Drittstaaten und die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofs: Die Monetary Gold-Doktrin [1 ed.] 9783428543878, 9783428143870

Der Internationale Gerichtshof (IGH) kann einen Streitfall zwischen zwei Staaten nur mit der Zustimmung der Parteien ent

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Drittstaaten und die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofs: Die Monetary Gold-Doktrin [1 ed.]
 9783428543878, 9783428143870

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel

Band 192

Drittstaaten und die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofs Die Monetary Gold-Doktrin

Von Tobias Thienel

Duncker & Humblot · Berlin

TOBIAS THIENEL

Drittstaaten und die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofs

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel In der Nachfolge von Jost Delbrück herausgegeben von Andreas von Arnauld, Nele Matz-Lück und K e r s t i n O d e n d a h l Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht

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Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Christine Chinkin London School of Economics James Crawford International Court of Justice, The Hague Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Rainer Hofmann Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt a.M. Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Eibe H. Riedel Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights Law Allan Rosas Court of Justice of the European Union, Luxemburg Bruno Simma Iran International States Claims Tribunal, The Hague Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit, Heidelberg

Drittstaaten und die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofs Die Monetary Gold-Doktrin

Von

Tobias Thienel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-14387-0 (Print) ISBN 978-3-428-54387-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-84387-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 2012/2013 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen worden. Neuere Literatur und Rechtsprechung konnten für die Druckfassung noch bis Mai 2015 berücksichtigt werden. Alle Internetfundstellen befinden sich ebenfalls auf diesem Stand. Bei der Erstellung dieser Arbeit, die sich über einige Jahre hingezogen hat, habe ich von vielen Personen Unterstützung erfahren. An dieser Stelle kann ich nur einigen von ihnen namentlich danken. In erster Linie gilt mein herzlicher Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Andreas Zimmermann, LL.M. (Harvard). Er hat nicht nur während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am WaltherSchücking-Institut in Kiel den entscheidenden Anstoß zu dem Thema gegeben und später das Erstgutachten erstattet. Er hat es auch verstanden, mein Interesse am Völkerrecht und besonders am Recht des Internationalen Gerichtshofs zu jeder Zeit wach zu halten und zu fördern. Weiter danke ich Frau Prof. Dr. Kerstin Odendahl für die zügige Erstellung ihres Zweitgutachtens. Ihr, Herrn Prof. Dr. Andreas von Arnauld und Frau Prof. Dr. Nele Matz-Lück danke ich außerdem für die Aufnahme dieser Arbeit in die Schriftenreihe des Walther-Schücking-Instituts. Am Walther-Schücking-Institut ist der weitaus größte Teil dieser Arbeit entstanden. An diesem ältesten universitären Völkerrechtsinstitut der Welt habe ich hervorragende materielle Arbeitsbedingungen vorgefunden. Außerdem habe ich zu jeder Zeit freundliche Aufnahme in eine herzliche, hilfsbereite und stimulierende „Institutsfamilie“ gefunden. Stellvertretend für die gesamte „Institutsfamilie“ der letzten Jahre möchte ich an dieser Stelle nur Frau Dr. Ursula E. Heinz namentlich danken, die während der Entstehung dieser Arbeit sowie davor und danach stets die „Institutsfamilie“ wesentlich geprägt hat. Weiter danke ich besonders Herrn Dr. Björn Elberling und Herrn Nicki Boldt für zahlreiche Diskussionen während unserer gemeinsamen Zeit am Institut und danach. Beiden danke ich zugleich für die Durchsicht der Arbeit. Schließlich hatte meine Familie erheblichen Anteil am Gelingen des Promotionsvorhabens. Auf die Unterstützung, die Geduld und das Interesse meiner Familie konnte ich zu jeder Zeit bauen, und bei meiner Familie habe ich, wie schon immer, so auch zu Zeiten des Promotionsvorhabens Rückhalt gefunden. Dafür möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Namentlich hervorheben möchte ich meine Eltern, Hartmut und Jutta Thienel, sowie Ilse Huckfeldt. Allen dreien ist diese Arbeit gewidmet. Kiel, im Juni 2015

Tobias Thienel

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Erster Teil Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

26

A. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

Zweiter Teil Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

248

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 C. Exkurs: Die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch andere internationale Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Erster Teil Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

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A. Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Der Ursprung: Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943 . . . . . . 26 II. Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Certain Phosphate Lands in Nauru . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 IV. East Timor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Schiedsgerichtliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 1. Affaire relative à l’or de la Banque nationale de l’Albanie . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Larsen v. Kingdom of Hawaii . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 VI. Zusammenfassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Begründung aus dem Jurisdiktionsregime des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Das Erfordernis der Zustimmung für die Jurisdiktion des IGH . . . . . . . . . . . . 54 a) Die Situation im allgemeinen Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 b) Das Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Der Jurisdiktionsbegriff: die Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Generelle und spezielle Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (2) Abstrakte und konkrete Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (a) Die Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (b) Die konkrete Jurisdiktion und das Erfordernis einer gesonderten Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (aa) Die Rechtsprechung des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (bb) Die Interessen- und Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (3) Personelle, inhaltliche und zeitliche Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . 81 (4) Zwischenergebnis: Zum hier verwendeten Jurisdiktionsbegriff . . . 84 bb) Die Fälle der zwingenden Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Die Fälle der inzidenten Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (a) Die Kompetenz-Kompetenz (Art. 36 Abs. 6 des Statuts) . . . . . 86

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Inhaltsverzeichnis (b) Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen (Art. 41 des Statuts) 92 (c) Die Interpretation von Urteilen (Art. 60 des Statuts) . . . . . . . . 95 (d) Die Wiederaufnahme (Art. 61 des Statuts) . . . . . . . . . . . . . . . . 97 (e) Zusammenfassung zu den Fällen der inzidenten Jurisdiktion . . 97 (2) Mögliche Fälle einer zwingenden Jurisdiktion in der Hauptsache . 97 (a) Jurisdiktionsbegründung durch den Sicherheitsrat? . . . . . . . . . 98 (b) Zwingende Jurisdiktion kraft jus cogens? . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Zusammenfassung zur zwingenden Jurisdiktion des IGH . . . . . . . 104 c) Zwischenergebnis zum Jurisdiktionsregime des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Die Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten als Voraussetzung einer Überschreitung der Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Die Ausübung der Hauptsachejurisdiktion des IGH über Drittstaaten . . . . 105 aa) Der Begriff der Ausübung von Hauptsachejurisdiktion . . . . . . . . . . . . 105 (1) Das Konzept der Jurisdiktion im Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) Der Schutzumfang der staatlichen Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . 112 (3) Gegenprobe anhand der Betroffenheit staatlicher Interessen im Gutachtenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (a) Die Rechtsprechung des StIGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (b) Die Rechtsprechung des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 (4) Zwischenergebnis zum Konzept der Ausübung gerichtlicher Hauptsachejurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 bb) Möglichkeit der Ausübung von Hauptsachejurisdiktion über Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (1) Die Relativität der Entscheidungswirkungen (Art. 94 Abs. 1 der Charta, Art. 59 des Statuts) und die Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Ausnahme bei Grenzziehungsfällen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (3) Exkurs: Art. 59 des Statuts und die Präzedenzwirkung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (4) Zwischenergebnis zur Ausübung von Hauptsachejurisdiktion über Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 b) Die Ausübung der inzidenten Jurisdiktion des IGH über Drittstaaten . . . . 139 c) Zwischenergebnis zur Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten . . . . . . 141 3. Zwischenergebnis zur Begründung der Monetary Gold-Doktrin aus dem Jurisdiktionsregime des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Konsequenz für die Begründung der Monetary Gold-Doktrin aus der Maxime nemo dat quod non habet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Begründung aus dem Erfordernis eines dispute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Begründung als Aspekt der Zulässigkeit (admissibility) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Zu den inhärenten Kompetenzen des IGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Inhärente Kompetenzen kraft eines allgemeinen Rechtsprinzips . . . . . . . . 153 b) Ableitung inhärenter Kompetenzen des IGH aus dem Statut . . . . . . . . . . . 156

Inhaltsverzeichnis

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2. Monetary Gold als Fall einer inhärenten Abweisungskompetenz . . . . . . . . . . 158 a) Unzulässigkeit wegen einer rechtswidrigen mittelbaren Drittwirkung des Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Mittelbare Drittstaatsbelastung als pacta tertiis-Problem nach Art. 34 WVK? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (1) Unzulässiger Entzug von Rechten durch den mittelbar belastenden Vertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 (a) Rechtsfolgen eines mittelbar belastenden Vertrags für einen Drittstaat im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (b) Abweichende Lösung wegen Art. 103 der Charta? . . . . . . . . . . 169 (aa) Geltung des Art. 103 der Charta für das Sekundärrecht . . . 170 (bb) Bedeutung des Art. 103 der Charta: Vorrang oder Vorzugsanordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (cc) Vereinbarkeit der Geltung des Art. 103 der Charta mit dem Statut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (c) Zwischenergebnis zum Entzug fremder Rechte durch einen mittelbar belastenden Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 (2) Unzulässigkeit der faktischen mittelbaren Drittstaatsbelastung gemäß Art. 34 WVK? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Sonstiges relevantes Verbot einer mittelbaren Drittstaatsbelastung? . . 190 (1) Verbot mittelbarer Drittstaatsbelastungen aufgrund der betroffenen Vertragsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (2) Gewohnheitsrechtliches Verbot der Vereitlung fremder Vertragsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Gewohnheitsrechtliches Verbot mittelbarer Drittstaatsbelastungen im Übrigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Zwischenergebnis zur mittelbaren Drittwirkung von Urteilen . . . . . . . 195 b) Herleitung aus einem kollateralen Schutz des Jurisdiktionsregimes? . . . . . 196 aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 bb) Umfang der Unzulässigkeit des Drittstaatsbezugs . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (1) Unzulässigkeit bei subjektivem Missbrauch? . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (2) Anknüpfung an die Betroffenheit staatlicher Interessen im Gutachtenverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (3) Maßstab der hypothetischen Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (a) Grundlagen der Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (b) Die Rechtskraft inzidenter Feststellungen im innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (c) Die Rechtskraft inzidenter Feststellungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 cc) Zwischenergebnis zum Gebot der Zustimmung eines Drittstaats . . . . . 222 c) Herleitung der Notwendigkeit der Anwesenheit des Drittstaats im Prozess 222 aa) Missachtung des Art. 53 Abs. 1 des Statuts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224

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Inhaltsverzeichnis bb) Zum Inhalt des Prinzips audiatur et altera pars . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 IV. Zwischenergebnis zur Begründung der Monetary Gold-Formel . . . . . . . . . . . . . 234 V. Abgleich mit anderen Drittstaatsproblemen des allgemeinen Völkerrechts . . . . . 236 1. Monetary Gold und Drittstaaten im Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Monetary Gold und das Recht der Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Zweiter Teil Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

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A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Mögliche Drittstaatsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Zur Anwendung der Monetary Gold-Formel im Nauru-Fall: Parallele Verantwortlichkeit mehrerer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 b) Weitere Fallgruppen mit Bezug auf die Verantwortlichkeit eines Drittstaats 254 aa) Beihilfe und Anstiftung zu völkerrechtlichen Delikten eines Drittstaats 254 bb) Auslieferungs- und Abschiebungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Beistandspflichten gegen bewaffnete Angriffe eines Drittstaats . . . . . . 261 dd) Andere Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 ee) Pflichten der Nichtanerkennung des deliktischen Handelns eines Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (1) Zwingende vorherige Feststellung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (2) Zwingende vorherige Feststellung über den Drittstaat betreffende Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (3) Zwingende vorherige Feststellung der Gewaltsamkeit eines Gebietserwerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 ff) Ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten durch die Anrechnung eines Guts des Klägers auf eine Forderung eines Drittstaats: der Certain Property-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 gg) Herausgabeansprüche des Eigentümers nach einer Wegnahme durch einen Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 hh) Berufung auf höhere Gewalt wegen Handlungen eines Drittstaats . . . . 275 ii) Völkerrechtswidrige Anerkennung eines Urteils aus einem Drittstaat: der Jurisdictional Immunities-Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 jj) Prüfung einer nur hypothetischen Verantwortlichkeit des Drittstaats . . 277 2. Ansprüche eines Drittstaats auf streitgegenständliche Gebiete oder Sachen . . 280 a) Gebietsansprüche des Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 aa) Ansprüche eines Drittstaats auf Seegebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 bb) Ansprüche eines Drittstaats auf Gebiete an Land . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 b) Eigentum des Drittstaats an einer streitbefangenen Sache . . . . . . . . . . . . . 289

Inhaltsverzeichnis

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c) Zwischenergebnis: Zur Zweiteilung der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . 291 3. Betroffenheit eines Drittstaats aufgrund des Rechtsfolgenausspruchs des IGH 296 a) Befähigung zur Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags mit einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Befähigung zur Untersagung der Vertragserfüllung durch den Beklagten . 303 c) Gemeinsame Verantwortlichkeit und anteilige oder gesamtschuldnerische Schadensersatzpflicht des Beklagten mit einem Drittstaat . . . . . . . . . . . . . 306 4. Befähigung zur Anwendung eines im Verhältnis zu einem Drittstaat geltenden Völkerrechtssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 5. Unzulässigkeit wegen Fehlens nur bei einem Drittstaat vorliegender Beweismittel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 6. Fazit zur Anwendung ratione materiae der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . 316 II. Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ratione personae . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Ausnahmen von der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin? . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Die Verantwortlichkeit eines Drittstaats als feststehende Tatsache („given“/ „donnée“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Die Antwort auf die Drittstaatsfrage als allgemeinkundige Tatsache . . . . . 323 b) Die Antwort auf die Drittstaatsfrage als zugestandene Tatsache . . . . . . . . . 326 c) Die Drittstaatsfrage ist bereits rechtskräftig entschieden . . . . . . . . . . . . . . . 327 d) Verbindliche Beantwortung der Drittstaatsfrage durch die UN . . . . . . . . . . 329 2. Normen des jus cogens oder mit Wirkung erga omnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 3. Bloße Tatsachenfeststellungen über den Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 4. Untergang des Drittstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 IV. Gebotene prozessuale Rolle des Drittstaats nach der Monetary Gold-Doktrin . . 346 V. Verzicht auf die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch den Drittstaat? . 355 1. Verzicht in einem konkreten Fall der Drittbetroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 2. Vertraglicher Ausschluss der Monetary Gold-Doktrin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 VI. Zusammenfassung des Inhalts der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 I. Prüfung der Monetary Gold-Doktrin von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 II. Monetary Gold-Hindernis erst aufgrund des Vortrags einer Partei? . . . . . . . . . . . 368 III. Intervention des Drittstaats im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 IV. Die Berechtigung des Drittstaats zur Erhebung Vorgängiger Einreden . . . . . . . . 374 V. Der Monetary Gold-Einwand als nicht ausschließlich vorgängige Einrede . . . . . 376 C. Exkurs: Die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch andere internationale Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 I. Zur völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 II. Zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 III. Zur Streitbeilegung in der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

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Inhaltsverzeichnis IV. Zum Internationalen Strafgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 1. Komplementarität des IStGH und Strafverfolgungspflichten der Staaten . . . . 390 2. Mitverurteilung eines Staates bei Verurteilungen wegen Völkermords, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit . . . . . . . . . . . . . 392 3. Mitverurteilung eines Staates bei einer Verurteilung wegen Aggression . . . . . 393

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

Abkürzungsverzeichnis Für die gängigen Abkürzungen der deutschen Rechtssprache wird auf Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Auflage, Berlin 2008, verwiesen. Ergänzend gilt folgendes Verzeichnis: AC AcP AD AFDI African YIL AJICL AJIL All ER All ER (Comm) Ann. IDI Australian YIL AVR BDGVR BFH/NV BGE BusLR BT-Drs. BVerfG-K BYIL Cambridge LJ Ch Charta Chinese JIL CJ CR DLR DSB DtZ Duke JCIL ebda. EGMR EJIL EKMR

Teilserie Appeals Cases der Law Reports des Incorporated Council for Law Reporting Archiv für die civilistische Praxis Annual Digest and Reports of Public International Law Cases Annuaire Français de Droit International African Yearbook of International Law African Journal of International and Comparative Law American Journal of International Law All England Law Reports All England Law Reports, Commercial Cases Annuaire de l’Institut de Droit international Australian Yearbook of International Law Archiv des Völkerrechts Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Sammlung der [nicht amtlich veröffentlichten] Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des [Schweizerischen] Bundesgerichts Business Law Reports des Incorporated Council for Law Reporting Bundestagsdrucksache Kammer des Bundesverfassungsgerichts British Yearbook of International Law Cambridge Law Journal Teilserie Chancery der Law Reports des Incorporated Council for Law Reporting Charter of the United Nations, UNCIO 15, S. 335 Chinese Journal of International Law Chief Justice Verhandlungsprotokoll des IGH (compte rendu) Dominion Law Reports (Kanada) Dispute Settlement Body (WTO) Deutsch-deutsche Rechts-Zeitschrift Duke Journal of Comparative & International Law ebenda Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte European Journal of International Law Europäische Kommission für Menschenrechte

16 ER ETS EuGRZ EWCA Civ EWCA Crim F.2d F.3d Finnish YIL Fordham ILJ FS GA Res. GAOR GC GLJ GoJIL GS GYIL Harvard ILJ Hastings ICLR HRLR HRLRep ICJ Pleadings ICJ Reports ICLQ IGH ILC ILM ILR IR ISGH IStGH Italian YIL J Japanese YIL JCLIL JCSL JICJ JIDS JJ JöR n.F. JWT LJ LJIL

Abkürzungsverzeichnis English Reports European Treaty Series Europäische Grundrechte-Zeitschrift Ordnungsnummer der Urteile des Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales) (ab 2001) Ordnungsnummer der Urteile des Court of Appeal (Criminal Division) (England und Wales) (ab 2001) Federal Reporter, Second series Federal Reporter, Third series Finnish Yearbook of International Law Fordham International Law Journal Festschrift/Essays [o. ä.] in Honour of/Mélanges/Liber Amicorum Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen General Assembly Official Records Urteil/Entscheidung der Großen Kammer des EGMR German Law Journal Goettingen Journal of International Law Gedächtnisschrift/Essays in Memory of German Yearbook of International Law Harvard International Law Journal Hastings International and Comparative Law Review Human Rights Law Review Human Rights Law Reports ICJ Pleadings, Oral Arguments and Documents International Court of Justice, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Decisions International and Comparative Law Quarterly Internationaler Gerichtshof International Law Commission International Legal Materials International Law Reports Irish Reports Internationaler Seegerichtshof Internationaler Strafgerichtshof Italian Yearbook of International Law (als richterliche Amtsbezeichnung) Mr. Justice/Mrs. Justice Japanese Yearbook of International Law Journal of Comparative Legislation and International Law Journal of Conflict and Security Law Journal of International Criminal Justice Journal of International Dispute Settlement Justices Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, neue Folge Journal of World Trade (als richterliche Amtsbezeichnung) Lord Justice of Appeal/Lady Justice of Appeal Leiden Journal of International Law

Abkürzungsverzeichnis Lloyd’s Rep. LNTS LPICT Martens NRGT III

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Lloyd’s Law Reports League of Nations Treaty Series Law and Procedure of International Courts and Tribunals Georg Friedrich von Martens/Heinrich Triepel, Nouveau Recueil Général de Traités et Autres Actes relatifs aux Rapports de Droit International, Troisième Série, Leipzig Max Planck UNYB Max Planck Yearbook of United Nations Law Michigan JIL Michigan Journal of International Law Miskolc JIL Miskolc Journal of International Law MR Master of the Rolls MRM MenschenRechtsMagazin Nordic JIL Nordic Journal of International Law NordÖR Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland NYIL Netherlands Yearbook of International Law ÖZÖRV Österreichische Zeitschrift für Öffentliches Recht und Völkerrecht P (Alte) Teilserie Probate, Divorce and Admiralty der Law Reports des Incorporated Council for Law Reporting PCA Permanent Court of Arbitration PCIJ Permanent Court of International Justice (amtliche Veröffentlichungen) QB Teilserie Queen’s Bench der Law Reports des Incorporated Council for Law Reporting RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RBDI Revue belge de droit international Recueil des Cours Recueils des Cours de l’Academie de Droit International de La Haye REDI Revista española de derecho internacional RDI Rivista di diritto internazionale RDILC Revue de droit international et de législation comparée RGDIP Revue générale de droit international public RIAA Reports of International Arbitral Awards RJD Reports of Judgments and Decisions (EGMR) SAYIL South African Yearbook of International Law SC Session Cases (Sammlung der Entscheidungen des schottischen Court of Session) SCR Supreme Court Reports (Kanada) SC Res. Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz (des EuGH/EuG) SLT Scots Law Times Statut (ohne nähere Angabe) Statute of the International Court of Justice, UNCIO 15, S. 355 StIGH Ständiger Internationaler Gerichtshof SZIER Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht UKHL Ordnungsnummer der Urteile des House of Lords (ab 2001) UKSC Ordnungsnummer der Urteile des UK Supreme Court

18 UNCIO UNTS U.S. Vanderbilt JTL Virginia JIL VN WLR WTO WVK Yale JIL ZaöRV

Abkürzungsverzeichnis United Nations Conference on International Organization United Nations Treaty Series United States Reports (amtliche Sammlung des United States Supreme Court) Vanderbilt Journal of Transnational Law Virginia Journal of International Law Vereinte Nationen (Zeitschrift) Weekly Law Reports des Incorporated Council for Law Reporting World Trade Organization Vienna Convention on the Law of Treaties, UNTS 1155, S. 331 Yale Journal of International Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Einleitung „Among any group of individuals, the acts of one or several will have peripheral effects on all the others. The likelihood and intensity of third-party effects increases as the level of interaction rises.“1

Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof haben in aller Regel zwei Parteien.2 Ein Staat verklagt einen anderen, oder zwei Staaten bringen einen zwischen ihnen bestehenden Rechtsstreit gemeinsam vor den Gerichtshof.3 Dabei kann es beispielsweise um eine angebliche Völkerrechtsverletzung und ihre Rechtsfolgen gehen, um einen bestimmten Anspruch gegen den Prozessgegner oder um die Bestimmung des Grenzverlaufs zwischen den beiden Parteien. Das Verfahren vor dem IGH wird sich dann nur zwischen den beiden Parteien abspielen. Der IGH wird den Fall entscheiden können, wenn beide Staaten insoweit die Jurisdiktion des Gerichtshofs anerkannt haben und kein Unzulässigkeitsgrund eingreift. Sein Urteil wird dann für die Parteien in Rechtskraft erwachsen und möglicherweise konkrete Pflichten begründen.4 Andere Staaten oder sonstige Akteure sind nicht im Rechtssinne an das Urteil gebunden. Das besagt zumindest Art. 59 des Statuts, der in seiner authentischen englischen Sprachfassung5 wie folgt lautet: „The decision of the Court has no binding force except between the parties and in respect of that particular case.“6

Dritte scheinen daher für das Verfahren vor dem IGH keine Rolle zu spielen.7 Sie können nur in einem Verfahren als Intervenient auftreten, wenn sie ein rechtliches 1

Reisman, Nullity, S. 329; zustimmend Aust, Complicity, S. 311. Lowe, ICLQ 61 (2012), S. 209, 216. 3 Vgl. Art. 40 Abs. 1 des Statuts. 4 Art. 94 Abs. 1 der Charta; Art. 59, 60 Satz 1 des Statuts. 5 Soweit es auf den Wortlaut des Statuts ankommt und keine Unterschiede zwischen den authentischen Sprachfassungen (Art. 111, 92 Satz 2 der Charta) bestehen, werden in dieser Arbeit nur die englische und die französische Fassung zitiert. Die deutsche Übersetzung (BGBl. 1973 II 505) ist irrelevant, ebenso wie die Regelung des Art. 39 des Statuts über die Amtssprachen des IGH; zu Ersterem (aus der Sicht des deutschen Rechts) Rojahn, in: von Münch/Kunig, Art. 59 Rn. 46, zu Letzterem Kohen, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 39 Rn. 22. 6 In der französischen Fassung: „La décision de la Cour n’est obligatoire que pour les parties et dans le cas qui a été décidé.“ Zu einer abweichenden Auffassung, nach der Urteile des IGH in Grenzziehungsfällen alle Staaten binden, vgl. noch unten, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (2) dieser Arbeit. 7 Vgl. zu diesem aus Art. 59 des Statuts folgenden Anschein Aust, Complicity, S. 297 f.; Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 67; Brown, in: 2

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Interesse haben, das durch das Urteil berührt werden kann (Art. 62 Abs. 1 des Statuts) oder wenn der IGH zur Anwendung eines multilateralen Vertrags berufen ist, dessen Parteien auch sie sind (Art. 63 Abs. 1 des Statuts). Ansonsten kommen Dritte in den Regelungen des Statuts und der Verfahrensordnung über den Gang des streitigen Verfahrens fast gar nicht vor.8 Materiell-rechtlich können Dritte aber durchaus in ein Verfahren vor dem IGH involviert sein. So kann es in dem Verfahren etwa um ein völkerrechtliches Delikt gehen, das der Beklagte gemeinsam mit einem oder sogar mehreren weiteren Staaten begangen hat oder das andere Staaten unabhängig voneinander in gleicher Weise begangen haben.9 Der Streitgegenstand kann also praktisch derselbe sein wie bei einem hypothetischen Prozess gegen einen Dritten, und das Urteil des IGH kann daher ohne Weiteres auf die Situation des Dritten übertragbar sein. Auch kann streitgegenständlich gerade eine Beteiligung des Beklagten an einem Delikt eines nicht in den Prozess einbezogenen Staates sein, oder es kann mit der Klage begehrt werden, dass der Beklagte gegen ein fremdes Delikt einschreite.10 Außerdem kann es vorkommen, dass ein Rechtsstreit vor dem IGH über Territorialansprüche der Prozessparteien auch Gebiete berührt, an denen dritte Staaten Ansprüche geltend machen.11 Dritte können also inhaltlich durchaus von einer Sachentscheidung des IGH zwischen anderen Staaten betroffen sein. Solche Sachverhalte sind umso mehr zu erwarten, je mehr sich die zwischenstaatlichen Beziehungen intensivieren und verdichten.12 Je mehr Staaten zusamZimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 68; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051; vgl. auch Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 376. 8 Vgl. Guyomar, Commentaire, S. 340: „[T]ant que l’affaire est pendante, aucune communication n’est faite aux gouvernements [gemeint sind Drittstaaten], sauf celles qui découlent de l’application des articles 62 et 63 du Statut.“ Auch der Zugang weiterer parteifähiger Staaten zu den Schriftsätzen der Parteien gemäß Art. 53 der Verfahrensordnung steht – wie auch die Notifikation des Kanzlers des IGH an die weiteren Parteien eines multilateralen Vertrags nach Art. 63 Abs. 1 des Statuts und Art. 43 der Verfahrensordnung – in Verbindung mit den Interventionsrechten nach Art. 62, 63 des Statuts; dazu Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 25 ff.; Guyomar, Commentaire, S. 337. 9 Vgl. z. B. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 259 ff. 10 Vgl. z. B. IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 100 ff.; PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 588 ff. 11 Vgl. z. B. IGH, Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Merits, ICJ Reports 1982, S. 18, 91; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 25 f.; Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Merits, ICJ Reports 2001, S. 40, 109, 116; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 421; Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 756; vgl. auch IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 348, 367 f., 372. 12 S. die eingangs zitierte Auffassung von Reisman (mit Zustimmung von Aust), sowie Damrosch, in: dies., S. 376 („As interstate relationships become more complex, it is increa-

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menarbeiten, desto eher wird es sich ergeben, dass es sich bei einem Sachverhalt, der vor dem IGH als rechtswidrig angegriffen wird, um eine gemeinsame Handlung mehrerer Staaten handelt. Denkbar ist beispielsweise, dass mehrere Staaten jeweils gleichförmig gehandelt haben oder dass an einem vorgeblichen Delikt eines Staates andere Staaten im Hintergrund mitgewirkt haben. Dies alles kann im Übrigen auch im Rahmen internationaler Organisationen geschehen;13 zu nennen ist insoweit beispielsweise das Vorgehen der NATO gegen Libyen im Jahr 2011 oder der gemeinsame Einsatz der NATO gegen Jugoslawien im Kosovo-Konflikt im Jahr 1999, der zu Klagen vor dem IGH gegen jeden der beteiligten Mitgliedstaaten geführt hat.14 Rechtsstreitigkeiten mit inhaltlichem Bezug zu den Interessen dritter Staaten und anderer Akteure sind auch deshalb umso mehr zu erwarten, weil sich im Prozess der Konstitutionalisierung des Völkerrechts weitere Normen herausbilden, die Staaten bestimmte Reaktionen auf fremdes völkerrechtswidriges Handeln gebieten. So sieht etwa Art. 41 Abs. 1 der ILC Artikel über die Staatenverantwortlichkeit – wohl im Sinne einer progressiven Fortentwicklung des Völkerrechts – vor, dass Staaten zur Beseitigung schwerer Völkerrechtsverstöße zusammenzuarbeiten haben.15 Wird nun diese Verpflichtung eingeklagt, ohne dass der für den schweren Völkerrechtsverstoß verantwortliche Staat am Prozess teilnimmt, wird es vor dem IGH zugleich um die Unterlassung dieser Zusammenarbeit durch den Beklagten und um die Verantwortlichkeit des Drittstaats gehen. Der Dritte wäre dann durch das Urteil inhaltlich betroffen.

singly unlikely that any particular dispute will be strictly bilateral in character“); ihr zustimmend IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 298; vgl. auch Kolb, ICJ, S. 565, 570; Nollkaemper, JIDS 4 (2013), S. 277, 278 f. 13 Vgl. Bordin, LPICT 11 (2012), S. 325, 335. In diesem Fall stellen sich auch Fragen der Zurechnung der streitgegenständlichen Handlungen entweder zur internationalen Organisation oder zu den Mitgliedstaaten; dieses Problem liegt an sich außerhalb der Fragestellung dieser Arbeit (vgl. aber Schütze, Zurechenbarkeit, passim), wirft aber für hiesige Zwecke die Möglichkeit auf, dass betroffener Dritter auch eine internationale Organisation sein könnte. Dennoch wird hier der Einfachheit halber – und der übrigen Diskussion folgend – im Wesentlichen der Ausdruck „Drittstaat“ verwendet werden. 14 Vgl. zu diesen Klagen die Urteile des IGH über die Preliminary Objections in den Fällen gegen Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Frankreich, Kanada, die Niederlande, Portugal und das Vereinigte Königreich: Legality of Use of Force, ICJ Reports 2004, S. 279 ff., und die Entscheidungen über einstweilige Maßnahmen in den Fällen gegen Spanien und die USA, ICJ Reports 1999, S. 761 ff., 916 ff. 15 ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 53; vgl. dazu den Kommentar der ILC, ebda., S. 287, sowie Gaja, GS Schachter, S. 31, 34 f.; Tams, AVR 40 (2002), S. 331, 344; Wyler/Castellanos-Jankiewicz, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 284, 305. Mit der Konstitutionalisierung des Völkerrechts steht dies insoweit in Verbindung, als hierzu die Qualifizierung der Völkerrechtsgemeinschaft als Rechtsgemeinschaft und auf dieser Grundlage die Herausbildung und die gemeinsame Durchsetzung fundamentaler Normen gehören; vgl. dazu Peters, FS Delbrück, S. 535, 541, bzw. Kadelbach/Kleinlein, GYIL 50 (2007), S. 303, 316 f.

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Wäre ein so an der Sache interessierter dritter Staat mit verklagt worden, wäre gemäß Art. 36 des Statuts die Jurisdiktion des IGH von einem Zustimmungsakt dieses Staates abhängig. Es müsste entweder eine vertragliche Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Gerichtshofs i.S.d. Art. 36 Abs. 1 des Statuts vorliegen oder eine Erklärung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts oder eine durch eine gemeinsame Verfahrenseinleitung aller Parteien erklärte allseitige Zustimmung (Art. 36 Abs. 1 1. Var. des Statuts); alternativ könnte die Jurisdiktion nach Klageerhebung nach der Rechtsfigur des forum prorogatum begründet werden.16 Außerdem hätte der Staat als Partei des Verfahrens alle Rechte, die das Statut und die Verfahrensordnung den Parteien gewähren. Er könnte namentlich Schriftsätze an den Gerichtshof richten und an den mündlichen Verhandlungen teilnehmen (Art. 43 Abs. 2 und 5 des Statuts). Auch könnte der Staat, wenn die Richterbank keinen Richter seiner Staatsangehörigkeit enthält, einen Richter ad hoc benennen (Art. 31 Abs. 2 bis 5 des Statuts), der die Position des Staates in besonderer Weise in die Beratungen des Gerichts einbringen kann und einzubringen hat.17 Wird der an dem Inhalt des Rechtsstreits besonders interessierte Staat allerdings nicht mit verklagt – und nimmt er auch sonst nicht an dem Verfahren teil –, so hat er diese Rechte einer Partei nicht. Auch seine Zustimmung zur Jurisdiktion des Gerichtshofs ist zumindest nach dem ersten Anschein nicht erforderlich, weil Art. 36 Abs. 1 des Statuts die Jurisdiktion offenbar nur von der Zustimmung der Parteien abhängig macht („The jurisdiction of the Court comprises all cases which the parties refer to it“/„La compétence de la Cour s’étend à toutes les affaires que les parties lui soumettront“18). Das erscheint gleichwohl nicht ganz befriedigend, wenn der Gerichtshof in seinem Urteil über die Rechte und Pflichten der Parteien zugleich einen Ausspruch über die Rechte und Pflichten eines Dritten trifft. Der IGH ist diesem Problem begegnet, indem er seine Befugnis, einen Streit zwischen zwei (oder mehr) Parteien in der Sache zu entscheiden, für den Fall eingeschränkt hat, dass die Interessen eines weiteren Staates in besonderer Weise berührt sind. Grundlegend war hierfür das Urteil in dem Fall Monetary Gold Removed

16 Vgl. StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Merits, PCIJ Series A, No. 5, S. 27 f.; Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools), PCIJ Series A, No. 15, S. 22 ff.; IGH, Corfu Channel, Preliminary Objection, ICJ Reports 1948, S. 15, 27, 28; Certain Questions of Mutual Assistance in Criminal Matters, ICJ Reports 2008, S. 177, 203 ff.; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 672 ff.; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 27 ff.; ders., BYIL 81 (2010), S. 13, 71 ff.; Yee, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 40 Rn. 115 ff. 17 Dazu IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, ICJ Reports 1993, S. 407, 409; Kolb, ICJ, S. 119; Kooijmans, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 31 Rn. 6; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1081 f. 18 Hervorhebungen jeweils nicht im Original.

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from Rome in 1943.19 Eine nähere Darstellung dieses Falls und des darin ergangenen Urteils soll einem späteren Abschnitt dieser Arbeit überlassen bleiben.20 An dieser Stelle sei aber bereits bemerkt, dass der IGH in diesem Fall die Formel entwickelt hat, nach der er einen Fall dann nicht entscheiden kann, wenn die rechtlichen Interessen eines Drittstaats „would not only be affected by a decision, but would form the very subject-matter of the decision.“21

Auf dieses Konzept des „very subject-matter of the decision“ hat sich der Gerichtshof auch in seiner weiteren Rechtsprechung immer wieder bezogen;22 dieser Ausdruck kann als die Monetary Gold-Formel bezeichnet werden. Die Formel ist allerdings nicht sehr präzise. Bisweilen ist allein oder fast allein auf der Grundlage dieser Formel angenommen werden, dass eine einen Drittstaat betreffende Frage „the very subject-matter of the decision“ sei oder gerade nicht sei.23 Auch der IGH ist über eine bloße Subsumtion unter die Formel bisweilen nicht hinausgegangen.24 Die mit dem Urteil im Fall Monetary Gold und der zitierten Formel verbundene Monetary Gold-Doktrin leidet deshalb an einer erheblichen Unschärfe. Die Anwendung der Doktrin durch den Gerichtshof ist daher sogar für unvorhersehbar gehalten worden.25 19 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19 ff. Vgl. zur grundlegenden Bedeutung dieses Urteils IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Schwebel, ICJ Reports 1992, S. 329, 330; Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 359; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 88; Brant, Autorité, S. 84; Crawford, State Responsibility, S. 655; Greig, Virginia JIL 32 (1992), S. 287, 347; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 313; Rosenne, Intervention, S. 161; Schulte, in: Koufa, S. 531, 538; Schütze, Zurechenbarkeit, S. 217 mit Fn. 9; Singh, Role, S. 201; Sybesma-Knol, FS de Waart, S. 442, 450 f.; Thouvenin, AFDI 41 (1995), S. 328, 342; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 21; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1057. 20 S. u., 1. Teil A. I. dieser Arbeit. 21 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32. 22 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1986, S. 392, 431; Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 115 f., 122; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 259 ff.; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105. 23 Vgl. z. B. Aust, Complicity, S. 305 ff.; Simpson, Hastings ICLR 17 (1994), S. 323, 344 f. 24 Vgl. IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports 2005, S. 168, 238, und Application of the Interim Accord of 13 September 1995, ICJ Reports 2011, S. 644, 661, wo der Gerichtshof anscheinend zusätzlich zur Subsumtion unter die Monetary Gold-Formel verneint, dass eine Beantwortung der Drittstaatsfrage eine Voraussetzung der Entscheidung des Falls sei. 25 Tams/Zimmermann, GYIL 51 (2008), S. 391, 414 („the Court’s rather unpredictable application of the Monetary Gold principle“); vgl. auch Besson, SZIER 17 (2007), S. 13, 27 („[l]a CIJ a interprété ce principe de manière plus ou moins stricte selon les affaires“);

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Einleitung

Vor diesem Hintergrund soll in dieser Arbeit untersucht werden, ob und unter welchen Bedingungen der IGH einen Fall in der Sache entscheiden darf, in dem die Interessen eines Dritten involviert sind. Es wird also um die Richtigkeit und den Inhalt der Monetary Gold-Doktrin gehen. Dagegen wird es nicht zentral darum gehen, die Möglichkeiten und Formen der Intervention Dritter im Prozess vor dem IGH darzustellen,26 auch wenn diese am Rande bedeutsam werden können. Als „Dritter“ im Sinne dieses Untersuchungsgegenstands hat dabei mit Blick auf ein Verfahren vor dem IGH zunächst jeder Akteur zu gelten, der nicht Partei dieses Verfahrens ist.27 Auszuscheiden sind damit die Parteien; aber auch der Gerichtshof selbst ist zwar gegenüber den Parteien ein unparteiischer Dritter,28 aber kein Dritter im Sinne der hiesigen Fragestellung.29 Außerdem können aus der Fragestellung bereits alle solchen Dritten ausgeschieden werden, die keinerlei Interesse an dem Verfahren oder seinem Ausgang haben, denn insoweit ergibt sich kein Berührungspunkt zwischen ihnen und dem Verfahren.30 Zu untersuchen ist hier also die Frage, ob und in welchem Umfang der IGH einen Fall entscheiden darf, in dem außer den Parteien des Streitfalls auch die rechtlichen Interessen eines oder mehrerer dritter Staaten involviert sind und von der Sachentscheidung des Gerichtshofs erfasst werden könnten. Um die Berührung staatlicher Interessen im Gutachtenverfahren wird es dabei nur am Rande gehen. Diese Untersuchung wird in einem ersten Hauptteil mit einer Darstellung der wichtigsten Schritte der Rechtsprechung beginnen, bevor die Begründung und Berechtigung der Monetary Gold-Formel näher untersucht werden kann. Anschließend wird im zweiten Hauptteil dieser Arbeit dem Inhalt der so entwickelten Doktrin nachzugehen sein; dies betrifft sowohl die Voraussetzungen und die Crawford, State Responsibility, S. 657 („aura of uncertainty“), 660 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 21; den Heijer, JIDS 4 (2013), S. 361, 375 („inconsistently applied by the ICJ“); Nollkaemper, ebda., S. 277, 289. 26 Vgl. dazu etwa Fritzemeyer, Intervention, passim; Rosenne, Intervention, passim, und die Kommentierungen von Chinkin zu Art. 62 und 63 des Statuts bei Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams. 27 Jouannet, in: Fabri/Sorel, S. 255, 257. „Dritter“ kann dabei selbstverständlich auch ein „Vierter“ oder „Fünfter“ sein, wenn das betreffende Verfahren mehr als zwei Parteien hat. Im Monetary Gold-Fall selbst war der betroffene Drittstaat (Albanien) nach dem Kläger Italien und den Beklagten Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den USA an sich ein „Fünftstaat“. Dieser Ausdruck ist aber nicht nur unelegant, sondern der Begriff „Drittstaat“ verdeutlicht auch unabhängig von der Zufälligkeit der Zahl der Parteien des Falls, dass die Rolle der betroffenen Nicht-Partei eine „dritte“ neben den Rollen der Prozessparteien ist. 28 Merrills, Dispute Settlement, S. 309; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 33 UN Charter Rn. 16. Die Streitbeilegung durch ein Gerichtsverfahren ist eine der beiden Formen der verbindlichen Streitbeilegung durch einen Dritten; die andere Form ist die Anrufung eines Schiedsgerichts; dazu Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 33 UN Charter Rn. 16, 22 ff. 29 Jouannet, in: Fabri/Sorel, S. 255, 257 f. 30 Ebda., S. 258.

Einleitung

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möglichen Ausnahmen eines Sachentscheidungshindernisses wegen der Berührung von Drittstaatsinteressen als auch die prozessuale Behandlung dieses Rechtssatzes.

Erster Teil

Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin A. Die Rechtsprechung Da die Rechtsprechung gerade des IGH die Diskussion über die Zuständigkeit des Gerichtshofes zur Entscheidung eines Falls mit Drittstaatenbezug ganz wesentlich geprägt hat,1 sind nun zunächst die besonders relevanten Fälle und die Eckpunkte der Lösungen des Gerichtshofes darzustellen. Da die Äußerungen des Gerichtshofs häufig stark auf den konkreten Fall bezogen sind und die Frage des Drittstaatsbezugs ohnehin nicht ohne eingehende Kenntnis der Fakten und der in einem Fall gestellten Rechtsfragen beantwortet werden kann,2 wird es dabei nötig sein, auch den Sachverhalt und die Argumentation der Parteien in den jeweiligen Fällen vorzustellen. Dabei werden auch rechtliche Eigenheiten der Fälle zu klären sein, soweit sie zum Verständnis der hier interessierenden Passagen beitragen. Es ist dabei aber nicht Aufgabe dieser Arbeit, die materiellen Rechtsfragen eines Falls einer Lösung zuzuführen oder auch nur in die Begründetheit vorzustoßen. Ebenso wenig soll in diesem Abschnitt die Lösung des Gerichtshofs bewertet werden; dies bleibt späteren Abschnitten der Arbeit vorbehalten.

I. Der Ursprung: Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943 Den leading case zur Frage der Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofes in Verfahren mit Drittstaatenbezug bildet das Urteil des IGH in dem Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943.3 Der zugrundeliegende Sachverhalt

1 Vgl. Jacobs, Mandat, S. 216 f.; Quéneudec, Recueil des Cours 255 (1995), S. 339, 356; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051. 2 Vgl. IGH, East Timor, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 157; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 431. 3 ICJ Reports 1954, S. 19 ff. So auch Greig, Virginia JIL 32 (1992), S. 287, 347; Schulte, in: Koufa, S. 531, 538; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1057. Vgl. auch oben, Einleitung Fn. 19.

A. Die Rechtsprechung

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dieses Falls ist außerordentlich kompliziert4 und wird im Folgenden leicht vereinfacht dargestellt.5 Nach Ende des Zweiten Weltkriegs fanden die Alliierten im besetzten Deutschland noch erhebliche Mengen an Gold, das deutsche Stellen aus besetzten Gebieten entwendet hatten. Allerdings war weitgehend nicht mehr zu erkennen, wem welche spezifischen Goldbestände ursprünglich gehört hatten,6 und soweit dies noch erkennbar war, hatten die Deutschen während des Kriegs in unsystematischer Weise Gold aus den entwendeten einzelnen Beständen entnommen.7 Eine Rückgabe der vorgefundenen Goldvorräte an ihre ehemaligen Eigentümer kam daher nicht mehr in Betracht oder hätte aufgrund der ungleichen Beanspruchung der Bestände durch die Deutschen während des Kriegs zu nicht akzeptablen Diskriminierungen geführt. Vor diesem Hintergrund entschieden die Siegermächte USA, Frankreich und das Vereinigte Königreich, einen Goldpool einzurichten, aus dem Restitutionsansprüche proportional zum Anteil des Anspruchstellers an der gesamten (angemeldeten) entwendeten Menge befriedigt werden sollten.8 Zur Entscheidung über die Restitutionsansprüche wurde eine Kommission der Westalliierten eingerichtet.9 4 Vgl. Aust, Complicity, S. 298; Hilpold, Osttimor, S. 33; Malintoppi, RDI 36 (1954), S. 352; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 431. 5 Detailliertere Darstellungen des Sachverhalts finden sich u. a. in der italienischen Application instituting proceedings vom 19. 05. 1953, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Pleadings, S. 8 ff., in dem Plädoyer von Sir Gerald Fitzmaurice für das Vereinigte Königreich vom 11. 05. 1954, ebda., S. 124 ff., sowie bei: Grotto, MPEPIL, S. 333, 334 f.; Honig, ZaöRV 16 (1955/1956), S. 621, 637 ff.; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 96 ff.; Lalive, RGDIP 58 (1954), S. 438 ff.; Malintoppi, RDI 36 (1954), S. 352 ff.; Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 208 f.; Oliver, AJIL 49 (1955), S. 216, 217 ff.; Reisman, Nullity, S. 793 ff.; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. I, S. 234 ff.; Verzijl, Jurisprudence, Bd. II, S. 193. Eingehende Darstellungen einzelner Aspekte des Sachverhalts durchziehen auch die schiedsrichterliche Entscheidung in Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 19 ff. (Auszüge aus der englischen Fassung in ILR 20 (1953), S. 441 ff.). Zu dieser Entscheidung sogleich und noch unter A. V. 2. 6 Die ursprünglich vorhandenen deutschen Goldvorräte waren bereits während des Kriegs aufgebraucht worden (Oliver, AJIL 49 (1955), S. 216, 217), so dass sich keine Frage der Rückgabe des noch gefundenen Goldes an Deutschland oder der Beschlagnahme als Reparationen stellte. 7 Oliver, AJIL 49 (1955), S. 216, 217. 8 Agreement on Reparation from Germany, on the Establishment of an Inter-Allied Reparation Agency and on the Restitution of Monetary Gold, Paris, 14. 01. 1946, Teil III, UNTS 555, S. 69, 99 (im Folgenden: Pariser Agreement). Parteien des Agreement waren, soweit hier von Interesse, die USA, Frankreich, das Vereinigte Königreich und Albanien. Italien schloss sich Teil III des Agreement durch ein am 16. 12. 1947 zwischen Italien, den USA, dem Vereinigten Königreich und Frankreich in London geschlossenes Protokoll an: abgedruckt als Annex 3 des italienischen Exposé im Monetary Gold-Fall, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Pleadings, S. 34. 9 Die Tripartite Commission for the Restitution of Monetary Gold, von den Regierungen der USA, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs unter Teil III des Pariser Agreement eingerichtet.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Unter anderem hatten deutsche Stellen am 16. 09. 1943 aus einem Gebäude der albanischen Nationalbank in Rom knapp 2.400 Kilogramm Währungsgold10 entwendet und nach Berlin verbracht. Nachdem es sich hierbei einerseits um Gold der albanischen Nationalbank handelte, andererseits aber italienische Investoren mit einer Mehrheit von 88,5 % an der Nationalbank beteiligt gewesen waren,11 als das Gold entwendet wurde,12 kam es vor der Kommission, die über die Vergabe von Teilen des Goldpools zu entscheiden hatte, zum Streit über den Anspruch entweder Italiens oder Albaniens auf Auszahlung aus dem Goldpool.13 Nachdem die Kommission sich für unzuständig für die Beilegung von Streitigkeiten erklärt hatte,14 kamen die Westalliierten überein, einen durch den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes zu bestellenden Schiedsrichter15 mit der Frage zu betrauen, ob das aus 10 D.h. Gold, das die Nationalbank zur Stützung der albanischen Währung eingelagert hatte: Bernhardt, in: Strupp/Schlochauer, S. 545; Grotto, MPEPIL, S. 333, 334; Jenks, Prospects, S. 678; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 96; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 313 Fn. 49; Lalive, RGDIP 58 (1954), S. 438, 445; Wühler, EPIL III, S. 445; anders Honig, ZaöRV 16 (1955/1956), S. 621, 636 f.; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 715; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1057, die von „Münzgold“ sprechen; ähnlich Badía Martí, REDI 45 (1993), S. 556, 560 („oro monedado“). Der Begriff „monetary gold“/„or monétaire“ kann zwar auch das zum Prägen von Münzen verwendete Gold meinen, in diesem Fall war aber die andere Bedeutung gemeint: dazu ausführlich Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 41 ff. Richtig ist allerdings, dass das Währungsgold teilweise auch in Münzen vorgelegen hatte; vgl. Abs. A. des Single Article des Teil III des Pariser Agreement. 11 Dass fremde Staatsangehörige an der Nationalbank eines Staates eine Mehrheit halten konnten, erklärt sich in diesem Fall durch die Mitwirkung des Völkerbundes bei der Organisation der albanischen Volkswirtschaft: Nachdem die Versammlung des Völkerbundes in einer Resolution kleinen Staaten die Möglichkeit eingeräumt hatte, das Finanzkomitee um Hilfe bei der eigenen Wirtschaftspolitik zu ersuchen (Records of the Second Assembly, Plenary Meetings, 1921, S. 488, Ziff. 4), machte Albanien von dieser Möglichkeit Gebrauch (Télégramme du gouvernement albanais au Sécrétaire Général, Société des Nations, Journal Officiel, 3e année, No. 5, S. 434). Das Finanzkomitee und der Rat beauftragten daraufhin einen Experten, Empfehlungen abzugeben (LN Doc. C.706.M.417.19.22.II; Procès-verbal of the Twenty-fourth Session of the Council of the League of Nations, S. 560). Dieser schlug vor, eine durch ausländische Investitionen getragene und von der albanischen Regierung unabhängige Nationalbank zu gründen, die so die Sicherheit weiterer ausländischer Investitionen vor staatlichen Beeinträchtigungen garantieren sollte. Vgl. zum Ganzen auch Die Tätigkeit des Völkerbundes 2 (1922), S. 369, 373, 502 f.; Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 25. Albanien folgte diesen Empfehlungen, und in der Folge wurde durch einen Vertrag zwischen italienischen Banken und der albanischen Regierung die albanische Nationalbank gegründet, die das Monopol der Herausgabe albanischen Geldes erhielt. Vgl. Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 96; Lalive, RGDIP 58 (1954), S. 438, 444 f. 12 Später wurde das gesamte Vermögen der Nationalbank durch ein Gesetz des Albanischen Antifaschistischen Befreiungskomitees entschädigungslos enteignet; durch ein zweites Gesetz wurde eine neue Zentralbank gegründet und ihr das Vermögen der ehemaligen Nationalbank zugewiesen. Vgl. Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 36; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 96 f. 13 Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 30 f. 14 Vgl. ebda., S. 32. 15 Zu dieser Funktion des Präsidenten des IGH vgl. Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 92 UN Charter Rn. 34; Kolb, ICJ, S. 1194 f. Der in diesem

A. Die Rechtsprechung

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Rom geraubte Gold Italien, Albanien oder keinem von beiden zukam.16 Im Ergebnis entschied der Schiedsrichter zugunsten Albaniens.17 Für diesen Fall war in einer Erklärung der Westalliierten zum Washingtoner Abkommen geregelt worden, dass Italien oder Albanien innerhalb von 90 Tagen Klage vor dem Internationalen Gerichtshof erheben konnte.18 Italien sollte dies mit der Behauptung tun können, das albanische Gold stehe ihm zu, weil Albanien nach Kriegsende die albanische Nationalbank, eine italienische Investition, enteignet und aufgelöst hatte19 und dem für die italienischen Investoren auftretenden italienischen Staat deshalb Schadensersatz schuldete.20 Würde weder Italien noch Albanien inFall bestellte Schiedsrichter war Professor Georges Sauser-Hall: Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 22. 16 Agreement between the Government of the French Republic, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the United States of America for the Submission to an Arbitrator of Certain Claims with Respect to Gold Looted by the Germans from Rome in 1943, Washington D.C., 25. 04. 1951, UNTS 91, S. 21 (im Folgenden zitiert als Washingtoner Abkommen). Parteien des Abkommens waren nur die drei Westalliierten, nicht aber Italien oder Albanien. Dennoch stellte sich keine Frage der Zuständigkeit des Schiedsrichters zur Entscheidung auch über italienische und albanische Interessen, weil die Klärung dieser Frage zu den Befugnissen gehörte, die den Westalliierten in Teil III des Pariser Agreement übertragen worden war. Vgl. Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 36; zur Zustimmung aller interessierter Staaten zu Teil III des Pariser Agreement s. o. Fn. 8; andere Begründung bei Lalive, RGDIP 58 (1954), S. 438, 449. 17 Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 51 f.: Der Schiedsrichter kam zu dem Ergebnis, dass für den Anspruch auf eine Auszahlung aus dem Goldpool nicht entscheidend sei, dass ein Staat Eigentümer des von den Deutschen geraubten Goldes gewesen war, sondern dass dieses Gold zur Stützung seiner Währung bestimmt gewesen war. Dies war für Albanien der Fall; die Beteiligung Italiens an der Nationalbank war irrelevant. Im Übrigen sei die albanische Nationalbank Eigentümerin des Goldes gewesen, nicht ihre Anteilseigner. Vgl. dazu auch Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Oral Argument of Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Pleadings, S. 124, 130; Wühler, EPIL III, S. 445, 446. 18 Statement to Accompany Publication of the Agreement between the Governments of the French Republic, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the United States of America for the Submission to an Arbitrator of Certain Claims with Respect to Gold Looted by the Germans from Rome in 1943, United Kingdom Treaty Series, No. 39 (1951) (Command Paper 8242), S. 8 ff.; auch in Department of State Bulletin 24 (1951), S. 785 ff. (im Folgenden zitiert als Washingtoner Statement). Die Klage war gegen die Westalliierten zu richten, weil diese über den Verbleib des Goldes aus dem Goldpool entschieden. Insofern waren auch Frankreich und die USA involviert (a.A. Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 314). 19 S. o., Fn. 12. 20 Die Klage vor dem IGH war damit nicht zur Überprüfung des Schiedsspruches vorgesehen, sondern sollte klären, was unter der Annahme der albanischen Berechtigung an dem Gold mit diesem zu geschehen hatte. Vgl. Dubisson, Cour, S. 223, Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 313 f., und den dritten Absatz des Washingtoner Statement, wo es heißt: „If the opinion of the arbitrator should state that Albania has established a claim under Part III of the Act, the three Powers are confronted by another question (…).“ Ein anderes Argument Italiens fand sich im Washingtoner Statement nur in der Schilderung der Positionen, nicht aber in den Regelungen, wieder: Italien hatte auch argumentiert, die albanische Enteignung habe keine extraterritoriale Wirkung gehabt, und habe deshalb nicht das italienische Eigentum an dem außerhalb Albaniens befindlichen Gold beseitigen können. Dieses Argument hätte in der Tat vorausge-

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

nerhalb der gesetzten Frist Klage erheben, sollte das albanische Gold an das Vereinigte Königreich überstellt werden, als Teil des dem Vereinigten Königreich von Albanien geschuldeten Schadensersatzes aus dem Urteil des IGH im Fall Corfu Channel.21 Die albanische Klage wäre gegen diese Überstellung zu richten gewesen, wurde aber nicht erhoben. Italien allerdings erhob am 19. 05. 1953 Klage gegen das Vereinigte Königreich, die USA und Frankreich, mit der Behauptung, das albanische Gold müsse an Italien als Teil des ihm von Albanien geschuldeten Schadensersatzes für die Enteignung der albanischen Nationalbank ausgeliefert werden, und dieser Anspruch habe Priorität gegenüber dem britischen Anspruch auf Lieferung des Goldes als Schadensersatz aus dem Corfu Channel-Fall.22 Dies tat Italien erklärtermaßen, um die Überstellung des albanischen Goldes an das Vereinigte Königreich durch eine rechtzeitige Klageerhebung zu verhindern, wie es ihm das Washingtoner Statement ermöglichte.23 Gleichzeitig betonte Italien aber, dass es durch das Washingtoner Statement, dem es nicht zugestimmt hatte, praktisch zur Klageerhebung gezwungen worden war, weil es nur so die Überstellung des Goldes an das Vereinigte Königreich hatte verhindern können.24 Daher zweifelte Italien mit Schriftsatz vom 30. 10. 1953 die Zuständigkeit des IGH zur Entscheidung des von Italien selbst vorgelegten Streitfalls an, und ersuchte den Gerichtshof, die Frage seiner Zuständigkeit als Vorfrage zu entscheiden,25 also gemäß Art. 62 der damals geltenden Verfahrensordnung (heute Art. 79) das Verfahren über die Vorgängigen Einreden (Preliminary Objections) zu eröffnen und

setzt, dass die italienischen Investoren vor Erlass des enteignenden albanischen Gesetzes Eigentümer des Goldes gewesen wären. 21 IGH, Corfu Channel, Merits, ICJ Reports 1949, S. 4, 36; Assessment of the Amount of Compensation due from the People’s Republic of Albania, ICJ Reports 1949, S. 244, 250: Albanien war zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von £ 843.947 verurteilt worden. Dieser Verpflichtung war es zur relevanten Zeit noch nicht nachgekommen; zu den politischen Gründen vgl. Maher, Australian Journal of Legal History 9 (2005), S. 48, 78 f. Tatsächlich kam es erst 1992 zu einer Zahlung, die das Vereinigte Königreich als Erfüllung der Verpflichtung aus dem Urteil akzeptierte: Schulte, Compliance, S. 97 f.; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. I, S. 239; vgl. Ajibola, in: Bulterman/Kuijer, S. 20; Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 293 Fn. 53; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 174. Zur Zeit des Urteils in Monetary Gold wurde der Wert des albanischen Goldes auf ca. £ 400.000 geschätzt: Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 98 Fn. 12. 22 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 21 f. 23 Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Question Préliminaire du gouvernement italien, ICJ Pleadings, S. 16, 18 f. 24 Ebda. 25 Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Question Préliminaire du gouvernement italien, ICJ Pleadings, S. 16, 22. Zu dieser Motivation vgl. Aust, Complicity, S. 299; Crawford, State Responsibility, S. 656; Oliver, AJIL 49 (1955), S. 216, 219 f.; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 147. Jacobs, Mandat, S. 216, meint, diese italienische Auffassung zur Unzuständigkeit des IGH sei erst „aus sich neu ergebenden politischen Gründen“ gefolgt. Dafür finden sich keine näheren Anhaltspunkte.

A. Die Rechtsprechung

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das Verfahren über die Hauptsache auszusetzen.26 Der IGH setzte das Verfahren in der Hauptsache „without prejudging the question of the interpretation and application of Article 62 of the Rules of Court“ aus und setzte Fristen für die Einreichung der Schriftsätze Italiens und der anderen Parteien des Falls.27 Inhaltlich argumentierte Italien, der IGH sei unzuständig, weil er durch die italienische Klage, in ihrer durch das Washingtoner Statement vorgegebenen Form, gebeten werde, über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit Albaniens für die Enteignung der Nationalbank ohne dessen Zustimmung zu entscheiden, was einer allgemeinen Regel des Völkerrechts widerspreche, nach der solche Fragen durch ein internationales Gericht nur mit der Zustimmung des betroffenen Staates entschieden werden könnten.28 Gegen dieses italienische Vorbringen wandten die Klagegegner, insbesondere das Vereinigte Königreich, ein, dass Italien als Kläger nicht selbst prozesshindernde Einreden geltend machen könne.29 Ein solches Vorgehen des Klägers selbst sei als Rücknahme der Klage anzusehen und stelle auch keine Klageerhebung im Sinne des Washingtoner Statements dar, weil Italien, entgegen den Voraussetzungen des Washingtoner Statements, die Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht eindeutig anerkannt und keine Feststellung über die materielle Rechtslage beantragt hätte.30

26 Zu diesem Verfahren vgl. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 110 ff. 27 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Order of 3 November 1953, ICJ Reports 1953, S. 44, 45. 28 Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Question Préliminaire du gouvernement italien, ICJ Pleadings, S. 16, 20 f. 29 Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Observations and Submissions of the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland on the Preliminary Question of Competence, ICJ Pleadings, S. 77, 78 ff.; so auch Statement of the Government of the United States of America on the Preliminary Question of Jurisdiction Submitted by the Government of Italy, ebda., S. 86, 90 f. 30 Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Observations and Submissions of the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland on the Preliminary Question of Competence, ICJ Pleadings, S. 77, 80 f. Gerade die letztere Argumentation hatte den offen eingestandenen Zweck, die Rechtsfolge der Überstellung des Goldes an das Vereinigte Königreich nach dem Washingtoner Statement eintreten zu lassen, die für den Fall vorgesehen war, dass Italien nicht oder nicht fristgerecht (oder, nach dieser Argumentation: nicht im Sinne des Washingtoner Statements) Klage erhoben hätte: vgl. ebda., S. 81, 83. Aber auch die erste Argumentation hatte dieses Ziel, da nach der Auffassung des Vereinigten Königreichs eine Klagerücknahme eine Situation herbeigeführt hätte, als wenn nie eine gültige Klage vorgelegen hätte: vgl. ebda., S. 80. Zudem war das Vereinigte Königreich der Meinung, dass erst ein Urteil des IGH, in dem die (Vor-) Rechte Italiens oder Albaniens an dem Gold festgestellt würden, die Rechtsfolge der Überstellung des Goldes an das Vereinigte Königreich hätte ausschließen können: vgl. ebda., S. 79. Der Umstand, dass die Tripartite Commission on the Restitution of Monetary Gold im Jahr 1992 der Verbringung des Goldes aus dem Goldpool zustimmte (dann nach Albanien; dazu Schulte, Compliance, S. 98; Waibel, MPEPIL, S. 792, 795), scheint dieser letzteren Auffassung zu widersprechen.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Der Gerichtshof folgte dieser britischen Argumentation nicht. Er stellte fest, dass Art. 62 (heute Art. 79) der Verfahrensordnung des Gerichtshofes prozesshindernde Einreden des Klägers nicht ausschließt, und dass „[i]t cannot be inferred from the making of the Preliminary Objection that Italy’s acceptance of jurisdiction has become less complete or less positive than was contemplated in the Washington Statement. She continues to hold herself out as being subject to the Court’s jurisdiction in these proceedings as much as she did before taking that step. The same considerations apply to her request for the determination of the questions submitted in her Application. She has requested the Court to settle the problem of jurisdiction before determining those questions. This does not mean that she is asking the Court not to determine those questions under any circumstances. As to the real character of Italy’s Application, the Court has only to observe that her Application, once properly deposited, must be considered as real and as remaining real unless it is formally withdrawn.“31

Zum Inhalt der italienischen Einrede argumentierten die Beklagten, Albaniens Interessen seien bereits durch Art. 59 des Statuts geschützt, der die Bindungswirkung eines Urteils allein auf die Parteien des Verfahrens beschränke.32 Außerdem gehe es in dem Fall um die Frage der Berechtigung Italiens oder des Vereinigten Königreichs an dem fraglichen Gold, und Albanien habe seine Rechte an dem Gold bereits durch die Regelungen des Washingtoner Statements verloren, würde dies also nicht erst durch ein Urteil des Gerichtshofes tun.33 Dieses Vorbringen der Beklagten hatte keinen Erfolg. Der Gerichtshof führte in seinem Urteil vom 15. 06. 1954 aus:34 „The Governments of France, the United States of America, the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, and the Government of Italy […] have referred a case to the Court within the meaning of Article 36 (1) of its Statute. They have thus conferred jurisdiction on the Court to deal with the questions submitted in the Application of the Italian Government.

31 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 29. Dazu kritisch Crawford, State Responsibility, S. 656. Vgl. zum letzten Aspekt, der Gültigkeit einer Klageerhebung als solche bis zu ihrer formellen Rücknahme, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Krec´a, ICJ Reports 2004, S. 371, 395; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 113; Wegen, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Discontinuance and Withdrawal Rn. 29. 32 Im schriftlichen Verfahren brachten nur die USA dieses Argument vor: Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Statement of the Government of the United States of America on the Preliminary Question of Jurisdiction Submitted by the Government of Italy, ICJ Pleadings, S. 86, 94. In den mündlichen Plädoyers übernahm auch Frankreich dieses Argument: Plaidoirie de M. le Professeur Gros (Frankreich), ebda., S. 121, 123. Die USA nahmen an den mündlichen Verhandlungen nicht teil (vgl. die amerikanische Erklärung in der ersten öffentlichen Sitzung am 10. 05. 1954, ebda., S. 98, 101), und das Vereinigte Königreich äußerte sich kaum zum Inhalt der italienischen Einrede. 33 Statement of the Government of the United States of America on the Preliminary Question of Jurisdiction Submitted by the Government of Italy, ebda., S. 86, 93. 34 Im Folgenden werden die Absatzwechsel aus dem Original übernommen.

A. Die Rechtsprechung

33

The Court must, however, examine whether this jurisdiction is co-extensive with the task entrusted to it. […] The first Submission in the Application centres around a claim by Italy against Albania, a claim to indemnification for an alleged wrong. Italy believes that she possesses a right against Albania for the redress of an international wrong which, according to Italy, Albania has committed against her. In order, therefore, to determine whether Italy is entitled to receive the gold, it is necessary to determine whether Albania has committed any international wrong against Italy, and whether she is under an obligation to pay compensation to her; and, if so, to determine also the amount of compensation. […] In the determination of these questions – questions which relate to the lawful or unlawful character of certain actions of Albania vis-à-vis Italy – only two States, Italy and Albania, are directly interested. To go into the merits of such questions would be to decide a dispute between Italy and Albania. The Court cannot decide such a dispute without the consent of Albania. But it is not contended by any Party that Albania has given her consent in this case either expressly or by implication. To adjudicate upon the international responsibility of Albania without her consent would run counter to a well-established principle of international law embodied in the Court’s Statute, namely, that the Court can only exercise jurisdiction over a State with its consent.“35

Damit folgte der Gerichtshof im Wesentlichen der italienischen Rechtsauffassung zu dem Grundsatz, nach dem ein Staat nur mit seiner Zustimmung vor Gericht gebracht werden kann. Die Beklagten hatten aber darüber hinaus vorgetragen, die fehlende Zustimmung Albaniens hindere das Verfahren mit Albanien nur als betroffenem Drittstaat nicht. So zeige die Möglichkeit eines Drittstaats, bei einer Betroffenheit seiner rechtlichen Interessen in einem Fall des Gerichtshofes nach Art. 62 des Statuts zu intervenieren, dass das Statut selbst die Durchführung eines Verfahrens, das Interessen eines Drittstaats berührt, zulasse; auch stehe es somit Albanien frei, seinerseits gemäß Art. 62 zu intervenieren.36 Auch dieser Auffassung der Westalliierten ist der Gerichtshof nicht gefolgt: „Albania has not submitted a request to the Court to be permitted to intervene. In the present case, Albania’s legal interests would not only be affected by a decision, but would form the very subject-matter of the decision. In such a case, the Statute cannot be regarded, by implication, as authorizing proceedings to be continued in the absence of Albania. It is also contended that any decision of the Court on the question submitted by Italy in her Application will be binding only upon Italy and the three respondent States, and not upon Albania. It is true that, under Article 59 of the Statute, the decision of the Court in a given case only binds the parties to it and in respect of that particular case. This rule, however, rests on the assumption that the Court is at least able to render a binding decision. Where, as in the present case, the vital issue to be settled concerns the international responsibility of a third

35

32.

IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19,

36 Statement of the Government of the United States of America on the Preliminary Question of Jurisdiction Submitted by the Government of Italy, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Pleadings, S. 86, 92, 94.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin State, the Court cannot, without the consent of that third State, give a decision on that issue binding upon any State, either the third State, or any of the parties before it. The Court accordingly finds that, although Italy and the three respondent States have conferred jurisdiction upon the Court, it cannot exercise this jurisdiction to adjudicate on the first claim submitted by Italy.“37

Im operativen Teil des Urteils stellte der Gerichtshof dementsprechend fest: „[T]he jurisdiction conferred upon it by the common agreement of France, the United Kingdom, the United States of America and Italy does not, in the absence of the consent of Albania, authorize it to adjudicate upon the first Submission in the Application of the Italian Government.“38

Hinsichtlich des verbliebenen zweiten italienischen Klageantrags, nach dem der Gerichtshof den Vorrang des italienischen Anspruchs auf das Gold gegenüber dem britischen Anspruch feststellen sollte, hatte Italien keine Einrede erhoben.39 Dennoch untersuchte der Gerichtshof, ob er, nachdem er die erste Frage der Existenz des italienischen Anspruchs gegen Albanien nicht entscheiden konnte, die zweite Frage der Priorität dieses Anspruchs gegenüber dem britischen Anspruch, gleichsam hypothetisch, einer Lösung zuführen konnte. Der Gerichtshof führte dazu aus:40 „It might seem that the second claim, unlike the first, only concerns Italy and the United Kingdom, both of whom have already accepted the jurisdiction of the Court. According to the Washington Statement, however, the question of priority between the claim of Italy and that of the United Kingdom will only arise when it has been decided that, as between Italy and Albania, the gold should go to Italy. For the words ,if this issue [the issue of priority]41 should arise‘ used in the Statement could only mean that the issue of priority would call for a decision only if the Court had already decided that Italy had a valid claim to the gold to the gold in question against Albania, thus creating, in the minds of the three Governments, a competitive claim with the claim of the United Kingdom. The dependence of the second claim upon the first is confirmed by the Italian Submission itself. When the Italian Government speaks of ,Italy’s right to receive the said share of monetary gold‘, it is not referring to any hypothetical right; it must be referring to a right which it believes it possesses and which, by the first Submission in its Application, it requests the Court to uphold. […]

37

32 f. 38

IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19,

Ebda., S. 34. Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Question Préliminaire du gouvernement italien, ICJ Pleadings, S. 16, 20; IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 27, 34. 40 Die Absatzwechsel folgen wieder dem Original. 41 Der Einschub in eckigen Klammern stammt vom Gerichtshof. 39

A. Die Rechtsprechung

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The Court accordingly finds that inasmuch as it cannot adjudicate on the first Italian claim, it must refrain from examining the question of priority between the claim of Italy and that of the United Kingdom.“42

Im operativen Teil des Urteils stellt der Gerichtshof demnach zum zweiten italienischen Antrag fest, „that it cannot adjudicate upon the second Submission in the Application of the Italian Government“.43 Die Klage wurde somit in vollem Umfang abgewiesen.

II. Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua Ein ähnliches Argument wie Italien in Monetary Gold brachten die USA in Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua vor. Diesen Fall hatte Nicaragua als Kläger gegen die USA eingereicht, mit der Behauptung, letztere hätten militärische Gewalt gegen Nicaragua angewendet und in seinen inneren Angelegenheiten interveniert.44 Die USA hätten insbesondere eine „Söldnerarmee“ in Basislagern in Honduras aufgestellt, diese in vielfältiger Weise unterstützt und deren Angriffe auf Ziele in Nicaragua gesteuert.45 Zur Jurisdiktion des Gerichtshofs argumentierten die USA daher unter anderem, dass die Beteiligung dritter Staaten (Costa Rica, Honduras und El Salvador), von deren Territorium aus die USA gehandelt haben, und die selbst die USA und die so genannten Söldner unterstützt haben sollen, am laufenden Verfahren zwingend erforderlich sei; ohne eine solche Beteiligung sei der Gerichtshof unzuständig.46 Dies sei aus mehreren Gründen der Fall: Erstens würde eine Entscheidung des Gerichtshofs über die Handlungen der USA notwendig auch die anderen Staaten betreffen, die ähnlich gehandelt oder die USA unterstützt hätten.47 Zweitens würde der Gerichtshof durch Nicaraguas Klage aufgefordert, den USA jede Unterstützung anderer Staaten in ihrer Selbstverteidigung gegen Nicaragua zu untersagen, was diese Staaten intensiv beträfe.48 Drittens würden das Verfahren und ein Urteil des Gerichtshofs die Verhandlungen zwischen Nicaragua und den anderen Staaten der Region im so genannten Contadora-Prozess

42

33 f. 43

IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19,

Ebda., S. 34. Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Application instituting proceedings vom 09. 04. 1984, ICJ Pleadings, Bd. I, S. 2. 45 Ebda. 46 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Counter-Memorial of the United States of America (Questions of Jurisdiction and Admissibility), ICJ Pleadings, Bd. II, S. 86 ff. 47 Ebda., S. 86 ff. 48 Ebda., S. 89. 44

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

negativ beeinflussen.49 Auffällig ist bei alldem, dass Monetary Gold nicht ausdrücklich als Präzedenzfall herangezogen wurde.50 Diese Argumentation hatte keinen Erfolg. Der Gerichtshof führte aus: „There is no doubt that in appropriate circumstances the Court will decline, as it did in the case concerning Monetary Gold Removed from Rome in 1943, to exercise the jurisdiction conferred upon it where the legal interests of a State not party to the proceedings ,would not only be affected by a decision, but would form the very subject-matter of the decision‘ (I.C.J. Reports 1954, p. 32). Where however claims of a legal nature are made by an Applicant against a Respondent in proceedings before the Court, and made the subject of submissions, the Court has in principle merely to decide upon those submissions, with binding force for the parties only, and no other State, in accordance with Article 59 of the Statute. As the Court has already indicated […] other States which consider that they may be affected are free to institute separate proceedings, or to employ the procedure of intervention. There is no trace, either in the Statute or in the practice of international tribunals, of an ,indispensable parties‘ rule of the kind argued for by the United States, which would only be conceivable in parallel to a power, which the Court does not possess, to direct that a third State be made a party to proceedings. The circumstances of the Monetary Gold case probably represent the limit of the power of the Court to refuse to exercise its jurisdiction; and none of the States referred to can be regarded as in the same position as Albania in that case, so as to be truly indispensable to the pursuance of the proceedings.“51

Der Gerichtshof unterschied also die ihm vorliegende Situation von der in Monetary Gold und äußerte, wenn auch vorsichtig, dass die Begründung aus Monetary Gold keinen Erweiterungen zugänglich sei. Drittstaaten seien nach Art. 59 des Statuts nicht der Bindungswirkung des Urteils ausgesetzt. Außerhalb der als speziell empfundenen Situation von Monetary Gold gebe es demnach keine Notwendigkeit und, wegen der grundsätzlichen Pflicht des Gerichtshofs zur Bearbeitung der ihm vorgelegten Fälle, keine Möglichkeit, einen Fall wegen der Präsenz von Drittstaatsinteressen abzuweisen. Was allerdings genau die Situation in Monetary Gold auszeichnete, wann also Drittstaatsinteressen „the very subject-matter of the decision“ bilden würden, blieb weitgehend offen.

III. Certain Phosphate Lands in Nauru Der IGH präzisierte seine Rechtsprechung im Fall Certain Phosphate Lands in Nauru.52 Die Klage Naurus gegen Australien betraf die Ausbeutung von Phosphatvorkommen in Nauru durch Australien während der Zeit von 1919 bis 1967, als 49

Ebda., S. 89 f. Ebda., S. 86 ff. Die Sprache von Monetary Gold klingt allerdings an: vgl. ebda., S. 90. 51 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1986, S. 392, 431 (Kursivsetzungen im Original). 52 Vgl. ausführlich zum Sachverhalt Jacobs, Mandat, S. 203 ff.; Weeramantry, Nauru, passim. 50

A. Die Rechtsprechung

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Nauru ein Treuhandgebiet war.53 Nach dem Ersten Weltkrieg, vor dessen Ausbruch die Insel unter deutscher Verwaltung gestanden hatte, war auf Grundlage von Art. 119 des Versailler Vertrags54 „His Britannic Majesty“55 als Treuhandmacht für Nauru bestimmt worden.56 Die Ausübung dieses Mandats regelte innerhalb des British Empire ein Vertrag („Agreement concerning Nauru“) zwischen den Regierungen des Vereinigten Königreiches, Australiens und Neuseelands, nach dem diese drei Regierungen die Treuhänderfunktionen übernahmen.57 Der Rat des Völkerbundes bestätigte dieses Mandat gemäß Art. 22 der Völkerbundsatzung.58 Unter dem gemeinsamen Mandat wurde für die Insel ein „Administrator“ bestimmt. Zunächst sollte das durch Australien, später dann in einer durch die drei Regierungen gemeinsam zu entscheidenden Weise geschehen.59 Maßnahmen des Administrators waren der Bestätigung oder Verwerfung durch „His Britannic Majesty“, vertreten durch die Regierung, die den Administrator ernannt hatte, unterworfen. Diese Regierung hatte auch Weisungsbefugnis über den Administrator.60 Tatsächlich wurde der Administrator immer von Australien ernannt61 und war damit zu jeder Zeit der australischen Regierung untergeordnet. Der Administrator hatte aber auch den beiden anderen Regierungen Bericht über seine sämtlichen administrativen Tätig-

53 Application instituting proceedings vom 19. 05. 1989, Certain Phosphate Lands in Nauru, ICJ Pleadings, Bd. I, S. 3, 9. 54 RGBl. 1919, S. 687 ff. 55 Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Hintergründen der Wahl dieser Bezeichnung IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 276. 56 Durch die vier Hauptalliierten: vgl. Art. 118 Abs. 2 des Versailler Vertrags, und insbesondere zu Nauru Jacobs, Mandat, S. 205; Weeramantry, Nauru, S. 53. 57 Agreement between His Majesty’s Government in London, His Majesty’s Government of the Commonwealth of Australia, and His Majesty’s Government of the Dominion of New Zealand, abgedruckt als Annex 26 im Memorial of Nauru, Certain Phosphate Lands in Nauru, ICJ Pleadings, Bd. I, S. 359 ff. (im Folgenden: Agreement concerning Nauru). Der Vertrag erscheint auch als Anhang des australischen Nauru Island Agreement Act 1919 und des britischen Nauru Island Agreement Act 1920. Ersterer ist mit seinem Anhang abgedruckt in Weeramantry, Nauru, S. 375 ff. Vgl. zur damaligen Völkerrechtssubjektivität und Vertragsschlusskompetenz Neuseelands und Australiens Jacobs, Mandat, S. 205; Stewart, Treaty Relations, S. 3, 8, sowie zu deren Mandatsfähigkeit Noel Baker, Juridical Status, S. 106 ff. 58 Procès-verbal of the Eleventh Session of the Council of the League of Nations, S. 37. 59 Art. 1 Abs. 2 des Agreement concerning Nauru. 60 Supplementary Agreement concerning Nauru dated 30th May, 1923, abgedruckt als Annex 28 im Memorial of Nauru, Certain Phosphate Lands in Nauru, ICJ Pleadings, Bd. I, S. 362 f. (im Folgenden: Supplementary Agreement concerning Nauru), Ziff. 1 – 2. 61 Dies war gemäß Art. 1 Abs. 2 des Agreement concerning Nauru möglich, als von den drei Parteien gemeinsam festgelegte Art der Ernennung. Dementsprechend trug Australien vor, die anderen beiden Staaten hätten dem zugestimmt: Certain Phosphate Lands in Nauru, CounterMemorial of Australia, ICJ Pleadings, Bd. III, S. 1, 20. Der IGH stellte nur fest, dass der Administrator in der Praxis immer von Australien ernannt worden war: IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 257, 258.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

keiten zu erstatten.62 Im Übrigen war für die Kontrolle der Phosphatvorkommen eine aus Vertretern aller drei Regierungen paritätisch zusammengesetzte Kommission zuständig.63 Nach der Gründung der Vereinten Nationen und dem Ende des Völkerbundes wurde das Mandat der drei Regierungen durch die Generalversammlung erneuert.64 Die drei Staaten bildeten zusammen die „Administering Authority“, als „joint Authority“.65 Das Agreement concerning Nauru und das Supplementary Agreement concerning Nauru zwischen ihnen galten fort.66 Nach den Regelungen des neuen Mandats sollte Australien in Ausführung des Agreement concerning Nauru weiterhin bis zu einer anderen Bestimmung durch die drei Staaten, und im Namen der „Administering Authority“, die volle Hoheitsgewalt über Nauru ausüben.67 Die „Administering Authority“ hatte keine eigene Völkerrechtspersönlichkeit.68 Dasselbe galt für die Kommission zur Verwaltung der Phosphatvorkommen69 und hatte bereits zu Zeiten des Völkerbundes gegolten.70 Dies folgte schon daraus, dass die Völkerrechtssubjektivität internationaler Organisationen zur Zeit der Begründung des Völkerbundmandats und der Organisation der Verwaltung Naurus zwischen den drei Treuhändern noch kaum bekannt und allenfalls in statu nascendi war.71 Zudem zeigt der Umstand, dass die Verwaltung Naurus immer von den Regierungen der Treuhänder – praktisch und aufgrund der Zustimmung der beiden anderen Staaten immer von der australischen Regierung – abhängig war, dass die Staaten 62 Supplementary Agreement concerning Nauru, Ziff. 3. Das entsprach auch der Praxis vor Abschluss des Supplementary Agreement concerning Nauru: vgl. das Ministerial Statement on Nauru des australischen Premierministers S. M. Bruce, 08. 09. 1922, zitiert in: Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections of the Government of Australia, ICJ Pleadings, Bd. II, S. 1, 18. 63 Agreement concerning Nauru, Art. 3 – 9. 64 Mit GA Res. 140 (II), UN Doc. A/519, S. 47, genehmigte die Generalversammlung das Trusteeship Agreement for the Territory of Nauru, UNTS 10, S. 3. 65 Trusteeship Agreement for the Territory of Nauru, Art. 2: „The Governments of Australia, New Zealand and the United Kingdom (hereinafter called ,the Administrative Authority‘) are hereby designated as the joint Authority which will exercise the administration of the Territory.“ 66 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 258. 67 Trusteeship Agreement for the Territory of Nauru, Art. 4. 68 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 258; zustimmend Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 50. 69 Weeramantry, Nauru, S. 67. 70 Vgl. zum Administrator IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 258, und zur Phosphatkommission Weeramantry, Nauru, S. 67. 71 Vgl. Oppenheim/McNair, S. 30, 133; Fischer Williams, AJIL 24 (1930), S. 665 f.; vgl. auch Higgins, Ann. IDI 66-I (1995), S. 249, 253 f. Letzte Klärung brachte insoweit das Gutachten des IGH in Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, S. 174 ff.: vgl. Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 332.

A. Die Rechtsprechung

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selbst tätig wurden, und nicht etwa ein von ihnen getrenntes Völkerrechtssubjekt.72 Die Staaten handelten zu jeder Zeit, wie es das Trusteeship Agreement for the Territory of Nauru formulierte, als „joint Authority“,73 also zwar gemeinsam, aber eben auch selbst. Es konnte deshalb keine völkerrechtliche Zurechnung von Verhalten zur „Administering Authority“ oder zur Phosphatkommission geben,74 und die beiden Institutionen waren von völkerrechtlichen Normen weder berechtigt noch verpflichtet.75 Es gab daher im Rechtssinne nicht eine Handlung oder eine Unterlassung, für die die „Administering Authority“ oder die Phosphatkommission selbst verantwortlich gewesen wären, oder für die in einer Form des Durchgriffs ihre Gründerstaaten (mit-)verantwortlich76 gewesen sein könnten.77 Vielmehr waren Handlungen und Unterlassungen der „Administering Authority“ oder der Phosphatkommission den drei Staaten, jeweils einzeln, zuzurechnen. Folglich war jede Handlung oder Unterlassung, die faktisch von einer der beiden Einrichtungen ausging, im völkerrechtlichen Sinne als drei separate, jedoch identische Handlungen oder Unterlassungen der drei Staaten anzusehen.78 Naurus Klage bezog sich auf die Ausbeutung der Phosphatvorkommen der Insel durch die Treuhandverwaltung, die vor allem Australien, und nicht der Bevölkerung von Nauru, gedient habe. Gegen diese Klage verteidigte sich Australien unter anderem mit dem Argument, eine Feststellung über die Verantwortlichkeit Australiens 72

Die Behörden von Nauru hatten also keine volonté distincte: vgl. zu diesem Erfordernis Higgins, Ann. IDI 66-I (1995), S. 249, 254 f., 260 f. 73 Trusteeship Agreement for the Territory of Nauru, Art. 2. Ausweislich der Präambel des Trusteeship Agreement for the Territory of Nauru war die Insel auch bis 1947, also unter dem oben beschriebenen Rechtsregime des Völkerbundes, „by the Government of Australia on the joint behalf of the Governments of Australia, New Zealand, and the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland“ verwaltet worden (Abs. 1 der Präambel, Hervorhebung nicht im Original). 74 Vgl. Higgins, Ann. IDI 66-I (1995), S. 249, 283; vgl. auch Brownlie, GS Schachter, S. 355, 357; Strupp, Recueil des Cours 47 (1934 I), S. 259, 463 f. 75 Vgl. ILC Commentary on Responsibility of International Organizations, UN Doc. A/58/ 10, S. 33, 41 f.; Higgins, Ann. IDI 66-I (1995), S. 249, 253 f. 76 Vgl. zu einer solchen Konstruktion der Haftung der Mitgliedstaaten einer internationalen Organisation mit Völkerrechtspersönlichkeit nur Brownlie, GS Schachter, S. 355, 359 ff.; Higgins, Ann. IDI 66-I (1995), S. 249, 257 ff.; Schütze, Zurechenbarkeit, S. 210 ff. 77 Anders Jacobs, Mandat, S. 218, der von einer Verantwortlichkeit allein der „Administering Authority“, bestehend aus den drei Staaten, und damit von nur einer Handlung im Rechtssinne ausgeht, die dann aber die Verantwortlichkeit aller drei Staaten simultan auslösen soll. In der Sache ist das eine Form der Durchgriffshaftung der drei Staaten für eine zunächst der „Administering Authority“ zugerechnete Handlung. 78 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 284; Bartels, JIDS 4 (2013), S. 343, 358 (der aber im Einzelnen abweichende Pflichten der drei Staaten für möglich hält; das war allerdings für den IGH nicht maßgeblich); Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 214; ders., JIDS 4 (2013), S. 277, 281; Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 311; Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 199, 201 (zu den Einrichtungen als gemeinsame Organe der drei Staaten); anders wiederum Jacobs, Mandat, S. 218.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

für Rechtsverstöße der „Administering Authority“ durch den Gerichtshof würde auch eine Feststellung der Verantwortlichkeit der beiden anderen Staaten für deren identische Handlungen und Unterlassungen beinhalten.79 Für die Behauptung, dass dies gegen das Prinzip des Zustimmungserfordernisses bei der Ausübung von Jurisdiktion über einen Staat durch den IGH verstoße, berief sich Australien dabei auf die Ausführungen des IGH in Monetary Gold.80 Der Gerichtshof seinerseits rekapitulierte die hier bereits zitierten Passagen aus Monetary Gold und Nicaragua, und stellte wieder, wie schon in Nicaragua, heraus, dass die auf einen Drittstaat bezogene Frage „the very subject-matter of the decision“ sein müsste, damit der IGH gehindert sei, den Fall zu entscheiden.81 In der Anwendung auf den ihm vorliegenden Fall führte der IGH aus: „In the present case, the interests of New Zealand and the United Kingdom do not constitute the very subject-matter of the judgment to be rendered on the merits of Nauru’s Application and the situation is in that respect different from that with which the Court had to deal in the Monetary Gold case. In the latter case, the determination of Albania’s responsibility was a prerequisite for a decision to be taken on Italy’s claims. In the present case, the determination of the responsibility of New Zealand or the United Kingdom is not a prerequisite for the determination of the responsibility of Australia, the only object of Nauru’s claim. Australia, moreover, recognizes that in this case there would not be a determination of the possible responsibility of New Zealand and the United Kingdom previous to the determination of Australia’s responsibility. It nonetheless asserts that there would be a simultaneous determination of the responsibility of all three States and argues that, so far as concerns New Zealand and the United Kingdom, such a determination would be equally precluded by the fundamental reasons underlying the Monetary Gold decision. The Court cannot accept this contention. In the Monetary Gold case the link between, on the one hand, the necessary findings regarding Albania’s alleged responsibility and, on the other, the decision requested of the Court regarding the allocation of the gold, was not purely temporal but also logical; as the Court explained, ,In order … to determine whether Italy is entitled to receive the gold, it is necessary to determine whether Albania has committed any international wrong against Italy, and whether she is under an obligation to pay compensation to her.‘ (I.C.J. Reports 1954, p. 32.) In the present case, a finding by the Court regarding the existence or the content of the responsibility attributed to Australia by Nauru might well have implications for the legal situation of the two other States concerned, but no finding in respect of that legal situation will be needed as a basis for the Court’s decision on Nauru’s claims against Australia. Accordingly, the Court cannot decline to exercise its jurisdiction.“82

Die Situation von Monetary Gold, in der der IGH den Fall abweisen müsste, sollte also nur dann eintreten, wenn die auf einen Drittstaat bezogene Rechtsfrage logisch zwingend beantwortet werden müsste, um die im vorliegenden Fall zwischen den 79

Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections of the Government of Australia, ICJ Pleadings, Bd. II, S. 1, 142. 80 Ebda., S. 141 f. 81 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 259 f. 82 Ebda., S. 261 f. (alle Kursivsetzungen im Original; Absatzwechsel entfernt).

A. Die Rechtsprechung

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tatsächlichen Parteien gestellte Rechtsfrage einer Lösung zuzuführen. Wenn dagegen der Gerichtshof nicht gezwungen wäre, auf die Drittstaatsinteressen einzugehen, sein Urteilsspruch zwischen den Parteien aber Implikationen für dritte Staaten hätte, sollte das den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Jurisdiktion hindern. Im vorliegenden Fall konnte sich der IGH ausschließlich mit den Handlungen und Unterlassungen der „Administering Authority“ in ihrer Eigenschaft als Australien zurechenbare Handlungen und Unterlassungen befassen. Dass dasselbe Verhalten ebenso dem Vereinigten Königreich und Neuseeland zurechenbar war, musste der IGH nicht als Vorfrage für die Bestimmung der australischen Verantwortlichkeit in den Blick nehmen. Anders wäre das potenziell bei der Feststellung der Höhe des von Australien etwa zu leistenden Schadensersatzes gewesen. Hierbei wäre in Betracht gekommen, dass Australien nicht den gesamten Schaden zu ersetzen gehabt hätte, sondern dass ein Teil der Verantwortlichkeit den beiden anderen Staaten hätte zufallen müssen. Bei der Höhe der Australien durch das Urteil des IGH aufzuerlegenden Schadensersatzpflicht hätte der IGH also eventuell auch die Verteilung der Verantwortlichkeit der drei Staaten untereinander für den entstandenen Schaden bestimmen müssen. Die Frage der Möglichkeit einer solchen Feststellung war aber erst im Hauptsacheverfahren zu beantworten und wurde deshalb in der Phase der Vorgängigen Einreden vom Gerichtshof offen gelassen.83 Zu einer Klärung im Hauptsacheverfahren kam es nicht mehr, nachdem die Parteien nach einem Vergleich84 das Verfahren nicht mehr fortsetzen wollten. Der Gerichtshof stellte daher gemäß Art. 88 der Verfahrensordnung die Einstellung des Verfahrens fest und strich die Sache aus seinem Register.85

IV. East Timor Die Formel aus Certain Phosphate Lands in Nauru wurde wieder relevant in East Timor, einem von Portugal gegen Australien eingereichten Fall.86 Osttimor war lange eine Kolonie Portugals gewesen. Unter der Ägide der UN wurde es dann als „non83

Ebda., S. 262. Certain Phosphate Lands in Nauru, Agreement between Australia and the Republic of Nauru, ICJ Pleadings, Bd. III, S. 511, ILM 32 (1993), S. 1471. Im Rahmen des Vergleichs hat Nauru Zahlungen von Australien erhalten, an denen sich das Vereinigte Königreich und Neuseeland beteiligt haben; dazu Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 121 f. 85 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Order of 13 September 1993, ICJ Reports 1993, S. 322 f. 86 Die folgende Sachverhaltsdarstellung ist verkürzt der Darstellung im Urteil entnommen: IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 95 ff.; zum Sachverhalt auch eingehend Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 207 f.; Fitzgerald, Harvard ILJ 37 (1996), S. 260 ff.; Hilpold, Osttimor, S. 11 ff., 19 ff.; Lowe, Cambridge LJ 54 (1995), S. 484; Simpson, Hastings ICLR 17 (1994), S. 323, 324 ff. 84

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

self-governing territory“ im Sinne des Kapitels XI der UN-Charta geführt. Portugal blieb zu der Zeit seine Verwaltungsmacht („administering Power“), und akzeptierte 1974 die Qualifizierung des Gebiets als „non-self-governing territory“. Aufgrund von Unruhen zogen sich das portugiesische Militär und die portugiesischen Behörden im August 1975 von der Hauptinsel zurück. Am 07. 12. 1975 besetzten Truppen des Nachbarstaats Indonesien Osttimor. Am Tag darauf zog sich Portugal vollständig aus Osttimor zurück. Indonesien annektierte Osttimor am 17. 07. 1976, angeblich auf Bitten der Bevölkerung des Gebiets. Australien erkannte am 20. 02. 1978 an, dass Indonesien das Gebiet faktisch kontrollierte, akzeptierte dabei aber ausdrücklich nicht die Art und Weise, in der diese Kontrolle zustande gekommen war. Später begann es Vertragsverhandlungen mit Indonesien über die Grenzziehung auf dem Kontinentalsockel zwischen seiner Nordküste und der Südküste Osttimors. Australien erklärte kurz vor Beginn der Verhandlungen, dass diese eine Anerkennung de facto der Inkorporation Osttimors durch Indonesien bedeuteten, dass aber wiederum eine Anerkennung der Art dieser Inkorporation nicht beabsichtigt sei. Ein Vertrag über die Grenzziehung kam nicht zustande, aber am 11. 12. 1989 wurde ein Vertrag über die gemeinsame australischindonesische Erforschung und Ausbeutung des Kontinentalsockels vor Osttimor geschlossen. Portugal trug mit seiner Klage vor, der Abschluss und die Ausführung dieses Vertrags sowie die Fortsetzung von Verhandlungen mit Indonesien über die Grenzziehung zwischen Australien und Osttimor hätten das Recht des Volks von Osttimor auf Selbstbestimmung und die Rechte Portugals als „administering Power“ verletzt und verletzten sie weiterhin.87 Gegen diese Klage verteidigte sich Australien vor allem mit dem aus Monetary Gold abgeleiteten Argument, der IGH müsse zur Beantwortung der von Portugal gestellten Frage zwangsläufig die Rechtmäßigkeit des indonesischen Einmarschs und der fortgesetzten indonesischen Präsenz in Osttimor beurteilen, sowie über die Gültigkeit des australisch-indonesischen Vertrags vom 11. 12. 1989 befinden.88 Portugal räumte ein, dass der IGH diese Fragen nicht würde beantworten können, meinte aber, dass diese sich auch gar nicht stellen würden: Es gehe nur um die Verhandlung, den Abschluss und die Ausführung eines Vertrags über Osttimor mit Indonesien anstelle der eigentlich ausschließlich berechtigten „administering Power“, Portugal.89 Der IGH entschied, dass die von Portugal aufgestellte Rechtsbehauptung immer noch voraussetze, dass Indonesien den Vertrag vom 11. 12. 1989 nicht hätte abschließen dürfen, Portugal aber schon.90 Damit, so der Gerichtshof, müsste anhand der Umstände des indonesischen Einmarschs und der Inkorporation Osttimors durch Indonesien entschieden werden, ob Indonesien die Vertragsschlusskompetenz be87 88 89 90

IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 98. Ebda., S. 100 f. Ebda., S. 101. Ebda., S. 102.

A. Die Rechtsprechung

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züglich Osttimors erwerben konnte oder nicht.91 Diese Feststellung könnte der IGH nicht ohne die Zustimmung Indonesiens treffen.92 Weiter wies der Gerichtshof erneut darauf hin, dass ihn nicht jede Form der Beeinträchtigung von Drittstaatsinteressen durch ein Urteil vom Urteilsspruch abhalten könne.93 Dazu zitierte er die oben stehende Passage aus Certain Phosphate Lands in Nauru, in der der dort vorliegende Fall von der Situation in Monetary Gold differenziert wurde, und fuhr zu dem ihm aktuell vorliegenden Fall fort: „However, in this case, the effects of the judgment requested by Portugal would amount to a determination that Indonesia’s entry into and continued presence in East Timor are unlawful and that, as a consequence, it does not have the treaty-making power in matters relating to the continental shelf resources of East Timor. Indonesia’s rights and obligations would thus constitute the very subject-matter of such a judgment made in the absence of that State’s consent. Such a judgment would run directly counter to the ,well-established principle of international law embodied in the Court’s Statute, namely, that the Court can only exercise jurisdiction over a State with its consent.‘“94

Abweichend von den Grundlagen der Monetary Gold-Rechtsprechung hatte Portugal aber argumentiert, die von Australien verletzten Rechte gälten erga omnes, und Portugal könne deshalb von Australien die Einhaltung dieser Rechte auch dann verlangen, wenn sich ein anderer Staat ähnlich verhalten habe wie Australien.95 Der IGH erkannte an, dass die fraglichen Rechte erga omnes-Wirkung hätten, führte aber weiter aus: „However, the Court considers that the erga omnes character of a norm and the rule of consent to jurisdiction are two different things. Whatever the nature of the obligations invoked, the Court could not rule on the lawfulness of the conduct of a State when its judgment would imply an evaluation of the lawfulness of the conduct of another State which is not a party to the case. Where this is so, the Court cannot act, even if the right in question is a right erga omnes.“96

In einem letzten Argument trug Portugal vor, die im Raum stehenden Fragen zu rechtlichen Interessen Indonesiens seien bereits durch die Generalversammlung und den Sicherheitsrat entschieden worden, und der Gerichtshof müsste sie also nicht mehr selbst prüfen und entscheiden.97 Der Gerichtshof befand aber, dass die relevanten Resolutionen der Generalversammlung und des Sicherheitsrates nicht aussagten, dass ausschließlich Portugal und nicht Indonesien Befugnisse betreffend Osttimor hatte.98 91 92 93 94 95 96 97 98

Ebda. Ebda. Ebda., S. 104. Ebda., S. 105. Ebda. Ebda. (Kursivsetzungen im Original). Ebda., S. 103. Ebda., S. 103 f.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Der IGH stellte abschließend und im operativen Teil des Urteils fest, dass er die ihm durch die Erklärungen der Parteien unter Art. 36 Abs. 2 des Statuts übertragene Jurisdiktion in dem vorliegenden Fall nicht ausüben könne.99

V. Schiedsgerichtliche Rechtsprechung 1. Affaire relative à l’or de la Banque nationale de l’Albanie Als Beleg seiner Auffassung zur Unzuständigkeit des IGH im Monetary Gold-Fall zitierte Italien eine Passage aus dem Schiedsspruch des Schiedsrichters Sauser-Hall in Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie,100 wo es heißt: „Les trois Gouvernements n’auraient d’ailleurs pas pu soumettre ces points [d. h. die Überstellung des albanischen Goldes entweder an das Vereinigte Königreich oder an Italien] à l’avis de l’arbitre sans outrepasser le mandat qui leur a été conféré par l’Acte de Paris, car ils portent sur une attribution de l’or à d’autres titres que ceux fondés sur la partie III dudit Acte. D’eventuels litiges à ce sujet ne pouvant faire l’objet d’une procédure internationale arbitrale ou judiciaire que du consentement des Etats intéressés, la déclaration […] prévoit qu’ils pourront donner lieu à des actions spéciales, introduites devant la Cour internationale de Justice, soit par l’Albanie, soit par l’Italie, […] ladite déclaration valant acceptation pour ces actions […] de la juridiction de la Cour par les trois Gouvernements dont elle émane.“101

Hiermit sah der Schiedsrichter in der Tat eine Begrenzung seiner Zuständigkeit durch das Erfordernis der Zustimmung aller „interessierten Staaten“ und erklärte sich daher für unzuständig, über Italiens Anspruch auf das Gold nach der Argumentation zu entscheiden, die dann später dem IGH vorgelegt wurde.102 Die Lösung dieses Problems sah er allerdings im Washingtoner Statement selbst, indem nach der dortigen Regelung die Westalliierten die Zuständigkeit des IGH ausdrücklich anerkannten und der jeweilige Kläger – Italien oder Albanien – dies mit oder im Zuge seiner Klageerhebung tun würde. Das weitere Problem, dass die Zustimmung Albaniens auch im Falle einer Klageerhebung nur durch Italien notwendig sein könnte, erwähnte der Schiedsrichter nicht.103 Es geht hier also nur um die notwendige Zu-

99

Ebda., S. 105, 106. Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Question Préliminaire du gouvernement italien, ICJ Pleadings, S. 16, 20 f. Zum Hintergrund und Sachverhalt dieses Schiedsspruchs vgl. oben unter I. Auch Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. I, S. 238, meint, der Schiedsrichter habe das Problem der Drittbetroffenheit Albaniens bereits erkannt. 101 Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 36 f. 102 Die Zustimmung der interessierten Staaten fehlte, weil die Klärung dieser Frage nicht zu den Befugnissen der Westalliierten unter Teil III des Pariser Agreement gehörte, und diese Staaten deshalb dem Schiedsrichter die Frage nicht durch ihr Washingtoner Abkommen unterbreiten konnten. 103 So auch Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Oral Argument of Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Pleadings, S. 124, 136. 100

A. Die Rechtsprechung

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stimmung der tatsächlichen Parteien eines Streitfalls, nicht um einen darüber hinausgehenden Drittbezug des Verfahrens. 2. Larsen v. Kingdom of Hawaii Ein Kuriosum hinsichtlich des Sachverhalts bildet der Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii.104 Der Kläger, Lance Paul Larsen, war der Ansicht, Hawaii sei nie rechtmäßig Teil der Vereinigten Staaten geworden. Vielmehr bestehe das Königreich Hawaii fort, und sowohl die Anwendung amerikanischen Bundesrechts auf dem Gebiet von Hawaii als auch die Rechtssetzung durch die Organe des Bundesstaats Hawaii seien völkerrechtswidrig. Nachdem er vor diesem Hintergrund auch persönlich nicht die Hoheitsmacht der amerikanischen Behörden auf Hawaii anerkannte, wurde er zuletzt zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Daraufhin machte er im Jahr 1999 vor einem Schiedsgericht des Permanent Court of Arbitration gegenüber dem „Hawaiian Kingdom by its Council of Regency“ geltend, das Königreich Hawaii habe Völkerrecht verletzt, indem es die unrechtmäßige Anwendung US-amerikanischen Rechts auf seine Person auf Hawaii zugelassen habe. Der das beklagte Königreich vertretende „Council of Regency“ (eine selbsternannte kommissarische Regierung) hatte keine Einwände gegen die Behauptung, das Königreich Hawaii bestehe fort. Allerdings beantragte der Beklagte zu entscheiden, dass die Verletzung der Rechte des Klägers im vorliegenden Fall nicht vom Königreich Hawaii, sondern von den USA ausgegangen sei, und dass das Königreich dem Kläger deshalb nichts schulde. Streit bestand also nur hinsichtlich der Frage, ob die Verletzung der Rechte des Klägers dem Königreich Hawaii anzulasten wäre. Dass eine solche Verletzung stattgefunden hatte, und dass diese (nach der Behauptung des Klägers: nur primär) von den USA ausgegangen war, beantragten allerdings beide Parteien zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund entschied das Schiedsgericht zunächst, dass es hinsichtlich der Frage des Fortbestehens des Königreichs Hawaii keinen Streit (dispute) zwischen den Parteien gebe. Dieser sei aber eine Voraussetzung dafür, dass das Schiedsgericht als Streitbeilegungsorgan über die Frage entscheiden konnte. Hinsichtlich der einzig streitigen Frage nach der Verantwortlichkeit des Beklagten für die allseits behauptete Verletzung der Rechte des Klägers befand das Schiedsgericht weiter, dass es vor einer Prüfung, ob der Beklagte dem Kläger Schutz vor den völkerrechtswidrigen Akten der USA schuldete, erst entscheiden müsste, ob die USA überhaupt Völkerrecht verletzt hätten. Diese Frage sei auch zu klären, um zu ermitteln, ob der beklagte Staat überhaupt noch existiere. Allerdings könne das Schiedsgericht eine solche Frage nicht beantworten: 104 PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566 ff. Vgl. dazu Bederman/ Hilbert, AJIL 95 (2001), S. 927 ff.; Dumberry, Chinese JIL 1 (2002), S. 655 ff.; Sai, Hawaii Journal of Law & Politics 1 (2004), S. 46, 72 ff.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin „[T]he Tribunal cannot determine whether the Respondent has failed to discharge its obligations towards the Claimant without ruling on the legality of the acts of the United States of America. Yet that is precisely what the Monetary Gold principle precludes the Tribunal from doing.“105

Die Rechtsprechung des IGH aus Monetary Gold sei auch auf das Verfahren vor dem Schiedsgericht anwendbar: „[I]t needs to be stressed that, in accordance with the agreement between the parties, the Tribunal is called on to apply international law to a dispute of a non-contractual character in which the sovereign rights of a State not a party to the proceedings are clearly called in question. The position in contractual disputes governed by some system of private law and involving the rights of a third party might conceivably be different. But in proceedings such as the present, the Tribunal is not persuaded that the Monetary Gold principle is inapplicable. On the contrary, it can see no reason either of principle or policy for applying any different rule. As the International Court of Justice explained in the Monetary Gold case (ICJ Reports, 1954, at p. 32), an international tribunal may not exercise jurisdiction over a State unless that State has given its consent to the exercise of jurisdiction. That rule applies with at least as much force to the exercise of jurisdiction in international arbitral proceedings. While it is the consent of the parties which brings the arbitration tribunal into existence, such a tribunal, particularly one conducted under the auspices of the Permanent Court of Arbitration, operates within the general confines of public international law and, like the International Court, cannot exercise jurisdiction over a State which is not a party to its proceedings.“

Das Schiedsgericht übernahm auch die Monetary Gold-Formel, nach der eine Befassung mit einer Drittstaatsfrage als „the very subject-matter of the decision“ ausgeschlossen ist. Der Rechtsvortrag des beklagten Königreichs Hawaii, dass es stattdessen nur darauf ankomme, dass die USA durch die Entscheidung des Schiedsgerichts keinen Nachteil erleiden wurden, wurde zurückgewiesen: „The Tribunal [is not] persuaded that it should apply a test different from that laid down in the Monetary Gold case and subsequent decisions of the International Court. There are several reasons for this. […] First, the Tribunal considers that the test which has been applied by the International Court of Justice is the correct one. Analogies with the position in national laws are not persuasive in this context. The principle of consent, which is fundamental to the jurisdiction of international tribunals, is largely irrelevant in determining the scope of jurisdiction of a national court. In addition, national courts generally enjoy the power to join third parties as parties to the proceedings, a power which this Tribunal lacks. The principle of consent in international law would be violated if this Tribunal were to make a decision at the core of which was a determination of the legality or illegality of the conduct of a non-party. […] Secondly, it is clear from the decisions of the International Court of Justice, particularly the passages in the Monetary Gold and Nauru cases which are set out above, that the Court has rejected a ,prejudice‘ test in favour of the ,very subject matter test‘. Although there is no doctrine of binding precedent in international law, it is only in the most compelling circumstances that a tribunal charged with the application of international law and governed by 105

PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 596.

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that law should depart from a principle laid down in a long line of decisions of the International Court of Justice.“106

Das Schiedsgericht schloss: „Accordingly, the Tribunal finds that these arbitral proceedings are not maintainable.“107 Es ließ aber offen, ob ein Verfahren nur zur Tatsachenfeststellung im Rahmen des Permanent Court of Arbitration möglich wäre.108 Daher beantragten die Parteien am 23. 03. 2001, dass sich das Schiedsgericht in eine Kommission zur Sachverhaltsermittlung umwandle.109 Anschließend legten sie aber am 21. 09. 2001 ihren Streit bei; das Verfahren wurde beendet.110

VI. Zusammenfassung der Rechtsprechung Die Rechtsprechung des IGH und die Entscheidung in Larsen v. Kingdom of Hawaii gehen heute von der Bestimmung der Sperrwirkung von Drittstaatsinteressen aus, wie sie im Fall Certain Phosphate Lands in Nauru niedergelegt wurde.111 Der IGH kann danach nur, aber auch immer, dann nicht entscheiden, wenn er zur Beantwortung der zwischen den Parteien eines Streitfalls gestellten Frage logisch zwingend eine auf einen Drittstaat bezogene Rechtsfrage beantworten muss.112 Es

106

Ebda., S. 590 ff. Ebda., S. 598. 108 Ebda., S. 596 f. 109 Sai, Hawaiian Journal of Law & Politics 1 (2004), S. 46, 73. 110 Agreement between Lance Paul Larsen and the Hawaiian Kingdom for the Settlement of the Case in the Permanent Court of Arbitration concerning Alleged Liabilities of the Hawaiian Kingdom Government, abgedruckt im Hawaiian Journal of Law & Politics 1 (2004), S. 284 f. Dieser Beilegung stimmte Herr Larsen ausweislich des Dokuments im Austausch gegen die Versicherung des Königreichs zu, dass es die „illegal and prolonged occupation of the Hawaiian Kingdom“ vor die Vereinten Nationen bringen werde. Dies geschah mit Brief vom 05. 07. 2001 an den Präsidenten des Sicherheitsrates, abgedruckt im Hawaiian Journal of Law & Politics 1 (2004), S. 286 ff. Der Sicherheitsrat befasste sich nicht mit der Angelegenheit: Dumberry, Chinese JIL 1 (2002), S. 655, 672. 111 Vgl. auch Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 69; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 69; Zimmermann, JIDS 4 (2013), S. 521, 532. 112 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 261 f.; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 104 f.; Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f.; PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 591 f.; Institut de Droit International, Judicial and Arbitral Settlement of International Disputes Involving More Than Two States, Resolution, Ann. IDI 68II (1999), S. 377, 385; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 93, 95; Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 635 f.; Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 86; Bartels, JIDS 4 (2013), S. 343, 349, 357; Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 101, 109 f.; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 121; Jouannet, RGDIP 100 (1996), S. 673, 686; dies., in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 255, 260 f.; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 28; Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 209; Quéneudec, Recueil des Cours 255 (1995), S. 339, 356, 357 f.; Schütze, Zurechenbarkeit, S. 217; Talmon, in: Shiner/ 107

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

kommt dem IGH darauf an, ob der Drittstaat nur in einer parallelen Lage zur streitbefangenen Situation einer Partei des Verfahrens ist, oder ob das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien inhaltlich von einer Berechtigung oder Nichtberechtigung oder von einem anderen Rechtsverhältnis eines Drittstaats abhängt.113 Nur im letzteren Fall, so der Gerichtshof, sei die Rechtsfrage mit Drittstaatsbezug der wahre Kern des Verfahrens.114 Damit kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, ob der IGH selbst eine Aussage über die rechtliche Stellung eines Drittstaats treffen muss.115 Bloße Implikationen aus dem Urteil sind danach nicht problematisch.116 Ob ein Leser dem Urteil eine Aussage über einen Drittstaat entnehmen kann, etwa wenn er weiß, dass ein anderer Staat die gleiche Handlung begangen hat wie der Staat, der dafür verurteilt wurde, spielt also keine Rolle. Das scheint zunächst einsichtig: Im letzteren Fall wäre es erst eine Transferleistung des Lesers, die den Drittstaat beträfe; die Entscheidung selbst wäre neutral.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin Allerdings stellt sich die Frage, ob dieses plausible Ergebnis sich auch inhaltlich begründen lässt. Noch grundlegender stellt sich die Frage, ob eine Sperrwirkung der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen überhaupt anzuerkennen ist oder ob der Gerichtshof sowohl in Monetary Gold als auch in seiner nachfolgenden Rechtsprechung einem Irrtum erlegen ist. Möglich erscheint die Herleitung einer Unfähigkeit des IGH, Fälle mit Drittstaatsbezug zu entscheiden, vor allem aus drei Erwägungen: Zunächst könnte dem Gerichtshof bereits die Jurisdiktion zur Befassung mit solchen Fällen fehlen, weil der Williams, S. 185, 215; Torres Bernárdez, Ann. IDI 68-II (1999), S. 186, 197; Zimmermann, JIDS 4 (2013), S. 521, 532. 113 Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 86; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 334 f.; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1071; vgl. Lorenz, Anwendungsbereich, S. 291. 114 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 261 f.; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105; Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 86; Lorenz, Anwendungsbereich, S. 291; Talmon, in: Shiner/ Williams, S. 185, 215; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1072. 115 Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 107, 116; vgl. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 93; Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 636 f.; Badía Martí, REDI 45 (1993), S. 556, 560. 116 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 296; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 93 f.; Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 625, 635, 637; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 868; Rosenne, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1138; Schulte, in: Koufa, S. 531, 542; Schwebel, Ann. IDI 68-I (1999), S. 156, 158; Scobbie/Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 207 f. (auch zu anderen, aber nur nebensächlichen Anklängen im East Timor-Fall); Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 215; vgl. Lorenz, Anwendungsbereich, S. 291; a.A. Sperduti, AFDI 30 (1984), S. 273, 276; ders., AFDI 31 (1985), S. 286, 291; ders., RDI 71 (1988), S. 86, 90.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Drittstaat nicht seine Zustimmung erteilt hat.117 Andererseits könnte es aber auch an einem dispute zwischen den vor dem IGH stehenden Parteien fehlen, weil der wahre dispute des Klägers mit dem Drittstaat besteht und Kläger und Beklagter nicht wirklich im Streit stünden.118 Als dritte Möglichkeit kommt darüber hinaus in Betracht, dass die Betroffenheit von Drittstaatsinteressen zwar nicht die Jurisdiktion des IGH negiert, dass aber ein separater Unzulässigkeitsgrund (inadmissibility) vorläge; in Betracht kommt dabei namentlich eine inhärente Abweisungskompetenz des IGH zum Schutz seiner richterlichen Integrität.119

117

So IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Skubiszewski, ICJ Reports 1995, S. 224, 237; PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 591; Ajibola, in: Bulterman/Kuijer, S. 9, 20; Akande, Aggression, S. 12, 14; Amerasinghe, Jurisdiction, S. 236; ders., Specific International Tribunals, S. 21, 55; Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 82; Benoliel/Perry, Michigan JIL 32 (2010), S. 73, 109; Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 69; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 69; Brown Weiss, AJIL 96 (2002), S. 798, 807; Chinkin, AJIL 80 (1986), S. 495, 517; dies., Third Parties, S. 200; dies., ICLQ 45 (1996), S. 712, 717; Delcourt, RBDI 29 (1996), S. 191, 203; Dubisson, Cour, S. 121, 149 f.; Fitzgerald, Harvard ILJ 37 (1996), S. 260, 264; Gross, AJIL 58 (1964), S. 415, 424; Grotto, MPEPIL, S. 333, 334; Hess, Staatenimmunität, S. 322 f.; Jenks, Prospects, S. 703; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 524; Jennings, ZaöRV 47 (1987), S. 3, 5 f.; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 311 ff.; Keith, Extent, S. 26 Fn. 74; Lauterpacht, Development, S. 342 f.; Merrills, Dispute Settlement, S. 122 f.; Mosler, FS Partsch, S. 253, 255; Rosenne, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1156; ders., Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1595; Sperduti, AFDI 31 (1985), S. 286, 291; ders., RDI 71 (1988), S. 86, 90; Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 744 f.; ders., Ann. IDI 68-I (1999), S. 186, 196 f.; Wühler, EPIL III, S. 445, 446 f.; vgl. IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 359; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 21; wohl auch Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 374 f.; Bernhardt, in: Strupp/Schlochauer, S. 545, 546 („nicht zuständig“); Epping, in: Ipsen, § 55 Rn. 54; Scobbie, ICLQ 42 (1993), S. 710, 715, 718. 118 Dies klingt im Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32, an. Dazu sogleich. Vgl. auch Dumberry, Chinese JIL 1 (2002), S. 655, 677; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 715. 119 So IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, Separate Opinion of Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Reports 1963, S. 97, 102; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 448, 457 Fn. 1 (an beiden Stellen des Buches wird auf eine spätere, eingehendere Bearbeitung verwiesen; diese folgt aber nicht); Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 109 Fn. 40; Jouannet, FS Lucchini/ Quéneudec, S. 315, 321; dies., in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 255, 260 f.; Kolb, ICJ, S. 568 f.; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 22, 25 f., 43; Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 150 ff.; ders., RGDIP 107 (2003), S. 865, 868; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 52; ders., BYIL 72 (2001), S. 37, 129; vgl. auch Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 559 f.; Mani, International Adjudication, S. 297; Schulte, in: Koufa, S. 531, 539 f.; Wemmer, Trägerschaft, S. 55; dagegen aber Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 745 f. Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, vertritt diese Auffassung auf S. 543 (der entsprechenden Passage in der Vorauflage zustimmend Iwasawa, FS Oda, S. 871, 890), leitet seine Ausführungen zu „The Concept of Essential Parties“ auf S. 539 aber ein mit „The Court will not have jurisdiction if [es folgt die Monetary GoldFormel].“ Darin mag ein Widerspruch gesehen werden; das hängt allerdings von der Weite des verwendeten Begriffs der Jurisdiktion ab, die Rosenne nicht offenlegt (vgl. auch Bd. III des zitierten Werks, S. 1595, wo Rosenne ebenfalls von fehlender „jurisdiction“ spricht).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Die Rechtsprechung des IGH nimmt nicht mit letzter Deutlichkeit Bezug auf eine der genannten Begründungsmöglichkeiten:120 In Monetary Gold führte der IGH einerseits aus, er müsse bei der Entscheidung über die ihm gestellte Frage zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Albaniens einen dispute zwischen Italien und Albanien entscheiden.121 Dies kommt dem zweiten Begründungsansatz nahe. Direkt danach meinte der IGH allerdings, er „cannot decide such a dispute without the consent of Albania“, und bezieht sich dazu auf „a well established principle embodied in the Court’s Statute, namely, that the Court can only exercise jurisdiction over a State with its consent“.122 Auch die spätere Rechtsprechung nimmt diesen Gedanken wieder auf,123 der eher eine Begründung direkt aus dem Jurisdiktionsregime des Gerichtshofs nahe legt. Die Erwägung, es würde letztlich ein dispute mit einem Drittstaat entschieden, hätte dann offenbar nur die Funktion, das Zustimmungserfordernis auszulösen.124 Auch weitere Formulierungen des IGH deuten darauf hin, dass es ihm bei der Monetary Gold-Problematik um die Grenzen seiner Jurisdiktion ging. So stellte der IGH in Monetary Gold im operativen Teil fest, die ihm von den Parteien des Falls übertragene Jurisdiktion erlaube es ihm nicht, die gestellte Frage zu entscheiden.125 Auch formulierte der IGH die hier interessierende Frage einleitend dahingehend, dass er prüfen müsse, ob die ihm übertragene Jurisdiktion so weit gehe wie die ihm gestellte Aufgabe.126 Dem Ansatz aus dem Jurisdiktionsregime des IGH entspricht aber jedenfalls nicht, dass der Gerichtshof zumindest in seiner späteren Rechtsprechung als Ergebnis festhielt, er sei oder sei gerade nicht (durch die Betroffenheit von Drittstaatsinteressen) an der Ausübung seiner Jurisdiktion gehindert.127 Wenn er nämlich nur an der Ausübung der Jurisdiktion gehindert ist, so muss er doch zunächst überhaupt Ju120 121

32. 122

Vgl. Amerasinghe, Specific International Tribunals, S. 55; Shihata, Power, S. 235. IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19,

Ebda. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 259, 260; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 101, 102. 124 In diesem Sinne Bederman/Hilbert, AJIL 95 (2001), S. 927, 930. 125 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 34. 126 Ebda., S. 31. 127 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1986, S. 392, 431; Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 579; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 262; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105, 106; diese Formel heben auch Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 79, und – mit Blick auf den Monetary Gold-Fall selbst – Kolb, ICJ, S. 568, hervor. Im Monetary Gold-Fall erscheint diese Formulierung in der Begründung des Urteils, als Ergebnis der Prüfung der Drittstaatsfrage (ICJ Reports 1954, S. 19, 33). Entsprechend auch ISGH, Dispute concerning Delimitation of the Maritime Boundary between Bangladesh and Myanmar in the Bay of Bengal, Judgment, verfügbar unter www.itlos.org, Rn. 363, 366 f. 123

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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risdiktion haben.128 Ausdrücklich findet sich diese Unterscheidung im Urteil im Fall Frontier Dispute zwischen Burkina Faso und Mali. Dort differenzierte die nach Art. 26 des Statuts gebildete Kammer des IGH ausdrücklich zwischen der Frage der ihr durch den Compromis der Parteien übertragenen Jurisdiktion und der weiteren Frage, ob die Beantwortung der durch den Kläger gestellten Fallfrage der „judicial function“ des Gerichtshofs entspreche.129 Anschließend führte die Kammer aus, dass sie verpflichtet sei, einen Fall zu entscheiden, wenn weder ein Fehlen von Jurisdiktion noch Überlegungen zur „judicial function“ des Gerichtshofs ein anderes Ergebnis erzwängen.130 Derartige Überlegungen sah die Kammer als nicht gegeben an,131 beschrieb aber dann die Konsequenz einer Situation wie in Monetary Gold, in der also Drittstaatsinteressen „the very subject-matter of the decision“ bilden, als eine Verpflichtung des Gerichtshofs, seine Jurisdiktion nicht auszuüben.132 Dennoch bleibt die Praxis des IGH uneinheitlich. Insbesondere hat der Gerichtshof in East Timor nicht bloß die Formulierung aus Monetary Gold wiederholt, nach der eine Sachentscheidung dem Prinzip zuwiderlaufen würde, dass der Gerichtshof nur seine Jurisdiktion über einen Staat nur mit dessen Zustimmung ausüben dürfe.133 Vielmehr hat der IGH diese Formulierung in East Timor ergänzt und ausgeführt: „Indonesia’s rights and obligations would […] constitute the very subject-matter of such a judgment made in the absence of that State’s consent. Such a judgment would run directly counter to the ,well-established principle of international law embodied in the Court’s Statute, namely, that the Court can only exercise jurisdiction over a State with its consent.‘“134

Wenn danach die Sachentscheidung unmittelbar dem Konsensprinzip der Jurisdiktion zuwiderlaufen soll, muss das Verbot der Sachentscheidung in einem solchen Fall, nämlich die in East Timor erneut angewendete Monetary Gold-Formel, auch unmittelbar auf dem Konsensprinzip beruhen. Das ist mit der Auffassung der Kammer aus dem Frontier Dispute-Fall, nach der es um eine der Jurisdiktion nachgeordnete Frage gehe, nicht zu vereinbaren.

128

Vgl. IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 577; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 447; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 524; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 38. 129 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 577. 130 Ebda. 131 Ebda., S. 577 ff. 132 Ebda., S. 579. Die Kammer zitiert dazu IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1986, S. 392, 431. 133 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32. 134 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105 (Hervorhebung nicht im Original).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Die drei genannten Möglichkeiten der prinzipiellen Begründung von Monetary Gold sollen im Folgenden nacheinander diskutiert werden. Die Reihenfolge ergibt sich dabei weitgehend aus der Logik der jeweiligen Konstruktionen: Eine inhärente Abweisungskompetenz und -pflicht des IGH kann nur innerhalb der ansonsten normierten Grenzen seiner Jurisdiktion gelten.135 Bei fehlender Jurisdiktion gibt es bereits keine offene, durch die Beanspruchung inhärenter Befugnisse zu beantwortende, Frage der Bearbeitung oder Nichtbearbeitung eines Falls.136 Daher kann die Frage nach inhärenten Befugnissen und Pflichten des IGH auch erst gestellt werden, wenn ein dispute zwischen den Parteien vorliegt. Ist das nicht der Fall, ist nämlich ebenfalls bereits klar, dass der Fall nicht entschieden werden kann, ohne dass es auf weitere Erwägungen ankäme. Die Frage nach dem Vorliegen eines dispute geht also der Frage nach einer inhärenten Abweisungskompetenz vor. Die Reihenfolge der Voraussetzungen dispute und Jurisdiktion ist dagegen grundsätzlich nicht zwingend vorgegeben:137 Ein dispute außerhalb der Grenzen der Jurisdiktion genügt ebenso wenig für die Kompetenz des IGH wie eine Konstellation, in der im Bereich der Jurisdiktion des Gerichtshofs kein dispute besteht. Beides ist erforderlich und muss sich decken;138 in welcher Reihenfolge man die beiden Erfordernisse prüft, ist damit unerheblich. Nachdem aber das Prinzip des Zustimmungserfordernisses in der streitigen Jurisdiktion des IGH in der Diskussion der Monetary Gold-Formel eine zentrale Rolle spielt, soll dieser Aspekt zuerst beleuchtet werden. Dem werden die Erwägungen zum dispute und zur Lösung anhand einer inhärenten Abweisungskompetenz des IGH – als Aspekt der Zulässigkeit (admissibility) einer Klage – folgen.

I. Begründung aus dem Jurisdiktionsregime des IGH An erster Stelle soll also die Erörterung einer Herleitung der Monetary GoldFormel aus dem Jurisdiktionsregime des IGH stehen. Hier geht es um die Untersuchung der Behauptung, der IGH habe mangels eines Zustimmungsaktes des be-

135

Vgl. Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 447. Vgl. Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 202 ff.; ders., A Common Law, S. 40 ff.; vgl. auch Lauterpacht, FS Jennings, S. 465, 477. 137 A.A. IGH, South West Africa Cases, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Morelli, ICJ Reports 1962, S. 564, 565; Northern Cameroons, Preliminary Objections, Separate Opinion of Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Reports 1963, S. 97, 105. Danach soll das Erfordernis des dispute dem Jurisdiktionserfordernis vorgehen, weil nur für einen wirklichen dispute geprüft werden könne, ob die Jurisdiktion des IGH begründet ist. Beide Fragen müssen aber jeweils für den Klageantrag beantwortet werden; vgl. Thirlway, BYIL 71 (2000), S. 71, 77 f. Diese Reihenfolge ist daher nur dann zwingend, wenn der Jurisdiktionstitel an das Vorliegen eines dispute anknüpft, etwa indem er einen dispute in einem besonderen Bereich verlangt. 138 Vgl. IGH, Oil Platforms, Preliminary Objection, ICJ Reports 1993, S. 803, 809 f. 136

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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troffenen Drittstaats bereits keine Jurisdiktion zur Entscheidung eines Falls, der die in der Formel beschriebene Situation aufwirft. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Satz, vielfach auch gerade im Zusammenhang mit der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen verwendet,139 nach dem der IGH nur dann Jurisdiktion über einen Staat ausüben kann, wenn dieser dem zugestimmt habe.140 Anders formuliert findet sich dieser Satz auch so, dass die Jurisdiktion des IGH immer von der Zustimmung der Parteien abhänge,141 oder dass der IGH nur eine konsensbegründete („consensual“) Jurisdiktion habe.142 Der folgende Abschnitt dient der Untersuchung dieser Sätze. Zunächst wird dem Umfang des Erfordernisses der staatlichen Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH und den insoweit entwickelten Begrifflichkeiten nachzugehen sein. Anschließend wird dann zu prüfen sein, inwieweit die Sachentscheidung in einem Fall, in dem wie in Monetary Gold ein Dritter intensiv betroffen ist, das Zustimmungserfordernis missachten kann, so dass der Gerichtshof insoweit keine Jurisdiktion besäße.

139

IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32; Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 17; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 259, 260; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 101, 102; vgl. IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 22. 140 Vgl. im Übrigen z. B. IGH, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, S. 174, 178; Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, ICJ Reports 1950, S. 65, 71; Anglo-Iranian Oil Co., Preliminary Objections, ICJ Reports 1952, S. 93, 103; Ambatielos, Merits, ICJ Reports 1953, S. 10, 19; Aerial Incident of 27 July 1955 (Israel v. Bulgaria), Preliminary Objections, ICJ Reports 1959, S. 127, 142; Legality of Use of Force (Yugoslavia v. Belgium), Provisional Measures, ICJ Reports 1999-I, S. 124, 132; Lowe, Australian YIL 20 (1999), S. 191, 193. 141 StIGH, Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools), PCIJ Series A, No. 15, S. 27; IGH, Anglo-Iranian Oil Co., Preliminary Objections, ICJ Reports 1952, S. 93, 103; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 22; Hambro, BYIL 25 (1948), S. 133, 139; Lowe, Australian YIL 20 (1999), S. 191, 193; Schütze, Zurechenbarkeit, S. 102; vgl. StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 16; IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 260; Barberis, ZaöRV 31 (1971), S. 641, 662; Hilpold, Osttimor, S. 31; Jennings, ZaöRV 47 (1987), S. 3; Lauterpacht, Development, S. 338; Mosler, FS Partsch, S. 253; Tams, Obligations, S. 22. 142 Jennings, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Introduction Rn. 16; Jennings/Higgins, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Introduction Rn. 16; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 523; Kahn, Loyola of Los Angeles Law Review 34 (2000), S. 11, 35; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 553; Rousseau, Droit international, S. 525; Szafarz, Compulsory Jurisdiction, S. 3; Tams, Obligations, S. 23; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 143; Weil, FS Skubiszewski, S. 833; vgl. StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 16; Factory at Chorzów, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 9, S. 32; Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 374 f.; Witenberg, Organisation, S. 101.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

1. Das Erfordernis der Zustimmung für die Jurisdiktion des IGH In Monetary Gold hat der IGH das von ihm herangezogene Prinzip, nach dem er Jurisdiktion über einen Staat nur mit dessen Zustimmung ausüben könne, bereits als „well-established principle of international law embodied in the Court’s Statute“ bezeichnet.143 Der hier interessierende Rechtssatz findet sich also im Statut wieder und hat seinen Hintergrund im allgemeinen Völkerrecht.144 Dieser Hintergrund wird zunächst zu klären sein, bevor die Aufnahme dieser Rechtslage im Statut näher untersucht werden wird. a) Die Situation im allgemeinen Völkerrecht Nach Rosenne hat das diskutierte Prinzip „historical origins going back to the beginnings of modern international law“.145 In der Tat beruht die Notwendigkeit der Zustimmung eines Staates für seine Unterwerfung unter eine internationale Gerichtsbarkeit auf dem Prinzip der (äußeren) Staatensouveränität,146 der grundlegenden Strukturnorm der Völkerrechtsordnung.147 Diese bedeutet, dass es keine a priori den Staaten übergeordnete Macht gibt, durch deren Befehl die Staaten einer

143 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32; IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105. 144 Siehe auch StIGH, Status of Eastern Carelia, PCIJ Series B, No. 5, S. 27; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 492; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 549 f.; Wemmer, Trägerschaft, S. 55. 145 Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 549 f. Fitzmaurice stimmt der entsprechenden Aussage in Rosenne, International Court, S. 260, zu: Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 492. Ebenso Anand, Compulsory Jurisdiction, S. 117; Fraas, Sicherheitsrat, S. 24; ähnlich Stone, Legal Controls, S. 121. 146 StIGH, Status of Eastern Carelia, PCIJ Series B, No. 5, S. 27 („State independence“); Akande, Aggression, S. 13; Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 311; Couvreur, in: Muller/Raicˇ/ Thuranszky, S. 83, 89 f.; Epping, in: Ipsen, § 55 Rn. 54; Fachiri, Permanent Court, S. 5; Fitzgerald, Harvard ILJ 37 (1996), S. 260, 270; Lauterpacht, Development, S. 334; OellersFrahm, AVR 27 (1989), S. 442; dies., FS Eitel, S. 169, 170; Peters, Völkerrecht AT, Kap. 14 Rn. 47; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 549 f.; Szafarz, Compulsory Jurisdiction, S. 3; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 414; vgl. zu den Konzepten der inneren und äußeren Souveränität nur Lüke, Immunität, S. 213. 147 Abi-Saab, FS Suy, S. 225; Bedjaoui, FS Cot, S. 1; Bryde, FS Schlochauer, S. 227, 228; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 16 Rn. 60; vgl. BVerfGE 46, 342, 402 f.; Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 227; Hamacher, Maxime, S. 51; Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 201; Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1076; Land, Souveränität, S. 171; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 178, 505 f.; Strupp, in: ders., S. 616, 620; Türk, FS Eide, S. 753, 758. Bisweilen wird auch vertreten, dass es sich bei dem Prinzip der Staatensouveränität um eine Norm des jus cogens handele (so etwa Horowitz, Fordham ILJ 23 (1999/2000), S. 489, 512). Es ist aber nicht einzusehen, wie ein Vertrag unter Beteiligung des Staates, dessen Souveränität tangiert sein soll, mit dessen Souveränität kollidieren könnte, mit der Folge der Nichtigkeit dieses Vertrags (Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 218; vgl. Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 347 Fn. 123).

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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internationalen Gerichtsbarkeit – oder sonst einer Verpflichtung148 – ausgesetzt wären.149 Darin unterscheidet sich die Völkerrechtsordnung von innerstaatlichen Rechtssystemen, in denen allgemein verbindliches Recht eine Gerichtsbarkeit mit weitestgehend zwingender Zuständigkeit begründet.150 Sind die Staaten innerhalb der Völkerrechtsordnung dennoch einer Gerichtsbarkeit unterworfen, dann nur durch ihren eigenen Willen, betätigt in Ausübung ihrer Souveränität.151 Aus der staatlichen Souveränität und Gleichheit folgt daher, dass ein Staat sich nur selbst, durch seine wie auch immer geartete Zustimmung, einer internationalen Gerichtsbarkeit unterwerfen kann. Andere Staaten können das nicht für ihn erklären (par in parem imperium non habet152), und eine den Staaten übergeordnete Instanz, 148 Dazu Dicke, Intervention, S. 59 f.; Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 254 f.; Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 611 f., 616; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 24; Matz, Wege, S. 233 f.; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 178 ff., 504; Zimmermann/Elberling, VN 52 (2004), S. 71, 75. Probleme im Bereich des Gewohnheitsrechts und insbesondere des jus cogens können hier außer Betracht bleiben, weil keine der beiden Rechtsquellen Staaten einer gerichtlichen (Hauptsache-)Jurisdiktion unterstellt (zum jus cogens noch eingehender unten, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (2) (b) dieser Arbeit; zum Gewohnheitsrecht vgl. nur Ruiz Fabri, in: Corten/Klein, Art. 66 (Convention de 1969) Rn. 4; Peters, EJIL 14 (2003), S. 1, 21). Vgl. aber zur Bedeutung der staatlichen Zustimmung in diesen Bereichen Charney/Danilenko, in: Damrosch/Danilenko/Müllerson, S. 23, 34 ff., 46 ff.; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 291 ff., 357, 364 ff. 149 Akande, Aggression, S. 13; Anand, Compulsory Jurisdiction, S. 26; Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 2 f.; Baron Descamps, Rapport à la Conference, in: Ministère des Affaires Étrangères (Hrsg.), Conférence Internationale de la Paix, La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, S. 100, 111; Bedjaoui, FS Cot, S. 1; Berentelg, Act of State, S. 10; Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2008), S. 971, 974; Schorer, Konsensprinzip, S. 34 ff.; Schrijver, BYIL 70 (2000), S. 65, 71; Singh, Role, S. 15; Graf Vitzthum, in: ders./Proelß, Völkerrecht, S. 20 f.; Wemmer, Trägerschaft, S. 55; vgl. Bruns, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 547, 623; Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 613; Oellers-Frahm, AVR 27 (1989), S. 442; dies., FS Eitel, S. 169, 170; Orakhelashvili, LPICT 2 (2003), S. 501. Zum Zusammenhang mit dem Zustimmungserfordernis in der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre vgl. Orakhelashvili, ebda., S. 508; ders., Peremptory Norms, S. 491. 150 Aguilar Mawdsley, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1099; Amerasinghe, Jurisdiction, S. 69 f.; Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 2 f.; Chinkin, ICLQ 45 (1996), S. 712, 716; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 436; Hamacher, Maxime, S. 114 f.; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 523; Kolb, Introduction, S. 147; ders., ICJ, S. 298, 370; Lowe, Australian YIL 20 (1999), S. 191, 198; Orakhelashvili, LPICT 2 (2003), S. 501, 504 f.; Schorer, Konsensprinzip, S. 34; Silagi, SAYIL 4 (1978), S. 10, 14 f.; Thirlway, Japanese YIL 55 (2012), S. 4, 5; Wittmann, Problem, S. 26; vgl. Espósito, JIDS 4 (2013), S. 439, 453; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 517, sowie allgemein zur Rechtsdurchsetzung Mbaye, Recueil des Cours 209 (1982 II), S. 223, 239. 151 Baron Descamps, Rapport à la Conference, in: Ministère des Affaires Étrangères (Hrsg.), Conférence Internationale de la Paix, La Haye 18 Mai – 29 Juillet 1899, S. 100, 111; vgl. Jenks, Prospects, S. 498; Plamper, Nichtigkeit, S. 96; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 517; Silagi, SAYIL 4 (1978), S. 10, 13 ff.; Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 842 f.; Wemmer, Trägerschaft, S. 55. 152 Ein Gleicher hat über einen Gleichen keine Macht; vgl. dazu House of Lords, R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte (No. 3) [2000] 1 AC 147,

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

die nicht durch deren Willen eingesetzt worden wäre und die eine solche Unterwerfung verfügen könnte, gibt es nicht. Auch existiert eine solche Unterwerfung nicht als Norm des allgemeinen Völkerrechts. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Souveränität im Sinne eines Ausschließlichkeitsanspruchs eines Staates nur innerhalb der Grenzen des Völkerrechts, also im Bereich seiner domaine réservé, gewährleistet ist.153 Zwar ist es – mit sehr engen Ausnahmen – richtig, dass der IGH Völkerrecht anzuwenden hat154 und daher mit seinem Urteilsspruch idealiter nur etwas ausspricht, was ohnehin der souveränen Verfügung des Staates entzogen ist.155 Ohne weiteres ist damit aber nur der Streitgegenstand der domaine réservé entzogen, nicht aber auch die verbindliche Entscheidung über diesen Sachverhalt. Die Unterwerfung unter eine Gerichtsbarkeit zählt weiterhin zur domaine réservé.156 Das Konzept der Souveränität ist freilich selbst Änderungen unterworfen. So ist nicht zu übersehen, dass das Völkerrecht in jüngerer Zeit – wenn nicht überhaupt im Verlauf seiner Geschichte – große Bereiche eingenommen hat, die ehemals der

210 (Lord Goff of Chieveley), 268 (Lord Millett); Jones v. Ministry of the Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening) [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC 270, Rn. 14 (Lord Bingham of Cornhill); Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 283; Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 613; Hokema, Immunität, S. 24; Oellers-Frahm, FS Riedel, S. 389, 391; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 272; Schrijver, BYIL 70 (2000), S. 65, 71; vgl. auch Akande, Aggression, S. 13. 153 Dazu Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1074 f.; Oeter, FS Steinberger, S. 259, 276 ff., 284; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 316; Schrijver, BYIL 70 (2000), S. 65, 75; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 354; Türk, FS Eide, S. 753, 756; vgl. StIGH, Nationality Decrees Issued in Tunis and Morocco, PCIJ Series B No. 4, S. 23 f.; Conforti, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 215, 217. 154 Vgl. Art. 38 Abs. 1 des Statuts. Davon abgesehen kann er nur durch ein ausdrückliches Verlangen der Parteien ermächtigt werden, nach Billigkeit und nicht nach dem geltenden Völkerrecht zu entscheiden (Art. 38 Abs. 2 des Statuts): StIGH, Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Second Phase, PCIJ Series A, No. 24, S. 10; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 174. Das ist noch nicht geschehen: Collier, FS Jennings, S. 364, 367. 155 Vgl. Ruiloba Santana, Jurídica – Anuario del Departamento de Derecho de la Universidad Interamericana 5 (1973), S. 633, 637. Deshalb sind auch die bisweilen angebrachten Vorbehalte zu Erklärungen unter Art. 36 Abs. 2 des Statuts, nach denen solche Angelegenheiten von der Unterwerfung ausgenommen werden, die der „exclusive jurisdiction“ des erklärenden Staates angehören, überflüssig, denn über solche Angelegenheiten kann der IGH ohnehin nicht entscheiden: Briggs, Recueil des Cours 93 (1958 I), S. 223, 310 f., 363 (unter Berufung auf die Liste in Art. 36 Abs. 2 des Statuts); Conforti, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 215, 217; Habicht, Post-War Treaties, S. 997; Hambro, BYIL 25 (1948), S. 133, 148; Hudson, Permanent Court, S. 471; Keith, Extent, S. 135 f.; Stone, Legal Controls, S. 126 Fn. 122; Wittmann, Problem, S. 386; vgl. auch IGH, Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 33. 156 Vgl. auch Kelsen, Law of the UN, S. 527 f.

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domaine réservé der Staaten zuzurechnen waren.157 Klassisch ist insoweit das Beispiel der Menschenrechte, die mittlerweile den Umgang eines Staates auch mit seinen eigenen Staatsangehörigen regeln.158 Diese Entwicklung kann jedoch allenfalls ein materielles Souveränitätsverständnis in Zweifel ziehen, nach dem die staatliche Souveränität ein gewisses Maß an Unabhängigkeit, also gewisse – wenn auch enge – einzelstaatliche Freiräume, verlangt.159 Selbst das ist allerdings nicht sicher, da auch ein materielles Souveränitätsverständnis nur die Freiheit der grundlegenden Entscheidungen, etwa hinsichtlich der Wahl des politischen Systems, umfasst160 und selbst die neuere Entwicklung diese Aspekte einzelstaatlicher Souveränität kaum in Frage stellt.161 Jedenfalls aber lässt auch die neuere Entwicklung hin zu einer begrenzten Souveränität ein formelles Souveränitätsverständnis unberührt, das nur darauf abstellt, dass ein souveräner Staat keine rechtlich übergeordnete Instanz kennt und nur durch das Völkerrecht gebunden ist.162 Die neueren Entwicklungen stellen das Konzept der Souveränität daher nicht als solches in Frage, sondern reduzieren es nur – quantitativ – in seiner praktischen Wirkung.163 Mit der Zunahme der völkerrechtlichen Rechte und Pflichten wird der souveräne Freiraum der Staaten zunehmend enger. Dennoch behält die staatliche Souveränität insoweit eine Bedeutung, als an sie weiterhin die Vollmitgliedschaft in der Staatengemeinschaft, also die grundsätzlich umfassende Völkerrechtssubjektivität, und mit ihr die Befugnis zur Setzung von Völkerrecht,164 anknüpft.165 Dem 157

Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1076; Oeter, FS Steinberger, S. 259, 285; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 70 f., 166; vgl. auch Jamnejad/Wood, LJIL 22 (2009), S. 345, 346. 158 Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 609; de Hoogh, FS Wellens, S. 169, 179 ff.; Oeter, FS Steinberger, S. 259, 284; vgl. Abi-Saab, FS Suy, S. 225, 230; Conforti, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 215, 222 Fn. 13; Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1076; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 70 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 14 f.; Steinberger, EPIL IV, S. 500, 514 f. 159 Dazu Nolte, Eingreifen, S. 187; Steinberger, EPIL IV, S. 500, 512. 160 Nolte, Eingreifen, S. 187 f.; eine viel weitere Liste stellt Steinberger, EPIL IV, S. 500, 512, auf, hält dabei aber selbst nicht alle Elemente für ausschlaggebend. 161 Jedoch gibt es völkerrechtliche Pflichten zur Wahl eines demokratischen Systems; vgl. etwa Art. 3 des (Ersten) Protokolls zur (Europäischen) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, ETS 5, und allgemein zur Bedeutung der Demokratie unter der Konvention EGMR, United Communist Party of Turkey and Others v. Turkey (GC), RJD 1998-I, S. 1, 21 f.; Gorzelik and Others v. Poland (GC), RJD 2004-I, S. 219, 261. 162 Dazu Kelsen, Problem, S. 36 f., 40 ff., 56 ff.; Nolte, Eingreifen, S. 187; Plamper, Nichtigkeit, S. 95 f. 163 Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1076; de Hoogh, FS Wellens, S. 169, 180 ff.; Oeter, FS Steinberger, S. 259, 285; vgl. auch Schweisfurth, Völkerrecht, S. 15. 164 Vgl. zur Begründung völkerrechtlicher Normen als Ausübung und Attribut der Souveränität und Völkerrechtssubjektivität StIGH, Case of the S.S. Wimbledon, PCIJ Series A, No. 1, S. 25; Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 610; Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1075, 1076; Klabbers, Treaty Conflict, S. 21; Land, Souveränität, S. 166; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 260; vgl. zur zunehmenden Beteiligung nicht-staatlicher Akteure an der völkerrechtlichen Rechtsetzung nur Schrijver, BYIL 70 (2000), S. 65, 81 ff.

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souveränen Staat ist auch weiterhin keine unabgeleitete Hoheitsmacht – in Abgrenzung zur abgeleiteten Macht namentlich des Sicherheitsrats der UN – übergeordnet,166 und ein Staat ist auch weiterhin grundsätzlich nur an die Normen gebunden, denen er zugestimmt hat167 – auch wenn diese Zustimmung bisweilen nur eine Zustimmung zu einer Form der Normsetzung, nicht zu den einzelnen Normen ist.168 Im Übrigen bleiben trotz der Zunahme der völkerrechtlichen Normendichte durchaus noch Freiräume. Zu diesen gehört namentlich die hier relevante Unterwerfung unter eine internationale Gerichtsbarkeit. Im Zuge einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts wurden zwar etliche neue Instanzen geschaffen,169 jedoch hat sich keine allgemeine gerichtliche Zuständigkeit für jedwede völkerrechtlichen Streitigkeiten ergeben. Es erscheint auch unwahrscheinlich, dass es dazu kommen wird.170 Es verbleibt also bei dem traditionellen Rechtssatz, dass ein souveräner Staat nicht ohne seine Zustimmung vor ein Gericht zitiert werden kann. Dieser Grundsatz folgt bereits aus dem Konzept der staatlichen Souveränität im allgemeinen Völkerrecht. b) Das Statut Das Statut des IGH nimmt diesen Rechtssatz auf.171 In der Tat setzt es ihn sogar nur voraus. Art. 36 des Statuts nennt nämlich ausdrücklich nur die Arten der Erklärung der Zustimmung zur Jurisdiktionsausübung des IGH, und bestimmt, dass der IGH infolge einer solchen Erklärung Jurisdiktion besitzt.172 Daraus folgt jedoch nicht, dass sich eine Änderung des allgemeinen Völkerrechts in diesem Punkt unmittelbar auf das Statut auswirken würde. Der Satz von der Zustimmungsbedürftigkeit der gerichtlichen Jurisdiktion ist im Statut vielmehr notwendig vorausgesetzt. 165 Oeter, FS Steinberger, S. 259, 285; vgl. auch Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072, 1076; Kelsen, Recueil des Cours 84 (1953 III), S. 1, 82; Graf Vitzthum, in: ders./Proelß, Völkerrecht, S. 19. 166 Byers, Custom, S. 88: „In international society, there is no overarching sovereign.“ 167 Vgl. nur Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 254; Graf Vitzthum, in: ders./Proelß, Völkerrecht, S. 20 f.; vgl. auch Byers, Custom, S. 88. 168 Vgl. zum Völkergewohnheitsrecht Byers, Custom, S. 142 ff. 169 Vgl. dazu Giegerich, GLJ 10 (2009), S. 31; Peters, FS Delbrück, S. 535, 538, 543; Schrijver, BYIL 70 (2000), S. 65, 95. 170 Vgl. Proelß, Bundesverfassungsgericht, S. 135; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 19; vgl. auch Simma, in: Giegerich, Wiser Century, S. 455, 458 f.; Tams, ebda., S. 461, 492. Aus ähnlichen Gründen sieht auch Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 41 f., den IGH nicht als Motor einer weiteren Konstitutionalisierung. 171 S. o., Fn. 143 – 145. 172 Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 311; Szafarz, Compulsory Jurisdiction, S. 5; vgl. Bostedt, Einstweilige Maßnahmen, S. 78; Fraas, Sicherheitsrat, S. 24; Hudson, Permanent Court, S. 408; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 311; Lauterpacht, FS Jennings, S. 465; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 170 f.; vgl. auch Odendahl, JöR n.F. 55 (2007), S. 1, 13 Fn. 72.

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Insofern legt das Statut den IGH auf die Rechtslage im allgemeinen Völkerrecht zur Zeit seines Entstehens – im Jahr 1945, oder angesichts der Inhaltsgleichheit mit dem Statut des StIGH sogar 1923 – fest.173 Die Rechtslage hat sich allerdings seitdem nicht geändert. Mit dem Begriff der „Jurisdiktion“ werden im Zusammenhang des Statuts einige unterschiedliche Konzepte bezeichnet,174 die hier auseinander gehalten werden müssen. Insbesondere gilt der Satz, nach dem die Jurisdiktion des IGH von der Zustimmung der betroffenen Staaten abhängt, nicht für alle diese Konzepte. Im Folgenden werden deshalb einige Differenzierungen innerhalb des Begriffs der „Jurisdiktion“ des IGH zu klären sein. Dadurch wird auch erkennbar werden, in welchem Zusammenhang der Rechtssatz der Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des IGH relevant wird. Außerdem wird die Verwendung des Begriffs der Jurisdiktion im Sinne dieser Arbeit, in Abgrenzung zu den sonst vorgenommenen Definitionen, geklärt werden können. Anschließend sollen kurz die Ausnahmen von der Erforderlichkeit der staatlichen Zustimmung, also die Fälle der sogenannten zwingenden Jurisdiktion des IGH,175 dargestellt werden. aa) Der Jurisdiktionsbegriff: die Kategorien (1) Generelle und spezielle Jurisdiktion Der erste Sinn, in dem bisweilen der Begriff der „Jurisdiktion“ verwendet wird, bezeichnet als „generelle Jurisdiktion“ den allgemeinen Aufgabenbereich des IGH, innerhalb dessen er tätig werden darf.176 Innerhalb dieses Bereichs muss sich jede 173 Vgl. Crawford, in: Tams/Sloan, S. 71, 79; vgl. entsprechend zu Art. 34 Abs. 1 des Statuts Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 87 f.; Jennings, AJIL 89 (1995), S. 493, 504; Kolb, ICJ, S. 263; vgl. auch Report by Dr. Cesare P. R. Romano, Special Reporter, in: American Branch of the International Law Association, Committee on Intergovernmental Settlement of Disputes, Reforming the United Nations: What About the International Court of Justice?, Chinese JIL 5 (2006), S. 39, 41, 54 f. 174 Vgl. Wegen, Vergleich, S. 50 f., und seine Diskussion der Terminologie in den Nachweisen auf den dort folgenden Seiten. 175 Der Begriff der zwingenden Jurisdiktion ist problematisch, da es weitestgehend nur um die Form der Erteilung der Zustimmung geht; vgl. Alexandrov, Chinese JIL 5 (2006), S. 29, 31 ff.; Anand, Compulsory Jurisdiction, S. 26 ff.; Briggs, FS Verdross, S. 87 f.; Fachiri, Permanent Court, S. 5; Jennings, ZaöRV 47 (1987), S. 3; Kelsen, Law of the UN, S. 522 f.; Simma, in: Giegerich, Wiser Century, S. 455, 456; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 366. Wenn aber die Zustimmung einmal auf Dauer – nicht nur ad hoc – erteilt ist, kann durchaus von einer Art zwingender Jurisdiktion gesprochen werden; vgl. Alexandrov, Chinese JIL 5 (2006), S. 29, 35, 38; Hamacher, Maxime, S. 41 f.; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 525; O’Connell, Failure, S. 8; Orakhelashvili, LPICT 2 (2003), S. 501, 505 f.; Oellers-Frahm, AVR 27 (1989), S. 442, 443 („fakultative obligatorische Gerichtsbarkeit“); Schorer, Konsensprinzip, S. 38 ff.; Singh, Role, S. 17 f.; Stone, Legal Controls, S. 123. 176 Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. I, S. 109 f.; Kolb, ICJ, S. 212; Wegen, Vergleich, S. 51 f.; Wemmer, Trägerschaft, S. 53 f.; vgl. auch Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 10 ff.; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 434 f.; Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 742.

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dem Gerichtshof anschließend übertragene Jurisdiktion über bestimmte Streitfälle oder Kategorien von Streitfällen bewegen, wie immer diese Jurisdiktion auch übertragen werden mag; die Übertragungsakte ihrerseits begründen dann die „spezielle Jurisdiktion“ des Gerichts.177 In der klassischen, isolierten Schiedsgerichtsbarkeit178 als Urform der völkerrechtlichen Gerichtsbarkeit wurde die generelle Jurisdiktion gleichzeitig mit der speziellen begründet, nämlich mit dem (echten) Compromis der Parteien.179 Durch dieses entstand erst die Schiedsstelle (als solche),180 und erst durch dieses wurde auch ihr Aufgabenbereich bestimmt. Dieser stimmte dann mit dem Anforderungsprofil des konkret vorgelegten Falls überein.181 Daraus folgt indes nicht, dass bereits die generelle Jurisdiktion eines Gerichts oder Schiedsgerichts notwendig auf dem Willen der Parteien eines Streitfalls beruhe und daher von den an einem Verfahren beteiligten Staaten konsentiert werden müsse.182 Vielmehr geht es bei der generellen Jurisdiktion um die Grenzen, die dem Gericht durch seine grundlegenden, nicht dispositiven (oder nicht disponierten) Rechtsnormen gezogen sind. Diese Normen unterliegen nicht dem Konsensprinzip, also dem Gebot der Zustimmung der Prozessparteien, sondern der Gestaltungsfreiheit der Gründer des Gerichts. Für den IGH ergeben sich diese Normen aus seinem Statut183 und seiner Verfahrensordnung. Sie Begriff nach Wegen, Vergleich, S. 51 f. Ähnliche, aber im Einzelnen abweichende Unterscheidung bei Shany, Effectiveness, S. 69 ff. 177 Abi-Saab, Exceptions, S. 61; Kolb, ICJ, S. 212; Wegen, Vergleich, S. 51 f.; vgl. Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 10 ff.; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. I, S. 109 f. 178 Die isolierte Schiedsgerichtsbarkeit bilden Schiedsinstanzen, die „ohne vorhergehende Verpflichtung der Parteien für einen einzelnen […] Streitfall verabredet und gebildet“ wurden; „[b]ei der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit demgegenüber beruht die Bildung und Anrufung des Schiedsgerichts auf einer auch künftige Streitfälle umfassenden Bindungswirkung,“ wobei entweder bereits ständige Instanzen bestehen oder für jeden unter die Verpflichtung fallenden Streitfall ad hoc Schiedsgerichte gebildet werden: von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 13 f.; vgl. Wegen, Vergleich, S. 56 Fn. 43; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 260 f. Die Begründung der Instanz und der Jurisdiktion in der isolierten Schiedsgerichtsbarkeit geschieht durch ein sog. „echtes Kompromiss“; in der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit leitet dagegen ein „unechtes Kompromiss“ (auch: „Schiedsordnung“) das Verfahren ein, ggf. auch unter Bildung des Schiedsgerichts (jew. ebda.). 179 Wegen, Vergleich, S. 58. 180 Freilich wurden auch häufig bereits bestehende Institutionen, wie etwa fremde Staatsoberhäupter, als Schiedsstelle benannt: Aznar Gómez, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 2 Rn. 2; von Mangoldt, Schiedsgerichtsbarkeit, S. 14; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 11 f. 181 Abi-Saab, Exceptions, S. 61. 182 Wohl anders Wegen, Vergleich, S. 57 Fn. 46, demzufolge die generelle Jurisdiktion durch die Parteistellung im Statut oder durch einen Zustimmungsakt nach Art. 35 Abs. 2 des Statuts konsentiert ist; ähnlich Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 12; Schorer, Konsensprinzip, S. 38, 61, 64 ff. 183 Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 10; Wegen, Vergleich, S. 51 Fn. 24; vgl. StIGH, Payment of Various Serbian Loans Issued in France, Dissenting Opinion by M. Pessôa, PCIJ Series A, Nos. 20/21, S. 62, 65; Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Order, PCIJ

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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sind für den IGH und für die Parteien zwingend, soweit die Normen selbst keine Abweichungen zulassen;184 insbesondere kommt auch keine Veränderung der ihrem Inhalt nach zwingenden Verfahrensvorschriften durch ein inter se-Abkommen der Parteien i.S.d. Art. 41 WVK in Betracht.185 Dieses beträfe nämlich nicht nur die Rechtsverhältnisse der Parteien untereinander, sondern würde auch abweichendes Recht für den IGH selbst begründen, weil auch dieser an dem mit der Verfahrenseinleitung begründeten Prozessrechtsverhältnis teilnimmt.186 Der IGH ist aber durch Art. 92 Satz 2 der Charta und Art. 1 seines Statuts ausdrücklich verpflichtet, (nur) auf Grundlage seines Statuts tätig zu werden.187 Damit nehmen die Charta und das Statut einen allgemeinen Grundsatz des Rechts internationaler Organisationen auf, nämlich das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung,188 wonach internationale Organisationen nur im Rahmen ihres Gründungsvertrags, also nach dem Willen ihrer

Series A, No. 22, S. 12; IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 29; Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295; Guyomar, Commentaire, S. 636; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 7; ders., ICJ, S. 82 ff.; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 5; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 610 f.; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 54. 184 Vgl. jeweils ebda., sowie IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 70; Bruns, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 547, 626; Fachiri, Permanent Court, S. 73; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 17, 22; Sztucki, Jus Cogens, S. 12, 14, 142, 178; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 18, 97; mit der genannten Einschränkung Annacker, Durchsetzung, S. 119; Jenks, Prospects, S. 615; Plamper, Nichtigkeit, S. 125; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 591; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 610. Vgl. auch, aus der institutionellen Schiedsgerichtsbarkeit, Case concerning the Question whether the Reevaluation of the German Mark in 1961 and 1969 Constitutes a Case for Application of the Clause in Article 2 (e) of Annex I A of the 1953 Agreement on German External Debts between Belgium, France, Switzerland, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the United States of America on the One Hand and the Federal Republic of Germany on the Other, RIAA XIX, S. 67, 87. 185 So aber Benzing, Beweisrecht, S. 52 ff.; ähnlich auch Schorer, Konsensprinzip, S. 133. 186 Vgl. zu dieser Dreipoligkeit des Prozessrechtsverhältnisses IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Counter-Claims, Declaration of Judge Krec´a, ICJ Reports 1997, S. 262; vgl. auch) IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 101; Jouannet, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 255, 257, und aus dem innerstaatlichen Recht nur SchmidtAßmann/Schenk, in: Schoch/Schneider/Bier, Stand: Januar 2012, Einleitung Rn. 156. 187 Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 54; so i.E. auch Gallus, RDILC 57 (1930), S. 878, 899. Wenn Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 724, es dagegen für unbehelflich hält, den IGH „als Partei seines Statuts zu konstruieren“, weil es ihm dann immer noch offenstünde, an einer Modifikation des Verfahrensrechts des Statuts mitzuwirken, übersieht er die zwingende Wirkung von Art. 92 Satz 2 der Charta und Art. 1 des Statuts. 188 Vgl. hierzu z. B. EuGH, Kadi ./. Rat und Kommission, Rs. C-402/05 P u. a., Slg. 2008, S. I-6351, 6472; Fraas, Sicherheitsrat, S. 74; Khan, Implied Powers, S. 30 ff.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Gründer, tätig werden können.189 Das Statut ist deshalb bereits als institutionelles Recht des IGH zwingend. Die Verfahrensordnung ist ebenfalls weitgehend zwingend, als Sekundärrecht des Statuts190 und kraft der ausdrücklichen Anordnung in ihrem Art. 101, der Abweichungswünsche von einem Zusammenwirken der Parteien und des Gerichtshofs abhängig macht.191 Eines Rückgriffs auf Art. 92 Satz 2, 103 der Charta bedarf es demnach zur Begründung der zwingenden Wirkung des Statuts und der Verfahrensordnung192 nicht mehr.193 Aus der generellen Jurisdiktion folgt hingegen noch keine Befugnis des Gerichtshofs, irgendeinen Streitfall zu entscheiden oder sonst richterlich tätig zu werden. Allein durch das Konzept der generellen Jurisdiktion des IGH kraft seines Statuts sind die Staaten daher noch keinen Pflichten unterworfen.194 Zwar ergeben sich aus dem Statut auch Fälle einer inzidenten oder zwingenden Jurisdiktion des Gerichtshofs195 und sind diese Befugnisse des IGH in der Tat durch die Annahme des Statuts durch die Staaten konsentiert,196 doch darf hier nicht die Rechtsquelle mit der Regelungsmaterie verwechselt werden: Diese Befugnisse mögen sich ohne weiteres aus dem Statut ergeben, sind aber dennoch Teil der speziellen, nicht der generellen Jurisdiktion des Gerichtshofs.197 Sie beschreiben nicht nur einen institutionellen, 189 Vgl. Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 7; ders., ICJ, S. 77; Reisman, Recueil des Cours 258 (1996), S. 9, 57; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 612. 190 Vgl. Annacker, Durchsetzung, S. 93; Kolb, ICJ, S. 101 f.; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1028, 1030 f.; Thirlway, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 30 Rn. 7, 8 f., 11. 191 Kolb, ICJ, S. 100; vgl. Guyomar, Commentaire, S. 636; Hamacher, Maxime, S. 20. 192 Die Verfahrensordnung könnte auch nur dann gemäß Art. 92 Satz 2, 103 der Charta i.V.m. Art. 30 Abs. 1 des Statuts zwingend sein, wenn als Quellen von „obligations […] under the present Charter“ i.S.d. Art. 103 der Charta nicht nur die Charta selbst und wegen Art. 92 Satz 2 das Statut (vgl. Annacker, Durchsetzung, S. 93 f.; Rosenne, Provisional Measures, S. 108 Fn. 60) anzusehen wären, sondern – analog zu den Resolutionen des Sicherheitsrates – auch das unter dem Statut erlassene Sekundärrecht, nämlich die Verfahrensordnung; hierzu noch unten, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (b) (aa) dieser Arbeit. 193 So aber Annacker, Durchsetzung, S. 93 f.; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 485 Fn. 16; Shihata, Power, S. 49; mit nur ergänzendem Hinweis auf Art. 103 Zimmermann/ Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 54. 194 Amerasinghe, Jurisdiction, S. 80; ders., Specific International Tribunals, S. 16; Anand, Compulsory Jurisdiction, S. 27; Grisel, Exceptions, S. 65; Morelli, Recueil des Cours 61 (1938 III), S. 257, 305 f.; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 274. 195 Dazu noch eingehend unten, 1. Teil B. I. 1. b) bb) dieser Arbeit. 196 Alexandrov, Chinese JIL 5 (2006), S. 29, 30; Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 19; Briggs, FS Verdross, S. 87, 93 f.; Delbez, Principes généraux, S. 64 f.; Lauterpacht, FS Jennings, S. 465, 466; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 274; ders., Law and Practice (2006), Bd. II, S. 601, 812 f.; Shihata, Power, S. 170; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 48 f.; Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 742. 197 So auch die Einordnung bei Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 19, der im Sinne der hier vorgenommenen Unterscheidung von genereller und spezieller Jurisdiktion von „funktioneller“

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verfassungsmäßigen Rahmen, innerhalb dessen dem IGH Befugnisse übertragen werden können, sondern geben dem Gerichtshof Entscheidungsbefugnisse. Die Normen des Statuts, mit denen inzidente und zwingende Kompetenzen begründet werden, treten damit an die Stelle der Zumessung von Jurisdiktion durch die in Art. 36 des Statuts vorgesehenen staatlichen Zustimmungsakte (oder durch Verhalten im Sinne der Figur des forum prorogatum).198 Sie leisten nicht dasselbe wie die Normen des Statuts, die (nur) ein Feld bestimmen, innerhalb dessen sich der Gerichtshof maximal bewegen darf.199 Nur letzteres ist aber der Inhalt der generellen Jurisdiktion. Sie bestimmt Grenzen, die von der Gründung des Gerichtshofs datieren200 und sich aus dem Willen der Gründer hinsichtlich seines Tätigkeitsfeldes ergeben. Sie begründet aber keine positiven Kompetenzen, die Staaten erst jeweils für sich annehmen müssten, sondern stellt nur eine negative Umschreibung der möglichen Kompetenzen des IGH dar. Die generelle Jurisdiktion muss daher nicht konsentiert werden, das Statut – wegen der in ihm enthaltenen Titel der speziellen Jurisdiktion – dagegen sehr wohl. Zu diesen Grenzen der generellen Zuständigkeit des IGH im streitigen Verfahren wird gezählt, dass nur Streitfälle zwischen Staaten bearbeitet werden können (Art. 34 Abs. 1 des Statuts),201 und dass weiterhin nur die Parteien des Statuts, sowie nur unter Maßgabe von Art. 35 Abs. 2 des Statuts andere Staaten, parteifähig sind (Art. 35 des Statuts).202 Ebenso kann hier das Erfordernis eines dispute zwischen den Parteien,203 und „konventioneller“ Zuständigkeit spricht (ebda., S. 11 ff.). Wohl andere Kategorisierung bei Shany, Effectiveness, S. 70. 198 Vgl. Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 19; Shihata, Power, S. 170. 199 Die Metapher des „Feldes“ stammt von Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. I, S. 109 f. und Bd. II, S. 434 f., der besonders an der letzteren Stelle aber die Grenzen der generellen Jurisdiktion und die diversen möglichen Grenzen der speziellen Jurisdiktion vermengt. 200 Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 10; vgl. auch Bruns, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 547, 626, der zudem auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verfahrensordnung hinweist. Für den IGH ist nicht bereits die Gründung des StIGH maßgeblich, da der IGH nicht im eigentlichen Sinne Rechtsnachfolger des StIGH ist: dazu Gowlland-Debbas, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 1 Rn. 8 ff., 25 ff.; Simma/Richemond, ebda., Art. 37 Rn. 4 f.; vgl. auch IGH, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (New Application: 1962), Preliminary Objections, ICJ Reports 1964, S. 6, 33. 201 Abi-Saab, Exceptions, S. 65; vgl. Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 435 Fn. 1; Glichitch, Juridiction, S. 87. 202 Abi-Saab, Exceptions, S. 65; Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 353 f. Nach Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 41 f., handelt es sich hierbei um das jus cogens des Statuts. 203 Vgl. zu diesem Erfordernis IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 505 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 8, und zur Zuordnung zur generellen Jurisdiktion PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 594; Amerasinghe, Specific International Tribunals, S. 21 f.; ders., FS Mensah, S. 121, 126 f. Fn. 9; Glichitch, Juridiction, S. 89; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 41; vgl. dazu auch IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 70.

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der auch nicht gegenstandslos („moot“) sein darf, genannt werden.204 Schließlich sind auch die Grenzen seiner Tätigkeit, die der Gerichtshof selbst dem Schutz seiner richterlichen Funktion („judicial propriety“) entnommen hat, begrifflich Aspekte der generellen Jurisdiktion, weil die richterliche Funktion des IGH definitionsgemäß eine allgemeine Rollenbestimmung ist.205 Diese Voraussetzungen sind dem Willen der Parteien entzogen, liegen also nicht bereits deshalb vor, weil das dem erklärten Willen der Parteien entspricht. Es stellt sich hier also nicht die Frage einer Zustimmung zum Verfahren, sondern es stellen sich Fragen, die allein nach den Maßgaben des Statuts zu beantworten sind.206 Das oben angesprochene Konsensprinzip gilt daher hier nicht. Insbesondere trifft es zwar zu, dass Art. 35 des Statuts mit seinem Erfordernis entweder der Parteistellung eines Staates im Statut oder einer Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts und der danach ergangenen Sicherheitsratsresolution SC Res. 9 (1946) eine freiwillige Handlung eines Staates zur Voraussetzung der generellen Jurisdiktion macht und damit eine Art der staatlichen Zustimmung verlangt.207 Der Rechtsgrund dieses Erfordernisses ist 204 Amerasinghe, Specific International Tribunals, S. 21 f.; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 41. Hierzu zählt Kolb (ebda.) auch das Erfordernis, dass der Streitfall ein rechtlicher sein muss (so auch Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. I, S. 109; Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 355 ff., und vgl. zum Erfordernis eines völkerrechtlichen Streitfalls StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 12). Das ist aber kein ausnahmsloses Erfordernis, da die Parteien den IGH gemäß Art. 38 Abs. 2 des Statuts zur Entscheidung nach Billigkeit auffordern können (dazu auch Glichitch, Juridiction, S. 90; wohl a.A. Amerasinghe, Specific International Tribunals, S. 22); dies muss freilich, wegen des Ausnahmecharakters einer solchen Entscheidung, ausdrücklich geschehen: StIGH, Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Second Phase, PCIJ Series A, No. 24, S. 10. Rechtlich fassbar muss freilich nur der klägerische Vortrag sein; vor dem IGH können nicht ausdrücklich nur politische Forderungen erhoben werden. Macht ein Kläger allerdings eine völkerrechtliche Pflicht geltend und besteht diese in Wirklichkeit nicht, ist die Klage unbegründet, nicht unzulässig. Dementsprechend hat der IGH in dem Gutachten Accordance with International Law of the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo nicht das Vorliegen einer Rechtsfrage i.S.d. Art. 65 Abs. 1 des Statuts in Frage gestellt, sondern nur bei der Beantwortung der gestellten Frage auf die Grenzen des Völkerrechts hingewiesen: ICJ Reports 2010, S. 403, 438; dazu auch Thirlway, BYIL 81 (2010), S. 13, 157. 205 Grisel, Exceptions, S. 214 f.; vgl. auch Amerasinghe, Jurisdiction, S. 99; ders., FS Mensah, S. 121, 126; Gross, AJIL 58 (1964), S. 415, 424 f.; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 26, 29. 206 Vgl. allgemein Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 351. Vgl. insbesondere zu Art. 35 des Statuts IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295. Für Art. 34 Abs. 1 gilt nichts anderes: vgl. ebda., S. 299. Auch das Bestehen eines dispute zwischen den Parteien hängt nicht von deren eigener Einschätzung ab (IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, ICJ Reports 1950, S. 65, 74; Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271; Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 53 f., 199), ebenso wenig wie die Frage, ob der Streit gegenstands- und funktionslos geworden ist (IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 33 f.). 207 Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 12.

