werdenden Bildschirmen sollten sich Texte nicht über die gesamte Bildschirmbreite erstrecken. Wenn die Zeilenlänge nicht schon durch Freiflächen oder Grafiken begrenzt ist, ist es ratsam, den Text mindestens zweispaltig anzuordnen.

Farben im RGB-Modell Rot = 255, 0, 0 Grün = 0, 255, 0 Blau = 0, 0, 255 Schwarz = 0, 0, 0 Weiß = 255, 255, 255 Blaugrün („cyan“) = 0, 255, 255 Gelb = 255, 255, 0 Violett („magenta“) = 255, 0, 255

Grafiken und Bandbreite Übertragungsrate Modem = 28,8 kb/s = 28,8 / 8 kB/s = 3,6 kB/s Größe Grafikdatei = 36 kB Wartezeit = 36 kB / 3,6 kB/s = 10 s

BEDIENUNG UND NAVIGATION Navigation bezeichnet bei „Hypertext“-Systemen die Tätigkeit, die ausgeführt werden muss, um Informationen zu finden. Zusätzlich zu den Links im Text (den so genannte assoziativen Links) müssen noch weitere Navigationselemente auf der Web-Seite vorhanden sein. Denn sonst besteht die Gefahr, dass die Orientierung beim Klicken von Link zu Link verloren geht, weil der Navigationsweg nicht im Gedächtnis behalten werden kann. In einer Reihe von Untersuchungen wird dieses Phänomen als „Lost in Hyperspace“ bezeichnet. Um es zu vermeiden, muss zusätzlich zum Informationsangebot eine bedürfnisgerechte Navigation bereitgestellt werden. Bei größeren Web-Angeboten ist es sogar sinnvoll, mehrere verschiedene Arten der Navigation anzubieten – für verschiedene Nutzergruppen mit unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten. Navigationselemente werden dazu außerhalb des

cken. Auch ein alphabetisches Lexikon als Navigation ist denkbar. Die Dokumente sind hierbei über alphabetisch sortierte Listen auffindbar. Zur Navigation gehört in jedem Fall auch eine übergeordnete Suchfunktion. Auf jeder Seite sollte ein gezielter Zugang über Schlagwortsuche (ähnlich der Suchmaschine Google) angeboten werden. Im Text (assoziative Verlinkung) wird ein Link auf Fachbegriffe, firmeninterne Bezeichnungen, Herstellerangaben und zum Verweis auf ergänzende Informationen gelegt. Der Nutzer wird dabei möglichst innerhalb des eigenen Web-Angebots gehalten, weil er sonst nicht mehr zurückkehren könnte. Außerdem ist eine Verlinkung „nach außen“ sehr wartungsaufwändig, da die externen Links in regelmäßigen Abständen auf Gültigkeit überprüft werden müssen. Damit Hyperlinks die zielgerichtete Navigation ermöglichen, sollten sie die genaue Beschreibung des Zielobjektes beinhalten. Es muss klar ersichtlich sein, welche Informationen am Ziel angeboten werden. Deshalb den inhaltlich relevantesten Textteil immer auch als Link-Text verwenden! Z. B. ist „Weiter? hier klicken!“ ungeeignet. Besser wäre: „Zur Vertiefung zum Thema XY“. Wichtig ist in jedem Fall die aussagekräftige Beschriftung. Auch die Möglichkeit, einen Hilfstext mit einer genaueren Beschreibung des Zielobjekts anzugeben, kann genutzt werden. Fährt der Anwender mit der Maus über den „Button“ wird ein erläuternder Hilfstext eingeblendet. Grafische Links können auch durch Javascript hervorgehoben werden, falls der Nutzer mit der Maus darüber fährt oder die Grafik anklickt.

Texts in Menüleisten zusammengefasst. Ihre Position ist üblicherweise oben oder links am Bildschirmrand. Um den Wiedererkennungswert zu steigern, empfiehlt sich die Verwendung charakteristischer „Buttons“ als Grafik (in HTML können auch Grafiken mit einem Link hinterlegt werden). Die Navigationsleiste wird in einem gesondertem „Frame“ platziert, der dann automatisch auf jeder Seite des Web-Angebots genau an der gleichen Stelle sichtbar ist. Entsprechend dem software-ergonomischen Kriterium der Steuerbarkeit nach DIN EN ISO 9241-10 sollten dabei verschiedene Navigationsarten angeboten werden. Z.B. die Navigation über hierarchisch strukturierte Menüs, bei der die Bedienungsoberfläche an das Windows-Programm „Explorer“ erinnert. Daneben gibt es noch die Möglichkeit des visuellen Einstiegs, wobei die Nutzer einen Link aktivieren, indem sie mit der Maus in einem Bild (einer so genannten „Imagemap“) auf bestimmte Gegenstände oder Bereiche kli-

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ADDITIVES VERFAHREN VERF F Farbe im Druck und am Bildschirm >Der subtraktive 4-Farbdruck arbeitet mit Zyan, Magenta, Gelb und Schwarz; je mehr Farbe zum Einsatz kommt, desto mehr verliert das Druckergebnis an Leuchtkraft >Die Bildschirm-Darstellung basiert auf dem additiven RGB-Verfahren; Farbtöne werden hier auf Basis der Grundfarben Rot, Grün, Blau widergegeben; die Überlagerung der drei Grundfarben ergibt Weiß; je mehr Farbe mithin hier zum Einsatz kommt, desto größer wird die Leuchtkraft >Damit ist die schlechtere Bildschirm-Auflösung zum Teil kompensierbar >Fazit: Digitales „Publishing“ ist per se „Farb-Publishing“

Zur Vermeidung des „Lost-in-Hyperspace“ muss sichergestellt sein, dass der Kunde immer weiß, um welche Informationen es geht. Neben den Link-Titeln sind dazu auch aussagekräftige Überschriften und ein entsprechend gewähltes Bild-Material hilfreich. GRAFIK IM WEBDESIGN (Kontraste, Farbsymbolik, Reizpotenziale) Im WWW haben sich zwei Dateiformate für Grafiken durchgesetzt: GIF und JPEG. Beide können von allen Browsern im eigenen Fenster („inline“) angezeigt werden. Es handelt sich um pixelorientierte Formate mit unterschiedlichen Stärken. Das GIF-Format wurde von CompuServe speziell für den Online-Einsatz entwickelt. Typisch ist die hohe Komprimierung: entsprechende Bitmap-Dateien sind durchschnittlich fünf bis 30-mal so groß. GIF bietet drei Möglichkeiten, die es für das WWW interessant machen: Erstens die Möglichkeit, eine Datei „interlaced“

KONTRASTE O S 72 Pixel pro Zoll (dots per inch)

72 Pixel

5.184 Pixel pro Quadratzoll

150 Pixel pro Zoll (dots per inch)

150 Pixel

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22.500 Pixel pro Quadratzoll

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Kriterien der Farbauswahl im Web >Um Aufmerksamkeit zu generieren sollten WebSeiten sich gezielt einiger Kontraste bedienen; dabei stehen einige zur Auswahl: >Der Hell-Dunkel-Kontrast entsteht durch die Gegenüberstellung von hellen und dunklen Flächen >Der Qualitätskontrast stellt reine und getrübte Flächen gegenüber >Der Winkelkontrast innerhalb der Farbdarstellung auf einer Web-Seite ist optimal bei einer 2-er-Harmonie (Komplementärfarben werden verwendet) 3-er oder 4-er-Harmonie >Der Quantitätskontrast entsteht durch die Gegenüberstellung von großen und kleinen Farbflächen >Der Simultankontrast entsteht, wenn zu einer Farbe diejenige hinzukommt, die direkt neben der Komplementärfarbe liegt >Der Warm-Kalt-Kontrast entsteht, wenn einer wärmeren Farbe eine kältere gegenüber gestellt wird

abzuspeichern. Die Grafik wird hierbei beim Laden nicht zeilenweise, sondern schichtweise eingelesen. Die Grafik-Grundstruktur erscheint schnell und mit zunehmender Ladezeit wird das Bild deutlicher. Zweitens bietet GIF die Möglichkeit, mehrere Grafiken in einer einzigen Datei zu speichern, so dass animierte Bilder im Internet-Browser angezeigt werden können. Drittens kann mit GIF eine Farbe (beispielsweise die Hintergrundfarbe) der Grafik als transparent definiert werden. Die Komprimierung bei GIF ist verlustfrei, was allerdings mit einem eingeschränkten Farbspektrum einhergeht. Nur maximal 256 Farben können dargestellt werden. GIF ist daher gut geeignet für: „Buttons“, „Bars“, Symbole und „Cliparts“ aber nicht für Fotos und Hintergründe. JPEG (entwickelt von der Joint Photographic Expert Group) ist genau genommen kein Grafikformat, sondern ein Komprimierungs-Algorithmus für Pixel-

Dateien. Da der Algorithmus aber zunächst nur für statische Grafiken von Bedeutung war, entstand das gleichnamige Dateiformat für Bilder. Mittlerweile wird der Algorithmus in Form von MPEG auch auf Videos angewendet. JPEG kann bis zu 16,7 Millionen Farben speichern. Je höher allerdings die Komprimierung, desto schlechter wird die Qualität der Grafik. In guten Grafik-Programmen können zwei Parameter eingestellt werden: Die Punktdichte (dpi = dots per inch) – bei Grafiken im Web reichen hier 70 bis 100 dpi und der Kompressionsfaktor. Je höher dieser Faktor, desto schlechter die Bildqualität. Die Farbtiefe einer Grafik gibt an, wie viele verschiedene Farbtöne gespeichert werden. Bei Pixel-Formaten sind folgende Farbtiefen typisch: Zwei Farben (schwarz / weiß), 16, 256 und 16,7 Millionen Farben. Um Farbwerte in einer Grafikdatei speichern zu können, müssen sie in einer computer-gerechten

Zu große Dateien verursachen lange Wartezeiten.

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FARBSY S MBOLIK O Kriterien der Farbauswahl im Web >Farbwirkungen können allgemein beschrieben und im Web gezielt eingesetzt werden. >Jeder Farbton ruft demnach konkrete Assoziationen hervor, die im Webdesign berücksichtigt werden müssen >Farben wirken auch im Zusammenhang mit anderen Farben; dafür gibt es Farbtafeln, die die hervorgerufene Wirkung durch Kombinationen aufführen >Die Farbwirkung hängt auch vom jeweiligen Kulturkreis ab

Photo: Dave Gostisha (stock.xchng)

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Form beschrieben werden. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle, anhand von Zahlen den Farbton zu kodieren. Im RGB-Modell wird eine Farbe durch ihre Anteile an den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau definiert. Der entsprechende Wert liegt jeweils zwischen 0 und 255, wobei 0 für keinen Anteil an der betreffenden Grundfarbe und 255 für maximalen Anteil steht. Blau hat dementsprechend den RGB-Wert: 0, 0, 255. So lassen sich bis zu 16,7 Millionen Farben darstellen (256 x 256 x 256). Normalerweise werden vom Browser Farben optimal interpretiert, die durch 51 teilbar sind. Rot beispielsweise sollte also nur die Werte annehmen: 0, 51, 102, 153, 204, 255. Im Webdesign beschränkt man sich daher ganz bewusst auf: 6 x 6

x 6 = 216 „browser-sichere“ Farben. Nur sie werden auf dem Bildschirm des Internet-Besuchers auch so dargestellt, wie vom Webdesigner vorgesehen. Dieser muss aber noch etwas ganz anderes bei der Arbeit mit Grafiken im Web bedenken. Zu große Dateien verursachen nämlich allzu schnell unzumutbar lange Wartezeiten. Viele Anwender benutzen derzeit noch ein Modem zur Datenübertragung oder haben einen eingeschränkten DSL-Zugang. Übertragungsraten werden in kb/s (Kilobit pro Sekunde) berechnet. Mit einem 28,8 kb/s Modem fallen für eine nur 36 kB (Kilobyte) große Datei mithin schon 10 Sekunden Wartezeit an. Grundsätzlich gilt: je mehr Grafik auf der Web-Seite, desto länger die Wartezeit bis zu ihrem vollständigen Aufbau beim Betrachter. Bei derzeitigen Übertragungsraten sollten Web-Seiten mithin vorsichtshalber nicht mehr als ca. 100 kB an Grafiken enthalten. Faustregel: Home Pages enthalten die wenigsten Grafiken. Eine weitere Schwierigkeit bei der Verwendung von Grafiken am Bildschirm resultiert aus dessen schlechter Auflösung. Sie liegt bei Werten in der Größenordnung von 72 bis 92 dpi. Primitivste Vierfarbdrucke haben aber schon 150 dpi und damit eine vierfach größere Auflösung. Dieser Nachteil der Bildschirmdarstellung wird zumindest teilweise durch den Farbreichtum des Monitors kompensiert. Bilder werden konventionell im 4-Farbdruck reproduziert. Die Farbdarstellung erfolgt dabei über die vier subtraktiven Druckfarben: Zyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Computergrafik wird dagegen mit dem additiven RGB-Verfahren erstellt, was zu einem wesentlich größeren, feiner abgestimmtem Spektrum und zu größerer Leuchtkraft führt. Fazit daraus: Digitales „Publishing“ ist per se „FarbPublishing“! Web-Seiten sind mithin farbig. Aber auch bei der Verwendung von Farben gibt es Regeln, die eingehalten werden sollten. Das beginnt schon bei dem Kontrast. Ein Hell-Dunkel-Kontrast beispielsweise entsteht durch die Gegenüberstellung von hellen und dunklen

REIZPOTENZIALE O Um Aufmerksamkeit zu generieren, können Web-Seiten sich folgender Reizpotenziale bedienen: >Emotionale Reize >Gedankliche Reize >Physikalische Reize >Reize aus der emotionalen Wirkung von Farben >Synästhesie >Reize aus psychologischen Konträrfarben

Psychologische Konträrfarben und symbolisierte Kontraste >Rot und Weiß kräftig / schwach Fülle / Leere leidenschaftlich / gefühllos >Blau und Braun geistig / irdisch edel / unedel ideal / real >Gelb und Grau strahlend / trüb >Orange und Grau auffällig / heimlich >Orange und Weiß bunt / farblos aufdringlich / bescheiden >Grün und Violett natürlich / unnatürlich realistisch / magisch >Weiß und Braun sauber / schmutzig edel / unedel klar / dumpf klug / dumm >Schwarz und Rosa stark / schwach grob / zart exakt / diffus groß / klein

Flächen. Violett und Gelb haben den stärksten, Rot und Türkis haben den schwächsten Hell-Dunkel-Kontrast. Aber nur Kontraste führen zu Ausdruck und Dynamik auf Web-Seiten. Ohne Hell-Dunkel-Kontrast wirken sie platt und unlebendig. Die Farbqualität meint die Intensität einer Farbe zwischen Reinheit und Trübung. Eingetrübt sind Farben, denen grau beigemischt wurde. Im Webdesign ist in diesem Zusammenhang zu beachten: durch Vergrauen stellt sich eine negative Stimmung ein. Dennoch sollten Eintrübungen bewusst auf Web-Seiten eingesetzt werden. Der Qualitätskontrast beschreibt in diesem Zusammenhang das Verhältnis bunter (reiner)

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zu unbunten (eingetrübten) Flächen. Genau wie HellDunkelkontraste können auch solche Qualitätskontraste zur Belebung der Web-Seiten beitragen. Unter einem Winkelkontrast versteht man den Winkelabstand zweier Farben am Farbkreis in Grad. Gelb und Türkis (Blaugrün) haben einen Winkelabstand von 90°. So genannte Komplementärfarben haben den größtmöglichen Winkelkontrast von 180°; man spricht dann auch vom so genannten Komplementärkontrast. Welche Winkelkontraste sollten im Webdesign eingesetzt werden? Hier sind unterschiedliche Winkelharmonien möglich. Im WWW wirken 3er-Harmonien am besten.1 Laut Hallenberger können sie leicht hergestellt werden: Der Farbkreis wird dazu halbiert gedacht. In der Mitte der einen Hälfte, befindet sich die erste gegebene Farbe (man sucht sich eine Farbe aus, die auf jeden Fall auf der Web-Seite

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vertreten sein sollte). Gegenüberliegend in der anderen Hälfte befindet sich die Komplementärfarbe. Jetzt wird symmetrisch aufgespaltet, indem man sich zwei Farben mit jeweils dem gleichen Winkelabstand zur Komplementärfarbe sucht. Zusammen mit der Farbe aus der oberen Hälfte, hat man jetzt drei Farbtöne, die zusammen die gesuchte 3-er-Harmonie ergeben. Sollen vier Farben auf einer Web-Seite verwendet

Im Web bewusst Kontraste, Farbsymbolik und Reizpotenziale einsetzen

werden, sollten sie gemäß einer 4-er-Harmonie ausgesucht werden. Hierbei wird ein Punkt A in der oberen Hälfte des Farbkreises ausgesucht. Die beiden ersten Farben sind symmetrisch um diesen Punkt mit jeweils gleichem Winkelabstand angeordnet. In der unteren Hälfte des Farbkreises orientiert man sich an einem Punkt B, der einen 180-Grad-Winkelabstand zu A hat. Die beiden letzten Farben der 4-er-Harmonie liegen symmetrisch zu B angeordnet. Dabei ist jedoch zu beachten: Seiten wirken zu bunt, wenn die Winkel zu weit auseinander liegen. Bei der Verwendung von Komplementärfarben (2-er Harmonie) sollten diese nicht in unmittelbarer Nachbarschaft angeordnet sein. Die Darstellung beginnt sonst zu flimmern. Der Quantitätskontrast entsteht durch die Gegenüberstellung von großen und kleinen Flächen in beliebigen Farben Um ihn zu erzielen sollte die kleine

Fläche nicht mehr als 20 % der großen einnehmen. Unter 1 % muss allerdings darauf geachtet werden, dass die kleine Farbfläche noch zu erkennen ist. Das Mengenverhältnis wird auch durch die Leuchtkraft beeinflusst. Die kleinere Fläche sollte die Farbe mit der größeren Leuchtkraft haben, da sie sonst überstrahlt würde. Große Flächen sollten generell möglichst nicht mit leuchtenden Farben gestaltet werden. Dies könnte das Auge irritieren und als unangenehm wahrgenommen werden. Große Flächen werden am besten in weiß (erhellend) oder in grau (unbunt) gehalten. Der so genannte Simultankontrast lässt sich darauf zurückführen, dass Farben vom Untergrund beeinflusst werden. So wirkt dieselbe Farbe auf unterschiedlichem Hintergrund verschieden. Ein starker Simultankontrast entsteht, wenn zu einer Farbe diejenige Farbe hinzukommt, die direkt neben der Komple-

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mentärfarbe liegt. Der Warm-Kalt-Kontrast entsteht, wenn einer wärmeren Farbe eine kältere gegenüber gestellt wird. Hierbei werden Modulationen des Gelb-Rot-Bereichs als warme Farben (Gelb, Orange, Rot, Braun) und Farben wie Blau, Weiß, Grau, Silber als kalte Farben empfunden.2 Liedl bemerkt dazu, die kühlste Farbe überhaupt liegt zwischen Cyan und Türkis, die wärmste zwischen Orange und Rot.3 Der Warm-KaltKontrast spricht prinzipiell Gefühle und Emotionen an. Di 2 H i t llt üb i i h i

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agiert, ist es nach Itten doch möglich, Farbwirkungen allgemein zu beschreiben und sie im Webdesign gezielt einzusetzen.4 Einige Einschränkungen müssen dabei allerdings berücksichtigt werden. Im Laufe der Zeit haben sich durch bestimmte Lebensweisen, naturgegebene Lebensumstände und geschichtliche Entwicklungen unterschiedliche Farbwirkungen in den einzelnen Kulturkreisen entwickelt. Eine farblich gezielt gestaltete Web-Seite, die im Internet ja weltweit zu sehen ist, kann mithin in Indien eine ganz andere Wi k h f l t i D t hl d D

ziationen. Beispiel: Rot wirkt im Zusammenhang mit Blut, Operationen, Verletzungen usw. unangenehm. Im Zusammenhang mit Sonnenuntergang, Lagerfeuer etc. aber angenehm.5 Da Farben selten einzeln vorkommen, wirken sie meist auch erst durch die Kombination miteinander. Farbtafeln, wie die von Leibmann, enthalten Aussagen hierzu.6 Da prinzipiell mehr Gefühle als Farben existieren, haben Farbkombinationen mehrere manchmal sogar widersprüchliche Wirkungen. Rot steht in Kombination mit Grün beispielsweifü U h b h fü N t d L b di k it

Kombination auf Wärme, Feuer, Aktivität, Geselligkeit hin. Zusammen mit Schwarz drückt Rot hingegen eher Brutalität, Aktivität und Bosheit aus.7 Rot ist ohnehin die historisch bedeutsamste Farbe: In manchen Sprachen ist Rot sogar gleichbedeutend mit dem Wort für Farbe (z. B. im Spanischen „colorado“). Es drängt sich optisch immer in den Vordergrund, da es eine warme Farbe ist und keine Tiefenwirkung hat. Rot wirkt daher näher als alle anderen Farben. Dies wird im Webdesign genutzt, um beim Betrachter Aufmerksamkeit zu erregen und somit die Werbet

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lingsfarbe sei, 2000 waren es sogar nur noch 12%.8 Rot ist die Farbe der Dynamik und der Aktivität und wird beispielsweise von Coca-Cola im Rahmen der Marketing-Strategie genutzt. Rot ist aber auch die Farbe der Korrektur und Kontrolle. Fehler werden vom Lehrer rot gekennzeichnet. Daneben zeigt Rot auch Gefahr und Warnung an, was insbesondere im Straßenverkehr deutlich wird. Weltweit sind die Ampelfarben gleich, da Rot bei Tag und Nacht gut sichtbar ist. Weitere Beispiele sind in diesem Zusammenhang: Notschalter, Alarm, Zutrittsverbote und der „Rote Bereich“ bei Messgeräten. Rot -Schwarz-Orange steht für höchste Aggressivität. Rot -Blau symbolisiert körperlich, geistig. Rot -Violett-Rosa weist auf Sexualität, Erotik und das Unmoralische hin. Rot gilt in China als Glücksfarbe. Die asiatischen Restaurants sind in Rot eingerichtet, weil dort oft gefeiert wird. Auch wird in China in Rot geheiratet. In Indien ist Rot die Farbe der Schönheit und des Reichtums. Inderinnen tragen bei der Hochzeit Rot. In den arabischen Ländern dagegen, wo Hitze das Leben bedroht, ist Rot das Symbol des Bösen und der Zerstörung. In kalten Ländern gilt Rot dagegen prinzipiell als positive Farbe. Der Rote Platz in Moskau bedeutet „der schöne Platz“. Blau ist heute die Lieblingsfarbe von etwa der Hälfte aller befragten Männer und Frauen.9 Es ist die Farbe der guten Eigenschaften und des Bewährten. Blau

wird nicht von spontanen Leidenschaften geprägt, sondern von gegenseitigem Verständnis. Generell ist es die Farbe der Sympathie, der Harmonie, der Freundschaft und des Vertrauens. Blau bringt aufgrund seiner kühlen Wirkung auch Ruhe und Tiefe ins Bild. Diese beruhigende Wirkung wird z.B. bei der Verpackung von Schlafmitteln, bei Bettwäsche oder im Aktiengeschäft eingesetzt. Blau ist auch eine Symbolfarbe für den Frieden. Blaue Fahnen sind Friedensfahnen (UN, EU, Greenpeace) aber am Himmel schlecht sichtbar und von daher schon traditionell für den Kriegsfall ungeeignet. Blau-Violett-Orange bezeichnet die Phantasie. Blau-Weiß symbolisiert dagegen Wahrheit, Wissenschaft, Konzentration und Sport (Schachcomputer „Deep Blue“). Blau-Grün-Weiß bedeutet Erholung. Blau steht dabei für positive Erholung und Grün für aktive Freizeitgestaltung. Weiß (die Abwesenheit aller Farben) zeigt Ruhe und wenig Aufregung an. BlauWeiß-Silber ist der Farbklang des Kühlen und findet Anwendung zum Beispiel bei Milchverpackungen. Blau-Gold steht immer für Leistung. So gibt es das blaue Band für herausragende Leistungen. Gelb ist die Farbe des Lichts und der Sonne. Es wirkt strahlend, heiter und symbolisiert das Lustige und Lebensfrohe. Gelb ist die häufigste Blumenfarbe. Deshalb wird Parfüm meistens mit gelber Farbe versehen. Es soll dadurch blumig wirken und an Blumen

Beim Institut für Auslandsbeziehungen e. V. findet sich Rot in Verbindung mit Schwarz. Diese Kombination hat eine eher brutale, provokative Anmutung und drückt Stärke aus. Die Frage ist, ob sich dieses für angestrebte Auslandsbeziehungen empfiehlt.

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erinnern. Gelb ist aber auch die Farbe des Unsicheren und Unbeständigen. Schon geringe Beimischungen nehmen Gelb die Leuchtkraft: Nur ein Hauch von Rot und es entsteht Orange, nur wenig Blau verwandelt Gelb in Grün. Gelb ist die Farbe der Warnung. In der modernen Farbsymbolik wird es auch aufgrund seiner guten Fernwirkung als Warnfarbe verwendet. Anwendungen hierfür sind die Verkehrsampel oder andere Symboliken mit Hinweis auf Giftigkeit, Radioaktivität und explosive Stoffe. Getrübtes Gelb wird negativ empfunden.10 Neid, Verrat, Falschheit, Zweifel und Misstrauen werden assoziiert. Violett ist u.a. auch die Farbe der Gewalt. Nach Eva Heller liegt das daran, dass antike Herrscher Purpur trugen.11 Gewalt heißt im Lateinischen ja sogar „violentia“. Violett steht aber auch für das Geheimnisvolle. Magier, Zauberer und Priester waren früher traditionell violett gewandet. Lila ist nicht zuletzt auch die Farbe der reifen Frau. Im Klassizismus (zur Zeit Goethes) wurde in der Mode erstmals zwischen Männer- und Frauenfarben unterschieden. Unverheiratete Frauen trugen damals Pastelltöne. Da ältere unverheiratete Frauen nicht das der Jugend vorbehaltene Rosa tragen konnten, kam hier das kräftigere Lila zur Verwendung. Es wird seitdem spöttisch auch als „Altweiberfarbe“ im Sinne von „die letzte Versuchung“ verwendet. Nichts desto trotz wird Lila gern in der Kosmetik eingesetzt

und dort insbesondere für die Zielgruppe der reiferen Frau. Es steht hier für die Attribute von Extravaganz und künstlicher Schönheit. In diesem Zusammenhang wurde Lila auch zur Farbe der Emanzipation. Vieles was mit Farbsymbolik zu tun hat, erscheint dem modernen Menschen als weit hergeholt und im Zusammenhang mit Webdesign nicht weiter relevant. Tatsächlich war im Mittelalter die symbolische Bedeutung von Farben in der Vorstellungswelt der Menschen noch viel präsenter als heutzutage. Dennoch spielen diese Zusammenhänge auch aktuell noch eine Rolle. Sie werden vom Betrachter (zwar meist unbewusst) durchaus wahrgenommen. Es lohnt sich deshalb für den Webdesigner, sich mit diesen Dinge zu beschäftigen und sie bewusst in seine Konzeption einzubeziehen. An vielen professionell erstellten Internet-Seiten kann dies nachvollzogen werden. Dazu einige Beispiele: Der Energie-Dienstleister E.ON setzt auf seiner Startseite (www.eon.de) als Hintergrundfarbe ein sattes Rot ein. Es wird als Signalfarbe verwendet um Aufmerksamkeit beim Betrachter zu erreichen. Die Farbe Rot steckt ja außerdem voller Energie und soll den Betrachter mobilisieren. Das Firmenlogo selbst ist aber in weiß dargestellt, was als Hinweis auf saubere Energie verstanden werden kann. Zudem wird Weiß auf den folgenden Seiten als Hintergrundfarbe eingesetzt, was zusätzlich die Lesbarkeit erhöht. Im Internet

Die Firmenfarbe der Deutschen Post leitet sich aus der Fernwirkung von Gelb ab (www. deutschepost.de). Briefkästen sind traditionell weithin gut sichtbar, da Gelb in natürlicher Umgebung auffällt.

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sollten ja wenn möglich immer Positiv-Kontraste verwendet werden (dunkle Schrift auf hellem Grund). Es entsteht so eine durchgängige Farbkombination: Rot für Energie und Weiß für die saubere Stromgewinnung. Beim Institut für Auslandsbeziehungen e. V. wurde ebenfalls früher Rot als Hintergrundfarbe gewählt (cms. ifa.de). Hier allerdings in der Verbindung mit Schwarz. Diese Kombination hatte eine eher brutale, provokative Anmutung und drückte Stärke aus. Die Frage war, ob sich dieses für angestrebte Auslandsbeziehungen empfiehlt. Mittlerweile ist der Auftritt denn auch komplett umgestaltet. Rot-Schwarz findet sich nur noch sehr kleinflächig am oberen Bildschirmrand. Die Handelskette Media Markt hält Anzeigenwerbung, Prospekte und Web-Auftritt konsequent im gleichen Design. Zu einem dunklen Rot bilden Weiß und Schwarz einen Kontrast. Das Rot vermittelt Dynamik, Entschlossenheit und einen aggressiven Marktauftritt, was mit den Absichten der Handelskette gut einhergeht (www.media-markt.de). Bei der Website des TV-Senders VOX finden sich Braun-Töne mit Rot gemischt. Dadurch wird Wärme und Geselligkeit suggeriert (www.vox.de). Blau ist dagegen die klassische Farbe für Versicherungen und Banken, da Vernunft, ruhige Kraft, Ausgeglichenheit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen vermittelt werden soll. Das ehemals sehr dunkle Hintergrund-Blau der Alli-

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anz-Seite (www.allianz.de) konnte allerdings damals auch bewirken, dass der Gesamteindruck ins Geheimnisvolle umkippte. Die Seite ist deshalb auch mittlerweile in helleren Blau-Tönen gestaltet. Blau steht bei Ensinger für Kühle und Wasser (www.ensinger. de). Die Wasser-Symbolik wird durch Grafik noch unterstützt. Logo und Schrift sind allerdings teilweise in Rot gestaltet. Dadurch wird ein Aussagekontrast hergestellt. Die Firmenfarbe der Deutschen Post leitet sich aus der Fernwirkung von Gelb ab (www.deutschepost.de). Die Telefonhäuschen und Briefkästen sind traditionell weithin gut sichtbar, da Gelb in natürlicher Umgebung sofort auffällt. Auch das Produkt UHU der Firma Hen-

Je nach Computersystem sehen Web-Seiten unterschiedlich aus und müssen deshalb für alle gängigen Systeme y erst getestet werden.

kel ist im Internet mit seinen bekannten Produktfarben Gelb-Schwarz vertreten (www.uhu.de). Die Farben stehen im Farbklang für Geiz und Egoismus – werden mithin also eher negativ bewertet. Trotzdem werden die Farben zu Recht konsequent auch im Netz eingesetzt, denn das Corporate Design hat in jedem Fall Vorrang. Nur so kann die Marke durchgängig präsentiert und ein hoher Wiedererkennungswert garantiert werden. Neben dem gezielten Einsatz von Kontrasten und Farben können auch noch andere Reizpotenziale verwendet werden, um Aufmerksamkeit für Web-Seiten zu generieren. Hierzu gehören: Emotionale, gedankliche, physikalische Reize, Reize aus der emotiona-

Texter, Fotograf, Grafiker, Konzepter, Techniker und Controller sind wichtige Rollen im Webdesign-

len Wirkung von Farben, Synästhesie und Reize aus psychologischen Konträrfarben. Emotionale Reize beispielsweise sprechen Gefühle von Menschen an. Sie lösen spontan hohe Aufmerksamkeit aus. Solche Reize nutzen sich kaum ab und hängen in ihrer Wirkung von der Zielgruppe ab. Beispiele für emotionale Reizkategorien sind: Babys, Kleinkinder, junge Tiere oder auch Geborgenheit, Sicherheit, Vertrautheit, Glück. Alle diese Emotionen werden mit Glück und Zufriedenheit assoziiert und sind mithin positive Reize. Sie sind auf Web-Seiten werbewirksam und sollten vor allem auf Sites für die breite Öffentlichkeit eingesetzt werden. Gedankliche Reize dagegen fordern neben unserer Wahrnehmung auch unser Verständnis: Sie provozieren Widersprüche, regen zum Nachdenken an oder führen zu Verwunderung. Sie nutzen sich daher schneller ab als emotionale Reize und aktivieren bei weitem nicht so stark. Beispiele für gedankliche Reizkategorien sind: Überraschung, Neuartigkeit, gedanklicher Konflikt, Komplexität, Verfremdung, Widersprüche zu Bekanntem, Ungewöhnlichkeit und Provokationen. Beispiele für physikalische Reize sind: Buntheit, Größe, Farbe, Kontrast, Klarheit und Prägnanz. Die emotionale Wirkung von Farben geschieht eher unbewusst. Es ist damit immer ein Vergleichen, entweder mit Erwartungen oder mit der Wirklichkeit

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Eine starke Farbwirkung entsteht im Zusammenhang mit der Synästhesie. Hier wird ein Reiz, der auf ein bestimmtes Sinnesorgan ausgeübt wird, von einem anderen wahrgenommen. So können beispielsweise Farbreize das Wärmeempfinden beeinflussen oder das Gewichtsempfinden beeinträchtigen. In dunklen Farben erscheinen Gegenstände schwerer als hell dargestellte. Das gilt auch umgekehrt, indem Farben konkrete Sinneswahrnehmungen einleiten: „Süß“ wird zum Beispiel durch Rot, Rosa oder Lila wiedergegeben. „Sauer“ dagegen eher durch Gelb oder Gelbgrün, was z.B. an der Verpackungsfarbe von sauren Drops deutlich wird. Farben transportieren sogar Geruchsempfindungen. Grün steht für Frische, Rosa eher für Blumigkeit. Violett führt zur Assoziation „Schwül“ und Braun lässt an Modrigkeit denken. Dabei entspricht die Wirkung von Farben auf Gefühl und Verstand oft nicht den farbtechnischen Verhältnissen. So wird Rot und Blau als starker Gegensatz, die eigentlichen Komplementärfarben Rot und Grün dagegen als weniger konträr empfunden. Rot und Blau werden in diesem Zusammenhang als psychologische Konträrfarben bezeichnet. Kombiniert man im Webdesign ein solches Farbenpaar, stellt sich erhöhte Aufmerksamkeit ein. Die Rot-Blau-Kombination symbolisiert dabei die Kontraste: aktiv-passiv, heiß-kalt, laut-leise, körperlich-geistig und männlich-weiblich.

