Österreichische Münz- und Geldgeschichte: Von den Anfängen bis 1918. Mit einem Beitrag "Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute" 9783205121169, 3205981812, 9783205981817

144 48 66MB

German Pages [696] Year 1994

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Österreichische Münz- und Geldgeschichte: Von den Anfängen bis 1918. Mit einem Beitrag "Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute"
 9783205121169, 3205981812, 9783205981817

Citation preview

Günther Probszt ÖSTERREICHISCHE MÜNZ- UND GELDGESCHICHTE

Günther Probszt

• •

Osterreichische Münz- und Geldgeschichte Von den Anfängen bis 1918 Mit einem Beitrag von Helmut Jungwirth „Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute" Teil 1

3. Auflage

BÖHLAU VERLAG

WIEN

KÖLN • WEIMAR

Die abgebildeten Münzen werden im Kunsthistorischen Museum aufbewahrt Fotos: Elfriede Mejchar

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Probszt, Günther Frhr. von: Österreichische Münz- und Geldgeschichte : von den Anfängen bis 1918 / Günther Probszt. [Fotos: Elfriede Mejchar], Mit einem Beitrag: Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute / von Helmut Jungwirth. - Wien ; Köln ; Weimar : Böhlau. ISBN 3-205-98181-2 NE: Jungwirth, Helmut: Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute Teil 1 . - 3 . Aufl. - 1994

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1973 by Böhlau Verlag Gesellschaft m. b. H. und Co. KG., Wien • Köln Druckerei: Tiskama Ljudske pravice, Slovenia

Weimar, 3. Auflage 1994

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis Vorwort

Erster Teil

9 11

Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte

I. Allgemeines

15

A. Einführung in die Münzkunde 1. Die Begrenzung des Stoffes 2. Geld — Münze 3. Einige Fachausdrücke 4. Theoretische Grundlagen 5. Münztechnik a) Entwicklung der Münzprägung 23, b) Prägestempel 26, c) Metallurgie 27, d) Münzgewicht 32 6. Münzpersonal B. Die Bedeutung der Münzkunde für die angrenzenden Wissenschaften 1. Politische Geschichte 2. Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte 3. Kunst- und Kulturgeschichte 4. Heraldik und Sphragistik a) Wappen 45, b) Siegel 50 5. Münze und Recht 6. Münze, Sprache und Schrift 7. Historische Geographie 8. Münze und Archäologie 9. Münze und Chronologie 10. Münze und Genealogie 11. Metrologie 12. Münze und Volkskunde C. Quellen und Literatur zur Münz- und Geldgeschichte

15 15 17 19 21 23

52 59 62 63 65 65 67 70 75

II. Die Entwicklung der Numismatik zur Wissenschaft

78

A. Österreich B. Böhmen C.Ungarn

33 35 36 37 40 45

78 99 104 5

III. Die territoriale Entwicklung

109

A. Die österreichischen Länder B. Die Länder der Wenzelskrone C. Die Länder der Stephanskrone D. Gebietsveränderungen unter habsburgischer Herrschaft

109 121 124 125

Zweiter Teil

Bergwesen und Metallversorgung

I. Das Altertum

134

II. Das Mittelalter

139

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Salzburg 2. Aquileia, Triest, Görz, Cilli 3. Kärnten 4. Steiermark 5. Krems und Wien 6. Tirol und Vorarlberg 7. Die Vorlande B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen 2. Mähren 3. Schlesien C. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn 2. Siebenbürgen 3. Dalmatien, Slawonien, Kroatien, Bosnien

139 139 142 143 147 151 153 156 159 159 162 163 164 164 166 167

III. Die Neuzeit

169

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Übersicht 2. Wien 3. Kärnten 4. Steiermark 5. Salzburg 6. Tirol 7. Vorderösterreich (Burgau) 8. Das 19. und die Anfänge des 20. Jahrhunderts 9. Österreichische „Neufürsten" B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen 2. Mähren 3. Schlesien

169 169 172 172 174 177 178 179 180 181 181 181 185 187

6

:

C. Die 1. 2. 3.

ungarische Ländergruppe Ungarn Siebenbürgen Kroatien

Dritter Teil

189 189 191 192

Münz- und Geldwesen

I. Das Altertum

195

A. Von der Natural- zur Geldwirtschaft B. Die Kelten C. Unter römischer Herrschaft 1. Noricum — Österreich 2. Böhmen und Mähren 3. Slowakei 4. Pannonien, Ungarn 5. Dakien D. Völkerwanderung

195 197 206 206 214 215 215 223 228

II. Das Münzwesen des Mittelalters

233

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Karolingerzeit — Regensburg 2. Salzburg a) Laufen 237, b) Friesach 241 3. Friaul a) Aquileia 250, b) Triest 254, c) Laibach 254, d) Görz 255 4. Innerösterreich — Steiermark a) Enns 257, b) Fischau 258, c) Graz und Pettau 258, d) Zeiring 259, e) Judenburg 261, f) Cilli und Frangipan 263, g) Die Schinderlingzeit unter Friedrich V. (III.) 264 5. Tirol 6. Nieder- und Oberösterreich 7. Vorderösterreich B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen und Mähren a) Die Frühzeit 300, b) Die Denarperiode 301, c) Brakteatenperiode 306, d) Rechnungsweise 309, e) Die Groschenperiode 310, f) Die Goldwährung 322 2. Schlesien 3. Der Einfluß des böhmischen Münzwesens auf Österreich 4. Reichsmünzstätte Eger 5. Oberlausitz C. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn 2. Kroatien und Slawonien 3. Dalmatien 4. Bosnien 5. Randgebiete

233 233 237 250 257

267 278 291 300 300

324 328 330 332 332 332 360 362 367 370 7

DI. Das Münz- und Geldwesen der Neuzeit

371

A. Der Übergang zum Gesamtstaat 1. Das Münzwesen unter Maximilian 1 a)Die Voraussetzungen 371, b) Wien 377, c) Graz 381, d) St. Veit 382, e) Hall 383, f) Lienz 387 2. Interregnum in Österreich — Karl V. 3. Das Münzwesen der Jagellonen in Böhmen und Ungarn B. Der Gesamtstaat 1. Ferdinand 1 2. Maximilian II. und seine Brüder — Rudolf II. und Matthias 3. Die Kipperzeit 4. Ferdinand II. und Ferdinand III 5. Leopold I. — Die „kleine Kipperzeit" 6. Joseph I. und Karl VI 7. Maria Theresia und ihre Söhne a) Maria Theresia 492, b) Joseph II. 517, c) Leopold II. 521 8. Franz II. und Ferdinand 1 a) Franz II. 522, b) Ferdinand I. und die Revolution von 1848 532 9- Franz Joseph 1 a)Das Ende der Konventionsmünze 537, b) Die Vereinsmünze 538, c)Die Zeit der österreichischen Währung 542, d) Die Kronenwährung 544 C. Das außerstaatliche Münzwesen 1. Die Geistlichkeit a) Salzburg 547, b) Brixen und Trient 555, c) Gurk 556, d) Wien 561, e) Olmütz 561, 0 Breslau 566 2. Neufürsten 3. Siebenbürgen

371 371

571 577

Weiterführende Literatur

587

388 390 393 393 412 425 440 461 476 492 522 537 547 547

Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute. Von Helmut Jungwirth

603

Literaturverzeichnis

614

Personenregister

655

Ortsregister

667

Sachregister

8

x

678

Abkürzungsverzeichnis

g

Pfund

ß Schilling

^

Pfennig

Abh. Abhandlung(en) AÖG. Archiv für österreichische Geschichte AÖGQ, Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen Apulum. Buletinul Muzeului Regional, Alba Julia, Alba Julia 1942 ff. APULUM Av. Avers, Vorderseite AvGTKär. Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie, hg. vom Geschichtsverein für Kärnten Beitr. Beitrag (Beiträge) BfMF. Blätter für Münzfreunde Bl. Blatt (Blätter) BMB. Berliner Münzblätter BöHT. Bericht über den österr. Historikertag Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich BVLKNÖ C.mor.m. Casopis moravskeho musea (Acta musei Moraviae) CNI. Corpus nummorum italicorum Codex diplomaticus Silesiae, hg. vom Vereine für Gesch. u. Altertümer Schlesiens Cod.dipl.Sil. Denkschr. Denkschriften d. österr. Akademie d. Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse DtJbfN. Deutsches Jahrbuch für Numismatik Ehg.(in) Erzherzog(in) Fol.arch. Folia archaeologica, Budapest Forsch.inn.Gesch. Forschungen zur inneren Gesch. Österreichs, hg. von Alfons Dopsch Frhr. Freiherr (Baron) FRA. Fontes rerum austriacarum Fst. Fürst Gf. Graf GrGW. Grundriß der Geschichtswissenschaft, hg. von Aloys Meister HdbmunG. Handbuch der mittelalterlichen und neueren Gesch., hg. von G. v. Below u. F. Meinecke Hamb.Beitr. Hamburger Beiträge zur Numismatik Herzog Hg. JbAK. Jahrbuch fiir Altertumskunde, hg. von der k. k. Zentralkommission für Kunst- und histor. Denkmale (Wien) JbKSKH. Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses JbLKNÖ. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich JbNGGesch. Jahrbuch für Numismatik u. Geldgesch., hg. v. d. Bayer. Num. Gesellschaft JbStW. Jahrbuch des Vereines für Gesch. d. Stadt Wien JbZK. Jahrbuch der k. k. Zentralkommission (Wien) K. Kaiser König KgLgrH. Leobener Grüne Hefte, hg. von Franz Kirnbauer MA., ma, Mittelalter, mittelalterlich

9

MBNG. MCI. MDC. MGSLK. MhVSt. MInstr. Mitt. MIÖG. MMStSlg. MNG. MÖG. MoöLA. MöStA. MVGDB. MVGStW. MZK. Mzm. Mzst. MzW. Num.Cas. N.K. N.L. NLOEB. Num. Num.sb. Num.vij. o.J. Ostdt.Wiss. RIC. RMO. Rozpr. Rs. SB.München SB.Wien SOF. SchvST. StCOM. StCNum. Stslg., Wien Veröff.Ferd. Veröff.KNGÖ. VjschSWG. Vs. WB. Wiad.num. WnMH. WNZ. ZfN. ZfO. ZhVSt. Zschr. ZV.

10

Mitteilungen der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft Mitteilungen des Clubs der Münzen- u. Medaillenfreunde in Wien Monumenta histórica ducatus Carinthiae Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde Mitteilungen des Historischen Vereines für Steiermark Münzinstruktion Mitteilung Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Katalog der Münzen- und Medaillen-Stempel-Sammlung des k. k. Hauptmünzamtes in Wien Mitteilungen der österreichischen numismatischen Gesellschaft in Wien Mitteilungen der österr. Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde Mitteilungen des oberösterr. Landesarchivs Mitteilungen des österr. Staatsarchivs Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien Mitt. der k. k. Zentralkomm, für Erforschung u. Erhaltung der Kunst- u.historischen Denkmale Münzmeister Münzstätte Münzwesen Numismaticky öasopis ceskoslovensky Numizmatikai Közlöny Numismatické Listy — Prag, hg. von d. tschechosl. Num. Ges. Numismatische Literatur Osteuropas und des Balkans, hg. von G. Probszt, Graz Numismatik Numismaticky sbornik NumizmatiSke vijesti, Zagreb ohne Jahr Ostdeutsche Wissenschaft. Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates The Roman imperial coins; Spink & Son Ltd., London Reichsmünzordnung Rozpravy óeské akademie (Abhandlungen der böhm. Akademie d. Wissenschaften in Prag) Rückseite, Revers Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Südost-Forschungen, München Schild von Steier — Beiträge zur steir. Vor- u. Frühgesch. u. Münzkunde, Graz Studii §i comunicári. Arheologie — Istorie — Etnografie (Acta Musei regionalis Apulensis) Studii cercetäri de Numismática (Numismat. Studien u. Forschungen), Editura Academiei Republicii Populare Romine Katalog der Münzen- und Medaillen-Stempel-Sammlung des k. k. Hauptmünzamtes in Wien Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum in Innsbruck Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Vorderseite, Avers Wörterbuch Wiadamoáci numizmatyczne, Warschau Wiener numismatische Monatshefte Numismatische Zeitschrift, hg. von der (seit 1947 österreichischen) numismat. Ges. in Wien Zeitschrift für Numismatik, Berlin Zeitschrift für Ostforschung, Marburg/Lahn Zeitschrift d. histor. Vereines für Steiermark Zeitschrift Zentralverwaltung

Vorwort

Ich habe an diesem Buch, das eine gedrängte Zusammenfassung des gewaltigen Stoffes bietet, jahrzehntelang gearbeitet, bis es endlich Gestalt annahm. Die ungeheure Fülle der einschlägigen Literatur fand ihren Niederschlag in meiner seit 1954 in Graz erscheinenden „Quellenkunde der Münz- und Geldgeschichte der ehemaligen ÖsterreichischUngarischen Monarchie" (mit Nachträgen von 1960 und 1963). Es versteht sich, daß hier nur die wissenschaftlich einwandfreien Arbeiten herangezogen wurden und vor allem solche, die unmittelbar auf historischen Quellen beruhen. Als ehemaliger Münzsammler bin ich natürlich auch mit dem Münzmaterial selbst vertraut. Dabei legte ich größtes Gewicht darauf, in diesem Buch die Funktion der Münze selbst in den verschiedenen Phasen des geschichtlichen Ablaufes darzustellen und somit ihre wechselreichen Formen begreiflich zu machen. Mein Vorbild für die Bearbeitung des Stoffes war der bedeutende österreichische Rechtshistoriker und Numismatiker Arnold Luschin von Ebengreuth, den ich als meinen Mentor bezeichnen darf. Er hat bis zu seinem Tode, 1932, meine numismatischen Arbeiten aufmerksam und kritisch verfolgt und durch wertvolle Ratschläge und Hinweise gefördert. Demzufolge sind insbesondere im ersten Teil dieses Buches viele Abschnitte zum Teil wörtlich aus der 2. Auflage seiner „Allgemeinen Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit" (1926, Lit.-Verz. 677) übernommen, da sie auch heute noch nicht überholt sind. Andere Autoren, deren Ansichten ich teilweise nicht überprüfen konnte, werden gleichfalls da und dort wörtlich zitiert, jedoch jeweils mit der Nummer des betreffenden Buches im Literaturverzeichnis. Aus Raumgründen mußte auf Fußnoten verzichtet werden. Dafür befinden sich im Abschnitt weiterführende Literatur, kapitelweise angeordnet, die Nummern der benützten Literatur sowie einige zusätzliche Hinweise, die den Text zu sehr belastet hätten. Leider konnten einige wichtige Neuerscheinungen, so etwa die grundlegende Arbeit von Erich Egg über das Münzwesen Kaiser Maximiiiansi. (Lit.-Verz. 189) nicht mehr verarbeitet werden, obwohl sie in das Literaturverzeichnis aufgenommen wurden. Ebenso war es nicht mehr möglich, die freundlichen Hinweise von Frau Univ.-Prof. Dr. Em. Nohejlovä-Prätovä im Text zu berücksichtigen, so daß sie am Ende der weiterführenden Literatur als Nachtrag aufgenommen wurden. Bei der Auswahl des Abbildungsmaterials bin ich von den Betreuern der Bundessammlung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen in Wien, den Herren Hofrat Direktor Dr. Bernhard Koch (Mittelalter), den Kustoden Dr. Helmuth Jungwirth (Neuzeit) und Dr. Günther Dembsky (Altertum) auf das zuvorkommendste unterstützt und beraten worden. Ich bin ihnen daherzu ganz besonderem Dank verpflichtet. Bei der Durchsicht der Münzkästen hat mich Herr Oberaufseher J. Frank hilfreich unterstützt. Dem Verlag 11

Böhlau habe ich für die sorgfältige Betreuung der Drucklegung meines Werkes zu danken, nicht zuletzt auch für die Erstellung der drei Register. Manche Kürzungs- und Änderungsvorschläge sowie die technische Beratung bei der Bildauswahl haben dem Buch zweifellos zum Vorteil gereicht. Ich darf daher wohl der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieses Buch nicht nur den Wünschen und Anforderungen der Numismatiker, sondern auch jenen der Historiker, vornehmlich der Wirtschaftshistoriker, entspricht und ihren Forschungen durch die Einbeziehung der Münz- und Geldgeschichte neue Wege eröffnet. Ich widme dieses mein Lebenswerk vor allem der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft in Wien, der ich seit dem Jahre 1908 als Mitglied und seit 1967 als Ehrenmitglied angehöre. Sie hat mir stets ihre Förderung angedeihen lassen. Schließlich möchte ich auch des Instituts für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien gedenken, dem ich jene wissenschaftliche Ausbildung verdanke, ohne die ich mich nie an die Abfassung dieses Buches gewagt hätte. Wien, im Herbst 1972

12

Günther Probs^t

Erster Teil Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte

I. Allgemeines

A. Einführung in die Münzkunde

1. Die Begrenzung des Stoffes Für eine Darstellung der österreichischen Münz- und Geldgeschichte erscheint es sinnvoll, sich nicht ausschließlich auf das Staatsgebiet des heutigen Österreich zu beschränken, sondern auch die Entwicklung jener Länder mit einzubeziehen, die im Laufe von Jahrhunderten zur Donaumonarchie zusammengefaßt, bis in die Anfänge unseres Jahrhunderts eine mehr oder weniger straffe macht- und wirtschaftspolitische Einheit bildeten. Die Münz- und Geldgeschichte eines so umfangreichen Gebietes, das die Länder des Habsburgerreiches umfaßte, setzt sich aus einer fast unüberschaubaren Menge von Einzelheiten zusammen. Erst verhältnismäßig spät verschmolzen sie zu einer Einheit, der aber immer noch gewisse trennende Momente innewohnten. Es ist daher unerläßlich, sich hier auch mit diesen Einzelheiten auseinanderzusetzen, denn nur so können, insbesondere für die ersten Versuche einer territorialen Konsolidierung nach den Stürmen der Völkerwanderung sowie der Slawenherrschaft in den Alpenländern, die verschiedenen Phasen monetärer Entwicklung ins rechte Licht und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Es ist begreiflicherweise ganz unmöglich, auf dem verhältnismäßig beschränkten Räume eines Handbuches alle Faktoren, die im Laufe einer fast zwei Jahrtausende währenden Entwicklung das Geldwesen unseres geographischen Raumes gestaltet und beeinflußt haben, im einzelnen darzulegen. Es sollen daher nur jene Phasen näher beleuchtet werden, die für die folgenden das Fundament gebildet haben. Dabei ist zu beachten, daß Münzen oft die einzige beschriftete oder bildliche Quelle sind, die insbesondere über wirtschaftliche Verhältnisse (Handel, Verkehrswege usw.) verhältnismäßig verläßliche Auskunft gibt. Hier sei nur soviel gesagt, daß die Wirtschaft als wichtigster Träger des gesamten Geldwesens je nach der geographischen Lage dem Einfluß unterschiedlicher Faktoren unterlag. Bei größeren, zu einer politischen Einheit zusammengeschlossenen Territorien konnte es mitunter sogar vorkommen, daß einzelne Landstriche an das Geldwesen oft voneinander sehr verschiedene Anforderungen stellten, deren monetäre Berücksichtigung anderseits jedoch die Stabilität des Geldwesens gefährdet hätte. Abgesehen davon gibt es im Mittelalter gewisse Münzsorten, die das Ausland erobern und die dort geprägten Münzen an Bedeutung überragen. Wenn auch ein alter Rechtsgrundsatz besagt, daß der Heller nur dort gilt, wo er geschlagen wurde, war dies im Mittelalter keineswegs so selbstverständlich wie in der Neuzeit. Mithin zeigt die „Währungsgeographie" gewisser Gebiete oft einen außerordentlich vielfältigen Münzumlauf. Das wichtigste Hilfsmittel zu dessen Feststellung bilden die Münzfunde (677), deren sachgemäße Bearbeitung daher eines der Hauptanliegen der Geldgeschichte darstellt, da die schriftliche Überlieferung in Urkunden und anderen Quellen, z. B. in Urbaren und Rechnungsbüchern, viel zu lückenhaft ist, um zu einigermaßen gesicherten Ergebnissen zu gelangen. Leider hat man — da sich die Numismatik eigentlich erst in unserem Jahr15

hundert zur Wissenschaft entwickelte — die wissenschaftliche Bedeutung der Münzfunde erst vor gar nicht so langer Zeit erkannt, viel zu spät, um ein abgerundetes Bild gewinnen zu können. In den vergangenen Jahrhunderten wurden ungezählte Funde gehoben, ohne sie zu erfassen und daraus die geschichtlichen Schlüsse zu ziehen. Und selbst heute noch wird so mancher Fund entgegen den Bestimmungen des Denkmalschutzes verheimlicht und dadurch sachlicher Bestimmung entzogen. Um dieser hier bloß angedeuteten Vielfalt der Probleme gerecht zu werden, waren bei der Abfassung dieser Arbeit sowohl in thematischer wie z. B. auch in zeitlicher Hinsicht gewisse Beschränkungen erforderlich. Sie wird sich daher vor allem mit der Mün%e als Zahlungsmittel zu beschäftigen haben und alles, was sonst noch in das Gebiet der Numismatik fällt, ausklammern. Medaillen, Plaketten und Jetons, d. h. alle münzähnlichen Stücke ohne Geldzweck und -eigenschaft, die der Erinnerung der Mit- und Nachwelt an bestimmte Begebenheiten dienen sollten, bleiben hier ebenso außer Betracht, wie die Rait- oder Rechenpfennige, deren man sich zum sogenannten „Rechnen auf der Linie" bediente, das in Deutschland, seit es Kaiser Maximilian I. bei seinen Rechnungsbehörden einführte, allgemein verbreitet war. Ebensowenig können die gleichfalls münzähnlichen Stücke der „Zahl- oder Wertmarken" der Neuzeit hier aufgenommen werden, durch die Großbetriebe ihren Angestellten und Arbeitern ein Anrecht auf verbilligtes Essen u. dgl. in der Werkskantine oder an einer anderen vereinbarten Stelle beschaffen, da sie nur eine eng begrenzte Umlauffähigkeit besitzen. Sie sind bloßer Geldersatz, zugleich eine Legitimation einer Bezugsberechtigung. Dagegen sollen — schon des historischen Interesses wegen — ähnliche Marken kurz behandelt werden, wie etwa das sogenannte „Wahrzeichengeld" für die Bergbaubetriebe des Erzstiftes Salzburg, das einen ansehnlichen Aktionsradius besaß, wie auch ähnliche Gebilde anderer großer Montanbetriebe früherer Jahrhunderte. Das gleiche gilt für die „Notmünzen", die z. B. bei der Belagerung einer Stadt oder wegen anderer Zwangslagen kurzfristig ausgegeben werden mußten. Ausbeutemünzen auf Grund der besonderen Fündigkeit eines Bergwerkes oder Gedenkmünzen zur Erinnerung an ein besonderes Ereignis, wie etwa an einen Sieg, eine Fürstenhochzeit oder ein Regierungsjubiläum, geprägt, das heißt alle Stücke, die bildmäßig zwar von den Kurantmünzen abweichen, aber ihnen nach „Schrot und Korn" (s. unten S. 27) völlig gleichen und daher auch volle Zahlungsfähigkeit besaßen, gehören natürlich in den Rahmen dieses Buches. Auch die Goldabschläge von Silbermünzen, ferner solche in Klippenform, meist viereckig, sind trotz ihrer außergewöhnlichen Gestalt noch immer Münzen, wenngleich sie — gewöhnlich von den Herrschern als Geschenk dargeboten — in den seltensten Fällen als Kurantgeld verwendet worden sein dürften. Damit sind die thematischen Grenzen aufgezeigt. Was die zeitliche Begrenzung anbelangt, so muß diese sehr weit gesteckt werden und mit den ältesten Münzen beginnen, die auf dem Boden des von uns behandelten Gebietes nachweislich geprägt oder gefunden wurden, also mit jener Zeit, in der der früheste Münzumlauf innerhalb der einzelnen Landschaften festzustellen ist. Als Ende der Darstellung wurde das Jahr 1918 gewählt, da mit dem Zerfall der Donaumonarchie eine wirtschafts- und währungspolitische Einheit in eine Reihe von Nationalstaaten mit selbständigen Währungssystemen und unabhängigen Münzprägungen aufgelöst wurde, deren Darstellung im einzelnen den Rahmen dieses Buches sprengen würde.

16

2. Geld — Münze Die beiden Begriffe Geld und Mün^e sind streng voneinander zu trennen; sie werden in der historischen Literatur leider oft verwechselt, was leicht zu Irrtümern und unrichtigen Folgerungen führt. Das Geld, als der weitere Begriff, wird sehr verschieden definiert; über sein Wesen und seine eigentlichen Aufgaben im wirtschaftlichen Leben ist man keineswegs einig. Der Numismatiker, den nur der eindeutig umschriebene Begriff der Münze interessiert, beurteilt das Geld anders als die Nationalökonomen, die eine Reihe von Definitionen des Geldbegriffes aufstellten. Darauf näher einzugehen, ist hier leider nicht möglich. Trotzdem wollen wir sie in der Folge wenigstens kurz streifen. Ich stelle nun die Definition eines hervorragenden Numismatikers, der zugleich ein ebenso bedeutender Rechtshistoriker war, an den Anfang. Arnold v. LUSCHIN ( 6 7 7 , 6 9 1 ) nannte Geld einen „zur Erleichterung des Verkehrs verwendeten Gegenstand", der „bei den einzelnen Verkehrsakten die als Gegenwert gewünschte Ware ganz oder teilweise ersetzt". Die Geldeigenschaft kann „einem Gegenstande gegebenenfalls durch denVerkehr allein erteilt und gewahrt bleiben", während „die Eigenschaft einer Münze einem Geldstück nur durch den Staat verliehen wird. Der Kreis der als Geld dienenden Gegenstände ist daher ungleich größer als jener der Münzen, und damit ist auch der Geldgeschichte an sich ein weit über die Münzgeschichte hinausreichender Umfang gegeben. Es verringert sich jedoch dieser erheblich, sowie man die Grenzen der Geldgeschichte räumlich einschränkt, so zwar, daß beispielsweise die Geldgeschichte Europas im Mittelalter und der neueren Zeit. . . ungeachtet der lange vorherrschenden Naturalwirtschaft im großen ganzen doch mit der Geschichte der Metalle und Münzen als Zahlungsmittel zusammenfällt". Für die europäische Geldgeschichte in dem eben abgegrenzten Umfang kommen nach LUSCHIN folgende Geldarten, die nicht Münzen sind, in Betracht: Vieh- oder Kuhgeld nach einem allgemein festgestellten Wertansatz, das dem Verkehr vor allem als Werteinheit oder Rechnungsmünze diente; Zeuggeld bei den westnordischen Germanen, Leinwand in einigen Gegenden Schwedens, bei den Böhmen um 965 leichte Tüchelchen sehr dünnen Gewebes, die zum Metallgeld in einem festen Verhältnis standen, so daß man um sie die kostbarsten Dinge, wie Weizen und Sklaven, Pferde, Gold und Silber, kurz alles kaufen konnte; Tierhäute in Skandinavien, Fellgeld in Finnland und Westrußland. Ein anderer Forscher von hohem wissenschaftlichen Range, Hans GEBHART (294), verstand unter Geld „die unmittelbare oder mittelbare dingliche Erscheinung von mehr oder weniger meßbaren und umsetzbaren Werten, die in einer gegebenen Gegend als Geld anerkannt wird. Der Wertgrund ist die Substanz des Geldes . . . Geschichtlich wirklich gesehen ist Geld eine sehr vielfältige und bewegte Erscheinung — nach Form, Gehalt und Wirkung in vielen Beziehungen und Übergängen spielend, die der Starrheit des theoretischen Begriffs sich immer wieder entziehen . . .". Im allgemeinen ist also Geld alles, was als Zahlungsmittel verwendet werden kann, von den Kaurimuscheln und den Glasperlenschnüren primitiver Völkerschaften angefangen bis zum vollausgebildeten Zahlungsverkehr der Gegenwart, der sich ebenso der Banknoten und Münzen wie auch der Wechsel, Kreditbriefe, Kassenscheine und anderer Dinge bedient. Der Stoff, aus dem ein Zahlungsmittel besteht, ist demnach gleichgültig. In der Nationalökonomie wird der Geldbegriff sehr unterschiedlich interpretiert. DOBRETSBERGER (148) z. B., dem ich hier folge, nennt Geld „die Dokumente, die den Kaufanspruch beglaubigen . . . Es ist daher zweckmäßig, die Bezeichnung ,Geld' sowohl 17

auf das konkrete Kaufkraftdokument als auch auf die abstrakte Kaufkrafteinheit anzuwenden; der Sprachgebrauch tut dies, und die Währungspolitik bezieht sich auf beides". Als Träger abstrakter Kaufkraft kommen in Betracht „Güter, deren Nutz- oder Tauschwert mit dem ihnen verliehenen Kaufkraftwert übereinstimmt wie einstmals Teeziegel (China), Salzblöcke (Nordeuropa), Tierfelle (Rußland), Silberstücke, heute Goldmünzen. Was aber solche Dinge zum Geld macht, ist nicht ihr Stoffwert, sondern ihr Symbolwert. Daran hielt das Zahlkraftrecht aller Zeiten und Länder fest. Der Stoffwert des Kaufkraftdokuments, z. B. der Goldgehalt einer Münze, ist nur eine Garantie für den Geldbesitzer, die jedem Stück individuell beigegeben ist, daß er den Symbolwert, für den er die Münze in Zahlung nahm, unter allen Umständen realisieren kann . . . Goldmünzen sind demnach Kaufkraftdokumente mit anhaftender Stückgarantie". Kaufkraftträger kann aber auch ein Dokument ohne jeglichen Stoffwert sein, wie die Banknote und Scheidemünze oder das Kopfstück von Tierfellen. Der Symbolwert des Dokumentes ist aber nicht mehr durch seinen Stoffwert gesichert, „sondern durch gesellschaftliche Konvention oder gesetzlichen Annahmezwang. Die Stückgarantie ist durch soziale Garantie. ersetzt. Solches Geld setzt eine festgefügte Rechtsordnung und ein geordnetes Staatswesen voraus, sonst ist soziale Garantie wertlos; die Kaufkraftinhaber flüchten in das Geld mit vollem Eigenwert, d. h. mit Stückgarantie . . . Kaufkraftträger können auch wie der Wechsel, der Scheck, das Bankguthaben Forderungen gegen eine individuelle Person sein. Solche Kaufkraftdokumente haben weder Stückgarantie noch soziale Garantie, sondern bloß individuelle Garantie". Die Nationalökonomie selbst aber ist sich über die Auffassung vom Gelde keineswegs einig. Sie ist vor allem national gespalten. Der größte Teil der französischen Autoren, voran RIST, läßt das Zeichengeld nicht als „Geld" gelten. Die deutsche Geldtheorie, voran KNAPP (556), kehrt als Wesensmerkmal des Geldes die schuldentilgende Wirkung hervor. Gesetzlich kommt diese nur den Banknoten und begrenzt den Scheidemünzen zu, nicht aber dem Wechsel, Scheck und Bankguthaben. Diese sind daher nicht Geld. „Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung, denn der Staat bestimmt, was gesetzliches Zahlungsmittel ist." Die angelsächsische Literatur hingegen „kennt diese Unterschiede nicht. Sie nimmt jedes Kauf kraftdokumentfür Geld, das gewohnheitsmäßig in Zahlung genommen wird, was immer sein Stoffwert oder seine gesetzliche Grundlage sein mag . . . Die angelsächsische Geldtheorie gibt zweifellos die zweckmäßigste Definition des Geldes: Kaufkraftdokumente, die gewohnheitsmäßig in Zahlung genommen werden. Das sind Banknoten, Scheidemünzen, aber auch Wechsel, Schecks, Bankguthaben, Kreditbriefe, Kassenscheine . . .". Und schließlich: „Ein Wesensmerkmal des Geldes ist, daß es bedingungslos zum Nominalwert in Zahlung genommen wird. Denn die Wertsumme, auf die es lautet, ist der einzige Inhalt der Geldschuld; sie muß eindeutig bestimmt sein." Die Münzen hingegen, die natürlich seit jeher zum Gelde gerechnet werden, „sind Metallstücke, die im Auftrag und nach Vorschrift eines Gemeinwesens in einer bestimmten Form gegossen oder geprägt werden, die ein von dem Gemeinwesen gewährleistetes Gewicht und einen bestimmten Feingehalt erhalten und mit einem bestimmten Zeichen versehen werden, damit sie als Geld verwendet werden können, d. h., damit sie bequem den Tauschverkehr an Gütern vermitteln, verhältnismäßig wertbeständig sind und die Anhäufung von Werten leicht ermöglichen. Die Verwendung der Münze setzt nicht nur eine ziemlich hohe Stufe der Technik (Metallgewinnung, Metallverarbeitung), eine entwickelte Verkehrswirtschaft, geordnete öffentliche Verhältnisse, sondern auch die Fähigkeit der Abstraktion voraus". 18