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ein dreifacher: Erstens nimmt das Statut den Gedanken auf, dass die Staaten eine gerichtliche Instanz denknotwendig erst als Rechtsperson und als Instanz anerkennen müssen, bevor sie vor ihm auftreten oder ihm eine Jurisdiktion übertragen können.208 Indem ein Staat Partei des Statuts wird oder eine Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts abgibt, erteilt er diese Anerkennung, und wird – im Gegenzug – parteifähig, also seinerseits zur Rechtsperson im Sinne der streitigen Zuständigkeit des IGH.209 Zweitens bewirkt Art. 35 eine Einbindung des IGH in das System der Vereinten Nationen, zu dem er gehört:210 Organisationsfremde Staaten können den IGH nicht nutzen, oder nur unter den Bedingungen des Sicherheitsrates (Art. 35 Abs. 2 des Statuts) oder der Generalversammlung und des Sicherheitsrates (Art. 93 Abs. 2 der Charta).211 Drittens berücksichtigt Art. 35 des Statuts die sachliche Notwendigkeit der Bindung jeder Partei an den Richterspruch und die (inzidente) Jurisdiktion des IGH.212 Hierbei ist aber nicht maßgeblich, dass mit der Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts und SC Res. 9 (1946) die Zustimmung zur generellen Jurisdiktion des IGH erteilt wird. Außer bei der Anerkennung der (inzidenten) Jurisdiktion des IGH, die – wie bereits bemerkt wurde – eine Frage der speziellen Jurisdiktion ist, geht es vielmehr nicht um einen Zustimmungsakt eines bestimmten Staates, sondern um Anforderungen des Statuts. Daher bleibt es dabei, dass der Legitimation durch einen staatlichen Zustimmungsakt nur die spezielle – hier: die inzidente – Jurisdiktion des IGH bedarf, weil erst diese Normen für einen Staat begründet. Die generelle Jurisdiktion begrenzt dagegen nur die Befugnisse des IGH, gibt ihm aber keine. 208

Abi-Saab, Exceptions, S. 61, 67; vgl. auch Salvioli, Recueil des Cours 91 (1957 I), S. 553, 585. 209 Vgl. Corfu Channel, Preliminary Objection, Dissenting Opinion of Judge ad hoc Daxner, ICJ Reports 1948, S. 33, 39; Abi-Saab, Exceptions, S. 61, 67; Hambro, Recueil des Cours 76 (1950 I), S. 125, 154 ff. 210 Art. 7, 92 der Charta und Art. 1 des Statuts; beim StIGH ging es dagegen um eine weitere Bindung an den Völkerbund, dessen Organisation der StIGH nicht angehörte. 211 Vgl. Yee, ICLQ 47 (1998), S. 884. Es geht hier jedoch nicht um jegliche Machtinteressen der UN, denn der Sicherheitsrat ist unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts nicht ermächtigt, Bedingungen jenseits der Bindung an den Urteilsspruch und der Anerkennung der Jurisdiktion (wie in SC Res. 9 (1946)) aufzustellen; vgl. Letter [from the President of the PCIJ] to the President of the Council of the League of Nations, in: Acts and Documents concerning the Organisation of the Court, PCIJ Series D, No. 2, S. 345, 346; Bruns, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 547, 620. Die Einbindung beschränkt sich deshalb darauf, dass die Bedingungen von den politischen Organen der UN festgelegt werden. 212 Ob nach SC Res. 9 (1946) auch die Hauptsachejurisdiktion des IGH anzuerkennen ist, mag hier offenbleiben, denn jedenfalls ginge es hierbei, wie auch bei der Anerkennung der inzidenten Jurisdiktion des IGH, um eine Zustimmung zur speziellen, nicht zur generellen Jurisdiktion des Gerichtshofs (s. o.). Gegen eine solche Annahme aber Hudson, Permanent Court, S. 387; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 519 f.; Salvioli, Recueil des Cours 91 (1957 I), S. 553, 584 f.; Starace, Competenza, S. 49 ff.; dafür Zimmermann, in: ders./Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 35 Rn. 61; zum problematischen Gebrauch des Wortes „jurisdiction“ in SC Res. 9 (1946) auch Hambro, BYIL 25 (1948), S. 133, 136 (SC Res. 9 (1946) „perpetuated the confusion between access to the Court and the jurisdiction of the Court“); Fritzemeyer, Intervention, S. 88 mit Fn. 292; Wittmann, Problem, S. 88.

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Die Frage der allseitigen Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH stellt sich damit nur im Bereich der speziellen Jurisdiktion des Gerichtshofs.213 Diese wird durch die einzelnen Zustimmungsakte der Staaten begründet. Mit der generellen Jurisdiktion sind dagegen nur die äußeren, vor allem aus dem Statut stammenden Grenzen der durch Zustimmungsakte zu begründenden Jurisdiktion des IGH gemeint. (2) Abstrakte und konkrete Jurisdiktion (a) Die Begrifflichkeiten Innerhalb des Konzepts der speziellen Jurisdiktion, die sich ihrerseits innerhalb des Rahmens der generellen Jurisdiktion eines Gerichtshofs bewegen muss, kann weiter zwischen der abstrakten und der konkreten Jurisdiktion des Gerichtshofs unterschieden werden.214 Ein Jurisdiktionstitel im Sinne der Art. 36, 37 des Statuts begründet einen Bereich, innerhalb dessen der IGH seine Jurisdiktion über eine ihm gestellte Frage ausüben könnte.215 Damit er das aber auch kann, muss ihm eine solche Frage erst von einer oder beiden Parteien gestellt werden.216 Die Anerkennung der Jurisdiktion nach Art. 36, 37 des Statuts begründet also nur die abstrakte Jurisdiktion des Gerichtshofs, die erst noch durch eine wirksame Verfahrenseinleitung (seising)217 konkretisiert werden muss.218 Damit wird zugleich der Streitgegenstand bestimmt.219 Beide Schritte fallen zusammen, wenn ein Verfahren durch Compromis von beiden Parteien gemeinsam eingeleitet wird. In diesem Fall enthält der Compromis sowohl die abstrakte Anerkennung der Jurisdiktion des IGH durch die Parteien als auch eine gemeinsame Einleitung des Verfahrens und damit die Begründung auch der konkreten Jurisdiktion des Gerichtshofs.220 Kann dagegen ein Verfahren vor dem 213

Vgl. Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 351. Vgl. zu dieser Einordnung Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 351; Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 233. 215 Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 839; vgl. Lagrange, RGDIP 107 (2003), S. 89, 94; Morelli, Ann. IDI 47-I (1957), S. 308, 310; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 578. 216 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1995, S. 6, 23; Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 204; Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 233; Wegen, Vergleich, S. 53 f.; Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 839. 217 Der Begriff des seising beschreibt den Vorgang der Verfahrenseinleitung, der Begriff des seisin den nach der Verfahrenseinleitung eingetretenen Zustand: Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 440 Fn. 2; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1145 Fn. 1; Shihata, Power, S. 87. 218 Begrifflichkeit nach Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 351; Wegen, Vergleich, S. 53 f. 219 Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 233; Wegen, Vergleich, S. 53; vgl. Benzing, Beweisrecht, S. 120 f. 220 Briggs, FS Verdross, S. 87, 90; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 644; Shihata, Power, S. 84, 87. Gemäß Art. 39 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann die Notifikation 214

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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IGH, oder sonst in der institutionellen Gerichtsbarkeit, einseitig begonnen werden, so geschieht die Konkretisierung der Jurisdiktion – jedenfalls in aller Regel – durch die Klage, also durch den Kläger.221 Es gibt hier aber zwei Ausnahmen: Erstens kann der Kläger seine Klageanträge im späteren Verlauf des Verfahrens, bis zum Ende des mündlichen Verfahrens,222 noch ändern, wenn der geänderte Antrag in der ursprünglichen Form bereits substantiell enthalten war,223 wenn also der ursprüngliche dispute nicht noch in einen anderen umgewandelt wird.224 Mit der Klage ist also die Begründung der konkreten Jurisdiktion des IGH noch nicht abgeschlossen, wenn auch der Möglichkeit der Erweiterung durch Klageänderung enge Grenzen gezogen sind. Im Übrigen – und das ist die zweite Ausnahme von der Konkretisierung der abstrakten Jurisdiktion durch den Kläger und in der Klage – kann auch der Beklagte diese Konkretisierung insoweit herbeiführen, als er Widerklagen (counter-claims) in das Verfahren einbringen kann. Dies kann er, wenn seine Widerklage innerhalb der (abstrakten) Jurisdiktion des Gerichtshofs bleibt und in einem direkten Zusammenhang mit dem Inhalt der Klage steht (Art. 80 Abs. 1 der Verfahrensordnung). Die Einbringung einer Widerklage kann also den Streitgegenstand erweitern225 und damit ändern. Damit begründet auch eine zulässige Widerklage die konkrete Jurisdiktion des IGH über den so eingebrachten Antrag.226 des Compromis an den IGH durch beide Parteien gemeinsam oder durch nur eine erfolgen. Die Form der Notifikation ist jedoch nicht entscheidend; das Verfahren wird in jedem Fall durch den notifizierten Compromis eingeleitet; vgl. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 39. 221 Ohne diese Einschränkung Wegen, Vergleich, S. 59; vgl. i.Ü. Verhoeven, FS Tomuschat, S. 635, 646. 222 StIGH, Factory at Chorzów, Merits, PCIJ Series A, No. 17, S. 7; Barberis, ZaöRV 31 (1971), S. 641, 663; Yee, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 40 Rn. 101. Der Gerichtshof kann aber abweichende Anordnungen gemäß Art. 48 des Statuts treffen; vgl. das vorzitierte Urteil. Vgl. zum Verfahren über einstweilige Maßnahmen Art. 74 Abs. 3 der Verfahrensordnung, und dazu IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia (Serbia and Montenegro)), Provisional Measures, ICJ Reports 1993, S. 325, 336 f. 223 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 265 f.; Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 659 f.; vgl. IGH, Temple of Preah Vihear, Merits, ICJ Reports 1962, S. 6, 36. 224 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 267; Fisheries Jurisdiction (Spain v. Canada), Jurisdiction, ICJ Reports 1998, S. 432, 448; Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 695; Verhoeven, FS Tomuschat, S. 635, 647; Yee, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 40 Rn. 101 f., 108. 225 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Counter-Claims, ICJ Reports 1997, S. 243, 256 f.; De Visscher, Aspects, S. 113. 226 Benzing, Beweisrecht, S. 120; vgl. Bekker, AJIL 92 (1998), S. 508, 510, 514 f.; De Visscher, Aspects, S. 113; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 715. Dies wird noch dadurch

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

(b) Die konkrete Jurisdiktion und das Erfordernis einer gesonderten Zustimmung Gesichert ist, dass die Begründung der abstrakten Jurisdiktion des IGH einen Willensakt eines Staates voraussetzt, dass also hier der Satz von der Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des Gerichtshofes gilt. Dies kommt, wie bereits bemerkt wurde, in Art. 36 des Statuts deutlich zum Ausdruck.227 Problematischer ist, ob auch die Begründung der konkreten Jurisdiktion, also die Art der Verfahrenseinleitung, von einem besonderen Zustimmungsakt der Parteien getragen sein muss. Das ist hier als Teilproblem der Reichweite des Konsensprinzips zu untersuchen. Wäre auch die konkrete Jurisdiktion auf einen Zustimmungsakt angewiesen, könnte in einem Fall der Betroffenheit eines Drittstaats auch dieser Zustimmungsakt fehlen. Die Frage, ob auch die Begründung der konkreten Jurisdiktion gegenüber einem Staat dessen Zustimmung voraussetzt, stellt sich bei den verschiedenen Formen der Begründung der abstrakten Jurisdiktion des Gerichtshofs in unterschiedlicher Weise: Es stellt sich bereits nicht im Fall eines Compromis, da die Begründung der abstrakten und konkreten Jurisdiktion dort in einem gemeinsamen Akt der Parteien zusammenfällt;228 gemeinsame Akte bedürfen selbstverständlich keiner weiteren Zustimmung.229 Diese kann daher allenfalls über die Zulässigkeit einer (einseitigen) Klageerhebung230 entscheiden.231 Jedoch stellt sich die Frage auch nicht bei der Jurisdiktion des IGH kraft forum prorogatum: Danach wird das Verfahren erst einseitig begonnen, und erst später erteilt der Beklagte seine Zustimmung zur Jurisdiktionsausübung des Gerichtshofs. Mit der ersten Handlung des (späteren) Klägers ist dann aber noch keine wirksame Verfahrenseinleitung (seising) verbunden, denn gemäß Art. 38 Abs. 5 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof erst nach der Zustimmung des (dann) Beklagten den Fall in seine General List eintragen oder andere Prozesshandlungen ausführen.232 Erst in diesem letzteren Moment unterstrichen, dass ein Gegenanspruch sogar auf einer anderen Grundlage der abstrakten Jurisdiktion des IGH beruhen darf; vgl. dazu IGH, Oil Platforms, Counter-Claim, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 1998, S. 217, 219; Bekker, AJIL 92 (1998), S. 508, 515; Kolb, ICJ, S. 665 (mit Nachweis einer Gegenmeinung); Murphy, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Counter-Claims Rn. 24 ff.; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 49; Yee, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 40 Rn. 142 ff. Kolb, ICJ, S. 667 f., meint gleichwohl, für die Jurisdiktion über die Widerklage komme es auf den Zeitpunkt der Erhebung der Klage an. 227 Vgl. oben, unter b). 228 Vgl. oben, unter (a). 229 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Dissenting Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1995, S. 51, 60 f.; vgl. Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 834. 230 Die Erhebung einer Klage ist definitionsgemäß ein einseitiger Akt; vgl. Art. 40 Abs. 1 des Statuts. 231 Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 834. 232 Vgl. Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 12; ders., BYIL 81 (2010), S. 13, 38 f.; Wegen, Vergleich, S. 63; Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 839 f. Vor Erlass des Art. 38 Abs. 5 der Verfahrensordnung noch anders Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 441; Jiménez de

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entsteht daher nicht nur die abstrakte, sondern auch erst die konkrete Jurisdiktion des IGH, und zwar dann – wie bei der Verfahrenseinleitung durch einen Compromis – unter Mitwirkung und mit der Zustimmung des Beklagten.233 Im Übrigen stellt das Statut selbst in Art. 36 Abs. 2 klar, dass die dort durch einseitige Erklärung anerkannte Jurisdiktion gerade als „compulsory ipso facto and without special agreement“ begründet wird. Daraus folgt, dass bei übereinstimmenden Unterwerfungserklärungen unter Art. 36 Abs. 2 des Statuts die einseitige Verfahrenseinleitung zulässig ist.234 Eine etwa erforderliche Zustimmung hätte der beklagte Staat dann bereits mit Abgabe seiner Unterwerfungserklärung erteilt. Ebenso liegt eine etwa erforderliche Zustimmung auch vor, wenn in einer kompromissarischen Klausel eines Vertrags (Art. 36 Abs. 1 3. Var. des Statuts) vereinbart ist, dass Streitigkeiten über die Interpretation und Anwendung des Vertrags – oder andere dort bestimmte Streitigkeiten235 – dem IGH vorgelegt werden sollen oder können.236 Auch mit Bezug zu einem konkreten Streitfall können die Parteien Aréchaga, Derecho, S. 525 ff.; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 65; bereits damals wie hier Grisel, Exceptions, S. 68 f.; Shihata, Power, S. 86 f., 177. Weiterhin anders IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Dissenting Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1995, S. 51, 62 (der die spätere Zustimmung als Zustimmung auch ex post facto zur Klageerhebung, also offenbar zum einseitigen seising, begreift); Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 17; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 40; Yee, ebda., Art. 40 Rn. 126 (demzufolge ein Staat, für den sich das Konsenserfordernis auf die Klageerhebung erstreckt, sich bei einer Klage auf der Grundlage des forum prorogatum in seiner Souveränität verletzt sehen kann; das könnte nur darauf beruhen, dass dann – nach der Ansicht dieses Staates unzulässigerweise – das seisin bewirkt worden wäre). Etwas anderes deutet Yee, ebda., Rn. 121 Fn. 339, aber an, wenn er – zutreffend – feststellt, dass ein Staat erst durch seine Zustimmung zum Verfahren zum „respondent“ wird (so auch Grisel, Exceptions, S. 69). Unklar IGH, Corfu Channel, Preliminary Objection, ICJ Reports 1948, S. 15, 27; dazu einerseits Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 234, und andererseits Shihata, Power, S. 86. 233 Vgl. Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 847; Salvioli, Recueil des Cours 91 (1957 I), S. 553, 587 f.; Shihata, Power, S. 86 f. Nach Yee, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 40 Rn. 126, verzichtet der Beklagte damit auf die Rüge der unzulässigen Klageerhebung. Diese prozessuale Konstruktion eines Verzichts scheint unnötig (eine ähnliche Auffassung des IGH in Corfu Channel, Preliminary Objection, ICJ Reports 1948, S. 15, 27, betraf nur die Auslegung einer in der Tat so zu verstehenden Einlassung des Beklagten). Ebenso erübrigt sich Shahabuddeens Konstruktion einer Zustimmung ex post facto (vgl. die vorherige Fußnote), denn zu einem seisin ist es vor dem Zustimmungsakt des (dann) Beklagten noch nicht gekommen. 234 IGH, Nottebohm, Preliminary Objection, ICJ Reports 1953, S. 111, 122; Briggs, FS Verdross, S. 87, 88 f.; Hambro, Recueil des Cours 76 (1950 I), S. 125, 138; Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 834; vgl. auch Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 234. Alexandrov, Chinese JIL 5 (2006), S. 29, 30 f., bezieht die zitierte Passage aus Nottebohm zu Unrecht auf die Jurisdiktion aufgrund einer kompromissarischen Klausel. 235 Zu den verschiedenen Formen kompromissarischer Klauseln vgl. Tams, in: Giegerich, Wiser Century, S. 461, 466 ff. 236 IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, ICJ Reports 1980, S. 3, 27; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 427; Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

übereinkommen, dass der Fall von jeder Partei oder von beiden Parteien dem IGH vorgelegt werden kann; auch dann wäre die Klageerhebung ausdrücklich zugelassen.237 Die Parteien können in einem Vertrag über einen konkreten Streitfall aber auch nur entscheiden, dass der Fall überhaupt vor den IGH gebracht werden soll, sich aber die Entscheidung über die Art und Weise der Verfahrenseinleitung vorbehalten.238 Dann wäre eine einseitige Klageerhebung wohl schon aufgrund der Auslegung des Vertrags als verfrüht anzusehen. Auch können sie vereinbaren, dass die Verfahrenseinleitung durch Mitteilung eines Compromis an den IGH geschehen soll (Art. 40 Abs. 1 1. Var. des Statuts). Danach wäre eine einseitige Verfahrenseinleitung dauerhaft ausgeschlossen.239 In beiden Fällen käme es auf die Grundsatzfrage, ob die konkrete Jurisdiktion konsensgebunden ist, nicht entscheidend an. Die Grundsatzfrage ist aber von maßgeblicher Bedeutung, wenn sich ein Vertrag über die Jurisdiktion des IGH betreffend einen bestimmten Streitfall nicht zur Art und Weise der Verfahrenseinleitung verhält. Sie entscheidet bei einer Abrede über einen konkreten Streitfall darüber, ob die Möglichkeit der Klageerhebung einer positiven Begründung bedarf oder ob sie allenfalls vertraglich ausgeschlossen sein kann.240 Es geht damit um eine rechtliche Vermutung für oder gegen die Zulässigkeit der Klageerhebung nach dem geschlossenen Vertrag. Wenn keine Vereinbarung über die Möglichkeit oder deren Ausschluss besteht, entscheidet die Grundsatzfrage, ob Klage erhoben werden kann oder nicht.241 Der Gerichtshof könnte demnach, wenn die Grundsatzfrage in dem Sinne zu beantworten wäre, dass die Zulässigkeit der Klageerhebung eine besondere Zustimmung voraussetzt, zwar die abstrakte Jurisdiktion besitzen, aber seine konkrete Jurisdiktion wäre im Fall einer Klage möglicherweise nicht wirksam begründet worden. (aa) Die Rechtsprechung des IGH Über die richtige Antwort auf diese Frage stritten denn auch vor dem Hintergrund einer unklaren vertraglichen Regelung die Parteien im Fall Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain. Die Parteien waren im Dezember 1987 übereingekommen, dass „all the disputed matters shall be referred to and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Dissenting Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1995, S. 51, 61; vgl. Rozakis, Concept, S. 172; Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 833 f. 237 In diesem Fall hätte die Vereinbarung die Funktion eines „framework agreement“, mit dem der Rahmen für die zugelassene Klage abgesteckt wird: Rosenne, LJIL 8 (1995), S. 161, 172 f. 238 Dies übersieht Alexandrov, Chinese JIL 5 (2006), S. 29, 30, wenn er einer kompromissarischen Klausel pauschal die Ermächtigung zur einseitigen Verfahrenseinleitung beilegt. 239 Weil, FS Skubiszewski, S. 833. 240 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Dissenting Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1995, S. 51, 62. 241 Vgl. ebda., S. 59, 62.

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the International Court of Justice“. Darauf folgende Verhandlungen sollten den Inhalt der „disputed matters“ genauer bestimmen. Man einigte sich später auf die so genannte „Bahraini formula“, in der die streitbefangenen See- und Landgebiete bestimmt wurden. Bezüglich eines dieser Gebiete, namens Zubarah, erklärte allerdings Katar, dass es nur mit einer Entscheidung über private Rechte, nicht aber mit einer Entscheidung über die Souveränität eines der beiden Staaten in dem Gebiet einverstanden sei. Bahrain erwiderte, es beabsichtige, dem Gerichtshof seine Ansprüche mit Bezug auf Zubarah ohne jede Begrenzung vorzulegen. Ohne dass insoweit eine Klärung zwischen den Parteien eingetreten wäre, vereinbarten sie 1990 in den so genannten „Doha Minutes“, dass nach Ablauf einer weiteren Frist für Vermittlungen durch König Fahd von Saudi-Arabien „[the two parties/the parties]242 may submit the matter to the International Court of Justice in accordance with the Bahraini formula, which has been accepted by Qatar, and with the procedures consequent upon it“.243 Nachdem die Vermittlung durch den König von Saudi-Arabien erfolglos geblieben war, erhob Katar Klage vor dem IGH und machte darin seine Ansprüche geltend. Die Frage der Souveränität über Zubarah, die Bahrain ursprünglich auch dem Gerichtshof hatte vorlegen wollen, machte Katar jedoch nicht zum Streitgegenstand. Bahrain bestritt die Jurisdiktion des Gerichtshofs. Dieser entschied in einem ersten Urteil über „Jurisdiction and Admissibility“ am 01. 07. 1994, dass die Vereinbarung von 1987 in Verbindung mit den „Doha Minutes“ ein verbindliches internationales Abkommen darstellte. Darin hätten die Parteien vereinbart, dem Gerichtshof den ganzen Streitfall vorzulegen, wie er in der „Bahraini formula“ definiert worden sei. Der IGH entschied daher „to afford the parties the opportunity to submit to the Court the whole of the dispute“.244 Im Anschluss daran richtete Katar ein Schreiben an den Gerichtshof, mit dem es der Aufforderung aus dem Urteil nachzukommen suchte, und in dem es den Inhalt der „Bahraini formula“ wiedergab, mit der Zusatzbemerkung, Bahrain definiere wohl seinen Anspruch hinsichtlich Zubarah als einen auf die Souveränität über das Gebiet. Insofern beantragte Katar festzustellen, dass Bahrain kein solcher Anspruch zukomme. Bahrain lehnte dieses Schreiben ab und vertrat die Auffassung, die Parteien hätten das Verfahren gemeinsam in Lauf setzen müssen; eine Klageerhebung bzw. eine Erweiterung der Klage auf den gesamten Stoff der „Bahraini formula“ allein durch Katar sei unzulässig. Bahrain stützte seine Auffassung unter anderem auf den Wortlaut der Aufforderung des Gerichts, den Streitgegenstand zu ergänzen, meinte aber auch, die Verfahrenseinleitung stelle einen Aspekt der Jurisdiktion der IGH dar und unterliege daher dem Erfordernis der

242 Hier stritten die Parteien um die korrekte Übersetzung aus dem arabischen Original; vgl. IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1994, S. 112, 119 und ICJ Reports 1995, S. 6, 18 (es gab zwei Urteile mit derselben Bezeichnung; dazu sogleich). 243 Vgl. zum Ganzen IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1994, S. 112, 116 ff. 244 Ebda., S. 126 f.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Zustimmung.245 Dagegen meinte Katar, die Verfahrenseinleitung sei, anders als die (spezielle und abstrakte) Jurisdiktion, nicht von einer – weiteren – Zustimmung der Parteien abhängig.246 Daher sei die Klageerhebung grundsätzlich möglich, es sei denn, die Parteien hätten sie ausdrücklich ausgeschlossen. Der Gerichtshof antwortete wie folgt: „The Court does not consider it necessary to dwell at length on the links which exist between jurisdiction and seisin. It is true that, as an act instituting proceedings, seisin is a procedural step independent of the basis of jurisdiction invoked and, as such, is governed by the Statute and the Rules of Court. However, the Court is unable to entertain a case so long as the relevant basis of jurisdiction has not been supplemented by the necessary act of seisin: from this point of view, the question of whether the Court was validly seised appears to be a question of jurisdiction. There is no doubt that the Court’s jurisdiction can only be established on the basis of the will of the Parties, as evidenced by the relevant texts. But in interpreting the text of the Doha Minutes, the Court has reached the conclusion that it allows a unilateral seisin. Once the Court has been validly seised, both Parties are bound by the procedural consequences which the Statute and the Rules make applicable to the method of seisin employed. It is therefore not necessary to examine Bahrain’s arguments based on the discretionary nature of the choice of a method of seisin or the drawbacks for Bahrain of being placed in the position of respondent.“247

Prosper Weil meint nun, der Gerichtshof habe damit die grundsätzliche Frage geklärt, ob die Klageerhebung der Zustimmung des Beklagten bedarf. Der IGH habe sich dem Problem zwar nicht stellen müssen, doch habe er in lobenswerter Weise klargestellt, dass die Klageerhebung eine Frage der Jurisdiktion sei und daher mit dieser auf dem Willen der Parteien beruhe.248 Der bloße Umstand, dass die Klageerhebung dem Komplex der Jurisdiktion zugeordnet wird, bedeutet allerdings nur, dass die Berechtigung des IGH zur Sachentscheidung auch davon abhängt. Insofern unterscheidet sich die Begrifflichkeit hier nicht vom Sprachgebrauch bei der „generellen Jurisdiktion“, also den ganz allgemeinen Begrenzungen der Tätigkeit des IGH, die nicht von einem Zustimmungsakt der Parteien abhängen.249 Nur in diesem Sinne bestätigt auch der IGH in der zitierten Passage die Zuordnung zu den Jurisdiktionsfragen, und auch das nur unter der Einschränkung, dass die Frage nach der wirksamen Klageerhebung eine Frage der Jurisdiktion zu sein scheint („appears to

245 Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Counter-Memorial submitted by the State of Bahrain, ICJ Pleadings, S. 22. 246 Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Memorial submitted by the State of Qatar, ICJ Pleadings, S. 92 ff.; Reply submitted by the State of Qatar, ICJ Pleadings, S. 83 f. 247 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1995, S. 6, 23 f. 248 Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 847 f.; in diesem Sinne auch Cosnard, AFDI 41 (1995), S. 311, 325. 249 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit.

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be“).250 Der IGH skizziert also nur die Argumentation, sieht aber davon ab, darüber abschließend zu entscheiden: Es sei jeweils für sich richtig, so der Gerichtshof, dass die Verfahrenseinleitung in gewisser Hinsicht als Aspekt der Jurisdiktion gesehen werden kann, und dass die Jurisdiktion im Allgemeinen nur anhand des Willens der Parteien ermittelt werden könne. Dass diese beiden Aussagen aber auch richtigerweise in einem einfachen Syllogismus zu verknüpfen sind, insbesondere dass auch gerade der Aspekt der „Jurisdiktion“, der die Verfahrenseinleitung anspricht, unter das Konsenserfordernis fällt, ergibt sich aus der Passage nicht deutlich. Diese Frage musste der IGH auch nicht entscheiden, denn er hatte in den relevanten Rechtsakten eine Erlaubnis der Klageerhebung gefunden. Aus seiner Antwort auf die ausführliche Argumentation der Parteien zu dieser Frage in Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain lässt sich damit für die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit der konkreten Jurisdiktion des IGH keine abschließende Erkenntnis entnehmen. Bereits zuvor hatte der Gerichtshof verschiedentlich in den relevanten Vereinbarungen der Parteien auch eine Zustimmung zur Klageerhebung gefunden.251 Im Tehran Hostages-Fall hatte er über Art. XXI Abs. 2 des Freundschaftsvertrags zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran (ursprünglich Persien) ausgeführt: „While that Article does not provide in express terms that either party may bring a case to the Court by unilateral application, it is evident, as the United States contended in its Memorial, that this is what the parties intended. Provisions drawn in similar terms are very common in treaties of amity or of establishment, and the intention of the parties in accepting such clauses is clearly to provide for such a right of unilateral recourse to the Court.“252

Hier ist allerdings die Ausdrucksweise des Gerichtshofs nicht eindeutig: Wenn er sagt, dass der Vertrag die Klageerhebung zulässt, und wenn er impliziert, dass eine solche Zustimmung auch notwendig ist, kann er damit ebenso gut das Erfordernis der staatlichen Zustimmung zu seiner abstrakten Jurisdiktion ansprechen. Denn in einem Fall der Klageerhebung ist unzweifelhaft auch ein vorheriger253 Zustimmungsakt des 250

Auf die letztere Einschränkung weist auch Amerasinghe, Jurisdiction, S. 68, hin. IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, ICJ Reports 1980, S. 3, 27; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 427. Zu weiteren Fällen, in denen diese Zustimmung ganz unproblematisch war, vgl. Rosenne, LJIL 8 (1995), S. 161, 172 ff. 252 IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, ICJ Reports 1980, S. 3, 27. 253 Eine vorherige Zustimmung ist bei der Jurisdiktionsbasis des forum prorogatum entbehrlich, aber darum ging es in Tehran Hostages erkennbar nicht. Auch ist ein Fall des forum prorogatum keiner der einseitigen Verfahrenseinleitung, denn die wirksame Verfahrenseinleitung geschieht in diesem Fall erst durch die Zustimmung des Beklagten (s. o.). Im Übrigen wird eine Klage aus Gründen der Prozessökonomie nicht abzuweisen sein, wenn das Fehlen einer Sachurteilsvoraussetzung bis zur Entscheidung geheilt wurde; jedenfalls gilt das, wenn (und weil) andernfalls sofort wieder Klage erhoben werden könnte: vgl. IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 613 f.; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. 251

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Beklagten bezogen auf die abstrakte Jurisdiktion des IGH erforderlich. In der Tat ist das sogar nur bei der Klageerhebung der Fall,254 denn in einem verfahrenseinleitenden Compromis liegt auch die Zustimmung beider Parteien zur abstrakten Jurisdiktion.255 Wenn also davon gesprochen wird, dass die Klageerhebung eine Zustimmung des Beklagten voraussetze, so kann damit entweder die Sachurteilsvoraussetzung der abstrakten Jurisdiktion oder die Wirksamkeit der Verfahrenseinleitung (des seising) angesprochen sein. Der Hintergrund der Ausführungen des IGH in Tehran Hostages in der Argumentation der Vereinigten Staaten – die der IGH explizit in Bezug genommen hat – zeigt aber, dass der IGH dort tatsächlich die Wirksamkeit des seising angesprochen hat; in ihrem Memorial hatten die Vereinigten Staaten zuerst die Voraussetzungen der (abstrakten) Jurisdiktion des Gerichtshofs unter Art. XXI Abs. 2 des Vertrags behandelt, um danach auf die Frage der Zulässigkeit der Klageerhebung einzugehen.256 Allerdings hat der Gerichtshof damit bestenfalls angedeutet, dass er einen Zustimmungsakt zur einseitigen Klageerhebung für deren Wirksamkeit für erforderlich hält; der Grundsatzfrage hat er sich jedenfalls nicht gestellt.257 Dasselbe gilt für die noch etwas verkürzte Wiederholung der oben zitierten Passage im Nicaragua-Fall.258 In beiden Fällen kam es auf dieses Erfordernis auch nicht in dem Sinne an, dass bei seiner Annahme die Klagen abzuweisen gewesen wären; vielmehr war die Voraussetzung, wie der IGH festhält, erfüllt. Unter diesen Umständen konnte der IGH auf eine tiefere Analyse der Grundsatzfrage verzichten. Im Fall Aegean Sea Continental Shelf zwischen Griechenland und der Türkei hat der IGH dagegen verneint, dass ein gemeinsames Communiqué der Regierungschefs der Parteien eine unmittelbare Verpflichtung begründet hätte, die einseitige Verfahrenseinleitung vor dem IGH bedingungslos zu akzeptieren. Er hat ausgeführt: „[H]aving regard to the terms of the Joint Communiqué of 31 May 1975 and to the context in which it was agreed and issued, the Court can only conclude that it was not intended to, and did not, constitute an immediate commitment by the Greek and Turkish Prime Ministers, on behalf of their respective Governments, to accept unconditionally the unilateral submission of the present dispute to the Court. It follows that, in the opinion of the Court, the Brussels Communiqué does not furnish a valid basis for establishing the Court’s jurisdiction to entertain the Application filed by Greece on 10 August 1976.“259 Serbia), Preliminary Objections, ICJ Reports 2008, S. 412, 438 ff.; zur Anwendung im letzteren Fall kritisch Thienel/Zimmermann, MPEPIL, S. 1054, 1062; Thirlway, BYIL 81 (2010), S. 13, 32 ff., 101 f. 254 Vgl. Balasko, Causes, S. 141 f.; Salvioli, Recueil des Cours 12 (1926 II), S. 5, 18. 255 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 256 United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Memorial of the Government of the United States of America, ICJ Pleadings, S. 122, 153 f. 257 Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 835 f. 258 Ebda., bezogen auf IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 427. 259 IGH, Aegean Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1978, S. 3, 44.

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Dieselbe Entscheidung, mit im Wesentlichen derselben Formulierung, hat er später auch über den Inhalt eines gemeinsamen Schreibens der Präsidenten Montenegros und Serbiens an die Internationale Friedenskonferenz für Jugoslawien getroffen.260 Prosper Weil sieht auch in diesen Formulierungen eine Untersuchung der Zustimmung zum einseitigen seising.261 Wie eben dargelegt, kann aber die Ausdrucksweise, nach der es an der Zustimmung zur „einseitigen Verfahrenseinleitung“ fehle, auch auf die Zustimmung zur abstrakten Jurisdiktion bezogen sein, denn eine Klage ist in jedem Fall von einem Zustimmungsakt des Beklagten – zur abstrakten Jurisdiktion des IGH – abhängig. In der Tat werden die Entscheidungen auch teilweise in dem Sinne verstanden, dass der Gerichtshof jede Bindungswirkung der jeweiligen Erklärungen und so seine abstrakte Jurisdiktion verneint habe.262 Dafür spricht auch deutlich die Formulierung der Fragestellung und eines provisorischen Ergebnisses an einer früheren Stelle des Urteils im Aegean Sea Continental Shelf Case: Dort hatte der IGH ausgesprochen, dass die Türkei zunächst offenbar nicht bereit war „to contemplate, not a joint submission of the dispute to the Court, but a general acceptance of the Court’s jurisdiction with respect to it“.263 An dieser Haltung der Türkei habe sich auch ausweislich des gemeinsamen Communiqués nichts geändert. Hier stellt der IGH die gemeinsame Verfahrenseinleitung durch Compromis der Zustimmung zu seiner abstrakten Jurisdiktion („general acceptance of the Court’s jurisdiction“) gegenüber. Wenn letztere für eine Sachentscheidung aufgrund der griechischen Klage ausgereicht haben sollte, hätte der IGH damit eher Position gegen die Auffassung bezogen, dass die Klageerhebung als solche von einem weiteren Zustimmungsakt abhängt. Die Begründung der abstrakten Jurisdiktion hätte vielmehr den Weg für die Klage gegen die Türkei eröffnet. Das musste indes nicht entschieden werden, denn dem Gerichtshof fehlte bereits die abstrakte Jurisdiktion. Weder das Communiqué noch frühere Handlungen der Parteien hatten eine Bindung der Türkei an die Jurisdiktion des IGH herbeigeführt. Das Communiqué hatte sich somit als nicht bindend im Sinne einer vertraglichen Jurisdiktionsbegründung erwiesen.264 Insgesamt hat der IGH die Grundsatzfrage, ob die Begründung der konkreten Jurisdiktion unter das Zustimmungserfordernis fällt, bisher immer entweder offen gelassen oder kurz das Vorliegen einer solchen Zustimmung festgestellt. Er hat seine 260

IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 618. Vgl. auch bereits aus demselben Fall die beiden Entscheidungen über Provisional Measures, ICJ Reports 1993, S. 3, 18 und S. 325, 341. 261 Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 837 Fn. 7. 262 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 43. 263 IGH, Aegean Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1978, S. 3, 43. 264 Thirlway, BYIL 62 (1991), S. 1, 15, meint, der IGH habe nicht entschieden, ob dem Communiqué überhaupt eine Bindungswirkung als völkerrechtlicher Vertrag zukam, sondern nur, dass es jedenfalls nicht die Jurisdiktion des IGH aufgrund einer Klage begründete. Mehr habe er auch nicht entscheiden müssen. Das ist zutreffend, doch ist es schwer einzusehen, was für eine Bindungswirkung außer der verneinten noch in Frage gekommen wäre.

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Haltung zur Grundsatzfrage damit an keiner Stelle geklärt.265 Nur einige Richter haben in Sondervoten Stellung zu der Frage bezogen und dabei jeweils das Zustimmungserfordernis betreffend die Begründung der konkreten Jurisdiktion bejaht.266 (bb) Die Interessen- und Rechtslage In der Sache bringt die Frage nach der Zustimmungsbedürftigkeit der Klageerhebung für den Beklagten die Entscheidung, ob er wirksam verklagt werden kann oder ob nur eine zwischen den Parteien vereinbarte Art der Verfahrenseinleitung – sei es eine Klageerhebung durch die eine oder andere Partei oder eine Verfahrenseinleitung durch Compromis – in Betracht kommt. Über die Zulässigkeit der Klageerhebung muss daher entscheiden, ob der Beklagte in einer solchen Situation Nachteile erleidet, denen er zugestimmt haben müsste. Zunächst wäre es denkbar, dass Staaten sich in ihrer Souveränität und ihrer Würde267 betroffen sehen, wenn sie einseitig vor Gericht gebracht werden.268 Doch haben sie in der hier diskutierten Konstellation ihre Zustimmung zur Entscheidung durch den IGH jedenfalls mit der Begründung der abstrakten Jurisdiktion erteilt. Sie werden daher von der Durchführung des Verfahrens an sich weder überrascht noch wird es ihnen ohne ihre Zustimmung aufgezwungen. Dies gilt jedenfalls, wenn das Verfahren nicht unter Berufung auf die Jurisdiktion des IGH kraft forum prorogatum eingeleitet wird; geschieht das doch, stellt sich aber die hier verfolgte Frage der Zustimmung des Beklagten, wie schon bemerkt, wegen seiner späteren Mitwirkung an der wirksamen Verfahrenseinleitung gar nicht erst.269 Das Problem bei der Klageerhebung gegen einen Staat ohne dessen Zustimmung kann daher nicht in der Existenz des Verfahrens als solcher liegen, sondern muss aus der Form oder dem Inhalt des Verfahrens folgen, die bzw. der sich aus der Klage ergibt. Beeinträchtigungen der Rechte eines Staates müssten sich also gerade daraus ergeben, dass er gegen seinen Willen in die Rolle des Beklagten gebracht wird. Der Staat müsste als Beklagter schlechter stehen, als er in einer anderen prozessualen Rolle, namentlich als Partei eines Verfahrens aufgrund eines Compromis270 oder als 265 So auch, für die Entscheidungen vor dem Fall zwischen Katar und Bahrain (dazu s. o.), Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 835 f. 266 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, Dissenting Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1995, S. 51, 61; ebda., Dissenting Opinion of Judge Valticos, S. 74, 76; unklar ebda., Dissenting Opinion of Judge Koroma, S. 67, 72. 267 Zum problematischen, weil sehr unbestimmten Konzept der Würde eines Staates vgl. Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Aziz v. Aziz & HM The Sultan of Brunei [2007] EWCA Civ 712, [2008] 2 All ER 501, Rn. 62 ff. m.w.N. (Lawrence Collins LJ). 268 Vgl. Yee, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 40 Rn. 126. 269 Dazu bereits oben, unter (b). 270 Im Verfahren aufgrund eines Compromis gibt es weder Kläger noch Beklagten: Brown, A Common Law, S. 95 (gegen seine beweisrechtliche Folgerung daraus Thienel, GYIL 50

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Kläger, stünde. Einer solchen Benachteiligung steht zunächst ein grundlegendes Prinzip des Statuts entgegen, nach dem die Parteien gleich an Rechten sind. Dieses kommt vor allem in Art. 35 Abs. 2 des Statuts zum Ausdruck, wonach die vom Sicherheitsrat zu bestimmenden Bedingungen, unter denen ein Nichtmitgliedstaat des Statuts Zugang zum IGH hat, in keinem Fall zu einer Ungleichheit der Parteien vor dem Gerichtshof führen dürfen.271 Dennoch folgt aus der Natur des gerichtlichen Verfahrens aufgrund einer Klage, dass im Grundsatz der Kläger den Streitgegenstand bestimmt,272 denn der Kläger allein bestimmt, in welchem Umfang er – im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten – um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen will. Der Beklagte ist nicht berechtigt, den vom Kläger einmal in zulässiger Weise eingebrachten Streitgegenstand zu beschränken. Der Beklagte kann den Streitgegenstand zwar erweitern, indem er Widerklage erhebt, doch sind dieser Möglichkeit besonders durch das Erfordernis eines direkten Zusammenhangs mit der Klage nach Art. 80 Abs. 1 der Verfahrensordnung Grenzen gezogen.273 Ersteres erscheint unter dem hier verfolgten Gesichtspunkt einer Verkürzung der Rechte eines Staates durch seine Stellung als Beklagter unkritisch. Der Beklagte hätte durch seine Zustimmung zur abstrakten Jurisdiktion des IGH bereits seine Zustimmung auch dazu erteilt, dass der andere Staat diese Jurisdiktion in seinem Klageantrag ausschöpft. Eine Beeinträchtigung der Rechte des Beklagten findet daher nicht statt. Problematisch ist aber, dass der Beklagte nur ein begrenztes Recht hat, den Streitgegenstand durch Erhebung einer Widerklage zu erweitern. Das verdeutlicht der Fall Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain:274 Dort hatte Katar als Kläger dem Gerichtshof zunächst nicht die Frage der Souveränität über Zubarah vorgelegt, die Bahrain in den vorangegangenen Verhandlungen ebenfalls einer gerichtlichen Klärung hatte zuführen wollen. Dass die Frage schließlich doch noch Teil des Streitgegenstands wurde, lag an Katars Reaktion auf das erste Urteil über „Jurisdiction and Admissibility“, in dem der IGH seine Jurisdiktionsgrundlage dahin ausgelegt hatte, dass sie die Entscheidung des einheitlichen, ganzen Streitfalls

(2007), 543, 550 Fn. 48); Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 34; ders., ICJ, S. 664; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 115; vgl. Yee, ebda., Art. 40 Rn. 121 Fn. 339. Parteien gibt es aber sehr wohl; vgl. nur Art. 39 Abs. 1 der Verfahrensordnung. 271 IGH, Judgments of the Administrative Tribunal of the ILO upon Complaints made against UNESCO, ICJ Reports 1956, S. 77, 85; Azar, Exécution, S. 35; Kolb, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 9 f.; ders., ICJ, S. 1119 ff.; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 216, Nr. 102. Der Ausdruck „in keinem Fall“ („in no case“/„dans tous les cas“, etc.) meint nicht nur alle einzelnen Streitfälle, sondern drückt kategorisch aus, dass jede Ungleichheit unter allen Umständen unzulässig ist (Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 10; ders., ICJ, S. 1121; Zimmermann, ebda., Art. 35 Rn. 91). 272 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 273 Ebda. 274 Vgl. dazu bereits oben unter (aa).

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vorsehe.275 Erst daraufhin und nur deshalb unternahm Katar Schritte, die nach der Einschätzung des IGH dieser Bedingung entsprachen; es sei zulässig, so der IGH in seinem zweiten Urteil zu „Jurisdiction and Admissibility“, dass Katar allein, im Wege der Klage, den gesamten Streitfall vor den Gerichtshof brächte, und das habe Katar mittlerweile getan.276 Ohne eine solche Interpretation der Jurisdiktionsgrundlage wäre es aber nicht zu beanstanden gewesen, dass der Kläger nur einen Teil der zwischen ihm und dem Beklagten streitigen Fragen der Klärung durch den IGH zuführt. Dem Beklagten bliebe dann nur die Möglichkeit, den Rest des Streitfalls im Wege der Widerklage vor den IGH zu bringen. Dieser Versuch kann wegen Fehlens eines direkten Zusammenhangs mit der Klage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 der Verfahrensordnung scheitern. Jedenfalls aber zeigt Art. 80 Abs. 1 der Verfahrensordnung, indem er auf einen Zusammenhang mit der Klage abstellt, dass im Wesentlichen der Kläger den Streitgegenstand bestimmt. So kann der Kläger, wenn er eine Widerklage eines bestimmten Inhalts verhindern will, seine Klage unter Umständen so abfassen, dass eine nicht gewollte mögliche Widerklage dazu nicht in einem hinreichenden Zusammenhang stehen könnte. Die Berechtigung des Beklagten, eine Widerklage einzubringen, beruht also auf der Entscheidung des Klägers über die Reichweite des Streitgegenstands. Darin liegt eine Differenz der Rechte von Kläger und Beklagtem, die es angezeigt sein lässt, eine Zustimmung der Staaten zu ihrer jeweiligen Rolle im Prozess und daher eine Zustimmung des Beklagten zur Klageerhebung durch einen anderen Staat zu verlangen. Damit ist aber noch nicht dargetan, dass dieser Zustimmungsakt ad hoc zu erteilen ist. Vielmehr könnte bereits das Statut eine Regelung dahingehend enthalten, dass sich nur die abstrakte Jurisdiktion, gemäß Art. 36 f. des Statuts, nach einem Zustimmungsakt der Parteien richtet, dass aber bei bestehender abstrakter Jurisdiktion die Klageerhebung ohne weiteres durch Art. 40 des Statuts zugelassen wird. In diesem Sinne meint Rosenne: „[T]he question of jurisdiction is governed by the law in force between the parties, to the exclusion of anything contained in the Statute or Rules of Court, while the formal validity of the procedural step of seising the Court is governed primarily by the Statute and the Rules (subject to any special provisions upon which the parties may have agreed as to the method of instituting proceedings under a given title of jurisdiction).“277

Die Klageerhebung könnte also unter dem Statut keines Zustimmungsaktes mehr bedürfen, der nicht bereits im Statut enthalten ist. Die Willensrichtung der Parteien könnte daher, wie Rosenne meint, nur insoweit von Bedeutung sein, als sie eine andere als die einseitige Verfahrenseinleitung vereinbaren und so diese ausschließen 275 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1994, S. 112, 124 f., 126 f. 276 IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1995, S. 6, 24 f. 277 Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 547; ähnlich Amerasinghe, Jurisdiction, S. 66.

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können. Die Zustimmung der Parteien wäre dann nicht positiv für die Klageerhebung erforderlich. Die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit der konkreten gerichtlichen Jurisdiktion stellte sich bereits vor Begründung der ständigen Gerichtsbarkeit. Bereits zuvor hatte es das Konzept einer institutionellen (Schieds-)Gerichtsbarkeit gegeben. Dabei kamen Staaten überein, eine bestimmte Kategorie zukünftiger Streitfälle vor ein Schiedsgericht zu bringen; das jeweilige Schiedsgericht bestand nicht unbedingt schon, sondern wurde teilweise erst für jeden konkreten Streitfall gegründet.278 Jedenfalls war damit die Grundlage einer Unterscheidung von abstrakter und spezieller Jurisdiktion geschaffen:279 Es konnte eine abstrakte Jurisdiktion im Umfang der prinzipiellen Streitbeilegungsverpflichtung geben, zu der aber noch die Einleitung des Verfahrens – ggf. inklusive der Gründung der Instanz – hinzutreten musste. Letzteres – die Begründung der konkreten Jurisdiktion – geschah indes immer durch den Abschluss eines (unechten) Compromis, also durch einen konsentierten Akt der Parteien.280 Wenn die Statuten des StIGH und des IGH nun – wie bei ihrer Regelung der weiterhin auf der Zustimmung der Parteien gründenden abstrakten Jurisdiktion – die Parteien des Statuts von sich aus keinen weiteren Pflichten aussetzen wollten als das vorhergehende allgemeine Völkerrecht,281 spricht dieser Umstand zunächst dafür, dass Art. 40 des Statuts nicht selbst die allgemeine Möglichkeit der Klageerhebung anordnet. Nach Art. 40 Abs. 1 des Statuts werden die Rechtssachen beim Gerichtshof „je nach Art des Falls“ („as the case may be“/„selon le cas“) durch Notifizierung des Compromis oder durch eine an den Kanzler des IGH gerichtete Klageschrift anhängig gemacht. Dies bedeutet zunächst, dass im Falle eines Compromis als Grundlage der abstrakten Jurisdiktion die Verfahrenseinleitung durch die Notifizierung des Compromis geschieht, und dass bei Unterwerfungen unter die abstrakte Jurisdiktion gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts oder durch eine kompromissarische Klausel die Klage in Betracht kommt.282 Darüber hinaus ist Art. 40 Abs. 1 des Statuts aber nicht zu entnehmen, dass nur bei einer Unterwerfung unter Art. 36 Abs. 2 des Statuts die Klage zulässig und ansonsten der Weg der gemeinsamen Verfahrenseinleitung durch einen Compromis zu beschreiten wäre.283 Art. 40 Abs. 1 verweist nämlich in keiner Weise auf Art. 36 des Statuts, und ansonsten wäre auch der Fall, in dem eine kompromissarische Klausel die Klageerhebung zulässt, gar nicht erfasst. Art. 40 Abs. 1 des Statuts lässt deshalb die Klageerhebung in allgemeiner Weise 278

Vgl. oben, Fn. 178. Vgl. Balasko, Causes, S. 139; Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 233. 280 Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 227 f., 233. 281 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) dieser Arbeit. 282 Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 60. 283 IGH, Corfu Channel, Preliminary Objection, ICJ Reports 1948, S. 15, 27; Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 234. Die Zulässigkeit der Klageerhebung unter Art. 36 Abs. 2 des Statuts folgt aber schon aus dieser Norm selbst; vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (b) dieser Arbeit. 279

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zu.284 Hierfür spricht auch, dass es für eine ordnungsgemäße Klage gemäß Art. 38 Abs. 2 der Verfahrensordnung genügt, wenn die anwendbare Jurisdiktionsgrundlage „so weit wie möglich“ („as far as possible“/„autant que possible“) dargelegt wird.285 Da anzunehmen ist, dass sich aus einer Klageschrift zumindest die Wirksamkeit des seising unmittelbar ergeben sollte, spricht dies dagegen, dass ein Zustimmungsakt bereits Voraussetzung des wirksamen seising ist. Im Übrigen spricht für die allgemeine Zulässigkeit der Klageerhebung bei bestehender abstrakter Jurisdiktion, dass dies der Rolle des IGH als (prominentestes) Organ der institutionellen Gerichtsbarkeit entspricht.286 Ist die abstrakte Jurisdiktion bereits unter Benennung des (bestehenden) Gerichts begründet worden, ist das Bedürfnis nach einer zusätzlichen Schiedsordnung durch einen Compromis begrenzt. Die einseitige Verfahrenseinleitung ist deshalb unter dem Statut nicht mehr gesondert zustimmungsbedürftig, denn eine solche Zustimmung lässt sich bereits Art. 40 Abs. 1 des Statuts entnehmen. Die Parteien können zwar aufgrund der Öffnungsklausel dieser Norm für fallspezifische Regelungen („as the case may be“/ „selon le cas“) eine bestimmte Form der Verfahrenseinleitung vorsehen und damit eine andere Art – namentlich auch die Klageerhebung durch eine Partei – ausschließen. Grundsätzlich enthält aber Art. 40 Abs. 1 des Statuts den Zustimmungsakt des beklagten Staates zur Verfahrenseinleitung durch eine Klage.287 Die konkrete Jurisdiktion nimmt daher nicht an dem Satz teil, nach dem die Jurisdiktion des IGH einen besonderen, zusätzlich zur Annahme des Statuts erteilten Zustimmungsakt der Parteien voraussetzt.

284

Vgl. Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 234; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 60. Hieraus ist geschlossen worden, dass die Klageerhebung nicht nur in den Fällen der Unterwerfung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts zulässig ist: IGH, Corfu Channel, Preliminary Objection, ICJ Reports 1948, S. 15, 27; Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 234. Ob der IGH daraus allerdings geschlossen hat, ein seisin sei bereits bewirkt, wenn gar keine Jurisdiktionsgrundlage in Anspruch genommen wird, sondern sich der Kläger nur auf die Figur des forum prorogatum stützt (so Münch, ZaöRV 21 (1961), S. 221, 234; anders Shihata, Power, S. 86), mag hier dahinstehen. Jedenfalls steht dieser Annahme heute Art. 38 Abs. 5 der Verfahrensordnung entgegen (s. o., unter (b)). 286 Vgl. Wegen, Vergleich, S. 57 Fn. 45. 287 Vgl. Amerasinghe, Jurisdiction, S. 66; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 171; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 547; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 49; a.A. Weil, FS Skubiszewski, S. 833, 847 f.; in seine Richtung auch Cosnard, AFDI 41 (1995), S. 311, 325; Shihata, Power, S. 85 f.; Wegen, Vergleich, S. 56. Andere Autoren sehen die Möglichkeit der Widerklage als einen Fall der zwingenden Jurisdiktion des IGH an (Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 496 Fn. 2; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 456; so auch Shihata, Power, S. 170); da aber auch die Widerklage auf einem Titel der abstrakten Jurisdiktion beruhen muss (vgl. oben, unter (a)), kann sich die „zwingende“ Wirkung insoweit nur auf die Begründung der konkreten Jurisdiktion beziehen. Diese Autoren vertreten also implizit auch die hier abgelehnte Auffassung, nach der die einseitige Begründung der konkreten Jurisdiktion unter dem Statut grundsätzlich zustimmungspflichtig ist, jedenfalls wenn sie nicht auch die einseitige Klageerhebung als Fall der zwingenden Jurisdiktion betrachten (so z. B. Simpson/ Fox, International Arbitration, S. 49). 285

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(3) Personelle, inhaltliche und zeitliche Jurisdiktion Im Übrigen muss sich die Jurisdiktion des IGH in einem Fall sowohl auf die Parteien als auch auf den Inhalt des Verfahrens erstrecken. Der Gerichtshof muss also sowohl die personelle Jurisdiktion (oder: Jurisdiktion ratione personae) als auch die inhaltliche Jurisdiktion (oder: Jurisdiktion ratione materiae) besitzen.288 Diese Erfordernisse beziehen sich im Querschnitt auf alle anderen Kategorien der Jurisdiktion.289 Die generelle Jurisdiktion muss sowohl ratione personae als auch ratione materiae einschlägig sein,290 und die spezielle Jurisdiktion muss sowohl abstrakt als auch konkret in personell und inhaltlich einschlägigem Umfang begründet sein.291 So gilt für die generelle Jurisdiktion des IGH, dass die Verfahrensbeteiligten in personeller Hinsicht Staaten sein müssen, dass sie die weiteren Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 1 oder Abs. 2 des Statuts erfüllen müssen, und dass der Inhalt der dem IGH vorliegenden Aufgabe in der gerichtlichen Beilegung eines echten dispute bestehen muss.292 Die spezielle abstrakte Jurisdiktion ratione personae bedeutet, dass die Parteien eines Verfahrens überhaupt der Jurisdiktion des IGH unterworfen sein müssen.293 Im Übrigen hängt die spezielle – nun inhaltliche – Jurisdiktion allgemein davon ab, ob der jeweilige Jurisdiktionstitel die vorliegende Frage umfasst (abstrakte inhaltliche Jurisdiktion),294 und ob hinsichtlich dieser Frage auch Klage oder Widerklage295 erhoben worden ist (konkrete inhaltliche Jurisdiktion). Die letztere Frage kann sich freilich nur stellen, wenn dem IGH eine Frage zur Entscheidung vorliegt, die inhaltlich von Klage und Widerklage abweicht; nur dann kann es an der konkreten inhaltlichen Jurisdiktion des IGH fehlen. Dies ist indes durchaus vorstellbar: So kann es sein, dass eine Partei in ihren Schlussanträgen eine zusätzliche Frage stellt, die nicht mehr als Änderung der Klage, oder als Einbringung einer Widerklage, zulässig ist.296 Dann könnte der IGH nicht mehr über die neue Frage entscheiden.297 288

Abi-Saab, Exceptions, S. 64 ff. Vgl. Rosenne, BYIL 80 (2009), S. 217, 241; anders Kolb, ICJ, S. 214. 290 Abi-Saab, Exceptions, S. 65; Makowski, Recueil des Cours 36 (1931 II), S. 263, 352 ff. 291 Vgl. Abi-Saab, Exceptions, S. 67; Schorer, Konsensprinzip, S. 61 f. (jeweils ohne Bezugnahme auf die abstrakte und konkrete Jurisdiktion). Bisweilen bezeichnet der IGH allerdings die generelle Jurisdiktion nach Art. 35 des Statuts als „jurisdiction ratione personae“ und die spezielle, abstrakte Jurisdiktion als „jurisdiction ratione materiae“: z. B. Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia (Serbia and Montenegro)), Provisional Measures, ICJ Reports 1993, S. 3, 12. Das ist aus den im Text genannten Gründen nicht überzeugend. In der Tat fasste der IGH dann unter „jurisdiction ratione materiae“ auch personelle Aspekte des Titels der speziellen Jurisdiktion (ebda., S. 14 ff.). 292 Zu diesen Voraussetzungen als Merkmalen der generellen Jurisdiktion des IGH vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit. 293 Abi-Saab, Exceptions, S. 67; Andrassy, ZaöRV 19 (1958), S. 1, 9, 15. 294 Vgl. Abi-Saab, Exceptions, S. 67. 295 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 296 Vgl. ebda. 289

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Ebenso ist es denkbar, dass eine Partei in ihrer Argumentation zu einer innerhalb des bisherigen Streitgegenstands liegenden Frage eine sachlich verwandte Frage aufwirft, die den Rahmen der bisherigen Anträge überschreitet, und für deren Entscheidung es eines eigenen Klageantrags bedurft hätte. Diese Situation stellte sich dem IGH zunächst im Right of Passage-Fall zwischen Portugal und Indien: Dort hatte Portugal im Rahmen seiner Argumentation zu den gestellten Anträgen vorgetragen, Indien habe weitere Völkerrechtsverletzungen begangen. Weil Portugal hinsichtlich dieser Punkte aber weder in der Klage noch in seinen Schlussanträgen einen formellen Antrag gestellt hatte, befand der Gerichtshof, er müsse hierüber nicht entscheiden. Ihm fehlte insoweit also die konkrete inhaltliche Jurisdiktion.298 Später stellte sich dem IGH ein ähnliches Problem im Oil Platforms-Fall: Dort war zu entscheiden, ob der von der ursprünglichen iranischen Klage gegen die USA erfasste militärische Angriff auf iranische Ölförderungsanlagen die Freiheit des Handels zwischen den beiden Staaten beeinträchtigt und damit einen Vertrag zwischen dem Iran und den USA verletzt hatte.299 Die USA argumentierten, dies sei gar nicht möglich gewesen, weil zur fraglichen Zeit bereits ein Executive Order des Präsidenten der Vereinigten Staaten jeden Handel mit Öl zwischen dem Iran und den USA unterbunden hatte.300 Dagegen wandte der Iran ein, der Executive Order sei selbst eine Verletzung der Handelsfreiheit, so dass sich die USA nicht auf seine Wirkung, als Folge ihres eigenen unrechtmäßigen Handelns, berufen könnten.301 Der IGH entschied, dass diese Argumentation Fragen aufwerfe, die „Iran has chosen not to put formally in issue“.302 Er befasste sich daher nicht mit dem iranischen Argument, sondern nur mit der praktischen Wirkung des Executive Order.303 Auch dies wird man als Problem der konkreten inhaltlichen Jurisdiktion des IGH verstehen müssen. Nach der Auffassung des IGH machte also der Angriff auf die Völkerrechtskonformität des Executive Order einen entsprechenden formellen Vortrag oder Antrag („formal submission or claim that the embargo was unlawful“) erforderlich, der nie eingebracht worden war. Damit hat der IGH die Vermutung zugunsten der Rechtmäßigkeit 297 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 267; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Counter-Claims, ICJ Reports 1997, S. 243, 259. 298 IGH, Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 30 f. 299 IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 199 ff. 300 Ebda., S. 204. 301 Ebda., S. 206; CR 2003/15, S. 50 (Pellet). Zustimmend IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge ad hoc Rigaux, ICJ Reports 2003, S. 362, 384. 302 IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 206. Der Iran hatte in der Tat ausdrücklich der amerikanischen Auffassung zugestimmt, dass nach dem Inhalt der iranischen Klageanträge die Rechtmäßigkeit des Executive Order nicht zu prüfen war: Oil Platforms, Counter-Memorial and Counter-Claim Submitted by the United States of America, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 103 Fn. 244, und Reply and Defence to Counter-Claim Submitted by the Islamic Republic of Iran, verfügbar ebda., S. 123. 303 IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 206.

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aller staatlichen Akte (omnia praesumuntur rite esse acta304) in dem Sinne angewendet, dass die Handlung der USA solange als rechtmäßig zu gelten hatte, wie sie nicht selbst prozessual angegriffen worden war. Insofern ist allerdings auffällig, dass der IGH einen formellen Antrag verlangte, obwohl kein formeller Ausspruch über den Executive Order im operativen Teil des Urteils, sondern nur eine argumentative Verwertung seiner Rechtswidrigkeit im Rahmen eines anderen Antrags begehrt war.305 Jedenfalls zeigt sich an diesen Passagen aus dem Right of Passage-Fall und aus Oil Platforms, dass dem Gerichtshof die konkrete inhaltliche Jurisdiktion nicht nur über Teile der Schlussanträge fehlen kann, sondern auch über Argumentationen und anderen Parteivortrag, die die Tatsachenbasis der bestehenden Klageanträge überschreiten. Damit wird zugleich deutlich, dass Probleme der inhaltlichen Jurisdiktion auch bei einer Einleitung des Verfahrens durch Compromis auftreten können. Üblicherweise sind diese Fälle zwar insoweit unproblematisch, weil die Zustimmung der Staaten zur abstrakten Jurisdiktion des IGH und die konkrete Verfahrenseinleitung in demselben Dokument zusammenfallen und sich auf denselben Streitgegenstand beziehen; die konkrete und abstrakte Jurisdiktion sind deshalb deckungsgleich.306 Dennoch ist nicht ausgeschlossen, dass die Schlussanträge der Parteien im Verfahren vor dem IGH inhaltlich den Umfang des Antrags aus dem Compromis überschreiten, mit der Konsequenz der fehlenden abstrakten und konkreten Jurisdiktion des IGH im Umfang der Überschreitung.307 Auch kann dieselbe Situation wie in Right of Passage und in Oil Platforms eintreten, indem ein weiterer Angriff im einfachen Parteivortrag den IGH über die Grenzen des Compromis hinausführen kann. Bei alldem ist der Begriff der inhaltlichen Jurisdiktion hier freilich nur ein Oberbegriff, der sämtliche möglichen Bedingungen der Jurisdiktion des IGH umfassen kann. Diese sind ausgesprochen vielfältig308 und können hier nicht eingehend behandelt werden. Ein terminologisches Sonderproblem ist der Begriff der zeitlichen Jurisdiktion (Jurisdiktion ratione temporis). Temporale Probleme stellen sich nämlich an diversen Stellen. Einerseits kann die Jurisdiktion ratione temporis meinen, dass alle bisher angesprochenen Voraussetzungen zum relevanten Zeitpunkt schon und noch 304

Vgl. zu dieser Vermutung, nach der sonst diejenige Partei die materielle Beweislast trägt, die die Rechtmäßigkeit einer Handlung angreift, Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 53; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 553. 305 Dazu noch unten, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) (c) dieser Arbeit. 306 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) dieser Arbeit. 307 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 68 f. 308 Vgl. z. B. zur Vielfalt der möglichen Vorbehalte bei Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 Abs. 2 und Abs. 3 des Statuts Stone, Legal Controls, S. 126 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 83 ff.

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vorliegen müssen: Die Parteien müssen schon und noch Staaten (und grds. Mitglieder der Vereinten Nationen, vgl. Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 des Statuts) sein, der dispute und die Grundlagen der speziellen Jurisdiktion müssen schon und noch bestehen,309 und ihre diversen Voraussetzungen müssen schon und noch erfüllt sein. Insofern wäre das Erfordernis der Jurisdiktion ratione temporis ein Teil aller anderen Kategorien, und zwar ein selbstverständlicher; es müsste dann nicht extra bezeichnet werden. Andererseits kann die Voraussetzung der Jurisdiktion ratione temporis ein eigenes zeitliches Erfordernis beschreiben, nach dem etwa der dispute vor oder nach einem bestimmten Datum entstanden sein muss,310 oder das eine Klagefrist begründet.311 Ein solches Erfordernis stellt sich nicht auf der Ebene der generellen Jurisdiktion des IGH, da weder das Statut noch die Charta die Zuständigkeit des IGH zeitlich begrenzen.312 Die Jurisdiktion ratione temporis meint vielmehr die Einhaltung etwa relevanter zeitlicher Begrenzungen der Grundlagen der speziellen Jurisdiktion des IGH.313 Diese können sich allerdings sowohl auf die Jurisdiktion ratione personae, also auf die Unterwerfung eines Staates unter die Jurisdiktion des IGH überhaupt, beziehen, oder auf die inhaltlichen Umstände eines Falls, ratione materiae.314 Insofern kann sich das Erfordernis der Jurisdiktion ratione temporis auf beide Formen der speziellen Jurisdiktion beziehen, und liegt damit quer zur Unterscheidung zwischen personeller und inhaltlicher Jurisdiktion. (4) Zwischenergebnis: Zum hier verwendeten Jurisdiktionsbegriff Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgendes Bild: Der Begriff der Jurisdiktion des IGH ist ausgesprochen facettenreich. Er kann zunächst, je nach dem Zusammenhang seiner Verwendung, die allgemeinen rechtlichen Grenzen bezeichnen, die sich für den IGH und die Parteien aus dem Statut und der Verfahrensordnung ergeben. Diese generelle Jurisdiktion des IGH unterliegt nicht dem aus

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Vgl. in diesem Sinne Abi-Saab, Exceptions, S. 50. So gilt z. B. die Jurisdiktionsbegründung in Art. 1 der Europäischen Konvention über die friedliche Beilegung von Streitigkeiten nur für Sachverhalte nach Inkrafttreten der Konvention: Art. 27 lit. a derselben Konvention; vgl. dazu IGH, Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 19 ff. 311 So etwa im Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943: vgl. oben, 1. Teil A. I. dieser Arbeit. 312 Abi-Saab, Exceptions, S. 68; Ndiaye, FS Mensah, S. 249, 272; Schorer, Konsensprinzip, S. 103; Singh, Role, S. 13; vgl. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 253 f.; Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 70. Denkbar ist aber eine zeitliche Begrenzung des Klagerechts aufgrund Estoppel, also kraft allgemeinen Völkerrechts (vgl. Mabrouk, Exceptions, S. 107 ff.; Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 455). Hier kann es freilich keine allgemeinen Regeln geben; auch wird ein Verlust des prozessualen Klagerechts oft schwer von einem Verlust der materiellen Rechtsposition durch Estoppel zu trennen sein. 313 Abi-Saab, Exceptions, S. 68; hierauf bezieht sich auch die Diskussion der Jurisdiktion ratione temporis bei Delbez, Principes généraux, S. 72 ff. 314 Abi-Saab, Exceptions, S. 68; Schorer, Konsensprinzip, S. 103; Singh, Role, S. 13. 310

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der staatlichen Souveränität in Verbindung mit dem Statut ableitbaren Erfordernis der Zustimmung der Parteien. Inhaltlich ist es nicht zwingend geboten, die Aspekte der generellen Jurisdiktion unter diesem Sammelbegriff dem Gesamtkomplex der Jurisdiktion des IGH zuzuschlagen. Namentlich die Fragen der Staatlichkeit der Parteien (Art. 34 Abs. 1 des Statuts) und ihres Zugangs zum Gerichtshof (Art. 35 Abs. 1 und 2 des Statuts) können ebenso als dem Jurisdiktionsregime vorausliegend angesehen werden.315 In der Tat wird der Begriff der Jurisdiktion vielfach allein auf die spezielle, von der Zustimmung der Parteien abhängige Jurisdiktion bezogen.316 Demnach erfasst der Begriff der Jurisdiktion nur die positive Befugnis des Gerichtshofs, in einem Fall tätig zu werden, nicht aber die allgemeinen negativen Grenzen seines Aufgabenbereichs.317 Die Terminologie dieser Arbeit wird dem letzteren Ansatz folgen, um die Diskussion der Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des IGH nicht weiterhin mit der Unterscheidung zwischen der generellen und der speziellen Jurisdiktion des IGH zu überfrachten. Auf diese Unterscheidung wird nur noch zurückzukommen sein, wenn terminologische Unklarheiten aufgelöst werden müssen. Ansonsten werden die verschiedenen Aspekte der generellen Jurisdiktion jedoch aus dem Jurisdiktionsbegriff herausgelöst und jeweils für sich behandelt. Je nach ihrem Inhalt können diese Aspekte daher entweder dem Erfordernis der Jurisdiktion (im hiesigen Sinne) vorausliegen, wie dies für die Fragen nach Art. 34 und 35 des Statuts anzunehmen ist,318 oder sie können – wie die Grenzen, die sich aus dem Schutz der richterlichen Eigenschaft des IGH ergeben – Aspekte der Zulässigkeit (admissibility) darstellen.319 Ebenso können Normen, die sachlich der generellen Jurisdiktion zugeordnet werden könnten, alleinstehende Sachentscheidungsvoraussetzungen sein; dies dürfte namentlich für das Erfordernis eines dispute sachgerecht sein.320 315 Vgl. IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 100; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. Serbia), Preliminary Objections, ICJ Reports 2008, S. 412, 432. 316 Vgl. z. B. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 119, sowie die oben zur Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des IGH im Allgemeinen zitierten Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur: s. o., 1. Teil B. I. 1. dieser Arbeit. 317 Vgl. Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 608 f. 318 Vgl. IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295, 299. 319 Zu dieser Einordnung der Erwägungen der „judicial propriety“ Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 119; für eine dritte Kategorie neben Jurisdiktion und Zulässigkeit dagegen Annacker, Durchsetzung, S. 120; so wohl auch Brown, A Common Law, S. 78; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 155. 320 In diese Richtung etwa IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271: „The Court, as a court of law, is called upon to resolve existing disputes between States. Thus the existence of a dispute is the primary condition for the Court to exercise its judicial function […].“ Der IGH kann hier aber auch das Erfordernis des dispute der „judicial

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Der Begriff der Jurisdiktion wird in dieser Arbeit jedoch ohne nähere Bezeichnung nur die spezielle Jurisdiktion meinen. Innerhalb dieses Konzepts gilt das Erfordernis der Zustimmung der beteiligten Staaten zur Jurisdiktion des IGH für die spezielle abstrakte Jurisdiktion des Gerichtshofs, nicht aber auch für seine spezielle konkrete Jurisdiktion. Der Zustimmung eines Staates bedarf es also bezogen auf das Verfahren als solches, während seine Parteistellung im Verfahren durch das Statut selbst geregelt wird. Daher wird in dieser Arbeit mit dem Begriff der Jurisdiktion auch nur die abstrakte Jurisdiktion gemeint sein, soweit sich terminologische Differenzierungen nicht aufdrängen. bb) Die Fälle der zwingenden Jurisdiktion Es wurde bereits angesprochen, dass der IGH seine Jurisdiktion für bestimmte Entscheidungen aus dem Statut selbst herleitet; dies sind die Fälle seiner zwingenden Jurisdiktion.321 Insofern mag es den Anschein haben, dass eine Ausnahme von dem allgemeinen Zustimmungserfordernis vorliege. Um dies zu klären, sollen im Folgenden die Fälle der zwingenden Jurisdiktion des IGH kurz dargestellt werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf der Reichweite und dem Sinn und Zweck der jeweiligen Befugnis und damit auf dem Umfang der Ausnahme vom Zustimmungserfordernis liegen. (1) Die Fälle der inzidenten Jurisdiktion (a) Die Kompetenz-Kompetenz (Art. 36 Abs. 6 des Statuts) Art. 36 Abs. 6 des Statuts sieht eine Entscheidungskompetenz des IGH für den Fall vor, dass seine Kompetenz unter den Parteien im Streit steht. Der IGH selbst führt dazu im Fall Nottebohm aus: „Paragraph 6 of Article 36 merely adopted, in respect of the Court, a rule consistently accepted by general international law in the matter of international arbitration. Since the Alabama case, it has been generally recognized, following the earlier precedents, that, in the absence of any agreement to the contrary, an international tribunal has the right to decide as to its own jurisdiction and has the power to interpret for this purpose the instruments which govern that jurisdiction. This principle was expressly recognized in Articles 48 and 73 of the Hague Conventions of July 29th, 1899, and October 18th, 1907, for the Pacific Settlement of International Disputes, to which Guatemala became a Party. The Rapporteur of the Convention of 1899 had emphasized the necessity of this principle, presented by him as being ,of the very essence of the arbitral function and one of the inherent requirements for the exercise of this function‘. This principle has been frequently applied and at times expressly stated.“322

propriety“ zugeschlagen haben; deutlicher in diesem Sinne IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 69 f. 321 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit. 322 IGH, Nottebohm, Preliminary Objection, ICJ Reports 1953, S. 111, 119.

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In der Tat finden sich in zahlreichen Verträgen über internationale Gerichtsbarkeiten Normen, die dem jeweiligen Gerichtshof ausdrücklich die Kompetenz einräumen, über seine eigene Jurisdiktion zu entscheiden.323 Schwieg ein Vertrag über diese Kompetenz, haben (Schieds-)Gerichte ihre Kompetenz zur Entscheidung über ihre eigene Zuständigkeit auch oft aus dem Umstand abgeleitet, dass diese Kompetenz einer gerichtlichen Instanz in der Regel – und daher im Zweifel – eingeräumt ist.324 Diese sog. Kompetenz-Kompetenz oder compétence de la compétence325 wird denn auch als notwendig für ein ordnungsgemäßes Verfahren,326 sogar als entscheidend für die richterliche Eigenschaft einer Instanz,327 angesehen: Gäbe es diese Befugnis nicht, bliebe die Frage der Jurisdiktion einer gerichtlichen Streitbeilegungsinstanz im Völkerrecht in der Regel ungeklärt, denn sie könnte in aller Regel weder erfolgreich durch die streitenden Parteien noch durch ein – regelmäßig nicht verfügbares328 – weiteres Gericht geklärt werden.329 Damit wäre ein Gericht, das nicht selbst über seine eigene Jurisdiktion entscheiden kann, unfähig, eine unangreifbare richterliche Entscheidung über einen Streitfall zu treffen; seine Jurisdiktion

323 Plamper, Nichtigkeit, S. 183 f.; Shihata, Power, S. 20 ff.; Tomuschat, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 109. 324 Vgl. z. B. Award of Don Joaquin Fernandez Prida (Germany–Great Britain), Walfish Bay Boundary Case (1911), RIAA XI, S. 263, 307 (dort schwieg der Vertrag zwar nicht vollkommen, war aber unklar); Arbitral Tribunal (Great Britain–USA), Rio Grande Irrigation and Land Company, Ltd. (Great Britain) v. United States (1923), RIAA VI, S. 131, 135 f. Zu weiteren frühen Ausübungen der Kompetenz vgl. Shihata, Power, S. 21 ff., und als jüngeres Beispiel ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusˇko Tadic´, Decision on Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, ILM 35 (1996), S. 35, 40. 325 ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusˇko Tadic´, Decision on Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, ILM 35 (1996), S. 35, 40; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 812; vgl. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 109. 326 Arbitral Tribunal (Great Britain–USA), Rio Grande Irrigation and Land Company, Ltd. (Great Britain) v. United States (1923), RIAA VI, S. 131, 136. 327 StIGH, Interpretation of the Greco-Turkish Agreement of December 1st, 1926, PCIJ Series B, No. 16, S. 20; ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusˇko Tadic´, Decision on Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, ILM 35 (1996), S. 35, 39 f.; Cheng, General Principles, S. 276; vgl. auch IGH, Nottebohm, Preliminary Objection, ICJ Reports 1953, S. 111, 120, wo die Kompetenz-Kompetenz auch auf den richterlichen Charakter des IGH zurückgeführt wurde, und IGH, Effect of Awards of Compensation made by the United Nations Administrative Tribunal, ICJ Reports 1954, S. 47, 51 f., wo diese Kompetenz für den richterlichen Charakter eines Tribunals sprach. 328 Vgl. aber die Ausnahmen in der Praxis des IGH, in denen der Gerichtshof über die Jurisdiktion einer anderen Instanz zu befinden hatte: Arbitral Award made by the King of Spain on 23 December 1906, ICJ Reports 1960, S. 192 ff.; Appeal Relating to the Jurisdiction of the ICAO Council, ICJ Reports 1972, S. 46 ff. Vgl. dazu allgemein Reisman, Recueil des Cours 258 (1996), S. 9 ff.; Shany, Competing Jurisdictions, S. 248 ff. 329 Shihata, Power, S. 26.

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und seine Berufung zur Sachentscheidung überhaupt könnten nämlich immer wieder in Frage gestellt werden.330 Teilweise wird als Bedingung der Ausübung der Kompetenz-Kompetenz durch den IGH ein wirksames seising angesehen. Der Gerichtshof müsse die konkrete Jurisdiktion sicher besitzen, bevor er unter Anwendung von Art. 36 Abs. 6 des Statuts über seine abstrakte Jurisdiktion befinden könne, denn das seisin und das Statut begründeten die Kompetenz nach Art. 36 Abs. 6.331 Damit würde jedoch die eben erwähnte Unsicherheit über die Jurisdiktion des Gerichtshofs nur für den Problemkreis der abstrakten Jurisdiktion vermieden, bestünde aber weiterhin bezüglich aller Rechts- und Tatsachenfragen, die über die Wirksamkeit des seising entscheiden. Dabei kann es namentlich um spezielle Bedingungen des wirksamen seising nach den jeweiligen Abreden der Parteien oder um andere Probleme der konkreten Jurisdiktion des Gerichtshofs gehen. Jede derartige Frage bliebe offen, und jede spätere Sachentscheidung bliebe angreifbar. Das ist kaum überzeugend. Allerdings hat diese Auffassung einen überzeugenden Kern: Der Gerichtshof kann nicht in abstracto entscheiden, dass er die Jurisdiktion über einen gar nicht erhobenen Antrag besitze; eine solche Entscheidung würde bereits niemanden treffen und gegen die allgemeine Maxime „nemo judex sine actu“ („wo kein Kläger, da kein Richter“)332 verstoßen. Diese lässt sich aus Art. 36 Abs. 6 des Statuts ableiten, wonach der IGH über die Frage seiner Jurisdiktion entscheidet, wenn diese bestritten wird („in the event of a dispute“/„en cas de contestation“). Dies schließt zwar nicht aus, dass der IGH zur Prüfung bestimmter, vom spontanen Willen der Parteien unabhängiger Zulässigkeitsvoraussetzungen auch von Amts wegen verpflichtet sein kann.333 Solche Prüfungen von Amts wegen ergeben sich bereits aus den jeweiligen Zulässigkeitsvoraussetzungen selbst: Wenn die Parteien über diese nicht spontan verfügen können, indem sie eine etwa erforderliche Zustimmung stillschweigend erteilen, kann das Schweigen der Parteien den Gerichtshof auch nicht von der Prüfung der Rechtmäßigkeit seines eigenen Handelns entbinden.334 Art. 36 Abs. 6 des Statuts schließt das nicht aus,335 sondern beschreibt mit seiner Regelung zur 330 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 109; vgl. auch Stone, Legal Controls, S. 131. 331 Briggs, FS Verdross, S. 87, 90; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 441; Shihata, Power, S. 87, 170; vgl. auch IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, Separate Opinion of Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Reports 1963, S. 97, 104; missverständlich Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 51. 332 Dazu Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 204; Kolb, ICJ, S. 778 („nemo judex since actore“); ohne solche Begriffe Thirlway, BYIL 81 (2010), S. 13, 39, 109. 333 So für die Voraussetzungen von Art. 35 des Statuts IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295; vgl. auch Scerni, Principî, S. 146 ff. 334 Vgl. ebda.; Annacker, Durchsetzung, S. 119 f. 335 Vgl. IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295.

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Entscheidung des Gerichtshofs bei bestrittener Jurisdiktion nur den Regelfall der Kompetenz-Kompetenz. Jedenfalls muss es aber bei Art. 36 Abs. 6 um die Prüfung eines bestimmten, tatsächlich gestellten Klagantrags gehen. Ein wirksames seising ist daher vor Eintreten der Befugnis nach Art. 36 Abs. 6 des Statuts nicht erforderlich, aber es ist notwendig, dass dem IGH überhaupt eine Prozesshandlung, die den Anschein eines wirksamen seising erweckt,336 vorliegt.337 Ist das der Fall, erstreckt sich die Kompetenz-Kompetenz des IGH auch auf alle Fragen der Wirksamkeit des seising.338 Die Weite der Kompetenz-Kompetenz löst allerdings ein Problem aus, das auf dem allgemeinen Satz der Zustimmungsbedürftigkeit der internationalen gerichtlichen Jurisdiktion beruht. Dem IGH obliegt nämlich – seiner Rechtsprechung zufolge – unter Art. 36 Abs. 6 des Statuts auch die Prüfung der Frage, ob eine oder beide Parteien des Streitfalls Parteien des Statuts (Art. 35 Abs. 1 des Statuts) oder nach Art. 35 Abs. 2 des Statuts parteifähig sind.339 In diesen Fällen besteht aber jeweils die Möglichkeit, dass eine Partei, die Anlass zu einer solchen Prüfung bietet, nicht Partei des Statuts ist oder, sollte das der zweifelhafte Punkt sein, keine Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts abgegeben hat. Um diese Frage zu klären und den fraglichen Staat gegebenenfalls durch eine positive Antwort an eine spätere Entscheidung zu binden, müsste der IGH die Ju336 Es gibt auch Fälle, in denen keine gerichtliche Entscheidung erfolgt, in denen also schon kein Anschein eines seisin angenommen wird. So erteilt Individuen, die entgegen Art. 34 Abs. 1 des Statuts vor dem IGH Klage erheben wollen, nur der Kanzler des IGH einen kurzen Hinweis: Dupuy, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 34 Rn. 4; Kolb, ICJ, S. 267 Fn. 381; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 216, Nr. 27; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 459; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 121. Zu dem wohl einzigen Fall, in dem ein Antrag eines Staates bereits vom Kanzler aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde, vgl. Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1179 f.; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 63. 337 Weitgehend zutreffend deshalb Amerasinghe, Jurisdiction, S. 67: „Once the Court is seized of the dispute, whether validly or not, it has authority, first of all, to determine whether it has been validly seized.“ In diesem Sinne unterscheidet Richter ad hoc Krec´a zwischen dem „valid seisin“ und dem „effective seisin“, wobei letzteres die Kompetenz-Kompetenz des IGH, einschließlich der Kompetenz zur Prüfung des „valid seisin“, begründet: IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Krec´a, ICJ Reports 2004, S. 371, 380 f. Zu ergänzen ist nur, dass es jeweils „seising“ und nicht „seisin“ heißen muss: das seisin ist das Ergebnis eines wirksamen seising (vgl. oben, Fn. 217); ein invalid seisin ist deshalb nicht denkbar. 338 Kolb, ICJ, S. 604; vgl. Wittmann, Problem, S. 125 f. Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 817, nennt eine solche Frage als Beispiel einer Prüfung unter Art. 36 Abs. 6 des Statuts. Zu einigen Fällen, in denen der IGH (auch) die Wirksamkeit des (einseitigen) seising zu prüfen hatte, vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (b) (aa) dieser Arbeit. 339 So ausdrücklich (zu Art. 35 Abs. 1) IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 101; vgl. auch IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295; so auch Rosenne, BYIL 80 (2009), S. 217, 218; vgl. auch Plamper, Nichtigkeit, S. 186.

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risdiktion nach Art. 36 Abs. 6 des Statuts besitzen. Dazu bedarf er, nach den allgemeinen Prinzipien des Statuts und des allgemeinen Völkerrechts,340 eines staatlichen Zustimmungsaktes. Dieser liegt im Normalfall in der Ratifizierung des Statuts oder der Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts,341 wäre aber in einem Zweifelsfall betreffend Art. 35 des Statuts möglicherweise nicht erteilt worden. Die Befugnis des IGH zur endgültigen Klärung der Frage wäre daher nach dem allgemeinen Prinzip der Zustimmungsbedürftigkeit seiner speziellen Jurisdiktion jedenfalls nicht aus einem dieser beiden Zustimmungsakte herzuleiten. Auch dürfte, wenn ein Staat in einer solchen Situation vor dem IGH steht und dessen Jurisdiktion ausdrücklich bestreitet, darin keine Unterwerfung unter die Entscheidung nur über die Zulässigkeit, mit der Folge des forum prorogatum hinsichtlich dieser Frage, zu sehen sein.342 Im Übrigen hilft hier auch der bereits erwähnte Umstand nicht unmittelbar weiter, dass gerichtlichen Instanzen in aller Regel und daher auch im Zweifel die Kompetenz-Kompetenz eingeräumt ist. Dabei handelt es sich nämlich, jedenfalls nach der bisherigen Praxis, nicht um eine diese Jurisdiktion begründende Norm, sondern um eine Regel zur Auslegung des jeweils anwendbaren verfahrensleitenden Instruments.343 Die Begründung der Kompetenz-Kompetenz folgte danach immer noch aus dem jeweiligen Vertrag, nicht aus einer Norm des allgemeinen Völkerrechts. Wenn es aber keine vertragliche Grundlage für die KompetenzKompetenz geben kann, weil der fragliche Staat nicht Partei des in Frage kommenden Vertrags ist, kann eine solche Auslegungslösung keine Anwendung finden. Ebenso wenig zielführend ist der bereits erwähnte Gedanke, wonach die KompetenzKompetenz einen notwendigen Bestandteil der richterlichen Eigenschaft einer Instanz ausmacht. Jedenfalls hilft diese Begründung der Kompetenz nicht weiter, wenn sie darauf beruht, dass die Parteien des Gründungsvertrags der Instanz gerade eine richterliche Instanz, mit allen Merkmalen einer solchen Institution, hatten schaffen wollen. Auch das ist nur eine (starke) Auslegungsregel, bezogen auf einen Willensakt, an dem der konkret betroffene Staat wiederum möglicherweise keinen Anteil hatte. Mit der Wahrnehmung seiner Kompetenz-Kompetenz betreffend die Eigenschaft einer Partei eines Streitfalls als Partei des Statuts oder als ein Staat, der eine Erklärung nach Art. 35 Abs. 2 des Statuts abgegeben hat, würde der IGH also die vertragliche Grundlage seiner Kompetenz-Kompetenz überhaupt verlassen.344

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Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. a) und b) dieser Arbeit. Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit. 342 Vgl. etwa IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 620 f. 343 Besonders deutlich in diesem Sinne Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 443 f. 344 Vgl. Verdross, RDILC 55 (1928), S. 225, 236, nach dem ein Gericht einen excès de pouvoir begeht, wenn es sich nicht mehr auf einen Vertrag zwischen den Parteien stützt; in diese Richtung auch Schätzel, Rechtskraft, S. 86 f., 89. 341

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Nachdem damit eine vertragliche – oder quasi-vertragliche, nämlich aus einer Zustimmung im Wege einer Erklärung nach Art. 35 Abs. 2 des Statuts und der SC Res. 9 (1946) folgende – Lösung ausscheidet, bieten sich als Herleitung der Kompetenz-Kompetenz des IGH in solchen Fällen nur noch die Möglichkeiten einer gewohnheitsrechtlichen Norm oder eines allgemeinen Rechtsprinzips an. Insbesondere ist es vorstellbar, dass das allgemeine Völkerrecht auf diesem Wege der Gründung einer gerichtlichen Instanz durch einen beliebigen Kreis von Staaten die Folge der Kompetenz-Kompetenz dieser Instanz beilegt. Die Kompetenz-Kompetenz wäre demnach kraft allgemeinen Völkerrechts, nicht nur kraft des Willens der Gründungsstaaten, ein notwendiges Merkmal jedes Gerichts. Hier geht es freilich nicht um die Kompetenz-Kompetenz in dem Sinne, dass nach einer rechtskräftigen Entscheidung keine Überprüfung der Jurisdiktionsfrage im Rahmen eines anderen Verfahrens mehr möglich ist.345 Vielmehr geht es um die Befugnis des Gerichts gegenüber den Parteien, über seine eigene Jurisdiktion selbst zu entscheiden, und damit um die Unabhängigkeit des Gerichts in dieser Frage von den Auffassungen der Parteien.346 Diese Befugnis ist den innerstaatlichen Gerichten ausnahmslos eingeräumt.347 In der Tat ist die Jurisdiktion eines Gerichts zur Entscheidung über seine eigene Jurisdiktion nicht nur ein fundamentales Prinzip des Völkerrechts, sondern auch des nationalen Rechts.348 Weder im innerstaatlichen noch im Völkerrecht ist es hinnehmbar, dass die Parteien sich aus eigener Machtvollkommenheit einer gerichtlichen Zuständigkeit entziehen. Würde dies gestattet, wäre damit die Gerichtsbarkeit überhaupt sinnlos, sei sie nun allgemein zwingend wie im innerstaatlichen Recht oder auf die Zustimmung der Parteien gegründet wie im Völkerrecht.349 Die Jurisdiktion des IGH zur Entscheidung über seine Jurisdiktion lässt sich daher für die Fragen der Annahme des Statuts durch die Parteien des Streitfalls (Art. 35 des Statuts) auf ein allgemeines Rechtsprinzip gründen.350 An die Stelle der unmittel345 So aber Schätzel, Rechtskraft, S. 86, der deshalb die Übertragbarkeit der innerstaatlichen Konzeption der Kompetenz-Kompetenz auf das Völkerrecht verneint, weil im Völkerrecht die spätere Befassung eines anderen Gerichts mit der Frage der Jurisdiktion eines früheren Gerichts möglich sei. Gattini, FS Simma, S. 1168, 1171, schreibt der Rechtskraft eines Hauptsacheurteils des IGH aber eben diese Wirkung zu. 346 IGH, Certain Norwegian Loans, Separate Opinion of Judge Sir Hersch Lauterpacht, ICJ Reports 1957, S. 34, 43; Interhandel, Separate Opinion of Judge Sir Hersch Lauterpacht, ICJ Reports 1959, S. 95, 104. 347 Vgl. Balasko, Causes, S. 179, der – wie Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts – nur von den zivilisierten Staaten spricht. 348 So IGH, Certain Norwegian Loans, Separate Opinion of Judge Sir Hersch Lauterpacht, ICJ Reports 1957, S. 34, 44; Interhandel, Separate Opinion of Judge Sir Hersch Lauterpacht, ICJ Reports 1959, S. 95, 104; vgl. IGH, Judgments of the Administrative Tribunal of the International Labour Organisation upon Complaints made against the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation, Dissenting Opinion of Judge Córdova, ICJ Reports 1956, S. 155, 163. 349 Vgl. zu den beiden Systemen oben, 1. Teil B. I. 1. a) dieser Arbeit. 350 So wohl auch Boisson de Chazournes, FS Reisman, S. 1027, 1034. Für eine gewohnheitsrechtliche Geltung dagegen die Appeals Chamber des Special Tribunal for Lebanon, The

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baren staatlichen Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH tritt damit eine Norm des allgemeinen Völkerrechts. Damit ist jedoch keine zwingende Jurisdiktion des Gerichtshofs in der Hauptsache begründet. Die Kompetenz-Kompetenz gemäß Art. 36 Abs. 6 des Statuts erlaubt es dem IGH, über das Bestehen oder Nichtbestehen seiner Jurisdiktion betreffend die Hauptsache zu entscheiden, nicht aber diese Jurisdiktion anzunehmen oder gar erst herzustellen. Vielmehr handelt es sich um einen Fall der inzidenten, auf das eigene Verfahren – und nicht auf die zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse der Parteien – bezogenen Jurisdiktion des Gerichtshofs.351 (b) Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen (Art. 41 des Statuts) Art. 41 des Statuts gibt dem IGH die Kompetenz zum Erlass einstweiliger Maßnahmen. Das Statut ist an dieser Stelle sehr weit gefasst.352 Es begnügt sich damit, den Gerichtshof zu einstweiligen Maßnahmen zum Schutz der Rechte der Parteien während des Verfahrens für den Fall zu ermächtigen, dass die Umstände dies nach dem Dafürhalten des Gerichtshofs verlangen. In der Praxis des IGH haben sich jedoch nähere Voraussetzungen für die Wahrnehmung dieser Kompetenz durch den Gerichtshof entwickelt. Insbesondere kann der IGH nur dann einstweilige Maßnahmen erlassen, wenn er wenigstens prima facie die Jurisdiktion zur Entscheidung in der Hauptsache besitzt.353 Daraus folgt, dass der Gerichtshof auch in einem Fall einstweilige Maßnahmen erlassen kann, in dem er seine Jurisdiktion letztlich verneint, in dem er also von Anfang an keine Jurisdiktion hatte.354 Der Erlass einstProsecutor v. El Sayed, Decision on Appeal of Pre-Trial Judge’s Order regarding Jurisdiction and Standing, verfügbar unter http://www.refworld.org/docid/4d46bf042.html, Rn. 46 f.; Plamper, Nichtigkeit, S. 183 f.; Wittmann, Problem, S. 121 ff. Ohne nähere Bestimmung für eine „rule of general international law“ IGH, Nottebohm, Preliminary Objection, ICJ Reports 1953, S. 111, 120; fast wortgleich Kolb, ICJ, S. 603. 351 Vgl. Hudson, Permanent Court, S. 416; Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 104 f.; Kolb, ICJ, S. 603 f.; Thienel, in: Krzan, S. 189, 201; Zimmermann, in: ders./Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 35 Rn. 61. 352 Vgl. Martenczuk, Rechtsbindung, S. 116; vgl. auch Oellers-Frahm, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 25. 353 Vgl. nur IGH, Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Provisional Measures, ICJ Reports 1972, S. 12, 16. Vgl. i.Ü. zum Meinungsbild Bostedt, Einstweilige Maßnahmen, S. 79 ff.; Elkind, Interim Protection, S. 178 ff.; Mendelson, BYIL 46 (1972 – 1973), S. 259, 264 ff.; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 28 ff. 354 Mendelson, BYIL 46 (1972 – 1973), S. 259, 312; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 33 f.; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 609. Das ist bisher nur in den Fällen Anglo-Iranian Oil Co. (dazu Wittich, ebda., mit Fn. 98) und Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination geschehen. Eine entsprechende Sachlage ergab sich auch im Fall Request for Interpretation of the Judgment of 31 March 2004 in the Case concerning Avena and Other Mexican Nationals (Mexico v. United States of America), in dem der Gerichtshof zunächst einstweilige Maßnahmen erlassen hatte (ICJ Reports 2008, S. 311 ff.) und schließlich im Urteil (ICJ Reports

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weiliger Maßnahmen setzt damit nicht voraus, dass der IGH in der Hauptsache definitiv Jurisdiktion besitzt, also dass die erforderliche staatliche Zustimmung erteilt worden ist. Dies erhellt, dass es sich bei Art. 41 des Statuts um einen Fall der inzidenten Jurisdiktion des Gerichtshofs handelt.355 Die Jurisdiktion zum Erlass der Maßnahme folgt demnach nicht aus dem erteilten Zustimmungsakt, sondern ergibt sich aus Art. 41 des Statuts,356 der nur aus sich heraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer gültigen Zustimmung zur Jurisdiktion in der Hauptsache verlangt.357 Auch hier stellt sich ein Problem der fehlenden Zustimmung (nur) dann, wenn in Zweifel steht, ob ein Staat überhaupt Partei des Statuts ist oder sonst seine Zustimmung zum Inhalt des Statuts einschließlich seines Art. 41 erteilt hat.358 Auch bei diesem Problem hilft – wie schon bei der Begründung der Kompetenz-Kompetenz – der Interpretationsansatz, nach dem die Schöpfer einer gerichtlichen Instanz ihr im Zweifel die Befugnis auch zum Erlass einstweiliger Maßnahmen hätten geben wollen,359 nicht weiter, da der fragliche Staat an eine solche Absicht der Parteien des Statuts gerade nicht gebunden wäre. Es ist deshalb in diesem Problemfall nicht zielführend, die Kompetenz zum Erlass einstweiliger Maßnahmen als inhärente Kompetenz des Gerichts zu erklären.360 Ebenso scheidet es aus, die Kompetenz darauf zurückzuführen, dass ein Staat die Jurisdiktion des Gerichtshofs in der Hauptsache anerkannt habe und damit konkludent auch dem Erlass einstweiliger Maßnahmen zugestimmt habe.361 Dieser Ansatz hat seine Berechtigung, wenn bei einem internationalen Gericht die Unterwerfung unter die Jurisdiktion in der 2009, S. 3 ff.) befand, dass es keinen dispute betreffend das frühere Urteil gebe und die Voraussetzungen des Art. 60 des Statuts daher nicht vorlägen; zum Ganzen IGH, Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Greenwood, ICJ Reports 2011, S. 323 f.; Editorial Staff of the LPICT, LPICT 10 (2011), S. 507, 534. 355 IGH, Aegean Sea Continental Shelf Case, Provisional Measures, Separate Opinion of President Jiménez de Aréchaga, ICJ Reports 1976, S. 15; Delbez, Principes généraux, S. 64; vgl. Zimmermann, in: ders./Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 35 Rn. 61. 356 IGH, Anglo-Iranian Oil Co. Case, Preliminary Objections, ICJ Reports 1952, S. 93, 102 f.; Certain Criminal Proceedings in France, Provisional Measures, ICJ Reports 2003, S. 102, 107 (französische Fassung); Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 104 f.; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 27; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 22 f. 357 Vgl. IGH, Aegean Sea Continental Shelf Case, Provisional Measures, Separate Opinion of President Jiménez de Aréchaga, ICJ Reports 1976, S. 15; Thirlway, BYIL 81 (2010), S. 13, 59 f. 358 Vgl. die Ausführungen im vorgehenden Abschnitt dieser Arbeit. 359 In diesem Sinne Tzanakopoulos, Revue hellénique de droit international 57 (2004), S. 53, 83; für die Bindungswirkung einstweiliger Maßnahmen internationaler Gerichte unmittelbar aufgrund eines allgemeinen Rechtsprinzips aber ebda., S. 81. 360 Vgl. zu diesem Ansatz Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 122 ff.; vgl. auch Hudson, Permanent Court, S. 426. 361 So Bostedt, Einstweilige Maßnahmen, S. 295; vgl. auch von Mangoldt, ZaöRV 40 (1980), S. 554, 568.

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Hauptsache uno actu mit der Ratifikation eines (Gründungs-)Vertrags geschieht und es dann – bei feststehender Jurisdiktion in der Hauptsache – nur noch um den Erlass und die Bindungswirkung einstweiliger Maßnahmen dieses Gerichts geht.362 Er versagt aber, wenn gerade (auch) die Hauptsachejurisdiktion und überhaupt jeder Zustimmungsakt in Zweifel steht. Dann verbleibt wiederum nur noch die Möglichkeit einer Norm des allgemeinen Völkerrechts. In der Tat dürfte sich die Kompetenz des Art. 41 des Statuts auch aus einem allgemeinen Rechtsprinzip i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts ergeben.363 Dieses macht eine – ggf. durch die Ratifikation des Statuts oder die Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts erteilte – Zustimmung der betroffenen Staaten entbehrlich. Auch die Kompetenz zum Erlass einstweiliger Maßnahmen ist aber keine Jurisdiktion in der Hauptsache. Sie betrifft, da die einstweiligen Maßnahmen des IGH rechtlich bindend sind,364 die Rechte der Parteien, und dabei auch nicht nur ihre Stellung im Prozess. Gleichwohl handelt es sich bei dem Verfahren der einstweiligen Maßnahmen um ein nur inzidentes Verfahren,365 da die Maßnahmen dem Schutz des Verfahrensgegenstands366 und damit der Effektivität des Urteilsspruchs in der Hauptsache dienen367 und nicht auf die dauernde Gestaltung der außerprozessualen 362

So der Kontext bei Bostedt, Einstweilige Maßnahmen, S. 292 ff. Brown, A Common Law, S. 126 f.; Collins, Recueil des Cours 234 (1992 III), S. 9, 23, 214, 234; Elkind, Interim Protection, S. 162; Tzanakopoulos, Revue hellénique de droit international 57 (2004), S. 53, 81; vgl. IGH, Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, Provisional Measures, Dissenting Opinion of Judge Cançado Trindade, ICJ Reports 2009, S. 165, 169 f.; vgl. auch IGH, Aegean Sea Continental Shelf Case, Provisional Measures, Separate Opinion of President Jiménez de Aréchaga, ICJ Reports 1976, S. 15 f.; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 374 f.; anders von Mangoldt, ZaöRV 40 (1980), S. 554, 569 f.; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 19, sowie für die internationale zwischenstaatliche Gerichtsbarkeit (in Abgrenzung zur internen Verwaltungsgerichtsbarkeit internationaler Organisationen) Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 131 f. Für eine gewohnheitsrechtliche Geltung dagegen die Appeals Chamber des Special Tribunal for Lebanon, The Prosecutor v. El Sayed, Decision on Appeal of Pre-Trial Judge’s Order regarding Jurisdiction and Standing, verfügbar unter http://www.refworld.org/docid/4d46bf042.html, Rn. 46 f. 364 Vgl. nur IGH, LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 501 ff.; Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports 2005, S. 168, 258; Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 107 ff. Der Gerichtshof beansprucht auch – zu Recht – eine inzidente, zwingende Jurisdiktion zur Feststellung von Verstößen gegen seine einstweiligen Maßnahmen: IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 31 March 2004 in the Case concerning Avena and Other Mexican Nationals (Mexico v. United States of America), ICJ Reports 2009, S. 3, 19. Orakhelashvili, LJIL 15 (2002), S. 105, 113 f., entnimmt diese Jurisdiktion dagegen wegen des Zusammenhangs der einstweiligen Maßnahmen mit dem Ausgangsrechtsstreit dem Titel der speziellen abstrakten Jurisdiktion. 365 Vgl. die Überschrift von Sektion D der Verfahrensordnung („Incidental Proceedings“). 366 Vgl. nur IGH, Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Provisional Measures, ICJ Reports 1972, S. 12, 16; Fisheries Jurisdiction (Federal Republic of Germany v. Iceland), ICJ Reports 1972, S. 30, 34; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 41 Rn. 21. 367 Vgl. Bostedt, Einstweilige Maßnahmen, S. 295 f.; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 43; Lagrange, RGDIP 107 363

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Rechtsbeziehungen der Parteien abzielen. Zudem setzt die Jurisdiktion zum Erlass einstweiliger Maßnahmen ein – prima facie368 – wirksames seising voraus; ein isolierter Antrag auf einstweilige Maßnahmen, vor Erhebung der Klage in der Hauptsache, ist deshalb anders als vielfach im nationalen Recht369 unzulässig.370 Auch die Jurisdiktion zum Erlass dieser Maßnahmen ist daher eine zwingende inzidente Jurisdiktion,371 nicht aber eine zwingende Jurisdiktion in der Hauptsache. (c) Die Interpretation von Urteilen (Art. 60 des Statuts) Nach Erlass eines Urteils durch den IGH eröffnet Art. 60 Satz 2 des Statuts jeder Partei die Möglichkeit, bei dem Gerichtshof eine Interpretation des Urteils zu beantragen. Dazu bedarf es keiner gesonderten Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Gerichtshofs; es schadet auch nicht, wenn die für das erlassene Urteil in Anspruch genommene Jurisdiktionsgrundlage für den neuen Antrag auf Interpretation des Urteils nicht mehr gelten kann.372 Die Grundlage der abstrakten Jurisdiktion und die Zulassung der einseitigen Antragstellung finden sich vielmehr beide in Art. 60 Satz 2 des Statuts selbst; es handelt sich dabei um einen Fall der zwingenden Jurisdiktion des IGH.373 Diese Jurisdiktion hängt von der Existenz eines früheren Urteils des Gerichtshofs ab, das es zu interpretieren gilt.374 Der Gerichtshof kann auch im Interpretations(2003), S. 89, 96; Singh, Role, S. 123; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 415 f.; vgl. auch IGH, LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 502 f. 368 Wegen der Eilbedürftigkeit ist wie hinsichtlich der (sonstigen) Jurisdiktion nur eine prima facie-Prüfung geboten; vgl. zur Eilbedürftigkeit als Grund der Beschränkung auf eine prima facie-Prüfung der Jurisdiktion in der Hauptsache Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 59 f.; dies., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 27; Thienel, GoJIL 1 (2009), S. 143, 145, 148. 369 Vgl. nur §§ 123 Abs. 1 VwGO, 926 Abs. 1 ZPO; BVerfGE 3, 267, 277. 370 Cheng, General Principles, S. 270; Kolb, ICJ, S. 621 f.; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 528 f.; Shihata, Power, S. 170 f.; Wittmann, Problem, S. 128; vgl. auch Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 27. 371 IGH, Aegean Sea Continental Shelf Case, Provisional Measures, Separate Opinion of President Jiménez de Aréchaga, ICJ Reports 1976, S. 15; Briggs, FS Verdross, S. 87, 91; Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 104 f.; Rosenne, Provisional Measures, S. 85; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 33; Zimmermann, ebda., Art. 35 Rn. 61. 372 Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 50 ff. 373 Delbez, Principes généraux, S. 64; Rosenne, Interpretation, S. 167; Salvioli, Recueil des Cours 12 (1926 II), S. 5, 48; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 33; Zimmermann/Thienel, ebda., Art. 60 Rn. 46 ff.; vgl. IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), ICJ Reports 2013, S. 281, 295. 374 Vgl. IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 31 March 2004 in the Case concerning Avena and Other Mexican Nationals (Mexico v. United States of America), ICJ Reports 2009, S. 3, 9 ff., wo es zwar nicht an einem zu interpretierenden Urteil fehlte, dieses

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

verfahren keine neue Rechtskraft schaffen, sondern nur den rechtskräftigen Inhalt seines früheren Urteils erläutern.375 Er ist sogar gehindert, Verstöße gegen das frühere bindende Urteil festzustellen, weil auch das eine Jurisdiktion in der Hauptsache voraussetzen würde.376 Auch die zwingende Jurisdiktion nach Art. 60 Satz 2 des Statuts ist deshalb – in Abgrenzung zur Hauptsachejurisdiktion des IGH – ein Fall seiner inzidenten Jurisdiktion.377 In Abgrenzung zu den anderen, bisher erörterten Fällen der inzidenten Jurisdiktion kann man Art. 60 Satz 2 des Statuts im Übrigen als Grundlage einer derivativen Jurisdiktion ansehen:378 Anders als bei Art. 36 Abs. 6 und Art. 41 des Statuts dient Art. 60 Satz 2 nämlich nicht mehr dem Zustandekommen eines (effektiven) Urteils in der Hauptsache, sondern knüpft an dieses an. Inhaltlich ergibt sich daraus, dass für die Jurisdiktion nach Art. 60 Satz 2 des Statuts kein (früheres) wirksames seising mit der Hauptsache erforderlich ist. Auch ein Urteil, in dem ein wirksames seising verneint wurde, ist der Interpretation zugänglich.379 Selbstverständlich bedarf es aber, wie bei der Hauptsachejurisdiktion, eines seising mit dem Interpretationsantrag.380 Die Jurisdiktion nach Art. 60 des Statuts ist demnach eine inzidente und derivative Jurisdiktion, aber keine Hauptsachejurisdiktion.

aber nichts zu dem mit dem Interpretationsantrag bezeichneten Aspekt enthielt und deshalb kein dispute bezüglich des Urteils bestand. 375 StIGH, Interpretation of Judgment No. 3 (Treaty of Neuilly, Article 179, Annex, paragraph 4), PCIJ Series A, No. 4, S. 7; IGH, Request for Interpretation of the Judgment of November 20th, 1950, in the Asylum Case, ICJ Reports 1950, S. 395, 402; Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), ICJ Reports 2013, S. 281, 303 f., 306; Court of Arbitration, Delimitation of the Continental Shelf between the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the French Republic, Decision of 14 March 1978, RIAA XVIII, S. 271, 295 f.; Kolb, ICJ, S. 789; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 65, 68; Witenberg, Organisation, S. 362; vgl. Gaja, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 313, 333. 376 IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 31 March 2004 in the Case concerning Avena and Other Mexican Nationals (Mexico v. United States of America), ICJ Reports 2009, S. 3, 20; Schulte, Compliance, S. 38; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 695; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 69. 377 Briggs, FS Verdross, S. 87, 91; Hudson, Permanent Court, S. 408; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 33; Zimmermann, ebda., Art. 35 Rn. 61; Zimmermann/Thienel, ebda., Art. 60 Rn. 51. 378 So Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 742. 379 Vgl. IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 11 June 1998 in the Case concerning the Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Preliminary Objections, ICJ Reports 1999, S. 31, 35; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 36. 380 Vgl. Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 36.

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(d) Die Wiederaufnahme (Art. 61 des Statuts) Auch das Wiederaufnahmeverfahren gemäß Art. 61 des Statuts bezieht seine Jurisdiktionsgrundlage aus der Norm des Statuts selbst.381 Auch hier handelt es sich um eine inzidente382 – und wiederum: derivative383 – Jurisdiktion des IGH. Die Jurisdiktion nach Art. 61 des Statuts knüpft an die Existenz des früheren Urteils384 an und dient selbst der Korrektur solcher materieller Fehler, die seinerzeit weder für den Gerichtshof noch für die die Wiederaufnahme beantragende Partei vermeidbar waren, die also weder auf einem Verschulden dieser Partei noch auf deren allgemeinem Prozessrisiko (des Prozessverlustes bei vollständiger Tatsachenbasis) beruhen. Wiederum handelt es sich deshalb, obwohl durch das neue Sachurteil – das im Nachgang zur Zulassung der Wiederaufnahme gemäß Art. 61 Abs. 2 des Statuts ergeht385 – neue Rechtskraft geschaffen wird386 und somit auch außerprozessuale Rechte berührt werden, nicht um eine Form der Jurisdiktion in der Hauptsache. (e) Zusammenfassung zu den Fällen der inzidenten Jurisdiktion Damit zeigt sich, dass die vorgenannten Fälle sämtlich nicht die Wirkung haben, einen Staat an die Entscheidung des IGH über seine Rechtsbeziehungen zu binden, ohne dass bereits ein Verfahren vor dem Gerichtshof anhängig wäre. Vielmehr ist die inzidente Jurisdiktion stets auf Fragen des Verfahrens des Gerichtshofs oder auf die Wirkung des einmal erlassenen Urteils bezogen. Eine Ausnahme von der Regel, dass die staatliche Zustimmung zu einem Hauptsacheverfahren des IGH von den Staaten über die Ratifikation des Statuts hinaus zu erteilen ist, lässt sich daher in den genannten Fällen und damit im Statut nicht nachweisen. (2) Mögliche Fälle einer zwingenden Jurisdiktion in der Hauptsache Es sind allerdings auch Sonderfälle diskutiert worden, in denen eine zwingende Jurisdiktion des IGH in der Hauptsache außerhalb des Statuts gegeben sein soll. Zu 381

Briggs, FS Verdross, S. 87, 91; Delbez, Principes généraux, S. 64 f.; Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 105; Zimmermann/Geiß, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 61 Rn. 29, 31 f.; vgl. Rosenne, Interpretation, S. 167. 382 Briggs, FS Verdross, S. 87, 91; Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 104 f.; Zimmermann, in: ders./Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 35 Rn. 61; Zimmermann/Geiß, ebda., Art. 61 Rn. 32. Auch diese Jurisdiktion setzt ein wirksames seising (nur) mit dem Wiederaufnahmeantrag voraus (vgl. den vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit). 383 Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 742; vgl. die Erläuterung im vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit. 384 Weil es sich nicht zwingend um ein Hauptsacheurteil handeln muss, sondern auch ein Urteil über die Jurisdiktion des IGH in Betracht kommt (dazu Zimmermann/Geiß, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 61 Rn. 24 ff.), knüpft das Wiederaufnahmeverfahren nicht notwendig auch an eine zuvor erteilte Zustimmung (im Sinne der Hauptsachejurisdiktion) zum Erlass des früheren Urteils an. 385 Zimmermann/Geiß, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 61 Rn. 74. 386 Ebda., Rn. 15; vgl. auch ebda., Rn. 75; Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 108.

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nennen sind hier der Fall einer verbindlichen Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und die Möglichkeit einer gerichtlichen Jurisdiktion bei Verletzungen des jus cogens. (a) Jurisdiktionsbegründung durch den Sicherheitsrat? Die Charta der Vereinten Nationen sieht in Art. 36 Abs. 1 und 3 ausdrücklich vor, dass der Sicherheitsrat den Parteien eines Streitfalls auch empfehlen kann, ihre Streitigkeit dem IGH vorzulegen. Der Sicherheitsrat soll dabei berücksichtigen, dass rechtliche Streitigkeiten in der Regel dem IGH vorgelegt werden sollten. Es darf allerdings als geklärt gelten, dass eine solche Empfehlung des Sicherheitsrates den Parteien nur die Begründung der Jurisdiktion des IGH nahe legt und nicht selbst die Jurisdiktion begründet.387 Es handelt sich also nicht um einen Fall der zwingenden Jurisdiktion des IGH. Vorstellbar ist allerdings, dass der Sicherheitsrat den Parteien eines Streits mittels einer bindenden Resolution unter Kapitel VII der Charta die Streitbeilegung durch den IGH aufgibt und dabei bereits selbst die (abstrakte) Jurisdiktion des Gerichtshofs begründet. Dies ist noch nicht geschehen, wird jedoch teilweise für zulässig gehalten,388 nicht zuletzt weil auf diese Art jedem der beteiligten Staaten – anders als vor dem Sicherheitsrat selbst – rechtliches Gehör gewährleistet sei.389 Zwingend wäre diese Zuständigkeit nur in dem Sinne, dass die betroffenen Staaten ihre Zustimmung nicht mit bewusstem Bezug zum Gerichtshof erteilt haben; zugestimmt haben sie aber durchaus, durch ihre Ratifikation der Charta einschließlich deren 387 IGH, Corfu Channel, Preliminary Objections, Separate Opinion by Judges Basdevant, Alvarez, Winiarski, Zoricˇicˇ, de Visscher, Badawi Pasha and Krylov, ICJ Reports 1948, S. 31 f.; Aerial Incident of 10 August 1999, Jurisdiction, ICJ Reports 2000, S. 12, 32; Aguilar Mawdsley, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1099, 1108; Dubisson, Cour, S. 88, 158; Fraas, Sicherheitsrat, S. 113; Giegerich, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 UN Charter Rn. 53; Goodrich/Hambro/Simons, Charter, S. 282; Kelsen, Law of the UN, S. 445, 517; Kolb, ICJ, S. 63; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 216, Nr. 135; Schorer, Konsensprinzip, S. 40 f., 86 f.; Starace, Competenza, S. 97 ff.; Stein, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 36 UN Charter Rn. 28; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 47 Fn. 171; Wittmann, Problem, S. 95 f., 108; kritisch Distefano/Henry, in: Bannelier/Christakis/Heathcote, S. 60, 72 ff. 388 Amerasinghe, Jurisdiction, S. 97 f.; Ruffert, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 295, 307 ff.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 47; anders aber Chinkin, AJIL 80 (1986), S. 495, 509 Fn. 58, die sich insofern zu Unrecht auf das Urteil im Fall Corfu Channel, Preliminary Objections, ICJ Reports 1948, S. 15, 28, beruft, in dem nur festgehalten wurde, dass eine Resolution gemäß Art. 36 Abs. 3 der Charta nicht das seisin des Gerichtshofs bewirken könne. Der Fall einer Resolution nach Kapitel VII der Charta ist damit ebenso wenig angesprochen wie die Konstruktion, in der nicht der Sicherheitsrat selbst das Verfahren einleitet, sondern in der er nur die Parteien hierzu verpflichtet und die abstrakte Jurisdiktion begründet. Distefano/Henry, in: Bannelier/Christakis/Heathcote, S. 60, 74 f., halten nur eine Verpflichtung der Staaten durch den Sicherheitsrat, ihrerseits die abstrakte Jurisdiktion des IGH zu begründen, für zulässig. Dies hält auch Kolb, ICJ, S. 393 f., für unproblematisch, zweifelt aber ansonsten. 389 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 47.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Kapitel VII und Art. 25.390 Gleichwohl ist der Begriff der zwingenden Jurisdiktion hier angebracht, denn in derselben Weise – durch Ratifikation des Statuts oder Abgabe der Erklärung gemäß Art. 35 Abs. 2 des Statuts – haben die Staaten auch der zwingenden inzidenten Jurisdiktion aufgrund des Statuts zugestimmt.391 Ihren Weg in das Statut fände diese zwingende Jurisdiktion dann als „in der Charta der Vereinten Nationen […] besonders vorgesehene Angelegenheit“ (Art. 36 Abs. 1 des Statuts).392 Bei einer solchen Maßnahme des Sicherheitsrates würde es sich um einen weiteren Schritt der Ausweitung seiner Befugnisse unter Kapitel VII der Charta handeln.393 Damit würde auch aus dem Bezug auf die Charta in Art. 36 Abs. 1 des Statuts eine neue Art der Beziehung zwischen dem Gerichtshof und dem Sicherheitsrat und zwischen dem konsensorientierten Statut und der auf den Sicherheitsrat zentrierten Charta394 geschaffen. Das bedeutet aber nicht, dass diese Beziehung prinzipiell unzulässig wäre. Zweifelhaft ist allerdings, ob eine solche Resolution des Sicherheitsrates die Grenzen der Befugnisse des Rates unter der Charta einhielte. Eine Rechtsstreitigkeit zwischen Staaten kann sicher oftmals mindestens als eine Bedrohung des Friedens i.S.d. Art. 39 der Charta angesehen werden. Fraglich ist jedoch, ob die Begründung der Jurisdiktion des IGH eine rechtmäßige Maßnahme unter Art. 41 der Charta darstellen kann.395 Gewisse Zweifel gründen sich darauf, dass die streitigen Verfahren vor dem IGH in der Regel einige Zeit andauern396 und deshalb möglicherweise schon ungeeignet sind, eine akute Bedrohung des Friedens abzuwenden oder rechtzeitig zu beenden. Der Sicherheitsrat wäre auch gehindert, selbst ergänzende Anordnungen zur Beschleunigung des Verfahrens zu treffen. Nach dem Statut, das wegen Art. 92 Satz 2 der Charta Bestandteil der Charta ist und daher auch den Sicherheitsrat bindet,397 390

Amerasinghe, Jurisdiction, S. 98; vgl. Kelsen, Law of the UN, S. 95. Zudem kann auch die Jurisdiktion aufgrund einer erteilten Erklärung gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts oder einer kompromissarischen Klausel mit Recht als zwingend bezeichnet werden: s. o., Fn. 175. 392 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 47. 393 Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2008), S. 971, 975. 394 Vgl. Delbrück, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 25 Rn. 4; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 393 f. 395 Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2008), S. 971, 974 f.; Tams, in: Giegerich, Wiser Century, S. 461, 463 Fn. 9. 396 Lowe, Australian YIL 20 (1999), S. 191, 196 f.; Pellet, LPICT 5 (2006), S. 163 ff.; Peters, Völkerrecht AT, Kap. 14 Rn. 61; Tams, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 49 Rn. 12. 397 Vgl. Azar, Exécution, S. 152; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 185; Schulte, Compliance, S. 49 (zur Bindung des nach Art. 94 Abs. 2 der Charta handelnden Sicherheitsrates an die Rechtskraft des umzusetzenden Urteils, also an Art. 60 Satz 1 des Statuts i.V.m. Art. 92 Satz 2 der Charta). Vgl. zur Bindung des Sicherheitsrates an die Charta ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusˇko Tadic´, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, ILM 35 (1996), S. 35, 42; Bedjaoui, New World Order, S. 9 ff.; Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 60, 61; ders., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 UN 391

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obliegen solche Maßnahmen nämlich nur dem Gerichtshof;398 außerdem sind Maßnahmen, die die prozessuale Gleichbehandlung der Parteien in Frage stellen, streng verboten.399 Gleichwohl dürfte die zu erwartende Verfahrensdauer die Geeignetheit eines Verfahrens vor dem IGH als Maßnahme nach Art. 41 der Charta jedenfalls bei länger andauernden Bedrohungen des Friedens nicht völlig ausschließen. Es kann festgehalten werden, dass eine – nur unmittelbar zwingende, aber mittelbar konsentierte – Begründung der Jurisdiktion des IGH durch eine bindende Resolution des Sicherheitsrates grundsätzlich in Betracht kommt. (b) Zwingende Jurisdiktion kraft jus cogens? Die Frage, ob dem IGH eine besondere Jurisdiktion für die Feststellung und sonstige Bearbeitung von Verstößen gegen das jus cogens zukommt, ist verschiedentlich angesprochen worden.400 Soweit ersichtlich, ist die Frage aber bisher nur in Parteivorbringen vor dem Gerichtshof bejaht worden.401 Die Annahme, dass die Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion internationaler Gerichte gegenüber dem jus cogens-Rang der streitentscheidenden Normen keinen Bestand haben könne, liegt aber in der Konsequenz einer deutlich weiter verbreiteten Meinung. Danach soll ein Staat hinsichtlich Verletzungen des jus cogens keine völkerrechtliche Immunität Charter Rn. 12, 20; Martenczuk, Rechtsbindung, S. 120 ff.; Tzanakopoulos, Security Council, S. 57 f.; Witte, AöR 137 (2012), S. 223, 231. 398 Vgl. Art. 48 des Statuts, und weiterhin zu den Möglichkeiten des Gerichtshofs bei der Verfahrensleitung Higgins, ICLQ 50 (2001), S. 121, 124 ff. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob es des Bezugs auf Art. 92 Satz 2 der Charta bedarf. Selbst wenn das Statut nicht Teil der Charta wäre, läge zumindest der Gedanke nahe, dass der Sicherheitsrat den IGH wegen Art. 1 des Statuts nur in der Form beanspruchen könnte, die sein Statut ihm gibt; vgl. zu einer entsprechenden Frage betreffend den IStGH Akande, JICJ 7 (2009), S. 333, 340 f., sowie IStGH, Pre-Trail Chamber I, The Prosecutor v. Al Bashir, Decision on the Prosecution’s Application for a Warrant of Arrest against Omar Hassan Ahmad Al Bashir, verfügbar unter www.icc-cpi.int/ iccdocs/doc/doc639096.pdf, Rn. 45. 399 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (b) (bb) dieser Arbeit. 400 Akande/Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 835; Ruffert, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 295 ff.; Talmon, LJIL 2012), S. 979, 988 ff.; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 414; ders., RGDIP 109 (2005), S. 51, 61; ders., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 36 Rn. 26; Verhoeven, FS Suy, S. 195, 202. 401 Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Requête introductive d’instance à la Cour internationale de justice de La Haye contre Republique du Rwanda, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 27 ff. Vgl. aber auch Yee, ICLQ 47 (1998), S. 884, 903, sowie ihm zustimmend IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Elaraby, ICJ Reports 2004, S. 352, 362 f., denen zufolge Art. 35 Abs. 2 des Statuts (als Vertragsnorm) in seiner grundsätzlich richtigen engen Interpretation nicht die Durchsetzung von jus cogens hindern könne und deshalb für diese Fälle weiter auszulegen sei. Träfe dies zu, müssten auch alle anderen vertraglichen Hindernisse der gerichtlichen Durchsetzung des jus cogens unbeachtlich sein. Insbesondere ist nicht ersichtlich, wieso die Wirkung des jus cogens von der Möglichkeit der konformen Interpretation des einfachen Vertragsrecht abhängen sollte; vgl. zum Vorrang des jus cogens nur Art. 53, 64 WVK; vgl. i.Ü. Zimmermann, in: ders./Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 35 Rn. 84 Fn. 161.

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beanspruchen können, weil die Norm des jus cogens der gewohnheitsrechtlichen Grundlage der Immunität im Rang vorgehe.402 Wenn die Souveränität des Staates demnach nicht ihre gewöhnliche Konsequenz der Staatenimmunität403 haben soll, liegt es jedenfalls nahe, dass sie den Staat auch nicht vor einer internationalen Gerichtsbarkeit schützt.404 Jedoch überzeugt weder die kaum vertretene Ansicht zur Allzuständigkeit des IGH für Verletzungen des jus cogens noch die zum Entfallen der staatlichen Immunität. Die Verbotsnorm des jus cogens steht dem Fehlen der Jurisdiktion des IGH bzw. der Staatenimmunität bereits nicht entgegen, weil das Verbot keinen verfahrensmäßigen Inhalt in dem Sinne besitzt, dass eine – oder vielmehr: die konkret in Anspruch genommene – gerichtliche Durchsetzung zugelassen werden müsse.405 402 Vgl. in diesem Sinne etwa IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, Dissenting Opinion of Judge Al-Khasawneh, ICJ Reports 2002, S. 95, 98; EGMR, Al-Adsani v. United Kingdom (GC), Dissenting Opinion of Judges Rozakis and Caflisch, joined by Judges Wildhaber, Costa, Cabral Barreto and Vajic´, RJD 2001-XI, S. 79, 112; United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Siderman de Blake v. Republic of Argentina, 965 F.2d 699, 718 (1992); Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Al-Adsani v. Government of Kuwait and Others, ILR 107 (1997), S. 536, 545, 547 (Ward LJ); Orakhelashvili, EJIL 14 (2003), S. 529, 561 ff. 403 Vgl. zum Schutz der staatlichen Souveränität durch die Staatenimmunität EGMR, AlAdsani v. United Kingdom (GC), RJD 2001-XI, S. 79, 99; Akande, Agression, S. 13 f.; Damian, Staatenimmunität, S. 15; Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 264 f.; Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 208; Hess, Staatenimmunität, S. 306 ff., 320; Jennings, Place, S. 4; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 391; Lüke, Immunität, S. 215 f.; Oellers-Frahm, FS Riedel, S. 389, 391; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 272; Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 199; Zimmermann, Michigan JIL 16 (1995), S. 433, 440. 404 Zur Vergleichbarkeit der Staatenimmunität und der Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion internationaler Gerichte vgl. Akande, Aggression, S. 13 f.; ders./Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 835; Crawford, BYIL 54 (1983), S. 75, 80 f.; ders., in: Tams/Sloan, S. 71, 79; Jennings, Place, S. 4; vgl. auch Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 209, 210, der die Vergleichbarkeit anderer Konsequenzen der Souveränität, nämlich der Staatenimmunität einerseits und der ausschließlichen territorialen Hoheitsmacht und der umfassenden staatlichen Gerichtsmacht andererseits, hervorhebt. Hess, Staatenimmunität, S. 324 ff., und im Anschluss an ihn Finke, EJIL 21 (2010), S. 853, 864 mit Fn. 53, sehen eine Vergleichbarkeit der Staatenimmunität mit dem Konsensprinzip des Statuts nur für den Fall, dass ein Staat einen anderen vor einem staatlichen Gericht (nach Finke: eines dritten Staates) verklagt; dieser Sonderfall ändert aber nichts an der Anwendung der Staatenimmunität, weil diese nur an den Beklagten (und den Gerichtsstaat, der nicht der Beklagte sein darf) anknüpft. Es ist deshalb zwar richtig, dass nur in einem solchen Fall ein Gleichklang der Anwendung des Statuts und der Staatenimmunität besteht; die abstrakten Rechtsinstitute sind aber auch sonst vergleichbar, wenn auch nicht gleichförmig. Im Übrigen sieht Hess, Staatenimmunität, S. 326 f., auch eine (unmittelbare) Vergleichbarkeit, wenn es vor einem staatlichen Gericht und zwischen privaten Parteien hauptsächlich um die völkerrechtlichen Rechtsverhältnisse eines fremden Staates geht; insofern bezieht er sich auf den Monetary Gold-Fall und nimmt ein entsprechendes Sachentscheidungsverbot auch für das Recht der Staatenimmunität an; dazu noch unten, 1. Teil B. V. 2. dieser Arbeit. 405 IGH, Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 140 ff.; ILC, Second report on immunity of State officials from foreign criminal jurisdiction, by Roman Anatolevich Kolodkin, Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/631, S. 39; House of Lords, Jones v. Ministry of the Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional

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Dies lässt sich bereits daran erkennen, dass ein großer Teil der Staatengemeinschaft – deren Praxis und Rechtsauffassungen nicht nur für das Entstehen von jus cogens,406 sondern auch für seine Rechtsfolgen von Bedeutung sind407 – mit Art. 16 des Statuts des IStGH408 eine Kompetenz des Sicherheitsrats zur Behinderung der (strafrechtlichen) Aburteilung internationaler Verbrechen und der damit verbundenen Verstöße gegen jus cogens409 anerkannt hat. Enthielte das jus cogens aber immer auch eine Verpflichtung zu seiner (ungehinderten) verfahrensmäßigen Durchsetzung, einschließlich einer Strafverfolgungspflicht,410 wäre der Sicherheitsrat hieran bereits durch seine Bindung an das – auch der Charta vorgehende – jus cogens411 gehindert.412 Affairs intervening) [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC 270, Rn. 24 (Lord Bingham of Cornhill), Rn. 44 f. (Lord Hoffmann); Akande/Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 834 ff.; Finke, EJIL 21 (2010), S. 853, 869 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 393 ff.; Oellers-Frahm, FS Riedel, S. 389, 394 f.; Payandeh, JZ 67 (2012), S. 949, 955 f.; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 986 f., 990; Thirlway, Japanese YIL 55 (2012), S. 4, 21; Tomuschat, RGDIP 109 (2005), S. 51, 57 f.; Verhoeven, FS Suy, S. 195, 202; ders., Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 315 f.; Vidmar, in: de Wet/Vidmar, S. 13, 34 ff.; Zimmermann, Michigan JIL 16 (1995), S. 433, 438; ders., FS Eitel, S. 253, 275; vgl. Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 293; Foakes, Position, S. 152; Gaja, Recueil des Cours 172 (1981 III), S. 271, 285 f.; Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 227; Senn, Immunitäten, S. 63 f.; Tams, AVR 40 (2002), S. 331, 342 f.; a.A. Espósito, JIDS 4 (2013), S. 439, 453; kritisch zum zitierten Urteil des IGH auch Bianchi, JIDS 4 (2013), S. 457, 459 ff. 406 Vgl. Art. 53 Satz 2 WVK sowie IGH, Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, ICJ Reports 2012, S. 422, 457; United States Court of Appeals for the Ninth Circuit, Siderman de Blake v. Republic of Argentina, 965 F.2d 699, 715 (1992); Bartsch/Elberling, GLJ 4 (2003), S. 477, 485; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 340 ff.; Witte, AöR 137 (2012), S. 223, 233. In eine andere Richtung geht ein Ansatz, der den jus cogens-Rang einer Norm aus ihrem materiellen Wert ableitet: vgl. IGH, Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, Merits, Separate Opinion of Judge Cançado Trindade, ICJ Reports 2012, S. 487, 519; Hernández, BYIL 83 (2012), S. 13, 37 ff.; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 288. Allerdings „bedarf auch die besondere Wertigkeit einer Norm der Akzeptanz“: Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 350; vgl. auch Schmalenbach, in: Dörr/ Schmalenbach, Art. 53 Rn. 20; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 292 f.; Tzanakopoulos, in: de Wet/Vidmar, S. 42, 66. Der Unterschied zwischen den Ansätzen liegt somit eher in der Betonung als in der Anerkennung einer Rolle der Staatenpraxis an sich. 407 Payandeh, JZ 67 (2012), S. 949, 956. In diesem Sinne hat die ILC sich bei der Ausarbeitung der Konsequenzen von Verletzungen des jus cogens auch auf die Staatenpraxis berufen: vgl. etwa Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, Commentary, UN Doc. A/ 56/10, S. 285; vgl. auch Tams, AVR 40 (2002), S. 331, 344 f. 408 Statute of the International Criminal Court, UNTS 2187, S. 3. 409 Vgl. zum jus cogens-Rang der Verbote des Völkerstrafrechts El Zeidy, Vanderbilt JTL 35 (2002), S. 1503, 1535; Finke, EJIL 21 (2010), S. 853, 867; Lüke, Immunität, S. 335 ff.; vgl. auch Zimmermann, FS Eitel, S. 253, 275; zweifelnd Akande/Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 833. 410 In diese Richtung aber Bartsch/Elberling, GLJ 4 (2003), S. 477, 486 ff.; Espósito, Italian YIL 21 (2011), S. 161, 171 f., und zu den Bestrafungspflichten auch IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, Dissenting Opinion of Judge Al-Khasawneh, ICJ Reports 2002, S. 95, 98; Steiger, Folterverbot, S. 422 ff., 560. 411 Vgl. zur Bindung des Sicherheitsrats an das jus cogens IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v.

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Ebenfalls hat sich keine separate Norm dahingehend gebildet, dass eine Norm des materiellen jus cogens immer auch einen solchen verfahrensrechtlichen Inhalt habe;413 auch hierauf weist die erst kürzliche Schaffung von Art. 16 des Statuts des IStGH hin. Es bleibt deshalb dabei, dass die Eigenschaft der streitentscheidenden Norm als jus cogens keinen Einfluss auf die Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des IGH hat.414 Eine zwingende Jurisdiktion des IGH besteht daher insoweit nicht. Yugoslavia), Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, ICJ Reports 1993, S. 407, 440; EuG, Kadi ./. Rat und Kommission, Rs. T-315/01, Slg. 2005, S. II-3649, 3725; ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 176 f.; Bantekas, JCSL 10 (2005), S. 21, 31; El Zeidy, Vanderbilt JTL 35 (2002), S. 1503, 1536 f.; Fassbender, Security Council, S. 126; Fraas, Sicherheitsrat, S. 84; Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 61; ders., GLJ 10 (2009), S. 31, 56; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 363, 366; Orakhelashvili, Peremptory Norms, S. 423 f.; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 19, 70; Peters, FS Delbrück, S. 535, 539; Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 53 Rn. 67; Sloan/Hernández, in: Tams/ Sloan, S. 197, 224 f.; Tzanakopoulos, Security Council, S. 71; Vidmar, in: de Wet/Vidmar, S. 13, 20 f.; Witte, AöR 137 (2012), S. 223, 231 f.; Zappalà, in: Fassbender, S. 172, 183; Zimmermann, FS Eitel, S. 253, 274; a.A. Martenczuk, Rechtsbindung, S. 273 f.; offen Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 354 ff.; differenzierend Kolb, ICJ, S. 905. 412 Vgl. zu diesem Zusammenhang El Zeidy, Vanderbilt JTL 35 (2002), S. 1503, 1535 ff.; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 993; Zimmermann, FS Eitel, S. 253, 274 f. 413 Vgl. House of Lords, Jones v. Ministry of the Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening) [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC 270, Rn. 46 ff. (Lord Hoffmann); Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 227; Oellers-Frahm, FS Riedel, S. 389, 395; Tomuschat, RGDIP 109 (2005), S. 51, 58. Denkbar sind freilich einzelne verfahrensrechtliche Normen des jus cogens; in diese Richtung IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, Dissenting Opinion of Judge Al-Khasawneh, ICJ Reports 2002, S. 95, 98; dazu auch Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 394 f.; für Zivilverfahren eher ablehnend Bartsch/Elberling, GLJ 4 (2003), S. 477, 485 f. Dann wäre noch zu zeigen, dass diese Norm sich auch auf Verstöße fremder Staaten bezieht; dagegen mit Blick auf Art. 14 der UN Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment and Punishment (UNCAT), UNTS 1465, S. 85, das zitierte Urteil des House of Lords, Rn. 46; vgl. auch Tams, AVR 40 (2002), S. 331, 348; wohl anders Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 394 f. 414 IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Jurisdiction, ICJ Reports 2006, S. 6, 32, 52; Akande/Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 835; Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 374; Fox/Webb, State Immunity, S. 40; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 375; Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 65 Rn. 16; Ruffert, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 295 ff.; Tomuschat, RGDIP 109 (2005), S. 51, 61; ders., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 26; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 237; so i.E. auch Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 414; Verhoeven, FS Suy, S. 195, 202; vgl. auch, zu Normen mit Wirkung erga omnes, IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 102; Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Provisional Measures, ICJ Reports 2002, S. 219, 245; Jurisdiction, ICJ Reports 2006, S. 6, 32, 52; Aust, Complicity, S. 303; Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 115; Torres Bernárdez, ebda., S. 186, 199; insoweit a.A. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 321 ff., der zahlreichen kompromissarischen Klauseln mit Bezug zu Normen erga omnes ein allgemeines Rechtsprinzip dahingehend entnehmen will, dass Streitigkeiten über solche

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(3) Zusammenfassung zur zwingenden Jurisdiktion des IGH Der IGH hat eine zwingende Jurisdiktion nur in der Gestalt seiner inzidenten, auf Aspekte seines eigenen Verfahrens bezogenen Jurisdiktion. Jedenfalls solange der Sicherheitsrat dem Gerichtshof keine Jurisdiktion zur Entscheidung in der Hauptsache überweist, gibt es dagegen keine zwingende Jurisdiktion des IGH in der Weise, dass die gänzlich außerprozessualen Rechtsverhältnisse von Staaten ohne Weiteres der Jurisdiktion des Gerichtshofs unterlägen. Insoweit setzt sich weiterhin der Satz von der Zustimmungsbedürftigkeit der internationalen gerichtlichen Jurisdiktion durch. c) Zwischenergebnis zum Jurisdiktionsregime des IGH Der Rechtssatz, wonach die Jurisdiktion des IGH einen besonderen Zustimmungsakt der Parteien jenseits der Parteistellung im Statut voraussetzt, bezieht sich auf die abstrakte Jurisdiktion des Gerichtshofs, nicht aber auch auf seine konkrete Jurisdiktion, also namentlich die Zulassung der einseitigen Klageerhebung. Ohne seine einmal erteilte Zustimmung kann ein Staat deshalb keiner Ausübung von Jurisdiktion durch den IGH ausgesetzt werden. Die Form der Klageerhebung hängt dann allerdings nur noch insoweit von der Willensrichtung der Parteien ab, als sie die einseitige Verfahrenseinleitung ausschließen dürfen. Ausnahmen von der Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des IGH, im Sinne einer nur vorgängig mit Annahme des Statuts konsentierten oder auf allgemeinem Völkerrecht beruhenden Jurisdiktion, gibt es nur in der Form der inzidenten Jurisdiktion des Gerichtshofs. Diese hat indes nur eine ergänzende Funktion im gerichtlichen Verfahren. Sie führt keine gerichtliche Durchsetzung des außerprozessualen Völkerrechts herbei. 2. Die Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten als Voraussetzung einer Überschreitung der Jurisdiktion Wenn demnach der IGH gehindert ist, über einen Staat ohne dessen Zustimmung Jurisdiktion auszuüben, stellt sich die Frage, was als Jurisdiktionsausübung anzusehen ist. Wie bereits geschildert wurde,415 hat der IGH in Monetary Gold angenommen, die ihm aufgetragene Beantwortung der Frage, ob Albanien gegenüber Italien ein zum Schadensersatz verpflichtendes Delikt begangen habe, laufe dem Prinzip zuwider, wonach der Gerichtshof über einen Staat nur mit dessen Zustimmung Jurisdiktion ausüben könne.416 Darin dürfte die Annahme zu sehen sein, dass Normen nicht dem Konsensprinzip unterfielen, dabei aber die jeweils einzeln konsentierte Natur dieser Klauseln nicht hinreichend berücksichtigt. 415 Vgl. oben, 1. Teil A. I. dieser Arbeit. 416 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32.

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eine Beantwortung der Frage durch den IGH eine Ausübung von Jurisdiktion gegenüber Albanien dargestellt hätte.417 Noch deutlicher wird diese Annahme im Urteil des IGH im East Timor-Fall, wo der Gerichtshof ausführt, ein Hauptsacheurteil in diesem Fall liefe dem genannten Prinzip unmittelbar zuwider („would run directly counter to“).418 Für diese Annahme ist der Begriff der Jurisdiktionsausübung zentral. Zu fragen ist deshalb, was genau dem IGH ohne die Zustimmung der jeweils betroffenen Staaten verboten ist, und wann eine Ausübung von Jurisdiktion gerade über einen Drittstaat vorliegt. Dabei wird zwischen den Fällen der inzidenten (einschließlich der derivativen) Jurisdiktion des IGH und seiner Jurisdiktion in der Hauptsache zu differenzieren sein. a) Die Ausübung der Hauptsachejurisdiktion des IGH über Drittstaaten Das Problem aus dem Monetary Gold-Fall hat sich bisher nur bei der Hauptsachejurisdiktion des Gerichtshofs gestellt. Insofern ist fraglich, welche Wirkung eines Urteils auf einen Staat überhaupt eine Ausübung von Jurisdiktion in der Hauptsache darstellt, und wann eine solche Wirkung gegenüber einem Drittstaat in Betracht kommt. aa) Der Begriff der Ausübung von Hauptsachejurisdiktion Damit stellt sich zunächst die Frage, in welcher Handlung des IGH gegenüber einem Staat eine Ausübung von Jurisdiktion über diesen Staat zu sehen ist. Diese Frage wird in Rechtsprechung und Literatur oft nur sehr kurz beantwortet. So findet sich die Aussage, die Jurisdiktion eines Gerichts erlaube ihm, einen vor das Gericht gebrachten Fall zur Kenntnis zu nehmen und ihn zu bearbeiten.419 Demnach müsste schon jede Bearbeitung einer einen Staat betreffenden Rechtsfrage die Jurisdiktion des Gerichtshofs in der Beziehung zu diesem Staat verlangen, und die Bearbeitung selbst, die Äußerung des Gerichtshofs, würde die Jurisdiktionsausübung darstellen. Andererseits findet sich verbreitet die Präzisierung, eine Ausübung von internationaler gerichtlicher Jurisdiktion liege in dem Erlass eines Richterspruchs, der Bin417 So ausdrücklich Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 744 f., 747; vgl. auch die zahlreichen oben in Fn. 117 zitierten Stimmen. 418 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105 (Hervorhebung nicht im Original). 419 Steinberger, EPIL III, S. 42, 49; Verdross, RDILC 55 (1928), S. 225; vgl. Amerasinghe, Jurisdiction, S. 32. Crawford, BYIL 54 (1983), S. 75, 80, sieht offenbar ebenfalls die Befassung eines Gerichts mit einem Fall schon als Ausübung von Jurisdiktion („adjudicatory authority“) an und das Urteil nur als deren Ergebnis. Im Monetary Gold-Fall selbst hat der IGH offenbar eine Ausübung von Jurisdiktion, die die Zustimmung Albaniens voraussetzte, darin gesehen, dass er über einen dispute zwischen Italien und Albanien eine (zentrale) Aussage treffen sollte: ICJ Reports 1954, S. 19, 32; vgl. auch oben, 1. Teil B., bei Fn. 124.

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dungswirkung entfalte und in Rechtskraft erwachse.420 Der IGH selbst hat ebenfalls diese Merkmale als Teile des Begriffs der richterlichen Instanz angesehen: „According to a well-established and generally recognized principle of law, a judgment rendered by […] a judicial body is res judicata and has binding force between the parties to the dispute.“421

Nach diesem Begriff der Ausübung von Jurisdiktion wäre die Zustimmung eines Staates also immer dann erforderlich, wenn eine gegenüber diesem Staat bindende und rechtskräftige Entscheidung beantragt wäre. Mit anderen Worten: Ein Staat müsste dann der Jurisdiktion des IGH zustimmen, wenn er an das beantragte Urteil gebunden werden soll und dieses ihm gegenüber in Rechtskraft erwüchse. Dass die Frage nach dem Begriff der Jurisdiktionsausübung bisher keine weitere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist nicht überraschend. Wenn der Gerichtshof in der üblichen, zweipoligen Beziehung zwischen den Parteien eines streitigen Verfahrens nicht die Befugnis zum Erlass eines bindenden und rechtskräftigen Urteils hat, dann ist er überhaupt gehindert, den Fall in der Hauptsache zu bearbeiten. Der Gerichtshof kann dann nicht etwa einfach das Verfahren durchführen und eine Rechtsauffassung mitteilen, der keine rechtliche Wirkung zukommen kann:422 „[A] court of justice is never justified in hearing and adjudging the merits of a cause of which it has not jurisdiction.“423 Die Regelungen der Charta und des Statuts, in denen die Bindungswirkung (Art. 94 Abs. 1 der Charta, Art. 59 des Statuts) und die 420

Orakhelashvili, LPICT 2 (2003), S. 501, 503; ders., JIDS 2 (2011), S. 373, 389, 390; Philip/de Cara, in: Juridiction internationale permanente, S. 3, 10; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 524; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 7; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 609; vgl. auch Aguilar Mawdsley, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1099; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 430 („power […] to hear and determine cases“, Hervorhebung nicht im Original); Thienel, in: Krzan, S. 189, 201; Zeiler, FS Schreuer, S. 76, 78. 421 IGH, Effect of Awards of Compensation Made by the United Nations Administrative Tribunal, ICJ Reports 1954, S. 47, 53 (Kursivsetzung im Original) (es folgte die Prüfung, ob die Sprüche des Tribunals Bindungswirkung besitzen und in Rechtskraft erwachsen); in diesem Sinne auch Boisson de Chazournes, FS Reisman, S. 1027, 1038; Brant, Autorité, S. 195 ff.; Condorelli, in: Juridiction internationale, S. 277, 290; Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 100; Delbez, Principes généraux, S. 36; El Ouali, Effets, S. 19; Kolb, ICJ, S. 69; vgl. auch Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 92 UN Charter Rn. 46. Dementsprechend werden auch Spruchkörper, die nur unverbindliche Auffassungen äußern können, allenfalls als „Quasi-Gerichte“ bezeichnet: z. B. Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 623 mit Fn. 143. 422 Vgl. Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 52, sowie IGH, Haya de la Torre, ICJ Reports 1951, S. 71, 83, wo der IGH es aufgrund seiner „judicial function“ ablehnte, nicht bindende praktische Ratschläge an die Parteien zu richten, und Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 33 f., wo der Urteilsspruch aus tatsächlichen Gründen keine Wirkung mehr haben konnte, da der Fall gegenstandslos geworden war und der Streit seinen (objektiven) Sinn verloren hatte; vgl. auch Jouannet, RGDIP 100 (1996), S. 673, 689; Lagrange, RGDIP 107 (2003), S. 89, 95. 423 StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, Dissenting Opinion by M. Moore, PCIJ Series A, No. 2, S. 54, 57 f.; zustimmend Scerni, Principî, S. 143.

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Rechtskraft (Art. 60 Satz 1 des Statuts) des Urteils vorgesehen sind, sind insoweit abschließend und kennzeichnend für das streitige Verfahren des Gerichtshofs.424 Folglich sind die Definition, nach der bereits die Befassung mit der Sache eine Jurisdiktionsausübung darstellen soll, und die weitere Definition, die auf die Herstellung von Bindungswirkung und Rechtskraft abstellt, im zweipoligen Parteienverhältnis deckungsgleich. Anders liegt es in den hier interessierenden Fällen, in denen sich Probleme der Jurisdiktion des Gerichtshofs allein aus der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen ergeben. In einem solchen Fall hat der Gerichtshof grundsätzlich die erforderliche Jurisdiktion, um einen Fall rechtskräftig zwischen den tatsächlichen Parteien des Verfahrens zu entscheiden. Sein Urteil hat auch in der gebotenen Weise rechtliche Wirkung, nämlich für die Parteien des Verfahrens.425 Die Betroffenheit von Interessen eines dritten Staates kann nur dazu führen, dass eine bestimmte, auf solche Interessen bezogene Frage nicht beantwortet werden kann.426 Wenn es sich bei dem Problem der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen überhaupt um ein Problem der Jurisdiktion des IGH handeln sollte, wäre es aus der Perspektive der Parteien des Verfahrens nur ein Problem der inhaltlichen Jurisdiktion, also der Reichweite der Jurisdiktion bezogen auf die Rechtsfragen des Falls,427 nicht eines der zwischen den Parteien gänzlich fehlenden Jurisdiktion. Der Gerichtshof dürfte also grundsätzlich den ihm vorliegenden Fall bearbeiten. Die Grenze wäre erst dann erreicht, wenn die Wirkung des Urteils für den Drittstaat als Ausübung von Jurisdiktion durch den IGH 424 Vgl. IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 33 (Bezug auf Art. 59), sowie StIGH, Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Second Phase, Order, PCIJ Series A, No. 24, S. 14, wo der StIGH es wegen Art. 59 ablehnte, ein Urteil zu sprechen, das zur Disposition jeder Partei stehen würde; dazu auch Hudson, Permanent Court, S. 413; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 716. In einem ganz ähnlichen Sinne beschreibt Art. 38 Abs. 1 des Statuts ausdrücklich die (Haupt-)Funktion des IGH als „to decide […] such disputes as are submitted to it“: Collier, FS Jennings, S. 364, 369. Aus diesen Normen folgt aber nicht, dass Feststellungsurteile und insbesondere solche Urteile, in denen kein konkretes Rechtsverhältnis festgestellt wird, sondern der IGH nur die anwendbaren Normen herausarbeitet und im operativen Teil des Urteils benennt (z. B. IGH, North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Reports 1969, S. 3, 53 f.; Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), ICJ Reports 1982, S. 18, 56 ff.), unzulässig wären. In diesen Fällen entstehen durchaus Entscheidungswirkungen, weil die Urteile die Rechtslage verbindlich feststellen: vgl. StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), PCIJ Series A, No. 13, S. 20; IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 37; Stone, Legal Controls, S. 141; Wittich, AVR 44 (2006), S. 1, 6 f., 13; kritisch aber Collier, FS Jennings, S. 364, 370 f.; vgl. i.Ü. zu Teil- und Grundurteilen IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 143. 425 Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 27; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 879. 426 Vgl. IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 34 (operativer Teil): „the jurisdiction conferred upon [the Court] by the common agreement of France, the United Kingdom, the United States of America and Italy does not, in the absence of the consent of Albania, authorize it to adjudicate upon the first Submission in the Application of the Italian Government“ (Hervorhebung nicht im Original). 427 Vgl. zum Begriff der inhaltlichen Jurisdiktion oben 1. Teil B. I. 1. b) aa) (3) dieser Arbeit.

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gegenüber dem Drittstaat zu qualifizieren wäre, so dass die Zustimmung des Drittstaats erforderlich wäre. Um diese Grenze zu bestimmen, bedarf es deshalb einer Antwort auf die Frage, welche Urteilswirkung als Ausübung von Jurisdiktion anzusehen ist. Wäre bereits, im Sinne der oben zuerst genannten Definition und nach der Annahme des IGH in den Fällen Monetary Gold und East Timor, die Befassung des Gerichtshofs mit einer einen Drittstaat betreffenden Rechtsfrage ausreichend, wäre die Zustimmung des Drittstaats immer dann erforderlich, wenn der Gerichtshof die Rechtsverhältnisse des Drittstaats irgendeiner Prüfung zuführen müsste. Setzte der Begriff der Ausübung von Jurisdiktion aber auch die Schaffung von Bindungswirkung und Rechtskraft voraus, wäre die Zustimmung des Drittstaats erst dann erforderlich, wenn der Gerichtshof sich sonst die Begründung dieser Rechtswirkungen gegenüber dem Drittstaat anmaßte, wenn also der Drittstaat an das Urteil gebunden wäre. Die folgende Untersuchung soll zeigen, wie die Ausübung von Jurisdiktion zu definieren ist. Hierbei wird zunächst auf den Gehalt des Jurisdiktionsbegriffs nach dem Jurisdiktionsregime des Statuts einzugehen sein sowie anschließend auf die Implikationen, die sich aus anderen Aspekten des Schutzes der staatlichen Souveränität vor äußeren Einmischungen und aus dem Regime der Zulässigkeit von Gutachten des IGH ergeben. (1) Das Konzept der Jurisdiktion im Statut Erste Anhaltspunkte könnten sich aus dem Wortlaut von Art. 36 des Statuts, namentlich aus dem Wort „jurisdiction“ selbst, ergeben.428 Der Begriff der „jurisdiction“ kann namentlich auch die Wortbedeutung „Hoheitsgewalt“ haben und die Befugnis der Staaten zur Setzung von Hoheitsakten bezeichnen.429 Übertragen auf den IGH könnte der Begriff deshalb die Befugnis zur Begründung von Bindungswirkung und Rechtskraft als rechtserhebliche Wirkungen analog einem staatlichen Hoheitsakt meinen. Allerdings ist das Wort „jurisdiction“ ein Rechtsbegriff mit verschiedenen Bedeutungen: So bezeichnet es auch die staatliche Befugnis einerseits zur Rechtsetzung („jurisdiction to prescribe“), andererseits zur Setzung von Hoheitsakten („jurisdiction to enforce“).430 Das Wort kann sogar schlicht „Territorium“ bedeuten,431 was in Art. 36 des Statuts ebenfalls nicht gemeint sein kann. In seiner etymologischen Grundbedeutung, die allen Verwendungen des Begriffs zugrunde

428 Die anderen authentischen Fassungen des Statuts (Art. 111, 92 Satz 2 der Charta) verwenden in Art. 36 Abs. 1 bzw. in der Überschrift zu Kapitel II, soweit ersichtlich, jeweils Entsprechungen des deutschen Wortes „Kompetenz“ („compétence“/„competencia“/„SVUV^YV“/„[_]`VcV^gYp“) und sind damit nicht aufschlussreich. 429 Milanovic´, HRLR 8 (2008), S. 411, 420; Peters, AVR 48 (2010), S. 1, 3 f. 430 Peters, AVR 48 (2010), S. 1, 4 f.; vgl. eingehend Milanovic´, HRLR 8 (2008), S. 411, 415 ff. 431 Milanovic´, HRLR 8 (2008), S. 411, 434; Peters, AVR 48 (2010), S. 1, 3.

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liegt, besagt das Wort nicht mehr als „Recht sprechen“ oder „Recht setzen“.432 Im Sinne eines Redens über das Recht, nicht im Sinne der Rechtsetzung, tut ein Gericht das auch, wenn es sich nur mit einer Rechtsfrage befasst, aber keine Bindungswirkung oder Rechtskraft herstellt.433 Deshalb kann mit der internationalen gerichtlichen „jurisdiction“ ein gänzlich anderes Konzept angesprochen sein als mit den sonstigen Erscheinungsformen von „jurisdiction“,434 die immer ein Element der rechtlichen Erheblichkeit enthalten. Der bloße Begriff der „jurisdiction“ ist zu weit, um Schlüsse auf seine Bedeutung im Statut zu erlauben. Es kommen aber Rückschlüsse aus dem Jurisdiktionsregime des Statuts in Betracht. Insbesondere kann aus der non ultra petita-Regel und ihren Wurzeln in den Grundsätzen der Jurisdiktion des IGH abgeleitet werden, für welche Handlungsweise der IGH Jurisdiktion benötigt. Die non ultra petita-Regel besagt, dass der Gerichtshof nicht über Punkte entscheiden darf, die ihm nicht durch die Anträge der Parteien vorgelegt wurden.435 Der Gerichtshof darf in seiner Entscheidung nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen, darf also weder mehr zusprechen als der Kläger (oder Widerkläger) beantragt hat,436 noch weniger, als der Beklagte (oder Widerbeklagte) anerkannt hat.437 Die Norm beruht einerseits darauf, dass die jeweils antragstellende Partei im Umfang ihrer prozessualen Verfügungsbefugnis Herrin des Verfahrens ist. Die Partei entscheidet deshalb mit Bindungswirkung für den Gerichtshof, was oder wie viel sie

432 Vgl. Amerasinghe, Jurisdiction, S. 52; Philip/de Cara, in: Juridiction internationale permanente, S. 3, 9. 433 Deshalb umfasst der Begriff laut Amerasinghe, Jurisdiction, S. 52, die gesamte Tätigkeit eines Gerichts. Damit ist allerdings für die vorliegende Frage nichts gewonnen, weil die bloße Befassung mit Rechtsfragen ohne rechtliche Erheblichkeit nicht unbedingt zur Tätigkeit eines Gerichts gezählt werden muss. 434 Vgl. Milanovic´, HRLR 8 (2008), S. 411, 434; Peters, AVR 48 (2010), S. 1, 4. 435 IGH, Request for Interpretation of the Judgment of November 20th, 1950, in the Asylum Case, ICJ Reports 1950, S. 395, 402; Arrest Warrant of 11 April 2000, ICJ Reports 2002, S. 3, 18; Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2003, S. 225, 228; ebda., Separate Opinion of Judge Buergenthal, S. 270, 272 f.; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 5, 33 ff.; Rozakis, Concept, S. 161; Shihata, Power, S. 219; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 43 Rn. 31. 436 IGH, Corfu Channel Case, Assessment of the Amount of Compensation due from the People’s Republic of Albania, ICJ Reports 1949, S. 244, 249; Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited (New Application: 1962), ICJ Reports 1970, S. 3, 37; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Judge Abraham, ICJ Reports 2011, S. 384, 387; Benzing, Beweisrecht, S. 120; Crawford, in: Krzan, S. 11, 38; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 33 f.; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 577; Shihata, Power, S. 219 f.; Verhoeven, FS Tomuschat, S. 635, 647. 437 Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 34.

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beantragt.438 Ebenso liegt es dann bei der anderen Partei, mit Bindungswirkung für den Gerichtshof zu entscheiden, was sie anerkennen will.439 Die non ultra petitaNorm mag mit diesem Inhalt als eine Norm des Verfahrensrechts und nicht des Jurisdiktionsregimes des IGH angesehen werden,440 insofern als sie die Rollenverteilung zwischen der Verfahrensherrschaft des Gerichtshofs und der der Parteien betrifft. In diesem Sinne steht sie in demselben Zusammenhang wie die Normen des Statuts, nach denen die Parteien über andere Aspekte des Verfahrens mit Bindungswirkung für den Gerichtshof entscheiden, wie über die Zuständigkeit und Größe einer Kammer (Art. 26 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 des Statuts), die Verfahrenssprache (Art. 39 Abs. 1 des Statuts) oder den Ausschluss der Öffentlichkeit (Art. 46 des Statuts).441 Zudem hat die non ultra petita-Regel insoweit einen nur verfahrensrechtlichen Hintergrund, als sich die Parteien zu Punkten, die dem Gerichtshof nicht aufgrund ihrer Anträge vorliegen, oft auch nicht eingelassen haben werden; in solchen Fällen kann das Verbot an den Gerichtshof, über diese Punkte zu entscheiden, auch aus dem Gehörsrecht der Parteien folgen.442 Zugleich basiert die non ultra petita-Norm aber auch auf dem Jurisdiktionsregime des Statuts.443 So kann es vorkommen, dass in dem Umfang, in dem die jeweils klagende Partei keinen Antrag stellt oder die beklagte Partei den Klagantrag aner438

Ebda., Rn. 5, 34. Ebda., Rn. 34. 440 IGH, Corfu Channel Case, Assessment of the Amount of Compensation due from the People’s Republic of Albania, Dissenting Opinion by Dr. Ecˇer, Judge ad hoc, ICJ Reports 1949, S. 252, 253; vgl. auch Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 5, 37; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 577. 441 Vgl. zum letzteren Fall und zu der Grundlage dieser Regelung in der „autonomy [of the] parties“ von Schorlemer, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 46 Rn. 14. 442 Vgl. zum Recht auf rechtliches Gehör – auch ausgedrückt in der Maxime audiatur et altera pars (wobei diese zugleich am Prinzip der Gleichheit der Parteien teilnimmt; vgl. Cheng, General Principles, S. 291 f.; Costantino, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 235, 244; Hamacher, Maxime, S. 81, 91 f.; Mani, International Adjudication, S. 16, 30; Thirlway, Nonappearance, S. 178) – IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, Dissenting Opinion of Judge Winiarski, ICJ Reports 1950, S. 89, 90; Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 265; LaGrand, Provisional Measures, Separate Opinion of President Schwebel, ICJ Reports 1999, S. 21; Request for Interpretation of the Judgment of 11 June 1998 in the Case concerning the Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Preliminary Objections, ebda., S. 31, 38; Annacker, Durchsetzung, S. 92 Fn. 378; Benzing, Beweisrecht, S. 116; Cheng, General Principles, S. 291 ff.; De Brabandere, LPICT 11 (2012), S. 253, 267 f.; Hamacher, Maxime, S. 21, 217; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 2, 8; Schorer, Konsensprinzip, S. 136. 443 IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Buergenthal, ICJ Reports 2003, S. 270, 273; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 524 f., 529; Kolb, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 5, 37; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 577 f.; Rozakis, Concept, S. 161; Shihata, Power, S. 219; Thirlway, FS Wang Tieya, S. 789, 797; vgl. Benzing, Beweisrecht, S. 119 f.; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 12; a.A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, S. 497. 439

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kennt, bereits – auch jenseits der vor dem IGH gestellten Anträge444 – kein dispute zwischen den Parteien besteht, denn insoweit mag es keinen behaupteten Anspruch geben, den die Gegenseite bestreitet.445 Damit ist ein Aspekt der generellen Jurisdiktion des Gerichtshofs angesprochen, soweit man diese Begrifflichkeit verwenden will.446 Aber auch sonst überschreitet der Gerichtshof die Grenzen seiner Jurisdiktion, wenn er in seiner Entscheidung die Begrenzungen des Klagantrags (oder des Antrags der Widerklage) verlässt.447 Je nach dem Inhalt des Titels der abstrakten Jurisdiktion des Gerichtshofs mag das bereits für die abstrakte Jurisdiktion gelten.448 Jedenfalls aber verlässt der Gerichtshof die Grenzen seiner konkreten Jurisdiktion, wenn er über einen Anspruch entscheidet, der ihm nicht vorgelegt wurde.449 Das Verbot der Entscheidung ultra petita partium hindert den Gerichtshof allerdings nicht, in den Entscheidungsgründen eine andere rechtliche Begründung zu wählen als die Parteien oder auf weitere rechtliche Erwägungen einzugehen.450

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Wenn die Parteien außerprozessual im Streit über eine Frage stehen, es aber insoweit keinen Antrag gibt, liegt an sich ein dispute vor. Die Frage kann aber nicht mehr geprüft werden, soweit es schon an der konkreten Jurisdiktion des IGH fehlt; dazu sogleich. Wenn dagegen ein prozessualer Anspruch anerkannt wird, wird damit gegenüber dem IGH zugleich dokumentiert, dass kein dispute (mehr) besteht. 445 Vgl. IGH, South West Africa Cases, Preliminary Objections, ICJ Reports 1962, S. 319, 328; Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 18 (dort jeweils: „the claim of one party is positively opposed by the other“). 446 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit, und zur Terminologie dieser Arbeit oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (4). 447 IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Buergenthal, ICJ Reports 2003, S. 270, 273; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 524 f., 529; Prager, LPICT 3 (2004), S. 125, 131; vgl. Benzing, Beweisrecht, S. 119 f. 448 Vgl. Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 525, 529. 449 Vgl. Benzing, Beweisrecht, S. 119 f.; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 524, 529. Dagegen überschreitet der IGH nicht die Grenzen seiner konkreten Jurisdiktion (aber verletzt gleichwohl die non ultra petita-Norm), wenn er weniger zuspricht, als der Beklagte anerkannt hat. Ein Anerkenntnis ändert nämlich nicht den Streitgegenstand. Selbst ein materieller Vergleich, der erst durch eine Zustimmung des Klägers zustande käme, berührt das Verfahren nicht ohne Weiteres; zu Letzterem Wegen, Vergleich, S. 206 ff.; ders., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Discontinuance and Withdrawal Rn. 17 ff. Für die Zwecke dieser Untersuchung genügt aber, dass die non ultra petita-Norm überhaupt, wenigstens teilweise, auf dem Jurisdiktionsregime des IGH beruht. 450 IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, ICJ Reports 2002, S. 3, 18 f.; Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2003, S. 225, 228; ebda., Separate Opinion of Judge Buergenthal, S. 270, 272 f.; Brant, Autorité, S. 130 ff.; Crawford, in: Krzan, S. 11, 40 f.; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 40; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 578; Shihata, Power, S. 221; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 31; ders., LJIL 25 (2012), S. 979, 994; vgl. IGH, Corfu Channel Case, Assessment of the Amount of Compensation due from the People’s Republic of Albania, Dissenting Opinion by Dr. Ecˇer, Judge ad hoc, ICJ Reports 1949, S. 252, 253; vgl. auch Zarbiyev, JIDS 3 (2012), S. 1, 11 f. mit Fn. 49.

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Vielmehr gilt das Verbot nur für den operativen Teil des Urteils.451 Wenn demnach der Inhalt der Entscheidungsgründe und damit die bloße Befassung des Gerichtshofs mit den Rechts- und Tatsachenfragen des Falls von der non ultra petita-Norm freigestellt sind, muss das bedeuten, dass die Grenzen der konkreten Jurisdiktion des Gerichtshofs sich nicht auf die bloße Befassung mit dem Verfahrensstoff beziehen. Weil nur der operative Teil des Urteils – interpretiert anhand der Entscheidungsgründe – in Rechtskraft erwächst und die Parteien bindet,452 regeln die Grenzen der konkreten Jurisdiktion mit ihrem Bezug auf den operativen Teil vielmehr nur die Begründung von Bindungswirkung und Rechtskraft. Da sowohl die konkrete als auch die abstrakte Jurisdiktion für die Sachentscheidungsbefugnis des IGH erforderlich sind,453 müssen die beiden auch denselben Bezugspunkt haben. Das Jurisdiktionsregime des IGH bezieht sich deshalb im Ganzen nicht auf die bloße Befassung des Gerichtshofs mit einem Fall. Vielmehr ist die Jurisdiktion des IGH seine Befugnis zur Entscheidung einer Rechtsfrage im operativen Teil des Urteils, in rechtskräftiger und für die Parteien verbindlicher Weise. Ausgeübt wird diese Jurisdiktion folglich durch die Herbeiführung dieser Rechtsfolgen. (2) Der Schutzumfang der staatlichen Souveränität Dies soll nun ein Blick auf den Schutzumfang der staatlichen Souveränität bestätigen. Insofern wurde bereits ausgeführt, dass das Jurisdiktionsregime des IGH und die Grundlagen völkerrechtlicher gerichtlicher Jurisdiktion überhaupt an der völkerrechtlichen Strukturnorm der Staatssouveränität ausgerichtet sind. Die Jurisdiktion des IGH ist gerade deshalb optional und die staatliche Zustimmung zu einem Verfahren vor dem IGH ist deshalb erforderlich, weil ein Staat kraft seiner Souveränität von fremdbestimmter Gerichtsmacht frei ist.454 Wenn sich also anhand anderer Aspekte des Schutzes der staatlichen Souveränität nachweisen lässt, dass ein 451

IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, ICJ Reports 2002, S. 3, 18 f.; Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2003, S. 225, 228; ebda., Separate Opinion of Judge Buergenthal, S. 270, 272 f.; Prager, LPICT 3 (2004), S. 125, 131. 452 PCA, The Pious Fund Case (United States of America v. Mexico), RIAA IX, S. 1, 12; Court of Arbitration, Delimitation of the Continental Shelf between the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the French Republic, Decision of 14 March 1978, RIAA XVIII, S. 271, 295; De Visscher, RBDI 1 (1965), S. 5, 6 f.; Hambro, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 387, 398; Lock, Verhältnis, S. 115; Rosenne, BYIL 80 (2009), S. 217, 238; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 66. Zur Einbeziehung etwa festgestellter vorgängiger Rechtsverhältnisse noch unten, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit. Die tragenden Gründe sind nicht bindend. Sie können zwar nach Art. 60 des Statuts ausgelegt werden, aber nicht für sich, sondern nur mit dem Ziel, den operativen Teil zu interpretieren: vgl. jeweils ebda. und StIGH, Polish Postal Service in Danzig, PCIJ Series B, No. 11, S. 29 f.; Salvioli, Recueil des Cours 91 (1957 I), S. 553, 578 f.; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 230; vgl. auch Scerni, Principî, S. 175; nicht ganz zutreffend daher Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 34 (richtiger aber ebda., Rn. 24 a.E.); Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 40. 453 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 454 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1., insbesondere Unterabschnitt a) dieser Arbeit.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Staat nur vor rechtserheblichen oder sonst zwingenden Einmischungen geschützt ist, unterstreicht dieser Umstand, dass auch an der Tätigkeit des IGH gegenüber einem Staat nur die Herstellung von Rechtswirkungen (Bindungswirkung und Rechtskraft), nicht aber die bloße Äußerung über die Rechtsbeziehungen eines Staates, zustimmungsbedürftig ist. In diesem Zusammenhang bietet sich vor allem eine Untersuchung des allgemeinen völkerrechtlichen Interventionsverbots an. Dieses stellt eine unmittelbare logische Folge der staatlichen Souveränität dar.455 Das Interventionsverbot sichert den Ausschließlichkeitsanspruch des souveränen Staates und wirkt damit als „rechtliche[r] Flankenschutz“ der Souveränität.456 Es wendet den objektiv-rechtlichen Gehalt der Souveränität zum subjektiven Abwehrrecht. Die Grenzen des Interventionsverbots sind deshalb auch für andere Zwecke, einschließlich der hier verfolgten Frage nach dem Jurisdiktionsregime des IGH, als Grenzen des souveränen Geltungsanspruchs anzusehen. Die rechtlichen Konturen des Interventionsverbots sind allerdings nicht mit letzter Schärfe geklärt.457 Gleichwohl lässt sich sagen, dass das Interventionsverbot vor allem zweierlei voraussetzt: einen Eingriff in die domaine réservé eines Staates, also in den ihm vom Völkerrecht belassenen Raum souveräner Freiheit,458 und einen solchen Eingriff gerade mit befehlender oder anderer Zwangswirkung.459 Der IGH fasst das Interventionsverbot denn auch wie folgt zusammen: „The principle of non-intervention involves the right of every sovereign State to conduct its affairs without outside interference; […] the Court considers that it is part and parce1 of customary international law. As the Court has observed: ,Between independent States, respect for territorial sovereignty is an essential foundation of international relations‘ (I.C.J.