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Bei technischen Zeichnungen, Grundrissen, Bauplänen etc. spielt durchaus auch die Schwarz-WeißDarstellung bei Grafiken eine Rolle. Solche Diagramme sind nur für den Bildschirm brauchbar, wenn sie in das Pixel-Raster passen. Optimal geeignet sind Grafiken mit orthogonalen und 45-Grad-Linien. Ebenfalls geeignet sind Grafiken mit isometrischer Perspektive, da diese nur aus Geraden und 45-Grad-Diagonalen aufgebaut sind. Komplizierte Perspektiven sind nicht bildschirm-geeignet, da alle Linien, die sich nicht am Pixelraster orientieren, dort gezackt erscheinen. Dieser treppenartige Verlauf muss durch das so genannte „Anti-Aliasing“ kaschiert werden. BROWSER UND TEST Je nach Computersystem sehen Web-Seiten unterschiedlich aus. Abweichungen ergeben sich aus der Verwendung verschiedener Browser, Browserversionen, Bildschirmauflösungen, Grafikkarten und Bildschirme (Farbdarstellung). Auch können einzelne „Plug-Ins“ installiert sein oder auf dem Kunden-PC fehlen. Bezüglich der Browser-Vielfalt hat sich das Problem für den Webdesigner entschärft. Der Internet Explorer beherrscht die Szenerie. Aber es sind unterschiedliche Versionen im Einsatz und immer wieder einmal drängen einzelne, kleinere Anbieter mit Browser-Software an den Markt. Gerade bei komplexen Tabellenstrukturen auf einer Web-Seite

Das Prototyping im Web-Projekt bedeutet, dass schon während der Entwicklung immer wieder Teilbereiche begutachtet werden. Auftretende Fehler sollten von der beauftragten Agentur im Anschluss korrigiert werden lassen und ein erneuter Test erfolgen (iteratives Prototyping = Protocycling).

führen verschiedene Browser auch zu unterschiedlichen Resultaten. Bevor eine Web-Seite „live“ geschaltet wird, werden mithin Browser-Tests notwendig. Auch das Ausdrucken der Seite ist zu erproben (PDF-Datei bereitstellen). Web-Seiten sollten ohne waagerechtes Scrollen zu betrachten sein. Dazu werden weitere Tests bei unterschiedlichen Bildschirmauflösungen erforderlich. Bei hohen Auflösungen sind Texte über die gesamte Bildschirmbreite einfach unergonomisch, da das Auge beim Zeilenwechsel leicht die Linie verliert. Bilder oder Grafiken sollten auch bei nur 256 Farben noch gut erkennbar sein. Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch, dass bei anderen Betriebssystemen als Windows auch andere Farbtabellen verwendet werden. Die Anzeige von Grafik kann im Browser des InternetSurfers sogar deaktiviert sein, weil das lange Warten auf den Bildaufbau bei langsamer Internet-Verbindung möglicherweise gestört hat. Besonders zentrale Inhalte der Web-Seite sollten sich deshalb zur Not auch ohne Bilder erschließen und die wichtigsten Navigationselemente auch ohne Bildanzeige noch bedienbar sein. PROJEKTMANAGEMENT Wer gehört zum Team bei der Erstellung einer Website? Texter, Fotograf, Grafiker, Konzepter, Techniker und Controller sind wichtige

Rollen, die vergeben werden können. >Der Texter darf beim Web-Auftritt nicht das fünfte Rad am Wagen sein. Mit ihm steigt und fällt der Werbewert des Auftritts. Schließlich sind die schönsten „Pausen lila“. Neben den genialen Ideen bringen professionelle Web-Texter aber noch etwas anderes ein: Den durchgängigen Duktus (so genannte „Tonality“). Die Web-Texte sollten den Eindruck vermitteln, dass sie aus einem Guss sind. >Der Fotograf hat im Normalfall einen langen Ausbildungsprozess durchlaufen. Für einen professionellen Web-Auftritt reicht es mithin nicht, vom Praktikant mit der Digitalkamera schnell noch ein paar Bilder fürs Internet knipsen zu lassen. Berufsfotografen sind zwar teuer, aber gute Fotos lohnen sich. Das Nutzungsrecht des Bildmaterials ist in jedem Fall zu klären. Optimaler Weise sind die verwendeten Bilder gleichermaßen für den Print-Bereich (Papierkatalog, Flyer etc.) und auch das Internet einsetzbar. Auf jeden Fall ist die Urheberschaft zu beachten. >Der Grafiker kann gut entwerfen und StandardProgramme bedienen Er hat Erfahrung beispielsweise mit: Paint Shop Pro, Adobe PhotoShop, GIMP etc. und beherrscht die Platz sparende Erstellung von Bildern im Web. Mehrphasenbilder und Flash sollten ihm geläufig sein. >Der Konzepter hat die Projektverantwortung. Er

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kennt sich mit der Technik und den konzeptionellen Aspekten so weit aus, dass er Entscheidungen treffen kann. Er verfügt über eine hohe Kommunikationsfähigkeit und kann Probleme früh erkennen. >Der Techniker sollte vor allem kein Dogmatiker sein. Die Technik ist die eine Seite, das marketing-gerechte Erscheinungsbild und die Aktualität des WebAuftritts die andere, mindestens ebenso wichtige Seite. Er beherrscht die grundlegenden Web-Techniken, wie HTML, CSS, Flash, JavaScript, FTP etc. auf unterschiedlichen Browsern und Computersystemen. >Der Controller vergleicht angebotene Agenturleistungen. Im Zusammenhang mir dem Web-Auftritt fallen an: Fixe Kosten für Technik und variable Kosten für das Webdesign. Bereits beim Einholen der Angebote für die Erstellung einer Website sollte klar sein: Wie viele Seiten soll der Auftritt umfassen. Der Controller handelt dann die Kosten pro Seite mit der Agentur aus, um eine möglichst gute Vergleichsgröße zu haben. Ein mittelgroßer Auftritt dürfte heute mit ca. 5.000 EUR zu veranschlagen sein. Was sollte im Projekt selbst beachtet werden? Pflichtenheft, Prototyping, Endabnahme, Launch und Wartung sind die wesentlichen Meilensteine. >Das Pflichtenheft entspricht einem Vertrag mit Kostenvoranschlag und gegenseitiger Unterschrift. Dort werden festgeschrieben: Was soll der InternetAuftritt können?, der Preisrahmen, die Rollenverteilung und wichtige Checkpoints – wie oft will der Auftraggeber auf dem Laufenden gehalten werden? Nie sollte ohne Pflichtenheft ein größerer Internet-Auftrag vergeben werden. >Das Prototyping im Web-Projekt bedeutet, dass schon während der Entwicklung immer wieder Teilbereiche begutachtet werden. In der Software-Branche wird dies auch als „Betatesting“ bezeichnet. Die Test-

Personen sollten dabei nicht identisch mit den Entwicklern sein – man spricht in diesem Zusammenhang auch von „unverbrauchten“ Testpersonen. Auftretende Fehler sollten von der beauftragten Agentur im Anschluss korrigiert werden lassen und ein erneuter Test erfolgen (iteratives Prototyping = Protocycling). Die Tests werden mit verschiedenen Internet-Browsern und Computer-Systemen durchgeführt. >Die Endabnahme umfasst auch eine vollständige Dokumentation des Projekts wenn das Vertragsziel erreicht ist. Dazu gehört ein Datenträger mit einer Kopie des erstellten Internet-Auftritts. Zu prüfen ist, ob die Wartung auch extern übernommen werden kann und welche Kosten in diesem Rahmen anfallen. Der finale Test sollte ohne so genannte „Einflüsterungen“ selber durchgeführt werden. Dabei ist auch zu ermitteln, wie viele Nutzer gleichzeitig möglich sind. Bei großen Web-Auftritten ist in diesem Zusammenhang auf skalierbare Server-Kapazität zu achten. >Zum Launch des Web-Auftritts gehört die Schaltung von Werbung. Im Internet sollten entsprechende Banner auf einschlägigen Seiten beauftragt werden. Regionale Zeitungen sollten verständigt und eventuell eine Plakatkampagne gestartet werden. Die WebAdresse darf nicht auf den Briefköpfen, Werbeprospekten und Visitenkarten der Mitarbeiter fehlen. >Während des jetzt folgenden Betriebs sind ständig externe Hyperlinks zu kontrollieren. Hierfür gibt es mittlerweile leistungsfähige Software, wie den „LinkValidator“ (LiVe). Themen sollten unbedingt aktuell gehalten und auf neue Inhalte durchgängig auch mit Grafik hingewiesen werden. Wichtig gerade in der Anfangsphase: Die Analyse des Nutzerverhaltens. Sollte der Web-Auftritt nicht funktionieren, sollte schnell über einen harten Schnitt und einen Relaunch nachgedacht werden.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Hallenberger, B. u. Rudolf, H.: Farben im Webdesign: Tutorial, Essen, 2001

6 Vgl. Leibmann, H. u. Rosza, T.: Logomaniacs: Weg zu den Zeichen der Zeit, Augsburg, 1998

2

7

Vgl. hierzu auch Bartel, S.: Farben im Webdesign, Springer: Berlin u. a., 2003 3

Vgl. Liedl, R. u. Amerstorfer, S. N.: Die Pracht der Farben, Mannheim, 1997 4

Vgl. Itten, J.: Kunst der Farbe: Subjektives Erleben und objektives Erkennen als Wege zur Kunst, Ravensburg, 1987 5

Vgl. Heller, E.: Wie Farben wirken, Reinbek, 1999

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Eine ausgezeichnete Darstellung der Farben im Web und der Farbsymbolik findet sich bei Stefanie Bartel: Farben im Webdesign, Berlin u. a., 2003 8

Vgl. Heller, E., a.a.O.

9

Vgl. ebenda

10

Vgl. hierzu auch Kandinsky, W.: Über das Geistige in der Kunst. München, 1987 11

Vgl. Heller, E., a.a.O.

arbeit im Internet

Das Internet hilft, die Zusammenarbeit mit den Medien zu optimieren. Doch in der Realität gestaltet sich die Online-Pressearbeit oft schwieriger als zunächst vermutet.

W

ie die klassische Pressearbeit lebt auch die Online-Variante von eindeutig festgelegten Zielen. Sie reichen von der Steigerung des Unternehmensbekanntheitsgrads über die Kommunikation mit Journalisten als spezieller Zielgruppe bis hin zur Erhöhung der Website-Besucherzahlen. Zur Umsetzung dieser Ziele stehen im Internet spezifische Werkzeuge zur Verfügung. Der Versand von Pressemitteilungen kann beispielsweise per E-Mail an die entsprechenden Redaktionen erfolgen. Damit ist eine schnelle und kostengünstige Alternative zum klassischen Brief gegeben. Journalisten registrieren

sich online für bestimmte Themen und erhalten nur noch Material, das auch wirklich für ihre Arbeit relevant ist. Bei den Medienvertretern eingehende E-Mails lassen sich leicht archivieren und sind so jederzeit auf dem PC verfügbar, wenn sie benötigt werden. Auf der Website des Unternehmens, das sich für Online-Pressearbeit entscheidet, können auch Geschäftsberichte veröffentlicht werden und mit Hilfe spezieller OnlineDienste sind virtuelle Pressekonferenzen möglich. Dabei wählt sich dann ein, wer will oder wer die entsprechende Zugangsberechtigung hat. Die zeit- und kostenaufwändige Anreise entfällt und Journalisten

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Die Internet-Presselounge der Fraport AG (www.fraport.de) umfasst nahezu alle grundlegenden Inhalte, die eine Presserubrik haben sollte. Ein Archiv fehlt aber beispielsweise.

können bei Bedarf an mehreren Pressekonferenzen täglich teilnehmen. Dabei ist, wie im realen Vorbild, die interaktive Teilnahme gesichert. Es kann nicht nur zugehört und mitgeschrieben werden. Auch Fragen sind jederzeit online möglich.1 Bei der Online-Pressearbeit wird zwischen so genannten „Push“- und „Pull“-Diensten unterschieden.2 Im ersten Fall werden Informationen an die Journalisten versand. Per E-Mail gehen Pressemeldungen oder auch digitale Pressemappen an die Redaktionen. Bei den „Pull“-Diensten dagegen müssen sich die Journalisten selbst über das Internet mit Material versorgen. Auf der Website des Unternehmens stehen dazu verschiedene Informationen bereit, die für Presse- und Medienleute von Interesse sein könnten. Diese Materialien werden in eine Online-Presserubrik eingestellt und sind dann von Interessenten abrufbar.

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„PULL“-DIENSTE im Web (die Online-Presserubrik) Ein eigener Presse-Bereich im Internet stellt allerdings hohe Anforderungen an die Online-PR. Der kommunikative Nutzwert einer Presse-Web-Seite wird dabei durch folgende Faktoren positiv beeinflusst: schnelles Laden der Seiten, übersichtliche Seiten-Navigation, Konsistenz des Layouts, Übereinstimmung des Layouts mit dem Corporate Design, bildschirm- und zielgruppengerechte Textgestaltung, hohe Aktualität der Inhalte sowie leicht auffindbare Interaktionsangebote in Form von Ansprechpartnern mit Telefonnummer und E-Mail oder Online-Kontaktformular.3 Der OnlinePressebereich sollte offen, d.h. ohne Passwort jederzeit zugänglich sein. Die Informationsbedürfnisse der Medienvertreter werden so schnell und unkompliziert erfüllt. Dass dieses Ziel in vielen Fällen noch nicht erreicht ist, zeigt eine im Frühjahr 2003 veröffentlichte Studie von Nielsen. Bei einem Praxistest der Internet-

Die Pressemeldungen der IBM Deutschland GmbH im Internet sind mit Datum und Überschrift versehen und beinhalten eine Kurzbeschreibung (www.ibm. de). Per Link gelangen die Journalisten bei Bedarf zum Volltext. Die Liste ist jeweils immer top aktuell – nur der laufende Monat wird angezeigt. Werden ältere Informationen benötigt, sind diese über ein Archiv abrufbar. Nachteil: Im Archiv kann auch wieder nur nach Datum gesucht werden. Die Schlagwortsuche, sowie die Auflistung nach miteinander kombinierbaren Kriterien, wie etwa Produkt- oder Unternehmensbereich ist nicht möglich.

Präsenzen von zehn Großunternehmen gelang es nur zu 82 Prozent, die Telefonnummer eines PR-Verantwortlichen ausfindig zu machen. Immerhin schon ein gewisser Fortschritt – zwei Jahre zuvor gelang dies nur zu 55 Prozent.4 Die Online-Presselounge der Fraport AG (www.fraport.de) ist hingegen ein positives Beispiel: Die dort verwendeten Unterrubriken sind: chronologisch aufgelistete Pressemeldungen, ein gut sortiertes, nach Themen gegliedertes Bildarchiv, zusätzliche Presseservices, wie die Unterstützung bei Filmaufnahmen etc., unterschiedliche „Downloads“, wie Reden, Portraits und Publikationen der Fraport AG, eine kommentierte Liste der Auszeichnungen und Preise, die die Fraport AG erhalten hat und eine ausführliche Liste aller verfügbaren Pressekontakte. Zusätzlich ist in der gesamten Presselounge auch die Schlagwortsuche möglich. Damit umfasst die Presserubrik der Fraport AG auch schon beinahe alle Inhalte,

die auch theoretisch vorhanden sein sollten:5 >Aktuelle Pressemitteilungen sollten chronologisch aufgelistet sein. Jeder Listeneintrag und damit jeder Hinweis auf eine Meldung umfasst die Überschrift, das Datum, einen Kurzinhalt und den Link zum Volltext. Aktualität ist oberstes Gebot. Pressemeldungen, die älter als zwei bis drei Monate sind, gehören ins Archiv. >Das Archiv selbst fehlt bei der Fraport AG. Es beinhaltet normalerweise alle jemals erschienenen Pressemeldungen. Sie sind in eine Datenbank eingestellt, in der schnell und effektiv in Form der Volltextsuche recherchiert werden kann. Zusätzlich sind unterschiedliche Ansichten möglich, in denen die Pressemeldungen nach diversen miteinander kombinierbaren Kriterien aufgelistet werden können – beispielsweise nach Erscheinungsdatum, Schlagworten, Autoren, Produktkategorien, Unternehmensbereichen

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Unternehmen am besten in Form von PDF-Dateien zur Verfügung gestellt. >Die Kontaktaufnahme zum Unternehmen sollte den Medienvertretern vielfältig möglich sein. Eine aktuellen Liste der PR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Adresse und Zuständigkeitsbereichen gehört ebenso dazu, wie ein Kontaktformular, in das online eine Anfrage eingestellt werden kann. Die Journalisten wählen dabei zwischen verschiedenen Möglichkeiten, Rückantwort zu bekommen (wird beispielsweise ein Anruf oder eine E-Mail gewünscht). Eingehende Anfragen sind schnellst möglich, spätestens innerhalb eines Arbeitstages zu beantworten. Vertretungsregelungen sollten existieren, so dass bei Abwesenheit eines zuständigen PR-Mitarbeiters Anfragen nicht tage- oder gar wochenlang liegen bleiben. Der Dialogcharakter des Internets kommt hier zum Tragen. Speziell für die Pressearbeit hat die EMail mittlerweile eine herausragende Bedeutung und Anfragen werden immer öfter per E-Mail gestellt. Dies alles sind Mindestanforderungen an eine Presserubrik, die erfüllt sein sollten. Zusätzliche Inhalte und Funktionen können die Website darüber hinaus noch attraktiver für Medienvertreter machen. >Ein aktueller Event-Kalender, speziell auf die Interessen von Journalisten abgestimmt, zeigt beispielsweise an, wo einschlägige Ereignisse stattfinden. Pressekonferenzen, Messen und Kongresse sind hier unter genauer Angabe von Datum, Uhrzeit, Ort, Kurzbeschreibung und weiterführender Links (z.B. auch zu einer Online-Anmeldemöglichkeit) verzeichnet. >Eine ständig aktualisierte Link-Sammlung gibt Pressevertretern die Möglichkeit, sich weitergehend zu informieren. Hierher gehören Studien, Marktforschungsergebnisse, Auszeichnungen und Zeitungsartikel, die über das Unternehmen erschienen sind. >Eine Registrierungsmöglichkeit für Pressemel-

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dungen und eventuell auch ein themenspezifischer s von der Presserubrik aus aufagen sich hier für den regelmänd haben auch die Möglichkeit, ert die weitere Zusendung von zu stornieren. ed Questions“ (FAQ) sind LisFragen und Antworten, die es machen, sich in ein unternehma einzuarbeiten. Sind solche rsparen sie den Journalisten so age und damit Zeit und Kosten. tandard zu erreichen, empfiehlt ngehende Anfragen kontinuierrbeiten. mappen werden begleitend zu nd anderen Großereignissen im macht. Journalisten können sich so umfassend zu einem bestimmten Thema oder Ereignis informieren und das entsprechende Material mit einem Klick herunterladen. >Pressegespräche und virtuelle Pressekonferenzen ermöglichen beispielsweise Online Chats mit Experten zu einem bestimmten Thema oder auch mit der Geschäftsführung. Hier sollte ein Link platziert werden, über den interessierte Journalisten zu einem virtuellen Konferenzsaal geleitet werden. Virtuelle Pressekonferenzen sind die Weiterführung der Pressegespräche. Unternehmen wie Siemens und auch IBM übertragen zum Beispiel Bilanzpressekonferenzen im Web, an denen Journalisten teilnehmen können, die nicht die Möglichkeit haben, vor Ort zu sein. „Eigentlich war es eine Pressekonferenz wie viele andere: Die Themen gingen munter durcheinander, manchmal redete jemand dazwischen und ein Zuspätkommender stellte Fragen, die der Vorstand längst beantwortet hatte. Andere Journalisten insistierten hartnäckig auf Themen, die nur sie selbst interessierten. Und doch war alles anders: Die Jahresergebnisse .. der Deutschen BP wurden nur im Internet besprochen, in einem Chat.“6 Mit diesen Worten charakterisierte die dpa die erste virtuelle Bilanzpressekonferenz eines größeren Unternehmens in Deutschland. Weil man den innovativen Anspruch der Deutschen BP auch in der Unternehmenskommunikation dokumentieren wollte, hatte man den Vorstand zu diesem „Experiment“ überredet. „Wir hatten noch nie so viele Fragen“, resümierte die BP-Pressesprecherin im Nachhinein. „Und es sind viele Informationen gegeben worden, die auf einer konventionellen Pressekonferenz so nicht erteilt worden wären.“ Kurz darauf ging das Unternehmen dann mit einer virtuellen Dreiländer-Pressekonferenz einen konsequenten Schritt auf diesem Weg weiter. Inzwischen sind Online-Veranstaltungen für Journalisten bei der Deutschen BP fest in das Internet-Ange-

bot integriert (www.bppressegespraech.de). Bei aller Aufgeschlossenheit für die neuen Entwicklungen im „Cyberspace“ steht aber nach Aussage des Unternehmens weiterhin der persönliche Kontakt zwischen Vorständen und Journalisten im Vordergrund der PRArbeit. Im Mai 2001 präsentierte auch die Leipziger Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG) ihren Geschäftsbericht erstmalig im Rahmen einer interaktiven Online-Konferenz (www.online-pk.de). Über ein Spracherkennungssystem einer Hamburger PR-Agentur wurden die Antworten der Vorstandsmitglieder direkt ins Internet übertragen. Das Team der Hamburger Agentur verfolgte dabei jedoch eine besondere Philosophie, weil es selbst in Zeiten der Videoübertragung vorrangig mit Text und nur am Rande mit Bildern arbeitet: „Text ist in der Medienwelt immer noch die härteste Währung der Information“ – so erklärte man dies. Mit ihrer ersten Online-Pressekonferenz bewegte sich die

VNG sogleich auch auf internationalem Parkett: Weil über das Internet auch Pressevertreter aus anderen Ländern teilnahmen, wurde die englische Übersetzung der gesamten Konferenz simultan ins Netz übertragen. Die ausschließlich auf Textbasis im Internet stattfindende Veranstaltung war eine Anwendung mit überschaubarer Datenmenge. Deshalb genügte für die Teilnahme auch eine einfache Internet-Anbindung, wie sie den meisten Journalisten heute nahezu überall auf der Welt zur Verfügung steht.7 PUSH-DIENSTE IM INTERNET (Versand von Pressemitteilungen) Eine Pressemitteilung ist die Standardmethode der Kommunikation zwischen dem Unternehmen und den Medien. Es ist ein Dokument, das betriebliche Neuigkeiten verbreitet und den Antrieb für Artikel und Meldungen in den Medien liefert. Eine Pressemitteilung hat ein Standardformat („Do’s

Photo: Hugo Humberto Plácido da Silva (stock.xchng)

Weil man den innovativen Anspruch der Deutschen BP auch in der Unternehmenskommunikation dokumentieren wollte, hatte man den Vorstand zur ersten virtuellen Bilanzpressekonferenz überredet. Inzwischen sind Online-Veranstaltungen für Journalisten bei der Deutschen BP fest in das Internet-Angebot integriert.

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and Don’ts“) und einen Inhalt, der entscheidet, ob öffentlichkeitswirksam informiert wurde oder nicht. Eine Pressemitteilung sollte generell so gestaltet sein, dass die Schlüsselbotschaft klar hervortritt und den Höhepunkt der Meldung bildet. Folgende Schlüsselfragen (so genannte „W-Fragen“) sollten adressiert sein: wer? (das aussendende Unternehmen), was? (das neue Produkt, die Dienstleistung, das Projekt), wie? (die Wirkungsweise), wo? (Firmensitz, Ort des Geschehens), wann? (jetzt, in der Zukunft, vor einer Woche...), warum? (die Begründung) und welche Quelle? (wer schreibt?). Wird jede Frage stichpunktartig beantwortet, ist der Körper des Textes schon zusammengestellt. Danach sollte dieser noch in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden: das Wichtigste, die „Lokomotive“, der Nachrichtenkern zuerst, dann folgen die näheren Umstände (gröbere Einzelheiten) und schließlich noch die weiteren Details (eventuell mit Zitat). Eine Pressemitteilung ist von der Form her meist so strukturiert: Freigabedatum (sofortige Veröffentlichung oder ein Datum in der Zukunft), Schlagzeile, Datum der Mitteilung und Ort, Text und die Kontaktdaten unter dem eigentlichen Inhalt. Ein medien-geeigneter Text beschränkt sich stets auf Themen, die für Journalisten auch wirklich von Interesse sind. Für die Meldung treffen damit mehrere der folgenden Punkte zu: „nah“ (was in der Nähe passiert ist meist von größerem Belang für die Menschen), aktuell (kein „Schnee von gestern“), öffentlich bedeutsam (Unternehmensbotschaften daraufhin kritisch prüfen) und fortschrittlich (neues Produkt, neue Dienstleistung). Konkrete Themen könnten daher folgende sein:8 >Start eines neuen Unternehmens, Geschäftsbereiches oder Web-Projektes >Einführung eines neuen Produkts >Relaunch eines Produktes / einer Website >Aktueller Jahrestag als besonderer Anlass von Ankündigungen >Ankündigung einer Kampagne (z.B. Werbekampagne) oder neuen Strategie >Eröffnung eines neuen Gebäudes >Neue Artikelserie für die Öffentlichkeit (freie Informationen) >Empfang eines bekannten öffentlichen Preises >Ankündigung einer Partnerschaft >Namens- oder Produktänderungen >Restrukturierung des Unternehmens >Führungskraftwechsel, Gremienwahlen >„Statement“ zu Themen von lokalem, regionalem oder nationalem Belang >Ankündigung eines öffentlichen Fernseh- oder Radio-Auftritts >Ankündigung einer neuen Website >Jahresabschluss, „Reporting“-Zahlen über Umsätze,

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Folgende Schlüsselfragen (so genannte „WFragen“) sollten in keiner Pressemeldung fehlen: wer, was, wie, wo, wann, warum und welche Quelle. Dabei beschränkt sich ein mediengeeigneter Text stets auf Themen, die für Journalisten auch wirklich von Interesse sind.

Gewinne etc. >Sponsoring-Aktionen >Neuer und bedeutender Kunde Die Aussendung von Pressemitteilungen gestaltet sich im Internet leicht: Sie kann im Normalfall per EMail über eine Agentur9 oder über einen eigenen Presseverteiler erfolgen. Agenturen bieten meist folgende Dienstleistungen an:10 >Versand zum gewünschten Zeitpunkt (auch Sperrfrist-Vorgaben) >Diverse Verteiler und Filter (Originaltext, per Satellit, etc.) >Versandbestätigung per E-Mail >Im Web online abrufbare Texte >Automatische Anmeldung der Suchmaschinen >Bereitstellung der Texte in einem V die Journalisten-Recherche >Elektronische Pressefächer mit Log sprofil und Pressekontaktdaten >Abwicklung: Buchen – versenden – Rechnungserhalt In jedem Fall sollte in den Redakt cherchiert werden, ob Pressemitteilu akzeptiert und erwünscht sind. Fall tionen über die E-Mail-Akzeptanz erfolgt die Aussendung sicherheitsh Brief oder Fax. Neben den eigentlichen Pressem nen auch digitale Pressemappen v Eine Pressemappe ist eine Sammlu die Journalisten überreicht wird, wen geben, Messeauftritte begleitet werd ankündigungen erfolgen. Zweck ist stellung aller wichtigen Informationen Journalisten dann mit erheblich geri berichten können. Der Inhalt der Pres je nach geplanter Ankündigung und Z gute digitale Pressemappe ist die beste Chance, zu steuern, was über das Unternehmen berichtet wird. Sie sollte daher wie ein vollständiges und reichliches Menü wirken. Bei der elektronischen Aussendung von Pressemitteilungen oder Pressemappen per E-Mail gilt allerdings: Weniger ist mehr! Versandt wird in jedem Fall immer nur ein kurzer, prägnanter Text, in dem auf die ausführlicheren Informationen verlinkt wird. So kann der Empfänger auswählen, ob er die Nachricht lesen möchte und muss nicht zunächst umständlich große E-Mails öffnen. Es muss sich immer auch um Neuigkeiten handeln! – kein „kalter Kaffee“ und natürlich auch keine pure Werbung. Auch E-Mail-Anhänge (so genannte „Attachments“) sollten vermieden werden, denn E-Mails mit Anhängen werden von vielen Firewalls ausgefiltert, da eine Verseuchung mit Computer-

Neben Pressemitteilungen können auch digitale Pressemappen an die Journalisten versandt werden. Eine solche Mappe ist eine Sammlung von Material, die überreicht wird, wenn Interviews gegeben, Messeauftritte begleitet werden oder Presseankündigungen erfolgen.Eine gute digitale Pressemappe ist die beste Chance, zu steuern, was über das Unternehmen berichtet wird.

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Viren zu befürchten ist. Die Betreff-Zeile („Subject“) der E-Mail sollte in jedem Fall aussagekräftig sein. Sie entscheidet in den meisten Fällen, ob die Mail geöffnet wird oder nicht: „... und wieder eine interessante Pressemeldung von der Firma xyz“ wäre zum Beispiel ungeeignet. Die Betreff-Zeile sollte dicht am Thema sein und bereits erahnen lassen, worum es geht. Alle angeschriebenen Journalisten sollten sich zuvor explizit in einen Presseverteiler eingeschrieben haben. Nur dann besteht die Gewissheit, dass der Empfänger

die Informationen auch ausdrücklich wünscht. Jederzeit sollten die angeschriebenen Medienvertreter die Möglichkeit haben, die Zusendung von Presseinformationen wieder zu stornieren. Obwohl viele Journalisten online tätig sind und durchaus das Internet zur Recherche nutzen, wünschen sie trotzdem oft noch schriftliche Mitteilungen auf Papier. Es ist in diesem Zusammenhang sicherzustellen, ob der ausschließliche Versand per E-Mail ausreicht.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Friedlaender, F.: Online-Medien als neues Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, Dissertation an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1999, S. 83 2

Vgl. Jasper, D.: Online-PR, Pressearbeit mit dem Internet, Göttingen 2004, S. 11 3

Vgl. Iburg, H. u. a.: Online-PR, Landsberg 2001, S. 58

4

Zitiert nach Gupta, M.: Effektive Öffentlichkeitsarbeit im Netz, „online im Internet“, www.gupta-net.de/pdfs/Gupta_ Online_PR.pdf, abgerufen am 02.33.06 yy 5

Vgl. Sauvant, N., a. a. O, S. 50f.

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Vgl. ebenda, S. 209

7

Statements zu den virtuellen Konferenzen siehe Sauvant, N., a. a. O., S. 209f. 8

Vgl. Dressler, D.: PR-Instrument Internet: So kommen Pressemitteilungen an, „online im Internet“, www.competencesite.de/pr.nsf/6DA072931A363363C1256E3800519660/ $File/internet_pr.pdf, abgerufen am 15.03.06 9

Bekannte Internet-Presseagenturen sind: www.newsaktuell.de oder auch www.press1.de 10

Vgl. Dressler, D., a. a. O.

– Werbung im Web

Fast eine Milliarde wurde 2005 in Online-Werbung investiert – Tendenz steigend. Dabei begann alles ganz harmlos mit ein paar animierten GIF-Grafiken in den neunziger Jahren.

T

-Online war mit 14,2 Millionen Besuchern im Monat der größte Werbeträger des Jahres 2006 im deutschen Netz, gefolgt von Web.de und MSN.de (Microsoft). Zu diesem Ergebnis kam die Ar-

beitsgemeinschaft Onlineforschung (AGOF e.V.) in der Untersuchung Internet Facts. Alle Mitglieder des Vereins wurden in die Studie einbezogen, nicht jedoch Google. Die Suchmaschine war als umsatzstärkster

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Werbeträger 2006 kein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. Diese versteht sich als offene Organisation der Online-Vermarkter, deren Zweck es ist, für Standards in der Online-Werbeträgerforschung zu sorgen. Rund 95 Prozent der Internet-Nutzer haben sich vor einem Kauf über Produkte erst einmal online informiert, lautet ein weiteres Ergebnis der Studie. Doch auch der Einkauf selbst wird im Web immer mehr zur Selbstverständlichkeit. 75,5 Prozent der Internet-Surfer kauften 2005 etwas im Netz. Dabei beschränkte sich die Produktpalette längst nicht mehr nur auf Bücher und CDs.1 Bislang hatte sich beispielsweise der Autovermieter Sixt im Hinblick auf Internet-Aktivitäten eher zurückgehalten. Doch nachdem Anzeigen der so genannten Gibsnisch-Werbekampagne hohe Klickraten erzeugten und sogar in Weblogs auf positives Echo stießen, bekam das Unternehmen aus Pullach Lust auf Online-Kommunikation. Bei der Internet-Abteilung E-Sixt hieß es, die Gewichtung innerhalb des MediaMixes werde sich zugunsten des Web verschieben.2

Diesem gehört werbetechnisch ohnehin die Zukunft: Zumindest kam der Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) zu diesem Ergebnis. Demnach wurden über 885 Millionen Euro 2005 in Online-Werbung investiert. Das entspricht einem Zuwachs von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft, prognostiziert der OVK. Mit rund 535 Millionen Euro ist der Löwenanteil, der im Jahr 2005 getätigten Umsätze, auf die klassische Online-Werbung entfallen. Die beliebtesten Werbeformen: großformatige Super-Banner und so genannte „Rectangles“. Dank zunehmender Bandbreiten ist aber auch ein Trend zu BewegtbildWerbung wie „Streaming-Ads“ und Flash-Animationen zu beobachten.3 DEN ANFANG machte die Zeitschrift Wired und brachte 1994 erstmals eine werbe-finanzierte InternetAusgabe heraus. Damit war die Online-Werbung geboren. Während Werbe-Schaltungen in Print und TV

Anzeigen der so genannten „Gibsnisch-Werbekampagne“ verwiesen auf die „Fake-Website“ www.gibsnisch.de. Doch für welchen Mietwagen der Kunde sich dort auch entscheidet, t am Ende erfolgt doch immer nur der Hinweis, dass es günstigere Angebote als die von Sixt nicht gibt. „Weitergesagt“ haben das unerwartet Viele. Die Online-Werbekampagne konnte als Erfolg gebucht werden.

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vor allem auf Breitenwirkung abzielen, reduziert sich der Streufaktor im Internet erheblich. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt deutlich, dass Online-Werbung immer individueller und unterhaltsamer wird.4 Im Jubiläumsjahr der Banner-Werbung (2004) organisierte T-Online die Ausstellung „10 Jahre Online-Werbung“ (auf der Internet-Seite www.10jahreonlinewerbung.de ist die Historie auch weiterhin nachzuvollziehen). Bereits 1996 kam Bewegung in die Welt der Banner. Die comdirect-Bank schaltete damals ein erstes animiertes „GIF“. Die Finanzbranche gehörte ja ohnehin zu den Ersten, die das Potenzial der neuen Werbeform nutzten – nicht zuletzt wegen eines unübersehbaren Trends in der Branche, dem Internetbanking. Immer mehr Unternehmen schalteten bis 1998 Banner und das Format wuchs: vom „Halfsize“- bis zum „FullsizeBanner“. Die BMW AG ließ 1999 den ersten Online-Spot in einem so genannten „Popup“ kreieren. Amüsant aus heutiger Sicht: dieser Spot musste mit langsamen 14k-

Modems funktionieren – eine echte Herausforderung. 1999 schaltete N24 das erste „Realtime-Banner“ im deutschen Internet. Nachrichten wurden aus der N24Redaktion direkt auf das Werbeformat übertragen. Das war neu und ist heute noch ein typisches Beispiel dafür, wie sich „Banner“ aufwerten lassen. Mit einem speziellen Internet-Werbeformat waren die Kreativen im Auftrag von Viag Interkom (jetzt O2) 2001 ihrer Zeit und ihren Konkurrenten voraus: Zum ersten Mal konnte der Internet-Nutzer direkt aus einem „Banner“ heraus eine „SMS“ verschicken. Damit war das „Web-SMS-Banner“ geboren. Eine ganz andere Zielsetzung hatte dagegen die Online-Kampagne im Auftrag der BMW AG im Jahr 2002. Hier ging es um die Erhöhung der Markenbekanntheit des Mini. Die Inszenierung des Produkts, sowie die Vereinbarung von Probefahrten beim BMW Mini Händler über das Internet, standen dabei im Vordergrund. Zur Generierung von „Hot-Leads“ wurden die Werbemittel der Kampagne auf „auto-affinen“,

Das großformatige PopUp der Firma BMW spielt 1999 mit einer innovativen Idee: Herr Metz, eine fiktive Figur, sucht ein neues Zuhause für seinen gebrauchten 7er BMW. Das Werbemittel lässt Herrn Metz an den Bildschirm des Users klopfen und spricht ihn somit unvermittelt und direkt an. Der erste Online-Spot in Deutschland.

Der Mini „fährt“ über den Bildschirm und hinterlässt Spuren in Herz-Form. Zielsetzung der Online-Kampagne im Auftrag der BMW AG im Jahr 2002 war die Erhöhung der Markenbekanntheit des neuen Mini. Per Klick konnte online auch eine reale Probefahrt vereinbart werden.

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reichweitenstarken Web-Seiten geschaltet. Durch die marken-typische Anmutung und die innovative und dynamische Inszenierung, kombiniert mit Sound-Untermalung und hoher Klick-Aufforderung, wurden starke Aufmerksamkeit und außergewöhnlich hohe Klick-Raten erzielt. Die Geschichte der Online-Werbung ist damit aber noch nicht zu Ende erzählt. 2002 setzten sich so genannte „Fullscreen-Interstitials“ durch. Ein LufthansaWerbemittel war ein interessantes Beispiel dafür: Es zeigte ein „Gate“, das nur für Online-Bucher zugänglich war und mit flughafen-typischen Elementen arbeitete. Die Online-Kampagne diente unter anderem zur Bekanntmachung der neuen Preispolitik der Fluglinie. Das „Gate“, das sich plötzlich über dem gesamten „Content-Bereich“ schloss, war ausgesprochen „auf-

In der Online-Werbung von WeightWatchers aus dem Jahre 2004 werden erstmals 3D-Effekte im deutschen Internet genutzt. Die komplette Web-Seite verformt sich zur weiblichen Silhouette mit Traummaßen. Der Wandel vom statischen Banner zur dynamischen Online-Werbeform ist damit endgültig vollzogen.

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„BANNER“ „BANNER Unterschiedliche Formen >Statische „Banner“: Rechteckige Werbefläche mit statischem Bild, Text oder Kombination aus beiden >Animierte „Banner“ mit animierten Bildern, Text oder beidem >„Transaktive Banner“ mit erweiterter Funktionalität, Interaktivität und hohem Informationsgehalt (Basis: Shockwave, Flash, Java) >„HTML-Banner“ mit erweiterter Funktionalität und Interaktivität durch Einsatz von HTML >„Nanosite“ mit der erweiterten Funktionalität und Interaktivität einer kleinen Website

„BANNER“ Sonderformen f >„4to1-Banner“ Teile bewegen sich aus vier Bildschirmecken aufeinander zu und bilden an vorgegebener Stelle Banner >„Mouse-Over-Banner“ zeigt bei Berührung mit Maus-Zeiger überraschenden Effekt z.B. Explosion oder „Expanding Banner“ >„Mouse-Move-Banner“ folgt der Maus-Bewegung, z. B. Schriftzug >„Flying-Banner“ bewegt sich auf vordefiniertem Pfad über die Web-Seite >„Skyscraper“ / „Bill Board Banner“ Format höher als breit (Wolkenkratzer / Plakatwand) >„Sound“ / „Audio-Banner“ ist mit „Sound“ unterlegt >„Sticky-Ad“ „Klebendes“ Banner, ortsfest auf Bildschirm >„Streaming-Video-Ad“ Banner mit kleinem Video

merksamkeits-stark“. Die Innovation: Während das Werbemittel ablief, wurde die Zielseite im Hintergrund geladen. Klickte der Internet-Besucher auf „Enter“, öffnete sich das „Gate“ über der Zielseite. Das Werbemittel erzielte gute Klick-Raten und eine ausgezeichnete „Conversion Rate“. Im Vergleich dazu erschien das Online-Werbemittel der Allianz aus dem Jahre 2002 schlicht – aber es war dennoch ungewöhnlich und berührend. Die Maus ertastete das Motiv und las Blindenschrift. Solche Formate zeigen auch aktuell noch beeindruckend, wie sich durch ungewöhnliche Einfälle auch mit einfachen Mitteln inhaltliche Tiefe gewinnen lässt. Dennoch kommt in jüngster Zeit mehr und mehr die Technik ins Spiel. Breitbandige DSL-Zugänge bieten den Kreativen seit etwa dem Jahr 2004 einfach mehr Gestaltungsspielraum. Und den nutzten die Entwickler einer Kampagne für Mazda: Neben den Klassikern kamen innovative Formate wie so genanntes „i-Flash TV“ zum Einsatz. Erstmals wurde ein „Unicast Video Commercial“ (siehe auch weiter unten) auf einer deutschsprachigen Website gezeigt. Fachmedien bezeichnen diese Werbeformate als wegweisend für die Online-Werbung. Technisch innovativ zeigte sich auch das Werbemittel von WeightWatchers aus dem Jahre 2004. Neuartige 3D-Effekte beeindruckten die Internet-Nutzer visuell und emotional, wurde doch die komplette WebSeite genutzt. Die markentypische Veränderung des Werbemittel-Formats – der Bildschirm „verschlankte“ – überraschte und amüsierte den Betrachter. Das Werbemittel tat etwas bisher Ungewohntes. Es spielte und verdeutlichte damit: Auch Online-Werbung musste unterhalten um zu wirken. Der Wandel vom statischen „Banner“ zur dynamischen Online-Werbeform war vollzogen. ZUR KLASSIFIZIERUNG der Werbung im Internet dienen die Kriterien: Format, Technologie und Implementierung. Das klassische „Banner“ ist eine rechteckige Werbefläche auf einem Online-Werbeträger. Diverse Gestaltungsmöglichkeiten, angefangen von der statischen Grafik, über animierte „Banner“, bis hin zu „Flash-Animationen“ sind möglich. Die Interaktionsmöglichkeit ist generell durch Verlinkung gegeben, d.h. der interessierte Kunde klickt auf die Werbefläche und wird darauf zu einer vorgesehenen Adresse weitergeleitet. Durchgesetzt haben sich die Größen: „Voll-Banner“ (468x60 Pixel), „Halb-“ (234x60), „Drittel-“ (156x60), und „OMS-Banner“ (400x50 Pixel). Daneben gibt es noch das so genannte „SkyscraperBanner“ mit 60x468 Pixel. Nur das „Cadillac-Banner“ nimmt die gesamte Seitenbreite ein. Eine Animationswirkung wird im einfachsten Fall durch eine Sequenz von Einzelbildern im „GIF-Format“ erreicht – bekannt auch als Internet-Daumenkino. Bis

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NEUE NEU E WERBEFORMEN Im selben Fenster >„Cobranded Site“ Website des Werbeträgers im „Look-and-Feel“ des Werbenden >„Comet Cursor“ Anpassung des Mauszeigers an die Werbekampagne bei Bewegung über die Werbefläche (auch „Logo Cursor“ genannt) >„Download Wallpaper“ An einen „Download-Vorgang“ gekoppelte Werbung in Form von Unterbrecherwerbung >„Dynamite“ Vielseitige, attraktive Werbeform, die unabhängig von der Website in Erscheinung tritt (Comic-Kommentar) >„Flash Layer“ Ein auf DHTML basierendes, animiertes Werbeformat – großflächig, jedoch (teilweise) transparent, so dass die Navigation der Website sichtbar bleibt

Im eigenen Fenster >„PopUp“ Werbebotschaft wird in eigenständigem Fenster vor dem aktuellen Browser-Fenster geladen. >„PopUnder“ Werbebotschaft wird in eigenständigem Fenster hinter dem aktuellen Browser-Fenster geladen und erscheint beim Schließen desselben >„E-Mercial“ Bildschirmfüllender Werbespot mit dynamischer Ausgangsseite >„Interstitial“ Unterbrecherwerbung, die im aktiven Browser-Fenster zwischen zwei Seiten eingeblendet wird (auch „Transitional Ad“ genannt) >„Superstitial“ Großformatige Werbeeinheit, die im Hintergrund des Browser-Fensters geladen und anschließend vor der aktuellen Website eingeblendet wird >„Microsite“ Zwischengeschaltete kleine Website, Übergang von Werbung zur Zielseite des Werbenden

Animierte Werbung bringt erhöhte Aufmerksamkeit. Blinkt das Gesamt-Ensemble allerdings zu sehr, entsteht eine unruhige Darstellung.