Man sieht aus der Gegenüberstellung der beiden Begriffe, daß die Münze ein ziemlich eindeutiger, das Geld aber ein vielschichtiger Begriff ist. Dementsprechend sind auch die Aufgaben der Münz- und Geldgeschichte verschieden, nur daß in Zeiten, als das Metallgeld, also die Münze, dominierte, Münz- und Geldgeschichte einem gemeinsamen Ziele zustrebten. „Die Münzgeschichte", sagt G E B H A R T (294), „fragt nach dem Münzfuß, dem Nominale, nach seiner Stellung im Währungssystem, nach Münztechnik und Münzrecht, nach der Organisation des Münzbetriebs. Weiterhin steht die Münze als Geld in ihrer Bedeutung neben anderen Geldarten zur Untersuchung, ihre Funktion als Tausch- und Zahlungsmittel sowie als Wertmaß, ihre Wertsubstanz, ihre Kaufkraft und schließlich ihre Bedeutung als Geld schlechthin im Rahmen des gleichzeitigen Wirtschafts- und Kulturstils." Die Münzgeschichte ist also nur ein Teil der Geldgeschichte, welche „sämtliche Gelderscheinungen der Geschichte in allen ihren Beziehungen mit einbegreift. . . Geldgeschichte ist die wesenseigene Aufgabe der Numismatik." Diese Forderung hat übrigens schon Hermann G R O T E 1865 in seiner „Geldlehre" gegeben, die er mit dem charakteristischen Satz eröffnet: „Wenn die Numismatik nicht lediglich eine Anweisung, Münzsammlungen zu ordnen, sein, sondern sich auch zum Wirtschaftlichen erheben soll, so darf sie sich nicht ausschließlich auf die Beantwortung der Frage ,Cujus sit imago et superscriptio?' beschränken, sondern sie muß auch darüber Auskunft geben: ,Quo valeat nummus, quem praebeat usum.' Mit der Münzenkunde muß die Geldkunde verbunden sein" (677). Abschließend sei hier noch Luschins Lehre von den Münzen, also der Numismatik angeführt. „Diese zerfällt, je nachdem das Äußere oder das Wesen der Münzen zum Gegenstand geschichtlicher Betrachtung gemacht wird: a) in die Münzkunde, die sich an die Erscheinungsform, an das äußere Bild der Münze hält und daher vorwiegend beschreibenden Inhalts ist; b) in die Münzgeschichte, welche die Münze als gewesenes Geld, also nach ihrer volkswirtschaftlichen Seite betrachtet. Die Münzgeschichte erweitert sich zur Geldgeschichte, sofern sie sich nicht auf Münzen beschränkt, sondern auch die übrigen im Verkehr üblichen Geldformen sowie die Ersatzmittel des Geldes in Betracht zieht" (677). Nach diesen Grundsätzen ist auch dieses Buch geschrieben. 3. Einige Fachausdrücke Es gibt harte oder Kurantmünzen. Harte oder, wie sie in früheren Jahrhunderten auch genannt wurden, grobe Münzen, sind im Sinne der älteren, konservativen Geldtheorien jene, bei der sich der Nennwert (valor extrinsecus) mit dem Metallwert (valor intrinsecus) nahezu zu decken hatte. Nur der sogenannte Schlagschat^ war gestattet, eine kleine Differenz zwischen den beiden angeführten Werten, aus der die Prägekosten und auch ein bescheidener Gewinn für den Münzherrn — Staat oder Herrscher — gedeckt werden mußten. Als Kurantmünzen bezeichnete man „seit dem 17. Jahrhundert das silberne Währungsgeld im Gegensatz zu den Gold- und Scheidemünzen und dem Papiergelde." Im österreichischen Raum war dieser Ausdruck kaum gebräuchlich. Scheidemünze „ist das von seinem Zwecke, Käufer und Verkäufer endgültig ohne Bruch auseinander zu scheiden, genannte Kleingeld" (1088). Es wird aus billigem Material hergestellt, das die nötige Widerstandsfähigkeit gegen Nässe, Schweiß oder Reibung besitzen soll, also Kupfer, Bronze, Nickel oder Aluminium, rein oder legiert. Andere Metalle, wie Zinn, Zink, Blei oder Eisen, die diese Widerstandskraft nicht besitzen, werden nur im Falle äußerster Notwendigkeit, 19

z. B. im Kriege, zur Herstellung sogenannter Notmün^en verwendet. Sie werden durch Rost, Oxydation, bei Zinn durch die Zinnpest, nur zu bald zerstört. Der Münzherr verbürgt oder gewährleistet in Form und Ausstattung den Wert der Münze. In alten Aktenstücken findet sich nicht selten auch der Ausdruck „Wehrschaft" oder adjektivisch „wehrhaft". Das bedeutet dasselbe wie heute Währung, eben die Gewährleistung von Gewicht und Gehalt durch die Obrigkeit. Heute spricht man von Silber-, von Gold- oder von Doppelwährung, je nachdem, ob nur eines oder beide Metalle das Münzsystem eines Staates bilden, wobei es noch Unterteilungen dieser Hauptbegriffe gibt, die dann später erklärt und definiert werden sollen. Früher gab es auch eine Taler- oder Gulden-, ja sogar eine Scheidemünzwährung. Eine Papierwährung ist erst das Ergebnis neuerer Zeiten und ist „infolge der Uneinlösbarkeit des Staatspapiergeldes der Gefahr schrankenloser Vermehrung ausgesetzt" (1088). Keine Währungsmünzen sind die sogenannten Handelsmessen, für die zwar der Metallwert verbürgt ist, die aber — wie z. B. die heute noch geprägten Levantinertaler (auch Mariatheresientaler genannt) mit der Jahreszahl 1780 — im eigenen Lande keinen Zwangskurs und keine gesetzliche Zahlkraft besitzen, also außerhalb des eigentlichen Münzsystems stehen. Schließlich gibt es auch noch den Begriff der Kreditmün^en, „bei denen nicht wie bei den Währungsmünzen Nennwert und Sachwert annähernd übereinstimmen, sondern der Nennwert erheblich höher ist als ihr Sachwert" (1088), was in erster Linie für die aus unedlen Metallen hergestellten Scheidemünzen, aber auch bei allen Silbermünzen in den Goldwährungsländern zutrifft. Zu den Kreditmünzen gehören im übertragenen Sinn auch alle papierenen Zahlungsmittel, alles Not- und Zeichengeld (metallene Wertmarken u. dgl.). Mit Nominale bezeichnet man den Nennwert einer Münze, den Namen, den ihr der Münzherr beigelegt hatte, also den Münzwert. „Nach den Diensten, die die Münze dem Menschen zu leisten hat, unterscheidet man vier Arten von Werten: den Nennwert (oder valor extrinsecus), den Verkehrswert, den Sachwert (oder valor intrinsecus) und den Tauschwert. Uralt ist der Streit darüber, ob der Staat dem Gelde seinen Wert gebe, also der Zahl-, Nenn- oder Nominalwert, der valor extrinsecus der Kanonisten dafür bestimmend sei, oder ob der Wert des Geldes auf seinem Metallgehalte beruhe, also der Sachwert oder valor intrinsecus das Maßgebende sei" (1088). Es ist aber „nicht zu bestreiten, daß die Wertschätzung der Münzen durch die Menschen auf beiden Momenten beruht. Denn der internationale Verkehrswert oder Kurs einer Münze richtet sich nach dem Feingehalte sowie der Nachfrage und dem Angebot derselben, während er nach dem gesetzlichen Landeswerte erst in zweiter Linie fragt, der dagegen im Binnenverkehr zuerst maßgebend ist. Der Tauschwert endlich oder die Kaufkraft des Geldes, das heißt die Menge von Gütern, die zu einer gewissen Zeit mit einer Münzart gekauft werden können, gehört in die Preislehre" (1088). Damit haben wir das Gebiet der Geldtheorie, der Frage nach dem Wesen des Geldes berührt, das als Tauschmittel, als Mittel einseitiger Leistungen, z. B. Erbschaft, Strafe, als Mittel der Wertaufbewahrung, des Werttransportes, der Kapitalsübertragung, z. B. Hin- und Rückgabe von Darlehen, und endlich als Wertmaßstab dient. Es braucht wohl nicht eigens gesagt zu werden, daß es ungezählte Geldtheorien gibt, die z. T. noch ins Altertum zurückgehen. Über sie hier nur eine Übersicht zu geben, ist nicht nur unmöglich, sondern widerspricht auch dem rein historischen Charakter dieses Buches. Sie werden daher im darstellenden Teil nur dort kritisch beleuchtet, wo eine solche Theorie erkennbar und das Münzwesen zu beherrschen oder zu beeinflussen imstande war. 20

4. Theoretische Grundlagen Jahrhundertelang wurde die Anschauung zäh verteidigt, daß Nenn- und Sachwert einer Münze (valor extrinsecus und intrinsecus), also Metall- und Verkehrswert sich nahezu decken müßten, wobei der Schlagschatv^ der die Prägekosten und den Münzgewinn des Münzherrn zu decken hatte, eine relativ geringe Differenz bildet. Eine Forderung, die sich auf dem Papier ebenso schön ausnahm wie sie in Wirklichkeit undurchführbar war, weil eben der Münzgewinn und nicht die Güte der Münze für die große Mehrheit der Münzherren das einzig Entscheidende war. Wäre dies nicht der Fall gewesen und hätte nicht einer immanenten Gesetzlichkeit zufolge die schlechte Münze stets die gute verdrängt, so wäre ein aus guter Münze bestehendes System das Natürliche und einzig Mögliche gewesen; schon deshalb, weil für Staaten, deren Einnahmen hauptsächlich aus den Erträgnissen des Fernhandels kamen, eine gute, vollgewichtige und edelmetallreiche Münze nicht nur Zahlungsmittel, sondern zugleich auch Handelsware darstellte. Es wird sich also zeigen, daß die guten Münzen deshalb meist in Auslandfunden auftreten, die schlechten dagegen, wie die Münzpatente mit ihren Verboten und Warnungen beweisen, in einer für den Binnenhandel und darüber hinaus für die gesamten privaten und öffentlichen Finanzen ungesunden und nicht tragbaren Menge im eigenen Lande kursierten. Alle gegen sie gerichteten Maßnahmen erwiesen sich als wirkungslos. Zwar hatten sich schon im Mittelalter gewichtige Stimmen gegen die allzu rigorose Auslegung dieser Geldtheorie erhoben, doch verhallten sie bei den Verfechtern des entgegengesetzten Standpunktes ungehört. Die Vorstellungen, die in früheren Zeiten über das Wesen des Geldes herrschten, entbehrten nämlich einer eindeutigen Definition. „Vom Mittelalter her war man darüber, was das Wichtigere an dem Geldstück sei, der Nennwert oder das Feingewicht an Edelmetall, noch nicht ins klare gekommen. Da man den Ausgangspunkt von der Berechtigung des Münzherrn nahm, Münzen zu schlagen und als Zahlungsmittel auszugeben, so erschien an der Ausübung des Münzrechts die Wertbeilegung, der valor impositus, als das weitaus Wichtigste. Nun fühlte man zwar, daß mit dem bloßen Nennwert ungeachtet des Zwangskurses, den der Münzherr seinen Geprägen beilegen konnte, auf die Dauer nicht auszulangen war, sofern die Stücke nicht eine gewisse innere Güte (bonitas intrinseca) hatten, allein für diese zu sorgen, bestand nur Gewissenpflicht und keine erzwingbare Rechtsvorschrift." Schon Papst Innocenz III. (1198—1216), der das Papsttum auf die Höhe der weltlichen Macht führte, „erachtete eine mäßige Verschlechterung der Münze aus Not oder einer andern gerechten Ursache für zulässig, namentlich um ihre Verschleppung außer Landes zu hindern". Der gleichen Ansicht war auch der berühmte Kanonist Johann Andreae, „fons et tuba juris", 1348 zu Bologna, wo er kanonisches und römisches Recht gelehrt hatte. Diese beiden Entscheidungen galten für lange Zeit förmlich als sakrosankt. Sie wurden aber nicht nur in Notzeiten angewendet, sondern von gewissen Münzherren geradezu schamlos ausgenützt, denn die Länder, in die dieses schlechte Geld in Riesenmengen einsickerte, besaßen nicht genügende Abwehrkräfte, sich dieser Invasion wirksam zu erwehren. Insbesondere die altösterreichischen Lande waren als Durchzugsgebiet nach dem Süden davon betroffen. Daher zieht sich dieser vergebliche Kampf gegen die schlechte Münze gewisser Nachbarn wie ein roter Faden durch ihre Geldgeschichte. Der Kampf beginnt schon gegen Ende des Mittelalters und endet im großen ganzen erst mit den Münzreformen Maria Theresias, die sich als erste getraut, mit längst veralteten und überholten Anschauungen aufzuräumen und an ihre Stelle vor allem durch Einführung des 21

bisher verpönten Kupfers als Münzmetall auch eine Art von Kreditgeld zu schaffen, dem nur der valor impositus, der beigelegte Wert, den Rückhalt gab und nicht wie bisher der Metallwert. Die von Karl dem Großen eingeführte Silberwährung hatte so ziemlich das ganze Mittelalter beherrscht. Erst verhältnismäßig spät war auch das Gold wieder in den mitteleuropäischen Münzverkehr eingetreten. Nur Byzanz hatte eine Goldwährung besessen, die erst unter Johannes VIII. Palaiologos (1425—1448) einer Silberwährung gewichen war. Bis zum tragischen Ende des Staates, mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken, hatte man keine Goldmünzen mehr ausgeprägt, die früher durch lange Zeit hindurch im internationalen Handelsverkehr eine bedeutsame Rolle gespielt hatten. Um ungefähr die gleiche Zeit spielte sich in West- und Mitteleuropa der umgekehrte Vorgang ab. Hier machte man auf Grund erheblicher Goldproduktion nunmehr vom Golde weitgehenden Gebrauch, und bis zur Münzreform Erzherzog Sigmunds von Tirol, die das gesamteuropäische Münzwesen revolutionierte, rückte das Silber bei Großzahlungen an zweite Stelle. Vom Kupfer hingegen, dem man in Byzanz für den Kleinverkehr einen wichtigen Platz eingeräumt hatte, wollte man in den übrigen europäischen Ländern nichts wissen. Ein Versuch König Bêlas III. von Ungarn (1173—1196) — sichtlich nach byzantinischem und arabischem Vorbild — fand nirgends eine Nachahmung. Aber gerade der Umstand, daß man auch die kleinsten Werte beharrlich in gutem Silber ausprägte, zeitigte die schlimmsten Folgen. Es ist daher mit die Aufgabe dieses Buches, die Auswirkungen einer verfehlten Scheidemünzpolitik jeweils an entsprechender Stelle aufzuzeigen. Die Bedeutung der Scheidemünze, die sich mit der der Kleinmütige so ziemlich deckt, ist den Geldtheoretikern lange nicht im vollen Umfange klar geworden. Vor allem wußte man nicht, daß in einer richtigen Scheidemünzpolitik das lange vergeblich gesuchte Mittel zur Lösung entscheidender Fragen lag. Heute, wo der Münzumlauf fast nur aus solchen Scheidemünzen gebildet wird, während die höheren Nominale aus Bank- oder sonstigen Papiernoten bestehen, ist es unbegreiflich, daß man sich jahrhundertelang in eine Geldtheorie verrannte, die den gewissenhaften Münzherren zwangsläufig großen Schaden zufügte, während verantwortungslose Elemente sie sich zunutze machten. Die Scheidemünze ist, wie schon oben gesagt, nichts anderes als „das nach seinem Zwecke, Käufer und Verkäufer endgültig ohne Bruch auseinander zu scheiden", benannte Kleingeld (1088). Aus diesem Zwecke ergeben sich die technischen Merkmale der Scheidemünze: „Sie muß aus einem billigen und wegen der nötigen Widerstandsfähigkeit gegen Nässe, Schweiß, Reibung bei sehr schnellem Umlaufe soliden Material, also aus Kupfer, Bronze, Nickel, Aluminium, rein oder legiert, geprägt sein. Das wichtigste ist der Münzfuß — die gesetzliche Vorschrift über Gewicht und den Metallbestand einer Münze — der die Unterwertigkeit der Scheidemünze, gewährleisten muß, das heißt : ihr Sachwert darf ihren Nennwert nicht erreichen, im Gegensatz zum Währungsgelde, bei dem beide möglichst zusammenfallen sollen. Bei Vollwertigkeit der Scheidemünze würden erstens die Münzkosten unverhältnismäßig hoch, und zweitens würde beim Steigen des Metallpreises die aus diesem Metalle hergestellte Münze gehortet oder außer Landes gebracht werden und ein wirtschaftlich schwer zu ertragender Mangel an ihr entstehen. Dagegen ist einem durch zu starke Ausgabe veranlaßten Sinken unter ihren Nennwert durch ihre unbeschränkte Annahme bei den Staatskassen und die Kontingentierung ihres Prägequantums entgegenzutreten, wodurch ihre freie Prägung ausgeschlossen ist. Damit die Scheidemünze nicht an die Stelle des Währungsgeldes trete, ist endlich ihre Zahlkraft zu beschränken." 22

„Auf dem Mangel der Erkenntnis vom Wesen der Scheidemünze beruhen die meisten Münzkrisen im europäischen Münzwesen seit dem Ausgange des 16. Jahrhunderts; der größere Teil der Münzkrisen ist durch den mit der Scheidemünze getriebenen Mißbrauch herbeigeführt worden . . (1088). Die Scheidemünzpolitik und ihre ersten Vorläufer bilden dennoch das Rückgrat der Münzpolitik überhaupt. Österreich war ein Teil des Römischen Reiches Deutscher Nation. Durch den Anfall der Länder der Wenzels- und der Stephanskrone nach der für Ungarn so katastrophalen Schlacht bei Mohacs 1526 und durch den mit einer fünfjährigen Unterbrechung nach dem Tode Karls VII. bis zum Ende des Reiches in den Napoleonischen Kriegen dauernden Besitz der Kaiserwürde war es sogar das mächtigste Glied unter den deutschen Territorialstaaten gewesen, bis ihm das aufstrebende Brandenburg-Preußen diesen Vorrang streitig zu machen begann. Die Kaiser aus dem Hause Habsburg, die Landesfürsten der österreichischen Erblande und als Könige von Böhmen zugleich auch Kurfürsten des Reiches waren, hatten demnach in den Münzangelegenheiten des Reiches ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Nicht zuletzt diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die einzigen drei Reichsmünzordnungen, die je erlassen wurden (Eßlingen 1524, Augsburg 1551 und 1559), unter dem maßgeblichen Einfluß der Kaiser Karl V. und Ferdinand I. aus dem Hause Habsburg zustande gekommen sind. Wir werden noch öfters darauf zurückkommen. Hier sei nur noch gesagt, daß auch diese wohlüberlegten Ordnungen nicht imstande waren, das im Reiche obwaltende Münzchaos zu entwirren. Einmal, weil sich nur eine Minderheit der deutschen Münzherren so gut es eben ging an die Vorschriften und die sich immer wieder als notwendig erweisenden Novellen hielt, zweitens weil eben die Mehrheit wissentlich und willentlich eine dem Ansehen der deutschen Münze ungemein schädliche, gewinnsüchtige Münzpolitik trieb, die zum Teil allerdings der angeführten veralteten Geldtheorie entsprang, deren offen zutage liegende Fehler aber von der Gewinnsucht insbesondere der kleineren Münzherren schamlos ausgebeutet wurde. 5. Münztechnik a) Entwicklung der Münzprägung. Was die Münztechnik anlangt, so kommt der Mim guß in unserem Falle für die Herstellung von echten Münzen kaum in Betracht. Die Kelten verwendeten diese Technik wohl ab und zu, aber nicht in dem von uns untersuchten Räume. Dagegen haben sich die Münzfälscher zu allen Zeiten des Gusses bedient. Ein für Falschmünzen bestimmter keltischer Gußmodel ist erst vor wenigen Jahren auf dem Magdalensberg in Kärnten bei Klagenfurt aufgefunden worden. Somit kommt der Prägung die entscheidende Bedeutung zu. „Wie die meisten Industrien, ist auch sie von der Handarbeit zur mechanischen und Maschinenarbeit fortgeschritten. Mit dem Hammer in der Hand gab der Münzarbeiter bis zum 15. Jahrhundert der Platte das Gepräge (Hammerprägung). Die Ende des 15. Jahrhunderts aufkommenden großen Silbermünzen (Lira, Taler) machten wahrscheinlich die einfache Handarbeit zu gefährlich und führten zur Entwicklung des Klippwerks. Dieses, dann das Walzprägewerk, das Taschenwerk und das Spindelwerk waren die mechanischen bis ins erste Viertel des 19. Jahrhunderts gebrauchten Prägewerke. Erst das Spindelwerk und später das Kniehebelwerk wurden dann zu modernen, mit Dampf betriebenen Maschinen entwickelt. Jetzt wird die Prägung natürlich mit elektrischer Kraft besorgt." Bei der Hammerprägung, also der Münztechnik vor Einführung der mechanischen 23

Prägung, war der Unterstempel fest in einen Holzblock eingelassen. Auf ihn wurde die Platte oder, wie sie früher hieß, der Schröding gelegt, auf diese der Oberstempel gesetzt und auf diesen mehrere Hammerschläge geführt. Um ein genaueres Auftreffen der Bilder auf den Schröding zu gewährleisten und ein Verrutschen der Stempel zu vermeiden, wurden diese in die Backen einer Flachzange eingelassen. Die größeren Münzgattungen wie die Taler erforderten sehr starke Schläge mit zentnerschweren Hämmern, was die Einführung des in Bahnen laufenden Oberstempels, des sogenannten Klippwerks, nötig machte. Die kleinsten Sorten wurden hingegen noch bis ins 18. Jahrhundert nur mit dem Hammer geprägt. Beim Klippwerk oder Fallwerk war der Oberstempel in einen Rahmen eingelassen. „Der Präger hob mit einem Fuße mittels eines Steigbügel-Riemens den Oberstempel und legte die Platte auf den Unterstempel, worauf ein Arbeiter mit einem Hammer auf den Oberstempel schlug" (1088). Wann das Klippwerk erfunden wurde, wissen wir nicht; wahrscheinlich aber sind die ersten Taler damit geprägt worden. Benutzt wurde es bis ins 19. Jahrhundert, meist für kleinere Münzen. Die nächste Etappe war das Walzwerk oder Druckwerk, das wahrscheinlich in der Münze zu Hall in Tirol um 1550 erfunden und eingeführt wurde. Der Zain, d. h. der in einer Sandform oder Gießflasche erkaltete Metallguß, der vor dem Ausschneiden der dünneren Schrötlinge gestreckt werden mußte, wurde hier durch Walzen gezogen, auf deren einer die Vs., auf deren anderer die Rs. eingraviert war, worauf die Münzen aus den Zainen ausgeschnitten wurden. „Da aber eine kreisrunde Fläche durch Walzen oval wird, waren die Münzbilder im entgegengesetzten Sinne oblong auf die Walzen graviert" (215). Diese hatten an nicht gravierten Stellen tiefere Einkerbungen, um das Verschieben der Zaine zu verhüten; doch erforderte das Einstellen große Fertigkeit. Die Walzen trugen 4 bis 6 Bilder der größeren, bis 19 der kleineren Münzen. In Österreich wurde die Walzenprägung 1566 bis 1765 angewendet. Das sehr zeitraubende Dünnhämmern der Zaine mit dem in der Hand geführten Hammer wurde im 16. Jahrhundert ebenfalls durch mechanische Erfindungen ersetzt: die Streckwalzen und die Reckbank (Streckbank, Durchlaß, Ziehwerk, Adjustierwerk). Da lange Zeit die Achsen der Streckwalzen in ihrer Parallelität nicht stabil erhalten werden konnten, waren die Zaine ungleich dick und daher die einzelnen Münzen ungleich schwer. Man ließ deshalb die Zaine noch einmal durch die eisernen Backen der Reckbank laufen, die, schon früher in Ungarn und Polen benutzt, 1523 von Erzherzog Ferdinand empfohlen wurde. Aber während des ganzen 16. Jahrhunderts hatten die deutschen Münzstände mit dem zähen Widerstande der Münzer gegen dieses mehr Mühe erfordernde Werkzeug zu rechnen, das erst nach der Kipperzeit mit ihrem riesigen Münzausstoß überall eingeführt wurde. In Ungarn hatten dort beschäftigte deutsche Münzarbeiter die in der Kremnitzer Münze übliche Ziehbank eine „Schelmenbank" gescholten, sie bei Gran in die Donau geworfen und infolgedessen in Kremnitz schlechte und ungleiche Pfennige geprägt. Als in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts das Walzwerk vervollkommnet wurde, konnte die Reckbank entbehrt werden. Das Taschenwerk ist eine Abart des Walzenprägewerkes. „Die Taschen sind ausgebauchte Stahlstücke mit stengelähnlichem Ansatz, sie haben die Form eines Pilzes. Der Ansatz wurde in eine Maschine eingespannt, die die genau einander gegenübergestellten Taschen mit den auf ihrer Oberfläche eingravierten Münzbildern hin- und herbewegte; zwischen sie brachte man eine Münzplatte. Der Vorteil gegenüber dem Walzenprägewerk war der, daß beim Unbrauchbarwerden eines Stempels nicht die ganze Walze vernichtet werden mußte, daß ein genaues Aufeinandertreffen der Stempel leichter bewirkt werden konnte und die geprägten Platten nicht aus den Zainen geschnitten werden brauchten. 24

Die Münzen wurden aber auch hier selten ganz rund und konnten wegen ihrer oft gebogenen Gestalt nicht in das Rändelwerk gebracht werden, waren also wegen der fehlenden Randverzierung dem Beschneiden sehr ausgesetzt. Die Taschen der Wiener Münze reichen von 1656 bis 1754, in den süddeutschen Münzstätten sind sie noch bis 1790 zu finden. Sie wurden durch Klipp- und Spindelwerk ersetzt" (1088). Dieses Spindelwerk (Stoßwerk, Anwurf, Balancier) war das wichtigste Prägewerk von etwa 1700 bis 1830. Der Oberstempel wird durch eine Spindelschraube auf- und niedergeführt, die Spindel ist oben in einen zweiarmigen, 2 bis 3 % m langen horizontalen Arm eingeschraubt, der an beiden Enden feste Schwunggewichte von 20,30 und mehr Kilogramm trägt. Dieser Arm wurde durch zwei bis zwölf Arbeiter angeworfen (daher der Name „Anwurf") oder gestoßen (Stoßwerk). „Der Vorteil vor der Hammerprägung und dem Klippwerk sowie der Walzenprägung war ein sehr energischer, dabei aber federnder Stoß, immer, auch bei sehr großen Medaillen, genügte ein einziger; für die Prägung dieser und zum Einsenken der Stempel wird das im Laufe der Zeit vervollkommnete Werk noch heute gebraucht, doch wird es jetzt immer mehr durch die Friktionsmaschine ersetzt. Das Spindelwerk erfordert wegen der starken Erschütterung feste Fundamente in Erdgeschossen und gestattete etwa 30 Stöße in der Minute. Den Balancier haben für die Münzprägung wohl zuerst Bramante, Leonardo da Vinci und Benvenuto Cellini benutzt. Dann hat ihn der Augsburger Goldschmied Max Schwabe um 1550 in Deutschland eingeführt; in Paris, London und Spanien geschah das bald darauf. Aber erst seit 1650 gelang es, den Widerstand der Münzer zu überwinden, und allgemein wurde es überall nicht vor 1690 gebraucht" (1088). Was die eben erwähnte Friktionspresse anlangt, so wird sie nur in der Medaillenprägung gebraucht, scheidet also hier aus. Zum Schluß sei das Kniehebelwerk erwähnt. Es ist die „heute in der ganzen Welt benutzte, von dem Mechaniker Dietrich Uhlhorn in Grevenbroich 1817 erfundene Münzprägemaschine. Ihr Kraftprinzip ist nicht der senkrechte Stoß der früheren Prägewerke, sondern die Hebelkraft. Ein starkes Stück Stahl in Form eines Winkels oder Knies hat einen kürzeren und dickeren horizontalen und einen nach unten sich verjüngenden längeren vertikalen Arm. Die feste Achse, um die sich dieses Winkelstück bewegt, befindet sich in der oberen Biegung des horizontalen Schenkels. Am unteren Ende dieses Schenkels befindet sich ein Zapfen, der in eine entsprechende Vertiefung des Pendels paßt. Dieses Pendel, eine starke vierkantige, senkrecht im Rahmen frei stehende Schiene, drückt unten auf den Oberstempel. Wird mittels des Kurbelzapfens eines Schwungrades dem unteren Ende des Kniehebels eine hin- und hergehende Bewegung gegeben, so wird das obere Ende des Hebels gesenkt und gehoben. Beim Senken wird mittels des Pendels der Oberstempel nach unten gedrückt und die Münze geprägt, beim Heben nimmt der Kniehebel nicht etwa Pendel und Oberstempel mit hoch, denn er hängt ja mit dem Pendel nicht zusammen, sondern Pendel und Oberstempel werden durch einen besonderen Mechanismus gehoben. Die Maschine ist recht kompliziert und wurde in den Jahren nach ihrer Erfindung noch bedeutend vervollkommnet . . . Eine geniale Erfindung Uhlhorns bewirkte, daß die Maschine sofort ihre Bewegung einstellt, wenn zufällig keine Platte auf dem Unterstempel liegt, und daß der Druck bedeutend gemildert wird, wenn zwei Platten auf ihn geraten sind oder die Platte nicht genau in die Öffnung des Prägeringes eintritt" (1088).

Das ist die Entwicklung der Münzprägung, vom primitiven und unsicheren Schlag mit dem Hammer, wie es u. a. auch noch das berühmte Fresko in der Münzerkapelle zu Kuttenberg zeigt, zur modernen Prägemaschine. 25

b) Prägestempel. Aber mit dem Prägen allein ist es keineswegs getan. Bis es dazu kommt, sind noch eine Reihe verantwortungsvoller Vorbereitungen und Manipulationen erforderlich. Da sind zunächst die gewöhnlichen eisernen Mün^stempel. Die Arbeiter oder Künstler, die sie schufen, wurden im 16./18. Jahrhundert dementsprechend Eisengräber oder Eisenschneider genannt. Sie gruben oder schnitten das Münzbild spiegelverkehrt in das Eisen. Zwischen diese Stempel wurde dann die Platte gepreßt, um dadurch das Bild der Vs. und Rs. zu erhalten. Je nach der Lage, die diese Stempel bei der Prägung einnehmen, gibt es einen oberen, in älterer Zeit Obereisen oder bloß Eisen genannt, und einen unteren, das Untereisen oder auch Stock. Der Stock saß fest, das Eisen aber wurde lose auf den hingelegten Schrötling aufgesetzt und dem mit dem Hammer darauf geführten Schlag direkt ausgesetzt. Mit zunehmender Mechanisierung änderte sich auch der Name der Stempel: bei dem Walzwerk hieß es obere oder untere Welle oder auch Taschenwerkseisen und Taschenwerksstempel. Beim Anwurf- oder Spindelwerk hieß es oberer oder unterer Stock, bei den Uhlhornschen Pressen und anderen modernen Maschinen schießlich einfach Prägestempel. Die Münzstempel mußten natürlich gegen Schlag oder Druck so widerstandsfähig wie möglich gemacht werden, was eine besondere Härtung erforderte, da sich sonst die mit dem Grabstichel hergestellte Gravur, das Münzbild, zu schnell abnutzte. Insbesondere während des Mittelalters gab es noch kein sicheres Härteverfahren; dem sind auch die vielen Stempelvarianten bei ein und derselben Emission zuzuschreiben. Das Stempelgaben war eine mühselige Arbeit, die eine ziemliche Routine voraussetzte. Selbstverständlich stehen seit den ältesten Zeiten Münzbildern von erlesener Schönheit auch solche von ausgesprochenem Dilettantismus gegenüber. Nach der Münzkunst des Altertums — man erinnere sich bloß an die Münzen Altgriechenlands, insbesondere Siziliens — folgte durch den Einbruch der Barbaren, z. B. der Kelten, in die antike Welt deren Untergang in den Stürmen der Völkerwanderungszeit und damit eine Epoche des Verfalls auch im Münzbilde. Erst langsam, parallel mit der zeitgenössischen Kunst, deren Renaissance vom Hofe Karls des Großen zu neuen Gipfeln emporstieg, erholte sich die Münzkunst und brachte insbesondere in den deutschen Brakteaten neuerlich Wunderwerke hervor. Als dann aber das Mittelalter seinem Ende entgegenging, uniformierte sich das Münzbild immer mehr und mehr. Der Handel entwickelte sich zum Fernhandel und brauchte dazu nicht nur eine wertbeständige, sondern auch eine gleichförmige Münze. Das Münzbild insbesondere der Gold- und der großen Silbermünzen des habsburgischen Gesamtstaates wird vereinheitlicht und unterscheidet sich nur durch die Individualität der Stempelschneider in den zahlreichen Münzstätten und durch gewisse heraldische und anderweitige Beizeichen, die die Herkunft der Gepräge anzeigen. Diese Vereinheitlichung und nicht zuletzt auch die stückmäßig viel umfangreicheren Emissionen erforderten aus Gründen des Zeitgewinns und der Verbilligung auch eine Vereinfachung in der Technik des Stempelschnittes. Trotz aller Vorsicht bei der Härtung zersprang immer wieder ein Stempel und mußte durch einen neuen ersetzt werden. Seit dem Ausgang des Mittelalters ist auch die Anführung des Prägejahres üblich geworden. Wenn der Stempel des Vorjahres noch gebrauchsfähig war, schnitt man einfach die Jahreszahl um, und zwar meist nicht die ganze, sondern nur die erforderliche Ziffer. Da aber Not bekanntlich erfinderisch macht, hat man schon frühzeitig für gewisse konstante Teile des Stempels Punzen verwendet. „Die Gestalt dieser Punzen war ungemein mannigfach, vom einfachen Punkt, Strich, Ringel u. dgl. angefangen, bis zum vielfeldigen Wappen oder mannigfachen Figuren. Durch wiederholtes Einsenken einer oder mehrerer 26