455

BVerfG-K, NVwZ 27 (2008), S. 878, 879; Abi-Saab, FS Suy, S. 225; Bryde, FS Schlochauer, S. 227, 228; Dicke, Intervention, S. 19 ff., 53; Jamnejad/Wood, LJIL 22 (2009), S. 345, 346; Peters, Völkerrecht AT, Kap. 11 Rn. 45; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 353; Türk, FS Eide, S. 753, 758; vgl. auch von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 348; Cremer, Schutz, S. 195; Lüke, Immunität, S. 213. 456 So treffend Oeter, FS Steinberger, S. 259, 281; vgl. auch Cremer, Schutz, S. 195; Ewer/ Thienel, NJW 67 (2014), S. 30, 31; Lüke, Immunität, S. 213; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 354; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 234. 457 Jamnejad/Wood, LJIL 22 (2009), S. 345, 347; vgl. auch, aus der älteren Literatur, Bryde, FS Schlochauer, S. 227; David, RBDI 23 (1990), S. 350. 458 Abi-Saab, FS Suy, S. 225, 231; Cremer, Schutz, S. 195, 197; David, RBDI 23 (1990), S. 350, 354; Ewer/Thienel, NJW 67 (2014), S. 30, 31; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 51 Rn. 47; Kohen, LJIL 25 (2012), S. 157, 160; Peters, Völkerrecht AT, Kap. 11 Rn. 45 f.; Plamper, Nichtigkeit, S. 110 f.; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 354; Steinberger, EPIL IV, S. 500, 514. 459 Cremer, Schutz, S. 195 f.; Ewer/Thienel, NJW 67 (2014), S. 30, 31; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 51 Rn. 48; Jamnejad/Wood, LJIL 22 (2009), S. 345, 347 f.; Kohen, LJIL 25 (2012), S. 157, 160; Peters, Völkerrecht AT, Kap. 11 Rn. 45, 47; Plamper, Nichtigkeit, S. 111; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 354; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 234 ff.

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Reports 1949, p. 35), and international law requires political integrity also to be respected.“460 „[T]he principle forbids all States or groups of States to intervene directly or indirectly in the external or internal or external affairs of other States. A prohibited intervention must accordingly be one bearing on matters in which each State is permitted, by the principle of State sovereignty, to decide freely. […] Intervention is wrongful when it uses methods of coercion in regard to such choices, which must remain free ones. The element of coercion, which defines, and indeed forms the very essence of, prohibited intervention, is particularly obvious in the case of an intervention which uses force […].“461

Demnach ist das zentrale und bezeichnende Merkmal der verbotenen Intervention das Merkmal der Zwangswirkung.462 Das Interventionsverbot schützt die Willensfreiheit souveräner Staaten vor einer diktatorischen Form der Einflussnahme,463 bei der sich der Einfluss nehmende Akteur die Rolle der „Hauptpartei“ der jeweiligen Entscheidung anmaßt, die nach dem Prinzip der Staatensouveränität vielmehr dem betroffenen Staat allein zukommt.464 Diese Bedeutung der zwingenden Einflussnahme schließt es zwar nicht aus, dass auch äußerlich nicht zwingende Handlungen, wie die unberechtigte verfrühte Anerkennung eines sezedierenden Teils eines Staates, als Interventionen verboten sein mögen.465 Es besteht aber kein Anlass, wegen dieser Fallgruppe das Merkmal der Zwangswirkung überhaupt aufzugeben.466 Diese Fälle können vielmehr als Sonderfälle angesehen werden, und zwar entweder wegen ihrer schweren Konsequenzen für den betroffenen Staat467 oder als Fälle der völligen Verneinung der Souveränität des betroffenen Staates durch den handelnden Staat.468 Wenn ansonsten eine Zwangswirkung Begriffsmerkmal einer verbotenen Intervention bleibt, kann etwa die bloße Äußerung eines Staates über die vorbehaltenen Angelegenheiten eines anderen Staates keine Intervention darstellen.469 Eine Äußerung über völkerrechtswidriges Verhalten des betroffenen Staates kann dann 460 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 106 (Kursivsetzung im Original). 461 Ebda., S. 108. 462 Ebda.; Jamnejad/Wood, LJIL 22 (2009), S. 345, 347 f.; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 234 ff. 463 Bryde, FS Schlochauer, S. 227, 229; Schweisfurth, Völkerrecht, S. 354; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 237. 464 Bryde, FS Schlochauer, S. 227, 229 f., m.w.N. 465 Dafür Abi-Saab, FS Suy, S. 225, 228; David, RBDI 23 (1990), S. 350, 353; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 236. Diese Frage kann hier offen bleiben. 466 So aber David, RBDI 23 (1990), S. 350, 353. 467 So Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 236. 468 So Abi-Saab, FS Suy, S. 225, 228. 469 von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 355; vgl. Schweisfurth, Völkerrecht, S. 355; Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 237. Gegen die Relevanz einer bloßen Befassung eines Organs der UN mit einem Staat, aber für die Relevanz „nichtverbindliche[r] Maßnahmen und Empfehlungen“ (unter Art. 2 Abs. 7 der Charta) Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 317.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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gleich aus zwei Gründen keine verbotene Intervention darstellen: Sie bezieht sich nicht auf die domaine réservé des betroffenen Staates und ihr kommt keine Zwangswirkung zu.470 Souveränitätsrelevant ist deshalb nicht bereits die Äußerung anderer Staaten über eigene Angelegenheiten – noch weniger über die völkerrechtlichen Rechtsverhältnisse – eines Staates, sondern erst die Bedrängung der Willensfreiheit des betroffenen Staates durch Maßnahmen mit Zwangswirkung oder durch eine anderweitige Ausübung erheblichen Drucks.471 Der Schluss liegt nahe, dass auch bei der Tätigkeit des IGH gegenüber einem Staat dessen Souveränität nur dann betroffen ist, wenn für den Staat eine Zwangswirkung entsteht. Da die Zwangswirkung eines Richterspruchs immer nur eine rechtlich vermittelte sein kann, ist deshalb nur die Herstellung von Bindungswirkung oder Rechtskraft von Bedeutung für die Souveränität eines der Tätigkeit des IGH ausgesetzten Staates.472 Da nun, wie bereits ausgeführt, das Jurisdiktionsregime des IGH auf dem Schutz der staatlichen Souveränität basiert, muss auch dieses nur die Rechtswirkungen des Urteilsspruchs des Gerichtshofs regeln. Damit bestätigt sich die hier verfolgte Hypothese, wonach der Gerichtshof Jurisdiktion nur ausübt, indem er Bindungswirkung und Rechtskraft begründet. (3) Gegenprobe anhand der Betroffenheit staatlicher Interessen im Gutachtenverfahren Wenn diese Auffassung zutrifft, darf sich im Gutachtenverfahren kein Erfordernis der Zustimmung betroffener Staaten ergeben. Dort gibt es keine Parteien,473 und aus

470 Vgl. Tomuschat, Recueil des Cours 281 (1999), S. 9, 237 f.; so i.E. auch David, RBDI 23 (1990), S. 350, 361 ff., aus seiner Position heraus allerdings nur wegen des ersten Grundes. 471 Gerade die Abgrenzung des noch erlaubten, insbesondere wirtschaftlichen, Drucks von der Intervention ist problematisch: Bryde, FS Schlochauer, S. 227 f., 237 ff.; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 51 Rn. 48; Jamnejad/Wood, LJIL 22 (2009), S. 345, 347, 369 ff. 472 Vgl. auch Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 381. Dementsprechend sieht Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 500, ein Urteil des IGH über eine innere Angelegenheit eines Staates aus dem Grund als mögliche „Intervention“ i.S.d. Art. 2 Abs. 7 der Charta an, dass es den Staat bindet. Ein solches Urteil wäre ohnehin unzulässig, weil es definitionsgemäß nicht auf der nach Art. 38 Abs. 1 des Statuts gebotenen Anwendung des Völkerrechts beruhen kann; vgl. oben, Fn. 155. Die Anwendung des Art. 2 Abs. 7 der Charta brächte also nichts anderes mit sich als die Frage nach der Berechtigung der Klage in der Hauptsache; dazu Jiménez de Aréchaga, ebda., S. 504 f.; vgl. auch Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 50. 473 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 28; Judgment No. 2867 of the Administrative Tribunal of the International Labour Organization upon a Complaint Filed against the International Fund for Agricultural Development, Declaration of Judge Greenwood, ICJ Reports 2012, S. 94, 95; Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 135; Chinkin, Third Parties, S. 201; Erich, RDILC 55 (1928), S. 864, 866; Kaufmann, Gutachten, S. 100 f.; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 48; Paulus, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 67 Rn. 1; Sands/Klein, Institutions, S. 364; Scobbie, Chinese JIL 5 (2006), S. 269, 289; Thirlway, Non-appearance, S. 3.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

eigener Kraft bindet das Gutachten niemanden474 und erwächst nicht in Rechtskraft.475 Dennoch kommt es vor, dass konkrete Streitfälle zwischen Staaten zum Gegenstand von Gutachtenverfahren werden.476 Wäre nun in der streitigen Jurisdiktion des IGH die bloße Befassung des Gerichtshofs mit einer einen Staat betreffenden Rechtsfrage ausreichend, um das Bedürfnis der Zustimmung dieses Staates zum Verfahren auszulösen, so müsste das auch im Gutachtenverfahren gelten. Ohne die Zustimmung eines etwa betroffenen Staates dürfte dann die Rechtsfrage nicht bearbeitet werden und dürfte deshalb das Gutachten nicht erstattet werden. Wäre allerdings – wie bisher hier angenommen wurde – die Zustimmung eines Staates erst dann erforderlich, wenn der Gerichtshof ihm gegenüber die Bindungswirkung und Rechtskraft eines Urteils herbeiführen soll, wäre das Gutachtenverfahren von dem hier diskutierten Zustimmungsbedürfnis freigestellt, weil es a priori keine derartigen Rechtswirkungen entfaltet.477

474 IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, ICJ Reports 1950, S. 65, 71; Report of the Committee, Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 730 f.; Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 234; Bos, Procesvoorwaarden, S. 58; Delbez, Principes généraux, S. 80; Frowein/ Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 44; Giegerich, ebda., Art. 36 UN Charter Rn. 54; Hudson, Permanent Court, S. 511 f.; Mosler, FS Partsch, S. 253, 260; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 96 UN Charter Rn. 28; Paulus, ebda., Art. 67 Rn. 9; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 280. Bisweilen folgt aber eine Bindungswirkung aus besonderen Regelungen des antragstellenden UN-Organs: dazu Ago, AJIL 85 (1991), S. 439; Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 30, 47 ff.; Oellers-Frahm, ebda., Art. 96 UN Charter Rn. 29. Auch haben schon Staaten, deren Streitfall dem StIGH durch den Völkerbund im Gutachtenverfahren vorgelegt wurde, dem zu erteilenden Gutachten eine Bindungswirkung beigelegt: dazu De Visscher, Recueil des Cours 26 (1929 I), S. 5, 37 ff.; Goodrich/Hambro/Simons, Charter, S. 569 f.; Kaufmann, Gutachten, S. 87 ff.; Kolb, ICJ, S. 1101. Diese Regelungen wirken dann aber nur inter partes oder innerhalb der Organisation; vgl. Erich, RDILC 55 (1928), S. 864, 872; vgl. auch IGH, Judgments of the Administrative Tribunal of the ILO upon Complaints made against UNESCO, ICJ Reports 1956, S. 77, 84; Pomerance, Function, S. 316 f. 475 IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, Separate Opinion by Judge Azevedo, ICJ Reports 1950, S. 79, 80; Report of the Committee, Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 730 f.; Hamacher, Maxime, S. 28; Hudson, Permanent Court, S. 511 f.; Kaufmann, Gutachten, S. 72, 93; Kolb, ICJ, S. 1021, 1094 f.; Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 607 ff.; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 254; Rosenne, BYIL 28 (1951), S. 365, 370; Sands/Klein, Institutions, S. 364; Scobbie, Australian YIL 20 (1999), S. 299, 312; ders., Chinese JIL 5 (2006), S. 269, 289; vgl. Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. II, S. 683. Zur Frage, ob die Regelungen, die ein Gutachten für bindend erklären, ihm auch Rechtskraft beimessen, vgl. Rosenne, ebda., u. Ago, AJIL 85 (1991), S. 439, 440 ff.; Kaufmann, Gutachten, S. 87 ff.; Lock, Verhältnis, S. 117 f.; Scobbie, Australian YIL 20 (1999), S. 299, 312 Fn. 71. 476 Vgl. Art. 102 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 der Verfahrensordnung. 477 In diesem Sinne Erich, RDILC 55 (1928), S. 864, 874; Hofmann, Gutachten, S. 113 f.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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(a) Die Rechtsprechung des StIGH Ein Problem der Zustimmung eines betroffenen Staates stellte sich bereits in einem frühen Gutachtenverfahren des StIGH. In dem Verfahren über den Status of Eastern Carelia hatte der Rat des Völkerbundes an den StIGH einen Gutachtenantrag zu der Frage gerichtet, ob bestimmte Erklärungen der Vertreter der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR)478 anlässlich einer Friedenskonferenz zwischen Finnland und der RSFSR rechtliche Verpflichtungen der RSFSR begründet hätten.479 Die RSFSR war damals weder Partei des Statuts des StIGH noch Mitglied des Völkerbundes und weigerte sich, an dem Gutachtenverfahren in irgendeiner Weise mitzuwirken.480 In dieser Situation lehnte der StIGH es ab, das beantragte Gutachten zu erstatten. Der Gerichtshof führte aus: „[T]he opinion which the Court has been requested to give bears on an actual dispute between Finland and Russia. As Russia is not a Member of the League of Nations, the case is one under Article 17 of the Covenant. According to this article, in the event of a dispute between a Member of the League and a State which is not a Member of the League, the State not a Member of the League shall be invited to accept the obligations of membership in the League for the purposes of such dispute, and, if this invitation is accepted, the provisions of Articles 12 to 16 inclusive shall be applied with such modifications as may be deemed necessary by the Council. This rule, moreover, only accepts and applies a principle which is a fundamental principle of international law, namely, the principle of the independence of States. It is well-established in international law that no State can, without its consent, be compelled to submit its disputes with other States either to mediation or to arbitration, or to any other kind of pacific settlement. Such consent can be given once and for all in the form of an obligation freely undertaken, but it can, on the contrary, also be given in a special case apart from any existing obligation. The first alternative applies to the Members of the League who, having accepted the Covenant, are under the obligation resulting from the provisions of this pact dealing with the pacific settlement of international disputes. As concerns States not members of the League, the situation is quite different; they are not bound by the Covenant. The submission, therefore, of a dispute between them and a Member of the League for solution according to the methods provided for in the Covenant, could take place only by virtue of their consent. Such consent, however, has not been given by Russia. On the contrary, Russia has, on several occasions, clearly declared that it accepts no intervention by the League of Nations in the dispute with Finland. The refusals which Russia had already opposed to the steps suggested by the Council have been renewed upon the receipt by it of the notification of the request for an advisory opinion. The Court therefore finds it impossible to give its opinion on a dispute of this kind.“481 478

Der StIGH bezeichnete den Staat als „Russia“. Richtigerweise war der handelnde Staat zunächst die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR), mit Gründung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) am 30. 12. 1922 dann (als vorgeblich im Verfahren betroffener Staat) diese; zur Identität der beiden Gebilde mit dem zaristischen Russland und untereinander Crawford, Creation, S. 679; Zimmermann, Staatennachfolge, S. 119 f. 479 StIGH, Status of Eastern Carelia, PCIJ Series B, No. 5, S. 7 f. 480 Ebda., S. 12 ff. 481 Ebda., S. 28 f.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Vielfach ist angenommen worden, der StIGH habe hier die Zustimmung der RSFSR zu seiner Erteilung des Gutachtens, die einer gerichtlichen Beilegung des Streits gleichkomme, für notwendig erachtet.482 Mit diesem Inhalt gilt Eastern Carelia sogar als der locus classicus des Problems der Betroffenheit staatlicher Interessen im Gutachtenverfahren.483 Damit hätte der Gerichtshof offenbar die oben zuerst genannte Auffassung vertreten, nach der eine – das Zustimmungserfordernis auslösende – Ausübung von Jurisdiktion bereits in der Bearbeitung einer Rechtsfrage ohne Rechtswirkungen für den betroffenen Staat liegen soll. Allerdings kann das Gutachten484 so nicht gelesen werden.485 Der StIGH bezog sich zwar auf die Regelung der friedlichen Streitbeilegung in der Satzung des Völkerbundes. Damit sprach er aber nicht seine eigene Kompetenz zur Erteilung des Gutachtens an, sondern die Kompetenz des Rates des Völkerbundes, in dem Streit zwischen der RSFSR und Finnland zu vermitteln (Art. 12 und 15 der Satzung des Völkerbundes). 482

IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, Separate Opinion by Judge Azevedo, ICJ Reports 1950, S. 79, 81; ebda., Dissenting Opinion of Judge Winiarski, S. 89, 90 f.; ebda., Dissenting Opinion by Judge Krylov, S. 105, 106 ff.; Amerasinghe, Jurisdiction, S. 72; Anand, Compulsory Jurisdiction, S. 277 ff.; Becker, AVR 43 (2005), S. 218, 223 f.; Costantino, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 235, 238 Fn. 6; Crawford, State Responsibility, S. 655; De Brabandere, LPICT 11 (2012), S. 253, 265; De Visscher, RDILC 55 (1928), S. 243, 260; ders., Recueil des Cours 26 (1929 I), S. 5, 32 ff.; Fachiri, Permanent Court, S. 165; Gross, Recueil des Cours 120 (1967 I), S. 313, 368 f., 420; Hambro, Recueil des Cours 76 (1950 I), S. 125, 200 f.; Hammarskjöld, RDILC 55 (1928), S. 665, 716 ff.; Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 200 f.; Janis, Harvard ILJ 17 (1976), S. 609, 612; Kaufmann, Gutachten, S. 119; Négulesco, Ann. IDI 39-I (1936), S. 215, 219, 228 f., 468, 470 f., 477; Rousseau, Droit international, S. 518 f.; Stone, Legal Controls, S. 121; Verzijl, Jurisprudence, Bd. I, S. 51 f.; vgl. Bos, Procesvoorwaarden, S. 58 f.; Brown Weiss, AJIL 96 (2002), S. 798, 807; Delbez, Principes généraux, S. 81; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 155 f.; wohl auch in diesem Sinne Damrosch, in: dies., S. 376, 389; Jacob, in: von Bogdandy/Venzke, S. 35, 65. Dem entsprach auch die Reaktion der finnischen Regierung auf das Gutachten vor dem Rat des Völkerbundes: Official Journal of the League of Nations 1923, S. 1335. Vielfach wird dem Fall zudem entnommen, dass die Zustimmungsbedürftigkeit der streitigen Jurisdiktion nicht durch das Gutachtenverfahren umgangen werden dürfe: vgl. nur Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 234; Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 33 ff.; Higgins, FS Jennings, S. 567, 571. Zur Rechtsprechung des IGH vgl. den folgenden Abschnitt dieser Arbeit. 483 So Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 186 Fn. 21; vgl. auch Higgins, FS Jennings, S. 567, 571. 484 Keith, Extent, S. 89 Fn. 272, weist zu Recht darauf hin, dass der StIGH die Entscheidung nicht mit „advisory opinion“ überschrieben, sie aber später so bezeichnet und in Serie B der amtlichen Sammlung veröffentlicht hat. Heutzutage wird auch die Ablehnung eines Gutachtenantrags als unzulässig der Form nach in einem Gutachten vollzogen: IGH, Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, ICJ Reports 1996, S. 66. 485 Keith, Extent, S. 89 ff.; Kolb, ICJ, S. 1058 f., 1070; Hamacher, Maxime, S. 57; Luzzatto, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 479, 487; Pomerance, Function, S. 287; ders., FS Rosenne, S. 567, 571 f. Fn. 22; Schorer, Konsensprinzip, S. 196 f.; Singh, Role, S. 88 f.; Spiermann, Argument, S. 160 ff., 173; vgl. Amr, Role, S. 98 f. Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 718, legt dem Gutachten aber beide hier diskutierten Inhalte bei. Kaufmann, Gutachten, S. 113 ff., sieht die hier abgelehnte Aussage als nur im Gutachten implizit, die hier vertretene Auffassung dagegen als die ausdrückliche Haltung des StIGH an.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Diese Tätigkeit des Rates bedurfte gemäß Art. 17 der Satzung des Völkerbundes der Zustimmung der RSFSR,486 und eine solche Zustimmung war nicht erteilt worden. Folglich war der Gutachtenantrag unter Verstoß gegen das Verfahrensrecht des Rates zustande gekommen, mit der Folge, dass der Gerichtshof die rechtswidrig gestellte Frage nicht beantworten konnte.487 Wäre die Begründung eine andere, auf die Zustimmungsbedürftigkeit der Erteilung des Gutachtens durch den StIGH bezogene gewesen, wäre die Bezugnahme auf Art. 17 der Satzung des Völkerbundes unnötig gewesen. Insoweit wäre es nur darauf angekommen, dass die RSFSR ihre Zustimmung zur Jurisdiktion des StIGH, ganz unabhängig von Art. 17, nicht erteilt hatte. Stattdessen beschrieb der StIGH die verweigerte Zustimmung als Ablehnung nicht des Gutachtens, sondern jeder „intervention by the League of Nations in the dispute with Finland“. Dies könnte auch so erklärt werden, dass der Gerichtshof die Zustimmung zur Tätigkeit des Rates als eine mittelbare Zustimmung auch zu seiner Tätigkeit als Gutachter forderte. Die Zustimmung zum Gutachten selbst wäre danach erforderlich, wäre aber mit der Zustimmung zur Satzung oder nach Art. 17 der Satzung erteilt worden.488 Das entspricht aber wiederum nicht dem Ansatz des StIGH. Der Gerichtshof stellte heraus, dass die Mitglieder des Völkerbundes – anders als die Nichtmitglieder – „under the obligation resulting from the provisions of [the Covenant] dealing with the pacific settlement of international disputes“ waren. Diese Verpflichtung bezog sich aber auf die Hinnahme der Vermittlungstätigkeit des Rates i.S.d. Art. 12 und 15 der Satzung, nicht auf die Duldung eines Spruchs des StIGH im Gutachtenverfahren. Ob nämlich der Rat ein Gutachten anfordern könnte, in dem ein konkreter Streitfall und damit die rechtlichen Interessen eines Staates ohne dessen Zustimmung bearbeitet würden, ließ der Gerichtshof in dem ihm vorliegenden Fall ausdrücklich offen:489 486

Keith, Extent, S. 89 f.; Lauterpacht, Development, S. 356 Fn. 50. Abi-Saab, Exceptions, S. 79; Amr, Role, S. 98 f.; Greig, ICLQ 15 (1966), S. 325, 334; Hamacher, Maxime, S. 57 ff.; Hudson, Permanent Court, S. 500; Keith, Extent, S. 89 ff.; Kolb, ICJ, S. 1059, 1070; Luzzatto, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 479, 486 f.; Pazartzis, FS Wellens, S. 265, 268; Pomerance, Function, S. 282 f., 287 ff.; ders., FS Rosenne, S. 567, 571 f. Fn. 22; Salvioli, Recueil des Cours 12 (1926 II), S. 5, 91 f.; Schorer, Konsensprinzip, S. 196 f.; Shihata, Power, S. 44, 120; Singh, Role, S. 88 f.; Spiermann, Argument, S. 160 ff.; vgl. Erich, RDILC 55 (1928), S. 864, 869 f.; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 206; wohl auch Reisman, Nullity, S. 338 f. Vgl. zur Frage, ob heute bei einem Antrag des Sicherheitsrats oder der Generalversammlung erforderlich ist, dass der Antrag sich innerhalb der Zuständigkeit des Organs bewegt, noch unten, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (2) dieser Arbeit. 488 In diesem Sinne – anders als von Keith, Extent, S. 96 Fn. 308, verstanden – Négulesco, Ann. IDI 39-I (1936), S. 215, 219, 228 f., 468, 470 f., 477, sowie De Visscher, RDILC 55 (1928), S. 243, 256 Fn. 1. 489 So – in dem zutreffenden Sinne, dass der StIGH die ganze Frage der Zustimmungsbedürftigkeit von Gutachten unentschieden gelassen habe – Keith, Extent, S. 93; Luzzatto, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 479, 487, 495; Mandelstam, Recueil des Cours 14 (1926 IV), S. 337, 538 f.; Pomerance, Function, S. 287; ders., FS Rosenne, S. 567, 571 Fn. 22; Reisman, Nullity, S. 338 Fn. 37; Salvioli, Recueil des Cours 12 (1926 II), S. 5, 91 f.; Schorer, 487

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

„There has been some discussion as to whether questions for an advisory opinion, if they relate to matters which form the subject of a pending dispute between nations, should be put to the Court without the consent of the parties. It is unnecessary in the present case to deal with this topic.“490

Dann aber konnte der StIGH nicht sogleich stillschweigend davon ausgehen, dass ein solcher Gutachtenantrag gestellt werden könne, dass die Satzung des Völkerbundes Mitglieder der Organisation zur Duldung solcher Gutachten verpflichte, und dass Drittstaaten – ohne eine besondere Zustimmung nach Art. 17 der Satzung – solche Gutachten nicht hinnehmen müssten.491 Die „obligation resulting from the provisions of [the Covenant] dealing with the pacific settlement of international disputes“ konnte deshalb nicht die Pflicht zur Duldung des Gutachtenverfahrens sein, sondern nur die Pflicht zur Hinnahme des Mediationsverfahrens des Rates. Diese ergab sich für Mitglieder des Völkerbundes in der Tat ohne Weiteres aus Art. 12, 15 und 17 der Satzung.492 Zu Zweifeln mag Anlass geben, dass der Gerichtshof auch die weitere Verweigerung der Zustimmung durch die UdSSR im Gutachtenverfahren erwähnte. Dies könnte so zu verstehen sein, dass eine Zustimmung erst im Gutachtenverfahren ausgereicht hätte, und dass diese Zustimmung sich deshalb (zumindest auch) auf die Erteilung des Gutachtens und nicht nur auf den früheren Antrag des Rates bezogen hätte.493 Aus den genannten Gründen hat es aber eher den Anschein, dass eine spätere Zustimmung die zuvor fehlende Zustimmung geheilt hätte,494 oder dass der GeKonsensprinzip, S. 197; Spiermann, Argument, S. 169. In einem anderen Sinne meint De Visscher, RDILC 55 (1928), S. 243, 256 Fn. 1, der StIGH habe nur die Frage offengelassen, ob Mitglieder des Völkerbundes einem Gutachtenantrag noch gesondert zustimmen müssten oder ob sie ihre Zustimmung schon mit ihrem Beitritt zum Völkerbund erteilt hätten. Fachiri, Permanent Court, S. 165, wiederum meint, hier sei die Frage offen gelassen worden, wie der Rat über den Gutachtenantrag hätte entscheiden müssen. 490 StIGH, Status of Eastern Carelia, PCIJ Series B, No. 5, S. 27. 491 Dies übersieht De Visscher, RDILC 55 (1928), S. 243, 256 Fn. 1, 260, wenn er einerseits im Eastern Carelia-Fall ein Erfordernis der Zustimmung der UdSSR zum Gutachten sieht, andererseits aber meint, der StIGH habe dahinstehen lassen, ob auch Mitglieder des Völkerbundes einem Gutachtenantrag noch gesondert zustimmen müssten. Diese Frage hätte der StIGH nicht offen lassen können, wenn er sogleich – wie nach dem Verständnis von De Visscher – im nächsten Abschnitt die Pflicht der Mitglieder des Völkerbundes zur Duldung von Gutachten dem Bedürfnis der gesonderten Zustimmung anderer Staaten hätte gegenüberstellen wollen. 492 In einem anderen Fall erteilte der StIGH ein Gutachten, nachdem der Rat die Zustimmung der Streitparteien zum Gutachtenantrag eingeholt hatte: StIGH, Interpretation of the Greco-Turkish Agreement of December 1st, 1926, PCIJ Series B, No. 16, S. 12; dazu Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 156. Dass die Parteien damit auch der Erteilung des Gutachtens zugestimmt hätten, fand dabei keine Erwähnung. 493 Dafür Fachiri, Permanent Court, S. 165; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 155 f.; in diese Richtung auch Brown Weiss, AJIL 96 (2002), S. 798, 807, die die Abweisung des Gutachtenantrags darauf zurückführt, dass „Russia […] did not recognize the jurisdiction of the League or the Court“. 494 So Erich, RDILC 55 (1928), S. 864, 877.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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richtshof schlicht die Feststellung der Verweigerungshaltung der RSFSR und später der UdSSR gegenüber dem Verfahren des Rates bekräftigen wollte. Der Eastern Carelia-Fall hat deshalb keine Bedeutung für die hier untersuchte Frage, ob die Erteilung eines Gutachtens über einen konkreten Streitfall zwischen Staaten deren Zustimmung voraussetzt. Vielmehr deutet die Praxis des StIGH in einem anderen Fall eher in eine andere Richtung: So ging es bereits wenige Jahre nach dem Eastern Carelia-Gutachten im Mosul-Fall495 ebenfalls um einen Streitfall zwischen zwei Staaten, der Türkei und dem Irak. Die beiden Staaten hatten zunächst ihre Zustimmung zur Mediation durch den Rat des Völkerbundes erteilt, jedoch hatte die Türkei ihre Zustimmung zu dem späteren Gutachtenantrag verweigert.496 Weil der Rat aber rechtmäßig tätig geworden war („had been duly seised of the affair“) und die gestellte Frage auch die Kompetenzen des Rates in dem Streitfall betraf, hielt der StIGH die Sachlage für anders als in Eastern Carelia und erstattete das Gutachten.497 Aus dem Umstand, dass ein Gutachten auch die Kompetenzen des Völkerbundes betrifft, lässt sich aber ersichtlich keine Zustimmung der Streitparteien ableiten. Ebenso konnte die Zustimmung zur Mediation durch den Rat nicht als implizite Zustimmung auch zum Gutachtenverfahren gelten, denn letztere hatte die Türkei ausdrücklich versagt. Vielmehr war hier offenbar entscheidend, dass der Rat des Völkerbundes seine Mediationstätigkeit im Mosul-Fall mit der Zustimmung der Parteien aufgenommen hatte, während diese notwendige Zustimmung im Eastern Carelia-Fall gefehlt hatte. Aus der Praxis des StIGH im Mosul-Fall folgt demnach, dass das Problem in Eastern Carelia in der Rechtswidrigkeit der Mediation durch den Rat des Völkerbundes gelegen hatte; die Zustimmung der Streitparteien zur Erteilung des Gutachtens durch den StIGH wurde nicht für erforderlich gehalten.498 (b) Die Rechtsprechung des IGH Der IGH hat das Problem der Zustimmungsbedürftigkeit eines Gutachtens über einen konkreten Streitfall zwischen Staaten mehrfach behandelt. Gelegentlich hat er in diesem Zusammenhang auch den Eastern Carelia-Fall als Präzedenzfall499 dis-

495

Interpretation of Article 3, paragraph 2, of the Treaty of Lausanne (Frontier between Turkey and Iraq) (Gutachten in PCIJ Series B, No. 12). 496 Dazu eingehend Keith, Extent, S. 97 ff. 497 Second Annual Report from the Permanent Court of International Justice, June 15th, 1925 – June 15th, 1926, PCIJ Series E, No. 2, S. 164; dazu Greig, ICLQ 15 (1966), S. 325, 326, 335; Hofmann, Gutachten, S. 115; Keith, Extent, S. 100 f.; Pomerance, AJIL 99 (2005), S. 26, 28; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 156 Fn. 5. 498 Keith, Extent, S. 101. 499 Der IGH würdigt regelmäßig auch die Rechtsprechung des StIGH: Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 496; Keith, Extent, S. 31 f., 115; Lauterpacht, Development, S. 11 ff.; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 308; Waldock, Recueil des Cours 106 (1962 II), S. 1, 93; vgl. Barberis, ZaöRV 31 (1971), S. 641, 656 f.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

kutiert.500 Dies legt nahe, dass der IGH das hier bevorzugte Verständnis von Eastern Carelia als ein Problem nur der Rechtmäßigkeit des Gutachtenantrags nicht teilt. Jedes Mal war der Eastern Carelia-Präzedenzfall aber auch von den Beteiligten im Gutachtenverfahren vorgebracht worden,501 so dass nicht zwingend der IGH den Fall für relevant hielt, sondern dieser möglicherweise nur auf den Rechtsvortrag antwortete. Ein erstes Mal trat das Problem der Betroffenheit der Streitparteien in einem der ersten Gutachtenverfahren des IGH, in dem Fall Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, auf. Dort war der IGH mit einer ähnlichen Sachlage konfrontiert wie der StIGH in Eastern Carelia. Zwischen den Westalliierten und Bulgarien, Ungarn und Rumänien hatte sich ein Streit darüber entwickelt, ob die drei Staaten ihren Verpflichtungen aus den Friedensverträgen betreffend die Beachtung der Menschenrechte nachkamen. Für solche Streitigkeiten sahen die Friedensverträge zwingende Streitbeilegungsverfahren vor; die drei Staaten verweigerten aber jeweils ihre dabei vorgesehene Mitwirkung. Vor diesem Hintergrund legte die Generalversammlung der UN dem IGH mit einem Gutachtenantrag Fragen zu den Pflichten der drei Staaten zur Streitbeilegung unter den Friedensverträgen und zu dem weiteren Ablauf in diesen Streitbeilegungsverfahren vor.502 Die drei Staaten waren zur fraglichen Zeit nicht Mitglieder der UN und widersprachen dem Gutachtenverfahren mit dem Argument, die Erteilung des Gutachtens würde dem Konsensprinzip der Jurisdiktion des IGH widersprechen.503 Der IGH antwortete wie folgt: „This objection reveals a confusion between the principles governing contentious procedure and those which are applicable to Advisory Opinions. The consent of States, parties to a dispute, is the basis of the Court’s jurisdiction in contentious cases. The situation is different in regard to advisory proceedings even where the Request for an 500

IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, ICJ Reports 1950, S. 65, 72; Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 23; Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 23; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 156 ff. In Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996-I, S. 226, 235 f., hat der IGH Eastern Carelia ebenfalls gewürdigt. Dort ging es aber nicht um die Frage der Betroffenheit staatlicher Interessen, sondern nur allgemein um die Ablehnung von Gutachtenanträgen. 501 Vgl. jeweils nur Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, Lettre de l’envoyé extraordinaire et ministre plénipotentiaire de la République Tchécoslovaque au Greffier de la Cour, ICJ Pleadings, S. 204; Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 23; Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 23; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Written Statement of the Government of Israel, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 92 ff. 502 IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, ICJ Reports 1950, S. 65, 66 ff. 503 Ebda., S. 68 f., 71.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Opinion relates to a legal question actually pending between States. The Court’s reply is only of an advisory character: as such, it has no binding force. It follows that no State, whether a Member of the United Nations or not, can prevent the giving of an Advisory Opinion which the United Nations considers to be desirable in order to obtain enlightenment as to the course of action it should take. The Court’s Opinion is given not to the States, but to the organ which is entitled to request it; the reply of the Court, itself an ,organ of the United Nations‘, represents its participation in the activities of the Organization, and, in principle, should not be refused.“504

Diese Erklärung hat der IGH später mehrfach wiederholt.505 Inhaltlich kann dabei nicht maßgeblich sein, dass die Erteilung des Gutachtens eine Aufgabe des IGH als Organ der Vereinten Nationen darstellt. Dies betrifft die organschaftlichen Pflichten des Gerichtshofs,506 die nur im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten bestehen können,507 und spielt deshalb für die Berechtigung von Einwänden eines betroffenen Staates keine Rolle. Im Übrigen kann es in dieser Passage nicht um die Annahme gehen, dass die betroffenen Staaten der Erteilung des Gutachtens mit ihrer Ratifikation der Charta zugestimmt hätten. Dies hat der IGH zwar später auch verschiedentlich angenommen;508 im Peace Treaties-Gutachten kam diese Lösung aber nicht in Betracht, da die fraglichen Staaten nicht Mitglieder der UN waren.509 Entscheidend ist daher die Aussage, dass aus dem Fehlen der Bindungswirkung folge, dass

504

Ebda., S. 71. IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 24; Applicability of Article VI, Section 22, of the Convention on the Privileges and Immunities of the United Nations, ICJ Reports 1989, S. 177, 189; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 157 f. In Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, ICJ Reports 1951, S. 15, 19, verwies der IGH auf die zitierte Passage aus dem Peace Treaties-Gutachten. 506 Gross, Recueil des Cours 120 (1967 I), S. 313, 340. 507 Anand, Compulsory Jurisdiction, S. 278; Keith, Extent, S. 123 f., 149; in eine andere Richtung aber Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 202. 508 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 23 (gestützt auf Art. 96 der Charta); Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 23 f. (gestützt auf die Kompetenz der Generalversammlung, sich mit dem Thema des Gutachtenantrags zu befassen); so auch Akande, Aggression, S. 24; Amerasinghe, Specific International Tribunals, S. 201; De Visscher, RDILC 55 (1928), S. 243, 256 Fn. 1; Fraas, Sicherheitsrat, S. 32; Hamacher, Maxime, S. 48; Janis, Harvard ILJ 17 (1976), S. 609, 613; Mandelstam, Recueil des Cours 14 (1926 IV), S. 337, 539; Pazartzis, FS Wellens, S. 265, 271; Pomerance, AJIL 99 (2005), S. 26, 30; Thirlway, BYIL 71 (2000), S. 71, 96; vgl. auch Becker, AVR 43 (2005), S. 218, 224 f.; Hammarskjöld, RDILC 55 (1928), S. 665, 723. 509 Dies erkennt Akande, Aggression, S. 24, übergeht aber die Relevanz dieses Befunds. Dass der IGH sich – wie Akande an anderer Stelle (S. 22) meint – von seiner Auffassung aus dem Peace Treaties-Gutachten wieder distanziert habe, lässt namentlich das Gutachten zur israelischen Wall nicht erkennen. Auch in anderen Verfahren hat sich der IGH wieder auf die Argumentation aus Peace Treaties berufen (s. o., Fn. 505), wenn auch möglicherweise neben dem Ansatz, der die Ratifikation der Charta als relevanten Zustimmungsakt ansieht. 505

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

kein Staat, ob Mitglied der UN oder nicht, die Erteilung des Gutachtens verhindern könne.510 Gegenüber den Gutachten des IGH, in denen Einwände unter Verweis auf die UNMitgliedschaft des betroffenen Staates ausgeräumt wurden, ergibt sich hier eine klare Aussage zur Reichweite des Konsensprinzips. Nicht nur kann sich ein Staat nicht gegen die Erfüllung der Aufgabe des IGH als Gutachter wehren, weil er selbst als Mitglied der UN dieser Aufgabenerledigung zugestimmt habe, sondern auf eine Zustimmung kommt es von vornherein nicht an. Nach der hier vertretenen Auffassung zum Gehalt des Eastern Carelia-Gutachtens ergibt sich daraus kein Widerspruch zur Rechtsprechung des StIGH; unter Berücksichtigung des Mosul-Falls des StIGH handelt es sich vielmehr um eine Fortsetzung und Erklärung der früheren Rechtsprechung. Insofern überrascht, dass der IGH es in Peace Treaties für nötig hielt zu erklären, dass die Entscheidung in Eastern Carelia einen anderen Fall betreffe. Der IGH hielt die ihm vorliegende Sachlage für sehr verschieden von der Sachlage in Eastern Carelia. Er hob dabei hervor, dass sein Gutachten nicht die Streitigkeiten zwischen den drei Staaten und den Westalliierten in der Hauptsache betreffe, sondern vielmehr nur Fragen zum Schiedsverfahren über diese Streitigkeiten, so dass das Gutachten die Rechtsstellung der Streitparteien nicht kompromittieren würde.511 Zudem seien die Regelungen des streitigen Verfahrens gemäß Art. 68 des Statuts512 nur anwendbar, soweit der Gerichtshof dies anerkenne, und sei der einzige Zweck des Gutachtens der, die Generalversammlung zu informieren.513 Der IGH mag insoweit eine andere Auffassung zur Bedeutung der Ausführungen des StIGH in Eastern Carelia zugrunde gelegt haben als die hier vertretene, indem er Eastern Carelia doch die Auffassung zuordnete, das Gutachtenverfahren über einen konkreten Streit zwischen Staaten sei konsensgebunden. Der Umstand, dass der IGH den Eastern CareliaPräzedenzfall – zumindest vordergründig – nur einem distinguishing zuführte,514 bedeutet aber nicht, dass diese angeblich zentrale Aussage aus Eastern Carelia für den IGH ihre Gültigkeit behalten hätte – obwohl die Methode des distinguishing grundsätzlich geeignet ist, die Autorität des angesprochenen Präzedenzfalls zu be510 In diesem Sinne auch Amr, Role, S. 96; Lauterpacht, Development, S. 356; Luzzatto, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 479, 491 f.; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 216, Nr. 19. 511 IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, ICJ Reports 1950, S. 65, 72; zustimmend Kolb, ICJ, S. 1070 f. 512 Art. 68 des Statuts beruht auf einem dictum des StIGH in Status of Eastern Carelia, PCIJ Series B, No. 5, S. 29, wonach der StIGH auch im Gutachtenverfahren nicht von den grundlegenden Normen seines gerichtlichen Verfahrens abweichen könne: vgl. Cot, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 68 Rn. 2, 6; Thirlway, BYIL 71 (2000), S. 71, 95. 513 IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, ICJ Reports 1950, S. 65, 72. 514 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, Separate Opinion of Judge Higgins, S. 207, 208 f.; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 420; Waldock, Recueil des Cours 106 (1962 II), S. 1, 94.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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stätigen.515 Vielmehr ergäbe sich – nach der hier nicht geteilten Lesart von Eastern Carelia – trotz der vom IGH hervorgehobenen tatsächlichen Unterschiede doch eine deutliche Meinungsverschiedenheit zwischen dem IGH und seinem Vorgänger,516 denn der StIGH hätte aus dem Umstand, dass er quasi den Streitfall zu entscheiden gehabt hätte, noch ein Zustimmungserfordernis abgeleitet. Das hat der IGH ausdrücklich nicht getan. Unter Zugrundelegung der Auffassung des StIGH könnte es im Übrigen auch keine Rolle spielen, dass das Gutachten im Peace Treaties-Fall den Streitfall nicht in der Hauptsache quasi entscheiden sollte, sondern nur die Frage der Mitwirkungspflichten im Schiedsverfahren.517 Auch diese Frage stellte sich selbst als Rechtsstreitigkeit zwischen den Parteien des Schiedsverfahrens dar und hätte daher nach der – vermeintlichen – Auffassung des StIGH in Eastern Carelia das Zustimmungserfordernis auslösen müssen.518 Der IGH hat deshalb zu der hier interessierenden Frage der Reichweite des Konsensprinzips jedenfalls eine Abkehr von der (angeblichen) Rechtsprechung des StIGH vollzogen, selbst wenn er die Rechtsprechung des StIGH in dem hier nicht für richtig gehaltenen Sinne verstanden haben sollte. Die vielfach dem StIGH zugeschriebene Auffassung, dass es dem Konsensprinzip widerspreche, in einem Gutachtenverfahren einen bestehenden Streit zwischen Staaten ohne deren Zustimmung zu entscheiden, hat der Gerichtshof deshalb zumindest aufgegeben.519 Dem steht nicht entgegen, dass das Konzept der „Streitbeilegung durch die Hintertür“ im Gutachtenverfahren gleichwohl noch eine Rolle spielt. In diesem Sinne hat der IGH betont, dass das Fehlen der Zustimmung eines Staates zu einem ihn betreffenden Gutachten den Gerichtshof im Rahmen seines richterlichen Ermessens 515

Dazu Barberis, ZaöRV 31 (1971), S. 641, 656; Jacob, in: von Bogdandy/Venzke, S. 35, 64; Lauterpacht, Development, S. 11; Röben, GYIL 32 (1989), S. 382, 389; Shahabuddeen, Precedent, S. 110; Waldock, Recueil des Cours 106 (1962 II), S. 1, 94. 516 Der StIGH war der Vorgänger des IGH, aber eine Rechtsnachfolge hat es nicht gegeben; Art. 37 des Statuts führt eine solche nur punktuell herbei: vgl. auch oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit. 517 In diesem Sinne aber De Visscher, Recueil des Cours 26 (1929 I), S. 5, 33 Fn. 1; ders., RBDI 1 (1965), S. 5, 12; Hammarskjöld, RDILC 55 (1928), S. 665, 723 f. 518 Vgl. Akande, Aggression, S. 21; Greig, ICLQ 15 (1966), S. 325, 326 f.; Gross, Recueil des Cours 120 (1967 I), S. 313, 362 f.; Kaufmann, Gutachten, S. 108; Keith, Extent, S. 100, 122; Lauterpacht, Development, S. 353 f.; Pomerance, Function, S. 288 f. Fn. 36; ders., FS Rosenne, S. 567, 571 f. Fn. 22. 519 Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 23; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 27; Gross, Recueil des Cours 120 (1967 I), S. 313, 366 f.; Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 201 f.; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 161; vgl. Costantino, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 235, 238 Fn. 6; Lauterpacht, Development, S. 356; vgl. auch Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 566; Waldock, Recueil des Cours 106 (1962 II), S. 1, 94; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1057 Fn. 29; a.A. O’Keefe, RBDI 37 (2004), S. 92, 107. Janis, Harvard ILJ 17 (1976), S. 609, 612 f., schreibt die Abkehr von der Auffassung des StIGH aus Eastern Carelia erst dem Western Sahara-Gutachten des IGH zu. Kovács, Miskolc JIL 2 (2005), S. 102, 107, spricht vom „traditional duel“ zwischen Eastern Carelia und Peace Treaties.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

dazu bewegen kann, das beantragte Gutachten nicht zu erstatten.520 Dies komme insbesondere dann in Betracht, wenn sich der Gutachtenantrag als ein Versuch darstelle, das Zustimmungserfordernis der streitigen Jurisdiktion des IGH zu umgehen.521 Dabei hat der Gerichtshof aber hervorgehoben, dass „the consent of an interested State continues to be relevant, not for the Court’s competence, but for the appreciation of the propriety of giving an opinion.“522

Wenn die Frage der fehlenden Zustimmung eines betroffenen Staates nur eine Frage des richterlichen Ermessens ist und nur zu einer Einschätzung der gegen den Gutachtenantrag sprechenden Umstände gehört, kann es sich nicht um eine Erwägung handeln, die auf dem strengen Konsensprinzip der streitigen Jurisdiktion und damit in einem engen Sinne auf dem Prinzip der staatlichen Souveränität beruht. Außerdem hat der Gerichtshof klargestellt, dass er auch aus Ermessensgründen nicht immer dann gehalten ist, den Gutachtenantrag abzulehnen, wenn sich das Gutachten auf einen Streitfall eines nicht zustimmenden Staates beziehen soll. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich das Gutachten wirklich nur auf eine bilaterale Angelegenheit bezieht, also ob die Interessen der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft betroffen sind.523 Auch das unterstreicht, dass es bei der Frage der fehlenden staatlichen Zustimmung als Ermessenstopos nicht um ein strenges Zustimmungserfordernis bei Gutachtenanträgen mit Bezug zu bestehenden Streitfällen geht. Damit ergibt sich aus der einhelligen Rechtsprechung, dass im Gutachtenverfahren kein Zustimmungserfordernis wie im streitigen Verfahren gilt. Daraus folgt, dass bei der Erteilung eines Gutachtens keine Jurisdiktion ausgeübt wird, denn sonst müsste die Staatensouveränität eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses verlangen. Eine Ausübung von Jurisdiktion im Sinne des Zustimmungserfordernisses liegt deshalb nicht bereits in der gerichtlichen Befassung mit einem Fall,

520 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 25; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 158; ebda., Separate Opinion of Judge Higgins, S. 207, 208; gegen die Annahme von Ermessen Kolb, ICJ, S. 1073, der die Frage aber ebenfalls nicht als eine jurisdiktionelle auffasst und das Gutachten wohl auch für zulässig halt, wenn das beantragende Organ an der Frage ein eigenes Interesse hat (ebda., S. 1074 f.); dazu sogleich und noch unten, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (2) dieser Arbeit. 521 Jeweils ebda.; dazu auch Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 65 Rn. 33 ff.; Giegerich, ebda., Art. 36 UN Charter Rn. 54. 522 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 25; so auch IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2004, S. 207, 208; in diesem Sinne auch Pazartzis, FS Wellens, S. 265, 271. Dies und die zumindest damit verbundene Abkehr von Eastern Carelia betont auch Becker, AVR 43 (2005), S. 218, 224. 523 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 158 f.; vgl. IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 25. So auch Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 36 f. Dazu noch eingehend unten, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (2) dieser Arbeit.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

127

sondern nur in einer Entscheidung, die rechtskräftig wird und eine Bindungswirkung auslöst.524 (4) Zwischenergebnis zum Konzept der Ausübung gerichtlicher Hauptsachejurisdiktion Demnach kann festgehalten werden, dass der IGH über einen Staat Jurisdiktion in der Hauptsache ausübt, indem er ein für diesen Staat bindendes und rechtskräftiges Urteil erlässt. Nur die Herstellung von Rechtskraft und Bindungswirkung bedarf daher der Zustimmung des jeweils betroffenen Staates.525 Dagegen führt die Bearbeitung von Rechtsfragen durch den Gerichtshof zwar auf die Urteilsfindung hin, ist aber für sich genommen nicht zustimmungsbedürftig. Daraus folgt, dass der IGH – nur seinem Jurisdiktionsregime nach – in einem Verfahren zwischen zwei Staaten solange entscheiden darf, wie nicht sein Urteil einen Drittstaat verpflichtete und ihm gegenüber rechtskräftig würde. bb) Möglichkeit der Ausübung von Hauptsachejurisdiktion über Drittstaaten Demnach stellt sich nun die Frage, ob ein Urteil des IGH jemals gegenüber Drittstaaten Bindungswirkung entfalten und rechtskräftig werden kann. Damit ist direkt die Relativität der Entscheidungswirkungen angesprochen. Hier werden folglich erste Ausführungen zum Begriff der Rechtskraft nach dem Statut und dabei

524

Vgl. Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 51 f. Davon geht auch De Visscher, Recueil des Cours 26 (1929 I), S. 5, 34, aus, wenn er meint, dass die Annahme, die Erteilung eines Gutachtens über einen konkreten Streitfall setze die Zustimmung der betroffenen Staaten voraus, dem Gutachten die Wirkung der Rechtskraft unterstelle; ähnlich ders., RDILC 55 (1928), S. 243, 260 f.; Erich, ebda., S. 864, 874; Hofmann, Gutachten, S. 113 f.; Kaufmann, Gutachten, S. 107 f.; vgl. auch Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 232; Conforti, AFDI 38 (1992), S. 460, 464 f. De Visscher vertritt gleichwohl selbst diese Lesart von Eastern Carelia, weil er es genügen lässt, dass das Gutachten die Rechtslage praktisch bindend feststellt: Recueil des Cours 26 (1929 I), S. 5, 34 f.; ähnlich Kaufmann, Gutachten, S. 108. 525 Vgl. Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 109; Strupp, in: ders., S. 616, 620; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 51 f.; vgl. auch die zu Art. 41 des Statuts vertretene Auffassung, wonach ein Staat nicht von einer Entscheidung – einer einstweiligen Maßnahme – rechtlich gebunden sein könne, wenn er dem Verfahren nicht zugestimmt habe, wenn also der IGH ohne Jurisdiktion in der Hauptsache ist: Tzanakopoulos, Revue hellénique de droit international 57 (2004), S. 53, 63; vgl. auch Aceves, AJIL 96 (2002), S. 210, 217; Mendelson, BYIL 46 (1972 – 1973), S. 259, 312; O’Connell, Failure, S. 18. Gerade der Umstand, dass diese Besorgnis im Zusammenhang mit der bindenden Wirkung einstweiliger Maßnahmen aufgekommen ist, weist darauf hin, dass die Jurisdiktion des IGH bei nicht bindenden Entscheidungen keine Bedeutung hat. Dieses spezielle Problem dürfte im Übrigen dadurch zu lösen sein, dass als Grundlage der einstweiligen Maßnahmen nicht die Hauptsachejurisdiktion, sondern Art. 41 des Statuts – ersatzweise ein allgemeines Rechtsprinzip – angesehen wird; dazu oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (b) und (ohne eigene Positionierung) Tzanakopoulos, Revue hellénique de droit international 57 (2004), S. 53, 64 ff. Diese Norm schützt zwar ihrerseits nur das Verfahren; dies ist aber schon dann legitim, wenn der IGH prima facie Jurisdiktion besitzt.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

insbesondere zur personellen Reichweite der Bindungswirkung von Urteilen des IGH erforderlich. (1) Die Relativität der Entscheidungswirkungen (Art. 94 Abs. 1 der Charta, Art. 59 des Statuts) und die Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten Es entspricht dem allgemeinen Konzept der Rechtskraft, einem allgemeinen Rechtsprinzip,526 dass Rechtskraft immer nur zwischen den Parteien des gerichtlich entschiedenen Streitfalls entsteht.527 Für Dritte stellt ein gegenüber anderen Parteien ergangener Richterspruch ohne Weiteres weder im nationalen Recht528 noch im Völkerrecht529 die Rechtslage endgültig fest.530 Insbesondere für den IGH folgt diese Relativität der Rechtskraft aus Art. 59 des Statuts,531 nach dem 526 StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23, 27; Lord Phillimore, in: Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 335; Al-Qahtani, LPICT 2 (2003), S. 269 f.; Brant, Autorité, S. 22; Cheng, General Principles, S. 336; Finke, Parallelität, S. 342; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 112 Fn. 50; Lauterpacht, Private Law Sources, S. 206 f.; Lock, Verhältnis, S. 104; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 70 ff.; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 599; vgl. Beckett, Recueil des Cours 39 (1932 I), S. 135, 141; Shany, Competing Jurisdictions, S. 246. Für (auch) gewohnheitsrechtliche Geltung Shany, ebda., S. 245 f. 527 StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23, 27; vgl. EuGH, Köbler ./. Republik Österreich, Rs. C-224/01, Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger, Slg. 2003, S. I-10239, I10270, I-10271 f.; Beckett, Recueil des Cours 39 (1932 I), S. 135, 141; Cheng, General Principles, S. 339 ff.; Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 100; Finke, Parallelität, S. 342; Lock, Verhältnis, S. 110; Pauwelyn, Conflict, S. 110 f., 125 f.; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 74 ff.; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 599 f. 528 StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23, 27; EuGH, Köbler ./. Republik Österreich, Rs. C-224/01, Schlussanträge des Generalanwalts P. Léger, Slg. 2003, S. I-10239, I-10270, I10271 f.; Beckett, Recueil des Cours 39 (1932 I), S. 135, 141; Mabrouk, Exceptions, S. 82; Rousseau, FS Rolin, S. 300, 303; vgl. auch §§ 121 VwGO, 322 Abs. 1, 325 ZPO. 529 StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23; IGH, Temple of Preah Vihear, Preliminary Objections, ICJ Reports 1961, S. 17, 27; South West Africa Cases, Preliminary Objections, Joint Dissenting Opinion of Sir Percy Spender and Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Reports 1962, S. 465, 552; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 101; Canada–USA Arbitral Tribunal, Trail Smelter Case, RIAA III, S. 1905, 1952; Beckett, Recueil des Cours 39 (1932 I), S. 135, 141; Brown, A Common Law, S. 155; El Ouali, Effets, S. 82; Finke, Parallelität, S. 370 f.; Mabrouk, Exceptions, S. 82; Rosenne, BYIL 28 (1951), S. 365, 366, 370; Rousseau, FS Rolin, S. 300, 303; Scobbie, Australian YIL 20 (1999), S. 299, 304; SkomerskaMuchowska, in: Krzan, S. 63, 74 f. 530 In welchem materiellen Umfang ein Urteil die Rechtslage überhaupt endgültig feststellt, kann hier außer Betracht bleiben. Gemeint ist hier freilich die Rechtslage im konkreten Fall zwischen den Parteien, nicht die Präzedenzwirkung des Urteils bezogen auf die abstrakt-generelle Rechtslage. Vgl. aber noch unten, 2. Teil A. I. 4. dieser Arbeit.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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„[t]he decision of the Court has no binding force except between the parties and in respect of that particular case.“532

Ebenso ist die Verpflichtungswirkung der Urteile des IGH auf die Parteien beschränkt; nur sie sind verpflichtet, die sich aus dem operativen Teil des Urteils ergebenden Normen zu befolgen. Dies folgt aus dem ausdrücklichen Wortlaut von Art. 94 Abs. 1 der Charta,533 der besagt: „Each Member of the United Nations undertakes to comply with the decision of the International Court of Justice in any case to which it is a party.“534

Nichtmitglieder der Vereinten Nationen, die Parteien in einem streitigen Verfahren vor dem IGH sind, sind kraft ihrer Erklärungen i.S.d. Art. 93 Abs. 2 der Charta bzw. Art. 35 Abs. 2 des Statuts in derselben Weise verpflichtet.535 Staaten, die demgegenüber nicht Parteien des Verfahrens sind, werden aber weder durch den Normbefehl eines Urteils des IGH verpflichtet, noch kann dieses Urteil ihre Rechtsbeziehungen abschließend feststellen. Das Urteil ist vielmehr für jeden Drittstaat res inter alios acta und damit ohne Rechtswirkung. Insofern schützen Art. 59 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 der Charta Drittstaaten vollkommen vor den Rechtswirkungen eines Urteils als solchem.536 531 StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23; IGH, Temple of Preah Vihear, Preliminary Objections, ICJ Reports 1961, S. 17, 27; South West Africa Cases, Preliminary Objections, Joint Dissenting Opinion of Sir Percy Spender and Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Reports 1962, S. 465, 552; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Vice-President Sette-Camara, ICJ Reports 1984, S. 71, 87; Canada–USA Arbitral Tribunal, Trail Smelter Case, RIAA III, S. 1905, 1952; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 86; Beckett, Recueil des Cours 39 (1932 I), S. 135, 140 f.; El Ouali, Effets, S. 83; De Visscher, RBDI 1 (1965), S. 5, 7 f.; Dupuy, FS Simma, S. 862, 872; Finke, Parallelität, S. 370 f.; Hess, Staatenimmunität, S. 323; Jennings, ICLQ 45 (1996), S. 1, 6; Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 320; Keith, Extent, S. 29; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 21; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 94 UN Charter Rn. 4; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1598 f.; a.A. Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 24, und jetzt Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 27, die Art. 59 nur auf die Verpflichtungswirkung des Urteils beziehen; in diese Richtung auch IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 157; Bos, Procesvoorwaarden, S. 56. Rosenne, BYIL 28 (1951), S. 365 f., 369 f., Witenberg, Organisation, S. 359, und Scerni, Principî, S. 169, messen Art. 59 des Statuts beide Bedeutungen zu. 532 Hervorhebung nicht im Original. 533 Azar, Exécution, S. 36; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 94 UN Charter Rn. 11; Rosenne, BYIL 28 (1951), S. 365. 534 Hervorhebung nicht im Original. Zur Frage einer weiteren Bindungswirkung gegenüber Staaten, die interveniert haben, s. u., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3), bei Fn. 914, sowie 2. Teil A. IV., bei Fn. 423, 442, 443. 535 Dubisson, Cour, S. 252 f. 536 Brant, Autorité, S. 86; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 112 f.; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 109; Jouannet, RGDIP 100 (1996), S. 673, 689; dies., in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 255, 260;

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Daraus folgt, dass der IGH niemals (in der Hauptsache) Jurisdiktion über Drittstaaten ausüben kann. Die Ausübung von Jurisdiktion über einen Staat setzt gerade voraus, dass das Urteil den Staat verpflichtet und ihm gegenüber in Rechtskraft erwächst.537 Wenn diese Wirkungen des Urteils gegenüber einer Nicht-Partei nicht in Betracht kommen, scheidet auch die Ausübung von Jurisdiktion gegenüber einer Nicht-Partei begrifflich notwendig aus.538 Dieser Argumentation kann auch nicht der Vorwurf gemacht werden, einen Zirkelschluss zu enthalten. Insofern ist der Einwand vorstellbar, aus den fehlenden Urteilswirkungen für einen Drittstaat könne nicht geschlossen werden, dass über den Drittstaat keine – zustimmungsbedürftige – Jurisdiktion ausgeübt werde, weil die Urteilswirkungen gerade die Zustimmung des Drittstaats voraussetzten. Mit anderen Worten: Wenn die Rechtskraft und Bindungswirkung eines Urteils für einen Staat gerade erforderten, dass der Staat seine Zustimmung erteilt hat, könne aus dem Fehlen von Rechtskraft und Bindungswirkung nicht geschlossen werden, dass keine Zustimmung erforderlich sei. Die zirkuläre Argumentation würde demnach lauten: Die Ausübung von Jurisdiktion ohne Zustimmung sei verboten. Ausübung von Jurisdiktion sei Herstellung von Rechtskraft und Bindungswirkung. Rechtskraft und Bindungswirkung erforderten die Zustimmung des zu bindenden Staates. Der Drittstaat habe nicht zugestimmt. Daher entstehe weder Rechtskraft noch Bindungswirkung. Folglich gebe es keine Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten, und sei die Zustimmung des Drittstaats nicht erforderlich gewesen. Der hier geschilderte Ansatz wäre jedoch nur dann zirkulär und fehlerhaft, wenn die Rechtskraft und die Bindungswirkung des Urteils nicht bereits wegen eines anderen Grundes als der fehlenden Zustimmung ausschieden. Fehlt es an einer anderen Voraussetzung dieser Urteilswirkungen, ist die fehlende Zustimmung nicht entscheidend für das Entfallen der Urteilswirkungen für den Drittstaat. Dann würde auch nicht aus der fehlenden Zustimmung auf die fehlende Zustimmungsbedürftigkeit geschlossen, sondern die Entbehrlichkeit der Zustimmung ergäbe sich aus dem Fehlen der anderen Voraussetzung der Urteilswirkungen. Das ist in der Tat der Fall. Zwar ist es zutreffend, dass der IGH zur Entscheidung eines Falls der Zustimmung der Parteien bedarf.539 In diesem Sinne folgen in der Tat die Verpflichtungswirkung der Entscheidung und deren Rechtskraft aus dem zugrunde liegenden Zustimmungsakt der Parteien (in Verbindung mit dem allgemeinen

Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 391; Perez, Michigan JIL 18 (1997), S. 399, 418; vgl. Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 51 f.; vgl. auch IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/ Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 157; Hilpold, Osttimor, S. 40; Salvioli, Recueil des Cours 91 (1957 I), S. 553, 607; Schorer, Konsensprinzip, S. 120. 537 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. a) aa) dieser Arbeit. 538 Vgl. auch Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 389, 391. 539 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. dieser Arbeit.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Recht des Gerichts, in dem die Verbindlichkeit des Spruchs niedergelegt ist).540 Die Relativität der Entscheidungswirkungen steht damit in einer Linie mit der Relativität der übrigen völkerrechtlichen Normen, die auch sonst grundsätzlich nur diejenigen Staaten binden, die ihre Zustimmung erteilt haben.541 Daraus folgt aber nicht, dass die Bindungswirkung und die Rechtskraft der Urteile des IGH ausschließlich die Zustimmung der betroffenen Staaten voraussetzten. Die Zustimmungsakte der Parteien sind zwar eine notwendige Bedingung für eine (zulässige) bindende Streitentscheidung des IGH, aber noch keine hinreichende Bedingung. Wäre es anders, und genügte für die Rechtskraft und Bindungswirkung eines Urteils des IGH bereits die staatliche Zustimmung, dann wären alle Staaten, die sich der Jurisdiktion des IGH unterworfen haben, an jedes Urteil des Gerichtshofs gebunden. Das ist selbstverständlich nicht der Fall; vielmehr sprechen Art. 59 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 des Statuts jeweils von den Parteien des konkreten Streitfalls.542 Entscheidend für die Rechtswirkungen eines Urteils des IGH sind daher nicht ausschließlich die staatlichen Zustimmungsakte, sondern zudem die Tatsache der Verfahrenseinleitung durch den Willensakt einer Partei, zumeist also die Klageerhebung. Die Urteilswirkungen folgen damit nicht nur und unmittelbar aus der staatlichen Zustimmung, sondern zugleich aus dem nur zwischen den Parteien untereinander (und zwischen ihnen und dem Gerichtshof543) bestehenden Prozessrechtsverhältnis, dem seisin.544 Deshalb ist der entscheidende inhaltliche Grund für 540 Brant, Autorité, S. 224 f., 230 f.; Delbez, Principes généraux, S. 136; El Ouali, Effets, S. 67; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 111; Kamto, FS Mensah, S. 215, 219; Mabrouk, Exceptions, S. 82; Plamper, Nichtigkeit, S. 121; Ruiloba Santana, Jurídica – Anuario del Departamento de Derecho de la Universidad Interamericana 5 (1973), S. 633, 637; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 74 f. So dürften auch Rousseau, FS Rolin, S. 300, 307 f., und Conforti, AFDI 38 (1992), S. 460, 464 f. (auch bereits ders., RGDIP 90 (1986), S. 313, 337), zu verstehen sein, wenn sie das Konsensprinzip der Jurisdiktion des IGH als Korrelat der Relativität der Rechtskraft bezeichnen (ähnlich Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 319; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 21): Die Relativität der Rechtskraft folge aus der Zustimmung nur der Parteien, und die Zustimmung sei erforderlich, weil Rechtskraft entstehen soll. 541 David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 1; Delbez, Principes généraux, S. 136; Morelli, Recueil des Cours 61 (1937 III), S. 257, 320 f. Zum Zustimmungserfordernis in der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre vgl. auch oben, 1. Teil B. I. 1. a) dieser Arbeit. 542 Vgl. Delbez, Principes généraux, S. 136, der die Unverbindlichkeit eines völkerrechtlichen Richterspruchs für Drittstaaten sowohl aus der fehlenden Parteistellung als auch aus der fehlenden Zustimmung der Drittstaaten ableitet. 543 Vgl. zur Dreipoligkeit des Prozessrechtsverhältnisses bereits oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit. Daraus folgt übrigens auch, dass nicht nur die Parteien, sondern auch der Gerichtshof an die (relative) Rechtskraft eines früheren Urteils gebunden sind. 544 Zur Entstehung dieser Prozessrechtsverhältnisse durch das seising und damit auch zur Übersetzung des „seisin“ als „Prozessrechtsverhältnis“ vgl. Wegen, Vergleich, S. 64. Weil die Entscheidungswirkungen auch im innerstaatlichen Recht – wenigstens grundsätzlich – auf dem Prozessrechtsverhältnis beruhen, wird dort eine Entscheidung gegenüber einer Nicht-Partei für nichtig gehalten: vgl. BFH/NV 2002, S. 508; 2008, S. 75.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

die Relativität der Entscheidungswirkungen nicht, dass nur in diesem Verhältnis die Jurisdiktion des IGH konsentiert wurde, sondern dass nur zwischen den Parteien (und ihnen und dem Gerichtshof) ein Prozessrechtsverhältnis bestand. Daraus folgt, dass, wenn es an dem Prozessrechtsverhältnis fehlt, weil kein Verfahren gegen den Drittstaat eingeleitet wurde, keine Rechtskraft und keine Bindungswirkung gegenüber dem Drittstaat entstehen können. Dies gilt ganz ungeachtet seiner Zustimmung zum Verfahren. Daher bleibt es dabei, dass eine Ausübung von (Hauptsache-)Jurisdiktion über einen Staat, der nicht Partei des Verfahrens ist, nicht vorstellbar ist. Der Zustimmung eines solchen Staates bedarf es daher nicht. (2) Ausnahme bei Grenzziehungsfällen? Bisweilen wird allerdings angenommen, dass andere Erwägungen zu gelten haben, wenn der IGH über Staatsgrenzen entscheidet; diese seien gegenüber allen Staaten verbindlich, so dass dem Urteil des Gerichtshofs Rechtswirkung erga omnes zukomme. Dabei können in dem Meinungsbild zwei unterschiedliche Strömungen unterschieden werden: Einerseits wird vertreten, das Urteil des IGH, das die Grenzen zwischen zwei (oder mehr) Staaten festsetzt, habe unmittelbare Rechtswirkungen für alle anderen Staaten.545 Andererseits findet sich die Einschränkung, dass diese Grenzziehung nur für solche Staaten verbindlich sei, die nicht selbst Ansprüche auf die durch den Gerichtshof zugeordneten Gebiete erheben.546 Beides wird ausdrücklich als Ausnahme vom Grundsatz des Art. 59 des Statuts angesehen.547 Der Text des Statuts gibt eine solche Ausnahme jedoch nicht her. Weder ist die pauschale Aussage des Art. 59 einer Ausnahme zugänglich, noch ginge es an, dass zwar auch Drittstaaten an die Rechtskraft eines Urteils gebunden werden, dass aber nur die Parteien eine Auslegung des Urteils nach Art. 60 Satz 2 des Statuts beantragen oder die Durchbrechung der Rechtskraft nach Art. 61 des Statuts beanspruchen könnten. Auch der Gerichtshof hat nie eine erga omnes-Wirkung seiner Urteile in Grenzziehungsfällen angenommen, sondern hat vielmehr auch in solchen Fällen

545 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Judge Oda, ICJ Reports 1984, S. 90, 108 f.; East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Skubiszewski, ICJ Reports 1995, S. 224, 244; De Visscher, RBDI 1 (1965), S. 5, 9; Doussis, RGDIP 105 (2001), S. 55, 78; El Ouali, Effets, S. 83 f.; Rosenne, Intervention, S. 155; ders., Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1501; vgl. auch Rousseau, FS Rolin, S. 300, 305 f.; weitere Nachweise bei Brant, Autorité, S. 100 ff. 546 Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 59; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 62; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 218, Nr. 28. 547 Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 57, 59; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 61 f.; De Visscher, RBDI 1 (1965), S. 5, 9; Doussis, RGDIP 105 (2001), S. 55, 78; El Ouali, Effets, S. 83 f.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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auf die Relativität der Rechtswirkungen seines Urteils hingewiesen.548 Nur dies kann zutreffen, weil andere Staaten als die Parteien des Streitfalls nicht an dem Prozessrechtsverhältnis beteiligt waren, auf das die Rechtskraft des Urteils zurückgeht. Die Aufgabe des IGH in Grenzziehungsfällen betrifft deshalb zwar eine Rechtsfrage, die alle Staaten insoweit angeht, als sie alle verpflichtet sind, die Grenzen jedes anderen Staates zu achten.549 Das ändert aber nichts an der Wirkung seiner Entscheidung. Der Gerichtshof spricht also mit seinem Urteil zwar etwas aus, das seinem Inhalt nach geeignet ist, auch Wirkungen gegenüber Drittstaaten zu entfalten. Diese werden aber durch das Urteil als solches noch nicht gebunden; sie haben die getroffene Grenzziehung nicht allein aufgrund des Urteils hinzunehmen.550 Soweit dennoch Drittstaaten verpflichtet sind, die einmal festgelegten Grenzen zu achten, folgt diese Verpflichtung nicht aus dem Urteil, sondern aus dem allgemeinen Völkerrecht. Insofern liegt es nicht anders als bei einem Vertrag, mit dem die Parteien selbst, ohne Beteiligung des IGH, ihre Grenzen festlegen. Ein solcher Vertrag hat ebenfalls keine eigene Wirkung erga omnes.551 Vielmehr folgt die Bindung aller Staaten, die keine eigenen Gebietsansprüche hinsichtlich eines Grenzverlaufs geltend machen können, an diesen Grenzverlauf aus der ausschließlichen Zuständigkeit der an der Grenzziehung beteiligten oder unmittelbar interessierten Staaten.552 Sie legen den Grenzverlauf fest, und eine Missachtung dieses Verlaufs durch einen Staat ohne eigene Ansprüche auf das Gebiet stellte dann eine rechtswidrige Intervention dar. Nicht anders liegt es, wenn die Staaten sich nicht selbst auf eine Grenzziehung einigen, sondern die Grenze durch einen zwischen den Staaten verbindlichen Richterspruch des IGH bestimmt wird.553 Der Gerichtshof formuliert in diesem

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IGH, Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1981, S. 3, 20; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26; dazu auch Brant, Autorité, S. 103 ff.; Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 102 Fn. 47. 549 Dazu Brant, Autorité, S. 103. 550 Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 82 f.; Brant, Autorité, S. 102 ff.; Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 102 Fn. 47; Jenks, Prospects, S. 614; so wohl auch Al-Qahtani, LPICT 2 (2003), S. 269, 284. 551 Dahin geht aber eine insbesondere in der älteren Literatur vertretene Auffassung; dazu z. B. Fifth Report on the Law of Treaties, by Sir Gerald Fitzmaurice, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1960, Vol. II, S. 69, 97 f.; David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 7. 552 David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 10; vgl. Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 240; vgl. auch Thirlway, BYIL 66 (1995), S. 1, 22. Daraus folgt zugleich, dass ein dritter Staat mit eigenen Ansprüchen diese zukünftig gegenüber dem nach der vertraglichen (oder durch den IGH vollzogenen) Grenzziehung berechtigten Staat geltend machen muss, denn der Drittstaat kann nicht die Berechtigung gegenüber der anderen Partei der Grenzziehung bestreiten; dazu Jenks, Prospects, S. 614. 553 Vgl. David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 10; vgl. zu diesem Fall auch Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 117, allerdings nur im Sinne einer „faktische[n] Wirkung“ mit dem hier beschriebenen Inhalt.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Zusammenhang sogar, dass sein Urteil nur an die Stelle einer vertraglichen Einigung der Parteien tritt.554 Drittstaaten ohne eigene Gebietsansprüche sind also in der Tat an die Grenzziehung durch das Urteil gebunden.555 Diese Bindung ergibt sich jedoch nicht aus einer über Art. 59 des Statuts hinausgehenden Wirkung des Urteils, sondern aus der Hoheitsmacht der Parteien, die der von ihnen legitimierten Grenzziehung durch den IGH einen Achtungsanspruch gegenüber allen selbst nicht beteiligten oder unmittelbar interessierten Staaten beilegt. Hat ein Drittstaat dagegen eigene relevante Gebietsansprüche, kann ihm das Urteil diese nicht nehmen und ist auch die Hoheitsmacht der die Grenze festlegenden Parteien diesen Ansprüchen gegenüber nicht ausschließlich. Eine Ausnahme von Art. 59 des Statuts kommt demnach nicht in Betracht. Folglich gilt für Grenzziehungsfälle des IGH dasselbe wie für die anderen, bereits erörterten Fälle. Der Gerichtshof ist auch in Grenzziehungsfällen unfähig, durch sein Urteil Drittstaaten zu binden, und er kann deshalb auch in diesen Fällen bereits begrifflich keine Hauptsachejurisdiktion über Drittstaaten ausüben. Der Zustimmung eines Drittstaats bedarf es daher unter dem Gesichtspunkt der Zustimmungsbedürftigkeit der Hauptsachejurisdiktion des IGH nicht. (3) Exkurs: Art. 59 des Statuts und die Präzedenzwirkung der Rechtsprechung Soweit ersichtlich, wird nicht bestritten, dass Art. 59 des Statuts die Relativität der Rechtskraft (oder, nach anderen Ansichten, der Verpflichtungswirkung oder beider Wirkungen) der Urteile des IGH anordnet. Dennoch wird die Norm wohl öfter als für diese Aussage(n) für die Auffassung in Anspruch genommen, dass die Urteile des IGH keine zwingende Präzedenzwirkung analog der Rechtsprechung der Obergerichte in Staaten der common law-Tradition entfalten, dass also die dortige Doktrin

554

StIGH, Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Order, PCIJ Series A, No. 22, S. 13; IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 577; Passage through the Great Belt, Provisional Measures, ICJ Reports 1991, S. 12, 20. In diesem Sinne leistet Art. 59 des Statuts dasselbe, was bei einem Vertrag Art. 34 WVK leisten würde: Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1069. 555 Vgl. IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Honduras for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 420, 442 („So long as there are no third-State claims, the boundary is to run indisputably on the course defined by the Court“); Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), ICJ Reports 2013, S. 281, 317 („Once a dispute regarding territorial sovereignty has been resolved and uncertainty removed, each party must fulfil in good faith the obligation which all States have to respect the territorial integrity of all other States“); Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 59; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 62. Insofern hält Thirlway, MPEPIL, S. 493, 495, die hier abgelehnte Auffassung zu Recht für eine „oversimplification“.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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des stare decisis für die Rechtsprechung des IGH nicht gelte.556 Angesichts der Nähe zu dem hier verfolgten Aspekt von Art. 59 soll die Frage nach der Präzedenzwirkung beim IGH kurz diskutiert werden. Sollten die zitierten Stimmen dahingehend zu verstehen sein, dass erst Art. 59 des Statuts durch seine unmittelbare rechtliche Wirkung die Doktrin des stare decisis ausschließe, so wäre das wenig überzeugend. Denn Art. 59 könnte allenfalls die Präzedenzwirkung von Entscheidungen („decisions“) des IGH ausschließen. Auf die Gutachten des IGH ist Art. 59 von vornherein nicht anwendbar,557 ebenso wenig wie auf Entscheidungen anderer internationaler Gerichte.558 Gleichwohl sind auch diese gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. d des Statuts vom IGH als Hilfsrechtsquellen heranzuziehen.559 Dass es sich bei der Rechtsprechung nur um eine Hilfsrechtsquelle handeln darf, hindert eine bindende Präzedenzwirkung nicht schon, denn selbst wenn ein Gericht eine andere, echte Rechtsquelle anwenden müsste, könnte es zu deren Inhalt sehr wohl an frühere Rechtsprechung gebunden sein.560 Stare decisis muss also nicht materiell wirken, in dem Sinne, dass die bindende Rechtsprechung selbst das anzuwendende Recht darstellt,561 sondern kann ein Gericht prozessual bei seiner 556 Vgl. z. B. StIGH, Certain German Interests in Polish Upper Silesia, PCIJ Series A, No. 7, S. 19; Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), PCIJ Series A, No. 13, S. 21; IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26; U.S. Supreme Court, Sanchez-Llamas v. Oregon, 548 U.S. 331, 354 f. (2006); Berman, in: Tams/Sloan, S. 7, 19; von Bogdandy/Jacob, FS Simma, S. 809, 822; Palchetti, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 27 Rn. 4; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 496, 554; Richards, BYIL 2 (1921 – 1922), S. 1, 4; Röben, GYIL 32 (1989), S. 382, 385, 399 Fn. 106; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1570; Simpson, Hastings ICLR 17 (1994), S. 323, 328; Smith, Relation, S. 100; Waldock, Recueil des Cours 106 (1962 II), S. 1, 91; anders aber Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 86; Beckett, Recueil des Cours 39 (1932 I), S. 135, 140 f.; Stone, Legal Controls, S. 141 Fn. 188. 557 Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 23; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 27; Cot, ebda., Art. 68 Rn. 41; Erich, RDILC 55 (1928), S. 864, 866; Kolb, ICJ, S. 1094; Rosenne, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1147; Shahabuddeen, Precedent, S. 63. 558 Finke, Parallelität, S. 368; Hambro, Current Legal Problems 7 (1954), S. 212, 218; Jennings, ICLQ 45 (1996), S. 1, 6; Shahabuddeen, Precedent, S. 100. 559 Jeweils ebda., allerdings ohne Bezug auf die Gutachten des IGH. Vgl. zu diesen Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 308. 560 Vgl. auch Finke, Parallelität, S. 373. Finke meint dort, ein Gericht beziehe sich selbst in einem System des stare decisis immer auch auf eine andere Rechtsquelle als die Rechtsprechung, weil es entscheiden müsse, ob ein Präzedenzfall nach dem zugrunde liegenden Recht einschlägig ist. Das unterschätzt die Bedeutung der Rechtsprechung im common law (in Abgrenzung auch zur gesetzesinterpretierenden Rechtsprechung in Staaten der common lawTradition) und damit die potenzielle Bedeutung des stare decisis. 561 So dürfte stare decisis allerdings im common law wirken, unter der Maßgabe, dass Gerichtsentscheidungen grundsätzlich rückwirkend die Rechtslage feststellen; frühere Auffassungen waren dann nie geltendes Recht: vgl. House of Lords, R v. Governor of Brockville Prison, ex parte Evans (No. 2) [2001] 2 AC 19, 26 f. (Lord Slynn of Hadley), 35 ff. (Lord Hope of Craighead), 45 (Lord Hobhouse of Woodborough).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Einschätzung der Rechtslage binden.562 Die erste Wirkweise von stare decisis wäre mit Art. 38 Abs. 1 lit. d des Statuts nicht zu vereinbaren, weil die Rechtsprechung dann zur (Haupt-)Rechtsquelle würde;563 die zweite ist danach aber nicht unzulässig.564 Würde nun erst Art. 59 des Statuts die Geltung von stare decisis positiv ausschließen, dann wären die Entscheidungen anderer Gerichte als des IGH und dessen Gutachten als Präzedenzfälle verbindlich; nur die Entscheidungen des IGH im streitigen Verfahren wären es nicht.565 Dafür spricht ersichtlich nichts. Folglich schließt nicht erst Art. 59 des Statuts die Bindung des IGH an seine eigene Rechtsprechung aus.566 Dennoch besteht kein Zweifel, dass den Entscheidungen und Gutachten des IGH keine bindende Präzedenzwirkung zukommt.567 Weder ist der IGH selbst an seine Entscheidungen gebunden,568 noch bindet seine Rechtsprechung andere Gerichte.569 Das liegt aber nicht entscheidend an dem Normgehalt von Art. 59 des Statuts. Vielmehr bedarf es, damit ein System der bindenden Präzedenzfälle entsteht, einer Norm, die eine solche Bindung anordnet.570 So beruht die Doktrin des stare decisis im englischen Recht auf Normen des common law,571 und in den USA hat sie sogar 562 Offenbar eine solche Norm erörtert und befürwortet (de lege ferenda) Finke, Parallelität, S. 365 ff., 374. 563 Finke, Parallelität, S. 373; Gardner, JCLIL 17 (1935), S. 251, 254; vgl. auch Rosenne, BYIL 80 (2009), S. 217, 220 Fn. 5. 564 Finke, Parallelität, S. 373. 565 Finke, Parallelität, S. 368; Hambro, Current Legal Problems 7 (1954), S. 212, 218; Jennings, ICLQ 45 (1996), S. 1, 6; Shahabuddeen, Precedent, S. 100 f. Die zitierten Autoren beziehen sich jeweils nicht auf die Gutachten des IGH. 566 Jeweils ebda. 567 Vgl. die zuvor zitierten, sich auf Art. 59 des Statuts beziehenden Stimmen, sowie Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 63 Rn. 4; De Visscher, RBDI 1 (1965), S. 5, 7; Jennings, ICLQ 45 (1996), S. 1, 6; Lauterpacht, Development, S. 13; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 82, 85; Thirlway, MPEPIL, S. 493, 498; vgl. auch Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Trendtex Trading Corporation v. Central Bank of Nigeria [1977] QB 529, 554 (Lord Denning MR), 579 (Shaw LJ). 568 Vgl. IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 275, 292; Brant, Autorité, S. 153; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1570. 569 Vgl. zur innerstaatlichen Rechtsprechung House of Lords, Feist v. Société Belge d’Electricité [1934] AC 161, 173 (Lord Russell of Killowen); U.S. Supreme Court, SanchezLlamas v. Oregon, 548 U.S. 331, 353 ff. (2006); teils a.A. Jenks, Propects, S. 755 f. Das gilt sogar im Verhältnis des IGH, des Hauptrechtsprechungsorgans der UN, zu anderen Rechtsprechungsorganen der UN: ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Zejnil Delalic´, Zdravko Mucic´, Hasim Delic´ and Esad Landzˇo, ILM 40 (2001), S. 630, 635 f.; Dupuy, FS Simma, S. 862, 864 f. 570 In diese Richtung wohl auch Condorelli, in: Juridiction permanente, S. 277, 309; Shahabuddeen, Precedent, S. 105. 571 House of Lords, In re Spectrum Plus Ltd (in liquidation) [2005] UKHL 41, [2005] 2 AC 680, Rn. 39 (Lord Nicholls of Birkenhead); Court of Appeal (Criminal Division) (England und

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verfassungsrechtliche Grundlagen.572 Im Völkerrecht bedürfte es zu einem ähnlichen Erfolg sogar mehrerer Normen, da jedes an die Rechtsprechung zu bindende Organ in seinem jeweiligen normativen System gebunden werden müsste. Solche Normen gibt es hinsichtlich der Rechtsprechung des IGH nicht.573 Art. 59 des Statuts verbietet also nicht die strenge Bindung des IGH an seine eigene Rechtsprechung und steht auch Anordnungen einer Bindung anderer Gerichte an diese Rechtsprechung nicht entgegen.574 Gleichwohl deutet er durch seinen weiten Wortlaut darauf hin, dass keine Form der Bindung Dritter an den Urteilsspruch besteht, und zwar weder hinsichtlich der Rechtskraft und Bindungswirkung der Entscheidung, noch in der Form einer Präzedenzwirkung.575 Ihren Grund findet diese Rechtslage jedoch nicht in Art. 59 des Statuts, sondern im Fehlen einer Norm, die eine Präzedenzwirkung positiv anordnet. Art. 59 reflektiert nur diese vorgefundene Rechtslage. Dennoch ergeben sich aus dem Statut Bedenken gegen die de lege ferenda vorgebrachte These, zur Vermeidung widersprüchlicher Rechtsprechung sollte ein System des stare decisis im Völkerrecht etabliert werden.576 Das System des Statuts macht das streitige Verfahren des IGH nämlich wenig geeignet, allgemein bindende Rechtssätze hervorzubringen. Wenn ein Gericht – wie im System des common law – die Befugnis hat, das Recht durch seine Entscheidung tatsächlich zu ändern, ist es im Interesse der Legitimität dieser Rechtsmacht des Gerichts geboten, jedem, der an der Rechtslage ein Interesse hat und zur verbindlichen Rechtsfindung (oder Rechtssetzung) beitragen kann, die Möglichkeit einer Nebenintervention zu gewähren.577 Art. 63 des Statuts enthält ein solches Recht für alle weiteren Parteien eines vor dem IGH relevanten Vertrags.578 Außerhalb von Art. 63 gibt es ein solches Recht nach Wales), R. v. James [2006] EWCA Crim 14, [2006] QB 588, Rn. 41 (Lord Phillips of Worth Matravers CJ). 572 Vgl. U.S. Supreme Court, Sanchez-Llamas v. Oregon, 548 U.S. 331, 353 ff. (2006). 573 Vgl. Shahabuddeen, Precedent, S. 105. 574 Vgl. Finke, Parallelität, S. 373. Ob das Statut wirklich – etwa über Art. 92 Satz 2, 103 der Charta – eine solche Regelung eines anderen Vertrags verbieten könnte, kann offen bleiben. 575 Vgl. Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 45; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 80. 576 So Finke, Parallelität, S. 365 ff., 374. 577 Röben, GYIL 32 (1989), S. 382, 407; vgl. auch Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Roe v. Sheffield City Council [2003] EWCA Civ 1, [2004] QB 653, Rn. 104 (Hale LJ); von Bogdandy/Venzke, EJIL 23 (2012), S. 7, 27 f.; Finke, Parallelität, S. 369; Richards, BYIL 2 (1921 – 1922), S. 1, 4; Schorer, Konsensprinzip, S. 136. 578 Art. 63 des Statuts begründet ein Interventionsrecht der weiteren Parteien des Vertrags, wohingegen Art. 62 des Statuts nach verbreiteter Ansicht die Intervention in das Ermessen des Gerichts stellt: Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 63 Rn. 11; Finke, Parallelität, S. 369; Hudson, Permanent Court, S. 420; a.A. zu Art. 62 Abs. 1 des Statuts IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Honduras for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Judge Abraham, ICJ Reports 2011, S. 447 ff.; Bonafé, LJIL 25 (2012), S. 739, 749; Fritzemeyer, Intervention, S. 130; Kolb, ICJ, S. 704 f.;

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dem Statut aber nicht. Insbesondere hat der IGH entschieden, dass ein Interesse nur an der Rechtslage im allgemeinen Völkerrecht noch nicht für ein „interest of a legal nature“ im Sinne des Art. 62 Abs. 1 des Statuts ausreicht.579 Unter anderem in dieser Rechtslage kommt die (weitgehende) Bilateralität des streitigen Verfahrens des IGH zum Ausdruck.580 Diese macht das streitige gerichtliche Verfahren grundsätzlich ungeeignet zur allgemeinverbindlichen Rechtssetzung oder -findung. Außerdem bedeutet das enge Jurisdiktionsregime des IGH, dass er selten in der Lage sein wird, eine als unzutreffend erkannte Rechtsprechung zeitnah zurückzunehmen.581 Einen internationalen Gesetzgeber, der das tun könnte, gibt es zudem auch nicht.582 Finkes Oellers-Frahm, ZaöRV 41 (1981), S. 579, 587; vgl. auch IGH, Continental Shelf (Tunisia v. Libyan Arab Jamahiriya), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1981, S. 3, 12, wo der IGH je nach Lesart entweder jedes oder nur ein weites Ermessen verneint. 579 IGH, Continental Shelf (Tunisia v. Libyan Arab Jamahiriya), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1981, S. 3, 8; Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 124; Sovereignty over Pulau Ligitan and Pulau Sipadan, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 2001, S. 575, 597, 603; so auch Bonafé, LJIL 25 (2012), S. 739, 754 f.; Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 43; Doussis, RGDIP 105 (2001), S. 55, 63; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 552; Fritzemeyer, Intervention, S. 116; Günther, GYIL 34 (1991), S. 254, 267 f.; Mbaye, Recueil des Cours 209 (1982 II), S. 223, 291 f.; Oellers-Frahm, ZaöRV 41 (1981), S. 579, 581 f., 588; Quéneudec, Recueil des Cours 255 (1995), S. 339, 423; a.A. Finke, Parallelität, S. 369; Oda, Recueil des Cours 244 (1993 VII), S. 9, 85; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 59; de lege ferenda für eine andere Lösung Damrosch, in: dies., S. 376, 388. Finke und Thirlway berufen sich (mittelbar) auf einen Vorschlag Balfours bei der Ausarbeitung des Statuts des StIGH; dieser ist aber erfolglos geblieben: Shahabuddeen, Precedent, S. 60 f. Nach dem vorstehend zitierten Urteil im Fall Sovereignty over Pulau Ligitan and Pulau Sipadan kann ein Interesse an der Auslegung eines für rechtliche Interessen des Intervenienten maßgeblichen Rechtsakts genügen; vgl. dazu Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 399; Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 144, 159 ff. Es darf aber weiterhin nicht um ein ganz allgemeines Interesse gehen (S. 597 ff., 603 des Urteils); anders als bei Art. 63 können nicht alle weiteren Rechtsunterworfenen intervenieren. 580 Im Zusammenhang mit Art. 62 des Statuts hat Richter Sir Robert Jennings der Gerichtsmehrheit einen „enervating bilateralism“ vorgeworfen: IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 159; vgl. allgemein zur Bilateralität des Verfahrens vor dem IGH Aust, Complicity, S. 297; Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 374, 375 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 41 f.; Rosenne, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1157; ders., Ann. IDI 68-I (1999), S. 166, 169; Tams, FS Simma, S. 379, 383; Wyler/Castellanos-Jankiewicz, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 284, 300, 302. Vgl. weiterhin Art. 46 des Statuts, wonach die Parteien die Öffentlichkeit ausschließen lassen können, sowie Art. 26 Abs. 2 zur Wahl einer Kammer anstelle des ganzen IGH durch die Parteien. Zu letzterem meint Palchetti, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 26 Rn. 32, der Gerichtshof könne die Bildung einer Kammer auch verweigern, wenn der Streit nicht nur von bilateralem, sondern von weiterem Interesse sei. Wittich, FS Hafner, S. 981, 1000, spricht von einem Widerstreit zwischen den „public and private functions“ des IGH; so auch Lowe, ICLQ 61 (2012), S. 209, 213. 581 Vgl. Berman, in: Tams/Sloan, S. 7, 19 f.; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 38 Rn. 334; Tams, in: ders./Sloan, S. 377, 392 f. 582 Lauterpacht, Development, S. 19; Lowe, ICLQ 61 (2012), S. 209, 215; Waldock, Recueil des Cours 106 (1962 II), S. 1, 91 f.

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Vorschlag de lege ferenda, ein System des stare decisis für die Rechtsprechung des IGH zu begründen,583 stehen deshalb gewisse Bedenken entgegen. (4) Zwischenergebnis zur Ausübung von Hauptsachejurisdiktion über Drittstaaten Nach dem Vorstehenden ist festzuhalten, dass für einen nicht am Verfahren vor dem IGH beteiligten Staat die rechtlichen Urteilsfolgen, nämlich die Bindungswirkung des Urteils gemäß Art. 94 Abs. 1 der Charta und die Rechtskraft des Urteils gemäß Art. 59, 60 des Statuts, nicht entstehen können. Daher ist die Ausübung der streitigen Jurisdiktion des IGH über Drittstaaten sachlich schon nicht vorstellbar; sie liegt mithin auch bei der Entscheidung über eine Frage mit Drittstaatsbezug nicht vor. Die Entscheidung über eine solche Frage steht deshalb – gleich in welcher Weise der Drittstaat betroffen ist – nicht in unmittelbarem Widerspruch zu dem grundlegenden Satz der streitigen Jurisdiktion des IGH, wonach die Ausübung von Jurisdiktion über einen Staat dessen Zustimmung voraussetzt.584 Die Relativität der Entscheidungswirkungen eines Urteils hat daher nicht nur die Wirkung, Drittstaaten zu schützen. Vielmehr führt sie auch dazu, dass Drittstaaten von einer Ausübung der streitigen Jurisdiktion des IGH nicht berührt werden, und beseitigt somit auch das Erfordernis der Zustimmung der Drittstaaten zu dieser Jurisdiktion. Der grundlegende Satz der Zustimmungsbedürftigkeit der streitigen Jurisdiktion des IGH besagt deshalb zwar, dass der IGH keine Jurisdiktion hat, Streitfälle zwischen Staaten ohne deren Zustimmung zu entscheiden.585 Das bedeutet jedoch nur, dass der Gerichtshof für den regulären Fall der Entscheidung in einem Fall zwischen zwei Staaten auf deren Zustimmung angewiesen ist, weil sein Urteil diese Staaten binden soll und daher eine Ausübung von (Hauptsache-)Jurisdiktion ihnen gegenüber darstellen wird. Das Konsensprinzip der streitigen Jurisdiktion des IGH geht jedoch nicht so weit, auch die Zustimmung eines Drittstaats zu verlangen, über den ein impliziter oder inzidenter Ausspruch erfolgen soll und der nicht durch das Urteil gebunden wird. b) Die Ausübung der inzidenten Jurisdiktion des IGH über Drittstaaten Aus denselben Gründen findet auch eine direkte Ausübung der inzidenten Jurisdiktion des IGH über Drittstaaten nicht statt. Auch von diesen Rechtsprechungsakten werden Drittstaaten nicht mit Rechtswirkung betroffen. Das ergibt sich 583 584

105.

Finke, Parallelität, S. 365 ff., 374. So aber ausdrücklich IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90,

585 So ausdrücklich IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

hier aber nicht erst aus der Relativität der Rechtskraft, sondern bereits aus den Eigenheiten der inzidenten Verfahren. Die Art und Weise, in der der IGH seine inzidente Jurisdiktion ausübt, ergibt sich jeweils aus der zugrunde liegenden Regelung des Statuts. Die Jurisdiktion zum Erlass einstweiliger Maßnahmen gemäß Art. 41 des Statuts wird also durch den Erlass der Maßnahmen ausgeübt,586 und die Jurisdiktion nach Art. 36 Abs. 6 des Statuts durch die Entscheidung über eine Frage der generellen oder speziellen, der abstrakten oder der konkreten Jurisdiktion. Gleichfalls wird die Jurisdiktion zur Interpretation eines Urteils durch das Interpretationsurteil ausgeübt.587 In allen diesen Fällen ist eine Ausübung der Jurisdiktion über einen Drittstaat sachlich ausgeschlossen. Die einstweiligen Maßnahmen richten sich notwendig nur an die wirklichen Parteien des Streitfalls,588 und die Entscheidung über die Jurisdiktion des IGH betreffend einen Antrag ergeht ebenfalls nur gegenüber den Parteien des damit eingeleiteten Verfahrens. Ein Interpretationsurteil wiederum kann inhaltlich nicht über den Gehalt des früheren Urteils hinausgehen, sondern kann dieses nur erläutern.589 An sich hat es also selbst für die Parteien keine eigene Wirkung, außer dadurch, dass es sie auf eine bestimmte Interpretation des vorhergegangenen Urteils festlegt. Für Drittstaaten folgt aus einem Interpretationsurteil daher nichts anderes als bereits aus dem zu interpretierenden Urteil gefolgt ist. Die Jurisdiktion nach Art. 60 kann deshalb als solche keine Drittstaatswirkung haben. Im Übrigen ergibt sich die ausschließliche inter partes-Wirkung der Ausübung der inzidenten Jurisdiktion des IGH aus dem Zweck der inzidenten Jurisdiktion selbst. Diese Jurisdiktion knüpft an das Prozessrechtsverhältnis (seisin) in der Hauptsache590 oder – im Fall der derivativen Jurisdiktion – an ein zuvor ergangenes Urteil an.591 Insbesondere soll die Kompetenz-Kompetenz des IGH unter Art. 36 Abs. 6 des Statuts die Sachentscheidung unter dem Gesichtspunkt der Jurisdiktion des Gerichtshofs unangreifbar machen und dienen Maßnahmen nach Art. 41 des Statuts dem Schutz der Effektivität der Sachentscheidung. Die derivativen Verfahren der Interpretation und der Wiederaufnahme wiederum gelten der Klärung bzw. der Korrektur des einmal erlassenen Urteils. Wenn das Prozessrechtsverhältnis und das Urteil aber nur relativ – im Verhältnis zwischen den Parteien – gelten, können auch 586 Vgl. Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 27, die dabei die Jurisdiktion zum Erlass einstweiliger Maßnahmen als „power“ und nicht als „jurisdiction“ bezeichnet. 587 Vgl. Zimmermann/Thienel, ebda., Art. 60 Rn. 51. 588 Vgl. Art. 75 Abs. 1 der Verfahrensordnung („provisional measures which ought to be taken or complied with by any or all of the parties“). 589 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (c) dieser Arbeit. 590 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (a) und (b) dieser Arbeit. Bei Art. 36 Abs. 6 des Statuts genügt allerdings ein Antrag, dem der Anschein eines wirksamen seising zukommt, damit über dieses entschieden werden kann, und bei Art. 41 des Statuts genügt ein prima facie anzunehmendes seisin (vgl. ebda.). 591 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (c) und (d) dieser Arbeit.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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die dazu inzidenten und derivativen Entscheidungen keinen weiteren personellen Wirkungsbereich haben.592 Einen Sonderfall bildet die Wiederaufnahme gemäß Art. 61 des Statuts. Dort erstreckt sich die zwingende Jurisdiktion des IGH nicht nur auf den Erlass des Urteils gemäß Art. 61 Abs. 2, mit dem der Wiederaufnahmeantrag für zulässig erklärt wird, sondern erlaubt auch den Erlass des neuen Sachurteils, soweit die Jurisdiktionsgrundlage im Ausgangsverfahren reichte.593 Art. 61 des Statuts hat insofern nur die Funktion, die einmal bestehende Hauptsachejurisdiktion für die Zwecke des Erlasses eines neuen Urteils nach einer Wiederaufnahme zu verlängern, oder, allgemeiner formuliert, den Rechtsstreit auch hinsichtlich aller Jurisdiktionsfragen in die Lage vor Erlass des ersten Urteils zurückzuversetzen.594 Das zweite Sachurteil kann daher, ebenso wie das vorhergegangene Urteil, Drittstaatsinteressen berühren. Die Frage des Einflusses von Drittstaatsinteressen auf die Jurisdiktion des Gerichtshofs stellt sich damit ebenso wie bei dem früheren Urteil; dies ist deshalb eine Frage der Ausübung der Hauptsachejurisdiktion. Auch bei der Ausübung der Jurisdiktion nach Art. 61 des Statuts wird also – wie sonst bei der Hauptsachejurisdiktion – nie zugleich Jurisdiktion über einen Drittstaat ausgeübt.595 c) Zwischenergebnis zur Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten Demnach ist die Ausübung der Hauptsachejurisdiktion des IGH sachlich notwendig auf die Parteien beschränkt, weil mit ihr nur die Herstellung von Bindungswirkung und Rechtskraft angesprochen ist und diese Wirkungen nur gegenüber den Parteien eines Rechtsstreits entstehen. Art. 59 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 des Statuts verhindern damit eine Ausübung von Jurisdiktion über Drittstaaten. Es mag sein, dass ihre Schutzwirkung gleichwohl nicht ausreicht,596 wenn eine Sachentscheidung des IGH für den Drittstaat faktisch wie eine ihn bindende Entscheidung 592 So zu Art. 41 des Statuts IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia (Serbia and Montenegro)), Provisional Measures, ICJ Reports 1993, S. 325, 344, und dazu Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 33 f.; Rosenne, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1146 f. mit Fn. 36. 593 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (d) dieser Arbeit. Der Begriff des Sachurteils schließt hier ein Urteil über die Jurisdiktion des Gerichtshofs ein; er gilt der Abgrenzung vom Urteil nach Art. 61 Abs. 2 des Statuts. 594 Im letzteren Sinne Kaufmann, Wiederaufnahme, S. 105; Plamper, Nichtigkeit, S. 30; Wittmann, Problem, S. 144; vgl. auch Rosenne, Interpretation, S. 167. 595 Vgl. die vorhergehenden Abschnitte dieser Arbeit. 596 So IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 157; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Schwebel, ICJ Reports 1992, S. 329, 333, 342; Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 70 f.; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 70; Chinkin, Third Parties, S. 211; Crawford, State Responsibility, S. 664 f.; Greig, Virginia JIL 32 (1992), S. 287, 319 f.; Schorer, Konsensprinzip, S. 120 f.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

wirkt.597 Das gehört jedoch mangels einer rechtlichen Bindung des Drittstaats jedenfalls nicht zur Frage der Ausübung von Jurisdiktion über den betroffenen Drittstaat, denn eine Ausübung von Jurisdiktion entsteht eben nur durch die rechtliche Bindungswirkung. Folglich stellt sich auch die Frage nach der Berechtigung der Ausübung von Jurisdiktion – also die Frage nach der Jurisdiktion des Gerichtshofs – nur mit Blick auf die Herstellung von Rechtskraft und Verpflichtungswirkung für einen Staat. Die inzidente Jurisdiktion wiederum ist bereits ihrer Zielsetzung nach und kraft ihrer Anknüpfung an das zwischen den Parteien bestehende Prozessrechtsverhältnis (seisin) nur auf die Parteien eines Prozesses vor dem IGH bezogen. Insgesamt findet daher eine Ausübung von Jurisdiktion über einen Drittstaat nicht statt. Demnach kommt eine Verletzung des allgemeinen Grundsatzes, nach dem die Ausübung von Jurisdiktion über einen Staat dessen Zustimmung erfordert, aufgrund der nur faktischen Betroffenheit von Drittstaatsinteressen nicht in Betracht. Wenn der IGH in East Timor meint, das beantragte Hauptsacheurteil liefe dem Konsensprinzip unmittelbar zuwider,598 ist deshalb zumindest dieser Begründungsansatz nicht überzeugend. 3. Zwischenergebnis zur Begründung der Monetary Gold-Doktrin aus dem Jurisdiktionsregime des IGH Nach den vorstehenden Ausführungen ist der grundlegende Satz des Jurisdiktionsregimes des IGH, nach dem die Jurisdiktion des Gerichtshofs die Zustimmung der betroffenen Staaten voraussetzt, dahingehend zu präzisieren, dass nur die Zustimmung der Parteien des Verfahrens erforderlich ist. Die Parteien des – außerprozessualen – Streitfalls müssen danach nicht sämtlich zugestimmt haben,599 weil ihnen gegenüber keine Entscheidung ergeht. Für das Konsensprinzip der internationalen streitigen gerichtlichen Jurisdiktion kommt es daher nicht darauf an, wessen Streit entschieden wird, sondern nur darauf, wer von der Entscheidung rechtlich gebunden werden soll.

597 So IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Schwebel, ICJ Reports 1992, S. 329, 331, 342; De Visscher, Recueil des Cours 26 (1929 I), S. 5, 34 f.; Schorer, Konsensprinzip, S. 120 f.; vgl. Crawford, State Responsibility, S. 665. 598 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105 („would run directly counter to“, Hervorhebung nicht im Original). 599 Vgl. Torres Bernárdez, FS Oda, S. 995, 998 f. So aber Akande, Aggression, S. 12, 14; Dubisson, Cour, S. 149 f.; Fitzgerald, Harvard ILJ 37 (1996), S. 260; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 524; Merrills, Dispute Settlement, S. 122 f.; vgl. auch Chinkin, ICLQ 45 (1996), S. 712, 718 (die dem Urteil im Monetary Gold-Fall die hier abgelehnte Auffassung zuschreibt); Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 109 f. (der ebenfalls den IGH so versteht, dies aber selbst kritisch sieht); Kahn, Loyola of Los Angeles Law Review 34 (2000), S. 11, 35 Fn. 76.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Die Monetary Gold-Formel lässt sich deshalb nicht schon damit begründen, der IGH habe keine Jurisdiktion zur Entscheidung des Falls, solange der Drittstaat nicht seine Zustimmung erteilt hat. Vielmehr hat der Gerichtshof die erforderliche Jurisdiktion zur Entscheidung des Falls im Verhältnis zu den wirklichen Parteien des vor ihn gebrachten Falls, und gegenüber dem Drittstaat bedarf er keines Jurisdiktionstitels.600 Wenn er einen Fall wie den Monetary Gold-Fall gleichwohl nicht in der Sache entscheiden kann, dann aus einem anderen Grund. 4. Konsequenz für die Begründung der Monetary Gold-Doktrin aus der Maxime nemo dat quod non habet Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass die Unzulässigkeit der Sachentscheidung in der Monetary Gold-Situation nicht unter Berufung auf die Maxime nemo dat quod non habet damit begründet werden kann, Staaten, die der Zuständigkeit des IGH zugestimmt haben, könnten den Gerichtshof dadurch nicht ermächtigen, über die rechtliche Position eines Drittstaats zu entscheiden.601 Zwar hat der Satz nemo dat quod non habet (auch: nemo plus juris transferre potest quam ipse habet) auch im Völkerrecht seine Berechtigung.602 Er besagt, dass ein Mitglied einer horizontal organisierten Rechtsordnung ohne besondere Ermächtigung niemandem mehr Rechte einräumen kann, als es selbst hat.603 Letztlich handelt es sich hierbei im völkerrechtlichen Zusammenhang nur um eine andere Ausdrucksweise für die bereits erwähnte grundlegende Folge aus der staatlichen Souveränität, nach der es keine den Staaten a priori übergeordnete Macht gibt,604 denn die Übertragung fremder Rechte ohne besondere Ermächtigung durch die Träger dieser Rechte wäre nur als Hoheitsakt denkbar. Indem die dem Verfahren zustimmenden Parteien in der Monetary Gold-Situation aber den IGH um eine Sachentscheidung ersuchen, ermächtigen sie ihn nicht, irgendetwas gegenüber dem Drittstaat zu bewirken. Sie geben nicht vor, dem Gerichtshof Jurisdiktion über den Drittstaat zu übertragen, denn das Urteil oder die inzidenten Entscheidungen des Gerichtshofs würden in keinem Fall den Drittstaat 600

Vgl. Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 52. So aber Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2008), S. 971, 975; Torres Bernárdez, Ann. IDI 68-I (1999), S. 186, 195 f. 602 Vgl. allgemein Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107, 118, sowie zu besonderen Anwendungsfällen Netherlands–USA Arbitral Tribunal, Island of Palmas Case, RIAA II, S. 829, 842 (zum Umfang einer Zession), sowie aus dem Europarecht Ipsen, Gemeinschaftsrecht, S. 56; Lorenz, Übertragung, S. 333 (jeweils zu den Konsequenzen der – dort abgelehnten – Annahme, die Hoheitsrechte der EG/EU seien derivativer Natur), und zur Bindung internationaler Strafgerichte an die Immunitäten, die auch die sie gründenden Staaten binden, Breuer, FS Klein, S. 747, 759 f.; Klingberg, GYIL 46 (2003), S. 537, 550. 603 Der Umkehrschluss ist freilich nicht (allgemein-)gültig, weil Rechte auch unveräußerlich sein können. 604 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. a) dieser Arbeit. 601

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

binden und eine Ausübung von Jurisdiktion ihm gegenüber bedeuten. Vielmehr ermächtigen die Parteien den Gerichtshof nur zur Entscheidung und zur Ausübung von Jurisdiktion ihnen selbst gegenüber. Damit ist keine Übertragung fremder Rechte verbunden. Die Maxime nemo dat quod non habet steht der Sachentscheidung des IGH in der Monetary Gold-Situation daher nicht entgegen.

II. Begründung aus dem Erfordernis eines dispute Als Begründung der Monetary Gold-Formel kommt weiterhin in Betracht, dass in Wirklichkeit kein dispute zwischen den Parteien des Verfahrens vor dem IGH vorliege, sondern vielmehr ein dispute zwischen dem Kläger und dem betroffenen Drittstaat.605 Wie bereits erwähnt wurde,606 klingt (auch) dieser Ansatz im Urteil im Monetary Gold-Fall an, wenn der Gerichtshof dort ausführt, seine Entscheidung über die ihm gestellte Frage zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit Albaniens würde eine Entscheidung über einen dispute zwischen Italien und Albanien darstellen.607 Ganz deutlich wird dieser Ansatz im Urteil allerdings nicht. Im Fall East Timor hatte der IGH dagegen Gelegenheit, sich ausdrücklich zu eben dieser Begründung der Monetary Gold-Formel zu verhalten. Dort hatte Australien vorgetragen, in Wirklichkeit bestehe kein dispute zwischen ihm und Portugal, dem klagenden Staat, sondern vielmehr einer zwischen Portugal und Indonesien, der Besatzungsmacht in Osttimor. Der Gerichtshof beantwortete diese australische Einrede wie folgt: „For the purpose of verifying the existence of a legal dispute in the present case, it is not relevant whether the ,real dispute‘ is between Portugal and Indonesia rather than Portugal and Australia. Portugal has, rightly or wrongly, formulated complaints of fact and law against Australia which the latter has denied. By virtue of this denial, there is a legal dispute. On the record before the Court, it is clear that the Parties are in disagreement, both on the law and on the facts, on the question whether the conduct of Australia in negotiating, concluding and initiating performance of the 1989 Treaty was in breach of an obligation due by Australia to Portugal under international law. Indeed, Portugal’s Application limits the

605

In diesem Sinne Dumberry, Chinese JIL 1 (2002), S. 655, 677. Die Entscheidung des PCA in Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566 ff., der Dumberry insoweit zuzustimmen vorgibt, beruhte allerdings nicht auf dieser Ansicht. Das Schiedsgericht hat vielmehr die Monetary Gold-Formel ausschließlich auf das Zustimmungserfordernis der Jurisdiktion eines völkerrechtlichen Gerichts zurückgeführt, und nur zu den danach verbliebenen Rechtsfragen (zu Recht) entschieden, dass insoweit kein dispute bestehe: ILR 119 (2002), S. 566, 591 ff., 595 f. 606 Vgl. oben, unter B. 607 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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proceedings to these questions. There nonetheless exists a legal dispute between Portugal and Australia. This objection of Australia must therefore be dismissed.“608

In der Tat lässt sich dem Erfordernis des dispute im streitigen Verfahren des IGH – das im Statut in Art. 36 Abs. 2, Art. 38 Abs. 1 und Art. 40 Abs. 1 Satz 2 anklingt609 – kein Gehalt dahingehend beilegen, dass der vor den Gerichtshof gebrachte Fall den wahren Kern des Rechtsschutzinteresses des klagenden Staates darstellen müsse. Das Erfordernis des dispute bedeutet, dass überhaupt eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Parteien über eine Rechts- oder Tatsachenfrage610 in einem rechtlichen Streitfall611 bestehen muss. Es muss daher eine Partei – gleich, ob berechtigt oder 608 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 100; zustimmend Hilpold, Osttimor, S. 26 f. 609 Vgl. Amerasinghe, Specific International Tribunals, S. 45; De Visscher, Aspects, S. 30; Lavalle, Revue hellénique de droit international 35 – 36 (1982 – 1983), S. 97 Fn. 1; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 505 f.; Wittich, AVR 44 (2006), S. 1, 17 f., sowie nur zu Art. 38 Abs. 1 des Statuts IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271; Editorial Staff of the LPICT, LPICT 10 (2011), S. 507, 537; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 714. 610 So die ursprüngliche Formel aus dem Urteil des StIGH in Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 11, zitiert in IGH, Applicability of the Obligation to Arbitrate under Section 21 of the United Nations Headquarters Agreement of 26 June 1947, ICJ Reports 1988, S. 12, 27; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 99; Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 18. Zur Präzisierung der Formel des StIGH in der späteren Rechtsprechung vgl. Cassese, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 173, 191 ff.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 9 f. Zur Zulässigkeit von Tatsachenfragen vgl. Art. 36 Abs. 2 lit. c des Statuts und dazu Abi-Saab, Exceptions, S. 122; Hambro, Recueil des Cours 76 (1950 I), S. 125, 165; Hudson, Permanent Court, S. 455, 462; Lavalle, Revue hellénique de droit international 35 – 36 (1982 – 1983), S. 97; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 216, Nr. 81; für eine Begrenzung auf Rechtsfragen dagegen Schreuer, FS Hafner, S. 959, 965; Wittich, AVR 44 (2006), S. 1, 17 f. Hierbei folgt allerdings aus dem Grundsatz jura novit curia (dazu Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 383; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 50 f.; von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 53 Rn. 57; Shihata, Power, S. 221 ff.; Sugihara, Japanese YIL 55 (2012), S. 77 ff.; Verhoeven, FS Tomuschat, S. 635, 636 ff.; ders., Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 147 ff.; kritisch Fitzmaurice, BYIL 51 (1980), S. 89, 108), der Art. 38 Abs. 1 des Statuts zu entnehmen ist (vgl. Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 209; Sugihara, Japanese YIL 55 (2012), S. 77, 83 f.), dass die Parteien dem IGH nicht eine rechtliche Würdigung zwingend vorgeben können: Annacker, Durchsetzung, S. 119; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 716 f.; vgl. StIGH, Territorial Jurisdiction of the International Commission of the River Oder, PCIJ Series A, No. 23, S. 19; Fachiri, Permanent Court, S. 73; Thirlway, Non-appearance, S. 151. Vgl. zu jura novit curia noch unten 1. Teil B. III. 2. a) und 2. Teil A. I. 1. b) ee) (1) dieser Arbeit. 611 Bos, Procesvoorwaarden, S. 10, 17; Cassese, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 173, 193; Lavalle, Revue hellénique de droit international 35 – 36 (1982 – 1983), S. 97; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 9; vgl. IGH, Interhandel, Preliminary Objections, ICJ Reports 1959, S. 6, 21; Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 27; Aegean Sea Continental Shelf, ICJ Reports 1978, S. 3, 12 f. Das Erfordernis des rechtlich fassbaren Streitfalls ist wegen Art. 38 Abs. 2 des Statuts nicht absolut: vgl. oben, 1. Teil A. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

unberechtigt612 – einen Anspruch erheben, der dem positiven Widerspruch der gegnerischen Partei begegnet;613 die Parteien müssen divergierende Meinungen über den Fall haben.614 Der Grund dieser Sachurteilsvoraussetzung liegt in der Ausgestaltung der Jurisdiktion des IGH über von Staaten eingebrachte Fälle als streitige Jurisdiktion.615 Nur die streitige Jurisdiktion steht den Staaten offen; das Gutachtenverfahren des IGH kann dagegen nicht durch Staaten eingeleitet werden.616 Vor diesem Hintergrund dient das Erfordernis des dispute in der streitigen Jurisdiktion des Gerichtshofs der Abgrenzung der streitigen Jurisdiktion von einer Zuständigkeit zur Erstattung von Gutachten gegenüber Staaten, die der Gerichtshof nicht besitzt.617 Es kommt deshalb nur darauf an, dass die Parteien die streitige Jurisdiktion des IGH nicht als verdecktes Gutachtenverfahren, sondern in der ihr zugedachten Funktion als Mittel zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten618 nutzen.619 Unter dem Erfordernis des dispute wird deshalb nur gefragt, ob die Parteien hinsichtlich des vorgebrachten Falls im Streit stehen oder nicht. Ob der danach bestehende dispute das eigentliche oder das Kernanliegen des klagenden Staates 612

IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 100; vgl. auch IGH, Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 33. 613 IGH, South West Africa Cases, Preliminary Objections, ICJ Reports 1962, S. 319, 328; Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 18; Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, Preliminary Objections, ICJ Reports 2011, S. 70, 84. 614 IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania, First Phase, ICJ Reports 1950, S. 65, 74; Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 27; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 614. 615 Vgl. Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 199; Wittich, AVR 44 (2006), S. 1, 17 f.; ders., FS Hafner, S. 981, 989 f. 616 IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 30; Kolb, ICJ, S. 83, 1050; Mosler, FS Partsch, S. 253, 260; Münch, ZaöRV 31 (1971), S. 712, 717; Pinto, Jurisclasseur, Fasc. 216, Nr. 32; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 84; Scobbie, Chinese JIL 5 (2006), S. 269, 272; Singh, Role, S. 92; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 8; vgl. auch Martenczuk, Rechtsbindung, S. 76; vgl. aus der Zeit des Völkerbundes StIGH, Certain German Interests in Polish Upper Silesia, PCIJ Series A, No. 6, S. 21; Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Order, Observations by M. Pessôa, PCIJ Series A, No. 22, S. 48; Interpretation of the Greco-Bulgarian Agreement of December 9th, 1927, PCIJ Series A/B, No. 45, S. 68, 87; Salvioli, Recueil des Cours 12 (1926 II), S. 5, 52. Die Rechtslage hat sich seither nicht maßgeblich geändert: Keith, Extent, S. 36. 617 Shihata, Power, S. 208; Thienel, GoJIL 1 (2009), S. 143, 147 Fn. 16; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 8; vgl. auch Bederman/Hilbert, AJIL 95 (2001), S. 927, 929. 618 Art. 33 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 u. 3 der Charta; vgl. Wittich, AVR 44 (2006), S. 1, 17 f. 619 Vgl. IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271: „The Court, as a court of law, is called upon to resolve existing disputes between States. Thus the existence of a dispute is the primary condition for the Court to exercise its judicial function […].“

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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ausmacht – oder auch ob der geltend gemachte Anspruch völlig haltlos ist620 –, ist an dieser Stelle unerheblich. Nichts anderes ergibt sich, wenn man den Sinn des Erfordernisses eines dispute darin sieht, dass die Parteien zunächst versucht haben müssen, den Streit ohne den Aufwand eines gerichtlichen Verfahrens beizulegen,621 oder dass der Streitfall reif zur gerichtlichen Entscheidung sein soll.622 Auch mit diesen Auffassungen ist nicht zu begründen, dass es in der Monetary Gold-Situation an einem dispute fehle. In dieser Situation ist auch im Verhältnis zum Beklagten – anstelle des Verhältnisses zum Drittstaat – der Versuch einer vorprozessualen Klärung und damit die vorprozessuale Entstehung eines dispute denkbar, und auch in diesem Verhältnis kann sich – ob vorprozessual oder im Verfahren – der genaue dispute herauskristallisieren, so dass der Fall reif für eine gerichtliche Entscheidung ist. Weder für die Möglichkeit, den Streit zwischen den Parteien bereits vor Anrufung des IGH beizulegen, noch für die genaue Definition der streitigen Punkte kommt es darauf an, ob das Anliegen des Klägers inhaltlich berechtigt oder seitens des Klägers interessengerecht ist. Dass ein sinnvollerer dispute mit einem dritten Staat bestehen könnte, ist also für das Vorliegen eines hinreichenden dispute mit dem Beklagten ohne Bedeutung. In der Situation der Monetary Gold-Doktrin liegt deshalb auch dann ein dispute zwischen den wirklichen Parteien des Falls vor, wenn die zwischen ihnen streitige 620 Vgl. dazu IGH, Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 17 ff.; in diesem Sinne auch IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 605, 614 f.; s.a. oben, Fn. 612; zweifelnd Tomuschat, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 10; anders Kolb, ICJ, S. 307, unter Verweis auf IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia) ICJ Reports 2007, S. 832, 873 f. Dort ging es aber nicht um die offensichtliche Unbegründetheit der Haltung Nicaraguas, sondern darum, dass ein Vertrag – also auch Nicaragua selbst – den Streit beendet hatte (vgl. IGH, ebda., S. 848 f., 852). 621 So Cassese, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 173, 176 f.; vgl. auch Bos, Procesvoorwaarden, S. 9 f. Dieser Zweck impliziert, dass der dispute vorprozessual entstanden sein muss und dass er folglich nicht erst dem Parteivorbringen im Prozess vor dem IGH entnommen werden kann (so denn auch Cassese, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 173, 177 f., 188 Fn. 24, 189, 194; so auch bereits StIGH, Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Preliminary Objection, PCIJ Series A/B, No. 77, S. 64, 83; Abi-Saab, Exceptions, S. 122 f.; De Visscher, Aspects, S. 39; im Grundsatz ebenso Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 510; vgl. nun IGH, Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, Preliminary Objections, ICJ Reports 2011, S. 70, 85, und dagegen die dortige Separate Opinion of President Owada, Rn. 14 ff.; Separate Opinion of Judge Donoghue, Rn. 3 ff.). Das hat der Gerichtshof nicht immer so gehandhabt (StIGH, Pajzs, Csáky, Esterházy, PCIJ Series A/B, No. 68, S. 30, 61; IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 614 f.; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 100). Jedenfalls geht es hier eher um den gebotenen Zeitpunkt des dispute als um das Erfordernis an sich. 622 So Ndiaye, FS Mensah, S. 249, 259. Diese Auffassung betrifft nicht so sehr den Streit als solchen, sondern vielmehr seine präzise Artikulation als Voraussetzung der Entscheidung über bestimmte Anträge.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Frage einen starken Drittstaatsbezug aufweist.623 Die Sachentscheidungsvoraussetzung des dispute ist daher für die Herleitung der Monetary Gold-Formel unergiebig.

III. Begründung als Aspekt der Zulässigkeit (admissibility) Wenn es demnach in der Monetary Gold-Situation weder an der Jurisdiktion des IGH (die nur im Verhältnis zu den wirklichen Parteien vorliegen muss) noch an einem dispute zwischen den Parteien fehlt, kann der Grund der Unfähigkeit des Gerichtshofs, einen solchen Fall in der Sache zu entscheiden, nur noch in einem Grund der Unzulässigkeit (inadmissibility) liegen.624 Bei dem Komplex der Zulässigkeit handelt es sich um einen Sammelbegriff für die übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen im Verfahren vor dem IGH.625 Die Kategorie der Zulässigkeit unterscheidet sich von den Fragen der Jurisdiktion des Gerichtshofs626 dadurch, dass es bei der Zulässigkeit nicht um die Frage der Zustimmung der Parteien – und eben, wie die vorhergehende Untersuchung gezeigt hat, nur der Parteien – geht, sondern um weitere Sachentscheidungsvoraussetzungen, die sich aus allgemeinen Normen oder aus Vereinbarungen zwischen den Parteien ergeben können.627 Letztere Vereinbarungen dürfen dabei freilich nicht schon die 623 Vgl. IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 100 (oben wiedergegeben); Hilpold, Osttimor, S. 26 f.; Schreuer, FS Hafner, S. 959, 974. Ein ähnliches Argument Deutschlands hat der IGH in Certain Property unter Verweis auf East Timor zurückgewiesen: Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 17 ff. 624 Dafür Brown, A Common Law, S. 78; Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 302; Shany, Effectiveness, S. 86; Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 215; Tams, Obligations, S. 23; vgl. auch Scobbie, EJIL 13 (2002), S. 1201, 1218. Vgl. zur Terminologie dieser Arbeit, auch im Verhältnis zu anderen Ansätzen, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (4) dieser Arbeit. 625 Abi-Saab, Exceptions, S. 92; Annacker, Durchsetzung, S. 98. 626 Der StIGH hat sich einer Unterscheidung zwischen Jurisdiktion und Zulässigkeit zunächst noch enthalten: Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 10. Auch wurde bisweilen angenommen, es bestehe insofern keine Unterscheidung zwischen gleichgeordneten Konzepten, sondern die Jurisdiktion des Gerichtshofs sei nur ein Aspekt der Zulässigkeit: IGH, South West Africa Cases, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Morelli, ICJ Reports 1962, S. 564, 574; Bos, Procesvoorwaarden, S. 191; Witenberg, Organisation, S. 103. Der IGH unterscheidet jedoch zwischen seiner Jurisdiktion und Fragen der Zulässigkeit, und neigt stark dazu, zuerst seine Jurisdiktion zu prüfen und erst nach einem positiven Ergebnis hierzu zur Zulässigkeit überzugehen: vgl. hierzu Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 439; Grisel, Exceptions, S. 215 ff.; Guyomar, Commentaire, S. 516; Shihata, Power, S. 110 ff.; Williams, in: Muchlinski/Ortino/Schreuer, S. 868, 919. 627 IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, Separate Opinion of Sir Gerald Fitzmaurice, ICJ Reports 1963, S. 97, 102 f.; Benzing, Beweisrecht, S. 616; Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 454 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 119; in diese Richtung auch StIGH, The Electricity Company of Sofia and Bulgaria, Preliminary Objection, Separate Opinion of M. Erich, PCIJ Series A/B, No. 77, S. 140 f.; Brown, A Common Law, S. 79; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 438 f.; Grisel, Exceptions, S. 215; Johnson, ICLQ 13 (1964), S. 1143, 1186; Mbaye, Recueil des Cours 209

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Zustimmung der Parteien betreffen, da es sich sonst um Fragen der Jurisdiktion handeln würde.628 Das Statut setzt der Sachentscheidung durch den IGH nicht nur Grenzen und erlaubt dem Gerichtshof im Übrigen, bei Nichteingreifen dieser Grenzen einen vor ihn gebrachten Fall zu entscheiden. Der Gerichtshof ist vielmehr verpflichtet, einen Fall in der Sache zu entscheiden, wenn keine rechtlichen Grenzen seiner Tätigkeit ihn daran hindern.629 Dies folgt aus seiner Aufgabe als Organ zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten,630 sowie aus Art. 38 Abs. 1 des Statuts, der den Gerichtshof auf die Anwendung von Rechtssätzen verpflichtet.631 Es besteht also für jegliche Klagabweisung durch den IGH – wie überhaupt für seine gesamte Tätig-

(1982 II), S. 223, 231; Shihata, Power, S. 107 ff.; Tams, Obligations, S. 22; Williams, in: Muchlinski/Ortino/Schreuer, S. 868, 919 f.; Zeiler, FS Schreuer, S. 76, 81 f. 628 Vgl. auch Annacker, Durchsetzung, S. 97; Williams, in: Muchlinski/Ortino/Schreuer, S. 868, 920. Es ist deshalb nicht zwangsläufig der Fall, dass eine Vereinbarung der Parteien, wonach bestimmte Streitigkeiten nur einem anderen Streitbeilegungsorgan vorgelegt werden sollen, zum Komplex der Zulässigkeit der Klage vor dem IGH gehört (so aber Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 119 f., 125). Solche Vereinbarungen können auch die bestehende(n) Unterwerfung(en) unter die Jurisdiktion des IGH implizit, insbesondere als lex specialis, begrenzen und so dessen Jurisdiktion ausschließen: vgl. dazu Gaja, ebda., Relationship of the ICJ with Other Courts and Tribunals Rn. 9; Lowe, Australian YIL 20 (1999), S. 191, 194 f.; Starace, Competenza, S. 246 f.; Thienel, in: Krzan, S. 189, 225 ff.; vgl. auch, zur Qualifizierung von Bedingungen in einem vertraglichen Kompetenztitel als Grenzen der Jurisdiktion, IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Jurisdiction, ICJ Reports 2006, S. 6, 39; Certain Questions of Mutual Assistance in Criminal Matters, ICJ Reports 2008, S. 177, 200; Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, Preliminary Objections, ICJ Reports 2011, S. 70, 125. 629 IGH, Nottebohm, Preliminary Objections, ICJ Reports 1953, S. 111, 122; Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 23; Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 577; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Merits, ICJ Reports 2012, S. 624, 671; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 90 f.; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 22; vgl. Crawford, State Responsibility, S. 659 f.; Hilpold, Osttimor, S. 32; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 105; ders., ICLQ 13 (1964), S. 1143, 1175; Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 383; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 308; Schulte, in: Koufa, S. 531, 538; Sybesma-Knol, FS de Waart, S. 442, 454, 457; Thirlway, BYIL 69 (1998), S. 1, 39 f.; vgl. auch IGH, Request for Interpretation of the Judgment of November 20th, 1950, in the Asylum Case, ICJ Reports 1950, S. 395, 402; Arrest Warrant of 11 April 2000, ICJ Reports 2002, S. 3, 18; Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2003, S. 225, 228; ebda., Separate Opinion of Judge Buergenthal, S. 270, 272 f.; Kolb, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 33 (dort jeweils: „it is the duty of the Court […] to reply to the questions as stated in the final submissions of the parties“; diese Pflicht kann selbstverständlich nur im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit einer Entscheidung über die Anträge bestehen); ebenso Chinkin, ICLQ 45 (1996), S. 712, 716 f. 630 Vgl. Art. 33 Abs. 1, Art. 36 Abs. 1 u. 3 der Charta und Art. 38 Abs. 1 des Statuts. 631 Vgl. zum letzteren Ansatz IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271; Gross, AJIL 58 (1964), S. 415, 417.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

keit632 – ein Vorbehalt des ermächtigenden Rechtssatzes. Wenn ein Verfahren in der Monetary Gold-Situation unzulässig sein soll, muss es also einen entsprechenden Rechtssatz geben. Damit stellt sich nun die Frage, woraus sich die Unzulässigkeit der Sachentscheidung in der Monetary Gold-Situation ergeben kann. Aus einer besonderen Parteivereinbarung lässt sich die Monetary Gold-Formel nicht erklären. Weder hat in den Fällen, in denen die Formel bisher relevant geworden ist oder in denen sie die Sachentscheidung des Gerichtshofs im Ergebnis verhindert hat, eine derartige besondere Vereinbarung vorgelegen, noch hat sich der IGH bei seinen Ausführungen zu der Formel auf eine derartige Grundlage berufen. Der Unzulässigkeitsgrund muss sich deshalb aus von den konkreten Verfahren unabhängigen Quellen ergeben. Insbesondere kommt als eine solche Quelle das Statut selbst in Betracht.633 Einen ausdrücklichen Unzulässigkeitsgrund für den Fall der (qualifizierten) Betroffenheit eines Drittstaats enthält das Statut jedoch nicht.634 Ein Unzulässigkeitsgrund muss allerdings nach der Rechtsprechung des IGH nicht ausdrücklich im Statut, der Verfahrensordnung oder einer anderen geschriebenen Rechtsquelle niedergelegt sein. Die Pflicht des IGH, in der Sache zu entscheiden, ist nicht nur davon abhängig, dass seine Jurisdiktion begründet ist und kein ausdrücklicher Unzulässigkeitsgrund einschlägig ist.635 Vielmehr beansprucht der Gerichtshof über die ausdrücklichen Normen seines Statuts hinaus die Befugnis, eine Sachentscheidung zu verweigern, wenn diese seiner richterlichen Funktion zuwiderliefe.636 Auch diese Fallgruppe gehört in den Komplex der Zulässigkeit.637 Ihr wird vielfach auch die Ablehnung der Sachentscheidung in der Monetary GoldSituation zugerechnet.638 Diese Kompetenz zur Abweisung eines mit dem richterlichen Charakter des IGH unvereinbaren Streitfalls stellt sich als eine Kategorie der inhärenten Kompetenzen (inherent powers) des IGH dar.639 Deshalb ist nun zu untersuchen, auf welcher rechtlichen Grundlage der IGH überhaupt inhärente Kompetenzen beanspruchen 632 Vgl. zu Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG, die eine ähnliche Gesetzesbindung für die deutsche Gerichtsbarkeit begründen, Meyer, in: von Münch/Kunig, Art. 97 Rn. 23; vgl. auch BVerfGE 34, 269, 280 ff. 633 Vgl. etwa zu den Anforderungen von Art. 40 Abs. 1 des Statuts und Art. 38 Abs. 2 der Verfahrensordnung als Aspekte der admissibility Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 127. 634 Vgl. Bordin, LPICT 11 (2012), S. 325, 332. 635 IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 29; Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 577 (jeweils ohne Erwähnung des Fehlens eines ausdrücklichen Unzulässigkeitsgrundes, aber in Fällen, in denen auch keine solchen Gründe in Betracht kamen). 636 Jeweils ebda. 637 Vgl. zu dieser Begrifflichkeit oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) und (4) dieser Arbeit. 638 S. o., Fn. 119. 639 Vgl. IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 259.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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kann, sowie die weitere Frage zu prüfen, ob eine inhärente Abweisungskompetenz für die Monetary Gold-Situation zu begründen ist. Hinsichtlich der Terminologie spielt es dabei keine Rolle, ob man mit dem IGH von einer inhärenten Abweisungskompetenz des Gerichtshofs oder von einem impliziten Unzulässigkeitsgrund spricht, den der IGH nur anwendet. Die erstere Formulierung beschreibt ein Gestaltungsrecht des Gerichtshofs, die letztere Ausdrucksweise eine auch sonst bestehende Rechtslage, die der Gerichtshof mit seiner Abweisung nur umsetzen würde. Welche Ausdrucksweise man wählt, hängt nur davon ab, ob man insofern an die Rechtstradition des civil law anknüpft, nach der das Gericht nur die ansonsten bestehenden Rechtslage zur Geltung bringt, oder an die Rechtstradition des common law, nach der das Gericht die Rechtslage selbst gestaltet.640 Inhaltliche Unterschiede ergeben sich insoweit nicht. Da sich in der Rechtsprechung des IGH und der übrigen völkerrechtlichen Diskussion aber insofern die an das common law angelehnte Terminologie durchgesetzt hat,641 soll diese Begrifflichkeit hier übernommen werden. 1. Zu den inhärenten Kompetenzen des IGH Fraglich ist deshalb zunächst, inwieweit der IGH sich jenseits der Umschreibungen seiner Aufgaben in seinem Statut auf weitere, inhärente Kompetenzen stützen kann. Solche Kompetenzen – sehr verschiedenen Inhalts – hat der Gerichtshof in einigen Entscheidungen beansprucht. So hat er etwa seine KompetenzKompetenz als eine ihm als Gericht inhärente Befugnis642 und als in Art. 36 Abs. 6 des Statuts nur „reflected“ angesehen.643 Zudem hat sich der IGH im Northern Cameroons-Fall auf „inherent limitations on the exercise of the judicial function“ berufen und daraus die Unzulässigkeit einer Sachentscheidung über einen gegen-

640 Das common law begründet – nach einer höchst theoretischen und weitgehend überholten, aber für die Terminologie erhellenden Sichtweise – keine materiellen Rechte, sondern Klagerechte („rights of action“; dazu Strömholm, Juridical Review 49 (2004), S. 13, 15); es bestimmt also nicht die außergerichtliche Rechtslage, sondern gewährt nur den Zugang zum Gericht, das dann zwischen den Parteien Recht spricht. Deshalb werden auch bestimmte Privilegierungen als „immunities“ bezeichnet, obwohl sie nicht die Zuständigkeit der Gerichte ausschließen, sondern die Reichweite des materiellen Rechts betreffen. Dies hat der EGMR in Osman v. United Kingdom (GC), RJD 1998-VIII, S. 3124, 3167, noch missverstanden, indem er eine „immunity“ für eine prozessuale Einschränkung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht hielt; dazu auch House of Lords, Barrett v. London Borough of Enfield [2001] 2 AC 550, 559 f. (Lord Browne-Wilkinson). In Z and Others v. United Kingdom (GC), RJD 2001-V, S. 1, 32, hat er sich dann korrigiert. 641 Dazu noch sogleich unter 1. 642 IGH, Nottebohm, Preliminary Objections, ICJ Reports 1953, S. 111, 119. 643 IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 294; dazu Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 211 ff.; ders., A Common Law, S. 62.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

stands- und funktionslos („moot“) gewordenen Streit abgeleitet.644 In den Nuclear Tests-Fällen hat er aus solchen „inherent limitations“ die Unzulässigkeit von Klagen entnommen, deren Ziel während des Verfahrens erreicht wurde und hinsichtlich derer somit der erforderliche dispute während des Verfahrens entfallen war.645 Später hat der Gerichtshof eine inhärente Befugnis beansprucht, Verfahren, in denen er offensichtlich keine Jurisdiktion hat, bereits im Verfahren über einstweilige Maßnahmen aus der General List zu streichen.646 Zusammengefasst hat der IGH seine inhärenten Kompetenzen – wie die spätere Anerkennung weiterer Fälle zeigte, in nicht abschließender Weise – wie folgt: „[I]t should be emphasized that the Court possesses an inherent jurisdiction enabling it to take such action as may be required, on the one hand to ensure that the exercise of its jurisdiction over the merits, if and when established, shall not be frustrated, and on the other, to provide for the orderly settlement of all matters in dispute, to ensure the observance of the ,inherent limitations on the exercise of the judicial function‘ of the Court, and to ,maintain its judicial character‘.“647

Die Rechtsfigur der inherent powers eines Gerichts entstammt dem Rechtskreis des common law648 und dort insbesondere dem englischen Recht.649 Dort beschreibt dieser Begriff die Befugnisse jedes Gerichts, diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um seinen eigenen Charakter als „a court of justice“ zu bewahren,650 nämlich etwa um formell rechtmäßige Verfahrenshandlungen einer Partei

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IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 29 ff. IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 271 f.; Nuclear Tests (New Zealand v. France), ICJ Reports 1974, S. 457, 476 f. 646 IGH, Legality of Use of Force (Yugoslavia v. Spain), Provisional Measures, ICJ Reports 1999, S. 761, 773; Legality of Use of Force (Yugoslavia v. United States of America), Provisional Measures, ICJ Reports 1999, S. 916, 925; zur Begründung dieser Handlungsweise als Ausübung einer inhärenten Befugnis vgl. IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2004, S. 336, 338; Thienel/Zimmermann, MPEPIL, S. 1054, 1058. 647 IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 259; Nuclear Tests (New Zealand v. France), ICJ Reports 1974, S. 457, 463. 648 Benzing, Beweisrecht, S. 58; Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 205; ders., A Common Law, S. 56 f.; Gaeta, FS Cassese, S. 353, 365. Vgl. z. B. aus dem englischen Recht House of Lords, Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation Ltd. [1981] AC 909, 977 (Lord Diplock); In re Pinochet [2000] 1 AC 119, 132 (Lord BrowneWilkinson). 649 Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 205; ders., A Common Law, S. 56; zum Einfluss des englischen Rechts auf die Rechtsprechung in anderen Staaten der common law-Tradition vgl. jeweils ebda., sowie Jacob, Current Legal Problems 23 (1970), S. 23 Fn. 1, und Supreme Court of Canada, MacMillan Bloedel Ltd. v. Simpson [1995] 4 SCR 725, Rn. 29 (Lamer CJ, LaForest, Sopinka, Gonthier, Cory JJ). 650 House of Lords, Bremer Vulkan Schiffbau und Maschinenfabrik v. South India Shipping Corporation Ltd. [1981] AC 909, 977 (Lord Diplock). 645

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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zu verhindern, die der anderen Partei gegenüber offensichtlich unfair wären,651 oder um die Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Verfahrens zu ermöglichen, nachdem grobe Verfahrensfehler bekannt geworden sind.652 Diese Befugnisse folgen dabei entweder aus dem common law653 oder aus impliziten Ermächtigungen, die dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Errichtung des jeweiligen Gerichts entnommen werden.654 Für völkerrechtliche Gerichte ist die Begründung von Befugnissen aus einem Corpus des richterrechtlichen common law nicht möglich, denn die Rechtsprechung ist als solche keine selbstständige Rechtsquelle.655 Auch ist der IGH nicht berechtigt, sein Verfahrensrecht – im Wege der Rechtsfindung, im Gegensatz zur Rechtssetzung nach Art. 30 des Statuts – nur einer innerstaatlichen Rechtsordnung oder einer einzigen Rechtstradition zu entnehmen.656 Die inherent powers des IGH müssen vielmehr aus einer völkerrechtlichen Rechtsquelle ableitbar sein. a) Inhärente Kompetenzen kraft eines allgemeinen Rechtsprinzips Der Umstand, dass die Doktrin der inherent powers in innerstaatlichen Rechtsordnungen anerkannt ist, kann aber nahelegen, dass es sich insoweit um ein allgemeines Rechtsprinzip i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts handele. Das würde voraussetzen, dass es sich um allgemeine Normen – wie etwa das Prinzip von Treu

651 House of Lords, Hunter v. Chief Constable of the West Midlands Police [1982] AC 529, 536 (Lord Diplock). 652 Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Taylor v. Lawrence [2002] EWCA Civ 90, [2003] QB 528, Rn. 55 (Lord Woolf CJ); Seray-Wurie v. London Borough of Hackney [2002] EWCA Civ 909, [2002] 3 All ER 448, Rn. 17 (Brooke LJ); Re Uddin (A Child) [2005] EWCA Civ 52, [2005] 1 WLR 2398, Rn. 18 ff. (Dame Elizabeth Butler-Sloss, President of the Family Division). 653 Vgl. Supreme Court of Canada, MacMillan Bloedel Ltd. v. Simpson [1995] 4 SCR 725, Rn. 79 (L’Heureux-Dubé, McLachlin, Iacobucci, Major JJ, dissenting). 654 Vgl. im letzteren Sinne Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Taylor v. Lawrence [2002] EWCA Civ 90, [2003] QB 528, Rn. 52 ff. (Lord Woolf CJ) (dort Rn. 52: der Court of Appeal, ein durch Gesetz und nicht auf Grundlage der königlichen Prärogative eingerichtetes Gericht, habe „the implicit powers to do that which is necessary to achieve the […] objectives of an appellate court“). 655 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. b) bb) (2) dieser Arbeit. Anders i.E. Annacker, Durchsetzung, S. 91, teils mit der wenig überzeugenden Begründung, Art. 30 Abs. 1 des Statuts sehe keine Schriftform vor, so dass auch die Praxis des IGH bindende Verfahrensnormen schaffen könne. Richtigerweise ist Art. 30 Abs. 1 ein Schriftformerfordernis, nämlich ein Erfordernis der Niederlegung in der Verfahrensordnung, zu entnehmen (vgl. Art. 25 Abs. 2, 30 Abs. 2, 51 des Statuts). Darüber hinaus ermächtigt Art. 30 Abs. 1 des Statuts zwar auch zum Erlass weiterer Instrumente, namentlich der Practice Directions des IGH (Thirlway, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 30 Rn. 11); diese ergehen aber auch schriftlich. 656 Vgl. von Mangoldt, ZaöRV 40 (1980), S. 554, 564.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

und Glauben657 – handelt,658 dass diese Normen in allen großen Rechtstraditionen vertreten sind659 und dass die Normen inhaltlich auf die völkerrechtlichen Verhältnisse übertragbar sind.660 Das dürfte jedoch, zumindest in dieser Allgemeinheit, zu verneinen sein. Einzelne gerichtliche Befugnisse, wie etwa die Kompetenz-Kompetenz i.S.d. Art. 36 Abs. 6 des Statuts oder die Befugnis zum Erlass einstweiliger Maßnahmen i.S.d. Art. 41 des Statuts, mögen als allgemeine Rechtsprinzipien anzusehen sein.661 Andere Aspekte der inherent powers sind jedoch nicht in allen Rechtsordnungen nachweisbar.662 Von den Befugnissen, die der IGH bisher beansprucht hat, dürfte namentlich die Abweisungskompetenz hinsichtlich erledigter Rechtsstreitigkeiten aus dem Northern Cameroons-Fall sich in dieser Form nicht in allen Rechtstraditionen finden. In diesem Fall hat der Gerichtshof nicht schlechthin die Bearbeitung erledigter Fälle 657

Art. 26 WVK. Vgl. zu diesem Prinzip als allgemeines Rechtsprinzip i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts Lord Phillimore, in: Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 335; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 18 Rn. 4; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 383, sowie eingehender Härle, Entscheidungsgrundlagen, S. 161 f. 658 Hamacher, Maxime, S. 77; Härle, Entscheidungsgrundlagen, S. 92; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 18 Rn. 3; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 256, 262; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 384, 385. 659 Härle, Entscheidungsgrundlagen, S. 94; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 18 Rn. 2; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 263. Zu diesen Rechtstraditionen zählen insbesondere die großen Systeme des civil law und des common law (ersteres einschließlich einiger Besonderheiten, die sich aus dem sozialistischen Recht erhalten haben) sowie das islamische Recht: vgl. Fassbender, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 9 Rn. 29 f.; Pellet, ebda., Art. 38 Rn. 263 Fn. 755. Bei der Erarbeitung des Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts hatte Lord Phillimore noch die Auffassung vertreten, jedes Prinzip des common law sei zugleich ein allgemeines Rechtsprinzip und als solches Teil des Völkerrechts: Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 316. Diese Auffassung war bereits damals mit der Anknüpfung an alle großen Rechtstraditionen unvereinbar. 660 Diehl, MRM 16 (2011), S. 16, 19; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 38 Rn. 267 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 384. Härle, Entscheidungsgrundlagen, S. 88 f. Fn. 4, meint mit einiger Berechtigung, dass es bei nicht auf die internationalen Verhältnisse übertragbaren Normen bereits an der erforderlichen Allgemeinheit fehlen werde. Es dient aber zumindest der Klarstellung, das Erfordernis der Übertragbarkeit gesondert zu erwähnen. 661 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (a) und (b) dieser Arbeit. 662 Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 224; ders., A Common Law, S. 68. Beispielsweise wird die im englischen Recht anerkannte inhärente Befugnis, rechtskräftig entschiedene Verfahren wiederaufzunehmen, wenn grobe Verfahrensfehler bekannt werden (s. o.), in dieser Form nicht als allgemeines Rechtsprinzip anzusehen sein, weil ihr die Rechtskraft des früheren Urteils entgegensteht und die Reichweite der Durchbrechungen der Rechtskraft kaum überall gleichförmig sein wird. Außerdem ist etwa die inhärente Befugnis englischer Gerichte, querulatorischen Klägern den Zugang zu Gericht in Zukunft nur noch mit der Erlaubnis eines Richters zu gestatten (vgl. Court of Appeal [Civil Division] [England und Wales], Ebert v. Birch [2000] Ch 484 [Lord Woolf MR]), sicher nicht auf den IGH übertragbar, vor dem von vornherein nur Staaten klagen dürfen (Art. 34 Abs. 1 des Statuts).

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verweigert, sondern nur den Erlass solcher (Feststellungs- oder Leistungs-)Urteile abgelehnt, die keiner Anwendung zwischen den Parteien mehr zugänglich sind; dass das Urteil für andere Akteure wertvoll sein könnte, ohne sie rechtlich zu binden, spielte für den Gerichtshof keine Rolle.663 Er entscheidet deshalb solche Fälle nicht mehr in der Sache, in denen das Sachurteil für die Parteien keine eigene rechtliche Bedeutung mehr hätte; entscheidend ist damit – in die deutschen Begrifflichkeiten übersetzt – nicht die Erledigungssituation als solche, sondern das fehlende (objektive) Rechtsschutzinteresse.664 Demnach ist die Abweisung derartiger Fälle zwar etwa dem deutschen Recht nicht unbekannt.665 Anders liegt es allerdings im englischen Recht, das von vornherein kein eigenes Rechtsschutzbedürfnis – noch weniger eine Klagebefugnis im Sinne des deutschen Prozessrechts – fordert, sondern Klagen mit öffentlich-rechtlichem Gegenstand auch von persönlich nicht betroffenen Personen solange zulässt, wie diese nur überhaupt irgendeine Verbindung zu dem Verfahrensgegenstand aufweisen und nicht nur querulatorisch tätig werden.666 Wenn demnach „public interest litigation“ unter Maßgabe einer im Ermessen des Gerichts stehenden Kontrolle grundsätzlich zulässig ist,667 spielen die Vollstreckbarkeit und die Verpflichtungswirkung des Urteils im Verhältnis zwischen den Parteien keine entscheidende Rolle. Wenn es hieran fehlt, kann ein englisches oder walisisches Gericht die Klage daher nicht abweisen, sondern es hat die aufgeworfenen Fragen grundsätzlich im Sinne einer objektiven Rechtmäßigkeitskontrolle zu klären. Die Auffassung des IGH aus dem Northern Cameroons-Fall lässt sich deshalb nicht im (englischen) common law nachweisen. Dies erschwert zumindest erheblich die Feststellung, dass ein solcher Rechtssatz in allen großen Rechtstraditionen vorzufinden ist. 663

IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 33, 34, 37. In diesem Sinne auch Fraas, Sicherheitsrat, S. 174; Mbaye, Recueil des Cours 209 (1982 II), S. 223, 285 ff.; Ndiaye, FS Mensah, S. 249, 280; anders Wittich, AVR 44 (2006), S. 1, 20 f., nach dem es in der Praxis des IGH nur einmal, in den South West Africa Cases, ICJ Reports 1966, S. 6 ff., am Rechtsschutzinteresse gefehlt habe. Dies trifft freilich zu, wenn man mit dem Rechtsschutzinteresse ein subjektives Interesse des Klägers am Urteil meint, das über das objektive Interesse an einem abstrakt sinnhaften Verfahrensausgang hinausgeht; dazu Annacker, Durchsetzung, S. 113 f. 665 Vgl. zum Erfordernis eines besonderen Rechtsschutzinteresses nach Eintritt der Erledigung §§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, 131 Abs. 1 Satz 3 SGG, 115 Abs. 3 StVollzG. 666 Dazu Schall, Journal of Environmental Law 20 (2008), S. 417, 435; Wahl, in: Schoch/ Schneider/Bier, Vorbemerkung § 42 Abs. 2 Rn. 23 f., sowie insbesondere zum Ausschluss böswilliger Klagen Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), R. (Feakins) v. Secretary of State for Environment, Food and Rural Affairs [2003] EWCA Civ 1546, [2004] 1 WLR 1761, Rn. 23 ff. (Dyson LJ). Das irische Recht ist ähnlich großzügig: vgl. Supreme Court of Ireland, Lancefort Ltd. v. An Bord Pleanála (No. 2) [1999] 2 IR 270. Gleiches gilt neuerdings für das schottische Recht: UK Supreme Court, AXA General Insurance Ltd. v. HM Advocate [2011] UKSC 46, [2012] 1 AC 868, Rn. 55 ff. (Lord Hope of Craighead), Rn. 159 ff. (Lord Reed). 667 Schall, Journal of Environmental Law 20 (2008), S. 417, 435. 664

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Im Ergebnis kann deshalb nicht die Rechtsfigur der inherent powers – wie sie teilweise im innerstaatlichen Recht anerkannt ist oder wie sie der IGH beansprucht – ein allgemeines Rechtsprinzip sein, sondern können nur Einzelfälle, in denen von einer „inherent power“ des Gerichts die Rede sein kann, so qualifiziert werden.668 Die Möglichkeit, die Abweisung nach der Monetary Gold-Doktrin als Fall der Ausübung einer inherent power zum Schutz des richterlichen Charakters des IGH zu begründen, ist daher nicht zwangsläufig von einem allgemeinen Rechtsprinzip mit entsprechendem Inhalt abhängig. Im Übrigen hat sich der IGH bei der Annahme einer inherent power nie auf ein allgemeines Rechtsprinzip berufen;669 diese Rechtsquelle ist also offenbar nicht die maßgebliche Grundlage der Rechtsprechung. b) Ableitung inhärenter Kompetenzen des IGH aus dem Statut Ein weiterer Begründungsansatz für die inherent powers des IGH liegt in der Ableitung solcher ergänzender Befugnisse und Verfahrensrechtssätze aus dem Statut selbst. Insofern ist etwa an die implied powers-Lehre zu denken,670 nach der internationale Organisationen nicht nur die Befugnisse haben, die in ihren Gründungsinstrumenten ausdrücklich niedergelegt sind, sondern auch diejenigen weiteren Handlungsmöglichkeiten, die zur Erfüllung ihrer satzungsgemäßen Aufgaben notwendig und ihnen daher implizit eingeräumt sind.671 Inhaltlich handelt es sich hierbei um eine besondere Ausprägung der teleologischen Auslegung des maßgeblichen Vertrags,672 die jedoch vor dem Hintergrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung eine besondere Bezeichnung erhalten hat.673 668

Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 224; ders., A Common Law, S. 68. Überhaupt hat er die Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze nie ausdrücklich in Anspruch genommen: Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 253, 265. 670 In diesem Sinne Lauterpacht, FS Jennings, S. 465, 477; Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 132 ff.; dies., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 17; Röben, GYIL 32 (1989), S. 382, 403; Torres Bernárdez, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 48 Rn. 4. 671 Dazu grundlegend IGH, Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, S. 174, 182; vgl. i.Ü. EuGH, Fédération Charbonnière de Belgique ./. Hohe Behörde, Rs. 8/55, Slg. 2 (1955 – 1956), S. 302, 311 f.; Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 133; Röben, GYIL 32 (1989), S. 382, 403; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 250 f., sowie den Vortrag der EKMR in EGMR, Lawless v. Ireland (No. 1), Preliminary Objections and Questions of Procedure, Series A, No. 1, S. 12. 672 Vgl. Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 225; ders., A Common Law, S. 69; Kadelbach, in: Simma, UN Charter (2012), Interpretation of the Charter Rn. 33; Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 133; Khan, Implied Powers, S. 37; Spiermann, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Historical Introduction Rn. 33; vgl. auch Orakhelashvili, Peremptory Norms, S. 416; so auch zu den inherent powers des IGH Johnson, ICLQ 13 (1964), S. 1143, 1175. 673 Ress, in: Simma, UN Charter (2002), The Interpretation of the Charter Rn. 36; vgl. Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 133, und allgemein zum Konflikt zwischen dem 669

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Die Lehre der implied powers ist im Zusammenhang mit den Kompetenzen internationaler (politischer oder rechtssetzender) Organisationen entstanden.674 Internationale Gerichte haben dieses Schlagwort dagegen nur selten für ihre eigenen Kompetenzen nutzbar gemacht.675 Insbesondere der IGH spricht nicht von seinen implied powers, sondern von seinen inherent powers.676 Dementsprechend hat er die jeweils in Anspruch genommenen Befugnisse auch nicht aus Implikationen aus Normen seines Statuts abgeleitet, sondern nur auf seinen Charakter als richterliches Organ Bezug genommen.677 Dennoch bestehen keine wesentlichen inhaltlichen Unterschiede zwischen der Lehre der implied powers und der Doktrin der inherent powers.678 In beiden Fällen geht es um eine ergänzende Kompetenz, die zur Erreichung des Vertragszwecks eingeräumt wird, denn der richterliche Charakter des IGH ist selbst eine Folge der Bestimmungen der Charta und des Statuts und damit Teil des Sinn und Zwecks der Errichtung des IGH.679 Wenn der Gerichtshof sich also auf seinen Charakter als richterliches Organ beruft und daraus Rechtsfolgen ableitet, ist das letztlich ein Vorgang der ergänzenden teleologischen Vertragsauslegung. Angesichts der Tatsache, dass das Statut und die Verfahrensordnung – und erst recht die Charta – das Verfahrensrecht des IGH nur unvollkommen und lückenhaft regeln,680 und dass sich der Gerichtshof deshalb in der Praxis vor Probleme gestellt sehen kann, für die ihm die geschriebenen Regelungen keine Handhabe geben, ist die Existenz implizit eingeräumter Befugnisse zur Regelung solcher Fälle nicht prinzipiell zu bestreiten.681 Diese sind bereits aus dem Umstand abzuleiten, dass das

Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung und implied powers Khan, Implied Powers, S. 30 ff. 674 Benzing, Beweisrecht, S. 60; Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 225; ders., A Common Law, S. 69; Oellers-Frahm, Einstweilige Anordnung, S. 133. 675 Benzing, Beweisrecht, S. 60; Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 226; ders., A Common Law, S. 69; Gaeta, FS Cassese, S. 353, 360; vgl. aber ICTY, Trial Chamber II, The Prosecutor v. Tihomir Blasˇkic´, Objection to the Issue of Subpoena Duces Tecum, ILR 110 (1997), S. 607, 616, 624 ff. 676 So ausdrücklich, unter Anschluss an diese Terminologie des IGH, ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Tihomir Blasˇkic´, Objection to the Issue of Subpoena Duces Tecum, ILR 110 (1997), S. 607, 688, 698 Fn. 27; so auch Benzing, Beweisrecht, S. 60; Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 226; ders., A Common Law, S. 69; Gaeta, FS Cassese, S. 353, 360, 362. 677 Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 226; ders., A Common Law, S. 69; Gaeta, FS Cassese, S. 353, 361; wie der IGH geht auch Orakhelashvili, LJIL 15 (2002), S. 105, 107, vor; vgl. im Gegensatz dazu die Prüfung der Frage nach implied powers durch den IGH anhand der Bestimmungen der Charta in Reparation for Injuries Suffered in the Service of the United Nations, ICJ Reports 1949, S. 174, 182 ff. 678 Benzing, Beweisrecht, S. 61; vgl. auch Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 226 f.; ders., A Common Law, S. 69 f., wo Brown den Begriff der implied powers letztlich nur vermeidet, weil die Gerichte ihn nicht verwendet haben. 679 Vgl. Benzing, Beweisrecht, S. 61 f. 680 Orakhelashvili, LJIL 15 (2002), S. 105, 107. 681 Gaeta, FS Cassese, S. 353, 366.

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geschriebene Verfahrensrecht für einige Fälle keine Regelung enthält und diese Fälle gleichwohl einer Regelung bedürfen. Ungeachtet der Frage, ob man diese Befugnisse als inherent powers oder als implied powers bezeichnet, ist also begründbar, dass dem IGH aus seinem Statut nicht nur die dort ausdrücklich niedergelegten Befugnisse erwachsen, sondern dass der IGH darüber hinaus unbenannte Befugnisse hat, die seine richterliche Funktion und seinen Charakter als richterliches Organ zu schützen bestimmt sind. Im Folgenden soll nun untersucht werden, ob diese Befugnisse sich auch auf die Abweisung streitiger Fälle in der Monetary Gold-Situation erstrecken. 2. Monetary Gold als Fall einer inhärenten Abweisungskompetenz Die bereits erwähnte Praxis des IGH, seine inhärenten Befugnisse nicht aus den Bestimmungen des Statuts oder der Charta abzuleiten, sondern nur auf sein Wesen als richterliches Organ Bezug zu nehmen, bringt – wie jede Argumentation mit dem angeblichen „Wesen“ eines Rechtsinstituts oder einer Institution – das Risiko mit sich, dass der Rechtsanwender in vorpositive Begründungsmuster verfällt und letztlich beliebige außerrechtliche oder zumindest unartikulierte Vorverständnisse die Entscheidung bestimmen.682 Um dies zu vermeiden, ist es erforderlich, bei der Herleitung inhärenter Befugnisse des IGH die notwendige Rückbindung an das Statut zu beachten und insbesondere den zu schützenden richterlichen Charakter aus den Normen des Statuts herzuleiten, die diesen richterlichen Charakter – wie auch den Gerichtshof überhaupt – erst begründen.683 Damit wird zugleich eine petitio principii vermieden. Wenn nämlich eine Rechtsfolge aus der Eigenschaft des IGH als Gericht abgeleitet würde, würde damit vorausgesetzt, jedoch nicht begründet, dass die behauptete Rechtsfolge zu der Eigenschaft als Gericht gehöre.684 Maßgeblich ist deshalb nicht, ob eine Rechtsnorm als Konsequenz des richterlichen Charakters des IGH angesehen werden kann, sondern ob sie sich – insbesondere im Wege der teleologischen Interpretation – aus dem Regime des Statuts ableiten lässt. Vor diesem Hintergrund soll nun untersucht werden, welche Begründungen für die Unzulässigkeit der Sachentscheidung in der Monetary Gold-Situation in Betracht kommen. Denkbar ist namentlich, dass der IGH einen Fall in der Monetary Gold-Situation deshalb nicht entscheiden dürfe, weil sein Urteil eine unzulässige Drittwirkung – entweder entgegen Art. 34 WVK oder aus einem anderen rechtlichen Grund – hätte. Ebenfalls könnte das Konsensprinzip der Jurisdiktion des IGH zwar nicht unmit682 Vgl. Benzing, Beweisrecht, S. 63; Gross, AJIL 58 (1964), S. 415, 417, 431; Schiedermair, Diskussionsbeitrag, S. 142 f.; Schwarzenberger, International Judicial Law, S. 456; vgl. auch, aus einem gänzlich anderen Zusammenhang, Zimmermann, FS Steinberger, S. 645, 651, sowie allgemein zur argumentativen Bedeutung des „Wesens“ Scheuerle, AcP 164 (1963), S. 429, 430, 470 f. 683 Vgl. Gross, AJIL 58 (1964), S. 415, 430 f. 684 Brown, BYIL 76 (2005), S. 195, 228; ders., A Common Law, S. 71; Zemanek, Diskussionsbeitrag, S. 129.

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telbar, aber doch mittelbar betroffen sein. Außerdem wird zu erwägen sein, ob der Anspruch auf rechtliches Gehör und das Prinzip audiatur et altera pars einer Entscheidung über Rechte und Pflichten eines prozessfremden Dritten entgegenstehen kann. a) Unzulässigkeit wegen einer rechtswidrigen mittelbaren Drittwirkung des Urteils Ungeachtet der Frage, ob ein Drittstaat durch ein Urteil des IGH jemals direkt betroffen sein kann, kann sich zunächst aus einem Urteil eine mittelbare Beeinträchtigung der Rechte eines Drittstaats ergeben. Selbst wenn der Drittstaat nämlich nicht selbst durch das Urteil verpflichtet wird und es ihm gegenüber nicht in Rechtskraft erwächst, hat das Urteil diese Folgen sehr wohl für die Parteien des Rechtsstreits. Wenn nun der Rechtsstreit die rechtlichen Interessen eines Drittstaats berührt, kann dies zur Folge haben, dass die Parteien durch das Urteil im Verhältnis zueinander verpflichtet werden, in einer gewissen Weise zu handeln, die ihrerseits die Rechte des Drittstaats berührt oder verletzt.685 Beispielsweise wäre einem Sachurteil im East Timor-Fall möglicherweise zu entnehmen gewesen, dass Australien im Verhältnis zu Portugal gehindert gewesen wäre, weiterhin rechtliche Beziehungen hinsichtlich Osttimors mit Indonesien zu unterhalten.686 In ähnlicher Weise hätte ein Schiedsspruch in der Hauptsache in Larsen v. Kingdom of Hawaii möglicherweise im Verhältnis der Parteien untereinander zur Folge gehabt, dass das Königreich Hawaii, dessen Bestehen dann bejaht worden wäre, Herrn Larsen vor der Hoheitsgewalt der USA auf Hawaii hätte schützen müssen.687 Beide Rechtsfolgen hätten die Achtung des jeweils verpflichteten Staates vor der – möglicherweise bestehenden und jedenfalls nicht mit Rechtskraft gegenüber ihrem vorgeblichen Inhaber ausgeräumten – territorialen Souveränität Indonesiens bzw. der USA in Frage gestellt und die jeweils verpflichteten Staaten zur Missachtung dieser Souveränität gezwungen. Fraglich ist deshalb, ob begründet werden kann, dass die Herbeiführung einer solchen, einen Drittstaat mittelbar belastenden Urteilsverpflichtung selbst rechtswidrig ist. Lässt sich nämlich nachweisen, dass bereits diese mittelbare Drittstaatsbelastung durch das Urteil – und nicht erst seine Befolgung durch eine der Parteien – rechtswidrig ist, muss der IGH an der Bearbeitung des Falls und der Begründung einer solchen mittelbaren Belastung gehindert sein. Er kann sich nicht von den Parteien für rechtswidrige Zwecke missbrauchen lassen; dem stünde sein Verständnis seiner Rolle in der Gesamtrechtsordnung des Völkerrechts entgegen. Der IGH wurde und hat sich selbst in diesem Sinne als „das Organ des Völkerrechts“ 685

Vgl. Crawford, State Responsibility, S. 664 f.; Schorer, Konsensprinzip, S. 121. Schorer, Konsensprinzip, S. 121; vgl. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 320. Vgl. zum Sachverhalt oben, 1. Teil A. IV. dieser Arbeit. 687 Das war das – zwischen den Parteien zumindest vorgeblich streitige – Ziel der Klage; vgl. oben, 1. Teil A. V. 2. dieser Arbeit. 686

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beschrieben688 und gilt als der „Hüter“ des Völkerrechts.689 Daran ist richtig, dass der Gerichtshof mit seiner Tätigkeit zur Wahrung und Durchsetzung des Völkerrechts beiträgt.690 Zwar muss der IGH erst angerufen werden, und müssen sich – soweit es, wie regelmäßig, um die Wahrung und Durchsetzung des Völkerrechts durch eine Hauptsacheentscheidung geht – die Staaten erst seiner Jurisdiktion unterworfen haben, bevor der IGH dem Völkerrecht zur Geltung verhelfen kann.691 Der IGH dient deshalb seinen Grundlagen nach eher der – freiwilligen – Streitbeilegung als der Rechtsdurchsetzung.692 Wenn der Gerichtshof allerdings einmal angerufen wurde und seine Jurisdiktion begründet ist, hat er in der Tat das Völkerrecht anzuwenden und zu beachten.693 Dabei liegt die Ermittlung und Anwendung der maßgeblichen Normen auch, soweit seine Jurisdiktion reicht, bei ihm; es gilt der Grundsatz jura novit curia.694 Im Umfang seiner Inanspruchnahme durch die Staaten oder (im Gutachtenverfahren) durch internationale Organisationen ist er also in der Tat der Hüter des Völkerrechts und kann, weil er grundsätzlich nur auszusprechen hat, was dem Völkerrecht entspricht, als „das Organ des Völkerrechts“ angesehen werden.695 688 IGH, Corfu Channel, Merits, ICJ Reports 1949, S. 4, 35; vgl. auch StIGH, Certain German Interests in Polish Upper Silesia, PCIJ Series A, No. 7, S. 19; Payment of Various Serbian Loans Issued in France, Dissenting Opinion by M. Novacovitch, PCIJ Series A, Nos. 20/21, S. 76, 79; Bruns, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 547, 606; Hambro, Current Legal Problems 7 (1954), S. 212, 215; Kolb, ICJ, S. 67. 689 So der damalige Präsident des IGH, Richter Shi, in seiner Rede vor der Generalversammlung am 31. 10. 2003, UN Doc. A/58/PV.50, S. 5 („guardian of international law“); vgl. auch die weiteren bei Odendahl, JöR n.F. 55 (2007), S. 1, 12 f., genannten Quellen; vgl. i.Ü. IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lachs, ICJ Reports 1992, S. 26 („guardian of legality for the international community as a whole“); zustimmend Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 64; kritisch Reisman, AJIL 87 (1993), S. 83, 94. 690 Vgl. nur den Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2008 und 2009, BT-Drs. 17/2726, S. 48. 691 Odendahl, JöR n.F. 55 (2007), S. 1, 14; dazu auch Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 305 f. Nach Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 334, ist die – insofern vergleichbare – Rolle des IGH bei der Fortentwicklung des Völkerrechts durch die „hazards of its seising“ begrenzt. 692 Vgl. Zarbiyev, JIDS 3 (2012), S. 1, 13, und zum Gegensatz zwischen den Zwecken der Wiederherstellung des Friedens und der Sicherung der friedlichen Streitbeilegung im Verfahren der einstweiligen Maßnahmen Lagrange, RGDIP 107 (2003), S. 89, 93: „[L]a mission de la Cour est toute entière […] tournée non pas vers le rétablissement de la paix, même si elle peut y concourir, mais vers la préservation des possibilités de règlement judiciaire effective.“ 693 Art. 38 Abs. 1 des Statuts. 694 Vgl. oben, Fn. 610 und noch unten, 1. Teil B. III. 2. c) aa) und 2. Teil A. I. 1. b) ee) (1) dieser Arbeit. 695 Die letztere Bezeichnung ist besonders dann plausibel, wenn man den Richter nur als „la bouche qui prononce les paroles de la loi“ (Montesquieu, Esprit, S. 72 [Livre Onzième, Chapitre VI]) ansieht. Diese Vorstellung ist jedoch nur eingeschränkt gültig, denn die Recht-

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Mit diesem Aspekt seines richterlichen Charakters wäre es unvereinbar, wenn der Gerichtshof ein gegenüber einem Drittstaat rechtswidriges Urteil erließe und es damit erlaubte, dass sein Verfahren zu rechtswidrigen Zwecken genutzt wird. Eine solche, nachfolgend zu prüfende Unzulässigkeit aufgrund des Schutzes des richterlichen Charakters des IGH würde dann auch nicht nur den Erlass eines den Drittstaat mittelbar belastenden Urteils – also eines Urteils, in dem eine negative Aussage über ihn getroffen wird – unterbinden, sondern unzulässig wäre jede Sachentscheidung über die Frage, deren Beantwortung zu der Drittstaatsbelastung führen könnte. Soweit das allgemeine Völkerrecht ein Verbot mittelbarer Drittstaatsbelastungen enthielte, würde dieses Verbot zwar an sich nur den Ausspruch erfassen, der Verletzungen der Rechte des Drittstaats nach sich zöge. Wenn der IGH also etwa in East Timor zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass Indonesien sehr wohl der rechtmäßige Souverän in Osttimor war, wäre das Verbot an sich nicht einschlägig gewesen. Der IGH kann jedoch eine Rechtsfrage nicht entscheiden, wenn er nur eine der möglichen Antworten geben darf; dann stellt sich nämlich nicht die materielle Frage, sondern die einzig mögliche Antwort wäre prozessual vorgegeben. Die Frage dürfte deshalb auch nicht mehr materiell-rechtlich geprüft werden, und die einzig zulässige Antwort dürfte nicht als materiell-rechtliche Antwort ausgegeben werden. Darf also keine negative Aussage über einen Drittstaat getroffen werden, weil bereits die daraus folgende mittelbare Belastung rechtswidrig wäre, kann die Drittstaatsfrage gar nicht beantwortet werden. Die Zulässigkeit der Sachentscheidung hinge also – nach der hier zu prüfenden Anknüpfung an ein mögliches Verbot der mittelbaren Drittstaatsbelastung – nicht davon ab, ob ein für den Drittstaat negativer oder positiver Ausspruch erfolgt oder beantragt ist.696 Zudem könnte, wenn es ein solches allgemeines Verbot der mittelbaren Drittbelastung gäbe, die mittelbar drittstaatsbelastende Urteilsverpflichtung als solche nichtig sein. Das Urteil und mit ihm das Verfahren wären dann, wenn die klägerischen Anträge gerade auf die Drittstaatsbelastung gerichtet sind, ohne rechtliche Bedeutung, denn das Urteil hätte keinen rechtswirksam verpflichtenden Gehalt. In diesem Fall könnte der IGH wie im Northern Cameroons-Fall an einer Sachentscheidung gehindert sein.697

sprechung bestimmt und entwickelt immer auch das Recht; vgl. Billing, in: Andersen/Woyke, S. 205 f.; von Bogdandy/Jacob, FS Simma, S. 809, 814 ff.; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 327. Diese Rolle der Rechtsprechung ist allerdings selbst Teil der Rechtsordnung; vgl. BVerfGE 75, 223, 243 f.; von Bogdandy/Venzke, GLJ 12 (2011), S. 1341, 1345. Es ist deshalb für die Charakterisierung des IGH als „Organ des Völkerrechts“ unschädlich, wenn er bisweilen zur Fortentwicklung des Völkerrechts beiträgt. Dazu allgemein von Bogdandy/Jacob, FS Simma, S. 809, 814 ff.; Lauterpacht, Development, passim; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 327 ff. 696 So i.E. auch IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 37. 697 Dazu oben, 1. Teil B. III. 1. a) dieser Arbeit.