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heute dürfte es sich dabei um die am häufigsten verwendete „Banner-Art“ handeln. Grund: Es sind keine zusätzlichen technischen Voraussetzungen erforderlich, weder auf der Anbieter- noch auf der Nutzerseite. Solche Animationen ziehen naturgemäß erhöhte Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich. Ein Gesetz, was aber auch nicht uneingeschränkt gilt. Sind mehrere animierte „Banner“ auf einer Web-Seite platziert und blinkt das Gesamt-Ensemble zu sehr, entsteht eine unruhige Darstellung, die den Betrachter nur allzu schnell reiz-überflutet. Kleinformatige „Banner“ werden auch als „Buttons“ bezeichnet. So genannte „transaktive Banner“ haben meist größeres Format. Sie besitzen höhere Funktionalität auf Basis von Flash, Shockwave oder Java und erfordern daher auch zusätzliche Technik, die meist erst in Form von „Plug-Ins“ aus dem Internet herunter geladen werden muss. Hier muss der Kunde mithin zunächst sein System ergänzen, wenn die Werbung auf dem heimischen PC sichtbar werden soll. Ein zusätzlicher Aufwand, der nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. „HTML-Banner“ basieren hingegen auf HTML (und Javascript) und funktionieren ohne „Plug-Ins“. „Pull-Down“-Menüs, Suchfelder oder Auswahlboxen können jedoch durchaus damit erzeugt werden. So genannte „Nanosites“ sind Fortentwicklungen der „HTML-Banner“. Die Werbefläche wird mit dieser Technik selbst zu einer kleinen Web-Seite. Hier ist quasi alles möglich, was auf einer normalen HTMLSeite realisiert werden kann – bis hin zum E-Shop im Miniformat. Damit ist ein umfassender Transport der Werbebotschaft möglich, und zwar ohne dass grundsätzlich eine Verlinkung integriert sein muss. So genanntes Weglotsen der Besucher von der Web-Seite, die eigentlich besucht werden sollte, findet hier mithin nicht mehr statt. Banner gibt es noch in verschiedenen Sonderformen, wie zum Beispiel das so genannte „4to1-Banner“, bei dem sich aus den vier Bildschirm-

SONDERFORMEN Weitere Werbeformen im Internet >„Printing Ad“ Banner mit der Möglichkeit, Informationen zur Werbung auszudrucken >„Content Ad“ Integration einer Werbung im Look and Feel des Werbeträgers in dessen redaktionellem Angebot >„Shaped Ad“ Erscheinungsbild eines ausgeschnittenen „PopUp“-Banners >Text-Link Text, der mit einer Website oder einer Detailseite verlinkt ist >Wasserzeichen Logos erscheinen farblich abgeschwächt mit der Anmutung eines Wasserzeichens im Hintergrund einer Website

Ecken Teile aufeinander zu bewegen bis an vorgegebener Stelle das „Banner“ zusammengesetzt ist. „Mouse-Over-Banner“ zeigen einen überraschenden Effekt, wenn der Mauszeiger über ihre Fläche bewegt wird. Eine animierte Explosion oder eine Aufweitung („Expanding-Banner“) wird ausgelöst. Daneben gibt es aber auch noch weitere, innovative Werbeformen im Internet. Die „Cobranded Site“ beispielsweise nimmt – wie in der oben beschriebenen „WeightWatchers-Kampagne“ – komplett das „Look-and-Feel“ des zu bewerbenden Produktes und des Werbeträgers an. Die „msn-Seite“ (oder jede andere, auf der für das entsprechende Produkt geworben wird) wird vom Aussehen her komplett zur „WeigthWatchers-Seite“. Ein ähnlicher, wenn auch nicht ganz so prominenter Effekt, wird über den so genannten „Comet Cursor“ erzeugt (auch als „Logo Cursor“ bekannt). Der Mauszeiger nimmt dabei die Form

des zu bewerbenden Produkts an (oder passt sich in anderer Form an die Werbekampagne an), wenn er über die Werbefläche bewegt wird. Die Wartezeit bei einem „Download-Vorgang“ nutzt dagegen das „Download Wallpaper“. Es erscheint auf dem Bildschirm, während der Internet-Nutzer auf das Ende eines Ladevorgangs wartet. Das so genannte „Dynamite“ ist vollkommen unabhängig von der Web-Seite, auf der es platziert ist. Es erscheint beispielsweise in Form einer Sprechblase, wie sie aus Comics bekannt ist, um genauso schnell wieder zu verschwinden. Der damit verbundene Überraschungseffekt bringt den nötigen Aufmerksamkeitswert. Ein „Flash Layer“ ist großflächig angelegt und kann das gesamte Browser-Fenster überziehen. Da er jedoch transparent ausgeführt ist, wird die Original-Seite nicht vollkommen abgedeckt und die Navigation bleibt weiterhin sichtbar. Im eigenen Fenster erscheint das „PopUp“. Die Werbebotschaft wird vor der eigentlich gewünschten Web-Seite eingeblendet und erhält dadurch einen besonders hohen Aufmerksamkeitswert. Nachteil: Die Werbeform wird meist als störend empfunden. Technisch versiertere Kunden installieren daher einen so genannten „PopUp-Blocker“ und unterdrücken die Werbeeinblendung. Ein ernstzunehmender Effekt: Nur noch die Häfte der gebuchten „PopUp“-Fenster erscheinen wirklich auf dem Bildschirm des Nutzers, wie eine europaweit angelegte „Banner-Untersuchung“ des Internet-Dienstleisters Adtech aus dem Jahre 2004 belegt.5 Das „PopUnder“ wirkt hingegen weniger störend, da es zunächst unauffällig im Hintergrund bleibt. Es wird erst sichtbar, wenn das eigentliche Fenster geschlossen wird. Auch das „Superstitial“ wird weitgehend unbemerkt im Hintergrund geladen und erst bemerkt, wenn der Internet-Nutzer sein Browser-Fenster schließt. Das „Interstitial“ dagegen schiebt sich zwischen zwei Darstellungen im Browser – ähnlich wie die so genannte „Microsite“, einer zwischengeschal-

Das Online-Werbemittel der Allianz aus dem Jahre 2002 war zwar schlicht, aber dennoch ungewöhnlich. Die Maus ertastete das Motiv und las Blindenschrift.

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teten selbstständigen kleinen Web-Seite. Sie besitzt die volle HTML-Funktionalität (beispielsweise auch Eingabe in Formularfelder etc.) und lädt zum Wechsel auf die Seite des Werbenden ein. Auch das „Printing Ad“ gehört zu den Sonderformen der Werbung im Internet. Es handelt sich hierbei um ein „Banner“, über das Werbeinformationen ausgedruckt werden können. Der besondere Clou des „Content Ad“: Die Integration einer Werbung im „Look-and-Feel“ des Werbeträgers in dessen redaktionelles Angebot. Neuere Online-Werbeformen zitieren bereits wieder althergebrachte Varianten. So hat beispielsweise das „Shaped Ad“ das Erscheinungsbild eines ausgeschnittenen „Popup-Banners“. Unauffälliger arbeiten dagegen so genannte Wasserzeichen. Die Werbebotschaft überlagert dabei zwar die eigentliche Web-Seite, erscheint jedoch dabei stark farblich abgeschwächt im Hintergrund. DIE ERFOLGSMESSUNG der Internet-Werbung geschieht unmittelbar mit Hilfe von „Adservern“. Das sind datenbank-basierte Managementsysteme im Internet zur Pflege und Verwaltung von Online-Werbeflächen. Besondere Bedeutung hat hierbei die Protokollierung und Auswertung des Werbeerfolges anhand von „AdImpressions“ (wie oft wurde ein Banner angezeigt?) und „AdClicks“ (wie oft wurde auf ein Banner geklickt?). Die Zählmethoden werden dabei auf der Basis verbesserter Technik immer aussagekräftiger. Mit dem „ViewCount-System“ von Adtech beispielswei-

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se, wird sichergestellt, dass ein Werbe-Banner komplett im Internet-Fenster des Nutzers zu sehen war. Ein Zählimpuls im Banner-Code gibt dem „Adserver“ die Rückmeldung, dass die Informationen zum „Banner“ wirklich vom Browser des Nutzers abgearbeitet wurden.6 Solche exakten Auswerteverfahren sorgen für mehr Transparenz im Online-Marketing und für jederzeit konkret verfügbare Zahlen. Im Dezember 2004 erreichte demnach die „Nice-Price-Banner-Kampagne“ der Parfümeriekette Douglas den höchsten Werbedruck mit 436,6 Millionen „AdImpressions“ auf den 13 ausgelieferten Banner-Formaten der Kampagne. Das ermittelten die Marktforscher von Nielsen Netratings.7 Nach den ersten drei „AdImpressions“ pro einzelnem Internet-Besucher sinkt die Klickrate allerdings deutlich unter den Durchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommt die Analyse, die die Düsseldorfer Agentur Planetactive erstellt hat.8 So belegt die Auswertung von Daten vergangener Kampagnen aus dem „Adserver“ der Agentur mit mehr als 70 Millionen „AdImpressions“, dass die Klick-Rate der ersten Sichtkontakte mit den Werbeflächen die Höchste war. Insgesamt lagen die Raten der ersten drei „AdImpressions“ hundert Prozent über dem Durchschnittswert. Für die Studie wurden nicht nur die Klick-Raten in Relation zur Zahl der „AdImpressions“ gesetzt, sondern es wurde auch die Reihenfolge der „AdImpressions“ pro Internet-Besucher betrachtet. Im Vergleich der unterschiedlichen Kampagnen stellten die Analysten weiterhin fest, dass die optimale Kontaktmenge pro Nutzer je nach Kam-

pagne variierte. Unterschiedlich Branchen, abweichende Medienstrategien, demografische Werte der Zielgruppen und sogar die Jahreszeit, in der die Kampagne geschaltet wurde, hatten Auswirkungen auf die Klick-Raten. Solche Auswertungen machen Internet-Werbung sogar besser planbar als Werbung in traditionellen Medien. Sind dort hohe Streuverluste die Regel, erlauben im Online-Umfeld „Adserver“ die zielgruppen-spezifische Auslieferung der Werbung durch so genannte „Targeting-Optionen“. Jedes Werbemittel wird dabei einer oder mehreren Interessengruppen zugeordnet. Jeder Zielgruppe werden charakteristische InternetSeiten zugeschrieben und nur dort erfolgt dann auch die Werbe-Einblendung. Diese kann sogar über die Definition von Zeitfenstern noch feiner lanciert werden. Werbeflächen werden nur noch zu bestimmten Uhrzeiten gezeigt und zu anderen nicht. Zur exakten Erfassung der Zielgruppe im Web zählt auch das so genannte „Geo-Targeting“, also die genaue Sondierung von Zielgruppen nach ihrem Wohn- oder Aufent-

haltsort. „Performance Travel Channel“ heißt das Angebot des Online-Marketing-Spezialisten Advertising. com, das Werbekunden gleich drei „Targeting-Optionen“ unter einem Dach anbietet. Die erste Werbeansprache erfolgt über den „Content“ (das Thema: Reisen und Tourismus), die zweite über Demografisches, die dritte über das verhaltensgesteuerte „Targeting“. Um zu bestimmen, welches Profil wann auf welcher Seite zu finden ist, integriert Advertising.com PanelDaten des Reichweiten-Analysten Comscore in seine „Adserver-Technologie“. Das „Behavioral Targeting“ folgt dann dem tatsächlichen Nutzerverhalten: Seiten, die trotz vorhandener Zielgruppe nicht die erwartete Werbewirkung erzielen, werden auch nicht mehr beliefert. Jede Kampagne wird durch eine selbst-lernende Technologie des „Adservers“ stündlich optimiert.9 Wie ist aber dabei das Funktionsprinzip? Auf der Internet-Seite, auf der geworben werden soll, wird HTML-Code des „Adservers“ eingebunden. Wird die Internet-Seite durch einen Web-Besucher geöffnet, erfolgt eine Benachrichtigung an den „Adserver“. Dieser

2002 setzten sich so genannte „Fullscreen-Interstitials“ durch. Ein Lufthansa-Werbemittel zeigte ein Gate, das nur für Online-Bucher zugänglich war und mit flughafen-typischen Elementen arbeitete.

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schickt daraufhin die entsprechenden Daten an den Browser des Web-Benutzers und ein Werbe-Banner wird an der vorgesehenen Stelle eingeblendet und protokolliert („AdImpression“). Klickt der Internet-Teilnehmer auf das Banner, ergeht erneut eine Benachrichtigung an den „Adserver“, der die Aktion als „AdClick“ verbucht und auf die Website des Werbenden weiterleitet. Der Benutzer merkt davon in der Regel nichts. Ein elegantes Verfahren – allerdings mit einer Einschränkung. „Adserver“ benötigen leistungsfähige Hard- und Software, da viele Anfragen ohne merkliche zeitliche Verzögerungen bearbeitet und protokolliert werden müssen. Nur größere Unternehmen können sich deshalb die hohen Investitionskosten leisten und betreiben den „Adserver“ selbst. Kleinere und mittlere Unternehmen mieten „Adserver-Dienste“ besser an und nutzen die entsprechende Hard- und Software gegen Mietgebühren. Werbebanner werden dabei einzeln oder in Kampagnen zusammengefasst in das System eingebucht. Hierbei wird spezifiziert, wie lange

(Zeit) oder wie oft („AdImpressions“) ein Banner angezeigt wird oder wie viele Klicks auf die Werbefläche erfolgen sollen, bevor sie nicht mehr im Internet zu sehen ist. Jetzt muss noch die Zielgruppe spezifiziert werden. Neuere Ansätze („Behavioural Targeting“) basieren dabei auf der anonymisierten Aufzeichnung von Nutzungsverhalten und der daraus abgeleiteten „Clusterung“ von Nutzern in definierte Interessengebiete und Zielgruppenmerkmale – bis hin zu milieu-basierten Zielgruppenmodellen. Ergänzend stehen klassische Zielgruppendaten auf Basis von nicht online-spezifischen Markt-Mediastudien (mit daher begrenzter Relevanz) zur Verfügung. Zielgruppenplanung im Internet ist heute und auch in absehbarer Zukunft ein integrierter und iterativer Prozess, der kontinuierlich auf Basis des Zyklus aus operativer Planung, kontinuierlichem „KampagnenTracking“ und laufender Optimierung aller Planungskriterien während der Kampagne erfolgt. Insbesondere bei vertriebsorientierten Kampagnen stellen dabei die „Conversion“- und CPO-Werte („Cost per Order“) das

Mit einem speziellen InternetWerbeformat ermöglichten die Kreativen im Auftrag von Viag Interkom (jetzt o2) 2001 Internet-Nutzern direkt aus einem Banner heraus eine SMS zu verschicken. Damit war das Web-SMS-Banner geboren.

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zentrale Optimierungskriterium dar. Bezogen auf diese Parameter hat sich das Internet als leistungsstarker Werbeträger für eine Reihe von Branchen längst etabliert. Die Studie Internet Facts der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung wird künftig insbesondere für das Kampagnenziel „Branding“ ein mächtiges Instrument darstellen. Hier werden präzise Zielgruppendaten für eine große Anzahl relevanter Werbeträger und Belegungseinheiten aktuell bereitgestellt. Ein neuer Schritt in Sachen Planungsprozess und Datenqualität. Zielgruppenplanung Online ist daher heute für eine vertriebsorientierte Kampagnen-Zielsetzung längst etabliert und zeigt auch hervorragende Ergebnisse.9a

Das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2003, in der die Wirkung von Rich-Media-Werbung getestet wurde, war eindeutig: In allen relevanten Dimensionen konnten Steigerungen erreicht werden und zwar besonders in der jungen Zielgruppe.

BESONDERS WACHSTUMSSTARK waren bis zum Jahr 2005 die Bereiche Online-Werbung für Auto und Finanzdienstleistungen. Die Herausforderung besteht darin, dieses rasante Wachstum auch auf andere Branchen mit weniger erklärungsbedürftigen Produkten auszuweiten. Wichtige Beiträge dazu werden die Reichweiten-Daten der AGOF liefern, mit denen Online-Werbung Eingang in die Standard-Mediaplanungs-Tools und somit ins so genannte „Consideration Set“ der Mediaplaner erhält. Auch der technische Fortschritt begünstigt das Wachstum der Online-Werbung. Auf Seiten der Nutzer sind das vor allem höhere Bildschirmauflösungen und die fortschreitende Verbreitung von Breitbandanschlüssen. Auf Seiten der „Adserver“ sind es Möglichkeiten wie die Einblendung von Video-Clips bei DSL-Nutzern. Gingen 2002 erst drei Millionen Menschen in Deutschland mit BreitbandAnbindungen auf die Datenautobahn, so waren es laut der @facts-Studie 2004 bereits acht Millionen – die meisten via DSL.10 Zwar flacht die Wachstumskurve inzwischen ab, doch die Tendenz ist weiter steigend. Dem steht die Entwicklung bei den Online-Werbeformaten in nichts nach. Werbemittel die in erster Linie für schnelle Internet-Verbindungen gedacht sind (so genannte „Rich-Media“-Formate) kamen bereits 2004 auf einen Anteil von gut 40 Prozent an allen OnlineWerbemitteln. Für Agenturen stellt Internet-Breitband keine Herausforderung dar, sondern eine Chance, auf die sie lange gewartet haben. Die Möglichkeit im World Wide Web vermehrt emotionale Markenbotschaften transportieren zu können, birgt ein enormes Potenzial. Die Wirkung von „Rich-Media-Werbung“ wurde im Rahmen einer Kampagne nach den Maßstäben der klassischen Werbeerfolgsmessung erhoben.11 Das Ergebnis der Studie aus dem Jahr 2003 war eindeutig: In allen relevanten Dimensionen – von der Werbe-Erinnerung bis hin zur Kaufbereitschaft – konnten Steigerungen erreicht werden und zwar besonders in der jungen Zielgruppe. Es ist allerdings noch nicht in vollem Umfang klar, was den typischen BreitbandNutzer eigentlich ausmacht. Studien müssen erst zei-

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gen, welche Charaktere sich dahinter verbergen. Sind es eher die optisch verwöhnten und „technik-affinen“ jungen Leute, die im Internet perfekte multimediale Qualität erwarten? Oder sind es eher Menschen, die durch Breitband einfach nur schneller mit dem Web arbeiten wollen? Daneben gibt es aber noch ein ganz anderes Problem: Was passiert mit dem immer noch großen Anteil an Nutzern, die mittels analoger oder relativ langsamer ISDN-Anschlüsse ins Internet gehen? So genannte „Polite-Loading-Technologien“ sind hier wichtig, die eine ladefreie Online-Zeit (etwa beim Lesen eines Artikels) nutzen, um im Hintergrund das Werbemittel aufzubauen und dann vollständig abzuspielen. Nur so bekommt auch der Analog-ModemNutzer einen hochwertigen Internet-Spot zu sehen. Daneben besteht natürlich immer auch die Möglichkeit, die Bandbreite des Nutzers im Voraus abzufragen und erst dann ein entsprechendes Werbemittel auszuliefern. Kritik richtet sich heute vor allem gegen das so genannte „Streaming“. Für viele Auftraggeber ist es absolut inakzeptabel, wenn eine wertvolle Marke in einem briefmarkengroßen Videofenster auf der Website ruckelig und mit einer teilweise abbrechenden Audiosequenz abspielt. Selbst für DSL-Nutzer ist die Qualität und Größe des Werbemittels immer nur auf einen Teil der Bildschirmgröße beschränkt. Bei dem so genannten „Unicast-Format“ hingegen erfolgt der komplette

„Download“ eines Werbemittels im Hintergrund vorab. Hier gibt es daher auch keine Qualitätseinbußen durch Übertragungsschwankungen. Multimediale Anwendungen werden das Internet zu einer immer wichtigeren Plattform für Marken-Kommunikation machen. Das interaktive Agieren mit einer Marke ist eben nur hier wirklich möglich und gerade diese Interaktion hat ja nachweisbar den größten positiven Effekt auf die Markenbeziehung. Auch die Bedeutung internationaler Kampagnen wird durch die neuen Online-Möglichkeiten wachsen, wenn auch gegenwärtig noch das nationale Geschehen den Werbemarkt dominiert. Sowohl gering budgetierte als auch groß angelegte Online-Kampagnen erzielen dabei Erfolge, können doch beim Medium Internet die Zielgruppen exakt erfasset werden. „Targeting“ steht damit im Zentrum der Online-Werbung. Nur durch zielgruppen-genaue Kommunikation lässt sich im Web die größtmögliche Effizienz erreichen. OnlineMaßnahmen erfordern solchermaßen dann aber auch wesentlich geringere Budgets, als klassische TV- oder Print- Kampagnen. Mit anderen Worten: Online Marketing ist effektiver, erfordert häufig nur einen Teil klassischer Werbebudgets und ist dadurch in der Regel kostengünstiger.12 Dennoch sollten Unternehmen ihre Online-Aktivitäten nicht nur auf die hier beschriebene Werbung beschränken, sondern unbedingt auch Suchmaschinen-Marketing einbeziehen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. o. V.: Online-Werbung: T-Online führt, „online im Internet“, www.lz-net.de, abgerufen am 20.04.06

37 8

2

Vgl. o. V.: Sixt. Autovermieter setzt verstärkt auf OnlineWerbung, Der Kontakter Nr. 14 vom 03.04.2006 S. 5

Zitiert nach: o. V.: Studie von Planetactive analysiert Online-Kampagnen, MARKET Webmagazin vom 10.10.2005

3

9

Vgl. o. V.: ONLINE-WERBUNG Ungebrochenes Wachstum im Web, acquisa, Vol. 54, Heft 03/2006, S. 8 4

Vgl. o. V.: Zehn Jahre Online-Werbung, MARKET Webmagazin vom 29.12.2004 5

Zitiert nach o. V.: Schwere Zeiten, Kress.de vom 04.01.2005 6

Vgl. o. V.: Online-Werbung leichter messen, MARKET Webmagazin vom 05.08.2004 7

Vgl. o. V.: Nielsen Netratings, Douglas-Kampagne duftet am stärksten, Der Kontakter Nr. 04 vom 24.01.2005, S.

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Vgl. o. V.: ERFOLGSBASIERTE KAMPAGNENAUSSTEUERUNG VON REISEWEBSITES, medien aktuell vom 07.11.2005, S. 11 9a

Vgl. Klaus, M.: In der Zukunft noch schärfer, media & marketing Nr. 10 vom 05.10.2005, S. 81 yy

10

Vgl. Terhörst, W.: Geschwindigkeitsrausch, Market Ausgabe April vom 02.04.2004 S. 108 11 12

Vgl. ebenda

Vgl. Muche, C.: Unbekannte Vorteile, Market Nr. 19 vom 26.09.2005, S. 6

SuchMarketin

Im Web „existiert“ ein Unternehmen nur, wenn es in Suchmaschinen gefunden wird. Zentral ist dabei allerdings die Fragestellung: Wonach würde jemand suchen, der sich darüber freut, das Unternehmen online zu finden?

W

ie kommt ein Stromanbieter an Interessenten heran, die sich gerade mit diesem Thema beschäftigen? Im Internet ist die Antwort einfach: durch Suchmaschinen. Jeden Tag suchen über 1.000 Personen alleine in Deutschland nach dem Suchbegriff „Stromanbieter“.1 Dieses Beispiel lässt sich auf jeden übertragen, der Waren, Dienstleistungen oder Informationen auf seinen Internet-Seiten anbietet. Schließlich gibt es nichts, was in Suchmaschinen nicht gesucht wird und die Suche ist in jeder Phase des Kau}fentscheidungsprozesses eine wichtige Anlaufstelle für deutsche Internet-Nutzer. Mehr als die Hälfte davon bevorzugen dabei die normale Suchergebnisliste (algorithmischer Index) und klicken nicht

auf bezahlte Textanzeigen wie beispielsweise Google AdWords. Das sind Ergebnisse der W3B-Studie von Fittkau & Maaß, die speziell für eprofessional, Agentur für Suchmaschinenmarketing in Hamburg, erhoben wurden. 57,2 Prozent der Suchmaschinen-Nutzer gaben an, dass sie Suchmaschinen eher am Anfang ihrer Suche nutzen, um einen Überblick über das Angebot im Internet zu erhalten. 29,4 Prozent setzen sowohl am Anfang ihrer Suche als auch kurz vor dem tatsächlichen Kauf auf Suchmaschinen. Insgesamt sind laut Studie 31,8 Prozent der Suchmaschinen-Nutzer davon überzeugt, dass Anbieter die bei mehreren Suchanfragen nach einem Produkt in den Suchergebnissen immer wieder ganz oben auftauchen, in diesem Bereich

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führende, bekannte Anbieter sind.2 Die Kunst besteht mithin darin, auf den Ergebnislisten aufzutauchen. In Sachen Web-Gestaltung gilt es in diesem Zusammenhang von vornherein auch, den eigenen InternetAuftritt für Suchmaschinen zu optimieren. Dies findet bisher allerdings zu selten bereits während der Design-Phase eines Web-Projektes Beachtung. Zahllose

fünfstelligen Euro-Betrag pro Jahr einkalkulieren. Bei häufigen Änderungen der Website, mehrsprachigen Sites und der Ansprache von verschiedenen Zielgruppen steigen die Kosten entsprechend. Auch komplexe Freigabeprozesse können die Arbeit des Dienstleisters erheblich verteuern.3 Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich auf die wichtigsten Website-Optimie-

Nicht alle Suchmaschinen sind wichtig

Möglichst flache Hierarchietiefe

große Websites werden deshalb von Suchmaschinen ohne nachträglichen Aufwand überhaupt nicht berücksichtigt. Aber gibt es überhaupt ein Webdesign, welches die Top-Positionierung bei Suchmaschinen garantiert? Die Antwort ist nein. Dennoch bieten mehr als 100 Dienstleister in Deutschland SuchmaschinenMarketing im Kundenauftrag an. Der Service ist zudem nicht billig. Vor allem die Website-Optimierung geht ins Geld: Laut Berlecon muss der Kunde dafür bei einer Site normaler Größe inklusive „Keyword-Recherche“, Beratung und regelmäßiger Reports im Schnitt einen

rungsmaßnahmen zu beschränken. Tatsächlich existieren nämlich durchaus praktikable Regeln, wie Unternehmen sich auf der Trefferliste ziemlich weit oben wiederfinden können.4 Dabei lohnt es sich allerdings kaum, bei allen möglichen Suchmaschinen sofort aufgefunden werden zu wollen. Besser ist, sich auf die Hauptanbieter zu konzentrieren. Allein Google erreicht beispielsweise einen Marktanteil von 42,7% (2006, Vorjahr 36,4%). Die Konkurrenz ist dünn gesät. Der Marktanteil des Branchen-Zweiten Yahoo beläuft sich schon nur noch auf knapp 30% und Microsoft liegt mit

Einige Seiten auf BMW.de waren so ausgelegt, dass sie die Google-Software austricksten und dadurch höher in den Treffer-Listen rutschten. Das schwarze Schaf BMW wurde eine zeitlang ausgeschlossen.

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MSN bereits unter der 15%-Marke (Zahlen für 2006).4a Andere Suchmaschinen allgemeiner Art vermitteln wegen ihrer geringen Suchnutzung gleich gar keine nennenswerten Kontakte. Wichtiger sind da schon so genannte „Business-Suchmaschinen“. Diese greifen meist auf vorselektierte und vorqualifizierte Quellen und Daten zurück und verbessern kontinuierlich ihren

Web-Seiten sollten relevante Link-Namen erhalten Suchbestand. Als Ergebnis führt die Suche nach einem Anbieter, einem Produkt oder einer Dienstleistung innerhalb einer „Business-Suchmaschine“ schneller zum Ziel als über eine allgemeine Suchmaschine. Konstrukteure und Entwickler gehören beispielsweise zu denen, die mehrmals im Monat nach einem neuen Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen suchen. Solchen Kunden „kurze Wege“ anzubieten, haben sich die „Business-Suchmaschinen“ zur Aufgabe gemacht. Dahinter stehen häufig bereits seit vielen Jahren etablierte Unternehmen, die über langjährige

Erfahrungen mit Firmennachschlagewerken oder -datenbanken verfügen und nun neue Wege beschreiten, beispielsweise: „Wer liefert was?“ (www.wlw.de), Hoppenstedt (www.firmendatenbank.de), Seibt Verlag (www. seibt.com) oder auch Gelbe Seiten Business (www.businessdeutschland.de). Weiter gibt es branchenspezifische Dienste wie www.timberscout.com, der Suchservice der Holz 24 GmbH, die Suchsite für Techniker www.sjn.de oder der Marktplatz für Abwasser- und Abfalltechnik www.ivaa.de. Auch für neue Anbieter sollte man aber immer offen bleiben, denn im Internet können sich die Verhältnisse schnell ändern. Aber Vorsicht! Von Anmeldediensten und Software, die damit werben, dass sie die Websites in mehrere tausend Suchmaschinen eintragen, sollte Abstand genommen werden. Das Resultat ist vor allem, dass die eigene E-Mail-Adresse bei ein paar tausend Diensten bekannt ist und haufenweise Spam eingeht. Bei Suchmaschinen wie Google findet sich ein Link, wo die eigene Website (manuell) eingegeben werden kann. „Last but not least“ sollten die Websites bei den wichtigen Verzeichnissen eingetragen werden. Dazu gehören vor allem Yahoo und das Open Directory Project. Gleichgültig für welche Suchmaschinen die Site optimiert werden soll, für alle gilt: Links auf Websites sind in möglichst flacher Hierarchie-Tiefe anzusetzen. Muss

Verlinken populäre V Internet-Seiten, wie beispielsweise die des Stern, auf die Website eines Unternehmens, gibt es kein besseres Mittel, um bei Google ein gutes „Ranking“ zu bekommen.

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eine Suche sich erst bis zur fünften Ebene vorarbeiten, um die Seiten für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu finden, kann das schief gehen. Häufig hilft eine Site Map oder eine so genannte „Hallway Page“, die es ermöglicht, alle verfügbaren Seiten aus einem Dokument heraus zu erreichen (siehe auch weiter unten). Die Alternative zu einer tief gestaffelten Site Struktur

Es reicht, die „Hallway Page“ anzumelden ist aber in jedem Fall eine flachere Struktur. Wird der Suchbegriff schon als Teil der URL-Adresse einer Site gefunden, erhöht dieses die Chance auf eine Top-Position für den Suchbegriff bei fast allen Suchmaschinen. Beispiel: Wird „Gesundheit“ bei Google als Suchbegriff eingegeben, erscheint „www.gesundheit.de“ an erster Position von ca. 182.000.000 Ergebnissen (abgefragt am 28.04.06). Web-Seiten sollten mithin auch was den Link-Namen angeht, relevante Bezeichnungen erhalten. Link-Namen enthalten wertvolle „Ranking-Informationen“ für Suchmaschinen. Mit unsinnigen Be-

zeichnungen kann eine Suchmaschine rein gar nichts anfangen. Die Web-Adresse http://finanzen.focus.de/ D/DA/DAC/DAC22/dac22.htm weist auf ein Dokument zum Bankgeheimnis in Europa im Rahmen des WebAuftritts des Magazins Fokus. Obwohl die Seite mithin einen interessanten Inhalt hat, könnte auf Basis der Link-Bezeichnung keine Suchmaschine damit etwas anfangen. http://finanzen.focus.de/Bankgeheimnis wäre die wesentlich bessere Alternative. Entscheidend ist auch eine geeignete Verlinkung innerhalb der Website. Seiten welche keine Verbindung zur Homepage besitzen oder deren Verbindung über zu viele Zwischenschritte verläuft, können von Suchmaschinen nicht gefunden werden. Hier hilft eine „Site Map“, welche Links zu allen Themenseiten umfasst und welche direkt von der Homepage referenziert wird. Solche Site Maps werden in der Literatur auch als „Hallway Page“ beschrieben. Es reicht, diese bei den Suchmaschinen anzumelden, da alle weiteren Seiten über die „Hallway Page“ direkt angebunden sind. Der „Suchmaschinen-Crawler“ muss nur einem Link, ausgehend von der angemeldeten „Hallway Page“ folgen, um jede Seite einer Website zu erreichen. Auch für die interne Verlinkung empfehlen sich begrifflich relevante Ankertexte. Ein kluger Kopf hat einmal den Begriff „Webben“ geprägt. Wahrscheinlich ist damit die Vernetzung der

Das Problem haben viele. Aber wer schreibt schließlich schon ‚Hämorrhoiden’ richtig? InternetSuchmaschinen beherrschen in der Regel nur die exakte Übereinstimmung mit der Such-Phrase. Es macht daher durchaus Sinn, auch die häufigsten Fehlschreibungen einzubeziehen.

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eigenen Internet-Site gemeint. Es ist ausgesprochen günstig, wenn externe Seiten auf die eigene WebPräsenz verlinken. Dabei ist nicht nur die Homepage gemeint. Auch Kategorien und thematische Schwerpunkte sollten Ziel möglichst vieler externer Links sein. Die gewichtete Referenzierung durch andere Sites ist eines der derzeit stärksten „Ranking-Kriteri-

Suchmaschine gründet sich vor allem auf dieser neuen Technologie, die vielfach auch als „Link Popularity“ bezeichnet wird. Die Idee von Google war, dass eine Website dann besonders gut sein müsste, wenn sie viele andere Websites „empfehlen“, diese also einen Link auf die Adresse setzen. Dabei „vererbt“ sich eine hohe Link-Popularität: Ein Link von einer Seite mit ei-

Externe Seiten sollten auf die Website verweisen

Web-Inhalte sollten statisch publiziert werden

en“ für die Relevanz einer Site. Google nennt dieses Verfahren „PageRank“ und hat diese Art der SiteEinstufung eingeführt. Mittlerweile nutzen alle großen Suchmaschinen die gewichtete Verlinkung als „Ranking-Kriterium“. Suchmaschinen verhalten sich hier äußerst „menschlich“: Sie vertrauen den Empfehlungen leistungsstarker und bekannter Sites. Google ordnet jeder Site einen „PageRank-Wert“ zwischen 1 und 10 zu. 10 erhält die Site, der Google am meisten vertraut. Web-Seiten mit „PageRank = 1“ traut Google dagegen überhaupt nicht. Der Erfolg dieser

ner hohen Link-Popularität zählt mehr als der von einer Seite, auf die kaum jemand verlinkt hat. Verlinken andere auf die eigene Website, gibt es kein besseres Mittel, um bei Google, dem absoluten Marktführer bei den Suchmaschinen, ein gutes „Ranking“ zu bekommen. Interessante Themen innerhalb des eigenen Internet-Auftritts sollten mithin unbedingt publik gemacht werden. Verfügt man über relevante Inhalte, muss das beispielsweise den Medien entsprechend mitgeteilt werden. Vielleicht kann so ein Link auf populären Web-Seiten platziert werden. Gerade an die-

Bei Suchbegriffen, die aus mehreren Wörtern bestehen, wie z.B. „DVD johnny depp“ wird die Seite höher bewertet, bei der die einzelnen Suchbegriffe nicht nur häufiger sondern auch direkt nebeneinander gefunden werden.