Punzen konnten demnach sowohl Buchstaben wie auch Münzbilder im Münzstempel erzeugt werden; es genügten beispielsweise schon fünf Punzen, eine mit dem Bildniskopf des Herrschers, zweierlei Halskrägen, ein Harnisch und eine Toga, für vier verschiedene Brustbilder." In neuerer Zeit hat man dann dieses Senkungsverfahren, das übrigens einschließlich des nachträglichen Härtens des Stempels schon im Mittelalter bekannt war, insoweit vervollkommnet, „daß vorerst von dem als vertiefte Matrize hergestellten Münzbild mit weichem Stahl eine erhabene Patrize abgenommen und diese dann gehärtet wird. Mit Hilfe einer solchen Patrize, die im Bedarfsfall durch neue Abschläge aus der Matrize vervielfältigt werden kann, werden durch Absenken in weichem Stahl die in allen ihren Einzelheiten haarscharf mit der ursprünglichen Matrize übereinstimmenden Prägestempel in beliebiger Menge erzeugt. Sie werden sodann auf den Durchmesser der Münze genau zugedreht und gehärtet, worauf sie gebrauchsfähig sind" (677). Ein Wort noch über die sogenannten Brakteaten und ihre Herstellung. Unter dieser Bezeichnung, die 1363 zum ersten Male in einer Urkunde vorkommt und dann von Thüringer Gelehrten gegen Ende des 17. Jahrhunderts allgemein in Gebrauch kam, verstehen wir Hohlpfennige, dünne „Blechmünzen", wie sie auch genannt wurden. Sie sind aus dünnem Silberblech unter Anwendung nur eines Stempels auf einer weichen Unterlage aus Wildleder geschlagen; das Bild der Vs. erscheint daher auf der Rs. vertieft. Welcher Umstand diese Prägetechnik auslöste, die doch manchmal oblatendünne, wenig widerstandsfähige und daher für längeren Umlauf untaugliche Stücke hervorbrachte, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Man mutmaßt, daß ihre Entstehung mit einer Herabminderung des Denargewichts im Rahmen kriegerischer Verwicklungen des 11. Jahrhunderts in Deutschland zusammenhängt. Vielleicht war auch der Umstand maßgebend, daß man infolge des dünnen Schrödings mit einem einzigen kräftigen Hammerschlag 10, 12 und auch mehr solche Stücke zugleich herstellen konnte. Im gesamtösterreichischen Raum sind sie insbesondere in Böhmen und in der Lausitz geprägt worden. Unter den Eisenschneidern befanden sich viele namhafte Künstler, die nicht nur in der Münzstätte, sondern auch auf dem Gebiete der Medaille Hervorragendes leisteten. Es gab „Dynastien" solcher Stempelschneider, in denen das Handwerk durch mehrere Generationen hindurch vererbt wurde, wie die Seel und die Matzenkopf in Salzburg. c) Metallurgie. Bis es zur Prägung kam, die dem Metall erst die Garantie des Staates verlieh, mußte das mit einem Stempel zu versehende Metallplättchen, der Schrötling, eine ganze Reihe von chemisch metallurgischen Prozessen durchlaufen, um prägefähig zu werden. Die Münzgesetzgebung und die auf ihr beruhenden Münzmeister- und Wardeininstruktionen bestimmten Feingehalt und Gewicht jedes einzelnen Münzstückes oder, wie dies in der Münzsprache hieß, Schrot und Korn. Schrot ist das Rauh- oder Bruttogewicht, Korn das Feingewicht oder Feingehalt. Beide zusammen ergeben den gesetzlichen Münzfuß. Nach der noch bis ins 18. Jahrhundert allgemein anerkannten, aber von den wenigsten Münzständen auch wirklich befolgten Geldtheorie sollte dieser möglichst fein, die Münze also vollwertig und vollgewichtig sein. Um das richtige Gewicht und den richtigen Feingehalt zu erzielen, mußte das Münzmetall, wie erwähnt, einer Reihe von Prozessen unterzogen werden. Über die bergmännische Metallgewinnung und die Metallbeschaffung, etwa durch Ankauf schon verarbeiteten Metalls (Bruch-Silber und Bruch-Gold gemeinhin Pagament genannt), wird in einem anderen Kapitel zu handeln sein. In der Urzeit des Münzens wurde, wie vielfache Untersuchungen erwiesen haben, Gold und Silber in reinem, unvermischten Zustande ausgemünzt. Da aber diese beiden 27

Edelmetalle in der Natur selten rein vorkommen, muß die Kunst, sie zu reinigen, schon sehr früh bekannt gewesen sein. Die Ägypter pflegten, wenn die Überlieferung richtig ist, „die aus den Flüssen gewaschenen Goldkörner mit Blei, Kochsalz, Zinn(?) und Gerstenkleie vermengt, in einem Tiegel aus gebranntem Tone durch fünf Tage und fünf Nächte zu erhitzen . . ., worauf dann am Morgen des sechsten Tages in dem erkalteten Tiegel ein Goldkönig vorgefunden wurde" (215). Mit dem Worte „König" wird in der Metallurgie das beim Probieren von Erz entstandene reine Metall bezeichnet, während Gußkönig (Regulus) das Stück Metall heißt, wie es aus dem Gefäß herauskommt, in dem es niedergeschmolzen wurde. Von den Ägyptern lernten die Griechen diese Kunst der Goldreinigung, und von diesen ging sie dann auch auf die Römer über. Die Methode hat sich also nahezu unverändert durch Jahrtausende erhalten. Als der ebenso als Bergmann wie als Numismatiker höchst verdiente Karl v. E R N S T nach Beendigung seiner Studien an der Bergakademie zu Schemnitz als Praktikant bei dem damals noch österreichischen Münzamt zu Venedig angestellt wurde, erklärte ihm ein alter Münzarbeiter das Verfahren, nach welchem das granulierte (gekörnte) Gold in viereckigen Kästchen aus gebranntem Ton in ein Zement aus Ziegelmehl, Eisenvitriol und Kochsalz eingehüllt, einer schwachen Hitze durch etwa 30 Stunden ausgesetzt wurde. Allerdings handelte es sich bei diesem Vorgang nicht um die Schmelzung von Wasch- oder Freigold, sondern nur um die letzte Puriiikation des durch andere Prozesse gewonnenen, aber noch nicht vollkommen reinen Goldes. Der chemische Vorgang besteht dabei in der Überführung des Silbers in Chlorsilber, in dem das durch die Einwirkung des Eisenvitriols aus dem Kochsalze freiwerdende Chlor an das Silber tritt. Das flüssige Chlorsilber zieht sich dann in das poröse Steinpulver ein. Vitruvius und Plinius erzählen, daß das Gold auch durch Amalgamation gereinigt wurde. Das vom letzteren beschriebene Verfahren ist fast dasselbe, dessen wir uns heutzutage bedienen. Das durch beigemengte Erden und sonstige fremdartige Bestandteile verunreinigte Gold wurde in Gefäßen mit Quecksilber gerührt, wodurch ein Amalgam entstand, das man zwischen Leder auspreßte, um das überflüssige Quecksilber zu entfernen. Das im Leder zurückgebliebene feste Amalgam wurde dann geglüht, worauf das Gold zurückblieb (215). Es ist dies die sogenannte Zementation des Goldes, die „Ciment", wie es in der „Goldkunsthandlung" der altberühmten Münzstätte Kremnitz genannt wurde. Ein Verfahren übrigens, dessen Geheimnis durch Jahrhunderte hindurch von ganz wenigen Eingeweihten ängstlich und sorgsam gehütet wurde. „Zur Reinigung des Silbers bedienten sich die Alten des Bleies, wie dies — neben anderem Verfahren — auch heute noch geschieht. Wird das Blei mit unreinem Silber (oder Gold) bei Zutritt von Luft geschmolzen, so oxydiert es und veranlaßt auch die anderen beigemengten Metalle zu oxydieren und sich zu verflüchtigen oder sich in eine poröse Unterlage einzuziehen, so daß nach einiger Zeit das Silber (und auch das Gold) rein zurückbleiben." Um das Gold vom Silber zu scheiden, wandte man schon in der Antike die oben dargelegte Zementation an, indem man die Legierung mit Kochsalz oder Schwefel erhitzte, wobei sich Chlorsilber oder Schwefelsilber abschied. Ob dagegen die Scheidung mittels Schwefelantimons, d. i. das Gießen des Goldes durch Spießglanz, den Alten schon bekannt war, ist ungewiß. Sicher aber wurde diese Methode im Mittelalter angewendet: die Gold-Silber-Mischung „wurde mit Spießglanz zusammengeschmolzen, wobei sich zwei Schichten, eine schwerere von Antimongold, dem Regulus, und eine leichtere, das Plachmal, bestehend aus Schwefelsilber, vermengt mit Schwefelkupfer, Schwefelantimon etc. und etwas Antimongold, bildeten. Nach dem Erkalten wurde das Plachmal wiederholt 28

umgeschmolzen, um das noch enthaltene Antimongold ganz abzuscheiden. Dieses wurde dann mit dem zuerst erhaltenen Antimongold unter Anwendung eines Blasbalges in Schmelzfluß gebracht, wobei sich das Antimon verflüchtigte und das reine Gold zurückblieb. Das Silber aus dem goldfreien Plachmal wurde ebenfalls durch oxydierende Schmelzung oder durch Abtreiben mit Blei gewonnen" (215). Dieses alte Verfahren wurde noch in neuerer Zeit in einer kleinen Modifikation mittels Antimonium crudum, einer Schwefelantimonverbindung, im Wiener Hauptmünzamte angewendet. Der k. k. Hofsekretär R. v. G E R S D O R F hatte es 1827 ersonnen; es hielt sich trotz günstiger Resultate nicht lange, weil es durch ein weit vorteilhafteres Scheideverfahren abgelöst wurde. Mit der Entdeckung der Säuren begann die Scheidung der beiden Edelmetalle auf nassem Wege. Zuerst wurde mit Salpetersäure geschieden. Dem berühmtesten arabischen Alchimisten I B N H A I J A N D S C H A B I R , der in Europa unter dem Namen G E B E R bekannt war und dessen Schriften in Europa lange die Grundlage der Chemie und der Goldmacherkunst bildeten, ist es als erstem zu Beginn des 9. Jahrhunderts gelungen, diese Säure und andere Mineralsäuren durch Destillation des Salpeters mit Alaun darzustellen; es ist dies das „Scheidewasser". Dieses Verfahren beruht auf der Unlöslichkeit des Goldes und der Lösbarkeit des Silbers und anderer Metalle und heißt „Scheidung durch die Quart" (215). Der Name rührt von der Eigentümlichkeit her, daß das Gold in der Mischung nur ein Viertel ausmachen darf, um durch die Salpetersäure vom Silber geschieden werden zu können. „Die durch Gießen des geschmolzenen Metalls in Wasser, in möglichst fein gekörntem Zustand überführte Legierung wurde in Steingefäßen, später in einer Platinblase mit Salpetersäure übergössen und vorsichtig erhitzt. Die Säure löste das Silber und andere Metalle auf und ließ das Gold als braunes Pulver zurück. Dieses wurde nach verschiedenen reinigenden Operationen mit Flußzusätzen geschmolzen, während man aus der abgegossenen Flüssigkeit das Silber entweder durch Kochsalz als Chlorsilber oder durch eingelegtes Kupfer oder Eisen als regulinisches Silber fällte und dann schmolz" (215). Das Rezept dieses Scheideverfahrens, das im großen zuerst 1403 in Paris eingeführt worden war, wurde anfangs sehr geheimgehalten, gewann aber trotzdem bald große Verbreitung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts aber begann man sich der weit billigeren Schwefelsäure als eines lösenden Agens zu bedienen. Die neue Methode wurde seit 1825 in fast allen großen Affinieranstalten angewendet. Eine Schwierigkeit bestand dabei einmal in der großen Kostspieligkeit der nötigen Platinkessel und in dem Umstände, daß „sich das metallische Gold so fest an die Wände des Platingefäßes ansetzt, daß es nur schwer davon losgemacht werden kann" (215). Bald darauf aber machte der preußische Commercienrat Dr. H A M P E L die wichtige Entdeckung, daß Gußeisen selbst gegen erhitzte konzentrierte Schwefelsäure immun sei und daher gußeiserne Kessel anstelle von Platinkesseln verwendet werden könnten. „Der österreichischen Regierung gebührt das Verdienst, diese Methode zuerst eingeführt zu haben" (215). Auch bei ihr wird das Gold-Silber-Gemisch zuerst fein gekörnt, dann in Gußeisenkesseln mit Schwefelsäure übergössen und das Ganze dann erhitzt. Nach mehrstündigem Kochen haben sich Silber oder Kupfer usw. völlig in schwefelsaure Verbindungen verwandelt, während das Gold als braunes Pulver zurückgeblieben ist. Die abgehobene Flüssigkeit wird sodann mit Wasser verdünnt und das Silber daraus durch Kupferbleche u. dgl. als grauweißes Pulver niedergeschlagen. Es wird dann noch einigen Prozeduren unterworfen und endlich geschmolzen. Aus dieser Flüssigkeit wird als Nebenprodukt noch das als Handelsartikel gesuchte Kupfervitriol gewonnen. 29

Damit war endlich ein wirklich rentables Scheideverfahren entdeckt, das die älteren, kostspieligen Methoden mit ihren Metallverlusten weit in den Schatten stellte. War es doch, um nur ein Beispiel zu nennen, um das Jahr 1500 und auch noch später nicht möglich, ein vollkommen reines Silber darzustellen. Es gab demnach damals kein wirkliches lölötiges Feinsilber, sondern nur ein 151ötiges. Um den Gold- oder Silbergehalt einer Legierung zu bestimmen, mußte sie probiert werden. Dieser Vorgang war ebenfalls schon im Altertum bekannt, wurde aber wahrscheinlich erst dann auch wirklich angewendet, als man nicht mehr reines Edelmetall verwendete, sondern es legierte. Unter Legierung oder Beschickung versteht man die Zusetzung von so viel Kupfer oder Silber zum Golde, wie es der Münzfuß vorschreibt. Das Amt des Probierers oder Wardeins, über dessen Funktion wir weiter unten beim Münzpersonal noch Näheres hören werden, war infolgedessen ein besonders verantwortungsvolles und schwieriges. Es gab verschiedene Methoden des Probierens. Eine der ältesten war die durch Glühen, indem man die Münzen auf glühenden Kohlen erhitzte, färbte sich das Stück dunkel, so galt dies als Zeichen größeren Kupferzusatzes, denn die Farbe blieb um so reiner, je weniger Verunreinigungen vorhanden waren. Den Alten war übrigens auch schon die Reinigung der Edelmetalle durch Verschmelzen mit Blei bekannt, was vermuten läßt, daß die Proben auf diesem Wege schon sehr frühzeitig ausgeführt wurden. Auch der Probe auf dem Probierstein, der Strichprobe, bediente man sich schon in frühester Zeit. Der Probierstein ist ein schwarzer Stein (Prüfstein, Lapis Lydius), auf dem die Münze durch Reibung einen metallischen Strich zurückläßt, der mit Scheidewasser, also verdünnter Salpetersäure, befeuchtet wird. Verschwindet der Strich, so ist die Münze nicht aus Gold, da Salpetersäure das Gold nicht angreift; verlöscht er nur wenig, enthält die Münze Gold, erhält er sich unbeschädigt, so ist das probierte Stück aus Feingold. „Als Maßstab für den Feingehalt dienen Systeme von Nadeln mit bekanntem Feingehalt, deren Striche, ebenfalls mit Scheidewasser befeuchtet, mit jenem Münzstriche verglichen werden. Ein solches System enthielt bis 30 Nadeln von 24 bis 12 Karat Feine. Die Systeme für Silbermünzen haben meist nur Unterschiede von 1 Lot und werden ohne Befeuchtung mit Säuren benutzt" (1088). Diese Methode ist erst nach Entdeckung der Säuren, deren Herstellung lange nicht bekannt war, verfeinert worden. Wegen seiner Raschheit und Verläßlichkeit gewann dieses Probeverfahren rasch an Bedeutung, während man sich früher auf die Vergleichung der Farbe der Striche beschränken mußte. Jetzt ist es mit Hilfe der Probiernadeln möglich, den Feingehalt von Gold- oder Silberlegierungen auf 5/1000 zu bestimmen! Ein anderes Verfahren, das sich mit geringen Veränderungen bis auf den heutigen Tag erhalten hat, ist das Probieren auf trockenem Wege oder die Kupellenprobe. Die Kupelle (irrtümlich auch „Kapelle" genannt) ist „ein aus Holz- oder Knochenasche oder aus einem Gemisch aus beiden bestehendes, sich unten verjüngendes weißes Gefäß, dessen Unterseite glatt und dessen etwa 30 mm im Durchmesser betragende Oberfläche mit einer mulden- oder napfartigen Vertiefung versehen ist" (1088). Die mit Hilfe der Kupelle durchgeführte Probe „beruht auf der leichten Oxydierbarkeit des Bleies in der Hitze und auf der Eigenschaft der verschiedenen Bleioxydverbindungen, Sauerstoff an die unedlen Metalle abzugeben und diese zu verschlacken. Die Schlacke wird größtenteils von der Kupelle aufgesogen, bis die in der zu probierenden Legierung enthaltenen Edelmetalle allein zurückbleiben und nach Abscheidung des letzten Oxydhäutchens der ,Silberblick' eintritt" (1088), also reines Silber. Diese Prozedur vollzieht sich im Probierofen, wo das Silber eingeschmolzen, oder wie man auch sagt, abgetrieben wird. Das Gewicht der vorher 30

genau abgewogenen Metallmenge ergibt den Feingehalt des probierten Silbers bzw. der Legierung. Wenn diese etwas Gold enthielt, so wird das auf der Kupelle erhaltene Körnchen in Salpetersäure aufgelöst und das als braunes Pulver zurückbleibende Gold getrocknet und dann abgewogen. Ist die Legierung aber stark goldhältig (was die Strichprobe erkennen läßt) oder ist Gold selbst zu probieren, so wird das Probestückchen unter Anwendung von Blei mit Silber auf der Kupelle zusammengeschmolzen, quartiert und abgetrieben. Es ist selbstverständlich, daß bei allen diesen Prozessen eine Reihe wichtiger Vorschriften beachtet werden muß. Aber trotz aller Vorsicht ist das Ergebnis nie vollkommen genau gewesen. Erst durch die Einführung der volumetrischen Analyse in der Chemie konnte wenigstens das Silber mit nahezu absoluter Genauigkeit probiert werden. Es gibt drei andere Methoden, die kurz gestreift werden müssen. Die eine ist die Tiegel- oder Granalienprobe, wobei man unter Tiegel die meist aus reinem Ton mit Kalk und Bierhefe oder aus Graphit und Ton geformten Gefäße versteht, in denen die legierten Münzmetalle geschmolzen werden. Die Probe ist nur die Begutachtung einer aus einem solchen Schmelztiegel kurz vor dessen Entleerung vom Wardein geschöpften kleinen Menge flüssigen Münzmetalls. Sie wird in einen halb mit Wasser gefüllten kupfernen Löffel gegossen, unter gleichzeitiger Bewegung des Wassers mit einer Reisigrute. „Hierdurch sondert sich das Metall in sehr kleine runde Körner, die Granalien, von denen ein bestimmtes Gewicht zum Probieren gegeben wird. Je nach dem Ausfall der Probe kann der Masse Edelmetall oder Kupfer nachgesetzt werden, um den Münzen die gesetzliche Feinheit zu sichern" (1098). Dann gab es auchnoch eine Zain- oder Stockprobe, mit der in der Neuzeit im Gegensatz zur flüssigen Tiegelprobe die Probierung der Zaine oder der fertigen Münze vorgenommen wird. „Stock- oder Zainproben heißen auch die Stücke selbst, die zur späteren Kontrolle in ein Papier geschlagen und darin versiegelt werden, auf dem Datum, Gewicht und Feinheit des Werks, Zahl der daraus geprägten Münzen und Namen der Münzbeamten verzeichnet werden. Diese Umschläge werden in einer verschließbaren Büchse (Fahrbüchse) aufbewahrt. Die Proben wurden entweder vom Zain abgeschnitten oder es waren ganze oder Teile der fertigen Münzen." Unter Werk oder Guß verstand man die Masse der aus einer Tiegelschmelzung gewonnenen Münzen und deren Abfälle. Unter Schroten versteht man die Überreste nach dem Ausschneiden oder Ausstanzen der Platten, während Zessalien (Szissalien oder Zisalien) die Bezeichnung für mißglückte Schrötlinge oder Münzen ist. Jedes Werk wird für sich durch die beiden vorgenannten Methoden probiert und berechnet (Probierzettel). Schließlich hat die schon erwähnte Einführung der volumetrischen Chemie die von Gay LUSSAC, Probierer des Pariser Bureau de Garantie, im Jahre 1830 empfohlene Probiermethode auf nassem Wege ermöglicht. Bei ihr wird die Silberprobe in Salpetersäure gelöst und das Silber durch eine Kochsalzlösung als Chlor- oder Hornsilber gefällt. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhange noch die Vor- und die Nachbeschikkung. Die Vorbeschickung war „bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts die über den Münzfuß zugesetzte Menge an Kupfer, die nach der Erfahrung im Laufe der Arbeit durch Verbrennen oder Sieden verlorenging" (1088). Eine Ergänzung der Vorbeschickung war die Nachbeschickung. Sie war bis zur selben Zeit „der Zusatz an Kupfer, der bei der Schmelzung sowohl des Frischguts als auch der Abgänge beigegeben wurde, wenn die Tiegelprobe anzeigte, daß durch Verbrennen des Kupfers die Masse zu hoch angereichert war . . . Seitdem ist die Nachbeschickung das Gewicht an Kupfer, das vom Frischgutschmelzer zum Ausgleich des durch Glühen und Beizen (Sieden) der Zwischenprodukte eintretenden 31

Kupferverlustes und der hier durch bedingten Anreicherung des Feingehalts zugesetzt wird" (1088). d) Mün^gewicht. Waren diese umständlichen und zeitraubenden Manipulationen mit dem Münzmetall beendet, konnte mit der Ausprägung begonnen werden. Bei den verwendeten, keineswegs vollkommenen Münzgerätschaften wie Waagen und Hohlmaßen waren aber trotz aller Vorsicht noch immer gewisse Fehlleistungen möglich, insbesondere bei dem Gewicht der einzelnen Münzen. Durch das Justieren wurde die Platte auf das genaue, vom Münzfuß vorgeschriebene Gewicht gebracht. Es gab da zwei Methoden: al peago, wobei in zeitraubender Weise Stück für Stück gewogen werden mußte, und al marco, wo eine Anzahl von Münzplatten, die einer Gewichtsmark entsprach, zugleich gewogen wurde. Bei dieser Wägung ersparte man natürlich sehr viel Zeit, „da es nur darauf ankam, daß eine bestimmte Anzahl von Stücken eine Mark wog, lief aber immer Gefahr der Kipperei Vorschub zu leisten, weil die einzelnen Stücke verschieden schwer sein konnten. Dieser Name kommt von der Tätigkeit der Münzverfälscher her, nach dem Auflegen der Münze auf die Waage, das Wippen der Schale und das Kippen der schweren Stücke nach der Seite, wo das gute Geld lag. Dieses Verfahren wäre bei den kleinen geringwertigen Scheidemünzen angängig gewesen, wurde aber auch noch im 18. Jahrhundert häufig für größere angewandt. Das Justieren Stück für Stück ist immer Handarbeit: der Arbeiter legt die Platte auf die Waage und zieht den Waagbalken in die Höhe, da die Schalen auf der Unterlage ruhen; daher der so häufige Ausdruck des .Aufziehens' einer Münze statt des Wiegens. Ist die Platte zu leicht, so wird sie eingeschmolzen, ist sie zu schwer durch Befeilen der Oberfläche oder ihres Randes auf das richtige Gewicht gebracht. Die Justierung geschah bis ins 19. Jahrhundert mit Justierfeilen, wodurch oft störende, das Bild beschädigende Feilstriche stehen blieben, da der Prägeschlag diese nicht immer ausglich" (1088). In Österreich sind hauptsächlich die Silbermünzen der Kaiserin Maria Theresia, ihres kaiserlichen Gemahls Franz I. und ihres ältesten Sohnes Joseph II. von dieser Justierung betroffen. Die Schädigung des Münzbildes oder die Randbefeilung wurde erst durch die in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts eingeführten Schabemaschinen beseitigt, die das durch die Justiermaschine festgestellte Übergewicht in hobelnder Weise wegnahmen. Ganz aber ist das Einzeljustieren nicht zu vermeiden. Um die Befeilung durch unbefugte, natürlich unlautere Elemente und damit eine Verminderung des Münzgewichtes durch Mün^verfälscher (Personen, die echte Stücke durch diese und andere Manipulationen veränderten, im Gegensatz zu den Münzfälschern, die Münzen unberechtigterweise oder aus unechtem Metall anfertigten) zu verhindern, griff man zu dem Mittel der Rändelung oder der Randschrift. Die Randverzierung war neben der Justierung der beste Schutz der Münzen, denn der Rand oder die Kante ist dem Beschneiden oder Befeilen doch am meisten ausgesetzt. Bis zum 17. Jahrhundert hatte man den Rand mit wenigen Ausnahmen vernachlässigt. Dann aber werden die Gold- und die Großsilbermünzen in immer zunehmendem Maße mit einem Randschutz versehen, dessen Beschädigung auch dem einfachen Menschen schnell bewußt wird. Zur Ausführung dieses Schutzes diente ein Rändelwerk, „mittels dessen der Rand (die Kante) der Münze mit erhabener Schrift oder Verzierung oder einfacher Kerbung oder Reifelung versehen wird . . . Am Ende des 17. Jahrhunderts eingeführt, bestand es aus zwei geraden oder kreisbogenförmigen eisernen Streifen, deren Innenseiten die vertiefte Verzierung oder Schrift trugen und durch die die Münze oder Platte in rollender Bewegung durchgezwängt wurde, wodurch der Rand erhabene Verzierung oder Schrift erhielt. Erhabene 32

Schrift zeigen die Ränder fast aller Taler Österreichs und Frankreichs im 18. Jahrhundert" (1088). Die Randschrift der österreichischen Münzen brachte neben allerhand Verzierungen stets den Wahlspruch, die Devise des Herrschers. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Rändelwerk durch die Ringprägung ersetzt. Sie wurde um 1790 durch den französischen Medailleur Jean Pierre D R O Z erfunden, der einen aus „drei oder mehr Teilen bestehenden, auf der Innenseite mit Schrift oder Verzierung versehenen gebrochenen Ring (Virole brisée)" verwendete, der sich in einem starken Rahmen befand, aus dem er nach jedem Prägestoße herausgestoßen wurde, ein Verfahren, durch das zwar wirklich kreisrunde Stücke entstanden, das aber zu langsam war, um auch bei Geldmünzen angewendet zu werden. „Bald darauf erfand der Pariser Mechaniker GENGAMBRE die Prägung im ungeteilten glatten Ringe. Bei ihm wurde die Münze durch die Rändelmaschine mit einer Rändelung versehen, und zwar die Schrift oder die Zierate vertieft, die dann der glatte Ring nur wenig zusammendrückte. Diese Technik verdrängte den gebrochenen Ring seit 1815. Durch sie haben die Münzen ihre moderne Form, die zur Oberfläche scharf senkrecht abgeschnittene Kreisfläche des Randes erhalten" (1088). In den österreichischen Münzstätten wurde die Ringprägung im Jahre 1831 eingeführt, wobei anzumerken ist, daß die Mariatheresientaler auch weiterhin ohne Ring geprägt werden; sie haben daher ihren schönen Klang bewahrt, der allen im Ringe geprägten Münzen fehlt. Die Einführung der Ringprägung fällt mit der Abschaffung der schwerfälligen alten Spindelwerke zusammen, die nicht nur bekanntlich eine große Bedienungsmannschaft brauchten, sondern auch langsam arbeiteten ; sie konnten durchschnittlich in der Minute nur 30 Stöße geben. Außerdem wird jetzt der die Oberfläche der Münze begrenzende schmale erhabene Reif, das Stäbchen, zum Schutze des Münzbildes, das über das Stäbchen nicht emporragen darf, verwendet. Meistens ist zur Verzierung innerhalb der Stäbchen noch ein Perlreif angebracht. In früheren Zeiten war das Münzbild von der Umschrift meist durch eine oft verzierte Kreiseinfassung abgesondert. 6. Münzpersonal Eine Münzstätte oder, wie man sie in Österreich auch nannte, ein Münzhaus, benötigte je nach ihrer Kapazität ein ansehnliches Personal, wenn es sich nicht um eine Heckenmün^stätte handelte, die nur schnell und viel schlechtes Geld prägen sollte. An ihrer Spitze stand der Män^meister. Der Umfang und der Auftrag seiner Stellung ist nach Ort und Zeit verschieden. Im Grunde aber ist er während des Mittelalters ein privatrechtlicher Unternehmer, während er in der Neuzeit immer mehr nur Techniker und Beamter wird. Wie wir im Laufe der geschichtlichen Darstellung noch wiederholt hören werden, ist er allerdings verhältnismäßig oft kein Angestellter, sondern Pächter, der in diesem Falle natürlich auf eigene Rechnung münzt. Im 12. und den folgenden Jahrhunderten aber hatten sich zum Zweck der Ausmünzung in vielen deutschen und drei österreichischen Städten eine sogenannte Mün^erhausgenossenschaft zusammengetan, zuerst in Wien, wo ihr Recht bis in das Ende des 12. Jahrhunderts zurückreicht, dann in Graz 1436, in Krems 1463. Die Mitglieder dieser Verbindungen nannten sich Hausgenossen und gehörten fast durchwegs zum städtischen Patriziat, jedenfalls zur finanziell leistungsfähigen Oberschicht, da das Münzgeschäft oft mehr Geld verschlang als es eintrug. Der Grund f ür die Bildung dieser Korporationen waren die dem Münzherrn unbequeme Verantwortung und seine gegenüber dem reich gewordenen Stadtbürgertum geminderte 33

finanzielle Leistungsfähigkeit. Diese Körperschaft, der von dem Münzherrn die Besorgung der Münze als dauerndes Recht mit mancherlei Begünstigungen eingeräumt wurde, ist eine speziell deutsche Einrichtung. An ihrer Spitze stand ein frei ernannter Münzmeister. Die Hausgenossenschaft kommt nur an wirtschaftlichen Brennpunkten vor, in Deutschland meist in bischöflichen Städten, in Österreich eigentlich nur in Wien, als Umschlagplatz gegen Ungarn und den Osten überhaupt. Die Hausgenossenschaften in Graz und Krems sind Spätlinge, die, wie wir in anderem Zusammenhange noch hören werden, ganz besonderen Umständen ihre Entstehung verdankten. Als im 11. Jahrhundert das Münzrecht aus den Händen des Königs vielfach in die der Landesherren gelangte, scheinen sich vielfach die Großkaufleute, die Silber zur Prägung in die Münze brachten, besonders wohl die freien Edelmetallhändler, allmählich zu einer festen Körperschaft zusammengeschlossen zu haben, wobei nicht gesagt ist, daß diese Kaufleute nicht auch andere Handelsgeschäfte betrieben. In Wien war die Hausgenossenschaft schon deshalb eine dringende Notwendigkeit, weil es in der Zeit ihrer Entstehung in den österreichischen Landen so gut wie keine Silberbergwerke gab, während die Wiener Kaufleute durch das aus Ungarn beschaffte Silber im ganzen Mittelalter die Silbergrube für Oberdeutschland bildeten. Der Münzmeister der Hausgenossenschaften war in dieser angesehenen Körperschaft nicht nur kein Beamter, sondern vielmehr ihr leitender Vorsitzender; ihm oblag „Frieden, Ordnung und Recht aufrechtzuerhalten, die ihm zustehenden Gerichtsbefugnisse in Münzsachen zu versehen, alle technischen Vorgänge bei der Münzbereitung zu überwachen und zu leiten und beim ganzen Prozesse der Münzfabrikation nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren, Pflichten, die er bei seiner Anstellung mit einem Eide als solche anzuerkennen hatte" (1088). Wie schon angedeutet, änderte sich die Organisation des Münzbetriebes in entscheidender Weise. Die leitenden Personen in den Münzstätten wandelten sich aus Mitgliedern einer gemeinwirtschaftlichen Körperschaft zu Beamten. Mit dem Eindringen des Römischen Rechts war ja überall in den landesfürstlichen Ämtern ein Beamtentum entstanden. Da die Münzstätten staatliche Ämter wurden, mußten auch ihre Angestellten dem Beamtenstatus angehören. Das gilt ebenso für jene Münzstätten, die, wie z. B. in Kärnten und in der Steiermark, durch den Landesfürsten aus finanziellen Gründen an die Landstände, die Landschaften, verpachtet worden waren. Auch hier war der Münzmeister noch immer eine angesehene Person, aber sein Pflichtenkreis war auf die Münzprägung allein eingeengt. Er wurde immer mehr und mehr zum „Techniker und Beamten", der seine Weisungen von der landesfürstlichen Kammer bzw. von den ständischen Verordneten erhielt. Neben ihm stand der Wardein, der stets — im Falle einer Verpachtung der Münze als einziger — landesfürstlicher Beamter war. Der Wardein war der Versucher oder Probierer, der das andere Münzpersonal und in erster Linie den Münzmeister auf korrekte Gebarung hin zu kontrollieren hatte. Er war also im Grunde dessen Gegner, ja sogar pflichtgemäß sein Feind, wie es einmal expressis verbis gesagt wurde: „Le quardain doibt estre ennemy maistre de la monnaie" (Gorkum 1587). Nicht umsonst kommt das Wort Wardein von „Warda" (Quarda = Wache). Die Aufgabe des Wardeins war aber nicht nur die Kontrolle des Münzmeisters direkt, sondern er hatte auch die Feinheit des Metalls zu probieren und es zu wägen; auch die schon erwähnte Justierung gehörte zu seinem Pflichtenkreis. Überdies trug er die Verantwortung für den Schlagschatz und für den Münzfuß, „zwei äußerst schwer zu vereinende Aufgaben, wenn der Münzherr, was nicht selten geschah, um den Schlagschatz zu vergrößern oder bei steigenden Münzkosten 34

wenigstens nicht sinken zu lassen, dem Münzmeister durch die Finger sah, wobei der Wardein unbequem wurde. Darum ist seit dem 16. Jahrhundert dem Wardein die Aufsicht über den Schlagschatz meist abgenommen und dem Münzschreiber oder der Kammer übertragen worden. Kontrolleur des Münzmeisters ist er immer geblieben, er führte die Tiegel- und Stockproben aus" (1088). Münzmeister und Wardein waren also die beiden Hauptpersonen einer Münzstätte, wobei das oben gesagte nur als Grundregel zu werten ist, da jedes Land und jede Münzstätte naturgemäß ihre Besonderheiten hatte, die — soweit Instruktionen für das Personal erhalten sind — fallweise noch hervorgehoben werden sollen. Zum Münzpersonal gehörte außerdem eine je nach der Bedeutung der Münzstätte größere oder kleinere Anzahl anderer Angestellter: etwa Eisenschneider und Schmiede. Unter ihnen fiel zur Zeit der Walzenprägung insbesondere dem Wellenschmied, der für die Prägewalzen verantwortlich war, eine ganz besondere Bedeutung zu. Ferner gab es Schlosser, Tiegelwärter, Zimmerleute, Münzscheider, Münzschreiber und endlich die Münzarbeiter oder schlechthin die Münder oder, wie sie im Mittelalter genannt zu werden pflegten, die Mün^knechte. Man sieht, die Münzprägung war zu allen Zeiten eine recht aufwendige Angelegenheit, die Münzkosten in angemessenen Grenzen zu halten daher keine Kleinigkeit, da sie von verschiedenen Faktoren abhingen, die zu beeinflussen nicht immer im Bereich der Möglichkeit lag. In ruhigen Zeiten konnte man mit festen Zahlen kalkulieren, doch das war selten genug der Fall. In unruhigen Zeiten hingegen war bald der Münzfuß gefährdet. Zahlreiche Münzherren, kleine wie große, haben die Münzprägung a priori als ein einträgliches Geschäft betrachtet; viele davon haben es jedoch in einer so schamlosen Weise ausgenützt, daß nicht nur im eigenen Lande, sondern mehr noch in den Nachbarstaaten größte wirtschaftliche Schäden entstanden. Nach einem uralten Gesetz (dem sogenannten Greshamschen Gesetz) pflegt die schlechte Münze stets die gute zu verdrängen. Die Abwehr dieser schlechten Münzen füllt viele Seiten der österreichischen Münzgeschichte, denn seitdem Mitglieder der Casa d'Austria in einer nur durch die fünf Regierungsjähre Karls VII. von Bayern unterbrochenen Reihe bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation die Kaiserkrone trugen, haben sie es mit als eine ihrer vornehmsten Pflichten erachtet, ihren Ländern eine gute Münze zu geben. Daß es ihnen nicht immer gelang, gelingen konnte, wird die Darstellung des historischen Ablaufes zu zeigen versuchen.