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Schließlich ist es vorstellbar, dass ein Verbot solcher mittelbarer Drittstaatsbelastungen nicht nur die Wirkung hätte, die Herbeiführung der mittelbar belastenden Urteilsverpflichtungen rechtswidrig zu machen, sondern dass darüber hinaus die Grundlagen der Urteilsverpflichtung – namentlich die Grundlagen der Jurisdiktion des IGH und des Prozessrechtsverhältnisses – gleichsam als drittbelastende Abreden nichtig wären. In diesem Fall würde es bereits an der Jurisdiktion des IGH fehlen. Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob sich im allgemeinen Völkerrecht ein Verbot derartiger mittelbarer Drittstaatsbelastungen nachweisen lässt und welchen Inhalt und welche Wirkungen dieses Verbot gegebenenfalls hat. Dies soll im Folgenden zunächst anhand von Art. 34 WVK sowie anschließend anhand des allgemeinen Völkerrechts untersucht werden. Zuvor ist es aber sinnvoll, zur Erleichterung der folgenden Darstellungen einige Fallgruppen vorzustellen, in denen sich das Problem der mittelbaren Drittstaatsbelastung durch an sich nur inter partes wirkende Verträge stellen kann. In der Literatur wird insofern zunächst auf Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78698 hingewiesen, wonach die Vertragsparteien dieser Konvention verpflichtet sind, auch Schiffe, die die Flagge von Drittstaaten führen, der Hafenstaatkontrolle nach den Maßgaben der Konvention zu unterziehen. Damit werden die Drittstaaten indirekt angehalten, die Standards der MARPOL-Konvention auch auf den unter ihrer Flagge fahrenden Schiffen zur Anwendung zu bringen.699 Soweit im Übrigen Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78 seine Vertragsparteien auch verpflichtet zu ermitteln, ob solche Schiffe auf der Hohen See und damit außerhalb der Zuständigkeit des Hafenstaats Schadstoffe in die Meeresumwelt eingeleitet haben, werden damit die Hafenstaaten als Parteien der MARPOL-Konvention verpflichtet, jenseits ihrer eigenen Kompetenz und ohne einen Zustimmungsakt des Flaggenstaats Jurisdiktion über solche Vorgänge auszuüben und damit die alleinige Jurisdiktion des Flaggenstaats zu verletzen.700 Die Drittstaaten werden insoweit zwar nicht selbst verpflichtet, aber sie 698 International Convention on the Prevention of Pollution from Ships vom 02. 11. 1973, ergänzt durch das Protocol to the International Convention on the Prevention of Pollution from Ships vom 17. 02. 1978, UNTS 1340, S. 61, 184. 699 König, Durchsetzung, S. 168; Núñez-Müller, Staatszugehörigkeit, S. 261; Wolfrum, BDGVR 31 (1989), S. 121, 140. Hierbei wird davon ausgegangen, dass diese Standards nicht sämtlich ohnehin als Völkergewohnheitsrecht gelten; vgl. Art. 38 WVK und dazu König, Durchsetzung, S. 168; Núñez-Müller, Staatszugehörigkeit, S. 261; Proelß, Meeresschutz, S. 130. 700 Proelß, Meeresschutz, S. 131; ders., in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 21, 23 f. Das gilt freilich nur für die Verfolgung von Taten außerhalb der Jurisdiktion des Hafenstaats und nicht für die Verfolgung von Taten innerhalb dieser Jurisdiktion oder die Kontrolle von Zuständen eines Schiffs, die der territorialen Jurisdiktion des Staates unterliegen; vgl. dazu Lagoni, AVR 26 (1988), S. 261, 331 f.; Proelß, Meeresschutz, S. 136; ders., in: Dörr/ Schmalenbach, Art. 34 Rn. 21; Thienel, in: Trunk/Musin, S. 79, 95 f., 102. Die weitergehende These, dass ein Hafenstaat jegliche Jurisdiktion beanspruchen könne, weil er die Akzeptanz dieser Jurisdiktion zur Bedingung des Anlaufens eines seiner Häfen machen kann (vgl. U.S. Supreme Court, Patterson v. Bark Eudora, 190 U.S. 169, 178 (1903); Cunard Steamship Co. Ltd. v. Mellon, 262 U.S. 100, 125 f. (1923)), ist nicht überzeugend, weil solche Bedingungen

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werden mittelbar dadurch beeinträchtigt, dass die Befolgung der Vertragspflicht durch die Parteien der MARPOL-Konvention ihre Rechte verletzen wird. In einer ähnlichen Weise ergibt sich eine mittelbare Beeinträchtigung von Drittstaaten, wenn ein Menschenrechtsschutzvertrag die Auslieferung oder sonstige Überstellung von Personen wegen drohender Menschenrechtsverletzungen im Zielstaat verbietet (non-refoulement),701 aber zugleich eine völkerrechtliche Pflicht zur Auslieferung oder Überstellung besteht. Diese kann namentlich aus einem Auslieferungsvertrag folgen, wenn dieser zur Auslieferung selbst und nicht nur zur Herbeiführung einer Ermessensentscheidung über die Auslieferung verpflichtet und keine relevante Ausnahme enthält.702 Eine Überstellungspflicht kann aber auch aus dem allgemeinen Völkerrecht folgen,703 etwa wenn ein Staat eine Person in völkerrechtswidriger Weise aus dem Territorium eines anderen Staates entführt hat und deshalb die Rückführung dieser Person als restitutio in integrum704 (zumindest705) dem so verletzten Staat schuldet.706 Diese Auslieferungs- oder Überstellungspflicht nicht formuliert werden und die Jurisdiktion im Fall ihrer Ausübung auch nicht auf eine solche vertragliche Grundlage zurückgeführt wird. Im Übrigen muss für das Beispiel unterstellt werden, dass Art. 218 Abs. 1 der UN Convention on the Law of the Sea (UNTS 1833, S. 3) unanwendbar ist; vgl. Proelß, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 25; vgl. auch Thienel, in: Trunk/Musin, S. 79, 109 f. 701 Vgl. hierzu grundlegend (nach zuvor eher apodiktischer Rechtsprechung der EKMR) EGMR, Soering v. United Kingdom, Series A, No. 161, Rn. 86 ff.; Human Rights Committee, Kindler v. Canada, UN Doc. A/48/40, Part II, S. 138 ff., und bereits zuvor Art. 3 UNCAT. 702 Moderne Auslieferungsverträge enthalten oft eine Ausnahme zugunsten der Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen; vgl. Alleweldt, Schutz, S. 70 Fn. 255; Dugard/Van den Wyngaert, AJIL 92 (1998), S. 187, 192; Peters, EuGRZ 26 (1999), S. 650, 654; Stein, Auslieferungsausnahme, S. 43 f. 703 Eine Auslieferungspflicht kraft allgemeinen Völkerrechts gibt es grundsätzlich nicht; vgl. IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Provisional Measures, Joint Declaration of Judges Evensen, Tarassov, Guillaume and Aguilar Mawdsley, ICJ Reports 1992, S. 24; Supreme Court of Ireland, The State (Duggan) v. Tapley, ILR 18 (1951), S. 336, 337 (Maguire CJ); Ipsen, in: ders., § 38 Rn. 8; Stein, Auslieferungsausnahme, S. 27 ff. 704 Vgl. nur Art. 35 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 52. 705 Dieselbe Pflicht dürfte auch gegenüber der entführten Person bestehen, weil die Völkerrechtswidrigkeit der Entführung im Verhältnis zu dem anderen Staat die mit ihr verbundene Freiheitsentziehung (objektiv) rechtswidrig und daher zu einer Verletzung des Rechts auf persönliche Freiheit (Art. 9 Abs. 1 IPbürgR; Art. 5 Abs. 1 EMRK) macht; vgl. zur Verletzung EGMR, Öcalan v. Turkey (GC), RJD 2005-IV, S. 131, 163, 165 f.; Medvedyev and Others v. France (GC), Urteil vom 29. 03. 2010, verfügbar unter http://echr.coe.int, Rn. 79, 94 ff.; Mann, ZaöRV 47 (1987), S. 469, 479 f., und zur Rechtsfolge Baker/Röben, ZaöRV 53 (1993), S. 657, 675, 678. 706 Dazu BVerfG-K, NJW 39 (1986), S. 1427, 1428; BGH, NJW 40 (1987), S. 3087; OLG Düsseldorf, NJW 37 (1984), S. 2050, 2051; Baker/Röben, ZaöRV 53 (1993), S. 657, 675; Fawcett, BYIL 38 (1962), S. 181, 197 ff.; Herdegen, ZaöRV 47 (1987), S. 221, 239; Mann, ZaöRV 47 (1987), S. 469, 474.

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verletzt ein Staat, der das Auslieferungsverbot aus dem Menschenrechtsschutzvertrag beachtet.707 Außerdem wird der Drittstaat mittelbar gezwungen, selbst die Standards des Menschenrechtsschutzvertrags einzuhalten, soweit sie für die Frage eines Auslieferungsverbotes von Bedeutung sein können, um sich so die beantragte Auslieferung zu sichern.708 Der Menschenrechtsschutzvertrag bewirkt somit eine mittelbare Belastung des Staates, dem der Auslieferungs- oder Überstellungsanspruch zukommt. aa) Mittelbare Drittstaatsbelastung als pacta tertiis-Problem nach Art. 34 WVK? Die Rechtswidrigkeit einer derartigen mittelbaren Drittstaatsbelastung durch eine Verpflichtung, die zunächst nur ihre Parteien betrifft, diese aber zur Missachtung der Rechte des Drittstaats verpflichtet, wird teilweise aus Art. 34 WVK abgeleitet.709 Diese Norm betrifft das Völkervertragsrecht, also Fälle, in denen eine Drittstaatsbelastung aus einem völkerrechtlichen Vertrag folgt. Die Rechtsfolgen eines Urteils des IGH beruhen aber nicht ausschließlich auf Völkervertragsrecht, sondern auf den vertraglichen Grundlagen der Verpflichtungswirkung und Rechtskraft der Urteile des IGH710 in Verbindung mit den jeweils vorliegenden, nicht zwingend vertraglichen Zustimmungsakten711 der Parteien zu dem konkreten Verfahren, sowie auf dem

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Vgl. zur Konfliktlage Hoge Raad (Niederlande), The Netherlands v. Short, ILM 29 (1990), S. 1375, 1384 (Advocaat-Generaal Strikwerda); Alleweldt, Schutz, S. 70; Cremer, Schutz, S. 217 f.; Doehring, FS Rauschning, S. 419, 421 ff.; Dugard/Van den Wyngaert, AJIL 92 (1998), S. 187, 194 f.; Lagodny, Rechtsstellung, S. 100; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 128. Anders liegt es, wenn die Menschenrechtsnorm eine Norm des jus cogens darstellt, denn in diesem Fall ist die entgegenstehende Pflicht nichtig; dazu Doehring, FS Rauschning, S. 419, 420 f.; Seidl-Hohenveldern, FS Luther, S. 179, 180 f.; vgl. Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 71 f.; Odendahl, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 30 Rn. 15. Die Verbote der Todesstrafe oder des „Todeszellensyndroms“ dürften jedoch (zumindest) nicht jus cogens sein; vgl. Doehring, FS Rauschning, S. 419, 420, sowie zur Todesstrafe Dugard/Van den Wyngaert, AJIL 92 (1998), S. 187, 196 f.; Peters, EuGRZ 26 (1999), S. 650, 654; zum Ansatz vgl. auch den Heijer, JIDS 4 (2013), S. 361, 374. 708 Vgl. Hailbronner, FS Ress, S. 997, 1006; Quigley/Shank, Virginia JIL 30 (1989), S. 241, 270 f. 709 Proelß, Meeresschutz, S. 133 f.; ders., in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 17 ff. 710 Art. 59 und 60 Satz 1 des Statuts; Art. 94 Abs. 1 der Charta. Vgl. IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), ICJ Reports 2013, S. 281, 307. 711 Vgl. etwa zur nicht vertraglichen Rechtsnatur der Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 71, 99. Im Fall der Jurisdiktionsbegründung in der Form des forum prorogatum kann es im Übrigen an der zwar nicht für die Eigenschaft als Vertrag, aber für die Anwendung der WVK nach ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. a erforderlichen Schriftform fehlen (vgl. zu den Vertragsdefinitionen des allgemeinen Völkerrechts und der WVK Bernhardt, EPIL IV, S. 926, 927; Simma, Reziprozitätselement, S. 34).

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zwischen ihnen und dem Gerichtshof begründeten Prozessrechtsverhältnis.712 Letzteres wird entweder durch die Erhebung einer Klage oder die Notifizierung eines Compromis (Art. 40 Abs. 1 des Statuts) oder durch die Erteilung des letzten notwendigen Zustimmungsaktes nach der Doktrin des forum prorogatum – also jeweils durch nicht selbst vertragliche Akte – begründet.713 Art. 34 WVK gilt deshalb zwar nicht unmittelbar für die Begründung der Rechtsfolgen eines Urteils des IGH. Als „allgemeine Regel betreffend Drittstaaten“714 könnten sich aus der Norm allerdings allgemeingültige Erkenntnisse über den Schutz von Drittstaaten vor res inter alios acta ableiten lassen. Dies ist insbesondere deshalb naheliegend, weil nach der Auffassung des Gerichtshofs sein Urteil nur an die Stelle einer Vereinbarung der Parteien über die streitige Frage tritt.715 Wenn nun das Urteil nur die Funktion eines Vertrags wahrnimmt, spricht dies dafür, dass die Herbeiführung eines drittstaatsbelastenden Urteils dann rechtswidrig wäre, wenn für einen gleichlautenden Vertrag dasselbe gelten müsste. Art. 34 WVK besagt, dass ein Vertrag für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte begründet. Die Norm bringt damit den allgemeinen Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt zum Ausdruck.716 In dem hiesigen Zusammenhang ist allerdings nicht die Begünstigung eines Drittstaats durch einen Vertrag, sondern nur dessen Belastung durch die Auferlegung von Pflichten i.S.d. Art. 34 WVK von Interesse. Zu ermitteln ist also, inwieweit Art. 34 WVK nicht nur vertraglichen Regelungen, die unmittelbar Pflichten für einen Drittstaat begründen, sondern auch Verträgen mit nur mittelbaren Folgen für Drittstaaten entgegensteht. (1) Unzulässiger Entzug von Rechten durch den mittelbar belastenden Vertrag? Nach dem Wortlaut des Art. 34 WVK sind bloße mittelbare Belastungen zunächst nicht erfasst, da diese an sich keine Verpflichtungen für den Drittstaat begründen.717 712 Vgl. zum letzten Element oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (1) dieser Arbeit, und zu dieser Dreiteiligkeit der Entscheidungsgrundlagen des IGH Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 17. 713 Vgl. zum seising bei der Jurisdiktionsbegründung in der Form des forum prorogatum oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (b) dieser Arbeit. 714 „General rule regarding third States.“ So die amtliche Überschrift des Art. 34 WVK; die neben der englischen Fassung anderen authentischen Fassungen nach Art. 85 WVK haben denselben Bedeutungsgehalt. 715 S. o., Fn. 554. 716 ILC, Draft Articles on the Law of Treaties with Commentaries, ILC Yearbook, Vol. II, Part Two, S. 187, 226; EuGH, Brita GmbH ./. Hauptzollamt Hamburg Hafen, Rs. C-386/08, Slg. 2010, S. I-1289, I-1337; Aust, Complicity, S. 250; David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 1; König, Durchsetzung, S. 168; Matz, Wege, S. 234; Núñez-Müller, Staatszugehörigkeit, S. 261; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 208; Proelß, Meeresschutz, S. 129; ders., in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 1; Sinclair, Vienna Convention, S. 98; Villiger, Commentary, Art. 34 Rn. 1; Wetzel, Verträge, S. 66, 68. 717 Vgl. David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 13; König, Durchsetzung, S. 168 f.; Núñez-Müller, Staatszugehörigkeit, S. 261; Stein/von Buttlar, Völkerrecht,

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Beispielsweise verpflichtet in dem vorgenannten Beispiel Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78 die Drittstaaten nicht, die Einhaltung der Konventionsstandards durch die unter ihrer Flagge fahrenden Schiffe sicherzustellen, sondern die Norm begründet nur faktische Konsequenzen für den Fall, dass dies nicht erfolgreich geschieht.718 Gleichwohl ist über den Wortlaut des Art. 34 WVK hinaus anerkannt, dass ein Vertrag nicht nur keine Pflichten für Drittstaaten begründen, sondern ihnen auch keine anderweitig begründeten Rechte nehmen kann.719 Art. 34 WVK steht insofern für die allgemeine Aussage, dass Staaten nicht über die Rechte und Pflichten anderer souveräner Staaten disponieren und daher fremde Rechte nicht vertraglich modifizieren können.720 Fraglich ist deshalb, ob einem Drittstaat Rechte entzogen werden, wenn ein Vertrag zwischen anderen Staaten mittelbare Auswirkungen auf ihn hat. (a) Rechtsfolgen eines mittelbar belastenden Vertrags für einen Drittstaat im Allgemeinen Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78 verpflichtet die Parteien der Konvention, ihre Kontrollmaßnahmen mit Blick auf Verstöße auf Hoher See auch auf Schiffe unter der Flagge eines Drittstaats zu erstrecken, und hält die Parteien somit zu einer Ausübung von Jurisdiktion über Vorgänge auf Hoher See an, die der alleinigen Jurisdiktion des Flaggenstaats unterliegen. Damit wird jedoch die alleinige Jurisdiktion des Flaggenstaats nicht beseitigt und nicht einmal in Abrede gestellt. Vielmehr entsteht für die Parteien der MARPOL-Konvention eine Pflichtenkollision: Einerseits müssen sie, kraft Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78, die fragliche Jurisdiktion ausüben, andererseits dürfen sie das im Verhältnis zum Flaggenstaat nicht tun. In dieser Kollisionslage entsteht aber keine Norm, die die Unwirksamkeit einer der kollidierenden Normen anordnet; die MARPOL-Konvention beansprucht keinen Vorrang vor den Verpflichtungen gegenüber einem Drittstaat. Vielmehr bleiben beide Verpflichtungen bestehen; der Staat, der beide Verpflichtungen eingegangen ist (oder der die eine Verpflichtung eingegangen ist und dem die zweite kraft allgemeinen Völkerrechts obliegt), ist dann unauflösbar beiden Normen ausgesetzt. Er kann sich – auf der Rn. 118; Villiger, Commentary, Art. 34 Rn. 9; Wolfrum, BDGVR 31 (1989), S. 121, 139 f.; vgl. auch Wetzel, Verträge, S. 13. 718 Núñez-Müller, Staatszugehörigkeit, S. 261; Wolfrum, BDGVR 31 (1989), S. 121, 139 f.; vgl. König, Durchsetzung, S. 168 f. 719 ILC, Draft Articles on the Law of Treaties with Commentaries, ILC Yearbook, Vol. II, Part Two, S. 187, 226; IGH, International Status of South West Africa, Separate Opinion by Judge Read, ICJ Reports 1950, S. 164, 165; Netherlands–USA Arbitral Tribunal, Island of Palmas Case, RIAA II, S. 829, 842, 870; Klingberg, GYIL 46 (2003), S. 537, 549 f.; Lord McNair, Treaties, S. 220; Senn, Immunitäten, S. 156; Sinclair, Vienna Convention, S. 99; vgl. Proelß, Meeresschutz, S. 132 f.; Ray, Commentaire, S. 569. 720 Vgl. ILC, Draft Articles on the Law of Treaties with Commentaries, ILC Yearbook, Vol. II, Part Two, S. 187, 226, und ohne direkten Bezug zu Art. 34 WVK IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Merits, ICJ Reports 2012, S. 624, 685, 707 (Verträge können nicht „affect the rights“ einer Nichtpartei); Netherlands–USA Arbitral Tribunal, Island of Palmas Case, RIAA II, S. 829, 842, 870.

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faktischen Ebene – entscheiden, welche Verpflichtung er verletzen will, aber eine wird er immer verletzen.721 Entsprechendes gilt für die zuvor skizzierten Auslieferungsfälle. Hier bleiben die Auslieferungspflicht und das Auslieferungsverbot nebeneinander bestehen.722 Der durch beide Normen verpflichtete Staat hat sich in die Bedrängnis gebracht, eine dieser Normen durch die Befolgung der anderen zwangsläufig zu verletzen. Es gibt aber keine Regelung des Konflikts in dem Sinne, dass der Auszuliefernde sein Menschenrecht des non-refoulement oder der andere Staat seinen Auslieferungsanspruch verlöre.723 In beiden Fällen folgt die Koexistenz der einander in casu widersprechenden Normen aus der Dezentralität der völkerrechtlichen Normsetzung.724 Im innerstaatlichen Recht gibt es meist nur einen Gesetzgeber, so dass sich scheinbare Normenkonflikte durch Interpretation, also durch Ermittlung der (objektiven) Absicht dieses einen Gesetzgebers auflösen lassen; auch wenn es – wie in einem Bundesstaat – mehrere Gesetzgeber gibt, enthält die Verfassung regelmäßig Normen zur Lösung etwaiger Konflikte.725 Im Völkerrecht können konfligierende Normen dagegen oft nicht auf den Willen einer gemeinsamen Legislative zurückgeführt werden, und besteht oft keine auf beide Normen anwendbare Konfliktlösungsnorm. Vielmehr kollidieren bei einem völkerrechtlichen Normenkonflikt oftmals nicht nur Normen, sondern zugleich unterschiedliche Legislativen. Folglich können etwa die lex posterior-Regel und die lex specialis-Regel nicht im Verhältnis von Vertrags721

Vgl. allgemein zu den hier beschriebenen Konsequenzen einer Vertragskollision EuGH, Kommission ./. Italien, Rs. 10/61, Schlussanträge des Generalanwalts Lagrange, Slg. 1962, S. 1, 27, 38; Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 3; Cremer, Schutz, S. 217 f. (ihm zustimmend Alleweldt, Schutz, S. 70); Doehring, FS Rauschning, S. 419, 421; Karl, EPIL IV, S. 935, 938; Klabbers, Treaty Conflict, S. 88 f., 98; Lagodny, Rechtsstellung, S. 107 f.; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 72 f., 128; Seidl-Hohenveldern, FS Luther, S. 179, 188 f.; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 110; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 453; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 260 ff.; vgl. auch ILC, Second report on State responsibility, by Mr. James Crawford, Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/498/Add.1, S. 12; Aust, Complicity, S. 253 f.; Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 320 mit Fn. 196; Rousseau, FS Rolin, S. 300, 309 f.; anders einige (überwiegend ältere) Stimmen, die den jeweils späteren Vertrag für nichtig halten (lex prior derogat legi posteriori); dazu noch eingehend unten, unter bb) (1) (a); vgl. auch Art. 30 Abs. 4 lit. b WVK, wonach zwischen einem Staat, der Partei beider konfligierender Verträge ist, und einem Staat, der nur Partei eines Vertrags ist, der letztere Vertrag – ungeachtet der Kollisionslage – gilt. 722 Hoge Raad (Niederlande), The Netherlands v. Short, ILM 29 (1990), S. 1375, 1384 f. (Advocaat-Generaal Strikwerda); Doehring, FS Rauschning, S. 419, 421; Lagodny, Rechtsstellung, S. 100, 107; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 72 f., 128. 723 Vgl. in diesem Sinne zur (möglichen) Normenkollision im East Timor-Fall Scobbie/ Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 209. 724 Vgl. Jenks, BYIL 30 (1953), S. 401, 402 f.; Klabbers, Treaty Conflict, S. 9; Matz, Wege, S. 241; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 74 f.; Odendahl, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 30 Rn. 1; Sinclair, Vienna Convention, S. 93; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 264. 725 Matz, Wege, S. 240 f.; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 74 f.; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 264.

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beziehungen zwischen unterschiedlichen Parteien angewendet werden,726 eben weil es sich bei ihnen um typisierte Vermutungen gesetzgeberischer Absichten handelt,727 die beim Fehlen einer gemeinsamen Legislative, hier bei einem Konflikt zwischen zwei Legislativen, versagen müssen. Die verschiedenen Legislativen des Völkerrechts sind damit durchaus fähig, einander widersprechende Normen zur Entstehung zu bringen, ohne selbst eine Konfliktlösung vorzusehen.728 Dies ist nicht mehr als systemgerecht. Der Widerspruch ist daher bereits aus völkerrechtssystematischen Gründen keiner rechtlichen Auflösung zugänglich. Wenn nun die Rechte aus jedem der konfligierenden Verträge (oder sonstigen Rechtsquellen) durch die Kollision unberührt bleiben, entzieht die eine Norm dem von der anderen Norm begünstigten Staat keine Rechte. Unter dem Gesichtspunkt der Modifizierung fremder Rechte lässt sich hier also kein Fall der Drittstaatsbelastung i.S.d. Art. 34 WVK begründen.729 Eine Einwirkung auf die Rechtssphäre des Drittstaats ergibt sich vielmehr noch nicht durch den mittelbar belastenden Vertrag, sondern erst durch die Befolgung dieses Vertrags durch eine seiner Parteien.730 726 Karl, EPIL IV, S. 935, 937; Klabbers, Treaty Conflict, S. 97, 99; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 264 f., 266; nur zur lex posterior-Regel auch Hoge Raad (Niederlande), The Netherlands v. Short, ILM 29 (1990), S. 1375, 1385 (Advocaat-Generaal Strikwerda); Kelsen, Law of the UN, S. 112; Pauwelyn, Conflict, S. 97; Seidl-Hohenveldern, FS Luther, S. 179, 183; Stein/von Buttlar, Völkerrecht, Rn. 110, sowie bereits de Vattel, Droit des gens, Livre II Chapitre XVII § 315; nur zur lex specialis-Regel auch ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 62 (zur lex posterior-Regel offener: ebda., S. 125 ff.). Die Regeln können allerdings im Verhältnis zwischen einzelnen Parteien eines multilateralen Vertrags zur Anwendung kommen, wenn dieser Vertrag nur eine Vielzahl bilateraler Erfüllungsbeziehungen begründet und ein Konflikt zwischen einer dieser Beziehungen und einem anderen Vertrag zwischen den Parteien dieser Beziehung entsteht; vgl. allgemein zur Pflichtenstruktur multilateraler Austauschverträge Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 86 ff.; Simma, Reziprozitätselement, S. 154 f., und zur Anwendung der lex posterior- und der lex specialis-Regeln Finke, Parallelität, S. 213, 215; Matz, Wege, S. 236. 727 Klabbers, Treaty Conflict, S. 97; Lock, Verhältnis, S. 88; Vranes, ZaöRV 65 (2005), S. 391, 398, 399 f.; nur zur lex specialis-Regel Akehurst, BYIL 47 (1974 – 1975), S. 273; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 13; Pauwelyn, Conflict, S. 388; Sinclair, Vienna Convention, S. 96; Thienel, HRLR 9 (2009), S. 465, 468; ders., in: Krzan, S. 189, 226, und nur zur lex posterior-Regel ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 48, 117; Hoge Raad (Niederlande), The Netherlands v. Short, ILM 29 (1990), S. 1375, 1385 (Advocaat-Generaal Strikwerda); Matz, Wege, S. 317, 331 f.; Pauwelyn, Conflict, S. 368 ff. 728 Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 75. 729 Vgl. Karl, EPIL IV, S. 935, 938; a.A. Doehring, FS Rauschning, S. 419, 423, obwohl auch dieser anerkennt, dass die konfligierenden Rechte ihre Geltung trotz des Konflikts behalten (ebda., S. 421). 730 Vgl. Cremer, Schutz, S. 218; Kelsen, Law of the UN, S. 114; ders., Recueil des Cours 84 (1953 III), S. 1, 167 f.; Lord McNair, Treaties, S. 221 f.; vgl. auch StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Merits, PCIJ Series A, No. 5, S. 45, wo der StIGH eine Verletzung der

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Anders liegt es nur, wenn ein Vertrag seinen Parteien nicht nur Pflichten auferlegt, die mit den Verpflichtungen der Parteien gegenüber Dritten kollidieren, sondern wenn er zugleich die Rechte des Drittstaats mit abschließender Wirkung unanwendbar macht. Das kann namentlich geschehen, wenn der Gründungsvertrag einer internationalen Organisation dieser ein bestimmtes Verhalten vorgibt, durch das die Rechte von Drittstaaten verletzt werden, und wenn zugleich der Gründungsvertrag das allein oder vorrangig maßgebliche Recht für das Verhalten der Organisation ist. In diesem Fall würden die Rechte der Drittstaaten innerhalb der Organisation im Rechtssinne aufgehoben; der Gründungsvertrag wirkte daher unmittelbar drittstaatsbelastend. Dieses Problem stellt sich beispielsweise, wenn Art. 27 Abs. 2 des Statuts des IStGH augenscheinlich umfassend die Berücksichtigung völkerrechtlicher Immunitäten durch den IStGH ausschließt und Art. 21 Abs. 1 desselben Statuts den IStGH verpflichtet, „an erster Stelle“ das Statut und erst „an zweiter Stelle“731 anwendbare Verträge und sonstiges Völkerrecht anzuwenden.732 (b) Abweichende Lösung wegen Art. 103 der Charta? Die Problemstellung dieser Arbeit, die sich auf die Wirkungen eines Urteils des IGH auf einen Drittstaat bezieht, hat in diesem Zusammenhang aber noch einen weiteren Aspekt. Vor dem Hintergrund, dass der IGH gemäß Art. 7, 92 der Charta und Art. 1 seines Statuts ein Organ der Vereinten Nationen ist, ergibt sich die Verpflichtungswirkung seiner Urteile aus einer Bestimmung der Charta, nämlich aus Art. 94 Abs. 1 der Charta. Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass auf die Verpflichtungswirkung der Urteile des IGH auch Art. 103 der Charta Anwendung findet,

Rechte aus einer früheren Konzession durch die Erteilung einer späteren, konfligierenden Konzession verneinte, weil diese keine praktischen Konsequenzen gehabt hatte; dazu Klabbers, Treaty Conflict, S. 55 f. Auch Matz, Wege, S. 234, spricht in diesem Sinne nur von der Verletzung eines Vertrags durch die einen anderen Vertrag umsetzenden Maßnahmen. 731 „In the first place“/„[e]n premier lieu“ bzw. „[i]n the second place“/„[e]n second lieu“. Die anderen authentischen Fassungen (Art. 128) haben keinen anderen Bedeutungsgehalt. 732 Vgl. zum Drittstaatsproblem Schabas, Commentary, S. 450; Senn, Immunitäten, S. 152 ff., sowie (etwas unklar) Bantekas, JCSL 10 (2005), S. 21, 30 f., jeweils ohne Bezug auf Art. 21 Abs. 1 des Statuts des IStGH. Das Problem tritt freilich nicht auf, wenn entweder schon kraft Völkergewohnheitsrechts keine Immunitäten gegenüber dem IStGH bestehen (in diesem Sinne etwa IStGH, Pre-Trial Chamber I, The Prosecutor v. Al-Bashir, Decision Pursuant to Article 87(7) of the Rome Statute on the Failure by the Republic of Malawi to Comply with the Cooperation Requests Issued by the Court with Respect to the Arrest and Surrender of Omar Hassan Ahmad Al Bashir, ILM 51 (2012), S. 400, 406; Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 203 f.) oder Art. 27 Abs. 2 des Statuts des IStGH nur als vertraglicher Immunitätsverzicht der Parteien des Statuts verstanden wird (dafür Breuer, FS Klein, S. 747, 760; Klingberg, GYIL 46 (2003), S. 537, 549 f.; Schabas, Commentary, S. 450; Senn, Immunitäten, S. 185; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 990). Das Problem ist auch dann ausgeräumt oder kann zumindest ausgeräumt sein, wenn der IStGH aufgrund einer Verweisung des Sicherheitsrats (Art. 13 lit. b des Statuts des IStGH; Kapitel VII der Charta) tätig wird; vgl. Akande, JICJ 7 (2009), S. 333, 340 ff.; Breuer, FS Klein, S. 747, 759; Foakes, Position, S. 201.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

wonach die Verpflichtungen der Charta im Konfliktfall anderen vertraglichen733 Verpflichtungen der Mitglieder der Vereinten Nationen vorgehen.734 Wenn demnach die Urteilsverpflichtung nach Art. 94 Abs. 1, 103 der Charta anderen, konfligierenden Verpflichtungen der Parteien des Streitfalls vor dem IGH vorginge, könnte zu begründen sein, dass die mittelbar betroffenen Rechte von Drittstaaten insoweit beseitigt würden.735 Dies würde bei näherer Betrachtung mehrerlei voraussetzen. (aa) Geltung des Art. 103 der Charta für das Sekundärrecht Zunächst setzte die Anwendung von Art. 103 der Charta auf die Verpflichtungen aus Urteilen des IGH voraus, dass die Urteilsverpflichtung eine „Verpflichtung aus dieser Charta“736 darstellt. Verpflichtungen aus der Charta i.S.d. Art. 103 dürften daher nicht nur die Verpflichtungen aus dem Text der Charta selbst sein, sondern müssten Verpflichtungen aus dem Sekundärrecht der Vereinten Nationen einschließen. Dies ist namentlich für die Verpflichtungen aus Resolutionen des Sicherheitsrates nach Art. 25 der Charta anerkannt737 und kann deshalb auch für die 733 Vgl. zur Frage, ob Art. 103 der Charta auch oder entsprechend für einen Konflikt zwischen der Charta und Völkergewohnheitsrecht gilt, einerseits Fassbender, Security Council, S. 120; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 68; Schweigman, Authority, S. 195 f.; Vidmar, in: de Wet/Vidmar, S. 13, 18 f. (für eine solche Geltung), und andererseits IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Provisional Measures, Dissenting Opinion of Judge Bedjaoui, ICJ Reports 1992, S. 33, 47; Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Rezek, ICJ Reports 1998, S. 61; Bantekas, JCSL 10 (2005), S. 21, 31; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 412 f.; Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 214; Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 602 ff.; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 309; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 447 ff. (gegen eine solche Geltung); vgl. zur Bindung des Sicherheitsrats an das Gewohnheitsrecht abgesehen von Art. 103 der Charta ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/l-682, S. 176; Bantekas, JCSL 10 (2005), S. 21, 31; Bedjaoui, New World Order, S. 29 ff.; Klingberg, GYIL 46 (2003), S. 537, 547; Zimmermann, FS Eitel, S. 253, 274. 734 Dafür Kelsen, Law of the UN, S. 495; Kolb, ICJ, S. 63 f.; Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 585, 586 Fn. 13; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 39; Pauwelyn, Conflict, S. 339 f.; Rosenne, Provisional Measures, S. 108 Fn. 60; Scobbie/Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 210; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 336; wohl auch Ajibola, in: Bulterman/Kuijer, S. 9, 31 Fn. 30; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 414 f.; vgl. auch, mit Blick auf Art. 41 des Statuts (i.V.m. Art. 92 Satz 2 der Charta), Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 41 Rn. 97. 735 So Scobbie/Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 210. 736 „Obligations under the present Charter“/„les obligations […] en vertu de la présente Charte“ (Art. 103 der Charta). Die anderen authentischen Fassungen nach Art. 111 der Charta haben denselben Bedeutungsgehalt. 737 IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Provisional Measures, ICJ Reports 1992, S. 3, 15; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia),

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anderen Organe der Vereinten Nationen angenommen werden, soweit diese nach der Charta (oder dem Statut)738 Pflichten der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen begründen können.739 Wenn ansonsten die Anwendung des Art. 103 der Charta auf vom IGH begründete Verpflichtungen in Betracht kommt, steht dem also jedenfalls nicht der Umstand entgegen, dass diese sich nicht unmittelbar aus der Charta ergeben.740 (bb) Bedeutung des Art. 103 der Charta: Vorrang oder Vorzugsanordnung? Im Übrigen kommt – auf der Grundlage der vorstehenden Überlegungen zur Reichweite des Art. 34 WVK – in Betracht, dass sich aus Art. 103 der Charta kein echter Vorrang der Verpflichtungen aus der Charta ergibt,741 sondern dass die Norm Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, ICJ Reports 1993, S. 407, 439; House of Lords, R. (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 1 AC 332, Rn. 35 (Lord Bingham of Cornhill), Rn. 117 (Lord Rodger of Earlsferry), Rn. 151 (Lord Brown of Eaton-under-Heywood); Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 9; Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 61; ders., FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 618; Lagrange, RGDIP 107 (2003), S. 89, 92; Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 585; Lock, Verhältnis, S. 61 f.; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 38; Szodruch, Staateninsolvenz, S. 397; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 17; Wilting, Vertragskonkurrenz, S. 55 f.; Witte, AöR 137 (2012), S. 223, 224 f.; Zimmermann, FS Eitel, S. 253, 273 f. 738 Vgl. zur Anwendung des Art. 103 der Charta auf Normen des Statuts (i.V.m. Art. 92 Satz 2 der Charta) bereits oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit, sowie IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 440; Kelsen, Law of the UN, S. 119; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 54. 739 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Separate Opinion of Vice-President Ammoun, ICJ Reports 1971, S. 67, 99; ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/ L.682, S. 168 f.; Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 9 ff.; Fraas, Sicherheitsrat, S. 81; Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 585; Thouvenin, in: Cot/Pellet/Forteau, S. 2133, 2135; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 441 f.; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 336; vgl. Cahier, Recueil des Cours 143 (1974 III), S. 589, 717; Lock, Verhältnis, S. 61 f.; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 38; Wilting, Vertragskonkurrenz, S. 55; a.A. IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Rezek, ICJ Reports 1998, S. 61. 740 Vgl. Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 585; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 39. 741 Hierfür Chinkin, Third Parties, S. 77; Fassbender, Security Council, S. 104; Finke, Parallelität, S. 164; Jenks, BYIL 30 (1953), S. 401, 436 ff.; Jennings/Watts, S. 1216; Karl, EPIL IV, S. 935, 936 f., 938; Matz, Wege, S. 249, 269 f.; Odendahl, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 30 Rn. 14; Oppenheim/Lauterpacht, S. 895 f.; Sinclair, Vienna Convention, S. 96; Spijkers, United Nations, S. 77 f.; vgl. auch House of Lords, R. (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence [2007] UKHL 58, [2008] 1 AC 332, Rn. 39 (Lord Bingham of Cornhill), Rn. 126 (Baroness Hale of Richmond), Rn. 136 (Lord Carswell), Rn. 151 (Lord Brown of Eaton-under-

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nur auf der Seite der Mitglieder der Vereinten Nationen diesen aufgibt, welcher Norm sie im Konfliktfall den Vorzug zu geben haben.742 In diesem Fall würde Art. 103 der Charta an den Rechten des Staates, der durch eine mit einer Verpflichtung aus der Charta kollidierende Norm berechtigt wird, nichts ändern.743 Dieser hat nicht mehr Rechte, wenn der Staat in der Konfliktsituation selbst entscheidet, welcher Norm er zu genügen beabsichtigt, als wenn die Charta diese Entscheidung antizipiert. Die Wirkung des Art. 103 der Charta wäre nur ein Internum für den der Konfliktlage ausgesetzten Mitgliedstaat; eine Aussage über den Status der mit der Charta-Verpflichtung konfligierenden Vertragsnorm träfe Art. 103 nicht. Auch die Anwendung von Art. 103 der Charta könnte deshalb nicht zu einem Fall der Drittstaatsbelastung i.S.d. Art. 34 WVK führen, wenn nur von einem solchen Gehalt des Art. 103 der Charta auszugehen wäre. Seinem Sinn und Zweck nach muss aber Art. 103 der Charta zur Absicherung der Umsetzung der Verpflichtungen aus der Charta nicht nur die (primäre) Geltung der mit der Charta konfligierenden Norm ausschließen, sondern muss auch die Folgen der Verletzung dieser Norm – namentlich die Schadensersatzpflicht des die ChartaVerpflichtung befolgenden Staates – und daher überhaupt deren Rechtswidrigkeit

Heywood); Kelsen, Law of the UN, S. 113; Pauwelyn, Conflict, S. 99. Die Formulierung „shall prevail“ in Art. 103 der Charta (ebenso wie die häufig in der Literatur anzutreffende Formulierung „take precedence“; vgl. nur Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 597) beschreibt dagegen nur das Ergebnis und ist daher hinsichtlich der Frage eines echten Vorrangs der Charta offen: ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 170; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 416; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 309; ders./Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 75; vgl. Kelsen, Law of the UN, S. 495; Starace, Competenza, S. 38; Wilting, Vertragskonkurrenz, S. 56; vgl. auch Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 261 (zu „primacy“). Auch Art. 30 Abs. 1 WVK trifft keine Aussage zur Wirkungsweise des Art. 103 der Charta; vgl. Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1964, Vol. II, S. 5, 37; Villiger, Commentary, Art. 30 Rn. 10. 742 In diesem Sinne ILC, Third Report [on the Law of Treaties] by G. G. Fitzmaurice, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1958, Vol. II, S. 20, 43; Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 170 f.; Annacker, Durchsetzung, S. 39; Gaja, Recueil des Cours 172 (1981 III), S. 271, 282; Sciso, ÖZÖRV 38 (1987/1988), S. 161, 174 f.; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 287 f. (offen ebda., S. 261); Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 453; Tzanakopoulos, in: de Wet/ Vidmar, S. 42, 63 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 413, und zum Fall des Konflikts einer Charta-Verpflichtung mit einer Verpflichtung gegenüber einem Nicht-Mitglied der UN Lord McNair, Treaties, S. 218; offen Kadelbach/Kleinlein, GYIL 50 (2007), S. 303, 318. 743 Vgl. Wilting, Vertragskonkurrenz, S. 61: Wegen der in Art. 103 der Charta enthaltenen Vorzugsanordnung an die Mitglieder der UN „kann und braucht Art. 103 gegenüber den NichtMitgliedern der UNO gar nicht zur Anwendung gelangen, um den Vorrang der Verpflichtungen aus der Charta sicherzustellen“.

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vermeiden.744 Das kann eine bloße Anweisung an die Mitgliedstaaten der UN, im Konfliktfall der Charta-Verpflichtung zu folgen, nicht leisten.745 Grundsätzlich ist Art. 103 der Charta daher dahin auszulegen, dass einer Verpflichtung aus der Charta gegenüber konfligierenden Verpflichtungen Vorrang zukommt746 – zumindest im weitesten Sinne. Dabei geht es nämlich nur um einen Anwendungs-, nicht um einen Geltungsvorrang,747 denn ein Geltungsvorrang ist zur Sicherung der unbeeinträchtigten Anwendung der Charta nicht erforderlich,748 und die Charta ist im Allge744 Vgl. Cahier, Recueil des Cours 143 (1974 III), S. 589, 717; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 76 f.; Thouvenin, in: Cot/Pellet/Forteau, S. 2133, 2136 f.; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 456; vgl. auch Wilting, Vertragskonkurrenz, S. 61 f. 745 Vgl. ILC, Third Report [on the Law of Treaties] by G. G. Fitzmaurice, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1958, Vol. II, S. 20, 43; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 416; Tzanakopoulos, in: de Wet/Vidmar, S. 42, 64. Anders Sciso, ÖZÖRV 38 (1987/1988), S. 161, 175, die jedoch aus Art. 103 der Charta ableitet, dass die Befolgung einer Charta-Verpflichtung im Verhältnis von Mitgliedstaaten der UN nicht rechtswidrig sei. Diese Annahme setzt jedoch voraus, dass die mit der Charta-Verpflichtung konfligierende Norm nicht gilt oder überlagert wird. Daher spricht auch Sciso in der Sache von einem Anwendungsvorrang. 746 Mit dieser Begründung Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 76 f.; vgl. i.Ü. oben, Fn. 741. Tzanakopoulos, in: de Wet/Vidmar, S. 42, 64 f., wendet hiergegen ein, dass die ILC Articles on State Responsibility für den Fall des Art. 103 der Charta, anders als für die Selbstverteidigung gemäß Art. 51 der Charta (Art. 21 der ILC Articles), keine Regelung über den Wegfall des Delikts bei der Verletzung der entgegenstehenden Verpflichtung enthalten. Das müssen sie aber auch nicht, weil der Vorrang der Charta-Verpflichtung eine Frage der Primärnormen ist und nicht eine der Staatenverantwortlichkeit. Entfällt aufgrund dieses Vorrangs die mit der Charta-Verpflichtung kollidierende Primärnorm, gibt es kein Delikt, das aufgrund der von Tzanakopoulos vermissten Sonderregelung entfallen könnte. Die Selbstverteidigung ist dagegen strukturell eine Rechtfertigung, weil mit ihrer Geltendmachung kein Element des Delikts negiert wird, sondern sie das Delikt mit einem eigenen Tatbestand ausschließt (vgl. Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 551 mit Fn. 49). 747 Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 28; Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 229 ff.; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 77 ff.; vgl. Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583, 597; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 76 f.; Spijkers, United Nations, S. 76, 77 f.; Vidmar, in: de Wet/Vidmar, S. 13, 19; gegen einen Geltungsvorrang auch Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 415 ff.; a.A. Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 15, für den Fall eines eindeutigen Konflikts eines Vertrags zwischen Mitgliedstaaten der UN mit einer direkt aus der Charta folgenden Verpflichtung; ähnlich Lord McNair, Treaties, S. 221; ähnlich auch Kolb, Introduction, S. 165 f., aber noch ausdrücklich ohne Unterscheidung zwischen dauerndem Anwendungsvorrang und Geltungsvorrang; weitergehend Karl, EPIL IV, S. 935, 938. Im hiesigen Sinne ist wohl auch Villiger, Commentary, Art. 30 Rn. 1, 10, zu verstehen, wenn er Art. 103 der Charta einerseits für eine Vorrangklausel hält, andererseits aber meint, Art. 103 verhalte sich nicht zur Wirksamkeit eines kollidierenden Vertrags. Vgl. auch aus der Entstehungsgeschichte: „In […] a case [of conflict], the obligations of the Charter would be preeminent and would exclude any others“: Report of the Rapporteur of Committee IV/2, as Approved by the Committee, UNCIO XIII, S. 703, 707 (Hervorhebung nicht im Original). Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 242 ff., weist die These eines Vorrangs im hierarchischen Sinne zurück; das spricht aber nicht gegen die These eines Anwendungsvorrangs, sondern illustriert, dass ein Anwendungsvorrang nicht hierarchisch zu verstehen ist; dazu Proelß, Bundesverfassungsgericht, S. 85 ff. 748 ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

meinen nur ergebnisorientiert und stellt keine darüber hinausgehenden Anforderungen.749 Der Wortlaut des Art. 103 der Charta spricht ebenfalls nicht für einen Geltungsvorrang, da er nicht den abstrakten Normenkonflikt, sondern nur die konkrete Situation einer Pflichtenkollision in den Blick nimmt.750 Wenn allerdings ein Nicht-Mitglied der UN durch die nach Art. 103 der Charta nicht zu befolgende Norm berechtigt wird, beschnitte ein (Geltungs- oder Anwendungs-)Vorrang der Charta-Verpflichtung dessen Rechte; Art. 103 der Charta fiele in dieser Auslegung unter Art. 34 WVK.751 In einem Fall, in dem ein Drittstaat von der Anwendung des Art. 103 der Charta betroffen ist, ist die Norm deshalb einschränkend so zu verstehen, dass in dem oben beschriebenen Sinne nur das Mitglied der UN in seiner Wahl der letztlich zu befolgenden Norm gebunden ist.752 Das Nicht-MitKoskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 171; Kolb, Introduction, S. 165; ders., Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 51, 229 f., 230 f.; vgl. Cahier, Recueil des Cours 143 (1974 III), S. 589, 717; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 453. Dementsprechend enthält auch die Entstehungsgeschichte des Art. 103 der Charta die Bemerkung, es solle nur eine „primauté sur toutes les obligations contradictoires“ in „cas de divergences réelles“ geben, aber die „perturbations qui résulteraient d’une abrogation générale“ würden vermieden: Projet de Rapport du Rapporteur du Comité IV/2, UNCIO XIII, S. 670, 672; dazu auch Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 417; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 453. Vgl. auch, zum Anwendungsvorrang des europäischen Unionsrechts, BVerfGE 123, 267, 398: „Der europarechtliche Anwendungsvorrang lässt entgegenstehendes […] Recht in seinem Geltungsanspruch unberührt und drängt es nur in der Anwendung soweit zurück, wie es die Verträge erfordern“ (Hervorhebung nicht im Original); ähnlich BVerfGE 129, 78, 99. 749 Vgl. EuGH, Kadi ./. Rat und Kommission, Rs. C-402/05 P u. a., Slg. 2008, S. I-6351, 6494; EGMR, Nada v. Switzerland (GC), Urteil vom 12. 09. 2012, verfügbar unter http:// echr.coe.int, Rn. 176; vgl. in diesem Sinne zur Urteilsverpflichtung nach Art. 94 Abs. 1 der Charta Ajibola, in: Bulterman/Kuijer, S. 9, 17; Azar, Exécution, S. 89; Wolfrum, FS Reisman, S. 363, 371 f. 750 Vgl. dazu ILC, Third Report [on the Law of Treaties] by G. G. Fitzmaurice, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1958, Vol. II, S. 20, 43; Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1964, Vol. II, S. 5, 36; Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 229; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 29; vgl. auch Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 454. 751 Vor diesem Hintergrund erörtert Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 18, ob eine solche Drittstaatswirkung gerechtfertigt sein kann, weil die Charta als Verfassung der internationalen Gemeinschaft anzusehen sei; kritisch hierzu Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 423; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 55; Tzanakopoulos, in: de Wet/Vidmar, S. 42, 63 f.; vgl. zum Vorliegen eines Drittstaatsproblems auch ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 174; Cahier, Recueil des Cours 143 (1974 III), S. 589, 718; Kelsen, Law of the UN, S. 116; Matz, Wege, S. 270; Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439, 456; Tzanakopoulos, in: de Wet/Vidmar, S. 42, 65; Wilting, Vertragskonkurrenz, S. 59 f., und bereits zu Art. 20 der Satzung des Völkerbundes Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, 59 f. 752 Dies deuten auch Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 53, an, wenn sie (trotz der Annahme einer Vorrangwirkung des Art. 103 der Charta in Rn. 77 ff.) zum Fall des Konflikts mit einem Drittstaatsrecht hervorheben, dass das Mitglied der UN die Charta-Ver-

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glied bleibt dann berechtigt, bei dem Mitglied, das die Charta-Verpflichtung befolgt hat, seine Rechte (und ggf. Sekundärrechte) geltend zu machen.753 Hierzu ist nun weiter zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Befolgung der Urteile des IGH immer nur die Parteien des konkreten Streitfalls, als Parteien des Prozessrechtsverhältnisses, trifft.754 Daraus folgt, dass Drittstaaten gegenüber der Urteilsverpflichtung nach Art. 94 Abs. 1 i.V.m. Art. 103 der Charta nicht nur (staatliche) Nicht-Mitglieder der UN sind, sondern alle Staaten, die nicht auch Parteien des Verfahrens waren. Diese Staaten haben der Entstehung der Urteilsverpflichtung nicht zugestimmt und müssen es deshalb auch nicht hinnehmen, dass im Konfliktfall ihre Rechte hinter der Urteilsverpflichtung im Rang zurückbleiben. In jedem Fall der Drittstaatsbetroffenheit durch ein Urteil des IGH liegt deshalb die soeben als zweite erörterte Konstellation, also eine Betroffenheit eines Drittstaats, vor.755 Art. 103 der Charta ist deshalb in den in dieser Arbeit interessierenden Fällen allenfalls als Anordnung des Vorzugs der Charta-Verpflichtung im Konfliktfall zu verstehen. Drittstaaten würden durch ein Urteil des IGH deshalb nie Rechte entzogen, selbst wenn man Art. 103 der Charta dem Grunde nach für anwendbar hielte. Ein anderes Ergebnis ergäbe sich auch dann nicht, wenn man Art. 103 der Charta im Sinne der verbreiteten Qualifizierung der Charta als „Verfassung der internationalen Gemeinschaft“756 insoweit Wirkung gegenüber Drittstaaten beimäße, als – abweichend von der hier bisher angenommenen Rechtslage – auch bei einem Konflikt zwischen einer Charta-Verpflichtung und einem Recht eines Drittstaats die

pflichtung trotz des Konflikts zu erfüllen habe. Vgl. auch Lord McNair, Treaties, S. 218: „members are precluded by the Charter from performing a treaty which conflicts with the Charter“ (Hervorhebung nicht im Original). 753 So zu den Sekundärrechten, unter der Annahme, dass das Mitglied seine Charta-Verpflichtung befolgt, ILC, Third Report [on the Law of Treaties] by G. G. Fitzmaurice, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1958, Vol. II, S. 20, 43; Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1964, Vol. II, S. 5, 36; Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 204. 754 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (1) dieser Arbeit. 755 Anders liegt es, wenn Art. 103 der Charta auf die Verpflichtung aus einem Urteil des IGH anwendbar sein soll, weil zwischen den Parteien sowohl das Urteil des IGH als auch eine andere, gegenteilige Urteilsverpflichtung vorliegen; dafür Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 39. Dann sind keine Drittstaatsrechte betroffen, sondern nur die der vor dem anderen Gericht erfolgreichen Partei. In dieser Untersuchung geht es jedoch nur um das Schicksal betroffener Drittstaatsrechte. 756 Vgl. hierzu nur Fassbender, Security Council, S. 89 ff.; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 29 ff., 409 ff., 440 ff.; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 92 UN Charter Rn. 23; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 286 ff.; Schweigman, Authority, S. 14 ff.; Thouvenin, in: Cot/Pellet/Forteau, S. 2133, 2134; in diesem Sinne bereits zur Satzung des Völkerbundes Yepes/da Silva, Commentaire, S. 74; kritisch Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 423; Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 237 ff.; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 55.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Charta-Verpflichtung Vorrang genösse.757 Dies könnte nämlich nur hinsichtlich solcher Charta-Verpflichtungen gelten, die bereits innerhalb der Mitgliedschaft der UN materiell konstitutionellen, also zumindest allgemeinverbindlichen, Charakter haben. Nur hinsichtlich solcher Normen, die innerhalb der UN alle Mitglieder verpflichten, kann auch eine Bindung von Drittstaaten über eine Erstreckung des Art. 103 der Charta interessengerecht sein. Das ist aber für die Verpflichtungen aus Urteilen des IGH, wie gesehen, nicht der Fall. Die Urteile des IGH können also schon deshalb nicht wegen einer etwaigen Anwendung des Art. 103 der Charta Drittstaaten in unzulässiger Weise mittelbar belasten, weil Art. 103 der Charta ihnen keinen Vorrang verleihen, sondern allenfalls die Parteien des Verfahrens zum Vorzug der Urteilsverpflichtung im Konfliktfall verpflichten könnte. Damit würden Drittstaaten, deren Rechte durch die Befolgung des Urteils seitens der Parteien berührt sein könnten, keinerlei Rechte entzogen. Art. 103 der Charta ergäbe insofern nicht mehr als eine Ergänzung der Konfliktsituation, die nur die in der Konfliktlage stehende Partei des Verfahrens beträfe und keinerlei unmittelbare Außenwirkung auf die Rechte des Drittstaats hätte. Eine Wirkung auf dessen Rechte ergäbe sich, wie sonst bei einer unauflösbaren Pflichtenkollision, erst mit der Befolgung der anderen Pflicht durch die Partei des Verfahrens. (cc) Vereinbarkeit der Geltung des Art. 103 der Charta mit dem Statut Im Übrigen können Bedenken bestehen, ob die Geltung des Art. 103 der Charta für die Verpflichtung aus Urteilen des IGH gemäß Art. 94 Abs. 1 der Charta mit dem Statut (als Bestandteil der Charta) vereinbar ist, und ob deshalb eine solche Wirkung der Urteilsverpflichtung überhaupt angenommen werden kann. Hierzu ist zunächst festzuhalten, dass Art. 103 der Charta keinen Automatismus in dem Sinne begründet, dass jeder Verpflichtung aus der Charta oder dem Statut ausnahmslos der Vorrang vor konfligierenden Normen zukäme bzw. der Vorzug vor diesen gebührte. Wenn etwa der Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten verpflichtete, etwas zu tun, solange dies nicht gegen ihre völkerrechtliche Verpflichtungen verstößt,758 wäre es unsinnig, gleichwohl die Anwendung des Art. 103 der Charta zu 757 Dafür Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 18; Fassbender, Security Council, S. 113; Kelsen, Law of the UN, S. 115 f.; dagegen Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 414 f. 758 Denkbar wäre etwa eine Verpflichtung unter dem Vorbehalt der Beachtung menschenrechtlicher Gewährleistungen. Dies wurde im Wege der Auslegung der SC Res. 1546 (2004) im Fall Al-Jedda vor den englischen Gerichten abgelehnt; besonders deutlich in diesem Sinne High Court (Queen’s Bench Division, Divisional Court) (England und Wales), R. (AlJedda) v. Secretary of State for Defence [2005] EWHC 1809 (Admin), [2005] HRLRep 39, Rn. 90 ff. (Moses J). Für eine Vermutung der Menschenrechtskonformität von Resolutionen des Sicherheitsrats aber – zu Recht – IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, ICJ Reports 1993, S. 407, 440 f.; EGMR, Al-Jedda v. United Kingdom (GC), Urteil vom 07. 07. 2011, verfügbar unter http://echr.coe.int,

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bejahen. Auch kann Art. 103 der Charta insoweit nicht für das Gewaltverbot nach Art. 2 Abs. 4 der Charta gelten, wie dieses die Intervention auf Einladung des Staates, in dessen Gebiet Gewalt angewendet wird, gerade zulässt; das Gewaltverbot setzt sich also nicht gemäß Art. 103 der Charta gegenüber der Einladung durch.759 Es ist daher erforderlich, für jede Bestimmung der Charta oder des Statuts zu ermitteln, ob diese der Wirkung des Art. 103 der Charta zugänglich ist oder nicht. Hinsichtlich der Urteilsverpflichtung nach Art. 94 Abs. 1 der Charta und sämtlicher Verpflichtungen aus dem Statut fällt zunächst auf, dass die Anwendung des Art. 103 der Charta auf diese Normen eine Neuerung gegenüber der Rechtslage darstellen würde, wie sie noch für den StIGH bestand. In der Satzung des Völkerbundes gab es zwar mit Art. 20760 bereits einen Vorläufer des heutigen Art. 103 der Charta.761 Das Statut des StIGH war jedoch kein Bestandteil der Satzung des Völkerbundes,762 sondern wurde erst auf Grundlage des Art. 14 der Satzung erarbeitet.763 Das Statut konnte deshalb nicht an der Wirkung des Art. 20 der Satzung des Völkerbundes teilnehmen. Im Übrigen war zwar Art. 20 Abs. 1 der Satzung über seinen Wortlaut hinaus wohl auch zu entnehmen, dass nicht nur keine mit der Satzung unverbindlichen Verpflichtungen eingegangen werden durften, sondern dass andernfalls die Satzung Vorrang vor solchen Verpflichtungen beanspruchen könne.764 Jedoch sprach nach der damaligen Rechtslage einiges dafür, dass die Verpflichtung zur Ausführung gerichtlicher oder schiedsgerichtlicher Entscheidungen nach Art. 13 Rn. 102; Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 98; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 26 f. 759 I. E. ähnlich zum jus cogens-Rang des Gewaltverbots Fraas, Sicherheitsrat, S. 84; Nolte, Eingreifen, S. 138; Orakhelashvili, Peremptory Norms, S. 424. 760 Art. 20 Abs. 1 der Satzung des Völkerbundes lautete in seiner englischen Fassung wie folgt: „The Members of the League of Nations severally agree that this Covenant is accepted as abrogating all obligations or understandings inter se which are inconsistent with the terms thereof, and solemnly undertake that they will not hereafter enter into any engagements inconsistent with the terms thereof.“ Die englische und die französische Fassung der Satzung waren gleichermaßen authentisch (Abs. 1 der Schlussbestimmungen des Versailler Vertrags, als dessen Bestandteil die Satzung angenommen wurde, RGBl. 1919, S. 687, 1327). 761 ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties arising from the Diversification and Expansion of International Law, Report of the Study Group of the ILC finalized by Martti Koskenniemi, UN Doc. A/CN.4/L.682, S. 168; Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 1; Fassbender, Security Council, S. 103 f.; Matz, Wege, S. 269; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 4; vgl. Jenks, BYIL 30 (1953), S. 401, 436 f. Eingehender Vergleich bei Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 42 ff. 762 Amr, Role, S. 14; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 98. 763 Vgl. zur Entstehung des Statuts des StIGH nur Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 92 UN Charter Rn. 2 ff.; Spiermann, ebda., Historical Introduction Rn. 6 ff. 764 Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, 56 ff.; Ray, Commentaire, S. 569; Yepes/da Silva, Commentaire, S. 74 f., 76, 78; a.A., jedoch nur für das ursprüngliche Normverständnis bis 1935/1936, Kolb, Recueil des Cours 367 (2013), S. 9, 46 f., 50 f. Bernhardt, in: Simma, UN Charter (2002), Art. 103 Rn. 1, hält die Konsequenzen der Begründung satzungswidriger Vertragsverpflichtungen für (damals) unklar.

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Abs. 4 der Satzung des Völkerbundes ebenfalls nicht unter Art. 20 der Satzung fiel, denn in Art. 20 Abs. 1 war ausdrücklich davon die Rede, dass die Satzung selbst frühere entgegenstehende Abreden aufhebe („this Covenant is accepted as abrogating“) und dass in Zukunft keine Verpflichtungen eingegangen würden, die mit dem Text der Satzung („with the terms thereof“) unvereinbar wären. Dass auch unter der Satzung entstehende, sekundärrechtliche Verpflichtungen unter Art. 20 der Satzung fielen, war daher nicht naheliegend. Auch inhaltlich wäre schwer einzusehen gewesen, wieso das Recht des Völkerbundes den Verpflichtungen aus Urteilen des StIGH, der kein Organ des Völkerbundes war, und aus Sprüchen von Schiedsgerichten, die in der Regel keinerlei Verbindung zum Völkerbund aufwiesen, eine besondere Wirkung hätte zuweisen sollen.765 Aber selbst wenn die Verpflichtung aus Urteilen des StIGH und die Verpflichtungen aus dem Statut seinerzeit keine Wirkung wie nach Art. 103 der Charta hatten, spricht dies noch nicht entscheidend dagegen, dass ihnen heute eine solche Wirkung beizulegen ist. Zwar basiert das Statut des IGH gemäß Art. 92 Satz 2 der Charta auf dem Statut des StIGH und wurde bei der Ausarbeitung des heutigen Statuts Wert darauf gelegt, dass die Statuten weitgehend übereinstimmen würden und das neue Statut, wie bereits das bisherige, auf den Erfahrungen der Vergangenheit aufbauen werde.766 Die Integration des IGH in die Vereinten Nationen und die Aufnahme des Statuts als Bestandteil der Charta dienten aber auch der Stärkung des Gerichtshofs.767 Dass als Folge dieser Entscheidung auch Art. 103 der Charta auf die Verpflichtungen aus Urteilen des IGH anwendbar sein könnte, ließe sich möglicherweise als Teilaspekt der Neuorganisation des IGH und seiner damit beabsichtigten Stärkung erklären. Deshalb sind im Sinne einer systematischen Interpretation der Charta und des Statuts die Konsequenzen der Geltung des Art. 103 der Charta für die Verpflichtungen aus den Urteilen des IGH zu berücksichtigen. Hierbei wird in der Literatur zunächst auf eine Besonderheit hinsichtlich der Anwendung des Art. 103 der Charta ratione personae hingewiesen: Die besondere Wirkung der Urteile des IGH gemäß Art. 103 der Charta trete für diejenigen Parteien des vom IGH entschiedenen Falls 765 Zwar durfte nach Art. 13 Abs. 4 der Satzung des Völkerbundes der Rat auch für den Fall der Nichtumsetzung eines Schiedsspruchs die zu treffenden Maßnahmen vorschlagen; damit konnte der Rat die Parteien jedoch zu nichts verpflichten; dazu Cavaré, FS Rolin, S. 39, 46. 766 Vgl. aus der Entstehungsgeschichte des Statuts des IGH den Report of the Rapporteur (Nasrat Al-Farsy, Iraq) of Committee IV/1, UNCIO XIII, S. 381, 384: „In general, the new Court will have the same organization as the old […]. Many of the features of the old Statute were elaborated from ideas which had already been current during several decades […]. In a similar way, the 1945 Statute will garner what has come from the past.“ 767 Vgl. ebda., S. 381 (zur Aufnahme des IGH in die Organisation der UN): „It is indeed only natural that such prominence should be ascribed to the judicial process when an international organization is being created which will have as one of its purposes the settlement of disputes between states by peaceful means and with due regard to justice and international law“ (Hervorhebung nicht im Original). Hier kommt auch zum Ausdruck, dass durch die Aufnahme eines Gerichtshofs zugleich die UN gestärkt werden.

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ein, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind. Diese hätten sowohl Art. 103 der Charta als auch allen Elementen, aus denen sich die Bindungswirkung des Richterspruchs ergibt, nämlich Art. 94 Abs. 1 der Charta und den Grundlagen der Jurisdiktion des IGH, zugestimmt. Für Parteien des Falls, die nicht Mitglieder der Vereinten Nationen sind, sondern nur nach Art. 93 Abs. 2 der Charta Parteien des Statuts geworden sind oder eine Erklärung unter Art. 35 Abs. 2 des Statuts abgegeben haben, könne Art. 103 der Charta allerdings nicht gelten, denn diese Parteien hätten zwar „all the obligations of a Member of the United Nations under Article 94 of the Charter“ akzeptiert,768 nicht aber die Geltung des Art. 103 der Charta.769 Träfe diese Auffassung zu, so entstünden in einem Fall, in dem das Urteil sowohl Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder der Vereinten Nationen bindet, für die verschiedenen Parteien unterschiedliche Urteilswirkungen. Solche unterschiedliche Wirkungen des am Ende des Verfahrens ergehenden Urteils müssten als systemwidrig gelten, und zwar entweder aufgrund des – vor allem im Verfahren geltenden770 – Gleichheitsrechts der Parteien, wie es in Art. 35 Abs. 2 des Statuts zum Ausdruck kommt,771 oder aufgrund der allgemeinen souveränen Gleichheit der Staaten gemäß Art. 2 Abs. 1 der Charta.772 Dies würde darauf hindeuten, dass Art. 103 der Charta nicht für die Urteile des IGH gelten kann.773 Allerdings dürfte es im Ausgangspunkt nicht zutreffen, dass die Nicht-Mitglieder der UN, die Parteien des Statuts oder nach Art. 35 Abs. 2 des Statuts parteifähig werden, nicht auch Art. 103 der Charta an768 Vgl. zu den Nicht-Parteien des Statuts SC Res. 9 (1946), und zu den Bedingungen, die die Generalversammlung und der Sicherheitsrat mit jeweils übereinstimmendem Wortlaut in jedem Fall festgesetzt haben, in dem ein Nicht-Mitglied der UN gemäß Art. 93 Abs. 2 der Charta Partei des Statuts werden wollte, Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 515; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 93 UN Charter Rn. 7. 769 Kelsen, Law of the UN, S. 118 f.; Shihata, Power, S. 49 f. Es kann hier auch keine Geltung des Art. 103 der Charta für Nicht-Mitglieder der UN begründet werden, weil ein solcher konstitutioneller Ansatz zumindest voraussetzte, dass die so erfasste Charta-Verpflichtung für alle Mitglieder gelte; vgl. den vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit. 770 Vgl. IGH, Judgments of the Administrative Tribunal of the ILO upon Complaints made against UNESCO, ICJ Reports 1956, S. 77, 85. In seinem neueren Gutachten Judgment No. 2867 of the Administrative Tribunal of the International Labour Organization upon a Complaint Filed against the International Fund for Agricultural Development, ICJ Reports 2012, S. 10, 27, hat der IGH das Prinzip der Parteiengleichheit, angesichts der unmittelbaren Betroffenheit einer Privatperson unter Aufnahme menschenrechtlicher Wertungen, darüber hinaus auf das Recht auf Zugang zu einem Gericht und das Rechtsmittelrecht angewendet. 771 Vgl. Art. 35 Abs. 2 des Statuts: „in no case shall such conditions place the parties in a position of inequality before the Court“ (Hervorhebung nicht im Original), und dazu bereits oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (b) (bb) dieser Arbeit. Für eine Anwendung dieser Grundlage der Parteiengleichheit im Zusammenhang mit der Urteilsvollstreckung Cavaré, FS Rolin, S. 39, 53. 772 Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 543, und im Anschluss an ihn Azar, Exécution, S. 35, sehen unter einer ähnlichen Hypothese einen Verstoß gegen das Prinzip der souveränen Gleichheit gemäß Art. 2 Abs. 1 der Charta. Ihnen geht es dabei um die Annahme, SC Res. 9 (1946) verpflichte Nicht-Parteien des Statuts, auch solche Urteile des Gerichtshofs umzusetzen, die nicht ihnen gegenüber ergangen sind. Das erscheint wenig naheliegend, da in der Regel nur die Parteien des Streitfalls das Urteil umsetzen („comply“/„exécuter“) können. 773 Diese Konsequenz ziehen allerdings Kelsen und Shihata (s. o., Fn. 769) nicht.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

erkennen. Anlässlich der Ausarbeitung der Bedingungen, unter denen die Schweiz Partei des Statuts werden durfte,774 hat nämlich ein Expertenausschuss des Sicherheitsrats die Auffassung vertreten, dass zugleich mit „all the obligations of a Member of the United Nations under Article 94 of the Charter“ auch die ergänzenden Verpflichtungen („complementary obligations“) aus Art. 25775 und Art. 103 der Charta übernommen würden.776 Der Sicherheitsrat und die Generalversammlung haben den Bericht des Expertenausschusses mit dieser Stellungnahme angenommen.777 Der Ausschuss hat dabei zugleich festgehalten, dass dieselbe Überlegung auch die (frühere) Aufnahme der wortgleichen Bedingung in SC Res. 9 (1946) bestimmt hatte.778 Der Grund hierfür lag gerade in der Gleichbehandlung der Mitglieder und Nicht-Mitglieder der Vereinten Nationen.779 Auch der Wortlaut der Übernahme aller Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Art. 94 der Charta lässt den Schluss zu, dass zugleich mit „all the obligations of a Member of the United Nations under Article 94 of the Charter“ die Geltung des Art. 103 der Charta konsentiert wurde.780 Der Bundesrat der Schweiz hat die Auffassung der UN-Organe zu diesem Punkt ebenfalls hingenommen.781 Insoweit ergibt sich also, wenn die Geltung des Art. 103 für die Urteilsverpflichtung aus Art. 94 Abs. 1 der Charta angenommen werden kann, keine Ungleichheit in der Anwendung ratione personae. Unter diesem Gesichtspunkt bestehen daher keine Einwände gegen die Anwendung des Art. 103 der Charta auf die Verpflichtung aus Urteilen des IGH. Vielmehr deutet die eben referierte Auffassung des Sicherheitsrats und der Generalversammlung782 darauf hin, dass von der Geltung des Art. 103 der Charta auch 774 Security Council Official Records, 1st Year, 2nd Series, No. 22, S. 501 f.; GA Res. 91 (I), UN Doc. A/64/Add.1, S. 182 f. 775 Die Erwähnung des Art. 25 der Charta bezieht sich offenbar auf die Entscheidung des Sicherheitsrats nach Art. 94 Abs. 2 der Charta; vgl. Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 558 f. 776 Report and Recommendation of the Committee of Experts of the Security Council concerning the conditions on which Switzerland may become a Party to the Statute of the International Court of Justice, GA Res. 91 (I), Annex, UN Doc. A/64/Add.1, S. 183, 184 (insoweit auch im Repertory of Practice of United Nations Organs, Bd. V, S. 315, abgedruckt); dazu auch Kolb, ICJ, S. 94 f. 777 Security Council Official Records, 1st Year, 2nd Series, No. 22, S. 502; GA Res. 91 (I), UN Doc. A/64/Add.1, S. 182. 778 Report and Recommendation of the Committee of Experts of the Security Council concerning the conditions on which Switzerland may become a Party to the Statute of the International Court of Justice, GA Res. 91 (I), Annex, UN Doc. A/64/Add.1, S. 183, 184. 779 Ebda. 780 Zweifelnd Kelsen, Law of the UN, S. 496. 781 Dazu Belin, Suisse, S. 95; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 559. 782 Die Bindungswirkung der übernommenen Verpflichtung nach Art. 94 der Charta für das Nicht-Mitglied der UN ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Bedingungen des Sicherheitsrats und der Generalversammlung (Art. 93 Abs. 2 der Charta) bzw. nur des Sicherheitsrats (Art. 35 Abs. 2 des Statuts; SC Res. 9 (1946)) und des Zustimmungsakts des Nicht-Mitglieds. Insofern lässt sich die hier erörterte Praxis des Sicherheitsrats und der Generalversammlung sowohl als nachfolgende Praxis unter Art. 93 Abs. 2 der Charta bzw. Art. 35 Abs. 2 des Statuts

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mit Blick auf den IGH ausgegangen wurde. Zwar bleibt unklar, ob der Sicherheitsrat und die Generalversammlung nur von der Geltung des Art. 103 in Verbindung mit Art. 25 der Charta für die Entscheidung des Sicherheitsrats nach Art. 94 Abs. 2 der Charta783 ausgegangen sind784 oder ob die Organe auch die Geltung der Vorrangbestimmung für die Urteilsverpflichtung aus Art. 94 Abs. 1 der Charta gesehen haben. Wesentliche Unterschiede ergeben sich zwischen diesen beiden Sichtweisen aber nicht, denn es wäre wenig sinnvoll, den Maßnahmen des Sicherheitsrats zur Durchsetzung eines Urteils die Wirkung des Art. 103 der Charta zuzuerkennen, dies aber nicht für die Urteilsverpflichtung selbst zu tun. Der Sicherheitsrat soll schließlich mit einer Entscheidung nach Art. 94 Abs. 2 der Charta dem Urteil zur Wirkung verhelfen,785 nicht aber seinen Inhalt ändern.786 Nachdem also die UNOrgane von der Geltung des Art. 103 der Charta im Rahmen des Art. 94 der Charta – sei es nun dessen Abs. 1 oder Abs. 2 – ausgegangen sind, haben sie einen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die entsprechende Vorrangwirkung auch der Urteilsverpflichtung zukommt. Offenbar systemwidrige Folgen ergäben sich aber aus der inhaltlichen Wirkung einer solchen Anwendung des Art. 103 der Charta. Gälte nämlich Art. 103 der Charta für die Verpflichtung zur Umsetzung eines Urteils des IGH, müsste sich dieses Urteil auch gegen spätere, anderslautende Vereinbarungen der Parteien durchsetzen.787 Der vor dem IGH obsiegende Staat dürfte seinem Gegner daher z. B. keine im Urteil ausgesprochene Schuld erlassen, und die Parteien könnten keine abweichende vertragliche Regelung treffen. Dies wäre besonders dann problematisch, wenn der IGH sich bei seiner Lösung geirrt hätte; ein bloßer Irrtum würde an der Bindungswirkung

und Art. 103 der Charta i.S.d. Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK verstehen (vgl. zur Relevanz der Organpraxis für die Auslegung der Charta Engel, ICLQ 16 (1967), S. 865 ff.; Kadelbach, in: Simma, UN Charter (2012), Interpretation of the Charter Rn. 36 ff.; Zimmermann/Elberling, VN 52 (2004), S. 71, 74; auf die Bedeutung des Art. 5 WVK für diese Relevanz weist Peters, GoJIL 3 (2011), S. 617, 637 f., hin), als auch als historischer Umstand der Abgabe der jeweiligen Erklärung (im Fall des Art. 35 Abs. 2 des Statuts nur analog Art. 32 WVK, weil die dort geforderte Erklärung kein Vertrag ist; vgl. zu dieser Charakterisierung der – ähnlichen – Unterwerfungserklärungen gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts Tomuschat, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 71, 99, und zur entsprechenden Anwendung der Auslegungsregeln der WVK auf diese Erklärungen IGH, Fisheries Jurisdiction (Spain v. Canada), Jurisdiction, ICJ Reports 1998, S. 432, 453; Orakhelashvili, LPICT 6 (2007), S. 159, 187). 783 Vgl. zur Geltung des Art. 25 für die Entscheidung nach Art. 94 Abs. 2 der Charta Suy/ Angelet, in: Cot/Pellet/Forteau, S. 910, 912. 784 In diesem Sinne Belin, Suisse, S. 94 f. 785 Vgl. Art. 94 Abs. 2 der Charta a.E.: „measures […] to give effect to the judgment“ (Hervorhebung nicht im Original). 786 Vgl. Azar, Exécution, S. 151 f.; Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 570 f.; Schulte, Compliance, S. 48 ff.; anders Kelsen, Law of the UN, S. 539 f.; daran zweifelnd Cavaré, FS Rolin, S. 39, 51 f. 787 Pauwelyn, Conflict, S. 111; Thouvenin, in: Cot/Pellet/Forteau, S. 2133, 2135 f. Fn. 3.

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des Urteils nichts ändern.788 Aber auch sonst ist anerkannt, dass ein Urteil des IGH die Parteien nicht hindert, gemeinsam eine abweichende Lösung zu treffen.789 Das Gegenteil wäre schwerlich begründbar, denn es gibt in aller Regel kein öffentliches oder Gemeinschaftsinteresse daran, die Parteien gegen ihren Willen an einen Richterspruch über ihre zumeist bilateralen rechtlichen Angelegenheiten zu binden.790 Der Gerichtshof selbst hat in diesem Sinne ausgesprochen, dass sein Urteil nur an die Stelle einer Vereinbarung zwischen den Parteien trete.791 Dies entspricht auch der Konzeption der Parteiautonomie und der Bestimmung des Streitgegenstandes durch die Parteien, insbesondere durch den Kläger.792 Die Anwendung von Art. 103 der Charta auf die Urteilsverpflichtung würde dem nicht gerecht.793 Ein Ausweg aus diesem Problem wäre die Annahme, dass ein Erlass durch den vor dem IGH erfolgreichen Staat oder eine andere gemeinsame Regelung des Streitfalls, die von dem Urteil abweicht, die Charta-Verpflichtung entfallen ließe, so dass Art. 103 der Charta nicht mehr anwendbar sei. Diese Annahme ist jedoch problematisch, weil mit der Anwendung des Art. 103 der Charta die These einhergeht, dass an der Beachtung der jeweiligen Charta-Verpflichtung ein öffentliches oder Gemeinschaftsinteresse bestehe. Wird das für den Fall der Verpflichtung aus einem Urteil des IGH verneint, so entfällt insoweit die inhaltliche Berechtigung der Anwendung des Art. 103 überhaupt. Hinzu kommt, dass eine Anwendung von Art. 103 der Charta auf die Urteile des IGH, nach der sich die ausgeurteilte Verpflichtung gegen anderes materielles Recht (wie hier die Rechte eines Drittstaats) durchsetzte, geeignet wäre, das dem Fall zugrunde liegende materielle Recht zu verfälschen. Man stelle sich etwa vor, in dem zuvor beschriebenen Fall der Kollision einer Auslieferungspflicht mit einem Aus788

Vgl. Schulte, Compliance, S. 35 f.; vgl. auch Art. 61 des Statuts. IGH, Application for Revision and Interpretation of the Judgment of 24 February 1982 in the Case concerning the Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), ICJ Reports 1985, S. 192, 219; Lock, Verhältnis, S. 122; Plamper, Nichtigkeit, S. 208 f.; Thouvenin, in: Cot/ Pellet/Forteau, S. 2133, 2135 f. Fn. 3; vgl. Kolb, ICJ, S. 85; Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 548; ders., FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1159; Shany, Competing Jurisdictions, S. 249; vgl. jedoch in dem Sinne, dass die Parteien (auch gemeinsam) einen rechtskräftig entschiedenen Fall nicht einem zweiten Gericht vorlegen könnten, Gattini, FS Simma, S. 1168, 1171. 790 Lock, Verhältnis, S. 122. 791 S. o., Fn. 554. 792 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 793 Die Annahme, dass sich ein Urteil des IGH gemäß Art. 94 Abs. 1, 103 der Charta gegen ein widersprechendes anderes Urteil inter partes durchsetze (Kolb, ICJ, S. 63 f.; Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 39), ließe sich allerdings mit der Erwägung rechtfertigen, dass das andere Urteil – auch wenn es später ergangen sein sollte – mit seinem konkreten Inhalt keine von dem Urteil des IGH abweichende vertragliche Abrede der Parteien darstelle. Der konkrete Abweichungswille ergebe sich insbesondere nicht bereits aus den abstrakten vertraglichen Jurisdiktionsgrundlagen des anderen Gerichts, so dass schon gar kein lex posterior-Argument zugunsten des anderen Urteils bestehe. Damit entfiele der auf der Dispositionsbefugnis der Parteien basierende Einwand gegen die Anwendung des Art. 103 der Charta. 789

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lieferungsverbot enthielte der Auslieferungsvertrag eine kompromissarische Klausel.794 In diesem Fall könnte der Staat, dem der Auslieferungsanspruch zukommt, vor dem IGH Klage erheben. Weil sein Anspruch von der Kollisionslage unberührt bleibt, müsste er vor dem IGH auch obsiegen.795 Wäre nun dem Urteilsspruch des IGH gemäß Art. 103 der Charta der Vorzug zu gewähren (ein echter Vorrang schiede, wie bereits erwähnt wurde, aus, wenn der Inhaber des kollidierenden Anspruchs nicht auch Prozesspartei war), würde aus der Kollision zwischen dem Auslieferungsanspruch und dem Auslieferungsverbot eine bereits zugunsten einer Seite rechtlich determinierte Kollision. Folgerichtig müsste sich die Urteilsverpflichtung durchsetzen.796 Die richterliche Entscheidung hätte folglich die Lösung der Kollision vorgegeben und damit das materielle Recht des Falls geändert. Das wäre mit der Aufgabe des IGH, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden (Art. 38 Abs. 1 des Statuts), unvereinbar. Das Urteil des IGH hat nur auszusprechen, was auch ohne das Urteil dem Völkerrecht entspräche;797 seine Rechtsfolgen sind daher nicht so auszulegen, als änderte es aus sich heraus die materielle Rechtslage.798 Damit ist freilich zunächst nur gesagt, dass den Urteilen des IGH in den Fällen einer unauflösbaren völkerrechtlichen Normenkollision nicht die Wirkung des Art. 103 der Charta gegenüber dem auf der materiell-rechtlichen Ebene kollidierenden Recht zukommen kann. Soweit keine Kollision besteht, wäre Art. 103 der Charta im Übrigen bereits seinem Wortlaut nach unanwendbar, und die in ihm an794

Dies ist nicht oft der Fall; vgl. aber Art. 14 Abs. 1 der (Montreal) Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Civilian Aviation, UNTS 974, S. 178. 795 Doehring, FS Rauschning, S. 419, 424 f.; Seidl-Hohenveldern, FS Luther, S. 179, 189 f.; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 267 f. Wenn die Erfüllung des Anspruchs schon faktisch ausgeschlossen wäre, weil der dem Konflikt ausgesetzte Staat die andere Pflicht erfüllt hat (was in diesem Auslieferungsfall nicht naheliegt), blieben nur die Sekundäransprüche: Zuleeg, ebda. 796 So denn auch Scobbie/Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 210; diesen Ansatz übersieht Doehring, FS Rauschning, S. 419, 424 f., i.E. allerdings zu Recht. 797 Vgl. bereits oben, 1. Teil B. I. 1. a) dieser Arbeit. 798 Damit übereinstimmend hat der IGH ausgesprochen, dass ein Urteil, mit dem er nur die bereits bestehende und unstreitige völkervertragliche Rechtslage aufnehmen würde, diese Rechtslage nicht verstärken würde: IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 71. Dies ist ein anderer Fall als der von Kolb, ICJ, S. 63 f., und Paulus/Leiß, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 103 Rn. 39, erörterte Fall, in dem ein Urteil des IGH mit einem anderen Urteil inter partes über denselben Streitgegenstand kollidiert (s. bereits oben, Fn. 755, 793). Dort ist das Urteil des IGH auch unter der Annahme der Anwendung des Art. 103 der Charta nicht geeignet, das materielle Recht zu verfälschen, sondern es geht nur um die Wirkung des Urteils als solche. Die Beschränkung des IGH auf die Anwendung des bestehenden materiellen Rechts würde nicht in Frage gestellt. Auch träte keine Verfälschung der materiellen Rechtslage ein, wenn das mit Vorrang ausgestattete Urteil des IGH materiell unrichtig wäre. Die Bindung an die Richtigkeit des Urteils ist eine allgemeine Folge der Rechtskraft (res judicata pro veritate habetur; s. u., Fn. 930). Dass auch das kollidierende Urteil an sich Rechtskraft beansprucht, tut dem keinen Abbruch, sondern ist nur ein Aspekt der Kollisionslage, die Kolb und Paulus/Leiß als durch Art. 103 der Charta aufgelöst sehen.

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geordnete besondere Wirkung wäre von vornherein funktionslos.799 Kollidiert eine Norm nämlich mit keiner anderen, ist sie ungeachtet ihres Rangs oder irgendeiner anderen Konfliktlösungsnorm ohnehin zu befolgen.800 Die Bedeutung des Art. 103 der Charta erschöpft sich also – abgesehen von den Folgerungen aus der Norm für einen quasi-konstitutionellen Charakter der Charta801 – in ihrer Rolle in Kollisionsfällen. Folglich ist, soweit es um Auswirkungen auf das materielle Recht geht, die Erstreckung des Art. 103 der Charta auf die Verpflichtungen aus Urteilen des IGH in Kollisionsfällen unangemessen und in allen anderen Fällen sinnlos. Eine solche materiell-rechtliche Vorrangwirkung der Urteile des IGH (oder eine Vorzugsanordnung zugunsten der Urteile) kann es daher – trotz der konstruktiven Möglichkeit wegen Art. 92 Satz 2 der Charta und der historischen Auffassung des Sicherheitsrats und der Generalversammlung – nicht geben. Die materielle Rechtslage wird daher durch ein Urteil des IGH nur rechtskräftig festgeschrieben, aber nicht mittels des Art. 103 der Charta verändert. Namentlich werden in einer materiell-rechtlichen Kollisionslage die mit der ausgeurteilten Verpflichtung kollidierenden Normen nicht beseitigt. Auch Art. 103 der Charta führt deshalb nicht dazu, dass einem von einem Urteil des IGH mittelbar belasteten Drittstaat Rechte entzogen würden. Es bleibt insofern also dabei, dass jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Modifikation fremder Rechte kein Fall des Art. 34 WVK vorliegt. (c) Zwischenergebnis zum Entzug fremder Rechte durch einen mittelbar belastenden Vertrag Ein mittelbar belastender Vertrag oder ein mittelbar belastendes Urteil begründet nach alledem keine Rechtspflichten für den Drittstaat und entzieht ihm keine Rechte. Vielmehr geraten diese nur mit der Verpflichtung aus dem Vertrag oder Urteil in Konflikt, ohne jedoch deshalb unterzugehen. Der Vertrag oder das Urteil hat deshalb keine rechtlichen Folgen für den Drittstaat. Er oder es ordnet zwar an, dass seine Parteien die Rechte eines Drittstaats verletzen. Weil darin aber noch keine Norm gegenüber dem Drittstaat liegt und die Verletzung erst durch die Befolgung dieser 799 Vgl. IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Rezek, ICJ Reports 1998, S. 61: „Article 103 of the Charter is a rule for settling conflicts between treaties: above all it postulates a conflict between the Charter of the United Nations and another treaty obligation.“ In diesem Sinne auch Finke, Parallelität, S. 164. 800 Ähnlich zum jus cogens-Rang einer Norm Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 327: „Die Klassifizierung einer Pflicht als Bestandteil des ius cogens ändert […] nichts an der eigentlichen materiellen Verpflichtung.“ 801 Vgl. dazu Fassbender, Security Council, S. 103 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 29 ff., 409 ff., 440 ff.; Thouvenin, in: Cot/Pellet/Forteau, S. 2133, 2134; in diesem Sinne bereits zu Art. 20 der Satzung des Völkerbundes Yepes/da Silva, Commentaire, S. 74.

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Norm seitens der verpflichteten Parteien eintritt, werden die Rechte eines Drittstaats nicht modifiziert.802 Art. 103 der Charta ändert daran schon deshalb nichts, weil er in Drittstaatskonstellationen – also auch hinsichtlich der Wirkung von Urteilen des IGH gegenüber Nicht-Parteien des Verfahrens, für die die Urteilsverpflichtung fremd ist – als bloße Anordnung an die Mitglieder der UN ausgelegt werden muss, in der Konfliktsituation die sich aus der Charta ergebenden Verpflichtungen zu befolgen und die konfligierende Norm zu verletzen. Insoweit räumt Art. 103 der Charta der ChartaVerpflichtung keinen Vorrang ein, sondern setzt nur eine Norm im Innenverhältnis des jeweils betroffenen Mitgliedstaats und der Organisation. Der Drittstaat verliert nichts, wenn das Mitglied der UN nicht freiwillig, sondern wegen Art. 103 der Charta die Beachtung der Rechte des Drittstaats ablehnt. Zudem ist für den Zusammenhang dieser Arbeit Art. 103 der Charta schon deshalb ohne Bedeutung, weil der Norm keine Geltung für die Urteilsverpflichtung aus Art. 94 Abs. 1 der Charta und gegenüber kollidierendem materiellen Recht beigelegt werden kann. Andernfalls würde ein unter Art. 103 der Charta zu fassendes Urteil im Fall des Konflikts der im Urteil aktualisierten Norm mit einer anderen Völkerrechtsnorm das materielle Recht nicht nur aussprechen, sondern ändern, was nicht der Funktion des IGH entspräche. (2) Unzulässigkeit der faktischen mittelbaren Drittstaatsbelastung gemäß Art. 34 WVK? Gleichwohl könnte eine mittelbare Drittstaatsbelastung unter Art. 34 WVK unzulässig sein, auch wenn sie einem Drittstaat weder Pflichten aufzuerlegen noch Rechte zu nehmen bestimmt ist. Hierzu wird in der Literatur zu Recht darauf hingewiesen, dass es für einen Drittstaat hinsichtlich der Eingriffsintensität keinen Unterschied macht, ob er unmittelbar an einen Vertrag gebunden werden soll oder dieser nur mittelbar – nämlich vermittelt über die Befolgung des Vertrags durch seine Parteien – durch den Vertrag getroffen wird.803 Dies lässt sich an zwei Überlegungen zu den beiden zuvor genannten Beispielen zeigen: Wie bereits oben bemerkt wurde, wird ein Drittstaat durch Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78 (in dem oben postulierten Beispielsfall) mittelbar verpflichtet, die Standards der MARPOL-Konvention auch auf den unter seiner Flagge fahrenden Schiffen zur Anwendung zu bringen, weil den Schiffen andernfalls Durchsetzungsmaßnahmen der Parteien der Konvention drohen. Entsprechend ist in dem Beispielsfall der Kollision zwischen einem Auslieferungsanspruch und einem Auslieferungsverbot der Staat mit dem Anspruch gehalten, den menschenrechtlichen 802 Vgl. Núñez-Müller, Staatszugehörigkeit, S. 261; Wetzel, Verträge, S. 13; für eine rechtliche Belastung des Drittstaats aber Proelß, Meeresschutz, S. 131 f., 133, der aber offenbar nicht die Entstehung einer Norm für den Drittstaat meint, sondern eine Betroffenheit des Drittstaats in eigenen Rechten. 803 Proelß, Meeresschutz, S. 133; ders., in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 17.

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Maßgaben selbst Rechnung zu tragen, um die Normenkollision zu vermeiden und die beantragte Auslieferung zu erreichen.804 In keinem der beiden Fälle entsteht zwar eine Verpflichtung für den Drittstaat. In beiden Fällen richtet sich jedoch an den Drittstaat eine Handlungserwartung, verbunden mit der Drohung einer Sanktion. Es entsteht also eine Drittstaatswirkung, die einer Verpflichtung durchaus ähnlich ist,805 nämlich eine Obliegenheit. Zudem ergeben sich durch den Akt, mit dem eine Partei des fraglichen Vertrags ihren Verpflichtungen unter diesem Vertrag genügt, Verletzungen der Rechte des Drittstaats. Aufgrund von Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78 wird unter Umständen die ausschließliche Jurisdiktion des Flaggenstaats, und aufgrund des Auslieferungsverbotes wird ggf. der Auslieferungsanspruch des Drittstaats verletzt.806 Auch dies geschieht zwar, wie schon bemerkt wurde, nicht unmittelbar durch den Vertrag, aber der Vertrag zielt doch darauf ab, indem er seinen Parteien eben dieses Verhalten aufgibt. Diese Kategorie der mittelbaren Drittstaatsbelastung durch einen Vertrag kommt deshalb sowohl der Auferlegung von Pflichten gegenüber dem Drittstaat als auch der Aufhebung seiner Rechte sehr nahe. Wenn sich nun begründen ließe, dass der Sinn und Zweck des Art. 34 WVK auch solche Fälle erfasst, wäre daraus wohl zu schließen, dass auch diese Verträge im Sinne des Art. 34 WVK „Pflichten“ für Drittstaaten begründen, dass sie also in unzulässiger Weise Wirkung für Nicht-Parteien beanspruchen. Der Schutz der Rechte des Drittstaats würde damit von dem Verbot der Umsetzung des konfligierenden Vertrags auf ein Verbot dieses Vertrags selbst vorverlagert. Insoweit kommt es darauf an, ob mit der Intensität der Eingriffswirkung für den Drittstaat der Schutzzweck des Art. 34 WVK zutreffend angegeben ist oder ob sich der Schutzzweck der Norm in einem engeren Sinne nur auf die Begründung von Normen gegenüber Drittstaaten bezieht.807 Die Auslegung eines Vertrags nach seinem Sinn und Zweck ist freilich problematisch, weil sich der Sinn und Zweck oftmals nicht deutlich aus dem Vertrag ergibt und die Auslegungsmethode dadurch recht unbestimmt wird.808 Es muss also nicht nur begründet werden, warum der Sinn und Zweck eines Vertrags für eine bestimmte Auslegung spricht, sondern auch, was überhaupt der Sinn und Zweck des Vertrags 804

Vgl. oben, 1. Teil B. III. 2. a) dieser Arbeit. Vgl. Jennings/Watts, S. 1264 Fn. 4; Proelß, Meeresschutz, S. 133 Fn. 300; ders., in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 17. 806 Vgl. oben, 1. Teil B. III. 2. a) dieser Arbeit. 807 Hier kann offen bleiben, ob die Auslegung der Normen der WVK selbst (hier Art. 34) sich nach Art. 31 WVK als Vertragsrecht richtet; dazu Peters, GoJIL 3 (2011), S. 617, 627; Villiger, Commentary, Issues of Customary Law Rn. 26 f., Art. 31 Rn. 35. Jedenfalls gibt Art. 31 WVK das ansonsten anzuwendende Völkergewohnheitsrecht wieder; vgl. nur IGH, Kasikili/Sedudu Island, ICJ Reports 1999, S. 1045, 1059, 1075; LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 501. 808 Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 132 ff.; Gondek, Reach, S. 32. 805

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ist.809 Bereits dies ist ein Akt der Vertragsauslegung.810 Insoweit wird es in der Regel um den Sinn und Zweck des Vertragswerks im Ganzen gehen;811 bei der WVK, die nicht einem bestimmten Ziel dient, sondern nur eine sehr allgemeine und umfassende Rechtsmaterie regelt, lässt sich allerdings kein Sinn und Zweck des Vertrags im Ganzen identifizieren. Deshalb ist hier auf den Sinn und Zweck der Normen über Drittstaaten und insbesondere den Sinn und Zweck der Art. 34, 35 WVK abzustellen. Dieser kann sich zunächst aus dem Vertragstext selbst ergeben, solange zwischen der Funktion der Auslegung zur Ermittlung von Sinn und Zweck eines Vertrags und der Funktion der Auslegung des Vertrags insgesamt hinreichend differenziert wird.812 Es ist insoweit wenig erhellend, dass Art. 34 WVK ausdrücklich nur von Verpflichtungen für Drittstaaten spricht, denn es geht hier gerade darum zu ermitteln, ob eine erweiternde Auslegung hinsichtlich nur mittelbar belastender Verträge geboten ist. Allerdings bietet sich ein Blick auf die Rechtsfolge des Art. 34 WVK an. Die Norm sieht hierzu – ihrem Wortlaut nach – vor, dass ein Vertrag für Drittstaaten ohne deren Zustimmung keine Rechte oder Pflichten begründet. Demnach handelt es sich bei Art. 34 WVK offenbar nicht um eine Verbotsnorm im Sinne des Rechts der Staatenverantwortlichkeit, sondern die Norm beschreibt vielmehr, was ein Vertrag ohnehin nicht bewirken kann.813 Für Verpflichtungen zulasten von Drittstaaten trifft das in der Tat zu: Es wäre mit der Souveränität und Gleichheit der Staaten unvereinbar, wenn durch einen Vertrag einer Nicht-Partei Pflichten auferlegt werden könnten.814 Drittstaatsverpflichtungen können deshalb bereits wegen der begrenzten Normsetzungskompetenz der Vertragsparteien nicht entstehen.815

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Vgl. zu Art. 51 der Charta Bruha/Tams, FS Delbrück, S. 85, 95; Murphy, Villanova Law Review 50 (2005), S. 699, 723; vgl. auch IGH, Reservations to the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Dissenting Opinion of Judges Guerrero, Sir Arnold McNair, Read, Hsu Mo, ICJ Reports 1951, S. 31, 44. 810 Dazu eingehend Linderfalk, Interpretation, S. 203 f., 205 f.; vgl. auch Gardiner, Treaty Interpretation, S. 192; Klabbers, Finnish YIL 8 (1997), S. 138, 156 ff. 811 Dörr, in: ders./Schmalenbach, Art. 31 Rn. 55; Klabbers, Finnish YIL 8 (1997), S. 138, 151 f.; Matz, Wege, S. 289 ff.; vgl. Gardiner, Treaty Interpretation, S. 195. 812 Klabbers, Finnish YIL 8 (1997), S. 138, 157; vgl. Dörr, in: ders./Schmalenbach, Art. 31 Rn. 55. 813 So wohl Villiger, Commentary, Art. 34 Rn. 7: „Article 34 […] states what a treaty cannot achieve.“ In diesem Sinne spricht auch Art. 37 Abs. 1 WVK davon, dass eine Drittstaatsverpflichtung erst in Übereinstimmung mit Art. 35 WVK erwachse („an obligation has arisen for a third State in conformity with Article 35“, Hervorhebung nicht im Original). Proelß, in: Dörr/ Schmalenbach, Art. 34 Rn. 31, sieht einen gegen Art. 34 WVK verstoßenden Vertrag dagegen nur als rechtswidrig an, nimmt dabei aber offenbar nicht die Existenz oder Nichtexistenz der vorgeblichen Norm für den Drittstaat in den Blick. In Bezug hierauf sieht Art. 34 WVK ausdrücklich vor, dass keine Rechtswirkung entsteht. 814 David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 1; Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 24; Matz, Wege, S. 234; Proelß, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 1; Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 87; Wetzel, Verträge, S. 72 ff.

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Dasselbe gilt zwar nicht auch für die Begründung von Rechten für Drittstaaten, denn die rechtliche Begünstigung eines Drittstaats verletzt nicht seine Souveränität, weil der Drittstaat das Recht durch einen Verzicht untergehen lassen könnte816 und ihm daher keine Rechtsbeziehung zu einer oder allen Vertragsparteien aufgedrängt werden kann.817 Es ist aber keineswegs ausgeschlossen, dass Art. 34 WVK in seiner Anwendung auf Drittstaatsverpflichtungen einen anderen Sinn und Zweck hat als in seiner Anwendung auf Drittstaatsberechtigungen. Dies liegt nahe, weil Art. 34, 35 WVK einen anderen Normkomplex begründen als Art. 34, 36 WVK, und ist sogar unvermeidlich, weil es nur bei den Drittstaatsverpflichtungen um den Schutz des Drittstaats gehen kann. Es spricht deshalb nichts dagegen, den tieferen Sinn des Satzes pacta tertiis nec nocent nec prosunt (Art. 34 – 36 WVK) darin zu sehen, dass Verträge als auf Willenserklärungen der Parteien gegründete Rechtsinstrumente grundsätzlich nur zwischen den Parteien gelten sollen,818 aber zugleich den Satz pacta tertiis non nocent (Art. 34, 35 WVK) auf den Schutz der staatlichen Souveränität und Gleichheit zurückzuführen.819 Art. 34 WVK entspricht daher nicht nur einem Satz des Völkergewohnheitsrechts,820 sondern beruht – in seiner Anwendung auf Drittstaatsverpflichtungen821 – 815 Es handelt sich hierbei nicht etwa um einen Fall der Nichtigkeit wegen einer Verletzung des jus cogens; diese Konstruktion ist unnötig und die Souveränität ist als solche keine Norm des jus cogens: vgl. Proelß, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 31, und bereits oben, Fn. 147. 816 Dazu ILC, Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1964, Vol. II, S. 5, 26; Wetzel, Verträge, S. 98. 817 Wetzel, Verträge, S. 97; a.A. Ballreich, in: Strupp/Schlochauer, S. 544. Diese Frage war auch bei der Ausarbeitung der WVK in der ILC äußerst umstritten: hierzu eingehend Wetzel, Verträge, S. 92 ff. 818 Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 87; Wetzel, Verträge, S. 73; vgl. auch StIGH, Certain German Interests in Polish Upper Silesia, PCIJ Series A, No. 7, S. 29: „[a] treaty only creates law as between the States which are parties to it; in case of doubt, no rights can be deduced from it in favour of third States.“ 819 Ebda., S. 72. Dort fasst Wetzel auch den Ausschluss drittstaatsbegünstigender Verträge unter den Schutz der Souveränität und Gleichheit, widerspricht dem aber – wie bereits erwähnt, zu Recht – auf S. 97 selbst. 820 David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 12; Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 105 Fn. 326; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 208 mit Fn. 120; Proelß, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 4; Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 87 f.; Graf Vitzthum, in: ders./Proelß, Völkerrecht, S. 45; Wetzel, Verträge, S. 71. 821 Berücksichtigt man, dass die Frage der Verletzung der Souveränität eines Drittstaats durch die Gewährung von Rechten in der ILC sehr umstritten war und dass Art. 36 WVK deshalb bewusst in dieser Hinsicht neutral gefasst wurde (dazu Wetzel, Verträge, S. 92 ff.), kann man annehmen, dass auch bei Art. 34 WVK hinsichtlich der Begünstigungen der Schutz der Souveränität offen bleiben sollte. Wenn man den Sinn und Zweck einer Norm nur aus dem subjektiven Willen der Parteien ermitteln will (so Linderfalk, Interpretation, S. 205; dagegen geht mit der Konstitutionalisierung des Völkerrechts eine Objektivierung der Vertragsauslegung einher; dazu Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 621), ist der Schutz der Souveränität daher nicht der (gewollte) Sinn und Zweck der Regelung über Begünstigungen eines Drittstaats. Dasselbe Ergebnis lässt sich, wie hier geschehen, auch objektiv begründen.

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zudem auf der staatlichen Souveränität als der grundlegenden Strukturnorm der Völkerrechtsgemeinschaft.822 Für nur mittelbar drittstaatsbelastende Verträge passt dieser Schutzzweck allerdings nicht. Wenn durch sie zunächst nur die Parteien des Vertrags gebunden werden und Drittstaaten erst durch einen Umsetzungsakt der Parteien verletzt werden, überschreitet die mittelbar drittstaatsbelastende Norm nicht die Normsetzungskompetenz der Vertragsparteien. Diese dürfen die Norm zwar – im Verhältnis zum Drittstaat – nicht ausführen; sie sind jedoch berechtigt, die Norm zur Entstehung zu bringen, und sei es auch nur, um sie dann nicht zu befolgen und eventuelle Sekundärpflichten auszulösen. Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit der Drittstaatsbelastung, wie sie Art. 34 WVK ausdrücklich vorsieht, ist deshalb für nur mittelbar belastende Verträge nicht angemessen. Insoweit müsste es – wie oben bereits angedeutet wurde – eher um ein Verbot denn um die Unwirksamkeit der problematischen Verpflichtung gehen. Die innere Systematik des Art. 34 WVK legt also nahe, dass der Sinn und Zweck der Norm nicht in dem Schutz von Drittstaaten vor Wirkungen von res inter alios acta im Allgemeinen liegt,823 sondern nur in dem Schutz vor Normen, die die Vertragsparteien bereits ratione personae nicht setzen können. Zugleich ist dieser systematische Schluss selbst ein Argument gegen eine Auslegung des Art. 34 WVK, die mittelbar belastende Verträge einschließt. Demnach schützt Art. 34 WVK mit dem Ausschluss von Drittstaatsverpflichtungen die staatliche Souveränität im formellen Sinne einer Freiheit von Normen, denen der Staat nicht zugestimmt hat.824 Er schützt jedoch nicht auch vor anderen drittstaatsbelastenden Wirkungen eines Vertrags. Namentlich durch fremde Verträge begründete Obliegenheiten werden durch Art. 34 WVK nicht erfasst.825 Auf diese Weise regelt die WVK in Art. 34, 35 WVK nur die Wirksamkeit drittstaatsbelastender Verträge, nicht aber die Umsetzbarkeit solcher Verträge. Das ist im Sinne einer 822 Ballreich, in: Strupp/Schlochauer, S. 544; Wetzel, Verträge, S. 73; vgl. David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 1; Wengler, Völkerrecht, S. 248; vgl. auch IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Merits, ICJ Reports 2012, S. 624, 707 („fundamental principle of international law that a treaty between two States cannot, by itself, affect the rights of a third State“). 823 In dieser Allgemeinheit nimmt das auch Proelß nicht an. Vielmehr soll es nur um den Schutz vor den hier diskutierten mittelbar belastenden Verträgen gehen, und auch insoweit soll ein Fall der Art. 34, 35 WVK nur anzunehmen sein, wenn ein Grundrecht des Staates betroffen ist. Das soll namentlich bei der Betroffenheit der Flaggenhoheit als Ausprägung der staatlichen Souveränität durch die mittelbare Belastung nach Art. 5 Abs. 4 MARPOL 73/78 der Fall sein; vgl. Proelß, Meeresschutz, S. 131, 134 f.; ders., in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 26. Demnach dürften die hier zusätzlich angesprochenen Auslieferungsfälle auf Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrags nicht erfasst sein, weil dieser Auslieferungsanspruch nicht auf der Souveränität, sondern nur auf dem Vertrag beruht. Anders mag es nach dieser Auffassung zu beurteilen sein, wenn der Überstellungsanspruch auf dem Recht auf Wiedergutmachung nach einer Verletzung der territorialen Souveränität beruht (s. o., unter b)). 824 Vgl. David, in: Corten/Klein, Art. 34 (Convention de 1969) Rn. 1. 825 Vgl. Hafner/Boon/Rübesame/Huston, EJIL 10 (1999), S. 108, 117 f.; Mégret, EJIL 12 (2001), S. 247, 249; Stahn, ZaöRV 60 (2000), S. 631, 644; Zimmermann/Scheel, VN 50 (2002), S. 137.

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Wiedergabe nur des allgemeinen Vertragsrechts durchaus sinnvoll. Art. 34, 35 WVK ist deshalb für den Fall, dass ein Vertrag seine Parteien verpflichtet, die Rechte von Drittstaaten zu verletzen oder ihnen gegenüber bestimmte Normen durchzusetzen, nichts zu entnehmen. bb) Sonstiges relevantes Verbot einer mittelbaren Drittstaatsbelastung? Dieses Ergebnis zur Reichweite der Art. 34, 35 WVK als Normen des Völkervertragsrechts schließt es jedoch nicht aus, dass sich ein Verbot des Abschlusses mittelbar drittstaatsbelastender Verträge anderweitig ableiten lässt, und dass dieses zur Unzulässigkeit eines mittelbar drittstaatsbelastenden Urteils des IGH führt. Das Völkerrecht könnte durchaus eine Norm enthalten, nach der Verträge, die ihre Parteien zu einer Verletzung der Rechte Dritter anhalten und die somit eine Normenkollision auslösen, unzulässig seien. Auch eine solche Norm wäre möglicherweise geeignet, den Erlass eines Urteils mit derselben Wirkung als unvereinbar mit der Rolle des IGH als „Organ des Völkerrechts“ erscheinen zu lassen. Insbesondere könnte das Völkerrecht eine Entsprechung zu dem in einigen innerstaatlichen Rechtsordnungen anerkannten Verbot einer Einmischung in fremde Vertragsbeziehungen durch Verabredung eines Vertragsbruchs mit einer der Parteien kennen.826 Eine solche Entsprechung wurde bisweilen aus dem Geltungsanspruch der verletzten Vertragsbeziehung abgeleitet, könnte aber auch aus einer Norm des allgemeinen (Delikts-)Rechts folgen. Auch könnte eine Norm des allgemeinen Völkerrechts nicht nur die Frustrierung fremder Vertragsbeziehungen untersagen, sondern auch Verabredungen zur Verletzung fremder gewohnheitsrechtlicher Ansprüche verbieten. Diese Hypothesen sollen im Folgenden untersucht werden. (1) Verbot mittelbarer Drittstaatsbelastungen aufgrund der betroffenen Vertragsbeziehung Demnach soll zunächst im Fall eines Konflikts zwischen zwei Verträgen der erste Vertrag der Verabredung seiner Verletzung zwischen einer seiner Parteien und einem Drittstaat entgegenstehen können. Namentlich ist – vor allem in der älteren Literatur – vertreten worden, dass der frühere Vertrag dem späteren vorgehe (lex prior derogat legi posteriori),827 jedenfalls soweit die Parteien des späteren Vertrags sich der 826 Dafür, mit eingehenden Hinweisen auf die englische Rechtslage, Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, 61 f. Fn. 1; vgl. zu dieser Rechtsordnung aus jüngerer Zeit House of Lords, OBG Ltd. v. Allan [2007] UKHL 21, [2008] 1 AC 1, Rn. 3, 39 ff. (Lord Hoffmann), Rn. 174 ff. (Lord Nicholls of Birkenhead). 827 So bereits de Vattel, Droit des gens, Livre II Chapitre XVII § 315; vgl. im Übrigen nur Jenks, BYIL 30 (1953), S. 401, 442 f. (zu bilateralen Verträgen); Oppenheim/Lauterpacht, S. 894 f., sowie aus jüngerer Zeit Chinkin, Third Parties, S. 73 f.; offen Jennings/Watts, S. 1214 f. Chinkin beruft sich hierzu, ebenso wie Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, 61 Fn. 6, auf das Urteil des Central American Court of Justice in Costa Rica v. Nicaragua, AJIL 11 (1917), S. 181 ff. Diese Interpretation des Urteils ist jedoch Bedenken ausgesetzt: Der Ge-

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Existenz des früheren bewusst waren.828 Dies hätte etwa in dem East Timor-Fall die Konsequenz nach sich ziehen können, dass die Urteilsverpflichtung, durch die sich Australien im Verhältnis zu Portugal zu einer Verletzung eines vertraglichen Anspruchs Indonesiens auf Achtung seiner Souveränität über Osttimor ausgesetzt hätte sehen können, wegen des Vorrangs des älteren Anspruchs Indonesiens als unwirksam anzusehen wäre.829 Daraus wiederum könnte abzuleiten sein, dass der Gerichtshof ein derartiges Urteil nicht sprechen dürfte, da es ohne rechtlichen Gehalt bliebe und das Verfahren daher „moot“ wäre.830 Zur Begründung eines Vorrangs des früheren vor dem späteren Vertrag wird vertreten, dass der spätere Vertrag den Geltungsanspruch des früheren Vertrags verletze. Dieser folge aus dem Grundsatz ex injuria jus non oritur;831 aus der Rechtswidrigkeit des späteren Vertragsschluss könne sich kein Recht (in der Form der Vertragswirkungen) ergeben.832 Diese Auffassung ist jedoch verschiedenen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt: Der Grundsatz ex injuria jus non oritur ist bereits kein allgemeingültiger Rechtssatz, sondern ist im positiven Völkerrecht vielfach durchbrochen.833 Auf die bloße Berufung auf diesen Grundsatz kann daher richtshof hob nämlich ausdrücklich hervor, dass der spätere Vertrag nicht nur eine Verpflichtung des Beklagten (Nicaraguas) begründet hatte, Rechte an dem Fluss San Juan an die USA zu übertragen, sondern dass er bereits den Übergang dieser Rechte bewirkt hatte. Daher habe bereits der zweite Vertrag die Rechte Costa Ricas aus dem ersten Vertrag verletzt, ohne dass es noch eines Umsetzungsakts bedurft hätte (ebda., S. 217 f., 225 f.). Insofern ging es offenbar – trotz einiger anderslautender Formulierungen (ebda., S. 218) – nicht um einen Konflikt von Vertragsverpflichtungen, sondern um die Verletzung einer Vertragsverpflichtung (gegenüber Costa Rica), die hier durch einen späteren Vertrag geschehen war, die aber ebenso gut einer späteren Erfüllung des zweiten Vertrags überlassen worden sein könnte. Der zweite Vertrag war daher als Unterlassung der Erfüllung des ersten rechtswidrig, nicht als entgegengesetzte Verpflichtung. Es ging deshalb offenbar nicht um eine mittelbare Drittstaatsbelastung, sondern um eine unmittelbare Verletzung der Rechte des Drittstaats (die übrigens auch unter dem Gesichtspunkt besonderer Konsultationsrechte Costa Ricas vorlag). Vgl. auch Brown, AJIL 11 (1917), S. 156; Hill, EPIL I, S. 835, 836. 828 Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, 60 ff.; ders., Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 99, 308 ff. Gegen ein solches Erfordernis Chinkin, Third Parties, S. 74. 829 Ob eine Urteilsverpflichtung dieses Inhalts entstanden und mit einer solchen indonesischen Berechtigung kollidiert wäre, bedarf hier keiner Prüfung. Die Hypothese dient nur als Beispiel. 830 Dazu oben, unter 2. b). 831 Damit eng verwandt ist die Maxime, niemand könne aus seinem eigenen Unrecht einen Vorteil für sich herleiten (nemo commodum capere potest de sua propria injuria); dazu Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 2, 8, 55 f. 832 Vgl. Oppenheim/Lauterpacht, S. 894, und dazu Kelsen, Law of the UN, S. 114; ders., Recueil des Cours 84 (1953 III), S. 1, 167; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 262. 833 Kelsen, Law of the UN, S. 114; ders., Recueil des Cours 84 (1953 III), S. 1, 167; Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 263; vgl. z. B. Art. 41 Abs. 2 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 53 f., der nur für eine besondere Kategorie schwerwiegender Völkerrechtsverletzungen vorsieht, dass Drittstaaten die dadurch entstehende Situation nicht anerkennen oder unterstützen dürfen.

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keine Rechtsfolge gestützt werden. Auch müsste in jedem Einzelfall erst einmal nachgewiesen werden, dass der frühere Vertrag wirklich entgegenstehende spätere Vertragsschlüsse und nicht nur mit seinen Bestimmungen unvereinbares Verhalten verbietet.834 In der Regel wird wegen der grundsätzlichen Ergebnisorientiertheit des Völkerrechts835 nur letzteres verboten sein. Vor allem aber verkennt die Berufung auf diesen Grundsatz die Relativität der völkerrechtlichen Normen: Wenn ein Vertrag zwischen den Staaten A und B spätere Vertragsschlüsse mit konträrem Inhalt verbietet, tut er das immer nur inter partes. Wenn der Staat B später dennoch einen solchen Vertrag mit Staat C schließt, ist dies daher nur im Verhältnis zwischen den Staaten A und B, inter partes, rechtswidrig. Aus dieser relativen Rechtswidrigkeit eine injuria zu konstruieren, die das Zustandekommen des Vertrags zwischen B und C (das Entstehen von jus) hinderte, hieße, aus der relativen Rechtswidrigkeit eine absolute zu machen. Das ist unzulässig.836 Insofern ist es auch nicht hilfreich, auf die Einheit der völkerrechtlichen Rechtsordnung Bezug zu nehmen,837 denn weil die Staaten unabhängig voneinander Verträge abschließen können, gibt es keine Einheit des Völkervertragsrechts. Es fehlt insofern an einer gemeinsamen oder zumindest in sich koordinierten Legislative. In diesem Zusammenhang ist auch die Heranziehung des Prinzips von Treu und Glauben (Art. 26 WVK)838 nicht zielführend. Das Prinzip von Treu und Glauben ist zwar ein allgemeines Rechtsprinzip i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts.839 Es beeinflusst jedoch nur die Begründung und die Ausführung rechtlicher Verpflichtungen und begründet keine selbstständigen Pflichten, wo ansonsten keine bestünden.840 Das Prinzip von Treu und Glauben ergänzt daher nur anderweitig bestehende Pflichten. Es ist deshalb – soweit es sich in diesem Zusammenhang auf die Pflichten aus dem früheren Vertrag bezieht – ebenso relativ wie die Pflichten, auf die es sich

834 Kelsen, Recueil des Cours 84 (1953 III), S. 1, 167; vgl. Jennings/Watts, S. 1214; ausdrücklich im ersteren Sinne aber z. B. Art. 8 des North Atlantic Treaty, UNTS 34, S. 243. 835 Vgl. bereits oben, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (b) (bb) dieser Arbeit. 836 Vgl. Kelsen, Law of the UN, S. 114, sowie Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 263 („Der Satz ex iniuria ius non oritur kann dem unbeteiligten Dritten nicht entgegengesetzt werden“). Vgl. auch Klabbers, Treaty Conflict, S. 89; Odendahl, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 30 Rn. 18. 837 So aber Oppenheim/Lauterpacht, S. 894; vgl. auch Lauterpacht, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 99, 308. 838 Dafür ILC, Report [on the Law of Treaties] by Mr. H. Lauterpacht, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1953, Vol. II, S. 90, 156. 839 Vgl. oben, 1. Teil B. III. 1. a) dieser Arbeit. 840 IGH, Border and Transborder Armed Actions, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1988, S. 69, 105; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 275, 297; House of Lords, R. (European Roma Rights Centre) v. Immigration Officer at Prague Airport (United Nations High Commissioner for Refugees intervening) [2004] UKHL 55, [2005] 2 AC 1, Rn. 58 ff. (Lord Hope of Craighead); UK Supreme Court, R. (ST) v. Secretary of State for the Home Department [2012] UKSC 12, [2012] 2 AC 135, Rn. 31 (Lord Hope of Craighead).

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bezieht.841 Auch aus Treu und Glauben lässt sich daher keine Lösung eines Vertragskonflikts ableiten, weil das Prinzip in seiner Anwendung auf einen konkreten früheren Vertrag keinem Drittstaat entgegengehalten werden kann. Insgesamt lässt sich daher nicht begründen, dass der frühere Vertrag im Kollisionsfall dem späteren vorginge.842 Noch allgemeiner lässt sich festhalten, dass ein Vertrag deshalb nie das Zustandekommen eines Vertrags zwischen (auch) anderen Parteien hindern kann. Für den hier interessierenden Fall der Begründung einer mittelbar drittstaatsbelastenden Urteilsverpflichtung folgt daraus, dass ein Vertrag einer der Parteien des fraglichen IGH-Verfahrens mit einem Drittstaat im Allgemeinen nicht dazu führen kann, dass eine Urteilsverpflichtung, die eine Verpflichtung zur Verletzung dieses Vertrags enthält, bereits kraft dieses früheren Vertrags unwirksam wäre. Ein Vertrag kann zwar den Inhalt haben, dass konträre Verträge nicht geschlossen und konträre andere Verpflichtungen nicht begründet werden dürfen.843 Diese Verpflichtung könnte aber nur eine Vertragspartei treffen, und könnte nicht zur Unwirksamkeit einer von ihr mit Dritten getroffenen Abrede führen. Selbst wenn der Timor Gap Treaty zwischen Australien und Indonesien844 im East Timor-Fall also eine Klausel enthalten hätte, nach der Australien nicht nur Indonesien als Souverän über Osttimor behandeln musste, sondern sich außerdem niemandem gegenüber hätte verpflichten dürfen, dieses nicht zu tun, hätte dieser Vertrag weder Portugal (den Kläger vor dem IGH) an seiner Klage hindern noch die vertraglichen und anderen Grundlagen der Jurisdiktion des IGH im Verhältnis zwischen Australien und Portugal oder die Grundlagen des Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien beeinflussen können. Der Umstand, dass die Verpflichtung aus dem Urteil des IGH mit einem vertraglichen Recht eines Drittstaats kollidieren würde, kann daher jedenfalls nicht aus dem Grund zur Unzulässigkeit des Urteils führen, dass der Geltungsanspruch dieses vertraglichen Rechts missachtet würde. Weil dieser Geltungsanspruch nur im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander gelten könnte, wäre er dem Urteil des IGH zwischen einer der Vertragsparteien und einem anderen Staat nicht entgegenzuhalten. Das Urteil widerspräche daher weder dem Charakter des IGH als „Organ des Völkerrechts“, noch wäre es rechtlich wirkungslos oder der IGH ohne Jurisdiktion.

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Vgl. Odendahl, Umweltpflichtigkeit, S. 226. Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 263. 843 Jennings/Watts, S. 1214; Kelsen, Recueil des Cours 84 (1953 III), S. 1, 167. 844 Treaty between Australia and the Republic of Indonesia on the Zone of Cooperation in an Area between the Indonesian Province of East Timor and Northern Australia (Timor Gap Treaty), Australian Treaty Series 1991 No. 9. 842

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(2) Gewohnheitsrechtliches Verbot der Vereitlung fremder Vertragsbeziehungen Auch lässt sich keine Norm des allgemeinen Völkerrechts – namentlich wohl des Völkergewohnheitsrechts845 – nachweisen, nach der die Parteien eines Vertrags nicht (wissentlich) vereinbaren dürften, dass einer von ihnen seine Pflichten aus einem Vertrag mit einem dritten Staat verletzen werde.846 Zwar hat es insbesondere im 19. und im frühen 20. Jahrhundert Staatenpraxis in diesem Sinne gegeben.847 Diese Auffassung hat sich aber bereits bei der Ausarbeitung der WVK nicht mehr durchsetzen können und findet auch in der WVK selbst keinen Anhalt mehr.848 In der Tat würde das Bestehen einer solchen gewohnheitsrechtlichen Norm voraussetzen, dass die Staaten die Relativität und Selbstständigkeit der Vertragsverpflichtungen übergehen würden, indem sie eine Norm zum Entstehen brächten, die die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit eines Vertrags von dem Inhalt eines anderen abhängig machte. Das ist bereits aus völkerrechtssystematischen Gründen, namentlich wegen der Dezentralität der völkerrechtlichen Rechtssetzung, wenig naheliegend. Bereits aus diesen Gründen kann die Existenz eines gewohnheitsrechtlichen Delikts der Vereitlung fremder Vertragsbeziehungen nicht angenommen werden. (3) Gewohnheitsrechtliches Verbot mittelbarer Drittstaatsbelastungen im Übrigen Auch jenseits des Gedankens der Vereitlung fremder Vertragsbeziehungen ist nach dem allgemeinen Völkerrecht keine Rechtswidrigkeit oder gar Nichtigkeit der nur mittelbaren Drittstaatsbelastung anzunehmen. Auch wenn das Urteil des IGH also Rechtspositionen von Drittstaaten beeinträchtigt, indem es die Prozessparteien zu einem bestimmten Verhalten gegenüber dem Drittstaat verpflichtet, wird der IGH also weder zu rechtswidrigen Zwecken genutzt, noch entfallen die Rechtswirkungen 845 Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, beruft sich auf ein allgemeines Rechtsprinzip. Der Nachweis, dass alle großen Rechtstraditionen eine derartige Norm kennen, gelingt jedoch nicht: Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246, 263; vgl. ILC, Second report on State responsibility, by Mr. James Crawford, Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/498/Add.1, S. 12, mit Verweis auf den Annex, UN Doc. A/CN.4/498/Add.3. 846 Die Vertreter der vorstehend diskutierten Ansicht scheinen mit der Bezugnahme auf die Geltungskraft des früheren Vertrags, das Prinzip von Treu und Glauben und die Einheit der völkerrechtlichen Rechtsordnung auch eine Norm des allgemeinen Völkerrechts begründen zu wollen; s. o., Fn. 837, 838. 847 Dazu Lauterpacht, BYIL 17 (1936), S. 54, 60 f.; vgl. auch Klabbers, Treaty Conflict, S. 49. 848 Vgl. ILC, Second Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1963, Vol. II, S. 36, 55 f.; Summary Record of the 685th Meeting, ebda., Vol. I, S. 78 f.; Third Report on the Law of Treaties, by Sir Humphrey Waldock, Special Rapporteur, ILC Yearbook 1964, Vol. II, S. 5, 35 f.; vgl. im Übrigen zu dem methodischen Ansatz, die Existenz einer Norm des allgemeinen Vertragsrechts zu verneinen, weil sie bei der Entstehung der WVK abgelehnt wurde, Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 35; vgl. auch Bernhardt, GYIL 42 (1999), S. 11, 14.

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seines Urteils oder die Grundlagen seiner Jurisdiktion. Auch insoweit bietet sich wieder ein Vergleich mit einem in ähnlicher Weise drittstaatsbelastenden Vertrag an. Ein Vertrag ist aber nach dem allgemeinen Völkerrecht nicht nichtig, wenn er seine Parteien verpflichtet, die Rechte eines Drittstaats zu verletzen. Dies wird, soweit ersichtlich, nur mit der Begründung angenommen, der Vertrag entziehe dem Drittstaat seine Rechte.849 Diese Folge tritt jedoch nicht ein; vielmehr führt der Vertrag nur zu einem Normenkonflikt, in dem jedoch die Normen auf beiden Seiten des Konflikts ihre Gültigkeit behalten.850 In der Begründung einer Norm, die ihre Adressaten zur Verletzung der Rechte eines Dritten anhält, liegt auch keine völkerrechtswidrige Intervention in die inneren Angelegenheiten des Dritten. Zwar liegt eine solche Intervention vor, wenn ein Vertrag behauptet, unmittelbar Pflichten für einen Drittstaat zu begründen oder anderweitig bestehende Rechte eines Drittstaats zu begrenzen, denn in diesem Fall maßen sich die Vertragsparteien eine Verfügung über fremde Rechte an, die kraft seiner Souveränität nur dem betroffenen Drittstaat als „Hauptpartei“ zustehen.851 Im Fall der unmittelbaren Verpflichtung nur der Vertragsparteien, und der Belastung eines Drittstaats erst durch die Ausführung des Vertrags durch seine Parteien, findet aber, wie bereits ausgeführt wurde, kein solcher Übergriff in eine fremde Normsetzungskompetenz statt. Die Verpflichtung als solche kann noch ohne Missachtung der fremden Souveränität begründet werden, und die Rechtswidrigkeit liegt erst in der Ausführung des Vertrags. Eine Anmaßung von Hoheitsrechten über einen Drittstaat ist daher in der bloßen Begründung einer diesen mittelbar belastenden Norm noch nicht zu sehen. cc) Zwischenergebnis zur mittelbaren Drittwirkung von Urteilen Die mittelbare Drittwirkung eines Sachurteils in einer Monetary Gold-Konstellation, in der das Urteil eine oder beide Parteien im Verhältnis zueinander verpflichtet, die Rechte eines Drittstaats zu verletzen, ist nach alledem als solche für die Sachentscheidungsbefugnis des IGH ohne Bedeutung. Es gibt kein Verbot dieser Drittstaatswirkungen eines Urteils und keine Norm, die zur Nichtigkeit solcher Drittstaatswirkungen führte. Dies lässt sich an dem Fehlen eines entsprechenden Verbots mittelbar belastender Verträge ablesen. In beiden Fällen bleiben die Rechte des Drittstaats unberührt; es kann nur die durch das Urteil verpflichtete Partei in einen Normenkonflikt versetzt werden, in dem sie zwingend entweder die Urteilsverpflichtung oder die Rechte des Drittstaats verletzen muss. Dabei bleiben jedoch beide Normen bestehen. Dem Drittstaat werden also durch den Urteilsspruch weder Rechte entzogen noch wird für ihn eine Verpflichtung begründet.

849 850 851

Wengler, Völkerrecht, S. 411 f. Dazu bereits oben, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (a) dieser Arbeit. Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. a) aa) (2) dieser Arbeit, bei Fn. 464.

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Die nur mittelbare Wirkung des Urteils ist auch als solche nicht rechtswidrig. Unter Art. 34 WVK passt sie bereits deshalb nicht, weil der Sinn und Zweck dieser Norm sich – ausweislich der Rechtsfolge – nur gegen Verträge richtet, durch die die Souveränität eines Drittstaats im Sinne seiner Freiheit von fremdbestimmten Normen verletzt wird. Im allgemeinen Völkerrecht schließlich ist ein für die Sachentscheidungsbefugnis des IGH bedeutsames Verbot mittelbarer Belastungen nicht nachweisbar, weil vertragliche Rechte eines Drittstaats aufgrund ihrer Relativität von vornherein nicht geeignet sind, die Wirksamkeit der zwischen den Parteien des IGHVerfahrens begründeten Grundlagen des Verfahrens auszuschließen oder der Partei, mit der diese Rechte nicht begründet wurden, irgendetwas zu verbieten. Gewohnheitsrechtliche Normen entsprechenden Inhalts, bezogen auf die mittelbare Belastung fremder vertraglicher oder ihrerseits gewohnheitsrechtlicher Ansprüche eines Drittstaats, bestehen ebenfalls nicht. b) Herleitung aus einem kollateralen Schutz des Jurisdiktionsregimes? aa) Grundlagen Die vorhergehenden Untersuchungen haben ergeben, dass der IGH in der Monetary Gold-Situation keine Jurisdiktion über den Drittstaat ausübt, so dass dieser keinen Anspruch auf Unterlassung der Sachentscheidung aus dem Prinzip der Zustimmungsbedürftigkeit der Jurisdiktion des IGH gemäß Art. 36, 37 des Statuts geltend machen kann.852 Auch kann der Drittstaat sich nicht auf eine rechtswidrige mittelbare Belastung seiner Rechtspositionen durch das Urteil des IGH berufen.853 Dieses wirkt nämlich immer nur inter partes und lässt daher die Rechtssphäre des Drittstaats unberührt. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass sich aus der Zulässigkeit der Sachentscheidung in der Monetary Gold-Situation befremdliche Konsequenzen ergäben. Ein Urteil des IGH hat nämlich auch jenseits seiner Rechtswirkungen erhebliche Auswirkungen. Bereits bei der gerichtlichen Klärung eines Einzelfalls hat im Völkerrecht die moralische Autorität eines Richterspruchs neben dessen rechtlicher Autorität eine besondere Bedeutung.854 Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass einem völkerrechtlichen Richterspruch ohnehin – ohne Weiteres – keine tatsächliche Macht zukommt, sondern er selbst dann auf die Befolgung durch die Parteien angewiesen 852

Dazu oben, unter B. I. 1. c. Dazu oben, unter B. III. 2. a). 854 Plamper, Nichtigkeit, S. 15; Reisman, Nullity, S. 79; vgl. Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 539 ff. In diesem Sinne weist auch Bos, Procesvoorwaarden, S 58, darauf hin, dass ein an sich nicht mit Rechtswirkungen ausgestattetes Gutachten annähernd denselben Wert habe wie ein Urteil des Gerichtshofs; vgl. auch Kaufmann, Gutachten, S. 93 f., Oellers-Frahm, in: von Bogdandy/Venzke, S. 69, 93, und Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 110 f.: „[A]t the level of the execution of the judgments of the Court, just as […] at the level of the acceptance of its jurisdiction, […] the Court’s effectiveness as a means of providing a peaceful settlement to disputes […] essentially depends on the attitude of states.“ 853

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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ist, wenn er rechtsverbindlich ist.855 Eine automatische Vollstreckung eines Urteils gibt es nämlich in aller Regel nicht.856 Deshalb ist die Frage, ob ein Drittstaat in der Monetary Gold-Situation durch das Urteil gebunden wird, zwar für die Jurisdiktion des Gerichtshofs entscheidend, nicht aber unbedingt für die Interessenlage. Ein Urteil, das inzident einen Ausspruch über die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats trifft, hat nämlich ihm gegenüber annähernd dieselbe Bedeutung wie ein ihn auch rechtlich bindendes Urteil, das einen solchen Ausspruch enthält. Insofern liegt es nicht anders, als wenn ein Gutachten des Gerichtshofs eine Aussage über die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats trifft,857 denn auch diesem kommt eine erhebliche moralische Autorität zu.858 Ein Urteil über einen Drittstaat, das aber nur im (Prozessrechts-)Verhältnis zwischen zwei anderen Staaten ergeht und Geltung entfaltet, kann auch ganz erhebliche Wirkung als Präzedenzfall haben, wenn die Rechtsverhältnisse des Drittstaats doch selbst einmal in einem eigenen Verfahren vor Gericht kommen sollten. Es bedarf – wie Richter Sir Robert Jennings zu Recht betont hat – keiner näheren 855 Delbez, Principes généraux, S. 140 f.; El Ouali, Effets, S. 162 f.; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 172; Plamper, Nichtigkeit, S. 14 f.; Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 540 f.; vgl. auch Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 235; Kamto, FS Mensah, S. 215, 219; de Lapradelle, in: Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 693, 740 (zitiert bei von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 53 Rn. 15). Es wäre allerdings eine Übertreibung, einem Urteil des IGH nur eine moralische Autorität beizumessen (in diesem Sinne aber Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 533), denn eine völkerrechtliche Verpflichtung ist auch dann mehr als eine nur moralische Verpflichtung, wenn sie nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann; dazu Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 538 f., und vgl. noch unten, 2. Teil Fn. 56. 856 Vgl. zum StIGH bzw. IGH Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 533; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 172; Plamper, Nichtigkeit, S. 14 f.; Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 137, und insbesondere zur Freiheit des Sicherheitsrats bei der Anwendung des Art. 94 Abs. 2 der Charta Ajibola, in: Bulterman/Kuijer, S. 9, 34; El Ouali, Effets, S. 183; Kamto, FS Mensah, S. 215, 219; Oellers-Frahm, FS Eitel, S. 169, 183 f.; dies., in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 94 UN Charter Rn. 19; Rosenne, RGDIP 57 (1953), S. 532, 570; Schulte, Compliance, S. 45, 58 ff. Andere Instrumente sehen ausdrücklich eine Vollstreckung des völkerrechtlichen Spruchs durch staatliche Gerichte vor; vgl. Art. 39 des Statute of the International Tribunal for the Law of the Sea, Annex VI der United Nations Convention on the Law of the Sea, UNTS 1833, S. 3; Art. 54 Abs. 1 der Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of Other States (ICSID-Konvention), UNTS 575, S. 159. 857 Zu dieser Parallelität Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 317; Scobbie, ICLQ 42 (1993), S. 710, 717. In einem ähnlichen Sinne weist auch Martenczuk, Rechtsbindung, S. 114, auf die Vergleichbarkeit der „politische[n] Bedeutung“ eines inzidenten Ausspruchs des IGH über die Wirksamkeit einer Resolution des Sicherheitsrats in einem streitigen Verfahren mit der Bedeutung eines Gutachtens hin. 858 Vgl. zur „moralischen Autorität“ der Gutachten des Gerichtshofs Finke, Parallelität, S. 303 Fn. 12; Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 200; Hudson, Permanent Court, S. 512; Kaufmann, Gutachten, S. 72 f.; vgl. auch Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 45 f., 50 ff.; Scobbie, Chinese JIL 5 (2006), S. 269, 290; Tams, in: ders./Sloan, S. 377, 379 f. Vgl. allgemein zur moralischen Autorität des Gerichtshofs Bianchi, JIDS 4 (2013), S. 457, 462 ff.; Dupuy, FS Simma, S. 862, 864 ff.

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Kenntnis des IGH, um zu erkennen, dass der Gerichtshof seinen eigenen Urteilen zu folgen pflegt und diese damit als nicht bindende, aber doch gewichtige Präzedenzfälle anerkennt.859 Dies gilt auch nicht nur für abstrakte Rechtsauffassungen, die aus einer Entscheidung zitiert und auf einen gänzlich anderen Fall angewendet werden. Vielmehr folgt der Gerichtshof regelmäßig auch seinen früheren Subsumtionsergebnissen.860 Dieser Aspekt der inneren Konsistenz der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist schließlich ebenso wichtig wie die widerspruchsfreie Interpretation des Völkerrechts. Staaten verlören nicht nur dann das Vertrauen in die Vorhersehbarkeit des Handelns des IGH, wenn er eine frühere Formulierung eines Rechtssatzes missachtete, sondern auch wenn er eine bereits rechtlich verortete Situation grundlos anders bewertete. In beiden Fällen könnten sich die Staaten nämlich nicht mehr auf eine einigermaßen absehbare Entscheidung des Gerichtshofs über ihre eigenen Streitfälle verlassen.861 Diese Präzedenzwirkung früherer Rechtsauffassungen und Subsumtionen des IGH beschränkt sich auch keineswegs auf die spätere Praxis des IGH selbst. Vielmehr folgen auch andere Gerichte in ganz erheblichem Umfang der Rechtsprechung des IGH.862 Dies liegt nicht entscheidend an der Qualifizierung des IGH als 859 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 157; vgl. auch Third Annual Report of the Permanent Court of International Justice, June 15th, 1926 – June 15th, 1927, PCIJ, Series E, No. 3, S. 217 f.; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 86; Barberis, ZaöRV 31 (1971), S. 641, 656; von Bogdandy/Venzke, EJIL 23 (2012), S. 7, 18 f.; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 124, 131 ff.; Gaja, FS Simma, S. 665; Hudson, Permanent Court, S. 627 f.; Jacob, in: von Bogdandy/Venzke, S. 35, 50; Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 140, 141; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 152, 464; ders., JZ 67 (2012), S. 949, 952; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 308 ff.; Rosenne, FS Jiménez de Aréchaga, S. 1129, 1155; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 82 f.; Smith, Relation, S. 100; Thirlway, MPEPIL, S. 493, 499. Hambro, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 387, 398, meint sogar, „in the realities of the legal life an interpretation of a multilateral treaty must – anyhow in the jurisprudence of the Court – be binding erga omnes“. 860 Vgl. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 86; Kaufmann, Gutachten, S. 94; Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 159 f.; Quintana, LPICT 10 (2011), S. 135, 143; vgl. auch Scobbie, ICLQ 42 (1993), S. 710, 717; ders., Chinese JIL 5 (2006), S. 269, 290 f., sowie die scharfe Kritik der Minderheit des Gerichtshofs an der Entscheidung des IGH, dass Jugoslawien zwischen 1992 und 2000 nicht Mitglied der UN gewesen war; diese Kritik basierte auf der Annahme, der Gerichtshof habe diese Frage zuvor anders beurteilt: IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, Joint Declaration of VicePresident Ranjeva, Judges Guillaume, Higgins, Kooijmans, Al-Khasawneh, Buergenthal, Elaraby, ICJ Reports 2004, S. 330, 332 f.; dazu auch Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 314. 861 Vgl. zur Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen als Grund einer gewissen Orientierung an früherer Rechtsprechung EGMR, Stafford v. United Kingdom (GC), RJD 2002IV, S. 115, 137; von Bogdandy/Jacob, FS Simma, S. 809, 820 f.; Charney, Recueil des Cours 271 (1998), S. 101, 360; Finke, Parallelität, S. 366; Gardner, JCLIL 17 (1935), S. 251, 254; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 83. 862 Vgl. PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 591 (vgl. zu diesem Fall bereits oben, 1. Teil A. V. 2. dieser Arbeit); Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 577.

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Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen in Art. 92 Satz 1 der Charta und Art. 1 des Statuts,863 sondern vielmehr daran, dass andere Gerichte dem IGH eine besondere Autorität und weitgehend sogar eine Führungsrolle zubilligen,864 ohne rechtlich dazu gezwungen zu sein.865 Daher lässt sich festhalten, dass eine Sachentscheidung in der Monetary GoldSituation annähernd denselben Einfluss auf die Interessen des Drittstaats und annähernd denselben Wert für dessen Gegenspieler haben kann wie eine direkte gerichtliche Entscheidung in deren Rechtsverhältnis. Die Quasi-Entscheidung über den Drittstaat hätte beinahe dieselbe moralische Autorität wie ein rechtlich verbindliches Urteil, und sie würde für eine mögliche spätere gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Drittstaat und seinem Gegner eine ganz erhebliche Präzedenzwirkung entfalten. Der Gedanke liegt deshalb nahe, dass die Zulässigkeit der Sachentscheidung in der Monetary Gold-Situation zu einer Umgehung des Zustimmungsbedürfnisses der streitigen Jurisdiktion des IGH führte. Dies hat sich gerade im Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii866 gezeigt. Es wäre unrealistisch anzunehmen, dass Herr Larsen im Wesentlichen die Feststellung begehrte, das Königreich Hawaii habe ihn nicht in ausreichendem Maße vor der illegalen Ausübung von Hoheitsgewalt durch die USA geschützt, und dass das Königreich Hawaii dieses ernstlich bestritt. Vielmehr ist nicht zu übersehen, dass die Parteien des Streitfalls hier gemeinsam die Feststellungen erwirken wollten, dass das Königreich Hawaii noch bestehe, dass es rechtswidrig von den USA annektiert worden sei und dass die USA daher keine Hoheitsgewalt auf Hawaii ausüben dürften. Gegenüber den USA war eine solche Feststellung durch ein internationales Gericht867 allerdings nicht zu erreichen. Vor dem IGH wäre Herr Larsen wegen Art. 34 Abs. 1 des Statuts schon nicht parteifähig gewesen, und eine Zustimmung der USA zu einer internationalen gerichtlichen Jurisdiktion in diesem Fall war nicht zu erwarten.868 Der Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii zeigt deshalb deutlich das Potenzial der Monetary Gold-Konstellation zur Umgehung der Voraussetzungen eines direkten Vorgehens gegen den Drittstaat.869

863

In der Tat hat das ICTY es ausdrücklich abgelehnt, dem IGH wegen seiner institutionellen Rolle als Hauptrechtsprechungsorgan Folge zu leisten: s. o., Fn. 569. 864 Charney, Recueil des Cours 271 (1998), S. 101, 361 f.; Finke, Parallelität, S. 366 f., 372; Mendelson, FS Jennings, S. 63, 83; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 577; vgl. Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 325. 865 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (3) dieser Arbeit. 866 Dazu oben, 1. Teil A. V. 2. dieser Arbeit. 867 Zu erfolglosen Versuchen seitens des „Council of Regency“ des Königreichs Hawaii, vor dem U.S. Supreme Court Rechtsschutz zu erlangen, vgl. Dumberry, Chinese JIL 1 (2002), S. 655, 659 f. 868 Vgl. zur (abstrakten) Jurisdiktion des IGH Dumberry, Chinese JIL 1 (2002), S. 655, 675. 869 Vgl. ebda., S. 660 f.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Als normativer Anknüpfungspunkt kann insoweit der Schutz der richterlichen Funktion des IGH – eigentlich also des Statuts870 – angeführt werden. Insofern geht es nicht darum, die Rechte des Drittstaats selbst zu schützen, denn dieser wird – wie bereits ausgeführt wurde – durch eine unverbindliche gerichtliche Äußerung nicht in seinen Rechten verletzt.871 Vielmehr geht es unter diesem Gesichtspunkt nur noch um einen Schutz des Jurisdiktionsregimes des Gerichtshofs und um die Erwägung, dass sich der Gerichtshof als richterliches Organ missbräuchlichen Verfahrenskonstruktionen zu entziehen hat. Könnte nämlich der Gerichtshof die Sachentscheidung in der Monetary Gold-Konstellation nicht verweigern, so würde die Voraussetzung der Zustimmung des als Drittstaat vor den IGH gebrachten Staates zu einem Verfahren direkt gegen ihn weitgehend sinnlos. Der Gerichtshof müsste inhaltlich dieselbe Entscheidung treffen wie in einem Verfahren unter Beteiligung des Drittstaats, und dies ohne die dort erforderliche Zustimmung dieses Staates. Ein weiteres Verfahren gegen den Drittstaat würde dadurch praktisch präjudiziert. Selbst wenn es noch notwendig wäre, um den Drittstaat im rechtlichen Sinne zu binden, hätte dessen Gegner doch faktisch bereits (fast) alles erreicht, was in diesem Verfahren zu erreichen wäre. Die Relativität der rechtlichen Entscheidungswirkungen des Urteils gemäß Art. 59 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 der Charta, die zugleich das Bedürfnis der Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH auf die Parteien begrenzt, würde damit missbraucht, denn obwohl der Drittstaat nicht durch das Urteil gebunden wäre und daher nicht nach Art. 36, 37 des Statuts seine Zustimmung erteilt haben müsste, entstünde eine praktisch weitgehend gleichwertige Urteilswirkung. Das Konsensprinzip würde so umgangen. Eine gewisse Begrenzung des zulässigen Drittstaatsbezugs eines völkerrechtlichen Streitfalls ist daher – wie nach der Monetary GoldFormel des IGH – als Kollateralschutz des Konsensprinzips des Statuts erforderlich.872 Damit dient eine solche Begrenzung auch dem Schutz der Integrität des IGH als Gericht, denn der Gerichtshof kann sich nicht zum Werkzeug einer Umgehung 870 S. o., 1. Teil B. III. 1. b) dieser Arbeit. Dieser Ansatz ist daher nicht dem Einwand ausgesetzt, die Funktion des IGH liege gerade in der Entscheidung von Fällen, nicht in der Unterlassung der Entscheidung (so aber Torres Bernárdez, FS Suy, S. 737, 746). Das ist zwar richtig, aber geschützt wird hier eben nicht die Aufgabenwahrnehmung des IGH, sondern die Integrität ihrer Grenzen nach dem Statut. 871 S. o., bei Fn. 852, 853, und vgl. Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 321: „[L]a sauvegarde des intérêts du tiers n’est qu’une conséquence indirecte et subsidiaire du principe de l’Or monétaire.“ Anders wohl IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. Serbia), Merits, Judgment, verfügbar unter www.icj-cij.org, Rn. 116; dazu noch unten, 2. Teil A. III. 4. und A. V. 1. dieser Arbeit. 872 In einem ähnlichen Sinne entnimmt Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 311 f., die Monetary Gold-Doktrin nicht dem Statut, weil er in diesem nur das Erfordernis der Zustimmung der wirklichen Parteien sieht, sondern dem Konsensprinzip als Satz des allgemeinen Völkerrechts; vgl. auch Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 218 f. Auch Lowe, Cambridge LJ 54 (1995), S. 484, 485, beschreibt die Monetary Gold-Doktrin als „protect[ing] the consensual basis of the Court’s jurisdiction“; ähnlich Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 868; Kolb, ICJ, S. 574 („fundamental principles of judicial integrity and consensual jurisdiction“); Shany, Effectiveness, S. 87; vgl. auch von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 470.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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des Konsensprinzips machen. Auf diese Erwägungen lässt sich die Ablehnung der Sachentscheidung in den Fällen der Monetary Gold-Doktrin stützen. bb) Umfang der Unzulässigkeit des Drittstaatsbezugs Mit dieser Begründung ist aber noch nicht die Frage beantwortet, in welchem Umfang die Sachentscheidung in einem vor den IGH gebrachten Fall unzulässig sein soll, weil ein Drittstaat durch das Urteil indirekt betroffen wäre. Der IGH selbst stellt insoweit, wie oben ausgeführt wurde, darauf ab, ob die Rechtsbeziehungen des Drittstaats als notwendige Vorfrage der von den Parteien gestellten Rechtsfrage beantwortet werden muss. Bloße Implikationen genügen demnach nicht, sondern der Gerichtshof muss zu einem ausdrücklichen Ausspruch über den Drittstaat aufgefordert sein.873 In dieser Enge ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs allerdings auf Kritik gestoßen.874 Insbesondere wird vorgebracht, dass, wenn der Grund der Unzulässigkeit der Sachentscheidung im Schutz vor den praktischen Wirkungen des Urteils liege, eine schematische Bestimmung des Umfangs der Unzulässigkeit unangemessen sei und es vielmehr in einer graduellen Betrachtungsweise auf die Intensität der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen ankommen müsse.875 Vor diesem Hintergrund ist nun zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen das Jurisdiktionsregime des Statuts mittelbar die Unzulässigkeit der Sachentscheidung auch dann erfordert, wenn ein dem Verfahren nicht zustimmender Staat zwar nicht an das Urteil gebunden werden soll, aber doch vom Gegenstand des Verfahrens intensiv betroffen ist. (1) Unzulässigkeit bei subjektivem Missbrauch? Der Gedanke, dass durch die Klage in der Monetary Gold-Situation das Erfordernis der Zustimmung des Drittstaats umgangen wird, legt es nahe, auf die subjektive Umgehungsabsicht der Parteien oder des Klägers abzustellen. Danach wäre die Sachentscheidung dann unzulässig, wenn mit dem Verfahren ausschließlich oder primär die indirekte Rechtsverfolgung gegenüber dem Drittstaat, mit dem Ziel eines 873

Dazu bereits oben, 1. Teil A. VI. dieser Arbeit. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of President Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1992, S. 301; ebda., Dissenting Opinion of Judge Ago, S. 326 ff.; ebda., Dissenting Opinion of Judge Schwebel, S. 329 ff.; Perez, Michigan JIL 18 (1997), S. 399, 418 f. 875 Perez, Michigan JIL 18 (1997), S. 399, 418 f.; vgl. auch IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Ago, ICJ Reports 1992, S. 326, 328; ebda., Dissenting Opinion of Judge Schwebel, S. 329, 331; Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 560 ff.; Hilpold, Osttimor, S. 33; Schorer, Konsensprinzip, S. 120 f. Ohne ausdrückliche Kritik am Gerichtshof treten wohl auch Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm (2006), Art. 59 Rn. 71, Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 70, und Kolb, ICJ, S. 567, für eine Fragestellung nach dem Grad der Betroffenheit des Drittstaats ein. Zu einer nötigen „balance“, aber zugleich mit Zustimmung zur Vorfragendogmatik des IGH, Crawford, State Responsibility, S. 657 bzw. S. 658 ff. 874

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

ihn moralisch bindenden Urteilsspruchs, bezweckt wird und der eigentliche Prozessgegner nur verklagt wurde (oder wie im Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii sogar freiwillig auftritt), weil der Drittstaat nicht der Jurisdiktion des IGH unterliegt. Allerdings ist zu beachten, dass es grundsätzlich der freien Entscheidung eines Staates überlassen ist, gegen wen er um Rechtsschutz nachsuchen will. Ist ein Staat etwa durch ein Zusammenwirken mehrerer anderer Staaten verletzen worden, liegt es bei ihm, welchen der verantwortlichen Staaten er verklagen möchte.876 Vorausgesetzt ist insoweit nur, dass die jeweils eingebrachte Klage anderweitig zulässig ist. Das ist zwar nicht der Fall, wenn gegenüber dem Prozessgegner unter keinem Gesichtspunkt ein aktuelles Rechtsschutzbedürfnis besteht.877 Dies ist jedoch kaum vorstellbar, wenn der Prozessgegner denn überhaupt (aktuell) in die Interessenlage zwischen dem Kläger und dem Drittstaat involviert ist.878 Im Übrigen geht es bei dem allgemeinen Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses nicht darum, dass die Klage in missbräuchlicher Weise nicht gegen den Drittstaat gerichtet würde, sondern ausschließlich um die Zulässigkeit der eingebrachten Klage gegen den Prozessgegner im Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien (und dem Gerichtshof). Wenn kein anderer Unzulässigkeitsgrund vorliegt, ist es also nicht Sache des IGH, eine Klage nur aus dem Grund abzuweisen, dass der Kläger nicht den Haupttäter eines Delikts oder sonst den hauptsächlich passivlegitimierten Staat in Anspruch nehmen will, sondern einen eher nebensächlichen Akteur. So wie eine Situation legitimerweise Streitigkeiten unter verschiedenen Rechtsnormen begründen kann,879 kann sie auch legitimerweise zu Streitigkeiten mit verschiedenen Staaten führen. Insofern liegt es nicht anders als bereits unter dem Gesichtspunkt des dispute, zu dem sich nicht begründen ließ, dass das wahre Kernanliegen des Klägers vor den Gerichtshof gebracht werden müsste und dass nur ein dispute mit dem Hauptgegner bestehen könne.880 Es stand daher beispielsweise Portugal im East Timor-Fall frei, nicht gegen Indonesien vorzugehen, sondern gerade an Australiens Abschluss des Timor Gap Treaty mit Indonesien Anstoß zu nehmen. Wenn es demnach dem Kläger 876 IGH, Corfu Channel, Merits, Dissenting Opinion by Judge Azevedo, ICJ Reports 1949, S. 78, 92; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 284 f.; vgl. Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 18. 877 Vgl. oben, 1. Teil B. III. 1. a) dieser Arbeit. 878 Vgl. zum Maßstab noch unten, bei Fn. 925, 926. Hätte etwa Australien im East TimorFall nichts mit Bezug zu Osttimor getan, hätte es schon keinen Anlass für eine Klage gegen Australien gegeben; dann hätte ein Urteil gegen Australien – die nicht naheliegende Begründetheit der Klage unterstellt – keine Wirkung gehabt, und das Rechtsschutzbedürfnis hätte gefehlt. 879 IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, ICJ Reports 1980, S. 3, 19; Border and Transborder Armed Actions, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1988, S. 69, 92; Application of the International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, Preliminary Objections, ICJ Reports 2011, S. 70, 85 f.; ebda., Declaration of Judge Skotnikov, S. 235; Thienel, HRLR 9 (2009), S. 465, 467. 880 Dazu bereits oben, 1. Teil B. II. dieser Arbeit.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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überlassen ist, welchen Teil eines dreipoligen Rechtsverhältnisses er vor den IGH bringen möchte, ist auch die Frage, welcher der anderen Akteure der Jurisdiktion des IGH unterliegt, eine zulässige Erwägung. Nur den Staat zu verklagen, mit dem ein Jurisdiktionsband besteht, kann daher nicht als missbräuchlich angesehen werden.881 Hinzu kommt, dass die Feststellung einer subjektiven Umgehungsabsicht dem IGH eine rechtspolitische Einschätzung abverlangen würde, die dem Kläger allein obliegt und die der IGH auch weder zuverlässig leisten kann noch leisten sollte. Dem Gerichtshof ist nur die Anwendung des Rechts aufgegeben (Art. 38 Abs. 1 des Statuts), nicht die (graduelle) Einschätzung der Interessen an der Rechtslage. Zudem kommt es für die verfolgte Begründung der Monetary Gold-Doktrin auch nur auf die objektive Wirkung eines Ausspruchs des IGH für den Drittstaat aufgrund der Autorität des Richterspruchs an; die Absicht der Parteien ist dafür unerheblich. Auf eine Umgehungsabsicht der Parteien kann daher nicht entscheidend abgestellt werden. Der Maßstab für die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin muss ein anderer, insbesondere ein objektiver, sein. (2) Anknüpfung an die Betroffenheit staatlicher Interessen im Gutachtenverfahren? Im Sinne einer objektiven Definition der Unzulässigkeit wegen eines Drittstaatsbezugs der Fallfrage mag es sich weiter anbieten, die Maßstäbe zu übertragen, die der Gerichtshof zur Zulässigkeit von Gutachtenanträgen entwickelt hat, die staatliche Interessen der Begutachtung durch den Gerichtshof zuführen sollen. Diese Anknüpfung bietet sich schon deshalb an, weil auch im Gutachtenverfahren das Problem der zwar nicht rechtlichen, aber doch moralischen Autorität des Ausspruchs des Gerichtshofs für den betroffenen Staat entsteht und vor diesem Hintergrund die Umgehung des Konsensprinzips der streitigen Jurisdiktion thematisiert wird.882 Der Drittstaat in der Monetary Gold-Konstellation ist insofern in derselben Lage wie der betroffene Staat in einem Gutachtenverfahren, und das Konsensprinzip der streitigen Jurisdiktion des IGH ist in vergleichbarer Weise indirekt betroffen. Im Gutachtenverfahren hat der IGH sich diesem Problem gestellt, indem er die Zustimmung sachlich betroffener Staaten zwar nicht als Voraussetzung seiner gutachterlichen Kompetenz angesehen, es aber doch für möglich gehalten hat, die Beantwortung eines Gutachtenantrags abzulehnen, weil mit ihm eine Umgehung des

881

Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 18. Deshalb befürwortet Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 317, die hier untersuchte Anknüpfung. Vgl. zur Problematik im Gutachtenverfahren IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 25; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 158; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 568; Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 33 ff.; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 166. 882

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Konsensprinzips einhergehe.883 Dies stellt sich als ein Teilaspekt der Unvereinbarkeit des Gutachtenantrags mit der richterlichen Funktion des Gerichtshofs dar.884 Im Gutachtenverfahren Western Sahara, in dem der IGH diese Frage erstmals so formulierte, verneinte er eine Umgehung des Konsensprinzips mit der Begründung, es liege zwar ein Rechtsstreit zwischen Staaten vor, jedoch sei dieser im Verfahren der Generalversammlung entstanden und im Zusammenhang mit deren Befassung mit dem späteren Gegenstand des Gutachtenantrags. Der Streit sei also nicht unabhängig vom Gutachtenantrag in bilateralen staatlichen Beziehungen entstanden.885 Außerdem betonte der Gerichtshof, dass der Gutachtenantrag dazu bestimmt war, die Generalversammlung bei ihrer Tätigkeit im Rahmen der Dekolonialisierung der Westsahara rechtlich anzuleiten.886 Damit stützte sich der IGH auf zwei Begründungsansätze:887 Einerseits wies er darauf hin, dass der Streit noch nicht vor der Anbahnung des Gutachtenantrags bestanden habe; der Gutachtenantrag konnte bereits deshalb nicht auf die Klärung eines bereits bestehenden Streitfalls gerichtet sein. Andererseits erwähnte der Gerichtshof, dass der Streit im Zusammenhang mit einer Befassung der das Gutachten beantragenden Generalversammlung gestanden habe und dieser in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben helfen sollte. Insbesondere – so der Gerichtshof – sei es nicht nur darum gegangen, dass die Generalversammlung später selbst bei der Lösung des Streitfalls zwischen den beiden Staaten tätig werden sollte, sondern um eine bereits bestehende Aufgabe in diesem Zusammenhang.888 In dem späteren Gutachtenverfahren Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory hat sich der IGH nicht mehr darauf be883 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 25; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 158. Dazu auch bereits oben, 1. Teil B. I. 2. a) aa) (3) dieser Arbeit. 884 Zu diesem allgemeinen Anknüpfungspunkt der Abweisungskompetenz des Gerichtshofs vgl. IGH, Application for Review of Judgement No. 158 of the United Nations Administrative Tribunal, ICJ Reports 1973, S. 166, 175; Application for Review of Judgement No. 273 of the United Nations Administrative Tribunal, ICJ Reports 1982, S. 325, 334; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 157; Accordance with International Law of the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo, ICJ Reports 2010, S. 403, 416; Berman, in: Tams/Sloan, S. 7, 15. 885 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 25. 886 Ebda., S. 26 f. 887 In einem anderen Sinne meint Oelofsen, SAYIL 1 (1975), S. 155, 156, das Gutachten des Gerichtshofs habe nicht die Interessen Spaniens berühren können, weil es der Generalversammlung in der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dienen sollte. Das ist nicht überzeugend, weil die Art der Verwendung des Gutachtens durch die Generalversammlung nichts über seinen Inhalt aussagt. Oelofsen scheint hier zwei Passagen aus dem Gutachten zu vermengen, denn nach der hier wiedergegebenen Passage erwähnte der IGH in der Tat ergänzend, dass Spaniens Interessen nicht betroffen sein würden. Das folgte aber aus dem Umstand, dass der Gutachtenantrag einen anderen Zeitpunkt betraf als der Streit zwischen Spanien und Marokko: IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 27; vgl. dazu auch Pomerance, AJIL 99 (2005), S. 26, 34. 888 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 26 f.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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zogen, dass es um eine bereits bestehende Aufgabe der Generalversammlung gehe. Vielmehr lag der Fall dort so, dass die Generalversammlung auf Grundlage des zu erstattenden Gutachtens in dem konkreten Konflikt um die israelischen Sperranlagen tätig werden wollte,889 nachdem sie sich bereits zuvor vielfach über den israelischpalästinensischen Konflikt geäußert hatte.890 Der Gerichtshof verneinte nun eine Umgehung des Konsensprinzips, weil die Vereinten Nationen angesichts ihrer Aufgaben im Bereich der Sicherung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und ihrer besonderen Verantwortung für die Palästina-Frage ein unmittelbares Interesse an dem Gegenstand des Gutachtens hätten.891 Es kam also entscheidend darauf an, dass das Organ, das das Gutachten beantragt hatte, ein eigenes legitimes Interesse an der Erteilung des Gutachtens hatte.892 Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass Gutachtenanträge des Sicherheitsrats oder der Generalversammlung gemäß Art. 96 Abs. 1 der Charta jegliche (Völker-) Rechtsfragen893 betreffen können und insbesondere nicht an einen konkreten Zusammenhang mit den Tätigkeiten des antragstellenden Organs gebunden sind.894 Der 889 Kritisch gegenüber der Gerichtsmehrheit daher IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 2004, S. 207, 210. 890 Vgl. nur O’Keefe, in: Giegerich/Proelß, S. 13, 18 ff. Dieser Umstand mag den von Richterin Higgins angemahnten Widerspruch zum Western Sahara-Gutachten (vgl. die vorherige Fußnote) relativieren; aber auch dazu kritisch Pomerance, AJIL 99 (2005), S. 26, 34 f. 891 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 159. 892 Kovács, Miskolc JIL 2 (2005), S. 102, 107, beschreibt den relevanten Gegensatz als einen zwischen „(only) a bilateral dispute“ und „a matter of genuine international concern“. 893 Art. 96 Abs. 1 der Charta spricht nur von Rechtsfragen; wegen Art. 38 Abs. 1 des Statuts wird es sich aber um völkerrechtliche Fragen handeln müssen: vgl. IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 18; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 959; in einem ähnlichen Sinne beschreibt Annacker, Durchsetzung, S. 120, Art. 38 Abs. 1 des Statuts als Konkretisierung des Art. 92 der Charta hinsichtlich der Rolle des IGH. 894 Fraas, Sicherheitsrat, S. 30; O’Keefe, RBDI 37 (2004), S. 92, 100 Fn. 29; OellersFrahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 96 UN Charter Rn. 14. Diese Freiheit der beiden Organe betrifft freilich nur den Inhalt eines Gutachtenantrags, nicht sein Zustandekommen. Der Gutachtenantrag muss daher als solcher rechtmäßig sein: vgl. IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 22 (zur korrekten Abstimmung im Sicherheitsrat); Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 148 (zur Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 der Charta auf einen Gutachtenantrag der Generalversammlung). Das bedeutet allerdings nicht, dass der Antrag positiv unter die Zuständigkeit des Sicherheitsrats (Art. 24 der Charta) oder der Generalversammlung (Art. 10 der Charta) fallen muss; vgl. IGH, ebda., S. 145; Costantino, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 235, 262 Fn. 71; O’Keefe, RBDI 37 (2004), S. 92, 100; a.A. Kelsen, Law of the UN, S. 546; Pratap, Advisory Jurisdiction, S. 55; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. I, S. 290, und wohl Pomerance, Function, S. 282 ff. Art. 96 Abs. 1 der Charta begründet nämlich eine selbstständige Kompetenz dieser Organe, dem IGH jede Rechtsfrage vorzulegen. Schädlich ist daher nur ein Verfahrensfehler oder ein Verbot wie unter der These der Anwendbarkeit des Art. 12 Abs. 1 der Charta (s. o.);

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Gerichtshof verlangt also ein eigenes legitimes Interesse der Generalversammlung oder des Sicherheitsrats an einem Gutachten nur dann, wenn das Gutachten die rechtlichen Interessen eines oder mehrerer Staaten betrifft. Dann würde nämlich ein fehlendes Eigeninteresse des Organs zu der Schlussfolgerung führen, dass das Organ nur quasi stellvertretend für einen anderen Akteur – namentlich einen Staat – handelt, der seinerseits die Klärung der Rechtsfrage durch den IGH anstrebt, selbst aber bei einer eigenen Klage an das Erfordernis der Zustimmung des betroffenen Staates gebunden wäre. Dieser Gedanke ist auf die streitige Jurisdiktion des IGH aus mehreren Gründen nicht übertragbar. Zunächst müssen Staaten, die im streitigen Verfahren auftreten, ohnehin ein eigenes Interesse an den Rechtswirkungen des beantragten Urteils, also ein Rechtsschutzinteresse, geltend machen. Sie müssen auch dann ein eigenes Interesse an ihrem Rechtsschutzbegehren vorweisen können, wenn keine Drittstaatsinteressen berührt sind. Das Erfordernis der Zustimmung eines Drittstaats zu einem gegen ihn gerichteten Verfahren kann also von vornherein nicht dadurch umgangen werden, dass ohne jedes wirkliche Interesse gegen einen anderen Staat vorgegangen wird. Eine solche Klage wäre schon nach den allgemeinen Maßstäben im Prozessrechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten (und dem IGH) unzulässig.895 Ein eigenes Interesse des Klägers an der eingebrachten Klage kann daher nicht eine etwa bestehende Drittstaatsbetroffenheit legitimieren, sondern nur die Klage unter einem anderen Aspekt der Zulässigkeit unbedenklich machen. Eine Art qualifiziertes Rechtsschutzinteresse zu verlangen, ist im Übrigen bereits inhaltlich schwer vorstellbar; außerdem ist nicht einsichtig, wieso ein Drittstaat eine (Quasi-) Entscheidung über seine Rechte nur deshalb hinnehmen müssen sollte, weil ein anderer Staat insoweit ein besonderes Rechtsschutzinteresse hat.896 Vor allem aber ist der Ausgangspunkt im Gutachtenverfahren ein anderer als im streitigen Verfahren. Die Befugnis und die Aufgabe des Gerichtshofs, gemäß Art. 96 Abs. 1 der Charta jede Rechtsfrage (oder gemäß Art. 96 Abs. 2 der Charta jede Rechtsfrage im Rahmen der Aufgaben des antragstellenden Organs) zu beantworten, beruhen auf seinem Status als Organ der Vereinten Nationen. Als solches nimmt der IGH (auf Antrag) die Rolle eines allgemeinen Rechtsberaters der Organisation ein; diese war dem StIGH noch versagt worden und aus eben diesem Grunde war seinerzeit davon abgesehen worden, den Begriff „any legal question“, wie er sich heute zum letzteren Aspekt Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 65 Rn. 16 f. 895 Vgl. den vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit. 896 Im innerstaatlichen Recht gibt es bisweilen vergleichbare Konstellationen. Beispielsweise ist eine Ausnahme von dem – zumindest vielfach angenommenen – Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zulasten des Antragsgegners zulässig und geboten, wenn der Antragsteller ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis hat (vgl. nur BVerfGE 79, 69, 74 ff.; 93, 1, 13 f.). Das beruht aber auf Vorschriften des innerstaatlichen Rechts, die im Völkerrecht und insbesondere mit Blick auf das Konsensprinzip der internationalen streitigen Gerichtsbarkeit keine Entsprechung finden.