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Unternehmens-Web-Seiten sind mitunter multimedial hochgerüstet. Allerdings „verstehen“ Suchmaschinen kein Flash, sondern ausschließlich Text.

sem Beispiel wird deutlich, wie nahe das Internet und Public Relations heute zusammen gewachsen sind. Ein Problem im Hinblick auf die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen besteht in der Verwendung von Content-Management-Systemen. Hier werden Web-Seiten häufig zur Laufzeit dynamisch gebildet. Suchmaschinen können solche Seiten allerdings nicht erfassen. Sind Web-Inhalte mithin von zentraler Bedeutung, sollten sie statisch publiziert werden. Viele Homepages bedeutender Unternehmen sind zudem multimedial hochgerüstet und begeistern durch ihre perfekte Präsentation. Allerdings „verstehen“ Suchmaschinen weder Flash noch JavaScript, sondern ausschließlich Text. Die eigene Website sollte auch aus dieser Perspektive geprüft werden. Dazu kann ein so genannter „Text-only Browser“ wie zum

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Beispiel Lynx verwendet werden (http://lynx.browser. org/). Was durch diese Brille betrachtet von der Website übrig bleibt, „verstehen“ Suchmaschinen und kann von diesen auch bewertet werden. Dabei haben für Suchmaschinen Texte in den Bereichen „Title Tag“, „Meta Tags“ und Überschriften besonderes Gewicht. Mit dem so genannten „Title Tag“ erhält die Web-Seite einen Titel, welcher beim Aufruf in der oberen Browser-Leiste angezeigt wird. „Title Tags“ werden von einigen Suchmaschinen hoch gewichtet. Kontraproduktiv sind dabei allerdings Titel wie: „Herzlich willkommen auf unserer Web-Seite!“ Eine Suchmaschine interpretiert eine solche Site unter anderem als relevant zum Thema „Willkommen“. Der „Title Tag“ einer Seite sollte daher folgenden Bedingungen genügen: >Übergeordnetes Thema und

Hauptbegriffe sind enthalten >Für alle Hauptseiten eines Internet-Auftritts werden spezifische „Title Tags“ verwendet >Der gewählte Titel sollte für eine Anzeige im oberen Browser-Rahmen auch geeignet sein. Daneben gibt es in HTML verschiedene „Meta Tags“, die die Inhalte einer Web-Seite näher beschreiben. Das „Meta Tag“ „Keywords“ ist davon das Bekannteste. Es handelt sich dabei um eine durch Komma oder Leerzeichen getrennte Liste der relevanten Begriffe und Phrasen einer Web-Seite. Jeder Begriff sollte möglichst nur einmal verwendet werden, denn MehrfachNennungen wurden von Suchmaschinen schon als Hinweis auf so genanntes „Spamming“ interpretiert. Allerdings macht es durchaus Sinn, auch häufige Fehlschreibungen zu berücksichtigen. Seit der Pisa Studie ist allgemein bekannt, wie es um die Rechtschreib-

stärke bestellt ist. Wer schreibt schließlich schon beispielsweise ‚Hämorrhoiden’ richtig? Was ist die richtige Schreibweise für Kortison: Kortison oder Cortison? Internet-Suchmaschinen beherrschen in der Regel nur die exakte Übereinstimmung mit der Such-Phrase. Es macht daher durchaus Sinn, auch die häufigsten Fehlschreibungen einzubeziehen. Auch das „Meta Tag“ „Description“ ist in zweierlei Hinsicht interessant: Von den meisten Suchmaschinen werden die ersten n Worte dieses „Tags“ zur Beschreibung in den Suchergebnislisten verwendet. Die ersten 25 Worte gehen bei einigen Suchmaschinen auch in die Gewichtung ein. Die Hauptbegriffe sollten also zu Beginn dieses „Tags“ berücksichtigt werden. Google zeigt allerdings eher den Kontext des Suchbegriffes an, in welchem er gefunden wurde. Ist gar kein Text vorhanden, greift

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auch Google auf den „Description-Text“ zurück. Von großem Gewicht ist auch die Stellung, Verteilung und Häufigkeit der Such-Begriffe im eigentlichen Text („Body Text“). Hier wiederum erfahren die Überschriften eine gesonderte Gewichtung. Ein Suchwort im Titel wird demnach wichtiger eingeschätzt, ebenso wenn das Wort früh im Text oder fett bzw. kursiv formatiert ist. Das „Ranking“ wird von so gut wie allen Suchmaschinen (unter anderem) auf Basis der „Keywordrelevanz“ bzw. der „Suchworthäufigkeit“ ermittelt. Die Suchmaschine prüft, wie oft und in welchem Zusammenhang das Suchwort auf der entsprechenden Seite vorkommt. Auf der einen Seite wird eine Relation zwischen der Häufigkeit des Suchwortes zum sonstigen Text ermittelt. Steht das Suchwort nur einmal in einem eintausend Wörter langen Text, ist das schlecht. Ein Verhältnis von etwa fünf Prozent ist sehr gut. Weiterhin vergibt die Suchmaschine Punkte, wenn das Suchwort in einem bestimmten Kontext steht. Zudem werden die gefundenen Suchwörter höher bewertet, die innerhalb eines Links vorkommen oder auch in Beschreibungen von Bildern verwendet werden. Einige Suchmaschinen bewerten eine Seite auch dann wie bereits oben erwähnt höher, wenn der Suchbegriff in der URL vorkommt – der Name in der Domain zählt dabei höher als im Namen der HTML-Seite. Bei Suchbegriffen, die aus mehreren Wörtern bestehen, wie

z.B. „DVD johnny depp“ wird die Seite höher bewertet, bei der die einzelnen Suchbegriffe nicht nur häufiger sondern auch direkt nebeneinander gefunden werden. Seit einiger Zeit sind die Suchmaschinen dazu übergegangen, nicht nur die Relevanz einer einzelnen Seite zu erfassen, sondern sie im Kontext des gesamten Web-Auftritts zu bewerten. Folglich wird ein Su-

„Title Tag“, „Meta Tags“ und Überschriften sind wichtig chergebnis dann höher bewertet, wenn die gesuchten Begriffe auch auf anderen Seiten des Internet-Auftritts vorkommen. Steht ein Begriff 20-mal in einem nur 50 Wörter langen Text, ist das aber auch nicht gut. Dann nimmt die Suchmaschine nämlich an, da will nur jemand betrügen und schmeißt die ganze URL aus dem Index. Die willkürliche Aufnahme von Bezeichnungen und Begriffen, nur weil diese Top-Suchbegriffe sind, empfiehlt sich daher nicht. Haben die Begriffe nichts mit dem Thema zu tun, wird das als „Spamming“ ausge-

Der Vorteil eines „Payper-Klick-Modells“: Mindestens die ersten drei Ergebnisse werden bei den entsprechenden Suchmaschinen noch vor den „normalen Ergebnissen“ angezeigt und als „Sponsored Links“ bezeichnet. Dieses Verfahren gehört als spezielle Werbemaßnahme zum so genannten „KeywordAdvertising“.

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legt und, wie populäre Beispiele zeigen, sanktioniert. Der kurzzeitige Ausschluss von BMW aus Google hat dieses Thema ins Rampenlicht gerückt. Um ein paar Stufen auf der „Listing-Leiter“ nach oben zu gelangen, greifen nämlich selbst solche Großkonzerne tief in die Trickkiste. Der Autobauer wurde wegen unseriöser Praktiken kurzzeitig aus der Suchmaschine Google verbannt. Der Betreiber hatte kritisiert, dass einige Seiten von BMW.de so ausgelegt waren, dass sie die Google-Software austricksten und dadurch höher in den Treffer-Listen rutschten. So soll es zum Beispiel im Neuwagen-Bereich eine Seite gegeben haben, die nur einen relativ zusammenhanglosen Werbetext enthielt, in dem oft das Wort „Neuwagen“ vorkam. Die Google-Software die Webseiten erfasst und für die Erstellung des Suchindexes analysiert, stufte sie wegen der häufigen Wiederholungen als relevant ein und setzte sie in der Treffer-Liste höher. Steuerte jedoch ein Internet-Nutzer dieselbe Adresse an, wurde er sofort per JavaScript an eine andere Seite weitergeleitet, die die volle BMW-Modellpalette enthielt (so genannte Brückenseiten). Google untersagt Unternehmen in den Geschäftsbedingungen, der Suchmaschine und den Verbrauchern unter derselben Adresse unterschiedliche Inhalte anzuzeigen, weil die Nutzer so in die Irre geführt würden. BMW hatte erklärt, man habe das Verfahren als „Service für die Kunden“ betrachtet.

Nach Brancheninformationen war der Autohersteller von einem so genannten „Suchergebnis-Optimierer“ beraten worden. Diese sorgen dafür, dass Firmenwebsites in der Trefferliste möglichst hoch auftauchen.5 Nach BMW droht auch anderen deutschen Unternehmen der Rausschmiss. Beim Kampf gegen „Suchmaschinen-Spam“ scheut das kalifornische

Richtige Botschaften an die richtigen Menschen Unternehmen Google auch vor prominenten Namen nicht zurück. Wie BMW so setzte auch Ricoh Brückenseiten („Doorway-Pages“) ein, um Suchmaschinen über den Inhalt ihrer Website zu täuschen. Zu den weiteren schwarzen Schafen zählen SAT 1, Schering und Henkel. Einige der gefährdeten Sites haben offenbar reagiert und präsentieren dem Such-Roboter der bekanntesten Suchmaschine leere „Doorway-Pages“ – ihr Inhalt wurde vermutlich kurzerhand entfernt. Angesichts der Marktdominanz von Google trifft es ECommerce-Sites hart, wenn sie von dort keine Besu-

Die optimal geschaltete OnlineAnzeige erscheint dann und nur dann, wenn potenzielle Kunden und Interessenten den Eindruck haben: „Ja, hier finde ich eine Antwort auf meine Frage.“ Dann sollte eine Website auch Geschäft generieren.

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Online-Kommunikationspolitik

cher mehr erhalten. Insgesamt hat das konsequente Vorgehen von Google die deutsche „Search-EngineOptimization-Szene“ (SEO) aufgeschreckt. Da nicht englischsprachige Sites bisher kaum behelligt wurden, fühlten sich Experten für solche „Tuning-Maßnahmen“ hierzulande recht sicher. Auch dürften viele nicht daran geglaubt haben, dass Google den Mut hat, selbst Firmen wie BMW zur Rechenschaft zu ziehen. Immerhin war monatelang bekannt, dass die Website der bayerischen Autobauer gegen die Richtlinien von Google verstieß.6 In den unerlaubten Bereich fallen auch „Copyright-Verstöße“ – insbesondere bei der Verbindung von geschützten Begriffen mit Such-Anzeigen. In den USA glauben viele Anwälte, dass Suchmaschinen eine ähnliche Verantwortung für die Einhaltung des Urheberrechts haben wie beispielsweise Musik-Tauschbörsen. Yahoo verbietet den Zugriff von Anzeigenkunden auf Marken der Konkurrenz. So darf (dieses Mal ein theoretisches Beispiel) eine Adidas-Anzeige nicht mit den Suchergebnissen für das Wort „Nike“ verlinkt werden. Google verbietet diese Praxis noch nicht, entfernt aber nach einem entsprechenden Hinweis eine Anzeige, falls diese einen geschützten Begriff der Konkurrenz enthält.7 Eine Regel für suchmaschinen-optimiertes Webdesign muss also lauten: Nur die Begriffe mit der höchsten Relevanz für Web-Seiten verwenden und authentisch bleiben. So lässt sich natürlich nichts dagegen sagen, dass BMW das Wort Neuwagen gebraucht. An der entsprechenden Stelle sollte es dann aber auch um Neuwagen gehen. Das eigentliche Ziel im unternehmerischen Umgang mit Suchmaschinen ist nämlich meist gar nicht, dass möglichst viele Menschen die Firmen-Website

SuchmaschinenMarketing macht Sinn. Wer sein E-Marketing und seine Online-Kommunikation konsequent auf Suchmaschinen ausrichtet, tut etwas für seinen Erfolg.

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besuchen. Gerade im Internet ist es von weit größerer Bedeutung, dass richtige Botschaften glaubhaft zu den richtigen Menschen transportiert werden. Es bringt nichts, wenn Besucher angelockt werden, dann aber nicht finden, was sie suchen. Bei Suchmaschinen dreht sich zwar vordergründig alles um das „Ranking“ und es stimmt schon: Wer nicht weit vorne steht, ist auch so gut wie nicht präsent. Aber vor der Frage, wie man ein gutes „Ranking“ erreicht, muss eine ganz andere Frage stehen: wonach würde jemand suchen, der sich darüber freut, das Web-Angebot des entsprechenden Unternehmens dann in der Suchmaschine zu finden? Hier hilft nur: so konkret wie möglich sein. Bei der Auswahl der auf das eigene Angebot am besten passenden Suchbegriffe braucht es vor allem verkäuferisches Gespür. Nach „Rollladen-Reparatur“ suchen viele und so bieten sich auch viele im Internet an. Um mit diesem Such-Begriff ganz nach oben zu kommen, müssen Unternehmen viel investieren – und müssen dieses Investment ständig wiederholen. Aber beispielsweise unter „Rollladen in Stuttgart“ wird das Angebot schon sehr viel übersichtlicher sein. Diese Verknüpfung ist auch nahe liegend, weil kaum ein Stuttgarter Kunde mit einem defekten Rollladen einen Dienstleister aus Hamburg beauftragen wird. Qualität vor Quantität heißt im Web die Devise! Es geht darum, an weniger Menschen ein profilscharfes Angebot zu richten. Das gilt bei der Suchmaschinenoptimierung genauso wie übrigens bei jeder anderen Kommunikation. Hat ein Unternehmen viele unterschiedliche Dinge im Angebot, sollte zu jeder Einzellösung ein individuelles Profil erarbeitet werden. Dabei sollte auf die zentralen Themen fokussiert werden. Folgen-

de Fragestellungen sind dabei nützlich: >Was ist das übergeordnete Thema der Website und seiner Hauptkategorien? >Nach welchen Themen und Begriffen, passend zu den Produkten und Leistungen, suchen Menschen, die erreicht werden sollen? >Mit welchen Begriffen und Such-Phrasen würde man selbst jede der Web-Seiten charakterisieren? SIND SOLCHERMASSEN GEEIGNETE BEGRIFFE gefunden und alle hier gegebenen Hinweise im Hinblick auf die Suchmaschinen-Optimierung berücksichtigt, ist eigentlich alles getan, was getan werden kann. Noch weiter nach oben auf der Ergebnisliste kommt man jetzt nur noch mit barer Münze. So könnte möglicherweise zusätzlich noch ein „Pay-per-Klick-Modell“ erwägt werden.8 Das Prinzip dabei : Für bestimmte Suchworte und für einen bestimmten „Rankingplatz“ wird eine bestimmte Summe pro „Klick“ fällig. Bei B2Boder „Special-Interest-Themen“ reichen oft schon zehn Eurocent pro „Klick“ aus, um an der Nummer eins zu stehen. Außerdem sind Statistiken über die tatsächlichen „Views“ und „Klicks“ Teil des Angebots. Es kann mithin jederzeit nachvollzogen werden, wie viele Leute den Link gesehen haben und wie viele dann auch tatsächlich geklickt haben. Der Vorteil dieses Modells: Mindestens die ersten drei Ergebnisse werden bei den entsprechenden Suchmaschinen noch vor den „normalen Ergebnissen“ angezeigt und als „Sponsored Links“ bezeichnet. Dieses Verfahren gehört als spezielle Werbemaßnahme zum so genannten „KeywordAdvertising“. Ein Modell das mittlerweile so populär ist, dass selbst ultrakonservative Unternehmen davon Gebrauch machen. Google erwirtschaftet mit seinem

zugehörigen Programm AdWords 98% seiner Einnahmen.9 Neben dem Marktführer können auch Yahoo Search Marketing (ehemals Overture) oder auch Miva (ehemals Espotting) beauftragt werden. Die Reichweite einer Kampagne beschränkt sich aber meist nicht auf die jeweilige Suchmaschine. Zum einen arbeiten die Anbieter mit anderen Suchmaschinen zusammen und zum anderen wird die Reichweite durch Einblendungen von Anzeigen in weiteren Websites und Portalen gesteigert. Die Anzeige erscheint aber immer nur, wenn eine Suchanfrage mit dem festgelegten „Keyword“ in Zusammenhang steht. Auf diese Art und Weise besteht eine Verbindung zwischen dem Bedarf des Suchenden und dem Angebot. Mit „Keyword Advertising“ lassen sich deshalb deutlich höhere „Klickraten“ erzielen, als mit klassischer Online-Werbung. Prinzipiell kann sich jeder bei einem Anbieter anmelden und „Keyword-Anzeigen“ schalten. Aber auch hier gilt: Die optimale geschaltete Online-Anzeige erscheint dann und nur dann, wenn potenzielle Kunden und Interessenten den Eindruck haben: „Ja, hier finde ich eine Antwort auf meine Frage.“ Wenn dann noch die Gelegenheit besteht, sich unkompliziert mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen (Kontaktformular, leicht findbare Telefonnummer, Live-Chat, kostenlose Angebote u.v.m.), sollte eine Website auch Geschäft generieren. Denn Suchmaschinen-Marketing macht Sinn. Wer sein E-Marketing und seine Online-Kommunikation konsequent auf Suchmaschinen ausrichtet, wird viel für seinen Erfolg tun – nicht nur im Internet.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Petersen, C.: acquisa, Ausgabe 06/2004

2

Zitiert nach o. V.: Studie: Suchmaschinen lenken die Kaufentscheidung, MARKET Webmagazin vom 14.06.2005 3

Zitiert nach o. V.: Effizientes Suchmaschinen-Marketing erfordert einen hohen Aufwand, Computerwoche, 27.05.2005, Nr. 21, S. 43

Vgl. Schmitz, M.: Neue Kunden gewinnen mit Suchmaschinen, Göttingen 2002

4

4a 5

Vgl. kress.de, abgerufen am 21.4.06

Vgl. o. V.: BWM beugt sich Google - BMW.de wieder im

Index / Hersteller hat kritisierte Seiten entfernt, AUTOHAUS Online vom 09.02.2006 6

Vgl. o. V.: Google-Bann kann weitere Firmen treffen, Computerwoche, 10.02.2006, Nr. 6 Seite 9 7

Vgl. Weiss, H.: SUCHMASCHINEN gegen Klick-Betrüger, Der Handel Nr. 04 vom 05.04.2006 S. 68

Vgl. dazu Lange, M.: Nachhaltiger Erfolg mit Suchmaschinen, „online im Internet“, www.ecin. de/marketing/suchmaschinenbasics/, abgerufen am 23.08.06 9 Vgl. Lammenett, E.: Keyword-Advertising, Direct Marketing 05 2006, S. 60ff. 8

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Web 2.0

-

e

r

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Menschen in vernetzten Märkten haben herausgefunden, dass sie sich weit bessere Information und Unterstützung gegenseitig bieten können, als sie von ihren Verkäufern erhalten.”1 Statische HTML-Seiten mit kleinen Bilddateien stehen für die alte InternetWelt – heute sind Interaktivität und „Collaboration“ gefragt. Der Begriff Web 2.0 wurde 2004 von Tim O’Reilly geprägt.2 Gemeint ist damit unter anderem eine Architektur des Mitmachens und Teilhabens, die Online-Netzwerke mit einem intensiven Nutzererlebnis erzeugt.3 Das trifft insbesondere auf „Wikis“ und „Blogs“ zu. Durch diese Web 2.0-Spielarten wird es für jeden einzelnen möglich, selbst Informationen in Foren einzuspeisen, die eine so breite Akzeptanz haben, dass Geschäftsprozesse, Produktion und Kundenbeziehungen von Unternehmen verändern werden. Kunden kommen in eine so bisher noch nicht gekannte, ausgesprochen starke Konsumenten-Position und können sich öffentlichkeitswirksam artikulieren. Die Unternehmenskommunikation wird in der Folge von Web 2.0 fraglos informeller werden. Als Meinungstrräger wirken nicht mehr nur Medien, sondern jetzt

auch Betreiber und Teilnehmer von Foren, „Blogs“ und „Communities“. Wer beispielsweise mal keine Lust auf überfüllte Hallen hat, kann problemlos im „MitmachWeb“ die Computer-Messe CeBIT „besuchen“. MesseEinblicke aus erster Hand lassen sich etwa unter den Suchbegriffen „CeBIT Blog“ über Google aufstöbern. CeBIT-Filmchen in der „Video-Community“ Youtube. com (www.youtube.com) vermitteln auch optisch das Gefühl, dabei gewesen zu sein und in Communities wie Myspace kann über Hannover und die Messe „gequasselt“ werden. Die CeBIT-Informationen im sozialen Web reichen dementsprechend von belanglos bis ernst. So nimmt der neue COMPUTERWOCHE-Blog „Messeschnellweg“ (www.computerwoche.de/messeschnellweg/) Fahrt auf, um bewusst abseits der großen Meldungen die CeBIT zu kommentieren. Ferner haben eine ganze Reihe privater „Blogger“ wie Franz Patzig mit „Franztoo“ (www.franztoo.de) die IT-Messe für sich entdeckt. Dass sich da etwas im sozialen Web tut, haben mittlerweile selbst die Messemacher bemerkt und mit Kooperationen und eigenen Projekten auch bereits darauf reagiert. So können sich im

Wer nicht vor Ort diskutieren möchte, kann jederzeit im Web 2.0 die CeBIT-Ereignisse mitverfolgen und kommentieren.

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Rahmen der Veranstaltung „CeBIT Mittelstand“ Mitglieder des virtuellen Business-Netzwerks Xing (vormals Open BC) online zu diversen Aktivitäten treffen. Erstmals zur CeBIT 2007 startete auch die Initiative „CeBIT Next“ (www.cebit-next.com/), mit der die Veranstalter ihre Vorstellung eines „Social Webs“ umsetzen wollten. Hinter diesem Namen verbarg sich laut Eigenwerbung „ein massiv paralleles Chat- und Innovationsideen-Portal“. Das Projekt wurde gemeinsam mit IBM umgesetzt und stellte eine mit Flash-Technik entwickelte interaktive Browser-Oberfläche bereit. Der Benutzer fand sich beim Besuch des Portals grafisch in einem „Ideen-Ozean“ wieder, auf dem die eingegebenen Ideen als Wasserpflanzen um drei Themenbereiche schwammen: „Future Fair“ (Messen), „Future Work/Life“ (zukünftiges Leben und Arbeiten) und „Future Health“ (Gesundheit). Der Benutzer konnte dabei nicht nur den Verlinkungen über das „Ideen-Meer“ folgen, sondern diese Verlinkungen auch verändern und beeinflussen.4 Solchermaßen verschwimmen auch die Grenzen zwischen externer und interner Kommunikation. Unternehmen müssen sich in die Debatte einmischen, wenn sie die Dinge nicht dem Zufall überlassen wollen. In der Kommunikationsbranche beispielsweise führt jetzt

schon kein Weg mehr an Web 2.0 vorbei. Dessen sind sich jedenfalls die Fach- und Führungskräfte aus PRAgenturen und Unternehmenspressestellen sicher, was ein PR-Trendmonitor aus dem Jahr 2007 belegt. Befragt wurden insgesamt 2.237 Insider der Branche. „Weblogs“ stehen nach deren Aussage an erster Stelle. Unter den Pressestellen-Mitarbeitern werden sie von 53,1 Prozent als wichtigstes Web 2.0-Tool für die PR-Branche bewertet. Am zweitwichtigsten sind „Wikis“ mit 43,9 Prozent, gefolgt von „RSS“ mit 43,3 Prozent. Bei den PR-Agenturen ist die Bewertung ähnlich: Hier sind „Weblogs“ sogar für 68,7 Prozent am wichtigsten. An zweiter Stelle stehen „Podcasts“ mit 50,6 Prozent, an dritter „Wikis“ mit 48,6 Prozent. So schnell kann‘s gehen: Im August 2005 fragte noch jeder Fünfte: „Was ist überhaupt ein Weblog?“5 Mittlerweile erwarten allerdings Web-Seiten-Besucher, dort auch ihre Kommentare und Anregungen veröffentlichen zu können. Solche „Rich User Experiences“ entscheiden möglicherweise in Zukunft über Erfolg oder Misserfolg einer Seite. AOL Deutschland bietet seinen „Usern“ auf AOL.de beispielsweise neue Möglichkeiten sich einzubringen: „Web2Mix“ nennt sich das „User-Generated-Content-Produkt“ im Bereich Nachrichten & Sport. AOL-Nutzer können in den

Für PR-Mitarbeiter und -Agenturen führt bereits jetzt kein Weg an Web 2.0 vorbei. Im Jahr 2005 wusste jeder fünfte noch nicht einmal, was ein „Weblog“ ist.

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unterschiedlichen Kategorien Link-Empfehlungen zu fremden Websites geben. Die Tipps und Empfehlungen können wiederum von anderen Teilnehmern bewertet werden. Positiv befundene Links landen automatisch oben in der Empfehlungsliste. Und solche Empfehlungen haben vor allem einen Vorteil: Sie werden geglaubt. Traditionellen Medien wie Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen wird immer weniger Vertrauen geschenkt.6 So genannte „Peer-to-Peer-Informationen“ – ein Verbraucher teilt dem anderen etwas mit – werden als ungleich verlässlicher eingestuft.7 Diesen Vertrauensvorsprung dürfen Unternehmen allerdings auf keinen Fall verspielen. Wer sich mit seiner Unternehmenskommunikation auf Web 2.0 einlässt, muss die Gesetze, die dort herrschen, auch akzeptieren. Im Juli 2006 war Wal-Mart das schwarze Schaf im Web 2.0. Der Handelsriese hatte offensichtlich „Blogger“ dafür bezahlt, im World Wide Web Nachrichten zu hinterlassen, die dem Konzern förderlich sein könnten. Ein Aufschrei ging durch die „Blogger-Szene“. Wal-Mart hatte seine Glaubwürdigkeit erst einmal verspielt.8 Dennoch versuchen Unternehmen und ihre Agenturen immer wieder massiv, im Web 2.0 Fuß zu fassen. Teils mit lauteren, teils mit unlauteren Methoden. In Deutsch-

land setzen „Blogger“ und Unternehmen, die deren Dienste in Anspruch nehmen, zumeist auf Offenheit: Wenn Opel beispielsweise den Astra testen oder Coca Cola die Fußball WM kommentieren lässt, ist klar, wer dahinter steht. Daneben gibt es jedoch auch eine hohe Dunkelziffer von Firmen, die virales Marketing als klassisches „One-Way-Marketing“ im Umfeld von „Blogs“, „Communities“ und „Social-Web-Applikationen“ missverstehen. Netzexperte Jörg-Olaf Schäfers brachte es auf den Punkt: „Wer mir in Blogs nicht gekennzeichnete Werbung unterschiebt, verspielt diesen diffusen Vertrauensbonus, der mich als Leser an ein Blog bindet. Das mag eine komische - vielleicht auch naive - Einstellung sein, schließlich ist mir kein Blogger zu irgendetwas verpflichtet, es ist aber wohl gleichzeitig auch die Basis, auf der der Erfolg und die Authentizitäts-Aura der Blogosphäre basiert.“9 Doch gerade diese Glaubwürdigkeit ist die „conditio sine qua non“ für Web 2.0 Aktivitäten. Kunden, die verlässliche Quellen für ihre Online-Recherche kennen, kehren dorthin zurück und sind latent eher bereit, selbst zu den Inhalten beizutragen und damit die Bandbreite und vielleicht auch die Qualität eines Dienstes weiter zu steigern. Authentizität ist mithin erstes Gebot. Aber es kommt

Der amerikanischen Firma Kettle Foods gelingt es mit Web 2.0 eine starke Marke zu etablieren. Der Trick: Verbraucher bewerten im Internet ihr Geschmackserlebnis.

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noch etwas hinzu. Das amerikanische Unternehmen Kettle Foods, auf die Herstellung hochwertiger Snacks und Kartoffel-Chips aus Naturprodukten spezialisiert, macht es eindrucksvoll vor. Bei der bereits zum dritten Mal stattfindenden „People‘s Choice“-Kampagne können die Verbraucher unter dem Motto „Passport to Flavor“ über die Geschmacksrichtung der neuesten Kartoffel-Chips entscheiden, indem sie verschiedene Produktproben testen und anschließend im Web ihren Favoriten wählen.10 Seit ihrer Einführung 2005 wurde die Kampagne ständig weiterentwickelt und mittlerweile werden so Zehntausende Besucher auf die Website von Kettle Foods gelockt. Mit der „People‘s Choice“Initiative wurde der Marke ein unverwechselbares Profil verliehen. Fans wurden angeregt, sich per interaktivem Kanal für die Marke zu engagieren. Mit einem intelligenten Analyse-Tool überprüft der Anbieter die Erfolgswirksamkeit des Site-Designs und optimiert dieses weiter.11 Es kann beispielsweise genau festgestellt werden, über welche Marketing-Initiativen die Teilneh-

Glaubwürdigkeit ist die „conditio sine qua non“ für Web 2.0 -Aktivitäten. Nur Kunden, die verlässliche Quellen für ihre Online-Recherche kennen, kehren dorthin zurück und sind bereit, selbst zu den Inhalten beizutragen. Authentizität ist erstes Gebot.

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mer zur Web-Kampagne gelangten und wie das SiteErlebnis der Besucher dann im Einzelnen aussah. Mit diesen Daten konnte das Kettle Foods MarketingTeam frühzeitig Schwachstellen der Online Kampagne identifizieren. So zeigte sich, dass infolge des neuen Flash-Designs eine größere Anzahl von Besuchern die Web-Seite verließ, ohne ihre Stimme abgegeben zu haben. Gestaltung und Platzierung der Grafikelemente konnten daraufhin so verändert werden, dass sich die Umfrage-Konversionsrate über Nacht fast verdoppelte. Eine weitere Neuerung bestand darin, dass die „People‘s Choice“-Kampagne 2007 erstmals gezielt beworben wurde. „Blogs“, Werbeschaltungen und eine effektive „Send-to-Friend“- Postenkartenaktion erhöhten den viralen Charakter der Marketingkampagne.12 Web 2.0 umsetzen, heißt mithin auch technisch mit der Zeit gehen. Zu den wesentlichen Fortschritten zählen dabei so genannte „newsfeed-gesteuerte“ Portale in Unternehmen: Schickt ein Mitarbeiter heute beispielsweise aktuelle News aus dem Web zum Thema

Produkthaftung per E-Mail-Anhang an zehn Kollegen, werden diese oft von der Hälfte aller Adressaten ohnehin nicht gelesen, oder Kollegen wurden vergessen. Dank Web 2.0-Technologie kopiert der Mitarbeiter die wichtige Information einfach per Drag & Drop unter dem Stichwort „Produkthaftung“ in ein ThemenpoolArchiv, aus dem sich alle Kollegen per Newsfeed bedienen können. „Die Informationsbeschaffung im Unternehmen per RSS ist sehr viel effizienter als der klassische E-Mail-Newsletter im Pushverfahren“, weiß Jörg Rensmann, Geschäftsführer der infoMantis, die den Bildschirmschoner iSaver entwickelt hat, der als Nachrichtenportal fungiert. Den nutzt zum Beispiel die Fluglinie DBA, um ihre Mitarbeiter mit gezielten Informationen aus dem Intranet auf dem Laufenden zu halten – als Alternative zur der mit hohem Aufwand gedruckten Hauszeitschrift. Das Ganze ist so unkompliziert, „dass selbst Vorstände schnelle Meldungen produzieren, die sofort beim Mitarbeiter ankommen“, so Rensmann.13

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Levine, Rick/Locke, Christopher/Searls, Doc/Weinberger, David: Cluetrain Manifest „online im Internet“, www.cluetrain.de, abgerufen am 17.03.07 2

Vgl. O‘Reilly, Tim: What Is Web 2.0? Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software, Online im Internet, www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/ news/2005/09/30/what-is-web-20.html vom 09/30/2005, abgerufen am 17.03.07 3

Vgl. Schönefeld, Frank: Zweiter Frühling für E-Commerce, Information Management & Consulting 21 (2006) 4, S. 40ff. 4

Vgl. o. V.: CeBIT in Zeiten des Web 2.0, PC-Welt Online, Meldung vom 13.03.2007 5

Vgl. o.V.: An Web 2.0 kommt keiner vorbei, kress report vom 09.03.2007, Nr. 05, S. 34 6

Vgl. Charron, Chris/Favier,Jaap/Li, Charlene: Social Computing, Cambridge, 2006, S. 2–12

7

Vgl. Schönefeld, F., a.a.O, S. 41

8

Vgl. o. V.: Kurze Beine - Die Glaubwürdigkeit des Web 2.0, c‘t - Magazin für Computertechnik, 25/2006, S. 94 9

Vgl. ebenda

10

Im Internet unter www.passporttoflavor.com

11

Best Practices für die Erfassung und Optimierung von Web 2.0-Initiativen einschließlich Rich Internet Applications und Really Simple Syndication (RSS) finden sich unter www.webtrends.com 12

Vgl. o. V.: press1.de/WebTrends lässt Web 2.0-Initiativen von Kettle Foods so richtig knacken!, Vereinigte Wirtschaftsdienste vom 23.01.07 13

Vgl. Lange, Edgar: Internet: Mit Web 2.0 das weltweite Netz neu erleben. Das Internet wird erwachsen, VDI NR. 39 vom 29.09.2006, S. 9

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Online-Kommunikationspolitik

Online-Verkaufsförderung

Photomontage, Photo Dame am PC: Matthew Bowden (stock.xchng), Photo Einkaufsmall: Fabienne Winkworth (stock.xchng)

Zwar gibt das Internet endlich auch den Herstellern ein mächtiges Forum für Verkaufsförderung an die Hand, bisher nutzen es allerdings nur die wenigsten auch konsequent.

M

it dem Internet sind auch Hersteller von Konsumgütern in der Lage, die Kaufentscheidungen ihrer Kunden zu beeinflussen. Mit Hilfe einer geeignet aufbereiteten Website kann es gelingen, Kunden nachhaltig vom eigenen Produkt zu überzeugen. Hersteller können solchermaßen aktive Verkaufsförderung betreiben. Kaufentscheidungen werden traditionell eher we-

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niger von Herstellern beeinflusst. Zwischen Handel und Industrie besteht ein Kräfteungleichgewicht. Tatsächlich hat zuallererst der Handel in allen Phasen des Kaufprozesses Einflussmöglichkeiten auf den Kunden. Durch eine eigene Online-Präsenz oder Filialen hilft er beispielsweise bei der Suche nach dem richtigen Produkt und bietet Alternativen. Zudem obliegen Kauf und nicht selten auch die Nachbetreuung

Mit der „Magie“ ihrer traditionellen Ladengestaltung haben die Websites von Bonpoint (links, www.bonpoint.com) und Globetrotter Abenteuer-Shopping g (rechts, www.globetrotter.de) rein gar nichts zu tun. Verkaufsförderung im Internet scheint hier noch kein Thema zu sein.

komplett dem Handel. Lediglich in der ersten Phase des Kaufprozesses eröffnen sich für Hersteller Einflussmöglichkeiten auf Kunden. Durch gezielte und intensive Werbeaktionen kann das Produkt-Image gesteuert und eine starke Marke aufgebaut werden. Damit werden Kunden vor allem in ihrer Bedürfniswahrnehmung beeinflusst und in die Läden gelockt. Ob dort allerdings Kaufwünsche auch im Hersteller-Interesse erfüllt werden, bleibt zu hoffen. Im Internet allerdings kommen sich Hersteller und Endkunde deutlich näher. Produzenten haben damit die Chance, unabhängiger vom Handel zu werden, denn Endkunden suchen in Vorbereitung ihrer Kaufentscheidung direkten Kontakt über das Internet. So belegt eine Studie beispielsweise, dass 55% der Internet-Besucher von Hersteller-Webseiten Kaufabsichten haben.1 Die Qualität der Web-Präsenzen ist allerdings bis-

her nicht annähernd entsprechend. Web-Seiten von Herstellerunternehmen machen bei der Begleitung ihrer Kunden meist auf halber Strecke Stopp. Das fängt bereits bei der Gestaltung an. Ist im realen Ladenbau Emotionalisierung ein wichtiges Thema mit prächtigen Inszenierungen am „Point of Sale“ (POS), so muten Herstellerseiten nicht selten improvisiert an. Der traditionelle Handel hat längst begriffen: die Atmosphäre am POS ist eines der wichtigsten Instrumente der Verkaufsförderung. So holt der Einzelhandel den Kunden in seiner Welt ab – meist so realitätsnah wie möglich. Mit seinem neuen Flagship-Store in Paris hat beispielsweise das Kindermode-Label Bonpoint eine Art Märchenschloss geschaffen. Sieben Zimmer präsentiert die Premium-Marke dort, jedes entführt in eine andere Welt. Der Kunde flaniert von der Neugeborenen-Station mit Babymode durch die Kinderstube bis zu einem Mädchenzimmer. Welch ein Unterschied zur Internet-Präsenz des Modemachers. Eine trist in

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Dannemann inszeniert seine Zigarren auch im Web. Der Auftritt bietet einer registrierten Community eine ganze Palette interessanter Möglichkeiten rund um den Tabak-Genuss.