B. Die Bedeutung der Münzkunde für die angrenzenden Wissenschaften

Die Numismatik, wie die Münzkunde meist und nicht selten abschätzig genannt wird, hat lange Zeit geradezu erbittert um ihre Anerkennung wenigstens als Hilfswissenschaft ringen müssen. Erst durch die unübertroffene und unübertreffbare wissenschaftliche Tätigkeit des österreichischen Rechtshistorikers Arnold L U S C H I N S VON E B E N G R E U T H konnte man ihr, wenn auch oft nur widerwillig, die allgemeine Anerkennung als Wissenschaft nicht mehr versagen. Wenn man aber das Geld als einen der wichtigsten Faktoren des wirtschaftenden Lebens ansieht — und das ist heute mehr denn je der Fall —, wird auch der Laie zugeben müssen, daß die Kenntnis vom Gelde älterer und ältester Zeiten ihre Daseinsberechtigung hat. Der Historiker aber wird erkennen, daß seine Wissenschaft 35

sichtbar und vielleicht mehr noch unsichtbar dem Gelde aufs engste verbunden ist. Ich wage sogar zu behaupten, daß keine Sparte der historischen Wissenschaft so viele Kenntnisse auf ihr im Grunde artfremden Gebieten erfordert wie die Münzkunde, soll sie nicht von ihrem wissenschaftlichen Niveau zu einer bloßen Sammeltätigkeit herabsinken. Diese vielseitigen Erfordernisse sollen im nachfolgenden kurz erörtert werden. 1. Politische Geschichte Es ist leider eine alte Erfahrung, daß bei der Abfassung von mehr oder weniger wissenschaftlichen Abhandlungen über ein Thema der Münzgeschichte bei der Schilderung des historischen Rahmens durch kritiklose Übernahme von Darstellungen aus der Sekundärliteratur zu wenig Sorgfalt angewendet wird. Das führt oft zu einer völligen Verzerrung des geschichtlichen Tatbestandes. Die Numismatik aber, als Wissenschaft von der Münze, beansprucht einen hohen Grad von Kritik und Kritikfähigkeit. Dies gilt in erster Linie für das frühe Mittelalter, dessen Münzen infolge ihrer primitiven Technik oft inschriftlos sind oder auch korrumpierte Umschriften aufweisen, wenn der Stempelschneider ein Analphabet war. Sie geben daher oft erhebliche Rätsel auf, die nur auf Grund einer von verschiedenen Seiten her (Münzbild, Gewicht, Fundort und Fundumstände, metallurgischer Befund usw.) ansetzenden Kritik gelöst oder einer Lösung nahegebracht werden können. Gleichgültig, ob es sich um einen Fund inländischer oder ausländischer Münzen handelt oder um Zuweisung schon von früher her bekannter Stücke an ein bestimmtes Land oder an ein bestimmtes Gebiet, immer wird man zu dem rein numismatischen Befund auch die Geschichte des Gebietes, seiner Herrscher und nicht zuletzt der gleichzeitigen Verhältnisse zu Rate ziehen müssen, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Oft wird man schon bei der Auswahl der zu befragenden Literatur, gleich wie bei jeder anderen historischen Untersuchung, die kritische Sonde anlegen müssen, um nicht von vornherein in die Irre geführt zu werden. Umgekehrt aber kann auch die politische Geschichte von der Numismatik weitgehend befruchtet werden. Wilhelm BAUER hat festgestellt, daß man die Münze in gewissem übertragenen Sinne als Urkunde bezeichnen und die kritischen Methoden auf sie anwenden könnte, die in der Urkundenlehre gang und gäbe sind. „Nicht nur für die Geschichte von wirtschaftlichen Verhältnissen und Beziehungen, auch für allgemeine Kulturverhältnisse kann uns die Münzkunde Aufschluß geben. Preis-, aber auch Rechtsverhältnisse lassen sich durch sie erschließen. Künstlerische und religiöse Vorstellungen offenbaren sich uns im Münzbilde. Die politische Geschichte kann an ihnen ebensowenig achtlos vorübergehen. — Umgekehrt wird sich der Historiker hüten müssen, die Münze als etwas zu betrachten, das losgelöst vom wirtschaftlichen, rechtlichen, kulturellen Leben besteht. Er kann all der Fragen der Münz- und Geldgeschichte nur Herr werden, wenn er sie auf Grund gediegener volkswirtschaftlicher, rechts-, verfassungs- und wirtschaftsgeschichtlicher Kenntnisse mit den Mitteln der Numismatik behandelt. Erst auf diese Weise werden die Münzen wirklich als Quellen ausgewertet werden können" (38). Diese Forderungen hat, soweit ich sehe, von berufener historischer Seite aus als erster eben Wilhelm BAUER in einprägsamer Form aufgestellt. Noch Ernst BERNHEIM hat in seinem „Lehrbuch der Historischen Methode" — abgesehen von verstreuten Erwähnungen im übrigen Text — der Münzkunde ganze 11 Zeilen und 1 % Seiten Literaturangaben gewidmet und nur die große Rolle betont, die das Gewicht bei Beurteilung der Münzen spielt und daß andererseits „die Münzkunde zur Erkenntnis der Gewichtsein36

heiten beiträgt. Neuerdings sind die Gebiete um so mehr in Verbindung miteinander getreten und von größter Bedeutung geworden, als sie den Interessen der Wirtschaftsgeschichte hinsichtlich der Wert- und Preisbestimmung dienen" (68). Das ist gewiß richtig, aber doch viel zu wenig, um die richtige Bedeutung der Münzkunde für die Geschichtswissenschaft zu verdeutlichen! 2. Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte Daß die Wirtschaftsgeschichte, und hier natürlich vor allem die Handelsgeschichte, an der Münzkunde besonders interessiert ist, braucht wohl nicht eigens betont zu werden. Ist doch hier — nach dem Aufhören der Naturalwirtschaft — die Münze jene Form des Geldes, in der sich der Gütererwerb abwickelt, nicht mehr durch Tausch von Ware gegen Ware, sondern durch Kauf und Verkauf, in dem die Münze das vermittelnde Medium abgibt. Da sich sowohl der Binnen- als noch mehr der Fernhandel auf bestimmten Straßen abwickelt, ist deren Ermittlung als Handelsstraße nicht selten den Münzfunden zu danken, die in ihrem Bereich gehoben wurden. Dies gilt insbesondere von jenen Handelswegen, die über das Hochgebirge führen, weil in älteren und ältesten Zeiten schon begehbare Steige genügten, um von einem Hochgebirgstale ins nächste zu gelangen, während heute die Trasse der Gebirgsstraßen von technischen und nicht zuletzt auch von kulturellen Erfordernissen abhängt. Münzfunde treten da manchmal an ganz überraschenden Stellen auf. Verbindet man dann die einzelnen Fundorte, so läßt sich daraus leicht der Zug des Handelsweges ablesen. Natürlich gibt es überall dort, wo Münzfunde mit im Spiele sind, bei der Darstellung des Verkehrsnetzes wie der Währungsgeographie Fehlerquellen, weil wir ja keineswegs alle Funde kennen, die je gehoben wurden. Aber in Gemeinschaft mit anderen Symptomen wird sich doch bei richtiger Auswertung der Funde ein historisch annähernd richtiges Bild ermitteln lassen. Die Erforschung der Preise und Löhne, der Kaufkraft des Geldes und seines Tauschwertes, einer eminent wichtigen Frage für die Wirtschaftsgeschichte, gehört zu den schwierigsten und dornigsten Aufgaben der Münzforschung schon deshalb, weil die Quellen mangelhaft sind und es demgemäß auch um die Literatur schwach bestellt ist. „Zu einer ernsthaften Bearbeitung . . . reicht das Material nicht", sagt der vielleicht beste Kenner der Materie, Alfred Francis PRIBRAM, in der Einleitung zu den „Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich". Und da „eine den Forderungen der Gegenwart entsprechende Geschichte der Preise und Löhne nicht geschrieben werden kann, solange es an verläßlichem, methodisch einwandfrei und planvoll aufgenommenen Quellenmaterial mangelt" (895), ist es auch in Österreich unmöglich eine solche zu schreiben, da sich — außer zahlreichen thematisch wie chronologisch meist eng begrenzten Arbeiten — selbst die bisher veröffentlichten „Materialien" nur auf Wien, Nieder- und Oberösterreich erstrecken. Dieser einzig vorliegende 1938 erschienene Band — die Arbeit wurde von der Rockefeller-Stiftung finanziert — wurde durch den zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen und vorläufig nicht mehr fortgef ührt, zumal der Herausgeber Univ.Prof. Pribram und sein hervorragender numismatischer Mitarbeiter, der Direktor des Archivs der Stadt Wien, Rudolf GEYER, inzwischen verstorben sind. Wenngleich es auch besonders wichtig ist, daß für die „Haupt- und Residenzstadt" Wien die Materialien bis zur deutschen Okkupation 1938 vorliegen, so wäre doch andererseits eine ähnliche Bearbeitung der Quellen der übrigen österreichischen Länder von nicht geringerer Bedeutung, 37

als ja insbesondere Kärnten, Salzburg und Österreich, wie schon mehrfach angedeutet, in der Geschichte des Fernhandels nach Venedig einen ungemein wichtigen Faktor innerhalb der Preisgeschichte darstellen. Vom Standpunkt der Münz- und Geldgeschichte aus gesehen ist die Lohn- und Preisbildung naturgemäß von ganz besonderem Interesse. Denn das Geld ist ja dazu geschaffen worden, um damit zu kaufen und zu verkaufen, und der „Preis ist dann neben dem Gelde das Medium, mit dem Geld- und Tauschgeschäfte abgeschlossen werden". Alles aber hängt vom jeweiligen Werte der Münzen oder der an ihrer Statt verwendeten anderen Zahlungsmittel ab. Dieser Mün^wert aber ist je nach der Aufgabe, der die Münze zu dienen hat, begrifflich durchaus nicht immer derselbe. (Siehe oben S. 20) Zunächst (und das gilt in erster Linie für den Numismatiker) gibt es einen gesetzlichen oder Nennwert, der auf „der durch den Staatswillen erzwingbaren Verpflichtung der Staatsuntertanen" beruht, „die Münze zu dem vom Staat bestimmten Betrag in Zahlung zu nehmen, kurz auf dem Zwangskurs". Der Nennwert hat sich aber nicht immer mit dem Verkehrswert gedeckt. Während im internationalen Geldverkehr heute der jeweilig festgelegte „Kurswert" für den Geldwechsel maßgebend ist, hat in früheren Zeiten oft die Bevölkerung selbst, vor allem die Handelsleute, den Verkehrswert, meist im Gegensatz zu den amtlichen Valuierungen und Tarifierungen, den verschiedenen Münzsorten den „Verkehrswert" beigelegt. Insbesondere bei Kreditmünzen (Notmünzen, münzähnlichen Surrogaten oder bei Münzen aus unedlen Metallen) weicht dieser Kurswert vom Nennwert oft sehr erheblich ab. Der „Tauschwert" schließlich oder die „Kaufkraft" des Geldes aller Art „zeigt sich in dem Verhältnis, in welchem Gütereinheiten anderer Art gegen gewisse Geldeinheiten erworben werden können" (677). Damit sind wir bei unserem eigentlichen Thema, der Geschichte der Preise, angelangt. Auch LUSCHIN (677) zählt die Untersuchungen über den Tauschwert der Münzen zu den schwierigsten Aufgaben der Münzgeschichte. Denn das Steigen oder Fallen der Preise hängt keineswegs immer mit dem Kurswert der Münzen zusammen. Es kann auch durch die Ware selbst — eine konstante Qualität angenommen — verursacht werden: Verteuerung der Materialien, Lohnerhöhungen, Dürre und Viehseuchen usw. „Die Feststellung der Gesetze, nach welchen sich . . . das Steigen und Fallen der Warenpreise vollzieht, ist ganz der Volkswirtschaftslehre zu überlassen, zur Lösung der verwickelten Vorfrage, ob das Geld als solches im Laufe der Zeit an Kaufkraft gewonnen oder verloren habe, und wie groß diese Veränderung sei, ist indessen die Geldgeschichte in erster Reihe berufen" (677). Mit Ermittlung des Nennwertes alter Münzen ist für die Frage nach ihrer Kaufkraft nicht viel erreicht; auch Kurs- und Metallwert allein reichen zu einer Geschichte der Preise nicht aus, wenngleich insbesondere der Metallwert einen wichtigen Beitrag dazu liefert. Somit ist und bleibt die größte Schwierigkeit bei geschichtlichen Untersuchungen über die Kaufkraft des Geldes „die Ausmittelung eines geeigneten Maßstabes, an welchem Veränderungen des Tauschwertes gemessen werden können" (677). Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Vorschläge und Versuche, die auf dem Gebiete historischer Forschungen über den Tauschwert des Geldes angestellt wurden, anzuführen und zu erörtern; nur soviel sei gesagt, daß sie „als die Quadratur des Zirkels in der Wirtschaftslehre verspottet" wurden. Auf jeden Fall aber ist die leider immer wieder angewendete Methode abzulehnen, alte Münzen in Münzwerte unserer Zeit umzurechnen. Näher an die Lösung des Problems führt eigentlich nun der Versuch heran, „die Veränderung des Geldwertes an den auf Edelmetallmengen reduzierten Warenpreisen zu 38

veranschaulichen. Nur betrachten die auf diese Weise gewonnenen statistischen Reihen die Veränderungen der einzelnen Warenpreise isoliert für sich und müssen daher die in längeren geschichtlichen Abschnitten sehr verschiedenen Funktionen der einzelnen Güter im volkswirtschaftlichen Prozeß außer acht lassen. Zur Behebung dieser Schwierigkeiten ist es nötig, nicht von den einzelnen Waren, sondern vom Verbrauch der verschiedenen Wirtschaftssubjekte auszugehen. So aufschlußreich eine solche Methode ist, auch sie hat für den Wirtschaftshistoriker nur beschränkten Wert". Das heißt mit anderen Worten, daß eine wirklich unanfechtbare, allen Erwartungen entsprechende Methode noch nicht gefunden ist; es würde aber vorläufig genügen, wenn wenigstens die Materialien für eine Geschichte der Preise in allen Ländern, wie es geplant war, bereitgestellt würden. Eine Aufgabe, die abgesehen von allen inneren Schwierigkeiten des Stoffes heute noch schwerer zu bewältigen wäre als vor 1938, da der Zweite Weltkrieg unzählige Unterlagen dazu unwiderbringlich vernichtet oder durch unüberwindliche staatliche Schranken bis auf weiteres der Benützung entzogen hat. Der oben gebrauchte Ausdruck Währungsgeographie ist eine glückliche Wortprägung des Wiener Historikers und Numismatikers Bernhard KOCH. Er zeigt sowohl die klar abgegrenzten Umlaufsgebiete einzelner Münzsorten als auch ihre gegenseitigen Überschneidungen an. Die Kenntnis der Umlaufsgebiete sind dadurch besonders wichtig, weil sie nicht nur Rückschlüsse auf die Auflagenhöhe der Prägungen erlauben (was wiederum auch für die Frage der Metallbeschaffung von Interesse ist), sondern auch die Richtungen des Handels und damit auch die Verkehrswege erschließen. In erster Linie ist diese Währungsgeographie für die Kenntnis des mittelalterlichen Münzwesens von Bedeutung, weil für diese Zeit, wie schon mehrfach erwähnt, nur wenige unmittelbare schriftliche Quellen zur Verfügung stehen, die uns über solche Dinge unterrichten könnten. Für die späteren Zeiten ist die Währungsgeographie jedoch von untergeordneter Bedeutung. Denn „je mehr wir uns der Neuzeit nähern, um so mehr verliert der Darstellungsinhalt der Münze an geschichtlichem Wert. Er wird immer eindeutiger und als Quelle völlig sekundärer Natur" (492). Das gilt nicht zuletzt auch f ü r unser Thema: als nach 1526 ein Großstaat entsteht, sind die in den Münzstätten der einzelnen Länder geschlagenen Münzen einander im großen und ganzen so ähnlich, daß man fast von einer Einheitsmünze sprechen könnte. Der Handel hat sich seit dem Mittelalter z. T. neue Wege gesucht. Der mittelalterliche Straßenzwang ist fortgefallen. Der Kaufmann ist nicht mehr bei schwerer Strafe verpflichtet, ganz bestimmte Straßen zu befahren und seine Waren dann auf bestimmten Plätzen zum Verkauf auszulegen, damit die mit dem Niederlagsrecht begabte Stadt das Vorkaufsrecht habe. Betrachtet man die Münzfunde seit dem 16. Jahrhundert, wird man inländische Sorten aus den verschiedensten Münzstätten antreffen, nicht minder aber auch ausländische Stücke aus vieler Herren Länder. Daraus zu schließen, daß man gerade und ausschließlich mit Kauf leuten aus diesen Gegenden Handel getrieben habe, wäre ein schwerer Irrtum. Denn der fahrende Kaufmann hat auf seinen Reisen oft mehrere Landesgrenzen passieren und dabei die verschiedensten Sorten in seine Geldkatze tun müssen, darunter Sorten, deren man sich ihres schlechten Feingehaltes schnell entledigen wollte und die dann von Ort zu Ort gewandert sind. Solche schlechte Münzen haben sich dann, wie wir noch mehrfach hören werden, in das Geldwesen des Aufnahmelandes förmlich eingefressen, und es hat Jahre, ja oft sogar Jahrzehnte gedauert, bis man sich ihrer wieder entledigen konnte. Natürlich ging dies alles auf Kosten der guten (oder besseren) eigenen Münze, die dann mit großem Profit berufsmäßiger Spekulanten in edelmetallarme Gebiete geschmuggelt wurde. Unter solchen Aspekten auch für die Neuzeit eine „Währungsgeographie" zu 39

schaffen, wäre ein ziemlich aussichtsloses und auch nutzloses Beginnen. Denn zu dieser Zeit ist schon das Papier an Stelle des Urkundenpergaments und der Buchdruck in den Dienst der Abwehr solcher schädlicher Fremdmünzen gestellt. Aus zahlreichen gedruckten oder geschriebenen Münzpatenten wie nicht minder aus den Akten läßt sich der Geldumlauf unschwer ermitteln; die Münzfunde sind um diese Zeit nur mehr eine willkommene Ergänzung des aktenmäßig Festgestellten, nicht mehr wie im Mittelalter die primäre Quelle. 3. Kunst- und Kulturgeschichte Hier ist die enge Beziehung zur Numismatik wohl am deutlichsten und sinnfälligsten. Der kunsthi:»'-irische Befund ist über das rein Ästhetische hinaus aber auch — wiederum besonders für das Mittelalter — eine der wichtigsten und trotzdem leider noch sehr ungenügend ausgewerteten Erkenntnisquellen. Hans TIETZE hat in seinem Buche „Die Methode der Kunstgeschichte" ( 1 1 6 3 ) die Wichtigkeit von Numismatik und Sphragistik für die Kunstgeschichte damit begründet, „daß sie dieser ein historisch bearbeitetes Material zur Verfügung stellen; Siegel und Münzen sind geformte Erzeugnisse, die das Kunstwollen ihrer Zeit erkennen lassen müssen und die durch ihre Erzeuger mit Kunst und Kunstgewerbe direkt zusammenhängen". Leider aber — und das kann nicht oft und nachdrücklich genug betont werden — sind diese Vorteile, die Münzen und Siegel durch ihre Datierbarkeit für die Erkenntnis der allgemeinen Kunstentwicklung bieten, noch nicht genügend ausgenützt worden. „Die eigentliche kunsthistorische Forschung hat sich nur gelegentlich um dieses wichtige Material gekümmert." Obwohl das Buch, dem diese Zeilen entnommen sind, vor mehr als einem halben Jahrhundert erschienen ist, hat sich an dieser leidigen Tatsache kaum etwas geändert. Einige wertvolle Versuche, die Kunst für die Münzgeschichte auszuwerten, wie sie etwa GAETTENS für Fulda ( 2 8 6 ) und JESSE für die Brakteaten zur Zeit Heinrichs des Löwen ( 4 9 6 ) angestellt haben, sind, abgesehen davon, daß sie von Numismatikern und nicht von Kunsthistorikern unternommen wurden, vereinzelt geblieben. Die Kunsthistorie selbst hat — zumindest in Österreich — sich mit den Münzen m. W. noch nicht beschäftigt und damit die in ihnen schlummernden Erkenntnisquellen noch nicht erschlossen. Ein großer österreichischer Kunsthistoriker, Julius v. SCHLOSSER, hat zwar im 18. Bande des Jahrbuches der Kunstsammlungen des ah. Kaiserhauses in Wien im Jahre 1897 eine grundlegende Arbeit über die ältesten Medaillen und die Antike veröffentlicht ( 1 0 6 4 ) , der auch zahlreiche andere auf diesem Gebiete gefolgt sind, die hier nicht aufgezählt werden können. Und doch wäre eine Intensivierung der kunstgeschichtlichen Forschung für die Münze des Mittelalters von größter Bedeutung. Nicht nur, daß unsichere chronologische und historische Einteilungen berichtigt werden könnten, böte ein vergleichender Typenkatalog, ein Bilderatlas, wie ich ihn wiederholt vorgeschlagen habe (940), das Mittel dar, um neu aufgetauchte, bislang unbekannte Stücke gleich richtig bestimmen zu können. Ein solcher Bilderatlas, in dem, um nur ein Beispiel zu nennen, die verschiedenen Darstellungsformen des Löwen oder des Adlers auf Grund eindeutig bestimmter und lokalisierter Stücke aufgezeigt würden, wäre eine wesentliche Unterstützung der mittelalterlichen Münzforschung. Die Bilderwelt dieser Epoche ist unendlich reichhaltig. Denn der Münzer war zu dieser Zeit namentlich in Deutschland und ebenso in den altösterreichischen Ländern so gut wie keinem Zwang in bezug auf die Wahl der Münzbilder unter40

worfen. Wenn ab und zu in Urkunden bei Verleihung des Münzrechts auch das Gepräge der zu schlagenden Münzen festgesetzt wird, so ist dies eine Ausnahme von der Regel. Und so sind es denn stilistische Eigentümlichkeiten, die — neben anderen Merkmalen — bei der Gestaltung des Münzbildes bei gleichem Vorwurf zur Unterscheidung und schließlich zur endgültigen Bestimmung mithelfen. Dies gilt nicht nur für die Zuteilung an eine bestimmte Münzstätte, sondern ebenso auch für die zeitliche Einordnung auf Grund stilistischer Merkmale und Eigenheiten, und zwar nicht nur für das Münzbild an sich, sondern auch für die Beschriftung. Allerdings nur dann, wenn diese voll ausgebildet ist und einen ausgesprochenen Charakter besitzt. Denn die Kunst des Schreibens war besonders im frühen Mittelalter noch recht wenig verbreitet. Viele Aufschriften sind verdorben, verwildert, so daß man ihnen kaum einen oder überhaupt keinen Sinn abgewinnen kann. Einer solchen „Trugschrift" haben sich viele schreibunkundige Münzer bedient, indem sie in den Stempel einfach buchstabenähnliche Gebilde schnitten oder mittels Punzen eindrückten. Zahlreiche Gepräge aber — und dies gilt vor allem für die Wiener Pfennige — sind überhaupt stumm: sie besitzen keinerlei Aufschrift; in einem solchen Falle kann nur der stilistische Befund des Münzstückes im Verein etwa mit den Fundumständen einer Reihe von anderen Münzen Aufschluß geben. Aber auch so manches andere läßt sich aus den Münzbildern ermitteln: in Böhmen folgen auf meist recht ungeschlachte Gepräge der ersten Herrscher bis einschließlich Bfetislav I. (1035—1054) noch unter diesem Herzog bis in die Zeit König Przemysl Ottokars I. (1197—1230), also durch fast zwei Jahrhunderte, Münzen von ganz besonders feinem Schnitt, der bei gewissen Stücken die Vermutung nahelegt, daß der Stempelschneider kein Einheimischer war, da die Formensprache auf einen südländischen Künstler, zum mindesten aber auf südländische Vorbilder schließen läßt. Ich führe dieses Beispiel aus dem Grunde an, weil es hier besonders deutlich zu zeigen scheint, wie aufschlußreich die kunstgeschichtliche Komponente nicht nur bei der Bestimmung der Münzen an sich, sondern auch in bezug auf internationale Beziehungen sein kann. Es ist mir nicht bekannt, ob sich schon jemand mit einer kunstgeschichtlichen Untersuchung dieser entzückenden Münzbilder, die nicht so bald ihresgleichen haben, befaßt hat. In enger Verbindung mit der zeitgenössischen Großkunst, insbesondere der Buchmalerei, ließen sich da wohl sehr interessante Ergebnisse erhoffen. Die Bilderwelt der Mittelaltermünzen läßt aber auch noch eine andere Seite des kulturellen Geschehens anklingen: die religiöse. Auch sie ist eine wichtige kulturgeschichtliche Komponente, die uns durch die beinahe stenographisch zu nennende Form des Münzbildes Einblicke in das zeitgenössische Denken innerhalb eines bestimmten Umkreises vermittelt. Nicht so sehr das religiös betonte Münzbild an sich ist da von Belang: Tempel, Kirchengiebel, Engel, Osterlamm, Kreuz, Mönche usw., sondern das, was durch diese zur Münze selbst scheinbar in gar keiner Beziehung stehenden Bilder dargestellt werden soll. So ist z. B. die Verdreifachung eines Münzbildes, in Kleeblattstellung, was in besonders starkem Maße auch in Österreich vorkommt, nichts anderes als ein Sinnbild der hl. Dreifaltigkeit. Das namentlich auf alten böhmischen Pfennigen vorkommende Bild der drei Nägel der Passion Christi, ist ebenfalls ein Symbol der Dreieinigkeit — kurz, die Symbolik der Mittelaltermünzen, die für unser Gebiet noch kaum untersucht wurde, ist ein Spiegel des zeitgenössischen Denkens und Fühlens, das sich der gleichzeitigen großen sakralen Kunst in unauffälliger und bescheidener, aber doch recht deutlicher Weise an die Seite stellt. Angesichts dieser Fülle kunsthistorisch-numismatischer Verflechtungen erhebt sich 41

nun die Frage: woher hat der mittelalterliche Stempelschneider die Anregungen für seine Münzbilder empfangen? Zunächst müssen wir festhalten, daß das Personal der Münzstätten in dieser Zeit ebenso dem Wandertrieb folgte wie z. B. der zeitgenössische Bergmann. Die Nachrichten über dieses Personal in unserem Gebiete sind indessen recht dürftig. Bestenfalls sind die Namen einiger Münzmeister bekannt, aber kaum etwas über die ihnen untergebenen Münzgesellen. Abgesehen davon, daß insbesondere in den Kirchen, in den Schlußsteinen der Gewölbe, Mosaikfußböden, Meßornaten usw. eine reichlich fließende Quelle an bildlichen Motiven für Münzen vorhanden war, ist es m. E. durchaus möglich, daß über die Technik des Münzprägens im allgemeinen, wie für den Stempelschnitt im besonderen, Traktate vorhanden waren, wie sie für gewisse Sparten des mittelalterlichen Kunstgewerbes existieren, z. B. Traktate über Glasmosaik und Glasmalerei, Rezeptbücher für Miniatur und Wandmalerei, Guß und sonstige Metalltechnik usw. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hat ein Laie, J E A N LA B ^ G U E (1431) als Greffier der Münze von Paris genannt, eine höchst merkwürdige Kompilation angelegt, die Julius von SCHLOSSER als „einen wahren Schatzbehälter mittelalterlicher Technik darstellt" (1067). Ob darin auch die Münztechnik erwähnt wird, vermag ich nicht zu sagen. Endlich sei hier das berühmte „Livre de portraiture" des V I L L A R D DE HONNECOURT, eines französischen Architekten aus dem 13. Jahrhundert angeführt, das als „der Entwurf eines Musterbuches geplant war, in dem vor allem der Versuch einer Art mittelalterlicher Proportionslehre — von Villard portraiture genannt — wichtig ist". Auch die Überlieferungen der gotischen Baukunst sind „durch ähnliche, aber schon zum Teil durch den Druck vervielfältigter Büchlein literarisch fixiert worden". Dies alles läßt vermuten, daß auch die Münzgesellen mit solchen Rezepturen und Musterbüchern von Stadt zu Stadt wanderten und aus ihnen die Bildmotive zu ihren Münzen schöpften. Untersuchungen über dieses Thema fehlen für unser Gebiet leider nahezu völlig, bestenfalls kann man von gelegentlichen Ansätzen sprechen. So hat z. B. schon Joseph KARABACEK (519) darauf hingewiesen, daß der Elefant mit Turm ebenso wie der Fischreiher (oder die Ente) sowie der Drache und der Adler auf österreichischen und steirischen Münzen und auch anderwärts vorkommen, wie auch auf liturgischen Gewändern im 13. und 14. Jahrhundert. Ebenfalls auf österreichischen Pfennigen ist die getreue Wiedergabe des orientalischen Symbols für das Zodiakalzeichen der Jungfrau (arab. sunbula, lat. spica) zu erkennen, nämlich das Brustbild einer weiblichen Figur, die in ihren ausgestreckten Händen zwei unten aus einem Punkte emporsprießende Ähren hält. Wir lassen es bei diesem Beispiel bewenden, es zeigt deutlich, daß nicht nur die Münzgesellen, sondern auch die bildlichen Motive durch die damalige Welt wanderten. Abgesehen von diesen Urmotiven aber gibt es auch eine Bildentlehnung von anderen Münzstätten. So konnte Friedrich MAYREDER einen auffallenden Parallelismus des Grazer und des Wiener Pfennigs feststellen; fast ein Drittel der bekannten Grazer Pfennige ist im Münzbild von den Wienern abhängig. Leider ist der früh verstorbene Autor nicht mehr dazugekommen, diesen Typenvergleich für die Zeit König Ottokars auch auf dessen böhmische Gepräge auszudehnen, die in dieser Epoche mancherlei Zusammenhänge mit den Wiener und Grazer Geprägen aufweisen (726). Es gibt aber nicht nur eine Typenwanderung, sondern auch einen Typenwechsel, der insbesondere ikonographisch von einiger Bedeutung ist. LOEHR hat in diesem Sinne das Münzbild der österreichischen Dukaten untersucht und sich aus diesem Anlaß auch über die Motive eines solchen Typenwandels im allgemeinen verbreitet: „Wenn es auch die Hauptaufgabe der Münze ist, wirtschaftliche Geldfunktionen zu erfüllen, so hat sich 42

doch rein äußerlich im stärksten Maße der Einfluß des Staates, der das Münzwesen regelt, vor allem der Wille des Münzherrn geltend gemacht. Meist in raschem Wechsel ändern sich, wirtschaftlichen Einflüssen folgend, die einzelnen Münzsorten und, den äußeren Schicksalen des Staates und dem Eingreifen des Münzherrn entsprechend die äußere Form des Gepräges . . . Dieser Beweglichkeit genau entgegengesetzt ist das Phänomen der Konstanz bestimmter Münzsorten durch lange Zeiträume und über verschiedene Länder, wofür als extremes Beispiel der österreichische Mariatheresientaler dienen kann, der mit der Jahreszahl 1780 bis ins kleinste Detail unverändert" (647) bis zum heutigen Tage weiter geprägt wird. Dieser Mariatheresien- oder Levantinertaler, der hauptsächlich in den arabischen Ländern, Abessinien und dem Sudan bis vor kurzem als das einzige anerkannte Zahlungsmittel galt, ist demnach eine Handelsmünze, ebenso wie der österreichische Dukat, der eigentlich niemals Währungsmünze war, „also nicht ohne weiteres den einseitigen Willcnsakten des Münzherrn überlassen, sondern durch ihre Bestimmung für den Umlauf in anderen Ländern gebunden, der freien Kursbildung unterworfen, so daß eine äußerliche Wertbezeichnung sich ausschloß". Diese handelspolitische Stellung der hervorragendsten Goldmünze der Monarchie war auch für die möglichste Konstanz des Münzbildes entscheidend, weil es sich hier eben nicht um eine Ausnahms-, sondern um eine Massenprägung handelt. Anzumerken ist hier noch, daß diese in dem österreichischen und ungarischen Dukaten auch den höchsten Grad an Feinheit (980/1000) erreicht, was ihnen auch den höchsten Rang im internationalen Geldverkehr verschaffte. Dieser durch wirtschaftlich-internationale Verhältnisse bedingten Konstanz steht ein ziemlicher Wandel im Bilde der übrigen Prägungen der Doppelmonarchie gegenüber, weil sie eben Währungsmünzen und daher in erster Linie für den binnenländischen Umlauf bestimmt waren. Untersuchungen dieser Art sind leider für unser Gebiet sehr selten. Eine umfassende Monographie liegt eigentlich nur für den Tiroler Taler für die Zeit von 1477—1809 aus der Feder von Erich EGG vor (1165). Sowohl die Arbeit LOEHRS über den Dukaten als auch die von EGG lassen deutlich erkennen, welche Anregungen und auch Ergebnisse aus Untersuchungen dieser Art gewonnen werden können. Sie hier aufzuzählen, verbietet der Raummangel. Welche Rolle dabei aber die kunstgeschichtliche Betrachtung spielen kann, erweist die ikonographische Übersicht in dem Buche von MOESER-DWORSCHAK über Erzherzog Sigmund den Münzreichen von Tirol, den Schöpfer des Talers (758). Schließlich sei auch auf den sehr nennenswerten Beitrag hingewiesen, den die Münze zur Ikonographie, Kostüm- und Waffenkunde u. dgl. liefert. Daß die Münze zur Kultur und damit auch zur Kulturgeschichte engste Beziehungen hat, darf wohl als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Denn das Geld schafft auch jene Güter, die wir als Kulturwerte ansprechen. Dafür aber wird man zuerst feststellen müssen, was bei der Münze als „Kulturwert" zu gelten hat. Die Münze an sich ist schon das Produkt einer fortgeschrittenen Kulturstufe, da sie durch ihren Gebrauch von der Primitivität des Lebens zu einer höheren Daseinsform führt. Die alte Naturalwirtschaft kannte zunächst nur die zum Leben notwendigen Güter: Lebensmittel, Kleidung, Waffen zur Jagd und zur Verteidigung. Die Münze aber ist „zugleich Erzeugnis, Werkzeug und Denkmal der Kultur . . . wie sie sich nicht nur in den Bereich von Recht und Sitte, Handel und Verkehr, Wirtschaft und Kunst, sondern auch in die großen Zusammenhänge des uns in der Geschichte vor Augen tretenden Völkerlebens einfügt" (268). Es ist hiemit ein ganzes Spektrum von Blickpunkten, von denen aus die Münze betrachtet werden muß, um sich über ihre Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart 43