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in Art. 96 Abs. 1 der Charta findet, in Art. 14 Satz 3 der Satzung des Völkerbunds aufzunehmen.897 Der IGH weist in mittlerweile ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass „the reply of the Court, itself an ,organ of the United Nations‘, represents its participation in the activities of the Organization, and, in principle, should not be refused.“898

Der Gerichtshof hat deshalb noch nie einen Gutachtenantrag in Ausübung seines Ermessens abgewiesen.899 Sein Bewusstsein für seine Einbindung in das System der Vereinten Nationen und seine Bereitschaft zur Erstattung von Gutachten hat sich damit als sehr stark erwiesen.900 Eine ebenso starke Bereitschaft zur Bearbeitung streitiger Fälle besteht nicht. Zwar ist der Gerichtshof verpflichtet, im Rahmen der bestehenden rechtlichen Grenzen vor ihn gebrachte streitige Fälle zu bearbeiten; allerdings beansprucht er auch hier eine Kompetenz zur Abweisung solcher Fälle, die Aspekte seiner richterlichen Funktion in Frage stellen.901 Unter diesem Gesichtspunkt hat er auch schon Klagen abgewiesen (namentlich im Northern CameroonsFall und den Nuclear Tests-Fällen) und Fälle noch im Verfahren über einstweilige Maßnahmen aus seiner General List streichen lassen.902 Bereits dieser Umstand deutet darauf hin, dass der IGH nicht ebenso bereit ist, streitige Fälle zu entscheiden, wie Gutachtenanträgen Folge zu leisten. Dies zeigt sich weiterhin an dem Umstand, dass der IGH auf das Gutachtenverfahren gerade nicht die Auffassung aus dem Northern Cameroons-Fall übertragen hat, die ihm die Beantwortung bloß akademischer Fragen im streitigen Verfahren versperrt.903 Außerdem sprechen für die Beantwortung eines Gutachtenantrags auch in der Sache regelmäßig stärkere Gründe als für die Bearbeitung eines streitigen Falls; in der streitigen Zuständigkeit wird es zumeist um bilaterale Rechte und Interessen gehen, während der Gegenstand eines Gutachtens bereits ausweislich des Antrags eines Organs der UN regelmäßig auf ein größeres allgemeines Interesse stoßen wird. 897

Miller, Drafting, S. 391 f.; Pomerance, Function, S. 8, 34. S. o., Fn. 504, 505. 899 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 156; De Brabandere, LPICT 11 (2012), S. 253, 264; Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 32; Martenczuk, Rechtsbindung, S. 75; Oellers-Frahm, in: von Bogdandy/Venzke, S. 69, 72; Pomerance, Function, S. 281. 900 Kritisch dazu Pomerance, AJIL 99 (2005), S. 26, 30. 901 Dazu oben, unter B. III. 902 Dazu oben, unter B. III. 1. 903 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 20 f.; dazu Frowein/Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 65 Rn. 28. Spanien hatte hier ausdrücklich mit dem Northern Cameroons-Fall argumentiert: Western Sahara, Exposé écrit du Gouvernement Espagnol, ICJ Pleadings, Bd. I, S. 73, 189 f. Vgl. auch IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 163: „[T]he Court cannot decline to answer the question posed based on the ground that its opinion would lack any useful purpose.“ 898

208

1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Die Maßstäbe für die Zulässigkeit streitiger Verfahren sind deshalb andere, insbesondere strengere, als die im Gutachtenverfahren geltenden Maßgaben. Daher ist es insgesamt nicht überzeugend, die Zulässigkeit eines streitigen Verfahrens mit Drittstaatsbezug nach denselben Maßstäben zu bestimmen wie die Zulässigkeit eines Gutachtens über die rechtlichen Interessen eines oder mehrerer Staaten. (3) Maßstab der hypothetischen Rechtskraft Demnach wird die Definition der Unzulässigkeit wegen der Berührung von Drittstaatsinteressen eigenen Leitlinien folgen müssen. Hierzu ist auf die Grundlagen dieser Unzulässigkeit zurückzukommen. Wie bereits ausgeführt wurde, geht es hier darum, dass die Zustimmung eines Staates zwar erforderlich ist, wenn ein Urteil ihm gegenüber ergehen soll, dass er allerdings wegen der erheblichen Autorität des Richterspruchs in ganz ähnlicher Weise betroffen ist, wenn ein Urteil ohne seine Zustimmung zwar nicht ihm gegenüber, aber doch über seine Interessen ergeht. Zielführend ist aber insoweit noch nicht die Überlegung, dass moralische Autorität direkt über die Rechte des Drittstaats erst entsteht, wenn der Gerichtshof diesen ausdrücklich benennt, was nur dann geschehen muss, wenn die Beantwortung der Drittstaatsfrage für die Bearbeitung des Falls zwischen den Prozessparteien logisch notwendig ist. Dagegen mag zunächst eingewandt werden, dass moralische Autorität betreffend die Interessen eines Drittstaats auch entstehen kann, wenn der Gerichtshof diesen nicht ausdrücklich benennt.904 Vor allem aber ist die moralische Autorität des Urteils über den Drittstaat nicht als solche der entscheidende Punkt der hier vertretenen Begründung der Monetary Gold-Doktrin. Die moralische Autorität führt vielmehr nur dazu, dass ein Urteil in der Monetary Gold-Situation einem Urteil mit Rechtswirkung für den Drittstaat weitgehend gleichsteht. Sie ist damit nur der Anlass für die Annahme, dass mit einem solchen Ausspruch über einen Drittstaat das Jurisdiktionsregime umgangen würde.905 Entscheidend ist daher die Frage, wann von einer solchen Umgehung gesprochen werden kann. Die Monetary Gold-Doktrin soll – wie bereits ausgeführt wurde – verhindern, dass das Jurisdiktionsregime des Statuts ad absurdum geführt und dass der Gerichtshof zur Umgehung seines Statuts missbraucht wird. Zwar trifft es zu, dass wegen der Relativität der Rechtskraft und der Verpflichtungswirkung eines Urteils (Art. 59 des Statuts; Art. 94 Abs. 1 der Charta) an sich nur die Zustimmung der wirklich an das Urteil zu bindenden Prozessparteien für die Jurisdiktion des Gerichtshofs erforderlich ist. Die Relativität der Entscheidungswirkungen begrenzt damit die Reichweite des Konsensprinzips der gerichtlichen Jurisdiktion. Diese Relativität würde jedoch (objektiv) missbraucht, und das Konsensprinzip würde umgangen, wenn in einer Fallkonstellation ein Staat zwar nicht Prozesspartei würde, aber aufgrund der erheblichen Autorität des Ausspruchs über seine Rechte und 904 905

Vgl. oben, Fn. 875. Dazu oben, unter aa).

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

209

Pflichten praktisch ebenso gebunden würde wie durch ein ihm gegenüber wirksames Urteil. Deshalb greift die Monetary Gold-Doktrin ein, wenn die Relativität der Entscheidungswirkungen illusorisch wird und das Konsensprinzip daher – über seinen kollateralen Schutz durch die Monetary Gold-Doktrin – trotz der Stellung des Drittstaats als formell vom Urteil unberührt bleibende Nicht-Partei Anwendung finden muss. Die Doktrin ergänzt damit das Konsensprinzip in Fällen, in denen ein Drittstaat zwar nicht Partei und durch das Urteil rechtlich gebunden werden soll, aber in ganz ähnlicher Weise betroffen würde. Die strenge Relativität der rechtlichen Entscheidungswirkungen ist dann angesichts der tatsächlichen Betroffenheit des Drittstaats nicht mehr maßgeblich für die Frage, ob der Dritte zugestimmt haben muss oder nicht. Fraglich ist vielmehr, wann der Schutz eines Drittstaats vor der Wirkung eines Urteils als illusorisch anzusehen ist, oder wann die Berufung auf die Stellung des Dritten als Nicht-Partei missbräuchlich wird. Diese Ergänzung des Konsensprinzips durch die Monetary Gold-Doktrin kann aber nur so weit gehen, wie der Drittstaat durch das Urteil gebunden würde, wenn es die Relativität der Entscheidungswirkungen gar nicht gäbe. Würde der Drittstaat nämlich selbst dann, wenn es keine Relativität der Rechtskraft und Verpflichtungswirkung von Urteilen gäbe und er daher personell durchaus an das Urteil gebunden sein könnte, nicht an den Ausspruch über seine Rechtsverhältnisse gebunden, läge das Problem nicht in der Effektivität der Unterscheidung zwischen Parteien und Nicht-Parteien. Vielmehr wirkte sich dann nur aus, was in dieser Arbeit bereits in allgemeiner Weise dargelegt worden ist: Zustimmungsbedürftig ist immer nur die Herstellung von Rechtskraft und Verpflichtungswirkung für einen Staat. Ansonsten – insbesondere durch nicht rechtskräftige Inhalte eines Urteils – wird die souveräne Freiheit eines Staates nicht berührt.906 Entscheidend ist also, ob ein konkreter Ausspruch über einen Drittstaat der Rechtskraft zugänglich ist – dann wäre der Drittstaat, die Nichtgeltung der strengen Relativität der rechtlichen Entscheidungswirkungen unterstellt, ebenso betroffen wie eine Prozesspartei, und diese Relativität bliebe praktisch illusorisch – oder ob es sich nur um Implikationen oder Beiläufiges handelt, die den Drittstaat selbst als Partei nicht tangierten. Wären schon Implikationen über einen Drittstaat ausreichend, ginge schließlich die Schutzwirkung der Monetary Gold-Doktrin als kollaterale Ergänzung des Konsensprinzips weiter als das Prinzip selbst. Zu prüfen ist damit, ob der Drittstaat – die Relativität der Entscheidungswirkungen außer Betracht gelassen – an den Ausspruch über seine Rechte und Pflichten gebunden wäre. Damit ist die Frage der moralischen Autorität des Urteils für den Drittstaat um die formelle Frage der hypothetischen Rechtskraft des Urteils für den Drittstaat anzureichern, weil andernfalls das Konsensprinzip um der Effektivität der Unterscheidung zwischen Parteien und Nicht-Parteien willen eine Erweiterung erführe, die selbst bei einem völligen Fehlen dieser Unterscheidung und der unmittelbaren 906

Dazu oben, 1. Teil B. I. 2. a) aa) (2) und (4) dieser Arbeit.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Geltung des Konsensprinzips für den Drittstaat nicht gelten könnte. Dann könnte auch von einer Umgehung des Konsensprinzips und einem Missbrauch der dieses Prinzip begrenzenden Relativität der Urteilswirkungen nicht gesprochen werden, denn der Missbrauch der Relativität der Urteilswirkungen setzt zumindest voraus, dass diese Relativität eine konkrete Wirkung hat. Es darf also erst diese Relativität den Drittstaat vor der Rechtskraft schützen und das Erfordernis seiner Zustimmung ausschließen. Das wäre dann nicht der Fall, wenn die Urteilswirkungen (Rechtskraft und ggf. Verpflichtungswirkung) für den Drittstaat schon aus anderen Gründen – ratione materiae statt ratione personae (oder: in objektiver statt subjektiver Hinsicht) – ausschieden. Wenn demnach die hypothetische Rechtskraft des Ausspruchs über den Drittstaat der entscheidende Gesichtspunkt für das Eingreifen der Monetary Gold-Doktrin ist,907 stellt sich nun die Frage, welche Aussagen des Gerichtshofs überhaupt rechtskräftig werden. Insofern konnte bereits darauf hingewiesen werden, dass immer nur der operative Teil eines Urteils in Rechtskraft erwachsen kann; die Urteilsgründe sind als solche nicht der Rechtskraft zugänglich, können aber den Inhalt des rechtskräftigen Urteils erläutern.908 Ein Ausspruch, der sich direkt an den Drittstaat richtet, findet in den Fällen der Monetary Gold-Doktrin nicht statt. Er kann für die hiesige hypothetische Prüfung auch nicht hinzugedacht werden. Hier geht es also nicht um die Bindung eines Staates, der als Partei gedacht wird und gegen den sich ein Klageantrag richtet. In diesem Fall träte selbstverständlich eine Bindungswirkung ein. In den Anwendungsfällen der Monetary Gold-Doktrin gibt es jedoch gerade keinen Antrag gegen den Drittstaat, sondern es steht eine Feststellung zwischen den (beiden) Parteien im Raum, die einen dritten Staat nur inhaltlich berührt. Die Doktrin betrifft also nicht die Zulässigkeit eines Ausspruchs, der sich an den Drittstaat richtet, sondern die inhaltliche Zulässigkeit eines bestimmten Ausspruchs im Verhältnis zwischen den Parteien.909 Folglich stellt sich die Frage, wann bloß inzidente Aussprüche des IGH für einen Staat rechtskräftig werden können. Insofern ist der Drittstaat bei der hiesigen hypothetischen Prüfung seiner Bindung an das Urteil unter der Annahme, er wäre nicht bereits personell geschützt, in einer ähnlichen Lage wie ein Staat, der als Partei interveniert.910 Auch dort geht es darum, 907

Vgl. Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1074 (zur Bedeutung der Formel „the very subject-matter of the decision“); vgl. auch Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 93. 908 Dazu oben, 1. Teil B. I. 2. a) aa) (1) dieser Arbeit. 909 Vgl. oben, bei Fn. 427. 910 Zu dieser Fallgruppe der Intervention Rosenne, Intervention, S. 96; Schorer, Konsensprinzip, S. 174 ff.; Thirlway, BYIL 71 (2000), S. 71, 88 f. Der IGH hat mehrfach ausgesprochen, dass die Intervention als Partei ein Jurisdiktionsband zu den bisherigen Parteien voraussetzt, und hat damit die Existenz der Fallgruppe anerkannt: IGH, Sovereignty over Pulau Ligitan and Pulau Sipadan, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 2001, S. 575, 589; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 348, 361; Application by Honduras for Per-

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

211

dass nicht über widerstreitende Anträge des Drittstaats und einer oder mehrerer Gegenparteien entschieden, sondern dass ein dritter Staat an das Prozessergebnis zwischen den ursprünglichen Parteien gebunden wird. Hierzu hat der IGH ausgesprochen: „[I]f an intervener becomes a party, and is thus bound by the judgment, it becomes entitled equally to assert the binding force of the judgment against the other parties. A non-party to a case before the Court, whether or not permitted to intervene, cannot by its own unilateral act place itself in the position of a party, and claim to be entitled to rely on the judgment against the original parties.“911

Ein als Partei intervenierender Staat wird also an das Urteil gebunden, obwohl seine Parteistellung auf den einseitigen Akt der Intervention zurückgeht und es folglich keinen Klageantrag gegen ihn gibt. Seine Bindung an das Urteil geht dabei auf seine Parteistellung zurück, weil Art. 59 des Statuts nur die Bindung der Parteien zulässt912 und – anders als bei der Intervention nach Art. 63 des Statuts gemäß Abs. 2 dieser Norm913 – keine besondere Anordnung einer Bindung des nach Art. 62 des Statuts (als Partei) intervenierenden Staates besteht.914 Demnach kann es auch eine Bindung eines Staates an ein Urteil des IGH geben, gegen den sich kein Antrag richtet und der folglich im operativen Teil nicht selbst angesprochen wird. An einen Ausspruch im operativen Teil, der auch inhaltlich nur die anderen Parteien betrifft, kann eine dritte Partei jedoch nicht gebunden sein. Für den Fall der Intervention als Partei folgt das schon aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses gemäß Art. 62 Abs. 1 des Statuts. Im Übrigen könnte der Gerichtshof einen Staat ohnehin nicht an etwas binden, das diesen nichts angeht. Beispielsweise hätte Indonesien an den bloßen Ausspruch, Australien habe gegenüber Portugal Völkerrecht verletzt,915 nicht gebunden werden können, selbst wenn es Partei des Verfahrens geworden wäre. Insoweit hätte Portugal bereits kein Rechtsschutzbedürfnis gehabt, mission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 420, 432. Vorgekommen ist eine solche Intervention aber noch nicht: Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 76; Schorer, Konsensprinzip, S. 178. 911 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Merits, ICJ Reports 1992, S. 351, 610. 912 Vgl. Schorer, Konsensprinzip, S. 180. 913 Gegen eine analoge Anwendung des Art. 63 Abs. 2 des Statuts im Rahmen der Intervention nach Art. 62 Schorer, Konsensprinzip, S. 182 ff. Vgl. allgemein zur Analogie im Völkervertragsrecht Linderfalk, Interpretation, S. 294 ff., wobei allerdings nur seine „Rule no. 33“ (S. 296 f.) eine wirkliche analoge Anwendung einer tatbestandlich nicht anwendbaren Norm beschreibt, während seine „Rule no. 32“ (S. 296) nur die Auslegung des Tatbestands anhand der Interessenlage betrifft. 914 Dazu noch unten, 2. Teil A. IV. dieser Arbeit, bei Fn. 442, 443. Die Begründung der Parteistellung im Wege der Intervention setzt freilich ihrerseits ein rechtliches Interesse i.S.d. Art. 62 des Statuts voraus. Der Intervenient wird erst Partei, wenn der IGH die Intervention zugelassen hat. 915 Vgl. dazu IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 94 (Antrag Portugals, Ziff. 2).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

denn die Bindung Indonesiens an die Feststellung einer australischen Völkerrechtsverletzung hätte keinerlei praktische Wirkung gehabt. Wenn der Drittstaat – die Relativität der Urteilswirkungen weiterhin weggedacht – an den Ausspruch zwischen den anderen Parteien gebunden sein soll, muss demnach auch der Ausspruch über seine rechtlichen Interessen an der Rechtskraft des Urteils teilnehmen können. Der operative Teil wird aber in einem Verfahren zwischen zwei Staaten kaum ausdrücklich den Drittstaat erwähnen können.916 Namentlich stand im Monetary Gold-Fall nicht die Möglichkeit im Raum, dass das beantragte Urteil die völkerrechtliche Verantwortlichkeit Albaniens gegenüber Italien in seinem operativen Teil festhalten würde. Vielmehr hätte das Urteil in seinem operativen Teil nur ausgesprochen, dass die Beklagten das Währungsgold an Italien abzuliefern hätten.917 In entsprechender Weise hätte auch das beantragte Urteil im East Timor-Fall in seinem operativen Teil nur den Ausspruch enthalten, Australien habe durch seinen Vertragsschluss mit Indonesien Völkerrecht verletzt.918 Beiden Aussprüchen hätte jedoch im Sinne einer notwendigen Vorfrage die Auffassung des Gerichtshofs zugrunde gelegen, dass Albanien bzw. Indonesien ihrerseits Völkerrechtsverstöße begangen hätten;919 die Urteilsgründe hätten dies eindeutig klargestellt. Deshalb hat der IGH im East Timor-Fall gemeint, seine Sachentscheidung wäre einer Entscheidung über den jeweiligen Drittstaat im Rechtssinne gleichgekommen.920 Das setzte freilich voraus, dass die nur inzidente Prüfung der Rechtsverhältnisse eines Staates Entscheidungscharakter haben kann. Fraglich ist deshalb, ob einem Ausspruch über ein präjudizielles Rechtsverhältnis921 in den Gründen des Urteils dieselbe Wirkung zukommt wie einem Ausspruch im operativen Teil. Entscheidend für die (hypothetische) Bindung eines Drittstaats ist also, ob auch die inzidenten Feststellungen des IGH auf dem Weg zur Beantwortung der Anträge im operativen Teil des Urteils der Rechtskraft zugänglich sind. Nur dann könnte auch der Drittstaat (hypothetisch) an den Ausspruch gebunden sein, so dass seine (wirkliche) Freiheit von den rechtlichen Urteilswirkungen ineffektiv und illusorisch wäre und das Konsensprinzip durch die Monetary Gold-Doktrin ergänzt werden müsste. Zu ermitteln ist deshalb, ob die Parteien eines Streitfalls nicht nur an

916 Vgl. zum Sonderfall der Urteile, in denen der IGH über die absolute Zuordnung eines Gebiets oder einer Sache zu einem Staat entscheidet, unten, 2. Teil A. I. 2. dieser Arbeit. 917 Vgl. IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 22 (Hauptsacheantrag Italiens, Ziff. 1). 918 S. o., Fn. 915. 919 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 261 f.; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 104 f. 920 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105: „the effects of the judgment requested by Portugal would amount to a determination that Indonesia’s entry into and continued presence in East Timor are unlawful“ (Hervorhebung nicht im Original). 921 So beschreibt auch Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 107, den Ausspruch über den Drittstaat in der Monetary Gold-Konstellation.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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den Inhalt des operativen Teils eines Urteils gebunden sind, sondern auch an die Ergebnisse notwendig inzident aufgeworfener Fragestellungen des Urteils. Eine andere Überlegung, nach der es ebenfalls darauf ankäme, dass die Beantwortung der Drittstaatsfrage in den sachlichen Umfang der Rechtskraft fiele, dürfte dagegen letztlich nicht durchdringen. Diese beruht auf der Erwägung, dass ein Dritter, dessen Rechtsverhältnisse in einem Urteil festgestellt werden, der aber nicht an das Urteil gebunden ist, die ihn betreffende Frage erneut gegenüber einer oder jeder der beiden Parteien gerichtlich prüfen lassen könnte. Daraus folgt, dass die gegenüber den Parteien rechtskräftige Entscheidung ihr Ziel, Rechtssicherheit zu schaffen, nicht vollständig erreichen könnte. Das Urteil des Gerichtshofs wäre wegen der fehlenden Bindung des Dritten der Sache nach nicht endgültig. Nach einer im deutschen Verwaltungsprozessrecht vertretenen Ansicht widerspräche das „den Grundsätzen der Prozessökonomie und dem Sinn jedes Streitverfahrens [und] entspräche weder den Interessen der [Parteien] noch den öffentlichen Interessen“.922 Insofern besteht im Prozessrecht des IGH eine gewisse Parallelität mit der Unzulässigkeit eines Urteils, das zur Disposition der Parteien stehen soll,923 und mit der Unzulässigkeit eines Urteils, das keine eigene rechtliche Bedeutung mehr hätte, weil der Fall „moot“ geworden ist.924 Jedoch bleibt es in der Monetary Gold-Situation dabei, dass das Urteil für die Parteien in Rechtskraft erwächst; nur sein praktischer Wert ist durch die Möglichkeit eines späteren Prozesses des Drittstaats über die ihn betreffende Vorfrage vermindert. Insoweit genügt es aber nach der Rechtsprechung des IGH, dass das Urteil im Verhältnis zwischen den Parteien einer effektiven Anwendung nur überhaupt zugänglich ist („capable of effective application“).925 Vor diesem Hintergrund hat der Gerichtshof es im Fall Application of the Interim Accord of 13 September 1995 als unschädlich angesehen, dass sein Urteil über die Legalität eines bestimmten Abstimmungsverhaltens Griechenlands im NATO-Rat den daraufhin getroffenen Beschluss des Rats nicht aufheben konnte. Es genügte, dass es nur eine Gelegenheit für einen weiteren Anwendungsfall der einschlägigen Norm geben würde, der dann in Übereinstimmung mit dem Urteil behandelt würde („opportunity 922 BVerwGE 18, 124, 127; vgl. auch Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, Stand: April 2006, § 65 Rn. 6, 26 (jeweils zu § 65 Abs. 2 VwGO). Der IGH kann diesem Problem nicht durch die Beiladung eines Drittstaats entgehen, denn diese Befugnis hat er nicht: IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 25; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 431; Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 135; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 260; Aust, Complicity, S. 297; Chinkin, AJIL 80 (1986), S. 495, 509 Fn. 58; dies., in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 14; Crawford, State Responsibility, S. 670; Fritzemeyer, Intervention, S. 178; Jouannet, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 255, 260, 261; Kolb, ICJ, S. 699; Zimmermann, MPEPIL, S. 570, 572. 923 S. o., Fn. 424. 924 S. o., 1. Teil B. III. 1. a) dieser Arbeit. 925 IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 33.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

for a future act of interpretation or application of that treaty in accordance with any judgment the Court may render“).926 Deshalb ist es auch unschädlich für die Kompetenz des IGH, wenn die von ihm anzuwendende Norm mit einer anderen Norm im Konflikt steht, denn dann bestünde immerhin die Gelegenheit für ein urteilsgerechtes Verhalten.927 Dementsprechend ist es auch unkritisch, wenn in einem späteren Prozess des Drittstaats für eine der Parteien des früheren Prozesses Rechtskraft entstehen kann, die der Rechtskraft aus dem Prozess in der Monetary Gold-Situation entgegenstünde. In diesem Fall ergäbe sich nur ein Konflikt zwischen den beiden Urteilsbindungen. Anderes ergäbe sich selbst dann nicht, wenn in dem späteren Prozess des Drittstaats beide Parteien des früheren Prozesses an das nun abweichende Ergebnis gebunden würden, denn dann träte die neue Rechtskraft zwischen den beiden an die Stelle der Rechtskraft des früheren Urteils, ebenso wie ein nachfolgender Vertrag einen früheren aufheben oder modifizieren könnte (Art. 59 Abs. 1, 30 Abs. 3 WVK).928 An der Wirksamkeit des Urteils und seiner Rechtskraft bis zu diesem Ereignis würde sich nichts ändern. Das Urteil zwischen zwei Parteien ist also auch dann der effektiven Anwendung hinreichend fähig, wenn ein Drittstaat später in einem eigenen Prozess Rechtskraft in einem anderen Sinne schaffen lassen könnte. Unter diesem Gesichtspunkt ist also nicht relevant, ob ein inzidenter Ausspruch des IGH in den Urteilsgründen zum rechtskräftigen Prozessergebnis gehört. Diese Frage stellt sich nur unter dem Gesichtspunkt der hypothetischen Rechtskraft für den Drittstaat unter der Annahme seiner Bindung an das Urteil, und zwar mit dem Ziel einer genaueren Definition der Umgehung der Normen über eine direkte Klage gegen diesen Dritten. (a) Grundlagen der Rechtskraft Um die Frage nach der Rechtskraft inzidenter Feststellungen auf dem Weg zum operativen Teil eines Urteils zu beantworten, soll zunächst kurz auf die normativen und inhaltlichen Grundlagen der Rechtskraft (res judicata) eingegangen werden. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung bewirkt einerseits in negativer Hinsicht, dass die Richtigkeit des rechtskräftigen Ausspruchs nicht mehr in Frage gestellt werden kann; andererseits folgt daraus in positiver Hinsicht, dass sich die Parteien auf den rechtskräftigen Ausspruch über ihre Rechte – und nicht nur auf diese materiellen Rechte selbst – stützen können.929 Der rechtskräftige Ausspruch gilt also als 926 IGH, Application of the Interim Accord of 13 September 1995, ICJ Reports 2011, S. 644, 663, unter Bezugnahme auf IGH, Northern Cameroons, Preliminary Objections, ICJ Reports 1963, S. 15, 37. 927 Thienel, in: Krzan, S. 189, 232. Vgl. zur (hypothetischen) Anwendung eines Auslieferungsgebots durch den IGH im Fall der Kollision mit einem menschenrechtlichen Auslieferungsverbot bereits oben, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (b) (cc) dieser Arbeit. 928 Vgl. zur Gleichsetzung von Urteilen des IGH mit Verträgen zwischen den Parteien in der Rechtsprechung des IGH oben, Fn. 554. 929 Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 527; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 73.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Wiedergabe der wahren Rechtslage (res judicata pro veritate habetur).930 Für den IGH ergeben sich diese Folgen aus Art. 59, 60 und 61 des Statuts.931 Außerdem ist die Rechtskraft als allgemeines Rechtsprinzip i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts anerkannt.932 In der Sache hat die Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen einen doppelten Sinn und Zweck:933 Einerseits liegt es im Interesse der Völkerrechtsgemeinschaft, dass durch ein Urteil Rechtssicherheit hergestellt wird. Deshalb – und aus ökonomischen Gründen – besteht ein allgemeines Interesse daran, dass ein Rechtsstreit durch das Urteil endgültig beendet wird (interest rei publicae ut finis sit litium).934 Außerdem hat die erfolgreiche Partei ein Interesse am Bestand ihrer durch das Urteil geschaffenen Rechtsposition; sie soll ihre Rechte in derselben Sache nicht zweimal vor Gericht verteidigen müssen (nemo debet bis vexari pro una et eadem causa). Diese Begründungen der Rechtskraft tragen an sich auch die Annahme, dass die inzidenten Feststellungen eines Gerichts auf dem Weg zum operativen Teil oder Tenor seines Urteils ebenso rechtskräftig werden wie dieser. Auch hierüber hat infolge des Urteils ein Gericht bereits einmal entschieden, so dass Rechtssicherheit hergestellt ist und ein erneuter Streit über diese Fragen unökonomisch und unnötig belastend gegenüber der früher erfolgreichen Partei wäre. (b) Die Rechtskraft inzidenter Feststellungen im innerstaatlichen Recht Allerdings ist anzumerken, dass etwa im deutschen Recht die inzidenten Feststellungen des Gerichts über präjudizielle Rechtsverhältnisse oder andere Vorfragen

930 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 93, 101; Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 527; Rosenne, BYIL 28 (1951), S. 365, 369. 931 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 90; Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 24; Brown, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 30; Finke, Parallelität, S. 341; Kolb, ICJ, S. 762, 769; Lock, Verhältnis, S. 107 f.; Rosenne, Interpretation, S. 43; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 1; vgl. auch Rosenne, BYIL 28 (1951), S. 365 f., der Art. 59, 60 Satz 1 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 der Charta nennt. Vgl. zur Rolle des Art. 59 des Statuts auch oben, Fn. 531. 932 S. o., Fn. 526. Hierbei wird die Rechtskraft bisweilen auch als Fall eines Estoppel angesehen; dagegen zu Recht Bowett, BYIL 33 (1957), S. 176, 177; vgl. auch Brown, Miami Law Review 50 (1995/1996), S. 369, 399. 933 Zum Folgenden IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 90 f.; Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 526 f.; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 73, sowie aus dem innerstaatlichen Recht U.S. Supreme Court, Federated Department Stores, Inc. v. Moitie, 452 U.S. 394, 401 f. (1981); House of Lords, Arthur J.S. Hall & Co. v. Simons [2000] 3 All ER 673, 701 (Lord Hoffmann). 934 Dazu auch Bowett, BYIL 33 (1957), S. 176, 177; Kolb, ICJ, S. 762.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

nicht in Rechtskraft erwachsen.935 Deshalb wird beispielsweise mit dem Urteil über den Herausgabeanspruch eines vorgeblichen Eigentümers (§ 985 BGB) nur materiell rechtskräftig, dass der Herausgabeanspruch besteht (oder nicht), aber nicht dass auch das ihm zugrunde gelegte Eigentum besteht (oder nicht).936 Im englischen Recht ist dies anders; dort werden auch inzidente Aussprüche rechtskräftig.937 Dort entscheidet das Urteil sogar – wie auch im irischen938 und US-amerikanischen Recht939 – abschließend über alle Punkte, die richtigerweise zum Gegenstand des Prozesses gehörten, die die Parteien also entweder vorgebracht haben oder auch nur hätten vorbringen können und sollen.940 Der letztere Aspekt, mit dem die abschließende Wirkung des Urteils über seinen tatsächlichen Gehalt hinausgeht, wird zwar im neueren englischen Recht nicht mehr als Teil der Doktrin der res judicata angesehen, sondern man spricht hier von einem „(Henderson v. Henderson) abuse of process“.941 Diese wohl eher terminologische Unterscheidung942 ist hier jedoch ohne Bedeutung; dieser Ausdehnung der abschließenden Wirkung eines Urteils bedarf es für die Rechtskraft tatsächlicher, aber inzidenter Aussprüche des Gerichts nicht.943 935 BGHZ 43, 144, 145; 123, 137, 140; BVerwGE 96, 24, 26; 115, 111, 115; BSG, NJW 24 (1971), S. 166, 167; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rn. 28. 936 BGH, NJW-RR 13 (1999), S. 376, 377; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, § 322 Rn. 29. 937 Vgl. z. B. House of Lords, Arnold v. National Westminster Bank plc [1991] 2 AC 93, 105 (Lord Keith of Kinkel); UK Supreme Court, Virgin Atlantic Airways Ltd. v. Zodiac Seats UK Ltd. [2013] UKSC 46, [2014] 1 AC 60, Rn. 17, 20, 22 (Lord Sumption); Court of Appeal (England und Wales), Buck v. Attorney General [1965] Ch 745, 770 (Diplock LJ). 938 Vgl. z. B. Supreme Court of Ireland, Carroll v. Ryan [2003] 1 IR 309, 317 (Hardiman J). 939 Vgl. z. B. U.S. Supreme Court, Cromwell v. County of Sac, 94 U.S. 351, 352 f. (1876); Cound/Friedenthal/Miller/Sexton, Civil Procedure, S. 1210, 1228; Schack, Einführung, Rn. 182; a.A. zur Übereinstimmung mit dem englischen Recht Lock, Verhältnis, S. 102. 940 Grundlegend High Court (England und Wales), Henderson v. Henderson 67 ER 313, 319 (Sir James Wigram, Vice-Chancellor); dazu auch Brant, Autorité, S. 48; Lock, Verhältnis, S. 102; Scobbie, Australian YIL 20 (1999), S. 299, 301; ders., Chinese JIL 5 (2006), S. 269, 293 f.; Thienel/Zimmermann, MPEPIL, S. 1054, 1060; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 607. Anders liegt es offenbar im schottischen Recht: vgl. Court of Session (Inner House, Extra Division), British Airways v. Boyce 2001 SC 510, 513 f. (Lord Marnoch); vgl. aber auch Court of Session (Inner House, Second Division), Clarke v. Fennoscandia Ltd. 2005 SLT 511, Rn. 35 (Lord Clarke). Dem englischen Recht ähnlich ist dagegen auch der Begriff des Streitgegenstands in Art. 27 EuGVVO; dazu EuGH, Gubisch Maschinenfabrik ./. Giulio Palumbo, Rs. 144/ 86, Slg. 1987, S. 4861, 4876, und zur Ähnlichkeit namentlich mit dem US-amerikanischen Recht Schack, Einführung, Rn. 182 Fn. 628. 941 House of Lords, Johnson v. Gore Wood [2002] 2 AC 1, 31 (Lord Bingham of Cornhill), 58 f. (Lord Millett); Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Barrow v. Bankside Agency Ltd. [1996] 1 WLR 256, 260 (Sir Thomas Bingham MR); Bradford and Bingley Building Society v. Seddon [1999] 1 WLR 1482, 1490 (Auld LJ); vgl. auch Brant, Autorité, S. 48. 942 Vgl. Supreme Court of Ireland, A.A. v. Medical Council [2003] 4 IR 302, 316 (Hardiman J). 943 Vgl. auch Thienel/Zimmermann, MPEPIL, S. 1054, 1060: Auch das Erfordernis einer nur impliziten Entscheidung geht über die englische Rechtslage hinaus.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Angesichts der Unterschiede in den innerstaatlichen Rechtstraditionen ist nicht davon auszugehen, dass die völkerrechtliche Konzeption der Rechtskraft in diesem Punkt genau einer bestimmten innerstaatlichen Rechtsordnung entspricht.944 Namentlich die recht weite Konzeption der Rechtskraft bzw. des „Henderson v. Henderson abuse of process“ aus dem Rechtskreis des common law, wonach (negative) Rechtskraft945 hinsichtlich aller Punkte besteht, die die Parteien hätten vorbringen können und sollen, soll nach verbreiteter Ansicht nicht gelten.946 Es gilt deshalb nun, insbesondere die Rechtsprechung des IGH bzw. vorher des StIGH zur Reichweite der Rechtskraft seiner Urteile zu untersuchen. (c) Die Rechtskraft inzidenter Feststellungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs Der StIGH hat zu der hier interessierenden Frage eine deutliche Position in dem Sinne bezogen, dass auch die notwendigen Schritte auf dem Weg zum operativen Teil des Urteils selbst in Rechtskraft erwachsen.947 So heißt es im Urteil Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory) über den rechtskräftigen Inhalt eines früheren Urteils: „[T]he Court will now […] consider the scope of the Judgment […]. As has been recalled above, the Court, by that Judgment, decided that the attitude of the Polish Government in regard to the Oberschlesische was not in conformity with the provisions of the Geneva Convention. This conclusion, which has now indisputably acquired the force of res judicata, was based, amongst other things, firstly, on the finding by the Court that, from the standpoint of international law, the German Government was perfectly entitled to alienate the Chorzów factory, and, secondly, on the finding that, from the standpoint of municipal law, the Oberschlesische had validly acquired the right of ownership to the factory – and these findings constitute a condition essential to the Court’s decision. The finding that, in municipal law, the factory did belong to the Oberschlesische is consequently included amongst the points decided by the Court in Judgment No. 7, and possessing binding force in accordance with the terms of Article 59 of the Statute.“948

Der Gerichtshof hat damit die vorgängige Feststellung über die Rechtmäßigkeit des Eigentumserwerbs an der Fabrik in Chorzów nicht nur für eine Auslegung gemäß 944

Scobbie, Australian YIL 20 (1999), S. 299, 301. Vgl. zur Betonung der negativen Wirkung der Rechtskraft im common law Brant, Autorité, S. 48. 946 Lock, Verhältnis, S. 111; Scobbie, Australian YIL 20 (1999), S. 299, 302, 305; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 607 f.; vgl. Brant, Autorité, S. 48. 947 Dazu auch Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 110 Fn. 46. Im Gutachten des StIGH in der Sache Polish Postal Service in Danzig, PCIJ Series B, No. 11, S. 30, in der die Rechtskraft bestimmter Ausführungen in den Gründen einer früheren Entscheidung verneint wurde, ging es nur um erläuternde Gründe (die im Übrigen als obiter dicta angesehen wurden), nicht um die Feststellung vorgängiger Rechtsverhältnisse; a.A. Gaja, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 313, 317 Fn. 7. 948 StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), PCIJ Series A, No. 13, S. 20. 945

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Art. 60 Satz 2 des Statuts zugänglich gehalten – auslegungsfähig sind die tragenden Gründe in jedem Fall, aber nicht weil sie selbst rechtskräftig sind, sondern weil in der Regel erst sie die Auslegung des operativen Teils ermöglichen.949 Vielmehr hat er ausdrücklich festgehalten, dass diese Feststellung über ein präjudizielles Rechtsverhältnis selbst Bindungswirkung i.S.d. Art. 59 des Statuts entfalte. Ebenso klare Aussagen hat der IGH nicht getroffen. Zwar hat er ausgesprochen, dass sich ein Antrag auf Auslegung eines früheren Urteils gemäß Art. 60 Satz 2 des Statuts, der sich gerade auf den rechtskräftigen Ausspruch in dem früheren Urteil beziehen muss,950 auf den operativen Teil beziehen müsse und nur insoweit die Entscheidungsgründe betreffen dürfe, als diese mit dem operativen Teil untrennbar verbunden sind.951 Damit hat er die Möglichkeit eingeräumt, dass ein Interventionsantrag sich auch auf die mit der Urteilsformel untrennbar verbundenen Gründe beziehen könne.952 Daraus kann allerdings noch nicht sicher abgeleitet werden, dass auch diese Gründe an der Rechtskraft teilnehmen. Sie werden zwar ebenfalls interpretiert, aber dies möglicherweise nicht wegen ihrer eigenen rechtlichen Bedeutung, sondern nur wegen ihrer engen Verbindung mit dem operativen Teil und zur Ermittlung von dessen Inhalt.953 Zuletzt hat der IGH jedenfalls die mit dem operativen Teil untrennbar verbundenen Entscheidungsgründe („reasoning […] was an essential step leading to the dispositif“) nur zur Auslegung des operativen Teils selbst herangezogen („the reasoning […] is also unequivocal on this point. […] Without such reasoning, it may be difficult to understand why the Court did not fix an endpoint in its decision. With this reasoning, the decision […] leaves no room for any al949 Vgl. StIGH, Polish Postal Service in Danzig, PCIJ Series B, No. 11, S. 30; Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23, 24; Gaja, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 313, 314; Lock, Verhältnis, S. 115; Salvioli, Recueil des Cours 91 (1957 I), S. 553, 578 f.; vgl. auch bereits oben, Fn. 452. 950 Dazu IGH, Request for Interpretation of the Judgment of November 20th, 1950, in the Asylum Case, ICJ Reports 1950, S. 395, 402; Request for Interpretation of the Judgment of 11 June 1998 in the Case concerning the Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Preliminary Objections, ICJ Reports 1999, S. 31, 35; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 65 f. 951 IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 11 June 1998 in the Case concerning the Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Preliminary Objections, ICJ Reports 1999, S. 31, 35; Request for Interpretation of the Judgment of 31 March 2004 in the Case concerning Avena and Other Mexican Nationals (Mexico v. United States of America), Provisional Measures, ICJ Reports 2008, S. 311, 323; kritisch Rosenne, Interpretation, S. 109; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 85. 952 IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 31 March 2004 in the Case concerning Avena and Other Mexican Nationals (Mexico v. United States of America), Declaration of Judge Koroma, ICJ Reports 2009, S. 23, 24; ebda., Dissenting Opinion of Judge SepúlvedaAmor, S. 30, 41 f.; Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), ICJ Reports 2013, S. 281, 296. 953 S. o., Fn. 452, 949, und insbesondere Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 66; vgl. auch IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), Separate Opinion of Judge Cançado Trindade, ICJ Reports 2013, S. 322, 338 f., 343.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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ternative interpretation“).954 Zur Frage, ob nur der operative Teil verbindlich ist oder auch inzidente Feststellungen in Rechtskraft erwachsen, gibt die Rechtsprechung über den Umfang der Auslegung eines Urteils daher wenig her. Eine weitere Andeutung zur Rechtskraft auch inzidenter Aussprüche über vorgängige Rechtsverhältnisse findet sich aber im Hauptsacheurteil des Gerichtshofs im Oil Platforms-Fall. Dort ging es zwar nicht um die Frage, ob eine bestimmte Frage bereits rechtskräftig entschieden sei oder nicht. Das kam nicht in Betracht, weil es kein früheres Hauptsacheurteil über den dortigen Streitgegenstand gegeben hatte. Allerdings hatte der Gerichtshof in diesem Fall Gelegenheit, sich zur Notwendigkeit eines formellen prozessualen Angriffs auf die Völkerrechtsmäßigkeit eines nur inzident relevanten Akts des Beklagten – der USA – zu äußern. Wie hier bereits unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen konkreten Jurisdiktion angemerkt wurde,955 ging es im Oil Platforms-Fall um die Frage, ob die streitgegenständlichen Angriffe der USA auf Ölförderanlagen des Irans den Handel zwischen dem Iran und den USA beeinträchtigt und dadurch einen Handelsvertrag zwischen den beiden Staaten verletzt hatten. Die USA hatten sich insoweit auf einen Executive Order von Präsident Reagan berufen, durch den der Handel mit dem Iran zum Zeitpunkt der Angriffe bereits weitgehend – und insbesondere hinsichtlich aller Ölprodukte – eingestellt worden war. Dagegen hatte der Iran vorgebracht, die USA könnten sich nicht auf die Wirkung des Executive Order berufen, weil dieser selbst rechtswidrig gewesen sei (ex injuria jus non oritur). Im Urteil hielt der IGH dazu fest, dass der Iran insoweit keinen formellen Antrag über die Rechtswidrigkeit des Executive Order („formal submission or claim that the embargo was unlawful“) eingebracht hatte und wies das iranische Vorbringen zurück: „The Iranian contention rests on the hypothesis that the embargo was a breach of the 1955 Treaty, and not justified under Article XX, paragraph 1 (d), thereof; but these are questions which Iran has chosen not to put formally in issue, and on which the Court has thus not heard full argument.“956

Der IGH hielt also offenbar einen formellen Vortrag oder Antrag des Irans für erforderlich, bevor er sich mit der Völkerrechtswidrigkeit des Executive Order befassen konnte. Eines Antrags bedarf es jedoch grundsätzlich nur für die Aussprüche, die der IGH im operativen Teil des Urteils treffen soll. Unter dem Gesichtspunkt der konkreten Jurisdiktion müssen sich nämlich die Ausübung von Jurisdiktion durch 954

IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Honduras for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 420, 443 (Kursivsetzung im Original); a.A. Editorial Staff of the LPICT, LPICT 10 (2011), S. 507, 561 ff. Vgl. auch IGH, Request for Interpretation of the Judgment of 15 June 1962 in the Case concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), Judgment, ICJ Reports 2013, S. 281, 310, wo aber auch kein Zwischenergebnis oder präjudizielles Rechtsverhältnis in Rede stand. 955 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) aa) (3) dieser Arbeit (dort auch zu ähnlichen Andeutungen im Right of Passage-Fall). 956 IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 206 (Hervorhebung nicht im Original; Kursivsetzung im Normzitat im Original).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

den Gerichtshof – also die Herstellung von Rechtskraft – und das Rechtsschutzbegehren des Klägers oder Widerklägers decken.957 Wenn der IGH nun auch einen inzidenten Ausspruch davon abhängig macht, dass die Initiative hierzu vom Kläger ausgegangen ist, so spricht dies für eine Annahme des Gerichtshofs, dass auch ein inzidenter Ausspruch eine Ausübung von Jurisdiktion darstellt, weil auch er in Rechtskraft erwächst. Ausdrücklich formuliert hat der Gerichtshof das aber nicht. Deutlicher findet sich eine zumindest vergleichbare Auffassung des Gerichtshofs in seinem Hauptsacheurteil im Genocide-Fall zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien von 2007. In dieser Phase des Verfahrens hatte Serbien vorgetragen, es sei zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch Bosnien-Herzegowina nicht Mitglied der Vereinten Nationen und auch sonst nicht nach Art. 35 des Statuts parteifähig gewesen. In der Sache war diesem Argument auch wenig entgegenzuhalten, nachdem der Gerichtshof bereits Ende 2004 ausdrücklich entschieden hatte, dass Serbien (damals Jugoslawien) zwischen 1992 und seinem Wiedereintritt in die Vereinten Nationen zum 01. 11. 2001 nicht vor dem IGH parteifähig gewesen war. Allerdings hatte der IGH in seinem Urteil über die Vorgängigen Einreden des Beklagten im (bosnischen) Genocide-Fall selbst im Jahre 1996 noch entschieden, er habe die erforderliche Jurisdiktion, um den Fall in der Hauptsache zu entscheiden („it has jurisdiction to adjudicate upon the dispute“).958 Damals hatte er die Frage der Parteifähigkeit des Beklagten zwar mit keinem Wort erwähnt. Gleichwohl führte der Gerichtshof in seinem Urteil von 2007 aus: „Since […] the question of a State’s capacity to be a party to proceedings is a matter which precedes that of jurisdiction ratione materiae, and one which the Court must, if necessary, raise ex officio […], this finding must as a matter of construction be understood, by necessary implication, to mean that the Court at that time perceived the Respondent as being in a position to participate in cases before the Court. On that basis, it proceeded to make a finding on jurisdiction which would have the force of res judicata. The Court does not need, for the purpose of the present proceedings, to go behind that finding and consider on what basis the Court was able to satisfy itself on the point. Whether the Parties classify the matter as one of ,access to the Court‘ or of ,jurisdiction ratione personae‘, the fact remains that the Court could not have proceeded to determine the merits unless the Respondent had had the capacity under the Statute to be a party to proceedings before the Court. In the view of the Court, the express finding in the 1996 Judgment that the Court had jurisdiction in the case ratione materiae, on the basis of Article IX of the Genocide Convention, seen in its context, is a finding which is only consistent, in law and logic, with the proposition that, in relation to both Parties, it had jurisdiction ratione personae in its comprehensive sense, that is to say, that the status of each of them was such as to comply with

957 Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 111; Gaja, Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 313, 322. Vgl. auch bereits oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) und (3) dieser Arbeit. 958 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996 II, S. 595, 623.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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the provisions of the Statute concerning the capacity of States to be parties before the Court.“959

Hier ging es zwar nicht um eine inzidente Feststellung des früheren Urteils, weil die Parteifähigkeit des Beklagten nicht inzident im Rahmen der Frage der abstrakten Jurisdiktion des Gerichtshofs (in dessen Terminologie: „jurisdiction ratione materiae“) zu prüfen war, sondern ihr nur logisch vorauslag. Was jedoch in einem Urteil notwendig inzident zu prüfen war und tatsächlich geprüft wurde, ist dem operativen Teil des Urteils ebenso implizit wie etwas, das den ausdrücklich beantworteten Fragen nur logisch zwingend (aber stillschweigend) vorauslag. Die Auffassung des Gerichtshofs aus dem (bosnischen) Genocide-Urteil geht daher auch dahin, dass inzidente Feststellungen in Rechtskraft erwachsen. In der Tat sind ausdrückliche inzidente Feststellungen insoweit sogar weniger problematisch als der vom IGH angenommene Fall. Der Gerichtshof sah sich nämlich dem Vorwurf ausgesetzt, eine Frage für abschließend entschieden gehalten zu haben, mit der er sich zu keiner Zeit befasst und zu der er nie eine Begründung (Art. 56 Abs. 1 des Statuts) abgegeben hatte.960 Dieses Problem stellt sich bei ausdrücklich getroffenen und begründeten inzidenten Feststellungen nicht. Hier stellt sich nicht die Frage, ob der Gerichtshof etwas überhaupt entschieden hat, sondern nur die weitere Frage, ob seine Entscheidung über die inzident aufgetretene Frage einen hinreichenden Anhalt im operativen Teil des Urteils findet. Hierzu hat der Gerichtshof erklärt, dass auch logisch notwendige Implikationen des operativen Teils mit diesem in Rechtskraft erwachsen. Daraus kann nun geschlossen werden, dass auch inzidente Feststellungen auf dem Weg zum operativen Teil des Urteils rechtskräftig werden, wenn sie denn nicht nur erläuternden Charakter haben, sondern logisch als wesentliche Teile des Urteils anzusehen sind.961 959

IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 98 f. (Absatzwechsel und Kursivsetzungen im Original). Rosenne, Interpretation, S. 44, 47, betrachtet diesen Fall als den nunmehr maßgeblichen Ausspruch über das Prinzip der Rechtskraft; ähnlich Editorial Staff of the LPICT, LPICT 10 (2011), S. 507, 563 f. 960 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, Joint Dissenting Opinion of Judges Ranjeva, Shi and Koroma, ICJ Reports 2007, S. 266, 267; ebda., Declaration of Judge Skotnikov, S. 366, 367; Dimitrijevic´/Milanovic´, LJIL 21 (2008), S. 65, 83 f.; Sivakumaran, ICLQ 56 (2007), S. 695, 697; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 605 ff. Die Gerichtsmehrheit hat aber auch Zustimmung erfahren: Amerasinghe, LJIL 21 (2008), S. 411, 418; Lock, Verhältnis, S. 112. 961 So auch, mit Blick auf den Monetary Gold-Fall, Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 93, sowie allgemein PCA, The Pious Fund Case (United States of America v. Mexico), RIAA IX, S. 1, 12 f. (dazu Lammasch, Rechtskraft, S. 92 ff.); Court of Arbitration, Delimitation of the Continental Shelf between the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the French Republic, Decision of 14 March 1978, RIAA XVIII, S. 271, 295; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 110; Lauterpacht, Private Law Sources, S. 246; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 229 f.; Thirlway, MPEPIL, S. 493, 497; in diese Richtung auch Thienel/Zimmermann, MPEPIL, S. 1054, 1060; a.A. jedoch StIGH, Interpretation of Judgments Nos. 7 and 8 (The Chorzów Factory), Dissenting Opinion by M. Anzilotti, PCIJ Series A, No. 13, S. 23, 26; Gaja,

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

cc) Zwischenergebnis zum Gebot der Zustimmung eines Drittstaats Wenn demnach eine Partei auch durch die Feststellungen des Gerichtshofs zu etwaigen präjudiziellen Rechtsverhältnissen gebunden wird, können solche Feststellungen über einen Drittstaat auch einer gerichtlichen Entscheidung über diesen Drittstaat als Partei annähernd gleichkommen. Präjudizielle Feststellungen sind, mit anderen Worten, der hypothetischen Rechtskraft fähig. Der Drittstaat wäre, gäbe es die Relativität der Entscheidungswirkungen nach Art. 59 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 der Charta nicht, an den inzidenten Ausspruch über seine Rechtsverhältnisse gebunden. Die Relativität der Entscheidungswirkungen wäre in einer solchen Situation ineffektiv, weil der Drittstaat in praktischer Hinsicht intensiv durch das Urteil betroffen wäre. Die Berufung auf Art. 59 des Statuts und Art. 94 Abs. 1 der Charta wäre daher (objektiv) missbräuchlich. Das Konsensprinzip, das für (tatsächlich) rechtskräftige Aussprüche über einen Staat dessen Zustimmung verlangen würde, würde umgangen. Dieser Umstand führt dazu, dass der IGH derartige Feststellungen nicht ohne die Zustimmung des Drittstaats treffen kann, ohne das Jurisdiktionsregime seines Statuts ad absurdum zu führen und seiner Umgehung Vorschub zu leisten. Die Monetary Gold-Formel (in der Gestalt des Urteils im Nauru-Fall) ist damit insoweit bestätigt, als die Zustimmung eines Drittstaats zum Verfahren in der Tat notwendig ist, wenn eine ihn betreffende Frage als notwendige Vorfrage bei der Bearbeitung eines Falls beantwortet werden muss.962 c) Herleitung der Notwendigkeit der Anwesenheit des Drittstaats im Prozess Mit dem Vorstehenden ist erst einmal nur dargelegt, dass der Drittstaat dem Verfahren im Sinne des Konsensprinzips der streitigen Jurisdiktion des IGH zugestimmt haben muss. Aus der bisher entwickelten Begründung ergibt sich dagegen noch nicht, dass er auch im Prozess vertreten sein müsse. Gerade dieses Problem, und nicht so sehr das Problem der Zustimmung des Drittstaats zum Prozess, hat sich aber in der Vergangenheit dem IGH gestellt. So waren im Fall Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua963 zwei der Drittstaaten, Costa Rica und Honduras, durchaus der Jurisdiktion des IGH Comunicazioni e Studi 14 (1975), S. 313, 318 ff., und Morelli, Recueil des Cours 61 (1938 III), S. 257, 319, nach dem auch die inzidenten Feststellungen des Gerichtshofs nur die eigentliche Entscheidung begründen. Damit setzt Morelli allerdings in zirkulärer Weise voraus, dass die inzidenten Feststellungen nicht selbst zur Entscheidung gehören; vgl. insoweit zum unergiebigen Wortlaut des Art. 59 des Statuts Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 110 Fn. 46. 962 Vgl. zu Fällen, in denen der IGH über die absolute Zuordnung eines Gebiets oder einer Sache zu einer der Parteien entscheidet, noch unten, 2. Teil A. I. 2. dieser Arbeit. Wenn Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 385, die Vorfragendogmatik aus dem Nauru-Fall dagegen für willkürlich hält, übersieht er die hier dargelegte Relevanz der objektiven Reichweite der Rechtskraft. Ähnlich Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 311, wenn er es für schwer vorstellbar hält, dass ein Drittstaat stärker als im Nauru-Fall betroffen sein könnte. 963 Zu diesem Fall bereits oben, 1. Teil A. II. dieser Arbeit.

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unterworfen,964 so dass sich das Problem der fehlenden Zustimmung der beiden Staaten zu dieser (abstrakten) Jurisdiktion nicht stellen konnte. Gleichwohl prüfte der Gerichtshof den Einwand der USA zur angeblichen notwendigen Beteiligung der Drittstaaten am Verfahren. Diese Notwendigkeit lehnte er aber ab, so dass sich an diesem Fall letztlich nicht nachweisen lässt, dass bereits die fehlende Verfahrensbeteiligung eines Drittstaats ein Problem unter der Monetary Gold-Doktrin auslöst. Im Fall Certain Phosphate Lands in Nauru lagen zumindest Unterwerfungserklärungen der beiden Drittstaaten, des Vereinigten Königreichs und Neuseeland, gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts vor. Ob diese angesichts der angebrachten Vorbehalte sachlich einschlägig waren,965 musste der IGH aber letztlich nicht entscheiden,966 weil er die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin aus den bereits dargestellten anderen Gründen ablehnen konnte.967 Auch wenn ein Staat die (abstrakte) Jurisdiktion des IGH begründet hat, kann sich also die Frage stellen, ob er am Verfahren beteiligt sein muss, wenn in einem Fall des IGH seine rechtlichen Interessen in der Weise zur Entscheidung anstehen, dass der Ausspruch über sie einer Entscheidung gegenüber dem Drittstaat praktisch gleichkommt. Die Monetary Gold-Doktrin ist daher nicht ausschließlich ein Problem der Zustimmung des Drittstaats im Sinne des Konsensprinzips, sondern zugleich ein Problem der Einbeziehung dieses Staates in das Verfahren.968 In diesem Sinne hat der IGH auch im Monetary Gold-Fall nicht ausschließlich darauf abgestellt, dass der jeweilige Drittstaat nicht seiner Jurisdiktion unterlag, sondern hat auch darauf hingewiesen, dass die jeweilige Drittstaatsfrage ohne den Drittstaat („in the absence of Albania“) nicht entschieden werden könne.969 Vor diesem Hintergrund wird die Monetary Gold-Doktrin von einigen Stimmen zumindest ergänzend auf das Prinzip audiatur et altera pars970 zurückgeführt.971 964

Schorer, Konsensprinzip, S. 135. Dafür Chinkin, Third Parties, S. 205; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1065 Fn. 67; dagegen Greig, Virginia JIL 32 (1992), S. 287, 330 f., 373; Schorer, Konsensprinzip, S. 135 f. Fn. 481, und der australische Parteivortrag: CR 91/17, S. 17, 21 (Pellet). 966 Deshalb blieb auch offen, ob der IGH in dem Verfahren zwischen Nauru und Australien über die britische und die neuseeländische Erklärung hätte entscheiden können: dagegen IGH,Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 288. 967 Vgl. oben, 1. Teil A. III. dieser Arbeit. 968 Aust, Complicity, S. 310; Schorer, Konsensprinzip, S. 135 ff.; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 539. 969 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Preliminary Objections, ICJ Reports 1954, S. 19, 32. 970 Auch: audi alteram partem. Dies ist die im englischen Sprachraum bevorzugte Fassung; so Hamacher, Maxime, S. 74; diese Fassung verwenden z. B. IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 265; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 293; Request for Interpretation of the Judgment of 11 June 1998 in the Case concerning the Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Preliminary 965

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Dieses Prinzip beschreibt einen Teilaspekt des Rechts auf rechtliches Gehör, indem es gebietet, neben der einen auch die andere Partei anzuhören, und nimmt damit zugleich am Prinzip der Gleichheit der Parteien teil.972 Für den IGH folgt die Geltung dieses Rechtssatzes implizit aus den Normen des Statuts über die Anhörung der Parteien,973 aus Art. 53 des Statuts974 sowie aus einem allgemeinen Rechtsprinzip i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts.975 aa) Missachtung des Art. 53 Abs. 1 des Statuts? Es liegt zunächst nahe, in der Annahme der Unzulässigkeit der Sachentscheidung wegen der Abwesenheit eines betroffenen Staates eine Missachtung des Art. 53 Abs. 1 des Statuts zu sehen. Nach dieser Norm kann der Gerichtshof bei Ausbleiben einer Partei gleichwohl in der Sache entscheiden. Das Statut nimmt damit das Problem des Prinzips audiatur et altera pars auf,976 zieht daraus aber nur die Konsequenz, dass der Gerichtshof sich nach Art. 53 Abs. 2 des Statuts selbst über seine Jurisdiktion und die Zulässigkeit und Begründetheit der Anträge der erschienenen Partei vergewissern muss.977 Es gibt demnach zwar kein Versäumnisurteil in dem Sinne einer automatischen Entscheidung nach Maßgabe der Anträge der erschie-

Objections, ICJ Reports 1999, S. 31, 38; Lauterpacht, FS Cot, S. 185, 190; Thirlway, Nonappearance, S. 43, 178. 971 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 293; Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Dissenting Opinion of President Schwebel, ICJ Reports 1998, S. 64, 80 f.; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 89; Annacker, Durchsetzung, S. 120; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 878; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 539, 543; Schorer, Konsensprinzip, S. 136 ff.; vgl. auch Aust, Complicity, S. 310; Crawford, State Responsibility, S. 657; Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 201; Lauterpacht, FS Cot, S. 185, 190; Oliver, AJIL 49 (1955), S. 216, 221 („elemental due process“). 972 S. o., Fn. 442. 973 Vgl. Art. 43, 46, 54 Abs. 1 des Statuts; vgl. auch Verhoeven, FS Tomuschat, S. 635, 651, der das Gehörsrecht der Parteien „[l]’esprit, sinon strictement les termes du statut et du règlement de la CIJ“ entnimmt, sowie Mani, International Adjudication, S. 31. 974 Thirlway, Non-appearance, S. 43. 975 Annacker, Durchsetzung, S. 92 Fn. 378; Benzing, Beweisrecht, S. 116; Cheng, General Principles, S. 291 ff.; Hamacher, Maxime, S. 217; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 2, 8; vgl. Mani, International Adjudication, S. 16 ff.; allgemein für einen „prozessualen Grundsatz“ Herndl, in: Strupp/Schlochauer, S. 199, 201, und für ein „prozessuale[s] Urrecht“ BVerfGE 55, 1, 16; Wassermann, GS Nagelmann, S. 91, 93. 976 Thirlway, Non-appearance, S. 43. 977 Vgl. zum Umfang dieser Pflicht des IGH Lachs, FS Elias, S. 265, 270 ff.; von Mangoldt/ Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 53 Rn. 52 ff.

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nenen Partei;978 das Nichterscheinen einer Partei führt auch nicht zu einer Fiktion des Geständnisses der von der anderen Partei vorgebrachten Tatsachen,979 schon weil es keine Pflicht der Parteien gibt, vor dem IGH zu erscheinen.980 Das Nichterscheinen einer Partei – und damit die Unmöglichkeit der Gewährung vollen und gleichen rechtlichen Gehörs – hindert den IGH jedoch nach Art. 53 Abs. 1 seines Statuts nicht, überhaupt zu entscheiden.981 Art. 53 geht jedoch ausdrücklich davon aus, dass der nicht vor dem Gerichtshof erscheinende Staat eine Partei des Verfahrens ist.982 Ein solcher Staat disponiert, indem er dem Verfahren fernbleibt, selbst über sein Gehörsrecht und seine Gleichbehandlung hinsichtlich des rechtlichen Gehörs mit der anderen Partei.983 An die 978 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 24; Peters, EJIL 14 (2003), S. 1, 23; Wittmann, Problem, S. 126. 979 Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 449; Wittmann, Problem, S. 126. 980 Hierzu IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), Provisional Measures, Dissenting Opinion of Judge Gros, ICJ Reports 1973, S. 115, 116, 118; Jiménez de Aréchaga, Derecho, S. 527; von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 53 Rn. 4; Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 442 f.; Peters, EJIL 14 (2003), S. 1, 23; Thirlway, Non-appearance, S. 64 ff., 177; ders., BYIL 72 (2001), S. 37, 161 ff.; a.A. Kolb, ICJ, S. 679, 691 f. 981 IGH, Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Provisional Measures, ICJ Reports 1972, S. 12, 15; Nuclear Tests (Australia v. France), Provisional Measures, ICJ Reports 1973, S. 99, 101; Aegean Sea Continental Shelf, Provisional Measures, ICJ Reports 1976, S. 3, 6; United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Provisional Measures, ICJ Reports 1979, S. 6, 13; Peters, EJIL 14 (2003), S. 1, 23; von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 53 Rn. 3; Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 443; Thirlway, Non-appearance, S. 43 f. 982 Vgl. Art. 53 Abs. 1 des Statuts: „Whenever one of the parties does not appear before the Court“ (Hervorhebung nicht im Original); dazu Chinkin, Third Parties, S. 204; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 157; vgl. auch Singh, Role, S. 202. Dementsprechend wird auch in der Literatur unter dem Gesichtspunkt der Anwendbarkeit ratione personae nur die Anwendung auf den Beklagten und auf den Kläger, nicht aber die Anwendung auf Drittstaaten diskutiert: vgl. Kolb, ICJ, S. 681 f.; von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 53 Rn. 5. Nach Richter Gros soll der nicht erscheinende Staat nicht mehr als Partei des Verfahrens anzusehen sein: IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), Merits, Separate Opinion of Judge Gros, ICJ Reports 1974, S. 290, 292. Damit dürfte Gros jedoch nur gemeint haben, dass dieser Staat nicht mehr im Verfahren wie eine Partei auftrete; jedenfalls wäre die Auffassung, der ausbleibende Staat höre auf, Partei des Verfahrens zu sein, weder mit dem Wortlaut des Art. 53 Abs. 1 des Statuts noch mit der fortbestehenden Bindung dieses Staates an den Urteilsspruch oder seiner Möglichkeit zurückzukehren (vgl. hierzu von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 53 Rn. 37, 47, 77) vereinbar; vgl. Bedjaoui, FS Cot, S. 1, 20; Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 447 f.; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 165 ff. 983 Vgl. IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 24: „A State which decides not to appear must accept the consequences of its decision, the first of which is that the case will continue without its participation.“ Ähnlich IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), Provisional Measures, Dissenting Opinion of Judge Gros, ICJ Reports 1973, S. 115, 118 f.; vgl. auch Bedjaoui, FS Cot, S. 1, 20; Fitzmaurice, BYIL 51 (1980), S. 89, 117.

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Stelle seiner freien – jedoch im Statut und in der Verfahrensordnung als Regelfall vorausgesetzten984 – Entscheidung, an dem Verfahren teilzunehmen, tritt damit seine freie Entscheidung, das nicht zu tun. Art. 53 des Statuts lässt im Übrigen erkennen, dass nach dem Prinzip audiatur et altera pars der Gerichtshof nicht Vortrag von beiden Seiten entgegengenommen haben muss, sondern dass es vielmehr genügt, wenn beide Parteien Gelegenheit hatten vorzutragen.985 Ist der nach dem Prinzip audiatur et altera pars (hypothetisch) anzuhörende Staat jedoch nicht Partei des Verfahrens, besitzt er nach dem Statut kein Gehörsrecht; eine Ausnahme besteht insoweit nur für den Fall einer Intervention (als Nicht-Partei) nach Art. 62, 63 des Statuts.986 Dies folgt aus der Verfahrensherrschaft der Parteien.987 Diese Verfahrensherrschaft schließt es zwar nicht aus, dass der Gerichtshof bei Tatsachenfragen auch eigene vorhandene Erkenntnisquellen verwendet oder sogar – wenn das einmal möglich ist – eigene Ermittlungshandlungen einschließlich Anfragen bei Drittstaaten durchführt;988 insoweit kommt ihm ein erheblicher Ermessensspielraum zu.989 Er ist namentlich nicht an den von den Parteien vorgebrachten Tatsachenstoff oder an deren Beweismittel gebunden; der Beibringungsgrundsatz gilt nicht.990 Noch weniger sind eigene Recherchen des Gerichtshofs zu Rechtsfra984

Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 442 f., sieht das Ausbleiben einer Partei als Verstoß gegen den Geist der Charta und des Statuts und als „nicht systemkonform“ (S. 443), nicht aber als Rechtsverstoß; ähnlich IGH, United States Diplomatic and Consular Staff in Tehran, Separate Opinion of Judge Lachs, ICJ Reports 1980, S. 47, 48; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 124 f. 985 Thirlway, Non-appearance, S. 43. 986 Zur Möglichkeit der Intervention als Partei, die keine Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz darstellen würde, s. o., Fn. 910. Eine weitere – enge und selten genutzte – Ausnahme bildet das Recht internationaler Organisationen (d. h. zwischenstaatlicher Organisationen; vgl. Art. 69 Abs. 1 der Verfahrensordnung) unter Art. 34 Abs. 2 des Statuts, Stellungnahmen zu streitigen Verfahren vor dem IGH abzugeben (vgl. zur Praxis Dupuy, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 34 Rn. 17; Sands/Klein, Institutions, S. 363 Fn. 87). 987 Vgl. den Bericht von Georges Scelle, Berichterstatter der ILC zur „Arbitral procedure“, im ILC Yearbook 1950, Vol. II, S. 114, 138, der insoweit auf das „droit de quasi propriété“ der Parteien am Verfahren hinweist und die Intervention (besonders in der ständigen Gerichtsbarkeit) als Ausnahme hiervon ansieht. Im letzteren Sinne auch IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 133, wo Art. 62, 63 des Statuts als Ausnahmen von dem Grundsatz beschrieben werden, dass „no other State may involve itself in the proceedings without the consent of the original parties“; ähnlich auch Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 86; Kolb, ICJ, S. 696. 988 Für die letztere Möglichkeit auch Rosenne, Intervention, S. 175 f. 989 Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 57; Niyungeko, Preuve, S. 237; vgl. Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 13; Tams, ebda., Art. 50 Rn. 12. 990 Vgl. IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports (1986), S. 14, 25; Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 13; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 43, 57; Lachs, FS Elias, S. 265, 268; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 123; vgl. auch Art. 49, 50 des Statuts und Art. 62 der Verfahrensordnung; differenzierend Smith, Relation, S. 107 ff. Vgl. aber zur sehr begrenzten Rolle

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gen, unter Heranziehung beliebiger Quellen, ausgeschlossen. Diese Fragen fallen unter den Grundsatz jura novit curia und damit von vornherein nicht unter die Verfahrensherrschaft der Parteien.991 Den Verfahrensstoff als solchen, im Sinne des Streitgegenstands und der zu berücksichtigenden Einlassungen, bestimmen jedoch die Parteien. Ein Drittstaat hat keinen Anspruch darauf, den Verfahrensstoff erweitern zu dürfen. Soweit es die Erweiterung des Streitgegenstands betrifft, wird dieser ohnehin nur durch die Parteien – im Verfahren auf eine Klage hin durch die Klage und ggf. eine Widerklage – bestimmt.992 Aber auch innerhalb des von den Parteien bestimmten Verfahrensgegenstands können grundsätzlich nur die Parteien verlangen gehört zu werden, da nur zwischen ihnen und dem Gerichtshof das Prozessrechtsverhältnis besteht und ansonsten Dritte das Verfahren zulasten der Parteien verzögern könnten.993 Andernfalls wären auch die formellen und materiellen Begrenzungen des Interventionsrechts nach Art. 62, 63 des Statuts sinnlos, da ein Gehörsrecht dann auch bestehen könnte, wenn die Voraussetzungen dieser Normen nicht erfüllt sind.994 Dementsprechend hat der Gerichtshof etwa im Fall Trial of Pakistani Prisoners of War zwischen Pakistan und Indien ein Ansinnen Afghanistans zurückgewiesen, das als Drittstaat auf eine bestimmte Behauptung Pakistans im Rahmen der mündlichen Verhandlung reagiert hatte und zur Korrektur des Protokolls („for the purposes of correcting the minutes of that meeting“) seine eigene Ansicht zu dieser Behauptung in die Akten des Gerichtshofs hatte einbringen wollen.995 Der Kanzler des Gerichtshofs stellte nur fest, dass das afghanische Schreiben keinen formgerechten Interventionsantrag enthielte und nicht unter die Regelungen über die Durchführung streitiger Verfahren fiele („do not […] fall within the ambit of the procedure prescribed by the Statute of the Court and the Rules made thereunder for the adjueigener Ermittlungen des IGH Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 43, 57; Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 11 f.; Walter, ebda., Art. 44 Rn. 4. 991 Vgl. IGH, Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Merits, ICJ Reports 1974, S. 3, 9; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 24 f.; von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 53 Rn. 56 f.; Mosler, FS Schlochauer, S. 439, 455; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 169 f.; Verhoeven, FS Tomuschat, S. 635, 646; kritisch Fitzmaurice, BYIL 51 (1980), S. 89, 108 f. Vgl. auch, ohne Bezug auf das Ausbleiben einer Partei im Prozess, oben Fn. 610 und 1. Teil B. III. 2. a) sowie unten 2. Teil A. I. 1. b) ee) (1) dieser Arbeit. 992 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 993 Vgl. Fritzemeyer, Intervention, S. 30; Mabrouk, Exceptions, S. 133; Richards, BYIL 2 (1921 – 1922), S. 1, 4. 994 In diesem Sinne diskutiert Fritzemeyer, Intervention, S. 30, die zeitlichen Grenzen der Intervention unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensrechte der Parteien. 995 Trial of Pakistani Prisoners of War, Letter from the Minister for Foreign Affairs of Afghanistan to the President of the Court, 21 August 1973, ICJ Pleadings, S. 167; dazu Covelli, JWT 33/2 (1999), S. 125, 137 f. Die Behauptung Pakistans und die Gegenauffassung Afghanistans bezogen sich auf die Nachfolge Pakistans in die Rechte der ehemaligen britischen Kolonialmacht und insbesondere in Territorialansprüche nach einem bestimmten Vertrag.

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dication of contentious cases submitted to it“).996 Das Schreiben wurde demnach zwar als Korrespondenz über das Verfahren zu den Akten genommen, aber dem afghanischen Antrag wurde als solchem nicht stattgegeben, weil Afghanistan keine Prozessrolle innehatte.997 Diesem Ansatz widerspricht auch nicht die Praxis im Corfu Channel-Fall,998 in dem der IGH bestimmte Unterlagen, die Jugoslawien als Drittstaat über den Beklagten Albanien in das Verfahren hatte einführen lassen, zur Kenntnis genommen hatte.999 Dies geschah ausdrücklich nur, weil der Gerichtshof Wert darauf legte, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln („the Court was anxious for full light to be thrown on the facts alleged“).1000 Die Handlungsweise im Fall Corfu Channel ging also auf das vorstehend beschriebene Ermessen des Gerichtshofs bei der Tatsachenermittlung zurück, nicht aber auf ein Recht eines nicht am Verfahren beteiligten Staates, gleichwohl gehört zu werden. Art. 53 Abs. 1 des Statuts schließt es demnach zwar aus, dass wegen des Ausbleibens einer der Parteien im Prozess eine Sachentscheidung unterbleibt; die Norm ist aber nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht auf das Ausbleiben einer anzuhörenden Nicht-Partei anwendbar. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass eine Nicht-Partei durch ihr Ausbleiben nicht über ihr Gehörsrecht disponiert haben kann, weil sie von vornherein nicht vom IGH hätte angehört werden können. Art. 53 Abs. 1 des Statuts steht deshalb einer Argumentation nicht entgegen, nach der das Prinzip audiatur et altera pars die Sachentscheidung über einen Fall mit Drittstaatsbezug verhindern kann.1001 bb) Zum Inhalt des Prinzips audiatur et altera pars Bei der Begründung der Monetary Gold-Formel aus dem Prinzip audiatur et altera pars geht es nicht maßgeblich um das Problem, dass der Drittstaat der Jurisdiktion des IGH nicht zugestimmt hat, sondern allein darum, dass er nicht angehört wurde,1002 weil er weder Partei des Verfahrens ist noch (als Nicht-Partei) interveniert hat. Beides mag im Zusammenhang mit der fehlenden Zustimmung des Drittstaats zum Verfahren stehen. So wird ein Staat, gegenüber dem die Jurisdiktion des IGH nicht begründet werden kann, oft nicht verklagt werden, und wird ein solcher Staat oftmals auch seinerseits nicht gewillt sein, im Wege der Intervention am Verfahren teilzunehmen. Für das Problem nach dem Prinzip audiatur et altera pars genügt aber schon die Tatsache der Nichtteilnahme des Drittstaats am Verfahren als solche. 996 Trial of Pakistani Prisoners of War, Letter from the Registrar to the Minister for Foreign Affairs of Afghanistan, 22 November 1973, ICJ Pleadings, S. 174, 175. 997 Covelli, JWT 33/2 (1999), S. 125, 138. 998 A.A. Covelli, ebda., S. 137 f. 999 Vgl. dazu IGH, Corfu Channel, Merits, ICJ Reports 1949, S. 4, 17. 1000 Ebda. 1001 So zu Recht IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 293. 1002 Schorer, Konsensprinzip, S. 135 f.

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Fraglich ist allerdings, ob eine Nicht-Partei jemals nach dem Prinzip audiatur et altera pars angehört werden muss. Hat sie nämlich schon kein Gehörsrecht, dann kann das Unterlassen und die Unmöglichkeit dieser Anhörung auch nicht die Durchführung des Verfahrens in Frage stellen – jedenfalls soweit es um eine unmittelbare Anwendung des Gehörsrechts nach dem Prinzip audiatur et altera pars geht, die hier zunächst geprüft werden soll. Ein erstes Problem ergibt sich insofern aus der für den IGH maßgeblichen Rechtsquelle des Prinzips audiatur et altera pars. Soweit sich dieses Prinzip aus dem Statut ableiten lässt, muss nämlich die grundsätzliche Unfähigkeit des IGH, eine Nicht-Partei anzuhören, begrenzend wirken. Das Statut kann nicht zugleich durch seine Ausprägungen des Prinzips audiatur et altera pars erfordern, dass eine NichtPartei angehört wird, und diesen Verfahrensschritt zugleich unmöglich machen. Wenn das Prinzip audiatur et altera pars daher im Statut niedergelegt ist, dann nur in der Weise, dass die Parteien anzuhören sind, nicht aber auch mit dem darüber hinausgehenden Inhalt, dass auch Nicht-Parteien anzuhören wären. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der einschlägigen Normen des Statuts: So spricht Art. 43 Abs. 2 des Statuts davon, dass das schriftliche Verfahren die Übermittlung der verschiedenen Schriftsätze an den Gerichtshof und die Parteien („to the Court and to the parties“/„à juge et à partie“) umfasse,1003 und lässt Art. 46 des Statuts den Ausschluss der Öffentlichkeit aufgrund eines gemeinsamen Antrags der Parteien, also offenbar der (grundsätzlich) einzigen Beteiligten an der mündlichen Verhandlung (Art. 43 Abs. 5 des Statuts), zu.1004 Dies schließt jedoch nicht aus, dass der IGH durch das Prinzip audiatur et altera pars als allgemeiner Rechtsgrundsatz i.S.d. Art. 38 Abs. 1 lit. c des Statuts gebunden sein kann und dass dieses einen weiteren Inhalt hat als die Gehörsrechte nach dem Statut. Insofern ist allerdings zunächst zwischen den verschiedenen dogmatischen Grundlagen des Prinzips zu differenzieren: Soweit das Prinzip verlangt, dass die eine Partei ebenso gehört werde wie die andere, geht es – wie bereits erwähnt – auf das Prinzip der Gleichheit der Parteien zurück. Aus diesem Prinzip kann eine Nicht-Partei 1003 Der IGH kann nach Art. 53 Abs. 1 der Verfahrensordnung Drittstaaten Zugang zu den Schriftsätzen gewähren. Dazu hat er die Parteien anzuhören; nehmen diese Stellung gegen den Antrag des Drittstaats, steht es dem IGH zwar zu, dem Antrag dennoch stattzugeben, jedoch hat er dies bisher noch nicht getan; vgl. zum Ganzen Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 43 Rn. 82 ff. Beteiligter des schriftlichen Verfahrens i.S.d. Art. 43 Abs. 2 des Statuts wird der Drittstaat aber auch auf einen Antrag nach Art. 53 der Verfahrensordnung hin nicht; vgl. Oellers-Frahm, ZaöRV 41 (1981), S. 579, 584. Auch ein – als Nicht-Partei – intervenierender Staat wird nicht in diesem Sinne zum Beteiligten des schriftlichen Verfahrens, sondern erhält die Schriftsätze nach Maßgabe von Art. 85, 86 der Verfahrensordnung. 1004 Ist eine Intervention zugelassen oder wird über eine solche verhandelt, liegt es nahe, dass gleichwohl die Parteien allein den Ausschluss der Öffentlichkeit verlangen können. Sie müssen wegen Art. 62, 63 des Statuts die Anwesenheit des Intervenienten im Verfahren hinnehmen, aber der Intervenient nimmt dadurch nicht an der Verfahrensherrschaft der Parteien teil, sondern erhält nur besondere Beteiligungsrechte gemäß Art. 85, 86 der Verfahrensordnung (vgl. auch die vorhergehende Fußnote und noch unten, 2. Teil A. IV. und B. III. dieser Arbeit).

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von vornherein nichts für sich herleiten, denn eine Nicht-Partei hat keinen Anspruch auf prozessuale Gleichbehandlung mit den Parteien. Der Nicht-Partei kann das Prinzip audiatur et altera pars daher nur mit seinem Gehalt als Gehörsrecht zur Seite stehen. Fraglich ist deshalb, welcher konkrete normative Gehalt sich aus dem Prinzip audiatur et altera pars in seiner Gestalt als Gehörsrecht ableiten lässt. Insbesondere ist zu ermitteln, unter welchen Voraussetzungen ein Staat beanspruchen kann, vom IGH angehört zu werden, also in welchem Umfang das Gehörsrecht gewährleistet ist. Auf eine gewisse Begrenzung dieses Rechts deuten zunächst die rechtlichen Grenzen der Anhörung von Staaten nach dem Statut hin. Wenn dieses, wie bereits erörtert, grundsätzlich die Anhörung von Nicht-Parteien verbietet und die Intervention von NichtParteien vor dem IGH nur unter besonderen Bedingungen – bei Art. 62 des Statuts der Betroffenheit rechtlicher Interessen und bei Art. 63 des Statuts der Parteistellung des Intervenienten in einem von dem Gerichtshof zu interpretierenden multilateralen Vertrag – zulässt, begrenzt dies nicht nur die Reichweite des Gehörsrechts nach dem Statut, sondern deutet auch darauf hin, dass das Gehörsrecht als allgemeines Rechtsprinzip nicht entscheidend weiter geht. Es wäre erstaunlich, wenn das IGH-Statut ein zentrales Prinzip des Verfahrensrechts nur unzureichend umgesetzt hätte. Zudem zeigt sich auch an der Verfahrensordnung und der Praxis des IGH, dass das Gehörsrecht nicht uneingeschränkt allen interessierten Staaten zukommen kann. So ist das rechtliche Gehör für zugelassene Intervenienten auf die Fragen begrenzt, hinsichtlich derer die Intervention zugelassen wurde.1005 Ein Intervenient nach Art. 62 des Statuts darf deshalb nur zu seinen eigenen rechtlichen Interessen im Sinne dieser Norm vortragen, und ein Intervenient nach Art. 63 des Statuts darf sich nur zur Interpretation des multilateralen Vertrags einlassen, dessen Partei er ist. Das Gehörsrecht setzt daher mindestens die eine oder andere Form eines eigenen Interesses an der zu erörternden Frage voraus. Zugleich kann aber ein bloßes rechtliches Interesse eines dem Verfahren fern gebliebenen Staates nicht ausreichend sein, um aufgrund des Prinzips audiatur et altera pars die Sachentscheidungsbefugnis des IGH auszuschließen. Wäre dies der Fall, müsste der IGH jeden Staat mit einem rechtlichen Interesse an dem Verfahrensgegenstand anhören, und wäre er andernfalls durch das Eingreifen des Prinzips audiatur et altera pars an der Ausübung seiner Jurisdiktion gehindert. Folglich wäre der IGH in jedem Fall, in dem ein Staat nach Art. 62 oder Art. 63 des Statuts zu intervenieren berechtigt wäre, auf diese – freiwillige1006 – Intervention für seine Sachentscheidungsbefugnis angewiesen. Das zeigt sich jedoch an dem Statut 1005 Art. 85 Abs. 3 und 86 Abs. 2 der Verfahrensordnung; dazu IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 136; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1999, S. 1029, 1035; Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 62 Rn. 83; Kolb, ICJ, S. 719 f.; Zimmermann, MPEPIL, S. 570, 573. 1006 Der IGH kann eine Intervention nicht erzwingen, einen Staat also nicht beiladen: s. o., Fn. 922.

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nicht.1007 Art. 62 und Art. 63 des Statuts gehen vielmehr ersichtlich von einer Intervention in einem Verfahren aus, das auch sonst durchgeführt werden könnte; nur in diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn Art. 62 Abs. 1 des Statuts die Intervention für den Fall zulässt, dass die rechtlichen Interessen des Intervenienten durch das Urteil berührt werden kann („interest of a legal nature which may be affected by a decision in the case“), und wenn Art. 63 Abs. 2 des Statuts die Intervention als Wahrnehmung eines Rechts bezeichnet („if it uses this right“/„s’il exerce cette faculté“) und daran nur die Folge der Bindung des Intervenienten an den Urteilsspruch knüpft („the construction […] will be equally binding upon it“/„l’interprétation contenue dans la sentence est également obligatoire à son égard“). Das Statut deutet deshalb darauf hin, dass das Prinzip audiatur et altera pars nicht zwingend die Anhörung jedes Staates mit einem rechtlichen Interesse am Verfahrensgegenstand verlangt. Zudem stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Sinn und Zweck des Gehörsrechts. Dieser wird, soweit es das Gehörsrecht in seiner Dimension als Menschen- und Grundrecht betrifft, auf das Selbsterhaltungs- oder Selbstbehauptungsrecht des Einzelnen zurückgeführt, das sich dort wiederum als Aspekt der Menschenwürde darstellt.1008 Der Einzelne muss, wenn über seine Rechte ein Gericht entscheidet, bereits wegen seiner Individualität die Möglichkeit haben, seine Rechte durch Vortrag vor dem Gericht zu schützen.1009 Dieser Gedanke lässt sich auch auf die völkerrechtliche, zwischenstaatliche Gerichtsbarkeit übertragen. Zwar haben Staaten selbstverständlich weder menschliche Würde1010 noch Menschenrechte;1011 das Gehörsrecht bestimmt jedoch, wie bereits erwähnt, auch das Verfahrensrecht des IGH. Zudem haben auch Staaten ein Selbsterhaltungs- und Selbstbehauptungs1007

Vgl. den portugiesischen Rechtsvortrag im Fall Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 17: „[I]t is not sufficient, to prevent the Court from exercising jurisdiction, that the dispute before it should interest a third party and that that party should not be represented before the Court, even if that party be a State.“ Ähnlich IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 260 f.; Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 87; Damrosch, in: dies., S. 376, 390 f.; Fritzemeyer, Intervention, S. 178; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 106 f.; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 872; Riquelme Cortado, REDI 44 (1992), S. 25, 32 f.; Schorer, Konsensprinzip, S. 131 f.; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1058 f. 1008 Hamacher, Maxime, S. 96 f.; vgl. zur Herleitung aus der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG auch BVerfGE 9, 89, 95; 39, 156, 168; 63, 332, 337; 107, 395, 409; Wassermann, GS Nagelmann, S. 91, 93, und zur Bedeutung des Selbstbehauptungsrechts VG Hamburg, Urteil vom 18. 05. 2010, Az. 20 K 817/10, zitiert nach juris, Rn. 168. 1009 Hamacher, Maxime, S. 80, 96 ff.; vgl. auch, zum Grundrecht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, BVerfGE 9, 89, 95; 39, 156, 168; 107, 395, 409. 1010 Vgl. zur fehlenden Menschenwürde juristischer Personen im Allgemeinen BVerfGE 95, 220, 242. 1011 Vgl. zu einzelnen Untergliederungen des Staates EGMR, Radio France and Others v. France, RJD 2003-X, S. 463, 485 f.; EKMR, Municipal Section of Antilly v. France, RJD 1999VIII, S. 435, 442, und zu den Staaten als solchen Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Occidental Exploration & Production Company v. Republic of Ecuador [2005] EWCA Civ 1116, [2006] QB 432, Rn. 49 (Lord Phillips of Worth Matravers MR).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

recht1012 und bedürfen deshalb auch Staaten der Möglichkeit, zu ihrem eigenen Rechtsschutz tätig zu werden. Bei ihnen kommt noch eine weitere Begründung hinzu: Der zwischenstaatliche Richterspruch bezieht seine Autorität aus den Zustimmungsakten der Parteien (in Verbindung mit dem allgemeinen Recht des angerufenen Gerichts).1013 Der die Staaten bindende Rechtssatz des Urteils folgt in diesem Sinne aus ihrer eigenen Zustimmung. Die Erteilung dieser Zustimmung ist zwar mit der Erteilung des jeweiligen Zustimmungsaktes abgeschlossen.1014 Der konkrete Rechtssatz des Urteils entsteht jedoch erst durch das gerichtliche Verfahren und wird durch den Gang des Verfahrens, namentlich durch die Anträge des Klägers oder des Widerklägers und etwaige Anerkenntnisse,1015 beeinflusst. Es ist deshalb zwar nicht durch das Konsensprinzip geboten, aber nur konsequent, den Adressaten der Urteilsnorm die Möglichkeit einzuräumen, die auf Grundlage ihrer Zustimmung entstehende Norm durch Vortrag vor dem Gericht zu beeinflussen. Insofern geht es nur nicht mehr um die Erteilung der Zustimmung zu der mit dem Urteil entstehenden Norm, sondern um die aus dem Konsensprinzip folgende zentrale Bedeutung der Verfahrensherrschaft der Parteien.1016 Diese Begründungsansätze führen jeweils zu dem Ergebnis, dass das Gehörsrecht aufgrund des Prinzips audiatur et altera pars eine Form der rechtlichen Betroffenheit voraussetzt. Nur in diesem Fall entsteht eine Norm, die dem Konsensprinzip unterliegt, und nur in diesem Fall wird etwas bewirkt, gegen das sich das Selbstbehauptungsrecht des Staates richten kann. Einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat daher nur ein solcher Akteur, der unmittelbar rechtlich von dem Verfahren betroffen wird.1017 Für die Parteien des Verfahrens ist das freilich bei jeder gerichtlichen Entscheidung der Fall. Sie werden durch das Urteil verpflichtet, und für sie erwächst es in Rechtskraft (Art. 59, 60 Satz 1 des Statuts; Art. 94 Abs. 1 der Charta). Sie können durch einstweilige Maßnahmen des Gerichtshofs verpflichtet werden,1018 und die prozessleitenden Entscheidungen des Gerichtshofs binden sie.1019 Die Ver1012 Vgl. aus dem gänzlich anderen Zusammenhang der Verwendung von Nuklearwaffen zur Selbstverteidigung in extremen Fällen (also zu einem extremen Fall des Selbstbehauptungsrechts) IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, ICJ Reports 1996-I, S. 226, 263 („the fundamental right of every State to survival“); vgl. allgemein zum Selbsterhaltungsrecht der Staaten Scupin, in: Strupp/Schlochauer, S. 723 f., und auch Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 608 („Existenzrecht“). 1013 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (1) dieser Arbeit. 1014 Vgl. StIGH, Rights of Minorities in Upper Silesia (Minority Schools), Dissenting Opinion by M. Huber, PCIJ Series A, No. 15, S. 48, 54; Lachs, FS Elias, S. 265, 270. 1015 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) und 2. a) aa) (1) dieser Arbeit. 1016 Vgl. dazu bereits den vorhergehenden Abschnitt dieser Arbeit. 1017 So zu Art. 103 Abs. 1 GG BVerfGE 12, 6, 8; 21, 132, 137; 60, 7, 13; 65, 227, 233; auf diese Definition verweist auch Schorer, Konsensprinzip, S. 136, die aber bei der Anwendung dieser Definition eine nur faktische Betroffenheit genügen lässt. 1018 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (b) dieser Arbeit. 1019 Ajibola, in: Bulterman/Kuijer, S. 9, 13; Azar, Exécution, S. 63; Thirlway, MPEPIL, S. 493, 498; Torres Bernárdez, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 48 Rn. 13.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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längerung von Schriftsatzfristen durch den Gerichtshof, vor der rechtliches Gehör zu gewähren ist,1020 berührt die Rechte der Parteien im Übrigen auch deshalb, weil diese Fristen das Recht auf eine Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist berühren. Für die Parteien ist das Gehörsrecht, in der Form des Prinzips audiatur et altera pars in judicio (auch die andere Prozesspartei ist anzuhören),1021 daher umfassend gewährleistet. Anders liegt es bei Staaten, die nicht Parteien des Verfahrens sind. Diese sind nicht ohne weiteres in ihren Rechten betroffen, selbst wenn dem zwischen anderen Parteien ergehenden Urteil eine Aussage über ihre Rechte und Pflichten entnommen werden kann.1022 Sie sind namentlich nicht an den Urteilsspruch des IGH oder an seine einstweiligen Maßnahmen gebunden.1023 Allerdings fällt auf, dass das Prinzip audiatur et altera pars in der Monetary GoldKonstellation ebenso umgangen würde wie – in anderen Fällen oder zusätzlich – das Konsensprinzip der streitigen Jurisdiktion. So wie der Drittstaat an sich nicht seine Zustimmung erteilt haben muss, weil er nicht an das Urteil gebunden werden soll, müsste er an sich auch nicht angehört werden, weil er nicht Prozesspartei ist. Der Kläger oder die kollusiv zusammenwirkenden Prozessparteien könnten also ohne eine Anhörung des Drittstaats fast dasselbe erreichen wie bei einer Klage gegen den Drittstaat, nämlich einen höchst autoritativen Ausspruch des IGH. Hier geht es nicht darum, ein Gehörsrecht des inhaltlich betroffenen Drittstaats zu begründen, ebenso wenig wie es unter dem Gesichtspunkt des Konsensprinzips darum ging, die Sachentscheidung des IGH in unmittelbarer Weise von der Zustimmung des Drittstaats abhängig zu machen. Es bleibt dabei, dass eine (nicht intervenierende) Nicht-Partei als solche kein Gehörsrecht beanspruchen kann, weil das Urteil sie nicht bindet. Gerade dadurch, dass der Drittstaat eine solche NichtPartei bleibt, wird aber das Gehörsrecht, das er als Partei (oder Intervenient) hätte, umgangen. Ebenso wie bei dem Konsensprinzip geht es also auch hier um einen kollateralen Schutz der grundlegenden Regelungen des Verfahrensrechts des Statuts. Dieses Problem stellt sich jedoch, wie bereits das Problem des kollateralen Schutzes des Jurisdiktionsregimes des IGH, grundsätzlich nur in solchen Fällen, in denen die rechtlichen Interessen eines Drittstaats eine notwendige Vorfrage bei der Ausarbeitung des Urteils darstellen.1024 Nur dann kommt der inzidente Ausspruch über den Drittstaat im Rechtssinne einer Entscheidung über diesen Staat gleich, und nur dann würde mit dem Versuch der Herbeiführung des Sachurteils ohne eine 1020

Art. 44 Abs. 3 Satz 2 der Verfahrensordnung. So benennt das Prinzip Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 2. 1022 Anders Schorer, Konsensprinzip, S. 136, 138, nach der schon die faktische Betroffenheit eines Drittstaats genügt. 1023 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb), b) und c) dieser Arbeit. 1024 Vgl. abermals zu den Sonderfällen, in denen der IGH über die Zuordnung von Gebieten oder Sachen an einen bestimmten Staat entscheiden soll, unten, 2. Teil A. I. 2. dieser Arbeit. 1021

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Aufnahme des Drittstaats als Partei die Voraussetzung der Anhörung des Drittstaats umgangen. Auch hier kommt es also auf die hypothetische Rechtskraft für den Drittstaat, seine Parteistellung im Verfahren unterstellt, an. Auch hier erweist sich damit die Vorfragendogmatik aus dem Urteil im Nauru-Fall als zutreffend. Ob dem Erfordernis der Anhörung des Drittstaats aufgrund des Prinzips audiatur et altera pars nur dadurch gehorcht werden kann, dass dieser Partei des Verfahrens wird, oder ob namentlich auch eine Intervention des Drittstaats ausreichen würde, um die Unzulässigkeit aufgrund der Monetary Gold-Doktrin auszuräumen, soll unten im Zusammenhang mit den näheren Voraussetzungen und Inhalten der Doktrin untersucht werden. Erst hinsichtlich dieser Frage wird auch zu untersuchen sein, ob in der Monetary Gold-Situation auch weitere Rechte, die der Drittstaat als Partei hätte (wie etwa das Recht auf einen Richter ad hoc oder die Antragsberechtigung für eine Wiederaufnahme), in unzulässiger Weise umgangen werden.1025 Jedenfalls aber genügt zur Ausräumung des Problems unter der Maxime audiatur et altera pars nicht die Tatsache, dass in jedem Verfahren vor dem IGH jeder betroffene Staat – und damit auch ein Drittstaat in einer Monetary Gold-Konstellation – intervenieren und sich so ein Gehörsrecht nach Art. 62 des Statuts und Art. 85 der Verfahrensordnung verschaffen könnte.1026 Für das Prinzip audiatur et altera pars kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Anzuhörende die Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen könnte, sondern nur darauf, ob er die Gelegenheit zur Stellungnahme hat. Entscheidend ist also nur die objektive Situation. Allein mit der Möglichkeit der Intervention geht aber noch kein Recht zur Stellungnahme einher, weil die Intervention erst durch den Gerichtshof zugelassen werden müsste.1027

IV. Zwischenergebnis zur Begründung der Monetary Gold-Formel Daraus folgt, dass die Monetary Gold-Rechtsprechung des IGH mittelbar einerseits aus dem Jurisdiktionsregime der Art. 36, 37 des Statuts, andererseits aus dem Prinzip audiatur et altera pars, abgeleitet werden kann. Zwar ergibt sich aus Art. 36, 37 des Statuts und dem darin zum Ausdruck kommenden Konsensprinzip der Ju1025

Dazu noch unten, 2. Teil A. IV. dieser Arbeit. Zimmermann, MPEPIL, S. 570, 572. 1027 Vgl. Art. 62 Abs. 1 des Statuts und zu Art. 63 des Statuts Art. 86 Abs. 1 der Verfahrensordnung; vgl. i.Ü. zur Frage eines Ermessens des IGH bei der Zulassung einer Intervention nach Art. 62 des Statuts oben, Fn. 578. Vor der Zulassung der Intervention könnte sich der Intervenient zwar zur Intervention und damit im Fall des Art. 62 des Statuts auch zu seinem rechtlichen Interesse äußern, aber noch nicht zur Hauptsache selbst: IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 348, 360; vgl. auch IGH, Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1981, S. 3, 6, und dazu Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 85; Riquelme Cortado, REDI 44 (1992), S. 25, 51 Fn. 150. 1026

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

235

risdiktion des Gerichtshofs nicht, dass der Drittstaat schon deshalb seine Zustimmung zum Verfahren erteilt haben muss, weil der IGH über ihn Jurisdiktion ausüben soll. Das tut der Gerichtshof in der Monetary Gold-Konstellation nicht, weil der Drittstaat definitionsgemäß nicht Partei des Verfahrens ist und daher nicht durch das Urteil gebunden werden kann. Insoweit fehlt es nicht nur an seiner Zustimmung, sondern vor allem an seiner Beteiligung am Prozessrechtsverhältnis. Dennoch kann die Sachentscheidung des IGH aufgrund der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen unzulässig (inadmissible) sein. Der normative Anknüpfungspunkt ist insofern die inhärente Befugnis des Gerichtshofs, seine richterliche Integrität (oder Funktion) zu schützen. Hierbei handelt es sich um implied powers des Gerichtshofs, der Sache nach also um Ergebnisse einer teleologischen Auslegung des Statuts. In der vorliegenden Konstellation wären die Funktion des Gerichtshofs als Organ der Streitbeilegung zwischen Staaten und das Jurisdiktionsregime des Statuts beeinträchtigt, wenn die Interessen eines Staates in beliebiger Weise einer Bearbeitung durch den IGH im Rahmen eines streitigen Falls zwischen zwei oder mehr anderen Staaten zugeführt werden könnten. Das Erfordernis der staatlichen Zustimmung zur Jurisdiktion des Gerichtshofs würde dann weitgehend sinnlos, weil andere Staaten einen zwar nicht rechtlich bindenden, aber doch sehr autoritativen und ausdrücklichen Ausspruch des IGH über einen Drittstaat erreichen könnten. Damit erhält das Jurisdiktionsregime des Statuts einen kollateralen Schutz vor seiner ohne die Monetary Gold-Doktrin möglichen Aushöhlung und Umgehung. Zugleich wird die Integrität des Gerichtshofs vor einer Ausnutzung seines Verfahrens zur Umgehung des Konsensprinzips geschützt. Es ist deshalb zwar richtig, dass die Monetary Gold-Doktrin einen wichtigen Aspekt des Konsensprinzips betrifft;1028 das Konsensprinzip ist aber nicht unmittelbar einschlägig, sondern wird nur durch die Doktrin ergänzt. In gleicher Weise würde das für die richterliche Funktion des IGH bedeutsame Prinzip audiatur et altera pars ausgehöhlt, wenn es möglich wäre, einen moralisch sehr autoritativen Richterspruch über einen Drittstaat zu erlangen, ohne dass der IGH diesen in der sonst vorgesehenen Weise angehört hätte. Damit würde eine grundlegende Maxime richterlichen Handelns umgangen und wäre die Integrität des Gerichtshofs und der Regelungen des Statuts über die Gehörsrechte der Parteien beeinträchtigt.

1028

IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of President Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1992, S. 301; vgl. auch Aust, Complicity, S. 310; Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369, 374 f. („corollary of the consent principle“); Iwasawa, FS Oda, S. 871, 890; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 543; Simpson/Fox, International Arbitration, S. 70; Tams, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 312, 332 („based on considerations of jurisdiction“); Thouvenin, AFDI 41 (1995), S. 328, 342; Torres Bernárdez, Ann. IDI 68-I (1999), S. 186, 195. Insoweit ist auch den oben in Fn. 117 angegebenen Stimmen beizupflichten. Nur kann das Konsensprinzip nicht unmittelbar angewendet werden, weil Albanien nicht beklagt war und daher nicht schlicht die Zustimmung des Beklagten fehlte (anders Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 313).

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Danach ist aber nicht jegliche Betroffenheit von Drittstaatsinteressen ausreichend, um dem IGH die Sachentscheidung zwischen den wirklichen Parteien des Streitfalls zu versperren. Das zu schützende Jurisdiktionsregime verlangt selbst nur, dass die Herstellung der Rechtswirkungen eines Urteils – seiner Verpflichtungswirkung und Rechtskraft – konsentiert ist. Ein Staat muss also nur deshalb der Entscheidung des IGH über ihn als Partei zugestimmt haben, weil er als Partei an das Urteil gebunden sein wird. Weiter kann auch der kollaterale Schutz des Jurisdiktionsregimes nicht gehen. Auch das Gehörsrecht hängt an sich, wie bereits erwähnt, von einer unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit ab, die nur bei den Parteien gegeben ist. Deshalb greift die Unzulässigkeit der Sachentscheidung in der Monetary Gold-Konstellation wegen der Umgehung dieser Erfordernisse nur ein, wenn der Drittstaat, die dann an sich ineffektive Relativität der Entscheidungswirkungen (Art. 59 des Statuts; Art. 94 Abs. 1 der Charta) weggedacht, durch das Urteil gebunden würde. Unzulässig ist die Sachentscheidung wegen der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen also dann, wenn der Ausspruch über die Drittstaatsinteressen so zentral ist, dass der Drittstaat, ohne Berücksichtigung seines personellen Schutzes, daran gebunden wäre. Maßgeblich ist damit die hypothetische Rechtskraft für den Drittstaat. Diese ist dann gegeben, wenn der Ausspruch über den Drittstaat als inzidenter Prüfungsschritt zur Beantwortung der Fallfrage zwischen den Parteien notwendig wird. In diesem Fall würde der operative Teil des Urteils, der an sich nur die wirklichen Parteien anspricht, den Ausspruch über den Drittstaat als logisch notwendige Implikation enthalten. Der Ausspruch würde deshalb (hypothetisch) für ihn rechtskräftig. Abgesehen von der formellen Relativität der rechtlichen Entscheidungswirkungen hätten die Parteien damit also dasselbe erreicht wie mit einem den Drittstaat wirklich bindenden Urteil des IGH. Das Jurisdiktionsregime und die Gehörspflichten des IGH wären ad absurdum geführt, denn der IGH täte dann ohne die Zustimmung und die Beteiligung des Drittstaats dasselbe, was er mit dessen Zustimmung und Beteiligung täte, mit dem einzigen Unterschied, dass keine rechtliche, sondern nur eine ansonsten gleichgelagerte faktische, Bindungswirkung für den Drittstaat einträte.

V. Abgleich mit anderen Drittstaatsproblemen des allgemeinen Völkerrechts Nachdem somit die Monetary Gold-Doktrin eine allgemeine Begründung gefunden hat, bietet es sich an, diese Doktrin aus dem Völkerprozessrecht mit anderen Konstellationen zu vergleichen, in denen das Völkerrecht einen Staat vor den Wirkungen des Handelns anderer Staaten ohne seine Zustimmung schützt. Insbesondere liegt ein Abgleich der Monetary Gold-Doktrin mit der – oben bereits erörterten – Rechtslage von Drittstaaten im Völkervertragsrecht nahe, sowie ein Vergleich des in dieser Arbeit ermittelten Rechtssatzes mit dem Recht der Staa-

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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tenimmunität. Diese Vergleiche sollen jeweils zeigen, ob die Monetary Gold-Doktrin aus völkerrechtssystematischen Gründen zu kritisieren ist. 1. Monetary Gold und Drittstaaten im Völkervertragsrecht Zur Behandlung von Drittstaaten im Völkervertragsrecht wurde oben bereits darauf hingewiesen, dass Art. 34 WVK den allgemeinen Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt zum Ausdruck bringt, wonach ein Vertrag insbesondere keine Pflichten für einen Drittstaat begründen kann. Art. 34 WVK ist mit diesem Inhalt nicht so sehr eine Verbotsnorm in dem Sinne, dass ein Vertrag, der Drittstaatspflichten zu begründen vorgibt, dagegen verstieße, sondern er hält vielmehr fest, dass aus einem Vertrag keine Drittstaatspflichten folgen können. Dies folgt aus der Souveränität der Drittstaaten und dem daraus hervorgehenden Konsensprinzip der völkerrechtlichen Rechtsquellenlehre.1029 Andererseits ist oben auch bereits dargestellt worden, dass weder Art. 34 WVK noch das allgemeine Völkerrecht ein Verbot von Verträgen enthält, die einen Drittstaat nur mittelbar belasten, indem sie ihre Parteien zur Verletzung seiner Rechte verpflichten oder – aus einem anderen Winkel betrachtet – dem Drittstaat die Obliegenheit auferlegen, sich gemäß dem Vertrag zu verhalten oder Konsequenzen aus dem Verhalten der Vertragsparteien zu erleiden. Zwar bleibt es in solchen Fällen dabei, dass die Vertragsparteien ihre Pflichten aus dem Vertrag nicht unter Verletzung der Rechte eines Drittstaats erfüllen dürfen. Dieses Verbot wird aber im Allgemeinen – vorbehaltlich besonderer Vertragsbestimmungen wie etwa Art. 8 des Nordatlantikvertrags – nicht auf ein Verbot bereits des mit Drittstaatsrechten konfligierenden Vertrags vorverlagert, und es bleibt immer nur relativ wirksam.1030 Daraus folgt, dass das Völkervertragsrecht zwar nicht die Entstehung von Vertragspflichten für Drittstaaten zulässt, dass es aber gegen die Entstehung mittelbarer Belastungen oder Beinahe-Pflichten nicht eingreift. Art. 34 WVK leistet deshalb, indem er Drittstaaten von echten Vertragspflichten freistellt, dasselbe wie Art. 59 des Statuts für die Rechtskraft der Urteile des IGH.1031 Er kennt allerdings keine Entsprechung zur Monetary Gold-Doktrin des IGH, nach der nicht nur echte Pflichten eines Drittstaats vermieden, sondern auch praktisch gleich wirksame Berührungen von Drittstaatsinteressen verboten sind. Die Monetary Gold-Doktrin ist damit strenger als das allgemeine Völkervertragsrecht. Ein Urteil des IGH entspricht daher, was die Voraussetzungen an seine Zulässigkeit angeht, nicht einem Vertrag zwischen den Prozessparteien. Die Gleichsetzung der richterlichen und der vertraglichen Streitbeilegung, die der Gerichtshof vertreten hat,1032 hält dieser also mit der Monetary Gold-Doktrin selbst nicht durch. 1029 1030 1031 1032

S. o., 1. Teil B. III. 2. a) aa) und aa) (2) dieser Arbeit. S. o., 1. Teil B. III. 2. a) aa) (2), bb) und cc) dieser Arbeit. Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1069. S. o., Fn. 554.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

Daraus folgt aber kein Einwand gegen die Berechtigung der Monetary GoldDoktrin. Die unterschiedliche Behandlung von Urteilen und Verträgen lässt sich nämlich einerseits mit dem unterschiedlichen normativen Ansatz der Normen über die Zulässigkeit der Berührung von Drittstaatsinteressen und andererseits mit den unterschiedlichen Drittstaatswirkungen eines Urteils und eines Vertrags begründen. Zunächst beruht nämlich die Monetary Gold-Doktrin nach dem vorstehend erläuterten Ansatz nicht auf dem Schutz des Drittstaats als solchem, sondern auf dem Schutz der Sinnhaftigkeit des Jurisdiktionsregimes und des Verfahrensrechts des Statuts sowie auf dem Schutz der richterlichen Integrität des IGH. Der Drittstaat wird durch ein Sachurteil in der Monetary Gold-Konstellation nicht verpflichtet und durch die nur praktischen Wirkungen des Urteils für ihn nicht rechtswidrig belastet. Dagegen wäre die Integrität des Statuts und des Gerichtshofs beeinträchtigt, wenn praktisch dieselben Konsequenzen für einen Drittstaat wie aus einem tatsächlich ihm gegenüber ergehenden Urteil auch ohne Beachtung der Anforderungen des Statuts hinsichtlich seiner Zustimmung und Anhörung entstehen könnten. Einen solchen systemimmanenten Ansatz kann es im Völkervertragsrecht nicht geben. Art. 34 WVK, der Staaten vor ohne ihre Zustimmung entstehenden Normen schützt, verliert nichts von seinem Sinn, wenn nur mittelbare Drittstaatsfolgen oder Obliegenheiten dennoch zustande kommen. Außerdem hat das Völkervertragsrecht keinen solchen institutionellen Charakter, dass entsprechend dem Schutz des richterlichen Charakters des IGH ein kollateraler Schutz seiner relativen und subjektivistischen Grundstruktur1033 geboten wäre, und dies um ihrer selbst willen, nicht zum Schutz der Drittstaaten selbst. Im Vertragsrecht geht es schließlich nicht um die Integrität einer Institution und des sie leitenden Vertrags, sondern allein um den Schutz der Interessen, die seine Normen jeweils für sich schützen. Institutionelle Elemente, wie sie die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch den IGH rechtfertigen, finden sich hier nicht.1034 Außerdem ist anzumerken, dass die Folgen eines Vertrags, der einen Drittstaat mittelbar belastet, keineswegs denen eines den Drittstaat wirklich bindenden Vertrags praktisch gleichkommen, wohingegen ein Sachurteil in der Monetary GoldKonstellation sehr wohl dieselben praktischen Folgen wie ein Urteil gegen den Drittstaat als Partei hat. Bei einem völkerrechtlichen Urteil kommt es nämlich, wie bereits bemerkt wurde, vor allem auf seine moralische Autorität und nicht so sehr auf seine Vollstreckung an; die moralische Autorität des IGH verbindet sich aber mit einem Ausspruch über einen Drittstaat ebenso wie mit einem Urteil über eine Prozesspartei. Im einen wie im anderen Fall wäre der jeweils betroffene Staat einer höchst autoritativen Feststellung über seine Rechte und Pflichten ausgesetzt. Jeder andere Staat würde diese Feststellung im Regelfall als zutreffend hinnehmen, ebenso wie jedes Gericht, das später über den Drittstaat als Prozesspartei zu befinden haben 1033

Zu dieser Grundstruktur Matz, Wege, S. 233. Vgl. zu diesem Gegensatz der Monetary Gold-Doktrin und des allgemeinen Vertragsrechts und der Rechtfertigung dieser Lage aus „éléments institutionnels“ Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 338. 1034

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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könnte. Ein Vertrag, der nur seine Parteien zur Verletzung der Rechte eines Drittstaats anhält oder für einen Drittstaat (sonst) eine Obliegenheit begründet, führt dagegen noch nicht dazu, dass der Drittstaat für alle Beobachter der Sachlage als durch den Vertrag gebunden gälte. Bei Verträgen ist nämlich anders als bei Urteilen nicht die praktische Wirkung entscheidend, sondern ob ein Staat wirklich verpflichtet wird und für eine Missachtung des Vertrags verantwortlich gemacht werden kann. Eine moralische Autorität haben Verträge – ggf. von ihrem Beitrag zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht abgesehen – nicht. Aus ihnen folgt auch keine Aussage über die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats, weil sie nicht das Recht anwenden und Aussagen hierüber treffen, sondern selbst Recht setzen. Diese Unterschiede erklären, dass der IGH für seine Sachentscheidungsbefugnis die Monetary Gold-Doktrin zur Anwendung bringt, obwohl das Völkervertragsrecht ein ähnliches Verbot mittelbarer Drittstaatsbelastungen nicht kennt. Kritik an der Monetary Gold-Doktrin ergibt sich insoweit nicht. 2. Monetary Gold und das Recht der Staatenimmunität Ein weiterer Vergleich bietet sich mit der völkerrechtlichen Materie der Staatenimmunität an. In diesem Zusammenhang wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich die Staatenimmunität und das Konsensprinzip der internationalen gerichtlichen Jurisdiktion insoweit ähnlich sind, als sie beide auf dem Schutz der staatlichen Souveränität vor einer Ausübung gerichtlicher Hoheitsmacht basieren, der der betroffene Staat nicht zugestimmt hat.1035 Dies ist besonders dann offensichtlich, wenn es um die Immunität des Staates vor ausländischen Gerichtsverfahren gegen ihn selbst geht: Ein Staat unterliegt ohne seine Zustimmung ebenso wenig der Hoheitsmacht – und damit der Gerichtsmacht – eines fremden Staates, wie er der Jurisdiktion des IGH unterliegt. Sowohl im Recht der Staatenimmunität als auch hinsichtlich der Jurisdiktion internationaler Gerichte gilt insoweit der Grundsatz par in parem imperium non habet (ein Gleicher hat über einen Gleichen keine Macht).1036 Insofern ist die Monetary Gold-Doktrin wenigstens entfernt mit der funktionalen Immunität (auch: Immunität ratione materiae) vergleichbar, nach der ein Staat nicht 1035

S. o., 1. Teil B. I. 1. b) bb) (2) (b) dieser Arbeit. Vgl. oben, Fn. 152. Die Nichtgeltung der Staatenimmunität für die Teilnahme eines Staates am Wirtschaftsverkehr (acta jure gestionis) und ihre Beschränkung auf seine Hoheitsakte (acta jure imperii) beruht demgegenüber auf der Gleichsetzung mit den anderen Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr und der jüngeren Praxis in diesem Sinne; vgl. Fox/Webb, State Immunity, S. 32 f., und allgemein EuGH, Mahamdia ./. République algérienne democratique et populaire, Rs. C-154/11, EuGRZ 2012, S. 405, 409; BVerfGE 16, 27, 34 ff.; 46, 342, 364 f.; House of Lords, Io Congreso del Partido [1983] 1 AC 244, 261 f. (Lord Wilberforce); Damian, Staatenimmunität, S. 6 ff., 98; Finke, EJIL 21 (2010), S. 853, 865 f.; Fox/Webb, State Immunity, S. 130 ff.; Giegerich, FS Schmidt-Jortzig, S. 603, 614; Higgins, NILR 29 (1982), S. 265, 270, 271 f.; Szodruch, Staateninsolvenz, S. 378. Insoweit wird der Staat nicht als Souverän betrachtet: Finke, EJIL 21 (2010), S. 853, 865 f.; vgl. auch de Hoogh, FS Wellens, S. 169, 179. 1036

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

in der Weise über die Akte eines fremden Staates zu Gericht sitzen darf, dass er die handelnde Person für ihre dem Staat zuzurechnenden Handlungen bestraft oder anderweitig sanktioniert.1037 In dieser Situation wird der Staat, dem die Handlungen zugerechnet wurden, nicht durch das fremde Urteil gebunden; verklagt oder angeklagt ist vielmehr nur die seinerzeit tätig gewordene Person. Der bloße Umstand, dass Handlungen des Staates Verfahrensgegenstand sind, führt als solcher noch nicht zu einer Rechtswirkung des Urteils für diesen Staat. Dennoch ist dem Gerichtsstaat die Ausübung von Jurisdiktion in einem solchen Fall (jedenfalls grundsätzlich1038) verboten. Der Grund liegt insoweit nicht in der unzulässigen Rechtssetzung für einen anderen souveränen Staat, sondern darin, dass mit einem gerichtlichen Vorgehen gegen einen Amtswalter wegen seiner dem Staat zuzurechnenden Handlungen die Immunität des Staates umgangen würde.1039 Die funktionale Immunität begründet also ähnlich wie die Monetary Gold-Doktrin ein Umgehungsverbot. 1037 Vgl. dazu ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Tihomir Blasˇkic´, Objection to the Issue of Subpoena Duces Tecum, ILR 110 (1997), S. 607, 688, 707 f.; House of Lords, Jones v. Ministry of the Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening) [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC 270, Rn. 10 (Lord Bingham of Cornhill); Bundesgericht (Schweiz), Marcos and Marcos v. Federal Department of Police, ILR 102 (1996), S. 198, 203 = BGE 115 Ib 496, 501; BGH, NJW 32 (1979), S. 1101, 1102; Akande/ Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 825; Breuer, FS Klein, S. 747, 753; Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 286 ff.; Gehrlein, Strafbarkeit, S. 84 f.; Herdegen, ZaöRV 47 (1987), S. 221, 223; Senn, Immunitäten, S. 43, 59 f.; Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 200 f.; Watts, Recueil des Cours 247 (1994 III), S. 9, 89 f.; vgl. auch IGH, Certain Questions of Mutual Assistance in Criminal Matters, ICJ Reports 2008, S. 177, 241 ff.; kritisch Tangermann, Immunität, S. 149 ff. 1038 Es gibt eine lebhafte Diskussion über eine Ausnahme (zumindest) von dieser Immunität in Fällen schwerer Verletzungen der Menschenrechte und insbesondere des jus cogens. Vgl. dazu Institut de Droit International, Resolution on the Immunity from Jurisdiction of the State and of Persons Who Act on Behalf of the State in Case of International Crimes, Art. III Abs. 1, Ann. IDI 73 (2009), S. 226, 227; Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 638 f.; Cassese, EJIL 13 (2002), S. 853, 870 ff.; Herdegen, ZaöRV 47 (1987), S. 221, 224 ff.; Karl, Immunität, S. 71 ff.; O’Keefe, in: Tams/Sloan, S. 107, 127 ff.; Senn, Immunitäten, S. 63 ff.; Steiger, Folterverbot, S. 553 ff.; vgl. i.Ü. zu den in diesem Sinne berühmt gewordenen Urteilen des House of Lords im Pinochet-Fall das spätere, in der vorstehenden Fußnote zitierte Urteil in Jones, Rn. 86 ff. (Lord Hoffmann). Auch wird angenommen, dass es keine Immunität ratione materiae für Taten auf dem Gebiet des Gerichtsstaats geben könne, wenn dieser Staat der Anwesenheit des fremden Amtsträgers nicht zugestimmt hatte: ILC, Second report on Immunity of State Officials from Foreign Criminal Jurisdiction, by Roman Anatolevich Kolodkin, Special Rapporteur, UN Doc. A/CN.4/631, S. 52 ff., 60 f.; High Court (Queen’s Bench Division, Divisional Court) (England und Wales), Khurts Bat v. Investigating Judge of the Federal Court of Germany [2011] EWHC 2029 (Admin), [2013] 1 QB 349, Rn. 99 ff. (Moses LJ), Rn. 105 (Foskett J); Herdegen, ZaöRV 47 (1987), S. 221, 225; Karl, Immunität, S. 66 f.; Lüke, Immunität, S. 63 f.; Sanger, ICLQ 62 (2013), S. 193, 202 ff.; offen Foakes/O’Keefe, in: O’Keefe/Tams, S. 224; Ryngaert, GoJIL 3 (2011), S. 829, 858 mit Fn. 117. 1039 EGMR, Jones and Others v. United Kingdom, Urteil vom 14. 01. 2014, verfügbar unter http://echr.coe.int, Rn. 202, 213; House of Lords, Jones v. Ministry of the Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening) [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC 270, Rn. 10 (Lord Bingham of Cornhill); Court of Appeal (England und Wales), Zoernsch v. Waldock [1964] 2 All ER 256, 266 (Diplock LJ); Court of Appeal of Ontario (Kanada), Jaffe v. Miller, ILR 95 (1994), S. 446, 458 f.;Court of Appeal (Civil Division)

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Die Parallelität der funktionalen Immunität mit der Monetary Gold-Doktrin ist jedoch nicht vollständig. Die funktionale Immunität beruht nicht nur auf dem Gedanken, dass die Immunität des Staates nicht umgangen werden darf, sondern auch zentral auf der Erwägung, dass ein Staat nicht die Handlungsweise eines anderen dadurch beherrschen darf, dass er fremde Funktionsträger für die von ihnen ausgeführten Staatsakte vor Gericht stellt.1040 Sie erfasst deshalb nur solche Fälle, in denen ein Amtswalter eines fremden Staates für seine dem Staat zurechenbaren Handlungen zur Verantwortung gezogen werden soll und in denen folglich fremde staatliche Handlungen unmittelbar streitgegenständlich sind. Das ist zwar eine Fallgruppe, in der ein Gericht inzident – oder doch zumindest zugleich – die Rechtmäßigkeit der staatlichen Handlung prüft. Darüber hinaus lässt sich aber nicht nachweisen, dass auch jede andere inzidente Befassung eines innerstaatlichen Gerichts mit den Hoheitsakten eines fremden Staates verboten wäre.1041 Erst ein solcher Befund ergäbe aber eine Parallele der Rechtslage bei der Staatenimmunität mit der Monetary Gold-Doktrin, denn die letztere ist nicht von einer besonderen Form des Auftretens der Drittstaatsfrage abhängig. Zwar lehnen es die Gerichte in Staaten der Rechtstradition des common law auch bei einer nur inzidenten Befassung oftmals ab, Hoheitsakte fremder Staaten als rechtswidrig zu verwerfen.1042 Diese Rechtslage ist besonders in den USA unter dem Stichwort der act of state doctrine bekannt, während das englische Recht nicht

(England und Wales), Propend Finance Pty. Ltd. v. Sing, ILR 111 (1998), S. 611, 653, 669 (Leggatt LJ); Akande/Shah, EJIL 21 (2010), S. 815, 827; Foakes, Position, S. 137; Gehrlein, Strafbarkeit, S. 89; Steinberger-Fraunhofer, Strafgerichtshof, S. 200; vgl. auch Breuer, FS Klein, S. 747, 753 („Verurteilung für in amtlicher Eigenschaft begangene Taten mittelbar ein Urteil auch über den fremden Staat“ – Hervorhebung nicht im Original); O’Keefe, in: Tams/ Sloan, S. 107, 126; Ryngaert, GoJIL 3 (2011), S. 829, 858 („the immunity of officials is derived from the immunity of the entity which they serve“); Steiger, Folterverbot, S. 552 („unmittelbarer Ausfluss der Staatenimmunität“). 1040 Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 638; vgl. auch Herdegen, ZaöRV 47 (1987), S. 221, 223 (mit der Verfolgung fremder Amtsträger werde die freie Willensbildung der Staatsorgane beeinflusst); Karl, Immunität, S. 32 (geschützt werde die Funktionsfähigkeit der Staaten, weil ohne die Immunität jeder Amtsträger nicht nur den Weisungen seines Staates, sondern auch potenziell dem Recht jedes anderen Staates unterstünde); Pieper, FS Klein, S. 839, 846 f. (Schutz der Funktionsfähigkeit der fremden Hoheitsgewalt). 1041 Herdegen, ZaöRV 47 (1987), S. 221, 225; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 775 f.; vgl. auch Aust, Complicity, S. 317; Lüke, Immunität, S. 64, 66; wohl a.A. Hess, Staatenimmunität, S. 326 f.; Van Schaack, JICJ 10 (2012), S. 133, 149. 1042 Vgl. zu den beiden wichtigsten Rechtsordnungen des common law U.S. Supreme Court, Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 427 (1964); Kirkpatrick v. Environmental Tectonics Corp., 493 U.S. 400, 405 (1990); House of Lords, Buttes Gas and Oil Co. v. Hammer (No. 3) [1982] AC 888, 931 ff. (Lord Wilberforce); Kuwait Airways Corp. v. Iraqi Airways Co. (Nos. 4 and 5) [2002] 2 AC 883, Rn. 135 (Lord Hope of Craighead). Eine im Ansatz, nicht aber in ihrer Reichweite vergleichbare Norm (über die Hinnahme der Enteignungen, die ein anderer Staat auf seinem Territorium durchführt) gibt es auch im deutschen Recht: BVerfGE 84, 90, 123; OLG Hamburg, NordÖR 8 (2005), S. 431, 432.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

unbedingt diese Bezeichnung verwendet, aber inhaltlich ähnlich verfährt.1043 Diese Rechtslage deutet jedoch nicht auf eine Norm des Völkergewohnheitsrechts hin, die innerstaatlichen Gerichten die Anwendung einer Form der Monetary Gold-Doktrin aufgäbe. Die Staaten der Rechtstradition des civil law kennen eine solche Norm bereits nicht,1044 so dass die Staatenpraxis nicht einheitlich ist. Außerdem stimmt die Rechtsfolge der act of state doctrine nicht mit einer innerstaatlichen Form der Monetary Gold-Doktrin überein, denn die letztere Doktrin ordnet nicht die Hinnahme der Hoheitsakte eines Drittstaats als wirksam an, sondern steht jeder Sachentscheidung über den Drittstaat entgegen, während die act of state doctrine nur die Verwerfung eines fremden Hoheitsakts als rechtswidrig und unwirksam unterbindet.1045 Im Übrigen lässt sich hinsichtlich der act of state doctrine selbst in den Staaten, in denen sie gilt, nicht der Nachweis einer entsprechenden völkerrechtlichen Rechtsüberzeugung führen. Zwar trifft es zu, dass ein Staat dem völkerrechtlichen Verbot einer Entscheidung über die Angelegenheiten eines anderen Staates auch dadurch nachkommen kann, dass seine Gerichte eine an sich nur innerstaatliche Grenze der Justiziabilität anwenden;1046 es ist also nicht unbedingt maßgeblich, dass die Ablehnung der Entscheidung verbal nur auf Gründe des innerstaatlichen Rechts gestützt wird. Zu der Regel, nach der fremde Hoheitsakte nicht in Frage gestellt werden, wurde jedoch nicht nur ausdrücklich entschieden, dass diese vor allem der innerstaatlichen Gewaltenteilung geschuldet sei, sondern eine entsprechende völkerrechtliche Norm wurde sogar ausdrücklich verneint.1047 Deshalb kann der fremde 1043 Vgl. Jennings, Place, S. 20. Auch im englischen Recht wird dieser Begriff aber bisweilen verwendet: vgl. nur House of Lords, R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte (No. 3) [2000] 1 AC 147, 269 (Lord Millett), 286 (Lord Phillips of Worth Matravers). 1044 BVerfGE 92, 277, 323; 96, 68, 90; BGHSt 39, 1, 5; High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Yukos Capital S.a.r.l. v. OJSC Rosneft Oil Co. (No. 2) [2011] EWHC 1461 (Comm), [2012] All ER (Comm) 479, Rn. 134 (Hamblen J); Lüke, Immunität, S. 66. Vgl. aber zu Anklängen in der französischen Rechtsprechung Lüke, ebda., S. 67 f.; Tangermann, Immunität, S. 146. Zum deutschen Recht s. o., Fn. 1042. 1045 Vgl. Fox/Webb, State Immunity, S. 70; Jennings, Place, S. 12; Pieper, FS Klein, S. 839, 842; Tangermann, Immunität, S. 145; im letzteren Sinne auch U.S. Supreme Court, Kirkpatrick v. Environmental Tectonics Corp., 493 U.S. 400, 405 ff. (1990); Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Yukos Capital S.a.r.l. v. OJSC Rosneft Oil Co. (No. 2) [2012] EWCA Civ 855, [2014] 1 QB 458, Rn. 110 (Rix LJ); Berentelg, Act of State, S. 115 ff.; Hill, RabelsZ 46 (1982), S. 118, 123 f.; anders neuerdings High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Rahmatullah v. Ministry of Defence [2014] EWHC 3846 (QB), verfügbar unter http:// www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2014/3846.html, Rn. 123, 128 ff. (Leggatt J). 1046 Vgl. Crawford, BYIL 54 (1983), S. 75, 81. 1047 U.S. Supreme Court, Banco Nacional de Cuba v. Sabbatino, 376 U.S. 398, 421 ff. (1964), House of Lords, Buttes Gas and Oil Co. v. Hammer (No. 3) [1982] AC 888, 926, 931 (Lord Wilberforce); vgl. House of Lords, R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte (No. 3) [2000] 1 AC 147, 269 (Lord Millett); Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Yukos Capital S.a.r.l. v. OJSC Rosneft Oil Co. (No. 2) [2012] EWCA Civ 855, [2014] 1 QB 458, Rn. 66 (Rix LJ); so auch BVerfGE 92, 277, 323; 96, 68, 90;

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Staat auch nicht auf das Eingreifen der act of state doctrine verzichten,1048 wohingegen er die Sperrwirkung der Monetary Gold-Doktrin sehr wohl aufheben kann, indem er seine Zustimmung zum Prozess erteilt (und evtl. daran teilnimmt).1049 Die Zurückhaltung der Gerichte des common law bei der Entscheidung über fremde Hoheitsakte beruht daher nicht auf einer völkerrechtlichen Immunität dieser Akte vor den inzidenten Entscheidungen eines fremden Gerichts. Dieser Befund wird – zumindest im englischen Recht – noch dadurch bestätigt, dass kein umfassendes Verbot der Sachentscheidung über die Angelegenheiten fremder Staaten besteht, sondern die Gerichte nur unfähig sind zu entscheiden, wenn es entweder um nur politisch zu bewertende Transaktionen fremder Staaten geht1050 oder das innerstaatliche Recht die Entscheidung nicht erfordert, also insbesondere die Rechte der Prozessparteien keinen „foothold“ für die Entscheidung über eine an sich nicht justiziable Frage bilden.1051 Daneben mögen die Achtung vor der souveränen Gleichheit anderer Staaten und die internationale Courtoisie – wie bereits erwähnt, nur als Erwägung des innerstaatlichen Rechts – eine Rolle spielen können.1052 Keinesfalls begründen sie aber eine umfassende Unzulässigkeit der Sachentscheidung. Vielmehr können Erwägungen zur britischen public policy, die dem innerstaatlichen Recht zugerechnet und auch inhaltlich schwerlich als Ausfüllung

BGHSt 39, 1, 5; Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 256; Jennings, Place, S. 13, 20; Lüke, Immunität, S. 66; Pieper, FS Klein, S. 839, 842; Tangermann, Immunität, S. 146; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 775 f.; teils a.A. Hess, Staatenimmunität, S. 326 f. Zu Zuständigkeitsfragen bei der Hinnahme fremder Hoheitsakte vgl. Berentelg, Act of State, S. 11 ff. 1048 Fox/Webb, State Immunity, S. 70; Hill, RabelsZ 46 (1982), S. 118, 125; Jennings, Place, S. 12 f. 1049 Hierzu noch eingehend unten, 2. Teil A. IV. dieser Arbeit. 1050 UK Supreme Court, Shergill v. Khaira [2014] UKSC 33, [2014] 3 WLR 1, Rn. 40, 42 (Lord Neuberger of Abbotsbury, Lord Sumption und Lord Hodge). Vgl. auch bereits Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Yukos Capital S.a.r.l. v. OJSC Rosneft Oil Co. (No. 2) [2012] EWCA Civ 855, [2014] 1 QB 458, Rn. 87 (Rix LJ), wo auf dieser Grundlage entschieden wurde, dass die act of state doctrine nicht für die Akte ausländischer Gerichte gelte, weil die Rechtsprechung immer nach rechtlichen und nicht politischen Maßstäben beurteilt werden kann. 1051 UK Supreme Court, Shergill v. Khaira [2014] UKSC 33, [2014] 3 WLR 1, Rn. 43 (Lord Neuberger of Abbotsbury, Lord Sumption und Lord Hodge); dem folgend High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Rahmatullah v. Ministry of Defence [2014] EWHC 3846 (QB), verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2014/3846.html, Rn. 135 ff., 171 (Leggatt J). Zu früheren Entscheidungen vgl. Fox/Webb, State Immunity, S. 65 ff. 1052 Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2014] EWCA Civ 1394, [2015] 2 WLR 1105, Rn. 66 f. (Lord Dyson MR); anders High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Rahmatullah v. Ministry of Defence [2014] EWHC 3846 (QB), verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2014/3846.html, Rn. 158 ff. (Leggatt J). Im zitierten Fall des Court of Appeal ist die Revision zum UK Supreme Court zugelassen.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

eines Ausnahmetatbestands einer völkerrechtlichen Norm erklärt werden kann, die Sachentscheidung erlauben.1053 Instruktiv ist insoweit auch der Gang des Rechtsstreits vor den britischen Gerichten in der Sache Kuwait Airways Corp. v. Iraqi Airways Co. Hier ging es darum, dass der Irak nach seiner Invasion in Kuwait u. a. das Eigentum der staatlichen kuwaitischen Fluggesellschaft an seine eigene staatliche Fluggesellschaft übertragen hatte. Dazu hatte das House of Lords zunächst entschieden, dass die beklagte staatliche Fluggesellschaft des Irak hinsichtlich einiger der streitgegenständlichen Handlungen funktionale Immunität genieße, weil sie insoweit die Hoheitsgewalt des Irak ausgeübt hatte.1054 Hinsichtlich anderer Gegenstände der Klage fand jedoch keine Zurechnung zum Irak statt; allerdings blieb es dabei, dass die Rechtswidrigkeit der irakischen Enteignungen inzident zu prüfen war. Insoweit bestanden (nach der Zurückverweisung der Sache an den High Court) nur Probleme hinsichtlich der – ausdrücklich nicht völkerrechtlich determinierten – Justiziabilität der Klage. Die Klage hatte aber dennoch Erfolg, gerade weil die Invasion Kuwaits und die daran anschließenden Enteignungen grob völkerrechtswidrig gewesen waren, so dass einer Anerkennung die britische „public policy“ entgegenstand.1055 An der inzidenten Entscheidung über die Rechtswidrigkeit der fremden Hoheitsakte war die britische Gerichtsbarkeit also im Ergebnis nicht gehindert. Nicht entschieden wurde der Fall nur insoweit, als die Beklagte hoheitlich gehandelt hatte und folglich staatliche Handlungen unmittelbar vor Gericht standen. Soweit dagegen amtliche Handlungen anderer Stellen nur inzident von Bedeutung waren, ist ein Sachurteil ergangen. Der Rechtsstreit zeigt daher deutlich den Unterschied zwischen der Anwendung der funktionalen Immunität einer Prozesspartei und der (Nicht-)Anwendung einer weitergehenden Norm, die auch bloß inzidente Prüfungen fremder staatlicher Handlungen verböte.1056 1053

House of Lords, Oppenheimer v. Cattermole [1976] AC 249, 277 f. (Lord Cross of Chelsea); Kuwait Airways Corp. v. Iraqi Airways Co. (Nos. 4 and 5) [2002] 2 AC 883, Rn. 29 (Lord Nicholls of Birkenhead), Rn. 137 ff. (Lord Hope of Craighead); vgl. auch die Darstellung und ausdrückliche Erweiterung in Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2014] EWCA Civ 1394, [2015] 2 WLR 1105, Rn. 81 ff., 114 ff. (Lord Dyson MR) (auch insoweit ist die Revision zum UK Supreme Court zugelassen). Auch das deutsche internationale Enteignungsrecht kennt einen ordre public-Vorbehalt: BVerfGE 84, 90, 123; OLG Hamburg, NordÖR 8 (2005), S. 431, 432; Berentelg, Act of State, S. 144 ff.; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht, S. 777. 1054 House of Lords, Kuwait Airways Corp. v. Iraqi Airways Co. (No. 1), ILR 103 (1996), S. 340, 391, 397 ff. (Lord Goff of Chieveley). 1055 House of Lords, Kuwait Airways Corp. v. Iraqi Airways Co. (Nos. 4 and 5) [2002] 2 AC 883, Rn. 29 (Lord Nicholls of Birkenhead), Rn. 137 ff. (Lord Hope of Craighead). 1056 Auch Higgins, NILR 29 (1982), S. 265, 275 f., geht davon aus, dass Immunität nur bei einem entsprechend berechtigten Beklagten oder Angeklagten eingreift und dass die act of state doctrine dagegen inhaltsbezogen wirkt und daher jedermann zugute kommen kann, der in einem einschlägigen Prozess Partei ist; so auch Tangermann, Immunität, S. 145; vgl. auch House of Lords, R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte (No. 3) [2000] 1 AC 147, 286 (Lord Phillips of Worth Matravers).

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

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Darüber hinaus haben britische Gerichte es schon ausdrücklich abgelehnt, die Rechtsprechung des IGH aus dem East Timor-Fall im Recht der Staatenimmunität anzuwenden.1057 Nach Auffassung dieser Gerichte kann nicht das Recht der Staatenimmunität, sondern allenfalls die innerstaatliche act of state doctrine der inzidenten Beanstandung der Akte anderer Staaten in einem Verfahren zwischen Privaten und britischen Staatsorganen entgegenstehen.1058 Zum Recht der Staatenimmunität führte der englische High Court dabei aus: „The immunity does not apply merely because the court may be invited to consider the actions of a foreign state or its agents, in circumstances where the claim is not made against the foreign state or those who act on its behalf.“1059

Eine völkerrechtliche Norm für das Verhalten innerstaatlicher Gerichte, die inhaltlich der Monetary Gold-Doktrin entspräche, existiert nach alledem nicht. Andernfalls wäre auch im internationalen Privatrecht eine Prüfung, ob die an sich anzuwendende ausländische Norm wegen eines Verstoßes gegen Völkerrecht den ordre public des Gerichtsstaats verletzt, problematisch.1060 Solche Prüfungen sind aber durchaus zulässig und sogar geboten.1061 Außerdem ist, soweit ersichtlich, anlässlich der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, dass viel für eine Völkerrechtswidrigkeit des Irakkriegs des Jahres 2003 spreche und dass u. a. deshalb eine Befehlsverweigerung im Zusammenhang mit dem damaligen Schutz USamerikanischer Kasernen durch die Bundeswehr zulässig gewesen sei,1062 nicht 1057

Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2014] EWCA Civ 1394, [2015] 2 WLR 1105, Rn. 42 (Lord Dyson MR); High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2013] EWHC 4111 (Admin), verfügbar unter http:// www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2013/4111.html, Rn. 72 f. (Simon J); Rahmatullah v. Ministry of Defence [2014] EWHC 3846 (QB), verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/ EWHC/QB/2014/3846.html, Rn. 78 (Leggatt J); alle auch zu Art. 6 Abs. 2 lit. b der United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property, UN Doc. A/59/ 508; vgl. dazu auch Fox/Webb, State Immunity, S. 49. 1058 Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2014] EWCA Civ 1394, [2015] 2 WLR 1105, Rn. 48 ff. (Lord Dyson MR); High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2013] EWHC 4111 (Admin), verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2013/4111.html, Rn. 55, 63 ff., 76, 79, 145 ff. (Simon J); Rahmatullah v. Ministry of Defence [2014] EWHC 3846 (QB), verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2014/3846.html, Rn. 78, 102 ff. (Leggatt J). 1059 High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Belhaj v. Straw [2013] EWHC 4111 (Admin), verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/EWHC/QB/2013/ 4111.html, Rn. 67 (Simon J). 1060 Vgl. Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Yukos Capital S.a.r.l. v. OJSC Rosneft Oil Co. (No. 2) [2012] EWCA Civ 855, [2014] 1 QB 458, Rn. 87, 89, 134 (Rix LJ). 1061 Vgl. nur Hofmann, ZaöRV 49 (1989), S. 41, 42 f., 54 ff., und z. B. LG Hamburg, RabelsZ 37 (1973), S. 579, 581 f. 1062 BVerwG, NJW 59 (2006), S. 77, 93 ff. Das Bundesverfassungsgericht hat es in BVerfGE 112, 1, 31, nur für nicht ausgeschlossen gehalten, dass die dort relevanten Enteignungen in der sowjetischen Besatzungszone gegen zwingendes Völkerrecht verstoßen hatten; die Frage stand aber auch nicht zur Entscheidung an.

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1. Teil: Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin

angenommen worden, dass eine solche Entscheidung deutschen Gerichten verboten sei.1063 Wenn demnach inzidente – auch notwendig inzidente – Feststellungen staatlicher Gerichte über fremde Staaten solange nicht gegen Völkerrecht verstoßen, wie nicht die angeklagten oder streitgegenständlichen Handlungen selbst einem anderen Staat zurechenbar sind und daher die funktionale Immunität zugunsten des Angeklagten oder Beklagten eingreift, kennt das Recht der Staatenimmunität keine vollumfängliche Entsprechung zur Monetary Gold-Doktrin des IGH. Das Recht der Staatenimmunität geht daher zwar, wie erwähnt, von demselben Grundgedanken, nämlich von dem Schutz der staatlichen Souveränität, aus wie das Konsensprinzip der Jurisdiktion des IGH, hat aber im Einzelnen einen anderen Weg genommen.1064 Es schützt Staaten nämlich zwar vor einer Umgehung ihrer Immunität in Fällen, in denen ein anderer Staat gerichtlich gegen die bei einer ihrer Handlungen konkret tätigen Personen vorgeht, aber nicht vor anderen Konstellationen, in denen fremde Gerichte über ihre Angelegenheiten zu befinden haben können. Der sachliche Grund hierfür liegt in dem unterschiedlichen Ausgangspunkt der Staatenimmunität einerseits und der Jurisdiktion des IGH andererseits: Die Staatenimmunität ist eine Ausnahme von der im Rahmen der völkerrechtlichen Jurisdiktion ihres Staates grundsätzlich gegebenen, aus der staatlichen Souveränität abzuleitenden1065 Allzuständigkeit der staatlichen Gerichte.1066 Als Ausnahme ist sie daher eng auszulegen.1067 Die Jurisdiktion des IGH dagegen ist nicht der Regelfall, sondern muss positiv begründet werden.1068 Einschränkungen der Jurisdiktion sind deshalb zwar nicht zu vermuten; insbesondere gibt es keine Norm, nach der die 1063 Der Ausspruch über die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkriegs war jedoch auch nicht nötig und ist deshalb nur als (langes) obiter dictum und ohne letzte Festlegung erfolgt. Kritik an der Entscheidung findet sich deshalb nicht zuletzt wegen der völkerrechtlichen Aussagen bei Kotzur, JZ 61 (2006), S. 25, 28 ff.; Ladiges, NJW 59 (2006), S. 956 ff.; es wird aber nicht gerügt, dass die Aussagen über die USA deren Immunität missachtet hätten. 1064 Dies zeigt sich auch an der Ausnahme von der Staatenimmunität für acta jure gestionis (s. o., Fn. 1036), die das Konsensprinzip der internationalen gerichtlichen Jurisdiktion nicht kennt; dazu Jennings, ZaöRV 47 (1987), S. 3, 5; ders., Place, S. 20 ff. 1065 Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 209, 210; Jennings, Place, S. 21 f. 1066 IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, Joint Separate Opinion of Judges Higgins, Kooijmans and Buergenthal, ICJ Reports 2002, S. 63, 84; ebda., Dissenting Opinion of Judge Al-Khasawneh, S. 95, 96; Higgins, NILR 29 (1982), S. 265, 271; Jennings, Place, S. 12, 17 f.; zweifelnd Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 210 f. 1067 IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, Dissenting Opinion of Judge Al-Khasawneh, ICJ Reports 2002, S. 95, 96; vgl. auch, e contrario, zum gegensätzlichen Schluss bei der Auslegung von Unterwerfungserklärungen nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts, IGH, Fisheries Jurisdiction (Spain v. Canada), Jurisdiction, ICJ Reports 1998, S. 432, 453 (Vorbehalte zu den Erklärungen seien nicht restriktiv auszulegen, weil sie keine Ausnahme von einer sonst begründeten Jurisdiktion begründen, sondern integraler Bestandteil der Jurisdiktionsgrundlage sind; a.A. Habicht, Post-War Treaties, S. 1000). Die Zweifel bei Giegerich, in: Tomuschat/Thouvenin, S. 203, 210 f., dürften sich auch auf diese Annahme beziehen. 1068 Jennings, Place, S. 21.

B. Die Begründung der Monetary Gold-Doktrin

247

staatlichen Unterwerfungsakte im Zweifel eng auszulegen seien.1069 Allerdings sind Einschränkungen der Kompetenz des IGH danach im Ansatz leichter anzunehmen als Einschränkungen der Jurisdiktion staatlicher Gerichte durch völkerrechtliche Immunitäten. Vor allem aber kann – ähnlich wie schon bei dem oben angestellten Vergleich der Monetary Gold-Doktrin mit dem allgemeinen Völkervertragsrecht – nicht angenommen werden, dass mit einem nur inzidenten Ausspruch eines innerstaatlichen Gerichts bereits annähernd dasselbe erreicht sei wie mit einem Urteil, das sich tatsächlich gegen den erwähnten Staat richtet und das denselben inhaltlichen Ausspruch in für diesen Staat rechtlich verbindlicher Weise trifft. Anders als im Völkerrecht kommt es nämlich bei innerstaatlichen Richtersprüchen nicht vor allem auf ihre moralische Autorität an, weil es im innerstaatlichen Recht regelmäßig Wege zur annähernd automatischen Vollstreckung eines Urteils gibt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein Staat auch dann Immunität im Vollstreckungsverfahren genießen kann, wenn er im Erkenntnisverfahren nicht immun war,1070 denn dieser Sonderfall führt nicht dazu, dass eine von vornherein nicht vollstreckbare gerichtliche Aussage über einen Staat einem Urteil gegen ihn gleichwertig wäre, sondern er vermindert nur den Wert des im Erkenntnisverfahren zu erlangenden Urteils. Außerdem haben innerstaatliche Urteile über völkerrechtliche Fragestellungen auch nicht dieselbe moralische Autorität wie Urteile des IGH.1071 Die inzidenten Aussprüche innerstaatlicher Gerichte über fremde Staaten sind deshalb weniger bedeutsam als solche des IGH. Die Monetary Gold-Doktrin ist deshalb nicht mit der Erwägung anzugreifen, dass das Recht der Staatenimmunität keine entsprechende Norm kenne.

1069

IGH, Oil Platforms, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Higgins, ICJ Reports 1996-II, S. 847, 857; Orakhelashvili, LPICT 6 (2007), S. 159, 169; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 35; vgl. auch IGH, Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1995, S. 6, 18; Bernhardt, GYIL 42 (1999), S. 11, 14; Dörr, in: ders./ Schmalenbach, Art. 31 Rn. 34. 1070 Vgl. BVerfGE 46, 342, 364 ff.; Szodruch, Staateninsolvenz, S. 382 f. 1071 In diesem Sinne hat ein kanadisches Gericht ausgesprochen, dass die Gewährung einer Immunität an einen ausländischen Staat, der nicht am Prozess beteiligt ist und die Immunität auch nicht geltend gemacht hat, „would elevate a simple suit to a degree of international importance“: Court of King’s Bench (Québec) (Appeal Side), Rose v. The King [1947] 3 DLR 618, 648 (Bissonette J). Vgl. dagegen zur Wahrnehmung des IGH als „supreme public international law tribunal“ Mendelson, FS Jennings, S. 63, 83; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 38 Rn. 316; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 577; vgl. auch Kolb, Introduction, S. 149 („the most eminent judicial authority in international relations“).

Zweiter Teil

Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin Vor dem Hintergrund der vorstehenden Begründung der Monetary Gold-Doktrin stellen sich nun die Fragen, in welchen Fallkonstellationen die Doktrin einer Sachentscheidung des IGH entgegenstehen kann und wie sich die Geltendmachung und Prüfung der Doktrin im Prozess vor dem IGH vollzieht. Zunächst werden dabei die inhaltlichen Fragen zu klären sein, bevor der prozessualen Behandlung der Doktrin nachgegangen werden wird. Abschließend soll dann noch in einem Exkurs der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch bzw. auf andere internationale Gerichte nachgegangen werden.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin Danach ist zunächst zu untersuchen, wann die Monetary Gold-Doktrin im Einzelnen zur Unzulässigkeit der Sachentscheidung führen kann. Hier lassen sich Fragen der Anwendung ratione materiae und ratione personae unterscheiden. Es wird daher zu ermitteln sein, welche einen Drittstaat betreffenden Fragen den Unzulässigkeitsgrund der Monetary Gold-Doktrin auslösen können und was für Subjekte als „Drittstaaten“ in Betracht kommen, insbesondere also ob auch nichtstaatliche Völkerrechtssubjekte relevante Drittinteressen haben können. Außerdem ist zu untersuchen, ob bestimmte Ausnahmen von der Monetary Gold-Doktrin anzunehmen sind, etwa wenn ein völkerrechtliches Delikt eines Drittstaats allgemeinkundig oder bereits verbindlich festgestellt ist. Dabei wird es sich zugleich anbieten, die Rechtsprechung des IGH und anderer internationaler Gerichte zu den unterschiedlichen Fallgruppen der Monetary GoldKonstellationen darzustellen und kritisch zu würdigen. Dies wird in erster Linie die Anwendung der Doktrin ratione materiae betreffen, sowie einige denkbare Ausnahmen von der Geltung des Unzulässigkeitsgrundes.

I. Mögliche Drittstaatsfragen In erster Linie ist daher zu fragen, was für Interessen eines Drittstaats den IGH an der Bearbeitung eines Falls hindern können. Angesichts des bereits erreichten Er-

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

249

gebnisses, dass der IGH erst dann an einer Sachentscheidung gehindert sein kann, wenn er eine auf einen Drittstaat bezogene Frage zwingend und ausdrücklich als Vorfrage der zwischen den Parteien streitigen Fallfrage beantworten muss, geht es hier darum, welche Vorfragen potenziell die Sperrwirkung der Monetary GoldDoktrin auslösen können. Die grundsätzliche Antwort ergibt sich unmittelbar aus der vorstehend beschriebenen Begründung der Doktrin. Wenn durch die Unzulässigkeit der Quasi-Entscheidung über die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats das Jurisdiktionsregime des Gerichtshofs vor einer Aushöhlung geschützt werden soll, kommt es darauf an, ob die Drittstaatsfrage wirklich einer Entscheidung zugeführt werden soll. Maßstab der Unzulässigkeit ist daher die hypothetische Rechtskraft des Urteils für den Drittstaat, seine personelle Bindung an das Urteil unterstellt. In diesem Sinne hypothetisch rechtskräftig wiederum wird jede Feststellung des IGH, die im operativen Teil des Urteils notwendig impliziert ist, weil der Gerichtshof sie auf dem Weg zum operativen Teil zwingend beantworten musste. Solche Feststellungen können über jede völkerrechtliche Frage erforderlich sein, von der die Rechte anderer Staaten – der Parteien vor dem IGH – abhängen können. Relevante Drittstaatsinteressen sind daher potenziell alle einen Drittstaat betreffenden Rechtsverhältnisse, von denen Rechte anderer Staaten untereinander abhängen oder die solche Rechte ausschließen. Es kommt deshalb darauf an, dass eine rechtliche Dreiecksbeziehung besteht, denn sonst könnten die Rechte des Drittstaats nicht zur Vorfrage in einem Verfahren zwischen zwei anderen Staaten werden. Eine abschließende Liste der möglichen Fälle kann hier nicht gegeben werden. Dennoch sollen im Folgenden einige in der bisherigen Diskussion besonders prominente Fallgruppen angesprochen werden. 1. Völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats Wie eben bereits angedeutet wurde, kann namentlich über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats als Vorfrage in einem Rechtsstreit vor dem IGH zu entscheiden sein. So lag es bereits im Monetary Gold-Fall. Dort führte der Gerichtshof aus: „In order, therefore, to determine whether Italy is entitled to receive the gold, it is necessary to determine whether Albania has committed any international wrong against Italy, and whether she is under an obligation to pay compensation to her; and, if so, to determine also the amount of compensation. […] To adjudicate upon the international responsibility of Albania without her consent would run counter to a well-established principle of international law embodied in the Court’s Statute, namely, that the Court can only exercise jurisdiction over a State with its consent.“1

Im Nauru-Fall konnte der Gerichtshof es dagegen noch vermeiden, direkt über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit Neuseelands und des Vereinigten Königreichs 1

32.

IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19,

250

2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

zu befinden.2 Im East Timor-Fall wäre jedoch Indonesiens Verantwortlichkeit für die Annexion Osttimors als Vorfrage des streitgegenständlichen Verbots des Vertragsschlusses betreffend Osttimor mit Indonesien zu prüfen gewesen. Eine rechtliche Dreiecksbeziehung ergab sich hier nämlich aus zwei Aspekten: Einerseits berief sich Portugal darauf, der Abschluss eines Vertrags betreffend Osttimor mit Indonesien sei ihm gegenüber rechtswidrig, was seitens Portugals geltend zu machen sei, weil damit Portugals Rechte als Mandatsträger und die Rechte Osttimors als Mandatsgebiet missachtet würden. Andererseits machte Portugal insoweit eine Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des Volks von Osttimor geltend, und zwar auf der Grundlage, dass diese Norm Australien erga omnes – und damit auch gegenüber Portugal – verpflichte.3 Die erstere Argumentation machte die Frage der Souveränität Indonesiens über Osttimor zum Streitgegenstand, weil diese Souveränität (die Indonesien in der Tat beanspruchte) die Rechte Portugals als Mandatsträger ausgeschlossen hätte. Der Gerichtshof hätte also entscheiden müssen, ob Indonesien nicht und Portugal sehr wohl den fraglichen Vertrag hätte schließen können.4 Die letztere Argumentation verlangte eine Auseinandersetzung mit dem vorgeblichen Delikt Indonesiens, weil das Selbstbestimmungsrecht des Volks von Osttimor die Prüfung verlangte, ob die indonesische Verwaltung Osttimors wirklich eine dem dortigen Volk fremde, nicht als Souverän legitimierte Staatsgewalt sei,5 die Australien nicht hätte anerkennen dürfen. Die von Portugal erhobenen Rügen angeblicher Völkerrechtsverstöße durch Australien setzten daher logisch notwendig eine Prüfung der Rechtsverhältnisse Indonesiens voraus, so dass die Monetary Gold-Doktrin anwendbar war. Ob Portugal der Unzulässigkeit aufgrund dieser Doktrin durch andere Rügen hätte entgehen können, soll nachfolgend im thematisch passenden Zusammenhang geprüft werden.6 Es trifft auch nicht zu, dass der IGH im East Timor-Fall letztlich doch eine ausdrückliche Feststellung über den Status Osttimors und das Selbstbestimmungs2

Dazu sogleich, unter a). Vgl. zum Ganzen bereits oben, 1. Teil A. IV. dieser Arbeit. 4 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 102; Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 221 f.; vgl. auch Rosenne, AJICL 8 (1996), S. 564, 566, 567; a.A. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 96 f., mit dem Argument, die alleinige Berechtigung Portugals zu dem fraglichen Vertragsschluss habe positiv festgestellt werden können, ohne zwingend zuvor die Berechtigung Indonesiens auszuschließen. Das trifft an sich zu, ebenso wie die Zuordnung eines umstrittenen Gebiets zur Souveränität einer der Parteien nach ihren Grundlagen positiv geprüft werden kann und nicht zwingend auf einer vorherigen Ablehnung einer anderen Souveränität im Ausschlussverfahren beruht. Auch diese positive Entscheidung fällt aber richtigerweise unter die Monetary Gold-Doktrin, weil Drittstaatsinteressen an dem (absoluten) Streitgegenstand bestehen (vgl. dazu noch unten, 2. Teil A. I. 2. dieser Arbeit). 5 Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 221 f.; Crawford, in: Alston, S. 7, 35; so auch, aber mit Kritik an der unzureichenden Begründung des IGH, Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 30 f., 33; i.E. a.A. im Vorfeld der Entscheidung des IGH und ohne nähere Begründung Simpson, Hastings ICLR 17 (1994), S. 323, 345. 6 S. u., 2. Teil A. I. 1. b) ee) dieser Arbeit. 3

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

251

recht des dortigen Volks getroffen habe. Dies wird zwar bisweilen unter Hinweis auf eine Passage im Urteil vertreten,7 in der es heißt: „For the two parties, the Territory of East Timor remains a non-self-governing territory and its people has the right to self-determination.“8

Dementsprechend wird gerügt, der IGH habe aus dieser – offenbar vom Gerichtshof selbst für zulässig gehaltenen – Feststellung nur noch die Konsequenz ziehen müssen, dass Australien hinsichtlich Osttimors mit Portugal hätte kontrahieren müssen. Diese Konsequenz sei von dem angeblichen Völkerrechtsverstoß Indonesiens unabhängig und stehe allenfalls neben der (auch) Indonesien treffenden Pflicht, das Selbstbestimmungsrecht des Volks von Osttimor zu achten.9 Diese Kritik beruht allerdings auf einem Missverständnis der zitierten Passage des Urteils. Richtigerweise hat der IGH dort keine Feststellung über den Status Osttimors bzw. seines Volks getroffen, sondern nur festgehalten, dass diese beiden Aussagen zwischen den Parteien unstreitig waren.10 Das ist die Bedeutung des Ausdrucks „[f]or the two parties“, wie sich insbesondere aus dem Anfang des nachfolgenden Absatzes des Urteils erhellt: „Nor is it at issue between the Parties that […].“11 Auch hat der IGH die fragliche Passage später nur als „tak[ing] note […] that, for the two Parties, the Territory of East Timor remains […]“ beschrieben.12 Der Gerichtshof hat also nicht die Feststellungen über Osttimor getroffen, die nach der Monetary Gold-Doktrin problematisch waren, sondern er hat die Parteien nur an ihre übereinstimmenden Auffassungen zu diesen Fragen erinnert. Seine eigene Hinderung an einer Entscheidung über diese Fragen hat er damit nicht in Frage gestellt. Auch im Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii war die Frage der Völkerrechtswidrigkeit der US-amerikanischen Hoheitsgewalt auf Hawaii angesichts der Klageanträge unausweichlich. Hier ergab sich das Dreiecksverhältnis aus der (behaupteten) Schutzpflicht des (angeblich fortbestehenden) Königreichs Hawaii, das danach gehalten sei, den Kläger vor der rechtswidrigen Ausübung von Hoheitsgewalt durch die USA zu schützen.13 An den Fällen Monetary Gold, East Timor und Larsen zeigt sich also, dass die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats zum Gegenstand einer Drittstaatsfrage im Sinne der Doktrin werden kann, die auf den Monetary Gold-Fall 7 Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 92 f.; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 318 f.; Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 391 f.; Schulte, in: Koufa, S. 531, 543; wohl auch Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 97. 8 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 103. Im Zusammenhang wiedergegeben unten, im 2. Teil A. III. 1. d) dieser Arbeit. 9 S. o., 2. Teil Fn. 7. 10 Scobbie/Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 201 mit Fn. 62; vgl. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285, 295; Rosenne, AJICL 8 (1996), S. 564, 567 f. 11 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 103. 12 Ebda., S. 105 (Hervorhebung nicht im Original). 13 Vgl. oben, 1. Teil A. V. 2. dieser Arbeit.