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schalem grün gehaltene Seite erwartet die Besucher beim Klick auf www.bonpoint.com. Eine Märchenwelt ist auf der Homepage beim besten Willen nicht zu sehen. Stattdessen erfüllt ein langer Text in grau gehaltener Schrift – auf grünem Hintergrund nur schlecht zu lesen – kaum die Aufgabe, Interesse zu wecken. Eine Geschichte, die sich mit anderen Beispielen mühelos weitererzählen lässt. So hat sich der „Outdoor-Ausstatter“ Globetrotter Abenteuer-Shopping für die ganze Familie auf die Fahne geschrieben. Bei seinem neuen „Store“ im Kölner Olivandenhof nimmt der Kunde das „Outdoor-Feeling“ sogar mit auf die Toilette. Er hat die Wahl zwischen dem so genannten Schwedenklo mit Holzdeckel und Wasserzuber und dem Schiffsklo mit einem in die Wand eingelassenen Bullauge und Blick aufs Meer. Wie schwer fällt der Durchblick dagegen im virtuellen Shop. Unzählige Klick-Möglichkeiten und ein Dschungel kleiner Bildchen verstellen die Sicht auf das Sortiment. Hier stellt sich sicherlich kein Freizeitgefühl, dagegen schon eher Beklemmung ein. Der Kunde erhält keinerlei Hilfe bei der Suche nach dem richtigen Produkt. Nur wer weiß, was er konkret kaufen möchte, kann die Seite halbwegs sinnvoll nutzen. Deutlich besser präsentiert sich dagegen Dannemann und gibt damit ein Beispiel für konsumentenorientierte Verkaufsförderung. Mit seinen Tabakwaren sucht das Unternehmen in allen Handelskanälen gleichermaßen das direkte Gespräch mit dem Verwender. Die Raucher schätzen dabei umfassende Information und einen kompetenten Gesprächspartner, der auch seine Chancen für einen direkten Warenverkauf nutzt. Die Internet-Ressourcen stehen allerdings nur den Erwachsenen zur Verfügung. „Als verantwortungsbewusstes Tabakunternehmen“, so Dannemann auf seiner Website, „nehmen wir Jugendschutz besonders ernst. Ausschließlich erwachsene Raucher über 18 Jahre mit Wohnsitz in Deutschland können Mitglied im ‚Kreis der Genießer’ werden.“2 Allen registrierten Erwachsenen stehen dann aber auch eine Reihe interessanter Dienste exklusiv zur Verfügung: Aktuelle Informationen und alles Wissenswerte rund um die Zigarre, vielfältige Unterhaltungsangebote wie das so genannte Dannemann-Quiz, Ticket-Verlosung für hochrangige Events und Einladungen zu „Cigar Nights“ sowie ein „Genuss-Shop“ mit Accessoires aus der DANNEMANN „Genuss-Welt.“ Treue wird zudem belohnt. Dannemann bietet auf vielfältige Weise Treuepunkte an, die gesammelt oder im Treue-PrämienShop eingelöst werden können.

die Verkaufsförderung ansetzen.“3 Der „Point of Sale“ (POS) wird solchermaßen zum POC – zum „Point of Communication“. Die Gefühle der Konsumenten werden angesprochen und die Sinne stimuliert. Auch das Internet muss Verkaufsförderungsmaßnahmen realisieren, die als Erlebniswelten konzipiert sind: Sound, Bewegung und Unterhaltung lösen den statischen, informationslastigen Web-Auftritt ab. Der verkaufsfördernde Effekt von „Entertainment“ lässt sich auf Basis des Kano-Modells für Kundenzufriedenheit erklären.4 Der japanische Qualitätswissenschaftler Noriaki Kano hat sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt und dabei zwischen Grund-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen unterschieden. >Grundanforderungen Kunden haben heute auch bezogen auf den Online-Shop bestimmte Erwartungen, die einfach erfüllt sein müssen. Produkte sollten dort beispielsweise vollständig beschrieben und auch online-bestellbar sein. Diese grundsätzlichen Erwartungen bringen die Konsumenten sozusagen im Unterbewusstsein mit, niemand macht sich vor dem Kauf Gedanken darüber, sie werden vorausgesetzt. Ein Auto sollte ein Lenkrad haben, das ist klar. Auf der Checkliste eines Kunden wird sich dieses Kriterium

Ein Lenkrad sollte es schon haben, das neue Automobil. Soviel sollte der Hersteller zumindest anbieten. Zufriedene Kunden schafft er damit allerdings noch nicht.

DAMIT SETZT DER TABAKANBIETER genau dort an, wo sich auch der Handel derzeit bewegt: bei der Verkaufsförderung der neuen Generation: „Überall dort, wo man Menschen trifft, Spaß hat, Produkte sehen, erleben und eventuell auch kaufen kann, muss

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allerdings nicht finden. So führt das Vorhandensein der Grundanforderungen auch noch nicht zu Kundenzufriedenheit. Im Gegenteil: Zeigen sich hier bereits Mängel führt dies zu einer überproportional hohen Kundenunzufriedenheit. >Leistungsanforderungen Hiermit haben sich die Kunden vor dem Kauf möglicherweise intensiv beschäftigt. Es handelt sich dabei sozusagen um die Wunschliste des Konsumenten. Im Internet „wünscht“ sich beispielsweise eine Kundin oder ein Kunde die Bezahlmöglichkeit „Auf Rechnung“. Findet sich diese Option tatsächlich, steigt die Kundenzufriedenheit. Ist die Wunschliste komplett erfüllt, wird aber letztlich doch nur ein moderates Maß an Zufriedenheitsstiftung erreicht. Aus Anbietersicht eine zunächst etwas ernüchternde Feststellung, die dort auch nicht ohne weiteres auf Akzeptanz trifft. Hilfreich ist es allerdings, als Shop-Betreiber für einen Moment die Verbraucherperspektive einzunehmen. Wer reagiert schon als Konsument gleich begeistert, nur weil ein Web-Shop das auch anbietet und liefert, was ursprünglich gesucht worden war? >Begeisterungsanforderungen Hierzu braucht es in der Tat „stärkere Kaliber“. Begeisterungsanforderungen hat die Kundschaft dabei ursprünglich gar nicht auf der Rechnung. Im Gegenteil: Sie wirken im Idealfall völlig überraschend und führen offline wie online als einziges Mittel zu überproportional steigen-

Das Kano-Modell taugt auch als Basis zur Beschreibung der Kundenzufriedenheit im Internet. Grundanforderungen führen noch nicht zu Kundenzufriedenheit, auch wenn sie durchgängig erfüllt sind. Erst mit eingelösten Leistungsanforderungen schafft man zufriedene Kunden. Begeistert sind die Web-Besucher aber erst, wenn der WebAuftritt sie positiv überrascht.

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der Kundenzufriedenheit. Alle „Begeisterungs-Maßnahmen“ sollten allerdings im Rahmen eines integrierten Marketingkonzeptes aufeinander abgestimmt sein. Die Weißbierflasche von Erdinger Champ steht im Mittelpunkt einer solchen integrierten Kampagne. Die dahinter stehende Produktidee ist einfach: Erdinger Champ lässt sich als erstes Weißbier direkt aus der Flasche trinken. Mit dem im Flaschenboden integrierten „Twist-Off-Verschluss“ lässt sich eine Flasche ganz einfach mit einer zweiten öffnen.5 Die begleitende Verkaufsförderungsaktion dagegen ist absolut auf dem heutigen Stand und im Bereich der Begeisterungsanforderungen anzusiedeln. So finden sich im Online-Auftritt zahlreiche „Entertainment-Elemente“ erster Güte, allesamt dazu angetan, die Kunden an das Produkt und die Website zu binden.6 Die so genannten Erdinger Champ Club Touren beispielsweise finden seit 2002 statt und sind im Web beschrieben und illustriert. Bei diesen Touren, von der Badetour bis hin zur Weihnachtsparty, trifft man sich in ungezwungener Runde und findet mit etwas Glück dann sein Bild im Internet wieder. Gut gemachte Online-Spiele, wie beispielsweise das Erdinger-Torwandschießen, machen nicht nur Spaß, sondern spornen auch an und animieren dazu, mal wieder online vorbeizuschauen. Der gute Ballschütze kann sein Ergebnis in einem „Highscore“ für alle sichtbar abspeichern und sich solchermaßen virtuell mit anderen messen. Im Online-

Fanshop gibt es vom Erdinger-Lanyard7 bis hin zum Notizzettelklotz eine ganze Reihe von Artikeln rund um die Marke, die es im normalen Geschäft nicht so einfach zu kaufen gibt. Auf diese Art und Weise können sich Fans „marken-gemäß“ und in gewisser Weise auch exklusiv ausstaffieren und haben einen weiteren echten Zusatznutzen durch die Website. ERLEBNIS FÜR DIE SINNE ist mithin ein erstes wichtiges Element der Verkaufsförderung auch im Internet. Aber auch alle anderen Trends in der Verkaufsförderung lassen sich auf den Online-Auftritt übertragen: > 2. Die in der klassischen Werbung dargestellten Motive müssen sich auch im Internet wieder finden. Wird beispielsweise das Sponsoring-Engagement eines Sportvereines im TV-Spot kommuniziert, so sollte diese Sportwelt in die Online-Präsentation gut sichtbar integriert werden. > 3. Um Überschneidungen verschiedener Promotion-Aktionen innerhalb einer Warengruppe zu vermeiden, ist es wichtig, dass auch der Online-Auftritt mit den Handelspartnern abgestimmt wird.

> 4. Im Trend liegen Verbundaktionen, bei denen sich Hersteller unterschiedlicher Warengruppen im Sinne eines Co-Marketing zusammenschließen, um unter einem Motto oder Themendach gemeinsame Produkte zu präsentieren. Zu Beginn der Grillsaison macht das Erscheinen als Wurst- und Fleischfabrik beispielsweise auch auf anderen Web-Seiten Sinn, auf denen es um Grillkohle, Gewürzsaucen oder um Bier geht. Kooperationen mit einschlägigen Shoppingportalen und Preisvergleichen, Suchmaschinen und Online-Produktberatern und Zugang zu Testberichten funktionieren in diesem Zusammenhang durchaus auch als verkaufsfördernde Maßnahmen. > 5. Verpackungs-, Displaypräsentation und WebAuftritt sollten ebenso aufeinander abgestimmt sein und sollten von den Kunden als Einheit wahrgenommen werden. > 6. Kreativität ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine verkaufsfördernde Kampagne. Unübersehbar präsentiert sich Lindt & Sprüngli immer vor Weihnachten und Ostern in der Inselplatzierung aus Wellpappe. Auch die virtuellen Regale sollten dem

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in nichts nachstehen und einen einheitlichen Eindruck mit der Präsentation im Ladenlokal vermitteln. > 7. Im Vergleich zu anderen Marketing-Maßnahmen bietet gerade auch die Online-Verkaufsförderung die Möglichkeit, den Konsumenten in einen Dialog einzubinden und gleichzeitig seine Meinung oder Einstellung zu Produkten zu erfragen. So fördert beispielsweise eine Gewinnspielaktion die Kommunikation zwischen Verwender, Hersteller und gegebenenfalls auch dem Handelspartner. HERSTELLER-WEBSEITEN

A

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verzeichnen

heute

durchaus einen hohen „Besucher-Traffic“. Diese Kundenkontakte heißt es nun umsatzrelevant zu nutzen. Denn auch wenn Hersteller online nicht verkaufen können oder wollen, so können sie doch die Kaufentscheidung ihrer Internet-Klientel beeinflussen und festigen - und damit den Verkauf fördern. Ziel ist also, bei möglichst vielen interessierten Kundinnen und Kunden die Kaufentscheidung so zu festigen, dass sie „sicher“ an den Händler weitergeleitet werden können. Dieser Weg sollte kurz sein und möglichst gleich zum eigenen Produkt im Online-Shop des Händlers führen.

Kundinnen und Kunden sind nicht einfach zu begeistern. Schon gar nicht mit einem trockenen und informationslastigen Internet-Auftritt. Auch wenn sich Anbieter noch so schwer tun, auch Web-Seiten müssen die Sinne anregen und unterhalten, wenn sie verkaufsfördernd wirken sollen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Zitiert nach o. V., Verkaufsförderung im Internet - auch für Hersteller, ECIN, online Im Internet, www.ecin.de/marketing/verkaufsfoerderung-hersteller, abgerufen am 1.3.07 2

www.dannemann.de

3

Rivinius, Claudia: Verkaufsförderung der neuen Generation, ABSATZWIRTSCHAFT, Heft: 06, 2001, S. 80 4

Vgl. beispielsweise Bailom, Franz/Hinterhuber, Hans J./Matzler, Kurt/Sauerwein, Elmar: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, MARKETING , Heft: 2, 1996, S. 117-

126 5

Vgl. Rivinius, Claudia, a.a.O.

6

www.erdinger-champ.de

7

Anhänger für Schlüssel, Eintrittskarten, Ausweise etc. Wird üblicherweise um den Hals getragen und erinnert an die Schlüsselkinder, die den Hausschlüssel solchermaßen gesichert vor Verlust mit sich führen

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PRAXIS „Mouse-RageSyndrom“

Virales Marketing mit Youtube

Experten warnen vor dem so genannten „Mouse-RageSyndrom“ (MRS), das lebensgefährlich sein kann. Die Symptome – Muskelzittern und Schweißausbrüche – sind Anzeichen für sich verengende Adern, die das Gehirn mit Blut versorgen. Auch die Herzkranzgefäße ziehen sich zusammen. Im schlimmsten Fall kann dies zum Schlaganfall oder Herzinfarkt führen. Als Ursache für MRS haben die Wissenschaftler eindeutig ein schlechtes Webdesign identifiziert. Störende „Pop-ups“ und flackernde „Flash-Animationen“ führen zu mitunter gefährlichen Stress-Zuständen bei Internet-Nutzern. Das ultimative Maß aller Webseiten dagegen ist Google: „Ein asketischer Auftritt mit einer unvorstellbar kurzen Responsezeit und einem hohen Grad an Präzision“, heißt es in einem Untersuchungsbericht. 2.500 Internet-Surfer wurden im Rahmen dieser Studie mit schlechten Web-Seiten konfrontiert. „Bei einigen Personen war die Muskelanspannung derart heftig, dass das Experiment abgebrochen werden musste“, so die Mitautorin des Berichts.1

Unternehmen entdecken Youtube als Werbeplattform und versuchen mit witzigen Spots ihre Markennamen zu stärken. Anhand von „Tracking-Tools“ lässt sich genau messen, wie oft ein Video-Clip aufgerufen oder herunter geladen wurde. Immer mehr Unternehmen entdecken das früher Mund-zu-Mund-Propaganda genannte Viralmarketing für sich. Sie folgen ihren Zielgruppen ins Netz und versuchen die Nutzer dazu zu animieren, die Spots herunterzuladen und weiterzuempfehlen. In Zeiten von Web 2.0 ist dies zudem zu überschaubaren Kosten realisierbar. Ein Risikofaktor darf dabei allerdings nicht übersehen werden. Ein Clip, der sich wie ein Virus über das Internet verbreiten soll, muss entweder einen richtigen Lacher oder einen Überraschungseffekt bieten. Laut einer Studie der Marketingagentur Sharpe Partners leiten 63 Prozent aller Internet-Nutzer mindestens einmal pro Woche eine als interessant empfundene Nachricht weiter, ein Viertel sogar fast täglich. 75 Prozent der erhaltenen E-Mails werden wiederum an bis zu sechs weitere Nutzer weitergeschickt. Laut Sharpe Partners stehen witzige Inhalte mit 88 Prozent an der Spitze aller weitergeleiteten E-Mails. Optimale Verbreitung lässt sich immer dann realisieren, wenn Meinungsmacher erreicht werden. Diese stellen die Spots beispielsweise im eigenen „Blog“ online oder laden sie auf Videoplattformen hoch. Eine Kampagne kann sich solchermaßen innerhalb weniger Tage wie ein Virus verbreiten. So hat sich zum Beispiel ein Clip von Volkswagen USA, in dem aufgemotzte Autos auf unkonventionelle Art und Weise verschrottet werden, von den Staaten bis nach Deutschland fortgepflanzt. Viral verbreitete Video-Spots im Internet haben zudem einen Langzeiteffekt. Selbst Monate später können Spots eine zweite Verbreitungswelle erfahren und erneut durchs Internet wandern. Bei verfehlten Kampagnen ein dann allerdings eher gefährlicher Effekt für das Marken- oder Unternehmensimage.1

1

Vgl. Weiss, H.: Experten warnen vor „Mouse-RageSyndrom“. Herzinfarkt durch schlechtes Webdesign, VDI NR. 3 vom 19.01.2007, S. 25

1

Vgl. Kellerhoff, Peter: Online-Werbung: Unternehmen entdecken Youtube & Co. als Werbeplattform ... Mund-zu-Mund-Propaganda online dank Web 2.0, VDI Nr. 7 vom 16.02.2007, S. 12

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„Push-Werbung“ mit Web 2.0

„GoogleHack“

Durch Informationsüberflutung der Zielgruppe wie beispielsweise durch TV oder „Banner“ sinken die Effektivität und das Aufwand-Nutzen-Verhältnis dieser „Push-Werbemethoden“. Ziel von „Pull-Marketing“ ist es hingegen, aktive Zielkunden zu adressieren, die selbstständig angebotene Informationen und Services abfragen, nutzen und weiter verbreiten. Dieser interaktive Dialog wird unterstützt durch Web 2.0-Technologien. „Blogpioniere“ wie Boeing, Microsoft, SAP, Sun, Hewlett-Packard, IBM, GM nutzen „Blogs“ längst als Kommunikationsvehikel. Hersteller versenden ihre Produkte bewusst und gezielt an „Blogger“, die sie bewerten und diese Bewertung im „Blog“ veröffentlichen sollen. Von mehreren Nutzern als interessant eingestufte Inhalte werden durch Verlinkung prominent platziert und dadurch in Suchmaschinen „hoch-gerankt“. Einer falschen Werbeinformation wird allerdings auch schnell und „laut“ widersprochen. Dies erfordert eine offene und ehrliche Unternehmenskommunikation. Der potenzielle Kunde ist an konkreten Aussagen interessiert – auch zu besonders kritischen Fragen. Dies bedeutet, Kommunikation zuzulassen auch wenn sie unbequem wird.1

Am 12. März 2006 veröffentlichte die Chicago Tribune einen spektakulären „Hack“: Durch OnlineRecherchen über Suchmaschinen hatte die Tageszeitung CIA-Agenten enttarnt und über zwanzig Standorte des Geheimdienstes aufgedeckt. Google indiziert eben schlichtweg alles. Ein einziger Verweis, dem das automatische Indizierungsprogramm („Crawler“) folgen kann, sorgt schon für Unannehmlichkeiten, wenn die entsprechenden Daten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Für ein erfolgreiches Suchmaschinen-Hacking sind die Operatoren von Bedeutung. Der Operator „+“ vor einem Begriff zwingt Google beispielsweise, den Begriff zu berücksichtigen, sei er auch noch so sinnlos oder überflüssig wie die Wörtchen der, die, das. Besonders interessante Operatoren sind „site“, „inurl“ und „file-type“, die das Suchergebnis hauptsächlich nach Kriterien der Web-Adresse (URL) eingrenzen. Der „site-Operator“ beispielsweise schränkt die Suche auf eine Website ein: site:www.ibm.de sucht demnach nur auf Seiten der IBM Deutschland GmbH. Die Suche „site:.de filetype:xls passwort“ könnte dabei schon erste interessante Resultate für „Hacker“ liefern. Hinzu kommt, dass Google einen Großteil der eingelesenen Text-Daten in seinen eigenen Cache kopiert. Sollten also versehentlich sensible Daten auf eine Web-Seite gelangen, besteht selbst nach ihrem Entfernen noch die Gefahr, dass sie bereits den Weg in den Google-Cache gefunden haben und dort noch immer verfügbar sind. Jedem, der sensible Daten auf seiner Web-Seite vorhält, ist dringend ein Blick auf die „Google Hacking Database“ zu empfehlen, der wohl vollständigsten Sammlung von Google-Suchanfragen mit aktuell über Tausend Hacks.1 Oberste Regel bleibt aber: keine vertraulichen Informationen an potenziell öffentlich zugänglichen Orten speichern - auch nicht für kurze Zeit.2

1

Vgl. Göhring, M., Happ, S., Müller, T.: Web 2.0 im Kundenmanagement, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 252/2006, S. 55-65

1

http://johnny.ihackstuff.com/ Vgl. Hamm, Michael: Suchmaschinen-Hacking: Was Google & Co. verraten - Fein beobachtet, iX - Magazin für professionelle Informationstechnik, 5/2006, S. 136 2

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Online-Kommunikationspolitik

LITERATUR ... zum weitergehenden g Studium der Online-Kommunikation

Von der marketing-gerechten Gestaltung der Website bis hin zu Web 2.0 gibt das Internet eine ganze Reihe von kommunikationspolitischen Möglichkeiten an die Hand. Alle haben jedoch auch ihre eigenen Gesetze, die es zu beachten gilt. Richtig eingesetzt, eröffnen sie dem Marketing jedoch völlig neue Wege. >Amling, Stefan: Virales Marketing, Auswirkungen und Möglichkeiten auf und für das Interruption Marketing des 21. Jahrhunderts, Hochschule Mitweida, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Diplomarbeit, 2006 >Bartel, Stefanie: Farben im Webdesign, Berlin, 2003 >Bauer, H. H./Hammerschmidt, M./Garde, U.: Messung der Werbeeffizienz, Univ. Mannheim, Inst. f. Marktorientierte Unternehmensführung, 2004

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>Bergmann/Bormann: AJAX - Frische Ansätze für das Web-Design (eBook), Berlin, 2006 >Bernet, Marcel: Medienarbeit im Netz, Zürich, 2006 >Bischopinck v., Yvonne und Ceyp, Michael: Suchmaschinen-Marketing, Berlin, 2007 >Bogula, Werner: Leitfaden Online-PR, Konstanz, 2007 >Dannenberg, Marius: Erfolgreiche Online-Werbung, Göttingen, 2006 >Erlhofer, Sebastian: Suchmaschinen-Optimierung für Webentwickler, Bonn, 2007 >Janisch, Sonja: Online-Werbung, Hamburg, 2004 Jasper, Dirk: Online PR, Göttingen, 2004 >Kaiser, Thomas: Effizientes Suchmaschinen-Marketing, Göttingen, 2006 >Klinger, Michaela: Virales Marketing, Saarbrücken, 2006 >Langner, Sascha: Virales Marketing, was Google, GMX und Napster erfolgreich machte, Göttingen, 2004 >Lankau, Ralf und Treffert, Claudia: Leitfaden Webdesign, Wiesbaden, 2006 >Magerhans, Alexander: Kundenzufriedenheit im Electronic Commerce, eine Kano-Analyse im OnlineBuchhandel, Göttingen, 2005 >Metzeler, Barbara: Interkulturelles Webdesign - dargestellt anhand von Beispielen der internationalen Automobil-Branche, Diplomarbeit, FH Stuttgart, 2002 >Münz, Stefan und Wyatt, Thiffany: Barrierefreies Webdesign, Bonn, 2007 >Reich, Sandra: Die persuasive Werbewirkung von Online-Medien, Aachen, 2006 >Ruisinger, Dominik: Online Relations, Stuttgart, 2007 >Sauerwein, Elmar: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, Reliabilität und Validität einer Methode zur Klassifizierung von Produkteigenschaften, Wiesbaden, 2000 >Schmidt-Mänz, Nadine: Untersuchung des Suchverhaltens im Web, Dissertation, Univ. Karlsruhe, 2006 >Seth, Godin: Purple cow, so infizieren Sie Ihre Zielgruppe durch virales Marketing, Frankfurt am Main u.a., 2004 >Stocksmeier, Thorsten: Business-Webdesign, Berlin, 2002 >Wiedmaier, Philipp: Optimierung für Suchmaschinen am Beispiel von Google, Saarbrücken, 2007 >Wolff, Christiane: Online-PR professionell gestalten, Berlin, 2005

arbeit im Internet

Das Internet hilft, die Zusammenarbeit mit den Medien zu optimieren. Doch in der Realität gestaltet sich die Online-Pressearbeit oft schwieriger als zunächst vermutet.

W

ie die klassische Pressearbeit lebt auch die Online-Variante von eindeutig festgelegten Zielen. Sie reichen von der Steigerung des Unternehmensbekanntheitsgrads über die Kommunikation mit Journalisten als spezieller Zielgruppe bis hin zur Erhöhung der Website-Besucherzahlen. Zur Umsetzung dieser Ziele stehen im Internet spezifische Werkzeuge zur Verfügung. Der Versand von Pressemitteilungen kann beispielsweise per E-Mail an die entsprechenden Redaktionen erfolgen. Damit ist eine schnelle und kostengünstige Alternative zum klassischen Brief gegeben. Journalisten registrieren

sich online für bestimmte Themen und erhalten nur noch Material, das auch wirklich für ihre Arbeit relevant ist. Bei den Medienvertretern eingehende E-Mails lassen sich leicht archivieren und sind so jederzeit auf dem PC verfügbar, wenn sie benötigt werden. Auf der Website des Unternehmens, das sich für Online-Pressearbeit entscheidet, können auch Geschäftsberichte veröffentlicht werden und mit Hilfe spezieller OnlineDienste sind virtuelle Pressekonferenzen möglich. Dabei wählt sich dann ein, wer will oder wer die entsprechende Zugangsberechtigung hat. Die zeit- und kostenaufwändige Anreise entfällt und Journalisten

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Die Internet-Presselounge der Fraport AG (www.fraport.de) umfasst nahezu alle grundlegenden Inhalte, die eine Presserubrik haben sollte. Ein Archiv fehlt aber beispielsweise.

können bei Bedarf an mehreren Pressekonferenzen täglich teilnehmen. Dabei ist, wie im realen Vorbild, die interaktive Teilnahme gesichert. Es kann nicht nur zugehört und mitgeschrieben werden. Auch Fragen sind jederzeit online möglich.1 Bei der Online-Pressearbeit wird zwischen so genannten „Push“- und „Pull“-Diensten unterschieden.2 Im ersten Fall werden Informationen an die Journalisten versand. Per E-Mail gehen Pressemeldungen oder auch digitale Pressemappen an die Redaktionen. Bei den „Pull“-Diensten dagegen müssen sich die Journalisten selbst über das Internet mit Material versorgen. Auf der Website des Unternehmens stehen dazu verschiedene Informationen bereit, die für Presse- und Medienleute von Interesse sein könnten. Diese Materialien werden in eine Online-Presserubrik eingestellt und sind dann von Interessenten abrufbar.

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„PULL“-DIENSTE im Web (die Online-Presserubrik) Ein eigener Presse-Bereich im Internet stellt allerdings hohe Anforderungen an die Online-PR. Der kommunikative Nutzwert einer Presse-Web-Seite wird dabei durch folgende Faktoren positiv beeinflusst: schnelles Laden der Seiten, übersichtliche Seiten-Navigation, Konsistenz des Layouts, Übereinstimmung des Layouts mit dem Corporate Design, bildschirm- und zielgruppengerechte Textgestaltung, hohe Aktualität der Inhalte sowie leicht auffindbare Interaktionsangebote in Form von Ansprechpartnern mit Telefonnummer und E-Mail oder Online-Kontaktformular.3 Der OnlinePressebereich sollte offen, d.h. ohne Passwort jederzeit zugänglich sein. Die Informationsbedürfnisse der Medienvertreter werden so schnell und unkompliziert erfüllt. Dass dieses Ziel in vielen Fällen noch nicht erreicht ist, zeigt eine im Frühjahr 2003 veröffentlichte Studie von Nielsen. Bei einem Praxistest der Internet-

Die Pressemeldungen der IBM Deutschland GmbH im Internet sind mit Datum und Überschrift versehen und beinhalten eine Kurzbeschreibung (www.ibm. de). Per Link gelangen die Journalisten bei Bedarf zum Volltext. Die Liste ist jeweils immer top aktuell – nur der laufende Monat wird angezeigt. Werden ältere Informationen benötigt, sind diese über ein Archiv abrufbar. Nachteil: Im Archiv kann auch wieder nur nach Datum gesucht werden. Die Schlagwortsuche, sowie die Auflistung nach miteinander kombinierbaren Kriterien, wie etwa Produkt- oder Unternehmensbereich ist nicht möglich.

Präsenzen von zehn Großunternehmen gelang es nur zu 82 Prozent, die Telefonnummer eines PR-Verantwortlichen ausfindig zu machen. Immerhin schon ein gewisser Fortschritt – zwei Jahre zuvor gelang dies nur zu 55 Prozent.4 Die Online-Presselounge der Fraport AG (www.fraport.de) ist hingegen ein positives Beispiel: Die dort verwendeten Unterrubriken sind: chronologisch aufgelistete Pressemeldungen, ein gut sortiertes, nach Themen gegliedertes Bildarchiv, zusätzliche Presseservices, wie die Unterstützung bei Filmaufnahmen etc., unterschiedliche „Downloads“, wie Reden, Portraits und Publikationen der Fraport AG, eine kommentierte Liste der Auszeichnungen und Preise, die die Fraport AG erhalten hat und eine ausführliche Liste aller verfügbaren Pressekontakte. Zusätzlich ist in der gesamten Presselounge auch die Schlagwortsuche möglich. Damit umfasst die Presserubrik der Fraport AG auch schon beinahe alle Inhalte,

die auch theoretisch vorhanden sein sollten:5 >Aktuelle Pressemitteilungen sollten chronologisch aufgelistet sein. Jeder Listeneintrag und damit jeder Hinweis auf eine Meldung umfasst die Überschrift, das Datum, einen Kurzinhalt und den Link zum Volltext. Aktualität ist oberstes Gebot. Pressemeldungen, die älter als zwei bis drei Monate sind, gehören ins Archiv. >Das Archiv selbst fehlt bei der Fraport AG. Es beinhaltet normalerweise alle jemals erschienenen Pressemeldungen. Sie sind in eine Datenbank eingestellt, in der schnell und effektiv in Form der Volltextsuche recherchiert werden kann. Zusätzlich sind unterschiedliche Ansichten möglich, in denen die Pressemeldungen nach diversen miteinander kombinierbaren Kriterien aufgelistet werden können – beispielsweise nach Erscheinungsdatum, Schlagworten, Autoren, Produktkategorien, Unternehmensbereichen

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Unternehmen am besten in Form von PDF-Dateien zur Verfügung gestellt. >Die Kontaktaufnahme zum Unternehmen sollte den Medienvertretern vielfältig möglich sein. Eine aktuellen Liste der PR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit E-Mail-Adresse, Telefonnummer, Adresse und Zuständigkeitsbereichen gehört ebenso dazu, wie ein Kontaktformular, in das online eine Anfrage eingestellt werden kann. Die Journalisten wählen dabei zwischen verschiedenen Möglichkeiten, Rückantwort zu bekommen (wird beispielsweise ein Anruf oder eine E-Mail gewünscht). Eingehende Anfragen sind schnellst möglich, spätestens innerhalb eines Arbeitstages zu beantworten. Vertretungsregelungen sollten existieren, so dass bei Abwesenheit eines zuständigen PR-Mitarbeiters Anfragen nicht tage- oder gar wochenlang liegen bleiben. Der Dialogcharakter des Internets kommt hier zum Tragen. Speziell für die Pressearbeit hat die EMail mittlerweile eine herausragende Bedeutung und Anfragen werden immer öfter per E-Mail gestellt. Dies alles sind Mindestanforderungen an eine Presserubrik, die erfüllt sein sollten. Zusätzliche Inhalte und Funktionen können die Website darüber hinaus noch attraktiver für Medienvertreter machen. >Ein aktueller Event-Kalender, speziell auf die Interessen von Journalisten abgestimmt, zeigt beispielsweise an, wo einschlägige Ereignisse stattfinden. Pressekonferenzen, Messen und Kongresse sind hier unter genauer Angabe von Datum, Uhrzeit, Ort, Kurzbeschreibung und weiterführender Links (z.B. auch zu einer Online-Anmeldemöglichkeit) verzeichnet. >Eine ständig aktualisierte Link-Sammlung gibt Pressevertretern die Möglichkeit, sich weitergehend zu informieren. Hierher gehören Studien, Marktforschungsergebnisse, Auszeichnungen und Zeitungsartikel, die über das Unternehmen erschienen sind. >Eine Registrierungsmöglichkeit für Pressemel-

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dungen und eventuell auch ein themenspezifischer s von der Presserubrik aus aufagen sich hier für den regelmänd haben auch die Möglichkeit, ert die weitere Zusendung von zu stornieren. ed Questions“ (FAQ) sind LisFragen und Antworten, die es machen, sich in ein unternehma einzuarbeiten. Sind solche rsparen sie den Journalisten so age und damit Zeit und Kosten. tandard zu erreichen, empfiehlt ngehende Anfragen kontinuierrbeiten. mappen werden begleitend zu nd anderen Großereignissen im macht. Journalisten können sich so umfassend zu einem bestimmten Thema oder Ereignis informieren und das entsprechende Material mit einem Klick herunterladen. >Pressegespräche und virtuelle Pressekonferenzen ermöglichen beispielsweise Online Chats mit Experten zu einem bestimmten Thema oder auch mit der Geschäftsführung. Hier sollte ein Link platziert werden, über den interessierte Journalisten zu einem virtuellen Konferenzsaal geleitet werden. Virtuelle Pressekonferenzen sind die Weiterführung der Pressegespräche. Unternehmen wie Siemens und auch IBM übertragen zum Beispiel Bilanzpressekonferenzen im Web, an denen Journalisten teilnehmen können, die nicht die Möglichkeit haben, vor Ort zu sein. „Eigentlich war es eine Pressekonferenz wie viele andere: Die Themen gingen munter durcheinander, manchmal redete jemand dazwischen und ein Zuspätkommender stellte Fragen, die der Vorstand längst beantwortet hatte. Andere Journalisten insistierten hartnäckig auf Themen, die nur sie selbst interessierten. Und doch war alles anders: Die Jahresergebnisse .. der Deutschen BP wurden nur im Internet besprochen, in einem Chat.“6 Mit diesen Worten charakterisierte die dpa die erste virtuelle Bilanzpressekonferenz eines größeren Unternehmens in Deutschland. Weil man den innovativen Anspruch der Deutschen BP auch in der Unternehmenskommunikation dokumentieren wollte, hatte man den Vorstand zu diesem „Experiment“ überredet. „Wir hatten noch nie so viele Fragen“, resümierte die BP-Pressesprecherin im Nachhinein. „Und es sind viele Informationen gegeben worden, die auf einer konventionellen Pressekonferenz so nicht erteilt worden wären.“ Kurz darauf ging das Unternehmen dann mit einer virtuellen Dreiländer-Pressekonferenz einen konsequenten Schritt auf diesem Weg weiter. Inzwischen sind Online-Veranstaltungen für Journalisten bei der Deutschen BP fest in das Internet-Ange-

bot integriert (www.bppressegespraech.de). Bei aller Aufgeschlossenheit für die neuen Entwicklungen im „Cyberspace“ steht aber nach Aussage des Unternehmens weiterhin der persönliche Kontakt zwischen Vorständen und Journalisten im Vordergrund der PRArbeit. Im Mai 2001 präsentierte auch die Leipziger Verbundnetz Gas Aktiengesellschaft (VNG) ihren Geschäftsbericht erstmalig im Rahmen einer interaktiven Online-Konferenz (www.online-pk.de). Über ein Spracherkennungssystem einer Hamburger PR-Agentur wurden die Antworten der Vorstandsmitglieder direkt ins Internet übertragen. Das Team der Hamburger Agentur verfolgte dabei jedoch eine besondere Philosophie, weil es selbst in Zeiten der Videoübertragung vorrangig mit Text und nur am Rande mit Bildern arbeitet: „Text ist in der Medienwelt immer noch die härteste Währung der Information“ – so erklärte man dies. Mit ihrer ersten Online-Pressekonferenz bewegte sich die

VNG sogleich auch auf internationalem Parkett: Weil über das Internet auch Pressevertreter aus anderen Ländern teilnahmen, wurde die englische Übersetzung der gesamten Konferenz simultan ins Netz übertragen. Die ausschließlich auf Textbasis im Internet stattfindende Veranstaltung war eine Anwendung mit überschaubarer Datenmenge. Deshalb genügte für die Teilnahme auch eine einfache Internet-Anbindung, wie sie den meisten Journalisten heute nahezu überall auf der Welt zur Verfügung steht.7 PUSH-DIENSTE IM INTERNET (Versand von Pressemitteilungen) Eine Pressemitteilung ist die Standardmethode der Kommunikation zwischen dem Unternehmen und den Medien. Es ist ein Dokument, das betriebliche Neuigkeiten verbreitet und den Antrieb für Artikel und Meldungen in den Medien liefert. Eine Pressemitteilung hat ein Standardformat („Do’s

Photo: Hugo Humberto Plácido da Silva (stock.xchng)

Weil man den innovativen Anspruch der Deutschen BP auch in der Unternehmenskommunikation dokumentieren wollte, hatte man den Vorstand zur ersten virtuellen Bilanzpressekonferenz überredet. Inzwischen sind Online-Veranstaltungen für Journalisten bei der Deutschen BP fest in das Internet-Angebot integriert.

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and Don’ts“) und einen Inhalt, der entscheidet, ob öffentlichkeitswirksam informiert wurde oder nicht. Eine Pressemitteilung sollte generell so gestaltet sein, dass die Schlüsselbotschaft klar hervortritt und den Höhepunkt der Meldung bildet. Folgende Schlüsselfragen (so genannte „W-Fragen“) sollten adressiert sein: wer? (das aussendende Unternehmen), was? (das neue Produkt, die Dienstleistung, das Projekt), wie? (die Wirkungsweise), wo? (Firmensitz, Ort des Geschehens), wann? (jetzt, in der Zukunft, vor einer Woche...), warum? (die Begründung) und welche Quelle? (wer schreibt?). Wird jede Frage stichpunktartig beantwortet, ist der Körper des Textes schon zusammengestellt. Danach sollte dieser noch in eine sinnvolle Reihenfolge gebracht werden: das Wichtigste, die „Lokomotive“, der Nachrichtenkern zuerst, dann folgen die näheren Umstände (gröbere Einzelheiten) und schließlich noch die weiteren Details (eventuell mit Zitat). Eine Pressemitteilung ist von der Form her meist so strukturiert: Freigabedatum (sofortige Veröffentlichung oder ein Datum in der Zukunft), Schlagzeile, Datum der Mitteilung und Ort, Text und die Kontaktdaten unter dem eigentlichen Inhalt. Ein medien-geeigneter Text beschränkt sich stets auf Themen, die für Journalisten auch wirklich von Interesse sind. Für die Meldung treffen damit mehrere der folgenden Punkte zu: „nah“ (was in der Nähe passiert ist meist von größerem Belang für die Menschen), aktuell (kein „Schnee von gestern“), öffentlich bedeutsam (Unternehmensbotschaften daraufhin kritisch prüfen) und fortschrittlich (neues Produkt, neue Dienstleistung). Konkrete Themen könnten daher folgende sein:8 >Start eines neuen Unternehmens, Geschäftsbereiches oder Web-Projektes >Einführung eines neuen Produkts >Relaunch eines Produktes / einer Website >Aktueller Jahrestag als besonderer Anlass von Ankündigungen >Ankündigung einer Kampagne (z.B. Werbekampagne) oder neuen Strategie >Eröffnung eines neuen Gebäudes >Neue Artikelserie für die Öffentlichkeit (freie Informationen) >Empfang eines bekannten öffentlichen Preises >Ankündigung einer Partnerschaft >Namens- oder Produktänderungen >Restrukturierung des Unternehmens >Führungskraftwechsel, Gremienwahlen >„Statement“ zu Themen von lokalem, regionalem oder nationalem Belang >Ankündigung eines öffentlichen Fernseh- oder Radio-Auftritts >Ankündigung einer neuen Website >Jahresabschluss, „Reporting“-Zahlen über Umsätze,

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Folgende Schlüsselfragen (so genannte „WFragen“) sollten in keiner Pressemeldung fehlen: wer, was, wie, wo, wann, warum und welche Quelle. Dabei beschränkt sich ein mediengeeigneter Text stets auf Themen, die für Journalisten auch wirklich von Interesse sind.