ein Bild machen zu können: Münze und Staat, Münze und Religion, Münze und Verkehr, Münze und Kunst, Münze und öffentliche Meinung, Münze und Recht, Münze und Sprache, Münze und Volk usw. Dies alles sind Kategorien, die den Forscher zu beschäftigen haben, wenn er sich nicht auf das rein „Numismatische", d. h. auf das Deskriptive, die bloße Beschreibung der Münze, beschränken, sondern auch in größere Zusammenhänge einordnen will. Sosehr die Wissenschaft diese grundlegende Vorarbeit benötigt, die ich in gewissem Sinne mit der einer Urkundenedition vergleichen möchte, sosehr ist andererseits vor der Gefahr einer Überschreitung der Grenzen zu warnen, die einer solchen — an sich sehr verdienstvollen — Arbeit gesetzt sind. Die volle Auswertung im wissenschaftlichen Sinne ist doch wohl nur dem fachlich vorgebildeten Historiker möglich. Sosehr die Numismatik der Mitarbeit der Sammler bedarf, so ist doch durch Überschätzung der eigenen historischen Einsicht, Unkenntnis der Methodik und besonders (worauf schon hingewiesen wurde) durch Heranziehung veralteter, längst überholter Literatur zur Untermauerung der historischen Exkurse viel Unheil angerichtet worden, das dann durch die Literatur weitergeschleppt und immer wieder unkritisch nachgeschrieben wird. Dieser Mangel an historischer Kritik im numismatischen Schrifttum mußte sich zwangsläufig auch auf die Arbeiten insbesondere der Wirtschaftshistoriker auswirken, weil ihnen eben keine anderen Untersuchungen zu Gebote standen. So ist manches in ein schiefes Licht geraten. Auch das Kapitel „Münze und Kulturgeschichte" ist davon betroffen, weil eine unrichtige Prämisse eben falsche Schlüsse nach sich zieht. Auch hier wirft insbesondere das „dunkle" Mittelalter Fragen auf, die nur in voller Kenntnis ihrer komplexen Wesenheit zu lösen sind, einer Kenntnis, die langer Erfahrung und eines besonders kritischen Geistes und Spürsinns bedarf. Und gerade das Mittelalter, aus dem wir ja noch heute wie auch aus dem Altertum ein Gutteil (wenn nicht den Hauptteil) unserer geistigen und materiellen Kultur schöpfen, bietet auf unserem Gebiete — neben noch Unerkanntem — eine so reiche Fülle an Erkenntnissen dar, daß die Erforschung auch der Münz- und Geldgeschichte dieser Zeit einen wesentlichen Beitrag gerade zur Kulturgeschichte liefert. Leider ist gerade das Kapitel „Münze und Kulturgeschichte" in den die alte Monarchie betreffenden Belangen recht stiefmütterlich behandelt. Bestenfalls wurden Einzelfragen zu klären versucht; eine Gesamtdarstellung fehlt jedoch, obwohl gerade hier schon im Hinblick auf die ethnische Vielfalt ein reicher Schatz an Erkenntnissen zu heben wäre. Der einzige Versuch, sich mit dem Begriffe der Kulturgeschichte im Zusammenhang mit der Münze auseinanderzusetzen, stammt von Ferdinand FRIEDENSBURG, der in seinem Büchlein „Die Münze in der Kulturgeschichte" (268) an zahlreichen Beispielen das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander gewissenhaft untersucht. Die Arbeit war für weitere Kreise, also nicht nur für den Numismatiker bestimmt und entbehrt daher leider der Quellenangaben und literarischen Hinweise. In einer anderen Arbeit „Symbolik der Mittelaltermünze" (271) führt FRIEDENSBURG in die Probleme der Welt der mittelalterlichen Sinnbilder ein. August LOEHR hat sich in seinem Aufsatz „Münze und Medaille als Kulturdenkmal" (633) kritisch mit den beiden Arbeiten Friedensburgs auseinandergesetzt und bezeichnet die dreiteilige Arbeit Friedensburgs über die Symbolik als „eine reiche und wertvolle Ergänzung" der Arbeit über „Die Münze in der Kulturgeschichte". Über die Philosophie des Geldes hat unter anderem SIMMEL in seinem großartigen Werk (1026) gehandelt. Hinweise auf die Philosophie und Psychologie des Geldes finden sich ebenfalls bei SCHWINKOWSKI in seiner Arbeit „Numismatik und Geldwissenschaft" (1107). 44

4. Heraldik und Sphragistik Daß diese beiden Gebiete miteinander und dann gemeinsam mit der Münzkunde aufs engste verwandt sind, beweist allein schon ihr Bildinhalt: weder die Münze noch das Siegel wären ohne Wappen denkbar; wappenlose Münzen und Siegel sind eine Ausnahme. Für die Münze aber ist das Wappen insbesondere dann unentbehrlich, wenn es sich um ein kleines Format handelt. Das Wappen steht in diesem Fall, ähnlich wie auf dem Siegel, als Hoheitszeichen, für die Gewährleistung, zugleich als Herkunftszeichen. a) Wappen. Die ersten Ursprünge des Wappens liegen in den Feldzeichen, doch scheint ihre Verwendung gerade in feudalen Staatseinrichtungen besonders günstige Entfaltungsmöglichkeiten gefunden zu haben. Schilde und Fahnen sind die bevorzugten Mittel, um durch symbolische Zeichen die Zusammengehörigkeit eines Heeres oder gewisser Abteilungen davon auszudrücken, oder die Kennzeichen individueller Besonderheit anzubringen. „ Im 12. Jahrhundert werden die Wappen ( = Waffen) zu Zeichen rechtlicher und dinglicher Verhältnisse. Sie werden dann zu Zeichen der mit Fahnenlehen ausgestatteten reichsunmittelbaren weltlichen und geistlichen Fürsten (Dynasten), die einen Heerbann führen. Mit der Ausgestaltung der Landeshoheit und Vererblichung dieser Lehen im 13. Jahrhundert kommt es in Deutschland zur Ausbildung von Landeswappen und zu den persönlichen und vererblichen Wappen" (38). In der Blütezeit (12.—16. Jahrhundert) besteht jedes Wappen aus dem Schild und aus dem Helm mit seinen Kleinoden (Zimier) und den Helmdecken. Die Formen von Schild und Helm sind ausgesprochen der jeweiligen Mode unterworfen. Sie enthalten daher wichtige stilistische Elemente zur Zeitbestimmung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Münzen, insbesondere für die stummen Gepräge. Der Heraldiker benötigt demnach ebenso ein „Stilgefühl" wie der Kunsthistoriker. Eine eingehende Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Heraldik ist daher für jeden Numismatiker unerläßlich, ebenso die Kenntnis des „Blasonierens", der wissenschaftlichen Beschreibung (auch der Farben) eines Wappens und seiner angeführten Beigaben, zu denen in späteren Zeiten noch die sogenannten „Rangkronen" treten. Dazu kommen die vielen Variationen innerhalb der einzelnen Wappenbilder, von denen Adler und Löwe die häufigsten und zugleich auch sehr vielseitig sind. Nicht minder häufig ist auch das Kreuz im Wappen, von dem die Heraldik zahllose verschiedene Formen durch eigene Benennungen unterscheidet, deren sich auch die Münzkunde bedienen muß. Das Kreuz aber tritt mannigfach auch außerhalb der Wappen in Erscheinung, so das schon erwähnte Doppelkreuz der Etschkreuzer. Wenn man etwa die Wiener Pfennige des Mittelalters betrachtet, so ist auf ihnen eine ganze Anzahl von Tieren vertreten, z. B. Elefant, Hirsch, Eichhörnchen, Hase. Das sind meist nur willkürlich gewählte Münzbilder, die aber auch eine symbolische Bedeutung haben können, jedoch nicht müssen. Es sind daher solche Münzbilder sehr kritisch zu beurteilen und zu prüfen, um nicht in sie etwas hineinzudeuten, was gar nicht beabsichtigt war. Die Vielfalt der Münzbilder einer und derselben Sorte, eben der Wiener und anderer österreichischer stummer Pfennige, ist wohl in erster Linie auf die sogenannte Münzverrufung (renovatio, revocatio, innovatio, mutatio monetae) zurückzuführen, die zugleich auch eine Münzerneuerung bedeutete, indem der Landesherr (wir werden an anderer Stelle noch darauf zurückkommen) aus fiskalischen Gründen die umlaufenden Münzen „verrief", d. h. ungültig erklärte und durch ein neues Gepräge ersetzen ließ. Im Böhmen des beginnenden 12. Jahrhunderts soll dies sogar drei- bis viermal im Jahre vorgekommen sein. Der Stempelschneider mußte daher seine Phantasie 45

1. Steiermark, Ehg. Karl von Innerösterreich. Taler 1586, Graz

spielen lassen, um ein neues, von seinen Vorgängern deutlich zu unterscheidendes Münzbild zu schaffen. Das einfachste Unterscheidungsmittel, die Datierung, ist im 15. Jahrhundert noch selten gewesen. Man wird daher bei der zeitlichen und lokalen Zuweisung einer Münze alle diese oft unscheinbaren Unterscheidungsmerkmale kritisch betrachten müssen, um nicht zu einer Fehlbestimmung zu gelangen, wie es schon oft vorgekommen ist. Um es gleich hier zu sagen: es ist nicht nur der Stil eines Wappens allein maßgebend, eines Wappens natürlich, das mehrere Deutungen zuläßt, sondern auch der Stil der Münze selbst, die „Fabrik" der Münze, die „Mache", wie der am häufigsten verwendete numismatische Ausdruck lautet. Denn oft bedienen sich gewisse Gebiete eines fremden aber weithin geachteten Münzbildes, um damit ihren eigenen Münzen trotz ihrer Unterwertigkeit die gleiche Beliebtheit und damit eine bessere Umlauffähigkeit zu verschaffen. Man nennt solche Nachahmungen Beischläge. So wurde z. B. der Tiroler Etschkreuzer in Italien an vielen Orten durch ein ähnliches Münzbild nachgeahmt. Ein aus so vielen heterogenen Bestandteilen bestehendes politisches Gebilde, wie die Doppelmonarchie eines war, erfordert begreiflicherweise auf heraldischem Gebiete ganz besondere Kenntnisse. Dies soll noch eingehend gezeigt werden. Mit dem Aufkommen der Großsilbermünzen wurde es Sitte, wenigstens die Wappen der vornehmsten Länder zu einem einzigen Wappen zu verbinden. Insbesondere auf den Talern des 17. und 18. Jahrhunderts kommen in Österreich solche vielfeldige Wappen vor. Da es im Gesamtstaate zahlreiche Münzstätten gab, deren Erzeugnisse einander meist wohl sehr ähnlich waren, ergab sich die Notwendigkeit, außer der Zugehörigkeit zu einem mächtigen Staatsgebilde — kenntlich durch das Wappen und das Porträt des jeweiligen Herrschers — auch das Prägeland heraldisch zu dokumentieren. Es wurde zur Gepflogenheit, das Wappen des Prägelandes dadurch hervorzuheben, daß man es im Gesamtwappen an besondere Stelle setzte: in die Mitte als Herz- oder Mittelschild, an die „Ober- oder Ehrenstelle", über den oberen Schildrand hinausgehoben oder allein — meist unten — in die Umschrift. Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, daß alle in einem vielfeldigen Wappen aufgezeigten Einzelschilde zur Zeit der Münze noch im Besitze des betreffenden Münzherm sein müßten, wie etwa das Königreich Jerusalem. Die Wappen wie die Herrschertitel zeigen demnach nicht nur den jeweiligen tatsächlichen, sondern auch den ehemaligen Besitzstand und gewisse noch immer aufrechterhaltene Besitzansprüche an. Diese Ansprüche sind am besten aus dem großen Titel der jeweiligen Herrscher zu ersehen, wie sie in den Urkunden angewendet werden. Nehmen wir als vergleichende Beispiele den Titel Kaiser Ferdinands I., des Bruders von Karl V. für den ersten und Kaiser Franz Josephs I. für den letzten Herrscher, der Donaumonarchie: 46

2. Elsaß, Ehg. Ferdinand von Tirol. Taler o. J., Ensisheim

a) Ferdinand I., von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien, zu Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien und Slawonien etc. König, Infant von Spanien, Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund, zu Brabant, zu Steier, zu Kärnten, zu Krain, zu Lützelburg (Luxemburg), zu Württemberg, Ober- und Niederschlesien, Fürst zu Schwaben, Markgraf des hl. Römischen Reichs zu Burgau, zu Mähren, Ober- und Niederlausitz, gefürsteter Graf zu Habsburg, zu Tirol, zu Pfirt, zu Kyburg und zu Görz etc.; Landgraf im Elsaß, Herr auf der Windischen Mark, zu Pottenau (Pordenone) und zu Salins, (Augsburg, 19. August 1559, 3. [und letzte] Reichsmünzordnung, abgedruckt in HIRSCH, Münzarchiv I, Nürnberg, 1756, Nr. C C X I X , S. 383). b) Franz Joseph I., von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; König von Jerusalem etc.; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toskana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukowina; Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Quastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Großwojwod der Wojwodschaft Serbien etc. etc. (nach dem Schematismus für das k. u. k. Heer . . .).

Zwischen diesen beiden Endpolen gab es natürlich noch eine ganze Reihe von Varianten, ein Mehr oder ein Weniger, aber im großen ganzen sind die Hauptbesitzungen doch die gleichen geblieben. Diesen Besitzstand trachtete man natürlich nach Möglichkeit auch in den Wappen auf den Münzen zum Ausdruck zu bringen, insbesondere im Zeitalter des Barocks. Noch Franz I. hat als Römisch-deutscher Kaiser auf seinen halben und ganzen Talern sowie auf den vierfachen Dukaten die in einem Schild vereinigten Wappen der Hauptländer gesetzt: Ungarn, Böhmen, Burgund (für die österreichischen Niederlande) und Toskana, während im gespaltenen Herzschild der österreichische Bindenschild und die lothringischen gestümmelten Adler auf dem Schrägrechtsbalken aufscheinen. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation findet sich auf den österreichischen Münzen nur mehr das zweimal gespaltene Hauswappen: rechts der habsburgische Löwe, Mitte der Bindenschild, links Lothringen, auf den ungarischen dagegen bis 1867 meist die Patrona Hungariae, seither das alt- und neuungarische Wappen mit dem seiner Nebenländer (Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen und Dalmatien, das staatsrechtlich jedoch zu Österreich gehörte, sowie seit 1890 auch die königliche Freistadt Fiume). 1916 wird schließlich das Wappen noch um das von Bosnien vermehrt, womit aber nur ein Anspruch angemeldet, jedoch kein tatsächlicher Besitz festgehalten wurde. Die heraldischen Embleme auf den Münzen der von Erzherzogen regierten Länder sind von deren Status bedingt. An Stelle einer Krone führen diese Münzen über dem Wappen einen Hut, in Innerösterreich den steirischen Herzogshut, der sich im Museum für Kultur- und Kunstgewerbe in Graz im Original erhalten hat, in Tirol und den Vorlanden aber den Erzherzogshut, den zumeist auch der Herrscher auf dem Herr47

3. Österreich, Kg. Ferdinand I. Taler o. J., Wien (einfacher Adler)

scherbildnis trägt. Dieser Tiroler Hut wird jetzt in der Kaplanei Mariastein bei Wörgl aufbewahrt. Beide Hüte verschwinden von den Münzen, sobald die Länder wieder dem Kaiser unterstehen. Bei den kaiserlichen Münzstätten waren für die Darstellung der Krone folgende Regeln maßgebend: Im 14. Jahrhundert, als der Doppeladler allmählich ausschließlich zum kaiserlichen Symbol wird, bildet sich gleichzeitig auch eine Kombination von Krone und Mitra als symbolische Darstellung der Kaiserwürde an. Von Ferdinand I. bis Franz II. tragen deren Münzen in Verbindung mit dem Doppeladler nur dann die Mitrakrone, wenn sie den Kaisertitel führen. Ferdinand I., seit 1531 Deutscher König, seit 1556 auch Deutscher Kaiser, setzt also erst nach dem Tod seines abgedankten Bruders Karl V. die Mitrakrone zugleich mit dem doppelten anstatt des bisherigen einfachen Adlers auf seine Münzen, obgleich diese auf Münzen vorkommende Krone damals in natura noch gar nicht existierte. „Dagegen hat man sich der eigentlichen Reichsoder Nürnberger Krone, wie man dies jahrhundertelang bis 1796 gemeinsam mit den anderen Reichsinsignien in der alten Reichsstadt sorglich behütete Insignie auch nennt, nur auf den anläßlich der Königskrönungen unter das Volk geworfenen offiziellen Auswurfpfennige bedient" (416). Noch bis ins dritte Jahrzehnt der Regierung Kaiser Rudolfs II. wurde also eine nicht vorhandene Krone als Zeichen höchster weltlicher Fürstenmacht auf die Münzen gesetzt. Erst 1602 ließ dann Rudolf in der kaiserlichen Hofwerkstatt auf dem Prager Hradschin die nach ihm benannte österreichische Hauskrone anfertigen. Sie „ist eine Verbindung des von den Lilienaufsätzen überragten Kronreifes mit dem einfachen kaiserlichen Hochbügel und der Mitra, die als einziger Laie tragen zu dürfen ein persönliches Vorrecht des Kaisers war". Die Schöpfung der Rudolfinischen Kaiserkrone ist der sichtbare Ausdruck für das Zeichen der römisch-deutschen Kaiserwürde. Auf den Münzen aber ist der Titel der Römischen Könige nie mit der Nürnberger Krone verbunden. Ferdinand I. hat „auf der langen Reihe seiner königlichen Münzen neben dem einfachen Adler immer nur eine heraldische Spangen-Königskrone benützt. Für die Darstellung der Kaiserkrone verwendet die Numismatik in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle und vor allem dort, wo sie als allgemeines Symbol der Kaiserwürde zu werten ist, die Form der Mitrakrone". Die Rudolfinische Krone ist „zweifellos als Ersatz für die alte deutsche Kaiser- und Königskrone gedacht", denn diese alte Reichs- oder Nürnberger Krone war „von der Insignie zur Reliquie geworden" (416), die man ängstlich behütete und die nur zu dem jedem Regierungsantritt folgenden feierlichen Akte der Königskrönung ihre Funktion zu erfüllen hatte. Dieser „sakrale Charakter" gestattete offenbar auch nicht ihre Darstellung auf profanen Geldstücken. 48

4. Österreich, K. Ferdinand I. Guldentaler 1560, Wien (Doppeladler)

Nur in den Jahren 1804—1806 wurde von der Anschauung abgegangen, daß die Nürnberger Krone mit der Idee des Römischen Königtums untrennbar verbunden sei. Als Franz II. 1804 das Kaisertum Österreich proklamierte, aber daneben bis zum Jahre 1806 noch die Würde eines Deutschen Kaisers innehatte, ersetzt auf den in diesen drei Jahren geprägten Münzen die Nürnberger Krone die Hauskrone, sofern sich Franz auf ihnen noch der II. seines Namens und römischer und erblicher österreichischer Kaiser nennt. Noch im Jahre 1806 aber weicht dieser Titel dem einfachen eines Kaisers von Österreich, dem auch die Namen der übrigen Länder angeschlossen sind. Was schließlich die Kronen Ungarns und Böhmens anlangt, so tauchen sie fast ausschließlich bloß auf den Krönungs- und Huldigungsjetons auf. Die Rudolfinische Kaiserkrone aber dominiert. Erst seit Maria Theresia kommt auf ungarischen Münzen die Stephanskrone zum Vorschein, wohl als Dank für die ihr von Ungarn gegen Friedrich II. von Preußen gewährte Unterstützung und Hilfe. Die Wenzelskrone aber zeigt sich nur mehr auf den von Ferdinand I. bis 1547 geschlagenen letzten Prager Groschen, denen man aus verständlichen Gründen ihren althergebrachten Typus belassen hatte. Die Eiserne Krone der Lombarden tritt auf den in Mailand und Venedig seit Franz I. geprägten Münzen nach italienischem Fuß bis 1849 stets noch zugleich mit der Hauskrone in Erscheinung. Seither gibt es für das lombardisch-venezianische Königreich nur mehr den österreichischen Doppeladler mit der Hauskrone und den betreffenden Münzbuchstaben M und V. Nach dem Ausgleich von 1867 und der dadurch bewirkten Teilung in eine eis- und eine transleithanische Reichshälfte zeigen die Münzen der Wiener und Kremnitzer (eine ganz kurze Zeit auch noch der Karlsburger) Münzstätte die dem betreffenden Reichsteile entsprechende Krone. Die in diesem Überblick fehlenden, auf den Münzen jedoch vorkommenden Wappen eigens anzuführen kann hier nicht unsere Aufgabe sein. Hier sollte an konkreten Beispielen nur die Vielseitigkeit der zu berücksichtigenden heraldischen Belange nachgewiesen werden, die sich aus den Münzen nicht nur des Kaiserstaates allein, sondern auch aus denen der in ihm einst münzberechtigt gewesenen geistlichen und weltlichen Fürsten ergeben. Über den sogenannten „gemeinen Figuren" (Tieren, Fabelwesen, künstlichen Figuren) kommt übrigens auch die Münze selbst vor. Sie werden in der Fachsprache oft als „Besant" bezeichnet, was sich auf den byzantinischen Goldsolidus bezieht. Als redendes Wappen kommt z. B. der Etschkreuzer mit seinem Doppelkreuz auf dem Grabstein des Deutsch-Ordens-Komturs Gabriel Kreiczer ( = Kreuzer) auf einer Grabplatte von 1569 im Dome zu Wiener Neustadt vor. Unter den Wappenbildern der österreichisch-ungarischen Länder ist die Münze nicht anzutreffen, dagegen — sehr bezeichnend — im Wappen 49

5. Österreich, K. Franz II. Dukaten 1804, Wien (Rudolfinische Kaiserkrone)

7. Böhmen, Kg. Wenzel II. Prager Groschen o. J., Kuttenberg (St. Wenzelskrone)

6. Österreich, K. Franz II. Dukaten 1806, Wien (Krone des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation)

8. Ungarn, Franz Joseph I. 10 Filier 1915, Kremnitz (St. Stephanskrone)

der Grafen Schlik, die aus ihrer Münzstätte zu Joachimstal in Böhmen den (Joachims-) Taler in die ganze Welt entsandten. Die drei Münzen finden sich im Schilde der den Grafen verliehenen Grafschaft Bassano (Passaun) in Oberitalien. Das umfassendste und fachlich beste Wappenbuch ist wohl das von Johann S I E B MACHER 1605 und 1609 zu Nürnberg herausgegebene Neue deutsche Wappenbuch und das jetzt seit 1855 gemeinsam als „Großer Siebmacher" in 101 Bänden vorliegt. Der sehr verdiente Wiener Heraldiker und Genealoge Hanns J Ä G E R - S U N S T E N A U hat auf Anregung des Verfassers zu den Siebmacherschen Wappenbüchern 1605—1916 einen Generalindex (484) verfaßt, in dem auf S. 30—38 die 101 Bände bibliographisch erfaßt sind. Es existiert auch ein illustriertes numismatisches Wappen-Lexikon von RENTZMANN (981), das jedoch weder den Anforderungen des Münzsammlers, geschweige denen des Wissenschaftlers entspricht. Über die Wappen der einzelnen Länder der Doppelmonarchie existiert eine ziemliche Anzahl von Monographien von verschiedener Qualität; es werden daher unter den Literaturhinweisen nur die wissenschaftlich einwandfreien zitiert. b) Siegel. Das Siegel ist bekanntlich „Verschluß-, Erkennungs- oder Beglaubigungsmittel" (38). Schon im Altertum bekannt und angewendet, erhält es seine Bedeutung als Geschichtsquelle erst im Mittelalter, vor allem im Urkundenwesen. Für die Münzkunde ist es nur als Wappensiegel von Belang. Denn zum Unterschiede von den Münzen, die infolge ihres geringen Umfanges oft schriftlos sind, enthalten die Siegel mit verschwindend geringen Ausnahmen Um- und Aufschriften, von denen die Umschriften (oder Legenden) ziemlich regelmäßig den Namen oder Namen und Titel des Siegelführers bringen. Das Wappensiegel kommt neben dem früheren Porträtsiegel erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als neuer Typ auf. Aber auch hier ist es wie bei gewissen Münzen, die als Bild einen Löwen, andere Tierfiguren oder sonstige Zeichen im Siegel50

9. Lombardei, Franz II. 5 Centesimi 1822, Mailand (M). Unter der Kaiserkrone die Eiserne Krone der Lombardei.

10. Österreich, Franz Joseph I. Gulden 1892

11. Österreich, Franz Joseph I. 20 Coronae (Kronen) 1916, Wien (A)

felde führen, nicht immer sicher, ob der Stempelschneider ein Wappenemblem abzubilden beabsichtigte. Sobald aber derartige Figuren im Schilde angebracht sind, können sie mit Bestimmtheit als heraldische Embleme angesehen werden. Seit dem 14. Jahrhundert aber gewinnt das vollständige Wappen auf dem Siegel die Vorherrschaft. Da die Urkunden, an denen die Siegel zur Bekräftigung angebracht sind, meist datiert sind, steht damit in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch das Alter des Siegels fest. Zwar wurden, um Mißbräuche zu verhindern, die Typare beim Ableben ihrer Inhaber vielfach zerstört, ein Akt, der öfters unter Einhaltung eines gewissen Zeremoniells, in Gegenwart von Zeugen, vollzogen wurde. Aber es wurde nicht regelmäßig so verfahren, wie das vor allem deutlich die vielfach bezeugten Erbsiegel erkennen lassen. Wiederholt wurden daher die Siegelstempel von den Erben oder Rechtsinhabern des ursprünglichen Siegelinhabers weiterbenutzt. Für das Wappenbild selbst spielt dies natürlich keine Rolle, dafür aber vielleicht für die chronologische Fixierung eines auf Grund eines Siegels bestimmten Münzwappens. Denn auch der Stil der Siegel ist gleich dem eines Wappens veränderlich (555). Dies alles wird man in Betracht ziehen müssen, wenn in Funden bisher unbekannte Gepräge mit Wappen oder wappenähnlichen Münzbildern auftauchen. Die Siegelkunde ist daher — bildinhaltlich gesehen — eigentlich ebenso eine Hilfswissenschaft der Heraldik, wie diese für die Sphragistik. Beide ergänzen einander, beide sind sie in ihrer Eigenschaft als Geschichtsquelle für die Numismatik von eminenter Bedeutung (907).

51

5. Münze und Recht Wir kommen nun zur rechtlichen Seite der Herstellung und Ausgabe von Münzen. Wem stand das Münt(recht zu? Im Altertum wurden Münzen von Anfang an von Staats wegen hergestellt und in Umlauf gebracht. Das Münzrecht ist daher, rechtlich betrachtet, ein Teil der Gesetzgebung und hat im Altertum wie in der modernen Welt als Bestandteil und Zeichen der staatlichen Souveränität gegolten. Dies gilt auch für die Kelten, nur daß es sich bei diesen nicht um einen ortsgebundenen Staat schlechthin, sondern meist um wandernde Stämme gehandelt hat, deren Fürsten das Münzrecht ausübten. Das Münzrecht der Römer, die uns ungefähr gleichzeitig mit den Kelten schon in Funden rechtliche Spuren ihres Münzwesens hinterlassen haben, war im Staatsrecht der Republik verankert. Es gab da einerseits eine „hauptstädtische von dem Senat geleitete und in der letzten republikanischen Epoche ordentlicherweise durch das Collegium der drei Münzherren ausgeübte Prägung, andererseits diejenige, welche rechtlich auf dem militärischen Imperium des Feldherrn beruhte und in seinem Auftrag durch dazu kommandierte Offiziere außerhalb Roms ausgeübt ward . . . In der Kaiserzeit sind zunächst unter Caesar diese Ordnungen noch im wesentlichen einfach festgehalten worden . . . Die einzige wesentliche staatsrechtliche Neuerung, die Caesar in das Münzwesen einführte, bestand darin, daß er, wie in allen anderen Beziehungen so auch in dieser, die durch die Abschaffung des Königtums gezogene Scheide zwischen der hauptstädtischen und der feldherrlichen Amtsgewalt niederwarf und seine Feldherrnmünzen regelmäßig in Rom schlagen ließ". Dem Imperator war es von jeher gestattet gewesen, Gold und Silber zu Münzen auszuprägen. Augustus tat, „nachdem er in den Vollbesitz der Gewalt gelangt war, den weiteren Schritt, diese Gold- und Silberprägung dem Imperator allein vorzubehalten und die konkurrierende des Senats zu unterdrücken . . . Dagegen bleibt das Recht der Kupferprägung dem Senate, und zwar als ausschließliches . . . Fortan also ist es das charakteristische Kennzeichen der Reichskupfermünze, daß in großer und auffälliger Schrift darauf S. C. ( = senatus consulto) steht" (761). Erst unter Diocletian (293—305) wird durch die nach ihm benannte Münzreform das Münzrecht „der Ausfluß der unumschränkten kaiserlichen Gewalt" (1088). Das Münzrecht ist ursprünglich der Inbegriff der Münzhoheit. „Diese hat im späten Altertum in Europa nur der römische Kaiser. Dessen Münzberechtigung war auch von den das Westreich erobernden Germanen so anerkannt, daß diese nur römische Münzen nachzuahmen wagten, die den Namen des regierenden römischen (byzantinischen) Kaisers trugen. Der Name des prägenden germanischen Königs scheint nur an versteckter Stelle in Monogrammform auf . . . Erst der mächtige Frankenkönig Theodebert wagte es, seinen Namen, sogar teilweise in deutscher Namensform, auf seinen Solidi voll und ganz zu nennen. Ob dann die Merowingerkönige schon ein wirkliches Münzrecht ausgebildet haben, ist sehr zweifelhaft. . ." Erst die Karolinger brachten, zum ersten Male im Mittelalter „ein unumschränktes königliches, d. h. staatliches Münzrecht zur Geltung, das das Münzen anderer Gewalten im Reiche so gut wie gar nicht gestattete" (1088). Erst von Ludwig dem Frommen und seinen Nachfolgern an gibt es besonders für das Westreich Münzrechtsverleihungen an Geistliche, doch scheint dies hauptsächlich aus finanziellen Gründen geschehen zu sein, indem der Münzgewinn zum Teil oder zur Gänze den Beliehenen überlassen wurde. Aber es gibt zur karolingischen Zeit noch kein Recht des Begnadeten, Münzen unter eigenem Stempel zu schlagen. Erst nach dem Aussterben der karolingischen Dynastie setzt unter den Herrschern aus dem sächsischen Hause eine andere Entwicklung ein. „Zwar wird theoretisch an dem ausschließlichen Münzrecht des Kaisers 52

und Königs festgehalten; dies wird aber durch zahlreiche Verleihungen . . . durchlöchert . . . Diese völlige Auflösung und Zersplitterung des königlichen Münzrechts bleibt dann bis zum Ende des römischen Reiches deutscher Nation bestehen . . . Ein ebenso zersplittertes Münzrecht wie Deutschland hat in Europa nur noch Frankreich und Italien im Mittelalter besessen, in den übrigen Ländern herrscht fast nur ein königliches Münzrecht" (1088). Sonach ist Münzhoheit „das Recht der Staatsgewalt, die zur Organisierung und Erhaltung des Münzwesens notwendigen obersten Verfügungen zu treffen. Dieses Recht ist gewöhnlich mit den Befugnissen, die den Inhalt des Münzregals bilden, der Münzerzeugung und dem Anspruch auf den dabei sich ergebenden Nutzen verbunden . . . Die Münzhoheit gilt immer als ein Zeichen der Souveränität. Im späten römischen Reiche stand die Münzhoheit dem Kaiser zu, und dies wurde durch die Glossatoren des corpus iuris auf den deutschen König übertragen, der nach der Krönung durch den Papst Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation wurde und den man als Nachfolger der römischen Imperatoren ansah. Später, seit Anfang des 13. Jahrhunderts, wurde die Münzhoheit von den Gelehrten auch dem Papst und schließlich jedem Souverän zugeschrieben. Alle anderen physischen und juristischen Personen sollten theoretisch das Münzrecht nur durch Verleihung von einem Träger der höchsten Gewalt, dem Inhaber der Münzhoheit, durch Schenkung, Leihe, Amtsauftrag, Kauf, Verpfändung usw. erlangen können" (1088). Doch wurde auch das Herkommen ausdrücklicher Verleihung gleichgeachtet, wodurch auch ohne diese viele weltliche und geistliche Große, Städte und Korporationen, sehr zum Schaden der Münzeinheit zum Münzrecht gelangten. Und schließlich das Mün^regal. Das „ius regalium" ist, wie es schon das Wort ausdrückt, ein königliches Recht, das alle der obersten Staatsgewalt vorbehaltenen Rechte (Hoheitsrechte) umfaßt. Das Münzregal gehört in die Kategorie der niederen, nutzbaren Regalien, der Regalien im engeren Sinne, wie Berg-, Jagd- und Fischereiregal. Von ihnen galten das Münzregal, dann Mauten und Zölle als besonders einträglich für den Landesherrn. Denn dem Mittelalter war eine „Sonderung des Staatsvermögens und der Staatseinkünfte vom Privatvermögen des Landesherrn und seinen Einkünften" fremd. Erst seit dem Beginn der Ständeherrschaft, die wie später die Volksvertretungen über die Verwendung der Staatseinnahmen zu entscheiden und auch die Steuern und Kontributionen zu bewilligen hatte, trat eine Änderung ein. Seit etwa Kaiser Ferdinand I. bestanden die ordentlichen Einnahmen, über die der Landesherr frei, ohne an die Zustimmung der Stände gebunden zu sein, verfügen durfte, in den Erträgnissen der Domänen und Staatsgüter, der Ämter, Stadtsteuern, Zölle, Mauten, Bergwerke und dergleichen, zu den „Ämtern" gehörten auch die Münzämter. Mit den drei Hauptbegriffen, Münzrecht, Münzhoheit und Münzregal sind indessen die Beziehungen von Münze und Geld zum Recht noch keineswegs erschöpft. Ihre Vielschichtigkeit hat vor allem L U S C H I N (677) in meisterhafter Weise dargelegt, weshalb wir uns hier auf einige Schlagworte beschränken können, deren Auswirkungen am gegebenen Orte bei den einzelnen Ländern behandelt werden sollen. Die vielleicht wichtigste Frage des Münzwesens war für den Münzherrn wohl die finanzielle Ausnutzung des Münzregals. Die germanischen Staaten, die nach der Völkerwanderung begründet wurden, hatten das Münzwesen als römische Einrichtung in dem Zustand übernommen, den die Münzreformen Kaiser Konstantins des Großen angebahnt hatten. Die Anfänge dieses germanischen Münzwesens waren demnach so ziemlich geordnet, bis Mangel an bergmännisch gewonnenen Edelmetallen, Finanznöte und Habsucht der Münzherren schon frühzeitig zur Münzverschlechterung führten. Erst die Karolinger, 53