252

2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

zurückgeht und die in dieser Arbeit untersucht wird. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden zunächst die Anwendung der Monetary Gold-Formel im Nauru-Fall zu beleuchten sein. Anschließend wird es sich anbieten, einige andere Fallgestaltungen des materiellen Völkerrechts in den Blick zu nehmen, in denen sich das Problem der Monetary Gold-Doktrin mit Blick auf die Verantwortlichkeit eines Drittstaats aufdrängt. Insofern können aber angesichts der sehr vielfältigen Normen des materiellen Völkerrechts nicht alle in Betracht kommenden Konstellationen angesprochen werden. Bei den einzelnen Fallgruppen werden die materiell-rechtlichen Probleme auch nur insoweit erörtert werden, wie dies zur Lösung des prozessualen Problems der Monetary Gold-Doktrin nötig ist. Zentral wird daher jeweils nur die Frage sein, ob die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats zwingend zu prüfen ist oder nicht. a) Zur Anwendung der Monetary Gold-Formel im Nauru-Fall: Parallele Verantwortlichkeit mehrerer Staaten Wie bereits erwähnt wurde, sah sich der IGH im Nauru-Fall nicht aufgrund der Monetary Gold-Doktrin an der Sachentscheidung gehindert.14 In diesem Fall war Australien als tatsächlich Hauptverantwortlicher für die Handlungen der Mandatsmacht in Nauru verklagt worden. Der Mandatsträger war aber in der Rechtswirklichkeit „His Britannic Majesty“ gewesen, vertreten durch seine britische, seine neuseeländische und seine australische Regierung. Die Handlungen der Mandatsverwaltung waren daher seinerzeit sowohl Australien als auch – zugleich – dem Vereinigten Königreich und Neuseeland zurechenbar. Eine Feststellung des IGH über die Verantwortlichkeit Australiens hätte daher aufgrund der parallelen Rechtslage impliziert, dass ebenso das Vereinigte Königreich und Neuseeland verantwortlich wären. Diese Implikation hielt der Gerichtshof jedoch nicht für ausreichend, um seine Sachentscheidungskompetenz aufgrund der Monetary GoldDoktrin auszuschließen. Er unterschied insofern zwischen der gleichzeitigen („simultaneous“) Feststellung der Verantwortlichkeit der Drittstaaten, wie sie im NauruFall in Rede stand, und der vorherigen („previous“) Feststellung, die in Monetary Gold erforderlich gewesen wäre; unzulässig sei die Sachentscheidung nur in der letzteren Konstellation.15 In dieser Arbeit ist bereits dargelegt worden, dass die Grundlage der Monetary Gold-Formel, wonach nur bei notwendigen Vorfragen zu rechtlichen Interessen eines Drittstaats die Sachentscheidung ausscheidet, zutreffend ist. Dies ist darauf zu14

Zu dem Fall bereits oben, 1. Teil A. III. dieser Arbeit. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 261 f.; vgl. aus der späteren Rechtsprechung z. B. IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports 2005, S. 168, 238; Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 756; Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f. 15

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

253

rückzuführen, dass die Beantwortung nur einer solchen Frage für den Drittstaat – unter der Hypothese seiner personellen Bindung – in Rechtskraft erwüchse, und dass deshalb nur in einem solchen Fall die Erfordernisse seiner Zustimmung und seiner Anhörung umgangen und das Statut insofern ad absurdum geführt würden. Nur bei notwendig inzident zu beantwortenden Fragen ist nämlich die Antwort des Gerichtshofs rechtlich zwingend im rechtskräftigen Urteils implizit mit ausgesprochen.16 Damit verbleibt die Frage, ob auf der Grundlage dieser Fragestellung im NauruFall das richtige Ergebnis erzielt wurde. Dies mag zunächst bezweifelt werden, weil aufgrund der (Binnen-)Gestaltung des Mandats die Verantwortlichkeit Australiens ebenfalls rechtlich zwingend die Verantwortlichkeit des Vereinigten Königreichs und Neuseelands implizierte. Darauf kommt es jedoch nicht an. Der Ausgangspunkt der Überlegungen ist die – eben noch einmal formulierte – Frage, ob der Ausspruch über einen Drittstaat in (hypothetische) Rechtskraft erwächst. In Rechtskraft erwächst aber – wie ebenfalls bereits dargelegt wurde – immer nur der Inhalt des operativen Teils des Urteils, einschließlich der ihm zugeordneten notwendigen Bedingungen; die übrigen Gründe dienen nur der Auslegung des operativen Teils.17 Die Verantwortlichkeit des Vereinigten Königreichs und Neuseelands war aber keine notwendige Bedingung der Verantwortlichkeit Australiens.18 Sie begründete nämlich nicht die Verantwortlichkeit Australiens, sondern lag nur neben dieser vor. Selbst wenn – etwa in der Darstellung des Sachverhalts – die beiden Drittstaaten Erwähnung gefunden hätten, wäre dies also für den materiellen Umfang der Rechtskraft ohne Bedeutung geblieben. Im operativen Teil eines Urteils sind also Aussprüche über Rechtsverhältnisse eines Drittstaats nicht schon dann in relevanter Weise impliziert, wenn sie materiellrechtlich zwingend mit dem eigentlichen Ausspruch zusammenhängen. Vielmehr sind sie nur dann so implizit, dass sie (hypothetisch) in Rechtskraft erwachsen können, wenn sie eine logische Voraussetzung des Ausspruchs im operativen Teil des Urteils sind. Die Auffassung des Gerichtshofs aus Nauru erweist sich daher als zutreffend. In der Konsequenz kann die Verantwortlichkeit eines Staates für ein Delikt auch dann vor dem IGH geltend gemacht werden, wenn möglicherweise auch ein Drittstaat dasselbe Delikt begangen hat. Daran ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass der Drittstaat nicht nur mehr oder weniger zufällig wie der Beklagte gehandelt hat,19 sondern dass dieselben Handlungen sowohl ihm als auch dem Beklagten zurechenbar waren. Vielmehr bestätigt gerade auch für diesen Fall Art. 47 16

Dazu zusammenfassend oben, 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. Dazu bereits oben, 1. Teil B. I. 2. a) aa) (1) und III. 2. c) bb) (3) dieser Arbeit. 18 Vgl. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 296 f. 19 So war die Sachlage im Fall Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua; vgl. dazu oben, 1. Teil A. II. dieser Arbeit. 17

254

2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

der Artikel der ILC über die Staatenverantwortlichkeit, dass bei einer gemeinsamen Verantwortlichkeit mehrerer Staaten für dieselbe – d. h. eine einheitliche – völkerrechtswidrige Handlung die Verantwortlichkeit jeder dieser Staaten für die fragliche Handlung geltend gemacht werden kann, dass also die Haftung des einen nicht die Haftung des anderen bedingt.20 Der bloße Umstand, dass ein anderer Staat möglicherweise mit dem Beklagten und anteilig haftet, ändert nichts daran, dass der Beklagte haftet und seine Haftung (jedenfalls dem Grunde nach) festgestellt werden kann.21 Die parallele Verantwortlichkeit mehrerer Staaten begründet also kein Monetary Gold-Hindernis für ein gerichtliches Vorgehen gegen nur einen der mitverantwortlichen Staaten. b) Weitere Fallgruppen mit Bezug auf die Verantwortlichkeit eines Drittstaats aa) Beihilfe und Anstiftung zu völkerrechtlichen Delikten eines Drittstaats Zu den Fällen, in denen sich Vorfragen zur Verantwortlichkeit eines Drittstaats stellen würden, gehört dagegen die Konstellation der selbst völkerrechtswidrigen Beihilfe22 zu einem völkerrechtlichen Delikt eines anderen Staates. Hier geht es nicht um die parallele Verantwortlichkeit mehrerer Staaten, bei der die Verantwortlichkeit eines Drittstaats die eigene Verantwortlichkeit des Beklagten nicht vermindert oder sonst berührt. Vielmehr ist das Delikt des Haupttäters hier eine zwingende Voraussetzung für die eigene Haftung des Gehilfen. Deshalb hat auch die ILC selbst angemerkt, dass die Monetary Gold-Doktrin wohl eingreifen dürfte:

20

ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 313; vgl. dazu den Kommentar der ILC, ebda., S. 314 ff.; IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 358 f.; Besson, SZIER 17 (2007), S. 13, 32; Chinkin, in: Shiner/Williams, S. 161, 168 f.; Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 236; Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 209 f. Die ILC nimmt hierfür auch gerade den Nauru-Fall in Anspruch und bezieht sich insoweit auch auf die gerichtliche Durchsetzung der Staatenverantwortlichkeit; vgl. ihren Kommentar, S. 315. Art. 47 bezieht sich aber an sich nur auf die Geltendmachung der Verantwortlichkeit, nicht auf die prozessuale Rechtslage (Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 214), und bestätigt im Rahmen der Monetary Gold-Doktrin nur, dass keine Präjudizialität der Rechtsverhältnisse des Drittstaats für die Verantwortlichkeit des Beklagten besteht. 21 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 286, 297; Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 209 f., 215; vgl. Lorenz, Anwendungsbereich, S. 291. Vgl. zur Zulässigkeit der Feststellung der Haftung der Höhe nach 2. Teil A. I. 4. c) dieser Arbeit. 22 Vgl. nur Art. 16 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts sowie den Kommentar hierzu, UN Doc. A/56/10, S. 43, 155 ff., sowie IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 217; BVerwG, NJW 59 (2006), S. 77, 95, und sehr eingehend Aust, Complicity, S. 97 ff.; Felder, Beihilfe, S. 122 ff.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

255

„[The Monetary Gold] principle may well apply to cases under Article 16, since it is of the essence of the responsibility of the aiding or assisting State that the aided or assisted State itself committed an internationally wrongful act.“23

Diese Einschätzung musste die ILC nicht definitiv bestätigen oder verneinen, da ihre Aufgabe die Kodifizierung und Fortentwicklung des materiellen Völkerrechts der Staatenverantwortlichkeit war, nicht aber die Kodifizierung damit in Verbindung stehender Rechtssätze des Völkerprozessrechts.24 Die noch vorsichtig gefasste Einschätzung der ILC ist jedoch überzeugend. Wenn die Frage der Verantwortlichkeit des hauptsächlich verantwortlichen Staates bei der Ermittlung der Verantwortlichkeit des Gehilfen nicht unbeantwortet bleiben kann, ist die Verantwortlichkeit des Ersteren eine notwendige Voraussetzung der Verurteilung des Gehilfen im Sinne der Monetary Gold-Formel. Gleiches dürfte hinsichtlich der Struktur der von dem IGH anzuwendenden Norm für den Fall gelten, dass ein Staat wegen einer Anstiftung zu dem völkerrechtlichen Delikt eines Drittstaats vor den IGH gebracht wird.25 Allerdings kann angenommen werden, dass die Anstiftung zu einem völkerrechtlichen Delikt als solche (ohne Zwang oder effektive Kontrolle über den Haupttäter) grundsätzlich nicht völkerrechtswidrig ist, solange nicht besondere Bestimmungen eine solche Haftung begründen.26 Dies ist zwar zunächst eine Frage der Hauptsache. Wenn allerdings das Ergebnis dieser Frage in einem Fall des IGH sein sollte, dass die gerügte Anstiftung bereits deshalb nicht rechtswidrig ist, weil es kein relevantes Verbot der Anstiftung gibt, ist die Klage entscheidungsreif, ohne dass es auf die Haftung des Drittstaats für das Hauptdelikt ankäme. Insbesondere ginge es auch nicht darum, dass auf die Drittstaatsfrage eine für den Drittstaat günstige Antwort gegeben würde – auch das würde die Monetary Gold-Doktrin verhindern;27 vielmehr würde die Beantwortung der Drittstaatsfrage überhaupt vermieden. In diesem Fall wäre es also dem IGH zwar unmöglich, über die Haftung des Drittstaats zu entscheiden. Jedoch müsste er die Sachentscheidung nicht schon in einem Urteil über Vorgängige Einreden verweigern, sondern könnte die Einrede der Monetary Gold-Doktrin für nicht ausschließlich 23

Kommentar zu Art. 16 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 160; so auch Bartels, JIDS 4 (2013), S. 343, 349 (auch zu Art. 17, 18 der ILC Articles); Felder, Beihilfe, S. 247 f.; ähnlich Corten/Klein, in: Bannelier/ Christakis/Heathcote, S. 315, 322; Hilpold, Osttimor, S. 38; an der Anwendbarkeit der Monetary Gold-Doktrin i.E. zweifelnd, aber hinsichtlich der Notwendigkeit der Vorfrage zur Verantwortlichkeit des Haupttäters wohl zustimmend Aust, Complicity, S. 305 ff.; offen Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 310. 24 Vgl. den Kommentar zu Art. 16 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 160. 25 So auch IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 162, wobei Richter Weeramantry dies aber im Sinne einer reductio ad absurdum anführt. 26 Vgl. den Kommentar zu Kapitel IV der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 59, 154. 27 S. o., 1. Teil Fn. 696 und noch unten, bei Fn. 350.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

vorgängig erklären und über sie erst im Urteil über die Hauptsache entscheiden (Art. 79 Abs. 9 der Verfahrensordnung).28 Käme er dort dann zu dem Ergebnis, dass es bereits kein Verbot der Anstiftung gebe, könnte er den Fall in der Hauptsache entscheiden; die Klage wäre unbegründet. Nur soweit ein Verbot der Anstiftung bestünde, käme es auf die Drittstaatsfrage entscheidend an, und müsste der Gerichtshof die Sachentscheidung unterlassen. Anzumerken ist weiterhin, dass die ILC als Fall eines ausnahmsweise durch einen Vertrag verbotenen „incitement“ Art. III lit. c der Genozidkonvention29 zitiert hat,30 und dass sich insoweit kein Problem unter der Monetary Gold-Doktrin ergibt. Diese Norm verbietet jedes „direct and public incitement to genocide“; sie begründet dabei in erster Linie einen Tatbestand des Völkerstrafrechts und eine Strafverfolgungspflicht, verbietet aber zugleich auch Staaten solche Handlungen.31 Jeweils handelt es sich um ein (im Strafrecht) sog. erfolgskupiertes Delikt oder eine inchoate offence.32 Daher kommt es nicht darauf an, ob aufgrund der Äußerungen des Beklagten tatsächlich jemand – sei es ein Staat oder ein Individuum – Genozid begangen hat.33 Die bessere deutsche Übersetzung des Wortes „incitement“ ist insofern nicht „Anstiftung“, sondern vielmehr „Aufruf“, „öffentliche Aufforderung“ oder „Anstachelung“.34 Der IGH hätte also in keinem Fall zu prüfen, ob ein Drittstaat infolge der als „incitement“ gerügten Äußerungen entsprechende Delikte begangen hat. Es käme vielmehr nur auf den Inhalt der streitgegenständlichen Äußerungen, also auf deren Qualifizierung als Aufruf zum Genozid, an.35 Dabei stellen sich keine Drittstaats28

Dazu noch eingehend unten, 2. Teil B. III. Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, UNTS 78, S. 277. 30 Kommentar zu Kapitel IV der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 59, 154 Fn. 288. 31 Milanovic´, EJIL 17 (2006), S. 553, 570 ff.; Tams, in: ders./Berster/Schiffbauer, Art. I Rn. 51 ff., 66, 73; Wyler/Castellanos-Jankiewicz, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 284, 294 ff.; vgl. IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia-Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 1996, S. 595, 616; Jørgensen, Responsibility, S. 153, 269, 278; Nollkaemper, ICLQ 52 (2003), S. 615, 618 ff.; vgl. auch Felder, Beihilfe, S. 146 f. 32 Berster, in: Tams/Berster/Schiffbauer, Art. III Rn. 27; Milanovic´, EJIL 17 (2006), S. 553, 571 f. 33 Ambos, in: Triffterer, Art. 25 Rn. 34; Berster, in: Tams/Berster/Schiffbauer, Art. III Rn. 27; Milanovic´, EJIL 17 (2006), S. 553, 571 f. 34 Letzteren Ausdruck verwendet die (nicht verbindliche) deutsche Übersetzung des Art. 25 Abs. 3 lit. e des Statuts des IStGH (BGBl. 2000 II 1393, 1413). Die Übersetzung des Art. III lit. c der Genozidkonvention spricht von „Anreizung“ (BGBl. 1954 II 729, 730). Der Begriff „öffentliche Aufforderung“ ist hier dem erfolgskupierten Delikt des § 111 StGB entnommen. 35 Dasselbe dürfte für den ebenfalls von der ILC zitierten Art. 4 lit. c der International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination, UNTS 660, S. 195, gelten, denn die Norm richtet sich insbesondere ausweislich ihres lit. a gegen die Verbreitung von Rassenhass als solche und nicht nur gegen die Verursachung konkreter rassistisch motivierter Straftaten. 29

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

257

fragen. Selbst wenn ein anderer Staat aufgrund des Aufrufs des Beklagten einen Genozid begangen haben sollte, müsste der IGH das nicht aussprechen. bb) Auslieferungs- und Abschiebungsverbote Ein weiteres Problem der Bezugnahme auf das Verhalten eines Drittstaats stellt sich, wenn der IGH – etwa wegen einer im Wege des diplomatischen Schutzes erhobenen Klage36 – ein menschenrechtliches Verbot der Auslieferung an oder Abschiebung in einen Drittstaat zu prüfen hat, unter der Hypothese, dass der betroffenen Person dort Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen (non-refoulement).37 Hierzu hatte das Vereinigte Königreich im leading case des EGMR zum Verbot der Auslieferung in solchen Fällen, Soering v. United Kingdom, vorgetragen, ein solches Verbot führe zu einem „conflict with the norms of international judicial process, in that it in effect involves adjudication on the internal affairs of foreign States not party to the Convention or to the proceedings before the Convention institutions.“38

Der EGMR hat daraufhin jedoch hervorgehoben, dass es nicht darum gehe, die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats festzustellen: „[T]he decision by a Contracting State to extradite a fugitive may give rise to an issue under Article 3, and hence engage the responsibility of that State under the Convention, where substantial grounds have been shown for believing that the person concerned, if extradited, faces a real risk of being subjected to torture or to inhuman or degrading treatment or punishment in the requesting country. The establishment of such responsibility inevitably involves an assessment of conditions in the requesting country against the standards of Article 3 of the Convention. Nonetheless, there is no question of adjudicating on or establishing the responsibility of the receiving country, whether under general international law, under the Convention or otherwise. In so far as any liability under the Convention is or may be incurred, it is liability incurred by the extraditing Contracting State by reason of its having taken action which has as a direct consequence the exposure of an individual to proscribed ill-treatment.“39 36 Vgl. Higgins, LJIL 20 (2007), S. 745, 746. Vgl. i.Ü. zur Möglichkeit der Anwendung der Auslieferungs- und Abschiebungsverbote der EMRK durch den IGH Art. 55 EMRK und dazu Thienel, in: Karpenstein/Mayer, Art. 55 Rn. 3 f. 37 Zur menschenrechtlichen Norm (betreffend Auslieferungen) bereits oben, 1. Teil B. III. 2. b) dieser Arbeit. Die Norm erfasst auch Abschiebungen und Überstellungen jeglicher anderer Art: vgl. zur ersteren Erstreckung EGMR, Cruz Varas v. Sweden, Series A, No. 201, Rn. 70; Zimmermann, Grundrecht, S. 85 ff., und zur letzteren Aussage Alleweldt, Schutz, S. 71 f., sowie (implizit) EGMR, Naletilic´ v. Croatia, ILR 121 (2002), S. 209, 211 f.; AlSaadoon and Mufdhi v. United Kingdom, Urteil vom 02. 03. 2010, verfügbar unter http:// echr.coe.int, Rn. 123 f., 129 ff. 38 EGMR, Soering v. United Kingdom, Series A, No. 161, Rn. 83. 39 Ebda., Rn. 91; ganz ähnlich EGMR, Cruz Varas v. Sweden, Series A, No. 201, Rn. 69; Mamatkulov and Askarov v. Turkey (GC), RJD 2005-I, S. 293, 320; Shamayev and Others v.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Der Gerichtshof hat insofern allein darauf abgestellt, dass die von ihm festzustellende völkerrechtliche Verantwortlichkeit nur die beschwerdegegnerische Partei der EMRK betreffe, nicht aber den Zielstaat der Auslieferung oder Abschiebung, von dem das Risiko der konventionswidrigen Behandlung der betroffenen Person ausgeht. Damit übergeht der Gerichtshof allerdings die nach der Monetary GoldRechtsprechung des IGH wesentliche Frage, ob die Verantwortlichkeit des Drittstaats eine notwendige Vorfrage der Feststellung der Verantwortlichkeit des Beschwerdegegners ist. Dies ist auch dann denkbar, wenn der Gerichtshof an sich – nämlich nach dem Wortlaut des operativen Teils seines Urteils – nur eine Verletzung der Konvention durch den ausliefernden oder abschiebenden Staat feststellt. Hierzu deutet der Gerichtshof sogar an, dass ein Delikt des Drittstaats in der Tat eine Voraussetzung der Haftung des Beschwerdegegners sei, denn er nennt als Grund der Haftung die direkte Verursachung der verbotenen Misshandlung des Beschwerdeführers („action which has as a direct consequence the exposure of an individual to proscribed ill-treatment“). Ist aber diese Kausalität für die fremde Verletzungshandlung der Grund der Haftung des Beschwerdegegners, dann ist die fremde Verletzungshandlung selbst eine Voraussetzung der festzustellenden Verantwortlichkeit. Richtigerweise hat ein Gericht, das dieses menschenrechtliche Auslieferungsoder Abschiebungsverbot anwendet, jedoch nicht die Verantwortlichkeit eines Drittstaats zu prüfen. Ein Problem gemäß der Monetary Gold-Doktrin besteht daher nicht. Dabei kann hier offenbleiben, ob ein solches Problem insbesondere dann ausgeschlossen ist, wenn der fragliche Drittstaat nicht selbst Partei des anzuwendenden Menschenrechtsschutzvertrags (z. B. der EMRK) ist,40 wenn also nicht seine Verantwortlichkeit unter diesem Vertrag als Vorfrage zu prüfen ist, sondern allenfalls seine hypothetische Verantwortlichkeit in Rede steht, bei der seine Bindung an den Vertrag unterstellt wird.41 Auch kommt es nicht darauf an, ob die Monetary GoldDoktrin vielleicht deshalb unanwendbar ist, weil (zumeist) nur das Risiko eines Georgia and Russia, RJD 2005-III, S. 153, 248; zustimmend Sudre, RGDIP 94 (1990), S. 103, 109. Dementsprechend war es auch im frühen Fall der EKMR X. v. Austria and Yugoslavia, Yearbook of the European Convention on Human Rights 7 (1964), S. 314 ff., nicht wegen der Rüge eines Auslieferungsverbots nötig, gegen den ausliefernden und den Zielstaat Beschwerde zu erheben; das Auslieferungsverbot konnte geprüft werden, obwohl die (wohl auf andere Vorgänge bezogene) Beschwerde gegen Jugoslawien als mit der EMRK ratione personae unvereinbar abgewiesen wurde (ebda., S. 327 f.). 40 Vgl. zur Diskussion über die Anwendung des Auslieferungs- und Abschiebungsverbots der EMRK in Fällen, in denen auch der Zielstaat Partei der Konvention ist, nur BVerwGE 122, 271, 277 ff.; Alleweldt, Schutz, S. 61 ff.; Sinner, in: Karpenstein/Mayer, Art. 3 Rn. 25; Zimmermann, Grundrecht, S. 96 ff. 41 Besonders deutlich für eine solche hypothetische Prüfung BVerwGE 99, 331, 334 f.; 104, 265, 268 f.; 105, 187, 188; vgl. auch House of Lords, R. (Bagdanavicius) v. Secretary of State for the Home Department [2005] UKHL 38, [2005] 2 AC 668, Rn. 24 (Lord Brown of Eatonunder-Heywood). Für diese Problemlösung Aust, Complicity, S. 314; anders Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 277 f. Dazu noch unten, 2. Teil A. I. 1. b) jj) dieser Arbeit.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

259

zukünftigen Verhaltens eines Drittstaats zu untersuchen ist, nicht aber die (hypothetische) Rechtmäßigkeit eines tatsächlichen Handelns dieses Staates in der Vergangenheit.42 Der Unzulässigkeitsgrund der Monetary Gold-Doktrin greift nämlich bereits aus anderen Gründen nicht ein, und dies auch in Fällen, in denen auch der Zielstaat an den anzuwendenden Vertrag gebunden ist und in denen es dort bereits zu einer Verletzungshandlung gekommen ist. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grund der Verantwortlichkeit des ausliefernden oder abschiebenden Staates keineswegs in der konkreten Verursachung eines fremden Delikts durch den aufenthaltsbeendenden Staat liegt, sondern ausschließlich in der Begründung des Risikos der grob konventionswidrigen Behandlung. Ausschlaggebend für die Verantwortlichkeit des aufenthaltsbeendenden Staates ist also nicht die Behandlung des Opfers durch den anderen Staat, sondern nur die Gefährdung durch das Verbringen in den anderen Staat. Dies hat der EGMR bereits im Fall Soering im ersten Satz der oben zitierten Passage zum Ausdruck gebracht, in dem die Verantwortlichkeit dieses Staates allein auf das Risiko der Misshandlung, nicht aber auf die Misshandlung als solche zurückgeführt wird. Deshalb hat er auch im operativen Teil seines Urteils eine Verletzung für den Fall festgestellt, dass die Auslieferung noch geschieht,43 nicht aber nur für den Fall, dass sich im Zielstaat (den USA) eine Misshandlung des Beschwerdeführers ergeben würde. Später hat der Gerichtshof sich dann ausdrücklich zum Haftungsgrund bei der Auslieferung oder Abschiebung geäußert und daraus konkrete Folgerungen abgeleitet: „Since the nature of the Contracting States’ responsibility under Article 3 in cases of this kind lies in the act of exposing an individual to the risk of ill-treatment, the existence of the risk must be assessed primarily with reference to those facts which were known or ought to have been known to the Contracting State at the time of the expulsion; the Court is not precluded, however, from having regard to information which comes to light subsequent to the expulsion. This may be of value in confirming or refuting the appreciation that has been made by the Contracting Party or the well-foundedness or otherwise of an applicant’s fears.“44 42 In diesem Sinne den Heijer, JIDS 4 (2013), S. 361, 374. Eine solche Unterscheidung zwischen der Überprüfung tatsächlicher, vergangener Akte und der Prüfung eines Risikos zukünftiger Akte eines Staates ist unter der angelsächsischen act of state doctrine zuletzt als inhaltlich nicht begründbar abgelehnt worden: Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Yukos Capital S.a.r.l. v. OJSC Rosneft Oil Co. (No. 2) [2012] EWCA Civ 855, [2014] 1 QB 458, Rn. 86 (Rix LJ). Das hat seine Berechtigung, soweit es bei der act of state doctrine um eine Zurückhaltung der Gerichte im Dienste der innerstaatlichen Gewaltenteilung geht (s. o., 1. Teil B. V. 2. dieser Arbeit), denn die Einschätzung eines zukünftigen Verhaltens eines anderen Staates lässt sich ebenso der Außenpolitik zuordnen wie eine Prüfung seiner vergangenen Handlungsweise. Dass aber im Sinne der Monetary Gold-Doktrin die Annahme des Risikos einer zukünftigen Verhaltensweise eines Staates einem verbindlichen Urteil über dessen Verhalten gleichstehe, ist weniger naheliegend. 43 EGMR, Soering v. United Kingdom, Series A, No. 161, Abschnitt 1 des operativen Teils des Urteils. 44 EGMR, Cruz Varas v. Sweden, Series A, No. 201, Rn. 76 (Hervorhebung nicht im Original); ganz ähnlich EGMR, Vilvarajah and Others v. United Kingdom, Series A, No. 215, Rn. 107; Said v. The Netherlands, RJD 2005-VI, S. 275, 289.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Weil der Staat also nur für seine Begründung des Risikos im Zeitpunkt der Auslieferung oder Abschiebung haftet, können auch nur die Umstände zur Einschätzung des Risikos herangezogen werden, die zu diesem Zeitpunkt bereits vorlagen. Folglich stellt der Gerichtshof in erster Linie auf die Informationen ab, die dem Staat seinerzeit vorlagen, und untersucht er auch später zu Tage tretende Erkenntnisse nur darauf hin, ob die Einschätzung der Begründetheit der Befürchtungen des Beschwerdeführers durch den Staat – seinerzeit – berechtigt war oder nicht. Dies erhellt, dass es sich bei dem Verbot der Auslieferung oder Abschiebung wegen eines Risikos der menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat um ein reines Gefährdungsverbot handelt.45 Dies ist auch daran erkennbar, dass das menschenrechtliche Auslieferungs- und Abschiebungsverbot kein Risiko der Misshandlung gerade durch einen Staat voraussetzt.46 Dies ist zwar nicht unumstritten; insbesondere die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit und neuerdings auch das britische House of Lords haben eine andere Auffassung vertreten.47 Qualifiziert man aber das menschenrechtliche Verbot als ein Gefährdungsverbot, so ergibt sich zwanglos, dass der (einzige) staatliche Eingriff in der Gefährdung durch den ausliefernden oder abschiebenden Staat liegt und es nicht mehr darauf ankommt, von wem die Gefahr im Ursprung ausgeht.48 Ein staatlicher „Eingriff“ auf der Ebene der eigentlichen Ver-

45 In diesem Sinne Schäfer, Verletzungen, S. 147; Thienel, JICJ 4 (2006), S. 401, 408; Weber, HRLJ 12 (1991), S. 177, 181; Zimmermann, Grundrecht, S. 88; vgl. auch, zum entsprechenden Grundrecht im deutschen Recht, Cremer, Schutz, S. 304 ff.; wohl a.A. Miller, EJIL 20 (2010), S. 1223, 1243. 46 EGMR, Ahmed v. Austria, RJD 1996-VI, S. 2195, 2207 f.; H.L.R. v. France, RJD 1997III, S. 745, 758; D. v. United Kingdom, RJD 1997-III, S. 777, 792; House of Lords, N v. Secretary of State for the Home Department [2005] UKHL 31, [2005] 2 AC 296, Rn. 8 f. (Lord Nicholls of Birkenhead), Rn. 23 (Lord Hope of Craighead), Rn. 62 (Baroness Hale of Richmond); Alleweldt, Schutz, S. 26; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 20 Rn. 40; Sinner, in: Karpenstein/Mayer, Art. 3 Rn. 24; Zimmermann, Grundrecht, S. 87 f. So auch, gerade weil nicht das Verhalten des Zielstaats zu prüfen sei, Steiger, Folterverbot, S. 469 f. 47 Vgl. oben, 2. Teil Fn. 41. Das BVerwG hält an dieser Auffassung weiterhin fest, und dies auch vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber (in Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG) in § 60 Abs. 1 Satz 4 lit. c AufenthG im Flüchtlingsrecht inzwischen auch nichtstaatliche Bedrohungen anerkennt: BVerwG, Buchholz 402.242 § 60 Abs. 2 ff. AufenthG Nr. 26. 48 Man kann das Verbot ohne inhaltlichen Unterschied auch als negative Schutzpflicht qualifizieren: so Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Limbuela v. Secretary of State for the Home Department [2004] EWCA Civ 540, [2004] QB 1440, Rn. 64 (Laws LJ); vgl. Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 20 Rn. 40; Thienel, EJIL 17 (2006), S. 349, 361. Zwar werden mit dem Begriff der Schutzpflicht im Wesentlichen positive Schutzpflichten belegt (vgl. daher die abweichende Einordnung der hier interessierenden Norm bei Cremer, Schutz, S. 233 ff., 253 ff.), doch kann man davon sprechen, dass der Staat durch seine Unterlassung der Auslieferung oder Abschiebung den Betroffenen vor der Schädigung im Zielstaat schützt. Dann ist gleichfalls anzumerken, dass es für eine Schutzpflicht strukturell keine Rolle spielt, von wem eine Gefahr ausgeht: Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 20 Rn. 40; Thienel, JICJ 6 (2008), S. 115, 124 Fn. 62. Deshalb wird auch für die Anwendung der menschenrechtlichen Schutzpflichten in Bezug auf Gebiete und Personen unter der eigenen Kontrolle eines Staates dasselbe gelten wie

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

261

letzung ist daher nicht mehr erforderlich.49 Außerdem liegt aufgrund der Qualifizierung des Auslieferungs- oder Abschiebungsverbots als Gefährdungsverbot sogar dann eine Verletzung vor, wenn sich trotz des bestehenden Risikos letztlich keine Verletzung des Beschwerdeführers im Zielstaat manifestiert.50 Ob der Zielstaat eine Misshandlung begeht oder nicht, ist für den Gerichtshof daher nicht entscheidend. Er hat vielmehr nur das objektive Risiko zu untersuchen, das seinerseits nicht zwingend von einem Delikt des Zielstaats – gegen welche Norm auch immer – abhängt. Die Frage der Verantwortlichkeit des Zielstaats stellt sich ihm daher nicht. Die Rechtslage ist hier wie bei den oben diskutierten erfolgskupierten Delikten oder inchoate offences aus dem Völkerstrafrecht.51 Wenn es für den Gerichtshof, der das Auslieferungs- oder Abschiebungsverbot anzuwenden hat, deshalb nur entscheidend ist, dass überhaupt eine Gefahrenlage im Zielstaat besteht, enthält sein Urteil folglich nicht notwendig die Aussage, dass der Zielstaat dafür verantwortlich sei. Das ist sogar nicht einmal dann der Fall, wenn tatsächlich der Zielstaat verantwortlich ist und dieser bereits die befürchtete Verletzungshandlung begangen hat. Selbst wenn der Gerichtshof dies in seinem Urteil ausspricht, ist diese Aussage nämlich nicht im operativen Teil seines Urteils implizit, weil das anzuwendende Recht nicht die Haftung des (oder eines) Drittstaats zur Voraussetzung der Haftung des dann verurteilten Staates macht. Insofern liegt es wie bei den obenstehenden Ausführungen zum Nauru-Fall, in dem ebenfalls Bemerkungen in den Gründen über die Drittstaaten nicht geschadet hätten, weil die Rechtsverhältnisse der Drittstaaten nicht logisch zwingend festzustellen waren.52 cc) Beistandspflichten gegen bewaffnete Angriffe eines Drittstaats Den vorstehenden Grundsätzen folgt auch die Anwendung der Monetary GoldDoktrin auf die Beistandspflichten in Militärbündnissen und ähnlichen Vertragsbeziehungen, aufgrund derer ein Staat einem anderen Staat Schutz oder Beistand gegen fremde militärische Angriffe schuldet. Ein Beispiel stellen die Beistandspflichten gemäß Art. 5 des Nordatlantikvertrags dar. Hier ergibt sich das Problem der Monetary Gold-Doktrin wie folgt: Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf eine der Parteien des Beistandsvertrags wären die anderen Parteien zur Hilfeleistung verpflichtet. Käme nun eine der Parteien dieser Pflicht nicht nach, verhielte sie sich hier; anders Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 274; vgl. auch noch nachfolgend, 2. Teil A. I. 1. b) dd) dieser Arbeit. 49 Auf das Erfordernis eines Eingriffs im Zielstaat stellt aber das BVerwG ab: vgl. z. B. BVerwGE 99, 331, 334 f.; 104, 265, 268 f.; 105, 187, 188. 50 Aust, Complicity, S. 396; Milanovic´, Extraterritorial Application, S. 9; Schäfer, Verletzungen, S. 147; vgl. auch Alleweldt, Schutz, S. 15; wohl a.A. Miller, EJIL 20 (2010), S. 1223, 1243. 51 Dazu am Ende des vorhergehenden Abschnitts dieser Arbeit. 52 S. o., unter 1. a).

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

damit völkerrechtswidrig. Bisweilen wird nun vertreten, dass in der Konsequenz der Monetary Gold-Doktrin der IGH über die Verletzung eines solchen Beistandsanspruchs nicht entscheiden könnte, weil er die Verantwortlichkeit eines Drittstaats für diesen Angriff feststellen müsste, bevor er einen bewaffneten Angriff annehmen und so zu einer Beistandspflicht des Beklagten kommen könnte.53 Das ist aus den bereits vorstehend erläuterten Gründen nicht zwangsläufig der Fall. Stellt der Beistandsvertrag nämlich nicht darauf ab, dass ein Staat – in der problematischen Situation ein Drittstaat – für etwas verantwortlich ist, sondern stellt die Norm nur darauf ab, was der Inhaber des Beistandsanspruchs erleidet, ohne dass es auf die Verantwortlichkeit für diesen Zustand ankommt, so hätte der IGH auch nur die objektive Situation in den Blick zu nehmen. Er hätte nur festzustellen, dass es einen Angriff auf den Kläger gegeben hat, nicht aber dass ein anderer Staat dafür verantwortlich war. Trifft er dennoch auch die letztere Feststellung, ist diese gleichwohl keine Entscheidung über ein präjudizielles Rechtsverhältnis, also nicht so rechtlich notwendig mit dem operativen Teil des Urteils verbunden, dass sie der Rechtskraft zugänglich wäre. Die Monetary Gold-Doktrin stünde einer Sachentscheidung durch den IGH dann nicht entgegen. Für den Fall des Nordatlantikvertrags ist freilich umstritten, ob die Beistandspflicht an ein spezifisch staatliches Verhalten anknüpft oder nicht. Voraussetzung des Bündnisfalls ist gemäß Art. 5 Abs. 1 des Vertrags ein „armed attack“ auf eine seiner Parteien; für diesen Fall sieht die Norm ausdrücklich vor, dass die Parteien einander in Ausübung des Rechts der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung gemäß Art. 51 der Charta beistehen werden. Der Begriff des „armed attack“ im Sinne des Bündnisfalls der NATO ist daher derselbe wie der entsprechende Begriff in Art. 51 Satz 1 der Charta.54 Daher ist für den Begriff des Bündnisfalls der NATO ebenso wie für den Grundtatbestand des Selbstverteidigungsrechts nach Art. 51 Satz 1 der Charta in der Diskussion, ob jeweils ein staatlicher Angriff vorausgesetzt wird oder ob jeder bewaffnete Angriff von hinreichender Intensität ausreicht, weil es nur auf die Betroffenheit des Opfers, nicht aber auf die Identität des Täters ankomme.55 Dieser materiell-rechtlichen Frage kann in dieser Arbeit nicht nachge53 IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 161; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 110. 54 Ruffert, ZRP 35 (2002), S. 247, 248; vgl. Stone, Legal Controls, S. 259 ff.; vgl. auch BVerfGE 90, 286, 349. 55 Vgl. im ersteren Sinne IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 194; Ruffert, ZRP 35 (2002), S. 247; dazu kritisch z. B. IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Separate Opinion of Judge Kooijmans, ICJ Reports 2004, S. 219, 230; ebda., Separate Opinion of Judge Higgins, S. 207, 215; ebda., Declaration of Judge Buergenthal, S. 240, 242 f.; Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2005, S. 334, 337; Bruha/ Tams, FS Delbrück, S. 85, 97 ff.; Krajewski, AVR 40 (2002), S. 183, 197 ff.; Murphy, AJIL 99 (2005), S. 62, 64 ff.; Wedgwood, Yale JIL 24 (1999), S. 559, 564. Die oben im Text an zweiter Stelle wiedergegebene Auffassung findet sich insbesondere bei Murphy und Wedgwood; in

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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gangen werden; hier ist jedoch der prozessrechtliche Hinweis angebracht, dass die zuletzt genannte Sichtweise – die nur eine Prüfung der Art der Betroffenheit des Opfers verlangt – keinem Hindernis unter dem Gesichtspunkt der Monetary GoldDoktrin begegnet. Nähme man dagegen die Position ein, nach der Art. 51 Satz 1 der Charta und Art. 5 Abs. 1 des Nordatlantikvertrags sehr wohl einen staatlichen Angriff verlangen, hätte der IGH das Vorliegen eines solchen Angriffs zu untersuchen. Dann wäre seine Antwort auf diese Frage auch der (hypothetischen) Rechtskraft mit der Folge zugänglich, dass der Unzulässigkeitsgrund der Monetary Gold-Doktrin gegeben wäre.56 dd) Andere Schutzpflichten Auch andere Schutzpflichten, die das Völkerrecht Staaten auferlegt, folgen den in den beiden vorgehenden Abschnitten dargelegten Grundsätzen. Wenn eine Schutzpflicht also zum Inhalt hat, dass bereits die Gefährdung eines fremden Rechtsguts einen Völkerrechtsverstoß bedeutet, scheitert die Anwendung dieser Völkerrechtsnorm durch den IGH nicht an der Monetary Gold-Doktrin. Dann gilt es nämlich nicht, irgendwelche Handlungen eines fremden Staates rechtlich zu bewerten, sondern es kann allenfalls das Risiko derartiger Handlungen zu untersuchen sein. Das Urteil wird dann für den fremden Staat in keiner Weise auch nur hypothetisch rechtskräftig. Es betrifft ihn nur am Rande. Jenseits der bereits erörterten menschenrechtlichen Gefährdungsverbote bzw. Schutzpflichten drängt sich insofern aber kein feststehender Anwendungsfall auf. Das umweltvölkerrechtliche Vorsorgeprinzip könnte zwar ein derartiges Gefährdungsverbot enthalten, wenn man ihm in einem recht weitgehenden Sinne entnähme, dass bereits bei hinreichenden Anhaltspunkten für umweltschädigende Wirkungen einer Handlungsweise Maßnahmen zur Verhinderung der möglichen Umweltfolgen zu treffen sind.57 Dann wären riskante Handlungsweisen ohne Vorsichtsmaßnahmen unzulässig; die mit ihnen verbundene Gefährdung wäre also zu unterlassen. Dabei diesem Sinne auch bereits Tomuschat, EuGRZ 28 (2001), S. 535, 540; dazu auch Bruha/Tams, FS Delbrück, S. 85, 95. 56 Damit ist kein Einwand gegen diese materiell-rechtliche Sichtweise verbunden. Hier geht es nur um die prozessuale Rechtslage, und eine materiell-rechtliche Sichtweise kann – insbesondere im Völkerrecht – auch dann zutreffend sein, wenn nach ihr die gerichtliche Durchsetzung der Norm schwierig oder ausgeschlossen ist; dazu Aust, Complicity, S. 296; Diehl, MRM 16 (2011), S. 16 Fn. 3; Finke, EJIL 21 (2010), S. 853, 869; vgl. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 290; LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 505; ILC, Kommentar zu Art. 16 der Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 160. 57 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a der Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic, UNTS 2354, S. 67. Zum normativen Gehalt des Vorsorgeprinzips und zu seinem Niederschlag im Völkergewohnheitsrecht vgl. nur Birnie/Boyle/Redgwell, Environment, S. 159 ff.; Freestone, in: Boyle/Freestone, S. 135, 136 f.; Proelß, in: Graf Vitzthum/ Proelß, Völkerrecht, S. 415 f.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

ginge es aber nicht um die Gefährdung durch mögliche Folgen des eigenen Handelns, die im Ausland und vermittelt durch einen Drittstaat eintreten, sondern um die Vermeidung der Gefährdung durch eigene umweltverschmutzende Handlungen. Drittstaatsprobleme wären hier also ohnehin nicht naheliegend. Im Übrigen sind Schutzpflichten vor den Schädigungsfolgen fremden Handelns auch dann unter der Monetary Gold-Doktrin unkritisch, wenn sie sich nicht gerade auf fremdes staatliches Handeln beziehen. Ein konkreter Anwendungsfall war – neben den bereits erörterten Fallgruppen der Auslieferungs- und Abschiebungsverbote und möglicher hinsichtlich des Aggressors offen gefasster Beistandsverträge – der Corfu Channel-Fall. Dort war Albanien letztlich verurteilt worden, weil es Schiffe des Vereinigten Königreichs nicht vor der Gefahr durch Minen gewarnt hatte.58 Es lag in diesem Fall nahe, dass die Minen von jugoslawischen Streitkräften gelegt worden waren. Gleichwohl war der IGH nicht gehalten, der Frage der Verantwortlichkeit Jugoslawiens nachzugehen, weil die Überwachungspflicht Albaniens nicht von der Identität des Akteurs abhing, der die konkrete Gefahr gesetzt hatte.59 Zwar hatte das Vereinigte Königreich auch vorgetragen, Albanien habe die Minen gemeinschaftlich mit Jugoslawien gelegt; das war aber nicht die Grundlage des Urteils des Gerichtshofs und war daher unter dem Blickwinkel der Monetary Gold-Doktrin ohne Bedeutung.60 ee) Pflichten der Nichtanerkennung des deliktischen Handelns eines Drittstaats (1) Zwingende vorherige Feststellung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit des Drittstaats Soweit allerdings eine Verpflichtung des Beklagten unmittelbar davon abhängt, dass ein Drittstaat Völkerrecht verletzt hat, steht die Monetary Gold-Doktrin der Sachentscheidung des IGH entgegen. Dies ist namentlich dann der Fall, wenn dem Beklagten vorgeworfen wird, seinerseits zu Unrecht das rechtswidrige Handeln eines Drittstaats anerkannt zu haben. Solche Pflichten der Nichtanerkennung rechtswidriger oder jedenfalls grob rechtswidriger Handlungen kennt das Völkerrecht in un58 IGH, Corfu Channel, Merits, ICJ Reports 1949, S. 4, 22 f., 36; dazu Waibel, MPEPIL, S. 792, 793 f. 59 So zu Recht der Kommentar zu Kapitel IV der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 59, 152; Corten/Klein, in: Bannelier/ Christakis/Heathcote, S. 315, 324; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 116; vgl. Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 221; Noyes/Smith, Yale JIL 13 (1988), S. 225, 246; Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 309. 60 Vgl. Corten/Klein, in: Bannelier/Christakis/Heathcote, S. 315, 324. Dies verkennt Richter Weeramantry in seiner Kritik an der Monetary Gold-Doktrin: IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 164 ff.; in diese Richtung auch Chinkin, ICLQ 45 (1996), S. 712, 719; Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 557; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 106 f.; Sybesma-Knol, FS de Waart, S. 442, 450.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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terschiedlichen Zusammenhängen: So besteht etwa eine allgemeine Pflicht, eine aus der Verletzung von Normen des jus cogens resultierende Situation nicht anzuerkennen.61 Außerdem ist etwa dem gemeinsamen Art. 1 der Genfer Konventionen vom 12. 08. 194962 zu entnehmen, dass alle Parteien verpflichtet sind, die Beachtung der Konventionen auch durch andere Parteien im Rahmen ihrer völkerrechtlichen Möglichkeiten sicherzustellen.63 Diese Pflichten hängen jeweils von der Völkerrechtswidrigkeit des nicht anzuerkennenden oder ggf. zu korrigierenden Verhaltens eines anderen Staates ab. Insofern ist die Rechtslage wie im East Timor-Fall, in dem sich die entsprechende Nichtanerkennungspflicht einerseits aus den Rechten Portugals als Mandatsmacht, andererseits aus dem Selbstbestimmungsrecht der Völker hatte ergeben sollen.64 Wie in diesem Fall entsteht hier also ein Drittstaatsproblem im Sinne der Monetary Gold-Doktrin.65 Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Völkerrechtswidrigkeit des Verhaltens des anderen Staates schon ausreicht, um die Verantwortlichkeit eines insofern untätig gebliebenen Staates zu begründen.66 Es genügt, dass die völkerrechtliche Nichtanerkennungspflicht die Völkerrechtswidrigkeit des Handelns eines anderen Staates zur zwingenden und deshalb zwingend zu prüfenden Voraussetzung hat. Etwas anders liegt es allerdings bei der Verpflichtung, Ansprüche anderer Staaten auf Gebiete nicht anzuerkennen, die diese durch militärische Gewalt erworben haben.67 Bei dieser Nichtanerkennung geht es nicht um die Vereitlung der Folgen 61

Vgl. Art. 41 Abs. 2 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts sowie den Kommentar hierzu, UN Doc. A/56/10, S. 43, 286 ff., und dazu BVerfGE 112, 1, 35 ff.; Aust, Complicity, S. 326 ff.; Wyler/Castellanos-Jankiewicz, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 284, 306, sowie, unter Hinweis auf die im Einzelnen im Fluss befindliche Rechtslage, Tams, AVR 40 (2002), S. 331, 344 f. Für eine entsprechende Pflicht bei der Verletzung aller erga omnes wirkenden Normen Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 375; zweifelnd Gaja, GS Schachter, S. 31, 35. 62 Geneva Convention for the Amelioration of the Condition of the Wounded and Sick in Armed Forces in the Field, UNTS 75, S. 31; Geneva Convention for the Amelioration of the Condition of Wounded, Sick and Shipwrecked Members of Armed Forces at Sea, UNTS 75, S. 85; Geneva Convention relative to the Treatment of Prisoners of War, UNTS 75, S. 135; Geneva Convention relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War, UNTS 75, S. 287. 63 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 199 f.; dazu auch Gaja, GS Schachter, S. 31, 32 f. 64 Dazu bereits oben, unter 1. 65 So auch Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 30 f., sowie – kritisch – Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 375; anders Tams, Obligations, S. 184 Fn. 118. Zu dieser Unterscheidung zwischen Pflichten, die an die Völkerrechtswidrigkeit des Verhaltens eines anderen Staates anknüpfen, und Pflichten, die nicht von einer solchen Grundlage abhängen, vgl. auch den Kommentar zu Kapitel IV der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 59, 152; Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 309. 66 Anders wohl Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 309 f. 67 Vgl. zu dieser Verpflichtung den Kommentar zu Art. 41 Abs. 2 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 59, 288 f.,

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

rechtswidrigen Tuns, sondern um den Ausschluss von Gewalt als ein Mittel des Gebietserwerbs. Daher ist nicht relevant, ob der Einsatz militärischer Gewalt rechtswidrig oder rechtmäßig war; vielmehr ist nur festzustellen, dass das Gebiet durch Gewalt erworben wurde.68 Insbesondere ist es unerheblich, ob die Gewaltanwendung als solche gerechtfertigt war. Dies folgt schon daraus, dass die einzigen Gründe einer rechtmäßigen Gewaltanwendung – die Selbstverteidigung i.S.d. Art. 51 der Charta, eine Ermächtigung durch den Sicherheitsrat nach Art. 42 der Charta oder, was zweifelhaft ist, eine humanitäre Intervention – nicht geeignet sind, eigene Gebietszuwächse des Gewalt anwendenden Staates zu legitimieren. Deshalb wird ein gewaltsam eindringender Staat auch im Besatzungsrecht nicht als neuer Souverän eines besetzten Gebiets angesehen.69 Folglich ist die Rechtmäßigkeit einer auf Gewalt beruhenden Annexion auch nicht zu prüfen, wenn untersucht wird, ob einer solchen Annexion die Anerkennung zu versagen ist. Insofern reflektiert die Nichtanerkennungspflicht die Grenzen der genannten Rechtfertigungsgründe. Es stellt sich also keine Vorfrage zur Rechtmäßigkeit der Gewaltanwendung eines Drittstaats, wenn ein Staat mit der Rechtsbehauptung verklagt wird, dass er die auf Gewalt gegründeten Ansprüche dieses Drittstaats nicht anerkennen dürfe; die Monetary Gold-Doktrin greift daher jedenfalls mit Blick auf die Verantwortlichkeit des Drittstaats nicht ein.70 Allerdings muss der IGH zumindest feststellen, dass der Drittstaat Gewalt angewendet hat. Damit ist zunächst das Problem der gerichtlichen Feststellung einer Tatsache über einen Drittstaat ohne rechtliche Würdigung aufgeworfen;71 außerdem muss der IGH jedenfalls prüfen, ob der Tatbestand der Nichtanerkennungspflicht erfüllt, also ob die Handlungsweise des Drittstaats als eine Gewaltanwendung anzusehen ist.72 Fraglich ist, ob die Monetary Gold-Doktrin dem IGH entweder bereits die Tatsachenfeststellung oder die Feststellung der Gewaltsamkeit des Gebietserwerbs verbietet. sowie Prinzip 1 Abs. 11 Satz 3 der Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, GA Res. 2625 (XXV), Annex, UN GAOR, 25th Sess., Supp. 28, S. 121, 123; BVerfGE 112, 1, 36; Crawford, in: Alston, S. 7, 35; offen Zimmermann, Staatennachfolge, S. 31. 68 Crawford, in: Alston, S. 7, 35; vgl. Tams, Obligations, S. 184 Fn. 118; vgl. auch Benvenisti, Law of Occupation, S. 5; anders wohl Zimmermann, Staatennachfolge, S. 28, 31. Der Kommentar der ILC zu den Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 288, beschreibt die Pflicht der Nichtanerkennung gewaltsamer Landnahmen dagegen als Unterfall der Nichtanerkennung der Folgen grober Völkerrechtsverstöße; so implizit auch Tams, Obligations, S. 184 Fn. 118. 69 Vgl. in diesem Sinne Art. 42, 43 der Haager Landkriegsordnung, die eine – faktisch bestimmte – Besatzungsmacht nicht als neuen Souverän, sondern nur als vorübergehenden Sachwalter begreifen; dazu Benvenisti, Law of Occupation, S. 5 f.; Thienel, JICJ 6 (2008), S. 115, 125. 70 Dahingehend Crawford, in: Alston, S. 7, 35 f. 71 Vgl. Crawford, in: Alston, S. 7, 35. 72 Vgl. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 100.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Diese Fragen haben sich dem IGH im East Timor-Fall nicht gestellt. Portugal hatte dort die Verletzung der Pflicht zur Nichtanerkennung gewaltsamer Landnahmen nicht gerügt und das Argument zur Irrelevanz der Rechtmäßigkeit der Invasion Indonesiens in diesem Zusammenhang nicht vorgebracht.73 Nachdem Portugal das nicht getan hatte, kann dem IGH in prozessualer Hinsicht auch nicht vorgeworfen werden, dass er den portugiesischen Vortrag nicht umgedeutet hat, um der Klage unter dem hier erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zum Erfolg zu verhelfen oder wenigstens dem Problem der Monetary Gold-Doktrin zu entgehen. Zwar gilt der Grundsatz jura novit curia.74 Dieser erlaubt es dem IGH nicht nur, bei der Prüfung der von den Parteien behaupteten Rechtssätze über die plädierten Argumente hinauszugehen. Vielmehr darf der IGH im Rahmen seiner (abstrakten und konkreten) Jurisdiktion, also insbesondere innerhalb des definierten Streitgegenstands, auch andere Völkerrechtssätze als die vom Kläger vorgebrachten für verletzt halten.75 Dabei ist es auch unerheblich, wenn sich – wie auch im East Timor-Fall76 – rechtliche Überlegungen der Parteien der Form nach in den Anträgen finden; der Gerichtshof zählt solche Ausführungen nicht zu den für ihn nach dem Satz non ultra petita verbindlichen Anträgen77 und besteht stattdessen auf seiner Freiheit bei der rechtlichen Prüfung.78 In erster Linie definieren aber die – in jedem Fall rechtlich beratenen – Parteien ihre rechtlichen Angriffe und Verteidigungen. Der Gerichtshof muss daher bei der Berücksichtigung neuer rechtlicher Gesichtspunkte umso vorsichtiger sein, als er damit die Interessen der Parteien – etwa die Prozessstrategie des Klägers oder das Bescheidungsinteresse des Beklagten – beeinträchtigen könnte. Im East Timor-Fall sprach deshalb gegen eine Heranziehung der Pflicht zur Nichtanerkennung einer gewaltsamen Landnahme durch Indonesien, dass Portugal sich nicht nur als Argument gegen die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin, sondern auch zur Herleitung seines locus standi auf die Wirkung erga omnes des Selbstbestim-

73 Nach Crawford, in: Alston, S. 7, 35, wäre eine solche Argumentation aber ratsam gewesen. 74 S. o., 1. Teil Fn. 610 sowie 1. Teil B. III. 2. a) und B. III. 2. c) aa) dieser Arbeit. 75 Etwas undeutlich Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 531: es sei zulässig, dass „the tribunal makes use of arguments, or bases itself on considerations of fact or of law, other than those relied on by the parties“ (Hervorhebungen nicht im Original); strenger aber ders., BYIL 51 (1980), S. 89, 108. 76 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 94 (dort z. B.: „Australia […] has infringed and is infringing the right of the people of East Timor to selfdetermination […], the powers of Portugal as the administering Power […], Security Council resolutions 384 and 389“). 77 Vgl. zur Reichweite des Grundsatzes non ultra petita oben 1. Teil B. I. 2. a) aa) (1) dieser Arbeit, insbesondere Fn. 450. 78 Besonders deutlich IGH, Application of the Convention of 1902 governing the Guardianship of Infants, ICJ Reports 1958, S. 55, 62; vgl. auch IGH, Fisheries Case, ICJ Reports 1951, S. 116, 126; Right of Passage over Indian Territory, ICJ Reports 1960, S. 6, 31 f.; wie hier auch Smith, Relation, S. 74; Thirlway, FS Wang Tieya, S. 789 ff.; vgl. auch Zarbiyev, JIDS 3 (2012), S. 1, 11 f. mit Fn. 49.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

mungsrechts des Volks von Osttimor gestützt hatte.79 Auch wenn die Nichtanerkennungspflicht ebenfalls erga omnes wirkt,80 wären hinsichtlich der – möglicherweise erforderlichen81 – besonderen Betroffenheit Portugals doch etwas andere Erwägungen anzustellen gewesen als hinsichtlich des Selbstbestimmungsrechts, denn an das letztere war Portugal als Mandatsmacht besonders gebunden (oder als ehemalige Mandatsmacht gebunden gewesen). Die politische Resonanz der beiden Argumentationen war auch eine deutlich unterschiedliche. Zudem war durchaus nicht sicher, dass eine Argumentation mit der Nichtanerkennungspflicht in der Sache erfolgreich gewesen wäre, denn immerhin hatte Indonesien sich nicht nur auf seine gewaltsam erworbene Machtstellung in Osttimor als Grundlage seiner Souveränität berufen, sondern auch auf ein angebliches Ersuchen der Bevölkerung des Gebiets.82 Die Gültigkeit dieses Ersuchens wäre möglicherweise eher unter dem Gesichtspunkt des Selbstbestimmungsrechts als nur auf der Grundlage der Pflicht zur Nichtanerkennung gewaltsamer Annexionen angreifbar gewesen. Der IGH musste die letztere Pflicht daher nicht aus eigenem Antrieb aufgreifen. Er musste daher auch die insoweit verbleibenden Zweifelsfragen zur Anwendung der Monetary Gold-Doktrin nicht klären. (2) Zwingende vorherige Feststellung über den Drittstaat betreffende Tatsachen Nachdem bei dieser Nichtanerkennungspflicht die Rechtswidrigkeit der Gewaltanwendung nicht zu prüfen ist, stellt sich zunächst die Frage nach der Zulässigkeit von Tatsachenfeststellungen des IGH über einen Drittstaat. Diese Frage betrifft an sich nicht die in diesem Abschnitt erörterte inzidente Feststellung der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Drittstaats; sie soll aber dennoch anlässlich der genannten Fallgruppe hier behandelt werden. Der IGH wird nämlich zumindest feststellen müssen, dass der Drittstaat militärische Gewalt angewendet und auf diese Weise seine Herrschaft über das fragliche Gebiet erlangt hat. Er wird deshalb auch nicht – anders als in den oben erwähnten Fällen der Schutzpflichten, die nicht auf das Verhalten eines Dritten, sondern nur auf das objektive Geschehen zulasten einer Partei abstellen – nur erörtern müssen, wie eine Partei objektiv betroffen ist, sondern wird ausdrücklich den Drittstaat benennen müssen. Insofern stellt sich die Frage, ob auch bloße Tatsachenfeststellungen über einen Drittstaat unter die Monetary Gold-Doktrin fallen, ob also der IGH auch an solchen Feststellungen gehindert wäre. 79

Tams, Obligations, S. 183; zustimmend Aust, Complicity, S. 303. Insoweit zweifelnd Tams, Obligations, S. 184 Fn. 118. 81 Vgl. Art. 42 lit. b (i) der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts und den Kommentar hierzu, UN Doc. A/56/10, S. 43, 54, 294, sowie IGH, Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, ICJ Reports 2012, S. 422, 450, wo diese Frage angesichts einer vertraglichen Regelung über ein Klagerecht jeder anderen Vertragspartei (aufgrund der Konstruktion einer Verpflichtung erga omnes partes) offengelassen wird. 82 S. o., 1. Teil A. IV. dieser Arbeit. 80

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

269

Das wird in der Literatur bisweilen ausdrücklich verneint.83 Der PCA hat die Frage im Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii dagegen offen gelassen.84 Der IGH seinerseits hat sich zu dieser Frage auch außerhalb des East Timor-Falls nicht ausdrücklich geäußert. Er hat zwar Feststellungen über Drittstaaten getroffen oder sich zumindest mit Parteivortrag zu den Verhaltensweisen von Drittstaaten befasst; namentlich hat er im Corfu Channel-Fall Jugoslawien erwähnt85 und ist im NicaraguaFall am Rande auch auf die Drittstaaten eingegangen, die an der angeblichen kollektiven Selbstverteidigung gegen Nicaragua mitgewirkt hatten.86 Auch ist hier der Nauru-Fall zu nennen, weil die Beteiligung Neuseelands und des Vereinigten Königreichs an der Mandatsbeziehung jedenfalls Erwähnung gefunden hat. Logisch notwendig für die Lösung des vorliegenden Falls und daher Bestandteil der (hypothetischen) Rechtskraft der Urteile waren diese Feststellungen aber jeweils nicht. Der IGH hat sich daher zur Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf bloße Tatsachenfeststellungen nicht festgelegt. Allenfalls ergibt sich aus der genannten Praxis und besonders aus dem Nauru-Fall eine Andeutung der Unanwendbarkeit der Doktrin, denn der Gerichtshof hat sich mit der Frage der logischen Notwendigkeit dieser Feststellungen nicht auseinandergesetzt, obwohl er im Nauru-Fall eben diese Fragestellung entwickelt hatte. Der Sache nach wird mit einem inzidenten Ausspruch des IGH über einen Drittstaat betreffende Tatsachen nicht dasselbe erreicht wie mit einem Ausspruch über dessen Rechtsverhältnisse. Umgangen werden also nicht die Voraussetzungen eines Urteils gegen den Drittstaat, in dem eine Rechtslage für diesen bindend festgestellt oder in dem ihm konkrete Pflichten auferlegt werden, sondern es können allenfalls die Voraussetzungen eines Urteils umgangen werden, das sich in einer Feststellung von Tatsachen erschöpft. Auch solche Urteile sieht das Statut aber vor. Art. 36 Abs. 2 lit. c des Statuts benennt die Jurisdiktion des IGH zur Entscheidung über das Bestehen einer Tatsache, die, wäre sie bewiesen, die Verletzung einer internationalen Verpflichtung darstellte. Damit lässt das Statut nicht nur die Tatsachenermittlung als Teil der Beantwortung der Frage nach einem Rechtsverhältnis zu, sondern erlaubt dem Gerichtshof zugleich, Streitfälle nur über reine Tatsachenfragen zu entscheiden.87 Die Feststellung einer Tatsache durch den IGH würde die Parteien 83 Crawford, in: Alston, S. 7, 35; vgl. auch Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 312; Singh, Role, S. 205. 84 PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 592. 85 Dazu IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 164 ff.; Chinkin, ICLQ 45 (1996), S. 712, 719; Crawford, in: Alston, S. 7, 35 Fn. 73; Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 557; Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 106 f.; Sybesma-Knol, FS de Waart, S. 442, 450. 86 Dazu Crawford, in: Alston, S. 7, 35 Fn. 73; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 325 f. 87 StIGH, Payment of Various Serbian Loans Issued in France, PCIJ Series A, Nos. 20/21, S. 17; Hudson, Permanent Court, S. 462; Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 28 f.; a.A. Bruns, Recueil des Cours 62 (1937 IV), S. 547, 632 ff., 652 f. Dabei soll es auch allein den Parteien überlassen sein, ob der Beweis der festzustellenden Tatsache zur Annahme einer Völkerrechtsverletzung führt; so Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 28; anders wiederum Bruns, Recueil des Cours 62 (1937

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

auch wie jedes andere Feststellungsurteil binden.88 Insoweit gilt dann auch das Konsensprinzip der Art. 36, 37 des Statuts, ebenso wie die anderen Normen des Statuts über das gerichtliche Verfahren. Folglich ist auch eine Umgehung dieser Anforderungen des Statuts möglich, und steht somit die Monetary Gold-Doktrin im Raum. Für die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ist allerdings erforderlich, dass der Drittstaat, seine Bindung an das Urteil unterstellt, an das Prozessergebnis zwischen den wirklichen Parteien gebunden wäre. Die Antwort auf die Drittstaatsfrage muss also Teil des zwischen den Parteien rechtskräftigen Prozessergebnisses sein.89 Das wurde oben für Feststellungen vorgängiger Rechtsverhältnisse auf dem Weg zum operativen Teil des Urteils angenommen.90 Dagegen ist nicht anzunehmen, dass auch die bloßen tatsächlichen Grundlagen eines Urteils des IGH, in dem dieser für die Parteien rechtliche Feststellungen trifft oder Rechtsfolgen verfügt, mit dem operativen Teil des Urteils in Rechtskraft erwachsen können. Insoweit handelt es sich nicht um wesentliche Teile des Urteils, weil kein selbstständiges Interesse daran besteht, die Parteien nicht nur an die festgestellten rechtlichen Konsequenzen des Sachverhalts, sondern auch an die Feststellung des Sachverhalts als solche zu binden. Die bloße Feststellung des Sachverhalts kann also auch den Drittstaat (hypothetisch) nicht binden. Bereits deshalb scheidet die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf bloße Tatsachenfeststellungen über einen Drittstaat im Zuge eines Verfahrens über die Rechte und Pflichten der Parteien aus. Im Übrigen darf bezweifelt werden, ob die moralische Autorität des IGH sich auch auf bloße Tatsachenfeststellungen erstreckt, mit der Folge, dass eine inzidente Feststellung über einen Sachverhalt eines Drittstaats in der Monetary Gold-Situation einem wirklich ihm gegenüber ergehenden Tatsachenfeststellungsurteil praktisch gleichstünde.91 Diese inzidente Feststellung erwüchse aus den genannten Gründen in einem rechtlichen Streitfall nicht in Rechtskraft. In jedem nachfolgenden Prozess wäre die Tatsachenfrage also erneut zu klären,92 und dann stünde – anders als üblicherweise bei bereits bestehenden Aussagen des IGH über Rechtsverhältnisse – die Möglichkeit eines Gegenbeweises anhand weiterer Beweismittel offen. IV), S. 547, 635. Die Parteien dürfen aber jedenfalls nicht den Gerichtshof auch eine rechtliche Entscheidung treffen lassen und ihm dabei eine bestimmte Rechtsauffassung vorgeben; das verstieße gegen das Prinzip jura novit curia (s. o., 1. Teil Fn. 610 und 1. Teil B. III. 2. a) dieser Arbeit). 88 Vgl. oben, 1. Teil Fn. 424. 89 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit. 90 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) (c) dieser Arbeit. 91 Vgl. dazu oben, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit. 92 Vgl. IGH, Border and Transborder Armed Actions (Nicaragua v. Honduras), Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1988, S. 69, 91 f.: „Nor can it be accepted that once the Court has given judgment in a case involving certain allegations of fact, and made findings in that respect, no new procedure can be commenced in which those, as well as other, facts might be considered.“

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Schließlich sprechen auch praktische Erwägungen gegen die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf bloße Tatsachenfeststellungen über einen Drittstaat. Mit einer solchen Annahme würde nämlich eine nicht unerhebliche Unsicherheit in die Monetary Gold-Doktrin getragen. Nicht nur hängen angesichts der vielfachen Verknüpfung internationaler Kontakte sowohl zwischen Staaten als auch in der Zivilgesellschaft viele bilaterale Rechtsbeziehungen zwischen Staaten zumindest von faktischen Verhältnissen anderer Staaten ab, sondern es ist vielfach auch unsicher, ob und warum eine Tatsachenfrage einem bestimmten Staat zuzuordnen ist. Im obenstehenden Fall, in dem die Gewaltanwendung eines bestimmten Staates zu ermitteln ist, mag dies noch offensichtlich sein. In anderen Fällen kann aber durchaus eine Tatsachenfrage logisch zwingend zu beantworten sein, ohne dass klar wäre, welcher Staat oder welche Staaten von den fraglichen Tatsachen besonders berührt sind. Insgesamt gilt die Monetary Gold-Doktrin daher nicht für das Bedürfnis der Feststellung nur tatsächlicher Verhältnisse eines Drittstaats. Die Doktrin ist daher bei der Anwendung der Pflicht zur Nichtanerkennung gewaltsam erreichter Gebietsgewinne jedenfalls nicht deshalb anwendbar, weil der IGH die Gewaltanwendung durch einen Drittstaat als Tatsache feststellen muss. (3) Zwingende vorherige Feststellung der Gewaltsamkeit eines Gebietserwerbs Allerdings muss der IGH zur Anwendung der Nichtanerkennungspflicht auch entscheiden, dass der Drittstaat, dessen Herrschaft über ein Gebiet angeblich nicht anerkannt werden darf, tatsächlich Gewalt angewendet hat. Auch wenn die Nichtanerkennungspflicht nicht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit des Drittstaats für die Gewaltanwendung voraussetzt, weil die Rechtfertigung des Waffengangs außer Betracht bleiben kann, knüpft sie doch jedenfalls an eine Gewaltanwendung i.S.d. Art. 2 Abs. 4 der Charta an.93 Der IGH müsste daher zwingend prüfen, ob die Handlungsweise des Drittstaats unter das grundsätzliche Verbot des Art. 2 Abs. 4 der Charta fällt. Dieselbe Frage könnte auch in einem auf ein Feststellungsurteil gerichteten Prozess vor dem IGH gegen den Drittstaat selbst gestellt werden. Soweit der IGH die Frage also in der Monetary Gold-Konstellation beantwortete, würden damit die Anforderungen an ein Sachurteil gegenüber dem Drittstaat selbst umgangen. Die Monetary Gold-Doktrin ist daher auch hinsichtlich der Durchsetzung der Pflicht zur

93

Vgl. die Anknüpfung an die Begrifflichkeiten des Art. 2 Abs. 4 der Charta („threat or use of force“) in Prinzip 1 Abs. 11 Satz 3 der Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in Accordance with the Charter of the United Nations, GA Res. 2625 (XXV), Annex, UN GAOR, 25th Sess., Supp. 28, S. 121, 123. Vgl. auch die Einordnung dieser Nichtanerkennungspflicht unter die allgemeine Pflicht der Nichtanerkennung der Folgen von Verletzungen des jus cogens im Kommentar der ILC zu den Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 288, und (implizit) bei Tams, Obligations, S. 184 Fn. 118.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Nichtanerkennung eines gewaltsamen Gebietserwerbs anwendbar,94 allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt einer inzidenten Prüfung der Verantwortlichkeit des Drittstaats, sondern weil die Handlungsweise des Drittstaats zwingend als Gewaltakt i.S.d. Art. 2 Abs. 4 der Charta qualifiziert werden muss, damit die beantragte Entscheidung über den Anerkennungsakt des Beklagten ergehen kann. ff) Ungerechtfertigte Bereicherung des Beklagten durch die Anrechnung eines Guts des Klägers auf eine Forderung eines Drittstaats: der Certain Property-Fall Über ein weiteres Problem der Monetary Gold-Doktrin stritten die Parteien vor dem IGH im Certain Property-Fall zwischen Liechtenstein und Deutschland. Der Gerichtshof musste sich zu dieser Frage allerdings nicht mehr äußern, weil er bereits seine Jurisdiktion verneinte. Die Sachlage dieses Falls ist jedoch von Interesse, weil sie eine komplexe Situation des Bereicherungsausgleichs im Dreipersonenverhältnis betraf, in der sich in der Tat die Frage der Zulässigkeit der Sachentscheidung ohne Beteiligung des Drittstaats stellte. In diesem Fall hatte die Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg mit den sogenannten Benesˇ-Dekreten deutsches Eigentum enteignet, um so Reparationen für die durch das Deutsche Reich begangenen Völkerrechtsverstöße während des Weltkriegs und der Besetzung des Sudetenlandes zu erhalten.95 Dabei war auch Eigentum des damaligen Fürsten von Liechtenstein enteignet worden, der in diesem Zusammenhang als Deutscher angesehen worden war, obwohl sein Staat im Krieg neutral geblieben war. Später gelangte ein Teil dieses Eigentums – namentlich ein Gemälde – leihweise nach Deutschland, und der Fürst von Liechtenstein machte Ansprüche auf Herausgabe geltend. Diese wurden von den deutschen Gerichten abgewiesen;96 auch eine Beschwerde vor dem EGMR hatte keinen Erfolg.97 Schließlich zog Liechtenstein deshalb vor den IGH. Dort begründete es seine Klage vor allem mit der Erwägung, Deutschland habe sich durch eine Anerkennung der tschechoslowakischen Enteignungen98 zulasten Liechtensteins bereichert, weil die Tschechoslowakei Reparationsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland habe und diese sich infolge der zwischen Deutschland und der Tschechoslowakei einverständlichen Enteignung auch liechtensteinischer Güter reduziert hätten. Deutschland habe also durch die Anrechnung liechtensteinischen 94

Vgl. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 100: „[Portugal] might then have had to rely on the circumstances regarding how Indonesia entered into and remained in East Timor as showing that the [treaty-making] competence had not passed to Indonesia. This would have implicated the Monetary Gold principle.“ 95 Vgl. zum Sachverhalt IGH, Certain Property, Preliminary Objections, ICJ Reports 2005, S. 6, 13 ff.; EGMR, Prince Hans-Adam II. of Liechtenstein v. Germany (GC), RJD 2001-VIII, S. 1, 9 ff.; BVerfG-K, EuGRZ 1998, S. 408 f.; LG Köln, IPRax 1996, S. 419 ff. 96 Vgl. zuletzt BVerfG-K, EuGRZ 1998, S. 408 f. 97 EGMR, Prince Hans-Adam II. of Liechtenstein v. Germany (GC), RJD 2001-VIII, S. 1 ff. 98 Diese durch Liechtenstein behauptete Anerkennung war streitig.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Eigentums auf seine Reparationsschulden eine (anteilige) Befreiung von einer völkerrechtlichen Verbindlichkeit erlangt.99 Deutschland ließ hierzu u. a. vortragen, die Feststellung einer Befreiung Deutschlands von einer völkerrechtlichen Schuld setze notwendig die Feststellung dieser Schuld durch den IGH voraus; das könne aber ohne die Zustimmung der Tschechoslowakei – oder vielmehr ihrer Nachfolgestaaten – nicht geschehen.100 Auf diese Einrede kam es, wie schon gesagt, nicht mehr entscheidend an. Sie war aber auf der Grundlage der klägerischen Begründung des geltend gemachten Anspruchs durchaus zutreffend. Ein Bereicherungsanspruch wegen der Befreiung des Bereicherungsschuldners von einer Verbindlichkeit, die zulasten des Bereicherungsgläubigers erfolgt, setzt in erster Linie voraus, dass wirklich eine Verbindlichkeit bestanden hat, von der dann eine (auch anteilige) Befreiung eingetreten ist.101 Die Rechtsbeziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakei oder ihren Nachfolgestaaten war daher eine unvermeidbare Voraussetzung der durch Liechtenstein geltend gemachten Anspruchsgrundlage. Der Anspruch auf Ausgleich einer unberechtigten Bereicherung, die in der Befreiung von einer Verbindlichkeit gegenüber einem Drittstaat besteht, löst also den Unzulässigkeitsgrund der Monetary Gold-Doktrin aus. Ein anderer Ansatzpunkt der liechtensteinischen Klage begegnet nicht diesen Bedenken: Soweit Deutschland vorgeworfen wurde, seine Gerichte hätten liechtensteinisches Eigentum zu Unrecht wie deutsches behandelt, kam es auf das Verhalten der Tschechoslowakei im Jahre 1945 nicht an. Ein Drittstaatsproblem ergab sich insoweit nicht.102 gg) Herausgabeansprüche des Eigentümers nach einer Wegnahme durch einen Drittstaat Ähnliche Probleme stellen sich, wenn ein Herausgabeanspruch vor dem IGH gegen einen Beklagten als Besitzer einer bestimmten Sache geltend gemacht wird, diese Sache aber zuvor durch die Hände eines Drittstaats gegangen war. Richter Weeramantry hat insoweit das Beispiel gebildet, dass ein Staat C eine Sache aus Staat B raubt und diese anschließend an den Staat A veräußert. Klagt nun der ursprüngliche Eigentümer B gegen den jetzigen Besitzer A auf Herausgabe, ist möglicherweise die 99 Vgl. zum Ganzen Certain Property, Memorial of the Principality of Liechtenstein, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 140 ff. 100 Certain Property, Preliminary Objections of the Federal Republic of Germany, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 91 ff., 105 ff. 101 Dazu Certain Property, Memorial of the Principality of Liechtenstein, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 155 ff. 102 Dazu Schorer, Konsensprinzip, S. 128; in diese Richtung auch IGH, Certain Property, Dissenting Opinion of Judge Owada, ICJ Reports 2005, S. 47, 66. Richter Kooijmans (ebda., Dissenting Opinion of Judge Kooijmans, S. 29, 38), bemerkt zusätzlich, dass etwas anderes bei der Bemessung eines etwaigen Schadensersatzanspruchs hätte gelten können.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Verantwortung des Drittstaats C präjudiziell und greift insofern die Monetary GoldDoktrin ein. Laut Richter Weeramantry soll dies in der Tat der Fall sein, weil der Gerichtshof ermitteln müsse, ob der Gegenstand, dessen Herausgabe nun begehrt wird, der einst geraubte Gegenstand ist.103 Darin liegt allerdings nicht der problematische Aspekt dieser Fallgestaltung. Die Frage, ob die herauszugebende Sache mit der geraubten Sache identisch ist, stellt sich gar nicht. Der Gerichtshof hat nur zu ermitteln, ob der Kläger Eigentümer der Sache und ob der Beklagte ihr (unberechtigter) Besitzer ist. Ob die Sache durch die Hände eines Drittstaats gegangen ist, ist dabei an sich irrelevant. Für das Prüfprogramm des IGH spielt es keine Rolle, ob die Sache jemals im Besitz des Staates C war oder ob sie auf irgendeine andere Weise aus dem Besitz des Eigentümers B in den den Beklagten A gelangt ist. Auf die Handlungen oder die Verantwortung des Drittstaats C kommt es insoweit nicht an. Die Monetary Gold-Doktrin ist deshalb jedenfalls unter dem Gesichtspunkt nur des zwischenzeitlichen Besitzes eines Drittstaats nicht einschlägig.104 Einschlägig ist sie jedoch insoweit, als es zu ermitteln gilt, ob der Drittstaat C die streitgegenständliche Sache möglicherweise wirksam in sein Eigentum gebracht hatte, bevor sie an den Beklagten B überging. Dann nämlich ist der wirksame Eigentumserwerb durch C eine notwendige Vorfrage für die Annahme des fortbestehenden Eigentums des Staates A. Insoweit liegt es dann nicht anders als in einem Fall, in dem die Feststellung des IGH über das Eigentum an einer Sache begehrt wird, die einem Drittstaat gehören kann. Es geht dann also nicht etwa um die Verantwortlichkeit des Drittstaats für die Wegnahme der Sache, sondern um seine Berechtigung an der Sache. Hier stellt sich dann die Frage, ob der Gerichtshof in jedem Fall, auch bei einer ganz offensichtlichen Rechtslage, an der Entscheidung gehindert ist, oder ob die Berechtigung des Drittstaats zumindest plausibel sein muss. Für den vorliegenden Fall stellt sich also insbesondere die Frage, ob ein vorgeblicher Aneignungsakt des Drittstaats stattgefunden haben muss.105 Ist das nicht der Fall, so könnte der IGH möglicherweise von 103

IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 162; wohl zustimmend Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 558 f. 104 A.A. Weeramantry, ebda. 105 Vgl. auch, aus dem Recht der (ehemals absoluten) Staatenimmunität, House of Lords, Compania Naviera Vascongado v. S.S. Cristina (The Cristina) [1938] AC 485, 516 (Lord Maugham); Judicial Committee of the Privy Council, Ysmael & Co. Ltd. v. Government of the Republic of Indonesia [1955] AC 72, 89 f. (Earl Jowitt); Court of Appeal (England und Wales), Haile Selassie v. Cable and Wireless Ltd. [1938] Ch 839, 848 f. (Sir Wilfrid Greene MR); The Arantzazu Mendi [1939] P 37, 55 (Goddard LJ); High Court (Queen’s Bench Division) (England und Wales), Io Congreso del Partido [1978] 1 QB 500, 519 f. (Robert Goff J): Ein fremder Staat müsse seinen – nicht zwingend wirksamen – Eigentumserwerb an der streitgegenständlichen Sache glaubhaft machen (oder: anbeweisen); dazu auch Damian, Staatenimmunität, S. 175; Higgins, NILR 29 (1982), S. 265, 273. Im Erkenntnisverfahren besteht nun keine Immunität des unbeweglichen Eigentums eines fremden Staates im Gerichtsstaat mehr. Das beruht auf der fehlenden Immunität für acta jure gestionis (Terhechte, in: O’Keefe/Tams,

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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dem fortbestehenden Eigentum des Klägers schlicht ausgehen. Dann müsste er nicht die Verantwortlichkeit des Drittstaats für seinen einstigen Besitz prüfen, sondern hätte nur den tatsächlichen Besitz des Beklagten in den Blick zu nehmen. Dieses Problem der nötigen Substantiierung von Drittstaatsinteressen vor dem Eingreifen der Monetary Gold-Doktrin kann potenziell in allen Fällen auftreten, in denen der IGH möglicherweise Rechte eines Drittstaats verneinen muss. Insofern könnte die Monetary Gold-Doktrin also entweder nur plausible Interessen berücksichtigen oder jegliche – auch offensichtliche – Sachentscheidungen ausschließen. Diese Frage wird daher in einem folgenden Abschnitt dieser Arbeit, im Zusammenhang mit der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf die Feststellung über Streitgegenstände, an denen Drittansprüche bestehen, erörtert werden.106 hh) Berufung auf höhere Gewalt wegen Handlungen eines Drittstaats Weiter hat Richter Weeramantry folgendes Beispiel gebildet: Zwischen den Staaten A und C liege ein kleiner Streifen des Staatsgebiets von B. In Staat C trete nun radioaktiver Abfall aus und fließe durch das Territorium des Staates B in das des Staates A. Staat A verklage nun Staat B wegen der entstehenden Schäden. Dieser verteidigt sich, indem er vorträgt, der Abfall sei aus Staat C gekommen und er, Staat B, habe nichts mehr gegen die Schadensfolgen in A unternehmen können. Nach Weeramantry soll insoweit die Monetary Gold-Doktrin einschlägig sein, weil die Verantwortlichkeit des Drittstaats C aufgeworfen werde.107 Das ist richtigerweise nicht der Fall. Der Beklagte B hätte nur auszuführen, und der IGH hätte für das Ergebnis der Unbegründetheit der Klage nur festzustellen, dass der Staat B tatsächlich höherer Gewalt ausgesetzt war.108 Auf die Frage, ob für die relevanten Tatsachen ein anderer Staat völkerrechtlich verantwortlich war, kommt es nicht an. Das Urteil würde daher keine Aussage über den Drittstaat treffen müssen, sondern nur über Umstände, die möglicherweise seiner Kontrolle unterlagen. Eine Vorfrage im Sinne der Monetary Gold-Doktrin stellt sich dabei nicht. S. 226) und der besonderen Zuständigkeit des Gerichtsstaats für Objekte auf seinem Staatsgebiet (Fox/Webb, State Immunity, S. 422; Terhechte, in: O’Keefe/Tams, S. 226). Diese Erwägungen sind hier nicht übertragbar (vgl. oben, 1. Teil Fn. 1064). Im Arrest- oder Vollstreckungsverfahren könnte sich aber auch jetzt noch die geschilderte Frage des erforderlichen Beweises des Eigentums oder Besitzes (vgl. Brown/O’Keefe, in: O’Keefe/Tams, S. 299 f., 315 f.) des fremden Staates ergeben, wenn nicht schon die Jurisdiktion im Erkenntnisverfahren die Frage beantwortet (vgl. Damian, Staatenimmunität, S. 175). 106 Vgl. unten, 2. Teil A. I. 2. c) dieser Arbeit. 107 IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 161 f.; wohl zustimmend Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 558 f. Ähnlich Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 211, zu einem Szenario, in dem sich ein Beklagter damit verteidigt, ein Drittstaat habe ihn zu einem Delikt gezwungen. 108 Vgl. dazu nur Art. 23 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts sowie den Kommentar hierzu, UN Doc. A/56/10, S. 43, 183 ff. Nicht anders verhält es sich bei dem in der vorstehenden Fußnote erwähnten Szenario von Nollkaemper.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

ii) Völkerrechtswidrige Anerkennung eines Urteils aus einem Drittstaat: der Jurisdictional Immunities-Fall Schließlich könnte die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats auch in Rede stehen, wenn ein Staat wegen der angeblichen Völkerrechtswidrigkeit der Anerkennung eines Urteils aus dem Drittstaat verklagt ist. Im Fall Jurisdictional Immunities of the State hat Deutschland unter anderem in diesem Sinne gegen Italien wegen der Verletzung seiner völkerrechtlichen Immunität durch italienische Gerichte geklagt. Dabei war auch streitgegenständlich, dass italienische Gerichte in angeblich völkerrechtswidriger Weise griechische Urteile gegen Deutschland anerkannt und für in Italien vollstreckbar erklärt hatten.109 Vor diesem Hintergrund hat Griechenland im Verfahren beantragt, als Intervenient nach Art. 62 des Statuts zugelassen zu werden;110 der Gerichtshof hat dem Antrag stattgegeben.111 Griechenland hat dabei aber bereits ausdrücklich erklärt, es sei keine „indispensable third party“ im Sinne der Monetary Gold-Doktrin.112 In der Tat hat der IGH bestätigt, dass er bei seiner Entscheidung über die Frage, ob die italienische Anerkennung der griechischen Urteile die Immunität der Bundesrepublik Deutschland verletzt hat, nicht im Sinne einer notwendigen Vorfrage klären musste, ob die griechischen Urteile ihrerseits völkerrechtswidrig waren oder nicht.113 Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile ist selbst an die Immunität ausländischer Staaten (im Erkenntnisverfahren) gebunden und unterliegt insoweit denselben Grenzen wie das zur Anerkennung anstehende Urteil.114 Der IGH musste deshalb nur prüfen, ob die italienischen Entscheidungen selbst die Immunität Deutschlands beachtet haben oder nicht. Die weitere Frage, ob dies in den zugrunde liegenden griechischen Urteilen geschehen war, stellte sich dem Gerichtshof nicht.115 Insofern liegt es im Ergebnis wie im Nauru-Fall, wobei in diesem die Verbindung zwischen dem angeblichen Delikt des Beklagten und denen der Drittstaaten noch 109

Antrag (3) der deutschen Application instituting Proceedings, verfügbar unter www.icjcij.org, S. 13. 110 Application for Permission to Intervene submitted by the Government of the Hellenic Republic, verfügbar unter www.icj-cij.org. 111 IGH, Jurisdictional Immunities of the State, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 2009, S. 494, 503 (Ziff. 1 des operativen Teils). 112 Application for Permission to Intervene submitted by the Government of the Hellenic Republic, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 10. 113 IGH, Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f.; dazu auch Crawford, State Responsibility, S. 660; Zimmermann, JIDS 4 (2013), S. 521, 532. 114 Ebda., S. 149 f., 151 f.; vgl. UK Supreme Court, NML Capital Ltd. v. Republic of Argentina [2011] UKSC 31, [2011] 2 AC 495, Rn. 29 (Lord Phillips of Worth Matravers), Rn. 115 (Lord Collins of Mapesbury), Rn. 148 (Lord Clarke of Stone-cum-Ebony); O’Keefe, in: Tams/ Sloan, S. 107, 113. 115 IGH, Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f.; Bonafé, LJIL 25 (2012), S. 739, 752; Thirlway, Japanese YIL 55 (2012), S. 4, 27 Fn. 91; zweifelnd Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 316.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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enger war, weil dieselbe Handlung allen zuzurechnen war und nicht nur eine gleich gelagerte Handlung eines Drittstaats zu der streitgegenständlichen Handlung des Beklagten geführt hat. Auch stellte sich dem IGH nicht die Frage, ob Italien die Anerkennung der griechischen Urteile aus dem Grund hätte verweigern dürfen, dass diese die Immunität Deutschlands missachtet hätten.116 Wenn nämlich die italienischen Anerkennungen für sich genommen Völkerrecht verletzt haben, spielt es keine Rolle, ob die italienischen Gerichte durch das innerstaatliche Recht, durch Völkerrecht oder durch europäisches Unionsrecht verpflichtet waren, die Anerkennungen zu erteilen. Innerstaatliches Recht ist für die Frage eines Völkerrechtsverstoßes ohnehin unerheblich,117 und gegenüber anderen völkerrechtlichen oder unionsrechtlichen Verpflichtungen entstünde allenfalls ein Konflikt, der die Anwendung der deutschen Immunität nicht beeinflussen könnte.118 In casu dürfte es auch schon keine Verpflichtung Italiens zur Anerkennung der griechischen Urteile gegeben haben,119 so dass sich die Frage einer Ausnahme wegen einer griechischen Völkerrechtsverletzung nicht stellen konnte. Eine Norm, nach der Italien an der Anerkennung der griechischen Urteile gerade deshalb gehindert wäre, weil diese völkerrechtswidrig seien, hat Deutschland im Übrigen nicht vorgebracht. Das wäre auch nicht sinnvoll gewesen, weil die Bindung der italienischen Gerichte an dieselbe Immunität wie die griechischen Gerichte die inzidente Berücksichtigung der Rechtmäßigkeit der griechischen Urteile an sich entbehrlich machte. Folglich war nur zu entscheiden, ob Italien in seinem Anerkennungsverfahren Völkerrecht verletzt hatte, nicht aber ob dem auch eine Völkerrechtsverletzung durch Griechenland vorhergegangen war. Im Sinne der Monetary Gold-Doktrin stellte sich daher im Fall Jurisdictional Immunities of the State keine Drittstaatsfrage. jj) Prüfung einer nur hypothetischen Verantwortlichkeit des Drittstaats Schließlich stellt sich die Frage, ob die Monetary Gold-Doktrin auch dann eingreift, wenn zwar die im Verhältnis zwischen den Prozessparteien anwendbare Rechtsnorm den Blick auf eine Rechtsverletzung durch einen Drittstaat lenkt, diese 116

Vgl. zu dieser Möglichkeit nur BGH, NJW 56 (2003), S. 3488 f. Vgl. nur Art. 27 WVK und Art. 3 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts sowie den Kommentar hierzu, UN Doc. A/56/10, S. 43, 74 ff. Insoweit geht es nicht um einen Vorrang des Völkerrechts vor dem innerstaatlichen Recht (in diesem Sinne aber Kolb, Introduction, S. 163), sondern das Völkerrecht ist gegenüber dem innerstaatlichen Recht indifferent (Milanovic´, Duke JCIL 20 (2009), S. 69, 104), weil das innerstaatliche Recht im Völkerrecht (außer aufgrund von Verweisungen) keine normative Kraft hat (Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 560 Fn. 111). 118 S. o., 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (a) und bei Fn. 795. 119 Dazu IGH, Jurisdictional Immunities of the State, Application for Permission to Intervene, Declaration of Judge ad hoc Gaja, ICJ Reports 2009, S. 531. 117

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Rechtsverletzung aber nach einer Norm zu bestimmen ist, die den Drittstaat in Wirklichkeit nicht bindet. Teilweise wird angenommen, dass bei der Prüfung des menschenrechtlichen Auslieferungs- und Abschiebungsschutzes eine solche Prüfung der hypothetischen Verantwortlichkeit des Zielstaats für eine den Schutz auslösende Misshandlung geboten sei.120 Außerdem kann eine solche hypothetische Prüfung in Betracht kommen, wenn etwa in einer Klage aufgrund eines bilateralen Vertrags vorgetragen wird, der Beklagte habe im Zusammenwirken mit einem Drittstaat ein Delikt begangen, das der Drittstaat aber ebenfalls nicht habe legitimieren können, weil er einer entsprechenden (ggf. selbst bilateralen) Verpflichtung desselben Inhalts ausgesetzt gewesen sei. Bei diesem Vortrag kann die Monetary Gold-Doktrin schon wegen der Parallelität der Verantwortlichkeiten und des Fehlens einer präjudiziellen Rechtsfrage betreffend den Drittstaat unanwendbar sein.121 Die bloß hypothetische Natur der Prüfung seiner Verantwortlichkeit könnte dann aber einen weiteren Grund der Unanwendbarkeit der Monetary Gold-Doktrin ausmachen. Auch ist nicht auszuschließen, dass es zu Rechtsgestaltungen kommen könnte, in denen allein dieser Grund das Sachentscheidungshindernis der Monetary GoldDoktrin abwendet. Diese Frage nach der Prüfung einer ausschließlich hypothetischen Verantwortlichkeit des Drittstaats ist von Fallgestaltungen zu unterscheiden, in denen die Verantwortlichkeit des Drittstaats nur nicht nach Maßgabe derselben Norm bestehen muss, die die fragliche Prozesspartei bindet. So ist es zwar vorstellbar, dass in einem Fall, in dem einem Beklagten vor dem IGH eine selbst völkerrechtswidrige Beihilfe zu einem Delikt eines Drittstaats vorgeworfen wird, die Verbotsnorm für den Drittstaat nicht der formellen Rechtsquelle, sondern nur dem materiellen Inhalt nach mit der Primärnorm identisch (oder gleichsinnig) sein muss, die den Beklagten bindet.122 Das ändert dann aber nichts daran, dass eine tatsächliche Verantwortlichkeit des Drittstaats nach Maßgabe einer ihn wirklich bindenden Norm zu prüfen ist. Wenn tatsächlich nur eine hypothetische Verantwortlichkeit des Drittstaats in Rede steht, könnte dies Auswirkungen auf die nach hiesiger Auffassung für die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin maßgebliche Frage haben, ob für den Drittstaat unter der (einzigen) Hypothese, dass seine Bindung an das Urteil nicht von der Relativität der Rechtswirkungen des Urteils gehindert wird, Rechtskraft entstünde. Ein Staat könnte nämlich nicht an einen Ausspruch des Gerichtshofs gebunden werden, der ihn inhaltlich nichts angeht.123 Das gilt, da es auf bloße tatsächliche Feststellungen des IGH nicht ankommt,124 auch für einen Ausspruch, der 120

S. o., 2. Teil Fn. 41. S. dazu aber oben, 2. Teil A. I. 1. b) bb) dieser Arbeit. S. o., 2. Teil A. I. 1. und 1. a) dieser Arbeit. 122 S. dazu Aust, Complicity, S. 261 ff., zu Art. 16 lit. b) der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 47. 123 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit, bei Fn. 915. 124 S. o., 2. Teil A. I. b) ee) (2) dieser Arbeit. 121

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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bereits nach seiner eigenen, bewusst nicht zutreffenden Hypothese in rechtlicher Hinsicht nicht materiell richtig sein kann. Demnach könnte die Monetary Gold-Doktrin nur Anwendung finden, wenn der Drittstaat in dieser Situation zwar nicht an die geprüfte Norm, aber doch an eine materiell gleichsinnige Norm gebunden wäre. Außerdem müssten dann diese den Drittstaat bindende Norm und die nur hypothetisch geprüfte Norm eine Einheit in dem Sinne bilden, dass ein gerichtlicher Streit über die Anwendung einer dieser Normen ein einzelner Streit über beide Normen wäre. Dass die beiden Normen ohne eine solche gemeinsame Betrachtung nur gleichlautend nebeneinander stehen und getrennte Streitfälle über sie möglich sind, würde nicht genügen. In diesem Fall entstünde zwar aus einer Entscheidung über die hypothetische Verantwortlichkeit des Drittstaats nach Maßgabe der einen Norm eine moralische Autorität hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit nach Maßgabe der ihn wirklich bindenden Norm. Die moralische Autorität ist aber nicht als solche maßgeblich, sondern ist nur der Anlass der rechtlich maßgeblichen Annahme, die grundlegenden Normen des Statuts würden umgangen.125 Eine Umgehung eines Vorgehens gegen den Drittstaat selbst aufgrund einer ihn bindenden Norm würde aber nicht darin liegen, dass stattdessen gegen einen anderen Staat aufgrund einer Norm vorgegangen wird, die diesen bindet und die Frage der hypothetischen Verantwortlichkeit des Drittstaats aufwirft, denn in einer Situation, in der mehrere Staaten beklagt werden könnten, liegt es bei dem Kläger, wen er beklagt, und wenn die Norm, die den gewünschten Beklagten bindet, einen Drittstaat in den Blick geraten lässt, ist das nicht illegitim.126 Dass – was wirklich für die Umgehung maßgeblich ist127 – hypothetische Rechtskraft für den Drittstaat entstünde, ist dagegen nur möglich, wenn die angewendete und die gegenüber dem Drittstaat anwendbare Norm eine Einheit in dem beschriebenen Sinne bilden. Dass über zwei inhaltsgleiche Normen nur ein Streit und nicht zwei getrennte Streitfälle entstehen können, ist schon angenommen worden.128 In demselben Zusammenhang ist aber auch, insbesondere vom IGH, die Gegenauffassung vertreten worden, nach der zwei gleichgerichtete und gleichsinnige Normen jeweils ein separates Dasein hatten und jeweils den rechtlichen Streitstoff einen selbständigen Streit bilden konnten.129 Auf diese Meinungsverschiedenheit kommt es hier indes nicht an, weil es in dieser Diskussion jeweils – notwendig – um Fälle ging, in denen die beiden in Rede stehenden Normen nicht nur ratione materiae, sondern auch 125

S. o., 1. Teil B. III. 2. b) aa) und bb) (3) dieser Arbeit. Vgl. oben, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (1) dieser Arbeit. 127 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit. 128 New Zealand–Japan, Australia–Japan Arbitral Tribunal, Southern Bluefin Tuna, Decision of 4 August 2000, RIAA XXIII, S. 1, 42. 129 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 95; ISGH, The Mox Plant Case, Order of 3 December 2001, ILR 126 (2005), S. 259, 273; zum Ganzen auch Aust, Complicity, S. 263 f.; Finke, Parallelität, S. 267 ff., 288 ff.; Lock, Verhältnis, S. 68 ff.; Thienel, in: Krzan, S. 189, 214 ff. 126

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

ratione personae gleichsinnig waren, also insbesondere jeweils denselben Staat wirklich banden. Ist das nicht der Fall, kann keine Rede davon sein, dass über zwei unterschiedliche Normen nur ein einzelner Streit entstehe, denn schon die Beteiligten des Streits wären bei den beiden Normen andere. Dieser Unterschied wird bei der hier verfolgten Frage nach einer hypothetischen Rechtskraft für den Drittstaat nicht überwunden, denn zu der Hypothese der Bindung an das Urteil tritt die Hypothese der Bindung an die geprüfte Norm hinzu. Es ist folglich nicht begründbar, dass für den Drittstaat aus der Anwendung einer Norm auf sein Verhalten, die unter der ausdrücklichen und bewusst unzutreffenden Hypothese der Bindung des Drittstaats geschieht, hypothetische Rechtskraft entsteht. Dies kann auch noch anders formuliert werden: Die Frage, ob für den Drittstaat hypothetische Rechtskraft entsteht, ist gleichbedeutend mit der Frage, ob die Rechtskraft eines Sachurteils, unter der Hypothese einer Bindung des Drittstaats, für den Drittstaat zumindest teilweise inhaltsgleich mit der Rechtskraft eines Sachurteils in einem Prozess gegen den Drittstaat selbst wäre. Ein Prozess gegen den Drittstaat selbst könnte aber aufgrund einer ihn in Wirklichkeit nicht bindenden Norm nicht stattfinden, eben weil diese Norm nicht fähig wäre, ein gegenüber dem Drittstaat rechtskräftiges Urteil zu tragen (und weil es einem Kläger deshalb am Rechtsschutzinteresse fehlte). Das unterstreicht nochmals, dass die Prüfung der nur hypothetischen Verantwortlichkeit eines Drittstaats nicht die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auslösen kann.130 2. Ansprüche eines Drittstaats auf streitgegenständliche Gebiete oder Sachen Neben diesen diversen Konstellationen, in denen die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats in den Blick des IGH kommen kann, können Drittstaatsinteressen auch dann betroffen sein, wenn der IGH über Ansprüche auf die Hoheitsgewalt über ein Gebiet oder über das Eigentum an einer Sache zu entscheiden hat. Namentlich kann ein Gebiet oder ein Gegenstand, über dessen Zuordnung zu einer der Parteien des Verfahrens der IGH entscheiden soll, zugleich von einem Drittstaat beansprucht werden.

130 Dafür i.E. auch Aust, Complicity, S. 314 (zu Fällen des Auslieferungs- und Abschiebungsschutzes). Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 277 f., sieht dagegen durchaus ein Monetary Gold-Problem für den Fall, dass vor dem EGMR ein nicht an die EMRK gebundener Staat zum Drittstaat im Sinne der Monetary Gold-Doktrin wird. Die Abweisung der Beschwerde – als gerade wegen der Monetary Gold-Doktrin unzulässig – hält sie nur für akzeptabler angesichts dessen, dass der Drittstaat nicht an die EMRK gebunden werden kann.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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a) Gebietsansprüche des Drittstaats Mit Blick auf Gebietsansprüche eines Drittstaats hat sich dieses Problem dem IGH bereits mehrfach gestellt. Die Praxis des IGH lässt sich insoweit in Fälle betreffend Seegrenzen und solche betreffend Grenzziehungen an Land unterteilen. aa) Ansprüche eines Drittstaats auf Seegebiete Zunächst sollen hier die Fälle erörtert werden, in denen der Gerichtshof Seegebiete einem Staat zuzuordnen hatte. Hierbei trat die Frage der Berechtigung des Drittstaats teilweise auf, weil dieser begehrte, als Intervenient gemäß Art. 62 des Statuts zugelassen zu werden.131 Teilweise gab es aber auch Drittstaatsansprüche im Zusammenhang mit dem Streitgegenstand, ohne dass ein Drittstaat einen Antrag nach Art. 62 des Statuts gestellt hätte.132 Jeweils stellte sich die Frage, ob der IGH über die Ansprüche des Drittstaats mitentscheiden könnte, also ob sein Urteil die auch im Verhältnis zu einem Drittstaat streitigen Seegebiete mit erfassen würde. Namentlich in den Fällen, in denen ein Drittstaat einen Antrag auf Zulassung als Intervenient gestellt hatte, hing die Berechtigung zur Intervention nach Art. 62 des Statuts – also die Berührung rechtlicher Interessen dieses Staates – für den IGH davon ab, ob das Urteil einen Ausspruch über die fraglichen Gebiete enthalten würde. Dies verneinte der IGH.133 Er verwies insofern darauf, dass sein Urteil nicht nur gemäß Art. 59 des Statuts für jeden Drittstaat unverbindlich sein würde, sondern dass er auch bereits inhaltlich von Aussprüchen über Gebiete, in denen plausible An-

131 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26 f.; Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 25 f.; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 348, 371 f. 132 Vgl. IGH, Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Merits, ICJ Reports 1982, S. 18, 91 (hier war ein Interventionsantrag Maltas zuvor aus anderen Gründen abgewiesen worden); Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Merits, ICJ Reports 2001, S. 40, 109, 116; Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 756; Maritime Delimitation in the Black Sea, ICJ Reports 2009, S. 61, 100, 129, 131. Im Fall Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria hatte zum Zeitpunkt der Hauptsacheentscheidung einer der Drittstaaten interveniert, der andere jedoch nicht: Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 421; dazu IGH, Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 348, 372. Vgl. auch ISGH, Dispute concerning Delimitation of the Maritime Boundary between Bangladesh and Myanmar in the Bay of Bengal, Judgment, verfügbar unter www.itlos.org, Rn. 367, 462. Zum Ganzen auch Tanaka, LJIL 26 (2013), S. 909, 927 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 24. 133 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26 f.; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Application by Costa Rica for Permission to Intervene, ICJ Reports 2011, S. 348, 371 f.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

sprüche eines Drittstaats bestünden, absehen werde.134 Die Grenzziehung zwischen den Parteien des Verfahrens würde also dort enden, wo Ansprüche eines dritten Staates begännen.135 So hat der IGH dann auch die Urteile in der Hauptsache abgefasst.136 Entsprechende Zurückhaltung hat er auch geübt, wenn kein Drittstaat intervenieren wollte.137 In der Sache liegt in dieser Nichtentscheidung über Gebiete, in denen Ansprüche eines oder mehrerer Drittstaaten in Betracht kommen, deren Zuordnung die Parteien aber beantragt hatten, eine Entscheidung infra petita.138 Damit ist die Pflicht des Gerichtshofs berührt, im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten über den von den Parteien vorgebrachten Fall zu entscheiden. Der IGH musste also eine rechtliche Rechtfertigung für diese Nichtentscheidung haben; die Sachentscheidung in dem weiteren Umfang müsste unzulässig gewesen sein.139 Davon ist der Gerichtshof offenbar ausgegangen. In Betracht kommt als Unzulässigkeitsgrund nur die Monetary Gold-Doktrin; die Nichtentscheidung über von einem Drittstaat beanspruchte Gebiete stellt sich also als eine beschränkte, weil nur einen Teil des Streitgegenstands betreffende, Anwendung der Monetary Gold-Doktrin dar.140 Die Ansprüche des 134 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26. 135 S. o., 2. Teil Fn. 131. 136 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 25 f.; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Merits, ICJ Reports 2012, S. 624, 707. Kritisch zur Handhabung im letzteren Fall Tanaka, LJIL 26 (2013), S. 909, 928 f., m.w.N. 137 S. o., 2. Teil Fn. 132. 138 Vgl. Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 104 Fn. 19; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 22; vgl. auch Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 335 („non liquet partiel“); Sugihara, Japanese YIL 55 (2012), S. 77, 104, und vgl. zur Entscheidung infra petita allgemein Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, General Principles of Procedural Law Rn. 46; ders., ICJ, S. 926 f. Kolb weist auch zu Recht darauf hin, dass gerade die Monetary GoldKonstellation ein Fall ist, in dem eine Entscheidung infra petita geboten ist. Für den Fall Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya) ist unklar, ob die Zurückhaltung des IGH angesichts des dortigen Compromis und der Anträge als Entscheidung infra petita zu qualifizieren ist; vgl. einerseits Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1066, andererseits Fritzemeyer, Intervention, S. 111 Fn. 367. Diese einzelfallbezogene Frage kann hier offenbleiben. 139 Dazu bereits oben, 1. Teil B. III. dieser Arbeit. 140 IGH, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 756; Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 221; Fritzemeyer, Intervention, S. 111 Fn. 367; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 50 f.; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1066, 1068; vgl. Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 328; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 25; Zimmermann, JIDS 4 (2013), S. 521, 531; vgl. auch IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 275, 312, 324; Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 421; Schorer, Konsensprinzip, S. 123; Sperduti, AFDI 30 (1984), S. 273, 276; a.A., allerdings mit einer nur auf den Fall Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta) anwendbaren Begründung aus dem dortigen Compromis, IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 294 f.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

283

Drittstaats müssen folglich als „very subject-matter of the decision“ im Sinne der Monetary Gold-Doktrin des IGH141 gegolten haben. Es stellt sich nun die Frage, worauf diese Annahme beruhen konnte. Naheliegend ist insofern in erster Linie eine Anwendung der im Nauru-Urteil des IGH und in dieser Arbeit entwickelten Vorfragendogmatik, die dann zu einer Unzulässigkeit aufgrund der Monetary Gold-Doktrin kommt, wenn der Gerichtshof logisch zwingend, als Vorfrage, auf Rechtsverhältnisse eines Drittstaats eingehen muss, um die ihm gestellte Frage zu beantworten.142 In der Tat hat der Gerichtshof selbst diese Fragestellung einmal in einem Grenzziehungsfall – ohne nähere Begründung – für einschlägig gehalten.143 Soweit damit gemeint ist, dass die Nichtberechtigung des Drittstaats ein vorgängiges Rechtsverhältnis für die Berechtigung einer der Parteien sei, bedeutete dies, dass der IGH Fragen der territorialen Souveränität in der Art eines Ausschlussverfahrens prüft. Ein Gebiet würde demnach erst dann einer der Parteien zugesprochen, wenn geklärt wäre, dass es keinem anderen Staat zukommt. Dann würde in der Tat die Monetary Gold-Doktrin eingreifen, weil die Nichtberechtigung eines Drittstaats inzident und ausdrücklich angenommen werden müsste. Diese Erklärung der Anwendung der Monetary Gold-Formel ist jedoch angesichts der materiellen Fragestellung in Grenzziehungsfällen nicht überzeugend. Wenn der IGH über die Souveränität über ein Gebiet entscheidet, prüft er nicht im Ausschlussverfahren und stellt sich nicht die Vorfrage, ob das Gebiet einem anderen Staat gehört, um dann in der Konsequenz einer negativen Antwort auf diese Frage zu entscheiden, dass das Gebiet einer der Parteien zukomme. Vielmehr untersucht der Gerichtshof positiv die Anhaltspunkte, die den Anspruch der einen oder anderen Partei seines Verfahrens belegen können.144 Er prüft, wenn es keine Ansprüche von Drittstaaten gibt, welche der Parteien den besseren Anspruch geltend machen kann.145 Er fragt also nicht zuerst negativ, welche Partei keinen Anspruch hat, sondern 141 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1986, S. 392, 431; Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 115 f., 122; Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 259 ff.; East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 105. 142 Dazu bereits oben, 1. Teil B. III. 2. b) und c) und 2. Teil A. I. 1. a) dieser Arbeit. 143 IGH, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 756; in diesem Sinne auch Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1073. 144 Vgl. insbesondere Netherlands–USA Arbitral Tribunal, Island of Palmas Case, RIAA II, S. 829, 838 f., wonach zunächst das Vorliegen eines Titels und anschließend ggf. der tatsächliche Fortbestand der Souveränität darzulegen sind; so auch Antunes, ICLQ 48 (1999), S. 362, 371 f. 145 So ausdrücklich StIGH, Legal Status of Eastern Greenland, PCIJ Series A/B, No. 53, S. 46; Antunes, ICLQ 48 (1999), S. 362, 376. Demgegenüber hat der IGH im Fall Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 26 f., die Aussage aus Minquiers and Ecrehos, ICJ Reports 1953, S. 47, 52, wonach nur der inter partes bessere Anspruch zu ermitteln sei, auch für eine Konstellation zitiert, in der

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

vergleicht in einer einheitlichen Fragestellung die widerstreitenden Rechtspositionen. Folglich steht auch in einem Fall, in dem Drittansprüche vorliegen, allenfalls die Frage im Raum, ob der Anspruch einer der Parteien besser ist als der der anderen Partei und des Drittstaats.146 Die Berechtigung eines Drittstaats ist insofern keine Vorfrage im Verhältnis zu der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfrage, sondern Teil der Hauptfrage des Verfahrens. Sie wird nicht vorgängig ausgeschlossen, sondern mit den Ansprüchen der Parteien abgewogen. Drittstaatsinteressen werden daher nicht im Sinne der Vorfragendogmatik zum notwendigen Inhalt des Verfahrens. Strukturell anders liegt es nur, wenn der IGH eine Entscheidung über einen Teil des streitgegenständlichen Seegebiets ablehnt, weil aus Gründen der Billigkeit (den bei der Grenzziehung anzuwendenden „equitable principles“)147 die Grenzziehung zwischen den Parteien von den Auswirkungen dem Verhältnis zu angrenzenden Seegebieten von Drittstaaten (i.V.m. den geographischen Gegebenheiten) abhängt. Eine solche Möglichkeit hat der IGH im Fall Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali) angedeutet.148 In einem Fall dieser Art würde er die Entscheidung nicht über Gebiete ablehnen, die ein Drittstaat selbst beansprucht, sondern über Gebiete, die zwar einer der Parteien zukommen, deren Aufteilung aber von den Rechten der Nachbarstaaten abhängt. Darum ging es aber in der bisherigen Praxis nicht. Zu einer Notwendigkeit der vorherigen Feststellung der Rechte Dritter wird es auch in der Regel nicht kommen, weil nur eine (grobe) Angemessenheit der Grenze zwischen den Parteien im Verhältnis zu den anderen Grenzziehungen in der Region herbeizuführen ist und hier Schätzungen ausreichen werden.149 es durchaus Drittansprüche gab. Damit hat er die abweichende Sachlage in Minquiers and Ecrehos übergangen und die Erläuterung aus Eastern Greenland missachtet; im ersteren Sinne auch Sperduti, RDI 71 (1988), S. 86, 88; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1068 Fn. 81; vgl. auch Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 526, 532. 146 Vgl. IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 26: „The Court has not been endowed with jurisdiction to determine […] whether the claims of the Parties outside that area prevail over the claims of those third States in the region“ (Hervorhebung nicht im Original). 147 Vgl. dazu IGH, North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Reports 1969, S. 3, 46 ff.; Maritime Delimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen, ICJ Reports 1993, S. 38, 58, 62; Maritime Delimitation and Territorial Questions between Qatar and Bahrain, Merits, ICJ Reports 2001, S. 40, 111; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 441; Court of Arbitration, Delimitation of the Continental Shelf between the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the French Republic, Decision of 30 June 1977, RIAA XVIII, S. 3, 45; Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 38 Rn. 153 (mit Kritik in Rn. 170 Fn. 442). 148 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 578; vgl. aber die teils gegenteilige Rechtsprechung in der folgenden Fußnote. 149 Vgl. IGH, Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Merits, ICJ Reports 1982, S. 18, 91 (dazu auch – im Wege eines distinguishing – IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 421); Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92,

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Wenn demnach die Rechte eines Drittstaats bei dem Streit um Seegebiete in der Regel keine Vorfragen für die Entscheidung zwischen den Prozessparteien ist, ist die vorstehend beschriebene Anwendung der Monetary Gold-Doktrin in diesen Grenzziehungsfällen entweder unberechtigt, oder sie beruht auf besonderen Erwägungen. In der Tat gibt es bei Urteilen über völkerrechtliche Gebietsansprüche Besonderheiten hinsichtlich der Möglichkeit einer Drittstaatsbetroffenheit. Oben wurde darauf hingewiesen, dass der operative Teil der meisten anderen Urteile des IGH immer nur die Parteien des Verfahrens ausdrücklich ansprechen kann. Ein Drittstaat kann demnach von der (hypothetischen) Rechtskraft eines Urteils nur dann betroffen sein, wenn er bei der Prüfung eines präjudiziellen Rechtsverhältnisses angesprochen wird. Auch die Feststellung des Gerichtshofs hierzu ist der Rechtskraft fähig. Daraus wurde oben hergeleitet, dass ein Drittstaat nur dann im Sinne der Monetary GoldDoktrin betroffen ist, wenn eines seiner Rechtsverhältnisse im Verfahren vor dem IGH präjudiziell für die zu entscheidende Streitfrage zwischen den Parteien ist.150 Bei Gebietsstreitigkeiten liegt die Sache jedoch anders. Hier trifft der operative Teil des Urteils eine Aussage über die absolute Zuordnung des fraglichen Gebiets zu einem bestimmten Staat.151 Ein Gebiet kann aber nicht zugleich einem und einem anderen Staat zustehen; die staatliche Souveränität ist begrifflich notwendig ein alleiniges und ausschließliches Recht.152 Daraus folgt, dass bereits der operative Teil des Urteils Drittstaaten anspricht, weil der Streitgegenstand ggf. die Interessen von Drittstaaten umfasst. Es ist hier also nicht mehr notwendig, dass der ausdrückliche und der 124; Maritime Delimitation in the Black Sea, ICJ Reports 2009, S. 61, 100; Territorial and Maritime Dispute (Nicaragua v. Colombia), Merits, ICJ Reports 2012, S. 624, 684 f. 150 Dazu oben, 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit. 151 Vgl. Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 59, Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 62, und z. B. IGH, Minquiers and Ecrehos, ICJ Reports 1953, S. 47, 72. Anders Thirlway, BYIL 66 (1995), S. 1, 20, 22 f., der in einem Grenzziehungsurteil keine absolute Zuordnung der fraglichen Gebiete sieht, weil das Urteil wie ein Vertrag einem Drittstaat mit eigenen Ansprüchen nicht entgegenzuhalten sei. Damit verwechselt er jedoch die Rechtswirkung des Urteils (dazu oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (2) dieser Arbeit) mit seinem der Monetary Gold-Doktrin unterliegenden Aussagegehalt. Der IGH selbst hat bisweilen eine Unterscheidung zwischer einer absoluten Zuordnung von Gebieten zu einem Staat durch sein Urteil, die nicht ohne einen sachlich betroffenen Drittstaat erfolgen könne, und einer nur relativen Zuordnung durch eine Grenzziehung angedeutet; vgl. IGH, Delimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area, ICJ Reports 1984, S. 246, 265; Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), ICJ Reports 1985, S. 13, 25; dazu eingehend Thirlway, BYIL 66 (1995), S. 1, 19 f. Da es jeweils um dieselben Rechte und Rechtsfragen geht, ist diese Unterscheidung hinsichtlich der Wirkung des Urteils aber nicht naheliegend; Thirlway, BYIL 66 (1995), S. 1, 20. In der späteren Rechtsprechung kommt diese Unterscheidung, die eine Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf Grenzziehungsfälle weitgehend ausscheiden ließe, auch nicht mehr vor; vgl. oben, 2. Teil Fn. 131, 132. 152 Netherlands–USA Arbitral Tribunal, Island of Palmas Case, RIAA II, S. 829, 838; Ewer/Thienel, NJW 67 (2014), S. 30, 31; vgl. auch StIGH, Case of the S.S. Lotus, PCIJ Series A, No. 10, S. 18 f.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Rechtskraft zugängliche Ausspruch über die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats im Rahmen der Prüfung einer Vorfrage erfolgt. Der Drittstaat ist vielmehr – wie schon soeben angemerkt wurde – bereits durch die Hauptfrage des Verfahrens unmittelbar betroffen.153 Folglich hängt die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin in Grenzziehungsfällen nicht von der ansonsten gültigen Vorfragendogmatik ab. Die Doktrin greift vielmehr immer dann ein, wenn der IGH mit seinem Urteil auch über die Berechtigung eines Drittstaats in einer Weise mitentscheidet, die für den Drittstaat (hypothetisch) in Rechtskraft erwüchse. Das ist auch dann der Fall, wenn nicht eine Vorfrage unmittelbar den Drittstaat betrifft, sondern wenn der beantragte Hauptausspruch des Urteils sich unmittelbar auf den Drittstaat bezieht. Das wiederum ist anzunehmen, wenn der Ausspruch über die Souveränität einer der Parteien über ein bestimmtes Gebiet sich auf ein Gebiet bezieht, das auch der Drittstaat beansprucht. Die (zumeist stillschweigende) Anwendung der Monetary Gold-Doktrin in dem Sinne, dass der Gerichtshof bei Grenzziehungen auf See solche Gebiete aussparen wird, auf die Drittstaaten Ansprüche erheben, ist daher zutreffend. Ob diese Zurückhaltung nur dann in Betracht kommt, wenn diese Ansprüche auch plausibel sind, soll im Folgenden noch unter der allgemeineren Fragestellung diskutiert werden, ob etwa betroffene Drittstaatsinteressen substantiiert sein müssen.154 bb) Ansprüche eines Drittstaats auf Gebiete an Land Soweit es nicht um die Abgrenzung von Zonen staatlicher Hoheitsrechte auf See ging, sondern um den Verlauf von Landgrenzen zwischen zwei oder mehr Staaten, hat der Gerichtshof Vorbehalte gegenüber einer einfachen Übertragung der zu den

153 Dementsprechend beschreibt Quéneudec, Receuil des Cours 255 (1995), S. 356, 357 f., die Monetary Gold-Doktrin als nur dann unanwendbar, wenn die Entscheidung zwischen den wirklichen Parteien „n’a […] ni pour objet ni pour préalable un examen de la situation juridique des tiers concernés“ (Hervorhebung nicht im Original). Zumindest sprachlich ebenso IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports 2005, S. 168, 238, und Application of the Interim Accord of 13 September 1995, ICJ Reports 2011, S. 644, 661, wo der Gerichtshof zunächst verneint, dass die Interessen von Drittstaaten (bzw. auch der NATO) „the subject-matter of the decision of the Court on the merits“ sein würden, und fortfährt: „Nor would the assessment of their responsibility be a ,prerequisite for the determination of the responsibility‘ of the Respondent.“ Damit deutet der IGH zumindest an, dass es auch eine Drittbetroffenheit im Sinne der Monetary Gold-Doktrin geben kann, wenn die Vorfragendogmatik aus dem Nauru-Fall nicht greift. Bedenkenswert ist aber, dass er hierfür im Armed Activities-Fall das Urteil in Nauru und im Interim Accord-Fall die Fälle Monetary Gold und East Timor zitiert, die – wie in Nauru bzw. East Timor selbst ausdrücklich festgehalten wurde – unter die Vorfragendogmatik fielen. Bartels, JIDS 4 (2013), S. 343, 357, bezieht die Vorfragendogmatik nur auf Fälle, in denen die Verantwortlichkeit des Drittstaats in Rede steht. 154 Vgl. unten, 2. Teil A. I. 2. c) dieser Arbeit.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Seegrenzen entwickelten Grundsätze geäußert.155 Im Ergebnis hat er in diesen Fällen nie die Sachentscheidung abgelehnt156 oder auch nur infra petita gegenständlich eingegrenzt. Im Fall Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali) hatte der Gerichtshof (durch eine Kammer) den Verlauf der Landgrenze zwischen den Parteien zu bestimmen, und zwar, nach dem Compromis, einschließlich des Verlaufs an der gemeinsamen Grenze mit dem Niger. Insofern war zweifelhaft, ob der Gerichtshof die Lage des Dreiländerecks (des sog. „tripoint“) bestimmen konnte, ohne dass der Niger am Verfahren beteiligt war. Hierzu betonte der Gerichtshof zunächst zu Recht,157 dass die Grenzziehung zwischen den Parteien, die mit dem Urteil vorgenommen wird, dem Niger als Nicht-Partei in keiner Weise entgegenzuhalten sei (Art. 59 des Statuts).158 Im Übrigen heißt es im Urteil: „The fact is, as the Parties seem to have realized towards the end of the proceedings, that the question has been wrongly defined. The Chamber is in fact required, not to fix a tripoint, which would necessitate the consent of all the States concerned, but to ascertain, in the light of the evidence which the Parties have made available to it, how far the frontier which they have inherited from the colonial power extends. Certainly, such a finding implies, as a logical corollary, both that the territory of a third State lies beyond the end-point, and that the Parties have exclusive sovereign rights up to that point. However, this is no more than a twofold presumption which underlies any boundary situation. This presumption remains in principle irrebuttable in the judicial context of a given case, in the sense that neither of the disputant parties, having contended that it possesses a common frontier with the other as far as a specific point, can change its position to rely on the alleged existence of sovereignty pertaining to a third State; but this presumption does not thereby create a ground of opposability outside that context and against the third State. Indeed, that is the whole point of […] Article 59 of the Statute.“159

Der Gerichtshof hielt es damit nicht zwangsläufig für ausreichend, dass der Drittstaat gemäß Art. 59 des Statuts in keiner Weise an das Urteil gebunden wäre. Diese Haltung hätte er in der Tat schlecht einnehmen können, denn schließlich basiert die Monetary Gold-Doktrin gerade darauf, dass trotz Art. 59 des Statuts die Sachentscheidung wegen der Betroffenheit von Drittstaatsinteressen unzulässig sein kann. Für den vorliegenden Fall hielt der Gerichtshof daher vor allem fest, dass er keineswegs den „tripoint“, also den Verlauf auch der Grenze des Niger an der fraglichen Stelle, festlegen müsse, sondern nur die Reichweite der Grenze zwischen Burkina Faso und Mali. Dass jenseits des Punktes, an dem die Grenzlinie zwischen diesen beiden Staaten nicht fortgeführt wird, sondern in eine andere Richtung weiter verläuft, ein anderer Staat liegt, sei nur ein logischer Schluss, aber nicht eine diesem 155 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 578; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 421. 156 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 25. 157 So auch Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1069. 158 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 577 f., 579 f. 159 Ebda., S. 579.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Staat gegenüber wirksame Entscheidung. Folgerichtig wird im operativen Teil des Urteils nur der Verlauf einer Grenzlinie beschrieben, nicht aber die Lage des „tripoint“ als solche.160 Der IGH hat also, durchaus im Sinne seiner Rechtsprechung in den Seegrenzenfällen, bestätigt, dass er über die Lage des „tripoint“ und damit über Ansprüche eines Drittstaats nicht entscheiden könne (auch wenn er dazu hier gar nicht aufgerufen war). Frei von Kritik ist seine Entscheidung dennoch nicht: Wenn der Gerichtshof eine Grenzlinie zieht, spricht er damit in der Tat aus, dass die Parteien bis zum Ende dieser Linie (d. h. bis zum Verschwenken der Grenze in eine andere Richtung) Hoheitsrechte besitzen („the Parties have exclusive sovereign rights up to that point“). Ob er diesen Ausspruch durch absolute Zuordnungen der zu trennenden Gebiete zu der jeweiligen Partei trifft oder ob diese Zuordnung als logisches Korrelat aus dem Ziehen einer Linie folgt, ist ohne Bedeutung. In jedem Fall läuft der Gerichtshof Gefahr, über Ansprüche des Drittstaats mitzuentscheiden. Wird in casu nämlich die Grenze zwischen Burkina Faso und Mali erst an einer Stelle verschwenkt, die bereits vom Niger beansprucht wird, wird potenziell ein Teil des Staatsgebiets des Niger abgeschnitten und einer oder beiden der Parteien zugeschlagen. Dann wäre der Niger durch den (Haupt-)Ausspruch des Urteils im Sinne der Monetary Gold-Doktrin betroffen.161 Noch ungeachtet der Frage, ob der Anspruch eines Drittstaats plausibel sein muss, um die Sperrwirkung der Monetary Gold-Doktrin auszulösen, sei bereits an dieser Stelle angemerkt, dass in diesem Fall nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der Niger ohnehin keine Ansprüche in dem betroffenen Gebiet geltend mache.162 Der IGH wies in dem Urteil selbst darauf hin, dass Verhandlungen zwischen Burkina Faso und dem Niger im Raum standen.163 Der Monetary Gold-Einwand konnte also nicht bereits daran scheitern, dass es keine konkurrierenden Drittansprüche gegeben hätte. So lag es allerdings in den einzigen beiden anderen Fällen, in denen Drittansprüche bei der Grenzziehung an Land thematisiert wurden. Im Fall Territorial Dispute zwischen Libyen und dem Tschad ging es insofern um die Grenzen des Sudan, und im Fall Land and Maritime Boundary Dispute between Cameroon and Nigeria um die Grenze des Tschad. In beiden Fällen waren die Grenzen des Drittstaats jeweils unumstritten; von Dritten beanspruchte Gebiete waren daher nicht Teil

160

Rosenne, Intervention, S. 165; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1070. So und zu dem Vorgehenden Schorer, Konsensprinzip, S. 125 f. Vgl. zur Absolutheit der Aussage des Urteils des IGH auch in solchen Fällen den vorgehenden Abschnitt dieser Arbeit. 162 So aber Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 25. 163 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 578 f.; vgl. auch IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 275, 313; Thirlway, BYIL 80 (2009), S. 10, 63. 161

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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des Streitgegenstands, so dass kein Problem unter der Monetary Gold-Doktrin entstand.164 Mittlerweile ist übrigens auch das bilaterale Verhältnis zwischen Burkina Faso und dem Niger vor den IGH gebracht worden,165 nachdem der Niger im Fall Frontier Dispute zwischen Burkina Faso und Mali ein Drittbetroffener gewesen war. Dort hat Burkina Faso auch eine Entscheidung über den Verlauf seiner Grenze zum Niger im Norden, bis zum „tripoint“ mit Mali beantragt, so dass die Möglichkeit bestand, dass sich der IGH wieder mit der Lage des „tripoint“ befassen müsste, die er in seinem Urteil aus dem Jahr 1986 zwischen Burkina Faso und Mali bereits festgelegt hatte.166 Insoweit hatten die Parteien sich aber aufgrund eines Vertrags vom 28. 03. 1987 ausdrücklich bereits über die Grenzziehung geeinigt, so dass der IGH die Sachentscheidung wegen Fehlens eines dispute ablehnte.167 Der Gerichtshof hat sich daher nicht erneut zur Lage des „tripoint“ eingelassen. Insgesamt zeigt die bisherige Rechtsprechung, dass in Fällen betreffend Landgrenzen dieselben Grundsätze gelten wie in Fällen, in denen Seegebiete abzugrenzen sind.168 Unterschiede können sich in Zukunft aber noch infolge der Anwendung von „equitable principles“ auf die Abgrenzung zwischen den Prozessparteien ergeben, wenn diese einmal die Erörterung der (rechtmäßigen) Meereszonen eines oder mehrerer Drittstaaten erfordern sollten.169 b) Eigentum des Drittstaats an einer streitbefangenen Sache Ähnliche Probleme wie bei der Zuordnung von Hoheitsrechten über Territorium oder über Meeresgebiete zu einem Staat können sich ergeben, wenn die Parteien vor dem IGH über das Eigentum an einer Sache streiten, diese Sache aber auch einem Drittstaat gehören kann.170 In solchen Fällen hat der IGH, wie bei seinen Entscheidungen über Gebietsansprüche, auszusprechen, dass die Sache in einem absoluten Sinne dem einen oder dem anderen Staat zukomme. Wie bei den Gebiets164

IGH, Territorial Dispute (Libyan Arab Jamahiriya/Chad), ICJ Reports 1994, S. 6, 33; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 275, 312 f.; dazu auch Schorer, Konsensprinzip, S. 124 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 25. 165 Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), Special Agreement, verfügbar unter www.icjcij.org; das Special Agreement ist auch im Urteil, verfügbar ebda., in Rn. 2, wiedergegeben. 166 Vgl. Art. 2 Abs. 2 lit. a des Special Agreement und die Karte nach Rn. 37 des Urteils, ebda., sowie dazu Quintana, LPICT 10 (2011), S. 135, 140 ff. 167 IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 69 ff., 92. Zum Vertrag vom 28. 03. 1987 und zur Einigung der Parteien über den genauen Verlauf der Grenze in den in Art. 2 Abs. 2 des Special Agreement bezeichneten Abschnitten vgl. den zweiten und dritten Erwägungsgrund der Präambel des Special Agreement. 168 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 25. 169 S. o., 2. Teil A. I. 2. a) aa) dieser Arbeit, bei Fn. 147 – 149. 170 Vgl. zur Ähnlichkeit der Fragestellungen auch Chinkin, Third Parties, S. 202.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

ansprüchen ist es allerdings bei der Prüfung von Eigentumsansprüchen nicht zwingend erforderlich, im Wege des Ausschlussverfahrens zunächst zu prüfen, ob die Sache vielleicht einem anderen Staat gehöre, bevor zugunsten eines Staates entschieden werden kann. Deshalb stellt sich keine Vorfrage im Sinne der Ausarbeitung der Monetary Gold-Doktrin im Nauru-Fall und im ersten Teil dieser Arbeit. Ein Drittstaat ist jedoch infolge der inhaltlich absoluten (wenn auch nur relativ rechtswirksamen) Zuordnung der Sache bereits durch den Hauptausspruch des Gerichtshofs betroffen. Folglich greift in Fällen betreffend das Eigentum an einer Sache die Monetary Gold-Doktrin ebenso ein wie in den vorstehend erörterten Grenzziehungsfällen. Insofern ist jedoch der Auffassung zu widersprechen, dass eine solche Sachlage bereits dem Urteil in Monetary Gold zugrunde gelegen habe. Dort hat sich der IGH nicht deshalb an der Entscheidung gehindert gesehen, weil er über das Eigentum Albaniens an einer bestimmten Menge Gold hätte entscheiden müssen und dies nicht ohne die Zustimmung Albaniens hätte tun können.171 Vielmehr hat sich der Gerichtshof in diesem Fall ausdrücklich nur darauf bezogen, dass er ohne die Zustimmung Albaniens dessen völkerrechtliche Verantwortlichkeit nicht feststellen könnte,172 was aber eine zwingende Voraussetzung des italienischen Anspruchs auf die Berechtigung an einem Teil des Goldpools war. Die Frage des Eigentums Albaniens an dem Gold stellte sich dem Gerichtshof dagegen nicht. Nach einem vorhergehenden Schiedsspruch173 war bereits unstreitig, dass die fraglichen Rechte an dem Goldpool in erster Linie Albanien zustanden. Vor dem IGH ging es anschließend nur noch um die Fragen, ob – erstens – Italien einen Schadensersatzanspruch gegen Albanien hatte, der es ihm erlaubt hätte, im Wege einer durch die Erklärung der Westalliierten zum Washingtoner Abkommen eröffneten Form der Selbstvornahme das albanische Gold zu beanspruchen, und – zweitens – ob dieser italienische Anspruch oder der britische Anspruch aus dem Corfu Channel-Fall Vorrang genösse.174 Um die Eigentumsrechte Albaniens hätte es folglich nur dann gehen können, wenn der IGH hätte prüfen sollen, ob diese Form der Selbsthilfe durch die Westalliierten und Italien vorgesehen werden durfte.175 Diese Rechtsfrage hat der IGH jedoch nicht aufgeworfen. 171

In diesem Sinne aber Aust, Complicity, S. 306; Chinkin, AJIL 80 (1986), S. 495, 517; dies., Third Parties, S. 200, 202; dies., EJIL 4 (1993), S. 206, 219, 221; Delcourt, RBDI 29 (1996), S. 191, 204; Merrills, Dispute Settlement, S. 123; Orakhelashvili, in: Crawford/Pellet/ Olleson, S. 647, 664. Der Sache nach ebenso ders., JIDS 2 (2011), S. 373, 380 ff., nach dem das einzige Problem in Monetary Gold in den tatsächlichen Auswirkungen eines Sachurteils des IGH auf die albanischen Rechte an dem fraglichen Gold lag. 172 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32. 173 Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13 ff. 174 Vgl. bereits oben, 1. Teil A. I. dieser Arbeit. 175 Kritisch zur Konstruktion des Washingtoner Statement Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 379 f., nach dem ein Hauptproblem in Monetary Gold darin lag, dass Italien durch das

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Im Übrigen sei angemerkt, dass es im Fall Monetary Gold auch nicht im eigentlichen Sinne um einen Eigentumsanspruch Albaniens (oder eines anderen Staates) gehen konnte, weil nach dem System des Goldpools nicht das konkret entwendete Gold zurückgegeben werden sollte, sondern ein Surrogatanspruch auf einen Anteil an dem Goldpool begründet wurde, der dem Anteil des jeweiligen Staates an der Gesamtmenge des (angemeldeten) geraubten Goldes entsprach. Es gab deshalb keinen konkretisierten Gegenstand, an dem Eigentum bestehen konnte, sondern nur einen dem Eigentum folgenden Surrogatanspruch.176 Wäre es allerdings vor dem IGH um die Unzulässigkeit der Feststellung der albanischen Berechtigung an dem Goldpool gegangen, wäre dieser Unterschied unerheblich gewesen, weil der gerichtliche Ausspruch über einen Surrogatanspruch eines Drittstaats einem Ausspruch über Eigentumsrechte des Drittstaats gleichkommt. c) Zwischenergebnis: Zur Zweiteilung der Monetary Gold-Doktrin Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin in Fällen der Zuordnung von Gebieten oder Gegenständen zu einem Staat anders zu beurteilen ist als in anderen Fällen. Hier hat der Gerichtshof nämlich nicht als notwendige Voraussetzung seines Ausspruchs über das Rechtsverhältnis der Parteien eine Frage zu beantworten, die einen Drittstaat betrifft, sondern sein Ausspruch, dass das Gebiet oder die Sache einer der Parteien gehöre, berührt als solcher etwaige Ansprüche eines Drittstaats. So liegt es auch nicht nur, wenn vor dem IGH eine bloße Feststellung über die Hoheitsrechte oder das Eigentum beantragt ist, sondern auch, wenn der Antrag auf eine Verurteilung zur Überlassung oder Herausgabe abzielt und der Gerichtshof daher in seinen Entscheidungsgründen den berechtigten Staat ermitteln muss.177 Auch dann trifft er eine Feststellung über eine absolute Zuordnung eines Gebiets oder eines Gegenstands zu einem bestimmten Staat, ohne vorher die Berechtigung anderer (namentlich Dritt-)Staaten zu prüfen. In diesen Fällen liegt die Betroffenheit des Drittstaats also nicht darin, dass der IGH einen inzidenten Ausspruch über seine Angelegenheiten trifft, sondern in seiner sachlichen Nähe zum Streitgegenstand: Seine Interessen sind involviert, weil er Anspruch auf das zwischen den Parteien umstrittene Gebiet oder die umstrittene Sache erhebt. In solchen Fällen beruht also die Anwendung der Monetary GoldDoktrin nicht, wie sonst, auf einem notwendig ausdrücklichen Ausspruch des IGH Washingtoner Statement gezwungen worden war, Klage zu erheben, und dass die Jurisdiktion des IGH gegenüber Italien daher nicht freiwillig begründet worden war. 176 Dementsprechend hat auch der Schiedsrichter Sauser-Hall nicht das albanische Eigentum an einer Goldmenge bejaht, sondern nur ausgesprochen, dass „2338,7565 kilogrammes d’or monétaire, qui ont été pillés par l’Allemagne à Rome, en 1943, appartenaient à l’Albanie, au sens de la Partie III de l’Acte de Paris du 14 janvier 1946“ (Hervorhebung nicht im Original): Affaire relative à l’or de la Banque nationale d’Albanie, RIAA XII, S. 13, 52. Teil III des Pariser Agreement hatte seinerseits nicht von Eigentum, sondern von der Zuteilung proportionaler Anteile gesprochen (Single Article, Absatz C.). 177 Vgl. zu einer solchen Konstellation schon oben, 2. Teil A. I. 1. b) gg) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

über den Drittstaat, sondern auf einem Ausspruch, der wegen der sachlichen Überschneidung des Streits der Parteien mit den Interessen des Drittstaats den letzteren Staat mit betrifft. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Drittstaat schon dann in den Streitgegenstand vor dem Gerichtshof in einem Maße involviert ist, das die Monetary Gold-Doktrin eingreifen lässt, wenn er nur überhaupt Ansprüche auf das umstrittene Gebiet oder die umstrittene Sache geltend macht, oder ob seine Ansprüche zumindest plausibel sein müssen. Naheliegend erscheint die letztere Annahme schon deshalb, weil es – wie erwähnt – erst die Nähe des Drittstaats zum Streitgegenstand ist, die seine Betroffenheit auslöst, und ein Staat nicht selbst in der Lage sein sollte, sich durch das bloße Geltendmachen fern liegender Ansprüche zu einem Drittstaat im Sinne der Monetary Gold-Doktrin zu machen.178 In diesem Sinne heißt es auch in der abweichenden Meinung des Richters Schwebel im Continental Shelf-Fall zwischen Libyen und Malta, in dem der Gerichtshof erstmals die oben beschriebene NichtEntscheidung über von einem Drittstaat beanspruchte Gebiete praktizierte: „Indeed, to accord this power [to delimit the jurisdiction of the Court] to a third party risks ousting the jurisdiction of the Court in a case altogether, if that party were to make claims sufficiently ambitious.“179

Offenbar auf diese Kritik ging der Gerichtshof in seinem Urteil ein, indem er darauf hinwies, dass die Ansprüche des Drittstaats (Italiens) von den Parteien nicht als offensichtlich unbegründet bezeichnet worden waren: „It has been questioned whether it is right that a third State – in this case, Italy – should be enabled, by virtue of its claims, to restrict the scope of a judgment requested of the Court by Malta and Libya; and it may also be argued that this approach would have prevented the Court from giving any judgment at all if Italy had advanced more ambitious claims. However, to argue along these lines is to disregard the special features of the present case. On the one hand, no inference can be drawn from the fact that the Court has taken into account the existence of Italian claims as to which it has not been suggested by either of the Parties that they are obviously unreasonable. On the other hand, neither Malta nor Libya seems to have been deterred by the probability of the Court’s judgment being restricted in scope as a consequence of the Italian claims.“180

Der IGH hat daher zumindest angedeutet, dass offensichtlich unbegründete Ansprüche eines Drittstaats ihn nicht an der Sachentscheidung auch über die davon 178

In ähnlicher Weise nimmt Crawford, in: Alston, S. 7, 36 Fn. 74, an, ein Beklagter könne nicht ohne Einschränkung die Sperrwirkung der Monetary Gold-Doktrin auslösen, indem er ein Verteidigungsargument vorbringt, in dem (erst) Rechtsverhältnisse eines Drittstaats aufgeworfen werden. Jedenfalls müsse ein solches Verteidigungsargument plausibel sein, bevor die Doktrin eingreifen könnte. Dazu noch unten, 2. Teil B. II. dieser Arbeit. 179 Vgl. IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, Dissenting Opinion of Judge Schwebel, ICJ Reports 1985, S. 172, 175; vgl. auch Chinkin, Third Parties, S. 202 f. 180 IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 28.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

293

berührten Gebiete gehindert hätten. Er hat dabei zwar nur darauf abgestellt, dass die Parteien den italienischen Ansprüchen nicht jede Berechtigung abgesprochen hatten, aber dies lässt sich zwanglos daraus erklären, dass die wechselseitigen Ansprüche im Verhältnis zu Italien in erster Linie eine Angelegenheit der Parteien selbst waren. Daher dürfte der Gerichtshof davon ausgegangen sein, dass die von den Parteien nicht als offensichtlich unbegründet zurückgewiesenen Ansprüche offenbar auch nicht offensichtlich unbegründet waren.181 Später hat der Gerichtshof auch die Grundlagen möglicher Drittstaatsansprüche untersucht, um selbst zu ermitteln, wie weit diese (nicht vor dem IGH erhobenen) Ansprüche gehen könnten.182 Dabei ging es zwar nicht so sehr um die Berechtigung der Ansprüche, sondern vielmehr um die Möglichkeit der Existenz von Drittstaatsinteressen. Der IGH hielt es aber offenbar für zulässig, diese durch eine Untersuchung der maßgeblichen Rechtsquellen zu ermitteln. Wenn er aber in der Lage ist, mögliche Drittansprüche durch eine eigene materielle Prüfung abzugrenzen, dann muss er auch befähigt sein, etwa geltend gemachte Ansprüche in einem geringen Umfang zu prüfen. Wenn nämlich aus materiellen Gründen keine Drittstaatsinteressen im Raum stehen, kann es auch nicht bei einem Drittstaat liegen, dies durch unplausible Einlassungen zu ändern. Zwar ist nicht zu übersehen, dass der IGH durchaus auch dann über einen Drittstaat (quasi) entscheidet, wenn er nur die Frage beantwortet, ob der Drittstaat offensichtlich keine Berechtigung am Streitgegenstand hat. In der Tat kann die Betroffenheit des Drittstaats hier sogar intensiver sein, denn eine inzidente Feststellung, dass der Drittstaat offensichtlich keine relevanten Rechte habe, wird für diesen später noch schwerer zu widerlegen sein als eine Feststellung der Nichtberechtigung dieses Staates, die erst nach einer eingehenden Prüfung ergeht. Allerdings wären die Konsequenzen einer ungeprüften Berücksichtigung jeglicher Behauptungen eigener Rechte durch einen Drittstaat im Rahmen der Monetary Gold-Doktrin potenziell äußerst nachteilig für die Parteien und die Aufgabenerfüllung des Gerichtshofs. Wie Richter Schwebel in der oben zitierten Passage zu Recht ausgeführt hat, könnte dann ein Drittstaat nur durch besonders weitgehende eigene Ansprüche die Sachentscheidung des Gerichtshofs ausschließen. Die Parteien könnten dann keine Lösung ihrer Differenzen erreichen, und der Gerichtshof würde seiner Aufgabe als Organ der friedlichen Streitbeilegung nicht gerecht, und zwar ohne dass seine Zurückhaltung plausiblen Rechten Dritter diente.183

181 In diesem Sinne auch Kolb, ICJ, S. 578, und Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 24, der dem IGH die „perception that Italy’s claims were not obviously unreasonable“ zuschreibt; kritisch zur Auffassung des IGH aber Chinkin, Third Parties, S. 202, mit dem Argument, die Parteien hätten sich noch nicht zur Begründetheit der Ansprüche, sondern nur zur Berechtigung der italienischen Intervention eingelassen. 182 IGH, Territorial and Maritime Dispute between Nicaragua and Honduras in the Caribbean Sea, ICJ Reports 2007, S. 659, 758 f. 183 Dazu auch Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 874.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Insoweit liegt zunächst der Gedanke nahe, dass nicht ein Staat dem Gerichtshof vorgeben kann, dass seine Interessen betroffen seien und der Gerichtshof daher nicht entscheiden dürfe. So wie nämlich die Kompetenz-Kompetenz des IGH gemäß Art. 36 Abs. 6 des Statuts einem Vorbehalt zu einer Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts entgegensteht, der das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterwerfung in das alleinige Belieben des Staates stellt,184 könnte sie auch einer abschließenden Entscheidung eines Drittstaats über seine eigene Nähe zum Streitgegenstand eines Verfahrens des IGH entgegenstehen. Hier geht es allerdings nicht um die Frage, ob der IGH seine eigene Kompetenz prüfen darf oder nicht, sondern darum, ob bereits rein verbale oder nur materiell plausible Ansprüche einen Unzulässigkeitsgrund auslösen. Die Frage darf der IGH zwar prüfen, aber seine Kompetenz-Kompetenz gibt insoweit keine Antwort vor. Außerdem könnte die Kompetenz-Kompetenz des IGH einem Drittstaat auch nicht entgegengehalten werden, weil sie ein (nicht unbedingt wirksames) seising des Gerichtshofs voraussetzt,185 das im Verhältnis zum Drittstaat gerade nicht gegeben ist. Dass die Kompetenz-Kompetenz auch als allgemeines Rechtsprinzip anzuerkennen ist,186 ändert daran nichts. Der Inhalt der Norm bleibt danach gleich; die Kompetenz-Kompetenz bindet daher immer nur (wenigstens scheinbare) Prozessparteien. Auch ist nicht relevant, dass das (wirksame) einseitige seising als solches nicht von der Zustimmung des (dann) Beklagten abhängt,187 denn ungeachtet seiner Voraussetzungen fehlt das seisin definitionsgemäß im Verhältnis zu einem Drittstaat, und mit ihm fehlt auch die Kompetenz-Kompetenz in diesem Verhältnis. Zielführend ist vielmehr die Erwägung, dass eine Berücksichtigung jedes auch unplausiblen Drittanspruchs im Rahmen der Monetary Gold-Doktrin nicht dem System des Statuts entspräche. Die Anforderungen an die Betroffenheit eines Drittstaats im Sinne der Monetary Gold-Doktrin sind strenger als die Anforderungen an ein Interventionsrecht nach Art. 62 des Statuts.188 Letzteres setzt ein rechtliches Interesse voraus, Erstere ein Interesse, das „the very subject-matter of the decision“189 ausmacht. Ein rechtliches Interesse i.S.d. Art. 62 des Statuts ist allerdings zu substantiieren; die bloße eigene Annahme, ein rechtliches Interesse zu haben, genügt nicht.190 Ungeachtet der Frage, ob das Vorliegen eines Monetary Gold-Hindernisses 184

Vgl. zu diesem sog. Connally-Vorbehalt nur IGH, Certain Norwegian Loans, Separate Opinion of Judge Sir Hersch Lauterpacht, ICJ Reports 1957, S. 34, 42 ff.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 96. 185 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (a) dieser Arbeit. 186 S. ebda. 187 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (b) dieser Arbeit. 188 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 116; Bonafé, LJIL 25 (2012), S. 739, 744 f.; Chinkin, Third Parties, S. 204; Zimmermann, MPEPIL, S. 570, 572; vgl. Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 110. 189 S. o., 2. Teil Fn. 141. 190 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 117; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 65 mit Fn. 214.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

295

vom Gerichtshof von Amts wegen (proprio motu) zu prüfen ist,191 würde diese Wertung übergangen, wenn nach der Monetary Gold-Doktrin eine bloße Behauptung eines berührten Interesses ausreichte. Im Übrigen ist in der Konstellation, in der der IGH über die Zuordnung eines bestimmten Gebiets (oder Gegenstands) entscheiden soll, ein Drittstaat mit eigenen Ansprüchen auf das Gebiet nicht unmittelbar und ausdrücklich involviert. Er würde in einem Sachurteil nicht genannt, sondern es würde nur ein Ausspruch über einen Streitgegenstand erfolgen, an dem auch er Interessen hat. Der Drittstaat steht folglich nur kraft seiner Interessen dem Streitgegenstand und dem Verfahren nahe. Dies legt es sehr nahe, einen gewissen Nachweis seiner Interessen zum Beleg seiner Eigenschaft als betroffener Drittstaat zu verlangen. Hinzu kommt, dass in vergleichbarer Weise im Recht der Staatenimmunität unter der Geltung der absoluten Immunität ausländischer Staaten anerkannt war, dass ein Staat nur dann die Immunität angeblich ihm gehörender Sachen geltend machen konnte, wenn sein Eigentum an der Sache nicht offensichtlich ausschied. Er musste zwar nicht den Vollbeweis über sein Eigentum führen, denn gerade (auch) vor der gerichtlichen Entscheidung hierüber schützte ihn seine Immunität, aber die bloße Erhebung eines Anspruchs genügte nicht, um die Jurisdiktion eines innerstaatlichen Gerichts zur Entscheidung über die Sache auszuschließen.192 Damit nahm das Recht der Staatenimmunität offenbar hin, dass ein Staat ohne seine Zustimmung fremden Entscheidungen zumindest über die Frage unterliegt, ob ihm der Anschein einer Berechtigung an der streitgegenständlichen Sache zukommt. Es liegt nahe, diesen Gedanken auf die Rechtslage vor dem IGH zu übertragen. Dieser Annahme steht auch nicht entgegen, dass der Gerichtshof bei der Prüfung der Frage eines Hindernisses aufgrund der Monetary Gold-Doktrin – also etwa in einem Urteil über Vorgängige Einreden193 – ausdrücklich aussprechen müsste, ob 191

Dazu noch unten, 2. Teil B. I. dieser Arbeit. S. o., 2. Teil Fn. 105; dort auch zur fehlenden Übertragbarkeit der neueren Rechtslage zur Immunität des unbeweglichen Eigentums ausländischer Staaten im Erkenntnisverfahren auf die hiesige Rechtsfrage. 193 Solche Urteile sind wie Urteile in der Hauptsache fähig, in Rechtskraft zu erwachsen: So ausdrücklich IGH, Corfu Channel, Assessment of the Amount of Compensation due from the People’s Republic of Albania, ICJ Reports 1949, S. 244, 248; Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 24; Request for Interpretation of the Judgment of 11 June 1998 in the Case concerning the Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria (Cameroon v. Nigeria), Preliminary Objections, ICJ Reports 1999, S. 31, 39; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 91; Skomerska-Muchowska, in: Krzan, S. 63, 92 f.; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 600; Zimmermann/ Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 36 f.; implizit auch IGH, Application for Revision of the Judgment of 11 July 1996 in the Case concerning Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Preliminary Objections, ICJ Reports 2003, S. 7, 11 ff.; vgl. Zimmermann/Geiß, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 61 Rn. 24 ff.; teils a.A. Shihata, Power, S. 78 f., m.w.N. 192

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

dem Drittstaat plausible Ansprüche am Streitgegenstand zukommen oder nicht. Wenn nämlich die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin aus den dargestellten Gründen erst durch plausible Drittstaatsinteressen ausgelöst werden kann, wird ein Drittstaat durch die bloße Feststellung über die Plausibilität seiner Ansprüche noch nicht in relevanter Weise berührt. Folglich setzt die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin in Fällen, in denen ein Drittstaat wegen seiner eigenen Ansprüche auf den Streitgegenstand berührt ist, voraus, dass diese Drittansprüche nicht offensichtlich unbegründet sind.194 Die weitere Entscheidung, ob solche Ansprüche vorliegen, ist dem IGH dann aber versagt. 3. Betroffenheit eines Drittstaats aufgrund des Rechtsfolgenausspruchs des IGH Weiterhin sind Fälle denkbar, in denen nicht die Berechtigung des IGH zu einer inhaltlichen Feststellung in Rede steht, sondern in denen erst der Rechtsfolgenausspruch des IGH geeignet ist, die Interessen von Drittstaaten zu berühren. In der Praxis haben sich solche Probleme insbesondere an der Frage der Befähigung eines internationalen Gerichts zur Feststellung der Nichtigkeit eines bereits an sich völkerrechtswidrigen Vertrags mit einem Drittstaat und an der Frage des Umfangs der Haftung eines Staates entzündet, der gemeinsam mit Drittstaaten für ein völkerrechtliches Delikt verantwortlich war. a) Befähigung zur Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags mit einem Drittstaat In ersterer Hinsicht hat es der Zentralamerikanische Gerichtshof in zwei Fällen jeweils abgelehnt, einen Vertrag des beklagten Staates Nicaragua mit den USA für nichtig zu erklären.195 In beiden Fällen stellte der Gerichtshof weitgehend übereinstimmend fest, dass Nicaragua durch den Abschluss des Vertrags mit den USA die Rechte des jeweiligen Klägers verletzt hatte.196 Auf den weiteren Antrag des Klägers 194 In diesem Sinne auch Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 343; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 874; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 25. Kolb, ICJ, S. 580, scheint nur Fälle der missbräuchlichen Behauptung von Drittstaatsrechten aus der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auszuscheiden. 195 Central American Court of Justice, Costa Rica v. Nicaragua, AJIL 11 (1917), S. 181, 228; El Salvador v. Nicaragua, ebda., S. 674, 729; dazu auch Johnson, ICLQ 4 (1955), S. 93, 108; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1054 ff. 196 Oben wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Verletzung der Rechte des Klägers Costa Rica hier offenbar nicht darin lag, dass Nicaragua sich mit dem Vertrag Pflichten ausgesetzt hatte, die mit seinen Pflichten aus den früheren Verträgen mit Costa Rica kollidierten, sondern dass vielmehr die Verträge bereits selbst und ohne Umsetzungsakte einen Übergang von Rechten an die Vereinigten Staaten bewirkt hatten, der Costa Rica gegenüber rechtswidrig

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Costa Rica, den Vertrag daher für nichtig („null and void“) zu erklären, antwortete der Gerichtshof jedoch wie folgt: „The Court […] declared […] that it could not render a decision thereon because of the fact that the Republic of the United States of North America was not subject to the jurisdiction of the Central American Court of Justice in cases brought before it for the settlement of their conflicting interests and their controversies. To judge of the validity or invalidity of the acts of a contracting party not subject to the jurisdiction of the Court; to make findings respecting its conduct and render a decision which would completely and definitively embrace it – a party that had no share in the litigation, or legal occasion to be heard – is not the mission of the Court, which, conscious of its high duty, desires to confine itself within the scope of its particular powers. […] [The Court] declared that the Government of the Republic of Nicaragua committed upon the Government of Costa Rica the violations of legal rights claimed by the latter. Its decision could not be more fully stated, because such decision could have no binding force against a state foreign to the institutional system created by the Treaties of Washington.“197

Der Gerichtshof unterließ also die Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags zwischen Nicaragua und den USA, weil die USA nicht angehört worden waren und nicht seiner Jurisdiktion unterlagen und die Feststellung der Nichtigkeit die Rechte der USA mit umfassen („completely and definitively embrace“) würde. Dementsprechend hatte der Gerichtshof auch bereits an einer früheren Stelle seines Urteils festgehalten, dass er sich auf eine Entscheidung über die Rechtsbeziehungen zwischen den im Streit befindlichen zentralamerikanischen Staaten beschränken werde. Eine weitergehende Prozesseinrede Nicaraguas, nach der ihn die Betroffenheit von Drittstaatsinteressen an der Ausübung seiner Jurisdiktion hindern müsse, hatte der Gerichtshof dort allerdings zurückgewiesen.198 In einem etwas späteren Urteil in einem Fall zwischen El Salvador und Nicaragua nahm der Gerichtshof diese Gedanken ausdrücklich wieder auf.199 war; s. o., 1. Teil Fn. 827, und zur entsprechenden Rechtslage im Fall von El Salvador Central American Court of Justice, El Salvador v. Nicaragua, AJIL 11 (1917), S. 674, 727. 197 Central American Court of Justice, Costa Rica v. Nicaragua, Übersetzung in Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1916, S. 862, 885 f. (leicht abweichende Übersetzung in AJIL 11 (1917), S. 181, 228). Die zuerst zitierte Übersetzung stammt von der Regierung der USA als Herausgeberin der Papers Relating to the Foreign Relations of the United States, die zweite von der diplomatischen Vertretung Costa Ricas in Washington, D.C. Authentisch ist jedoch nur der spanische Text der Entscheidung (Art. 51 Abs. 1 der Regulations of the Central American Court of Justice, englische Übersetzung in AJIL 8 (1914), Supplement, S. 179 ff.), der offenbar nur in La Gaceta – Diario Oficial (Costa Rica), 07. 10. 1916, veröffentlicht ist. 198 Central American Court of Justice, Costa Rica v. Nicaragua, Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1916, S. 862, 878 (leicht abweichende Übersetzung in AJIL 11 (1917), S. 181, 212). 199 Central American Court of Justice, El Salvador v. Nicaragua, AJIL 11 (1917), S. 674, 729 bzw. 697 ff. (Übersetzung durch die Botschaft El Salvadors in Washington, D.C.). Hier ging es allerdings nicht (unmittelbar) um einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags, sondern um einen Antrag, wonach der Gerichtshof dem Beklagten untersagen sollte, den Vertrag mit den USA zu erfüllen. Dazu sogleich unter b).

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Bei der Frage nach der Begründung der Verweigerung einer Entscheidung über die Wirksamkeit oder Nichtigkeit eines mit einem Drittstaat abgeschlossenen Vertrags sind zwei unterschiedliche Entscheidungsformen auseinanderzuhalten. Geht es, wie in den vom Zentralamerikanischen Gerichtshof entschiedenen Fällen, um die Feststellung der Nichtigkeit eines bereits nach materiellem Völkerrecht nichtigen Vertrags, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der Monetary Gold-Doktrin, weil mit der Wirksamkeit des Vertrags zugleich die rechtlichen Interessen aller anderen Vertragsparteien an dem Vertrag berührt sind. Insoweit wird es vor allem um die Konstellation einer vorgeblichen Nichtigkeit des Vertrags wegen eines Verstoßes gegen das jus cogens (Art. 53, 64 WVK) gehen; der vor dem Zentralamerikanischen Gerichtshof vorgebrachte und festgestellte Verstoß des Vertrags gegen einen früheren Vertrag einer der Parteien ist jedenfalls kein Nichtigkeitsgrund.200 Der Streit über die Nichtigkeit eines Vertrags wegen Verstoßes gegen jus cogens vollzieht sich nach der WVK in der Weise, dass ein Staat, der diese Nichtigkeit annimmt, dies zunächst den anderen Parteien bekannt macht (Art. 65 Abs. 1 WVK). Soweit keine andere Partei widerspricht, kann die erste Partei ihrer Bekanntmachung entsprechend vorgehen (Art. 65 Abs. 2 WVK). Die Nichtigkeit eines Vertrags kann also nach der WVK nicht ipso jure aufgrund ihres Vorliegens gemäß Art. 53 oder Art. 64 WVK geltend gemacht werden,201 sondern ihre konkreten Folgen für die Rechtsbindung eines Staates treten grundsätzlich erst infolge der Bekanntmachung nach Art. 65 Abs. 1 WVK und durch die stillschweigende Zustimmung aller Vertragsparteien ein.202 Widerspricht allerdings eine andere Partei, haben die beiden Parteien ihren Streit friedlich beizulegen (Art. 65 Abs. 3 WVK). Gelingt ihnen das innerhalb von zwölf Monaten nicht, kann jede der beiden Parteien den Streit gemäß

200

S. o., 1. Teil B. III. 2. a) bb) dieser Arbeit. Capotorti, Recueil des Cours 134 (1971 III), S. 417, 568; Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 65 Rn. 2; Prost, in: Corten/Klein, Art. 65 (Convention de 1969) Rn. 3. Neben dem Recht der WVK – und damit für Nicht-Parteien der WVK – gibt es eine Möglichkeit, die Nichtigkeit eines Vertrags wegen Verstoßes gegen jus cogens auch außerhalb des Verfahrens der Art. 65 ff. WVK vorzubringen; dazu Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 289. Das folgt schon daraus, dass es den Vorrang des jus cogens vor dem Völkervertragsrecht auch außerhalb der WVK gibt; dazu Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 53 Rn. 1; Suy, in: Corten/Klein, Art. 53 (Convention de 1969) Rn. 5. Im Übrigen entscheidet das Verfahren der Art. 65 ff. WVK selbst nach der Konvention nur über die Berechtigung zur Anwendung konkreter Folgen der Nichtigkeit, ist aber nicht für die Nichtigkeit konstitutiv; auch dazu Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 289; für eine nur deklaratorische Wirkung auch Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 53 Rn. 60; Ruiz Fabri, in: Corten/Klein, Art. 66 (Convention de 1969) Rn. 32; Tams, Obligations, S. 147 Fn. 137. 202 Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 65 Rn. 5; Rozakis, Concept, S. 114; Sztucki, Jus Cogens, S. 136. Der Vertrag ist auch nicht während des Verfahrens nach Art. 65 WVK schwebend unwirksam: Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 332; Krieger, in: Dörr/ Schmalenbach, Art. 65 Rn. 44; Prost, in: Corten/Klein, Art. 65 (Convention de 1969) Rn. 27 f.; Rozakis, Concept, S. 164 f.; Villiger, Commentary, Art. 65 Rn. 8. 201

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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der kompromissarischen Klausel in Art. 66 lit. a WVK vor den IGH bringen.203 Diese kompromissarische Klausel bezieht sich nur auf die konkret im Streit stehenden Parteien i.S.d. Art. 65 Abs. 3 WVK.204 Der Rechtsstreit findet demnach nur zwischen diesen beiden Parteien statt und das Urteil bindet nur sie.205 Gleichwohl sind die rechtlichen Interessen der möglichen weiteren Vertragsparteien inhaltlich berührt, weil der Gerichtshof eine Aussage über den Vertrag als solchen treffen wird.206 Streitig wird zwar vordergründig, ob die Bekanntmachung nach Art. 65 Abs. 1 WVK oder der Widerspruch der anderen Partei zu Recht erfolgt ist, aber damit ist für den Gerichtshof die Frage aufgeworfen, ob der Vertrag in Wirklichkeit nichtig ist oder nicht. Es geht insoweit auch nicht nur um eine relative Unwirksamkeit in dem Sinne, dass nur darüber gestritten würde, ob der Vertrag gegenüber dem widersprechenden Staat als nichtig behandelt werden darf. Die Nichtigkeit bezieht sich nämlich – anders als u. U. die Suspendierung eines Vertrags (Art. 57, 58 WVK) – nicht nur auf einzelne bilaterale Erfüllungsbeziehungen zwischen den Parteien,207 sondern auf den 203 Zu Art. 66 lit. a WVK als kompromissarische Klausel i.S.d. Art. 36 Abs. 1 des Statuts vgl. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 332; Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 66 Rn. 14; Ruiz Fabri, in: Corten/Klein, Art. 66 (Convention de 1969) Rn. 28 f.; Rozakis, Concept, S. 171; Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 53 Rn. 59; Sztucki, Jus Cogens, S. 136 f.; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 990; Tams, Obligations, S. 146; Villiger, Commentary, Art. 66 Rn. 5, 8. Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 41, meint mit der missverständlichen Formulierung, Art. 66 lit. a WVK begründe die Jurisdiktion des IGH „unabhängig von Art. 36 IGHStatut“ offenbar auch, dass es sich um eine kompromissarische Klausel handele; die Unabhängigkeit besteht insoweit von Art. 36 Abs. 2 des Statuts. 204 Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 66 Rn. 9; Rozakis, Concept, S. 170 f.; Tams, Obligations, S. 146 f.; vgl. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 331 f.; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 41; Ruiz Fabri, in: Corten/Klein, Art. 66 (Convention de 1969) Rn. 24; Sztucki, Jus Cogens, S. 136; Villiger, Commentary, Art. 66 Rn. 9; a.A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, S. 515, der aber die Bezugnahme in Art. 66 auf Art. 65 Abs. 3 WVK und die systematische Stellung des Art. 66 WVK im Zusammenhang mit dem Verfahren gemäß Art. 65 WVK verkennt. 205 Tams, Obligations, S. 147 mit Fn. 137; Villiger, Commentary, Art. 66 Rn. 9; anders zur Urteilswirkung Sztucki, Jus Cogens, S. 142. Nicht anders verhält es sich, wenn sich der Streit außerhalb des Verfahrens der Art. 65, 66 WVK entwickelt, etwa weil die Streitparteien nicht Parteien der WVK sind. Dann wird es zwar möglicherweise nicht zu einer Bekanntmachung wie nach Art. 65 Abs. 1 WVK kommen, aber der Streit wird doch von der Behauptung der Nichtigkeit durch einen Staat und der Ablehnung dieser Meinung durch einen anderen ausgehen. 206 Vgl. auch Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 221. Dementsprechend meint auch Villiger, Commentary, Art. 66 Rn. 9, die weiteren Parteien könnten sich wegen „the Court’s singular authority in international law“ zur Rechtfertigung ihrer eigenen Nichtbefolgung des Vertrags auf das Urteil berufen; ähnlich Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 66 Rn. 15; Rozakis, Concept, S. 177; Sztucki, Jus Cogens, S. 142. 207 S. zur bilateralen Erfüllungsstruktur klassischer multilateraler Verträge Annacker, Durchsetzung, S. 30, Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 338 f., sowie eingehend Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 86 ff., und Simma, Reziprozitätselement, S. 154 f. Es liegt aber ein einziger multilateraler Vertrag vor; nur die Erfüllungsbeziehungen sind jeweils bilateral; dazu Simma, ebda.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Vertrag im Ganzen (oder einzelne Vertragsbestimmungen in ihrer Anwendung auf alle Parteien). Sie ist nicht relativ, sondern nur absolut denkbar.208 Dies zeigt sich vor allem daran, dass gemäß Art. 65 Abs. 2 WVK alle Parteien des Vertrags, und nicht nur die von der mit der Bekanntmachung verfolgten Absicht betroffenen Parteien – also die Parteien der bilateralen Beziehungen, in denen sich der bekanntmachende Staat nicht mehr gebunden sieht – zum Widerspruch berechtigt sind.209 Auch wenn der Streit vor dem IGH als solcher nur zwischen dem bekanntmachenden und einem widersprechenden Staat stattfindet, betrifft der Ausspruch des IGH über die Nichtigkeit des Vertrags daher alle Vertragsparteien. Die Vorfragendogmatik aus dem Nauru-Fall ist insofern aber nicht einschlägig. Das angerufene Gericht müsste nämlich bei der Prüfung der Nichtigkeit des Vertrags nicht zwingend die Rechte eines Drittstaats ausdrücklich ansprechen. Die weiteren Vertragsparteien blieben formell außer Betracht; die Urteilsgründe bezögen sich nur auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien und auf den Vertrag als solchen. Allerdings würden mit der Nichtigkeit des Vertrags auch die Interessen der weiteren Vertragsparteien zum Streitgegenstand, weil ein Ausspruch über die absolute Nichtigkeit des Vertrags beantragt ist.210 Es läge hier also ebenso wie in dem Fall der Zuordnung territorialer Souveränitätsansprüche, in dem der IGH eine Aussage über einen absoluten Streitgegenstand – die Berechtigung an einem Gebiet – trifft, an dem auch Drittstaaten rechtliche Interessen haben.211 Auch ist dieser Fall nicht mit einer Sachlage vergleichbar, in der der Gerichtshof in einem Streitfall zwischen zwei Staaten einen multilateralen Vertrag nur auszulegen und anzuwenden hat.212 Anders als dort ist nämlich der multilaterale Vertrag, wenn seine Wirksamkeit in Frage gestellt ist, nicht nur Rechtsquelle und damit Mittel zur Entscheidung des Falls, sondern selbst Streitgegenstand.213 Die Monetary Gold-Doktrin verlangt daher auch Geltung für den Fall einer Feststellung des IGH über die Nichtigkeit eines Ver-

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Vgl. zur Absolutheit der Feststellung der Nichtigkeit durch den IGH Ushakov in den Beratungen der ILC über die Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (WVKIO; ILM 25 (1986), S. 543), ILC Yearbook 1982, vol. I, S. 159, sowie Capotorti, Recueil des Cours 134 (1971 III), S. 417, 577 („cet arrêt représentera la constatation formelle et définitive que le traité a pris fin“), und Ruiz Fabri, in: Corten/Klein, Art. 66 (Convention de 1969) Rn. 32. 209 Kritisch dazu, offenbar unter der Annahme einer Betroffenheit nur der konkreten Erfüllungsbeziehungen zwischen dem bekanntmachenden und anderen Vertragsparteien (allerdings ohne Bezugnahme gerade auf den Fall der Nichtigkeit eines Vertrags), Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, S. 534 Fn. 3. 210 S. o., 2. Teil Fn. 206, 208. 211 S. o., 2. Teil A. I. 2. a) dieser Arbeit. 212 Dazu noch unten, 2. Teil A. I. 5. dieser Arbeit. 213 Vgl. Sztucki, Jus Cogens, S. 141: „The Court is called upon, under Art. 66(a) of the Convention, to establish the content of the law, instead of applying it, which is its function under Art. 38, para. 1, of the Statute“ (Hervorhebung im Original).

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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trags.214 Dies gilt im Übrigen auch, wenn die Feststellung der Nichtigkeit nicht als operativer Ausspruch beantragt wird, sondern der operative Teil des Urteils nur bestimmte Konsequenzen der Nichtigkeit aussprechen soll, denn auch dann wird die Nichtigkeit des Vertrags, als vorgängiges Rechtsverhältnis, zum Streitgegenstand des Verfahrens, und auch dann soll ein absoluter Ausspruch über die Rechte und Pflichten von Drittstaaten getroffen werden. Insofern ist jedoch eine Unterscheidung zu treffen zwischen den Drittstaaten, die der Bekanntmachung widersprochen haben und nur nicht am gerichtlichen Verfahren beteiligt sind, und solchen Staaten, die der Bekanntmachung bereits nicht widersprochen haben. Letztere haben der Annahme der Nichtigkeit durch den bekanntmachenden Staat bereits in der Form des Art. 65 Abs. 2 WVK – nämlich stillschweigend – zugestimmt.215 Sie haben damit ihre Rechte an dem Streitgegenstand aufgegeben und können folglich nicht mehr als Drittstaaten im Sinne der Monetary Gold-Doktrin angesehen werden. Insoweit geht es allerdings nicht darum, dass sie durch die Erklärung der Nichtigkeit des Vertrags keine vertraglichen Rechte mehr verlieren könnten; das Jurisdiktionsregime des IGH und die Monetary Gold-Doktrin stehen jeder Entscheidung über fremde Rechte entgegen, nicht nur einer inhaltlich belastenden Entscheidung. Vielmehr ist hier relevant, dass ein Staat, der einer Bekanntmachung über die Nichtigkeit eines seiner Verträge nicht widersprochen hat, damit seine sachliche Nähe zum Streitgegenstand verliert, die eine Voraussetzung der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin in diesem Zusammenhang darstellt.216 Staaten, die nach Art. 65 Abs. 1 und 2 WVK widersprochen haben, behalten dagegen ihre Nähe zum Streitgegenstand, weil sie an dem Vertrag festhalten; daran ändert sich auch nichts, wenn sie nicht selbst vor den IGH ziehen, denn das gerichtliche Verfahren nach Art. 66 lit. a WVK ist fakultativ und seine Unterlassung bewirkt nicht mehr die stillschweigende Zustimmung nach Art. 65 Abs. 2 WVK. Dass nur Staaten, die widersprochen haben, Drittstaaten im Sinn der Monetary Gold-Doktrin sein können, zeigt sich auch an dem Regime der Art. 65, 66 WVK: Weil der Staat der Bekanntmachung nicht widersprochen hat, ist er nicht der Wirkung der kompromissarischen Klausel des Art. 66 lit. a WVK ausgesetzt. Er könnte also nicht den bekanntmachenden Staat unter dem Regime der Art. 65, 66 WVK verklagen, um die Wirksamkeit des Vertrags durchzusetzen,217 und umgekehrt könnte auch der bekanntmachende Staat ihn nicht verklagen, um seine Behauptung der Nichtigkeit des Vertrags durchzusetzen. Nach der inneren Systematik des Art. 65 214 Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 338; vgl. Rousseau, FS Rolin, S. 300, 307; Rozakis, Concept, S. 159; vgl. auch Chinkin, EJIL 4 (1993), S. 206, 221. Andeutungen in diesem Sinne finden sich auch in den Beratungen der ILC über die WVKIO; vgl. die Bemerkungen der Mitglieder Jagota, Reuter und Ushakov, ILC Yearbook 1982, vol. I, S. 158 f.; a.A. jedoch Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 125 f. Fn. 102. 215 S. o., 2. Teil Fn. 202. 216 Vgl. dazu oben, 2. Teil B. I. 2. c) dieser Arbeit. 217 Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 66 Rn. 9.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

WVK ist der nicht widersprechende Staat also aus der weiteren Klärung der Wirksamkeit des Vertrags ausgeschieden. Drittstaat im Sinne der Monetary Gold-Doktrin kann daher – unter der Geltung der Art. 65, 66 WVK – nur ein Staat sein, der der Bekanntmachung nach Art. 65 Abs. 1 WVK zwar widersprochen hat und seine Haltung auch im Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung nicht aufgegeben hat, der aber anschließend nicht in das Verfahren vor dem IGH einbezogen worden ist.218 Dann allerdings greift die Monetary Gold-Doktrin ein, weil der IGH – im operativen Teil seines Urteils oder als ein vorgängiges Rechtsverhältnis – über die Nichtigkeit des Vertrags und damit über seine fortbestehenden Interessen zu entscheiden haben wird.219 Anders liegt es in konstruktiver Hinsicht, wenn der Gerichtshof nicht die Nichtigkeit eines Vertrags feststellen, sondern ihn durch ein Gestaltungsurteil erst aufheben soll. In diesem – theoretisch möglichen, aber noch nicht vorgekommenen – Fall geht es nicht (nur) darum, dass der Gerichtshof eine Feststellung träfe, die für einen Drittstaat weitgehend wie eine Entscheidung wirkte, und dass der Drittstaat daher seine Zustimmung erteilt haben und angehört worden sein müsste. Vielmehr setzt die gerichtliche Aufhebung eines Vertrags eine Ermächtigung des Gerichtshofs durch alle Parteien des Vertrags voraus, weil die Disposition über die Existenz des Vertrags nur allen Parteien gemeinsam zusteht.220 Es handelt sich daher hier um den Fall einer Berechtigung mehrerer Staaten zur gesamten Hand, die folglich auch nur von diesen Staaten gemeinsam an einen Dritten – den Gerichtshof – übertragen

218 Gelten allerdings die Art. 65, 66 WVK nicht, dürfte diese Einschränkung nicht gelten. Eine Nicht-Partei der WVK verliert nicht gemäß Art. 65 Abs. 2 WVK ihre Nähe zum Streitgegenstand, wenn sie nicht widerspricht. Art. 65, 66 WVK entsprechen zumindest insoweit weder Normen des allgemeinen jus cogens (Gaja, Recueil des Cours 172 (1981 III), S. 271, 285 f.; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 990; Villiger, Commentary, Art. 65 Rn. 5) noch des Völkergewohnheitsrechts (IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Jurisdiction, ICJ Reports 2006, S. 6, 52; EuGH, Racke ./. Hauptzollamt Mainz, Rs. C-162/96, Slg. 1998, S. I-3655, I-3708; Ruiz Fabri, in: Corten/Klein, Art. 66 (Convention de 1969) Rn. 4; Prost, ebda., Art. 65 (Convention de 1969) Rn. 5; etwas vorsichtiger Krieger, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 65 Rn. 9; Villiger, Commentary, Art. 65 Rn. 27; anders zum Gebot der Einhaltung einer Frist vor der Nichtbeachtung eines Vertrags IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 420; Gabcˇíkovo-Nagymaros Project, ICJ Reports 1997, S. 7, 66). Das Beteiligungsverfahren könnte aber unter Umständen als solches zu einer Widerspruchsobliegenheit auch für Nicht-Parteien der WVK führen (qui tacet consentire videtur ubi loqui debuit ac potuit). 219 Vgl. zur Beseitigung der Monetary Gold-Sperrwirkung in einem solchen Fall, in dem der Drittstaat gemäß Art. 66 lit. a WVK der abstrakten Jurisdiktion des IGH ausgesetzt ist, noch unten, 2. Teil A. IV. dieser Arbeit. 220 Vgl. Art. 30 Abs. 3, 54 lit. b, 59 WVK, und allgemein ILC, Report of the Commission to the General Assembly, ILC Yearbook 1963, vol. II, S. 187, 202 f.; Dubuisson, in: Corten/Klein, Art. 59 (Convention de 1969) Rn. 27; Giegerich, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 54 Rn. 10 f.; Rozakis, Concept, S. 114, 159; Simma, Reziprozitätselement, S. 56 f.

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werden kann. Hat nur eine der Parteien dieser Übertragung nicht zugestimmt, fehlt dem Gerichtshof folglich die Verfügungsbefugnis über den Vertrag.221 b) Befähigung zur Untersagung der Vertragserfüllung durch den Beklagten Die bereits erwähnte Entscheidung des Zentralamerikanischen Gerichtshofs im Fall El Salvador v. Nicaragua hat noch ein anderes Problem aufgeworfen. Dort hatte der Kläger, El Salvador, nämlich beantragt, dem beklagten Staat Nicaragua zu untersagen, den Vertrag mit den USA zu erfüllen. Der Gerichtshof lehnte diesen Antrag ab: „The Court is without competence to declare the Bryan-Chamorro Treaty to be null and void, as in effect, the high party complainant requests it to do when it prays that the Government of Nicaragua be enjoined ,to abstain from fulfilling the said Bryan-Chamorro Treaty.‘ On this point the Court refrains from pronouncing decision because […] its jurisdictional power extends only to establishing the legal relations among the high parties litigant and to issuing orders to them, and them exclusively, as sovereign entities subject to its judicial power. To declare absolutely the nullity of the Bryan-Chamorro Treaty, or to grant the lesser prayer for the injunction of abstention, would be equivalent to adjudging and deciding respecting the rights of the other party signatory to the treaty, without having heard that other party and without its having submitted to the jurisdiction of the Court.“222

Der Zentralamerikanische Gerichtshof berief sich hier also erneut auf den Umstand, dass die USA als die andere Partei des vor ihm angegriffenen Vertrags nicht seiner Jurisdiktion unterlägen und nicht angehört worden seien, und er zieht daraus den Schluss, dass er den Vertrag mit den USA nicht für nichtig erklären könne. Zugleich ging der Gerichtshof aber auch über seine frühere Entscheidung hinaus, indem er mit dieser Begründung nicht nur die Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags verweigerte, sondern auch die gerichtliche Verpflichtung des Beklagten, den Vertrag nicht zu erfüllen.223 Im Zusammenhang mit dem vor dem Zentralamerikanischen Gerichtshof zu entscheidenden Fall ist zunächst anzumerken, dass der Antrag auf Untersagung der Vertragserfüllung dort bereits nach dem Inhalt des Vertrags mit den USA nicht statthaft sein konnte. Dieser Vertrag hatte, wie der Gerichtshof selbst festgehalten hat (und wie es im Fall Costa Ricas noch etwas deutlicher zum Ausdruck kommt), bereits selbst und ohne weitere Umsetzungsakte Nicaraguas den Übergang von Hoheitsrechten auf die USA bewirkt.224 Eine weitere relevante Vertragserfüllung Nicaraguas 221 Vgl. Rozakis, Concept, S. 114, 158 f. Dementsprechend meint auch Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 99, Portugal habe den IGH im East Timor-Fall zu Recht nicht ersucht „to invalidate the treaty“. 222 Central American Court of Justice, El Salvador v. Nicaragua, AJIL 11 (1917), S. 674, 729 (Kursivsetzung im Original). 223 Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1056. 224 S. o., 2. Teil Fn. 196.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

hatte daher nicht mehr stattzufinden.225 Dennoch ist der Gerichtshof in der hier zitierten Passage von der sachlichen Möglichkeit einer Untersagung der Vertragserfüllung ausgegangen. Seine Ausführungen sollen hier also exemplarisch für das Problem einer solchen gerichtlichen Anordnung betreffend einen Vertrag einer Prozesspartei mit einem Drittstaat erörtert werden.226 Soweit der Gerichtshof dabei zunächst darauf abstellte, auch der Antrag auf die gerichtliche Untersagung der Vertragserfüllung stelle sich der Sache nach als ein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit dar,227 trifft dies nach materiellem Völkerrecht nicht zu. Auch aus der Perspektive des Gerichtshofs bliebe es nämlich durchaus bei der Möglichkeit sekundärer Pflichten Nicaraguas wegen der Verletzung des Vertrags. Es ging insofern nur um die gerichtliche Umsetzung einer mit dem USamerikanischen Vertrag kollidierenden Norm, die die Rechte der USA als solche, wie in jedem anderen unauflösbaren Normenkonflikt, unberührt gelassen hätte.228 Die Wirksamkeit oder Nichtigkeit des Vertrags mit den USA stand daher aufgrund des Antrags auf Untersagung der Vertragserfüllung nicht zur Debatte.229 Dies deutete in der Tat auch der Gerichtshof an, wenn er diesen Antrag gegenüber einem Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit als „lesser prayer“ bezeichnet. In inhaltlicher Sicht hätte ein Richterspruch, mit dem Nicaragua die Erfüllung des Vertrags mit den USA untersagt wird, folglich nur die materielle Rechtslage des unauflösbaren Normenkonflikts in das Urteil übernommen. Er hätte nicht die Rechte der USA beseitigt, sondern nur Nicaragua – aus der Sicht der USA in dessen Innenverhältnis – aufgegeben, die Erfüllung der Primärnormen des Vertrags zu verweigern. Insofern unterscheidet sich die Feststellung, der Beklagte sei verpflichtet, den Vertrag mit den USA nicht zu erfüllen, von der Feststellung, er sei zur Unterlassung der Vertragserfüllung auch berechtigt. Die erstere Entscheidung beschreibt nur den Geltungsanspruch der Rechte El Salvadors und sagt nichts über möglicherweise kollidierende Rechte der USA aus, während die letztere Aussage in der Tat eine Entscheidung über das Schicksal der Rechte der USA bedeutete und daher wirklich

225 Nicaragua hatte zwar weiterhin die Steuerfreiheit der US-amerikanischen Wahrnehmung dieser Rechte zu beachten; dieser Aspekt berührte aber die Rechte El Salvadors nicht. 226 Ansonsten ist diese Konstellation in dem Counter Memorial of the Government of Australia im East Timor-Fall und in der darauf ergangenen Réplique du Gouvernement de la République Portugaise (beide verfügbar unter www.icj-cij.org) erörtert worden; vgl. S. 125 f. des ersteren und S. 211 ff. des letzteren Schriftsatzes. Dazu auch Delcourt, RBDI 29 (1996), S. 191, 194, 198. Der IGH ist auf diesen Aspekt nicht eingegangen. 227 So auch das Counter Memorial of the Government of Australia im East Timor-Fall, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 125 f. 228 Vgl. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 99, und vgl. zu den allgemeinen Folgen eines Normenkonflikts oben, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (a) dieser Arbeit. 229 Vgl. auch die Réplique du Gouvernement de la République Portugaise im East TimorFall, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 213; Delcourt, RBDI 29 (1996), S. 191, 198.