Gewinne etc. >Sponsoring-Aktionen >Neuer und bedeutender Kunde Die Aussendung von Pressemitteilungen gestaltet sich im Internet leicht: Sie kann im Normalfall per EMail über eine Agentur9 oder über einen eigenen Presseverteiler erfolgen. Agenturen bieten meist folgende Dienstleistungen an:10 >Versand zum gewünschten Zeitpunkt (auch Sperrfrist-Vorgaben) >Diverse Verteiler und Filter (Originaltext, per Satellit, etc.) >Versandbestätigung per E-Mail >Im Web online abrufbare Texte >Automatische Anmeldung der Suchmaschinen >Bereitstellung der Texte in einem V die Journalisten-Recherche >Elektronische Pressefächer mit Log sprofil und Pressekontaktdaten >Abwicklung: Buchen – versenden – Rechnungserhalt In jedem Fall sollte in den Redakt cherchiert werden, ob Pressemitteilu akzeptiert und erwünscht sind. Fall tionen über die E-Mail-Akzeptanz erfolgt die Aussendung sicherheitsh Brief oder Fax. Neben den eigentlichen Pressem nen auch digitale Pressemappen v Eine Pressemappe ist eine Sammlu die Journalisten überreicht wird, wen geben, Messeauftritte begleitet werd ankündigungen erfolgen. Zweck ist stellung aller wichtigen Informationen Journalisten dann mit erheblich geri berichten können. Der Inhalt der Pres je nach geplanter Ankündigung und Z gute digitale Pressemappe ist die beste Chance, zu steuern, was über das Unternehmen berichtet wird. Sie sollte daher wie ein vollständiges und reichliches Menü wirken. Bei der elektronischen Aussendung von Pressemitteilungen oder Pressemappen per E-Mail gilt allerdings: Weniger ist mehr! Versandt wird in jedem Fall immer nur ein kurzer, prägnanter Text, in dem auf die ausführlicheren Informationen verlinkt wird. So kann der Empfänger auswählen, ob er die Nachricht lesen möchte und muss nicht zunächst umständlich große E-Mails öffnen. Es muss sich immer auch um Neuigkeiten handeln! – kein „kalter Kaffee“ und natürlich auch keine pure Werbung. Auch E-Mail-Anhänge (so genannte „Attachments“) sollten vermieden werden, denn E-Mails mit Anhängen werden von vielen Firewalls ausgefiltert, da eine Verseuchung mit Computer-

Neben Pressemitteilungen können auch digitale Pressemappen an die Journalisten versandt werden. Eine solche Mappe ist eine Sammlung von Material, die überreicht wird, wenn Interviews gegeben, Messeauftritte begleitet werden oder Presseankündigungen erfolgen.Eine gute digitale Pressemappe ist die beste Chance, zu steuern, was über das Unternehmen berichtet wird.

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Viren zu befürchten ist. Die Betreff-Zeile („Subject“) der E-Mail sollte in jedem Fall aussagekräftig sein. Sie entscheidet in den meisten Fällen, ob die Mail geöffnet wird oder nicht: „... und wieder eine interessante Pressemeldung von der Firma xyz“ wäre zum Beispiel ungeeignet. Die Betreff-Zeile sollte dicht am Thema sein und bereits erahnen lassen, worum es geht. Alle angeschriebenen Journalisten sollten sich zuvor explizit in einen Presseverteiler eingeschrieben haben. Nur dann besteht die Gewissheit, dass der Empfänger

die Informationen auch ausdrücklich wünscht. Jederzeit sollten die angeschriebenen Medienvertreter die Möglichkeit haben, die Zusendung von Presseinformationen wieder zu stornieren. Obwohl viele Journalisten online tätig sind und durchaus das Internet zur Recherche nutzen, wünschen sie trotzdem oft noch schriftliche Mitteilungen auf Papier. Es ist in diesem Zusammenhang sicherzustellen, ob der ausschließliche Versand per E-Mail ausreicht.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1 Vgl. Friedlaender, F.: Online-Medien als neues Instrument der Öffentlichkeitsarbeit, Dissertation an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster 1999, S. 83 2

Vgl. Jasper, D.: Online-PR, Pressearbeit mit dem Internet, Göttingen 2004, S. 11 3

Vgl. Iburg, H. u. a.: Online-PR, Landsberg 2001, S. 58

4

Zitiert nach Gupta, M.: Effektive Öffentlichkeitsarbeit im Netz, „online im Internet“, www.gupta-net.de/pdfs/Gupta_ Online_PR.pdf, abgerufen am 02.33.06 yy 5

Vgl. Sauvant, N., a. a. O, S. 50f.

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6

Vgl. ebenda, S. 209

7

Statements zu den virtuellen Konferenzen siehe Sauvant, N., a. a. O., S. 209f. 8

Vgl. Dressler, D.: PR-Instrument Internet: So kommen Pressemitteilungen an, „online im Internet“, www.competencesite.de/pr.nsf/6DA072931A363363C1256E3800519660/ $File/internet_pr.pdf, abgerufen am 15.03.06 9

Bekannte Internet-Presseagenturen sind: www.newsaktuell.de oder auch www.press1.de 10

Vgl. Dressler, D., a. a. O.

– Werbung im Web

Fast eine Milliarde wurde 2005 in Online-Werbung investiert – Tendenz steigend. Dabei begann alles ganz harmlos mit ein paar animierten GIF-Grafiken in den neunziger Jahren.

T

-Online war mit 14,2 Millionen Besuchern im Monat der größte Werbeträger des Jahres 2006 im deutschen Netz, gefolgt von Web.de und MSN.de (Microsoft). Zu diesem Ergebnis kam die Ar-

beitsgemeinschaft Onlineforschung (AGOF e.V.) in der Untersuchung Internet Facts. Alle Mitglieder des Vereins wurden in die Studie einbezogen, nicht jedoch Google. Die Suchmaschine war als umsatzstärkster

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Werbeträger 2006 kein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft. Diese versteht sich als offene Organisation der Online-Vermarkter, deren Zweck es ist, für Standards in der Online-Werbeträgerforschung zu sorgen. Rund 95 Prozent der Internet-Nutzer haben sich vor einem Kauf über Produkte erst einmal online informiert, lautet ein weiteres Ergebnis der Studie. Doch auch der Einkauf selbst wird im Web immer mehr zur Selbstverständlichkeit. 75,5 Prozent der Internet-Surfer kauften 2005 etwas im Netz. Dabei beschränkte sich die Produktpalette längst nicht mehr nur auf Bücher und CDs.1 Bislang hatte sich beispielsweise der Autovermieter Sixt im Hinblick auf Internet-Aktivitäten eher zurückgehalten. Doch nachdem Anzeigen der so genannten Gibsnisch-Werbekampagne hohe Klickraten erzeugten und sogar in Weblogs auf positives Echo stießen, bekam das Unternehmen aus Pullach Lust auf Online-Kommunikation. Bei der Internet-Abteilung E-Sixt hieß es, die Gewichtung innerhalb des MediaMixes werde sich zugunsten des Web verschieben.2

Diesem gehört werbetechnisch ohnehin die Zukunft: Zumindest kam der Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) zu diesem Ergebnis. Demnach wurden über 885 Millionen Euro 2005 in Online-Werbung investiert. Das entspricht einem Zuwachs von 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Und das Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft, prognostiziert der OVK. Mit rund 535 Millionen Euro ist der Löwenanteil, der im Jahr 2005 getätigten Umsätze, auf die klassische Online-Werbung entfallen. Die beliebtesten Werbeformen: großformatige Super-Banner und so genannte „Rectangles“. Dank zunehmender Bandbreiten ist aber auch ein Trend zu BewegtbildWerbung wie „Streaming-Ads“ und Flash-Animationen zu beobachten.3 DEN ANFANG machte die Zeitschrift Wired und brachte 1994 erstmals eine werbe-finanzierte InternetAusgabe heraus. Damit war die Online-Werbung geboren. Während Werbe-Schaltungen in Print und TV

Anzeigen der so genannten „Gibsnisch-Werbekampagne“ verwiesen auf die „Fake-Website“ www.gibsnisch.de. Doch für welchen Mietwagen der Kunde sich dort auch entscheidet, t am Ende erfolgt doch immer nur der Hinweis, dass es günstigere Angebote als die von Sixt nicht gibt. „Weitergesagt“ haben das unerwartet Viele. Die Online-Werbekampagne konnte als Erfolg gebucht werden.

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vor allem auf Breitenwirkung abzielen, reduziert sich der Streufaktor im Internet erheblich. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt deutlich, dass Online-Werbung immer individueller und unterhaltsamer wird.4 Im Jubiläumsjahr der Banner-Werbung (2004) organisierte T-Online die Ausstellung „10 Jahre Online-Werbung“ (auf der Internet-Seite www.10jahreonlinewerbung.de ist die Historie auch weiterhin nachzuvollziehen). Bereits 1996 kam Bewegung in die Welt der Banner. Die comdirect-Bank schaltete damals ein erstes animiertes „GIF“. Die Finanzbranche gehörte ja ohnehin zu den Ersten, die das Potenzial der neuen Werbeform nutzten – nicht zuletzt wegen eines unübersehbaren Trends in der Branche, dem Internetbanking. Immer mehr Unternehmen schalteten bis 1998 Banner und das Format wuchs: vom „Halfsize“- bis zum „FullsizeBanner“. Die BMW AG ließ 1999 den ersten Online-Spot in einem so genannten „Popup“ kreieren. Amüsant aus heutiger Sicht: dieser Spot musste mit langsamen 14k-

Modems funktionieren – eine echte Herausforderung. 1999 schaltete N24 das erste „Realtime-Banner“ im deutschen Internet. Nachrichten wurden aus der N24Redaktion direkt auf das Werbeformat übertragen. Das war neu und ist heute noch ein typisches Beispiel dafür, wie sich „Banner“ aufwerten lassen. Mit einem speziellen Internet-Werbeformat waren die Kreativen im Auftrag von Viag Interkom (jetzt O2) 2001 ihrer Zeit und ihren Konkurrenten voraus: Zum ersten Mal konnte der Internet-Nutzer direkt aus einem „Banner“ heraus eine „SMS“ verschicken. Damit war das „Web-SMS-Banner“ geboren. Eine ganz andere Zielsetzung hatte dagegen die Online-Kampagne im Auftrag der BMW AG im Jahr 2002. Hier ging es um die Erhöhung der Markenbekanntheit des Mini. Die Inszenierung des Produkts, sowie die Vereinbarung von Probefahrten beim BMW Mini Händler über das Internet, standen dabei im Vordergrund. Zur Generierung von „Hot-Leads“ wurden die Werbemittel der Kampagne auf „auto-affinen“,

Das großformatige PopUp der Firma BMW spielt 1999 mit einer innovativen Idee: Herr Metz, eine fiktive Figur, sucht ein neues Zuhause für seinen gebrauchten 7er BMW. Das Werbemittel lässt Herrn Metz an den Bildschirm des Users klopfen und spricht ihn somit unvermittelt und direkt an. Der erste Online-Spot in Deutschland.

Der Mini „fährt“ über den Bildschirm und hinterlässt Spuren in Herz-Form. Zielsetzung der Online-Kampagne im Auftrag der BMW AG im Jahr 2002 war die Erhöhung der Markenbekanntheit des neuen Mini. Per Klick konnte online auch eine reale Probefahrt vereinbart werden.

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reichweitenstarken Web-Seiten geschaltet. Durch die marken-typische Anmutung und die innovative und dynamische Inszenierung, kombiniert mit Sound-Untermalung und hoher Klick-Aufforderung, wurden starke Aufmerksamkeit und außergewöhnlich hohe Klick-Raten erzielt. Die Geschichte der Online-Werbung ist damit aber noch nicht zu Ende erzählt. 2002 setzten sich so genannte „Fullscreen-Interstitials“ durch. Ein LufthansaWerbemittel war ein interessantes Beispiel dafür: Es zeigte ein „Gate“, das nur für Online-Bucher zugänglich war und mit flughafen-typischen Elementen arbeitete. Die Online-Kampagne diente unter anderem zur Bekanntmachung der neuen Preispolitik der Fluglinie. Das „Gate“, das sich plötzlich über dem gesamten „Content-Bereich“ schloss, war ausgesprochen „auf-

In der Online-Werbung von WeightWatchers aus dem Jahre 2004 werden erstmals 3D-Effekte im deutschen Internet genutzt. Die komplette Web-Seite verformt sich zur weiblichen Silhouette mit Traummaßen. Der Wandel vom statischen Banner zur dynamischen Online-Werbeform ist damit endgültig vollzogen.

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„BANNER“ „BANNER Unterschiedliche Formen >Statische „Banner“: Rechteckige Werbefläche mit statischem Bild, Text oder Kombination aus beiden >Animierte „Banner“ mit animierten Bildern, Text oder beidem >„Transaktive Banner“ mit erweiterter Funktionalität, Interaktivität und hohem Informationsgehalt (Basis: Shockwave, Flash, Java) >„HTML-Banner“ mit erweiterter Funktionalität und Interaktivität durch Einsatz von HTML >„Nanosite“ mit der erweiterten Funktionalität und Interaktivität einer kleinen Website

„BANNER“ Sonderformen f >„4to1-Banner“ Teile bewegen sich aus vier Bildschirmecken aufeinander zu und bilden an vorgegebener Stelle Banner >„Mouse-Over-Banner“ zeigt bei Berührung mit Maus-Zeiger überraschenden Effekt z.B. Explosion oder „Expanding Banner“ >„Mouse-Move-Banner“ folgt der Maus-Bewegung, z. B. Schriftzug >„Flying-Banner“ bewegt sich auf vordefiniertem Pfad über die Web-Seite >„Skyscraper“ / „Bill Board Banner“ Format höher als breit (Wolkenkratzer / Plakatwand) >„Sound“ / „Audio-Banner“ ist mit „Sound“ unterlegt >„Sticky-Ad“ „Klebendes“ Banner, ortsfest auf Bildschirm >„Streaming-Video-Ad“ Banner mit kleinem Video

merksamkeits-stark“. Die Innovation: Während das Werbemittel ablief, wurde die Zielseite im Hintergrund geladen. Klickte der Internet-Besucher auf „Enter“, öffnete sich das „Gate“ über der Zielseite. Das Werbemittel erzielte gute Klick-Raten und eine ausgezeichnete „Conversion Rate“. Im Vergleich dazu erschien das Online-Werbemittel der Allianz aus dem Jahre 2002 schlicht – aber es war dennoch ungewöhnlich und berührend. Die Maus ertastete das Motiv und las Blindenschrift. Solche Formate zeigen auch aktuell noch beeindruckend, wie sich durch ungewöhnliche Einfälle auch mit einfachen Mitteln inhaltliche Tiefe gewinnen lässt. Dennoch kommt in jüngster Zeit mehr und mehr die Technik ins Spiel. Breitbandige DSL-Zugänge bieten den Kreativen seit etwa dem Jahr 2004 einfach mehr Gestaltungsspielraum. Und den nutzten die Entwickler einer Kampagne für Mazda: Neben den Klassikern kamen innovative Formate wie so genanntes „i-Flash TV“ zum Einsatz. Erstmals wurde ein „Unicast Video Commercial“ (siehe auch weiter unten) auf einer deutschsprachigen Website gezeigt. Fachmedien bezeichnen diese Werbeformate als wegweisend für die Online-Werbung. Technisch innovativ zeigte sich auch das Werbemittel von WeightWatchers aus dem Jahre 2004. Neuartige 3D-Effekte beeindruckten die Internet-Nutzer visuell und emotional, wurde doch die komplette WebSeite genutzt. Die markentypische Veränderung des Werbemittel-Formats – der Bildschirm „verschlankte“ – überraschte und amüsierte den Betrachter. Das Werbemittel tat etwas bisher Ungewohntes. Es spielte und verdeutlichte damit: Auch Online-Werbung musste unterhalten um zu wirken. Der Wandel vom statischen „Banner“ zur dynamischen Online-Werbeform war vollzogen. ZUR KLASSIFIZIERUNG der Werbung im Internet dienen die Kriterien: Format, Technologie und Implementierung. Das klassische „Banner“ ist eine rechteckige Werbefläche auf einem Online-Werbeträger. Diverse Gestaltungsmöglichkeiten, angefangen von der statischen Grafik, über animierte „Banner“, bis hin zu „Flash-Animationen“ sind möglich. Die Interaktionsmöglichkeit ist generell durch Verlinkung gegeben, d.h. der interessierte Kunde klickt auf die Werbefläche und wird darauf zu einer vorgesehenen Adresse weitergeleitet. Durchgesetzt haben sich die Größen: „Voll-Banner“ (468x60 Pixel), „Halb-“ (234x60), „Drittel-“ (156x60), und „OMS-Banner“ (400x50 Pixel). Daneben gibt es noch das so genannte „SkyscraperBanner“ mit 60x468 Pixel. Nur das „Cadillac-Banner“ nimmt die gesamte Seitenbreite ein. Eine Animationswirkung wird im einfachsten Fall durch eine Sequenz von Einzelbildern im „GIF-Format“ erreicht – bekannt auch als Internet-Daumenkino. Bis

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NEUE NEU E WERBEFORMEN Im selben Fenster >„Cobranded Site“ Website des Werbeträgers im „Look-and-Feel“ des Werbenden >„Comet Cursor“ Anpassung des Mauszeigers an die Werbekampagne bei Bewegung über die Werbefläche (auch „Logo Cursor“ genannt) >„Download Wallpaper“ An einen „Download-Vorgang“ gekoppelte Werbung in Form von Unterbrecherwerbung >„Dynamite“ Vielseitige, attraktive Werbeform, die unabhängig von der Website in Erscheinung tritt (Comic-Kommentar) >„Flash Layer“ Ein auf DHTML basierendes, animiertes Werbeformat – großflächig, jedoch (teilweise) transparent, so dass die Navigation der Website sichtbar bleibt

Im eigenen Fenster >„PopUp“ Werbebotschaft wird in eigenständigem Fenster vor dem aktuellen Browser-Fenster geladen. >„PopUnder“ Werbebotschaft wird in eigenständigem Fenster hinter dem aktuellen Browser-Fenster geladen und erscheint beim Schließen desselben >„E-Mercial“ Bildschirmfüllender Werbespot mit dynamischer Ausgangsseite >„Interstitial“ Unterbrecherwerbung, die im aktiven Browser-Fenster zwischen zwei Seiten eingeblendet wird (auch „Transitional Ad“ genannt) >„Superstitial“ Großformatige Werbeeinheit, die im Hintergrund des Browser-Fensters geladen und anschließend vor der aktuellen Website eingeblendet wird >„Microsite“ Zwischengeschaltete kleine Website, Übergang von Werbung zur Zielseite des Werbenden

Animierte Werbung bringt erhöhte Aufmerksamkeit. Blinkt das Gesamt-Ensemble allerdings zu sehr, entsteht eine unruhige Darstellung.

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heute dürfte es sich dabei um die am häufigsten verwendete „Banner-Art“ handeln. Grund: Es sind keine zusätzlichen technischen Voraussetzungen erforderlich, weder auf der Anbieter- noch auf der Nutzerseite. Solche Animationen ziehen naturgemäß erhöhte Aufmerksamkeit der Betrachter auf sich. Ein Gesetz, was aber auch nicht uneingeschränkt gilt. Sind mehrere animierte „Banner“ auf einer Web-Seite platziert und blinkt das Gesamt-Ensemble zu sehr, entsteht eine unruhige Darstellung, die den Betrachter nur allzu schnell reiz-überflutet. Kleinformatige „Banner“ werden auch als „Buttons“ bezeichnet. So genannte „transaktive Banner“ haben meist größeres Format. Sie besitzen höhere Funktionalität auf Basis von Flash, Shockwave oder Java und erfordern daher auch zusätzliche Technik, die meist erst in Form von „Plug-Ins“ aus dem Internet herunter geladen werden muss. Hier muss der Kunde mithin zunächst sein System ergänzen, wenn die Werbung auf dem heimischen PC sichtbar werden soll. Ein zusätzlicher Aufwand, der nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. „HTML-Banner“ basieren hingegen auf HTML (und Javascript) und funktionieren ohne „Plug-Ins“. „Pull-Down“-Menüs, Suchfelder oder Auswahlboxen können jedoch durchaus damit erzeugt werden. So genannte „Nanosites“ sind Fortentwicklungen der „HTML-Banner“. Die Werbefläche wird mit dieser Technik selbst zu einer kleinen Web-Seite. Hier ist quasi alles möglich, was auf einer normalen HTMLSeite realisiert werden kann – bis hin zum E-Shop im Miniformat. Damit ist ein umfassender Transport der Werbebotschaft möglich, und zwar ohne dass grundsätzlich eine Verlinkung integriert sein muss. So genanntes Weglotsen der Besucher von der Web-Seite, die eigentlich besucht werden sollte, findet hier mithin nicht mehr statt. Banner gibt es noch in verschiedenen Sonderformen, wie zum Beispiel das so genannte „4to1-Banner“, bei dem sich aus den vier Bildschirm-

SONDERFORMEN Weitere Werbeformen im Internet >„Printing Ad“ Banner mit der Möglichkeit, Informationen zur Werbung auszudrucken >„Content Ad“ Integration einer Werbung im Look and Feel des Werbeträgers in dessen redaktionellem Angebot >„Shaped Ad“ Erscheinungsbild eines ausgeschnittenen „PopUp“-Banners >Text-Link Text, der mit einer Website oder einer Detailseite verlinkt ist >Wasserzeichen Logos erscheinen farblich abgeschwächt mit der Anmutung eines Wasserzeichens im Hintergrund einer Website

Ecken Teile aufeinander zu bewegen bis an vorgegebener Stelle das „Banner“ zusammengesetzt ist. „Mouse-Over-Banner“ zeigen einen überraschenden Effekt, wenn der Mauszeiger über ihre Fläche bewegt wird. Eine animierte Explosion oder eine Aufweitung („Expanding-Banner“) wird ausgelöst. Daneben gibt es aber auch noch weitere, innovative Werbeformen im Internet. Die „Cobranded Site“ beispielsweise nimmt – wie in der oben beschriebenen „WeightWatchers-Kampagne“ – komplett das „Look-and-Feel“ des zu bewerbenden Produktes und des Werbeträgers an. Die „msn-Seite“ (oder jede andere, auf der für das entsprechende Produkt geworben wird) wird vom Aussehen her komplett zur „WeigthWatchers-Seite“. Ein ähnlicher, wenn auch nicht ganz so prominenter Effekt, wird über den so genannten „Comet Cursor“ erzeugt (auch als „Logo Cursor“ bekannt). Der Mauszeiger nimmt dabei die Form

des zu bewerbenden Produkts an (oder passt sich in anderer Form an die Werbekampagne an), wenn er über die Werbefläche bewegt wird. Die Wartezeit bei einem „Download-Vorgang“ nutzt dagegen das „Download Wallpaper“. Es erscheint auf dem Bildschirm, während der Internet-Nutzer auf das Ende eines Ladevorgangs wartet. Das so genannte „Dynamite“ ist vollkommen unabhängig von der Web-Seite, auf der es platziert ist. Es erscheint beispielsweise in Form einer Sprechblase, wie sie aus Comics bekannt ist, um genauso schnell wieder zu verschwinden. Der damit verbundene Überraschungseffekt bringt den nötigen Aufmerksamkeitswert. Ein „Flash Layer“ ist großflächig angelegt und kann das gesamte Browser-Fenster überziehen. Da er jedoch transparent ausgeführt ist, wird die Original-Seite nicht vollkommen abgedeckt und die Navigation bleibt weiterhin sichtbar. Im eigenen Fenster erscheint das „PopUp“. Die Werbebotschaft wird vor der eigentlich gewünschten Web-Seite eingeblendet und erhält dadurch einen besonders hohen Aufmerksamkeitswert. Nachteil: Die Werbeform wird meist als störend empfunden. Technisch versiertere Kunden installieren daher einen so genannten „PopUp-Blocker“ und unterdrücken die Werbeeinblendung. Ein ernstzunehmender Effekt: Nur noch die Häfte der gebuchten „PopUp“-Fenster erscheinen wirklich auf dem Bildschirm des Nutzers, wie eine europaweit angelegte „Banner-Untersuchung“ des Internet-Dienstleisters Adtech aus dem Jahre 2004 belegt.5 Das „PopUnder“ wirkt hingegen weniger störend, da es zunächst unauffällig im Hintergrund bleibt. Es wird erst sichtbar, wenn das eigentliche Fenster geschlossen wird. Auch das „Superstitial“ wird weitgehend unbemerkt im Hintergrund geladen und erst bemerkt, wenn der Internet-Nutzer sein Browser-Fenster schließt. Das „Interstitial“ dagegen schiebt sich zwischen zwei Darstellungen im Browser – ähnlich wie die so genannte „Microsite“, einer zwischengeschal-

Das Online-Werbemittel der Allianz aus dem Jahre 2002 war zwar schlicht, aber dennoch ungewöhnlich. Die Maus ertastete das Motiv und las Blindenschrift.

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I r

teten selbstständigen kleinen Web-Seite. Sie besitzt die volle HTML-Funktionalität (beispielsweise auch Eingabe in Formularfelder etc.) und lädt zum Wechsel auf die Seite des Werbenden ein. Auch das „Printing Ad“ gehört zu den Sonderformen der Werbung im Internet. Es handelt sich hierbei um ein „Banner“, über das Werbeinformationen ausgedruckt werden können. Der besondere Clou des „Content Ad“: Die Integration einer Werbung im „Look-and-Feel“ des Werbeträgers in dessen redaktionelles Angebot. Neuere Online-Werbeformen zitieren bereits wieder althergebrachte Varianten. So hat beispielsweise das „Shaped Ad“ das Erscheinungsbild eines ausgeschnittenen „Popup-Banners“. Unauffälliger arbeiten dagegen so genannte Wasserzeichen. Die Werbebotschaft überlagert dabei zwar die eigentliche Web-Seite, erscheint jedoch dabei stark farblich abgeschwächt im Hintergrund. DIE ERFOLGSMESSUNG der Internet-Werbung geschieht unmittelbar mit Hilfe von „Adservern“. Das sind datenbank-basierte Managementsysteme im Internet zur Pflege und Verwaltung von Online-Werbeflächen. Besondere Bedeutung hat hierbei die Protokollierung und Auswertung des Werbeerfolges anhand von „AdImpressions“ (wie oft wurde ein Banner angezeigt?) und „AdClicks“ (wie oft wurde auf ein Banner geklickt?). Die Zählmethoden werden dabei auf der Basis verbesserter Technik immer aussagekräftiger. Mit dem „ViewCount-System“ von Adtech beispielswei-

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se, wird sichergestellt, dass ein Werbe-Banner komplett im Internet-Fenster des Nutzers zu sehen war. Ein Zählimpuls im Banner-Code gibt dem „Adserver“ die Rückmeldung, dass die Informationen zum „Banner“ wirklich vom Browser des Nutzers abgearbeitet wurden.6 Solche exakten Auswerteverfahren sorgen für mehr Transparenz im Online-Marketing und für jederzeit konkret verfügbare Zahlen. Im Dezember 2004 erreichte demnach die „Nice-Price-Banner-Kampagne“ der Parfümeriekette Douglas den höchsten Werbedruck mit 436,6 Millionen „AdImpressions“ auf den 13 ausgelieferten Banner-Formaten der Kampagne. Das ermittelten die Marktforscher von Nielsen Netratings.7 Nach den ersten drei „AdImpressions“ pro einzelnem Internet-Besucher sinkt die Klickrate allerdings deutlich unter den Durchschnitt. Zu diesem Ergebnis kommt die Analyse, die die Düsseldorfer Agentur Planetactive erstellt hat.8 So belegt die Auswertung von Daten vergangener Kampagnen aus dem „Adserver“ der Agentur mit mehr als 70 Millionen „AdImpressions“, dass die Klick-Rate der ersten Sichtkontakte mit den Werbeflächen die Höchste war. Insgesamt lagen die Raten der ersten drei „AdImpressions“ hundert Prozent über dem Durchschnittswert. Für die Studie wurden nicht nur die Klick-Raten in Relation zur Zahl der „AdImpressions“ gesetzt, sondern es wurde auch die Reihenfolge der „AdImpressions“ pro Internet-Besucher betrachtet. Im Vergleich der unterschiedlichen Kampagnen stellten die Analysten weiterhin fest, dass die optimale Kontaktmenge pro Nutzer je nach Kam-

pagne variierte. Unterschiedlich Branchen, abweichende Medienstrategien, demografische Werte der Zielgruppen und sogar die Jahreszeit, in der die Kampagne geschaltet wurde, hatten Auswirkungen auf die Klick-Raten. Solche Auswertungen machen Internet-Werbung sogar besser planbar als Werbung in traditionellen Medien. Sind dort hohe Streuverluste die Regel, erlauben im Online-Umfeld „Adserver“ die zielgruppen-spezifische Auslieferung der Werbung durch so genannte „Targeting-Optionen“. Jedes Werbemittel wird dabei einer oder mehreren Interessengruppen zugeordnet. Jeder Zielgruppe werden charakteristische InternetSeiten zugeschrieben und nur dort erfolgt dann auch die Werbe-Einblendung. Diese kann sogar über die Definition von Zeitfenstern noch feiner lanciert werden. Werbeflächen werden nur noch zu bestimmten Uhrzeiten gezeigt und zu anderen nicht. Zur exakten Erfassung der Zielgruppe im Web zählt auch das so genannte „Geo-Targeting“, also die genaue Sondierung von Zielgruppen nach ihrem Wohn- oder Aufent-

haltsort. „Performance Travel Channel“ heißt das Angebot des Online-Marketing-Spezialisten Advertising. com, das Werbekunden gleich drei „Targeting-Optionen“ unter einem Dach anbietet. Die erste Werbeansprache erfolgt über den „Content“ (das Thema: Reisen und Tourismus), die zweite über Demografisches, die dritte über das verhaltensgesteuerte „Targeting“. Um zu bestimmen, welches Profil wann auf welcher Seite zu finden ist, integriert Advertising.com PanelDaten des Reichweiten-Analysten Comscore in seine „Adserver-Technologie“. Das „Behavioral Targeting“ folgt dann dem tatsächlichen Nutzerverhalten: Seiten, die trotz vorhandener Zielgruppe nicht die erwartete Werbewirkung erzielen, werden auch nicht mehr beliefert. Jede Kampagne wird durch eine selbst-lernende Technologie des „Adservers“ stündlich optimiert.9 Wie ist aber dabei das Funktionsprinzip? Auf der Internet-Seite, auf der geworben werden soll, wird HTML-Code des „Adservers“ eingebunden. Wird die Internet-Seite durch einen Web-Besucher geöffnet, erfolgt eine Benachrichtigung an den „Adserver“. Dieser

2002 setzten sich so genannte „Fullscreen-Interstitials“ durch. Ein Lufthansa-Werbemittel zeigte ein Gate, das nur für Online-Bucher zugänglich war und mit flughafen-typischen Elementen arbeitete.

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schickt daraufhin die entsprechenden Daten an den Browser des Web-Benutzers und ein Werbe-Banner wird an der vorgesehenen Stelle eingeblendet und protokolliert („AdImpression“). Klickt der Internet-Teilnehmer auf das Banner, ergeht erneut eine Benachrichtigung an den „Adserver“, der die Aktion als „AdClick“ verbucht und auf die Website des Werbenden weiterleitet. Der Benutzer merkt davon in der Regel nichts. Ein elegantes Verfahren – allerdings mit einer Einschränkung. „Adserver“ benötigen leistungsfähige Hard- und Software, da viele Anfragen ohne merkliche zeitliche Verzögerungen bearbeitet und protokolliert werden müssen. Nur größere Unternehmen können sich deshalb die hohen Investitionskosten leisten und betreiben den „Adserver“ selbst. Kleinere und mittlere Unternehmen mieten „Adserver-Dienste“ besser an und nutzen die entsprechende Hard- und Software gegen Mietgebühren. Werbebanner werden dabei einzeln oder in Kampagnen zusammengefasst in das System eingebucht. Hierbei wird spezifiziert, wie lange

(Zeit) oder wie oft („AdImpressions“) ein Banner angezeigt wird oder wie viele Klicks auf die Werbefläche erfolgen sollen, bevor sie nicht mehr im Internet zu sehen ist. Jetzt muss noch die Zielgruppe spezifiziert werden. Neuere Ansätze („Behavioural Targeting“) basieren dabei auf der anonymisierten Aufzeichnung von Nutzungsverhalten und der daraus abgeleiteten „Clusterung“ von Nutzern in definierte Interessengebiete und Zielgruppenmerkmale – bis hin zu milieu-basierten Zielgruppenmodellen. Ergänzend stehen klassische Zielgruppendaten auf Basis von nicht online-spezifischen Markt-Mediastudien (mit daher begrenzter Relevanz) zur Verfügung. Zielgruppenplanung im Internet ist heute und auch in absehbarer Zukunft ein integrierter und iterativer Prozess, der kontinuierlich auf Basis des Zyklus aus operativer Planung, kontinuierlichem „KampagnenTracking“ und laufender Optimierung aller Planungskriterien während der Kampagne erfolgt. Insbesondere bei vertriebsorientierten Kampagnen stellen dabei die „Conversion“- und CPO-Werte („Cost per Order“) das

Mit einem speziellen InternetWerbeformat ermöglichten die Kreativen im Auftrag von Viag Interkom (jetzt o2) 2001 Internet-Nutzern direkt aus einem Banner heraus eine SMS zu verschicken. Damit war das Web-SMS-Banner geboren.

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zentrale Optimierungskriterium dar. Bezogen auf diese Parameter hat sich das Internet als leistungsstarker Werbeträger für eine Reihe von Branchen längst etabliert. Die Studie Internet Facts der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung wird künftig insbesondere für das Kampagnenziel „Branding“ ein mächtiges Instrument darstellen. Hier werden präzise Zielgruppendaten für eine große Anzahl relevanter Werbeträger und Belegungseinheiten aktuell bereitgestellt. Ein neuer Schritt in Sachen Planungsprozess und Datenqualität. Zielgruppenplanung Online ist daher heute für eine vertriebsorientierte Kampagnen-Zielsetzung längst etabliert und zeigt auch hervorragende Ergebnisse.9a

Das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2003, in der die Wirkung von Rich-Media-Werbung getestet wurde, war eindeutig: In allen relevanten Dimensionen konnten Steigerungen erreicht werden und zwar besonders in der jungen Zielgruppe.

BESONDERS WACHSTUMSSTARK waren bis zum Jahr 2005 die Bereiche Online-Werbung für Auto und Finanzdienstleistungen. Die Herausforderung besteht darin, dieses rasante Wachstum auch auf andere Branchen mit weniger erklärungsbedürftigen Produkten auszuweiten. Wichtige Beiträge dazu werden die Reichweiten-Daten der AGOF liefern, mit denen Online-Werbung Eingang in die Standard-Mediaplanungs-Tools und somit ins so genannte „Consideration Set“ der Mediaplaner erhält. Auch der technische Fortschritt begünstigt das Wachstum der Online-Werbung. Auf Seiten der Nutzer sind das vor allem höhere Bildschirmauflösungen und die fortschreitende Verbreitung von Breitbandanschlüssen. Auf Seiten der „Adserver“ sind es Möglichkeiten wie die Einblendung von Video-Clips bei DSL-Nutzern. Gingen 2002 erst drei Millionen Menschen in Deutschland mit BreitbandAnbindungen auf die Datenautobahn, so waren es laut der @facts-Studie 2004 bereits acht Millionen – die meisten via DSL.10 Zwar flacht die Wachstumskurve inzwischen ab, doch die Tendenz ist weiter steigend. Dem steht die Entwicklung bei den Online-Werbeformaten in nichts nach. Werbemittel die in erster Linie für schnelle Internet-Verbindungen gedacht sind (so genannte „Rich-Media“-Formate) kamen bereits 2004 auf einen Anteil von gut 40 Prozent an allen OnlineWerbemitteln. Für Agenturen stellt Internet-Breitband keine Herausforderung dar, sondern eine Chance, auf die sie lange gewartet haben. Die Möglichkeit im World Wide Web vermehrt emotionale Markenbotschaften transportieren zu können, birgt ein enormes Potenzial. Die Wirkung von „Rich-Media-Werbung“ wurde im Rahmen einer Kampagne nach den Maßstäben der klassischen Werbeerfolgsmessung erhoben.11 Das Ergebnis der Studie aus dem Jahr 2003 war eindeutig: In allen relevanten Dimensionen – von der Werbe-Erinnerung bis hin zur Kaufbereitschaft – konnten Steigerungen erreicht werden und zwar besonders in der jungen Zielgruppe. Es ist allerdings noch nicht in vollem Umfang klar, was den typischen BreitbandNutzer eigentlich ausmacht. Studien müssen erst zei-

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gen, welche Charaktere sich dahinter verbergen. Sind es eher die optisch verwöhnten und „technik-affinen“ jungen Leute, die im Internet perfekte multimediale Qualität erwarten? Oder sind es eher Menschen, die durch Breitband einfach nur schneller mit dem Web arbeiten wollen? Daneben gibt es aber noch ein ganz anderes Problem: Was passiert mit dem immer noch großen Anteil an Nutzern, die mittels analoger oder relativ langsamer ISDN-Anschlüsse ins Internet gehen? So genannte „Polite-Loading-Technologien“ sind hier wichtig, die eine ladefreie Online-Zeit (etwa beim Lesen eines Artikels) nutzen, um im Hintergrund das Werbemittel aufzubauen und dann vollständig abzuspielen. Nur so bekommt auch der Analog-ModemNutzer einen hochwertigen Internet-Spot zu sehen. Daneben besteht natürlich immer auch die Möglichkeit, die Bandbreite des Nutzers im Voraus abzufragen und erst dann ein entsprechendes Werbemittel auszuliefern. Kritik richtet sich heute vor allem gegen das so genannte „Streaming“. Für viele Auftraggeber ist es absolut inakzeptabel, wenn eine wertvolle Marke in einem briefmarkengroßen Videofenster auf der Website ruckelig und mit einer teilweise abbrechenden Audiosequenz abspielt. Selbst für DSL-Nutzer ist die Qualität und Größe des Werbemittels immer nur auf einen Teil der Bildschirmgröße beschränkt. Bei dem so genannten „Unicast-Format“ hingegen erfolgt der komplette

„Download“ eines Werbemittels im Hintergrund vorab. Hier gibt es daher auch keine Qualitätseinbußen durch Übertragungsschwankungen. Multimediale Anwendungen werden das Internet zu einer immer wichtigeren Plattform für Marken-Kommunikation machen. Das interaktive Agieren mit einer Marke ist eben nur hier wirklich möglich und gerade diese Interaktion hat ja nachweisbar den größten positiven Effekt auf die Markenbeziehung. Auch die Bedeutung internationaler Kampagnen wird durch die neuen Online-Möglichkeiten wachsen, wenn auch gegenwärtig noch das nationale Geschehen den Werbemarkt dominiert. Sowohl gering budgetierte als auch groß angelegte Online-Kampagnen erzielen dabei Erfolge, können doch beim Medium Internet die Zielgruppen exakt erfasset werden. „Targeting“ steht damit im Zentrum der Online-Werbung. Nur durch zielgruppen-genaue Kommunikation lässt sich im Web die größtmögliche Effizienz erreichen. OnlineMaßnahmen erfordern solchermaßen dann aber auch wesentlich geringere Budgets, als klassische TV- oder Print- Kampagnen. Mit anderen Worten: Online Marketing ist effektiver, erfordert häufig nur einen Teil klassischer Werbebudgets und ist dadurch in der Regel kostengünstiger.12 Dennoch sollten Unternehmen ihre Online-Aktivitäten nicht nur auf die hier beschriebene Werbung beschränken, sondern unbedingt auch Suchmaschinen-Marketing einbeziehen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. o. V.: Online-Werbung: T-Online führt, „online im Internet“, www.lz-net.de, abgerufen am 20.04.06

37 8

2

Vgl. o. V.: Sixt. Autovermieter setzt verstärkt auf OnlineWerbung, Der Kontakter Nr. 14 vom 03.04.2006 S. 5

Zitiert nach: o. V.: Studie von Planetactive analysiert Online-Kampagnen, MARKET Webmagazin vom 10.10.2005

3

9

Vgl. o. V.: ONLINE-WERBUNG Ungebrochenes Wachstum im Web, acquisa, Vol. 54, Heft 03/2006, S. 8 4

Vgl. o. V.: Zehn Jahre Online-Werbung, MARKET Webmagazin vom 29.12.2004 5

Zitiert nach o. V.: Schwere Zeiten, Kress.de vom 04.01.2005 6

Vgl. o. V.: Online-Werbung leichter messen, MARKET Webmagazin vom 05.08.2004 7

Vgl. o. V.: Nielsen Netratings, Douglas-Kampagne duftet am stärksten, Der Kontakter Nr. 04 vom 24.01.2005, S.