die ein völlig zerrüttetes Münzwesen vorfanden, haben auch auf diesem Gebiete Ordnung geschaffen und namentlich die Münzhoheit in vollem Umfang für sich beansprucht. „Das Münzwesen wird auch nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten eingerichtet, und manches was dabei von den Karolingern verordnet wurde, erinnert an die Grundsätze, die erst seit dem 19. Jahrhundert in die Münzpolitik wieder Eingang gefunden haben. Die Münze soll ihrer Aufgabe als Wertmaßstab und allgemeines Zahlungsmittel voll entsprechen" (677). Nur probehaltige und vollgewichtige Münzen eines bestimmten Gepräges waren zum Umlauf zugelassen; dem Verbreiter falscher oder untergewichtiger Stücke drohte gerichtliche Verfolgung. „Dagegen trat der finanzielle Gesichtspunkt in den Münzvorschriften der Karolinger wenig hervor; namentlich fanden Verrufungen der Münzen nur selten aus dem volkswirtschaftlich gerechtfertigten Grunde statt, um vollgewichtiges Geld im Umlauf zu erhalten" (677). Auf die wohlgeordneten Zustände der Karolingerzeit folgten im Münzwesen wieder viele Jahrhunderte arger Zerrüttung, die indessen nicht allein durch die Habsucht der Münzberechtigten zu erklären sind, sondern auch durch Ursachen allgemeiner Natur. An erster Stelle steht da wohl — wir werden es an zahlreichen Stellen unserer Münzgeschichte bestätigt finden — „die unzureichende Größe der für Münzzwecke verfügbaren Edelmetallvorräte in Europa" (677). Der bergmännische Abbau war — technisch gesehen — noch viel zu wenig leistungsfähig, viele Bodenschätze noch unentdeckt. Dabei wuchs der Bedarf an gemünztem Geld im gleichen Maße, in dem die Kulturansprüche zunahmen, die nur aus dem nahen und fernen Orient befriedigt werden konnten. Eine weitere Ursache dieser ständig zunehmenden Münzverschlechterung ist die Tatsache, daß die mittelalterliche Staatswirtschaft sehr geringe Einnahmen an Bargeld hatte, die sie sich noch am leichtesten aus der Überbeanspruchung der Regalien verschaffen konnte. Was lag da näher, als den Münznutzen auf Kosten der Güte des Geldes zu erhöhen. Dieser Nutzen war wohl des Münzherrn gutes Recht, aber seine Höhe leider eine „reine Gewissenssache". Diese aber konnte der einzelne um so leichter nehmen, als ihm die Unterstützung durch die Kanonisten zur Seite stand, die in dem mittelalterlichen Streite über das eigentliche Wesen der Münze den vom Willen des Münzherrn abhängigen valor impositus über den inneren Wert des Geldstückes, die bonitas intrinseca, stellten. Die bösen Folgen solcher Maßnahmen konnten allerdings nicht ausbleiben. Sobald auch nur ein paar mächtige Münzherren sich für die Verschlechterung ihrer Münzen entschieden, mußten die Nachbarn in immer weiteren Kreisen jenen in der Herabsetzung des Münzfußes nachfolgen, da das Greshamsche Gesetz, daß die gute Münze durch anhaltenden Umlauf schlechterer Gepräge notwendig aus dem Verkehr gedrängt werde, damals nicht minder wirksam war als heute. Den Mün%nut%en konnte man auf verschiedenen Wegen erzielen. Ursprünglich wurde bei der Verleihung des Münzrechts nur der Schlagschatz, monetagium, und der Wechselgewinn, jus cambii, gewährt, der sich bei der Einlösung des Münzmetalls ergab. Der Schlagschatz umfaßt nach dem Sprachgebrauch der wichtigsten Urkunden des deutschen Münzwesens den ganzen Unterschied zwischen dem Nennwert und dem Metallwert einer Münze, doch lassen sich darin zwei Bestandteile sehr ungleicher Art und Wirkung unterscheiden. Der eine Teil, der zur Deckung der Münzkosten erhoben wird, der „sogenannte natürliche Schlagschatz, . . . ist volkswirtschaftlich durchaus gerechtfertigt; bedenklich durch seine Folgen kann jedoch der darüber hinaus abgeforderte Münzgewinn des Münzherrn, das sogenannte Münzregal der Kameralisten . . . werden" (677). Nach den Gußberechnungen der Wiener Münzstätte betrug im 15. Jahrhundert der Schlagschatz 13 % vom Metallwert der Münze, „obwohl damals halbwegs geordnete Zustände herrschten 54

und namentlich der Unfug der willkürlichen Münzverrufung nicht mehr stattgefunden hatte. Noch merkwürdiger als die Höhe ist die Aufteilung dieses Schlagschatzes, da 7,7 % Münzkosten, nahezu 5 % Gewinn der Hausgenossen und nur 0,4 % Gebühr des Herzogs sind" (674). Der Ertrag der Münze konnte auch dadurch gesteigert werden, wenn sich die Möglichkeit bot, unterwertige Münzen zum früheren Nennwert auszugeben, indem man entweder das Schrot oder das Korn, mitunter auch beides zugleich veränderte. Dies konnte sowohl durch Verleihung oder durch eigenmächtige Erweiterung des ursprünglichen Rechts geschehen. Die Einhebung des ordentlichen Schlagschatzes wie auch eines außergewöhnlichen Gewinns, der sich bei einer Veränderung des Münzfußes für den Augenblick ergeben konnte, hing von der Ausgabe neuer Münzen ab. Die Münzherren trachteten daher, möglichst viel und möglichst oft zu prägen und auch möglichst viele Leute zur Abnahme ihrer neuen Münzen zu verhalten. Dies alles führte zu einer Reihe eigentümlicher Maßnahmen, die für die Münzpolitik des Mittelalters charakteristisch sind; vor allem sind hier die berüchtigten periodischen Münzverrufungen und die Zwangsvorschriften zu nennen, die die Einwechslung gewisser Münzsorten sichern sollten. Für unser Gebiet kommen in erster Linie die Münzverrufungen (renovationes, revocationes, innovationes, mutationes monetae) in Betracht. Auch sie gehen noch in die Karolingerzeit zurück. Damals aber hatten sie noch volkswirtschaftliche Beweggründe, während im späteren Mittelalter erzwungene Umwechslungen des umlaufenden Geldes zur Steigerung des Münzgewinns und damit zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Münzherren geradezu üblich wurden. Diese Verrufungen wurden trotz ihrer Verwerflichkeit angesichts der Gewissenlosigkeit zahlreicher Prägeberechtigter schließlich zu einer gewöhnlichen Finanzmaßregel. Wahrscheinlich haben sie sich im Anschluß an die Entwicklung des mittelalterlichen Markt- und Verkehrswesens herausgebildet, wie denn überhaupt Münze, Markt und Zoll enge zusammenhängen. „Der eigentliche Handelsverkehr, der eine größere Anzahl von Käufern und Verkäufern zusammenbrachte, einen ausgedehnteren Warenumsatz schuf und Münzgeld in größeren Summen nötig machte, war auf die wenigen großen Jahrmärkte konzentriert" (677). Die frühesten Nachrichten über solche zur Bereicherung des Landesherrn eingeführten Münzverrufungen, durch die jeder Landeseinwohner gezwungen wurde, sein Bargeld mit Verlust gegen neue Münzen einzutauschen, stammen aus Böhmen, wo dieser Unfug einer drei- bis viermaligen Verrufung im Jahr schon um das Jahr 1000 eingerissen zu sein scheint. Auch Schlesien und Ungarn waren davon betroffen, gewöhnlich einmal im Jahre. Es ist eine große Ausnahme, daß in der Steiermark seit 1237 die Münzerneuerung nur mit Zustimmung der Landesministerialen in mindestens fünfjährigen Abständen erfolgen sollte, ein Zeitraum, in dem man auch mit einer natürlichen Abnutzung der Gepräge und der Notwendigkeit einer Erneuerung rechnen konnte. Im übrigen war der aus der Verrufung erzielte Gewinn des Münzherrn keineswegs bedeutend, dafür der volkswirtschaftliche Schaden, den die Bevölkerung erlitt, unverhältnismäßig größer. „Vor allem traten diese Verrufungen fast jeder Kapitalsbildung, sofern das Kapital aus Münzgeld bestand, hindernd entgegen, da alles bare Geld jährlich etwa 25 % an Wert einbüßte, die aber nur teilweise in den Säckel des Münzherrn flössen, weil daraus auch die bedeutenden Kosten der Umprägung bestritten werden mußten" (677). Diese Entwertung aller Bargeldbestände war jedoch keineswegs die einzige böse Folge der Münzverrufungen; sie führten vielmehr zur Ausprägung von Münzen von 55

periodisch wechselnder Schwere. Der wachsende Geldbedarf, die damit zusammenhängende Zunahme der Münzstätten, die dadurch bedingte Einstellung wenig geschulter Münzer führten zwangsläufig auch zu einem Verfall der Münztechnik. Man hatte keine Zeit mehr, die ausgeprägten Münzen sorgfältig zu justieren, d. h. jedes Stück einzeln auf das vorgeschriebene Gewicht zu prüfen und die untergewichtigen auszusondern; an Stelle der sorgfältigeren Stückelung früherer Zeiten kam nun die Münzung al marco auf, indem man sich damit begnügte, eine gewisse Menge von Stücken auf ihr Gesamtgewicht zu prüfen und zu egalisieren, wobei ein gewisses Remedium (Abzug oder Zuschlag beim Gewicht und Feingehalt, auch Toleranz oder Gnade genannt) als eine für die Ausprägung selbst gestattete Fehlergrenze zulässig war. Diese Münzung al marco aber hatte außer ihrer Oberflächlichkeit auch noch den Nachteil, daß sie zum „Seigern", d. h. zum sträflichen Herausklauben der übergewichtigen Stücke verlockte, deren Silber man vorteilhaft verwerten konnte. Es blieb daher nur das untergewichtige Geld im Umlauf, und somit erlitten die neuen Pfennige schon in den ersten Wochen nach ihrer Ausgabe eine empfindliche Einbuße. Es ist für die damalige fiskalische Auffassung vom Wesen der Münze bezeichnend, „daß sich die Münzherren schließlich mit dieser ,Seigerung' als einer unvermeidlichen Schmälerung abfanden, dafür aber deren mutmaßlichen Ertrag vorwegnahmen, indem sie in dem Maße, als das Jahr vorrückte, immer leichtere Münzen ausgaben und diese Maßnahme auch in ihren Münzordnungen als Regel hinstellten. Diese Prägung mit periodisch abnehmendem Schrot war im Mittelalter im Gesamtgebiete des deutschen Reiches und damit in Österreich sehr verbreitet. Es war das rohe Mittel, um dem Münzherrn den durch die Seigerung sicher eintretenden Metallverlust zu ersparen, und sollte außerdem den Wertsturz, der sonst am Tage der Münzerneuerung unvermittelt eingetreten wäre, auf die Umsätze im Laufe des Jahres verteilen und erträglicher gestalten" (677). Es ist nur ein schwacher Trost, daß der Mißbrauch des Münzrechts zu fiskalischen Zwecken in Frankreich damals noch größer war! Um sich den Münznutzen möglichst zu sichern, haben die Münzherren auch dem Edelmetallhandel so manche Schranken gezogen. Wenn sie selbst in ihrem Gebiete Erzvorkommen abbauten, besaßen sie gewöhnlich auch das Bergregal und damit die Handhabe, die Preise für das Bergsilber, das ihnen abgeliefert werden mußte, niedrig zu halten. Auch der sonstige Edelmetallvorrat im Lande, gleichgültig ob er den Untertanen gehörte oder von fremden Kaufleuten importiert wurde, war nicht selten dem landesherrlichen Einfluß unterworfen. Ausfuhrverbote oder Einholung von Erlaubnisscheinen, Verbot des Handels mit ungemünztem Metall oder ungängiger Münze, Lizenz für Ankauf und Verkauf von Silber und Gold ausschließlich für einen engen Personenkreis usw., alles dies war dazu bestimmt, dem Münzherrn zur Versorgung seiner Münzstätte mit Rohmaterial ein Ankaufsmonopol zu schaffen. Da alle Zahlungen nur in gültigen Münzen erfolgen sollten, mußte man sich diese beim Wechsler beschaffen, wobei man für sein Edelmetall den vom Münzherm einseitig festgesetzten Einlösungspreis in geringer Münze nach deren Nennwert ausbezahlt erhielt. Dieser Münzwechsel hat daher im Mittelalter einen wichtigen, ja unerläßlichen Faktor des Münzregals gebildet. Schließlich sahen sich die Münzherren angesichts der durch ihre Münzerneuerungen und Münzverschlechterungen allem Verkehr zugefügten schweren Schäden doch gezwungen, gewisse Erleichterungen zu gewähren oder auf die Renovatio, sei es für eine begrenzte Zeit, sei es für immer zu verzichten. Wohl die günstigste finanztechnische Lösung hat Herzog Rudolf IV., der Stifter, von Österreich erzielt, der für seinen Verzicht auf die periodischen Münzerneuerungen 1359 von den Landständen das „Ungeld", eine Getränkesteuer, eintauschte. „Die Münzprägung beschränkte sich für lange Jahre auf 56

den Ersatz des jährlichen Abgangs, so daß der Münzgewinn ums Jahr 1437 nicht einmal 200 Pfund Pfennig oder etwa 5 % kg Feinsilber erreichte, während der Ertrag des Ungeldes 30 563 Pfund oder rund 800 kg Feinsilber damals beinahe die Hälfte der Gesamteinkünfte des Herzogs ausmachte." Rudolf IV. ließ auch die schon vorhandenen Münzwerte im Umlauf, während sich andere Münzherren zu einer neuen bleibenden Münze entschlossen; so ordnete z. B. die Stadt Braunschweig 1413 die Prägung eines „ewigen Pfennigs" an, der, auch anderwärts eingeführt, dem deutschen Münzwesen jedoch nicht die erwartete Besserung brachte. Denn die Münzherren griffen doch immer wieder auf die Verschlechterung der Münze als letztes, verheerendes Auskunftsmittel zurück. In das Gebiet des Rechtes gehören außer den schon erwähnten Münzverschlechterungen auch alle Verordnungen, die sich auf die Ausprägung selbst und auf die Regelung des Münzumlaufs beziehen. Hierher gehören im engeren Sinne die vom Münzherrn erlassenen Münzordnungen, die die Bestimmungen über die Münzpolitik, den Münzfuß, das Gepräge und die Pflicht des Münzpersonals aufzählen und im Mittelalter meist in den Bestallungen (Instruktionen) der Münzmeister enthalten waren. Auch der Wardein, der wie schon oben erwähnt, den Münzmeister kontrollieren sollte, erhielt bei seinem Dienstantritt eine solche Instruktion. Münzgesetze (-edikte, -generalien, -mandate, -patente, -Verordnungen) sind staatliche münztechnische und münzpolitische Bestimmungen, „die entweder als große, das ganze Münzwesen regelnde oder ändernde, heute von der Volksvertretung zu billigende Gesetze oder Edikte, oder im Verordnungswege als auf Einzelheiten sich erstreckende Mandate oder Verordnungen erlassen werden" (1088). Unter münzpolitischen Verordnungen versteht man jene Gesetze und Edikte eines Staates, die die eigene Währung sichern, die eigenen Münzen dem Lande erhalten und fremde fernhalten sollen. Sie wurden öffentlich angeschlagen oder mit Trommelschlag oder an Sonn- und Feiertagen auch von der Kanzel herab der Gemeinde verkündet. Zu diesen münzpolitischen Verordnungen gehören auch die Münztarife, staatliche Wertfestsetzungen eigener älterer und fremder Münzen in eigener Währung für die Erhaltung im eigenen Lande" (1088). Sie waren die Vorläufer der Kurszettel und wurden meist — gedruckt oder geschrieben — in Form von Plakaten erlassen. Je mehr sich der Fernhandel ausweitete, desto mehr strömten insbesondere in den Orten, wo große Märkte (Messen) stattfanden, in Österreich z. B. in Linz an der Donau oder in Bozen, Münzen aller Art zusammen, deren Bewertung man nicht der Privatspekulation überlassen durfte. Solche Münzgesetze sind im Laufe der Jahrhunderte im deutschen Räume wie auch in der Doppelmonarchie sonder Zahl herausgegeben worden. Sie bilden eine wichtige Grundlage besonders für die Geldgeschichte, während die Münzgeschichte in erster Linie aus den für den Gebrauch der einzelnen Münzstätten erlassenen Münzordnungen und Instruktionen erhellt. Größte historische Bedeutung haben die drei großen Reichsmünzordnungen (Eßlingen 1524, Augsburg 1551 und 1559) erlangt, als der — leider vergebliche — Versuch, im Reiche ein einheitliches Münzwesen, eine Einheitsmünze zu schaffen. Noch ein kurzer Blick auf die eigentliche und wichtigste Funktion der Münze als gesetzliches Zahlungsmittel. Wir wollen uns hier nicht mit den verschiedenen Auslegungen dieses Begriffes auseinandersetzen, wie sie die verschiedenen Geldtheoretiker, etwa Georg Friedrich K N A P P (556) mit seinem Chartalismus, aufgestellt haben. Das ist Gegenstand der Nationalökonomie und der Geldphilosophie, aber nicht der Geschichtswissenschaft. Wir wollen uns hier daher nur mit der rechtlichen Seite befassen. Unter Zahlung versteht man meist „die Erfüllung einer auf Geld lautenden Verpflichtung durch Hingabe von Geld . . . Die rechtliche Möglichkeit, sich aus einer Ver57

bindlichkeit durch Hingabe von Geld . . . zu befreien, beruht . . . auf der Erklärung des Staates, daß er dieser oder jener Geldart innerhalb seines Machtgebietes die Eigenschaft der Währung verleihe". Währung aber bedeutet „Münzen, die man ohne Begrenzung durch einen Höchstbetrag in Zahlung nehmen muß" (677). Die Münzen sind, wie schon erwähnt, Metallstücke in einer bestimmten, vom Staate, der auch den Wert verbürgt, vorgeschriebenen Form. Während sich aber beim Naturaltausch auch zwischen gleichartigen Waren, etwa zwischen zwei Kühen zur Zeit des Viehgeldes, gewisse Unterschiede ergeben, zeigt das geläuterte Edelmetall in allen seinen Teilen die größte Gleichförmigkeit; es kann daher beliebig geteilt werden, ohne daß diese Teile an dem ihrem Gewichte entsprechenden Werte das geringste einbüßen würden. Das Metallgeld besitzt daher in höchstem Maße die wichtige Eigenschaft der Vertretbarkeit, so daß man — eine korrekte Ausbringung der Münze vorausgesetzt — die Schuld ohne weiteres durch die Zuzählung der festgesetzten Summe von Münzen begleichen kann. In Zeiten, wo die Technik noch nicht eine absolute Gleichförmigkeit der Münze ermöglichte und überdies durch betrügerisches Beschneiden oder Befeilen das Sollgewicht gemindert wurde, pflegte man allerdings Zahlungen — insbesondere bei Gold- und schwereren Silbermünzen — mit Hilfe der Waage durchzuführen. Wie schon öfters bemerkt, haben im Münzwesen kurzsichtige Einzelinteressen schließlich den Sieg über den „volkswirtschaftlich gesunden Gedanken einer allgemeinen Reichsmünze" den Sieg errungen. Die „Territorialität" der Münze errang die Vorherrschaft. Der Spruch „Der Heller gilt nur dort, wo er geschlagen wird" beruhte auf einer allgemeinen Regel. Auch in Österreich, wo die Bestimmungen des Ungeldbriefes Rudolfs IV. nur für die Lande unter und ob der Enns, also das Umlaufgebiet des Wiener Pfennigs Geltung hatten, aber nicht für die übrigen habsburgischen Lande, das später unter dem Namen „Innerösterreich" zusammengefaßte Gebiet von Steiermark, Kärnten und Krain. Die rücksichtslose Durchführung der Territorialmünzen hat nicht nur dem zwischenstaatlichen, sondern auch dem binnenländischen Verkehr im Deutschen Reiche schwere Opfer auferlegt. Noch um die Mitte des 13. Jahrhunderts nahm der Reisende ungemünztes Edelmetall und nach Bedarf auch ortsübliche Münzen mit, wie es z. B. aus der berühmten Reiserechnung des Bischofs Wolfger von Passau erhellt, der 1204 nach Aquileja fuhr, um dort den Thron des Patriarchen zu besteigen. Solche Methoden konnten natürlich zu einer Zeit, als sich Deutschland eben anschickte in den Weltverkehr einzutreten, kaum von Vorteil sein, zumal schon ein ganzes Jahrhundert früher italienische und südfranzösische Kaufleute „durch die kaufmännische Anweisung in Wechselform" das Mittel gefunden hatten, die Territorialität des Münzwesens zu umgehen und mit geringen Kosten Zahlungen bargeldlos von einem Orte zum anderen zu leisten. Im übrigen erhielt der Rechtssatz von der beschränkten Gültigkeit des Hellers seit dem 16. Jahrhundert eine von der mittelalterlichen wesentlich verschiedene Auslegung. Auf dem Augsburger Reichstage wurde 1500 eine Reichsmünzordnung geplant und beschlossen, nach deren Bestimmungen die dieser Ordnung entsprechenden Gold- und Silbermünzen allenthalben im Reiche, somit auch in Österreich und Böhmen, bei Strafe „für Währung hiefür in allen Contracten und Verpflichtungen" zu halten und zu nehmen seien. Dieser Beschluß aber erlangte erst durch die 1524 von Kaiser Karl V. zu Eßlingen erlassene (erste) Reichsmünzordnung Gesetzeskraft, in dem zwischen „gemeinen Reichsmünzen", denen Größe, Gepräge, Schrot und Korn einheitlich vorgeschrieben war, die im Reiche allgemein für „Wertschaft an statt des Golds" angenommen werden sollten, und den in ihrer Zahlkraft beschränkten kleinen Pfennigen und Hellern unterschieden 58

wurde, die jeder Münzstand als Landesmünze „zu gemeinen Gebrauch und Notdurft" seines Gebietes etwa im dreifachen Betrag der von ihm geprägten Reichsmünze ausbringen durfte. Auf Grund der drei Reichsmünzordnungen gab es demnach wieder Reichsmünzen nach einem allgemein vorgeschriebenen Münzfuß, die überall im Reich, soweit nicht ausdrücklich Gold ausbedungen war, zum Nennwert in Zahlung genommen werden mußten. Daneben hatte jeder Münzstand das Recht, kleinere Münzen nach Landesart als „Landmünzen" für den täglichen Handel und Wandel zu prägen, also Scheidemünze, deren Annahmepflicht auf den Kleingeldverkehr des Ursprungslandes beschränkt blieb. Der alte „Heller", als kleinstes Nominale, war allerdings mittlerweile z. T. durch größere und bessere Münzstücke ersetzt worden, was aber an der inhaltlichen Bedeutung des ursprünglichen Rechtssatzes nichts änderte. Aber wie schon angedeutet, konnten sich die drei Reichsmünzordnungen in ihrer Auswirkung trotz aller Anstrengungen auf die Dauer doch nicht durchsetzen; so manche Bestimmungen waren nicht genügend durchdacht und daher von vornherein undurchführbar, für andere wiederum fehlte es an der Macht der Exekutive (Münzpolizei), um sie zu realisieren. „Auf theoretischem Boden hingegen bedeuteten sie einen ungeheuren Fortschritt gegenüber der Zerfahrenheit des Münzwesens im Mittelalter." Wir werden uns bei der Schilderung der Münz- und Geldgeschichte wiederholt mit diesen theoretisch möglichen, praktisch aber undurchführbaren Lösungen konkret zu beschäftigen haben. Zu erwähnen wären schließlich noch die Verträge, die von einem Münzherrn in Ausübung seines Münzrechtes getroffen wurden, wie sie etwa in der Bestallung der Münzbeamten und des freien Münzgesindes vorliegen. Als Verträge dieser Art kann man auch die schon erwähnten Instruktionen für Münzmeister, Münzwardeine usw. auffassen, weil diese sowohl die Rechte als auch die Pflichten dieser Beamten enthalten. Aber die Münzherren haben zuweilen auch mit ihren Nachbarn Verträge abgeschlossen, die in erster Linie den Umlauf ihrer Gepräge betreffen. Die häufigste und zugleich wichtigste Art solcher Verträge ist jene, wenn die Vertragspartner „nicht bloß wechselseitig ihre Gebiete allen oder bestimmten Geprägen des andern Teils" eröffnen, sondern sich überdies über Ausmünzung nach einem gemeinsamen Fuße einigen. So haben z. B. die Erzbischöfe von Salzburg und die Herzoge von Kärnten sich 1268 und 1286 über die Prägung von Pfennigen nach Friesacher Schlag in der erzbischöflichen Münzstätte zu Friesach und in der herzoglichen zu St. Veit, Völkermarkt und Windischgraz geeinigt. 1753 wurde zwischen Österreich und Bayern eine Münzkonvention abgeschlossen, die zur Einführung des sogenannten Konventions-Münzfußes Anlaß gab und schließlich kam es 1857 zum deutschen Münzverein, dem auch Österreich bis zu seinem Austritt aus dem Deutschen Bunde nach seiner Niederlage bei Königgrätz angehörte. Dieser letzte Münzbund setzte auch ein gemeinsames Gepräge fest, während die anderen nur einen gemeinsamen Münzfuß vereinbarten. Dies sind die wichtigsten Beispiele im Rahmen der österreichischen Münzgeschichte. 6. Münze, Sprache und Schrift Die Sprache auf den Münzen der europäischen Völker war, soweit sie sich zur römischkatholischen Kirche bekannten, während des ganzen Mittelalters und sogar noch weit über dieses hinaus, mit verschwindend wenigen Ausnahmen die lateinische, sicherlich aus den gleichen Gründen, die auch für die Abfassung von Urkunden in dieser Sprache maß59

gebend waren. War doch das Latein in den Jahrhunderten des Mittelalters noch „eine sich weiterbildende, lebende Sprache" und als solche ein sprachliches Bindeglied zwischen den hochkultivierten Romanen und den noch primitiven Germanen und Slawen, aus denen sich damals die abendländische Völkergemeinschaft zusammensetzte. „Für die Wucht, mit der die römische Bildung auf die germanischen Eroberer drückte, ist wohl nichts bezeichnender als die Tatsache, daß sie nicht imstande gewesen sind, ihre Muttersprache von Anfang an zu regelmäßiger literarischer Verwertung zu bringen, so daß sich die schriftliche Produktion fast ganz im Banne der lateinischen Sprache hielt" (1161). Das gleiche gilt mutatis mutandis auch für die Slawen und Magyaren, denen das Lateinische durch die Christianisierung vermittelt wurde. Dieses Übergewicht der imperialen Gedankenwelt ließ es dort nur zur langsamen Entwicklung der Volkssprache zu einer Schriftsprache kommen; dies macht verständlich, wieso das Latein lange seine führende Rolle beibehielt. „Sogar die byzantinischen Münzen tragen lange Zeit lateinische Aufschriften, bis als ein Zeichen der Scheidung vom Abendland die griechische Sprache auch auf Münzen erscheint und hier etwa von der Mitte des 8. Jahrhunderts an herrschend wird" (677). Die Ausnahmen von der Regel sind gering. Auch Ungarn, das ethnisch doch eine Sonderstellung einnimmt, da es keiner der drei genannten Völkerschaften angehört, hat sich dank seiner westlichen Kulturbeziehungen auf seinen Münzen von allem Anfang an des Lateinischen bedient, ja es blieb sogar bis in die Neuzeit hinein in diesem Lande die Amtssprache. Erst die Revolution von 1848 und der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 haben dem Magyarischen den gebührenden Platz eingeräumt. Von Seite der Münzkunde her betrachtet, würde diese sprachliche Einheitlichkeit eine wesentliche Erleichterung bedeuten, wenn bei den mittelalterlichen Münzen mitunter nicht andere Umstände die sprachliche Deutung erschwerten. Abgesehen von den „stummen", d. h. schriftlosen Geprägen zeugen wiederum andere davon, daß der Stempelschneider des Lesens und Schreibens unkundig war und daher buchstabenähnliche, aber sinnlose Zeichen als bloßen Zierat an Stelle einer Schrift auf die Münzen setzte. Für solche „wirre Schriften" bietet gerade das ungarische Münzwesen eine ganze Reihe von Beispielen aus dem 12. Jahrhundert, die bis heute noch keinem bestimmten Herrscher zugewiesen werden konnten. Im allgemeinen ist die Schrift auf mittelalterlichen Münzen überhaupt schwer lesbar; oft haben die Aufschriften auch eine symbolische Bedeutung, wie etwa das höchst merkwürdige IVDICA R E ( X ) auf einem Grazer Pfennig des 1 3 . Jahrhunderts, nach FRIEDENSBURG „vielleicht die interessanteste aller Aufschriften des Mittelalters, der Ausdruck einer Volksstimmung, der schon 1234 Nithart, fünfzig Jahre später Seifried Helblink noch viel schärferen Ausdruck verleihen" ( 2 7 1 ) . Karl DOMANIG, der von der Germanistik zur Numismatik gekommen war, hat diesem Stücke eine kleine Abhandlung gewidmet, aus der mit voller Sicherheit hervorgeht, daß dieses „Sprich Recht, o König" vom Lande Steiermark Rudolf von Habsburg zugerufen wurde, als Aufforderung, seines Richteramtes zu walten. „Vermutlich liegt eine Anspielung auf den großen, von König Rudolf im Dezember 1 2 7 6 erlassenen Landfrieden vor" ( 1 5 0 ) . Aus der Steiermark stammt übrigens auch noch ein zweites Kuriosum, der ebenso seltene Pfennig mit dem steirischen Panther und der Umschrift SCHILT VON STEIR. Diese Münze und der um dieselbe Zeit ebenfalls in Graz unter der Regierung Przemysl Ottokars II. von Böhmen (in Steiermark von 1260—1276) geprägte Pfennig mit der Umschrift CVNECH OTACCAR sind nämlich zusammen mit einem Friesacher mit der, Umschrift HERZOG BERNHART und SANDE VEIT, beide von Bernhard I. (1202—1256) 60

die ersten Stücke mit deutscher Legende auf altösterreichischem Boden. Sie haben nur einen Vorgänger in Böhmen, wo auf Mün2en des Herzogs Boleslaus II. oder III. um das Jahr 1000 auf Pfennigen in einem Kirchengiebel das Wort GOT ZU lesen ist, während sich auf anderen Münzen dieses Herrschers das lateinische,, D E V S " oder das slawische „ B O Z E " findet. Dieses „ G o t " kann als ältestes Beispiel einer deutschen Münzaufschrift gelten. F R I E D E N S B U R G ( 2 7 1 ) meint dazu, „der Münzer scheint damit die schon damals vorhandene nationale Empfindlichkeit der Einheimischen erregt zu haben und hat sich genötigt gesehen, noch zwei andere Stücke auszugeben, die das anstößige deutsche Wort durch das lateinische D E V S und das czechische B O Z E ersetzten". Ansonsten haben sich die Böhmen im Mittelalter auf ihrer Münze ebenso vorwiegend ihrer Landessprache bedient, wie ihre slawischen Verwandten in Kroatien, Slawonien, Dalmatien und Bosnien. Nur in Polen finden wir die merkwürdige und einzig dastehende Erscheinung, daß unter Miseco III. dem Alten ( 1 1 7 3 — 1 2 0 2 ) Titel und Lobsprüche in polnischer und hebräischer Sprache und in hebräischen Lettern auf den Münzen verwendet werden, als seine Münzstätte durch ungefähr 20 Jahre in Händen von Juden lag. Verhältnismäßig spät treten im Mittelalter Jahreszahlen auf Münzen auf; noch im 15. Jahrhundert waren sie selten. Ihr Gebrauch ist von den Rheinlanden ausgegangen, zuerst fast ausschließlich in lateinischen Zahlzeichen, denen dann zögernd auch die arabischen folgten. Im Bereiche der habsburgischen Länder dürfte der Grazer Vierer von 1456 die erste datierte Münze sein. Ebenso selten ist im Mittelalter die Herrscherzahl bei gleichnamigen Herrschern. Zuerst kommt sie — meist ausgeschrieben („secundus") — auf den Prager Groschen seit Wenzel II. (f 1305) vor. Gelegentlich scheint der Name des Münzherrn wie auf den mittelalterlichen Königs- und Kaiserurkunden auch als Monogramm in der seit Karl dem Großen üblichen Form auf. Auch hier bringt der Grazer Vierer Friedrichs III. aus den Jahren 1456ff. den Beweis. Die wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß die Bestimmungselemente bei den beschrifteten Münzen des Mittelalters bunt gemischt sind. Selten nur finden sich alle auf einem Stück vereinigt, oft fehlen alle. In diesem Falle muß man äußerlich schon nach dem Stil, der „Mache", innerlich nach Gewicht und Feingehalt urteilen. Mit der Zeit aber wurden diese Probleme etwas erleichtert, indem die Größe der Münzen zunimmt, und sich auf ihnen daher auch ein größerer Raum zur Beschriftung darbietet. Auch der Gebrauch der Jahreszahlen wird allgemein, nur daß im 16. und 17. Jahrhundert auch die Datierung nach der „minderen Zahl" üblich wird, in dem man die erste oder die beiden ersten Ziffern wegläßt (z. B. 68 = 1568, 609 = 1609). Dafür aber macht sich die zunehmende Titelsucht auch auf den Münzen breit und da hiefür kaum je der genügende Raum vorhanden ist, muß man zur Abkürzung greifen, deren Auflösung nicht selten auf Schwierigkeit stößt. Für den österreichischen Raum ist dies ziemlich einfach, zumal die Abkürzungen z. T. auch mit den Wappenbildern korrespondieren. Abgesehen davon ist, wie schon oben im Abschnitt über Heraldik erwähnt wurde, der jeweilige Herrschertitel aus Urkunden, Münzpatenten u. dgl. zu ersehen. Doch sind diese Abkürzungen für das Gebiet der habsburgischen Länder sowohl für das Herrscherhaus als auch für die sogenannten „Herrenmünzen" fast durchwegs aufgelöst. Schwieriger wird diese Lösung jedoch auf dem Gebiete der Münzmeisternamen, weil diese Beamten keineswegs für alle altösterreichischen Münzstätten ermittelt wurden und daher ihre auf den Münzen angebrachten Siglen oder meist ihrem Wappen entnommene Embleme vielfach noch nicht gedeutet werden konnten. Was die Namen, die Bezeichnungen, Nominale der Münzen anlangt, so finden sich solche in unserem Räume erst 61