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wie eine – vorstehend erörterte – Feststellung der Nichtigkeit wirkte. Die letztere Feststellung hatte El Salvador aber gerade nicht beantragt. Gleichwohl hätte der Gerichtshof bei einer Entscheidung über den Antrag El Salvadors mehr getan, als nur die Verpflichtung Nicaraguas zur Beachtung der Rechte von El Salvador auszusprechen, die unbeschadet des Konflikts mit dem USamerikanischen Vertrag bestanden. Auf den Antrag El Salvadors hätte der Gerichtshof nämlich auch die weitere Konsequenz ziehen müssen, nicht nur dass die Rechte El Salvadors zu beachten seien, sondern auch dass die Rechte der USA aus ihrer Vertragsbeziehung mit Nicaragua, die Nicaragua auch nicht bereits unter Verletzung der Rechte El Salvadors eingegangen war,230 deshalb nicht zu beachten seien. Aus Sicht der Rechte El Salvadors wäre das zutreffend gewesen; der Ausspruch hätte auch nicht bedeutet, dass nicht aus der Sicht des Vertrags mit den USA das Gegenteil gegolten hätte. Jedoch hätte der Gerichtshof vor diesem Ausspruch das Vorliegen eines unauflösbaren Normenkonflikts feststellen und dazu vorgängig den US-amerikanischen Vertrag prüfen und anwenden müssen. Das Problem der Berechtigung des Gerichtshofs zu einer Anordnung, einen Vertrag mit einem Drittstaat nicht zu erfüllen, liegt also in der Notwendigkeit, diese fremde Vertragsbeziehung zu prüfen und den konkreten Fall darunter zu subsumieren. Einer solchen Entscheidung über die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats steht die Monetary Gold-Doktrin entgegen. Daraus folgt, dass der Gerichtshof zwar in der Situation eines unauflösbaren Normenkonflikts aussprechen darf, dass die Rechte des Klägers zu beachten seien,231 dass er aber dabei nicht das Vorliegen des Normenkonflikts mit Rechten eines Drittstaats prüfen und dem Beklagten die Unterlassung der Erfüllung dieser Rechte aufgeben darf. Der Gerichtshof kann also die materielle Rechtslage nur teilweise artikulieren, weil ihm zur Prüfung des auf den Drittstaat bezogenen Teils des Normenkonflikts die Kompetenz fehlt.

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Vgl. die Diskussion betreffend ein (letztlich zu verneinendes) Verbot mittelbar drittstaatsbelastender Verträge oben, 1. Teil B. III. 2. a) dieser Arbeit. Wäre allerdings der Vertragsschluss Nicaraguas mit den USA bereits eine Verletzung der Rechte El Salvadors gewesen, hätte der Gerichtshof dies als solches aussprechen können, freilich ohne die Rechtsfolge der Nichtigkeit anzunehmen. (Das war in casu freilich der Fall, aber El Salvador v. Nicaragua wird an dieser Stelle bekanntlich als angenommener Fall der Untersagung einer Vertragserfüllung behandelt, bei der der Vertrag nicht schon unmittelbar die Rechtsverletzung enthält; s. o., 2. Teil Fn. 226.) 231 Vgl. Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 99, und zur (hypothetischen) Anwendung eines Auslieferungsgebots durch den IGH im Fall der Kollision mit einem menschenrechtlichen Auslieferungsverbot bereits oben, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (b) (cc) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

c) Gemeinsame Verantwortlichkeit und anteilige oder gesamtschuldnerische Schadensersatzpflicht des Beklagten mit einem Drittstaat Ein weiteres Problem stellt sich, wenn der Gerichtshof aufgerufen ist, bei einem Delikt, das der Beklagte zusammen mit einem oder mehreren Drittstaaten begangen hat, nicht nur die Völkerrechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten festzustellen, sondern auch einen Schadensersatzanspruch diesem gegenüber auszuurteilen und zu beziffern. Oben wurde bereits festgehalten, dass die bloße Feststellung der Verantwortlichkeit des Beklagten für ein Delikt, das parallel auch Drittstaaten begangen haben, keine Unzulässigkeit nach der Monetary Gold-Doktrin auslöst.232 Die Rechtsfolgenebene und die Bezifferung von Schadensersatzansprüchen geben jedoch zu weiteren Überlegungen Anlass. Eine Fallkonstellation der gemeinsamen Verantwortlichkeit des Beklagten und zweier Drittstaaten ergab sich vor dem IGH im Nauru-Fall. Der Gerichtshof hat sich dort allerdings in dem Urteil über die Vorgängigen Prozesseinreden mit dem Hinweis begnügt, eine Klage nur gegen Australien (jedenfalls wegen des Haftungsgrunds) sei nach dem Inhalt des Mandats nicht ausgeschlossen, und die Frage der anteiligen oder vollumfänglichen Haftung des Beklagten sei eine Frage der Hauptsache und als solche später zu klären.233 Damit ist allerdings noch nichts über die Möglichkeit der Feststellung der anteiligen Haftung des Beklagten der Höhe nach gesagt. Im NauruFall konnte es zu einer Lösung dieses Problems nicht mehr kommen, weil der Streit vor Erlass eines Hauptsacheurteils beigelegt und die Klage zurückgenommen wurde.234 In der Sache birgt eine Entscheidung über die Höhe der anteiligen Haftung des Beklagten immer das Problem, dass in der Bezifferung des Anteils des Beklagten zugleich eine Festlegung des Anteils des anderen Schädigers, also eines Drittstaats, gesehen werden könnte.235 Insoweit ist allerdings zu differenzieren: Wenn der Beklagte nur gleichzeitig oder sonst parallel mit einem Drittstaat ein Delikt begangen hat, die beiden Staaten dabei aber sachlich voneinander zu trennende Handlungen vorgenommen und Schäden verursacht haben, liegt gerade keine einheitliche völkerrechtswidrige Handlung und keine gemeinsame Verantwortlichkeit vor.236 232

S. o., 2. Teil A. I. 1. a) dieser Arbeit. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 258 f., 262; dazu ebda., Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, S. 270, 274, 286; Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 357 f., 360 f.; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1065. 234 Dazu bereits oben, 1. Teil A. III. dieser Arbeit. 235 Vgl. IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Ago, ICJ Reports 1992, S. 326, 328; Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 336; Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 215 f. 236 Vgl. den Kommentar zu den ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 317 f.; IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 358 f.; Chinkin, in: Shiner/Williams, S. 161, 168 f. 233

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Folglich muss der Gerichtshof bei der Bemessung der Ersatzpflicht des Beklagten ausschließlich auf die Schadensfolgen des Verhaltens dieses Staates abstellen.237 Weder muss der Gerichtshof die Intensität der Mitwirkung des Drittstaats würdigen, noch kann die Festlegung einer bestimmten Schadensersatzsumme für die Verletzungshandlungen des Beklagten implizieren, dass für die anderen Handlungen des Drittstaats eine bestimmte andere Summe anzusetzen sei. Problematisch kann die Bezifferung des geschuldeten Schadensersatzes durch den IGH demnach nur sein, wenn nicht verschiedene Schädigungshandlungen des Beklagten und eines Drittstaats vorliegen, sondern ein einheitlicher Vorgang beiden Staaten im Sinne einer deliktischen Verantwortlichkeit zuzurechnen ist.238 Dann läge in der Tat in der Feststellung, dass z. B. der Beklagte wegen seiner Führungsrolle bei dem Delikt239 zwei Drittel des Schadens zu ersetzen habe, zugleich die Feststellung, dass der Drittstaat den Ersatz des verbleibenden Drittels schulde.240 Einen solchen Abgleich der einzelnen Beiträge zu dem streitgegenständlichen Delikt und seinen Schadensfolgen müsste der Gerichtshof auch bei seiner Prüfung der Schadensersatzpflicht des Beklagten ausdrücklich vornehmen, und dazu müsste er vorgängig prüfen, ob und ggf. welche Drittstaaten mit dem Beklagten haften und welche Beiträge zur Schädigung sie gesetzt haben. An dieser Würdigung der Rolle der Drittstaaten wäre der Gerichtshof durch die Monetary Gold-Doktrin gehindert.241 Anders könnte es liegen, wenn der Beklagte und der Drittstaat im Verhältnis zum Kläger als Gesamtschuldner haften (also eine „joint and several liability“ der beiden Staaten vorliegt). Dabei wäre jeder der beiden Staaten auf die gesamte Summe in Anspruch zu nehmen, und obläge es anschließend einer Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Staaten, den Ausgleich der beiderseitigen und möglicherweise der Höhe nach differenzierten Verantwortlichkeiten im Innenverhältnis herbeizuführen.242 Wenn also eine Völkerrechtsnorm für den Fall, dass mehrere Staaten für ein Delikt verantwortlich sind, die Gesamtschuld aller dieser Staaten anordnete, wäre 237

Vgl. Noyes/Smith, Yale JIL 13 (1988), S. 225, 251 f. Die Frage der Schadensersatzpflicht hat die ILC daher aus Art. 47 ihrer Artikel zur Staatenverantwortlichkeit ausdrücklich ausgespart: vgl. den Kommentar zu den ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 316 f.; so auch IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 357 f., 360 f. 239 Eine Berücksichtigung der Führungsrolle Australiens im späteren Hauptsacheurteil hat der IGH im Nauru-Fall angedeutet: Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, ICJ Reports 1992, S. 240, 262. 240 IGH, Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Ago, ICJ Reports 1992, S. 326, 328; zustimmend Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 336. 241 Richter Simma hat die Frage der Ersatzpflicht der gemeinsam verantwortlichen Staaten offenbar gerade wegen der Monetary Gold-Doktrin offengelassen: IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 358, 360 f. 242 Vgl. Noyes/Smith, Yale JIL 13 (1988), S. 225, 251 f., 255 f. Dass der Beklagte für die einheitliche Schädigungshandlung voll haftet, ist kein alternativer Ansatz, sondern die Folge der Gesamtschuld. 238

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

der Beklagte dem Kläger auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens haftbar. Die daran anknüpfenden Rechtsfolgen im Innenverhältnis der Schädiger untereinander wären für die Berechtigung des Klägers irrelevant. Deshalb könnte der Gerichtshof in einem Fall, in dem bereits nach der abstrakten Rechtslage eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten im Raum steht, den Beklagten in jedem Fall zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilen. Insbesondere könnte er offenlassen, ob der Beklagte allein haftet oder ob er aufgrund der Gesamtschuld den vollen Schadensersatz schuldet; dann könnte er auch offenlassen, ob überhaupt ein Drittstaat haftbar ist. Das wäre allein eine Frage für eine mögliche spätere Auseinandersetzung zwischen dem Beklagten und dem Drittstaat, nämlich für den Gesamtschuldnerausgleich zwischen mehreren Schädigern. Damit würde der Gerichtshof auch nicht etwa einen hypothetischen Ausspruch treffen, wie er es im zweiten Teil seines Urteils im Monetary Gold-Fall abgelehnt hat;243 ein solcher Ausspruch dürfte ihm verwehrt sein, weil seine Urteile – wie aus Art. 59 und Art. 60 Satz 1 des Statuts abzuleiten ist – unbedingt rechtswirksam und praktisch aussagekräftig sein müssen.244 Er würde vielmehr einen definitiven Ausspruch über die vollumfängliche Schadensersatzpflicht des Beklagten treffen und diesen nur auf eine wahlweise Begründung stützen. Dagegen spricht das Gebot der praktischen Wirksamkeit des Urteilsspruchs des IGH nicht; auch das Gebot der Begründung des Urteils (Art. 56 Abs. 1 des Statuts) steht dem nicht entgegen, denn auch eine wahlweise Begründung ist eine Begründung. Der IGH hätte unter dieser Hypothese zu prüfen, ob eine abstrakte völkerrechtliche Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung vorliegt. Hierzu müsste er prüfen, ob z. B. im Recht der Staatenverantwortlichkeit eine gesamtschuldnerische Haftung besteht, wenn mehrere Staaten für ein Delikt gemeinsam verantwortlich sind und Schadensersatz schulden. Das ist eine Frage des materiellen Völkerrechts, die in dieser Arbeit nicht erschöpfend behandelt werden kann. Es ist aber durchaus 243 Dort hat der IGH es abgelehnt, die Frage der Priorität des angeblichen italienischen Anspruchs gegenüber dem britischen Anspruch gleichsam hypothetisch zu prüfen, nachdem er entschieden hatte, dass er den italienischen Anspruch wegen der Betroffenheit albanischer Interessen nicht feststellen könne (IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 33 f., wiedergegeben oben, im 1. Teil A. I. a.E. dieser Arbeit). 244 Diese Begründung hat der IGH im zweiten Teil seines Urteils in Monetary Gold allerdings nicht gewählt; dort lag der Grund für die Ablehnung der Entscheidung vielmehr in der vertraglichen Grundlage der Jurisdiktion des IGH (vgl. IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 33 f., wiedergegeben oben, im 1. Teil A. I. a.E. dieser Arbeit, und dazu Abi-Saab, Exceptions, S. 164 Fn. 302; Singh, Role, S. 203; Thirlway, FS Wang Tieya, S. 789, 803). Insbesondere im Gefolge der Entscheidung im Fall Northern Cameroons (dazu bereits oben, 1. Teil Fn. 424 und B. III. 1. a) dieser Arbeit) scheint der hier vertretene Ansatz aber naheliegend; in diesem Sinne bereits IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Merits, Separate Opinion of Judge Torres Bernárdez, ICJ Reports 1992, S. 629, 716 f.; Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 339 f.; Rosenne, Law and Practice (1965), Bd. I, S. 308 f. (in späteren Auflagen äußert Rosenne diese Ansicht aber nicht mehr); Shihata, Power, S. 234 f.; dagegen Abi-Saab, Exceptions, S. 164 Fn. 302, jedoch nur hinsichtlich der Begründung in Monetary Gold selbst.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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plausibel, dass ein allgemeines Rechtsprinzip besteht, das eine solche gesamtschuldnerische Haftung anordnet; dies scheint der Praxis in allen großen Rechtstraditionen zu entsprechen245 und ist auf die völkerrechtlichen Verhältnisse übertragbar. Dass oft keine gerichtliche Instanz für den Gesamtschuldnerausgleich zugunsten eines einmal zum vollen Schadensersatz verurteilten Staates offensteht, ist jedenfalls kein Argument gegen diese Übertragbarkeit,246 weil das Fehlen eines Gerichts hier nicht schwerer wiegt als bei anderen materiellen Ansprüchen eines Staates. Wenn und soweit eine solche Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung besteht, wird der Gerichtshof wird es deshalb vermeiden können, auf die Frage des Anteils der Haftung eines Drittstaats zu stoßen. Der Gerichtshof kann vielmehr den Beklagten zur Leistung des vollen Schadensersatzes verurteilen und dabei offenlassen, ob dies auf der alleinigen Haftung des Beklagten oder der – sonst schon aufgrund der abstrakten Rechtslage anzunehmenden – gesamtschuldnerischen Haftung mit einem Drittstaat beruht. An diesem Ausspruch wäre er durch die Monetary Gold-Doktrin und auch sonst im Allgemeinen nicht gehindert.247 4. Befähigung zur Anwendung eines im Verhältnis zu einem Drittstaat geltenden Völkerrechtssatzes Eine Betroffenheit eines Drittstaats anderer Art ergibt sich, wenn nicht bestimmte Sachverhalte, in die der Drittstaat involviert ist, vor den IGH gebracht werden, sondern der Gerichtshof einen Vertrag anzuwenden hat, an dem auch der Drittstaat beteiligt ist, und der Gerichtshof dem Vertrag folglich abstrakte Rechtsaussagen zu entnehmen hat, die auch Interessen eines Drittstaats berühren. 245

Vgl. die Zitate bei IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 354 ff. Richter Simma selbst befasst sich allerdings nur mit der gemeinsamen Verantwortlichkeit und lässt die Frage der vollen Ersatzpflicht offen (ebda., S. 358, 360 f.); er äußert dabei nur Sympathien für eine abweichende Lösung, wonach die Schadensbeiträge der einzelnen Schädiger (notfalls im Wege der Schätzung) zu ermitteln wären (ebda., S. 358). Vgl. im hiesigen Sinne auch IGH, Corfu Channel, Merits, Dissenting Opinion by Judge Azevedo, ICJ Reports 1949, S. 78, 92 (wo mit der Haftung „in solidum“ eine Haftung auf das Ganze angesprochen ist); Certain Phosphate Lands in Nauru, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Shahabuddeen, ICJ Reports 1992, S. 270, 284 f.; Noyes/Smith, Yale JIL 13 (1988), S. 225, 242 ff.; Talmon, in: Shiner/Williams, S. 185, 211 f. (auch unter Hinweis auf Art. 31 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 51, und den Kommentar hierzu, ebda., S. 229 f.). 246 A.A. Besson, SZIER 17 (2007), S. 13, 35. Es könnte auch dazu kommen, dass ein Beklagter – als Allein- oder Gesamtschuldner – verurteilt wird, eine spätere Klage gegen einen oder mehrere andere Verantwortliche aber scheitert; vgl. UK Supreme Court, Deutsche Bahn AG v. Morgan Advanced Materials Plc [2014] UKSC 24, [2014] BusLR 377, Rn. 27 (Lord Mance). Das wäre aber letztlich nur eine Folge der immer bestehenden Möglichkeit, dass Rechtskraft und materielle Rechtslage auseinanderfallen. 247 Vgl. Plakokefalos, JIDS 4 (2013), S. 385, 400; anders wohl Besson, SZIER 17 (2007), S. 13, 18 f.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Problematisch ist diese Sachlage nicht bereits in jedem Fall, in dem der IGH einen multilateralen Vertrag unter Beteiligung nur einiger Parteien des Vertrags am Verfahren anzuwenden hat. Insofern ist zunächst darauf hinzuweisen, dass multilaterale Verträge klassischen Zuschnitts – also solche, die bilaterale Ansprüche zwischen ihren Vertragsparteien begründen – nur zahlreiche bilaterale Rechtsbeziehungen entstehen lassen.248 Der IGH wendet deshalb bei der Anwendung eines multilateralen Vertrags zwischen zwei Prozessparteien eigentlich nur die konkrete bilaterale Rechtsbeziehung an, die der Vertrag zwischen den Prozessparteien begründet hat. Die Rechte oder die rechtlichen Interessen weiterer Vertragsparteien werden nicht berührt; es wird nur die Quelle dieser Rechte, der multilaterale Vertrag, interpretiert. Dass im Übrigen die bloße Interpretation eines multilateralen Vertrags ohne die Anwesenheit aller Vertragsparteien im Prozess noch nicht zur Unzulässigkeit der Sachentscheidung führt, belegt ein Rückschluss aus Art. 63 des Statuts.249 Dieser sieht vor, dass eine Partei eines vor dem IGH anzuwendenden multilateralen Vertrags im Verfahren intervenieren kann. Die Norm geht dabei aber erkennbar davon aus, dass diese Intervention keine Voraussetzung der Sachentscheidung durch den Gerichtshof ist, denn sie knüpft an die Wahrnehmung des Interventionsrechts ausdrücklich nur die Folge der Bindung des Intervenienten an den Urteilsspruch (Art. 63 Abs. 2 des Statuts).250 Soweit nicht ein besonderer Vorbehalt etwa in einer Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts – wie der sog. VandenbergVorbehalt der USA251 in seiner weitesten Auslegung252 – die Anwesenheit aller Parteien eines multilateralen Vertrags im Prozess fordert, darf der Gerichtshof also auch zwischen nur einem Teil der Vertragsparteien eine Entscheidung auf Grundlage eines multilateralen Vertrags treffen.253 Etwas problematischer ist der Fall, in dem in einem Verfahren vor dem IGH ein bilateraler Vertrag zwischen einer der Prozessparteien und einem Drittstaat relevant wird. Dies kann der Fall sein, wenn der zwischen den Prozessparteien anzuwendende Vertrag ausdrücklich gegenüber einer anderen Verpflichtung einer Partei subsidiär

248

Dazu bereits oben, 2. Teil bei Fn. 207. So auch Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 111. 250 S. o., 1. Teil B. III. 2. c) bb) dieser Arbeit. 251 Dazu IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 421 ff.; Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 31 ff. 252 Vgl. zu Problemen der Auslegung des Vorbehalts und seiner Anwendung durch andere Staaten Damrosch, in: dies., S. 376, 393 ff.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 97. 253 Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 110 f.; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1060 f.; vgl. IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Merits, ICJ Reports 1986, S. 14, 32 f.; Frontier Dispute (Burkina Faso/Mali), ICJ Reports 1986, S. 554, 578. Der Hinweis von Zimmermann auf den Umstand, dass eine nicht intervenierende weitere Vertragspartei nicht an das Urteil des IGH gebunden wäre, ist allerdings noch nicht zielführend. Die fehlende rechtliche Bindungswirkung des Urteils ist schließlich gerade der Ausgangspunkt der Monetary Gold-Doktrin. 249

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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ist.254 Auch kann ein Vertrag zwischen einer Prozesspartei und einem Drittstaat aufgrund einer Meistbegünstigungsklausel in einem Vertrag zwischen den Prozessparteien relevant werden, die einer der Parteien einen Anspruch auf Behandlung durch die andere Partei nach Maßgabe des mit dem Drittstaat geschlossenen Vertrags einräumt. Auch hierzu hat allerdings der IGH hervorgehoben, dass eigentlich nicht der Vertrag mit dem Drittstaat, sondern der Vertrag mit der Meistbegünstigungsklausel in Verbindung mit dem Vertrag mit dem Drittstaat streitentscheidend ist.255 Es geht also auch hier nicht um Rechtsbeziehungen unter Einschluss eines Drittstaats, sondern ausschließlich um die Rechtsbeziehung zwischen den Prozessparteien, die nur teilweise auf dem Vertrag mit dem Drittstaat beruht.256 Der Drittstaat wird also wiederum nur in seinem Interesse an der Auslegung eines auch ihn bindenden Vertrags berührt. Wie bereits bei den multilateralen Verträgen kann dieses Interesse allein nicht die Sachentscheidung des IGH zwischen zwei (oder mehr) anderen Staaten verhindern. Insofern scheint es zunächst naheliegend, dass auch in diesem Fall das Interventionsrecht gemäß Art. 63 des Statuts gilt;257 der Begriff der „convention“ in dieser Norm wäre also nicht als „multilateraler Vertrag“, sondern nur als „Vertrag“ zu verstehen.258 Jedenfalls gilt aber die Implikation aus dieser Norm, dass 254

Vgl. IGH, Application of the Interim Accord of 13 September 1995, ICJ Reports 2011, S. 644, 678 f., wo der IGH letztlich offenlassen konnte, ob die Verpflichtung Griechenlands gegenüber dem Kläger, der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, hinter einer etwaigen Verpflichtung Griechenlands aus dem Nordatlantikvertrag zurückgetreten wäre. 255 IGH, Anglo-Iranian Oil Co., Jurisdiction, ICJ Reports 1952, S. 92, 109 f.; dazu auch Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1059. Im Fall Ambatielos, Merits, ICJ Reports 1953, S. 10, 20 ff., hat der IGH ohne nähere Ausführungen die Anwendung einer Meistbegünstigungsklausel erörtert; im Fall Rights of Nationals of the United States of America in Morocco, ICJ Reports 1952, S. 176 ff., wurde ebenfalls neben einem Diskriminierungsverbot aus einem multilateralen Vertrag ein bilateraler Vertrag mit einer Meistbegünstigungsklausel angewendet: vgl. S. 185 f. des Urteils und dazu Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 136. 256 Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1059. 257 In diesem Sinne, aber ohne Bezugnahme auf das hiesige Problem, Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 63 Rn. 23; nur für multilaterale Verträge aber wohl (anders als von Chinkin verstanden) IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Declaration of Intervention, Dissenting Opinion of Judge Schwebel, ICJ Reports 1984, S. 223, 237. Im Normalfall meint Art. 63 Abs. 1 des Statuts selbstverständlich einen multilateralen Vertrag, weil bei einem bilateralen Vertrag außer den Prozessparteien definitionsgemäß keine weiteren Parteien vorhanden sind (Kolb, ICJ, S. 732 f.). Anders ist dies jedoch, wenn ein bilateraler Vertrag aufgrund einer Meistbegünstigungsklausel vor den IGH kommt. Dann sollte die andere Partei dieses Vertrags nach Sinn und Zweck des Art. 63 des Statuts das dort niedergelegte Interventionsrecht haben (zweifelnd Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 137). Dieser Fall ist auch von dem zu unterscheiden, in dem ein Interventionsantrag nur auf einem Vertrag basiert, der mit einer der Prozessparteien geschlossen wurde und mit dem streitgegenständlichen Vertrag wortgleich ist; skeptisch zur Anwendbarkeit des Art. 63 des Statuts in einem solchen Fall Damrosch, in: dies., S. 376, 388 mit Fn. 64; Forlati, RDI 85 (2002), S. 99, 137; zu Recht ablehnend Kolb, ICJ, S. 732 f. 258 Vgl. Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 63 Rn. 23, sowie Art. 38 Abs. 1 lit. a des Statuts, und dazu Pellet, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 38 Rn. 203 f.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

ein Interesse eines Drittstaats nur an der Rechtslage nicht die Sachentscheidung des Gerichtshofs sperren kann. Dies gilt auch umso mehr, als ein bloßes Interesse am Recht kein rechtliches Interesse i.S.d. Art. 62 des Statuts darstellt;259 dann kann es erst recht kein rechtliches Interesse sein, das sogar „the very subject-matter of the decision“ im Sinne der Monetary Gold-Doktrin wäre. Dies gilt ersichtlich ebenso mit Blick auf Aussagen des IGH über das Völkergewohnheitsrecht wie hinsichtlich völkerrechtlicher Verträge. Die bloße Anwendung einer auch oder nur im Verhältnis zu einem Drittstaat geltenden Norm ist daher kein Problem der Monetary Gold-Doktrin. Soweit im Übrigen ein Anspruch vor dem IGH nicht ausschließlich auf einen Vertrag gestützt werden kann, der nur im Verhältnis zwischen einer Prozesspartei und einem Drittstaat gilt und an den keine Norm mit Wirkung für die andere Prozesspartei anknüpft,260 geht dies ebenfalls nicht auf die Monetary Gold-Doktrin zurück, sondern darauf, dass der Vertrag den geltend gemachten Anspruch zwischen den Prozessparteien nicht begründen kann.261 Vor diesem Hintergrund kann hier offen bleiben, ob die Rechtsaussagen des IGH überhaupt Teil des rechtskräftigen Prozessergebnisses werden, mit der Folge, dass der Drittstaat auch daran (hypothetisch) gebunden sein könnte und insoweit die Umgehungskonstellation der Monetary Gold-Doktrin anzunehmen wäre.262 Dagegen spricht, dass die Rechtsquellen des Gerichtshofs selbst nicht zum Streitgegenstand gehören, sondern der Entscheidung über den Streitgegenstand dienen. Allerdings könnte die ratio decidendi eines Urteils so mit der Entscheidung über den Streitgegenstand verknüpft sein, dass sie an der Rechtskraft des Urteils teilnimmt. Darauf deutet zumindest ein systematischer Schluss aus Art. 63 Abs. 2 des Statuts hin, wonach ein (nur) wegen der vertraglichen Rechtslage intervenierender Staat mit den Parteien an das Urteil gebunden wird. Wenn nämlich auch ein nur an der abstrakten Rechtsauffassung des IGH interessierter Staat durch das Urteil gebunden werden kann, legt dies nahe, dass diese Rechtsauffassung auch die Parteien binden kann.263 Dieser Schluss begegnet allerdings konstruktiven Schwierigkeiten. Weil nämlich der nach Art. 63 des Statuts intervenierende Staat neben den Parteien „equally“/„également“ gebunden wird (Art. 63 Abs. 2 des Statuts), dürfte auch seine Bindung nur für den konkreten Fall („in respect of that particular case“/„dans le cas qui a été

259

Dazu oben, 1. Teil B. I. 2. a) bb) (3) dieser Arbeit. Dazu IGH, Anglo-Iranian Oil Co., Jurisdiction, ICJ Reports 1952, S. 92, 110; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1059 f. 261 Ähnlich Schorer, Konsensprinzip, S. 117; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1061 f. 262 Dazu oben, 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. 263 Vgl. Verzijl, Jurisprudence, Bd. I, S. 21 f. 260

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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decidé“; Art. 59 des Statuts) eintreten können.264 Es ist jedoch schwer einzusehen, wie ein Staat, der nur an der abstrakten Rechtslage interessiert ist und nicht notwendigerweise in irgendeiner Verbindung zum Streitgegenstand steht,265 hinsichtlich des konkreten Falls gebunden werden könnte.266 Ebenso ist es aber schwer einzusehen, warum der Intervenient auch jenseits des konkreten Falls gebunden sein sollte.267 Dies hätte nämlich, da die Rechtskraft keine einseitige oder objektive Verpflichtung begründet,268 offenbar zur Konsequenz, dass nicht nur der Intervenient auch in Zukunft an die gefundene Vertragsauslegung gebunden wäre, sondern dass im Verhältnis zu ihm – nicht aber im Verhältnis zueinander269 – auch die Parteien für alle Zeit an diese Rechtslage gebunden wären. Das kann kaum richtig sein. Es ist deshalb nicht gänzlich auszuschließen, dass das Zusammenwirken der Art. 59 und Art. 63 Abs. 2 des Statuts auf einem Redaktionsversehen beruht,270 oder dass die Norm eine gegenüber der Rechtskraft für die Parteien andersartige Bindungswirkung anordnet, mit der Folge, dass für die Parteien die bloße Rechtsauffassung des IGH nicht verbindlich wird. Diese Fragen müssen hier allerdings nicht näher vertieft werden, weil bereits die vorstehenden Argumente eine Anwendung der Monetary Gold-Doktrin selbst für den Fall ausschließen, dass eine Bindung auch an die ratio decidendi angenommen wird. 5. Unzulässigkeit wegen Fehlens nur bei einem Drittstaat vorliegender Beweismittel? Schließlich wird vereinzelt noch erwogen, ob auch in einer weiteren, gänzlich anders gelagerten Fallkonstellation die Sachentscheidung des IGH unzulässig sein könnte, weil ein Drittstaat in den Verfahrensgegenstand involviert ist. Hierbei geht es nicht darum, dass der Gerichtshof einen Ausspruch über die Rechtsverhältnisse eines 264 So Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 87; Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 63 Rn. 55. Für eine Bindung an die getroffene Vertragsauslegung nur in den Grenzen des konkreten Falls wohl Al-Qahtani, LPICT 2 (2003), S. 269, 289, 292 ff. Eine solche Konstruktion ist freilich problematisch, weil die Bindungswirkung des Urteils nicht an die Richtigkeit der getroffenen Vertragsauslegung (oder die Bindung der Parteien an diese Auslegung) gebunden ist. 265 Dazu Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 63 Rn. 4; Thirlway, GS Schachter, S. 311, 322 f.; vgl. Fritzemeyer, Intervention, S. 158. 266 Vgl. Fritzemeyer, Intervention, S. 166 f. 267 So aber die Problemlösung bei Crawford, Ann. IDI 68-I (1999), S. 181, 184; Fritzemeyer, Intervention, S. 166 f.; Gaja, FS Simma, S. 665, 668; offen Kolb, ICJ, S. 741 f. 268 S. o., 1. Teil Fn. 911. 269 Anders die Problemlösung bei Verzijl, Jurisprudence, Bd. I, S. 22, der für das Verhältnis der Parteien untereinander eine Ausnahme von der Begrenzung der Rechtskraft auf den konkreten Fall machen will. Insofern lässt er ausdrücklich Art. 59 des Statuts außer Betracht. In diesem Sinne auch PCA, Lighthouses Arbitration between France and Greece, ILR 23 (1956), S. 81, 86 f.; Couvreur, in: Muller/Raicˇ/Thuranszky, S. 83, 102 Fn. 47; in diese Richtung geht auch Kolb, ICJ, S. 742. 270 Vgl. insoweit die Kritik an Art. 59 bei Verzijl, Jurisprudence, Bd. I, S. 21.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Drittstaats – seien es konkrete Rechtsverhältnisse oder abstrakte Rechtsnormen – trifft, sondern die Befassung mit einem Fall soll vielmehr dann unzulässig sein, wenn die maßgeblichen Beweismittel sich ausschließlich in der Hand eines Drittstaats befinden und dem Gerichtshof nicht zur Verfügung stehen.271 In der streitigen Jurisdiktion des Gerichtshofs ist dies noch nicht angenommen worden. Allerdings hat der StIGH im bereits erörterten Fall Eastern Carelia die Wahrnehmung seiner gutachterlichen Kompetenz unter anderem mit der Erwägung abgelehnt, dass es bei der Bearbeitung des Gutachtenantrags wesentlich um Tatsachenfragen gehen werde, dass die UdSSR als involvierter Staat sich weigere, an der Aufklärung mitzuwirken, und dass es zweifelhaft sei, ob hinreichende Informationen aus anderen Quellen verfügbar seien.272 Der IGH hat ähnliche Fragen ebenfalls erwogen, dann allerdings jeweils das ihm aus anderen Quellen zugänglich gemachte Tatsachenmaterial für ausreichend gehalten.273 Im Allgemeinen steht dem IGH danach im Gutachtenverfahren die Möglichkeit offen, die Bearbeitung eines Gutachtenantrags wegen der Unerreichbarkeit der relevanten Beweismittel und damit der Unmöglichkeit der Klärung der maßgeblichen Tatsachen abzulehnen.274 Im Gutachtenverfahren kann der Unerweislichkeit von Tatsachen nicht mit der materiellen Beweislast begegnet werden, denn weil es dort keine formellen Anträge (oder: prozessualen Ansprüche) gibt, die auf bestimmte Tatsachen gestützt werden und die deshalb bei Unerweislichkeit dieser Tatsachen abgewiesen werden können, gibt es dort keine materielle Beweislast.275 Die Unerweislichkeit von Tatsachen führt 271

Dazu (selbst zweifelnd) Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 329 ff. In diesem Zusammenhang wirft Rosenne, AJICL 8 (1996), S. 564, 575, die Frage auf, ob der IGH nicht auch einen Drittstaat gemäß Art. 50 des Statuts auffordern könnte, ihm bestimmte Informationen zukommen zu lassen (vgl. auch De Schutter, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 81, und Art. 44A Satz 2 der Verfahrensordnung des EGMR), und ob der Drittstaat dazu sogar gemäß Art. 2 Abs. 5 der Charta verpflichtet sein könnte. Dieser Frage soll hier nicht nachgegangen werden, da es hier nur um die Folgen einer Situation geht, in der ggf. auch dieses Mittel der Sachverhaltsaufklärung versagt hat. 272 StIGH, Status of Eastern Carelia, PCIJ Series B, No. 5, S. 28. Der StIGH hat auch allgemein erwartet, dass mit einem Gutachtenantrag der zugrunde liegende Sachverhalt in hinreichend klarer Weise mitgeteilt wird, und hat sich nicht verpflichtet gesehen, eigene ergänzende Ermittlungen durchzuführen: Rapport du Greffier de la Cour, Revision du Règlement, PCIJ Series D, No. 2, 3rd Addendum, S. 803, 838; dazu auch Smith, Relation, S. 112 f. 273 IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 28 f.; Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ Reports 2004, S. 136, 161 f.; dazu auch Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 132 ff.; Frowein/Oellers-Frahm, ebda., Art. 65 Rn. 41 ff. 274 Vgl. IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Declaration of Judge Buergenthal, ICJ Reports 2004, S. 240 f.; vgl. auch bereits Smith, Relation, S. 112 f.; Strupp, in: ders., S. 616, 620. 275 Dazu IGH, Western Sahara, ICJ Reports 1975, S. 12, 28; Benzing, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 135; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 48; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 549; anders Niyungeko, Preuve, S. 47, auf der Grundlage seiner abweichenden Definition der materiellen Beweislast. Nach Niyungeko (ebda., S. 66) ist die Folge der Uner-

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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dort also nicht dazu, dass eine Seite unterliegt und die andere obsiegt, sondern kann nur dazu führen, dass der IGH diese Unerweislichkeit festhält und seine Aufgabe insofern nicht voll erfüllen kann. Im streitigen Verfahren ist die Unerweislichkeit der für den Erfolg des geltend gemachten Anspruchs erforderlichen Tatsachen dagegen ein Problem der materiellen Beweislast.276 Diese gilt als allgemeines Rechtsprinzip277 und hat zum Inhalt, dass die hinsichtlich eines Anspruchs oder einer Verteidigung beweisbelastete Partei mit diesem Vortrag unterliegt, wenn die ihn tragenden Tatsachen nicht bewiesen werden können.278 Wenn also die nötigen Beweismittel für den Beweis einer Tatsache nicht vorliegen, wird der auf dieser Tatsache basierende Anspruch abgewiesen oder die Verteidigung abgelehnt; es wird aber nicht in limine die Befassung mit dem Anspruch verweigert.279 Dem Problem fehlender tatsächlicher Erkenntnisse begegnet das Recht (im streitigen Verfahren) also ausschließlich durch die Möglichkeit einer Beweislastentscheidung.280 Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass der IGH die Wahrheit zu ermitteln habe und dass er deshalb in einem Fall, in dem die Ermittlung dieser Wahrheit von vornherein ausscheidet, nicht aufgrund der materiellen Beweislast eine möglicherweise sachlich unzutreffende Entscheidung treffen dürfe. Im Prozess kann nämlich immer nur eine formelle Wahrheit ermittelt werden, so wie sie sich aus dem Gang des weislichkeit einer Tatsache nämlich nicht, dass die beweisbelastete Partei den Fall verliert oder zumindest hinsichtlich der betroffenen Teilrechtsfrage unterliegt (zu dieser Definition sogleich im Text), sondern nur, dass diese Tatsache bei der gerichtlichen Bearbeitung des Falls außer Acht gelassen wird. Nach der Definition von Niyungeko bleibt der beweisbelasteten Partei also die Möglichkeit des Beweises einer anderen ihre Position tragenden Tatsache (ebda.). Damit entkoppelt Niyungeko die Folge der materiellen Beweislast von der Rechtsfrage, für die die zu ermittelnde Tatsache maßgeblich ist und die die Beweislast einer Partei zuordnet. Voraussetzung und Rechtsfolge der Beweislast einer Partei harmonieren aber nur, wenn die Unerweislichkeit der Tatsache die Entscheidung über die maßgebliche Rechtsfrage gegen die belastete Partei nach sich zieht. 276 So auch IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 437; Thirlway, BYIL 81 (2010), S. 13, 154, 167. 277 Benzing, Beweisrecht, S. 605 ff.; Lord Phillimore, in: Procès-Verbaux of the Proceedings of the [Advisory] Committee [of Jurists], June 16th – July 24th 1920, S. 316; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 548; vgl. Abou-el-Wafa, Recueil des Cours 343 (2009), S. 9, 524, 528; Brown, A Common Law, S. 89; Cheng, General Principles, S. 326 ff. 278 Vgl. zu dieser Definition der materiellen Beweislast Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 34; Jötten, Disappearances, S. 153; Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 46; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 548; anders Niyungeko, Preuve, S. 66 (dazu oben, 2. Teil Fn. 275). 279 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 437. 280 So in einem anderen Zusammenhang treffend House of Lords, Gregg v. Scott [2005] UKHL 2, [2005] 2 AC 176, Rn. 79 (Lord Hoffmann): „What we lack is knowledge and the law deals with lack of knowledge by the concept of the burden of proof.“

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Verfahrens ergibt.281 Der Gerichtshof ist dabei zwar nicht an die Beweismittel der Parteien gebunden und kann namentlich auch eigene Ermittlungen durchführen.282 Soweit sich daraus aber nicht die materielle Wahrheit ergibt, sondern nur eine prozessuale Wahrheit, die auch von der Beweislast bestimmt sein kann, ist damit der gerichtlichen Aufgabe genügt. Der Umstand, dass wichtige Beweise nur bei einem Drittstaat vorliegen und dem Gerichtshof nicht zur Verfügung gestellt werden, kann daher nicht zur Unzulässigkeit der Sachentscheidung nach der Monetary Gold-Doktrin (oder ihr nahestehenden Überlegungen) führen. Er erhöht nur die Wahrscheinlichkeit eines sachlich unzutreffenden Urteils und damit das Prozessrisiko der in Wirklichkeit im Recht befindlichen Partei. 6. Fazit zur Anwendung ratione materiae der Monetary Gold-Doktrin Nach der vorstehenden Darstellung bestehen vielfache Fallkonstellationen, in denen die Monetary Gold-Doktrin den IGH an einer Sachentscheidung hindern kann. Dabei gilt regelmäßig die im Nauru-Fall entwickelte Vorfragendogmatik. Die Sachentscheidung scheidet also immer, aber auch nur dann aus, wenn der Gerichtshof in dem vor ihn gebrachten Fall gehalten ist, ausdrücklich eine notwendige Vorfrage betreffend die Rechte und Pflichten eines Drittstaats zu beantworten. Anders liegt es nur in Fällen, in denen der Gerichtshof im operativen Teil seines Urteils Aussagen über einen absolut wirkenden Streitgegenstand trifft, also über die Souveränität eines bestimmten Staates über ein bestimmtes Gebiet, das Eigentum eines Staates an einem bestimmten Gut oder die Nichtigkeit eines Vertrags. In diesen Fällen ist keine den Drittstaat betreffende Vorfrage zu identifizieren, weil bereits die Hauptfrage den Drittstaat unmittelbar berührt. Hinsichtlich der Frage, welche Rechtsverhältnisse eines Drittstaats geeignet sind, die Sperrwirkung nach Monetary Gold auszulösen, sind vorstehend verschiedene Beispiele aus der Praxis des IGH und sonst aus dem materiellen Völkerrecht erörtert worden. Letztlich kommen aber alle völkerrechtlichen Rechtsverhältnisse in Betracht, weil der Gerichtshof seine Jurisdiktion mit Blick auf jegliche völkerrechtliche Rechtsfragen ausüben kann283 und daher ein Ausspruch über einen Drittstaat hinsichtlich jeder völkerrechtlichen Frage geeignet ist, die Anforderungen an einen 281 Vgl. Kolb, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), General Principles of Procedural Law Rn. 43; ders., ICJ, S. 939. 282 S. o., 1. Teil Fn. 990, auch mit Hinweis auf den sehr begrenzten Umfang eigener Ermittlungen des IGH. 283 Vgl. Art. 38 Abs. 1 des Statuts, sowie EGMR, Loizidou v. Turkey, Preliminary Objections, Series A No. 310, Rn. 84; Charney, Recueil des Cours 271 (1998), S. 101, 362; Kolb, ICJ, S. 65 f.; Odendahl, JöR n.F. 55 (2007), S. 1, 13; Oellers-Frahm, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 92 UN Charter Rn. 29; Pellet, LPICT 5 (2006), S. 163; Shany, Competing Jurisdictions, S. 29 f.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Richterspruch gegenüber diesem Staat – namentlich das Erfordernis der Zustimmung des Staates und seines Gehörsrechts – zu umgehen. Aus allgemeingültigen Gründen genügt es jedoch nicht, wenn das Drittstaatsinteresse nur in einem Interesse an der Rechtslage besteht, wie wenn ein auch den Drittstaat bindender Vertrag vom IGH anzuwenden ist. Auch ist es nicht ausreichend, wenn der Drittstaat selbst nicht thematisiert werden soll, aber sich wesentliche Beweismittel nur in seiner Hand befinden. Dies sind keine Fälle, die die Monetary Gold-Doktrin berühren. Ebenfalls besteht kein Sachentscheidungshindernis aufgrund der Monetary Gold-Doktrin, wenn das Verhalten eines Drittstaats nur – im Sinne einer bloß hypothetischen Verantwortlichkeit des Drittstaats – anhand einer Norm geprüft wird, die den Drittstaat in Wirklichkeit nicht bindet.

II. Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ratione personae Damit bleibt die Frage der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ratione personae. Insofern ist bisher sowohl inhaltlich als auch der Terminologie nach davon ausgegangen worden, dass es sich bei dem betroffenen Dritten in der Monetary GoldSituation um einen dritten Staat handelt. Im Folgenden soll aber der Frage nachgegangen werden, ob auch andere Akteure als Träger der betroffenen Drittinteressen in Betracht kommen. Dies ist verschiedentlich angenommen worden. So wurde anlässlich des East Timor-Falls vertreten, dass notwendige Drittpartei hier nicht nur Indonesien, sondern auch das Volk von Osttimor gewesen sei.284 Außerdem ist in der Literatur erwogen worden, ob internationale Organisationen und insbesondere die UN notwendige Drittparteien sein könnten.285 Vor dem IGH selbst hat zunächst Indien im Fall Right of Passage over Indian Territory vorgetragen, der Gerichtshof sei im Sinne der Monetary Gold-Doktrin an einer Sachentscheidung gehindert, weil die Interessen eines de facto-Regimes be284

Klein, Yale JIL 21 (1996), S. 305, 339 ff. Richter Vereshchetin hat dagegen nicht das Volk von Osttimor als vom Anwendungsbereich der Monetary Gold-Doktrin umfasst angesehen, sondern die Unfähigkeit des Gerichtshofs, den Fall zu entscheiden, ergänzend aus dem „lack of any evidence as to the views of the people of East Timor, on whose behalf the Application has been filed“ hergeleitet (IGH, East Timor, Preliminary Objections, Separate Opinion of Judge Vereshchetin, ICJ Reports 1995, S. 135, 138). Es ging ihm also offenbar um eine Substantiierung der Berechtigung Portugals als Mandatsmacht, für das Volk von Osttimor Klage zu erheben. 285 Bordin, LPICT 11 (2012), S. 325, 335 f. Fn. 43 (offen); Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2007), S. 971, 975 f. (offen); Kolb, ICJ, S. 575 f. (ablehnend, aber mit der Annahme einer anderen Abweisungsmöglichkeit bei extrem intensiver Berührung der Verfahrensrechte Dritter); Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 217 f. (zweifelnd, eher ablehnend); Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 315 f. (dafür); Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 22 (ablehnend).

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

troffen seien.286 Der Gerichtshof hat diese Rüge nicht ausdrücklich behandelt, aber seine Jurisdiktion aufgrund anderer Erwägungen bejaht.287 Einen Antrag Portugals, die indische Argumentation mit der Monetary Gold-Doktrin im operativen Teil des Urteils für unzutreffend zu erklären, lehnte er ab. Er hielt insoweit fest, dass er sich diesem Argument (wie auch anderen) in den Entscheidungsgründen widmen würde, wenn er dies für sinnvoll erachte.288 Das Argument aus der Monetary Gold-Doktrin wurde aber nicht wieder aufgenommen. Dieses Argument hat der IGH daher offensichtlich verworfen. Der maßgebliche Grund ist aber nicht zu erkennen. Zwar hat Portugal im Wesentlichen vorgebracht, ein Drittbetroffener im Sinne der Monetary Gold-Doktrin könne immer nur ein Staat sein.289 Der Gerichtshof kann die indische Argumentation aber auch aus anderen Gründen verworfen haben, etwa weil das de facto-Regime nicht hinreichend intensiv betroffen war. Der Fall Right of Passage over Indian Territory stellt damit allenfalls einen schwachen Anhaltspunkt für die Annahme dar, dass ein de facto-Regime oder ein anderer nicht-staatlicher Akteur kein Drittbetroffener im Sinne der Monetary Gold-Doktrin sein könne. Später hat ein einzelner Richter des IGH, der Präsident Schwebel, in einem abweichenden Votum die Auffassung vertreten, auch der Sicherheitsrat der UN könne ein Drittbetroffener im Sinne der Monetary Gold-Doktrin sein. Ihm ging es dabei um die Frage, ob der Gerichtshof über die Rechtmäßigkeit einer Resolution des Sicherheitsrats als notwendig inzident zu prüfende Frage in einem streitigen Fall entscheiden dürfe. Dies verneinte der Richter Schwebel unter anderem aus der Erwägung heraus, dass der Sicherheitsrat nicht angehört werden könne und deshalb die Monetary Gold-Doktrin eingreife: „The conclusion that the Court cannot judicially review or revise the resolutions of the Security Council is buttressed by the fact that only States may be parties in cases before the Court. The Security Council cannot be a party. For the Court to adjudge the legality of the Council’s decisions in a proceeding brought by one State against another would be for the Court to adjudicate the Council’s rights without giving the Council a hearing, which would run counter to fundamental judicial principles. It would run counter as well to the jurisprudence of the Court. (Cf. East Timor (Portugal v. Australia), Judgment, I.C.J. Reports

286

Rejoinder of the Government of India, Right of Passage over Indian Territory, ICJ Pleadings, Bd. III, S. 306 ff.; vgl. IGH, Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 17. Zur Behandlung von de facto-Regimen weist Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 316, noch auf die Behandlung der Republika Srpska im Fall Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43 ff., hin. 287 IGH, Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 31 f., 36. 288 Ebda., S. 32. 289 Plaidoirie de M. Bourquin (Portugal), Right of Passage over Indian Territory, ICJ Pleadings, Bd. IV, S. 591 ff.; vgl. IGH, Right of Passage over Indian Territory, Merits, ICJ Reports 1960, S. 6, 17.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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1995, pp. 100 – 105; Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Judgment, I.C.J. Reports 1954, pp. 32 – 33).“290

Im Fall Application of the Interim Accord of 13 September 1995 zwischen der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien und Griechenland schließlich hat der Beklagte vorgetragen, dass drittbetroffen nicht nur die weiteren Mitgliedstaaten der NATO seien, sondern ebenso auch die NATO selbst.291 Die Klage richtete sich hier gegen die Haltung des Beklagten, Griechenlands, bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Aufnahme in die NATO. Griechenland, so lautete der zentrale Vorwurf, hätte sich im NATO-Rat nicht dem Aufnahmeantrag des Klägers verschließen dürfen, denn die Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien hatte sich insoweit nicht – in zwischen ihr und Griechenland streitiger Weise – nur „Mazedonien“ genannt. Durch die Verweigerung seiner Zustimmung zu einem Beitritt des Klägers habe Griechenland daher einen bilateralen Vertrag verletzt.292 Griechenland rügte im Verfahren vor dem IGH, der Gerichtshof könne nicht allein über Griechenlands Verantwortlichkeit für die Ablehnung des Aufnahmeantrags entscheiden, sondern müsse notwendig Feststellungen über die Rechtmäßigkeit der Handlungen der NATO und ihrer weiteren Mitglieder treffen. Die Entscheidung über die Nichtaufnahme des Klägers sei nämlich allein der NATO zurechenbar293 und eine Entscheidung über die Handlungsweise Griechenlands im Vorfeld dieser Entscheidung hätte Implikationen für die Rechtmäßigkeit der Nichtaufnahme als solche.294 Außerdem nehme der bilaterale Vertrag, auf den sich der Anspruch des Klägers stützte, durch seinen Art. 22 rechtmäßige Handlungen innerhalb von internationalen Organisationen ausdrücklich aus seinem Anwendungsbereich aus, so dass die Handlungsweise Griechenlands bei der Behandlung des Aufnahmeantrags des Klägers nur dann rechtswidrig sein könnte, wenn diese Behandlung als solche – also

290 IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Dissenting Opinion of President Schwebel, ICJ Reports 1998, S. 64, 80 f. Auf diese Passage weisen auch Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2007), S. 971, 976, hin und beschreiben Schwebels Argumentation als „quite forceful“. Ähnlich wie Schwebel auch Sloan/Hernández, in: Tams/Sloan, S. 197, 225, aber wohl nur im Hinblick auf eine prinzipale Normenkontrolle; zu deren Fehlen s. u., 2. Teil Fn. 345. Vgl. auch Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 315 f. 291 Application of the Interim Accord of 13 September 1995, Counter-Memorial of Greece, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 123. Im Urteil (ICJ Reports 2011, S. 644, 660) wird dieser Parteivortrag nur in dem Sinne referiert, dass Dritte „NATO and/or the member States of NATO“ seien. 292 Vgl. Application of the Interim Accord of 13 September 1995, Application instituting Proceedings, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 6 ff. Der Vertrag findet sich in UNTS 1891, S. 3. 293 Application of the Interim Accord of 13 September 1995, Counter-Memorial of Greece, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 123; ebda., CR 2011/12, S. 23 (Reisman). 294 Application of the Interim Accord of 13 September 1995, Rejoinder of Greece, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 60.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

der Beschluss des NATO-Rats – gegen Völkerrecht verstoßen hätte.295 Der IGH folgte dieser Auffassung Griechenlands jedoch nicht und verwarf die auf der Monetary Gold-Doktrin basierende Einrede. Er hielt insoweit fest, dass die Klage sich ausdrücklich nur auf das Verhalten Griechenlands beziehe, ohne Berücksichtigung der Bedeutung dieses Verhaltens für die Entscheidung der NATO und folglich auch ohne Berücksichtigung dieser Entscheidung.296 Auf das Argument aus Art. 22 des anzuwendenden Vertrags ging der IGH dabei nicht ein. An einer anderen Stelle des Urteils lehnte er die griechische Interpretation dieser Norm jedoch ab, so dass sich die Frage der Rechtmäßigkeit der Handlungsweise Griechenlands nach dem Innenrecht der NATO und die Frage der Rechtmäßigkeit der Handlungen des Rats selbst nicht stellen konnten.297 Die Monetary Gold-Doktrin war folglich unanwendbar. Der Frage der Anwendbarkeit der Doktrin auf die NATO als eine internationale Organisation stellte sich der Gerichtshof dabei nicht. Auch Griechenland hatte hierzu selbst nur sehr wenig vorgetragen.298 Geht man von der Begründung der Monetary Gold-Doktrin aus, wie sie in dieser Arbeit dargelegt wurde, ergibt sich zur Begünstigung nicht-staatlicher Akteure durch diese Doktrin folgendes Bild: Soweit die Doktrin auf dem Konsensprinzip der streitigen Jurisdiktion des IGH beruht, kann dieser Ansatz für nicht-staatliche Akteure nicht gelten. Bereits das Konsensprinzip des allgemeinen Völkerrechts gilt für diese Akteure nicht, denn sie sind nicht souverän299 und müssen daher nicht ihre Zustimmung erteilt haben, bevor ein Gericht über sie entscheiden kann.300 Außerdem kann keine Rede davon sein, dass das Jurisdiktionsregime des Statuts umgangen 295 Application of the Interim Accord of 13 September 1995, Rejoinder of Greece, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 60; ebda., CR 2011/12, S. 23 (Reisman). 296 IGH, Application of the Interim Accord of 13 September 1995, ICJ Reports 2011, S. 644, 660 f. 297 Vgl. ebda., Rn. 109 ff. Zurückgewiesen wurde nur die weitere der von Griechenland vorgebrachten Interpretationen des Art. 22, während die Richtigkeit einer engeren Auslegung offengelassen wurde. 298 Vgl. Application of the Interim Accord of 13 September 1995, Counter-Memorial of Greece, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 123: Die NATO nehme nicht an dem Verfahren teil und könne dies auch nicht tun; weil die NATO nicht parteifähig sei, habe der IGH keine Jurisdiktion. 299 Vgl. zu de facto-Regimen nur Frowein, De facto-Regime, S. 198, und zur EU als (besonderes) Beispiel einer internationalen Organisation nur BVerfGE 123, 267, 349; allgemein zu internationalen Organisationen Kolb, ICJ, S. 77; Pieper, FS Klein, S. 839, 847. 300 In diesem Sinne zu den UN als Drittbetroffenem Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 22; vgl. auch Kammerhofer/de Hoogh, EJIL 18 (2007), S. 971, 976; zweifelnd Bordin, LPICT 11 (2012), S. 325, 335 f. Fn. 43; anders Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 217. Dementsprechend ist auch zweifelhaft, ob de facto-Regime Immunität genießen; dazu Frowein, De facto-Regime, S. 198 f. Soweit internationale Organisationen kraft Völkergewohnheitsrechts Immunität genießen sollen, beruhte dies nicht auf ihrer Souveränität, sondern auf der Vielzahl dahingehender Vertragsnormen (Schmalenbach, Haftung, S. 90) und dem dahinter stehenden Schutz der Funktionsfähigkeit der Organisation (Pieper, FS Klein, S. 839, 847).

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

321

würde, wenn ein inzidenter Ausspruch über einen nicht-staatlichen Akteur in der Monetary Gold-Situation erlangt wird. Das Jurisdiktionsregime des Statuts bezieht sich nämlich von vornherein nur auf Staaten, weil gemäß Art. 34 Abs. 1 des Statuts nur diese Parteien eines streitigen Falls sein können.301 Das Statut fordert daher nie die Zustimmung eines Nicht-Staates zu einer Sachentscheidung des IGH und kann folglich mit Blick auf solche Akteure auch nicht umgangen werden. Damit ist aber noch nicht Schwebels Argumentation mit dem Gehörsrecht des Sicherheitsrats widerlegt. Auch insofern ist allerdings auf die vorstehend beschriebenen Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin zu verweisen. Danach besitzt eine (nicht intervenierende) Nicht-Partei vor dem IGH kein Gehörsrecht, und zwar weder nach dem Statut noch nach einem allgemeinen Rechtsprinzip.302 Ihre Anwesenheit im Prozess kann nur erforderlich sein, weil andernfalls die Normen des Statuts über die Gehörsrechte der Parteien umgangen würden, indem ein wie eine Partei betroffener Akteur nicht zur Partei gemacht wird.303 Ein Nicht-Staat kann aber nie Gehörsrechte nach dem Statut haben,304 weil nur Staaten Parteien oder Intervenienten vor dem IGH sein können (Art. 34 Abs. 1, 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 des Statuts). Gehörsrechte eines Nicht-Staates können deshalb nicht umgangen werden, weil sie von vornherein nicht existieren können. Aus der Abwesenheit eines Nicht-Staates im Prozess folgt daher weder eine Verletzung eines bestehenden Gehörsrechts, noch wird das Entstehen eines Gehörsrechts umgangen. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann die Monetary Gold-Doktrin daher nicht zugunsten eines Nicht-Staates eingreifen. Andernfalls entstünden auch erhebliche praktische Probleme, und wäre die Fähigkeit des IGH, zwischenstaatliche Streitfälle zu lösen, erheblich eingeschränkt. Insbesondere internationale Organisationen, und unter ihnen ganz besonders die UN, sind nämlich häufig in internationalen Streitigkeiten involviert. Unter diesem Gesichtspunkt die Kompetenz des IGH einzuschränken hieße, den Gerichtshof schwer zu schädigen.305 Das kann nicht sinnvollerweise aus der Charta und dem Statut abzuleiten sein.306 Außerdem wäre zu bedenken, dass, wenn auch nicht-staatliche 301 Kolb, ICJ, S. 575; Nollkaemper, FS Wellens, S. 199, 217 f.; vgl. Chinkin, Third Parties, S. 210. 302 S. o., 1. Teil B. III. 2. c) bb) dieser Arbeit. 303 S. ebda. 304 Ob aus Art. 34 Abs. 2 und 3 des Statuts ein Gehörsrecht internationaler Organisationen folgt, mag hier dahinstehen, denn daraus könnte keine Unzulässigkeit der Sachentscheidung folgen, sondern der Gerichtshof müsste ggf. nur die Organisation in der besonderen Form dieser Normen, nicht aber als Partei, anhören. 305 Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 22. 306 In einem ähnlichen Sinne meint Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 22 (zustimmend Kolb, ICJ, S. 575), die UN könne sich nicht gegen eine Entscheidung über ihre Rechte und Pflichten ohne ihre Teilnahme wehren, weil der IGH ihr Organ sei. Soweit damit gemeint ist, dass die rechtlichen und institutionellen Verbindungen des IGH und der (übrigen) UN einer Rechtslage entgegenstehen, die den IGH unangemessen beeinträchtigt, ist dem – wie hier im Text – zuzustimmen.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Völkerrechtssubjekte fähig sein sollten, Drittbetroffene im Sinne der Monetary Gold-Doktrin zu sein, dies wohl auch für Individuen307 gelten müsste. Auch diese dürften zumindest das von Schwebel angesprochene Recht auf rechtliches Gehör haben. Dann aber wäre schwer einzusehen, wie ein Staat gegen einen anderen im Wege des diplomatischen Schutzes für einen seiner Staatsangehörigen vorgehen können sollte,308 denn dabei ginge es geradezu zwangsläufig zentral um die Rechte dieses Staatsangehörigen,309 der weder Partei werden noch intervenieren könnte. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass nur Staaten Drittbetroffene im Sinne der Monetary Gold-Doktrin sein können. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass die Normen des Statuts, deren Umgehung die Doktrin entgegensteht, wegen Art. 34 Abs. 1 des Statuts immer nur Staaten begünstigen können.

III. Ausnahmen von der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin? Der vorstehende Abschnitt dieser Arbeit hat auch gezeigt, dass der IGH in zahlreichen Fällen durch die Monetary Gold-Doktrin an einer gerichtlichen Beilegung des Streits zwischen den Parteien des ihm vorliegenden Falls gehindert sein kann. Das ist besonders dann bedauerlich, wenn die Parteien den Fall nicht – wie etwa im Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii – nur in der Absicht vor den Gerichtshof gebracht haben, eine Feststellung über einen Drittstaat zu erlangen, sondern wenn sie auch wirklich durch einen bilateralen Streit entzweit sind, der nur mehr oder weniger zufällig auch die Interessen eines Drittstaats berührt. Gerade in einem solchen Fall wäre die Unfähigkeit des IGH, ihren Fall zu entscheiden, bedenklich, insbesondere wenn das Interesse des Drittstaats an der Vermeidung eines gerichtlichen Ausspruchs 307 Vgl. zur Völkerrechtssubjektivität von Individuen nur Epping, in: Ipsen, § 7 Rn. 3; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 233 ff. 308 Vgl. zu dieser Fallgruppe nur StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 12: „It is an elementary principle of international law that a State is entitled to protect its subjects, when injured by acts contrary to international law committed by another State, from whom they have been unable to obtain satisfaction through the ordinary channels.“ 309 Klassischerweise ging es beim diplomatischen Schutz nicht um die Durchsetzung von Rechten der eigenen Staatsangehörigen gegenüber dem Beklagten durch den Kläger, sondern um die Geltendmachung eines eigenen Rechts des Klägers, gerichtet auf die völkerrechtskonforme Behandlung seiner Staatsangehörigen: StIGH, Mavrommatis Palestine Concessions, Jurisdiction, PCIJ Series A, No. 2, S. 12; Payment of Various Serbian Loans Issued in France, PCIJ Series A, Nos. 20/21, S. 17; The Panevezys-Saldutiskis Railway Case, PCIJ Series A/B, No. 76, S. 16; IGH, Nottebohm, Second Phase, ICJ Reports 1955, S. 4, 24; Kolb, ICJ, S. 267 Fn. 381; Wefelmeier, IGH/EuGH, S. 62; vgl. Lammasch, Rechtskraft, S. 4, 6 f. Im modernen Völkerrecht kann sich der diplomatische Schutz aber auch auf eigene völkerrechtliche Rechte der Staatsangehörigen (und nicht nur auf Rechte ihres Staates, die inhaltlich sie schützen) beziehen; vgl. dazu IGH, LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 483, 492 ff.; Peters, Völkerrecht AT, Kap. 14 Rn. 33. Dann geht es vor dem IGH also um die Rechte der Staatsangehörigen selbst.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

323

über seine Rechte und Pflichten reduziert ist oder ihm ein besonders starkes Interesse der Völkerrechtsgemeinschaft an der Entscheidung entgegensteht. Vor diesem Hintergrund sind verschiedene Ansätze zu möglichen Ausnahmen von der Monetary Gold-Doktrin entwickelt worden, die im Folgenden diskutiert werden sollen. 1. Die Verantwortlichkeit eines Drittstaats als feststehende Tatsache („given“/„donnée“) Das Interesse des Drittstaats an der Unterlassung einer gerichtlichen Feststellung über seine Rechtsverhältnisse kann insbesondere dann reduziert sein, wenn der Gerichtshof zwar logisch zwingend und ausdrücklich über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit oder ein anderes rechtliches Interesse eines Drittstaats befinden muss, aber dieses Interesse bereits allgemein bekannt oder autoritativ festgestellt ist. In einem solchen Fall mag es sein, dass der Drittstaat nicht mehr beanspruchen kann, von einer Feststellung des IGH verschont zu werden, die der Sache nach nur eine erneute Feststellung einer geradezu trivialen Sach- und Rechtslage wäre. Diese Fallkonstellation ist unter verschiedenen Prämissen denkbar. So kann die Antwort auf die einen Drittstaat betreffende Frage – insbesondere die Frage nach seiner völkerrechtlichen Verantwortlichkeit – bereits allgemeinkundig sein, oder der Drittstaat kann sie eingeräumt haben. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Drittstaatsfrage bereits einmal rechtskräftig entschieden worden ist, oder dass Resolutionen des Sicherheitsrats die Frage abschließend geklärt haben. Für alle diese Fälle ist vorauszuschicken, dass sie die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin zumindest insoweit ausschließen können, als der Drittstaat wegen seiner eigenen Ansprüche an dem Streitgegenstand des Verfahrens betroffen sein soll. Dann nämlich dürfen seine Ansprüche nicht offensichtlich unbegründet sein.310 Das wäre allerdings der Fall, wenn aufgrund der vorgenannten Umstände bereits praktisch feststünde, dass die Ansprüche nicht bestehen. Problematisch sind also nur die anderen Fälle der Monetary Gold-Doktrin, in denen möglicherweise eine Ausnahme für den Fall anzuerkennen ist, dass die Antwort auf die Drittstaatsfrage bereits feststeht. a) Die Antwort auf die Drittstaatsfrage als allgemeinkundige Tatsache Am weitesten ginge diese Annahme, wenn schon deshalb der Ausspruch des IGH über den Drittstaat zulässig sein sollte, weil der Inhalt dieses Ausspruchs bereits eine allgemeinkundige Tatsache ist. Einen solchen Ansatz hat Richter Simma in seinem Sondervotum im Fall Oil Platforms angedeutet, als er meinte, die Interessen des Irak wären hinsichtlich einer Feststellung über Vorgänge im Krieg zwischen dem Iran und

310

S. o., 2. Teil A. I. 2. c) dieser Arbeit.

324

2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

dem Irak nicht im Sinne der Monetary Gold-Doktrin „the very subject-matter of the decision“ gewesen, und dies u. a. aus dem Grund, dass „any findings by the Court as to Iraq’s behaviour would only rely on common knowledge and there would be no need for additional evidence (i. e., proving that, because of the war, Iraq, like Iran, contributed to the deterioration of the shipping conditions in the Gulf).“311

Dies war freilich nicht der einzige Begründungsansatz, und es wäre in der Tat allenfalls um eine gemeinsame Verantwortlichkeit des Irans mit dem Irak gegangen, die wie im Nauru-Fall unter der Monetary Gold-Doktrin unbedenklich gewesen wäre.312 Der Ansatz jedoch, dass es nur um allgemeinkundige Tatsachen gehen würde, kann nicht überzeugen. Dabei ist nicht entscheidend, dass es sich bei einer Feststellung des Gerichtshofs über ein Rechtsverhältnis nicht im eigentlichen Sinne um eine Tatsachenfeststellung handelt.313 In Oil Platforms wäre der Irak in der Tat nur durch Tatsachenfeststellungen berührt gewesen, und es gibt selbstverständlich auch allgemeinkundige völkerrechtliche Rechtsverhältnisse. So dürfte etwa allgemeinkundig sein, dass Deutschland für zahllose Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs völkerrechtlich verantwortlich ist,314 und dass es auch in jüngerer Zeit in zahlreichen Diktaturen zu schweren Delikten seitens des Staates gekommen ist.315 Der Umstand, dass eine Rechtsfeststellung allgemeinkundig ist, ermächtigt den IGH aber noch nicht, diese auch ohne die Zustimmung und ohne Anhörung des betroffenen Staates festzustellen. Er erleichtert allenfalls die Begründung dieser Aussage, aber die Komplexität einer Frage sagt nichts darüber aus, ob sie beantwortet werden darf.316 Auch hinsichtlich sehr einfacher Fragen stellen sich vielmehr die maßgeblichen Gründe der Monetary Gold-Doktrin dar wie sonst auch. Auch hin311

IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 360; in diese Richtung auch Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 312. Ähnlich bereits IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Skubiszewski, ICJ Reports 1995, S. 224, 252; Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 561. 312 Vgl. IGH, Oil Platforms, Merits, Separate Opinion of Judge Simma, ICJ Reports 2003, S. 324, 360 f. 313 Vgl. allgemein House of Lords, Moyna v. Secretary of State for Work and Pensions [2003] UKHL 44, [2003] 4 All ER 162, Rn. 26 (Lord Hoffmann); BGH, NStZ-RR 9 (2004), S. 329 f.; NStZ 25 (2005), S. 149, 150; Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 556 f. 314 Vgl. z. B. U.S. Court of Appeals for the Seventh Circuit, Sampson v. Federal Republic of Germany, 250 F.3d 1145, 1150 f. (2001) (Deutschland habe die Verletzung von Normen des jus cogens im Zweiten Weltkrieg in vielfacher Weise anerkannt). 315 Vgl. z. B. United States Court of Appeals for the District of Columbia Circuit, Princz v. Federal Republic of Germany, 26 F.3d 1166, 1175 Fn. 1 (1994), wo zur bloßen Illustration des klägerischen Arguments Völkerrechtsverstöße im Uganda Idi Amins und im maoistischen China genannt werden. 316 So auch, aber i.E. offen Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 316. Im Beweisrecht erlaubt die Kategorie der allgemeinkundigen Tatsachen einem Gericht, das sonst an den Tatsachenvortrag der Partei gebunden ist, auch ohne entsprechenden Vortrag und Beweis von bestimmten Tatsachen auszugehen; dazu Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 549; vgl. Benzing, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Evidentiary Issues Rn. 19.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

325

sichtlich einfacher Fragen sind die Staaten nämlich nicht der zwingenden Jurisdiktion des IGH unterworfen, und auch bei einfachen Fragen würden die Normen des Statuts über das Gehörsrecht der Parteien umgangen, wenn diese Fragen einer annähernd verbindlichen Antwort zugeführt würden, ohne dass der betroffene Staat gehört worden wäre.317 Dass die Staaten auch bei notorischen Rechtslagen und Tatsachen nicht geneigt sind, Feststellungen hierüber hinzunehmen, zu denen sie nicht die erforderliche Zustimmung erteilt haben, zeigt sich etwa an der deutschen Unterwerfungserklärung nach Art. 36 Abs. 2 des Statuts. Diese gilt nur für Streitigkeiten, die nach dem Datum der Erklärung (30. 04. 2008) entstehen, womit gerade Streitigkeiten mit Bezug auf den Zweiten Weltkrieg ausgeschlossen werden sollten.318 Außerdem hat die Bundesrepublik Deutschland, insoweit in Übereinstimmung mit anderen bekanntermaßen belasteten Staaten, auch im Zusammenhang mit Vorgängen im Zweiten Weltkrieg immer auf seiner Immunität vor den Gerichten fremder Staaten bestanden.319 Bei allen diesen Fällen geht es zwar nicht nur um den Ausschluss bloßer gerichtlicher Feststellungen, sondern immer auch um die Vermeidung von Verurteilungen in konkreten Einzelfällen (die bisweilen allgemeine Versuche der Wiedergutmachung hätten konterkarieren können320). Jedenfalls wird aber der allgemeine Satz bestätigt, dass die Allgemeinkundigkeit eines Rechtsverstoßes nichts daran ändert, dass ein Staat keine Entscheidung über seine Rechtsverstöße ohne seine Zustimmung hinnehmen muss. Soweit es, wie bei der Monetary Gold-Doktrin, nicht um eine den Staat bindende Entscheidung, sondern nur um eine inzidente Quasi-Entscheidung über den Staat geht, wird dies auch durch die Handhabung der Immunität ratione materiae bestätigt.321 Der Umstand allein, dass die fraglichen Delikte des Angeklagten oder Beklagten und damit Völkerrechtsverstöße seines Staates bereits allgemeinkundig 317

Vgl. oben, 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. Vgl. Eick, ZaöRV 68 (2008), S. 763, 769; Tams/Zimmermann, GYIL 51 (2008), S. 391, 405 f.; Zimmermann, ZRP 39 (2006), S. 248, 249. 319 Vgl. oben, 2. Teil Fn. 314 (Deutschland habe zwar seine Rechtsverstöße eingeräumt, sich aber nicht der Jurisdiktion der USA unterworfen), sowie den Fall des IGH Jurisdictional Immunities of the State, in dem Deutschland erfolgreich gegen die Ablehnung seiner Immunität durch italienische Gerichte vorgegangen ist (Urteil in ICJ Reports 2012, S. 99 ff.). Vgl. auch U.S. Court of Appeals for the District of Columbia Circuit, Hwang Geum Joo v. Japan, 332 F.3d 679 (hier hatte Japan – erfolgreich – auf seiner Immunität bestanden). 320 In dem oben (2. Teil Fn. 314) zitierten Fall stand im Raum, dass einzelne Schadensersatzklagen vor amerikanischen Gerichten zu einem Ungleichgewicht der Ansprüche im Vergleich zu den Zahlungen an bestimmte Opfer des Nationalsozialismus im Rahmen der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ führen könnten, weil mit den letzteren Zahlungen ein Ausschluss weiterer Ansprüche einherging (Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, BGBl. 2000 I 1263, § 16 Abs. 1); vgl. auch S. 1147 des zitierten Urteils. 321 S. zur Vergleichbarkeit der Immunität ratione materiae und der Monetary Gold-Doktrin bereits oben, 1. Teil B. V. 2. dieser Arbeit. 318

326

2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

waren, hat nicht dazu geführt, dass die Immunität ratione materiae für prinzipiell unanwendbar gehalten worden wäre. Insbesondere wurde von den Nürnberger und Tokioter Kriegsverbrechertribunalen322 und im Eichmann-Prozess in Israel323 anders begründet, dass die Immunität nicht eingreife. Dabei ging es um die Schwere der (auch völkerrechtlichen) Verbrechen, nicht um die Offensichtlichkeit der Delikte der verantwortlichen Staaten. Der Umstand, dass das festzustellende Rechtsverhältnis eines Drittstaats allgemeinkundig ist, beseitigt die ansonsten begründete Sperrwirkung der Monetary Gold-Doktrin daher noch nicht. Insofern bleibt es vielmehr bei der Notwendigkeit einer eigenen Quasi-Entscheidung des IGH über das jeweilige Rechtsverhältnis, an die das Sachentscheidungshindernis aus Monetary Gold anknüpft. b) Die Antwort auf die Drittstaatsfrage als zugestandene Tatsache Daran ändert grundsätzlich auch der Umstand nichts, dass der Drittstaat die Antwort auf die ihn betreffende Frage bereits eingeräumt hat.324 Auch dies erleichtert nur die materielle Entscheidung, ist aber nicht ohne Weiteres geeignet, die prozessualen Hindernisse auszuräumen. Die materiell-rechtliche Seite und die prozessuale Durchsetzung sind danach getrennt zu betrachten. Das zeigt sich ebenfalls an der vorstehend beschriebenen deutschen Praxis zur Durchsetzbarkeit seiner unbestrittenen Verpflichtungen aus seinen Delikten während des Zweiten Weltkriegs.325 Zwar besteht die Möglichkeit, dass ein Staat nicht nur die materielle Rechtslage eingeräumt hat, sondern dass er auch gerichtliche Feststellungen hierüber – zumindest ohne konkrete Rechtsfolgen für ihn selbst – zulässt. Das hat aber mit dem Eingeständnis der materiellen Rechtslage als solchem nichts zu tun und betrifft ausschließlich die Frage, wie ein Drittstaat die Sperrwirkung der Monetary GoldDoktrin ausräumen kann.326

322 International Military Tribunal, In re Goering and Others, AD 13 (1946), S. 203, 221 f.; International Military Tribunal for the Far East, In re Hirota and Others, AD 15 (1948), S. 356, 362 f. 323 Supreme Court (Israel), Attorney-General of the Government of Israel v. Adolf Eichmann, ILR 36 (1968), S. 5, 277, 308 ff.; ganz ähnlich bereits der District Court of Jerusalem, ebda., S. 18, 44 ff. 324 A.A. Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 312, der aber (ebda., S. 316) die hiesigen Gegenargumente anerkennt und sich nur darauf stützt, dass der IGH in East Timor dennoch den Ansatz der „givens“ gebilligt habe; dazu s. u., bei Fn. 338. 325 Vgl. insbesondere U.S. Court of Appeals for the Seventh Circuit, Sampson v. Federal Republic of Germany, 250 F.3d 1145, 1150 ff. (2001) (trotz Anerkenntnis der materiellen Rechtsverstöße hat die Bundesrepublik Deutschland nicht auf ihre Immunität im Prozess verzichtet). 326 Dazu noch unten, unter IV.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

327

c) Die Drittstaatsfrage ist bereits rechtskräftig entschieden In anderer Weise stellt sich das Problem des Ausspruchs über eine inhaltlich bereits feststehende (Rechts-)Tatsache mit Drittstaatsbezug, wenn es über diese Frage bereits ein Verfahren des IGH gegeben hat, an dessen Ende eine rechtskräftige Feststellung über das betroffene Rechtsverhältnis des Drittstaats gestanden hat. In diesem früheren Verfahren wäre der Drittstaat dann Prozesspartei gewesen, denn anders wäre eine ihm gegenüber rechtskräftige Feststellung nicht möglich gewesen. Wenn der Drittstaat aber deshalb seine Zustimmung zu der fraglichen Feststellung erteilt hatte und er zumindest Gelegenheit hatte, dem Gerichtshof seine Auffassung mitzuteilen, stellt sich die Frage, ob er sich anschließend dagegen wehren kann, dass diese Feststellung später in einem Verfahren zwischen zwei oder mehr anderen Staaten wiederholt wird, um daran Rechte oder Pflichten dieser Staaten zu knüpfen. Problematisch ist dabei, dass die Rechtskraft des früheren Urteils, deren Entstehung der Drittstaat zugestimmt hatte, immer nur relativ zwischen den Parteien des damaligen Verfahrens gelten kann; dies ist in Art. 59 des Statuts niedergelegt.327 Daraus folgt, dass die einen Drittstaat betreffende Frage nur dann im Verhältnis zwischen den Parteien des späteren Verfahrens rechtskräftig entschieden sein kann, wenn beide Staaten auch Parteien des ersten Prozesses waren. Dann könnte durch das zweite Urteil keine neue Rechtskraft mehr über die Drittstaatsfrage begründet werden; vielmehr wäre der Gerichtshof dann an einer erneuten Sachentscheidung über die einmal rechtskräftig entschiedene Frage sogar gehindert, weil das öffentliche Interesse an einer Endgültigkeit der getroffenen Entscheidung (interest rei publicae ut finis sit litium) und das Interesse des hinsichtlich der vorentschiedenen Frage erfolgreichen Staates (nemo debet bis vexari pro una et eadem causa) einer weiteren Entscheidung entgegenstünden.328 Folglich hätte der Gerichtshof die einmal gegebene Antwort auf die Drittstaatsfrage für die streitige Folgefrage als gegeben hinzunehmen. Es könnte deshalb auch keine Rede davon sein, dass der erneute Ausspruch in dem späteren Verfahren für den Drittstaat hypothetisch in Rechtskraft erwüchse. Das Erfordernis seiner Zustimmung zu einer Feststellung über seine Rechtsverhältnisse würde daher nicht mehr umgangen, weil es im Rechtssinne zu keiner solchen Feststellung mehr kommen könnte. Ebenso würde auch das Erfordernis der Anhörung des Drittstaats nicht umgangen, weil es nicht mehr zu einer Quasi-Entscheidung käme und das Ergebnis des zweiten Verfahrens daher nicht dem Ergebnis eines Verfahrens gegen den Drittstaat selbst praktisch gleichstünde. Die Monetary Gold-Doktrin wäre daher in einem solchen Fall, in dem die jetzigen Prozessparteien und der Drittstaat durch eine rechtskräftige Feststellung über den Drittstaat gebunden sind, nicht anzuwenden. Ein solcher Fall ist jedoch schwer vorstellbar. Materiell-rechtlich gesehen könnte es zwar dazu kommen, dass etwa ein Staat A, der von einem Staat B unter völker327 328

S. o., 1. Teil B. I. 2. a) bb) (1) dieser Arbeit. Zu diesen Aspekten der Rechtskraft s. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) (a) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

rechtswidriger Mithilfe der Staaten C und D geschädigt wurde, zunächst alle verklagt, und dass anschließend die Staaten C und D hinsichtlich ihrer inneren Aufteilung der Verantwortlichkeit prozessieren (wobei ein Gesamtschuldverhältnis unterstellt wird oder im früheren Urteil festgestellt wurde). Dabei wäre dann erneut auf die Verantwortlichkeit des hauptverantwortlichen Staates B einzugehen, und über diese wäre auch zwischen C und D bereits rechtskräftig entschieden worden. Angesichts der Seltenheit internationaler Prozesse im Allgemeinen und internationaler Prozesse gegen eine Mehrheit von Verantwortlichen im Besonderen – die nicht zuletzt auf das häufige Fehlen von Jurisdiktionstiteln zurückgeht – sowie der weitgehenden Klärung durch den hypothetischen ersten Prozess ist eine solche Konstellation aber nicht zu erwarten. Eher vorstellbar ist eine Situation, in der die Drittstaatsfrage, die der IGH in einem Fall zwischen zwei oder mehr Prozessparteien vorgängig oder mit entscheiden muss, bereits im Verhältnis zwischen nur einer der Parteien und dem Drittstaat geklärt ist. Das wäre in Monetary Gold der Fall gewesen, wenn es dort vorgängig nicht um den Anspruch Italiens, sondern um den des Vereinigten Königreichs gegen Albanien gegangen wäre, denn die Schuld Albaniens in diesem Verhältnis war im Corfu Channel-Fall festgestellt worden.329 Im Übrigen träte eine solche Situation beispielsweise ein, wenn ein geschädigter Staat zunächst gegen den eigentlichen Schädiger und anschließend gegen dessen Gehilfen gerichtlich vorginge (auch wenn dies wiederum nicht sehr naheliegt). In diesen Fällen kann der Gerichtshof bei seiner Entscheidung über den späteren Fall nicht einfach die zwischen den Parteien bestehende Rechtskraft aus dem ersten Urteil zur Kenntnis nehmen und daraus – ohne eine neue Feststellung – die gebotenen Konsequenzen für den neuen Streitgegenstand ziehen. Vielmehr müsste er hier im Verhältnis zwischen den Prozessparteien neue Rechtskraft über die Drittstaatsfrage begründen. Deshalb würde er auch, die Parteistellung des Drittstaats im Prozess unterstellt, für diesen neue Rechtskraft begründen, nämlich gegenüber der Prozesspartei, gegenüber der bisher keine bestanden hat. Folglich würde er bei einer streng formellen Betrachtung auch, in diesem Verhältnis, die Erfordernisse der Zustimmung des Drittstaats und seiner Anhörung im Prozess umgehen. Dem steht die Logik der Monetary Gold-Doktrin entgegen. Es darf jedoch bezweifelt werden, ob eine Anwendung der Monetary GoldDoktrin in einem solchen Fall auch den ihr zugrunde liegenden Wertungen entspräche. Indem die Doktrin die Umgehung des Konsensprinzips der streitigen Jurisdiktion des Gerichtshofs und der grundlegenden Parteienrechte im Prozess verhindert, beruht sie maßgeblich auf dem Gedanken, dass eine Quasi-Entscheidung über einen Drittstaat einer wirklichen Entscheidung gegenüber diesem Staat, die ihn 329

S. o., 1. Teil A. I. dieser Arbeit. So missversteht Orakhelashvili, in: Crawford/Pellet/ Olleson, S. 647, 663, die Problemstellung im Monetary Gold-Fall. Richtiger Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 312, der aber das hier beschriebene Problem der Relativität der Rechtskraft (die für Albanien eben nur gegenüber dem Vereinigten Königreich und nicht gegenüber den weiteren Parteien des Monetary Gold-Falls bestand) übersieht.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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bindet, praktisch gleichsteht.330 Das wiederum ist zwar immer dann der Fall, wenn der Drittstaat – seine personelle Bindung und damit das Nichteingreifen der Relativität der Urteilswirkungen unterstellt – durch das Urteil im Rechtssinne gebunden würde und daher seine Zustimmung erforderlich wäre.331 Es bleibt jedoch dabei, dass der Drittstaat in Wirklichkeit nicht gebunden wird, eben weil er nicht Partei des Verfahrens ist (Art. 59 des Statuts). Entscheidend ist also der wertende Schritt, dass die Anforderungen an ein gerichtliches Vorgehen direkt gegen den Dritten umgangen werden, weil ein Ausspruch des IGH über die Rechte eines Drittstaats einem für diesen Staat verbindlichen Urteil in seiner moralischen Autorität gleichkommt.332 Das kann aber bei einem zweiten Ausspruch über diese Rechte, und zwar bei einem Ausspruch zwischen anderen Staaten, der einem für den Drittstaat unmittelbar verbindlichen Urteil nachfolgt, nicht mehr angenommen werden. Hier besteht bereits eine stärkere moralische Autorität aufgrund des ersten Urteils; es besteht sogar eine rechtliche Autorität, die zwar in einem anderen Rechtsverhältnis wirkt, die der Drittstaat aber immerhin selbst mit zum Entstehen gebracht hat. Der zweite Ausspruch, der mit demselben Inhalt in einem Verfahren zwischen zwei (oder mehr) anderen Staaten erfolgt, fügt dem kaum noch etwas hinzu.333 Die Wertung der Monetary Gold-Doktrin, wonach der IGH nur dann über einen Staat (quasi) entscheiden soll, wenn die normalen Anforderungen des Statuts eingehalten sind, gilt deshalb dann nicht mehr, wenn die Anforderungen hinsichtlich eben dieser QuasiEntscheidung bereits einmal vorgelegen haben. Die Doktrin, die auf dieser Wertung beruht, kann deshalb keine Anwendung finden. In diesem Sinne begründet also eine rechtskräftige Feststellung ein „given“ in dem Sinne, dass eine erneute inzidente Feststellung desselben Inhalts in einer Monetary Gold-Situation dem IGH nicht untersagt ist. d) Verbindliche Beantwortung der Drittstaatsfrage durch die UN Ein weiterer Ansatz, nach dem die Antwort auf eine Drittstaatsfrage bereits als feststehend behandelt werden (ein „given“ sein) könnte, ergibt sich aus der Praxis der jeweils zuständigen Organe der UN, die die Drittstaatsfrage in verbindlicher Weise für alle Staaten und für den IGH selbst beantworten könnten. Dies ist der einzige Fall 330

S. o., 1. Teil B. III. 2. b) aa) dieser Arbeit. S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) und cc) dieser Arbeit. 332 Vgl. abermals oben, 1. Teil B. III. 2. b) aa) dieser Arbeit. 333 Vgl. Aust, Complicity, S. 309, der aber Bedenken einer Anwendung dieses Gedankens auf eine frühere Klärung der Drittstaatsfrage in einem Gutachtenverfahren äußert, weil dann das Gutachtenverfahren besonders in Konflikt mit dem Konsensprinzip gerate und die Bereitschaft zur Nutzung des Gutachtenverfahrens seitens der zuständigen Organe der UN abnehmen könne. In der Tat dürfte ein Gutachten über die Drittstaatsfrage auch eine geringere moralische Autorität haben als ein vorhergegangenes Urteil, weil es niemanden bindet (s. o., 1. Teil Fn. 474, 475) und insbesondere wenn der Drittstaat am Verfahren nicht teilgenommen hat (was er zwar auch im streitigen Verfahren nicht tun muss, was dort aber als Regelfall erwartet wird; vgl. oben, 1. Teil B. III. 2. c) aa), bei Fn. 984). 331

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

einer möglichen Ausnahme von der Monetary Gold-Doktrin bei bereits feststehenden Drittstaatsinteressen, der bereits in der Praxis des IGH diskutiert worden ist. Im Fall East Timor hatte sich Portugal darauf berufen, der Sicherheitsrat und die Generalversammlung der UN hätten in Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben334 nach der Charta bereits abschließend festgestellt, dass Osttimor auch nach der Annexion durch Indonesien ein Mandatsgebiet und Portugal die Mandatsmacht sei.335 Deshalb – so Portugal weiter – müsse der Gerichtshof nicht mehr tun als die Resolutionen zur Kenntnis zu nehmen; er müsse diese Entscheidung nicht mehr selbst von neuem („de novo“) treffen.336 Der Gerichtshof ist diesem Vortrag nicht gefolgt. Im Urteil heißt es zu diesem Komplex: „The Court notes that the argument of Portugal under consideration rests on the premise that the United Nations resolutions, and in particular those of the Security Council, can be read as imposing an obligation on States not to recognize any authority on the part of Indonesia over the Territory and, where the latter is concerned, to deal only with Portugal. The Court is not persuaded, however, that the relevant resolutions went so far. For the two Parties, the Territory of East Timor remains a non-self-governing territory and its people has the right to self-determination. Moreover, the General Assembly, which reserves to itself the right to determine the territories which have to be regarded as non-self-governing for the purposes of the application of Chapter XI of the Charter, has treated East Timor as such a territory. The competent subsidiary organs of the General Assembly have continued to treat East Timor as such to this day. Furthermore, the Security Council, in its resolutions 384 (1975) and 389 (1976) has expressly called for respect for ,the territorial integrity of East Timor as well as the inalienable right of its people to self-determination in accordance with General Assembly resolution 1514 (XV)‘. Nor is it at issue between the Parties that the General Assembly has expressly referred to Portugal as the ,administering Power‘ of East Timor in a number of the resolutions it adopted on the subject of East Timor between 1975 and 1982, and that the Security Council has done so in its resolution 384 (1975). The Parties do not agree, however, on the legal implications that flow from the reference to Portugal as the administering Power in those texts. […] The Court finds that it cannot be inferred from the sole fact that the above-mentioned resolutions of the General Assembly and the Security Council refer to Portugal as the ad334 Die Aufgaben und Befugnisse der Generalversammlung sollten sich aus Art. 10, 11 i.V.m. Art. 1 Abs. 2, 55 und 73 der Charta ergeben, die des Sicherheitsrats aus Art. 24 der Charta; vgl. Mémoire du Gouvernement de la République Portugaise, verfügbar unter www.icjcij.org, S. 186 f., und Réplique du Gouvernement de la République Portugaise, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 74. 335 IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 103; Mémoire du Gouvernement de la République Portugaise, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 164 ff.; Réplique du Gouvernement de la République Portugaise, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 77 ff.; zustimmend Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 637; ders., Aggression, S. 36 f.; Scobbie/ Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 203 ff.; vorsichtig dafür auch Aust, Complicity, S. 308 f. 336 Mémoire du Gouvernement de la République Portugaise, verfügbar unter www.icjcij.org, S. 73; Réplique du Gouvernement de la République Portugaise, verfügbar unter www. icj-cij.org, S. 204 f.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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ministering Power of East Timor that they intended to establish an obligation on third States to treat exclusively with Portugal as regards the continental shelf of East Timor. […] Without prejudice to the question whether the resolutions under discussion could be binding in nature, the Court considers as a result that they cannot be regarded as ,givens‘ which constitute a sufficient basis for determining the dispute between the Parties.“337

Der Gerichtshof hat damit offengelassen, ob die von Portugal angeführten Resolutionen rechtlich verbindlich waren oder nicht. Jedenfalls hat er ihnen nicht den von Portugal vorgebrachten Gehalt beigelegt, wonach allein Portugal als Mandatsmacht der richtige Vertragspartner für Verträge mit Bezug zu Osttimor wäre. Damit scheiterte auch der Einwand Portugals gegen die Anwendung der Monetary GoldDoktrin. Zu der Frage, ob bei einem anderen Gehalt der Resolutionen, und unter der Annahme ihrer verbindlichen Wirkung, diese Resolutionen wirklich feststehende Tatsachen für den IGH begründet hätten, so dass er keine eigene Entscheidung mehr treffen müsste, hat sich der Gerichtshof nicht ausdrücklich geäußert. Vielmehr hat er auch diese Frage offengelassen,338 wenn auch nicht so ausdrücklich wie die Frage der Bindungswirkung der Resolutionen. Eingangs der zitierten Passage hält der Gerichtshof nämlich fest, dass die portugiesische Argumentation auf der Prämisse basiert, dass die Resolutionen mit dem dann untersuchten Inhalt verbindlich seien. Die Untersuchung der portugiesischen These bezieht sich anschließend nur noch auf diese Prämisse; ob das darauf aufbauende Argument zutrifft, hat der IGH also dahinstehen lassen. In der Sache ist es jedenfalls nicht überzeugend, dass der IGH in einem Fall, in dem über die Drittstaatsfrage bereits verbindliche Resolutionen der zuständigen Organe der UN vorliegen, keine eigene Entscheidung mehr treffen, sondern nur noch diese Resolutionen zur Kenntnis nehmen müsse. Zwar trifft es zu, dass der Gerichtshof Umstände schlicht zur Kenntnis nehmen kann, ohne damit eine eigene Entscheidung zu verbinden. So hat er etwa einmal im operativen Teil seines Urteils eine Selbstbindung eines Beklagten hinsichtlich seines zukünftigen Verhaltens nur zur Kenntnis genommen.339 Dort ging es allerdings nur darum, dass mit dieser Selbstbindung einem Antrag des Klägers, den Beklagten in einem ähnlichen Sinne zu verurteilen, genügt worden war, so dass der IGH darüber nicht mehr selbst befinden musste.340 Dagegen reicht es nicht aus, einen Umstand nur zur Kenntnis zu nehmen, wenn es darum geht, einen eigenen Ausspruch des Gerichtshofs – hier das

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IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 103 f. (Absatzwechsel im Original). 338 Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 31; anders Aust, Complicity, S. 308 f.; Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 312. 339 IGH, LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 516. 340 Ebda.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Urteil zwischen den Parteien, das von der Drittstaatsfrage abhängt – zu begründen.341 Insofern wäre es nur denkbar, dass der IGH die Resolutionen der anderen UNOrgane ohne eigene Entscheidung zur Kenntnis nimmt und seiner Entscheidung zugrunde legt, wenn der IGH selbst an diese Resolutionen gebunden wäre.342 Wäre er das nicht, könnte er nämlich noch selbst über den Aussagegehalt der Resolutionen entscheiden. Folglich hätte er das mit einem Ausspruch über diesen Inhalt auch getan, wenn auch unter freiwilligem – und durchaus üblichem343 – Anschluss an die Rechtsauffassung der anderen UN-Organe. Dass der IGH durch die verbindlichen Resolutionen der anderen UN-Organe im Sinne eines Ausschlusses seiner eigenen Entscheidungsfindung gebunden wird, ist nicht anzunehmen. Vielmehr ist überzeugend, dass der Gerichtshof durchaus berechtigt ist, auch bindende Resolutionen namentlich des Sicherheitsrats zu überprüfen, wenn sie bei der Bearbeitung eines Falls relevant werden.344 Zwar gibt es kein 341 Vgl. IGH, Frontier Dispute (Burkina Faso/Niger), ICJ Reports 2013, S. 44, 69, wo der Gerichtshof zwischen einem an ihn gerichteten Antrag, einen übereinstimmenden Willen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen, und einem Antrag, auf dieser Grundlage selbst zu urteilen, unterschieden und bemerkt hat, dass der letztere Antrag seine Jurisdiktion überschreiten könne. Darin ist implizit, dass sich der IGH alle Teile seines Urteils positiv zu Eigen machen muss; nur dann unterliegen sie schließlich dem Jurisdiktionserfordernis. 342 Vgl. Akande, Aggression, S. 37. 343 Vgl. Liang, Nordic JIL 81 (2012), S. 1, 6; Sloan/Hernández, in: Tams/Sloan, S. 197, 199, 207 ff.; , und z. B. die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Gutachtenantrags in dem Verfahren Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory anhand der ständigen Praxis der UN: ICJ Reports 2004, S. 136, 149 ff.; dazu kritisch Pomerance, AJIL 99 (2005), S. 26, 33. Vgl. i.Ü. allgemein zur Vermutung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der UN-Organe IGH, Certain Expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), ICJ Reports 1962, S. 151, 168; Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 22; Gowlland-Debbas, in: Zimmermann/ Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 7 UN Charter Rn. 45; dazu kritisch Martenczuk, Rechtsbindung, S. 161 f. 344 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 45; ebda., Separate Opinion of Judge Onyeama, S. 138, 143 f.; Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, ICJ Reports 1993, S. 407, 439; Accordance with International Law of the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo, ICJ Reports 2010, S. 403, 422; Bedjaoui, New World Order, S. 25; Fraas, Sicherheitsrat, S. 148; Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 63 f. (mit Zweifeln an der allgemeinen Anerkennung); Gowlland-Debbas, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 7 UN Charter Rn. 42 ff.; Kolb, ICJ, S. 898 f.; Martenczuk, Rechtsbindung, S. 70 ff.; Peters, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 24 Rn. 29; Tzanakopoulos, Security Council, S. 92, 110; Zappalà, in: Fassbender, S. 172, 178; vgl. auch ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusˇko Tadic´, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, ILM 35 (1996), S. 35, 41; kritisch zur Annahme einer Verwerfungskompetenz Witte, AöR 137 (2012), S. 223, 235 ff.; zweifelnd Reisman, AJIL 87 (1993), S. 83,

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Verfahren der prinzipalen Rechtskontrolle der anderen Organe durch den IGH.345 Seine Rechtskenntnis ist aber bei der Notwendigkeit einer inzidenten Kontrolle einer Resolution nicht eingeschränkt; nur in materiell-rechtlicher Hinsicht bleibt es bei einem erheblichen Einschätzungsspielraum des jeweiligen Organs.346 Auch wenn der Gerichtshof bei der Beantwortung einer Rechtsfrage – einschließlich einer Drittstaatsfrage – einer Resolution eines anderen UN-Organs folgt, trifft er also eine eigene Entscheidung. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob die jeweilige Resolution (wie in East Timor) eine Feststellung der ansonsten bestehenden materiellen Rechtslage enthält, oder ob sie selbst eine verbindliche Anordnung trifft. Verbindliche Resolutionen, die eine eigene Anordnung enthalten, ändern zwar die materielle Rechtslage, weil sie etwa entgegenstehende Rechte und Pflichten der Mitglieder der Vereinten Nationen gemäß Art. 103 der Charta unanwendbar machen.347 Dann ist auch der IGH in dem 92 f.; dezidiert a.A. IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Dissenting Opinion of President Schwebel, ICJ Reports 1998, S. 64, 73 ff., der aber den Unterschied zwischen prinzipaler Rechtskontrolle (und ggf. Verwerfung) und inzidenter Prüfung übergeht; vgl. dazu nur Peters, in: Simma, UN Charter (2012), Art. 24 Rn. 29; Tzanakopoulos, Security Council, S. 92, 103 ff., 110. 345 IGH, Certain Expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), ICJ Reports 1962, S. 151, 168; Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, S. 16, 45; ebda., Separate Opinion of Judge Onyeama, S. 138, 143; Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Dissenting Opinion of President Schwebel, ICJ Reports 1998, S. 64, 74; Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 63; Gowlland-Debbas, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 7 UN Charter Rn. 42; Martenczuk, Rechtsbindung, S. 70; Witte, AöR 137 (2012), S. 233, 235; Zappalà, in: Fassbender, S. 172, 178. Fraas, Sicherheitsrat, S. 147, 149, und Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 280 f., weisen allerdings auf die Möglichkeit eines Gutachtenantrags bezogen auf die Wirksamkeit einer Resolution und auf die Möglichkeit eines streitigen Verfahrens hin, in dem ein Staat gegenüber einem anderen die Feststellung begehrt, dass ihn eine Resolution nicht verpflichte; in diesem Sinne auch Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 305; Kolb, ICJ, S. 898. 346 Vgl. zum Sicherheitsrat, und dort insbesondere zur Anwendung des Kapitels VII der Charta, IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Yugoslavia), Provisional Measures, Separate Opinion of Judge Lauterpacht, ICJ Reports 1993, S. 407, 439; ICTY, Appeals Chamber, The Prosecutor v. Dusˇko Tadic´, Decision on the Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, ILM 35 (1996), S. 35, 43; Giegerich, GYIL 48 (2005), S. 29, 65; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 282; Witte, AöR 137 (2012), S. 223, 227; gegen eine „immunity“ des Sicherheitsrats gegenüber dem IGH, aber für ein sehr weites Ermessen auch IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1998, S. 99, 110; eingehend zum Ermessen oder Einschätzungsspielraum des Sicherheitsrats Fraas, Sicherheitsrat, S. 187 ff.; Martenczuk, Rechtsbindung, S. 186 ff. 347 Vgl. oben, 1. Teil B. III. 2. a) aa) (1) (b) (aa) und (cc) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Sinne an die Resolutionen gebunden, dass er nur die Rechtslage feststellen und seiner Entscheidung zugrunde legen kann, die sich unter Berücksichtigung der Resolution ergibt.348 Auch dann ergibt sich die Bindung des IGH aber nur aus seiner Pflicht gemäß Art. 38 Abs. 1 des Statuts, die wirkliche Rechtslage auszusprechen,349 und auch dann bleibt er berechtigt, die Resolution inzident auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Auch in diesem Fall trifft er also eine eigene Entscheidung und nimmt er nicht nur die Resolution ohne Weiteres zur Kenntnis. An sich ist damit – entgegen dem portugiesischen Vortrag in East Timor – durchaus Raum für die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin. Allerdings könnten auch hier – ähnlich wie bereits im Szenario einer früheren rechtskräftigen Feststellung über die Drittstaatsfrage – die grundlegenden Wertungen der Monetary Gold-Doktrin zu einem anderen Ergebnis führen. Die Doktrin geht, wie bereits erwähnt, von dem Umstand aus, dass ein inzidenter Ausspruch des IGH über einen Drittstaat wegen seiner moralischen Autorität einem für den Drittstaat verbindlichen Urteilsspruch praktisch gleichkommt. Daran knüpft die Annahme an, dass mit einem Urteil in der Monetary Gold-Situation, in der der Drittstaat (hypothetisch) gebunden und daher seine Zustimmung erforderlich wäre, die allgemeinen Verfahrensregelungen des Statuts, namentlich das Konsensprinzip und das Gehörsrecht jeder Partei, umgangen würde. Wenn aber bereits Resolutionen der UN in der Welt sind, die jedem Staat verbindlich aufgeben, eine bestimmte Antwort auf die Drittstaatsfrage als zutreffend anzunehmen, also etwa den Drittstaat als einen Aggressor und nicht als Souverän eines besetzten Gebiets zu behandeln, könnte angenommen werden, dass ein Urteil des IGH zu dieser Frage nichts Wesentliches mehr zu der Beeinträchtigung der Interessen des Drittstaats beitrüge. Eine Entscheidung über seine Interessen läge bereits vor. Die moralische Autorität des Richterspruchs wäre bereits durch die rechtliche Autorität der Resolutionen der anderen UN-Organe überlagert. Dieser Ansatz würde allerdings, soweit es nicht um vorherige Feststellungen des IGH, sondern um solche der anderen UN-Organe geht, übersehen, dass eine gleichlautende Feststellung über den Drittstaat durch den IGH immer noch bestätigen würde, dass die Feststellung der anderen UN-Organe materiell zutrifft oder dass die getroffene Anordnung rechtmäßig ist. Zu der rechtlichen Autorität der Feststellung durch die anderen Organe käme also die moralische Autorität der Feststellung des IGH, dass die Resolutionen der anderen Organe zu Recht ergangen oder zumindest selbst wirksam sind. Wie bereits erwähnt, dürfte der IGH dies überprüfen. Selbst wenn er also nur den anderen UN-Organen ohne eine ausdrückliche Überprüfung folgte, hätte er bestätigt, dass sich die Rechtsverhältnisse des Drittstaats verhalten wie von den anderen Organen festgestellt. Damit würde die Wirkung der bestehenden Resolutionen wesentlich verstärkt, die Rechte des Drittstaats würden also durch das Urteil noch in einem praktischen Sinne berührt. Das ist dem Gerichtshof durch die Monetary Gold-Doktrin verwehrt. 348 349

Vgl. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 17. Vgl. Martenczuk, Rechtsbindung, S. 75, 108 ff.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Außerdem beruht auch eine feststellende Resolution des Sicherheitsrats oder der Generalversammlung nicht auf einer rechtlichen Prüfung, wie sie der IGH durchzuführen hätte, sondern auf einer politischen Entscheidung. Es ist daher nicht so, dass die inzidente Prüfung der Rechtsverhältnisse eines Drittstaats, die die Monetary Gold-Doktrin verhindern will, ohnehin schon stattgefunden hätte. Allenfalls käme ein Argument in dem Sinne in Betracht, dass mit einer Resolution, aufgrund derer etwa Indonesien als Aggressor zu behandeln sei, der Drittstaat schon alles verloren habe, was er aufgrund der moralischen Autorität des Urteils des IGH in der Monetary Gold-Situation verlieren könnte. Darauf kommt es aber nicht an, weil die Monetary Gold-Doktrin – wie das Konsensprinzip der internationalen streitigen gerichtlichen Jurisdiktion überhaupt – nicht davon abhängt, dass einem Staat eine für ihn negative Feststellung droht; problematisch ist vielmehr jede gerichtsförmige Feststellung über seine Rechte350 und eine solche hat es in dem Szenario einer früheren Feststellung durch ein politisches Organ der UN noch nicht gegeben. Zudem liegt es nicht im Rahmen der Befugnisse des Sicherheitsrats, eine Ausnahme von der Monetary Gold-Doktrin anzuordnen. Zwar kann er die (abstrakte) Jurisdiktion des IGH durch eine verbindliche Resolution gemäß Kapitel VII der Charta begründen351 und damit die Grundlage für eine Klage auch gegen den Drittstaat in einem rechtlichen Dreiecksverhältnis schaffen. Nimmt der Drittstaat dann an dem Verfahren nicht teil, gilt Art. 53 des Statuts; der Gerichtshof ist dann also nicht an einer Entscheidung gehindert. Der Sicherheitsrat kann jedoch aufgrund seiner Bindung an das Statut (als Teil der Charta im weiteren Sinne) nicht das Verfahrensrecht des IGH modifizieren.352 Soweit dieses einer Umgehung des Konsensprinzips und der Gehörsrechte des Statuts entgegensteht, also einen kollateralen Schutz dieser Rechtssätze enthält, kann der Sicherheitsrat also diese Bedingung der Zulässigkeit einer Klage nicht aufheben. Die Monetary Gold-Doktrin bindet insoweit auch den Sicherheitsrat. Auch scheitert ihre Anwendung in einem solchen Fall nicht daran, dass es kein Erfordernis der Zustimmung des Drittstaats mehr gäbe, das umgangen werden könnte. Insofern liegt es nicht anders als in einem Fall, in dem der Drittstaat auf dem normalen Weg – ohne Ersetzung seiner direkten Zustimmung durch den Sicherheitsrat – die (abstrakte) Jurisdiktion des IGH anerkannt hat. Auch in diesem Fall kann das Problem der Monetary Gold-Doktrin aufgrund seiner fehlenden Parteistellung im Prozess und der Umgehung seiner Gehörsrechte auftreten.353 Der Sicherheitsrat kann folglich den IGH nicht von der Monetary GoldDoktrin in ihrem Anwendungsbereich freizeichnen, sondern allenfalls die Jurisdiktionsgrundlage für eine Klage gegen den Drittstaat schaffen.

350 351 352 353

S. o., 1. Teil B. III. 2. a) dieser Arbeit, bei Fn. 696. S. o., 1. Teil B. I. 1. b) bb) (2) (a) dieser Arbeit. Ebda. S. o., 1. Teil B. III. 2. c) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Darüber hinaus mag der Sicherheitsrat fähig sein, den – im Allgemeinen durchaus möglichen354 – Verzicht des Drittstaats auf die Anwendung der Monetary GoldDoktrin zu ersetzen. Auch darin läge aber kein unmittelbarer Ausschluss der Monetary Gold-Doktrin im dem Sinne, dass eine verbindliche Entscheidung des Sicherheitsrats als „given“ angesehen würde. Vielmehr bliebe die grundsätzliche Anwendbarkeit der Monetary Gold-Doktrin unberührt und würde u. U. sogar bestätigt. Nur ihre Anwendung würde auf der logisch nachgeordneten Ebene des Verzichts ausgeschlossen. Vorstellbar ist es allerdings, dass der IGH in seiner weiteren Ausarbeitung der Monetary Gold-Doktrin den Feststellungen und Anordnungen der anderen UNOrgane einen solchen Stellenwert einräumt, dass diese die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin, jenseits ihres eigentlichen Inhalts, ausschließen können.355 Eine solche Fortschreibung der Doktrin bewegte sich dann aber nicht mehr im Rahmen des Jurisdiktionsregimes des IGH einschließlich seines Schutzes vor Umgehungen, sondern stellte eine Modifikation dieses Jurisdiktionsregimes aufgrund der institutionellen Verbindung zwischen dem IGH und den UN dar. Allein auf der Grundlage der Monetary Gold-Doktrin in ihrer Ausgestaltung als kollateraler Schutz des Konsensprinzips und der Gehörsrechte des Statuts ist die Fallgruppe eines „given“ aufgrund einer verbindlichen Resolution eines anderen UN-Organs zu der vor dem IGH relevanten Drittstaatsfrage jedenfalls nicht anzuerkennen. Es bleibt nämlich auch in diesem Fall dabei, dass der IGH noch selbst eine gewichtige Entscheidung treffen muss, nämlich die über die Wirksamkeit der bereits getroffenen Feststellung. Eine Einschränkung der Monetary Gold-Doktrin unter dem Gesichtspunkt, dass bereits eine abschließende Antwort auf die Drittstaatsfrage vorliegt, ist auf dieser Grundlage nur für den Fall zu anzunehmen, dass die Drittstaatsfrage bereits in einem früheren Verfahren unter Beteiligung des Drittstaats rechtskräftig entschieden worden ist. Nur dann liegt ein „given“ in dem Sinne vor, dass ein weiterer inzidenter Ausspruch des IGH über den Drittstaat keine nennenswerte zusätzliche moralische Autorität mehr begründet. Dass die Antwort auf die Drittstaatsfrage offensichtlich, zugestanden oder durch ein anderes Organ der UN verbindlich festgestellt ist, begründet dagegen keine derartige Situation. In diesen Fällen kann daher de lege lata keine Ausnahme von der Monetary Gold-Doktrin angenommen werden. 2. Normen des jus cogens oder mit Wirkung erga omnes Eine weitere Ausnahme von der Monetary Gold-Doktrin oder eine nicht zur Unzulässigkeit der Sachentscheidung führende Anwendung der Doktrin ist verschiedentlich für den Fall angenommen worden, dass es vor dem IGH um die Be354 355

Dazu noch unten, 2. Teil A. V. dieser Arbeit. Vgl. Aust, Complicity, S. 308 f.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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achtung von Normen des jus cogens oder von Normen mit Wirkung erga omnes gehe. Auch diese Annahme geht wesentlich auf den Parteivortrag Portugals im East TimorFall zurück. Dort hatte Portugal argumentiert, die Sachlage sei anders als im Monetary Gold-Fall: Dort sei es um einen Anspruch Italiens gegen Albanien und damit um ein Recht gegenüber einem einzelnen Staat (erga singulum) gegangen, während im East Timor-Fall ein Recht erga omnes geltend gemacht werde, also ein Recht, das nicht nur gegenüber Indonesien bestehen könnte, sondern das jeden anderen Staat ebenfalls verpflichtet.356 Das geltend gemachte Recht beziehe sich daher personell nicht auf einen bestimmten (Dritt-)Staat, sondern es bestehe zwischen Portugal und Australien ebenso wie zwischen Portugal und jedem anderen Staat, einschließlich Indonesien. Portugal habe dabei die Wahl, jeden der verpflichteten Staaten jeweils für sich in Anspruch zu nehmen, ohne damit die Pflichten der anderen Staaten zu berühren.357 Die Verpflichtungen Indonesiens und Australiens stünden daher nebeneinander; die Verpflichtung Australiens, die Portugal vor dem IGH vortrug, hänge daher in keiner Weise von der Verpflichtung Indonesiens ab.358 Der Gerichtshof ist auch diesem portugiesischen Argument nicht gefolgt. Er bestätigte ausdrücklich, dass es sich bei der von Portugal vorgebrachten Norm des Selbstbestimmungsrechts der Völker um eine Norm mit Wirkung erga omnes handelte, aber hielt die Monetary Gold-Doktrin deshalb nicht für unanwendbar: „In the Court’s view, Portugal’s assertion that the right of peoples to self-determination, as it evolved from the Charter and from United Nations practice, has an erga omnes character, is irreproachable. […] However, the Court considers that the erga omnes character of a norm and the rule of consent to jurisdiction are two different things. Whatever the nature of the obligations invoked, the Court could not rule on the lawfulness of the conduct of a State when its judgment would imply an evaluation of the lawfulness of the conduct of another State which is not a party to the case. Where this is so, the Court cannot act, even if the right in question is a right erga omnes.“359

Einzelne Richter und einige Stimmen in der Literatur haben sich dagegen der portugiesischen Rechtsauffassung angeschlossen. Das Urteil des Gerichtshofs soll also die Geltendmachung von Verstößen gegen erga omnes wirkende Normen sehr erschwert haben.360 356

Réplique du Gouvernement de la Republique Portugaise, verfügbar unter www.icjcij.org, S. 207 f. 357 Vgl. ebda., S. 208. 358 Vgl. IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 102. 359 Ebda.; i.E. zustimmend Aust, Complicity, S. 303; Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 41; vgl. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 26. 360 IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 172; ebda., Dissenting Opinion of Judge Skubiszewski, S. 224, 248; Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 92 ff.; Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 f., 309 ff.; Jørgensen, Responsibility, S. 222; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 397 f.; Schulte, in: Koufa, S. 531, 536 f., 544; vgl. auch Chinkin, ICLQ 45 (1996), S. 712, 721; Delcourt, RBDI 29 (1996), S. 191, 210; Dugard, AJICL 8 (1996), S. 549, 561, 563; Scobbie/

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Zur Würdigung dieser Kritik ist zunächst zu klären, was mit dem Konzept der Verpflichtungen erga omnes gemeint ist; insofern zeigt die Kritik am Urteil des IGH, ebenso wie der portugiesische Parteivortrag, bereits Schwächen. Die Wirkung einer Völkerrechtsnorm erga omnes meint nämlich nach dem üblichen, dem Barcelona Traction-Urteil des IGH361 entnommenen Sprachgebrauch nicht die Bindung aller Staaten an eine solche Norm – diese besteht ohnehin bei allen Normen des allgemeinen Völkerrechts –, sondern die Verantwortlichkeit eines gegen die Norm verstoßenden Staates gegenüber allen anderen Staaten.362 Es ist also nicht gemeint, dass für alle die Verpflichtung durch die Primärnorm besteht, sondern dass die Sekundärnormen der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit einen verantwortlichen Staat gegenüber allen (erga omnes) verpflichten und alle berechtigen, diese Verantwortlichkeit geltend zu machen.363 Es ist deshalb nicht richtig, die Bindung aller Staaten – im East Timor-Fall also Indonesiens und Australiens – an das Selbstbestimmungsrecht der Völker der Wirkung dieser Norm erga omnes zu entnehmen. Ebenso ist es unzutreffend, die Wirkung der Norm erga omnes darin zu sehen, dass alle Staaten, einschließlich Indonesiens und Australiens, an das Selbstbestimmungsrecht gerade des Volks von Osttimor gebunden seien, dass also das Selbstbestimmungsrecht dieses Volks nicht nur Indonesien, sondern auch Australien entgegengehalten werden könne.364 Das ist wiederum nur eine Frage der Anwendung der Primärnorm, namentlich der Subsumtion unter eine den Staat bindende Norm, aber kein Aspekt der Wirkung der Norm erga omnes. Australien und Indonesien sind jeweils an das Selbstbestimmungsrecht des Volks von Osttimor gebunden, weil sie an das Selbstbestimmungsrecht der Völker gebunden sind und das Volk von Osttimor ein Volk ist, nicht weil das Selbstbestimmungsrecht erga omnes wirkt. Insofern liegt es nicht anders als im Fall der Immunität eines Staatsoberhaupts, die nicht im akzeptierten Sinne erga omnes wirkt,365 weil an ihrer Einhaltung in jedem Einzelfall nur Drew, LJIL 9 (1996), S. 185, 201; kritisch auch Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 298. 361 IGH, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Second Phase, ICJ Reports 1970, S. 3, 32. 362 Dazu eingehend Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 385 f.; Tams, Obligations, S. 102; vgl. Annacker, Durchsetzung, S. 29 f.; Thirlway, Japanese YIL 55 (2012), S. 4, 19; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 240. Möglich sind auch Normen mit Wirkung erga omnes partes, die also eine Verantwortlichkeit nicht gegenüber allen Staaten, aber gegenüber allen anderen Parteien des jeweiligen Vertrags oder allen anderen Mitgliedern einer anderen engeren Gemeinschaft, etwa aufgrund regionalen Gewohnheitsrechts, begründen; dazu IGH, Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, ICJ Reports 2012, S. 422, 449 f.; Annacker, Durchsetzung, S. 29. 363 Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 386; Tams, Obligations, S. 102; vgl. Thirlway, BYIL 66 (1995), S. 1, 59 Fn. 205; ders., BYIL 80 (2009), S. 10, 101. 364 So aber Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 92; ähnlich Ajibola, African YIL 4 (1996), S. 85, 100; so wohl auch Rosenne, AJICL 8 (1996), S. 564, 571; wie hier Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 240. 365 Vgl. Kleinlein, Konstitutionalisierung, S. 338; vgl. auch Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 386; anders zur funktionalen Immunität (Immunität ratione materiae)

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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der Staat des jeweils betroffenen Staatsoberhaupts ein rechtliches Interesse366 hat:367 Jeder Staat hat die Immunität eines Staatsoberhaupts zu achten, aber das liegt nur an der allgemeinen Bindung an die gewohnheitsrechtliche Primärnorm und der zutreffenden Qualifizierung der Person als Staatsoberhaupt, nicht an der Rechtsfigur der Verantwortlichkeit erga omnes. Soweit Portugal argumentiert hat, die geltend gemachte Norm verpflichte Australien ebenso wie Indonesien, und die Verpflichtung Australiens sei nicht von der Indonesiens abhängig, ist das folglich kein Aspekt der Wirkung des Selbstbestimmungsrechts erga omnes. Das Argument trifft zwar zu. Es beruht allerdings in Wirklichkeit darauf, dass die Anwendung einer Völkerrechtsnorm gegenüber einem Staat, die auch einen anderen Staat bindet, kein Problem nach der Monetary GoldDoktrin auslöst.368 Das Problem der Wirkung erga omnes liegt also nicht in der Frage, welcher Staat verpflichtet wird, sondern in der Frage, gegenüber welchem Staat die Verpflichtung eintritt und welcher Staat auf die Völkerrechtsverletzung reagieren darf; die Wirkung einer Norm erga omnes ist eine Frage des locus standi.369 Soweit nun aus der Wirkung einer Norm erga omnes ein locus standi jedes Staates – oder eines faktisch besonders betroffenen Staates370 – für die Einleitung eines Verfahrens vor dem IGH entnommen werden kann,371 kann ein von dieser Wirkung betroffener Drittstaat folglich nicht der deliktisch verantwortliche Staat sein, sondern höchstens ein anderer potenzieller Kläger, über dessen Berechtigung zum Vorgehen gegen die Rechtsverletzung inhaltlich mit entschieden würde. Insbesondere kann, wenn ein faktisch nicht verletzter Staat die Verletzung einer erga omnes wirkenden Norm geltend macht, über den faktisch verletzten Staat mitentschieden werden. Die Monetary Gold-Doktrin könnte Cassese, EJIL 13 (2002), S. 853, 863, der aber mit der Wirkung erga omnes die Geltung der Primärnorm für alle Staaten meint (s. ebda, S. 863 f.). 366 Diese Formulierung ist der grundlegenden Formel des IGH entnommen: IGH, Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Second Phase, ICJ Reports 1970, S. 3, 32 („all States can be held to have a legal interest in [the] protection [of rights erga omnes]“). 367 Vgl. House of Lords, R. v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte (No. 3) [2000] 1 AC 147, 265 (Lord Saville of Newdigate) („These immunities belong […] to the state in question“); vgl. in diesem Sinne auch IGH, Arrest Warrant of 11 April 2000, ICJ Reports 2002, S. 3, 17 f. 368 Dazu bereits oben, unter A. I. 5. Dessen ungeachtet kann das Problem bestehen, wenn die den Beklagten bindende Völkerrechtsnorm inhaltlich eine bestimmte Rechtsbeziehung oder rechtliche Eigenschaft eines Drittstaats voraussetzt. So lag es im East Timor-Fall; s. dazu bereits oben, 2. Teil A. I. 1. dieser Arbeit, bei Fn. 3 – 5, sowie sogleich nachfolgend. 369 In diesem Sinne Byers, Custom, S. 196; Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 f., 298 f.; Jørgensen, Responsibility, S. 222 f.; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 295, 297; Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 53 Rn. 82, 84; Tams, Obligations, S. 102, 115 f. 370 S. o., 2. Teil Fn. 81. 371 Dazu Hernández, BYIL 83 (2012), S. 13, 41; Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 395 ff.; Schmalenbach, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 53 Rn. 82; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 995; Tams, Obligations, S. 158 ff.; ders., FS Simma, S. 379, 386.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

daher anwendbar sein, nicht weil ein (weiterer) verantwortlicher Staat nicht am Verfahren teilnimmt und über seine Verantwortlichkeit ein Ausspruch erfolgt, sondern weil der eigentlich verletzte Staat nicht am Verfahren teilnimmt und über seine Berechtigung entschieden wird.372 Insofern trifft es zu, dass die Verletzung der erga omnes wirkenden Norm, die der Kläger als nicht selbst verletzter Staat rügt, faktisch durch ein Verhalten des Beklagten gegenüber dem Drittstaat, dem eigentlich verletzten Staat, geschehen ist. Dieser Vorgang zwischen dem Beklagten und dem Drittstaat ist also auf die Klage des nicht selbst verletzten Klägers vom IGH zu prüfen. Damit muss aber richtigerweise nicht entschieden werden, ob der Beklagte einen Völkerrechtsverstoß gegenüber dem Drittstaat begangen hat.373 Es wird nur für die Frage, ob die Rechte des Klägers aus der erga omnes wirkenden Norm verletzt wurden, an einen Sachverhalt zwischen dem Beklagten und dem Drittstaat angeknüpft. Die Rechtsbeziehung zwischen dem Beklagten und dem Drittstaat wird dagegen nicht in den Blick genommen, denn der locus standi eines Staates aufgrund der Wirkung der verletzten Norm erga omnes ist unabhängig von der Berechtigung jedes anderen Staates. Die Verantwortlichkeit erga omnes (gegenüber allen Staaten) ist ein Bündel von Verantwortlichkeiten erga singulum (gegenüber jedem Staat einzeln);374 sie besteht insbesondere nicht nur gegenüber der internationalen Gemeinschaft als Ganzer.375 Die Verletzung einer Norm erga omnes kann also durch einen Staat geltend gemacht werden, ohne dass damit zugleich das Rechtsverhältnis erga singulum zwischen dem verantwortlichen Staat und einem Drittstaat streitgegenständlich würde. Die Monetary Gold-Doktrin erfasst daher die Geltendmachung von Normen mit Wirkung erga omnes jedenfalls nicht ohne Weiteres. Das hat der IGH in East Timor richtigerweise auch nicht in Abrede gestellt. Die Drittstaatsfrage, die der Gerichtshof dort nicht beantworten konnte, ergab sich nicht aus der Behauptung eines locus standi Portugals, und der betroffene Drittstaat war nicht ein anderer potenzieller Kläger, sondern Indonesien als deliktisch verantwortlicher Staat. Die Drittstaatsfrage folgte dabei aus der inhaltlichen Notwendigkeit, die Frage zu untersuchen, ob der Herrschaftsanspruch Indonesiens das Selbstbestimmungsrecht des Volks von Osttimor verletzte oder dadurch legitimiert

372

In diesem Sinne Thirlway, GS Schachter, S. 311, 318 f. So aber Thirlway, ebda., S. 318. 374 IGH, East Timor, Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Weeramantry, ICJ Reports 1995, S. 139, 172, und im Anschluss an ihn Antonopoulos, NYIL 27 (1996), S. 75, 92, wobei aber jeweils nicht klar zwischen der Unabhängigkeit der Primärnormen – die sowohl Australien als auch Indonesien treffen – und der Unabhängigkeit der loci standi Portugals und potenziell anderer Staaten differenziert wird. Im hiesigen Sinne auch Hernández, BYIL 83 (2013), S. 13, 42 f. 375 Dazu Gaja, Recueil des Cours 172 (1981 III), S. 271, 281; Tams, Obligations, S. 173 ff., mit Nachweisen auch zu einer Gegenmeinung; Verhoeven, Recueil des Cours 334 (2008), S. 9, 241; vermittelnd Payandeh, Internationales Gemeinschaftsrecht, S. 387 ff. 373

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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war.376 Australien war nur wegen seiner praktischen Anerkennung und Bestätigung der Herrschaft Indonesiens über Osttimor verklagt, so dass die Frage gestellt werden musste, ob diese Herrschaft rechtmäßig war oder nicht. Die problematische Drittstaatsfrage entstand deshalb nur, weil Australien wegen eines Verstoßes gegen eine Norm verklagt worden war, der inhaltlich von einem Verstoß eines anderen Staates abhing. Dem Urteil des IGH kann daher nur entnommen werden, dass in einem solchen Fall der hauptsächlich verantwortliche Staat zu verklagen ist, weil seine Verantwortung sonst in unzulässiger Weise inzident geklärt werden müsste; aus dem Urteil folgt aber nicht, dass die Geltendmachung von Normen erga omnes, gegen den hauptsächlich verantwortlichen Staat, als solche problematisch wäre.377 Diese Ausführungen gelten ebenso für die Situation, in der sich die Drittstaatsfrage auf die Verletzung von Normen des jus cogens bezieht, denn die Normen des jus cogens wirken immer auch erga omnes,378 so dass die – letztlich nicht überzeugende – Kritik an dem Urteil im East Timor-Fall auch hier relevant wird. Im Übrigen ändert die materiell-rechtliche Relevanz von Normen des jus cogens auch unter dem Gesichtspunkt des besonderen Rangs dieser Normen nichts am Jurisdiktionsregime des IGH,379 so dass auch deshalb keine Einschränkung der Monetary Gold-Doktrin geboten ist.380 Insofern ist nur anzumerken, dass angesichts der Tendenz zu einer Einschränkung der Immunität ratione materiae bei besonders schweren Tatvorwürfen,381 aus der sich die Zulässigkeit inzidenter Aussprüche innerstaatlicher Gerichte über die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines anderen Staates ergibt, eine Entwicklung hin zu einer Zulassung ähnlicher Aussprüche auch des IGH strukturell nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint. Die Monetary Gold-Doktrin ist nämlich mit der Immunität ratione materiae vergleichbar, weil beide Rechtsinstitute auf die Souveränität des begünstigten Staates zurückgehen und ihn dabei nicht nur vor unmittelbar an ihn gerichteten Urteilen, sondern – im Sinne eines Umgehungsverbots – auch vor inzidenten Prüfungen seiner Rechte und Pflichten in Verfahren gegen (bestimmte)

376

S. o., 2. Teil A. I. dieser Arbeit. Tams, Obligations, S. 184; vgl. auch Aust, Complicity, S. 307; Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 116, 118, 119; Hernández, BYIL 83 (2012), S. 13, 48; Tams, in: Nollkaemper/ Plakokefalos, S. 312, 331 f. 378 Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 32 f.; Paulus, Internationale Gemeinschaft, S. 415 f.; Simma, Recueil des Cours 250 (1994 VI), S. 217, 299 f.; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 995; Tams, Obligations, S. 151 f.; Vidmar, in: de Wet/Vidmar, S. 13, 23 f.; Wyler/ Castellanos-Jankiewicz, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 284, 297 (Paulus, Simma, Talmon, Tams und Vidmar auch jeweils ebda.: der Umkehrschluss gilt nicht). Zu beiden Annahmen auch, etwas vorsichtiger („it would seem“), Hernández, BYIL 83 (2012), S. 13, 41 Fn. 151. 379 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) bb) (2) (b) dieser Arbeit. 380 So i.E. auch Scobbie, EJIL 13 (2002), S. 1201, 1218; Talmon, LJIL 25 (2012), S. 979, 992; vgl. Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 26. 381 S. o., 1. Teil Fn. 1038. 377

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Dritte schützen.382 Gleichwohl ist hier zu berücksichtigen, dass die moralische Autorität einer inzidenten Feststellung des IGH aus Sicht des Drittstaats viel stärker ausgeprägt sein wird als die einer ähnlichen Quasi-Entscheidung eines innerstaatlichen Gerichts.383 Dieser Umstand lässt die Wahrscheinlichkeit einer Zurückdrängung der Monetary Gold-Doktrin, die der restriktiven Handhabung der Immunität ratione materiae entspräche, als geringer erscheinen. Außerdem müsste eine solche Entwicklung, um den Inhalt der Monetary Gold-Doktrin maßgeblich beeinflussen zu können, auf die Rechtslage nach dem Statut durchschlagen können; schließlich folgt die Monetary Gold-Doktrin als Schutz vor einer Umgehung des Zustimmungserfordernisses und der Gehörsrechte des Statuts selbst auch aus dem Statut.384 Eine neuere Entwicklung, die inhaltlich zur Zulässigkeit inzidenter Aussagen des IGH über einen Drittstaat führen könnte, müsste deshalb zwar nicht als neues Gewohnheitsrecht das Konsensprinzip des Statuts (Art. 36, 37 des Statuts) oder das Gebot der Anhörung der Parteien derogieren,385 aber es müsste zumindest der Wertung entgegenstehen können, dass mit einer Sachentscheidung in der Monetary Gold-Konstellation eine nicht zu tolerierende Umgehung dieser Normen verbunden wäre.386 Eine solche Entwicklung ist derzeit nicht erkennbar. 3. Bloße Tatsachenfeststellungen über den Drittstaat Eine weitere Einschränkung der Monetary Gold-Doktrin besteht insoweit, als bloße Tatsachenfeststellungen über einen Drittstaat nicht geeignet sind, die Sperrwirkung dieser Doktrin auszulösen. Das ist oben bereits ausgeführt worden.387 4. Untergang des Drittstaats Schließlich ist noch der Fall zu erörtern, dass sich die Drittstaatsfrage auf ein vergangenes Rechtsverhältnis eines Staates bezieht, der inzwischen als Völkerrechtssubjekt untergegangen ist. Dieser Fall ist nicht so unwahrscheinlich, wie es den Anschein haben mag. Beispielsweise ist die Tschechoslowakische Sozialistische Republik infolge ihrer Dismembration in die Slowakei und die Tschechische Republik untergegangen.388 Hätte sich also die Drittstaatsfrage im Certain Property382

S. o., 1. Teil B. V. 2. dieser Arbeit. Ebda. 384 S. o., 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. 385 Vgl. zu derogierendem Gewohnheitsrecht nur Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, § 16 Rn. 111; vgl. allgemein zu Modifikationen des Vertragsrechts aufgrund nachfolgender Praxis Liang, Nordic JIL 81 (2012), S. 1, 9, 13 ff. 386 Dazu oben, 1. Teil B. III. 2. b) aa) dieser Arbeit. 387 S. o., 2. Teil A. I. 1. b) ee) (2) dieser Arbeit. 388 Crawford, Creation, S. 402, 706; Hosˇková, ZaöRV 53 (1993), S. 689, 716; vgl. Zimmermann, Staatennachfolge, S. 335 ff. 383

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

343

Fall auf die völkerrechtliche Verantwortlichkeit für die Beschlagnahme liechtensteinischen Eigentums oder für die Benesˇ-Dekrete im Allgemeinen bezogen, wäre die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines untergegangenen Staates relevant geworden. Das war nur deshalb nicht der Fall, weil die Drittstaatsfrage sich nicht auf die Verantwortlichkeit des untergegangenen Staates bezog, sondern auf die Reparationsansprüche (auch) der beiden Nachfolgestaaten gegen die Bundesrepublik Deutschland. Mit der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin musste sich der IGH im Certain Property-Fall selbst nicht befassen.389 Mit diesem Fall ist aber illustriert, dass der Untergang eines Staates nichts an der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ändert, wenn die fraglichen Rechtsverhältnisse des untergegangenen Staates nunmehr solche eines Nachfolgestaats sind. In diesem Fall kommt es nämlich nicht darauf an, dass früher einmal ein inzwischen untergegangener Staat in die streitgegenständliche Dreiecksbeziehung involviert gewesen war. Soweit die Interessen des Nachfolgestaats im Sinne der Monetary Gold-Doktrin betroffen sind, beziehen sich die vor einer Umgehung zu schützenden Normen, das Konsensprinzip und das Gehörsrecht der Parteien vor dem IGH, auf ihn. Mit der Grundsatzfrage hingegen, ob ein untergegangener Staat ein Drittstaat im Sinne der Monetary Gold-Doktrin sein kann, hat sich der IGH in seinem Hauptsacheurteil im Genocide-Fall zwischen Kroatien und Serbien befasst. In diesem Stadium des Verfahrens waren noch die Fragen der Jurisdiktion des Gerichtshofs und der Zulässigkeit der Klage hinsichtlich des Klagevorwurfs offen, die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ) habe vor dem Entstehen der Föderativen Republik Jusgoslawien (FRJ) am 27. 04. 1992 Völkermord begangen das derzeit beklagte Serbien sei dafür weiterhin verantwortlich.390 In dieser Beziehung wies der IGH eine Einrede Serbiens auf der Grundlage der Monetary Gold-Doktrin zurück: „With regard to Serbia’s arguments based on the Judgments in Monetary Gold Removed from Rome in 1943 (Italy v. France, United Kingdom and United States of America) (Preliminary Question, Judgment, I.C.J. Reports 1954, p. 19) and East Timor (Portugal v. Australia) (Judgment, I.C.J. Reports 1995, p. 90), the Court recalls that those Judgments concern one aspect of ,the fundamental principles of its Statute … that it cannot decide a dispute between States without the consent of those States to its jurisdiction‘ (ibid., p. 101, para. 26). In both Monetary Gold and East Timor, the Court declined to exercise its jurisdiction to adjudicate upon the application, because it considered that to do so would have been contrary to the right of a State not party to the proceedings not to have the Court rule upon its conduct without its consent. That rationale has no application to a State which no longer exists, as is the case with the SFRY, since such a State no longer possesses any rights and is incapable of giving or withholding consent to the jurisdiction of the Court.“391

389

Zum Ganzen oben, 2. Teil A. I. 1. b) ff) dieser Arbeit. IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. Serbia), Merits, Judgment, verfügbar unter www.icj-cij.org, Rn. 77 f. 391 Ebda., Rn. 116 (Kursivsetzungen im Original). Im Grundsatz ebenso IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. 390

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Dieses Ergebnis verdient Zustimmung, soweit nur Rechtsverhältnisse eines inzwischen untergegangenen Drittstaats in der Monetary Gold-Situation zu entscheiden sind. Wenn ein Staat untergeht, kann er in der Tat kein Träger völkerrechtlicher Rechte oder Pflichten mehr sein.392 Namentlich verliert er auch seinen Anspruch auf Staatenimmunität.393 Er hört auf, ein Staat zu sein. Er wird daher auch nicht mehr von Art. 34 Abs. 1 des Statuts erfasst. Das Konsensprinzip und die Gehörsrechte des Statuts können ihn nicht mehr schützen; sie können daher durch eine inzidente Feststellung über ihn auch nicht mehr umgangen werden. Insoweit liegt es also bei dem untergegangenen Staat wie bei den anderen nicht-staatlichen Akteuren,394 mit dem Unterschied, dass ein gerichtliches Vorgehen direkt gegen den untergegangenen Staat nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch unmöglich wäre. Der IGH scheint in der zitierten Passage allerdings auch ausgesprochen zu haben, dass die Monetary Gold-Doktrin dem Drittstaat ein eigenes Recht an der Unzulässigkeit der Sachentscheidung vermittle und dass die SFRJ dieses Recht nicht mehr haben könne. Hier wird die Monetary Gold-Doktrin indes als nur objektiv-rechtlicher Schutz der Integrität des Statuts und des Gerichtshofs verstanden.395 Für das Ergebnis spielt das aber keine Rolle. Nach hiesiger Auffassung beseitigt der Untergang des Drittstaats die Rechte dieses Staates, die die Grundlage der Monetary Gold-Doktrin bilden, während nach der Formulierung des IGH das Recht an der Anwendung der Doktrin selbst – und mit ihm offenbar auch das objektive Sachentscheidungshindernis – entfällt. Die Anwendbarkeit der Monetary Gold-Doktrin zugunsten eines Staates erlischt daher mit seinen materiellen Rechten und Pflichten, wenn er untergeht. Soweit es also in einem Verfahren des IGH nach dem Untergang in der Monetary GoldKonstellation um Rechtsverhältnisse dieses Staates geht, hinsichtlich derer keine Nachfolge stattgefunden hat, ist der IGH nicht durch die hier untersuchte Doktrin an einer Sachentscheidung gehindert. Problematisch ist allerdings die Entscheidung darüber, ob in Wirklichkeit ein bestehender Staat betroffen ist, ob also hinsichtlich des involvierten Drittinteresses Serbia), Merits, Separate Opinion of President Tomka, verfügbar unter www.icj-cij.org, Rn. 32; Crawford, State Responsibility, S. 666 f. 392 Fastenrath, EPIL IV, S. 669, 670; Hokema, Immunität, S. 266. So auch IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. Serbia), Merits, Separate Opinion of Judge ad hoc Krec´a, verfügbar unter www.icj-cij.org, Rn. 82, der damit aber kurioserweise nur verneint, dass die SFRJ eine noch wirksame Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH erteilt haben könnte, ohne dieselbe Erwägung auf der logisch vorgelagerten Ebene der Berechtigung des Monetary Gold-Einwands anzuwenden. 393 BVerfG-K, DtZ 3 (1992), S. 216; BGHSt 39, 1, 6; Epping, in: Ipsen, § 5 Rn. 286; Gehrlein, Strafbarkeit, S. 89; Hokema, Immunität, S. 266 f.; Watts, Recueil des Cours 247 (1994 III), S. 9, 89 Fn. 201; a.A. Tangermann, Immunität, S. 222. 394 S. o., 2. Teil A. II. dieser Arbeit. 395 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) aa), bei Fn. 852, 853, sowie 1. Teil Fn. 871 und noch unten, 2. Teil A. V. 1. und B. III. dieser Arbeit.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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eine Nachfolge stattgefunden hat.396 Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein etwaiger Nachfolgestaat im Urteil des IGH zwischen den Parteien nicht inzident und ausdrücklich angesprochen werden muss, wenn nur (frühere) Interessen eines inzwischen untergegangenen Staates für das Rechtsverhältnis der Prozessparteien präjudiziell sind. Der Nachfolgestaat ist also nicht selbst im Sinne der Vorfragendogmatik der Monetary Gold-Doktrin in den Rechtsstreit involviert, sondern nur wegen der Existenz des jeweiligen Nachfolgetatbestands. Zum betroffenen Drittstaat wird er also nicht schon durch die notwendige Abfassung des Urteils, sondern nur durch seine Nähe zum Streitgegenstand. Insofern liegt es wie der Betroffenheit wegen eigener Ansprüche an einem streitbefangenen Gebiet oder Gegenstand. Wie in diesen Fällen ist daher vorauszusetzen, dass eine Berechtigung des bestehenden möglichen Nachfolgestaats hinsichtlich des konkreten Drittinteresses – also der Nachfolgetatbestand – zumindest plausibel ist.397 Nur wenn hinsichtlich der durch einen Streitfall aufgeworfenen Drittstaatsfrage, die an sich nur einen untergegangenen Staat betrifft, die Existenz eines nunmehr insoweit betroffenen Nachfolgestaats plausibel erscheint, ist der IGH folglich an einer Sachentscheidung gehindert. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass der IGH das von Bosnien-Herzegowina betriebene Genocide-Verfahren im Hauptsachestadium fortgeführt hat, nachdem Montenegro aus dem damaligen Beklagten, Serbien und Montenegro, ausgeschieden und unabhängig geworden war. Die Rechtspersönlichkeit Serbiens und Montenegros wurde dabei nur von der Republik Serbien fortgeführt;398 für eine Verantwortlichkeit Montenegros für die festzustellenden Delikte sprach nichts. Der Hinweis des Gerichtshofs, die Verantwortlichkeit habe seinerzeit den Staat Serbien und Montenegro getroffen, und Montenegro sei eine Partei der Völkermordkonvention und habe daher insbesondere die Verpflichtung zur internationalen Zusammenarbeit bei der Verfolgung von génocidaires übernommen,399 betraf insoweit nicht die Mitverantwortung Montenegros für die vergangenen Delikte, sondern angesichts der Hervorhebung der Strafverfolgungspflichten nach der Völkermordkonvention nur die materiellen Rechtsfolgen einer (als solcher für Montenegro nicht verbindlichen) Feststellung, dass Genozid begangen worden sei. Die Feststellung einer Verantwortlichkeit Montenegros musste aber nicht getroffen werden und wurde auch nicht getroffen. Überhaupt wäre Montenegro selbst bei 396 Vgl. IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. Serbia), Merits, Separate Opinion of President Tomka, verfügbar unter www.icj-cij.org, Rn. 32; Crawford, State Responsibility, S. 667. 397 S. o., 2. Teil A. II. 2. c) dieser Arbeit. 398 Dazu IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 73 f., 75 f.; vgl. auch EGMR, Matijasˇevic´ v. Serbia, RJD 2006-X, S. 127, 136, wonach Serbien sich einerseits als einzigen Nachfolgestaat („sole successor“) Serbiens und Montenegros bezeichnet, andererseits die Fortführung der Mitgliedschaft im Europarat für sich beansprucht hatte. Der Sache nach spricht auch das für eine Personenidentität Serbiens mit Serbien und Montenegro. 399 IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 76.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Annahme einer Nachfolge in die völkerrechtliche Verantwortlichkeit Serbiens und Montenegros allenfalls neben Serbien verantwortlich gewesen; die Rechtslage wäre wie bei der gemeinsamen Haftung Australiens, Neuseelands und des Vereinigten Königreichs für die Mandatsverwaltung im Nauru-Fall gewesen.400 Die Verantwortlichkeit Montenegros wäre also in keinem Fall eine Vorfrage für die Urteilsfindung gegenüber Serbien gewesen.

IV. Gebotene prozessuale Rolle des Drittstaats nach der Monetary Gold-Doktrin Bisher ist es um die Frage gegangen, wann eine Sachentscheidung des IGH unzulässig ist, weil die Interessen eines Drittstaats in intensiver Weise betroffen sind, der seine Zustimmung nicht erteilt hat und der im Prozess nicht angehört werden kann. Damit ist aber zugleich die Frage aufgeworfen, wie die prozessuale Rolle des Drittstaats und die prozessuale Lage im Verhältnis zu ihm sein muss, damit das Sachentscheidungshindernis nicht eintritt: Ist es erforderlich, dass der Drittstaat eine Prozesspartei wird, was entweder durch eine Klage auch gegen ihn oder durch eine Intervention als Partei zu bewerkstelligen wäre?401 Oder ist es vielmehr ausreichend, wenn der Drittstaat nur als Nicht-Partei interveniert402 und dabei seine Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH zu erkennen gibt403? Der IGH hat diese Frage zunächst offengelassen.404 Im Monetary Gold-Fall selbst hat er zu dem Argument der Beklagten, Albanien hätte intervenieren können und 400

Dazu oben, 1. Teil A. III. und 2. Teil A. I. 1. a) dieser Arbeit. Für die letztere Möglichkeit Bonafé, LJIL 25 (2012), S. 739, 744; Crawford, Ann. IDI 68-I (1999), S. 181, 182; Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 335; Kolb, ICJ, S. 707; Schorer, Konsensprinzip, S. 131; Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 50 Fn. 167; Zimmermann, JIDS 4 (2013), S. 521, 532; vgl. auch Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 58 Fn. 200; Simpson/ Fox, International Arbitration, S. 188 f. Weil der IGH einen Staat nicht als Intervenienten beiladen kann (s. o., 1. Teil Fn. 922), müsste ein freiwilliger Interventionsantrag vorliegen; die bloße Möglichkeit der Intervention gemäß Art. 62 des Statuts kann daher das Problem der Monetary Gold-Doktrin nicht ausräumen: Zimmermann, MPEPIL, S. 570, 572. 402 In diesem Sinne Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 67; Brown, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 59 Rn. 67; vgl. auch Damrosch, in: dies., S. 376, 389 f.; Günther, GYIL 34 (1991), S. 254, 272; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 874; Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 306 f. (mit wenig überzeugender Bezugnahme auf IGH, Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f.); Reisman, Nullity, S. 331 f.; Rosenne, Ann. IDI 68-I (1999), S. 166, 172; Sorel/Poirat, in: dies., S. 7, 45. 403 In diesem Sinne IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 156; so auch das Verständnis dieser Passage bei Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 62 Rn. 73 Fn. 214. Wie Richter Jennings auch Kolb, ICJ, S. 707. 404 Im Fall Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1984, S. 3, 22, hat der IGH geäußert, eine Intervention ohne Bestehen 401

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

347

Art. 62 des Statuts zeige die Zulässigkeit der Sachentscheidung bei bestehenden Drittstaatsinteressen, bemerkt, Albanien habe nicht interveniert und seine Interessen seien auch nicht nur betroffen, sondern „the very subject-matter of the decision“.405 Daraus wird nicht deutlich, dass eine Intervention Albaniens dem IGH die Sachentscheidung erlaubt406 und ob es insoweit der Begründung einer Parteistellung Albaniens bedurft hätte. In der Tat stellte sich diese Frage auch nicht. Im Fall Land, Island and Maritime Frontier Dispute zwischen El Salvador und Honduras hatte Nicaragua die Zulassung als Intervenient beantragt und seinen Antrag damit begründet, das Urteil werde nicht nur i.S.d. Art. 62 des Statuts seine rechtlichen Interessen betreffen, sondern seine Interessen seien sogar „the very subject-matter of the decision“.407 Der Gerichtshof antwortete auf diesen Vortrag wie folgt: „If in the present case the legal interests of Nicaragua would form part of ,the very subjectmatter of the decision‘, as Nicaragua has suggested, this would doubtless justify an intervention by Nicaragua under Article 62 of the Statute, which lays down a less stringent criterion. The question would then arise, however, whether such intervention under Article 62 of the Statute would enable the Chamber to pronounce upon the legal interests of Nicaragua which it is suggested by Nicaragua would form the very subject-matter of the decision. The Chamber will therefore first consider whether Nicaragua has shown the existence of an ,interest of a legal nature which may be affected by the decision‘, so as to justify an intervention; and if such is the case, will then consider whether that interest rnay in fact form ,the very subject-matter of the decision‘ as did the interests of Albania in the case concerning Monetary Gold Removed from Rome in 1943.“408

Der Gerichtshof befand schließlich, dass zwar die rechtlichen Interessen Nicaraguas betroffen sein würden, so dass Nicaragua intervenieren durfte, dass aber die Betroffenheit der Interessen Nicaraguas nicht die Schwelle der Monetary Goldeines Jurisdiktionsbands erlaube es ihm nicht, über eigene Ansprüche des Intervenienten zu entscheiden; dazu auch Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 324; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 879. Dabei ging es aber nicht um die Frage der Zulässigkeit einer Entscheidung zwischen den Parteien unter inzidenter Bearbeitung der Rechtsverhältnisse des Intervenienten, wie sie sich in der Monetary Gold-Konstellation stellen würde (vgl. S. 25 des zitierten Urteils und auch Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 324), sondern nur um eine ergänzende Begründung dafür, dass die Intervention gemäß Art. 62 des Statuts nicht der Einbringung eines weiteren Streitgegenstands dient. 405 IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32. 406 In diesem Sinne aber Günther, GYIL 34 (1991), S. 254, 272, und Sorel/Poirat, in: dies., S. 7, 45, die meinen, der IGH habe die Sachentscheidung abgelehnt, weil Albanien nicht interveniert hatte. In diesem Sinne auch, ausdrücklicher, Kolb, ICJ, S. 708. 407 Application for Permission to Intervene by the Government of Nicaragua, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, ICJ Pleadings, Bd. III, S. 735, 737 ff.; IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 116. 408 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 116.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Doktrin erreichte.409 Die in der zitierten Passage aufgeworfene Frage, ob die Intervention Nicaraguas eine Sachentscheidung des Gerichtshofs in der Monetary GoldKonstellation legitimieren könnte, stellte sich dem Gerichtshof daher nicht mehr. Anders als Nicaragua, nach dessen Rechtsvortrag eine Intervention in diesem Sinne ausreichend sein sollte,410 ließ der Gerichtshof die hier interessierende Frage also offen.411 In einem späteren Verfahren hat der IGH allerdings eine deutliche Position zu der hier untersuchten Frage vertreten. Im Fall Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria führte er aus: „The jurisdiction of the Court is founded on the consent of the parties. The Court cannot therefore decide upon legal rights of third States not parties to the proceedings. In the present case there are States other than the parties to these proceedings whose rights might be affected, namely Equatorial Guinea and Sao Tome and Principe. Those rights cannot be determined by decision of the Court unless Equatorial Guinea and Sao Tome and Principe have become parties to the proceedings. Equatorial Guinea has indeed requested – and has been granted – permission to intervene, but as a non-party intervener only. Sao Tome and Principe has chosen not to intervene on any basis.“412

An dieser Stelle ging es um die Frage, ob der IGH über die Ansprüche Kameruns insoweit würde entscheiden können, wie diese Ansprüche Rechte von Äquatorialguinea und São Tomé und Príncipe berührten.413 Es ging also, auch wenn der IGH an dieser Stelle nicht den Monetary Gold-Fall zitierte, um die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf einen Grenzziehungsfall.414 In diesem Zusammenhang hielt der 409

Ebda., S. 121 f. Application for Permission to Intervene by the Government of Nicaragua, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, ICJ Pleadings, Bd. III, S. 735, 737: „The principle of consensual jurisdiction is embodied in the provisions of Article 62, since the institution of intervention is designed for the very purpose of allowing the Court to avoid exercising competence over a subject-matter in which a State not before the Court has a substantial interest.“ Gemeint war damit nicht, dass der IGH unmittelbar wegen Art. 62 des Statuts die Entscheidung in einem Fall ablehnen könnte, in dem ein im Sinne der Monetary Gold-Doktrin betroffener Drittstaat nicht interveniert hatte. Diese Folge entnahm Nicaragua vielmehr dem Monetary Gold-Fall, dessen Gehalt es einerseits auf das Konsensprinzip, andererseits auf das Konzept der „judicial propriety“ zurückführte (ebda., S. 737 f.). Mit der zitierten Passage war also gemeint, dass der IGH es durch die Zulassung eines Intervenienten würde vermeiden können, entgegen der Monetary Gold-Doktrin ohne diesen zu entscheiden. 411 Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 16; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 47; vgl. Thirlway, BYIL 74 (2003), S. 7, 50 (der IGH habe das Ausreichen einer Intervention – nur – bezweifelt); anders Aust, Complicity, S. 300 Fn. 139. 412 IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Merits, ICJ Reports 2002, S. 303, 421. 413 S. ebda.: „In view of the foregoing, the Court concludes that it cannot rule on Cameroon’s claims in so far as they might affect rights of Equatorial Guinea and Sao Tome and Principe.“ 414 S. o., 2. Teil A. I. 2. a) dieser Arbeit. In seinem Urteil über die Vorgängigen Einreden Nigerias hatte der IGH durchaus die Monetary Gold-Rechtsprechung zitiert: IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 410

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Gerichtshof es im Verhältnis zu der Nicht-Partei Äquatorialguinea für nicht ausreichend, dass dieser Staat als Nicht-Partei interveniert hatte; vielmehr hielt er ausdrücklich die Parteistellung der Drittstaaten im Prozess für erforderlich.415 Dies wiederholte der IGH im Fall Armed Activities on the Territory of the Congo zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Uganda. Dort hielt er die Monetary Gold-Doktrin der Sache nach nicht für anwendbar, weil es entgegen der Annahme Ugandas keine Vorfrage der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Drittstaats (Ruandas) gab, schloss dann aber mit den folgenden Worten: „Thus it is not necessary for Rwanda to be a party to this case for the Court to be able to determine whether Uganda’s conduct was a violation of […] international law.“416

Die Formulierung „to be a party to this case“ kann nur im Sinne einer Parteistellung des Drittstaats gemeint sein. Die Stellung nur als Intervenient und NichtPartei ist damit nicht in den Blick genommen. Im Fall Jurisdictional Immunities of the State zwischen Deutschland und Italien hat der IGH dann angemerkt, dass er nicht prüfen müsse und auch nicht prüfen könne, ob die italienischen Gerichte deshalb die Rechte Deutschlands verletzt hätten, weil die von ihnen anerkannten griechischen Urteile ihrerseits völkerrechtswidrig gewesen waren: „It is unnecessary, in order to determine whether the Florence Court of Appeal violated Germany’s jurisdictional immunity, to rule on the question of whether the decisions of the Greek courts did themselves violate that immunity – something, moreover, which [the Court] could not do, since that would be to rule on the rights and obligations of a State, Greece, which does not have the status of party to the present proceedings.“417

Die Stellung Griechenlands als Intervenient ohne den Status einer Partei genügte also offenbar nicht zum Ausschluss einer Unzulässigkeit nach der Monetary GoldDoktrin.418 Die Rechtsprechung des IGH versteht die Doktrin also offenbar in einem engen Sinne als eine Doktrin der notwendigen Drittpartei („indispensable third party“419).420 1998, S. 275, 312, 324. Die darauf basierende Einrede wurde im Urteil über die Hauptsache wieder aufgenommen, nachdem sie i.S.d. Art. 79 Abs. 9 der Verfahrensordnung keinen ausschließlich vorgängigen Charakter hatte (dazu ebda.). 415 Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 872, 878. 416 IGH, Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), ICJ Reports 2005, S. 168, 238. 417 IGH, Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f. Die Entscheidungen der Corte di Appello di Firenze waren noch durch die Corte Suprema di Cassazione bestätigt worden (s. Rn. 33 f. des Urteils des IGH). Daher ging es eigentlich nicht nur um die Entscheidungen des Gerichts in Florenz. 418 So auch Zimmermann, JIDS 4 (2013), S. 521, 532; anders Paparinskis, JIDS 4 (2013), S. 295, 306 f. 419 Dieser Ausdruck beherrscht weitgehend die Diskussion über die Monetary GoldDoktrin; vgl. nur Bernhardt, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm (2006), Art. 59

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Inhaltlich weist die Frage, wie der Drittstaat die Sperrwirkung der Monetary Gold-Doktrin aufheben kann, einen engen Bezug zur Begründung der Doktrin auf: Leitet man die Doktrin unmittelbar aus dem Konsensprinzip ab, in dem Sinne, dass auch über den Drittstaat Jurisdiktion ausgeübt werde und deshalb seine Zustimmung erforderlich sei, dann ist es eine unmittelbare Folge, dass im Verhältnis zum Drittstaat die Jurisdiktion des IGH gegeben sein muss. Diese müsste dann auf dem normalen Weg begründet worden sein. Es müsste also die Zustimmung des Drittstaats zur abstrakten Jurisdiktion des Gerichtshofs vorliegen, und im Verhältnis zu ihm müsste auch die konkrete Jurisdiktion des IGH begründet sein.421 Er müsste also auch Partei geworden sein, so wie es der IGH in der soeben zitierten Passage verlangt hat. Dass der Drittstaat nur als Nicht-Partei interveniert, wäre dann nicht ausreichend, denn die Intervention als Nicht-Partei nach Art. 62 des Statuts setzt keinen Jurisdiktionstitel im Verhältnis zu den bestehenden Parteien des Falls voraus,422 setzt den Intervenienten nicht der Rechtskraft des Urteils aus423 (Art. 59 des Statuts424) und ist daher keine Form der Begründung der Jurisdiktion des IGH.425 Rn. 68 f.; Chinkin, Third Parties, S. 198; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 539; Tams, Obligations, S. 183; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 21; Zimmermann, ZaöRV 55 (1995), S. 1051, 1059; kritisch Crawford, State Responsibility, S. 661 f.; vgl. auch IGH, East Timor, Preliminary Objections, ICJ Reports 1995, S. 90, 104, wo der IGH das Grundproblem in den Auswirkungen eines Sachurteils auf die rechtlichen Interessen eines Staates sieht, der nicht Prozesspartei ist („which is not a party to the case“). Der Ausdruck impliziert aber nicht zwingend, dass der Drittstaat Prozesspartei sein müsste, damit der IGH den Fall entscheiden könnte; das Wort „party“ kann auch in einem untechnischen Sinne („third party“ als „Dritter“) gebraucht werden; so etwa bei Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 15; Tomuschat, ebda., Art. 36 Rn. 21. 420 Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 48; vgl. Aust, Complicity, S. 300 Fn. 139. 421 Vgl. dazu oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit. 422 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 135; Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1999, S. 1029, 1034 f.; Sovereignty over Pulau Ligitan and Pulau Sipadan, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 2001, S. 575, 588 f.; Jurisdictional Immunities of the State, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 2009, S. 494, 502 f.; Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 62 Rn. 68 ff.; auf den Zusammenhang zwischen der Parteistellung und dem Erfordernis des Jurisdiktionsbands weist bereits Oellers-Frahm, ZaöRV 41 (1981), S. 579, 580, hin. 423 IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Merits, ICJ Reports 1992, S. 351, 609 f.; Al-Qahtani, LPICT 2 (2003), S. 269, 281; Doussis, RGDIP 105 (2001), S. 55, 78; Kolb, ICJ, S. 707; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 70 f.; Riquelme Cortado, REDI 44 (1992), S. 25, 53; Schorer, Konsensprinzip, S. 179 ff.; Thirlway, MPEPIL, S. 493, 498; vgl. Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 56. Das korreliert mit der Entbehrlichkeit eines Jurisdiktionstitels im Verhältnis zum Intervenienten: vgl. Oellers-Frahm, ZaöRV 41 (1981), S. 579, 580, 583. Die Gegenauffassung wurde vor allem vor Erlass des Urteils über die Intervention Nicaraguas in dem hier zitierten Fall vertreten, in dem geklärt wurde, dass ein Intervenient nach Art. 62 des Statuts nicht notwendigerweise Partei des Verfahrens und als solche berechtigt und verpflichtet wird (IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 135 f.): vgl.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

351

Anders liegt es, wenn man – wie in dieser Arbeit geschehen – die Monetary GoldDoktrin nicht unmittelbar dem Konsensprinzip der internationalen Gerichtsbarkeit entnimmt, weil der Drittstaat eben nicht an das Urteil gebunden und ihm gegenüber daher keine Jurisdiktion ausgeübt werden soll.426 Vor diesem Hintergrund ist hier angenommen worden, dass die Monetary Gold-Doktrin auf einem kollateralen Schutz des Konsensprinzips und der Gehörsrechte der Parteien vor einer Umgehung dadurch beruht, dass ohne Beteiligung des Drittstaats ein höchst autoritativer Ausspruch des IGH über dessen Rechte und Pflichten erlangt wird.427 Nach diesem Ansatz darf der IGH zwar sicherlich eine Sachentscheidung treffen, wenn der Drittstaat Partei des Verfahrens ist und seine Zustimmung erteilt hat. Der hier verfolgte Ansatz ist aber nicht darauf angewiesen, dass auch im Verhältnis zum Drittstaat die Jurisdiktion des IGH auf dem normalen Wege begründet ist, denn dieser Ansatz beruht nicht auf dem Konsensprinzip des Statuts selbst, sondern auf der Wertung, dass dieses umgangen werde. Diese Wertung scheidet auch dann aus, wenn der Drittstaat nur die abstrakte Jurisdiktion des IGH begründet hat, denn die konkrete Jurisdiktion des Gerichtshofs – d. h. die Begründung der Parteistellung als solche – ist nicht mehr von der besonderen Zustimmung der Parteien abhängig,428 und das Fehlen der konkreten Jurisdiktion über den Drittstaat äußert sich weiterhin in dem Fehlen einer rechtlichen Bindungswirkung für diesen Staat. Die konkrete Jurisdiktion des IGH über einen Staat ist daher zwar erforderlich, wenn der Gerichtshof im Rechtssinne über ihn entscheiden soll, nicht aber wenn nur eine Umgehung des Konsensprinzips auszuräumen ist. Soweit es im Übrigen die Umgehung der Gehörsrechte des Statuts betrifft, kann diese dadurch ausgeräumt werden, dass der Drittstaat – auch als Nicht-Partei – interveniert. Damit dürfte er sich zu seinen rechtlichen Interessen äußern,429 einschließlich derer, die „the very subject-matter of the decision“ ausmachen. Damit käme sein Gehörsrecht dem der Parteien gleich;430 es würde also nicht umgangen. Es trifft auch nicht zu, dass die Intervention aus dem Grund unzulässig wäre, dass es insofern nicht mehr um ein inzidentes Verfahren ginge, sondern über einen zuz. B. Fritzemeyer, Intervention, S. 146 f.; Limburg, Recueil des Cours 30 (1929 V), S. 523, 557; Hudson, Permanent Court, S. 421. Die Auffassung wurde aber auch danach vertreten: Günther, GYIL 34 (1991), S. 254, 284; Kohen, AFDI 36 (1990), S. 341, 366; Zimmermann, ZaöRV 50 (1990), S. 646, 654 Fn. 38. Zur Frage, ob eine andere, nicht zur Rechtskraft gehörende Form der Bindung des als Nicht-Partei intervenierenden Staates besteht, s. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit, bei Fn. 914, sowie unten bei Fn. 442, 443. 424 Dazu Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 93; Günther, GYIL 34 (1991), S. 254, 284; Schorer, Konsensprinzip, S. 180. 425 Chinkin, Third Parties, S. 200; vgl. auch Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 101. 426 Vgl. Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 152. 427 S. o., 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. 428 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (b) dieser Arbeit. 429 S. o., 1. Teil Fn. 1005. 430 Vgl. Riquelme Cortado, REDI 44 (1992), S. 25, 51.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

sätzlichen Anspruch des Intervenienten entschieden werden müsste, der nicht zu dem ursprünglichen Streitgegenstand gehörte.431 Weil nämlich die Drittstaatsinteressen gerade „the very subject-matter of the decision“ ausmachen, also auch Teil des rechtskräftigen Prozessergebnisses werden,432 sind sie bereits Teil des Prozessstoffs.433 Ein neuer Streitgegenstand wird insofern nicht eingeführt. Die Intervention ist deshalb zulässig und ausreichend. Die Monetary Gold-Doktrin greift daher nicht mehr, wenn die abstrakte Jurisdiktion des IGH auch im Verhältnis zum Drittstaat besteht und der Drittstaat als Intervenient (auch als Nicht-Partei)434 auftritt.435 Die vollständige Begründung der Jurisdiktion des IGH über den Drittstaat ist dagegen nicht erforderlich. Auch einer Parteistellung des Drittstaats bedarf es nicht, um die Umgehung des Gebots seiner (abstrakten) Zustimmung und seiner Anhörung auszuräumen. Einzuräumen ist, dass ein Drittstaat, der nicht Partei wird, sondern als Nicht-Partei interveniert, nicht die vollen Verfahrensrechte der Parteien hat. Namentlich hat er nicht die Rechte der Nominierung eines Richters ad hoc (Art. 31 Abs. 2 bis 6 des Statuts) oder der Beantragung einer Interpretation des Urteils (Art. 60 Satz 2 des Statuts) oder einer Wiederaufnahme des Verfahrens (Art. 61 des Statuts).436 Das ist 431

So aber Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 101, 110. S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit. 433 Vgl. IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application for Permission to Intervene, Dissenting Opinion of Sir Robert Jennings, ICJ Reports 1984, S. 148, 155 f. Weitergehend Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 150. 434 Auch in diesem Fall liegt nicht zwingend eine Intervention als Partei vor, denn nicht jede Intervention bei Bestehen eines Jurisdiktionsbands zu den ursprünglichen Parteien ist eine Intervention als Partei, mit der auch die konkrete Jurisdiktion des IGH begründet würde und infolge derer der Intervenient an das Urteil gebunden wäre (a.A. Schorer, Konsensprinzip, S. 131). Diese Folge hängt nämlich auch vom Willen des Intervenienten ab, der an die Stelle des Willens zur Begründung der konkreten Jurisdiktion auf dem normalen Weg der Verfahrenseinleitung tritt. Andernfalls müsste der IGH auch von Amts wegen jeden in Betracht kommenden Jurisdiktionstitel prüfen, um zu ermitteln, welche Art der Intervention beantragt wird; vgl. i.Ü. Art. 81 Abs. 2 lit. c der Verfahrensordnung, der darauf hindeutet, dass eine Jurisdiktionsgrundlage vorgetragen werden müsste. 435 Ähnlich auch Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 878, der aber offenbar auch in der Intervention als Nicht-Partei eine Anerkennung der Jurisdiktion des IGH sieht und daher eine andere Grundlage der abstrakten Jurisdiktion des IGH nicht für erforderlich hält (so implizit bereits ders., Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 152, wenn er dort voraussetzt, dass ein Intervenient „has agreed to defend its claim before the Court“). 436 Vgl. zur Begrenzung der letzten beiden genannten Rechte auf die Parteien Rosenne, Interpretation, S. 169; Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/ Tams, Art. 60 Rn. 56, mit Verweis hierauf bei Zimmermann/Geiß, ebda., Art. 61 Rn. 34, und zur Begrenzung des Rechts, einen Richter ad hoc zu benennen, auf die Parteien Günther, GYIL 34 (1991), S. 254, 284; Kolb, ICJ, S. 721; Kooijmans, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 31 Rn. 43; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 55; Kohen, AFDI 36 (1990), S. 341, 366 (mit Kritik); Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 155; Riquelme Cortado, REDI 44 (1992), S. 25, 51; Zimmermann, MPEPIL, S. 570, 573. Kolb, ICJ, S. 722, 781, sieht allerdings auch als Nicht-Partei intervenierende Staaten zu den Anträgen nach Art. 60, 61 432

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

353

allerdings aus dem Zusammenhang dieser Rechte mit der Urteilsbindung der Parteien zu rechtfertigen. Zwar werden auch diese Rechte des Drittstaats in der Monetary Gold-Situation umgangen, denn wenn der Drittstaat als Partei in das Verfahren einbezogen wäre, hätte er die genannten Rechte. Allerdings gehen diese Rechte auf die Verfahrensherrschaft der Parteien zurück, indem sie jeder Partei die Möglichkeit einräumen, auf das für alle Parteien verbindliche Urteil Einfluss zu nehmen. Im Fall der Benennung eines Richters ad hoc soll die Urteilsfindung des IGH inhaltlich beeinflusst werden437 und im Fall eines Interpretations- oder Wiederaufnahmeantrags soll der Gehalt des Urteils entweder klargestellt oder sogar modifiziert oder beseitigt werden. Diese Rechte an dem Urteil können nur den Staaten zustehen, die von dem Urteil verpflichtet werden.438 Die Verfahrensherrschaft der Parteien ist insofern eine Folge der Bindung der Parteien.439 Eine NichtPartei wird dagegen auch dann nicht an die Rechtskraft des Urteils gebunden, wenn sie gemäß Art. 62 des Statuts interveniert hat,440 denn Art. 59 des Statuts sieht ausdrücklich nur eine Bindung der Parteien vor. Außerdem hat der IGH ohne eine Intervention als Partei nicht die erforderliche Jurisdiktion, um auch dem Intervenienten gegenüber Rechtskraft herzustellen; selbst wenn ein (abstraktes) Jurisdiktionsband bestehen sollte, fehlte ohne einen Antrag auf Intervention als Partei zumindest die konkrete Jurisdiktion über den Intervenienten.441 Im Übrigen ist auch die These einer Bindung des Intervenienten nach Art. 62 des Statuts durch eine Entscheidungswirkung besonderer Art, also nicht durch die Rechtskraft des Urteils,442 abzulehnen, weil das Statut hierzu nichts enthält.443 Ein als Nicht-Partei intervedes Statuts ermächtigt, weil und soweit er eine partielle Bindung dieser Staaten an das Urteil annimmt; dazu sogleich. 437 Vgl. oben, Einleitung Fn. 17. 438 Vgl. auch Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 56. Vor diesem Hintergrund äußert Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 71, Kritik daran, dass ein Intervenient vor dem ISGH zwar an das Urteil gebunden wird (Art. 31 Abs. 3 des Statuts des ISGH), aber keinen Richter ad hoc benennen darf (Art. 103 Abs. 4 der Verfahrensordnung des ISGH). 439 Vgl. auch Weiss, FS de Waart, S. 458, 471: „Procedural rights of third parties are in principle necessarily distinct from those of the parties to a dispute, and inferior.“ 440 S. o., 2. Teil Fn. 423. 441 S. o., 2. Teil Fn. 434. 442 Dafür Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 93 f.; ders., in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm (2006), Art. 59 Rn. 63 f.; Chinkin, ebda., Art. 62 Rn. 80; Kolb, ICJ, S. 720 f. Angesichts der eben zitierten Vorarbeit von Bernhardt dürfte auch die Resolution des Institut de Droit International in diesem Sinne zu verstehen sein: Judicial and Arbitral Settlement of International Disputes Involving More Than Two States, Ann. IDI 68-II (1999), S. 377, 383. 443 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) bb) (3) dieser Arbeit, bei Fn. 914. Soweit im Übrigen die Auffassung des Institut de Droit International, auch die Parteien seien im Verhältnis zum Intervenienten an das Urteil gebunden (Judicial and Arbitral Settlement of International Disputes Involving More Than Two States, Resolution, Ann. IDI 68-II (1999), S. 377, 383), ebenfalls auf dieser besonderen Entscheidungswirkung beruhen sollte, könnte die Grundlage dieser Bindungswirkung nur in der Annahme des Art. 62 des Statuts durch die Parteien liegen (der Intervenient dagegen könnte seine Bindung auch mit dem Stellen des Interventionsantrags an-

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

nierender Drittstaat muss daher keine Verfügungsbefugnisse über die Rechte der Parteien haben, weil er nicht selbst an das Urteil gebunden wird, und dies selbst dann, wenn er durch das Urteil faktisch betroffen wird. Es ist deshalb nicht unzulässig, wenn dem Drittstaat in der Monetary Gold-Situation diejenigen Rechte vorenthalten werden, die aus der Verfahrensherrschaft der (wirklichen) Parteien folgen.444 Der Drittstaat muss nur seine (abstrakte) Zustimmung zur Jurisdiktion des IGH erteilt haben und angehört werden. Wenn danach in der Monetary Gold-Konstellation der Drittstaat nicht zwingend mit verklagt werden muss, ist diese Handhabung auch aus der Sicht der tatsächlichen Parteien des Verfahrens interessengerechter als eine Auffassung, die auf der Einbeziehung des Drittstaats in den Prozess insistiert. Solange nämlich nicht von einer Umgehung der Voraussetzungen eines Vorgehens direkt gegen den Drittstaat auszugehen ist, liegt es bei dem klagenden Staat, gegen wen er um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen oder, anders ausgedrückt, welchen Streit er verbindlich gelöst haben möchte. Es ist deshalb zwar legitim, auch eine Quasi-Entscheidung über einen Drittstaat von dessen Zustimmung abhängig zu machen, aber dies muss nicht in der Weise geschehen, dass nur eine wirklich rechtsverbindliche Entscheidung über ihn zulässig wäre. Daran hätte auch der Beklagte kein objektiv schutzwürdiges Interesse. So war es beispielsweise für die Rechte Australiens im East Timor-Fall unerheblich, ob neben ihm auch Indonesien verklagt würde oder nicht. Es ist nicht Sache des Beklagten, die sachliche oder personelle Reichweite des Streitgegenstands zu bestimmen. Diese Entscheidung liegt nach der Logik des gerichtlichen Verfahrens auf eine Klage hin allein beim Kläger; nur er ist dispositionsbefugt.445 Im Übrigen werden die Verteidigungsrechte des Beklagten durch das Fehlen eines weiteren Beklagten nicht geschmälert; allenfalls könnten ihm deshalb Beweismittel hinsichtlich der Drittstaatsfrage fehlen, aber das ist Teil des allgemeinen Prozessrisikos. Ein etwaiges Interesse des Beklagten an einem (personell) weiteren Streitgegenstand ist daher aus strukturellen Gründen unerheblich und nicht schutzwürdig.

erkennen). Dann wären aber die Parteien allein aufgrund des Statuts (nämlich auch bei Fehlen eines Jurisdiktionsbands) an eine Hauptsacheentscheidung des IGH (gegenüber dem Intervenienten) gebunden. Das erscheint systemfremd. 444 Vgl. noch unten, 2. Teil B. IV. dieser Arbeit, bei Fn. 533. Das Recht der Benennung eines Richters ad hoc gilt auch im Gutachtenverfahren, wenn es dort um einen konkreten Streitfall zwischen zwei (oder mehr) Staaten geht (Art. 102 Abs. 3 der Verfahrensordnung; dazu Kooijmans, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 31 Rn. 35 ff.). Dabei geht es nicht um die Verfahrensherrschaft dieser Staaten, denn im Gutachtenverfahren gibt es eine solche Verfahrensherrschaft nicht. Allerdings stellt sich dort auch nicht das Problem der Verfügung über die Rechte anderer Staaten, weil das Gutachten niemanden bindet (dazu 1. Teil Fn. 474, 475). 445 Vgl. oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (2) (a) dieser Arbeit (dort auch zur Ausnahme der Widerklage).