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Vgl. o. V.: ERFOLGSBASIERTE KAMPAGNENAUSSTEUERUNG VON REISEWEBSITES, medien aktuell vom 07.11.2005, S. 11 9a

Vgl. Klaus, M.: In der Zukunft noch schärfer, media & marketing Nr. 10 vom 05.10.2005, S. 81 yy

10

Vgl. Terhörst, W.: Geschwindigkeitsrausch, Market Ausgabe April vom 02.04.2004 S. 108 11 12

Vgl. ebenda

Vgl. Muche, C.: Unbekannte Vorteile, Market Nr. 19 vom 26.09.2005, S. 6

SuchMarketin

Im Web „existiert“ ein Unternehmen nur, wenn es in Suchmaschinen gefunden wird. Zentral ist dabei allerdings die Fragestellung: Wonach würde jemand suchen, der sich darüber freut, das Unternehmen online zu finden?

W

ie kommt ein Stromanbieter an Interessenten heran, die sich gerade mit diesem Thema beschäftigen? Im Internet ist die Antwort einfach: durch Suchmaschinen. Jeden Tag suchen über 1.000 Personen alleine in Deutschland nach dem Suchbegriff „Stromanbieter“.1 Dieses Beispiel lässt sich auf jeden übertragen, der Waren, Dienstleistungen oder Informationen auf seinen Internet-Seiten anbietet. Schließlich gibt es nichts, was in Suchmaschinen nicht gesucht wird und die Suche ist in jeder Phase des Kau}fentscheidungsprozesses eine wichtige Anlaufstelle für deutsche Internet-Nutzer. Mehr als die Hälfte davon bevorzugen dabei die normale Suchergebnisliste (algorithmischer Index) und klicken nicht

auf bezahlte Textanzeigen wie beispielsweise Google AdWords. Das sind Ergebnisse der W3B-Studie von Fittkau & Maaß, die speziell für eprofessional, Agentur für Suchmaschinenmarketing in Hamburg, erhoben wurden. 57,2 Prozent der Suchmaschinen-Nutzer gaben an, dass sie Suchmaschinen eher am Anfang ihrer Suche nutzen, um einen Überblick über das Angebot im Internet zu erhalten. 29,4 Prozent setzen sowohl am Anfang ihrer Suche als auch kurz vor dem tatsächlichen Kauf auf Suchmaschinen. Insgesamt sind laut Studie 31,8 Prozent der Suchmaschinen-Nutzer davon überzeugt, dass Anbieter die bei mehreren Suchanfragen nach einem Produkt in den Suchergebnissen immer wieder ganz oben auftauchen, in diesem Bereich

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führende, bekannte Anbieter sind.2 Die Kunst besteht mithin darin, auf den Ergebnislisten aufzutauchen. In Sachen Web-Gestaltung gilt es in diesem Zusammenhang von vornherein auch, den eigenen InternetAuftritt für Suchmaschinen zu optimieren. Dies findet bisher allerdings zu selten bereits während der Design-Phase eines Web-Projektes Beachtung. Zahllose

fünfstelligen Euro-Betrag pro Jahr einkalkulieren. Bei häufigen Änderungen der Website, mehrsprachigen Sites und der Ansprache von verschiedenen Zielgruppen steigen die Kosten entsprechend. Auch komplexe Freigabeprozesse können die Arbeit des Dienstleisters erheblich verteuern.3 Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich auf die wichtigsten Website-Optimie-

Nicht alle Suchmaschinen sind wichtig

Möglichst flache Hierarchietiefe

große Websites werden deshalb von Suchmaschinen ohne nachträglichen Aufwand überhaupt nicht berücksichtigt. Aber gibt es überhaupt ein Webdesign, welches die Top-Positionierung bei Suchmaschinen garantiert? Die Antwort ist nein. Dennoch bieten mehr als 100 Dienstleister in Deutschland SuchmaschinenMarketing im Kundenauftrag an. Der Service ist zudem nicht billig. Vor allem die Website-Optimierung geht ins Geld: Laut Berlecon muss der Kunde dafür bei einer Site normaler Größe inklusive „Keyword-Recherche“, Beratung und regelmäßiger Reports im Schnitt einen

rungsmaßnahmen zu beschränken. Tatsächlich existieren nämlich durchaus praktikable Regeln, wie Unternehmen sich auf der Trefferliste ziemlich weit oben wiederfinden können.4 Dabei lohnt es sich allerdings kaum, bei allen möglichen Suchmaschinen sofort aufgefunden werden zu wollen. Besser ist, sich auf die Hauptanbieter zu konzentrieren. Allein Google erreicht beispielsweise einen Marktanteil von 42,7% (2006, Vorjahr 36,4%). Die Konkurrenz ist dünn gesät. Der Marktanteil des Branchen-Zweiten Yahoo beläuft sich schon nur noch auf knapp 30% und Microsoft liegt mit

Einige Seiten auf BMW.de waren so ausgelegt, dass sie die Google-Software austricksten und dadurch höher in den Treffer-Listen rutschten. Das schwarze Schaf BMW wurde eine zeitlang ausgeschlossen.

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MSN bereits unter der 15%-Marke (Zahlen für 2006).4a Andere Suchmaschinen allgemeiner Art vermitteln wegen ihrer geringen Suchnutzung gleich gar keine nennenswerten Kontakte. Wichtiger sind da schon so genannte „Business-Suchmaschinen“. Diese greifen meist auf vorselektierte und vorqualifizierte Quellen und Daten zurück und verbessern kontinuierlich ihren

Web-Seiten sollten relevante Link-Namen erhalten Suchbestand. Als Ergebnis führt die Suche nach einem Anbieter, einem Produkt oder einer Dienstleistung innerhalb einer „Business-Suchmaschine“ schneller zum Ziel als über eine allgemeine Suchmaschine. Konstrukteure und Entwickler gehören beispielsweise zu denen, die mehrmals im Monat nach einem neuen Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen suchen. Solchen Kunden „kurze Wege“ anzubieten, haben sich die „Business-Suchmaschinen“ zur Aufgabe gemacht. Dahinter stehen häufig bereits seit vielen Jahren etablierte Unternehmen, die über langjährige

Erfahrungen mit Firmennachschlagewerken oder -datenbanken verfügen und nun neue Wege beschreiten, beispielsweise: „Wer liefert was?“ (www.wlw.de), Hoppenstedt (www.firmendatenbank.de), Seibt Verlag (www. seibt.com) oder auch Gelbe Seiten Business (www.businessdeutschland.de). Weiter gibt es branchenspezifische Dienste wie www.timberscout.com, der Suchservice der Holz 24 GmbH, die Suchsite für Techniker www.sjn.de oder der Marktplatz für Abwasser- und Abfalltechnik www.ivaa.de. Auch für neue Anbieter sollte man aber immer offen bleiben, denn im Internet können sich die Verhältnisse schnell ändern. Aber Vorsicht! Von Anmeldediensten und Software, die damit werben, dass sie die Websites in mehrere tausend Suchmaschinen eintragen, sollte Abstand genommen werden. Das Resultat ist vor allem, dass die eigene E-Mail-Adresse bei ein paar tausend Diensten bekannt ist und haufenweise Spam eingeht. Bei Suchmaschinen wie Google findet sich ein Link, wo die eigene Website (manuell) eingegeben werden kann. „Last but not least“ sollten die Websites bei den wichtigen Verzeichnissen eingetragen werden. Dazu gehören vor allem Yahoo und das Open Directory Project. Gleichgültig für welche Suchmaschinen die Site optimiert werden soll, für alle gilt: Links auf Websites sind in möglichst flacher Hierarchie-Tiefe anzusetzen. Muss

Verlinken populäre V Internet-Seiten, wie beispielsweise die des Stern, auf die Website eines Unternehmens, gibt es kein besseres Mittel, um bei Google ein gutes „Ranking“ zu bekommen.

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eine Suche sich erst bis zur fünften Ebene vorarbeiten, um die Seiten für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu finden, kann das schief gehen. Häufig hilft eine Site Map oder eine so genannte „Hallway Page“, die es ermöglicht, alle verfügbaren Seiten aus einem Dokument heraus zu erreichen (siehe auch weiter unten). Die Alternative zu einer tief gestaffelten Site Struktur

Es reicht, die „Hallway Page“ anzumelden ist aber in jedem Fall eine flachere Struktur. Wird der Suchbegriff schon als Teil der URL-Adresse einer Site gefunden, erhöht dieses die Chance auf eine Top-Position für den Suchbegriff bei fast allen Suchmaschinen. Beispiel: Wird „Gesundheit“ bei Google als Suchbegriff eingegeben, erscheint „www.gesundheit.de“ an erster Position von ca. 182.000.000 Ergebnissen (abgefragt am 28.04.06). Web-Seiten sollten mithin auch was den Link-Namen angeht, relevante Bezeichnungen erhalten. Link-Namen enthalten wertvolle „Ranking-Informationen“ für Suchmaschinen. Mit unsinnigen Be-

zeichnungen kann eine Suchmaschine rein gar nichts anfangen. Die Web-Adresse http://finanzen.focus.de/ D/DA/DAC/DAC22/dac22.htm weist auf ein Dokument zum Bankgeheimnis in Europa im Rahmen des WebAuftritts des Magazins Fokus. Obwohl die Seite mithin einen interessanten Inhalt hat, könnte auf Basis der Link-Bezeichnung keine Suchmaschine damit etwas anfangen. http://finanzen.focus.de/Bankgeheimnis wäre die wesentlich bessere Alternative. Entscheidend ist auch eine geeignete Verlinkung innerhalb der Website. Seiten welche keine Verbindung zur Homepage besitzen oder deren Verbindung über zu viele Zwischenschritte verläuft, können von Suchmaschinen nicht gefunden werden. Hier hilft eine „Site Map“, welche Links zu allen Themenseiten umfasst und welche direkt von der Homepage referenziert wird. Solche Site Maps werden in der Literatur auch als „Hallway Page“ beschrieben. Es reicht, diese bei den Suchmaschinen anzumelden, da alle weiteren Seiten über die „Hallway Page“ direkt angebunden sind. Der „Suchmaschinen-Crawler“ muss nur einem Link, ausgehend von der angemeldeten „Hallway Page“ folgen, um jede Seite einer Website zu erreichen. Auch für die interne Verlinkung empfehlen sich begrifflich relevante Ankertexte. Ein kluger Kopf hat einmal den Begriff „Webben“ geprägt. Wahrscheinlich ist damit die Vernetzung der

Das Problem haben viele. Aber wer schreibt schließlich schon ‚Hämorrhoiden’ richtig? InternetSuchmaschinen beherrschen in der Regel nur die exakte Übereinstimmung mit der Such-Phrase. Es macht daher durchaus Sinn, auch die häufigsten Fehlschreibungen einzubeziehen.

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eigenen Internet-Site gemeint. Es ist ausgesprochen günstig, wenn externe Seiten auf die eigene WebPräsenz verlinken. Dabei ist nicht nur die Homepage gemeint. Auch Kategorien und thematische Schwerpunkte sollten Ziel möglichst vieler externer Links sein. Die gewichtete Referenzierung durch andere Sites ist eines der derzeit stärksten „Ranking-Kriteri-

Suchmaschine gründet sich vor allem auf dieser neuen Technologie, die vielfach auch als „Link Popularity“ bezeichnet wird. Die Idee von Google war, dass eine Website dann besonders gut sein müsste, wenn sie viele andere Websites „empfehlen“, diese also einen Link auf die Adresse setzen. Dabei „vererbt“ sich eine hohe Link-Popularität: Ein Link von einer Seite mit ei-

Externe Seiten sollten auf die Website verweisen

Web-Inhalte sollten statisch publiziert werden

en“ für die Relevanz einer Site. Google nennt dieses Verfahren „PageRank“ und hat diese Art der SiteEinstufung eingeführt. Mittlerweile nutzen alle großen Suchmaschinen die gewichtete Verlinkung als „Ranking-Kriterium“. Suchmaschinen verhalten sich hier äußerst „menschlich“: Sie vertrauen den Empfehlungen leistungsstarker und bekannter Sites. Google ordnet jeder Site einen „PageRank-Wert“ zwischen 1 und 10 zu. 10 erhält die Site, der Google am meisten vertraut. Web-Seiten mit „PageRank = 1“ traut Google dagegen überhaupt nicht. Der Erfolg dieser

ner hohen Link-Popularität zählt mehr als der von einer Seite, auf die kaum jemand verlinkt hat. Verlinken andere auf die eigene Website, gibt es kein besseres Mittel, um bei Google, dem absoluten Marktführer bei den Suchmaschinen, ein gutes „Ranking“ zu bekommen. Interessante Themen innerhalb des eigenen Internet-Auftritts sollten mithin unbedingt publik gemacht werden. Verfügt man über relevante Inhalte, muss das beispielsweise den Medien entsprechend mitgeteilt werden. Vielleicht kann so ein Link auf populären Web-Seiten platziert werden. Gerade an die-

Bei Suchbegriffen, die aus mehreren Wörtern bestehen, wie z.B. „DVD johnny depp“ wird die Seite höher bewertet, bei der die einzelnen Suchbegriffe nicht nur häufiger sondern auch direkt nebeneinander gefunden werden.

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Unternehmens-Web-Seiten sind mitunter multimedial hochgerüstet. Allerdings „verstehen“ Suchmaschinen kein Flash, sondern ausschließlich Text.

sem Beispiel wird deutlich, wie nahe das Internet und Public Relations heute zusammen gewachsen sind. Ein Problem im Hinblick auf die Auffindbarkeit durch Suchmaschinen besteht in der Verwendung von Content-Management-Systemen. Hier werden Web-Seiten häufig zur Laufzeit dynamisch gebildet. Suchmaschinen können solche Seiten allerdings nicht erfassen. Sind Web-Inhalte mithin von zentraler Bedeutung, sollten sie statisch publiziert werden. Viele Homepages bedeutender Unternehmen sind zudem multimedial hochgerüstet und begeistern durch ihre perfekte Präsentation. Allerdings „verstehen“ Suchmaschinen weder Flash noch JavaScript, sondern ausschließlich Text. Die eigene Website sollte auch aus dieser Perspektive geprüft werden. Dazu kann ein so genannter „Text-only Browser“ wie zum

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Beispiel Lynx verwendet werden (http://lynx.browser. org/). Was durch diese Brille betrachtet von der Website übrig bleibt, „verstehen“ Suchmaschinen und kann von diesen auch bewertet werden. Dabei haben für Suchmaschinen Texte in den Bereichen „Title Tag“, „Meta Tags“ und Überschriften besonderes Gewicht. Mit dem so genannten „Title Tag“ erhält die Web-Seite einen Titel, welcher beim Aufruf in der oberen Browser-Leiste angezeigt wird. „Title Tags“ werden von einigen Suchmaschinen hoch gewichtet. Kontraproduktiv sind dabei allerdings Titel wie: „Herzlich willkommen auf unserer Web-Seite!“ Eine Suchmaschine interpretiert eine solche Site unter anderem als relevant zum Thema „Willkommen“. Der „Title Tag“ einer Seite sollte daher folgenden Bedingungen genügen: >Übergeordnetes Thema und

Hauptbegriffe sind enthalten >Für alle Hauptseiten eines Internet-Auftritts werden spezifische „Title Tags“ verwendet >Der gewählte Titel sollte für eine Anzeige im oberen Browser-Rahmen auch geeignet sein. Daneben gibt es in HTML verschiedene „Meta Tags“, die die Inhalte einer Web-Seite näher beschreiben. Das „Meta Tag“ „Keywords“ ist davon das Bekannteste. Es handelt sich dabei um eine durch Komma oder Leerzeichen getrennte Liste der relevanten Begriffe und Phrasen einer Web-Seite. Jeder Begriff sollte möglichst nur einmal verwendet werden, denn MehrfachNennungen wurden von Suchmaschinen schon als Hinweis auf so genanntes „Spamming“ interpretiert. Allerdings macht es durchaus Sinn, auch häufige Fehlschreibungen zu berücksichtigen. Seit der Pisa Studie ist allgemein bekannt, wie es um die Rechtschreib-

stärke bestellt ist. Wer schreibt schließlich schon beispielsweise ‚Hämorrhoiden’ richtig? Was ist die richtige Schreibweise für Kortison: Kortison oder Cortison? Internet-Suchmaschinen beherrschen in der Regel nur die exakte Übereinstimmung mit der Such-Phrase. Es macht daher durchaus Sinn, auch die häufigsten Fehlschreibungen einzubeziehen. Auch das „Meta Tag“ „Description“ ist in zweierlei Hinsicht interessant: Von den meisten Suchmaschinen werden die ersten n Worte dieses „Tags“ zur Beschreibung in den Suchergebnislisten verwendet. Die ersten 25 Worte gehen bei einigen Suchmaschinen auch in die Gewichtung ein. Die Hauptbegriffe sollten also zu Beginn dieses „Tags“ berücksichtigt werden. Google zeigt allerdings eher den Kontext des Suchbegriffes an, in welchem er gefunden wurde. Ist gar kein Text vorhanden, greift

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auch Google auf den „Description-Text“ zurück. Von großem Gewicht ist auch die Stellung, Verteilung und Häufigkeit der Such-Begriffe im eigentlichen Text („Body Text“). Hier wiederum erfahren die Überschriften eine gesonderte Gewichtung. Ein Suchwort im Titel wird demnach wichtiger eingeschätzt, ebenso wenn das Wort früh im Text oder fett bzw. kursiv formatiert ist. Das „Ranking“ wird von so gut wie allen Suchmaschinen (unter anderem) auf Basis der „Keywordrelevanz“ bzw. der „Suchworthäufigkeit“ ermittelt. Die Suchmaschine prüft, wie oft und in welchem Zusammenhang das Suchwort auf der entsprechenden Seite vorkommt. Auf der einen Seite wird eine Relation zwischen der Häufigkeit des Suchwortes zum sonstigen Text ermittelt. Steht das Suchwort nur einmal in einem eintausend Wörter langen Text, ist das schlecht. Ein Verhältnis von etwa fünf Prozent ist sehr gut. Weiterhin vergibt die Suchmaschine Punkte, wenn das Suchwort in einem bestimmten Kontext steht. Zudem werden die gefundenen Suchwörter höher bewertet, die innerhalb eines Links vorkommen oder auch in Beschreibungen von Bildern verwendet werden. Einige Suchmaschinen bewerten eine Seite auch dann wie bereits oben erwähnt höher, wenn der Suchbegriff in der URL vorkommt – der Name in der Domain zählt dabei höher als im Namen der HTML-Seite. Bei Suchbegriffen, die aus mehreren Wörtern bestehen, wie

z.B. „DVD johnny depp“ wird die Seite höher bewertet, bei der die einzelnen Suchbegriffe nicht nur häufiger sondern auch direkt nebeneinander gefunden werden. Seit einiger Zeit sind die Suchmaschinen dazu übergegangen, nicht nur die Relevanz einer einzelnen Seite zu erfassen, sondern sie im Kontext des gesamten Web-Auftritts zu bewerten. Folglich wird ein Su-

„Title Tag“, „Meta Tags“ und Überschriften sind wichtig chergebnis dann höher bewertet, wenn die gesuchten Begriffe auch auf anderen Seiten des Internet-Auftritts vorkommen. Steht ein Begriff 20-mal in einem nur 50 Wörter langen Text, ist das aber auch nicht gut. Dann nimmt die Suchmaschine nämlich an, da will nur jemand betrügen und schmeißt die ganze URL aus dem Index. Die willkürliche Aufnahme von Bezeichnungen und Begriffen, nur weil diese Top-Suchbegriffe sind, empfiehlt sich daher nicht. Haben die Begriffe nichts mit dem Thema zu tun, wird das als „Spamming“ ausge-

Der Vorteil eines „Payper-Klick-Modells“: Mindestens die ersten drei Ergebnisse werden bei den entsprechenden Suchmaschinen noch vor den „normalen Ergebnissen“ angezeigt und als „Sponsored Links“ bezeichnet. Dieses Verfahren gehört als spezielle Werbemaßnahme zum so genannten „KeywordAdvertising“.

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legt und, wie populäre Beispiele zeigen, sanktioniert. Der kurzzeitige Ausschluss von BMW aus Google hat dieses Thema ins Rampenlicht gerückt. Um ein paar Stufen auf der „Listing-Leiter“ nach oben zu gelangen, greifen nämlich selbst solche Großkonzerne tief in die Trickkiste. Der Autobauer wurde wegen unseriöser Praktiken kurzzeitig aus der Suchmaschine Google verbannt. Der Betreiber hatte kritisiert, dass einige Seiten von BMW.de so ausgelegt waren, dass sie die Google-Software austricksten und dadurch höher in den Treffer-Listen rutschten. So soll es zum Beispiel im Neuwagen-Bereich eine Seite gegeben haben, die nur einen relativ zusammenhanglosen Werbetext enthielt, in dem oft das Wort „Neuwagen“ vorkam. Die Google-Software die Webseiten erfasst und für die Erstellung des Suchindexes analysiert, stufte sie wegen der häufigen Wiederholungen als relevant ein und setzte sie in der Treffer-Liste höher. Steuerte jedoch ein Internet-Nutzer dieselbe Adresse an, wurde er sofort per JavaScript an eine andere Seite weitergeleitet, die die volle BMW-Modellpalette enthielt (so genannte Brückenseiten). Google untersagt Unternehmen in den Geschäftsbedingungen, der Suchmaschine und den Verbrauchern unter derselben Adresse unterschiedliche Inhalte anzuzeigen, weil die Nutzer so in die Irre geführt würden. BMW hatte erklärt, man habe das Verfahren als „Service für die Kunden“ betrachtet.

Nach Brancheninformationen war der Autohersteller von einem so genannten „Suchergebnis-Optimierer“ beraten worden. Diese sorgen dafür, dass Firmenwebsites in der Trefferliste möglichst hoch auftauchen.5 Nach BMW droht auch anderen deutschen Unternehmen der Rausschmiss. Beim Kampf gegen „Suchmaschinen-Spam“ scheut das kalifornische

Richtige Botschaften an die richtigen Menschen Unternehmen Google auch vor prominenten Namen nicht zurück. Wie BMW so setzte auch Ricoh Brückenseiten („Doorway-Pages“) ein, um Suchmaschinen über den Inhalt ihrer Website zu täuschen. Zu den weiteren schwarzen Schafen zählen SAT 1, Schering und Henkel. Einige der gefährdeten Sites haben offenbar reagiert und präsentieren dem Such-Roboter der bekanntesten Suchmaschine leere „Doorway-Pages“ – ihr Inhalt wurde vermutlich kurzerhand entfernt. Angesichts der Marktdominanz von Google trifft es ECommerce-Sites hart, wenn sie von dort keine Besu-

Die optimal geschaltete OnlineAnzeige erscheint dann und nur dann, wenn potenzielle Kunden und Interessenten den Eindruck haben: „Ja, hier finde ich eine Antwort auf meine Frage.“ Dann sollte eine Website auch Geschäft generieren.

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cher mehr erhalten. Insgesamt hat das konsequente Vorgehen von Google die deutsche „Search-EngineOptimization-Szene“ (SEO) aufgeschreckt. Da nicht englischsprachige Sites bisher kaum behelligt wurden, fühlten sich Experten für solche „Tuning-Maßnahmen“ hierzulande recht sicher. Auch dürften viele nicht daran geglaubt haben, dass Google den Mut hat, selbst Firmen wie BMW zur Rechenschaft zu ziehen. Immerhin war monatelang bekannt, dass die Website der bayerischen Autobauer gegen die Richtlinien von Google verstieß.6 In den unerlaubten Bereich fallen auch „Copyright-Verstöße“ – insbesondere bei der Verbindung von geschützten Begriffen mit Such-Anzeigen. In den USA glauben viele Anwälte, dass Suchmaschinen eine ähnliche Verantwortung für die Einhaltung des Urheberrechts haben wie beispielsweise Musik-Tauschbörsen. Yahoo verbietet den Zugriff von Anzeigenkunden auf Marken der Konkurrenz. So darf (dieses Mal ein theoretisches Beispiel) eine Adidas-Anzeige nicht mit den Suchergebnissen für das Wort „Nike“ verlinkt werden. Google verbietet diese Praxis noch nicht, entfernt aber nach einem entsprechenden Hinweis eine Anzeige, falls diese einen geschützten Begriff der Konkurrenz enthält.7 Eine Regel für suchmaschinen-optimiertes Webdesign muss also lauten: Nur die Begriffe mit der höchsten Relevanz für Web-Seiten verwenden und authentisch bleiben. So lässt sich natürlich nichts dagegen sagen, dass BMW das Wort Neuwagen gebraucht. An der entsprechenden Stelle sollte es dann aber auch um Neuwagen gehen. Das eigentliche Ziel im unternehmerischen Umgang mit Suchmaschinen ist nämlich meist gar nicht, dass möglichst viele Menschen die Firmen-Website

SuchmaschinenMarketing macht Sinn. Wer sein E-Marketing und seine Online-Kommunikation konsequent auf Suchmaschinen ausrichtet, tut etwas für seinen Erfolg.

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besuchen. Gerade im Internet ist es von weit größerer Bedeutung, dass richtige Botschaften glaubhaft zu den richtigen Menschen transportiert werden. Es bringt nichts, wenn Besucher angelockt werden, dann aber nicht finden, was sie suchen. Bei Suchmaschinen dreht sich zwar vordergründig alles um das „Ranking“ und es stimmt schon: Wer nicht weit vorne steht, ist auch so gut wie nicht präsent. Aber vor der Frage, wie man ein gutes „Ranking“ erreicht, muss eine ganz andere Frage stehen: wonach würde jemand suchen, der sich darüber freut, das Web-Angebot des entsprechenden Unternehmens dann in der Suchmaschine zu finden? Hier hilft nur: so konkret wie möglich sein. Bei der Auswahl der auf das eigene Angebot am besten passenden Suchbegriffe braucht es vor allem verkäuferisches Gespür. Nach „Rollladen-Reparatur“ suchen viele und so bieten sich auch viele im Internet an. Um mit diesem Such-Begriff ganz nach oben zu kommen, müssen Unternehmen viel investieren – und müssen dieses Investment ständig wiederholen. Aber beispielsweise unter „Rollladen in Stuttgart“ wird das Angebot schon sehr viel übersichtlicher sein. Diese Verknüpfung ist auch nahe liegend, weil kaum ein Stuttgarter Kunde mit einem defekten Rollladen einen Dienstleister aus Hamburg beauftragen wird. Qualität vor Quantität heißt im Web die Devise! Es geht darum, an weniger Menschen ein profilscharfes Angebot zu richten. Das gilt bei der Suchmaschinenoptimierung genauso wie übrigens bei jeder anderen Kommunikation. Hat ein Unternehmen viele unterschiedliche Dinge im Angebot, sollte zu jeder Einzellösung ein individuelles Profil erarbeitet werden. Dabei sollte auf die zentralen Themen fokussiert werden. Folgen-

de Fragestellungen sind dabei nützlich: >Was ist das übergeordnete Thema der Website und seiner Hauptkategorien? >Nach welchen Themen und Begriffen, passend zu den Produkten und Leistungen, suchen Menschen, die erreicht werden sollen? >Mit welchen Begriffen und Such-Phrasen würde man selbst jede der Web-Seiten charakterisieren? SIND SOLCHERMASSEN GEEIGNETE BEGRIFFE gefunden und alle hier gegebenen Hinweise im Hinblick auf die Suchmaschinen-Optimierung berücksichtigt, ist eigentlich alles getan, was getan werden kann. Noch weiter nach oben auf der Ergebnisliste kommt man jetzt nur noch mit barer Münze. So könnte möglicherweise zusätzlich noch ein „Pay-per-Klick-Modell“ erwägt werden.8 Das Prinzip dabei : Für bestimmte Suchworte und für einen bestimmten „Rankingplatz“ wird eine bestimmte Summe pro „Klick“ fällig. Bei B2Boder „Special-Interest-Themen“ reichen oft schon zehn Eurocent pro „Klick“ aus, um an der Nummer eins zu stehen. Außerdem sind Statistiken über die tatsächlichen „Views“ und „Klicks“ Teil des Angebots. Es kann mithin jederzeit nachvollzogen werden, wie viele Leute den Link gesehen haben und wie viele dann auch tatsächlich geklickt haben. Der Vorteil dieses Modells: Mindestens die ersten drei Ergebnisse werden bei den entsprechenden Suchmaschinen noch vor den „normalen Ergebnissen“ angezeigt und als „Sponsored Links“ bezeichnet. Dieses Verfahren gehört als spezielle Werbemaßnahme zum so genannten „KeywordAdvertising“. Ein Modell das mittlerweile so populär ist, dass selbst ultrakonservative Unternehmen davon Gebrauch machen. Google erwirtschaftet mit seinem

zugehörigen Programm AdWords 98% seiner Einnahmen.9 Neben dem Marktführer können auch Yahoo Search Marketing (ehemals Overture) oder auch Miva (ehemals Espotting) beauftragt werden. Die Reichweite einer Kampagne beschränkt sich aber meist nicht auf die jeweilige Suchmaschine. Zum einen arbeiten die Anbieter mit anderen Suchmaschinen zusammen und zum anderen wird die Reichweite durch Einblendungen von Anzeigen in weiteren Websites und Portalen gesteigert. Die Anzeige erscheint aber immer nur, wenn eine Suchanfrage mit dem festgelegten „Keyword“ in Zusammenhang steht. Auf diese Art und Weise besteht eine Verbindung zwischen dem Bedarf des Suchenden und dem Angebot. Mit „Keyword Advertising“ lassen sich deshalb deutlich höhere „Klickraten“ erzielen, als mit klassischer Online-Werbung. Prinzipiell kann sich jeder bei einem Anbieter anmelden und „Keyword-Anzeigen“ schalten. Aber auch hier gilt: Die optimale geschaltete Online-Anzeige erscheint dann und nur dann, wenn potenzielle Kunden und Interessenten den Eindruck haben: „Ja, hier finde ich eine Antwort auf meine Frage.“ Wenn dann noch die Gelegenheit besteht, sich unkompliziert mit dem Unternehmen in Verbindung zu setzen (Kontaktformular, leicht findbare Telefonnummer, Live-Chat, kostenlose Angebote u.v.m.), sollte eine Website auch Geschäft generieren. Denn Suchmaschinen-Marketing macht Sinn. Wer sein E-Marketing und seine Online-Kommunikation konsequent auf Suchmaschinen ausrichtet, wird viel für seinen Erfolg tun – nicht nur im Internet.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Vgl. Petersen, C.: acquisa, Ausgabe 06/2004

2

Zitiert nach o. V.: Studie: Suchmaschinen lenken die Kaufentscheidung, MARKET Webmagazin vom 14.06.2005 3

Zitiert nach o. V.: Effizientes Suchmaschinen-Marketing erfordert einen hohen Aufwand, Computerwoche, 27.05.2005, Nr. 21, S. 43

Vgl. Schmitz, M.: Neue Kunden gewinnen mit Suchmaschinen, Göttingen 2002

4

4a 5

Vgl. kress.de, abgerufen am 21.4.06

Vgl. o. V.: BWM beugt sich Google - BMW.de wieder im

Index / Hersteller hat kritisierte Seiten entfernt, AUTOHAUS Online vom 09.02.2006 6

Vgl. o. V.: Google-Bann kann weitere Firmen treffen, Computerwoche, 10.02.2006, Nr. 6 Seite 9 7

Vgl. Weiss, H.: SUCHMASCHINEN gegen Klick-Betrüger, Der Handel Nr. 04 vom 05.04.2006 S. 68

Vgl. dazu Lange, M.: Nachhaltiger Erfolg mit Suchmaschinen, „online im Internet“, www.ecin. de/marketing/suchmaschinenbasics/, abgerufen am 23.08.06 9 Vgl. Lammenett, E.: Keyword-Advertising, Direct Marketing 05 2006, S. 60ff. 8

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Web 2.0

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Menschen in vernetzten Märkten haben herausgefunden, dass sie sich weit bessere Information und Unterstützung gegenseitig bieten können, als sie von ihren Verkäufern erhalten.”1 Statische HTML-Seiten mit kleinen Bilddateien stehen für die alte InternetWelt – heute sind Interaktivität und „Collaboration“ gefragt. Der Begriff Web 2.0 wurde 2004 von Tim O’Reilly geprägt.2 Gemeint ist damit unter anderem eine Architektur des Mitmachens und Teilhabens, die Online-Netzwerke mit einem intensiven Nutzererlebnis erzeugt.3 Das trifft insbesondere auf „Wikis“ und „Blogs“ zu. Durch diese Web 2.0-Spielarten wird es für jeden einzelnen möglich, selbst Informationen in Foren einzuspeisen, die eine so breite Akzeptanz haben, dass Geschäftsprozesse, Produktion und Kundenbeziehungen von Unternehmen verändern werden. Kunden kommen in eine so bisher noch nicht gekannte, ausgesprochen starke Konsumenten-Position und können sich öffentlichkeitswirksam artikulieren. Die Unternehmenskommunikation wird in der Folge von Web 2.0 fraglos informeller werden. Als Meinungstrräger wirken nicht mehr nur Medien, sondern jetzt

auch Betreiber und Teilnehmer von Foren, „Blogs“ und „Communities“. Wer beispielsweise mal keine Lust auf überfüllte Hallen hat, kann problemlos im „MitmachWeb“ die Computer-Messe CeBIT „besuchen“. MesseEinblicke aus erster Hand lassen sich etwa unter den Suchbegriffen „CeBIT Blog“ über Google aufstöbern. CeBIT-Filmchen in der „Video-Community“ Youtube. com (www.youtube.com) vermitteln auch optisch das Gefühl, dabei gewesen zu sein und in Communities wie Myspace kann über Hannover und die Messe „gequasselt“ werden. Die CeBIT-Informationen im sozialen Web reichen dementsprechend von belanglos bis ernst. So nimmt der neue COMPUTERWOCHE-Blog „Messeschnellweg“ (www.computerwoche.de/messeschnellweg/) Fahrt auf, um bewusst abseits der großen Meldungen die CeBIT zu kommentieren. Ferner haben eine ganze Reihe privater „Blogger“ wie Franz Patzig mit „Franztoo“ (www.franztoo.de) die IT-Messe für sich entdeckt. Dass sich da etwas im sozialen Web tut, haben mittlerweile selbst die Messemacher bemerkt und mit Kooperationen und eigenen Projekten auch bereits darauf reagiert. So können sich im

Wer nicht vor Ort diskutieren möchte, kann jederzeit im Web 2.0 die CeBIT-Ereignisse mitverfolgen und kommentieren.