spät vor. In der Denar- oder Pfennigperiode waren sie ja nicht notwendig gewesen, da ja der Wert dieser Münzen nicht zweifelhaft war, solange nur Pfennige oder ihre Halbstücke, die Hälblinge, geschlagen wurden. Erst Böhmen setzte zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf die neue Münzsorte des Groschen den Ausdruck Grossus Pragensis, was jedoch nur „die Eigenschaft des Stückes als Dickmünze und mittelbar auch die eines Pfennigvielfachen hervorhebt, aber nicht angibt, wieviel Pfennigwerte es darstellt". Erst mit dem 16. Jahrhundert wird die Wertbezeichnung auf den Münzen, die jedoch auch aus einer bloßen Wertzahl bestehen kann, „in Deutschland unter dem Einfluß der Reichsmünzordnung die Regel, und sie gilt heute allgemein als ein Erfordernis des Münzgepräges". Bei ausgeschriebenen Münzwerten blieb das Lateinische noch bis in die Zeit Maria Theresias hinein üblich; erst ihre Münzreform führte auch die deutschen Wertbezeichnungen, z. B. den Kreuzer, ein. Kürzungszeichen kommen auf Münzen eigentlich nur 7 für „et" und 9 für ,,-us" (z. B. CAROL9) in Betracht. Daß in der Münzkunde auch paläographische Kenntnisse vorausgesetzt werden, ist aus dem Vorhergehenden deutlich zu ersehen. 7. Historische Geographie Die Wichtigkeit der historischen Geographie für die Münzwissenschaft ist erst in dem Augenblick erkannt worden, als die Numismatik ihren Aufgabenkreis erweiterte und außer der deskriptiven Seite auch die münz- und geldgeschichtlichen Probleme, vor allem den Münzumlauf oder die „Währungsgeographie" zu erforschen und daraus die Folgerungen zu ziehen begann. Münzumlauf und Münzwert sind auch jene Faktoren, die für die Wirtschaftsgeschichte von eminenter Bedeutung sind, insbesondere für die Geschichte des Handels, der durch die von ihm befahrenen Straßen die Verbreitung gewisser Münzsorten in ihre Bahnen lenkte. Münzfunde und schriftliche Aufzeichnungen ergänzen einander und geben da wichtige Hinweise. Es sei hier nochmals an die berühmte Reiserechnung des Bischofs von Passau und späteren Patriarchen von Aquileia Wolfgar erinnert, die jetzt im Museum der alten langobardischen Stadt Cividale zu sehen ist. Für den Handel selbst sind insbesondere die Handlungsbücher von außerordentlicher Bedeutung, die gleichzeitig auch in der Münzgeschichte eine wichtige Rolle spielen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die altösterreichischen Lande wurden durch vier Fernhandelsstraßen durchquert: die Donau als früh befahrener Wasserweg nach dem Osten, die Brennerstraße von Augsburg durch Tirol gegen Süden, die Straße von Salzburg über die Radstädter Tauern und die von Wien über den Semmering nach Venedig, die sogenannte „Eisenstraße" oder „Italienstraße". In diese vier Handelswege mündeten dann aus allen Weltgegenden so ziemlich alle anderen, von den einheimischen und fremden Kauf leuten bevorzugten Straßen, oder sie zweigten von ihnen ab, so daß dieses Gebiet mit der Zeit ein umfassendes Netz von Verkehrslinien überzog. Ähnliches gilt auch für Böhmen und Ungarn: dort waren Moldau und Elbe und die ihren Lauf mehr oder minder unmittelbar begleitenden Straßen, die dem Handel landein- und landauswärts die Richtung wiesen. Die Flüsse hatten aber nicht nur dem Kaufmann, sondern auch den Münzen ihren Weg vorgezeichnet. Um den wichtigen Export der „Friesacher" nach dem Osten zu fördern und auch den Kaufleuten zu helfen, errichteten die klugen Salzburger Erzbischöfe noch Nebenmünzstätten für diese dank ihrer Güte vielbegehrten Münzsorte. Solche „Filialen" gab es z. B. zu Reichenburg und Rann an der Save sowie kurze Zeit zu Pettau, wo Erzbischof Eberhard II. gemeinschaftlich mit Herzog Leopold VI. von Österreich-Steier62

mark prägte. Wie sehr der Handel die Lage von Münzstätten beeinflußte, bezeugten auch die Freisinger Bischöfe um 1210, die in ihrer „an der Krainer Gurk gelegenen Hofmark Guten wört an einer für den Verkehr nach Kroatien benutzten Fährstelle . . . den Münzhammer walten ließen" (694). Aber nicht nur die verschiedenen Flußsysteme, auch die Gebirgszüge mit ihren Übergängen haben im Münz- und Geldwesen richtungweisend gewirkt. Hier allerdings mehr im negativen Sinne, indem sie, wie z. B. die Saumwege in den Hohen Tauern, dem Durchschmuggeln schlechten Geldes und der verbotenen Ausfuhr von Edelmetall und vollwertigen Münzen Vorschub leisteten. War es doch Venedig, das sich infolge seiner Armut an Edelmetallbergwerken das für seine Zecca nötige Material unbedenklich auf Schleichwegen insbesondere aus den österreichischen Alpenländern verschaffte. Diese wenigen Beispiele müssen genügen, um die Einbeziehung der historischen Geographie in die Münz- und Geldgeschichte zu rechtfertigen. Sie beide und die Handelsund Wirtschaftsgeschichte ergänzen und befruchten einander gegenseitig. Aber nicht nur die Wege, die gewisse Münzsorten in die Fremde nahmen, interessieren uns in diesem Zusammenhang, sondern auch jene, auf denen sich metallarme Länder ihr Münzmaterial beschafften. Darüber soll in einem eigenen Abschnitt besonders gehandelt werden. In das Gebiet der Historischen Geographie fallen natürlich auch die Münzfunde. Ihre kartographische Darstellung ergibt gemeinsam mit dem Fundinventar und den Fundumständen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung handels- und verkehrsgeschichtlicher Probleme. Von besonderer Bedeutung ist hier die Verteilung der Fundorte bestimmter Epochen an wichtigen Verkehrswegen längs der Flüsse und Küsten und über bestimmte Inseln, wie z. B. über Gotland in der Ostsee. Aus den Funden lassen sich auch ehemalige Handelsniederlassungen ermitteln, ebenso, wie schon mehrfach angedeutet, die Verbreitung bestimmter Münzsorten, die man für gewisse Zeiten geradezu als „Handelsmünzen" ansprechen darf, so der Friesacher, der Wiener Pfennig, der Prager Groschen und der Tiroler Kreuzer, nicht zu vergessen der ungarische Goldgulden (Dukaten). Ferner illustrieren die Münzfunde neben den zahlreichen Münzpatenten und Verwaltungsakten auch das Eindringen schlechter Münzen aus den Nachbarländern und die dadurch ausgelöste Verdrängung des guten einheimischen Geldes. Keines dieser Probleme ist aber ohne Kenntnis der Historischen Geographie, insbesondere der Verkehrsverhältnisse gewisser Epochen, zu lösen. Jede wichtige Handelsstraße hat ihre eigene Geschichte, die nicht zuletzt durch das Geld, die Münze, entscheidend mitbestimmt wird. Sie soll im Rahmen der Münz- und Geldgeschichte der einzelnen Länder und Landschaften aufgerollt werden. 8. Münze und Archäologie Die Altertumskunde befaßt sich mit der Erforschung der Vergangenheit in jenen frühen Zeiten, da schriftliche Quellen nur spärlich fließen oder überhaupt noch fehlen. Sie ist daher vorwiegend auf die Sprache des Bodens, also auf Ausgrabungsergebnisse angewiesen. Demnach schwindet ihre Bedeutung mit dem Einsetzen schriftlicher Überlieferung. Rein numismatisch gesehen schließt diese Periode mit dem Aufhören der Gepräge der Völkerwanderungszeit und dem Vakuum zwischen ihnen und der Errichtung eigener neuer Münzstätten zuerst in Böhmen und dann ungefähr gleichzeitig in Salzburg und Ungarn. Erst langsam folgen die anderen Länder. 63

In das Gebiet der Altertumskunde fallen daher nur Kelten, Römer und einige im Laufe der Völkerwanderung in unseren Raum eingedrungene germanische Völker sowie — ganz am Rande — Byzanz. Dieses hat nie auf dem Boden der ehemaligen Monarchie gemünzt und nur sein im eigenen Lande geprägtes Geld in den Westen entsendet. Dagegen haben die anderen Völker auch hierzulande da und dort Münzstätten unterhalten : die Kelten von Böhmen angefangen südwärts bis hinab nach Kärnten, die Römer zu Aquileia, Siscia und Sirmium, also nur im Süden ihres Machtbereiches, die Ostgoten und Gepiden aber in der ehemals römischen Münzstätte Sirmium und nördlich der Donau noch im Ruger- und Quadenland; kurz, nur in Gegenden, die sie bei ihrem Vordringen nach Italien berührten. Diesen Prägungen in unserem Bereiche aber gesellte sich noch das Einströmen von antiken Münzen aus allen anderen Gegenden der römischen Republik und des römischen Imperiums wie auch noch aus früheren Zeiten zu, deren konkrete Erwähnung an entsprechendem Orte erfolgen soll. Alle diese Gepräge der Griechen, Kelten, Römer, Byzantiner sind wichtige, vielleicht sogar die wichtigsten Quellen für die Altertumskunde, weil sie oft die einzigen Anhaltspunkte für die Datierung größerer Objekte bilden. Fast keine numismatische Sparte ist daher so gut und gründlich erfaßt wie die antiken Münzfunde, die in unserem geographischen Raum immer wieder aufgedeckt werden und längst zum unentbehrlichen Hilfsmittel zur Deutung archäologischer Probleme geworden sind. Für den Geldhistoriker aber ist der antike Münzumlauf ebenso wichtig wie der späterer Jahrhunderte. Die Kontinuität der Kulturentwicklung in unserem Räume, die von Alfons D O P S C H entgegen anderen Lehrmeinungen (der sogenannten „Katastrophentheorie") mit unwiderleglicher Beweiskraft vertreten wurde, zeigt die Notwendigkeit, alle in Frage kommenden gleichzeitigen Quellen des Arbeitsthemas möglichst vollständig zu erfassen, und somit auch die münzkundlichen und die archäologischen nicht unbefragt zu lassen. Das antike Erbe der ehemaligen Doppelmonarchie ist so reich und so gewaltig, daß auch der Numismatiker sich mit ihm befassen muß, nicht zuletzt mit der aus Rom übernommenen Sprache, aber ebenso mit dessen Münzen, den wichtigen und hilfsbereiten Wegweisern in die Kultur-, Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte der klassischen und vielleicht sogar mehr noch der Verfalls- und Übergangszeit. Es ist in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts der Ausdruck „münzdatiert" geprägt worden, ein Begriff, der — als präziser terminus technicus erkannt — rasch Eingang in die Literatur gefunden hat. Er wird hauptsächlich für Grabfunde angewendet und hier vor allem für die Keramik, wo er bis in die frühe Neuzeit hinein seine Bedeutung bewahrt. Er wurde auch in andere Sprachen, z. B. in die tschechische, übernommen, ein Beweis, welch wichtige Dienste die Münze als Datierungshilfe in der Wissenschaft leistet. Schon damit allein ist die enge Verbindung zwischen Archäologie und Münze sinnfällig. Daß dieser Zusammenhang sich noch auf anderen Gebieten äußert, kann hier außer Betracht bleiben, da, um nur ein Beispiel zu nennen, auf den römischen Prägungen weder Gebäude noch sonstige Kunstwerke im Münzbilde vorkommen, die sich auf Noricum oder Pannonien beziehen. Sonst sind verlorengegangene Kunstdenkmäler, wie etwa der sagenberühmte Zeus des Phidias, nur durch Münzbilder wenigstens im groben bekannt geworden. Der Nutzen, der aus Münze und Altertumskunde gewonnen werden kann, ist indessen ziemlich einseitig: nicht die Münze, sondern andere Sparten der Archäologie profitieren davon. Nicht zuletzt diesem Umstände ist es daher zu danken, daß in der Altertumswissenschaft, wie schon Ernst BERNHEIM hervorgehoben hat, die Münzkunde weitaus besser und gründlicher durchgearbeitet ist als etwa für Mittelalter und Neuzeit. Unsere Literaturhinweise müssen sich daher auf das Wichtigste beschränken. 64

9. Münze und Chronologie Die Kunde von der Zeitrechnung oder Chronologie ist für den Numismatiker von größter Bedeutung: Eine datierte Münze stellt uns kaum vor nennenswerte zeitliche Probleme, außer vielleicht, wenn ältere Stempel mit Jahreszahlen erst später in Gebrauch genommen wurden, wie z. B. die von Kaiser Franz I. seit 1806 zu Salzburg geprägten Kupfermünzen die Jahreszahl 1800 aufweisen, eine Diskrepanz, die erst auf Grund von Archivalien geklärt werden, aber bis dahin gar nicht erkannt wurde (222). Dagegen können uns undatierte Gepräge, wozu man auch die ohne Herrschernamen zählen kann, mitunter vor schwierige, ja oft unlösbare Aufgaben stellen. Das gilt auch hier in erster Linie für das Mittelalter, wo erst mit dem 15. Jahrhundert die Nennung des Prägejahres zögernd aufkommt. Aus diesem Grunde gehen oft Chronologie und Metrologie sowie Metallurgie (s. oben S. 27) lange Wegstrecken miteinander. Die rein numismatisch angewandte Chronologie beschränkt sich daher auf Entstehungszeit und Münzherrn. Eines bedingt das andere. Mit der Zeitrechnungskunde als historischer Hilfswissenschaft wird sich jedoch der Münz- und Geldhistoriker zu beschäftigen haben, der Urkunden und Akten zu seinen Forschungen heranzieht. In den Akten bei HIRSCH, Münzarchiv (402), und LORI, Bayerisches Münzrecht (654), gibt es seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zahlreiche Stücke, die in Bruchform ein doppeltes Tagesdatum, etwa 1/11 Juli 1584 aufweisen. Das bezeichnet für die Zeit von 1582 bis 1700 den Unterschied zwischen dem alten, Julianischen und dem neuen, Gregorianischen Kalender, der meist als Nenner des Bruches fungiert. Bis zum 18. Februar 1700 alten Stils waren nämlich in Deutschland beide Stile nebeneinander üblich. Das katholische Deutschland hatte den neuen Kalender seit 1583 zu verschiedenen Zeiten eingeführt. 1583: Salzburg und Brixen 5./16. Okt.; österreichisch Oberelsaß und Breisgau 13./24. Okt.; Steiermark 14./25. Dez. 1584: Österreich und Böhmen 6./17. Jan.; Schlesien und Lausitz 12./23. Jan.; Ungarn 22. Jan./2. Febr. (gesetzlich aber erst 1587 Okt., 21.). 1590: Siebenbürgen 14./ 25. Dez. Die Differenz besteht also aus 11 Tagen, die bei geschichtlicher Darstellung zu berücksichtigen ist. Eine Kenntnis der Chronologie setzt auch die Datierung noch nicht veröffentlichter Urkunden voraus. Numismatisch von Interesse ist auch der französische Revolutionskalender mit seinen neuen Monatsnamen und Dekaden an Stelle von Wochen. Er kommt für unseren Raum natürlich kaum in Betracht, außer auf französischen Medaillen dieser Zeit, die sich auf kriegerische Ereignisse in Österreich beziehen. Für die Antike ist nicht nur der Römische Kalender maßgebend, sondern auch die chronologisch richtige Deutung der auf den Münzen römischer Kaiser vorkommenden Titel, wie vor allem der tribunicia potestas, dann der Konsulatsjahre, des „Pater patriae", „Pontifex maximus", oder der Ehrennamen „Germanicus", „Britannicus", „Parthicus" usw. Für die Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit gibt es Werke, die ein rasches Nachschlagen der gesuchten Daten ohne vorangehende Beschäftigung mit dem Wesen der Chronologie selbst ermöglichen (336, 337). Der Numismatiker wird sie auch für die reine Bestimmung und Beschreibung von Münzen heranzuziehen haben. 10. Münze und Genealogie Wenn wir diese erst an dieser Stelle einreihen, anstatt, wie sonst üblich, hinter Heraldik und Sphragistik, so sei dies damit begründet, daß in unserem Falle die Genealogie eine 65

wichtige Ergänzung der Chronologie darstellt und umgekehrt, denn beide Sparten sind wichtige Elemente der Datierung. Für die Numismatik kommt natürlich in erster Linie das einzelne Individuum, der Münzherr, in Betracht, sein Stammbaum dagegen ist für uns nur deshalb von Bedeutung, weil er geschichtlich bemerkenswerte Ausblicke zu eröffnen imstande ist. Ein Beispiel für viele: König Stephan I. der Heilige von Ungarn heiratet die bayrische Prinzessin Gisela, Schwester des deutschen Königs Heinrich II.; ihr Vater, Herzog Heinrich IV. residierte in Regensburg. Stephan prägte seine Münzen — die ersten in Ungarn — nach dem als Handelsmünze weit verbreiteten Regensburger Schlag! Somit kann unter Umständen auch eine Heirat für die Entwicklung des Münzwesens von Bedeutung sein wie z. B. der Export Friesacher Pfennige nach Ungarn durch die Vermählung von König Andreas II. mit Gertrud von Masowien (f 1213). In erster Linie aber erschließt uns die Genealogie die Reihenfolge der Herrscher und macht einzelne wichtige Vorgänge im Staate, z. B. Länderverteilungen und Ländervereinigungen, erst verständlich. Nun ist leider auch die Genealogie, gleich Numismatik, Heraldik und Sphragistik ein Tummelplatz für jene Art von Laienhistorikern, die ohne Kritik und Methodik an die primären Quellen herangehen und ebenso auch die Literatur gedankenlos abschreiben. Die Ergebnisse solcher „Forschungen" sind daher vielfach dementsprechend. Aber keiner der eben genannten Wissenschaftszweige verträgt Ungenauigkeit und Mangel an kritischem Einfühlungsvermögen. So wird man genealogische Daten, die nicht durch anerkannte Historiker mitgeteilt sind, stets mit einer gewissen Vorsicht betrachten und daher nachprüfen müssen. Unrichtige Daten können auch hier unlösbare Verwirrungen anrichten. Diese Warnung gilt vor allem für die sogenannten „Regententabellen" und „Stammtafeln", deren Daten in den seltensten Fällen als endgültig angesehen werden dürfen. So manches ist a priori unrichtig, anderes wieder zweifelhaft. Dies betrifft allerdings in erster Linie das Mittelalter, wo die schriftliche Überlieferung zu dünn ist. Aber auch für die neuere Zeit muß man sich oft auf Quellen stützen, deren Wert zweifelhaft ist wie Selbstbiographien, Memoiren, Briefe, Stammbücher, die schon wegen ihres subjektiven Gehaltes die Kritik herausfordern. Die eben genannten Quellen können aber nicht nur für die Genealogie, sondern auch für das Münzwesen selbst interessantes Material liefern, wie, um auch wieder nur ein Beispiel zu nennen, der österreichische Oberst Moriz Edler von ANGELI, der in seinem Buche „Altes Eisen" aus der Zeit des Krimkrieges sehr interessante Beobachtungen über die Geldverhältnisse in der von österreichischen Truppen besetzten Stadt Jassy mitteilt (11). Aus diesem Grunde schon wäre auch die sonst hauptsächlich für die Kulturgeschichte und für die Familienverhältnisse bedeutsame Memoirenliteratur der Geldgeschichte dienstbar zu machen. Es gibt hier noch zahlreiche unbekannte oder ungenützt gebliebene Schätze zu heben. Umgekehrt bezeichnet die Genealogie ihrerseits die Numismatik als eine ihrer Hilfswissenschaften, und zwar nach FORST-BATTAGLIA in folgenden Fällen: ,,a) Viele Münzen enthalten unmittelbar genealogische Anmerkungen, und zwar entweder Filiations- oder Konjugationsbeweise, wenn es sich um Gedenkmünzen zu Hochzeiten und Taufen (nicht minder auch Todesfällen) handelt. Die Gedenkmünzen (Prägungen aus Anlaß eines genealogisch wichtigen Ereignisses) sind es, die der Numismatik hauptsächlich ihren Wert als unmittelbare genealogische Quelle gewähren. b) Gleich den Siegeln und in noch höherem Maße sind die Münzen Quelle für die Porträts, eine weit ergiebigere natürlich als die Siegel und darum auch für die Vererbungslehre von größter Wichtigkeit. Die Numismatik dient dann noch der Genealogie mittelbar 66

durch die Wappen auf Münzen und durch die sonstigen Nachrichten über Stand usw., welche die Inschriften enthalten" (255). 11. Metrologie Die Metrologie ist zur Ermittlung des Münzfußes unentbehrlich und damit auch ein wesentlicher Faktor in Fragen der Datierung. Sie ist die Lehre von den Maßen und Gewichten; für die Numismatiker kommen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur die Gewichte in Betracht. Und da es sich hier um das Rauhgewicht von Münzen handelt, die sich bekanntlich in das 7. vorchristliche Jahrhundert zurückverfolgen lassen, ist damit schon eine der größten Schwierigkeiten der Metrologie angedeutet. Wie läßt sich z. B. der Teil irgend eines antiken Gewichtes, z. B. der römischen Libra, errechnen, wenn das Gewichtsstück selbst nicht auf uns gekommen ist? In der Tat hat es auf Grund zahlreicher Faktoren, die hier nicht erörtert werden können, die antike Metrologie bis heute so gut wie gar nicht zu allgemein anerkannten und gesicherten Ergebnissen gebracht. Und ebenso ist es auch um das wichtigste mittelalterliche Münzgewicht, die Mark, bestellt, zumal sie an sich lokal sehr differenziert war, in dem fast jeder größere Ort ein eigenes Markgewicht besaß, das sich im Laufe der Zeit ebenfalls änderte. Als hauptsächlichste Quellen zur Ermittlung der Größe und des Aufbaus der alten Gewichte dienen in erster Linie die spärlich erhaltenen alten Waagen und Gewichtsstücke und gewisse zeitgenössische Schriftsteller. Aber ein altes Gewicht kann Erhaltungsfehler haben, es kann auch verfälscht sein, während die schriftlichen Quellen oft durch Schreibwie durch Rechenfehler entstellt sind. Dazu kommt die schon angedeutete Vielfalt und „Vieldeutigkeit aller Gewichtsbenennungen, insofern es zahllose verschiedene Drachmen, Schekel, Minen, Talente usw. gegeben hat" (1088). Denn im Altertum war Gewicht und Münze ursprünglich eins — z. B. Drachme, Stater, Mine, Litra, As. Und in ähnlicher Weise besaß — wie übrigens auch bei den Maßen — in Deutschland und Italien bis zum Anfang, ja über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus jeder Staat, ja jede wichtigere Stadt ihre eigene Elle, ihr eigenes Pfund und „jeder münzberechtigte Staat — und deren waren Legion — seinen eigenen Pfennig". Trotz dieser Unvollkommenheit der Methode, trotz der ihr anhaftenden Fehlerquellen, die nicht zuletzt der Unvollkommenheit der alten Meßwerkzeuge zuzuschreiben sind, ist und bleibt die Metrologie ein unentbehrliches, ja oft das einzige Hilfsmittel insbesondere in Fragen der Münzdatierung. Zunächst hatte man in Anlehnung an die Libra, das alte Römerpfund, in Deutschland noch lange am Pfund festgehalten. Karl der Große führte im Frankenreich ein neues schweres Münzpfund ein, es ist aber auch noch nicht gelungen, es eindeutig zu definieren. Im skandinavischen Norden ist in der Wikingerzeit die Mark als neue Gewichtseinheit entstanden, indem man acht auf rd. 26,5 g verminderte römische Unzen zusammenfaßte. Von Skandinavien gelangte die Mark nach England. In Deutschland und auch in Frankreich bürgerten sich Ausdruck und Anwendung erst später ein; das älteste Zeugnis f ü r Deutschland stammt aus dem Jahr 1015. Dann verbreitete sich die Mark als Gewicht für Edelmetalle rasch über ganz Westeuropa. Man nimmt an, daß Kölner Kaufleute das neue Gewicht in ihre Heimat gebracht haben. Diese Kölner Mark wurde durch den ausgebreiteten Handel bald eines der in Europa am weitesten verbreiteten Gewichte. Sie betrug 233,856 g. Von ihr stammt eine ganze Reihe weiterer Markgewichte ab (1088). Es gibt mehrere Ursachen, die zu Gewichtsverschiebungen Anlaß gaben. Sie hier anzuführen ginge zu weit; es genügt, ihr Vorhandensein festzustellen. 67

Die wichtigsten Münzgewichte

des Mittelalters für unser Territorium sind (677, S. 166ff.) :

Antwerpen (16. Jh.), Mark: 245,861 g Breslau, Mark: 203,96 g, die älteste 158,853 g, die spätere Mark 187,024 g Cattaro (1340), Mark: Silbergewicht: 224,041 g, Pfund 357,03 g Friesach (12./13. Jh.), Mark: 229,456 g Gran (1281-86), Mark: 245,538 g Graz (14. Jh.), Mark: 248,894 g (1445 auch schon für Wien) Kärnten, Mark: 256,672 g Mähren, Mark: 280,006 g; 280,614 g Nürnberg (1340), Mark: 237,872 g; (16. Jh.) 234,155 g Ofen (1308), Mark: 343,223 g; ( 1 5 . - 1 8 . Jh.) Mark: 245,538 g Prag (1317), Mark: 250,114 g; (15. Jh.) Mark: 250,601 g Ragusa (1340), Pfund: 356,718 g; Silberpfund: 324,675 g Regensburg, Mark: 245,537-245,545 g, auch 246,144 g Salzburg, Mark: 256,03 oder 256,587 g Siebenbürgen (1317-1330), Mark: 296,769 g; marca Belae regis: 233,353 g Tirol, Landgewicht, Mark: 253,961 g, Trienter Mark: 254,7 g, (15. Jh.) ca. 255,187 g Trient, Mark: 254,7 g Venedig (1340), Mark: 237,872 g; (15. Jh.) 238,343 g; (1340) Goldpfund: 324,937 g; (1340) Silberpfund: 356,808 g Warschau, Mark: 200,41 g Wien (1. Hälfte 13. Jh.), Mark: 241,588 g-243,085 g; (seit 2. Hälfte 13. Jh.) 275,347 g; (1340) 241,588 g;(1506) 280,614 g; (ca. 1500-1704) 281,378 g; (1704-1764) 280,821 g; (1764-1823) 280,668 g; (seit 1823) 280,644 g Zara (1340), Pfund: 337,0875 g Zipser Mark (1286): 210,460 g Schwere der Markgewichte nach Gruppen : Flandrische Mark um 186 g Polnische Mark um 1 9 0 - 2 0 0 g Venedig-Nürnberger Mark ca. 237—241 g Prager Mark ca. 251 - 258 g Wien seit der Mitte des 13. Jhs. 276 - 280 g

Heute geht man bei der Berechnung des Feingehaltes theoretisch von chemisch reinem Silber aus, dessen Herstellung lange nicht möglich war (s. oben S. 27ff.). Jetzt wird der Feingehalt nach Tausendteilen angegeben; so sind z. B. die alten Silbergulden der Francisco-Josephinischen Ära 0.900 fein. Im Mittelalter dagegen waren Abstufung und Bezeichnung des Feingehaltes verschieden. Der Silberfeingehalt wurde in Deutschland (einschließlich Österreich mit seinen Nebenländern) je Mark in 16 Lot zu 4 Quentchen, zu 4 Richtpfennigen, also in 256 Teilen berechnet. In der Mehrzahl der romanischen Länder rechnete man in 12 deniers zu 14 Grains = 288 Teilen. Seit dem 17. Jahrhundert bürgerten sich diese Grains vielfach auch in Deutschland ein. Die Mark wurde nun in 16 Lot zu 18 Grän unterteilt; Quentchen und Richtpfennige entfielen. Für das Gold war ursprünglich eine Abstufung der Mark in 24 Karat zu 4 Grän üblich; angeblich konnte das Gold nicht über ein Viertel eines Karats = 1/96 Mark hinaus geläutert werden. „In Deutschland gab man dann die 4 (,großen') Grän des Karats ganz auf und ersetzte sie durch 12 kleine Grän, so daß nun die Goldmark gleichfalls in 288 Grän zerfiel" (677). In Deutschland sprach man z. B. von 22-karätigem Gold, 14-lötigem Silber. In Ungarn aber ging man anders vor, und zwar durch Angabe der Kupfermenge, die in der legierten (beschickten) Mark enthalten war und sich beim Feinbrennen verflüchtigte. „Die ungarischen Urkunden sprechen dann von argentum finum, Feinsilber, und von argentum combustionis unter Beifügung des durch die Verbrennung des Kupfers eingetretenen 68

Gewichtsverlustes. Argentum sedecimae combustionis war demnach 0,937 1/2; decimae combustionis = 0,900; octavae combustionis — 0,875; quintae combustionis = 0,800; quartae combustionis = 0,750; terciae combustionis = 0,666 fein" (677). Dieses mittelalterliche Feingewicht deckt sich jedoch keineswegs mit der heute üblichen Bezeichnung. „Unsere Tausendteile bedeuten chemisch reines Silber, die alten Münzvorschriften verwendeten an Stelle des chemisch reinen Feinsilbers hochhaltige Silberlegierungen . . . Die praktische Folge davon ist, daß der heute an Mittelaltermünzen in Tausendteilen ermittelte Feingehalt tatsächlich bis zu 60 Tausendteile hinter dem erhärteten zurückbleiben kann, ohne daß eine Untermünzung vorliegt . . . Man hat demnach bei Mittelaltermünzen den von der Münzvorschrift benannten Feingehalt, den ich den gewollten oder virtuellen nenne, und ebenso das gewollte oder virtuelle Feingewicht von dem tatsächlich ermittelten, dem wirklichen Feingehalt (bzw.) Feingewicht zu unterscheiden . . ." (677). Was schließlich den Feingehalt einer Münze anbelangt, also das Verhältnis, in welchem dem Edelmetall der Münze minderwertiges Kupfer beigemengt ist, wäre die ideale Methode zur Feststellung dieses Verhältnisses natürlich die chemische Analyse. Aber diese ist, weil sie die Aufopferung der betreffenden Münze oder zumindest eines Teilchens davon erfordert, in den seltensten Fällen praktisch durchführbar. So muß man sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit den in den alten Handelsbüchern angegebenen Daten begnügen, oder die bereits erwähnte Probe (s. oben S. 30) anwenden. Das Probieren selbst, also der technische Nachweis des in einem Barren oder einer Münze vorhandenen Feingehalts, erfolgte entweder, wie schon im Altertum, mit der Nadel auf dem Probierstein (lapis Lydius) durch die Strichprobe, bei der das Stück selbst erhalten bleibt, oder unter dessen Zerstörung durch die Kupellen- oder Feuerprobe. Heute vollzieht man die Probe gewöhnlich auf nassem Wege. Da es selbst heute technisch noch nicht möglich ist, bei jedem einzelnen Münzstück das vorgeschriebene Schrot und Korn völlig zu erreichen, hat man gewisse erlaubte Abweichungen systemisiert, die man Remedium oder Toleranz nennt. Überdies wird eine infolge der fortwährenden Abnützung der Münze durch den Umlauf entstandene Untergewichtigkeit bis zu einem gewissen Grade, dem Passier gewicht, gestattet. Stücke, deren Gewicht unterhalb dieser Grenze liegt, werden aus dem Verkehr gezogen. Dies gilt natürlich nur für Währungsmünzen, die aus hochwertigem Edelmetall bestehen, keineswegs für Scheidemünzen aus wertlosem Material. Die genaue Nachprüfung des Schrots durch Einzelwägung nebst der etwa erforderlichen Nachbesserung heißt justieren, ein Vorgang, der heute ohne weiteres durchführbar ist, in früheren Zeiten aber aus technischen Gründen sehr schwierig war. Die unter den Karolingern noch ziemlich sorgfältige Justierung jedes einzelnen Stückes wich später der schon erwähnten Prüfung al marco, die erhebliche Fehlerquellen zur Folge hatte. Denn man trieb aus einer Anzahl von Stücken, die ein bestimmtes Rauhgewicht (meist 1 Lot) haben mußten, durch Ausschmelzen das Feinsilber ab und begnügte sich damit, wenn das ermittelte Korn das vorgeschriebene Gewicht annähernd erreichte. Diese oberflächliche Manipulation hatte oft zur Folge, daß unter Münzen, für die ein Feingehalt von 440/1000 vorgeschrieben war, Stücke mit einem Feingehalt zwischen 429—457/1000 vorkamen, ohne daß dabei die gesetzliche Fehlergrenze überschritten worden wäre. Eine Nachprüfung des Feingehaltes ist heute aber so gut wie wertlos, wenn die Einzelheiten der Münzvorschriften gar nicht oder nur ungenügend überliefert sind, was leider oft der Fall ist. 69