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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V. Verzicht auf die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch den Drittstaat? Für den Fall allerdings, dass die Voraussetzungen des Sachentscheidungshindernisses nach der Monetary Gold-Doktrin vorliegen, etwa weil der Drittstaat die abstrakte Jurisdiktion des IGH nicht anerkannt hat oder weil er weder als Partei noch als Nicht-Partei interveniert hat, stellt sich die Frage, ob der Drittstaat die Sachentscheidung dennoch gestatten kann. Zu untersuchen ist also, ob die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin für den Drittstaat verzichtbar ist. Ein solcher Verzicht kann der Sache nach ad hoc, also als Reaktion auf ein konkretes Verfahren erteilt werden, oder ein Staat kann ante hoc erklären, mit einer zukünftigen Drittbetroffenheit im Sinne der Monetary Gold-Doktrin einverstanden zu sein. Diese beiden Fallgruppen werden im Folgenden getrennt thematisiert werden. 1. Verzicht in einem konkreten Fall der Drittbetroffenheit In der ersten Fallgruppe, der Annahme eines Verzichts ad hoc, lassen sich wiederum zwei unterschiedliche Konstellationen unterscheiden. Möglich ist einerseits, dass in einer Monetary Gold-Situation der Drittstaat bereits als Nicht-Partei interveniert hat, dass aber seine Zustimmung zur abstrakten Jurisdiktion des IGH nicht vorliegt und deshalb grundsätzlich das Sachentscheidungshindernis aufgrund seiner Drittbetroffenheit durchgreifen müsste. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Drittstaat im Prozess auf die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin verzichten kann. Die Monetary Gold-Doktrin berechtigt nicht unmittelbar den Drittstaat; sie ist vielmehr ein objektiver kollateraler Schutz des Jurisdiktionsregimes und der Gehörsrechte des Statuts.446 Das spricht zunächst gegen ein Recht des Drittstaats, über die Beachtung der Monetary Gold-Doktrin wie über ein eigenes Recht zu disponieren. Allerdings schützt die Doktrin mittelbar den Drittstaat.447 Das Jurisdiktionsregime berechtigt schließlich ihn,448 ebenso wie die Gehörsrechte, die er als Partei des Verfahrens hätte, in seinem Interesse bestehen. Folglich kann der Drittstaat auch die Ausschaltung dieser Rechte im Wege einer Umgehungskonstruktion legitimieren.449 Die Interessen des Drittstaats sind in diesem Fall gewahrt, und die Annahme einer unzulässigen Umgehung des Jurisdiktionsregimes und der Verfahrensnormen 446 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) aa), bei Fn. 852, 853, sowie 1. Teil Fn. 871 und 2. Teil A. III. 4. dieser Arbeit. 447 Vgl. Jouannet, FS Lucchini/Quéneudec, S. 315, 321: „[L]a sauvegarde des intérêts du tiers n’est qu’une conséquence indirecte et subsidiaire du principe de l’Or monétaire“ (Hervorhebung nicht im Original, Kursivsetzung des Fallnamens im Original). 448 Schorer, Konsensprinzip, S. 119. 449 Vgl. ebda., S. 129.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

des Statuts ist durch den Verzicht des Drittstaats auf seine dadurch begründeten Rechte ausgeräumt. Dem steht auch nicht die strikte Bindung des IGH an sein Statut entgegen, an der selbst die Parteien inter se nichts ändern können.450 Hier geht es nämlich nicht darum, dass der IGH eine Norm seines Statuts nicht anwenden soll, sondern um den Ausschluss der Wertung, dass Normen des Statuts durch die Konstruktion einer Monetary Gold-Situation umgangen würden. Wenn der Drittstaat mit dem Verfahren nur zwischen den bisherigen Parteien einverstanden ist, ist folglich schon dieser Umstand ausreichend. Dieses Einverständnis wiederum kann der Drittstaat insbesondere dadurch erteilen, dass er als Nicht-Partei interveniert und dabei seine Zustimmung zum Fortgang des Verfahrens zu erkennen gibt, denn dann wird er im Prozess angehört. In seiner Erklärung mag dann zugleich eine Begründung der abstrakten Jurisdiktion des IGH nach der Rechtsfigur des forum prorogatum liegen; darauf – wie auch auf den weiteren Schritt der Begründung der konkreten Jurisdiktion gegenüber dem Drittstaat – kommt es aber nicht an. Möglich ist es aber auch, dass der Drittstaat nicht als Intervenient in den Prozess eingetreten ist. In diesem Fall stellt sich die Folgefrage, ob der Drittstaat seinen Verzicht auf die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auch gänzlich außerhalb des Verfahrens, durch eine formlose Mitteilung an den IGH oder eine andere Form der Bekanntmachung erklären und ob der IGH dies berücksichtigen darf. Nicht-Parteien werden, soweit sie nicht Intervenienten sind, vor dem IGH nicht gehört und haben auch keinen Anspruch auf rechtliches Gehör.451 Das schließt es jedoch nicht aus, dass der Gerichtshof Äußerungen einer Nicht-Partei zur Kenntnis nimmt, wenn hiervon seine Befugnis zur Sachentscheidung zwischen den Parteien abhängt. Vielmehr ist die Berücksichtigung der Haltung von Drittstaaten in einem solchen Fall schon aufgrund der Pflicht des IGH, vor ihn gebrachte Fälle soweit möglich zu entscheiden,452 geboten. Insofern ist der Gerichtshof auch nicht auf formellen gerichtlichen Vortrag beschränkt. Vielmehr lehrt die Erfahrung der Berücksichtigung auch außerprozessualer Verlautbarungen von im Prozess nicht auftretenden Parteien,453 dass es keinen strikten Rechtssatz gibt, wonach der IGH nur formellen Prozessvortrag in Erwägung ziehen dürfte. Soweit es einen solchen Rechtssatz doch geben sollte, könnte er im Übrigen nur darauf beruhen, dass eine im Prozess abwesende Partei nicht von den formellen Anforderungen an den Parteivortrag dadurch befreit werden soll, dass der Gerichtshof auch regelwidrige Äußerungen zur Kenntnis nimmt.454 Die formellen Anforderungen des Statuts und der Verfahrensordnung treffen Nicht-Parteien wie den Drittstaat in der Monetary Gold450

Dazu oben, 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit. S. o., 1. Teil B. III. 2. c) aa) dieser Arbeit. 452 S. o., 1. Teil B. III. dieser Arbeit, bei Fn. 629 – 631. 453 Dazu von Mangoldt/Zimmermann, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 53 Rn. 60 f. 454 Dazu ebda., und in diesem Sinne z. B. Fitzmaurice, BYIL 51 (1980), S. 89, 117 f. 451

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

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Konstellation aber ohnehin nicht. Der Gerichtshof ist daher berechtigt, Äußerungen von Drittstaaten in einer Monetary Gold-Konstellation ohne besondere Anforderungen zur Kenntnis zu nehmen.455 Dementsprechend hat der IGH im Monetary Gold-Fall angemerkt, es sei nicht vorgetragen worden, „that Albania has given her consent in this case either expressly or by implication.“456

Diese Wortwahl legt nahe, dass eine Erteilung der Zustimmung gänzlich außerhalb des Prozesses ausreichend gewesen wäre.457 In Betracht kam nämlich in jedem Fall nur eine Erteilung der Zustimmung außerhalb des Verfahrens, weil Albanien im Verfahren in keiner Weise vertreten war. Damit kann festgehalten werden, dass die Monetary Gold-Doktrin für den Drittstaat verzichtbar ist. Dieser Verzicht kann ad hoc entweder in einem Prozess in der Monetary Gold-Konstellation oder außerhalb des Verfahrens erklärt werden. In beiden Fällen ist er vom IGH zu berücksichtigen, der dann mit Blick auf den verzichtenden Staat nicht mehr zu einer Unzulässigkeit der Sachentscheidung aufgrund der Doktrin kommen wird. 2. Vertraglicher Ausschluss der Monetary Gold-Doktrin? Vor diesem Hintergrund bestehen auch keine prinzipiellen Einwände gegen einen ante hoc, insbesondere durch einen Vertrag, erteilten Verzicht. Deshalb kann nun erörtert werden, inwieweit bestimmte Vertragsnormen geeignet sind, die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auszuschließen. Es bestehen Normen in verschiedenen Verträgen über die friedliche Streitbeilegung, die mit weitgehend gleichem Wortlaut festhalten, dass Drittstaatsinteressen die Anwendung des jeweiligen Vertrags nicht hindern sollen. Historisch an erster Stelle stand insoweit Art. 35 Abs. 1 des General Act for the Pacific Settlement of International Disputes vom 26. 09. 1928458 mit dem folgenden Wortlaut: „The present Act shall be applicable as between the Parties thereto, even though a third Power, whether a Party to the Act or not, has an interest in the dispute.“

Bei der Erarbeitung eines Revised General Act for the Pacific Settlement of International Disputes459 nach Ende des Völkerbunds wurde dieser Wortlaut ohne 455

Vgl. Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 873. IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 32 (Hervorhebung nicht im Original). 457 So auch Thirlway, GS Schachter, S. 311, 318 Fn. 31. 458 LNTS 93, S. 343. Authentische Fassungen des General Act sind nach seinem Art. 42 die englische und die französische Fassung. Die französische Fassung hat hier allerdings keinen relevanten anderen Bedeutungsgehalt. 459 UNTS 71, S. 101. Vgl. zur Fortgeltung des früheren Vertrags unbeschadet der Auflösung des Völkerbunds, in dessen Rahmen er entstanden war, IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), Joint Dissenting Opinion of Judges Onyeama, Dillard, Jiménez de Aréchaga and Sir Humphrey 456

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Änderungen übernommen. Er fand sich wiederum in Art. 35 Abs. 1 des neuen Vertrags. Eine sehr ähnliche Bestimmung enthält Art. 32 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten. Die Norm lautet in ihrer gemäß der Schlussformel des Übereinkommens (auch) authentischen englischen Fassung:460 „This Convention shall remain applicable as between the Parties thereto, even though a third State, whether a Party to the Convention or not, has an interest in the dispute.“

Angesichts des Umstands, dass nur die Monetary Gold-Doktrin eine Sachentscheidung des IGH wegen der Relevanz von Drittstaatsinteressen verhindern kann, liegt der Gedanke nahe, dass mit diesen Vertragsbestimmungen die Geltung gerade dieser Doktrin ausgeschlossen werden sollte.461 Diesen Gedanken hat auch Liechtenstein im Certain Property-Fall angedeutet, auch wenn es diese Frage letztlich offengelassen und nur darauf abgehoben hat, dass nicht jegliche Drittstaatsinteressen einer Sachentscheidung entgegenstehen könnten.462 Ein solcher Ausschluss der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ist nach den eben gemachten Ausführungen denkbar, wenn der Drittstaat des jeweiligen Verfahrens des IGH Partei des General Act bzw. des Revised General Act oder des genannten Europäischen Übereinkommens ist. Ist er das allerdings nicht, beanspruchen die zitierten Bestimmungen zwar ihrem Wortlaut nach dennoch Geltung. Ein Verzicht auf die Rechte des Drittstaats aus dem Jurisdiktionsregime und den Verfahrensnormen des Statuts kann aber nicht angenommen werden, und der Annahme einer Umgehung dieser Normen in der Monetary Gold-Konstellation steht nichts entgegen, denn ein Vertrag kann einer Nicht-Partei nicht die aus den maßgeblichen Normen folgenden Rechte entziehen (Art. 34, 35 WVK463).464 Mit Wirkung für eine Nicht-Partei des jeweiligen Vertrags kann die Monetary Gold-Doktrin daher nicht ausgeschlossen sein.465 Waldock, ICJ Reports 1974, S. 312, 328 ff. Auch der spätere Revised General Act wurde nicht unter der Annahme erarbeitet, der frühere Vertrag sei wirkungslos geworden und müsse ersetzt werden: ebda., S. 335 ff.; Tomuschat, FS Oda, S. 977, 993. Die Festlegung der authentischen Sprachfassungen (Englisch und Französisch) in Art. 42 des General Act gilt auch für den Revised General Act; vgl. zum Verhältnis der beiden Verträge GA Res. 268 (III) A, UN Doc. A/ 900, S. 10 f. 460 UNTS 320, S. 243. Die ebenfalls authentische französische Fassung bringt keine weiteren Erkenntnisse. 461 In diesem Sinne auch Schorer, Konsensprinzip, S. 129. 462 Certain Property, Observations of the Principality of Liechtenstein, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 77 f. 463 Zu dieser Erweiterung der Art. 34, 35 WVK über die Begründung von Pflichten für einen Drittstaat hinaus s. o., 1. Teil Fn. 719. 464 So auch Schorer, Konsensprinzip, S. 130. 465 Ebda., S. 134.

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

359

Wenn aber die Monetary Gold-Doktrin nicht mit Wirkung für eine Nicht-Partei ausgeschlossen ist und die vorstehend zitierten Vertragsbestimmungen ausdrücklich dieselbe Vorschrift für Nicht-Parteien wie für Parteien treffen,466 deutet dies darauf hin, dass diese Normen auch für Parteien des jeweiligen Vertrags nicht die Wirkung eines Ausschlusses des Monetary Gold-Einwands für den Fall haben, dass sich eine Vertragspartei als Drittstaat im Sinne der Doktrin wiederfindet. Stattdessen kann mit Art. 35 Abs. 1 des General Act und den beiden anderen Normen gemeint sein, dass die Existenz von (einfachen) Drittstaatsinteressen i.S.d. Art. 62, 63 des Statuts die (erfolgreiche) Anwendung der Verträge und damit die Sachentscheidung des IGH467 nicht hindern solle. Damit würde an sich nur die Rechtslage des Statuts wiederholt.468 Die Normen behielten aber insoweit einen Sinn, als in früheren Schiedsverträgen Fälle mit (jeglichem) Drittstaatsbezug ausdrücklich von der Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsbarkeit ausgenommen waren;469 nach der hier verfolgten Hypothese hätten sich der General Act und die beiden späteren Verträge klarstellend dagegen gewandt.470 Für ein solches Verständnis der Normen spricht insbesondere die enge systematische Nähe zu Art. 36 des General Act bzw. des Revised General Act bzw. zu Art. 33 des Europäischen Übereinkommens. Art. 36 Abs. 1 des General Act und des Revised General Act lauten in ihrer englischen Fassung übereinstimmend: „In judicial or arbitral procedure, if a third Power should consider that it has an interest of a legal nature which may be affected by the decision in the case, it may submit to the International Court of Justice or to the Arbitral Tribunal a request to intervene as a third party.“

Diese Bestimmung folgt jeweils auf die hier untersuchte Norm über die Irrelevanz von Drittstaatsinteressen für die Anwendung des jeweiligen Vertrags (Art. 35 Abs. 1 des General Act und des Revised General Act). Beide Normen waren sogar mit ihrem heutigen Wortlaut zunächst in einem Artikel zusammengefasst; die heutigen Art. 36 und 37 der beiden Verträge waren also als weitere Absätze nach den Abs. 1 und 2 des

466

Vgl. jeweils den englischen Wortlaut: „whether a Party to the [Act/Convention] or not“. An dieser Stelle kann offen bleiben, ob der General Act und der Revised General Act eine kompromissarische Klausel i.S.d. Art. 36 Abs. 1 des Statuts oder nur eine Verpflichtung zur Anerkennung der Jurisdiktion des IGH gemäß Art. 36 Abs. 2 des Statuts enthalten; dazu im ersteren Sinne Tomuschat, FS Oda, S. 977, 984 ff., und im letzteren Sinne IGH, Aerial Incident of 10 August 1999, Separate Opinion of Judge Oda, ICJ Reports 2000, S. 36, 41 ff. 468 Zu dieser Rechtslage bereits oben, 1. Teil B. III. 2. c) bb) dieser Arbeit. 469 Dazu Chinkin, Third Parties, S. 272 f., sowie die in der nachfolgenden Fußnote genannten Werke. 470 So Gallus, RDILC 57 (1930), S. 878, 896; Glichitch, Juridiction, S. 100 f. mit Fn. 1; vgl. Salmon, RGDIP 63 (1959), S. 21, 50. Dies entsprach auch der Praxis bei zahlreichen weiteren Verträgen über die internationale gerichtliche Streitbeilegung der 1920er und 1930er Jahre; dazu Glichitch, Juridiction, S. 100 f. mit Fn. 1; Habicht, Post-War Treaties, S. 996. 467

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

heutigen Art. 35 vorgesehen.471 Die Bestimmungen wurden später nur aus Gründen der Übersichtlichkeit in drei Artikel aufgeteilt.472 Dies unterstreicht noch die systematische Nähe der beiden Artikel. Außerdem stehen sich die aufeinander folgenden Artikel auch inhaltlich nahe: Zusammen ergeben sie – ungeachtet der Frage, ob sie sich nur auf einfache Drittstaatsinteressen i.S.d. Art. 62 des Statuts oder auch auf die Monetary Gold-Problematik beziehen – die Aussage, dass die Existenz von Drittstaatsinteressen kein Problem der Zulässigkeit der Sachentscheidung sei, sondern nur eines der Intervention des Drittstaats.473 Der zitierte Art. 36 Abs. 1 reproduziert bis auf die Einleitung „[i]n judicial or arbitral procedure“ wortgleich Art. 62 Abs. 1 des Statuts; die Art. 37 des General Act und des Revised General Act ihrerseits entsprechen unmittelbar Art. 63.474 Dies war bei der Ausarbeitung des General Act von 1928 zunächst anders vorgesehen gewesen. Nachdem jedoch der Kanzler des StIGH auf gewisse Unterschiede zwischen dem früheren Entwurf und Art. 62 und 63 des Statuts hingewiesen hatte, wurde die bewusste Entscheidung getroffen, in dem General Act den Wortlaut der Bestimmungen des Statuts über die Intervention zu übernehmen.475 Die in Art. 36 Abs. 1 des General Act und des Revised General Act erwähnte Möglichkeit der Intervention ist also mit der Regelung des Art. 62 des Statuts deckungsgleich. Für die hier interessierende Frage, ob durch Art. 35 Abs. 1 des General Act und des Revised General Act die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ausgeschlossen wird, hat dieser Umstand folgende Bewandtnis: Wenn Art. 35 Abs. 1 für den Fall der Berührung von Drittstaatsinteressen zum Ausdruck bringt, dass dieser Umstand die Sachentscheidungsbefugnis des IGH nicht berühren soll, und wenn direkt anschließend auf die Möglichkeit der Intervention in den Grenzen der Art. 62 und 63 des Statuts verwiesen wird, liegt es nahe, dass auch Art. 35 Abs. 1 der beiden Fassungen des General Act nur Drittstaatsinteressen im Sinne der Normen des Statuts 471 Projet de résolution de l’Assemblée et d’Acte général présenté par la Sous-Commission, Actes de la neuvième session de l’Assemblée, Séances des Commissions, Procès-Verbaux de la Première Commission, S. 122, 128. 472 Gallus, RDILC 57 (1930), S. 878, 895 f. 473 In diesem Sinne Borel, Recueil des Cours 27 (1929 II), S. 501, 583: „Le fait qu’une tierce Puissance, adhérente ou non à l’Acte Général, aurait un intérêt dans un différend ne saurait faire obstacle à l’application de l’Acte Général entre les Parties mêmes, mais soulève le problème de son intervention dans le litige.“ Ähnlich Certain Property, Observations of the Principality of Liechtenstein, verfügbar unter www.icj-cij.org, S. 77; Gallus, RDILC 57 (1930), S. 878, 896 f.; Salmon, RGDIP 63 (1959), S. 21, 50. 474 Dasselbe gilt für die jeweiligen französischen Fassungen. 475 Rapport de la Sous-Commission de liaison, Actes de la neuvième session de l’Assemblée, Séances des Commissions, Procès-Verbaux de la Première Commission, S. 57, 63: „[La Sous-Commission] est arrivée à cette conclusion que pour éviter toute espèce de confusion, de contradiction, entre ce qui se fait ici et ce qui est déjà en vigueur dans le Statut de la Cour, le plus simple était de reporter ici les textes mêmes du Statut de la Cour.“

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

361

meint, nicht aber auch die Relevanz von Drittstaatsinteressen im Sinne der Monetary Gold-Doktrin berührt. Alles andere wäre auch schon deshalb überraschend, weil das Problem der intensiven Betroffenheit eines Drittstaats im letzteren Sinne erst durch den Monetary Gold-Fall selbst bekannt geworden ist.476 Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Problem bereits 1928 bei der Ausarbeitung des General Act erkannt wurde und durch die Aufnahme des Art. 35 Abs. 1 des Vertrags gelöst werden sollte. Insgesamt spricht daher mehr dafür, in Art. 35 Abs. 1 des General Act und des Revised General Act nur die Bestätigung der Rechtslage zu sehen, wonach die Möglichkeit eines Drittstaats zur Intervention – also die Berührung seiner Interessen i.S.d. Art. 62, 63 des Statuts – die Zulässigkeit der Sachentscheidung des Gerichtshofs nicht berührt. Die Monetary Gold-Doktrin wird durch den General Act und den Revised General Act daher weder mit Wirkung für Nicht-Parteien noch inter partes ausgeschlossen. Etwas schwieriger ist die Rechtslage bei Art. 32 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens zu beurteilen, denn die Beschreibung der Möglichkeit der Intervention in dem dort nachfolgenden Art. 33 Abs. 1 entspricht nicht unmittelbar Art. 62 des Statuts.477 Wo Art. 62 Abs. 1 des Statuts nämlich ein „interest of a legal nature“/„intérêt d’ordre juridique“ verlangt, spricht Art. 33 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens von „legitimate interests“/„intérêts légitimes“. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass auch hiermit nur die Intervention in den Grenzen des Art. 62 des Statuts angesprochen ist (Art. 63 des Statuts findet keine Entsprechung),478 und dass deshalb auch Art. 32 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens nur diese Fallgruppe der Drittstaatsbetroffenheit in den Blick nimmt. Dies folgt schon daraus, dass in Art. 33 Abs. 1 des Übereinkommens – insoweit in Übereinstimmung mit Art. 36 Abs. 1 des General Act und des Revised General Act – zutreffend erkannt wird, dass ein Drittstaat die Zulassung als Intervenient beim IGH beantragen müsste. Der Gerichtshof kann aber nur sein Statut anwenden.479 Folglich kann das Europäische Übereinkommen schon keine weitere Intervention vor dem IGH zulassen als nach dem Statut möglich ist. Eine von Art. 62 Abs. 1 des Statuts abweichende Fassung der erforderlichen Betroffenheit der Interessen eines Inter476

Vgl. oben, 1. Teil A. I. und V. 1., sowie Schorer, Konsensprinzip, S. 134; Thouvenin, AFDI 41 (1995), S. 328, 342; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 21. Zuvor hatte Pierre Cot als Vertreter Albaniens im Corfu Channel-Fall eine entsprechende Auffassung vertreten (Corfu Channel, ICJ Pleadings, Bd. III, S. 371, 373 f.). Im Urteil zeigte der IGH nur sehr indirekt ein Problembewusstsein in diesem Sinne; dazu Corten/ Klein, in: Bannelier/Christakis/Heathcote, S. 315, 320 ff. 477 Dazu auch Schorer, Konsensprinzip, S. 131. 478 Anders Schorer, ebda., die eine weitere Möglichkeit der Intervention annimmt und vor diesem Hintergrund untersucht, ob damit den hinter der Monetary Gold-Doktrin stehenden Bedürfnissen der Drittstaaten genügt ist. 479 S. o., 1. Teil B. I. 1. b) aa) (1) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

venienten wäre also von vornherein sinnlos gewesen.480 Dieser Umstand ist bei der Auslegung des Art. 33 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens als relevanter anderer Völkerrechtssatz im Sinne des mit Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK gleichlautenden Gewohnheitsrechts481 zu berücksichtigen. Bereits dies führt zu dem Ergebnis, dass Art. 33 Abs. 1 – und mit ihm Art. 32 Abs. 1 – des Europäischen Übereinkommens nur die Drittstaatsbetroffenheit i.S.d. Art. 62 des Statuts betrifft, nicht aber die Monetary Gold-Doktrin. Dieses Ergebnis wird durch eine Untersuchung der Entstehungsgeschichte des Europäischen Übereinkommens bestätigt.482 Mit Art. 32, 33 des Übereinkommens sollten nämlich ausschließlich die hier vorstehend erörterten Bestimmungen des General Act übernommen werden; die Abweichung im Wortlaut von den dortigen, mit dem Statut übereinstimmenden, Formulierungen ist unerklärt geblieben.483 Die Abweichung war daher offenbar unabsichtlich. Gewollt war demnach, ebenso wie bereits bei der Entstehung des General Act, eine unveränderte Anknüpfung an das Statut. Dass im Übrigen bei der Ausarbeitung des Europäischen Übereinkommens das Problem der Monetary Gold-Doktrin schon bekannt war, weil das Verfahren zum Zeitpunkt des Abschlussberichts des Expertenausschusses des Europarats (am 22. 05. 1953) bereits lief und die Drittbetroffenheit Albaniens bereits diskutiert worden sei,484 erscheint zweifelhaft, vor allem weil die Ausarbeitung der Art. 32, 33 des Übereinkommens sich offenbar auf die Übernahme der entsprechenden Normen des General Act beschränkte. Außerdem war zum Zeitpunkt des Abschlussberichts des Expertenausschusses des Europarats vom 22. 05. 1953, der die letzten Anmerkungen zu Art. 32 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens enthält,485 gerade erst vor drei Tagen die italienische Klage erhoben worden; die italienische Vorgängige Einrede datiert sogar erst vom 30. 10. 1953.486 Beide Schriftsätze sind auch erst bedeutend später, nämlich erst nach Abschluss des Verfahrens, veröffentlicht worden.487 Jedenfalls der Expertenausschuss kann daher kaum von der italienischen Argumentation gewusst haben. Im Übrigen hätten zwar die Parteien des Monetary Gold-Falls die italienische Argumentation in den Expertenausschuss oder in die weiteren Vertragsverhandlungen einbringen können. Vor dem Urteil des IGH hätte 480

Vgl. Gallus, RDILC 57 (1930), S. 878, 899. Vgl. z. B. IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 182; EGMR, Al-Adsani v. United Kingdom (GC), RJD 2001-XI, S. 79, 100; Dörr, in: ders./Schmalenbach, Art. 31 Rn. 6, 89 ff. 482 Vgl. insoweit Art. 32 WVK, der ebenfalls früheres Völkergewohnheitsrecht wiedergibt: vgl. z. B. IGH, LaGrand, ICJ Reports 2001, S. 466, 503 f.; Dörr, in: ders./Schmalenbach, Art. 31 Rn. 6, Art. 32 Rn. 3. 483 Dazu Schorer, Konsensprinzip, S. 133 f. 484 So Schorer, ebda., S. 134. 485 Vgl. abermals ebda., S. 133 f. 486 S. o., 1. Teil A. I. dieser Arbeit. 487 Vgl. Kolb, ICJ, S. 1185; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. III, S. 1252, 1254 f. 481

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

363

aber wohl nur Italien seine Argumentation als eine wahre Rechtslage eingebracht, und es muss als unwahrscheinlich gelten, dass ein Vertrag an Parteivorbringen vor dem IGH – im Gegensatz zu einem Urteil des IGH selbst – angepasst wird. Nach dem Urteil des IGH – sogar schon nach dem Bericht des Expertenausschusses vom 22. 05. 1953 – hat sich an Art. 32 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens nichts mehr geändert. Auch für Art. 32 Abs. 1 des Europäischen Übereinkommens kann deshalb festgehalten werden, dass die Monetary Gold-Doktrin durch diese Norm nicht modifiziert oder ausgeschlossen wird, und zwar auch nicht inter partes. Die Norm stellt vielmehr – im Gefolge der entsprechenden Normen des General Act und des Revised General Act und vor dem Hintergrund anderslautender historischer Schiedsverträge – nur klar, dass Fälle mit Drittstaatsbezug nicht pauschal von der Unterwerfung unter die gerichtliche oder schiedsgerichtliche Streitbeilegung ausgenommen sein sollen.488 Die Fälle einer intensiven Betroffenheit von Drittstaatsinteressen in der Monetary Gold-Konstellation sind nicht erfasst.

VI. Zusammenfassung des Inhalts der Monetary Gold-Doktrin Nach Allem kann der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin wie folgt zusammengefasst werden: Die Doktrin basiert, wie in dem ersten Teil dieser Arbeit dargelegt wurde, auf einem kollateralen Schutz des Jurisdiktionsregimes und der Gehörsrechte des Statuts. Diese Regelungen sind zwar nicht unmittelbar relevant, weil in der Monetary Gold-Konstellation der Drittstaat nicht Partei des Verfahrens wird und nicht an das Urteil gebunden werden soll. Angesichts des hohen Werts eines ausdrücklichen inzidenten Ausspruchs des IGH über die Rechtsverhältnisse des Drittstaats werden aber das Jurisdiktionsregime und die an die Parteistellung anknüpfenden Gehörsrechte des Statuts, die der Umsetzung des hohen Prinzips audiatur et altera pars dienen, umgangen. Dieser Umgehung tritt der Gerichtshof mit der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin zum Schutz seines richterlichen Charakters, also letztlich gemäß einer teleologischen Auslegung seines Statuts, entgegen. Im Einzelnen ist für die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin entscheidend, ob in dem beschriebenen Sinne eine Umgehung der Regelungen des Statuts anzunehmen ist. Das ist nur dann der Fall, wenn der Drittstaat, seine Bindung an das Urteil unterstellt und die strenge Relativität der Urteilswirkungen weggedacht, durch den inzident im Rechtsstreit zwischen den anderen Parteien erfolgenden Ausspruch gebunden würde, denn nur für diese Bindung wäre seine Zustimmung und die Begründung seiner Parteistellung erforderlich. Folglich kommt es grundsätzlich darauf an, ob die den Drittstaat betreffende Frage eine notwendige Voraussetzung der Beantwortung der zwischen den wirklichen Parteien aufgeworfenen Fallfrage ist. Nur dann handelt es sich bei der Antwort 488

S. o., 2. Teil Fn. 470.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

auf die Drittstaatsfrage um ein vorgängiges Rechtsverhältnis, das der Rechtskraft fähig ist. Immer muss es aber um ein konkretes Rechtsverhältnis des Drittstaats gehen, das auch Gegenstand eines Verfahrens (einschließlich eines Feststellungsprozesses) gegen den Drittstaat selbst sein könnte. Dagegen ist die Monetary GoldDoktrin nicht anwendbar, wenn die Betroffenheit von Drittstaaten sich darauf beschränkt, dass die anzuwendenden und auszulegenden Normen auch sie berechtigen oder verpflichten. Dieser Schluss folgt schon aus Art. 63 des Statuts sowie aus dem Umstand, dass ein solches Interesse nur an dem materiellen Recht kein rechtliches Interesse i.S.d. Art. 62 des Statuts ist. Gleichfalls ist es für die Monetary GoldDoktrin ohne Bedeutung, ob wesentliche Beweismittel nur bei einem Drittstaat und daher möglicherweise nicht im Prozess vorliegen. Im Sinne der Monetary Gold-Doktrin ist die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Drittstaats beispielsweise dann zwingend inzident zu prüfen, wenn der Beklagte wegen eines vorgeblich völkerrechtswidrigen Akts der Beihilfe zu einem Delikt des Drittstaats verklagt ist. Strukturell ebenso liegt es bei einem Vorwurf der Anstiftung zu einem Delikt eines Drittstaats. Insofern wird allerdings oft bereits ohne Beantwortung der Drittstaatsfrage zu entscheiden sein, dass es schon an einem Verbot der Anstiftung fehlt oder dass es sich um ein erfolgsunabhängiges Verbot der bloßen Anstachelung handelt. Bei staatlichen Schutzpflichten kommt es im Einzelnen darauf an, ob sie die rechtliche Prüfung einer fremden Schädigungshandlung verlangen oder nicht. Das ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Schutzpflicht schon die bloße Gefährdung durch den Beklagten verbietet oder die Schutzpflicht nicht durch das Delikt eines Dritten, sondern nur durch die von der Person eines Schädigers unabhängige Betroffenheit des Gläubigers des Schutzanspruchs ausgelöst wird. Ein weiterer Fall der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ist die Klage, mit der von einem Staat verlangt wird, das völkerrechtswidrige Handeln eines Drittstaats gerade wegen dieser Völkerrechtswidrigkeit nicht als wirksam anzuerkennen. Hiervon zu unterscheiden ist allerdings der Fall der Nichtanerkennung gewaltsamer Annexionen von Gebieten, denn hierbei kommt es nur auf die Gewaltanwendung, nicht auf deren Rechtswidrigkeit nach dem jus ad bellum an. Dabei löst dann nicht schon die Tatsachenfeststellung über den Drittstaat die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin aus, sondern die rechtliche Prüfung der Gewaltanwendung. Tatsachenfeststellungen über einen Drittstaat sind auch dann nicht bedenklich, wenn sie zu einer Prüfung einer nur hypothetischen Verantwortlichkeit eines Drittstaats anhand einer ihn nicht bindenden Norm gehören. Insgesamt kommt es grundsätzlich auf die Präjudizialität eines Rechtsverhältnisses des Drittstaats für die zwischen den Parteien streitigen Rechte an. In Fällen allerdings, in denen der IGH eine inhaltlich absolute Entscheidung über die Berechtigung eines Staates an einem Gebiet oder einem anderen Gegenstand zu treffen hat, ist diese Fragestellung noch nicht zielführend. In solchen Fällen untersucht der IGH nicht zunächst, ob das Gebiet oder die Sache einem anderen Staat zukommen

A. Der Inhalt der Monetary Gold-Doktrin

365

kann, bevor er zugunsten einer der Parteien entscheidet; vielmehr prüft er positiv die Berechtigung an dem Gebiet oder der Sache. Eine vorgängige Entscheidung über einen Drittstaat kann es daher nicht geben. Allerdings ist der Drittstaat hier wegen der absoluten Fragestellung des IGH bereits unmittelbar in die Hauptfrage vor dem IGH involviert, wenn er selbst ein Interesse an dem Streitgegenstand hat. Der IGH kann daher – wie er es auch praktiziert hat – nicht über die Berechtigung einer der Parteien an einem Gebiet oder einer Sache entscheiden, wenn auch ein Drittstaat berechtigt sein könnte. Die Berechtigung des Drittstaats muss jedoch plausibel sein. Entsprechend liegt es auch bei der inhaltlich absoluten Entscheidung über die Nichtigkeit eines Vertrags. Auch hierbei können Drittstaatsinteressen unmittelbar an dem Streitgegenstand bestehen; allerdings dürfte ein möglicherweise betroffener Drittstaat seine Interessen nicht in der vorprozessualen Auseinandersetzung über die Nichtigkeit des Vertrags gemäß Art. 65 WVK aufgegeben haben. Im Übrigen kann der IGH auch an bestimmten Aussprüchen über Rechtsfolgen namentlich eines völkerrechtlichen Delikts gehindert sein, über das an sich er noch entscheiden durfte. Insofern ist zunächst die bereits erwähnte Entscheidung über die Nichtigkeit eines Vertrags zu nennen. Auch selbst aufheben kann der IGH einen solchen Vertrag nicht; insofern fehlt ihm schon die nur von allen Parteien gemeinsam übertragbare Verfügungsbefugnis. Er kann allerdings anordnen, dass die Rechte des Klägers zu befolgen sind. Soweit diese mit Rechten eines Drittstaats kollidieren, würde das Urteil daran nichts ändern, sondern die Urteilsverpflichtung würde dann ebenfalls der Kollision unterliegen. Soweit es bei dem Rechtsfolgenausspruch um die Bemessung einer Schadensersatzpflicht eines Beklagten geht, neben dem auch ein Drittstaat für das Delikt und den entstandenen Schaden verantwortlich ist, ist zu differenzieren: Sind die Schadensfolgen der Handlungen des Beklagten und des Drittstaats tatsächlich voneinander abgrenzbar, ergibt sich keine Notwendigkeit, auf die Haftung des Drittstaats einzugehen. Liegt allerdings wirklich ein Fall der gemeinsamen Verantwortlichkeit für ein Delikt und ein einheitlicher Schaden vor, können die rechtlichen Interessen des Drittstaats relevant werden. Dann hätte der Gerichtshof im Fall einer anteiligen Haftung (Teilschuld) zu entscheiden, zu welcher Quote der Beklagte haftet, mit der Folge, dass der Drittstaat oder die Drittstaaten für den Rest haftbar wären. Dabei wären dann die einzelnen Schadensbeiträge zu ermitteln und zu quantifizieren, was dem IGH hinsichtlich der Drittstaaten nicht möglich wäre. Im Fall der abstrakten rechtlichen Anordnung einer Gesamtschuld allerdings wären keine Quoten zu erheben. Vielmehr könnte hier auch nur ein einzelner Beklagter zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilt werden, wobei offenbleiben könnte, ob er allein oder als Gesamtschuldner haftet. Ratione personae ist die Doktrin nur auf Staaten als Drittbetroffene anwendbar. Andere Akteure, seien sie Völkerrechtssubjekte oder auch nicht, werden nämlich wegen Art. 34 Abs. 1 des Statuts nicht durch das Jurisdiktionsregime des IGH oder die Gehörsrechte nach dem Statut berechtigt.

366

2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Ausnahmen von der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin sind nur in begrenztem Umfang anerkennungsfähig. Unerheblich ist es etwa, ob es in der Monetary Gold-Konstellation um die Durchsetzung von Normen des jus cogens oder mit Wirkung erga omnes geht. Auch ändert es an der Sachentscheidungsbefugnis des IGH nichts, wenn die Antwort auf die Drittstaatsfrage bereits allgemeinkundig oder von den politischen Organen der UN festgestellt ist; insofern bleibt es dabei, dass der IGH noch eine selbst autoritative Entscheidung zu treffen hätte. Anders liegt dies nur, wenn die Drittstaatsfrage bereits gerichtlich mit Wirkung gegenüber dem Drittstaat entschieden ist; dann ist wertungsmäßig von der Anwendung der Doktrin abzusehen. Im Übrigen kommt eine Anwendung der Doktrin nicht in Betracht, wenn der einzige implizierte Drittstaat bereits untergegangen ist, denn mit seinem Untergang hätte dieser Staat sämtliche souveränen Rechte verloren. Nach der hier vertretenen Auffassung erfordert die Monetary Gold-Doktrin nicht unbedingt, dass der Drittstaat als weitere Prozesspartei am Verfahren beteiligt wird. Soweit die Wertung einer Umgehung des Statuts ausgeräumt wird, können vielmehr auch andere Sachlagen ausreichend sein. Insbesondere ist die Umgehung dann ausgeräumt, wenn im Verhältnis auch zum Drittstaat die (abstrakte) Jurisdiktion des IGH begründet ist und dieser als Intervenient (aber nicht als Partei) am Verfahren beteiligt ist und gehört wird. Ebenso ist der Gerichtshof nicht an einer Sachentscheidung gehindert, wenn der Drittstaat auf beliebigem Wege signalisiert hat, keine Einwände gegen den Fortgang des Verfahrens ohne ihn zu haben. Ein solcher Verzicht auf die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ist zulässig; er könnte auch ex ante vertraglich erteilt werden, aber solche Vertragsbestimmungen gibt es derzeit nicht. Hat der Drittstaat einen solchen Verzicht erklärt, wird er freilich nicht an das Urteil gebunden, aber die Entscheidung, wer gebunden werden soll, liegt bei dem Kläger, nicht bei dem Gerichtshof.

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin Damit bleiben noch einige Aspekte der Behandlung des Monetary Gold-Einwands im Prozess vor dem IGH zu klären. Es kann aber nicht darum gehen, hier alle Einzelheiten etwa des Verfahrens der Vorgängigen Einreden zu schildern. Vielmehr sollen im Folgenden nur einige Besonderheiten gerade der Behandlung der Monetary Gold-Doktrin untersucht werden.

I. Prüfung der Monetary Gold-Doktrin von Amts wegen In erster Linie ist damit die Frage aufgeworfen, ob der Gerichtshof für die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin auf eine ausdrückliche Rüge einer der Parteien angewiesen ist oder ob er das Vorliegen eines Sachentscheidungshindernisses auf-

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

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grund der Doktrin auch proprio motu, von Amts wegen, prüfen kann. Tatsächlich ist die Doktrin vor dem IGH bisher immer von einem unwilligen Beklagten (oder im Monetary Gold-Fall selbst von einem Kläger wider Willen) vorgetragen worden.489 Im Fall Larsen v. Kingdom of Hawaii vor einem Schiedsgericht des PCA ist die Frage dagegen proprio motu vom Schiedsgericht aufgeworfen worden,490 und dort haben die Parteien anschließend gemeinsam – aber erfolglos – die Anwendung der Doktrin in Abrede gestellt.491 Die Abgrenzung zwischen der Prüfung von Sachentscheidungshindernissen nur auf eine Einrede einer Partei hin und der Prüfung von Amts wegen hat der IGH in einem Fall, in dem es um den Zugang der Parteien zum Gerichtshof gemäß Art. 35 des Statuts ging, wie folgt beschrieben: „[A] distinction has to be made between a question of jurisdiction that relates to the consent of a party and the question of the right of a party to appear before the Court under the requirements of the Statute, which is not a matter of consent. The question is whether as a matter of law Serbia and Montenegro was entitled to seise the Court as a party to the Statute at the time when it instituted proceedings in these cases. Since that question is independent of the views or wishes of the Parties, even if they were now to have arrived at a shared view on the point, the Court would not have to accept that view as necessarily the correct one. The function of the Court to enquire into the matter and reach its own conclusion is thus mandatory upon the Court irrespective of the consent of the parties and is in no way incompatible with the principle that the jurisdiction of the Court depends on consent.“492

Die Prüfung proprio motu eines Sachentscheidungshindernisses ist also dann geboten, wenn dieses nicht von dem spontanen Willen der Parteien abhängt und die Parteien daher über seine Einhaltung nicht verfügen können.493 So liegt es auch bei der Monetary Gold-Doktrin; der Drittstaat könnte die Umgehung der Normen des Statuts legitimieren, aber die Parteien können den Gerichtshof nicht in vergleichbarer Weise von der Beachtung der Doktrin freistellen. Folglich ist die Prüfung, ob sich aus 489 Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 871; Torres Bernárdez, Ann. IDI 68-I (1999), S. 186, 198. Im Monetary Gold-Fall hat Italien allerdings vorgetragen, der IGH müsse seine Jurisdiktion von Amts wegen prüfen; vgl. Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, Question Préliminaire du gouvernement italien, ICJ Pleadings, S. 16, 21 (Italien stellte aber auch einen formellen Antrag, ebda., S. 22); dazu Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 30. 490 Dies ist mit dem Procedural Order No. 3 des Schiedsgerichts vom 17. 07. 2000 geschehen, der in dem Schiedsspruch wiedergegeben ist: PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 576 ff. (insbesondere S. 578). 491 Ebda., S. 590. 492 IGH, Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), Preliminary Objections, ICJ Reports 2004, S. 279, 295 (Kursivsetzung im Original); ebenso IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 85; dazu auch IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Croatia v. Serbia), Preliminary Objections, ICJ Reports 2008, S. 412, 433 f.; Kolb, ICJ, S. 202 f., 373; Wittich, EJIL 18 (2007), S. 591, 614 f. 493 Dazu bereits oben, 1. Teil B. I. 1. b) bb) (1) (a) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

der Monetary Gold-Doktrin ein Sachentscheidungshindernis ergibt, dem IGH nötigenfalls auch proprio motu aufgetragen.494

II. Monetary Gold-Hindernis erst aufgrund des Vortrags einer Partei? Bisher ist im Wesentlichen davon ausgegangen worden, dass die Rechtsfrage, deren Bearbeitung zentral die rechtlichen Interessen eines Drittstaats betrifft und die daher einem Sachentscheidungshindernis nach der Monetary Gold-Doktrin unterliegt, zwingend aus dem in einer Klage oder einem Compromis bestimmten Streitgegenstand folgt. Nach der Monetary Gold-Doktrin ist eine Sachentscheidung sicherlich insoweit unzulässig, als der IGH auf die Rechtsverhältnisse eines Drittstaats auch ohne den entsprechenden Rechtsvortrag, im Rahmen seiner eigenen rechtlichen Prüfung des Falls, eingehen müsste.495 Dann wäre die Monetary Gold-Problematik schon dem ursprünglichen Streitgegenstand inhärent. Vorstellbar ist es aber auch, dass ein Drittstaat erst durch den Rechtsvortrag einer Partei – insbesondere das Verteidigungsvorbringen eines Beklagten – involviert wird. Beispielsweise könnte eine Partei vortragen, ein streitgegenständliches Gebiet gehöre weder dem Gegner noch ihr selbst, sondern einem dritten Staat. Das Rechtsschutzinteresse und der dispute im Verhältnis zwischen den Parteien müsste dann freilich aus etwas anderem als aus wechselseitigen Ansprüchen auf das Gebiet folgen, wie etwa aus der Behauptung, der Beklagte habe in dem fraglichen Gebiet eine bestimmte Verantwortung nicht wahrgenommen. Außerdem wäre es denkbar, dass ein Beklagter sich gegen eine Schadensersatzforderung mit dem Argument verteidigt, ein dritter Staat schulde einen Teil des Schadensersatzes.496 Crawford erwägt insoweit zunächst, dass hinsichtlich eines Verteidigungsarguments die Überzeugungslast beim Beklagten liegen könnte und dass dieser seiner Obliegenheit, den Gerichtshof von seiner Verteidigung zu überzeugen, nicht durch 494

So auch Annacker, Durchsetzung, S. 119 f.; Bernhardt, Ann. IDI 68-I (1999), S. 60, 109; Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 342 (unter Bezugnahme auf Art. 53 Abs. 2 des Statuts); Kolb, ICJ, S. 574; Lagrange, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 9, 30; Orakhelashvili, JIDS 2 (2011), S. 373, 388; Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 871 f.; Verzijl, Jurisprudence, Bd. II, S. 194. Der IGH hat allerdings einmal mögliche Ansprüche eines Drittstaats außer Betracht gelassen, weil er „has not been furnished with any information as to the views of that State as to its own entitlement vis-à-vis Malta“: IGH, Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Merits, ICJ Reports 1985, S. 13, 24; dazu Palchetti, Max Planck UNYB 6 (2002), S. 139, 146 Fn. 18. Damit dürfte auch nicht gemeint gewesen sein, dass die Ansprüche dieses Drittstaats (Tunesien) unplausibel seien, weil sie nicht dargelegt worden seien, denn auch dieser Frage hätte der IGH proprio motu nachgehen müssen (Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 342 f.; vgl. bereits oben, 2. Teil A. I. 2. c) dieser Arbeit). 495 Vgl. zur Befugnis und Pflicht des IGH, dann ggf. auch die Monetary Gold-Doktrin proprio motu anzuwenden, den vorstehenden Abschnitt dieser Arbeit. 496 Vgl. dazu oben, 2. Teil A. I. 4. c) dieser Arbeit.

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

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einen Hinweis auf die Unzulässigkeit der Sachentscheidung nach der Monetary Gold-Doktrin entgehen könne.497 Das Risiko der Unfähigkeit des IGH, ein Verteidigungsargument zu prüfen, läge danach bei dem Beklagten. Soweit der IGH zwar den grundsätzlichen Erfolg des Klägers, nicht aber ein dagegen gerichtetes Argument der Rechtfertigung (oder eine ähnliche Verteidigung) prüfen könnte, ginge dies zulasten des Beklagten, der von dem nicht zu bearbeitenden Argument profitiert hätte, nicht aber zulasten des Klägers. Dieser Ansatz folgt dem Konzept der (materiellen) Beweislast im Bereich der Tatsachenfeststellungen: Dort ist es in der Tat zutreffend, dass die Beweislast hinsichtlich eines Verteidigungsarguments, das auf anderen Tatsachen als die vom Kläger gerügte Rechtsverletzung beruht, den Beklagten trifft.498 Auch jenseits der bloßen Tatsachenfeststellung ist es rechtstatsächlich oder taktisch gesehen richtig, dass eine Partei, die den Gerichtshof nicht von ihrem tragenden Rechtsvortrag überzeugen kann, verlieren wird; insofern besteht eine Überzeugungslast dieser Partei.499 Allerdings ist es nicht überzeugend, aus dieser taktischen Überzeugungslast abzuleiten, dass die jeweils so belastete Partei auch das Risiko zu tragen habe, dass über ihren Vortrag aufgrund der Monetary GoldDoktrin nicht entschieden werden könne. Der Begriff der Überzeugungslast hat, anders als die Beweislast, bereits keinen rechtlichen Wert. Während die materielle Beweislast bestimmt, wie das Gericht eine aufgeworfene Frage zu entscheiden hat, wenn das erforderliche Beweismaß hinsichtlich einer maßgeblichen Tatsache nicht erreicht wird,500 und damit das Beweisrecht mit dem materiellen Recht verbindet, beschreibt die Feststellung des Prozessverlusts bei Misserfolg des eigenen tragenden Rechtsvortrags nur die materielle Rechtslage. Das materielle Recht wird so mit den Interessen der Parteien in Verbindung gebracht, aber ein normativer Gehalt der Überzeugungslast ergibt sich nicht. Außerdem setzen sowohl die materielle Beweislast als auch die (taktische) Überzeugungslast voraus, dass es überhaupt zu einer Entscheidung kommt; sie bürden einer Partei nicht das Risiko auf, dass über eine Frage gar nicht entschieden wird, sondern führen zu einem bestimmten Inhalt der Entscheidung oder beschreiben diesen.501 Im Übrigen würde eine Entscheidung des IGH, mit der dieser einer Klage stattgibt und ein Verteidigungsargument nicht prüft, nicht nur potenziell das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzen, sondern auch zu einer falschen oder zumindest unvollständigen Entscheidung über den Streitgegenstand führen. Eine Fehlentscheidung würde Art. 38 Abs. 1 des Statuts, 497

Crawford, in: Alston, S. 7, 36 Fn. 74 (insoweit ohne abschließende Entscheidung). Dazu Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 550 f., und insbesondere zu einem Argument der Selbstverteidigung IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 189. 499 Vgl. zum „burden of persuasion“ Court of Appeal (Civil Division) (England und Wales), Bramhill v. Edwards [2004] EWCA Civ 403, [2004] 2 Lloyd’s Rep. 653, Rn. 41 (Auld LJ); Fox v. Rangecroft [2006] EWCA Civ 1112, verfügbar unter http://www.bailii.org/ew/cases/EWCA/ Civ/2006/1112.html, Rn. 11 (Buxton LJ). Teilweise wird der deutsche Begriff „Überzeugungslast“ auch im Sinne der materiellen Beweislast, nämlich mit Bezug auf das Beweismaß der vollen richterlichen Überzeugung, verwendet; z. B. BVerwG, NJW 38 (1985), S. 393, 396. 500 S. o., 2. Teil Fn. 278. 501 Vgl. zur materiellen Beweislast Jötten, Disappearances, S. 153. 498

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

eine offen lückenhafte Entscheidung würde Art. 56 Abs. 1 des Statuts verletzen. Soweit ein Verteidigungsargument nach der Monetary Gold-Doktrin nicht abschließend beschieden werden kann, kann dieser Umstand folglich nicht pauschal zulasten der dieses Argument vorbringenden Partei gehen. Das Problem geht hier auf den Umstand zurück, dass die Monetary Gold-Doktrin nicht an den Streitgegenstand als solchen, sondern an ein Erfordernis der Prüfung von Drittstaatsinteressen aufgrund der rechtlichen Fragestellung anknüpft. Daraus folgt, dass die Unzulässigkeit der Entscheidung nicht zwangsläufig den ganzen Streitgegenstand, sondern möglicherweise nur einzelne Argumente erfasst. Diese Unterscheidung ist noch ohne Bedeutung, soweit die Entscheidung über den Streitgegenstand, also über die den Gerichtshof bindenden Anträge, die Prüfung einer Rechtsfrage mit Drittstaatsbezug zwingend nach sich zieht. In diesem Fall wird der IGH ganz unabhängig von jedem Rechtsvortrag bei seiner Prüfung des Falls feststellen, dass er eine Drittstaatsfrage zu prüfen hat, und er wird die Monetary GoldDoktrin anwenden. Weil die Doktrin aber durch einzelne Argumente ausgelöst wird, stellt sich die Frage, ob auch erst der Rechtsvortrag einer Partei die Unzulässigkeit nach der Monetary Gold-Doktrin auslösen kann. Insbesondere stellt sich die Frage, ob auch eine Argumentation, die der Gerichtshof ansonsten nicht hätte prüfen müssen, ebenfalls die Unzulässigkeit nach der Monetary Gold-Doktrin auslösen kann. Dieses Problem hat zwei Aspekte: Da der Gerichtshof nach der Monetary GoldDoktrin nur dann an einer Sachentscheidung gehindert ist, wenn er über den Drittstaat oder einen Streitgegenstand, an dem der Drittstaat ein Interesse besitzt, zwingend entscheiden muss, stellt sich erstens die Frage, wann der IGH überhaupt auf eine im Rechtsvortrag einer Partei formulierte Drittstaatsfrage eingehen muss. Soweit er auf Rechtsvortrag auch dann eingehen muss, wenn er die aufgeworfene Rechtsfrage selbst nicht geprüft hätte, stellte sich dann zweitens die Frage, ob jede Behauptung einer Relevanz von Drittstaatsinteressen ausreichen kann, um die Sachentscheidungsbefugnis des IGH auszuschließen. Zu der ersten Frage ist hervorzuheben, dass der IGH an den Rechtsvortrag der Parteien, anders als an die Anträge (diese ohne eventuell enthaltenen Rechtsvortrag), nicht gebunden ist; seine rechtliche Prüfung der Anträge unterliegt nicht der Disposition der Parteien.502 Der IGH selbst hat dies, mit Bezug auf in den Anträgen enthaltenen Rechtsvortrag, wie folgt ausgedrückt: „The Court has to adjudicate upon the subject of the dispute; it is not called upon, as it pointed out in the Fisheries case, to pronounce upon a statement of this kind (I.C.J. Reports 1951, p. 126). It retains its freedom to select the ground upon which it will base its judgment, and is under no obligation to examine all the considerations advanced by the Parties if other considerations appear to it to be sufficient for its purpose.“503 502

S. o., 1. Teil Fn. 450 und 2. Teil A. I. 1. b) ee) (1), bei Fn. 75 – 78. IGH, Application of the Convention of 1902 Governing the Guardianship of Infants, ICJ Reports 1958, S. 55, 62. Die zentrale Erwähnung der „freedom to select the ground on which it 503

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

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Daraus folgt auch, dass der IGH sich nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs verpflichtet sieht, auf jedes Argument der Parteien zu antworten. In der Tat wird der Anspruch auf rechtliches Gehör auch im Bereich der Menschen- und Grundrechte nicht in dem Sinne verstanden, dass ein Gericht auf jeglichen Vortrag eingehen müsste.504 Es steht dem IGH daher frei, irrelevante Argumente einer Partei von vornherein unberücksichtigt zu lassen. Soweit er also ein Argument, das eine Drittstaatsfrage aufwirft, nicht selbst für relevant hält, kann er es in seiner Urteilsbegründung ganz aussparen. Damit ist das Problem, dass eine Drittstaatsfrage an sich nicht zu prüfen wäre, aber von einer Partei vorgebracht wird, bereits ausgeräumt. Freilich kann der IGH entscheiden, den an sich irrelevanten Parteivortrag dennoch zu thematisieren und zurückzuweisen. Soweit es an der Relevanz der Drittstaatsfrage für die zwischen den Parteien zu beantwortende Rechtsfrage des Falls fehlt, ist der IGH berechtigt, diese Relevanz vollumfänglich zu prüfen. Sind die behaupteten Rechtsverhältnisse des Dritten bereits aufgrund der Rechtslage zwischen den Parteien nicht von Bedeutung für die Entscheidung des Falls, stellt sich die Drittstaatsfrage nicht. Auf diesem Weg kann Parteivortrag, der ein Monetary GoldProblem postuliert, damit aber neben der Sache liegt, oftmals zurückgewiesen werden. Anders liegt es nur, wenn die von einer Partei vorgebrachte Drittstaatsfrage zwar für das streitige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien relevant ist, aber ganz offensichtlich nicht den von der Partei vorgetragenen Inhalt hat. Beispielsweise kann es fernliegend sein, dass auch ein dritter Staat Schadensersatz für das streitgegenständliche Delikt schulde oder dass das Gebiet, auf dem der Beklagte eine Schutzpflicht verletzt haben soll, einem Dritten gehöre. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob der Vortrag einer Partei, der aus einem bestimmten Rechtsverhältnis eines Dritten eine für die Partei günstige Folge ableitet, nicht nur relevant sein, sondern auch eine gewisse Plausibilität hinsichtlich der vertretenen Antwort auf die Drittstaatsfrage haben muss.505 Diese Frage ist ohne Weiteres positiv zu beantworten, soweit es um einen Anspruch eines Dritten auf ein Gebiet geht, denn in diesem Fall ergibt sich die Nähe des Dritten zum Streitgegenstand erst aus der Plausibilität seines Anspruchs.506 Im Übrigen wird das Monetary Gold-Problem zwar nicht dadurch ausgeräumt, dass die Antwort auf die Drittstaatsfrage offensichtlich sein kann, denn auch einfache Feststellungen des IGH unterliegen seinem Jurisdiktionsregime.507 Ein Erfordernis der Plausibilität des Parteivortrags im Allgemeinen, einschließlich des Vortrags einer will base its judgment“ wird in IGH, Oil Platforms, Merits, ICJ Reports 2003, S. 161, 180, wieder aufgenommen. 504 Vgl. EGMR, García Ruiz v. Spain, RJD 1999-I, S. 87, 98: Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK „cannot be understood as requiring a detailed answer to every argument“. Ähnlich auch BVerfGE 5, 22, 24; 22, 267, 274; 88, 366, 375; BVerwGE 118, 216, 223. 505 Dafür Crawford, in: Alston, S. 7, 36 Fn. 74. 506 Dazu s. o., 2. Teil A. I. 2. c) dieser Arbeit. 507 S. o., 2. Teil A. III. 1. a) dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

bestimmten Antwort auf eine Drittstaatsfrage, folgt aber aus den vorstehenden Erwägungen: Ist das Argument hinsichtlich einer Drittbetroffenheit bereits nicht plausibel, muss der IGH es nicht in seine Urteilsgründe aufnehmen. In der Tat darf der IGH angesichts seiner Pflicht, den vor ihn gebrachten Fall soweit wie möglich zu entscheiden,508 nicht ohne Not Begründungsstränge wählen, nach denen ihm aufgrund der Monetary Gold-Doktrin die Sachentscheidung verschlossen wäre.509 Soweit er die Bearbeitung eines Drittstaatsarguments vermeiden kann, weil es irrelevant oder unplausibel ist, scheidet deshalb eine Unzulässigkeit der Sachentscheidung aufgrund der Monetary Gold-Doktrin aus. Damit wird zugleich der Überlegung im Ergebnis genügt, dass offensichtlich unberechtigter Verteidigungsvortrag nicht das Recht der anderen Partei auf eine Sachentscheidung des IGH ausschließen dürfe, weil die Zulässigkeit der Klage sonst weitgehend der Kreativität und dem Belieben des Beklagten überlassen wäre.510

III. Intervention des Drittstaats im Prozess Des Weiteren stellt sich die – vorstehend bereits angesprochene – Frage, ob und inwieweit der in der Monetary Gold-Konstellation betroffene Drittstaat im Verfahren intervenieren kann. Hierzu wurde bereits oben festgehalten, dass der Drittstaat in diesem Fall ein rechtliches Interesse hat, das durch das Urteil des IGH in der Hauptsache berührt werden könnte; seine rechtlichen Interessen sind schließlich sogar „the very subject-matter of the decision“.511 Fraglich ist insofern allerdings noch, inwieweit er auch hinsichtlich der Entscheidung über die Sachentscheidungsbefugnis des IGH nach der Monetary Gold-Doktrin berechtigt ist, im Verfahren zu intervenieren. Dies betrifft namentlich die Frage, ob der Drittstaat bereits im Verfahren über Vorgängige Einreden intervenieren darf oder ob er, wenn er in diesem Verfahrensstadium bereits als Intervenient zugelassen ist, sich zu der Frage der Sachentscheidungsbefugnis einlassen darf. Beides ist der Fall, wenn die Frage der Befugnis des Gerichtshofs, den Fall zwischen den Parteien zu entscheiden, als solche bereits die rechtlichen Interessen des Drittstaats berührt; dann könnte bereits ein – selbst der Rechtskraft fähiges512 – Urteil über Vorgängige Einreden die Rechte des Drittstaats berühren. Ebenfalls wäre dann die Frage der Sachentscheidungsbefugnis von dem Gehörsrecht des Drittstaats

508

Dazu s. o., 1. Teil B. III. dieser Arbeit, bei Fn. 629 – 631. Vgl. IGH, Jurisdictional Immunities of the State, ICJ Reports 2012, S. 99, 150 f., wo der Gerichtshof einen anderen rechtlichen Ansatz als die Parteien gewählt hat, weil der Ansatz der Parteien ihm nach der Monetary Gold-Doktrin verschlossen war. 510 In diese Richtung Crawford, in: Alston, S. 7, 36 Fn. 74. 511 Dazu oben, 2. Teil A. I. 2. c) und A. IV. dieser Arbeit. 512 S. o., 2. Teil Fn. 193. 509

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

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als Intervenient umfasst.513 Das ist freilich im Regelfall, in dem sich das rechtliche Interesse eines Drittstaats auf den materiellen Streitgegenstand bezieht, nicht anzunehmen, denn ein Intervenient kann sich nicht gegen eine Entscheidung des IGH über den Streitgegenstand wenden, sondern kann nur mit Blick auf den Inhalt der Entscheidung seine Interessen durch ein Auftreten im Prozess wahren. Die Intervention erlaubt einem Staat also nur, an wirksam eingeleiteten Verfahren teilzunehmen, nicht aber an Verfahren, in denen der IGH gar nicht entscheiden kann (bzw. an der Verhandlung über die Frage, ob er dies kann).514 Dementsprechend hat der IGH in den Nuclear Tests-Fällen einen Antrag Fidschis auf Zulassung als Intervenient zunächst unbearbeitet gelassen, bis er im Verfahren zwischen den Parteien entschieden hatte, dass das Ziel der Klage erreicht worden war und er keine Entscheidung in der Hauptsache mehr würde treffen müssen,515 so dass er den Antrag Fidschis anschließend als gegenstandslos abweisen konnte.516 Anders liegt es jedoch in der Monetary Gold-Konstellation. Hier beziehen sich die rechtlichen Interessen des Drittstaats nicht nur – in gegenüber Art. 62 des Statuts qualifizierter Weise – auf den Streitgegenstand, sondern zugleich auf die Entscheidung durch den IGH als solche. Die Rechte des Drittstaats werden zwar durch eine Sachentscheidung in der Monetary Gold-Konstellation nicht verletzt. Der Drittstaat wird nämlich nicht entgegen dem Konsensprinzip des Statuts und des allgemeinen Völkerrechts an eine gerichtliche Entscheidung gebunden, und auch ein Gehörsrecht des Drittstaats besteht nicht und wird nicht verletzt. Beides liegt daran, dass er nicht Partei des Verfahrens ist. Das Bedürfnis seiner Zustimmung zum Verfahren und sein Gehörsrecht – Rechtspositionen, die er als Partei des Verfahrens hätte – werden aber umgangen, weil das Ergebnis einer Sachentscheidung in der Monetary Gold-Situation ganz ähnlich autoritativ wäre wie ein tatsächlich gegen ihn gerichtetes Urteil.517 Seine Rechte werden also zwar nicht direkt verletzt,518 aber 513 Vgl. zur Begrenzung des Gehörsrechts eines Intervenienten auf seine rechtlichen Interessen oben, 1. Teil Fn. 1005. 514 Chinkin, Third Parties, S. 200; vgl. auch IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Declaration of Intervention, ICJ Reports 1984, S. 215, 216. 515 IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), ICJ Reports 1974, S. 253, 272; Nuclear Tests (New Zealand v. France), ICJ Reports 1974, S. 457, 478. 516 IGH, Nuclear Tests (Australia v. France), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1974, S. 530 f.; Nuclear Tests (New Zealand v. France), Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1974, S. 535 f. Die Anträge Fidschis datierten vom 16. 05. 1973 im australischen und vom 18. 05. 1973 im neuseeländischen Fall (ebda.); die Entscheidung in der Hauptsache wurde mit Urteilen vom 20. 12. 1974 abgelehnt (vgl. die vorhergehende Fußnote). In anderen Fällen stellte sich die Frage der nachrangigen Behandlung des Interventionsantrags nach den Fragen der Sachentscheidungsbefugnis nicht, entweder weil der Antrag auf Zulassung der Intervention erst nach dem Urteil über Vorgängige Einreden gestellt wurde (vgl. IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1999, S. 1029, 1030) oder weil es kein Urteil über die Sachentscheidungsbefugnis des IGH gab (vgl. IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Merits, ICJ Reports 1992, S. 351, 359 f.). 517 Vgl. oben, 1. Teil B. IV. dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

durch eine Umgehungskonstruktion ausgeräumt. Dieser Umstand genügt für ein Interventionsrecht des Drittstaats, denn Art. 62 Abs. 1 des Statuts erfordert ausdrücklich keine Betroffenheit eigener Rechte, sondern nur eine Betroffenheit rechtlicher Interessen.519 Diese sind bei der Umgehung prozessualer Rechte des Drittstaats involviert. Der Drittstaat kann daher in der Monetary Gold-Konstellation intervenieren, und zwar sowohl im Hauptsacheverfahren als auch in einem möglichen Verfahren über eine Vorgängige Einrede aus der Monetary Gold-Doktrin.520 Außerdem erstreckt sich sein Gehörsrecht in jedem Fall auch auf die Anwendung dieser Doktrin. Die Intervention hinsichtlich der Hauptsache ist allerdings im Ergebnis unzulässig, wenn der Drittstaat dabei nicht seine Zustimmung zum Fortgang des Verfahrens erteilt und auch bisher nicht die abstrakte Jurisdiktion des IGH begründet hatte. In diesem Fall kann der IGH den Fall nicht in der Sache entscheiden,521 so dass auch kein Interesse am Streitgegenstand – im Gegensatz zum Interesse an der Sachentscheidungsbefugnis – berührt werden könnte. Dies dürfte und müsste der IGH dann – nötigenfalls proprio motu – bereits im inzidenten Verfahren über die Intervention entscheiden,522 denn es entspräche nicht seinem gerichtlichen Charakter, einen Fall, der bei der Bearbeitung des Interventionsantrags als wegen der Monetary Gold-Doktrin unzulässig erkannt wurde, weiterzuführen. Insoweit läge die Sachlage ähnlich wie bei der Abweisung der Legality of Use of Force-Fälle gegen die USA und Spanien in limine litis und im inzidenten Verfahren über einstweilige Maßnahmen.523

IV. Die Berechtigung des Drittstaats zur Erhebung Vorgängiger Einreden In dem vorstehend beschriebenen Sonderfall, in dem der in der Monetary GoldKonstellation betroffene Drittstaat wegen der Frage der Sachentscheidungsbefugnis des IGH interveniert, stellt sich die weitere Frage, ob er auch selbst das Verfahren der

518 S. o., 1. Teil B. III. 2. b) aa), bei Fn. 852, 853, sowie 1. Teil Fn. 871 und 2. Teil A. III. 4. und A. V. 1. dieser Arbeit. 519 IGH, Jurisdictional Immunities of the State, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 2009, S. 494, 501; Chinkin, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 62 Rn. 41. 520 In diese Richtung auch Kolb, ICJ, S. 724 f. 521 S. o., 2. Teil A. IV. dieser Arbeit. 522 Dementsprechend hat der IGH die Frage auch bereits einmal bei der Entscheidung über die Intervention geprüft, ohne dort allerdings zu einer Unzulässigkeit der Sachentscheidung zu gelangen: IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 116, 121 f.; dazu bereits oben, 2. Teil A. IV. dieser Arbeit. 523 S. o., 1. Teil B. III. 1. dieser Arbeit, bei Fn. 646.

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

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Vorgängigen Einreden einleiten lassen kann.524 Art. 79 Abs. 1 Satz 2 der Verfahrensordnung sieht insofern nur die Erhebung Vorgängiger Einreden durch eine Partei vor. In der Regel werden Vorgängige Einreden von dem Beklagten erhoben werden; darauf ist Art. 79 Abs. 1 der Verfahrensordnung aber nicht beschränkt.525 Insbesondere kann auch der Kläger Vorgängige Einreden gegen seine eigene Klage erheben, wenn die Einreden sich – wie bei der Monetary Gold-Einrede – nicht auf ein Versäumnis seinerseits beziehen,526 und kann jede der Parteien eines durch Compromis eingeleiteten Verfahrens, in dem es weder Kläger noch Beklagten gibt,527 Einreden erheben.528 Auch ist es grundsätzlich vorstellbar, dass ein als Partei intervenierender Drittstaat Vorgängige Einreden erhebt.529 Da er allerdings wie ein Kläger auf seine eigene Initiative hin zur Partei geworden ist, wird dies voraussetzen, dass der gerügte Mangel nicht von ihm selbst zu beseitigen ist. Anders als der Kläger kann daher der als Partei intervenierende Drittstaat die Monetary Gold-Einrede nicht erfolgreich erheben, weil er dieses Hindernis beseitigen kann und dies mit seiner Intervention als Partei auch tut.530 Jeweils ist aber nach Art. 79 Abs. 1 Satz 2 der Verfahrensordnung vorausgesetzt, dass es sich bei dem Einreden erhebenden Staat um eine Partei handelt. Ein als NichtPartei intervenierender Staat wird daher nicht von Art. 79 Abs. 1 der Verfahrensordnung erfasst.531 Daher ist fraglich, ob in der Monetary Gold-Situation eine erweiternde Auslegung zugunsten des als Nicht-Partei und zur Geltendmachung der

524 Die allgemeine Frage der Berechtigung eines zugelassenen Intervenienten zur Erhebung Vorgängiger Einreden wirft Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 128 Fn. 333, auf, ohne jedoch hierzu Stellung zu nehmen. 525 Thirlway, ebda.; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 174; Tomuschat, ebda., Art. 36 Rn. 115. 526 Vgl. IGH, Case of the Monetary Gold Removed from Rome in 1943, ICJ Reports 1954, S. 19, 29 (wiedergegeben oben, 1. Teil A. I. dieser Arbeit); Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 174; Tomuschat, ebda., Art. 36 Rn. 115. 527 S. o., 1. Teil Fn. 270. 528 Simpson/Fox, International Arbitration, S. 156; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 175; Tomuschat, ebda., Art. 36 Rn. 115. 529 Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 174; vgl. entsprechend zur Berechtigung, eine Interpretation des Urteils zu beantragen, Zimmermann/ Thienel, ebda., Art. 60 Rn. 56. 530 S. o., unter A. IV. 531 Kolb, ICJ, S. 708; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 174; vgl. Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 878 Fn. 51. Vgl. entsprechend zur Berechtigung, eine Interpretation des Urteils zu beantragen, Zimmermann/Thienel, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 60 Rn. 56, und zum Recht der Benennung eines Richters ad hoc oben, 2. Teil Fn. 436. Vgl. allgemein IGH, Land, Island and Maritime Frontier Dispute, Application for Permission to Intervene, ICJ Reports 1990, S. 92, 135 f.: „[T]he intervening State does not become party to the proceedings, and does not acquire the rights, or become subject to the obligations, which attach to the status of a party under the Statute and Rules of Court, or the general principles of procedural law.“

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Monetary Gold-Einrede intervenierenden Drittstaats geboten ist.532 Dies ist nicht der Fall, denn ein Intervenient ist trotz der Betroffenheit seiner Interessen nicht berechtigt, über den Gang des Verfahrens zu verfügen oder gar die Klage zu Fall zu bringen. Da er durch das Urteil nicht gebunden werden soll, nimmt er nicht an der Verfahrensherrschaft der Parteien teil, denn ansonsten träte durch die Verfügungsbefugnis eines selbst nicht verpflichteten Staates über die Pflichten der Parteien eine rechtliche Ungleichheit ein.533 Der intervenierende Drittstaat ist daher darauf angewiesen, dass entweder der Beklagte die Monetary Gold-Doktrin thematisiert oder der Gerichtshof der Frage proprio motu nachgeht. Letzteres wird freilich, wenn der Beklagte die Doktrin nicht aufbringt, mindestens aufgrund des Interventionsantrags zu geschehen haben. Dieser Umstand vermindert auch das Bedürfnis nach einer erweiternden Auslegung des Art. 79 Abs. 1 der Verfahrensordnung.

V. Der Monetary Gold-Einwand als nicht ausschließlich vorgängige Einrede Soweit die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin als Vorgängige Einrede i.S.d. Art. 79 der Verfahrensordnung geltend gemacht wird und daher in dem besonderen inzidenten Verfahren über Vorgängige Einreden zur Entscheidung ansteht, stellt sich die Frage, ob und wann der Gerichtshof die Entscheidung über die Anwendung der Doktrin erst im Hauptsacheurteil treffen kann. Hierzu sieht Art. 79 Abs. 9 der Verfahrensordnung vor, dass der Gerichtshof eine Vorgängige Einrede entweder für begründet erklären oder sie zurückweisen kann oder dass er erklären kann, die Einrede habe unter den Umständen des vorliegenden Falls keinen ausschließlich vorgängigen Charakter („does not possess, in the circumstances of the case, an exclusively preliminary character“/„n’a pas dans les circonstances de l’espèce un caractère exclusivement préliminaire“). Die letztgenannte Möglichkeit ist bei der Änderung der Verfahrensordnung 1972 an die Stelle der vorherigen Befugnis des Gerichtshofs getreten, eine Vorgängige Einrede mit der Hauptsache zu verbinden.534 Der Sache nach wird freilich mit der Entscheidung, die Einrede habe nicht ausschließlich vorgängigen Charakter, das532 Für eine Änderung der Verfahrensordnung in diesem Sinne Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 878 Fn. 51. 533 In einem umgekehrten Sinne meint Zimmermann, ZaöRV 50 (1990), S. 646, 654 (mit Fn. 38), 657, es stelle einen Verstoß gegen das Prinzip der souveränen Gleichheit (Art. 2 Abs. 1 der Charta) dar, wenn ein durch ein Urteil verpflichteter Intervenient nicht die Rechte der Nominierung eines Richters ad hoc und der Modifizierung der Besetzung einer Kammer gemäß Art. 26 Abs. 2 des Statuts hätte (vgl. auch Fritzemeyer, Intervention, S. 143 f.; Kohen, AFDI 36 (1990), S. 341, 366). Ebenso ergäbe sich eine Ungleichheit, wenn ein nicht verpflichteter Staat diese Rechte oder das Recht zur Erhebung Vorgängiger Einreden hätte. 534 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, Jurisdiction and Admissibility, ICJ Reports 1984, S. 392, 425; Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 887; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 195 f.; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 132, 144.

B. Die prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

377

selbe erreicht.535 Geändert haben sich jedoch die Anforderungen an die Zurückstellung der Einrede bis zur Entscheidung über die Hauptsache.536 Während der Gerichtshof früher befugt war, eine Einrede mit der Hauptsache zu verbinden, wann immer das Interesse an einem geordneten Verfahrensablauf dies verlangte,537 wobei ihm ein erheblicher Ermessensspielraum zukam,538 darf er eine Einrede nunmehr nur noch zurückstellen, wenn sie keinen ausschließlich vorgängigen Charakter besitzt.539 Die Vermutung geht also nunmehr dahin, dass über eine Vorgängige Einrede auch als solche und nicht erst mit der Hauptsache zu entscheiden ist.540 Die Frage, wann eine Einrede einen nicht ausschließlich vorgängigen Charakter hat, hat der IGH danach beantwortet, ob es bei der Prüfung der Einrede einer Entscheidung über zentrale Aspekte der Hauptsache bedürfe.541 Dabei hat er sogar die aus der Monetary Gold-Doktrin bekannte Formel des „very subject-matter of the decision“ verwendet,542 in dem Sinne, dass er eine Frage dann nicht bereits im Verfahren der Vorgängigen Einreden beantworten dürfe, wenn sie „the very subjectmatter“ der Hauptsache darstelle.543 Diesen Ansatz hat Thirlway scharf kritisiert: Der Zweck dieser Zurückhaltung bei der Beantwortung von Fragen der Hauptsache anlässlich einer Prüfung der Jurisdiktion des IGH sei offenbar, dass der IGH nicht vor der Annahme seiner Jurisdiktion über zentrale Aspekte der Hauptsache Aussagen treffen solle.544 Dieser Zweck sei aber nicht zu erreichen, indem man die Frage dem 535

Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 196; Tomuschat, ebda., Art. 36 Rn. 137; vgl. auch Sorel/Poirat, in: dies., S. 7, 54. Ein Unterschied besteht aber insofern, als bei einer Verbindung der Einrede mit der Hauptsache die Einrede ohne Weiteres mit der Hauptsache zu berücksichtigen sein wird, während die Einrede nach ihrer bloßen Qualifizierung als nicht ausschließlich vorgängig im Verfahren über die Hauptsache aufrechterhalten werden muss; dazu Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 894 Fn. 221. 536 Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 196; Tomuschat, ebda., Art. 36 Rn. 136. 537 StIGH, The Panevezys-Saldutiskis Railway Case, PCIJ Series A/B, No. 75, S. 56; Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 451. 538 Kolb, ICJ, S. 244; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 136. 539 Kolb, ICJ, S. 244; Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 144 f.; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 136. 540 Vgl. Tomuschat, ebda. 541 IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 9, 29; in diese Richtung auch Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 195. 542 Zu dieser Anleihe bei der Monetary Gold-Formel auch Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 153. 543 IGH, Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 9, 29. 544 In diesem Sinne bereits IGH, Anglo-Iranian Oil Co., Preliminary Objections, Dissenting Opinion of Judge Read, ICJ Reports 1952, S. 142, 149 f.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Hauptsacheverfahren zuweist, denn auch in diesem späteren Stadium wäre zunächst die verbliebene Jurisdiktionsfrage zu prüfen, und auch dann müssten Aspekte der Hauptsache geklärt werden, bevor die Jurisdiktion des Gerichtshofs abschließend feststeht.545 Die Abgrenzung zwischen vorgängig zu entscheidenden und nicht ausschließlich vorgängigen Einreden könne daher nicht danach erfolgen, ob sie Fragen der Hauptsache aufwerfen, sondern sie bemesse sich nur danach, ob im Verfahren der Vorgängigen Einreden bereits hinreichende Informationen vorliegen, um bereits die zur Hauptsache gehörende und für die Einrede relevante Frage – nicht abschließend546 – zu entscheiden.547 Der Zweck der Zurückhaltung bei der Entscheidung über die Hauptsache im Verfahren der Vorgängigen Einreden lässt sich aber auch anders fassen. Es kann, wie Thirlway zu Recht ausführt, nicht darum gehen, dass vor der Bejahung der Jurisdiktion des Gerichtshofs kein Ausspruch über die Hauptsache ergehen soll. Dieser Ausspruch müsste ungeachtet des Verfahrensstadiums immer schon bei der Prüfung der Jurisdiktion erfolgen, wenn denn die Frage der Jurisdiktion von einem Aspekt der Hauptsache abhängt. Ebenfalls kann nicht entscheidend sein, dass über einen Aspekt der Hauptsache nicht entschieden werden soll, solange die Parteien hierzu nicht angehört worden sind,548 denn der IGH kann die Parteien bereits im Verfahren der Vorgängigen Einreden auffordern, zu jeglichen Fragen, einschließlich aller Fragen der Hauptsache,549 vorzutragen,550 und sie so anhören. Der Zweck der Abgrenzung zwischen Fragen der Vorgängigen Einreden und Fragen der Hauptsache kann es aber sein, die unterschiedlichen Phasen des Verfahrens auseinanderzuhalten. Art. 79 Abs. 9 der Verfahrensordnung beruht insofern nicht auf Bedenken gegen zu weitgehende Ausführungen eines Gerichtshof zur Hauptsache, der eventuell keine Jurisdiktion besitzt, sondern ausschließlich auf der Unterscheidung Vorgängiger Ein545

Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 156. In diesem Sinne das von Thirlway, ebda., S. 146, zitierte Urteil des StIGH in der Sache Certain German Interests in Polish Upper Silesia, Preliminary Objections, PCIJ Series A, No. 6, S. 15 f. Wenn allerdings die Einrede gegen die Sachentscheidungsbefugnis des IGH nicht geprüft werden kann, ohne den Aspekt der Hauptsache zu entscheiden (insbesondere ohne den Vortrag des Klägers nur als Postulat für die Hauptsache zu behandeln, das sich als wahr oder unwahr erweisen kann, ohne dass die Jurisdiktion des IGH entfiele; dieses Vorgehen hält Thirlway für meist, aber nicht immer möglich; BYIL 72 (2001), S. 37, 154, 156), ist schwer einzusehen, warum diese Entscheidung bei einem positiven Ergebnis zur Sachentscheidungsbefugnis des IGH anschließend nicht rechtskräftig sein sollte. 547 Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 156 f. Die Auffassung von Damrosch, in: dies., S. 376, 391 f., die Betroffenheit von Drittstaatsinteressen sei kaum jemals bereits im Verfahren über die Vorgängigen Einreden abzuschätzen, ist dabei wenig überzeugend, denn der Streitgegenstand steht zu diesem Zeitpunkt regelmäßig schon fest, so dass auch die Berührung von Drittstaaten in der Regel erkennbar sein sollte; kritisch auch Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 875. 548 So aber noch Fitzmaurice, Law and Procedure, Bd. II, S. 451. 549 Rosenne, Law and Practice (2006), Bd. II, S. 853; Talmon, in: Zimmermann/Tomuschat/ Oellers-Frahm/Tams, Art. 43 Rn. 197. 550 Art. 79 Abs. 8 der Verfahrensordnung. Diese Bestimmung gab es zur Zeit der soeben zitierten Einschätzung von Fitzmaurice noch nicht. 546

C. Exkurs

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reden von solchen Einreden, die den Kern des Streitstoffs ausmachen und daher nicht in ein inzidentes Verfahren vorgezogen werden sollen. Damit wird die wirklich maßgebliche Wirkung des Hauptsacheurteils geschützt und die Sinnhaftigkeit des weiteren Verfahrens gesichert. Dieses wäre ein unnötiger Aufwand, wenn der entscheidende Aspekt der Hauptsache bereits in einem Urteil über Vorgängige Einreden entschieden worden wäre.551 Die Grenzen des Verfahrens über Vorgängige Einreden und das Bedürfnis der Zurückstellung einer Einrede lassen sich daher in der Tat, wie es der IGH getan hat, anhand der aus der Monetary Gold-Doktrin bekannten Formel bestimmen. Eine Einrede hat also dann einen nicht ausschließlich vorgängigen Charakter, wenn sie zwingend die Prüfung von Fragen der Hauptsache verlangt. Ein Beispiel einer Zurückstellung der Monetary Gold-Einrede vor diesem Hintergrund ist bereits oben genannt worden: Wenn die in der Hauptsache zu entscheidende Frage lautet, ob der Beklagte eine völkerrechtswidrige Anstiftung zu einem Delikt eines Drittstaats begangen hat, lässt sich nicht entscheiden, ob die Frage nach dem angeblichen Delikt des Drittstaats gestellt werden muss, wenn nicht zunächst geklärt wird, ob eine Anstiftung überhaupt völkerrechtswidrig wäre. Das ist aber eine Frage, für deren endgültige Klärung erst das Hauptsacheverfahren vorgesehen ist.552 Ein weiteres Beispiel ist auch bereits in der Praxis des IGH vorgekommen: Wenn die Betroffenheit des Drittstaats darauf beruht, dass eine Grenzziehung zwischen den Parteien auch von ihm beanspruchte Gebiete berührt, kann die Betroffenheit des Drittstaats nur danach zu beurteilen sein, wie die Grenze zwischen den Parteien zu ziehen sein wird. Außerdem wird von den im Einzelnen geltend gemachten Forderungen abhängen, inwieweit sich der Gerichtshof einer Entscheidung wegen der Monetary Gold-Doktrin ganz oder teilweise enthalten muss.553

C. Exkurs: Die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch andere internationale Gerichte Obwohl diese Arbeit sich vor allem mit dem Recht des IGH auseinandersetzt, soll im Folgenden kurz die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin durch andere internationale Gerichte diskutiert werden. Auch insoweit ist der Monetary Gold551 Außerdem gibt die Zurückstellung gerade der Monetary Gold-Einrede bis zur Hauptsacheentscheidung einem betroffenen Drittstaat noch die Gelegenheit zu intervenieren; zu dieser Motivation des IGH im Fall Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria vgl. Palchetti, RGDIP 107 (2003), S. 865, 876. 552 S. o., 2. Teil A. I. 1. b) aa) dieser Arbeit. 553 IGH, Land and Maritime Boundary between Cameroon and Nigeria, Preliminary Objections, ICJ Reports 1998, S. 275, 324; zustimmend Thirlway, BYIL 72 (2001), S. 37, 152.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Fall selbst grundlegend; er ist nicht nur vor dem IGH, sondern auch mit Bezug auf Verfahren vor anderen Gerichten verschiedentlich zitiert worden.554 Folglich wird es hier darum gehen, ob die in diesem Urteil des IGH über seine eigene Kompetenz zum Ausdruck gekommene Rechtslage auf andere Gerichte übertragbar ist oder nicht. Dabei ist es angesichts der Vielzahl der internationalen Gerichte nicht möglich, die Übertragbarkeit der Monetary Gold-Doktrin für jede andere Instanz zu erörtern. Die folgende Untersuchung wird sich daher auf eine kleine Auswahl beschränken. Dabei werden insbesondere die Unterschiede zwischen dem IGH und den anderen Gerichten hinsichtlich der jeweiligen Aufgaben und der Jurisdiktionsregime die Auswahl bestimmen, ebenso wie das Vorhandensein von Rechtsprechung und Literatur zur Anwendbarkeit der hier untersuchten Doktrin.

I. Zur völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit Nachdem das Konsensprinzip der internationalen gerichtlichen Jurisdiktion aufgrund seiner Herleitung aus der staatlichen Souveränität dem allgemeinen Völkerrecht angehört,555 gilt es für die zwischenstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit ebenso wie für den IGH.556 Folglich gilt auch der Satz, dass ein Schiedsgericht ohne die Zustimmung eines Staates keine Jurisdiktion über ihn ausüben darf.557 Allerdings gilt auch hier, dass Jurisdiktion nur dann über einen Staat ausgeübt wird, wenn dieser an die Entscheidung gebunden wird, und dass folglich über einen Drittstaat keine Jurisdiktion ausgeübt werden kann, weil dieser definitionsgemäß keine Partei des Verfahrens ist und nicht an dem Prozessrechtsverhältnis teilnimmt.558 Fraglich ist deshalb, ob auch der Schutz vor einer Umgehung des Konsensprinzips der internationalen gerichtlichen Jurisdiktion, wie er in der Monetary Gold-Doktrin zum

554

EGMR, Bankovic´ and Others v. Belgium and Others (GC), RJD 2001-XII, S. 333, 345; Behrami and Behrami v. France, Saramati v. France, Germany and Norway (GC), ILM 46 (2007), S. 746, 760; PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, Procedural Order No. 3 des Schiedsgerichts vom 17. 07. 2000, ILR 119 (2002), S. 566, 576 ff. (insbesondere S. 578); WTO DSB, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, Panel Report vom 31. 05. 1999, WT/DS34/R, Rn. 9.8 ff.; Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 637; ders., Aggression, S. 16 f.; Morris, Law and Contemporary Problems 64/1 (2001), S. 13, 21; vgl. auch Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 176; Wedgwood, Law and Contemporary Problems 64/1 (2001), S. 193, 199. 555 S. o., 1. Teil B. I. 1. a) dieser Arbeit. 556 Vgl. zur Verfahrenseinleitung durch Compromis bereits oben, 1. Teil Fn. 178, und Art. 52 der Convention for the Pacific Settlement of International Disputes vom 18. 10. 1907, Martens NRGT III 3, S. 360. 557 PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 591. 558 S. o., 1. Teil B. I. 2. dieser Arbeit.

C. Exkurs

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Ausdruck kommt, auf die Schiedsgerichtsbarkeit anwendbar ist. Das wird bisweilen befürwortet.559 Ein erstes Problem ergibt sich insoweit aus dem institutionellen Ansatz der Monetary Gold-Doktrin. Diese schützt nicht den jeweils betroffenen Drittstaat vor der mittelbaren Beeinträchtigung seines Rechts auf Freiheit vor einer nicht konsentierten Gerichtsbarkeit, sondern folgt aus dem Schutz der Integrität des IGH und des Statuts.560 Nur mit diesem „élément institutionnel“561 ist zu erklären, dass zwar die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung in der Monetary Gold-Konstellation unzulässig ist, dass aber dem Abschluss eines in derselben Weise drittbelastenden Vertrags nichts entgegenstünde.562 Dass solche institutionellen Gründe bei der ständigen internationalen Gerichtsbarkeit begründbar sind, dass also namentlich der IGH nicht nur auf den Willen der Parteien, sondern auch auf den Schutz seiner eigenen richterlichen Integrität bedacht sein muss, liegt auf der Hand.563 Bei der Schiedsgerichtsbarkeit ist dagegen nicht ebenso unmittelbar einsichtig, dass es eines Schutzes einer institutionellen Integrität bedarf. Die Sachlage könnte vielmehr mit einem Vertragsschluss der Parteien der Schiedsabrede zu vergleichen sein, durch den ein Drittstaat faktisch beeinträchtigt wird, ohne dass dies an sich rechtswidrig wäre. Dieser Gedanke liegt insbesondere dann nahe, wenn das Schiedsverfahren im Geheimen stattfindet und der Schiedsspruch nicht veröffentlicht wird. In diesem Fall werden auch keine Auswirkungen für den inhaltlich betroffenen Drittstaat zu befürchten sein,564 weil keine – notwendigerweise öffentliche – moralische Autorität entsteht, die einem Urteil gegen den Drittstaat selbst gleichkommen könnte. Ist das Schiedsverfahren dagegen einem gerichtlichen Verfahren angenähert, und wird ein Schiedsspruch mit erheblicher inhaltlicher Autorität veröffentlicht, liegt die Ausgangssituation der Monetary Gold-Doktrin vor.565 Außerdem haben auch Schiedsgerichte bisweilen inhärente Befugnisse zum Schutz ihrer eigenen Integrität in Anspruch genommen,566 so dass eine Verweigerung der Sachentscheidung zum Schutz der Integrität des Schiedsgerichts vor seiner Benutzung zur Umgehung des

559

PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 590 ff.; Aust, Complicity, S. 315 (differenzierend); Baetens, JIDS 4 (2013), S. 319, 336 f. (mit Hinweis auf den Vorrang der Schiedsordnung); Chinkin, Third Parties, S. 273. 560 S. o., 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. 561 Conforti, RGDIP 90 (1986), S. 313, 338 (dort im Plural). 562 S. o., 1. Teil B. V. 1. dieser Arbeit. 563 S. o., 1. Teil B. III. 1. dieser Arbeit. 564 Aust, Complicity, S. 315. 565 Ebda. 566 Vgl. die Nachweise aus der Schiedsgerichtsbarkeit bei Brown, A Common Law, S. 62 ff. (dort neben zahlreichen Nachweisen aus der ständigen Gerichtsbarkeit).

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Konsensprinzips zumindest möglich ist. In der Tat hat es mit dem Spruch in Larsen v. Kingdom of Hawaii bereits einen solchen Fall gegeben.567 Einen wichtigen Teil der modernen völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit stellen die Schiedsverfahren im System des völkerrechtlichen Investitionsschutzes, insbesondere unter der Ägide des International Centre for the Settlement of Investment Disputes (ICSID), dar. In diesem System ist bisher nicht entschieden worden, ob die Monetary Gold-Doktrin Anwendung findet oder nicht. Die Parteien in dem investitionsschutzrechtlichen Schiedsverfahren Chevron Corp. & Texaco Petroleum Corp. v. Republic of Ecuador haben die Frage zwar aufgeworfen. Dort ging es um die Frage, ob Ecuador eine Investition der Kläger von umweltrechtlicher Haftung freigestellt hatte. Zugleich wurde die umweltrechtliche Haftung der Kläger vor den Gerichten Ecuadors von Dritten geltend gemacht.568 Ecuador argumentierte deshalb vor dem Schiedsgericht, im Schiedsverfahren müsse notwendigerweise über die Rechte dieser Dritten entschieden werden; daher stehe die Monetary GoldDoktrin der Sachentscheidung entgegen. Nach Maßgabe der vor dem IGH geltenden Monetary Gold-Doktrin hätte das die Fragen aufgeworfen, ob die Doktrin auch bei der Betroffenheit der Rechte privater Dritter eingreift569 und ob die Rechte der Dritten ggf. in hinreichender Weise von dem Rechtsfolgenausspruch des Schiedsgerichts betroffen wären.570 Das Schiedsgericht beantwortete nur die letzte Frage und ließ dabei ausdrücklich offen, ob die Monetary Gold-Doktrin dem Grunde nach gelte. Das Schiedsgericht befand, dass die Frage der Haftungsfreistellung im Verhältnis zwischen Ecuador und den Klägern eine andere Frage sei als die Frage der Haftung der Kläger gegenüber den Dritten, weil selbst die Zusage Ecuadors, die Kläger freizustellen, noch nicht unmittelbar die Rechte der Dritten berühren würde und es im Übrigen auf die noch offene genaue Abfassung der schiedsgerichtlichen Entscheidung kommen werde.571 Jenseits dieses Falls weist das Investitionsschutzrecht eine Besonderheit auf, die vielfach der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin entgegensteht. Die materiellen 567 PCA, Larsen v. Kingdom of Hawaii, ILR 119 (2002), S. 566, 590 ff.; zum Sachverhalt und den Gründen im Einzelnen bereits oben, 1. Teil A. V. 2. dieser Arbeit. 568 PCA, Chevron Corp. & Texaco Petroleum Corp. v. Republic of Ecuador, Claimants’ Notice of Arbitration, verfügbar unter http://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ita0155_0.pdf, Rn. 15, 30 ff. 569 Vgl. oben, 2. Teil A. II. dieser Arbeit. 570 Vgl. oben, 2. Teil A. I. 3. b) dieser Arbeit. 571 PCA, Chevron Corp. & Texaco Petroleum Corp. v. Republic of Ecuador, verfügbar unter http://www.italaw.com/sites/default/files/case-documents/ita0175.pdf, Rn. 4.66, 4.67, 4.70. Dass eine vom Schiedsgericht festzustellende Verpflichtung Ecuadors zur Haftungsfreistellung evtl. mit Pflichten (des innerstaatlichen Rechts) gegenüber den Dritten kollidiert wäre, würde in der Tat keine Monetary Gold-Situation auslösen. Die Erfüllung der innerstaatlichen Ansprüche der Dritten zu untersagen, könnte zunächst problematischer sein (vgl. oben, 2. Teil A. I. 3. b) dieser Arbeit). Da es aber insoweit um die Handlungsweise der ecuadorianischen Gerichte ginge, dürfte auch dies von der Befugnis zur Feststellung von Vertragsverletzungen gedeckt sein (vgl. oben, 2. Teil Fn. 230).

C. Exkurs

383

Rechte und Pflichten und die Jurisdiktionsgrundlagen der Schiedsgerichtsbarkeit folgen in der Regel aus bilateralen Investitionsschutzverträgen (bilateral investment treaties – BITs).572 Deshalb werden die Rechte und Pflichten eines Drittstaats, um die es in einem Streitfall zwischen einem Investor und einem Staat gehen kann, sich oftmals nicht aus einem BIT des Drittstaats ergeben können, sondern im Sinne einer hypothetischen Verantwortlichkeit anhand eines BIT des Beklagten aufgeworfen werden. Diese Fragestellung führt indes nicht zur Unzulässigkeit nach der Monetary Gold-Doktrin. Der Umstand, dass die BIT des Beklagten und des Drittstaats inhaltlich identisch sein können,573 ändert daran nichts.574

II. Zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Vor dem EGMR stellt sich die Frage der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin im Einzelnen anders dar, weil dessen abstrakte Jurisdiktion von den Parteien der EMRK allgemein konsentiert ist; seine Jurisdiktion über die Parteien der Konvention ist zwingend.575 Vorbehalte zu den Grundlagen dieser zwingenden Jurisdiktion i.S.d. Art. 57 EMRK sind nicht zulässig.576 Deshalb kann es keinen Fall geben, in dem neben dem Beschwerdegegner eine weitere Vertragspartei inhaltlich betroffen ist, die die abstrakte Jurisdiktion des EGMR nicht anerkannt hat. Die Monetary GoldDoktrin scheidet demnach aus, soweit mit ihr dem Problem begegnet wird, dass eine intensiv betroffene weitere Vertragspartei die Jurisdiktion eines internationalen Gerichts nicht anerkannt hat.577 Soweit die Doktrin im Übrigen auf dem Problem beruht, dass ein solcher nicht in das Verfahren einbezogener Staat nicht angehört wird (audiatur et altera pars), kann dem schlicht dadurch begegnet werden, dass die Beschwerde auch gegen den anderen betroffenen Staat gerichtet wird.578 In der Tat kann der EGMR sogar im Wege der Auslegung einer Beschwerdeschrift zu dem Ergebnis gelangen, dass sich die Beschwerde in Wirklichkeit nicht nur gegen die 572

579. 573

Vgl. von Arnauld, Völkerrecht, Rn. 970; Krajewski, Wirtschaftsvölkerrecht, Rn. 553,

Vgl. Schöbener/Herbst/Perkams, Internationales Wirtschaftsrecht, Rn. 4/105. S. o., 2. Teil. A. I. 1. a) jj) dieser Arbeit. 575 Vgl. allgemein Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 284; Schorer, Konsensprinzip, S. 40; Sicilianos, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 123, 125; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/OellersFrahm/Tams, Art. 36 Rn. 143; Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 277, sowie zum Individualbeschwerdeverfahren (Art. 34 EMRK) Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, Art. 34 Rn. 2, und zum Staatenbeschwerdeverfahren (Art. 33 EMRK) Karpenstein/Johann, ebda., Art. 33 Rn. 1; Thienel, ebda., Art. 55 Rn. 2. 576 Behnsen, Vorbehaltsrecht, S. 284; vgl. EGMR, Loizidou v. Turkey (GC), Series A, No. 310, Rn. 73 ff. (betreffend Vorbehalte zu Unterwerfungserklärungen gemäß Art. 25 EMRK a.F.). 577 Aust, Complicity, S. 312, 314; den Heijer, JIDS 4 (2013), S. 361, 373; Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 277 f. 578 Aust, Complicity, S. 314; Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 277 f. 574

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

ausdrücklich benannte Vertragspartei, sondern auch gegen einen weiteren durch den Sachvortrag berührten Staat richte. Eine Notwendigkeit, nach einer abgewandelten Monetary Gold-Doktrin von der Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Vertragspartei aufgrund der Betroffenheit einer weiteren Vertragspartei abzusehen, sollte sich daher nie ergeben. Dagegen spricht im Übrigen auch, dass ein Urteil mit inzidenten Ausführungen über den Drittstaat kaum als einem direkten Urteil gegen den Dritten gleichwertig angesehen werden kann. Zum einen ist die Rechtsprechung des EGMR bereits zu alltäglich, als dass auch inzidenten Aussprüchen ein besonderer Wert beigelegt würde. Wenn der Beschwerdeführer leicht auch einen rechtswirksamen Ausspruch gegenüber dem Drittstaat hätte erreichen können, indem er auch diesen zum Beschwerdegegner macht, besteht für eine solche überbordende Bewertung der Urteilsgründe wenig Anlass. Zum anderen liegt der Wert eines Urteils des EGMR oftmals nicht nur in der gerichtlichen Feststellung, deren Nutzen über die eigentliche Verbindlichkeit des Urteils hinausgehen kann, sondern in der Verpflichtung des beschwerdegegnerischen Staates und den Konsequenzen für die innerstaatliche Rechtspraxis gegenüber dem Beschwerdeführer.579 Diese Konsequenzen und diesen Wert hat ein Urteil gegen eine Partei der Konvention, das inzident Aussagen über eine weitere Partei trifft, gegenüber der letzteren Partei nicht. Bereits die Annahme der Monetary Gold-Doktrin, dass eine inzidente Feststellung über einen nicht am Verfahren beteiligten Staat seiner Verurteilung praktisch gleichstehe, ist daher beim EGMR nicht naheliegend. Anders liegt das Problem, wenn der betroffene weitere Staat selbst nicht Partei der EMRK ist. Dann hat dieser Staat die abstrakte Jurisdiktion des EGMR gerade nicht anerkannt, und dann kann er auch nicht als weiterer Beschwerdegegner in das Verfahren einbezogen werden. Solche Fälle können namentlich dann vorkommen, wenn mit einer Beschwerde vor dem EGMR einer Partei der Konvention vorgeworfen wird, in Zusammenwirken mit einem anderen Staat, der nicht Partei der Konvention ist, Menschenrechte verletzt zu haben. Zu Fällen der Auslieferung oder Abschiebung durch eine Vertragspartei in einen anderen Staat wurde freilich oben bereits ausgeführt, dass diese inhaltlich keine Drittstaatsfragen580 im Sinne der Monetary Gold-Doktrin auslösen, weil das Überstellungsverbot in diesen Fällen nur an die Gefährdung durch die Partei der EMRK anknüpft und keinen völkerrechtswidrigen Akt des Zielstaats voraussetzt.581 Aus demselben Grund wird auch kein Problem unter der Monetary Gold-Doktrin ausgelöst, wenn wegen des Verhaltens

579 Vgl. zu den Rechtswirkungen eines Urteils des EGMR nur Breuer, in: Karpenstein/ Mayer, Art. 46 Rn. 31 ff.; Grabenwarter/Pabel, EMRK, § 16 Rn. 2 ff. 580 Im Individualbeschwerdeverfahren wird es sich freilich in der Regel nicht um einen dritten, sondern nur um einen zweiten Staat handeln. Vgl. zur Terminologie dieser Arbeit aber die Bemerkungen in der Einleitung, Fn. 27. 581 S. o., 2. Teil A. I. 1. b) bb) dieser Arbeit.

C. Exkurs

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eines Drittstaats positive Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssen.582 Dann kommt es ebenfalls nicht auf irgendeine Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Drittstaats an, sondern nur auf das Bestehen der Gefahr als solcher. Ein Problem im Sinne der Monetary Gold-Doktrin kann sich daher im Verhältnis zu einem Staat, der nicht Partei der EMRK ist, nur ergeben, wenn in einer Beschwerde einer Partei der Konvention vorgeworfen wird, an einem selbst rechtswidrigen Akt des Drittstaats mitgewirkt zu haben, und wenn diese Rechtswidrigkeit eine zwingende Voraussetzung der Verantwortlichkeit des Beschwerdegegners ist. Insbesondere Fälle der Beihilfe zu einem fremden Delikt könnten demnach problematisch sein.583 Solche Fallkonstellationen können aber ohnehin nicht vom EGMR entschieden werden, weil das Recht der EMRK keine Pflichten ihrer Parteien mit spezifischem Bezug zu völkerrechtswidrigem Handeln fremder Staaten kennt, sondern allenfalls an die Gefährdungslage anknüpft, und der EGMR sonstige Verbote der Beihilfe oder Mittäterschaft – namentlich aus dem Völkergewohnheitsrecht – wegen seiner auf die EMRK begrenzten inhaltlichen Jurisdiktion nicht anwenden kann.584 Konventionsfremdes Recht kann er allenfalls zur Auslegung der EMRK heranziehen; ein Urteil kann er auf solche Rechtsquellen jedoch nicht stützen.585 Insbesondere gewohnheitsrechtliche Tatbestände wie das Verbot der Beihilfe sind dem Gerichtshof daher entzogen. Daraus folgt, dass Vorfragen zur völkerrechtlichen Verantwortlichkeit von Staaten, die nicht Partei der EMRK sind, sich dem EGMR bereits aus inhaltlichen Gründen nicht stellen können. Der EGMR unterliegt der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin daher nicht. Entweder handelt es sich bei dem Drittstaat um eine Partei der EMRK – dann unterliegt auch dieser der Jurisdiktion des EGMR und kann in das Verfahren einbezogen werden –, oder der Drittstaat ist keine Vertragspartei – dann liegen alle Normen, die eine Völkerrechtsverletzung des Drittstaats zur Voraussetzung haben, bereits jenseits der inhaltlichen Jurisdiktion des EGMR. Etwas anderes könnte nur gelten, soweit der EGMR im Rahmen seiner auf die EMRK begrenzten Zuständigkeit auch Sekundärnormen des Rechts der Staatenverantwortlichkeit,586 etwa betreffend die Zurechnung von Handlungen zu einem 582 Vgl. zur Pflicht der Schutzgewährung gegen Private nur EGMR, Osman v. United Kingdom (GC), RJD 1998-VIII, S. 3124, 3159 (Art. 2 EMRK); A v. United Kingdom, RJD 1998VI, S. 2962, 2968 (Art. 3 EMRK); Siliadin v. France, RJD 2005-VII, S. 289, 324 (Art. 4 EMRK). Im Übrigen s. o., 2. Teil Fn. 48. 583 Vgl. dazu oben, 2. Teil A. I. 1. b) aa) dieser Arbeit. 584 Art. 19, 32 Abs. 1 EMRK. Vgl. dazu EGMR, García Ruiz v. Spain, RJD 1999-I, S. 87, 98; Thienel, in: Karpenstein/Mayer, Art. 53 Rn. 12. 585 Vgl. zu dieser Unterscheidung Thienel, GYIL 50 (2007), S. 543, 558 f. 586 Vgl. zur Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärnormen im Recht der Staatenverantwortlichkeit nur den Kommentar der ILC zu ihren Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts , UN Doc. A/56/10, S. 43, 59 f., sowie Milanovic´, EJIL 17 (2006), S. 553, 559 ff. Vgl. zur Anwendung der Zurechnungsnormen des allgemeinen Völkerrechts durch den EGMR nur Schütze, Zurechenbarkeit, S. 103. Der EGMR hat bisweilen

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Staat oder einer internationalen Organisation, zu prüfen hätte, die ebenfalls für NichtParteien der EMRK Geltung besitzen. Insoweit ist es strukturell vorstellbar, dass innerhalb der inhaltlichen Jurisdiktion ein Rechtsverhältnis einer Nicht-Partei der Konvention relevant wird. Zumindest teilweise auf dieses Problem bezogen sich die bisherigen Bezugnahmen auf die Monetary Gold-Doktrin in Parteivortrag vor dem EGMR. Zunächst wurde die Monetary Gold-Rechtsprechung des IGH im Fall Bankovic´ vorgebracht, als es um einen Luftangriff auf einen Rundfunksender in Belgrad im Rahmen einer NATO-Mission ging. Beschwerdegegner waren die europäischen Mitgliedstaaten der NATO, die an der Mission teilgenommen hatten; die Verantwortung für den konkreten Beschuss des Senders war dabei ungeklärt. Vor diesem Hintergrund trugen die Beschwerdegegner vor, eine Entscheidung des EGMR über die Begründetheit der Beschwerde verstieße gegen die Monetary GoldDoktrin, weil der Gerichtshof mit einem Ausspruch über den Luftangriff nicht nur die Rechte und Pflichten der Beschwerdegegner, sondern auch die Rechte der USA, Kanadas und der NATO selbst in den Blick nehmen würde.587 In ähnlicher Weise wurde später im Fall Behrami und Saramati seitens der Beschwerdegegner Frankreich und Norwegen argumentiert, der EGMR könne nicht über die Rechtmäßigkeit bestimmter Verhaltensweisen im Rahmen einer UN-Mission entscheiden, weil er damit über die Rechte und Pflichten Dritter entscheiden würde, die nicht Parteien der Konvention seien588 (in Betracht kamen die UN und die außereuropäischen Staaten, die Personal zur Polizei der UNMIK entsandt hatten589). Jeweils dürfte hier gemeint gewesen sein, dass der EGMR sowohl über die Zurechnung der streitgegenständlichen Handlungen zu den Beschwerdegegnern oder einem Dritten als auch u. U. über die materielle Rechtmäßigkeit dieser Handlungen entscheiden werde. Diese Ansätze gingen jedoch fehl. Richtigerweise entscheidet der EGMR – im Sinne der Maßgaben der Monetary Gold-Doktrin, ihre Anwendbarkeit unterstellt – weder über die Zurechnung einer vor ihm streitgegenständlichen Handlung zu einem Drittstaat oder einer internationalen Organisation, noch entschiede er, wenn dieselbe Handlung sowohl dem Beschwerdegegner als auch einem Dritten zurechenbar wäre, über den Dritten zugleich mit dem Beschwerdegegner. Zunächst wird die Zurechnung zu einem Dritten nicht als solche vom EGMR geprüft. Der EGMR kann von vornherein nur die Verantwortlichkeit von Parteien der EMRK für Verletzungen dieser Konvention feststellen. Ist eine Handlung einem Beschwerdegegner nicht zurechenbar, ist der Gerichtshof ratione personae unzuaber auch der EMRK eigene Zurechnungsnormen entnommen; vgl. z. B. EGMR, CostelloRoberts v. United Kingdom, Series A, No. 247-C, Rn. 27 f. 587 EGMR, Bankovic´ and Others v. Belgium and Others (GC), RJD 2001-XII, S. 333, 345. 588 EGMR, Behrami and Behrami v. France, Saramati v. France, Germany and Norway (GC), ILM 46 (2007), S. 746, 760. 589 Vgl. zur Zusammensetzung der Polizei z. B. Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, UN Doc. S/2001/565, S. 19 (dort zum Stand des 21. 05. 2001).

C. Exkurs

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ständig.590 Die Beschwerde wird dann folglich gemäß Art. 35 Abs. 3 EMRK für unzulässig erklärt. Eine Entscheidung über Dritte findet in einem solchen Fall nicht statt. Die Entscheidung des Gerichtshofs beschränkt sich vielmehr darauf, dass er keine Entscheidung treffen könne. Selbst wenn der Gerichtshof dabei in seinen Entscheidungsgründen ausführen sollte, dass die fragliche Handlung nicht dem Beschwerdegegner, sondern einem Dritten zurechenbar sei, wäre diese positive Zuordnung der Handlung zum Dritten keine zwingende Voraussetzung der Entscheidung über die fehlende Zurechnung zum Beschwerdegegner. Die Nicht-Zurechnung zum Beschwerdegegner folgt nicht aus der Zurechnung zum Dritten, sondern daraus, dass in der Person des Beschwerdegegners die rechtlichen Voraussetzungen der Zurechnung nicht erfüllt sind. Die Zurechnung zum Dritten ist dann allenfalls eine parallele Rechtsfolge dieses Umstands, aber nicht vorgängig zu prüfen. Insofern liegt es dann wie im Nauru-Fall, in dem aus dem Sachurteil des IGH über Australien ebenfalls rechtlich zwingend abzuleiten gewesen wäre, dass auch das Vereinigte Königreich und Neuseeland hafteten, in dem aber die Verantwortlichkeit dieser beiden Staaten nicht Voraussetzung der Haftung Australiens war.591 Auch ist die Sachentscheidung des Gerichtshofs über eine dem Beschwerdegegner zurechenbare Handlung nicht etwa deshalb unzulässig, weil für dieselbe Handlung nicht anstelle des Beschwerdegegners, sondern neben ihm auch ein Dritter haftbar sein könnte.592 Selbst wenn dies der Fall wäre – was der EGMR nicht aussprechen würde –, läge nämlich ebenfalls nur ein Fall der parallelen Verantwortlichkeit wie im Nauru-Fall vor.593 Logisch notwendig und damit in die Entscheidung des Gerichtshofs einbezogen wäre eine Äußerung über den Dritten damit nicht. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass der EGMR jemals die Monetary GoldDoktrin oder eine inhaltsgleiche Auffassung anwenden wird. Dieser Notwendigkeit steht einerseits die zwingende Jurisdiktion des EGMR über die Vertragsstaaten der EMRK, andererseits seine von vornherein begrenzte inhaltliche Jurisdiktion entgegen. Anzumerken ist im Übrigen, dass das Verfahrensrecht des EGMR für Drittstaaten, deren Interessen (unterhalb der Schwelle der Monetary Gold-Doktrin) betroffen sein können, die Möglichkeit – nicht aber das subjektive Recht594 – einer Intervention gemäß Art. 36 Abs. 2 2. Var. EMRK bereithält.595

590 EGMR, Behrami and Behrami v. France, Saramati v. France, Germany and Norway (GC), ILM 46 (2007), S. 746, 773; Schäfer, in: Karpenstein/Mayer, Art. 35 Rn. 94, 96, 98; Schütze, Zurechenbarkeit, S. 103, 105 f. 591 S. o., 2. Teil A. I. 1. a) dieser Arbeit. 592 Vgl. EGMR, Al-Jedda v. United Kingdom (GC), verfügbar unter http://echr.coe.int, Rn. 80, wo der EGMR die Frage herausstellt, ob eine etwaige Zurechenbarkeit zu den UN diejenige zum Beschwerdegegner aufgehoben habe. Damit hat der Gerichtshof eine Zurechnung zu beiden Akteuren als denkbar anerkannt; dazu Milanovic´, EJIL 23 (2012), S. 121, 136. 593 So auch Lorenz, Anwendungsbereich, S. 291 f.; Orakhelashvili, EJIL 14 (2003), S. 529, 538 Fn. 35. 594 Wenzel, in: Karpenstein/Mayer, Art. 36 Rn. 7.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

III. Zur Streitbeilegung in der WTO Ganz ähnlich verhält es sich mit der Drittbetroffenheit in den gerichtsförmigen Streitbeilegungsverfahren der WTO. Der Dispute Settlement Body, der die Panels einsetzt und den Bericht des Panels oder ggf. des Appellate Body annimmt,596 besitzt eine zwingende,597 inhaltlich auf die vom Dispute Settlement Understanding598 erfassten Verträge begrenzte,599 Jurisdiktion. Das Problem, dass ein von einer Entscheidung betroffener Dritter die Jurisdiktion des Spruchkörpers nicht anerkannt hat, kann daher innerhalb der Gruppe der Parteien des DSU nicht auftreten, und der Dritte könnte auch in jedem Fall ohne seine besondere Zustimmung in das Verfahren einbezogen werden. Ist der Dritte dagegen keine Partei des DSU, so wird das Panel (und ggf. der Appellate Body) bereits wegen der Begrenzung seiner inhaltlichen Jurisdiktion keine Norm gegenüber dem Antragsgegner anwenden können, die einen Völkerrechtsverstoß des Dritten zur zwingenden Voraussetzung hat. Die Monetary Gold-Doktrin dürfte daher im Dispute Settlement Body nicht durchdringen können.600

595 Art. 36 Abs. 1 EMRK bezieht sich, in Anknüpfung an das Rechtsinstitut des diplomatischen Schutzes (Knebelsberger, Wirkweise, S. 151 Fn. 430; Sicilianos, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 123, 124), nur auf den Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer besitzt, und nur auf Vertragsstaaten der EMRK. Art. 36 Abs. 2 1. Var. EMRK betrifft ebenfalls nur Parteien der Konvention. Art. 36 Abs. 2 2. Var. EMRK hat dagegen einen denkbar weiten Anwendungsbereich und umfasst z. B. Nichtregierungsorganisationen mit einem Interesse an den Rechtsfragen oder dem Fall und u. U. die Prozessgegner des Beschwerdeführers aus den innerstaatlichen Verfahren (Sicilianos, ebda., S. 133, 135 ff.; Wenzel, in: Karpenstein/Mayer, Art. 36 Rn. 9 f.; vgl. auch den Heijer, JIDS 4 (2013), S. 343, 376; Sudre, RGDIP 94 (1990), S. 103, 107). Bereits unter dem letzteren Gesichtspunkt wird etwa beim Streit über ein Auslieferungsverbot ein Drittstaat mit einem Auslieferungsanspruch als Intervenient in Betracht kommen (a.A. den Heijer, JIDS 4 (2013), S. 343, 376 f.). Als Intervenient kann sich ein Drittstaat dann in begrenztem Maß zur Sache äußern (dazu Wenzel, in: Karpenstein/Mayer, Art. 36 Rn. 13). Sudre, RGDIP 94 (1990), S. 103, 107, kritisiert, dass der EGMR in Soering v. United Kingdom auch einen möglichen Konventionsverstoß geprüft hat, den nur der Intervenient – Amnesty International – gerügt hatte (Series A, No. 161, Rn. 101 ff.). Das bedeutet indes nicht, dass der Nebenintervenient ein eigenes Antragsrecht gehabt hätte. Vielmehr darf der EGMR im Rahmen des Sachverhalts der Beschwerde seine eigene rechtliche Charakterisierung vornehmen; an die einzelnen rechtlichen Rügen ist er nicht gebunden, auch wenn er sich zumeist eng an ihnen orientiert: EGMR, Guerra and Others v. Italy (GC), RJD 1998-I, S. 210, 223; Karpenstein/Johann, in: Karpenstein/Mayer, Art. 32 Rn. 3. 596 Zusammenfassend hierzu Lock, Verhältnis, S. 224. 597 Angelet, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 207, 208 f., 212; Tomuschat, in: Zimmermann/Tomuschat/Oellers-Frahm/Tams, Art. 36 Rn. 143. 598 Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes, UNTS 1869, S. 401 (im Folgenden: DSU). 599 Art. 3 Abs. 2 Satz 2 DSU; dazu Mavroidis, in: Wolfrum/Stoll/Kaiser, Art. 7 DSU Rn. 5. 600 Angelet, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 207, 212; Arend, in: Wolfrum/Stoll/Kaiser, Art. 10 DSU Rn. 20; Aust, Complicity, S. 312 f.; vgl. Iwasawa, FS Oda, S. 871, 890 f.; Vermeer-Künzli, in: Nollkaemper/Plakokefalos, S. 251, 278 ff.; anders Akande, Aggression, S. 19.

C. Exkurs

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Anders als der EGMR hat ein Panel des Dispute Settlement Body bereits zur Frage der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin Stellung genommen. Im Fall Turkey – Textiles hatte die Türkei in Umsetzung eines Zollunionsabkommens mit der EG bestimmte Handelsbeschränkungen erlassen. Indien leitete daraufhin das Streitbeilegungsverfahren nach dem DSU ein, benannte aber nicht zugleich die EG als Gegenpartei. Die Türkei brachte daher zunächst vor, die EG sei eine notwendige dritte Partei und der indische Antrag sei unzulässig, weil er sich nicht auch gegen die EG richte. Das eingesetzte Panel antwortete auf diesen Vortrag zunächst in einem „preliminary ruling“: „We can find no provision in the DSU that would prevent India from initiating a panel procedure against measures imposed by Turkey in these circumstances. Moreover, we are not aware of any general rule applicable to cases in which disputed measures arise from a bilateral or multilateral agreement, that would prohibit a Member from initiating a dispute settlement procedure against one party to such agreement. Accordingly, we do not accept Turkey’s claim that India’s request should be rejected at this stage of the panel process because India’s request was not directed against all parties to the trade agreement which, according to Turkey, forms the basis for the introduction of the measures at issue.“601

Später nahm das Panel die Fragestellung in seinem Bericht wieder auf. Dort wies es zunächst darauf hin, dass das DSU kein besonderes Verfahren für das Vorgehen gegen Handelsbeschränkungen aufgrund einer Zollunion kenne und dass die Zollunion zwischen der EG und der Türkei auch nicht als solche zum Antragsgegner in einem Verfahren nach dem DSU gemacht werden könne, weil sie – anders als ihre Parteien – keine Rechtspersönlichkeit in der Rechtsordnung der WTO besitze.602 Anschließend referierte das Panel die Monetary Gold-Rechtsprechung des IGH und dabei insbesondere die Vorfragendogmatik aus dem Nauru-Urteil.603 Vor diesem Hintergrund hielt das Panel fest, dass sich ihm keine Vorfrage betreffend einen Anspruch gegen die EG stelle.604 Bereits deshalb schied also eine Unzulässigkeit aufgrund der Monetary Gold-Doktrin aus. Das Panel fuhr jedoch unmittelbar fort: „It should be noted that there is no WTO concept of ,essential parties‘. Based on our terms of reference and the fact that we have decided […] not to examine the GATT/WTO compatibility of the Turkey-EC customs union, we consider that the European Communities was not an essential party to this dispute; the European Communities, had it so wished, could have availed itself of the provisions of the DSU, which we note have been interpreted with a degree of flexibility by previous panels, in order to represent its interests. We recall in this context that Panel and Appellate Body reports are binding on the parties only.“605

601 Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, Preliminary Ruling, wiedergegeben im Panel Report vom 31. 05. 1999, WT/DS34/R, Rn. 9.5. 602 Ebda., Rn. 9.6. 603 Ebda., Rn. 9.8 ff. 604 Ebda., Rn. 9.10. 605 Ebda., Rn. 9.11 (Hervorhebung nicht im Original).

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

Das Panel hat also nicht nur im Wege der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin eine Unzulässigkeit des Antrags abgelehnt, sondern hat zugleich darauf hingewiesen, dass die Doktrin im Recht der WTO und des DSU ohnehin nicht anwendbar sei. Es hat die Berücksichtigung der Interessen der EG vielmehr auf die Möglichkeit einer Intervention gemäß Art. 10 Abs. 2 DSU als „third party“606 beschränkt.607

IV. Zum Internationalen Strafgerichtshof Ganz anders stellt sich die Frage nach einer möglichen Betroffenheit von Drittstaaten beim Internationalen Strafgerichtshof dar, denn dieser entscheidet weder über Streitfälle zwischen Staaten noch überhaupt über die Rechte und Pflichten von Staaten. Er ist vielmehr ein Strafgericht,608 und die Bestimmungen seines Statuts über die strafrechtliche Verantwortlichkeit berühren ausdrücklich nicht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten.609 Gleichwohl ergeben sich verschiedene Aspekte, unter denen die Rechte und Pflichten von Staaten durch einen Ausspruch des Gerichtshofs berührt werden könnten. Diese werden nun daraufhin zu untersuchen sein, ob jeweils eine Anwendung der Monetary Gold-Doktrin, mit dem Gebot der Zustimmung und der Anhörung des jeweiligen Staates, in Betracht kommt. 1. Komplementarität des IStGH und Strafverfolgungspflichten der Staaten Eine erste Möglichkeit, dass Entscheidungen des IStGH Implikationen für die rechtlichen Interessen von Staaten habe, ergibt sich bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Anklage. Gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. a) des Statuts des IStGH ist eine Sache unzulässig, wenn bereits von einem Staat, der insoweit Gerichtsbarkeit besitzt, Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchgeführt werden, es sei denn, der 606

Eine dritte Partei im engeren Sinne wird der Dritte nicht: Iwasawa, FS Oda, S. 871, 889. Zu diesem Recht Arend, in: Wolfrum/Stoll/Kaiser, Art. 10 DSU Rn. 4 ff.; Iwasawa, FS Oda, S. 871, 887 f. Die Regelung in Art. 10 Abs. 4 DSU, nach der Dritte, die eigene Rechte aus einem vom DSU erfassten Vertrag durch eine bereits in einem Streitbeilegungsverfahren befindliche Maßnahme verletzt sehen, „normal dispute settlement procedures under this Understanding“ einleiten können, meint nicht eine Form der Beteiligung an dem laufenden Verfahren, sondern die Einleitung eines eigenen Verfahrens: Arend, in: Wolfrum/Stoll/Kaiser, Art. 10 DSU Rn. 16. 608 Vgl. nur Art. 1 Satz 2 („[The Court] shall have power to exercise its jurisdiction over persons for the most serious crimes of international concern“, Hervorhebung nicht im Original) und Art. 25 Abs. 1 („The Court shall have jurisdiction over natural persons pursuant to this Statute“), und dazu Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 634. 609 Art. 25 Abs. 4 des Statuts des IStGH („No provision in this Statute relating to individual criminal responsibility shall affect the responsibility of States under international law“); dazu Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 634; Aust, Complicity, S. 315 f.; Crawford, State Responsibility, S. 667. 607

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Staat sei nicht willens oder nicht in der Lage, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen. Der IStGH hat daher bei der Prüfung der Zulässigkeit eines vor ihn gebrachten Falls zu prüfen, ob ein zuständiger Staat ernsthafte Maßnahmen der Strafverfolgung eingeleitet hat. Da es eine allgemeine völkerrechtliche Pflicht zur Verfolgung derjenigen Verbrechen gibt, die in die inhaltliche Jurisdiktion des IStGH fallen,610 soll damit nach einer Ansicht die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten für die Verletzung dieser Strafverfolgungspflicht in den Blick genommen werden.611 Träfe das zu, so läge jedenfalls der Gedanke nicht fern, dass der IStGH mit der Annahme der Zulässigkeit der Sache zugleich zum Ausdruck bringen könnte, dass ein Staat, der zwar hinreichenden Zugriff auf die Verdächtigen und die Beweismittel hatte, aber untätig geblieben ist, seine Strafverfolgungspflicht verletzt habe. Richtigerweise wird der Gerichtshof hierzu jedoch keinen Ausspruch tätigen. Für seine Prüfung der Zulässigkeit ist nur maßgeblich, ob die Sache einer ernsthaften Strafverfolgung unterliegt, nicht ob eine etwaige Unterlassung der Strafverfolgung völkerrechtswidrig ist.612 Dies zeigt sich auch daran, dass ein Staat nicht gegen Völkerrecht verstoßen hat, wenn er tatsächlich unfähig war, die an sich gebotene Strafverfolgung durchzuführen.613 Die Entscheidung des IStGH nach Art. 17 Abs. 1 lit. a) seines Statuts wird folglich höchstens eine unbestimmte Implikation hinsichtlich eines möglichen Völkerrechtsverstoßes eines Staates enthalten. Bloße Implikationen sind aber unter der Monetary Gold-Doktrin unbedenklich.614 Eine Vorfrage der Verantwortlichkeit für die Unterlassung der Strafverfolgung stellt sich dem Gerichtshof nicht.

610 Vgl. Abs. 6 der Präambel des Statuts des IStGH; Bitti, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 191, 192; Hafner/Boon/Rübesame/Huston, EJIL 10 (1999), S. 108, 110 ff. Richter Abraham hat dagegen nur eine gewohnheitsrechtliche Pflicht zur Strafverfolgung unter Beanspruchung des Weltrechtsprinzips, also bei Fehlen eines klassischen Jurisdiktionstitels, verneint: IGH, Questions relating to the Obligation to Prosecute or Extradite, Merits, Separate Opinion of Judge Abraham, ICJ Reports 2012, S. 471, 477 ff. 611 Bitti, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 191, 192. 612 Vgl. Mégret, EJIL 12 (2001), S. 247, 249. 613 Insofern ist es nicht nötig, auf den Rechtfertigungsgrund der höheren Gewalt (vgl. Art. 23 der ILC Articles on the Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts, UN Doc. A/56/10, S. 43, 48 f.) zurückzugreifen. Die Strafverfolgungspflicht ist nämlich eine Pflicht, die jeweils gebotene Sorgfalt („due diligence“) anzuwenden (IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 221; Tams, in: ders./Berster/Schiffbauer, Art. I Rn. 44; vgl. StIGH, Case of the S.S. Lotus, Dissenting Opinion by Mr. Moore, PCIJ Series A No. 10, S. 65, 88 f.; U.S. Supreme Court, United States v. Arjona, 120 U.S. 479, 484 (1887)). Es sind deshalb jedenfalls nur solche Maßnahmen zu treffen, die dem Staat zur Verfügung stehen: IGH, Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia), Merits, ICJ Reports 2007, S. 43, 221; Tams, in: ders./Berster/Schiffbauer, Art. I Rn. 44 f.; vgl. auch ILC, Commentary on the Draft Articles on Prevention of Transboundary Harm from Hazardous Activities, UN Doc. A/56/10, S. 377, 391 f.; Birnie/Boyle/Redgwell, Environment, S. 147 f., 149. 614 S. o., 1. Teil A. VI. und B. IV. dieser Arbeit.

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

2. Mitverurteilung eines Staates bei Verurteilungen wegen Völkermords, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit Ein zweites Problem stellt sich, wenn der IStGH eine Person wegen Verbrechen verurteilt, die diese als Staatsorgan oder in Umständen begangen hat, die auf andere Weise eine Zurechnung der Tat zu einem Staat begründen. Dies wird bei Kriegsverbrechen oft der Fall sein, weil diese an die Teilnahme des Täters an einem bewaffneten Konflikt anknüpfen,615 und die kriegführende Partei des Täters oft ein Staat sein wird. In Fällen des Völkermords wird es ebenfalls oft um staatliche Handlungen gehen, weil die Definition des Völkermords eine Absicht voraussetzt, eine bestimmte Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.616 Diese Absicht wird oft von einer größeren Gruppe, namentlich auf Veranlassung einer Staatsführung, geteilt werden, nicht zuletzt weil es größerer Anstrengungen bedürfen wird, eine solche Absicht umzusetzen. Verbrechen gegen die Menschlichkeit schließlich werden oft eine Verbindung zu einem Staat aufweisen, weil deren Definition einen ausgedehnten oder systematischen Angriff gegen eine Zivilbevölkerung verlangt.617 Dieser Angriff muss zwar nicht von einem Staat ausgehen,618 wird aber doch oft von einem organisierten Staatsapparat begangen werden.619 Ist demnach aber die Straftat eines Angeklagten zugleich ein völkerrechtliches Delikt des Staates,620 und erwähnt der IStGH in seinem Urteil die Eigenschaft des Angeklagten als Staatsorgan (oder anderer Handelnder eines Staates) und z. B. die Existenz weiterer staatlicher Verbrechen als Teil des erforderlichen ausgedehnten oder systematischen Angriffs, so stellt das Urteil zugleich implizit die Verantwortlichkeit des Staates fest. Insofern wird teilweise die Monetary Gold-Doktrin für anwendbar gehalten, und die Jurisdiktion des IStGH über Angehörige (und Organe) von Staaten, die nicht Parteien des Statuts des IStGH sind, kritisiert.621 Das ist jedoch bereits dem Inhalt der Monetary Gold-Doktrin nach nicht überzeugend. Der IStGH ist, wie bereits bemerkt wurde, ein Strafgericht und übt als solches nur eine strafrechtliche Jurisdiktion über Individuen aus. Fragen der Staatenverantwortlichkeit stellen sich ihm in den hier diskutierten Fällen nicht,622 und 615

Vgl. Art. 8 Abs. 2 des Statuts des IStGH. Art. 6 des Statuts des IStGH. 617 Art. 7 des Statuts des IStGH. 618 Vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a des Statuts des IStGH, und dazu Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 636 mit Fn. 109; Dixon/Hall, in: Triffterer, Art. 7 Rn. 91 f. 619 So und zu dem Vorgehenden Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 636; Mégret, EJIL 12 (2001), S. 247, 253. 620 Vgl. zur Geltung namentlich des strafrechtlichen Völkermordverbots auch als Verbotsnorm für Staaten oben, 2. Teil B. I. 1. b) aa) dieser Arbeit. 621 Morris, Law and Contemporary Problems 64/1 (2001), S. 13, 21; etwas vorsichtiger Wedgwood, ebda., S. 193, 199 („the matter is closely akin to the jurisdictional prerequisite of an ,indispensable third party‘“); offen Aust, Complicity, S. 316. 622 Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 636 f.; Crawford, State Responsibility, S. 668; Mégret, EJIL 12 (2001), S. 247, 253 f. 616

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zwar erst recht nicht als Vorfrage für die Entscheidung über die Strafbarkeit der Angeklagten.623 Selbst wenn der IStGH einmal einen ausgedehnten oder systematischen Angriff durch einen Staat feststellen muss, um zur Anwendbarkeit des Art. 7 seines Statuts zu kommen, geht es ihm nur um die Tatsache des Angriffs, nicht um dessen Rechtswidrigkeit. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 7 des Statuts des IStGH. Andernfalls wäre auch nur über eine Völkerrechtssubjektivität jeder angreifenden Organisation zu begründen, dass der ausgedehnte oder systematische Angriff gemäß Art. 7 Abs. 2 lit. a des Statuts des IStGH auch von einer nicht-staatlichen Organisation ausgehen kann. Aus der Verurteilung staatlicher Funktionsträger durch den IStGH mag sich demnach zwar eine Implikation dahingehend ergeben, dass der Staat Völkerrecht verletzt habe.624 Wie ebenfalls vorstehend bemerkt wurde, lösen bloße Implikationen aber nach dem Inhalt der Monetary Gold-Doktrin noch keine Sperrwirkung für die Sachentscheidung eines Gerichts aus. Die Doktrin hindert daher den IStGH nicht an der Entscheidung über die Strafbarkeit der Funktionsträger von Drittstaaten. Allerdings stellt sich in einem solchen Fall die Frage, ob nicht die funktionale Immunität der Funktionsträger einer Entscheidung des IStGH entgegensteht. Dies könnte zu verneinen sein, weil es bereits kraft Gewohnheitsrechts keine Immunitäten gegenüber internationalen Strafgerichten625 oder für völkerrechtliche Verbrechen626 gebe. Diese Fragen liegen allerdings jenseits des Themas dieser Arbeit und sollen hier nicht weiter untersucht werden. 3. Mitverurteilung eines Staates bei einer Verurteilung wegen Aggression In anderer und komplexerer Weise tritt das Problem der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin hinsichtlich des Verbrechens der Aggression auf, das von Anfang an im Statut des IStGH angesprochen war, aber zunächst noch keine Definition erhalten hat und nicht vom Gerichtshof anzuwenden war.627 Das Problem basiert bei diesem Verbrechen auf dem Umstand, dass die Strafbarkeit eines Täters wegen einer Aggression zunächst einen (qualifizierten) Verstoß gegen das Gewaltverbot gemäß Art. 2 Abs. 4 der Charta voraussetzt.628 Bevor ein Angeklagter also wegen Aggression verurteilt werden kann, muss der IStGH zwingend vorgängig entscheiden, 623

Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 636; vgl. Crawford, State Responsibility, S. 668. Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 637. 625 S. o., 1. Teil Fn. 732. 626 S. o., 1. Teil Fn. 1038. 627 Vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. d, Abs. 2 des Statuts des IStGH. 628 Vgl. Art. 8bis Abs. 1 der Vertragsänderungen, Annex I der Resolution RC/Res.6 der Review Conference, ILM 49 (2010), S. 1334 ff. („manifest violation of the Charter“), und dazu O’Connell/Niyazmatov, JICJ 10 (2012), S. 189, 193, 200 ff.; Schmalenbach, JZ 65 (2010), S. 745, 747. 624

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

dass ein Staat – fast zwingend der Heimatstaat des Angeklagten – das Gewaltverbot verletzt hat.629 Dem Gerichtshof stellt sich damit eine notwendige Vorfrage im Sinne der Monetary Gold-Doktrin.630 Daher tritt hier die Frage der Übertragbarkeit der Monetary Gold-Doktrin auf den IStGH in ihrer vollen Schärfe auf, während bisher ein Eingreifen der Doktrin schon ihrem Inhalt nach verneint werden konnte. Das Problem hat zwar einiges von seiner Brisanz dadurch verloren, dass mit den Vertragsänderungen, die das Verbrechen der Aggression definieren und die Jurisdiktion des IStGH hierüber begründen sollen, zugleich zwei Ausnahmen von dieser Jurisdiktion eingeführt wurden. Zum einen darf der IStGH weiterhin keine Jurisdiktion über Aggressionsverbrechen ausüben, die von Staatsangehörigen oder auf dem Territorium von Staaten begangen werden, die nicht Parteien des Statuts des IStGH sind.631 Zum anderen sollen Staatsangehörige und Aggressionsverbrechen auf dem Territorium von Parteien des Statuts ebenfalls nicht der Jurisdiktion des IStGH unterliegen, soweit die Parteien diese Jurisdiktion in einer besonderen Erklärung ausgeschlossen haben.632 Die Jurisdiktion des IStGH hinsichtlich der Aggression über die Staatsbürger oder das Territorium von Staaten, die die Vertragsänderungen nicht angenommen haben, ist also betreffend Nicht-Parteien seines Statuts von vornherein ausgeschlossen und kann von Parteien des Statuts ausgeschlossen werden.633 Damit ist auch das Problem der Monetary Gold-Doktrin weitgehend ausgeräumt, denn wenn keine Entscheidung über die Strafbarkeit eines Staatsangehörigen eines Drittstaats zu treffen ist, wird auch keine inzidente Entscheidung über den Verstoß dieses Drittstaats gegen das Gewaltverbot ergehen. Gleichwohl ist es gerade 629 House of Lords, R. v. Jones (Margaret) [2006] UKHL 16, [2007] 1 AC 136, Rn. 30 (Lord Bingham of Cornhill); Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 637; ders., Aggression, S. 16 f.; Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 176; Reisinger Coracini, GoJIL 2 (2010), S. 745, 772; Van Schaack, JICJ 10 (2012), S. 133, 149. 630 Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 637; ders., Aggression, S. 16 f. Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 176, beschreibt Akandes Argumentation als „forceful“. 631 Art. 15bis Abs. 5 der Vertragsänderungen, Annex I der Resolution RC/Res.6 der Review Conference, ILM 49 (2010), S. 1334 ff. Kritisch Zimmermann, JICJ 10 (2012), S. 209, 221 ff. Vgl. zum Ausnahmefall einer Resolution des Sicherheitsrats gemäß Art. 13 lit. b des Statuts des IStGH, Kapitel VII der Charta und Art. 15ter der neuen Vertragsänderungen Akande, Aggression, S. 36 ff.; Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 177; Schmalenbach, JZ 65 (2010), S. 745, 751 f. 632 Art. 15bis Abs. 4 der Vertragsänderungen. Vertragsrechtlich motivierte Kritik an dieser Bestimmung findet sich bei Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 180 ff., Schmalenbach, JZ 65 (2010), S. 745, 750 f., und Zimmermann, JICJ 10 (2012), S. 209, 223 f., wobei insbesondere Milanovic´ auch an der Wirksamkeit der Bestimmung zweifelt. Hier wird, da es hierauf für die sachliche Anwendbarkeit der Monetary Gold-Doktrin nicht ankommt, von der Wirksamkeit des zitierten Art. 15bis Abs. 4 ausgegangen (ist aber die Doktrin dem Grunde nach anwendbar und ist Art. 15bis Abs. 4 unwirksam, so dürfte auch eine Partei des Statuts des IStGH, die die Vertragsänderungen nicht angenommen hat, als Drittstaat im Sinne der Doktrin anzusehen sein; vgl. Akande, Aggression, S. 27). Auch rechtspolitische Kritik bei Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 180; insoweit a.A. Reisinger Coracini, GoJIL 2 (2010), S. 745, 776. 633 Übersichten bei Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 182.

C. Exkurs

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angesichts der Kritik an diesen beiden Schutzbestimmungen für Drittstaaten relevant zu untersuchen, ob der Ausschluss der Jurisdiktion des IStGH in solchen Fällen durch die Monetary Gold-Doktrin geboten wäre.634 Dass sich für den IStGH das Problem notwendiger inzidenter Feststellungen über Drittstaaten ebenso stelle wie für den IGH (und andere internationale Gerichte), wird teilweise daraus abgeleitet, dass der IStGH ein internationales Gericht sei.635 Das ist er selbstverständlich. Dennoch lässt sich daran richtigerweise noch nicht die Anwendung der Monetary Gold-Doktrin knüpfen. Dies widerspräche einerseits den Grundlagen der Monetary Gold-Doktrin und andererseits den Grundlagen der Jurisdiktion des IStGH. In dieser Arbeit ist bereits dargelegt worden, dass die Monetary Gold-Doktrin in ihrer Anwendung durch den IGH eine Umgehung des Konsensprinzips und der grundlegenden Parteienrechte nach dem Statut verbietet. Der IGH kann einen Fall nicht entscheiden, wenn er dabei zentrale Aussprüche über die Rechte eines dritten Staates treffen müsste, weil er damit der praktischen Wirkung nach etwas täte, das an sich unter die Voraussetzungen der Zustimmung und Anhörung des Dritten gestellt ist.636 Das Verfahren zwischen zwei Staaten, die eine Frage über einen dritten Staat zur inzidenten Entscheidung stellt, soll nicht an die Stelle eines Verfahrens gegen den Drittstaat selbst treten (solange dieser nicht seine Zustimmung zum Verfahren nur zwischen den beiden Parteien erteilt637). Der IStGH besitzt dagegen keine Zuständigkeit für Streitfälle zwischen Staaten.638 Anforderungen seines Statuts an ein Vorgehen gegen den betroffenen Dritten selbst können daher nicht umgangen werden. Außerdem ist auch das Konsensprinzip der internationalen Gerichtsbarkeit, wie es im allgemeinen Völkerrecht existiert,639 nicht auf die Tätigkeit des IStGH anwendbar. Der IStGH übt, wie bereits bemerkt wurde, eine strafrechtliche Jurisdiktion aus. Diese Jurisdiktion ist ihm von den Parteien seines Statuts übertragen worden;640 durch die Übertragung ändert sich nicht 634

Vgl. Milanovic´, JICJ 10 (2012), S. 165, 176. Akande, Aggression, S. 20. Akande meint des Weiteren, das Konsensprinzip und die Monetary Gold-Doktrin seien nicht nur auf zwischenstaatliche Verfahren anwendbar, denn das Konsensprinzip gelte schließlich auch im Gutachtenverfahren (ebda., S. 20 ff.). Diese letztere Auffassung ist hier bereits abgelehnt worden: s. o., 1. Teil B. I. 2. a) aa) (3) (b) dieser Arbeit. 636 S. o., 1. Teil B. IV. dieser Arbeit. 637 S. o., 2. Teil A. IV. dieser Arbeit. 638 Es trifft auch nicht zu, wenn Bitti, in: Ruiz Fabri/Sorel, S. 191, 193, meint, dass ein Vertragsstaat des Statuts des IStGH, der eine Situation gemäß Art. 13 lit. a, 14 dem Ankläger unterbreitet hat, Partei des nachfolgenden Verfahrens sei, weil derjenige, der ein Verfahren einleite, immer Partei sei. Dies verkennt, dass ein Vertragsstaat nie ein Strafverfahren über einen konkreten Fall einleitet; vgl. zur Unterscheidung zwischen „situations“ und „cases“ nur Schabas, Commentary, S. 297 ff. 639 S. o., 1. Teil B. I. 1. a) dieser Arbeit. 640 Akande, JICJ 1 (2003), S. 618, 621 ff.; Breuer, FS Klein, S. 747, 759 f.; Hafner/Boon/ Rübesame/Huston, EJIL 10 (1999), S. 108, 117; Mégret, EJIL 12 (2001), S. 247, 251 ff.; 635

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2. Teil: Inhalt und prozessuale Behandlung der Monetary Gold-Doktrin

die Rechtsnatur der Jurisdiktion und ändert sich auch nicht die Art der möglichen inzidenten Aussprüche über Staaten. An die Ausübung strafrechtlicher Jurisdiktion durch den IStGH sind deshalb aus der Perspektive von Drittstaaten dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Ausübung derselben Jurisdiktion durch ihre ursprünglichen Inhaber, die Vertragsstaaten des Statuts des IStGH.641 Drittstaaten können gegenüber dem IStGH nicht besser geschützt sein als gegenüber den Staaten, von denen der Gerichtshof seine Jurisdiktion ableitet. Insofern ist bereits beim Vergleich der Monetary Gold-Doktrin mit dem Recht der Staatenimmunität dargestellt worden, dass innerstaatliche Gerichte nicht kraft Völkerrechts an eine inhaltliche Entsprechung zur Monetary Gold-Doktrin gebunden sind. Sie sind nicht pauschal gehindert, inzidente Aussprüche über die Rechtsverhältnisse fremder Staaten zu treffen. Eine völkerrechtliche act of state doctrine mit diesem Umfang gibt es nicht. Staaten sind nur gehindert, unmittelbar ihre Hoheitsgewalt über fremde Staatsakte auszuüben, indem sie Straf- oder Zivilverfahren gegen die Funktionsträger fremder Staaten wegen ihrer amtlichen Handlungen durchführen; nur dies ist der Anwendungsbereich der funktionalen Immunität, d. h. der Immunität ausländischer Funktionsträger bezüglich ihrer amtlichen Handlungen.642 Folglich ist auch der IStGH nicht an ein allgemeines Verbot inzidenter Aussprüche über Drittstaaten im Sinne der Monetary Gold-Doktrin gebunden. Er kann allenfalls an die funktionale Immunität dieser Staaten gebunden sein, die sich auf vor ihm angeklagte Handlungen beziehen kann. Insofern ist aber zweifelhaft, ob es kraft Gewohnheitsrechts Immunitäten gegenüber internationalen Strafgerichten643 oder für völkerrechtliche Verbrechen644 gibt. Diese Fragen sind wiederum nicht Teil der vorliegenden Untersuchung. Besteht aber keine Immunität, steht weder der Ausübung von Jurisdiktion über fremde Staatsakte noch dem inzidenten Ausspruch über einen Drittstaat etwas entgegen. Die Monetary Gold-Doktrin gilt für die abgeleitete Strafgerichtsbarkeit des IStGH nicht. Für die nicht unmittelbar von den Vertragsparteien des Statuts des IStGH abgeleitete, sondern vom Sicherheitsrat gemäß Art. 13 lit. b des Statuts des IStGH und Art. 15ter in der Fassung der neuen Vertragsänderungen auf den Gerichtshof übertragene Strafgerichtsbarkeit gilt nichts Anderes. Dies folgt bereits aus der Verbindlichkeit der Resolution des Sicherheitsrats auch für den jeweiligen Drittstaat.645 Außerdem folgt dieses Ergebnis aus dem Umstand, dass auch die vom Sicherheitsrat begründete Strafgerichtsbarkeit nicht als originär internationale Gerichtsbarkeit Proelß, in: Dörr/Schmalenbach, Art. 34 Rn. 22; Williams/Schabas, in: Triffterer, Art. 12 Rn. 15; Zimmermann/Scheel, VN 50 (2002), S. 137. 641 Vgl. Breuer, FS Klein, S. 747, 759 f. 642 S. o., 1. Teil B. V. 2. dieser Arbeit. 643 S. o., 1. Teil Fn. 732. 644 S. o., 1. Teil Fn. 1038. 645 Akande, Aggression, S. 38; Schmalenbach, JZ 65 (2010), S. 745, 751 f.

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nach der Art der zwischenstaatlichen Gerichtsbarkeit des IGH und ähnlicher Gerichte konzipiert ist, sondern auf einer Übertragung der Strafgerichtsbarkeit der Mitglieder der Vereinten Nationen durch den Sicherheitsrat beruht.646 Auch wenn die Strafgerichtsbarkeit des IStGH auf einer Verweisung der Sache an ihn durch den Sicherheitsrat beruht, sind die Grenzen dieser Gerichtsbarkeit daher – abgesehen vom Statut des IStGH und der Charta – nicht im Konsensprinzip der zwischenstaatlichen Jurisdiktion des IGH zu suchen, sondern in dem für die Jurisdiktion der Staaten geltenden Völkerrecht.

646 Vgl. die Logik des Verteidigungsarguments vor dem ICTY (Trial Chamber III) in The Prosecutor v. Milan Milutinovic´, Dragoljub Ojdanic´ and Nikola Sainovic´, Decision of 6 May 2003 on Motion Challenging Jurisdiction, verfügbar unter http://icr.icty.org, Rn. 2.

Zusammenfassung Die Jurisdiktion des IGH ist ganz weitgehend von der Zustimmung der Parteien abhängig. Jurisdiktionstitel des allgemeinen Völkerrechts gibt es nur im Bereich der hergebrachten inzidenten Jurisdiktion, nämlich hinsichtlich der Befugnis zur Prüfung der eigenen Jurisdiktion und des Erlasses einstweiliger Maßnahmen. Einer Hauptsacheentscheidung durch den IGH unterliegen Staaten jedoch nur aufgrund ihrer im Voraus oder ad hoc erteilten Zustimmung. Die Hauptsachejurisdiktion des IGH unterliegt damit dem Konsensprinzip. Dennoch folgt die Monetary Gold-Doktrin des IGH, nach der dieser eine Sachentscheidung zwischen den Parteien eines Streitfalls ablehnt, wenn er hierzu zwingend einen Ausspruch über einen Drittstaat treffen müsste, nicht unmittelbar aus diesem Konsensprinzip. Das in diesem Prinzip enthaltene Erfordernis der Zustimmung eines Staates zu einer Entscheidung über seine Rechte und Pflichten gilt nämlich unmittelbar nur, wenn der IGH über den Staat Jurisdiktion ausüben soll. Das ist nur dann der Fall, wenn der Staat an das Urteil des Gerichtshofs gebunden werden soll, wenn das Urteil also für ihn in Rechtskraft erwachsen soll. Ein Urteil wird aber immer nur für die Parteien des Verfahrens vor dem Gerichtshof rechtskräftig, denn nur diese nehmen an dem Prozessrechtsverhältnis teil, in dem sich das Verfahren vollzieht und aus dem das Urteil folgt. Nach dem hergebrachten Konsensprinzip ist also die Zustimmung eines Staates nur erforderlich, wenn dieser als Partei vor den IGH gebracht und einer Sachentscheidung unterworfen werden soll. Die Zustimmung eines Drittstaats ist dagegen im Ausgangspunkt nicht geboten, weil ein Drittstaat als Nicht-Partei des Verfahrens nicht an das Urteil gebunden wird und daher keine Ausübung von Jurisdiktion ihm gegenüber stattfindet. Die Relativität der Rechtskraft und der Verpflichtungswirkung eines Urteils (Art. 59 des Statuts; Art. 94 Abs. 1 der Charta) begrenzt also die Notwendigkeit staatlicher Zustimmungsakte zur Jurisdiktion des IGH. Dennoch ergäben sich aus einer Sachentscheidung des IGH in einem Fall, in dem das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zentral die Frage der Rechte eines dritten Staates aufwirft, systemwidrige Konsequenzen. Träfe der Gerichtshof in einem solchen Fall eine Aussage unmittelbar über einen Drittstaat, wäre dieser – obwohl nicht Partei des Verfahrens – in ähnlicher Weise wie durch ein wirklich an ihn gerichtetes Urteil betroffen. Er müsste insbesondere damit rechnen, dass der IGH und jedes andere internationale Gericht im Fall einer erneuten Befassung mit seinen Rechten in einem Verfahren unter seiner Beteiligung dem früheren Ausspruch über ihn als Dritten folgen würden. Er hätte die erhebliche moralische Autorität des IGH gegen sich, die auch bei Urteilen, die einen Staat rechtlich binden, große Bedeutung

Zusammenfassung

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für die Befolgung des Richterspruchs hat. Praktisch wäre also durch ein Sachurteil in der Situation der intensiven Drittstaatsbetroffenheit im Sinne der Monetary GoldDoktrin dasselbe erreicht wie durch ein Verfahren gegen den Drittstaat selbst. Allerdings hätte der Drittstaat zu diesem Sachurteil oft nicht seine Zustimmung erteilt, und wäre der Drittstaat vor dem autoritativen Ausspruch über seine Rechte nicht angehört worden. Hierdurch würden das Konsensprinzip des Statuts und seine Regelungen über das Gehörsrecht umgangen und letztlich ad absurdum geführt. Der Gerichtshof selbst würde damit durch eine Fallgestaltung, in der er eine Entscheidung über eine NichtPartei herbeiführen soll, zum Werkzeug gegen sein eigenes Statut gemacht. Die Verhinderung einer Sachentscheidung in solchen Fällen durch die Monetary GoldDoktrin des IGH ist daher dem Schutz der richterlichen Integrität des Gerichtshofs und insbesondere einem kollateralen Schutz der grundlegenden Regelungen seines Statuts über die Voraussetzungen eines Sachurteils zuzuschreiben. Die Monetary Gold-Doktrin greift deshalb ein, wenn das Zustimmungserfordernis und die Gehörsrechte des Statuts umgangen werden. Wann das der Fall ist, ergibt sich aus einer Kontrollüberlegung zur Rechtslage in dem hypothetischen Fall, in dem es die Relativität der Entscheidungswirkungen eines Urteils gar nicht gäbe: Wäre der Drittstaat dann an den inzidenten Ausspruch über seine Rechte und Pflichten gebunden, dann würden mit der Fallgestaltung in der Monetary Gold-Situation das Konsensprinzip und die Gehörsrechte des Statuts umgangen. Damit kommt es darauf an, ob der Ausspruch über den Drittstaat zum rechtskräftigen Prozessergebnis gehört. Das ist richtigerweise dann der Fall, wenn der Ausspruch als notwendiger Zwischenschritt zu der im operativen Teil des Urteils enthaltenen Entscheidung erfolgt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des IGH ist daher anzunehmen, dass die Monetary Gold-Doktrin eingreift, wenn die Rechte oder Pflichten eines Drittstaats Gegenstand einer notwendigen Vorfrage auf dem Weg zur Entscheidung über das Rechtsverhältnis der Parteien ist. Außerdem greift die Doktrin, wenn der Gerichtshof zwar mit unmittelbarer Rechtswirkung nur zwischen den Parteien, aber doch mit einem weitergehenden, absoluten Inhalt, eine Aussage über die Hoheitsrechte eines Staates an einem bestimmten Gebiet oder über das Eigentum eines Staates an einer bestimmten Sache treffen soll. Dann liegt zwar keine Vorfrage über einen Drittstaat im Sinne der Monetary Gold-Rechtsprechung vor, aber der Drittstaat ist – soweit er plausiblerweise Rechte an dem Streitgegenstand hat – in die Hauptfrage vor dem Gerichtshof involviert. Notwendige Vorfragen zu einem Drittstaat in dem vorstehenden Sinne können sich dem IGH in vielfältigen Zusammenhängen stellen. Bemerkenswert ist insoweit der Fall der völkerrechtswidrigen Beihilfe, in dem die Haftung des Gehilfen von einem Völkerrechtsverstoß eines Haupttäters zwingend abhängt. Deshalb ist die Feststellung der Verantwortlichkeit des Dritten ein Fall der Monetary Gold-Doktrin. Auch Pflichten zur Nichtanerkennung der Folgen des Delikts eines Dritten können

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die Unzulässigkeit aufgrund der Doktrin auslösen, wenn es insoweit auf die Völkerrechtswidrigkeit des Verhaltens des Dritten und nicht nur auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Bloße Tatsachenfeststellungen über einen Drittstaat lösen allerdings noch keine Unzulässigkeit nach der Monetary Gold-Doktrin aus. Auch ist die Doktrin nicht anwendbar, wenn ein Delikt des Beklagten zur Prüfung ansteht, das aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ebenso, aber nur parallel, nicht als Voraussetzung für das Delikt des Beklagten, von einem Dritten begangen wurde. Ist die Doktrin tatbestandlich einschlägig, kann die Offenkundigkeit der Antwort auf die Frage über den Drittstaat nichts an der Unzulässigkeit ändern. Auch eine verbindliche Resolution eines anderen Organs der UN änderte insoweit nichts. Vielmehr wird es auch in diesen Fällen erforderlich, dass der Drittstaat entweder Partei des Verfahrens wird oder wenigstens die Jurisdiktion des IGH anerkennt und als Intervenient (dann als Nicht-Partei) auftritt. Der Parteistellung bedarf es dabei – entgegen der Auffassung des IGH – nicht unbedingt. Auch kann der Drittstaat auf das Eingreifen der Monetary Gold-Doktrin verzichten. Andere Staaten können den IGH jedoch nicht zulasten eines nicht am Vertrag beteiligten Drittstaats vertraglich von der Doktrin freizeichnen; Verträge, in denen dies inter partes geschehen wäre, gibt es nicht. In der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin ist der IGH gehalten, das Vorliegen eines solchen Sachentscheidungshindernisses nötigenfalls von Amts wegen zu prüfen. Der Drittstaat kann aber auch einen Interventionsantrag stellen. Interveniert er als Partei, beseitigt er damit das Problem der Doktrin und kann daher nicht mehr wegen seines Interesses an der Unterlassung der Sachentscheidung intervenieren. Interveniert er als Nicht-Partei, kann er auch das Sachentscheidungshindernis geltend machen. Eine Vorgängige Einrede kann er dann aber nicht selbst erheben. Auf andere internationale Gerichte findet die Monetary Gold-Doktrin nur teilweise Anwendung. In der zwischenstaatlichen Schiedsgerichtsbarkeit können entsprechende Fälle vorkommen. Bei Gerichten, die innerhalb ihrer Teilrechtsordnung des Völkerrechts eine zwingende Jurisdiktion besitzen und auf die Anwendung dieser Teilrechtsordnung begrenzt sind, scheidet die Doktrin jedoch aus; entweder ist der Drittstaat ohne Weiteres in das Verfahren einzubeziehen, oder das Gericht kann keine Norm anwenden, die eine bestimmte Rechtslage eines Drittstaats zur zwingenden Voraussetzung hat. Der Internationale Strafgerichtshof schließlich unterliegt nicht der Anwendung der Monetary Gold-Doktrin, weil er eine delegierte staatliche Strafgerichtsbarkeit ausübt, die keiner derartigen Beschränkung unterliegt. Insgesamt begrenzt die Monetary Gold-Doktrin die Möglichkeiten des IGH (und ggf. anderer Gerichte), in mehrpoligen Rechtsverhältnissen nur zwischen einigen der Beteiligten Recht zu sprechen. Das kann bedauerlich sein, namentlich wenn deshalb das Völkerrecht gegenüber einem Staat nicht durchgesetzt werden kann, weil ein weiterer Staat nicht der – lückenhaften – Jurisdiktion des Gerichts unterliegt. Unter der Geltung des Konsensprinzips der internationalen Gerichtsbarkeit und des grundlegenden Gehörsrechts einer Prozesspartei ist dies jedoch hinzunehmen.

Zusammenfassung

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Gelten diese Prinzipien, so können sie nicht ohne Schaden für die Integrität des Systems manipuliert werden, indem die Klärung eines Rechtsverhältnisses zu einem Staat in einem Prozess gegen einen anderen Staat erstrebt wird.

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Stichwortverzeichnis Allgemeines Rechtsprinzip – Einstweilige Maßnahmen 94 – Inhärente Kompetenzen 153 – 156 – Kompetenz-Kompetenz 91 – Rechtskraft 128 – Treu und Glauben 154 Anerkennung ausländischer Urteile 276 f. Anstiftung 255 – 257 Anwendung bilateraler Verträge 310 – 313 Anwendung multilateraler Verträge 309 – 313 audiatur et altera pars 223, 226 – 235 Auslieferungsverbot – Mittelbare Drittbelastung 163 f., 167, 186 – Monetary Gold 257 – 261 Ausnahmen – Allgemeinkundigkeit 323 – 326 – Feststellung durch UN 329 – 336 – Geständnis 326 – given/donnée 323 – 336 – jus cogens 341 f. – Pflichten erga omnes 337 – 341 – Rechtskräftige Entscheidung 327 – 329 – Tatsachenfeststellungen 268 – 271 – Untergang des Drittstaats 342 – 346 Beihilfe 254 f. Beistandspflichten 261 – 263 Beklagtenvortrag 368 – 372 Beweislast 314 f. Beweismittel beim Drittstaat 313 – 316 Diplomatischer Schutz 322 dispute 63, 84 f., 111, 144 – 148 Drittstaat – Begriff 24 – Gutachtenverfahren 115 – 127, 203– 208 – Nichtstaaten 317 – 322

East Timor-Fall – Bewertung 250 f. – Entscheidung 42 – 44, 337 – jus cogens 342 – Klagevortrag 42, 250, 337 – Pflichten erga omnes 337 – 341 – Sachverhalt 41 f. Eastern Carelia-Fall 117 – 121 EGMR – Auslieferungsverbot 257 – 261 – Intervention 387 – Monetary Gold 383 – 387 Eigentum eines Drittstaats 289 – 291 Gesamtschuld 307 – 309 Grenzstreitigkeiten 20, 281 – 289 – equitable principles 284 – Landgrenzen 286 – 289 – Prüfprogramm 283 f. – Seegrenzen 281 – 286 – tripoint 287 – 289 Herausgabeansprüche 274 f. Höhere Gewalt 275 Hüter des Völkerrechts 160 Hypothetische Verantwortlichkeit 280

277–

ICSID 382 f. Immunität 101, 239 – 241 – act of state doctrine 241 – 245 – jus cogens 101 – 104 – Monetary Gold-Doktrin 239 – 247 – Untergegangener Staat 344 implied powers-Lehre 156 f. infra petita 282 Inhärente Kompetenzen 150 – 158 Intervention – Art. 62 230 f., 312, 350 f., 360 – 362 – Art. 63 137, 211, 230 f., 310 – 313 – Bindungswirkung 211, 350, 353

438

Stichwortverzeichnis

– Monetary Gold-Drittstaat 351 f., 372 – 374 IStGH 390 – 397 – Aggression 393 – 397 – Anklage gegen Amtswalter 392 f. – Immunitäten 169 – Komplementarität 390 f. Jurisdiktion – Abstrakte/konkrete Jurisdiktion 66 f. – Ausübung 104 – 127 – Generelle/spezielle Jurisdiktion 59 – 66 – Inzidente Jurisdiktion 86, 92 f., 95, 97, 139 – 141 – Jurisdiktionsbegriff 84 – 86 – Personelle/inhaltliche Jurisdiktion 81 – 83 – Zeitliche Jurisdiktion 83 f. jus cogens – Ausnahme von Monetary Gold 341 f. – Konsensprinzip 100 – 103 – Nichtigkeit eines Vertrags 298 – 302 Konsensprinzip 54 – 59, 104 – Generelle Jurisdiktion 59 – 66 – Inzidente Jurisdiktion 97, 104 – jus cogens 100 – 103 – Konkrete Jurisdiktion 68 – 80 – Schutz (Monetary Gold) 200 f. – Sicherheitsrat 98 – 100 – Souveränität 54 – 58 – Statut 58 Larsen v. Kingdom of Hawaii – Bewertung 251 – Entscheidung 45 – 47 – Sachverhalt 45 lex prior derogat legi posteriori 193

190–

Monetary Gold-Doktrin – Anwesenheit im Prozess 222 – 234 – Begründungen des IGH 50 f. – Begründungsmöglichkeiten 48 – dispute 144 – 148 – Hypothetische Rechtskraft 208 – 222, 234, 253 f., 285 f.

– Hypothetische Verantwortlichkeit 277 – 280 – Immunität 239 – 247 – Institutionelles Element 238, 381 – Jurisdiktion über Dritten 130 – 132, 134, 139, 141 – 143 – Nichtstaaten 317 – 322 – Parteistatus 346 – 354 – Plausibilisierung 274 f., 292 – 296, 301, 323, 345, 371 – Recht des Drittstaats 200, 344, 355, 373, 381 – Schutz des Jurisdiktionsregimes 200 f. – Stand der Rechtsprechung 47 f. – Subjektiver Missbrauch? 201 – 203 – Tatsachenfeststellungen 268 – 271 – Zulässigkeit 148 f. – Zweiteilung 291 f. Monetary Gold-Fall – Entscheidung 32 – 35 – leading case 23, 26 – Sachverhalt 26 – 31, 290 f., 328 Monetary Gold-Schiedsspruch 29, 44 f. Nauru-Fall – Bewertung 222, 253 f. – Entscheidung 40 f. – Sachverhalt 36 – 40 – Verantwortlichkeit 39, 252 nemo dat quod non habet 143 Nicaragua-Fall 35 f. Nichtanerkennungspflichten 264 – 272 Nichtigkeit eines Vertrags 298 – 302 – Streitgegenstand 300 – Verfahren 298 f., 301 Nichtstaaten 317 – 322 non ultra petita 109 – 112, 267, 370 – infra petita 282 pacta tertiis – Grundsatz 165 f. – Mittelbare Drittbelastung 164 – 195, 237 – Obliegenheiten 186, 189, 238 f. – Pflichtenkollision 166 – 169 – Sinn und Zweck 187 – 189 – Souveränität 187 – Vorrang der Charta 174

Stichwortverzeichnis Parteistatus 356 f. – Drittstaat 346 – 354 – Verfahrensherrschaft 352 – 354 Parteivortrag 267, 368 – 372 Peace Treaties-Fall 122 – 125 Präzedenzwirkung 134 – 139, 197 – 199 Prozessrechtsverhältnis 61, 131, 133, 140, 142, 165, 175, 227 Prüfung von Amts wegen 366 – 368 Rechtskraft – Allgemeines Rechtsprinzip 128 – Grenzstreitigkeiten 132 – 134, 286 – Grundlagen 214 f. – Inzidente Feststellungen 217 – 221 – Operativer Teil 112 – Rechtsaussagen 312 f. – Relativität 128 f., 132 – 134, 327 – Vorgängige Einreden 295 Schadensersatz 306 – 309 – Anteilige Haftung 307 – Gesamtschuld 307 – 309 Schiedsgerichtsbarkeit 380 – 383 Schutzpflichten 263 f. Souveränität – Interventionsverbot 113 – Konsensprinzip 54 – 58 – pacta tertiis 187 – Schutzumfang 112 – 115

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Ungerechtfertigte Bereicherung 273 Untersagung der Vertragserfüllung 303 – 305 Verfahrensherrschaft 109, 226, 232, 352 – 354, 376 Verzicht 355 – 363 – ad hoc 355 f. – General Act 357 – 361 Vorgängige Einreden – Drittstaat 374 – 376 – Nicht ausschließlich vorgängig 376– 379 – Rechtskraft 295 Vorrang der Charta – Anwendungsvorrang 173 – Nichtmitglieder der UN 178 – 181 – pacta tertiis 174 – Sekundärrecht 170 – Urteilsverpflichtung 169 – 184 – Verfassungscharakter 175 – Völkerbund 177 WTO

388 – 390

Zulässigkeit 148 f. – Inhärente Kompetenzen 150 – 158 – Monetary Gold-Doktrin 148 f. – Rechtsschutzbedürfnis 155, 202, 213