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Rahmen der Veranstaltung „CeBIT Mittelstand“ Mitglieder des virtuellen Business-Netzwerks Xing (vormals Open BC) online zu diversen Aktivitäten treffen. Erstmals zur CeBIT 2007 startete auch die Initiative „CeBIT Next“ (www.cebit-next.com/), mit der die Veranstalter ihre Vorstellung eines „Social Webs“ umsetzen wollten. Hinter diesem Namen verbarg sich laut Eigenwerbung „ein massiv paralleles Chat- und Innovationsideen-Portal“. Das Projekt wurde gemeinsam mit IBM umgesetzt und stellte eine mit Flash-Technik entwickelte interaktive Browser-Oberfläche bereit. Der Benutzer fand sich beim Besuch des Portals grafisch in einem „Ideen-Ozean“ wieder, auf dem die eingegebenen Ideen als Wasserpflanzen um drei Themenbereiche schwammen: „Future Fair“ (Messen), „Future Work/Life“ (zukünftiges Leben und Arbeiten) und „Future Health“ (Gesundheit). Der Benutzer konnte dabei nicht nur den Verlinkungen über das „Ideen-Meer“ folgen, sondern diese Verlinkungen auch verändern und beeinflussen.4 Solchermaßen verschwimmen auch die Grenzen zwischen externer und interner Kommunikation. Unternehmen müssen sich in die Debatte einmischen, wenn sie die Dinge nicht dem Zufall überlassen wollen. In der Kommunikationsbranche beispielsweise führt jetzt

schon kein Weg mehr an Web 2.0 vorbei. Dessen sind sich jedenfalls die Fach- und Führungskräfte aus PRAgenturen und Unternehmenspressestellen sicher, was ein PR-Trendmonitor aus dem Jahr 2007 belegt. Befragt wurden insgesamt 2.237 Insider der Branche. „Weblogs“ stehen nach deren Aussage an erster Stelle. Unter den Pressestellen-Mitarbeitern werden sie von 53,1 Prozent als wichtigstes Web 2.0-Tool für die PR-Branche bewertet. Am zweitwichtigsten sind „Wikis“ mit 43,9 Prozent, gefolgt von „RSS“ mit 43,3 Prozent. Bei den PR-Agenturen ist die Bewertung ähnlich: Hier sind „Weblogs“ sogar für 68,7 Prozent am wichtigsten. An zweiter Stelle stehen „Podcasts“ mit 50,6 Prozent, an dritter „Wikis“ mit 48,6 Prozent. So schnell kann‘s gehen: Im August 2005 fragte noch jeder Fünfte: „Was ist überhaupt ein Weblog?“5 Mittlerweile erwarten allerdings Web-Seiten-Besucher, dort auch ihre Kommentare und Anregungen veröffentlichen zu können. Solche „Rich User Experiences“ entscheiden möglicherweise in Zukunft über Erfolg oder Misserfolg einer Seite. AOL Deutschland bietet seinen „Usern“ auf AOL.de beispielsweise neue Möglichkeiten sich einzubringen: „Web2Mix“ nennt sich das „User-Generated-Content-Produkt“ im Bereich Nachrichten & Sport. AOL-Nutzer können in den

Für PR-Mitarbeiter und -Agenturen führt bereits jetzt kein Weg an Web 2.0 vorbei. Im Jahr 2005 wusste jeder fünfte noch nicht einmal, was ein „Weblog“ ist.

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unterschiedlichen Kategorien Link-Empfehlungen zu fremden Websites geben. Die Tipps und Empfehlungen können wiederum von anderen Teilnehmern bewertet werden. Positiv befundene Links landen automatisch oben in der Empfehlungsliste. Und solche Empfehlungen haben vor allem einen Vorteil: Sie werden geglaubt. Traditionellen Medien wie Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen wird immer weniger Vertrauen geschenkt.6 So genannte „Peer-to-Peer-Informationen“ – ein Verbraucher teilt dem anderen etwas mit – werden als ungleich verlässlicher eingestuft.7 Diesen Vertrauensvorsprung dürfen Unternehmen allerdings auf keinen Fall verspielen. Wer sich mit seiner Unternehmenskommunikation auf Web 2.0 einlässt, muss die Gesetze, die dort herrschen, auch akzeptieren. Im Juli 2006 war Wal-Mart das schwarze Schaf im Web 2.0. Der Handelsriese hatte offensichtlich „Blogger“ dafür bezahlt, im World Wide Web Nachrichten zu hinterlassen, die dem Konzern förderlich sein könnten. Ein Aufschrei ging durch die „Blogger-Szene“. Wal-Mart hatte seine Glaubwürdigkeit erst einmal verspielt.8 Dennoch versuchen Unternehmen und ihre Agenturen immer wieder massiv, im Web 2.0 Fuß zu fassen. Teils mit lauteren, teils mit unlauteren Methoden. In Deutsch-

land setzen „Blogger“ und Unternehmen, die deren Dienste in Anspruch nehmen, zumeist auf Offenheit: Wenn Opel beispielsweise den Astra testen oder Coca Cola die Fußball WM kommentieren lässt, ist klar, wer dahinter steht. Daneben gibt es jedoch auch eine hohe Dunkelziffer von Firmen, die virales Marketing als klassisches „One-Way-Marketing“ im Umfeld von „Blogs“, „Communities“ und „Social-Web-Applikationen“ missverstehen. Netzexperte Jörg-Olaf Schäfers brachte es auf den Punkt: „Wer mir in Blogs nicht gekennzeichnete Werbung unterschiebt, verspielt diesen diffusen Vertrauensbonus, der mich als Leser an ein Blog bindet. Das mag eine komische - vielleicht auch naive - Einstellung sein, schließlich ist mir kein Blogger zu irgendetwas verpflichtet, es ist aber wohl gleichzeitig auch die Basis, auf der der Erfolg und die Authentizitäts-Aura der Blogosphäre basiert.“9 Doch gerade diese Glaubwürdigkeit ist die „conditio sine qua non“ für Web 2.0 Aktivitäten. Kunden, die verlässliche Quellen für ihre Online-Recherche kennen, kehren dorthin zurück und sind latent eher bereit, selbst zu den Inhalten beizutragen und damit die Bandbreite und vielleicht auch die Qualität eines Dienstes weiter zu steigern. Authentizität ist mithin erstes Gebot. Aber es kommt

Der amerikanischen Firma Kettle Foods gelingt es mit Web 2.0 eine starke Marke zu etablieren. Der Trick: Verbraucher bewerten im Internet ihr Geschmackserlebnis.

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noch etwas hinzu. Das amerikanische Unternehmen Kettle Foods, auf die Herstellung hochwertiger Snacks und Kartoffel-Chips aus Naturprodukten spezialisiert, macht es eindrucksvoll vor. Bei der bereits zum dritten Mal stattfindenden „People‘s Choice“-Kampagne können die Verbraucher unter dem Motto „Passport to Flavor“ über die Geschmacksrichtung der neuesten Kartoffel-Chips entscheiden, indem sie verschiedene Produktproben testen und anschließend im Web ihren Favoriten wählen.10 Seit ihrer Einführung 2005 wurde die Kampagne ständig weiterentwickelt und mittlerweile werden so Zehntausende Besucher auf die Website von Kettle Foods gelockt. Mit der „People‘s Choice“Initiative wurde der Marke ein unverwechselbares Profil verliehen. Fans wurden angeregt, sich per interaktivem Kanal für die Marke zu engagieren. Mit einem intelligenten Analyse-Tool überprüft der Anbieter die Erfolgswirksamkeit des Site-Designs und optimiert dieses weiter.11 Es kann beispielsweise genau festgestellt werden, über welche Marketing-Initiativen die Teilneh-

Glaubwürdigkeit ist die „conditio sine qua non“ für Web 2.0 -Aktivitäten. Nur Kunden, die verlässliche Quellen für ihre Online-Recherche kennen, kehren dorthin zurück und sind bereit, selbst zu den Inhalten beizutragen. Authentizität ist erstes Gebot.

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mer zur Web-Kampagne gelangten und wie das SiteErlebnis der Besucher dann im Einzelnen aussah. Mit diesen Daten konnte das Kettle Foods MarketingTeam frühzeitig Schwachstellen der Online Kampagne identifizieren. So zeigte sich, dass infolge des neuen Flash-Designs eine größere Anzahl von Besuchern die Web-Seite verließ, ohne ihre Stimme abgegeben zu haben. Gestaltung und Platzierung der Grafikelemente konnten daraufhin so verändert werden, dass sich die Umfrage-Konversionsrate über Nacht fast verdoppelte. Eine weitere Neuerung bestand darin, dass die „People‘s Choice“-Kampagne 2007 erstmals gezielt beworben wurde. „Blogs“, Werbeschaltungen und eine effektive „Send-to-Friend“- Postenkartenaktion erhöhten den viralen Charakter der Marketingkampagne.12 Web 2.0 umsetzen, heißt mithin auch technisch mit der Zeit gehen. Zu den wesentlichen Fortschritten zählen dabei so genannte „newsfeed-gesteuerte“ Portale in Unternehmen: Schickt ein Mitarbeiter heute beispielsweise aktuelle News aus dem Web zum Thema

Produkthaftung per E-Mail-Anhang an zehn Kollegen, werden diese oft von der Hälfte aller Adressaten ohnehin nicht gelesen, oder Kollegen wurden vergessen. Dank Web 2.0-Technologie kopiert der Mitarbeiter die wichtige Information einfach per Drag & Drop unter dem Stichwort „Produkthaftung“ in ein ThemenpoolArchiv, aus dem sich alle Kollegen per Newsfeed bedienen können. „Die Informationsbeschaffung im Unternehmen per RSS ist sehr viel effizienter als der klassische E-Mail-Newsletter im Pushverfahren“, weiß Jörg Rensmann, Geschäftsführer der infoMantis, die den Bildschirmschoner iSaver entwickelt hat, der als Nachrichtenportal fungiert. Den nutzt zum Beispiel die Fluglinie DBA, um ihre Mitarbeiter mit gezielten Informationen aus dem Intranet auf dem Laufenden zu halten – als Alternative zur der mit hohem Aufwand gedruckten Hauszeitschrift. Das Ganze ist so unkompliziert, „dass selbst Vorstände schnelle Meldungen produzieren, die sofort beim Mitarbeiter ankommen“, so Rensmann.13

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Levine, Rick/Locke, Christopher/Searls, Doc/Weinberger, David: Cluetrain Manifest „online im Internet“, www.cluetrain.de, abgerufen am 17.03.07 2

Vgl. O‘Reilly, Tim: What Is Web 2.0? Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software, Online im Internet, www.oreillynet.com/pub/a/oreilly/tim/ news/2005/09/30/what-is-web-20.html vom 09/30/2005, abgerufen am 17.03.07 3

Vgl. Schönefeld, Frank: Zweiter Frühling für E-Commerce, Information Management & Consulting 21 (2006) 4, S. 40ff. 4

Vgl. o. V.: CeBIT in Zeiten des Web 2.0, PC-Welt Online, Meldung vom 13.03.2007 5

Vgl. o.V.: An Web 2.0 kommt keiner vorbei, kress report vom 09.03.2007, Nr. 05, S. 34 6

Vgl. Charron, Chris/Favier,Jaap/Li, Charlene: Social Computing, Cambridge, 2006, S. 2–12

7

Vgl. Schönefeld, F., a.a.O, S. 41

8

Vgl. o. V.: Kurze Beine - Die Glaubwürdigkeit des Web 2.0, c‘t - Magazin für Computertechnik, 25/2006, S. 94 9

Vgl. ebenda

10

Im Internet unter www.passporttoflavor.com

11

Best Practices für die Erfassung und Optimierung von Web 2.0-Initiativen einschließlich Rich Internet Applications und Really Simple Syndication (RSS) finden sich unter www.webtrends.com 12

Vgl. o. V.: press1.de/WebTrends lässt Web 2.0-Initiativen von Kettle Foods so richtig knacken!, Vereinigte Wirtschaftsdienste vom 23.01.07 13

Vgl. Lange, Edgar: Internet: Mit Web 2.0 das weltweite Netz neu erleben. Das Internet wird erwachsen, VDI NR. 39 vom 29.09.2006, S. 9

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Online-Verkaufsförderung

Photomontage, Photo Dame am PC: Matthew Bowden (stock.xchng), Photo Einkaufsmall: Fabienne Winkworth (stock.xchng)

Zwar gibt das Internet endlich auch den Herstellern ein mächtiges Forum für Verkaufsförderung an die Hand, bisher nutzen es allerdings nur die wenigsten auch konsequent.

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it dem Internet sind auch Hersteller von Konsumgütern in der Lage, die Kaufentscheidungen ihrer Kunden zu beeinflussen. Mit Hilfe einer geeignet aufbereiteten Website kann es gelingen, Kunden nachhaltig vom eigenen Produkt zu überzeugen. Hersteller können solchermaßen aktive Verkaufsförderung betreiben. Kaufentscheidungen werden traditionell eher we-

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niger von Herstellern beeinflusst. Zwischen Handel und Industrie besteht ein Kräfteungleichgewicht. Tatsächlich hat zuallererst der Handel in allen Phasen des Kaufprozesses Einflussmöglichkeiten auf den Kunden. Durch eine eigene Online-Präsenz oder Filialen hilft er beispielsweise bei der Suche nach dem richtigen Produkt und bietet Alternativen. Zudem obliegen Kauf und nicht selten auch die Nachbetreuung

Mit der „Magie“ ihrer traditionellen Ladengestaltung haben die Websites von Bonpoint (links, www.bonpoint.com) und Globetrotter Abenteuer-Shopping g (rechts, www.globetrotter.de) rein gar nichts zu tun. Verkaufsförderung im Internet scheint hier noch kein Thema zu sein.

komplett dem Handel. Lediglich in der ersten Phase des Kaufprozesses eröffnen sich für Hersteller Einflussmöglichkeiten auf Kunden. Durch gezielte und intensive Werbeaktionen kann das Produkt-Image gesteuert und eine starke Marke aufgebaut werden. Damit werden Kunden vor allem in ihrer Bedürfniswahrnehmung beeinflusst und in die Läden gelockt. Ob dort allerdings Kaufwünsche auch im Hersteller-Interesse erfüllt werden, bleibt zu hoffen. Im Internet allerdings kommen sich Hersteller und Endkunde deutlich näher. Produzenten haben damit die Chance, unabhängiger vom Handel zu werden, denn Endkunden suchen in Vorbereitung ihrer Kaufentscheidung direkten Kontakt über das Internet. So belegt eine Studie beispielsweise, dass 55% der Internet-Besucher von Hersteller-Webseiten Kaufabsichten haben.1 Die Qualität der Web-Präsenzen ist allerdings bis-

her nicht annähernd entsprechend. Web-Seiten von Herstellerunternehmen machen bei der Begleitung ihrer Kunden meist auf halber Strecke Stopp. Das fängt bereits bei der Gestaltung an. Ist im realen Ladenbau Emotionalisierung ein wichtiges Thema mit prächtigen Inszenierungen am „Point of Sale“ (POS), so muten Herstellerseiten nicht selten improvisiert an. Der traditionelle Handel hat längst begriffen: die Atmosphäre am POS ist eines der wichtigsten Instrumente der Verkaufsförderung. So holt der Einzelhandel den Kunden in seiner Welt ab – meist so realitätsnah wie möglich. Mit seinem neuen Flagship-Store in Paris hat beispielsweise das Kindermode-Label Bonpoint eine Art Märchenschloss geschaffen. Sieben Zimmer präsentiert die Premium-Marke dort, jedes entführt in eine andere Welt. Der Kunde flaniert von der Neugeborenen-Station mit Babymode durch die Kinderstube bis zu einem Mädchenzimmer. Welch ein Unterschied zur Internet-Präsenz des Modemachers. Eine trist in

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Dannemann inszeniert seine Zigarren auch im Web. Der Auftritt bietet einer registrierten Community eine ganze Palette interessanter Möglichkeiten rund um den Tabak-Genuss.

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schalem grün gehaltene Seite erwartet die Besucher beim Klick auf www.bonpoint.com. Eine Märchenwelt ist auf der Homepage beim besten Willen nicht zu sehen. Stattdessen erfüllt ein langer Text in grau gehaltener Schrift – auf grünem Hintergrund nur schlecht zu lesen – kaum die Aufgabe, Interesse zu wecken. Eine Geschichte, die sich mit anderen Beispielen mühelos weitererzählen lässt. So hat sich der „Outdoor-Ausstatter“ Globetrotter Abenteuer-Shopping für die ganze Familie auf die Fahne geschrieben. Bei seinem neuen „Store“ im Kölner Olivandenhof nimmt der Kunde das „Outdoor-Feeling“ sogar mit auf die Toilette. Er hat die Wahl zwischen dem so genannten Schwedenklo mit Holzdeckel und Wasserzuber und dem Schiffsklo mit einem in die Wand eingelassenen Bullauge und Blick aufs Meer. Wie schwer fällt der Durchblick dagegen im virtuellen Shop. Unzählige Klick-Möglichkeiten und ein Dschungel kleiner Bildchen verstellen die Sicht auf das Sortiment. Hier stellt sich sicherlich kein Freizeitgefühl, dagegen schon eher Beklemmung ein. Der Kunde erhält keinerlei Hilfe bei der Suche nach dem richtigen Produkt. Nur wer weiß, was er konkret kaufen möchte, kann die Seite halbwegs sinnvoll nutzen. Deutlich besser präsentiert sich dagegen Dannemann und gibt damit ein Beispiel für konsumentenorientierte Verkaufsförderung. Mit seinen Tabakwaren sucht das Unternehmen in allen Handelskanälen gleichermaßen das direkte Gespräch mit dem Verwender. Die Raucher schätzen dabei umfassende Information und einen kompetenten Gesprächspartner, der auch seine Chancen für einen direkten Warenverkauf nutzt. Die Internet-Ressourcen stehen allerdings nur den Erwachsenen zur Verfügung. „Als verantwortungsbewusstes Tabakunternehmen“, so Dannemann auf seiner Website, „nehmen wir Jugendschutz besonders ernst. Ausschließlich erwachsene Raucher über 18 Jahre mit Wohnsitz in Deutschland können Mitglied im ‚Kreis der Genießer’ werden.“2 Allen registrierten Erwachsenen stehen dann aber auch eine Reihe interessanter Dienste exklusiv zur Verfügung: Aktuelle Informationen und alles Wissenswerte rund um die Zigarre, vielfältige Unterhaltungsangebote wie das so genannte Dannemann-Quiz, Ticket-Verlosung für hochrangige Events und Einladungen zu „Cigar Nights“ sowie ein „Genuss-Shop“ mit Accessoires aus der DANNEMANN „Genuss-Welt.“ Treue wird zudem belohnt. Dannemann bietet auf vielfältige Weise Treuepunkte an, die gesammelt oder im Treue-PrämienShop eingelöst werden können.

die Verkaufsförderung ansetzen.“3 Der „Point of Sale“ (POS) wird solchermaßen zum POC – zum „Point of Communication“. Die Gefühle der Konsumenten werden angesprochen und die Sinne stimuliert. Auch das Internet muss Verkaufsförderungsmaßnahmen realisieren, die als Erlebniswelten konzipiert sind: Sound, Bewegung und Unterhaltung lösen den statischen, informationslastigen Web-Auftritt ab. Der verkaufsfördernde Effekt von „Entertainment“ lässt sich auf Basis des Kano-Modells für Kundenzufriedenheit erklären.4 Der japanische Qualitätswissenschaftler Noriaki Kano hat sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt und dabei zwischen Grund-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen unterschieden. >Grundanforderungen Kunden haben heute auch bezogen auf den Online-Shop bestimmte Erwartungen, die einfach erfüllt sein müssen. Produkte sollten dort beispielsweise vollständig beschrieben und auch online-bestellbar sein. Diese grundsätzlichen Erwartungen bringen die Konsumenten sozusagen im Unterbewusstsein mit, niemand macht sich vor dem Kauf Gedanken darüber, sie werden vorausgesetzt. Ein Auto sollte ein Lenkrad haben, das ist klar. Auf der Checkliste eines Kunden wird sich dieses Kriterium

Ein Lenkrad sollte es schon haben, das neue Automobil. Soviel sollte der Hersteller zumindest anbieten. Zufriedene Kunden schafft er damit allerdings noch nicht.

DAMIT SETZT DER TABAKANBIETER genau dort an, wo sich auch der Handel derzeit bewegt: bei der Verkaufsförderung der neuen Generation: „Überall dort, wo man Menschen trifft, Spaß hat, Produkte sehen, erleben und eventuell auch kaufen kann, muss

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allerdings nicht finden. So führt das Vorhandensein der Grundanforderungen auch noch nicht zu Kundenzufriedenheit. Im Gegenteil: Zeigen sich hier bereits Mängel führt dies zu einer überproportional hohen Kundenunzufriedenheit. >Leistungsanforderungen Hiermit haben sich die Kunden vor dem Kauf möglicherweise intensiv beschäftigt. Es handelt sich dabei sozusagen um die Wunschliste des Konsumenten. Im Internet „wünscht“ sich beispielsweise eine Kundin oder ein Kunde die Bezahlmöglichkeit „Auf Rechnung“. Findet sich diese Option tatsächlich, steigt die Kundenzufriedenheit. Ist die Wunschliste komplett erfüllt, wird aber letztlich doch nur ein moderates Maß an Zufriedenheitsstiftung erreicht. Aus Anbietersicht eine zunächst etwas ernüchternde Feststellung, die dort auch nicht ohne weiteres auf Akzeptanz trifft. Hilfreich ist es allerdings, als Shop-Betreiber für einen Moment die Verbraucherperspektive einzunehmen. Wer reagiert schon als Konsument gleich begeistert, nur weil ein Web-Shop das auch anbietet und liefert, was ursprünglich gesucht worden war? >Begeisterungsanforderungen Hierzu braucht es in der Tat „stärkere Kaliber“. Begeisterungsanforderungen hat die Kundschaft dabei ursprünglich gar nicht auf der Rechnung. Im Gegenteil: Sie wirken im Idealfall völlig überraschend und führen offline wie online als einziges Mittel zu überproportional steigen-

Das Kano-Modell taugt auch als Basis zur Beschreibung der Kundenzufriedenheit im Internet. Grundanforderungen führen noch nicht zu Kundenzufriedenheit, auch wenn sie durchgängig erfüllt sind. Erst mit eingelösten Leistungsanforderungen schafft man zufriedene Kunden. Begeistert sind die Web-Besucher aber erst, wenn der WebAuftritt sie positiv überrascht.

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der Kundenzufriedenheit. Alle „Begeisterungs-Maßnahmen“ sollten allerdings im Rahmen eines integrierten Marketingkonzeptes aufeinander abgestimmt sein. Die Weißbierflasche von Erdinger Champ steht im Mittelpunkt einer solchen integrierten Kampagne. Die dahinter stehende Produktidee ist einfach: Erdinger Champ lässt sich als erstes Weißbier direkt aus der Flasche trinken. Mit dem im Flaschenboden integrierten „Twist-Off-Verschluss“ lässt sich eine Flasche ganz einfach mit einer zweiten öffnen.5 Die begleitende Verkaufsförderungsaktion dagegen ist absolut auf dem heutigen Stand und im Bereich der Begeisterungsanforderungen anzusiedeln. So finden sich im Online-Auftritt zahlreiche „Entertainment-Elemente“ erster Güte, allesamt dazu angetan, die Kunden an das Produkt und die Website zu binden.6 Die so genannten Erdinger Champ Club Touren beispielsweise finden seit 2002 statt und sind im Web beschrieben und illustriert. Bei diesen Touren, von der Badetour bis hin zur Weihnachtsparty, trifft man sich in ungezwungener Runde und findet mit etwas Glück dann sein Bild im Internet wieder. Gut gemachte Online-Spiele, wie beispielsweise das Erdinger-Torwandschießen, machen nicht nur Spaß, sondern spornen auch an und animieren dazu, mal wieder online vorbeizuschauen. Der gute Ballschütze kann sein Ergebnis in einem „Highscore“ für alle sichtbar abspeichern und sich solchermaßen virtuell mit anderen messen. Im Online-

Fanshop gibt es vom Erdinger-Lanyard7 bis hin zum Notizzettelklotz eine ganze Reihe von Artikeln rund um die Marke, die es im normalen Geschäft nicht so einfach zu kaufen gibt. Auf diese Art und Weise können sich Fans „marken-gemäß“ und in gewisser Weise auch exklusiv ausstaffieren und haben einen weiteren echten Zusatznutzen durch die Website. ERLEBNIS FÜR DIE SINNE ist mithin ein erstes wichtiges Element der Verkaufsförderung auch im Internet. Aber auch alle anderen Trends in der Verkaufsförderung lassen sich auf den Online-Auftritt übertragen: > 2. Die in der klassischen Werbung dargestellten Motive müssen sich auch im Internet wieder finden. Wird beispielsweise das Sponsoring-Engagement eines Sportvereines im TV-Spot kommuniziert, so sollte diese Sportwelt in die Online-Präsentation gut sichtbar integriert werden. > 3. Um Überschneidungen verschiedener Promotion-Aktionen innerhalb einer Warengruppe zu vermeiden, ist es wichtig, dass auch der Online-Auftritt mit den Handelspartnern abgestimmt wird.

> 4. Im Trend liegen Verbundaktionen, bei denen sich Hersteller unterschiedlicher Warengruppen im Sinne eines Co-Marketing zusammenschließen, um unter einem Motto oder Themendach gemeinsame Produkte zu präsentieren. Zu Beginn der Grillsaison macht das Erscheinen als Wurst- und Fleischfabrik beispielsweise auch auf anderen Web-Seiten Sinn, auf denen es um Grillkohle, Gewürzsaucen oder um Bier geht. Kooperationen mit einschlägigen Shoppingportalen und Preisvergleichen, Suchmaschinen und Online-Produktberatern und Zugang zu Testberichten funktionieren in diesem Zusammenhang durchaus auch als verkaufsfördernde Maßnahmen. > 5. Verpackungs-, Displaypräsentation und WebAuftritt sollten ebenso aufeinander abgestimmt sein und sollten von den Kunden als Einheit wahrgenommen werden. > 6. Kreativität ist einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine verkaufsfördernde Kampagne. Unübersehbar präsentiert sich Lindt & Sprüngli immer vor Weihnachten und Ostern in der Inselplatzierung aus Wellpappe. Auch die virtuellen Regale sollten dem

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in nichts nachstehen und einen einheitlichen Eindruck mit der Präsentation im Ladenlokal vermitteln. > 7. Im Vergleich zu anderen Marketing-Maßnahmen bietet gerade auch die Online-Verkaufsförderung die Möglichkeit, den Konsumenten in einen Dialog einzubinden und gleichzeitig seine Meinung oder Einstellung zu Produkten zu erfragen. So fördert beispielsweise eine Gewinnspielaktion die Kommunikation zwischen Verwender, Hersteller und gegebenenfalls auch dem Handelspartner. HERSTELLER-WEBSEITEN

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verzeichnen

heute

durchaus einen hohen „Besucher-Traffic“. Diese Kundenkontakte heißt es nun umsatzrelevant zu nutzen. Denn auch wenn Hersteller online nicht verkaufen können oder wollen, so können sie doch die Kaufentscheidung ihrer Internet-Klientel beeinflussen und festigen - und damit den Verkauf fördern. Ziel ist also, bei möglichst vielen interessierten Kundinnen und Kunden die Kaufentscheidung so zu festigen, dass sie „sicher“ an den Händler weitergeleitet werden können. Dieser Weg sollte kurz sein und möglichst gleich zum eigenen Produkt im Online-Shop des Händlers führen.

Kundinnen und Kunden sind nicht einfach zu begeistern. Schon gar nicht mit einem trockenen und informationslastigen Internet-Auftritt. Auch wenn sich Anbieter noch so schwer tun, auch Web-Seiten müssen die Sinne anregen und unterhalten, wenn sie verkaufsfördernd wirken sollen.

LITERATUR UND ANMERKUNGEN 1

Zitiert nach o. V., Verkaufsförderung im Internet - auch für Hersteller, ECIN, online Im Internet, www.ecin.de/marketing/verkaufsfoerderung-hersteller, abgerufen am 1.3.07 2

www.dannemann.de

3

Rivinius, Claudia: Verkaufsförderung der neuen Generation, ABSATZWIRTSCHAFT, Heft: 06, 2001, S. 80 4

Vgl. beispielsweise Bailom, Franz/Hinterhuber, Hans J./Matzler, Kurt/Sauerwein, Elmar: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, MARKETING , Heft: 2, 1996, S. 117-

126 5

Vgl. Rivinius, Claudia, a.a.O.

6

www.erdinger-champ.de

7

Anhänger für Schlüssel, Eintrittskarten, Ausweise etc. Wird üblicherweise um den Hals getragen und erinnert an die Schlüsselkinder, die den Hausschlüssel solchermaßen gesichert vor Verlust mit sich führen

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Online-Kommunikationspolitik

PRAXIS „Mouse-RageSyndrom“

Virales Marketing mit Youtube

Experten warnen vor dem so genannten „Mouse-RageSyndrom“ (MRS), das lebensgefährlich sein kann. Die Symptome – Muskelzittern und Schweißausbrüche – sind Anzeichen für sich verengende Adern, die das Gehirn mit Blut versorgen. Auch die Herzkranzgefäße ziehen sich zusammen. Im schlimmsten Fall kann dies zum Schlaganfall oder Herzinfarkt führen. Als Ursache für MRS haben die Wissenschaftler eindeutig ein schlechtes Webdesign identifiziert. Störende „Pop-ups“ und flackernde „Flash-Animationen“ führen zu mitunter gefährlichen Stress-Zuständen bei Internet-Nutzern. Das ultimative Maß aller Webseiten dagegen ist Google: „Ein asketischer Auftritt mit einer unvorstellbar kurzen Responsezeit und einem hohen Grad an Präzision“, heißt es in einem Untersuchungsbericht. 2.500 Internet-Surfer wurden im Rahmen dieser Studie mit schlechten Web-Seiten konfrontiert. „Bei einigen Personen war die Muskelanspannung derart heftig, dass das Experiment abgebrochen werden musste“, so die Mitautorin des Berichts.1

Unternehmen entdecken Youtube als Werbeplattform und versuchen mit witzigen Spots ihre Markennamen zu stärken. Anhand von „Tracking-Tools“ lässt sich genau messen, wie oft ein Video-Clip aufgerufen oder herunter geladen wurde. Immer mehr Unternehmen entdecken das früher Mund-zu-Mund-Propaganda genannte Viralmarketing für sich. Sie folgen ihren Zielgruppen ins Netz und versuchen die Nutzer dazu zu animieren, die Spots herunterzuladen und weiterzuempfehlen. In Zeiten von Web 2.0 ist dies zudem zu überschaubaren Kosten realisierbar. Ein Risikofaktor darf dabei allerdings nicht übersehen werden. Ein Clip, der sich wie ein Virus über das Internet verbreiten soll, muss entweder einen richtigen Lacher oder einen Überraschungseffekt bieten. Laut einer Studie der Marketingagentur Sharpe Partners leiten 63 Prozent aller Internet-Nutzer mindestens einmal pro Woche eine als interessant empfundene Nachricht weiter, ein Viertel sogar fast täglich. 75 Prozent der erhaltenen E-Mails werden wiederum an bis zu sechs weitere Nutzer weitergeschickt. Laut Sharpe Partners stehen witzige Inhalte mit 88 Prozent an der Spitze aller weitergeleiteten E-Mails. Optimale Verbreitung lässt sich immer dann realisieren, wenn Meinungsmacher erreicht werden. Diese stellen die Spots beispielsweise im eigenen „Blog“ online oder laden sie auf Videoplattformen hoch. Eine Kampagne kann sich solchermaßen innerhalb weniger Tage wie ein Virus verbreiten. So hat sich zum Beispiel ein Clip von Volkswagen USA, in dem aufgemotzte Autos auf unkonventionelle Art und Weise verschrottet werden, von den Staaten bis nach Deutschland fortgepflanzt. Viral verbreitete Video-Spots im Internet haben zudem einen Langzeiteffekt. Selbst Monate später können Spots eine zweite Verbreitungswelle erfahren und erneut durchs Internet wandern. Bei verfehlten Kampagnen ein dann allerdings eher gefährlicher Effekt für das Marken- oder Unternehmensimage.1

1

Vgl. Weiss, H.: Experten warnen vor „Mouse-RageSyndrom“. Herzinfarkt durch schlechtes Webdesign, VDI NR. 3 vom 19.01.2007, S. 25

1

Vgl. Kellerhoff, Peter: Online-Werbung: Unternehmen entdecken Youtube & Co. als Werbeplattform ... Mund-zu-Mund-Propaganda online dank Web 2.0, VDI Nr. 7 vom 16.02.2007, S. 12

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„Push-Werbung“ mit Web 2.0

„GoogleHack“

Durch Informationsüberflutung der Zielgruppe wie beispielsweise durch TV oder „Banner“ sinken die Effektivität und das Aufwand-Nutzen-Verhältnis dieser „Push-Werbemethoden“. Ziel von „Pull-Marketing“ ist es hingegen, aktive Zielkunden zu adressieren, die selbstständig angebotene Informationen und Services abfragen, nutzen und weiter verbreiten. Dieser interaktive Dialog wird unterstützt durch Web 2.0-Technologien. „Blogpioniere“ wie Boeing, Microsoft, SAP, Sun, Hewlett-Packard, IBM, GM nutzen „Blogs“ längst als Kommunikationsvehikel. Hersteller versenden ihre Produkte bewusst und gezielt an „Blogger“, die sie bewerten und diese Bewertung im „Blog“ veröffentlichen sollen. Von mehreren Nutzern als interessant eingestufte Inhalte werden durch Verlinkung prominent platziert und dadurch in Suchmaschinen „hoch-gerankt“. Einer falschen Werbeinformation wird allerdings auch schnell und „laut“ widersprochen. Dies erfordert eine offene und ehrliche Unternehmenskommunikation. Der potenzielle Kunde ist an konkreten Aussagen interessiert – auch zu besonders kritischen Fragen. Dies bedeutet, Kommunikation zuzulassen auch wenn sie unbequem wird.1

Am 12. März 2006 veröffentlichte die Chicago Tribune einen spektakulären „Hack“: Durch OnlineRecherchen über Suchmaschinen hatte die Tageszeitung CIA-Agenten enttarnt und über zwanzig Standorte des Geheimdienstes aufgedeckt. Google indiziert eben schlichtweg alles. Ein einziger Verweis, dem das automatische Indizierungsprogramm („Crawler“) folgen kann, sorgt schon für Unannehmlichkeiten, wenn die entsprechenden Daten nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Für ein erfolgreiches Suchmaschinen-Hacking sind die Operatoren von Bedeutung. Der Operator „+“ vor einem Begriff zwingt Google beispielsweise, den Begriff zu berücksichtigen, sei er auch noch so sinnlos oder überflüssig wie die Wörtchen der, die, das. Besonders interessante Operatoren sind „site“, „inurl“ und „file-type“, die das Suchergebnis hauptsächlich nach Kriterien der Web-Adresse (URL) eingrenzen. Der „site-Operator“ beispielsweise schränkt die Suche auf eine Website ein: site:www.ibm.de sucht demnach nur auf Seiten der IBM Deutschland GmbH. Die Suche „site:.de filetype:xls passwort“ könnte dabei schon erste interessante Resultate für „Hacker“ liefern. Hinzu kommt, dass Google einen Großteil der eingelesenen Text-Daten in seinen eigenen Cache kopiert. Sollten also versehentlich sensible Daten auf eine Web-Seite gelangen, besteht selbst nach ihrem Entfernen noch die Gefahr, dass sie bereits den Weg in den Google-Cache gefunden haben und dort noch immer verfügbar sind. Jedem, der sensible Daten auf seiner Web-Seite vorhält, ist dringend ein Blick auf die „Google Hacking Database“ zu empfehlen, der wohl vollständigsten Sammlung von Google-Suchanfragen mit aktuell über Tausend Hacks.1 Oberste Regel bleibt aber: keine vertraulichen Informationen an potenziell öffentlich zugänglichen Orten speichern - auch nicht für kurze Zeit.2

1

Vgl. Göhring, M., Happ, S., Müller, T.: Web 2.0 im Kundenmanagement, HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 252/2006, S. 55-65

1

http://johnny.ihackstuff.com/ Vgl. Hamm, Michael: Suchmaschinen-Hacking: Was Google & Co. verraten - Fein beobachtet, iX - Magazin für professionelle Informationstechnik, 5/2006, S. 136 2

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Online-Kommunikationspolitik

LITERATUR ... zum weitergehenden g Studium der Online-Kommunikation

Von der marketing-gerechten Gestaltung der Website bis hin zu Web 2.0 gibt das Internet eine ganze Reihe von kommunikationspolitischen Möglichkeiten an die Hand. Alle haben jedoch auch ihre eigenen Gesetze, die es zu beachten gilt. Richtig eingesetzt, eröffnen sie dem Marketing jedoch völlig neue Wege. >Amling, Stefan: Virales Marketing, Auswirkungen und Möglichkeiten auf und für das Interruption Marketing des 21. Jahrhunderts, Hochschule Mitweida, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Diplomarbeit, 2006 >Bartel, Stefanie: Farben im Webdesign, Berlin, 2003 >Bauer, H. H./Hammerschmidt, M./Garde, U.: Messung der Werbeeffizienz, Univ. Mannheim, Inst. f. Marktorientierte Unternehmensführung, 2004

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>Bergmann/Bormann: AJAX - Frische Ansätze für das Web-Design (eBook), Berlin, 2006 >Bernet, Marcel: Medienarbeit im Netz, Zürich, 2006 >Bischopinck v., Yvonne und Ceyp, Michael: Suchmaschinen-Marketing, Berlin, 2007 >Bogula, Werner: Leitfaden Online-PR, Konstanz, 2007 >Dannenberg, Marius: Erfolgreiche Online-Werbung, Göttingen, 2006 >Erlhofer, Sebastian: Suchmaschinen-Optimierung für Webentwickler, Bonn, 2007 >Janisch, Sonja: Online-Werbung, Hamburg, 2004 Jasper, Dirk: Online PR, Göttingen, 2004 >Kaiser, Thomas: Effizientes Suchmaschinen-Marketing, Göttingen, 2006 >Klinger, Michaela: Virales Marketing, Saarbrücken, 2006 >Langner, Sascha: Virales Marketing, was Google, GMX und Napster erfolgreich machte, Göttingen, 2004 >Lankau, Ralf und Treffert, Claudia: Leitfaden Webdesign, Wiesbaden, 2006 >Magerhans, Alexander: Kundenzufriedenheit im Electronic Commerce, eine Kano-Analyse im OnlineBuchhandel, Göttingen, 2005 >Metzeler, Barbara: Interkulturelles Webdesign - dargestellt anhand von Beispielen der internationalen Automobil-Branche, Diplomarbeit, FH Stuttgart, 2002 >Münz, Stefan und Wyatt, Thiffany: Barrierefreies Webdesign, Bonn, 2007 >Reich, Sandra: Die persuasive Werbewirkung von Online-Medien, Aachen, 2006 >Ruisinger, Dominik: Online Relations, Stuttgart, 2007 >Sauerwein, Elmar: Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit, Reliabilität und Validität einer Methode zur Klassifizierung von Produkteigenschaften, Wiesbaden, 2000 >Schmidt-Mänz, Nadine: Untersuchung des Suchverhaltens im Web, Dissertation, Univ. Karlsruhe, 2006 >Seth, Godin: Purple cow, so infizieren Sie Ihre Zielgruppe durch virales Marketing, Frankfurt am Main u.a., 2004 >Stocksmeier, Thorsten: Business-Webdesign, Berlin, 2002 >Wiedmaier, Philipp: Optimierung für Suchmaschinen am Beispiel von Google, Saarbrücken, 2007 >Wolff, Christiane: Online-PR professionell gestalten, Berlin, 2005