12. Münze und Volkskunde Die Beziehungen zwischen Münze und Volkskunde sind zwar ganz andere, als die der Kulturgeschichte in engerem Sinne. Wie Wilhelm J E S S E einmal gesagt hat, handelt es sich hier nicht um eine bestimmte Gruppe oder Klasse, sondern um das Volk als „Gesamtheit der in uns allen ruhenden volkstümlichen Kräfte . . . Auf die Münzkunde übertragen bedeutet das also, die Münze einmal n i c h t anzusehen mit den Augen des Numismatikers, auch n i c h t vom Standpunkt des Finanzmannes, Geld- und Börsenmenschen oder Kaufmannes, sondern vom Standpunkte eben des allgemein volkhaften Menschen auch in uns, für den die Münze und das Geld eine Notwendigkeit und wichtige Angelegenheit des täglichen Lebens ist, der sein Geld verdient und ausgibt und der sich in seiner Weise mit der Münze auseinandersetzt" (493). Aus diesem Grunde haben wir auch diesen Abschnitt an den Schluß des theoretischen Teiles gesetzt und nicht an die Ausführungen über Münze und Kulturgeschichte unmittelbar angeschlossen. Denn wenn bisher nur von Dingen gehandelt wurde, die die Numismatik direkt betreffen, weil ihre Kenntnis für sie von unbedingter Notwendigkeit ist, da sich deren Gesichtskreis dadurch erweitert und deshalb die Basis verbreitert, auf der sich die Numismatik aufbaut, so ist es diesmal umgekehrt die Münze, die einem besonderen Zweige der Wissenschaft, der Volkskunde dienstbar gemacht wird. Und da Brauchtum nach einem Worte von Hanns KOREN, „wesentlich in die Bindung des Menschen mit der Natur geknüpft" ist, so ist es auch „der Glaube an ein Geheimnisvolles, das hinter allem wirkte" (571), der das Geld, und zwar meist in der Form einer Münze auch zu den übernatürlichen Gewalten in Beziehung setzt, sowohl im tief Religiösen als auch in der Unnatur des Aberglaubens. Die Religiosität wirkt sich, wie schon oben angedeutet, insbesondere während d?s Mittelalters im Münzbild aus. Dieser ausgesprochen religiöse Charakter und seine Symbolik ist, sowohl kunst- als auch kulturgeschichtlich betrachtet, ein wesentliches Anliegen der Forschung, das trotz eingehender Betrachtung dennoch immer wieder neue Probleme aufwirft. Sollte vielleicht dadurch, daß man in dieser Zeit die Münzen mit religiösen Symbolen verschiedenster Art ausstattete, dem Gelde wenigstens ein Teil von dem Odium genommen werden, das ihm in der Anschauung des Mittelalters anhaftete? Man denke nur daran, daß der Erlöser eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen lassen wollte, als einen Reichen durch die Himmelspforte, daß er die Wechsler mit der Geißel aus dem Tempel trieb und daß der Zöllner ihm und den Seinen gleich galt wie ein Sünder. Und sowohl in der bildenden Kunst als auch in den Schriften der Zeit drückt sich ein tiefer Abscheu vor dem „Mammon", der Personifikation des Geldes, aus. „Allmählich erfand man einen eigenen Geldteufel und einen besonderen Exorzismus für das Gold" (271). Erst mit dem hl. THOMAS VON AQUINO ( f 1 2 7 4 ) , dem großen Kirchenlehrer, wandte sich das Blatt. In seinem Fürstenspiegel (De regimine principum) wies er die Notwendigkeit des Geldes nach. Den Fürsten empfahl er Mäßigung in der Veränderung von Schrot und Korn. Aber im Grunde war auch ihm das Geld noch nicht viel mehr als ein notwendiges Übel, ein Gedanke, den zweieinhalb Jahrhunderte später auch M A R T I N L U T H E R in seiner Schrift „Von Kauffshandlung und Wucher" vertrat, wenngleich er nicht so sehr das Geld an sich, sondern — nicht zu Unrecht — den Mißbrauch und Wucher, der damit getrieben wurde, verdammte. Solchen Anschauungen gegenüber mußte auch das Volk Stellung beziehen, zumal ihm die drückenden Abgaben, die es dem Grundherrn zu leisten hatte, wohl die Münze

70

als ein zwar begehrenswertes, aber gleichzeitig verfluchtes Gut erscheinen ließ, das dem Städter mehr ziemte als ihm, dem Bauer. Es ist daher verständlich, daß das Brauchtum, das mit dem Geld zu tun hatte, sich in erster Linie auf dem flachen Lande entwickelte. Aber nicht nur im eigentlichen religiösen Sinne, etwa einer Geldspende in den Klingelbeutel oder den Opferstock, sondern auch in der Bedeutung der Münze „oder bestimmter Gepräge, bei der Geburt, bei Verlobung, Hochzeit, im Liebesleben und im Tod." Diese Verwendung aber führt schon in die Welt des Übernatürlichen, des Aberglaubens, wo sich vielleicht die Beziehung zur Münze am sinnfälligsten äußert. Mit Geldspenden glaubt man bestimmte Heilige, vor allem den hl. Antonius von Padua, als Fürbitter gewinnen zu können. Der hl. Georg wiederum ist der Schutzheilige der Ritter bzw. der kämpfenden Soldaten; er kommt insbesondere auf italienischen und deutschen Münzen vor. Die Gepräge der Grafen von Mansfeld, die den Heiligen als Schutzpatron ihres Hauses verehrten und sein Bild als Drachentöter auch auf ihre Taler setzen ließen, galten geradezu als Amulett, seit ein kaiserlicher Offizier in einem Gefechte durch einen Mansfelder Taler in seiner Tasche, der die französische Kugel auffing, vor Tod oder Verwundung bewahrt worden war. „Die Kunde von diesem Vorfall verbreitete sich in der Armee und erregte lebhaftes Interesse für die Mansfelder Taler. Sie wurden von jüdischen Händlern aufgekauft und um den zehn- bis zwanzigfachen Preis wieder in den Handel gebracht" (451). Der Glaube an die Zauberkraft der Mansfelder Taler drang bis Ungarn vor, da diese Münzen von den gegen die Türken kämpfenden deutschen Kontingenten ins Land gebracht worden waren. Zudem hatte Nordungarn selbst mit den Truppen Ernst von Mansfelds unliebsame Bekanntschaft gemacht, als diese auf dem Rückzug vor Wallenstein 1626 in das Gebiet der sieben niederungarischen Bergstädte eingedrungen waren. Daß Mansfelder Taler damals in Ungarn kursierten, bezeugen die Münzfunde. Aber mehr als ihre Gängigkeit bewog ihre Eigenschaft als in dieser kriegerischen Zeit weithin begehrtes Amulett die Kremnitzer Eisenschneiderfamilie Roth von Rothenfels, eigene Münzen ohne Kurswert in Anlehnung an die Mansfelder Taler herzustellen. Sie und ihre Nachfolger und Nachahmer hatten für diese „Georgsmünzen" einen eigenen Typus erfunden: auf der Vs. der Heilige in ritterlicher Rüstung zu Pferde, der mit der Lanze den sich auf dem Boden windenden Drachen durchbohrt, und die Umschrift s. GEORGIUS EQUITUM PATRONUS, auf der Rs. Christus mit seinen Jüngern in einem vom Sturm auf den Wellen dahingetriebenen Segelboot; Umschrift: IN TEMPESTATE SERCURITAS (der Sturm von Genezareth, Math. 8, 23 ff. und Marc. 4. 35 ff.). Diese Rückseite sollte die schützende Wirkung der Georgtaler auch auf Seereisen ausdehnen. Münzen dieser Gattung wurden in Gold und Silber in verschiedenen Größen und Gewichten, als Taler oder Dukaten, in ziemlichen Mengen geprägt — in ihrer klassischen Zeit in der ungarischen Hauptmünzstätte Kremnitz. Der Amulettcharakter kam altem Glauben nach nur dann zur Geltung, wenn man nicht durch Kauf, sondern durch Schenkung — oder Diebstahl — in den Besitz einer solchen Münze gelangt war. Heute noch stehen St.-Christophorus-Plaketten oder -Medaillen bei Autofahrern in Gebrauch. Wir haben hier an einem besonders markanten Beispiel den Begriff des „Amuletts" dargelegt. Im Gebiete des Aberglaubens aber gibt es noch andere Bereiche, wo die Münze eine beherrschende Rolle spielt; vor allem in dem der Volksmedizin glaubt man an gewisse Münzen als übernatürliches Heilmittel. Es fällt auf, daß man in diesem Falle meist umlaufende Münzen verwendete, und keineswegs, wie man erwarten möchte, eigens zu diesem Zwecke hergestellte Amulette oder kirchlich geweihte Kreuze und Medaillen, unter diesen waren die sogenannten „Benediktuspfennige" die beliebtesten. 71

Der Brauch, Münzen sowohl als Glücksbringer zu betrachten, als sie auch „zur Behandlung und Verhütung oft genau diagnostizierter Krankheiten" (779) zu benützen, geht bis ins Altertum zurück. Mittelalter und neuere Zeit setzten deshalb anstatt der antiken Götterbilder oder ihrer Symbole das Kreuz und zahlreiche Schutzheilige auf ihre Gepräge, wodurch auch die christliche Ära den „Charakter des Numinosen" zu wahren suchte. „Ein Teil der Verfahren, wie das Einnehmen von Geschabsei oder Münzlöschwasser, beruht offenbar auf Gepflogenheiten der alten Metallotherapie, zuweilen etwa bei der Behandlung der Gelbsucht mit Gold — und des Rotlaufs mit Kupfermünzen, verbunden mit Vorstellungen, die aus der Signaturenlehre abgeleitet sind. Bei weiteren volksmedizinischen Münzanwendungen bedingen deren wirkliche oder vermeintliche Herkunft (Herstellung aus dem Silber eines Heiligensarges, angebliches Herabfallen vom Himmel) oder die Eigentümlichkeiten des Gepräges ihren Wert als Heilmittel, wodurch sich Beziehungen zur sogenannten geistlichen Medizin ergeben. In besonderem Ansehen stehen neben den Regenbogenschüsselchen, Schlüssel- und Händleinspfennigen, Johannisgroschen und Räbleindukaten die St. Georgs- und Madonnentaler. Die Heilerfolge dieser Verfahren gehören fast ausnahmslos in den Bereich der Suggestionstherapie" (779). Von den vorgenannten Münzsorten sind bis auf zwei alle im Räume der alten Donaumonarchie entstanden. Mit Schlüsselpfennigen sind die Münzen der Reichsstadt Regensburg gemeint, in deren Wappen zwei gekreuzte Schlüssel vorkommen. Händleins- oder Händel-Heller (oder Pfennige) sind Silberstücke der Reichsmünze zu Schwäbisch-Hall, die eine Hand und ein Spaltkreuz aufweisen. Während die Regensburger zu abergläubischem Gebrauch anreizten, als Glücksbringer galten und in die Viehställe gelegt wurden, offenbar um Seuchen und Hexen den Zutritt zu verwehren, wurden die Händel-Heller insbesondere als Anhänger an den Kinderhalsketten, den sogenannten Fraisketten angebracht, aber auch sonst als ein „Kräftiges Verwahrungs-Mittel wider alle Verwundung, die hinfallende Sucht und das Beschreyen der Kinder" usw. angewendet (779). Als den Gipfel des Wunderdeutens betrachtete das Volk Münzen, die angeblich vom Himmel herabgefallen sind, so z. B. in Tirol alte, während eines Gewitters gefundene Geldstücke, die deshalb als Amulette galten. Eine ganze Literatur hat sich seit 1710 mit den sogenannten „Regenbogenschüsselchen" oder „Sternschossen" befaßt. Es handelt sich hier um schüsself örmige kleine, aber dicke Geldstücke der keltischen Boier, in denen der Volksglauben die goldene Spur erblickte, die der Regenbogen dort zurückläßt, wo er auf dem Boden aufsitzt. Diese Volksmeinung ist wahrscheinlich dem Umstand zu verdanken, daß diese Münzen, die hauptsächlich in Böhmen vorkommen, aber auch sonst bis an den Rhein und Ungarn verbreitet sind, mitunter nach starken Regengüssen aus dem Boden geschwemmt worden waren. Aus diesem vermeintlichen Fallen vom Himmel scheint man dann die Signatur ihrer Heilwirkung speziell bei Fallsucht herausgelesen zu haben. Das meist angewandte Verfahren war, die Münzen in Getränke der Kranken zu legen, auf welche die magischen Kräfte übergingen und die dadurch vermeintlich zu einem sicheren Mittel gegen Epilepsie und hohes Fieber wurden. „Auch unter den Amuletten der Fraisketten kommen sie vor. Ihre napfartige Form gestattete außerdem, in die konkave Aushöhlung einen Tropfen Muttermilch oder Zuckerwasser zu bringen, die den Kindern zur Lösung von Krampfzuständen in den Mund gespritzt wurde" (779). Die Madonna als Patrona Hungariae kommt schon frühzeitig auf ungarischen Münzen vor, namentlich auf denen des 1490 zu Wien verstorbenen Königs Matthias Corvinus, jedoch nur auf seinen Goldgulden, Groschen und Denaren. Der 1484 in Tirol entstandene Taler fand — wenn wir von einigen großen Schaustücken absehen — seinen Eingang in 72

12. Österreich, Ferdinand I. Taler 1554, Kremnitz

Ungarn als Kursmünze erst unter Ferdinand I. Diese Taler zeigen die Madonna mit dem Kind (1553) über dem Wappen, während sie später ganz klein im Laufe der Rückseitenumschrift angebracht wird. Das Münzbild vollständig beherrschend erscheint sie erst — jedoch keineswegs auf allen Geprägen ungarischer Münzstätten — unter Leopold I. Daher haben sich die mit dem Madonnentaler verbundenen Bräuche mehr auf die seit Beginn des 17. Jahrhunderts geprägten bayrischen Madonnentaler konzentriert. In erster Linie maß man ihnen helfende Kräfte bei der Geburt bei, wofür die Gottesmutter ja auch am besten geeignet erscheint (779). Neben dem Madonnentaler wurde auch einer speziellen ungarischen Dukatenart, dem sogenannten Räblerdukaten, eine geburtshelferische Wirkung zugeschrieben. Mit diesem Namen wurden im Volksmunde die Dukaten des vorerwähnten Königs Matthias Corvinus bezeichnet, weil das Geschlecht der Hunyadi, dem dieser Herrscher entstammte, einen Raben mit einem Ring im Schnabel im Wappen trug. Der ungarische Goldgulden war seit seiner Entstehung zu Beginn des 14. bis tief in das 16. Jahrhundert hinein so ziemlich die einzige Goldmünze im österreichischen und infolge seiner Güte auch in einem beträchtlichen Teile des deutschen Raumes; das erklärt auch seine weitreichende volksmedizinische Wirkung. Aber nur dem „Räbler-Dukaten" des Matthias wurde sie zugeschrieben, und zwar auch nur dem ersten, früheren Typus, mit dem Wappen und dem ungarischen Nationalheiligen Ladislaus, nicht aber dem späteren, auf dem das Wappen durch die von Matthias sehr verehrte Madonna ersetzt ist. Es muß daher dem Raben im Volksglauben eine besondere, heute nicht mehr bekannte pseudomedizinische Bedeutung zugekommen sein (s. unten S. 352 und Abb. 128). Noch eine Münze hilft nach dem Volksglauben den Gebärenden in ihrer schweren Stunde: der Breslauer Johannisgroschen. Der heilige Täufer gilt nämlich als einer der großen Schutzpatrone der Schwangeren und überdies als Patron gegen Kinderkrankheiten. Dadurch „wird auch der schlesische Volksglaube verständlich, daß die mit seinem Bild geprägten Groschen bei Masern und Blattern vor den gefürchteten, oft zum Verlust des Sehvermögens führenden Augenkomplikationen schützen" (779). Auch gegen Nasenbluten und Impotenz sollten die Breslauer Groschen schützen. Alle die vorerwähnten Münzen gehören in das Gebiet der Heil oder Schutz bringenden Amulette. Daß hier der Ausdruck Volksglauben aber mit Aberglauben identisch ist, braucht wohl nicht weiter erörtert zu werden. Die Münze aber spielt im Aberglauben, wie schon erwähnt, eine bedeutende Rolle. Wenn Margarethe in Goethes Faust sagt: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles", so kann man für Gold ohne weiteres auch Geld im generellen Sinne setzen. Und so dreht es sich auch bei den „wahrsagenden" Münzen nur um dieses. Daß auch die Schatzsucher abergläubischen Vorstellungen hul73

digten, nimmt gleichfalls nicht wunder. Insbesondere aus Tirol und Böhmen sind abergläubische Bräuche überliefert, die um des Erwerbens von Geld willen ausgeübt wurden. Allgemein bekannt sind auch die Heckpfennige und Hecktaler, Münzen, denen der Aberglaube die Eigenschaft beilegte, sich durch Umgewendetwerden zu vermehren oder zu ihrem Besitzer immer wieder zurückzukehren (358). Eines alten, echten und nicht abergläubischen Volksbrauches muß hier auch gedacht werden, über den schon Goethe in Wilhelm Meisters Lehrjahren berichtete. Er wurde bei Grenzbegehungen und beim Setzen der Grenzsteine ausgeübt: So gab man ehemals, indem ein Grenzstein gesetzt wurde, den umstehenden Kindern tüchtige Ohrfeigen. Noch als ältere Leute erinnerten sie sich genau des Ortes und der Stelle. In Tirol aber erhielten die Kinder als Schmerzensgeld für die „Watschen" seinerzeit auch Silberprägungen; beides unauslöschliche Erinnerungsmittel. Diese Beispiele über die weitreichenden Funktionen der Münze im Volksglauben und noch mehr im Volksaberglauben mögen die Wichtigkeit einer Erforschung dokumentieren. Den kräftigsten Niederschlag hat die Münze doch in der Volkssprache gefunden. Bild und Beschriftung führten manchmal zur Bildung volkstümlicher Benennungen an Stelle der offiziellen. Manches Problem harrt da und dort noch der Klärung. Der Erforschung der volkstümlichen Münznamen ist in Österreich bisher noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, obwohl dies sowohl für den Numismatiker als auch für Linguisten und Volkskundler ein ergiebiges Arbeitsgebiet wäre. Für den Numismatiker deshalb, weil die Volksnamen auch eine Aussagekraft besitzen, insbesondere über die „Einbürgerung" gewisser fremder Münzgattungen innerhalb eines bestimmten Gebietes. So wurde vor allem vom steirischen Wortschatz eine große Anzahl venezianischer Münzbezeichnungen übernommen, ein deutliches Zeichen, wie sehr die schlechten Sorten der Serenissima den alpenländischen Münzumlauf unterwanderten. Im übrigen war auch der „Marxtaler", der Scudo della croce im Werte von 140 Soldi mit dem Blumenkreuz und dem Markuslöwen im Umlauf, allerdings so ziemlich die einzige der venezianischen Münzsorten (außer den Zechinen), die als vollwertig gelten konnten. Auch der uns schon bekannte mansfeldische „ Jörgentaler" kommt im österreichischen Münzumlauf vor. Als „Spitzbarttaler" liefen die Taler Ferdinands II. und Ferdinands III. im Lande um, weil die beiden Kaiser der Mode der Zeit entsprechend einen solchen Bart trugen. Die vielleicht interessanteste steirische Münzbezeichnung ist „Wetschpfennig" für die Wiener Pfennige des Mittelalters. Diese Bezeichnung stammt von den slowenischen Bewohnern der Südsteiermark (die nach dem Ersten Weltkrieg an Jugoslawien gefallen ist), denn der slowenische Name für Wien lautet Bec, was im Volksmund zu „Vetsch" verballhornt wurde. Zum Schlüsse noch ein paar Worte über die Verwendung von Münzen als Schmuck für Männer und Frauen. Ein oder mehrere Taler an der dicken silbernen Uhrkette der Großbauern sind keine Seltenheit. Infolge des meist kräftigen leiblichen Umfanges der Besitzer hießen diese Taler kurz „Bauchtaler". Zahlreiche Gold und Silbermünzen deralten Monarchie aber haben ihren Weg nach dem Süden genommen, wo sie dann die Mieder der Bäuerinnen schmückten, alles sehr zum Schaden der Sammlerwelt, da diese oft sehr seltenen Stücke durch die Fassungen in ihrem Werte stark herabgemindert werden. Damit ist das Kapitel über die theoretischen Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte abgeschlossen. Es konnte nur in einer höchst komprimierten Fassung dargeboten werden und nur dort in Einzelheiten eingehen, wo sich gleichzeitig ein Blick auf Besonderheiten innerhalb des behandelten Raumes ergab. Ich habe mich in diesem Kapitel 74

vielfach eng an Arnold v. LUSCHIN angeschlossen, da seine Lehren auch heute kaum als überholt angesehen werden können und seine Formulierungen so klar und prägnant sind, daß ihre Aussagen gar nicht besser wiedergegeben werden könnten.

C. Quellen der Literatur zur Münz- und Geldgeschichte

Wenn auch die Münze selbst die eigentliche, primäre Quelle der Münz- und Geldgeschichte ist, so bedarf sie dennoch zur Kenntnis ihrer selbst wie ihrer Funktion weitgehender Unterstützung und Ergänzung durch andere gleichzeitige, meist schriftliche Quellen. Die Erkenntnis dieser Notwendigkeit ist keineswegs alt: vor rund einem Jahrhundert, 1869, schrieb Arnold LUSCHIN im 1. Bande der Wiener Numismatischen Zeitschrift die richtungsgebenden Worte: „Soll die Numismatik etwas mehr als gelehrte Spielerei sein — und f ür eine solche ist jetzt sicherlich die Zeit vorbei —, so muß sie sich bequemen, mit dem übrigen wissenschaftlichen und praktischen Leben in eine nähere Verbindung — wenn man will geradezu in ein Abhängigkeitsverhältnis — zu treten." Den Anstoß zu diesem Ausspruch gab der von Heinrich Friedrich SAILER der Numismatik mit Recht gemachte Vorwurf, daß sie „trotz ihrer umfangreichen Literatur bisher mit Konsequenz vermieden habe, auf die Frage über Münzwerte einzugehen, um sich mit der Beschreibung von Münzen zu begnügen" (1009). Ein Vorwurf, der nur allzu berechtigt war und leider bis heute noch immer aktuell ist, wenn auch nicht mehr in jenem Ausmaße wie 1869. Soll die Numismatik ein Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein, so darf sie sich nicht mit der Münze allein begnügen, sondern muß ihr Vorhandensein mit der Umwelt in allen ihren Erscheinungsformen in Einklang zu bringen versuchen. Oder mit den Worten August v. L O E H R S : „Die Numismatik oder Münzkunde ist . . . statisch, deskriptiv und sieht in der Münze höchstens ein historisches, als Quelle verwertbares Denkmal. Die Geldgeschichte ist von vornherein dynamisch, muß sich mit den ständigen Wechselbeziehungen zwischen Geld und anderen Kultureinrichtungen dauernd befassen, so vor allem sich durchkreuzende Bestrebungen von Staat und Wirtschaft, von Wirtschaft und Ethik betrachten, auf die sozialen Bedingungen und Wirkungen Rücksicht nehmen. Sie gewinnt ihren Sinn erst in der Erfassung organischer Zusammenhänge" (652). Diese Ansicht, daß Numismatik in erster Linie als Geldgeschichte zu behandeln sei, haben in Österreich vor allem LUSCHIN und Alfred N A G L vertreten; sie hat sich nur langsam durchgesetzt, blieb aber trotzdem auf den kleinen Kreis der Geldhistoriker beschränkt, dem der an Zahl ungleich größere der nur am Objekt, an der Münze selbst interessierten Sammler gegenübersteht. Um so mehr aber ist der theoretische Wissenschaftler verpflichtet, seine Erkenntnisse aus der ganzen Fülle des bereits zur Verfügung stehenden und — nicht minder — des erst zu hebenden Quellenmaterials zu schöpfen. Die Quellen für die Geldgeschichte sind unermeßlich zahlreich, aber sie müssen vielfach erst aufgesucht und gesammelt werden, um in ihrer ganzen Aussagenfülle ausgewertet werden zu können. Dies gilt ebenso für das Altertum wie für das Mittelalter und die neuere und neueste Zeit. Für die beiden ersten Epochen ist das Quellenmaterial notgedrungen beschränkt, schon weil seine Aufbewahrung und Erhaltung durch Jahrhunderte oft nur einem Zufall zu verdanken ist, aber nicht systematischer Konservierung. Dies gilt zum Teil auch noch für die neuere Zeit, wo zahlreiche Akten — und in manchen Archiven bedauerlicherweise gerade die Akten der Münzstätten — als für die Zukunft 75

unerheblich — einer bürokratischen „Skartierung" zum Opfer gefallen sind. Vieles ist auch in den in früherer Zeit oft vorkommenden Stadt- und Archivbränden untergegangen. Aber trotz dieser unersetzlichen Verluste ist noch immer genügend Material vorhanden, um auf seiner Grundlage wissenschaftlich arbeiten zu können. In den vorhergehenden Kapiteln, die von den Beziehungen zwischen Münze und den anderen Kategorien der Geschichtswissenschaft handelten, wurde beiläufig der Umkreis der Numismatik als eines Teiles der Historie umrissen und dadurch auch indirekt auf die zu Rate zu ziehenden Quellen hingewiesen. Aber damit ist der „unermeßliche" Reichtum des der Münz- und Geldgeschichte zur Verfügung stehenden Quellenmaterials noch lange nicht erschöpft. Denn „als eigentliche Geschichtsquellen bezeichnet man das, was an erkennbaren Wirkungen dieser Tatsachen auf uns gekommen ist" (38). Wenn für das Altertum die Inschriften, nicht zuletzt auch die der Münze eine hervorragende Rolle spielen, so bevorzugen wir für die Geschichte des Mittelalters die Urkunden als Quelle, während f ü r die neuere und die neueste Zeit die Überfülle der in den Archiven des Staates, der Länder, der Städte und anderer Körperschaften aufgestapelten Akten als Grundlage der Forschung dient. Aber es gibt auch noch andere Geschichtsquellen: Ein Friedhof an sich ist ebenso eine solche wie die verschiedenen Grabbeigaben, unter denen sich nicht selten auch Münzen befinden, was natürlich in das weite und aufschlußreiche Gebiet der Müns^fmde gehört, eine der wichtigsten Quellen der Münz- und Geldgeschichte! Auch mündlich verbreitete Quellen, wie Sage, Anekdote oder Sprichwort und dergleichen, können hier von Belang sein. Den größten Beitrag aber bieten natürlich die schriftlich oder durch den Druck überlieferten Quellen: Rechtsaufzeichnungen, Gesetzbücher; Aufzeichnungen amtlichen Geschäftsganges: Urkunden, Inschriften rechtlichen Inhalts, Gerichts-, Rats-, Reichstags-, Konzilsakten, Grund-, Stadt-, Kirchensteuerbücher, Abgabenverzeichnisse, Statistiken — und vor allem Verwaltungsakten und ähnliches. Dann Aufzeichnungen wirtschaftlichen Inhalts, wie Rechnungen, Inventare und Urbare, Marktberichte, ja sogar Kalender. Auch Predigten können zuweilen zur numismatischen Quelle werden, wie z. B. die des Joachimsthaler Predigers Johannes MATHESIUS, der u. a. in seiner ,Sarepta oder Bergpostill' (1. Aufl. Nürnberg 1562) eine eigene Predigt, die 14., über,Münzgewicht und Zahl' gehalten hat. Und ähnlich hat Adam RIESE, der Rechenmeister von Annaberg im sächsischen Erzgebirge, ein etwas älterer Zeitgenosse des Mathesius in seinem Buche ,Rechnung auff der Linien', 1535, sich auch mit der , Schickung des Tiegels' und dem ,Münzschlag' befaßt. Schon in der Dichtung und in den wissenschaftlichen Werken des Mittelalters wird der Münze gedacht, in WOLFRAM VON ESCHENBACHS „Parzival" ebenso wie in des THOMAS VON AQUINO „Tractatus de regimine principum". Die österreichische Reimchronik vom Anfang des 14. Jahrhunderts erwähnt sie z.B., und das Chronicon Claustroneoburgense (1299) berichtet sogar über einen Fund römischer Münzen und datiert ihn auf Grund eines Aureus der Faustina filia Antonini pii um die Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Der Wappendichter Peter SUCHENWIRT, der Herzog Albrecht III. von Österreich 1377 nach Preußen begleitete und später in Wien lebte, schrieb sogar ein „Lied vom Pfennig". Diese wenigen, dem „Quellenbuch" von Wilhelm JESSE entnommenen Beispiele sollen nur ein Fingerzeig sein, welche Richtung die Forschung außerhalb der gewohnten Wege noch einschlagen könnte, um das Bild, das wir uns von der Münze machen, immer mehr und mehr abzurunden. Daneben liefern auch Biographien, Memoiren, Tagebücher, Briefe, Flugschriften und dergleichen wichtige numismatische Hinweise. Nicht zuletzt ist auch die Welt der Zeitung und der Zeitschrift eine noch lange nicht erschöpfte Quelle. Ebenso Gesetz76

bücher und Gesetze, denen ja auch die schon erwähnten Münzmandate und -patente zuzuzählen sind. Kurz, alle diese und auch noch eine Reihe anderer hier aus Raumgründen nicht angeführter Quellen bilden nach Zeit, Ort und Zweckbestimmung differenziert neben der Münze selbst den Ausgangspunkt jeglicher Untersuchung. Daneben darf die Forschung aber auch die unermeßliche Anzahl der in Fachorganen und auch in anderen Zeitschriften enthaltenen Aufsätze und endlich die in Buchform erschienenen selbständigen Publikationen nicht außer acht lassen. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß, wie schon angedeutet, der wissenschaftliche Wert aller dieser zahllosen Publikationen — wie ja nicht anders möglich — keineswegs immer auf der erforderlichen Höhe der Methodik und Kritik steht. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß ein nicht geringer Teil dieser Arbeiten von Laien, wohl nicht auf dem Gebiet der Numismatik selbst, aber doch auf dem der Geschichtswissenschaft verfaßt wurde. Das soll kein abschätziges Urteil gegenüber der literarischen Tätigkeit der Sammlerwelt bedeuten — im Gegenteil, ohne diese wäre ja eine Münz- und Geldgeschichte undenkbar. Die Sammler haben durch ihre Münzbeschreibungen vielmehr im großen ganzen dasselbe geleistet wie die Herausgeber und Bearbeiter von Urkundenbüchern. Nur mit dem einen allerdings fundamentalen Unterschied, daß die Urkundenforschung in der Regel ein erhebliches Maß an Kritik anwendet, an der es die reinen Numismatiker leider nur zu oft fehlen lassen. Und so schleppt sich so mancher grundlegende Irrtum von Generation zu Generation fort. Nicht, daß dies nicht auch bei der Urkunden- oder Aktenedition geschehen könnte; es ist um die Echtheit oder die richtige Datierung von Urkunden ebenso oft und erbittert gestritten worden wie um die von Münzen. Aber an die Urkunde und ihre Deutung wagt sich in der Mehrzahl der Fälle doch nur der Fachhistoriker, der in Paläographie, Chronologie und vor allem in der Urkundenlehre selbst vorgebildet ist, während der Numismatiker diese und andere Kenntnisse nicht besitzt, weil es an unseren Hochschulen nur eine Lehrkanzel für antike Numismatik gibt, und Untersuchungen meist durch Autodidakten betrieben werden. Das soll zur richtigen Einschätzung der weitläufigen Literatur festgehalten werden, weil hier derselbe kritische Maßstab angelegt werden muß wie bei anderen pseudohistorischen Druckwerken. Der Fachmann wird Spreu vom Weizen zu sondern wissen, zumal vornehmlich in den in unserem Raum in Frage kommenden Fachzeitschriften von den Redaktionskomitees vor allem in den letzten Jahrzehnten die eingesandten Aufsätze vor dem Abdruck strenge geprüft zu werden pflegen. Viel zur „Verwissenschaftlichung" der Numismatik haben außer den numismatischen Vereinen der einzelnen Länder auch die verschiedenen numismatischen Kongresse und speziell in Österreich die Historikertage beigetragen, an denen eine eigene Fachgruppe „Numismatik" in Vorträgen zu Wort kommt, die in den Berichten über diese Tagungen auch gedruckt werden.

77

II. Die Entwicklung der Numismatik zur Wissenschaft

A. Österreich Die Wertung der Münze als einer Quelle historischer Erkenntnis ist verhältnismäßig jungen Datums. Zunächst war es wohl das mit Renaissance und Humanismus erwachte antiquarische Interesse, das Fürsten wie Kaiser K a r l I V . und Privatpersonen, wie den mit ihm in Verbindung stehenden Dichter Francesco Petrarca zum Sammeln von Münzen, hauptsächlich von antiken, anregte. Schon im 15. Jahrhundert verbreitete sich dann das Sammeln in immer weiteren Kreisen, eine Vorliebe, die — wie auch heute noch — vielen unerklärlich war. So berichtete GRÜNAUS preußische Chronik über Stephan Matthias von Neidenburg, Bischof von Kulm (1480/195): „Er saß uff seinem Schloße zu Lube (Löbau) und besag den Tag über die fremde und seltzame Müntze, die er hatte, denn man sagte von ym, daß er sich vorhin beflissen hätte, daß er alle Müntze hatte; dys that er mehr azs Dumheit, denn anders warumb, wenn er war seer ein alter Mann." Trotz dieser Geringschätzung, die kaum ein Einzelfall war, verbreitete sich das Münzsammeln gerade um diese Zeit immer mehr und mehr; vor allem an den Höfen kunstsinniger Fürsten wurde es eifrig gepflegt. In Österreich machte M a x i m i l i a n I. damit den Anfang, der bekanntlich einen ganzen Kreis von Künstlern um sich versammelte und auch auf die Entwicklung der in Deutschland eben zu Ehren gekommenen Kunstform der Medaille fördernden Einfluß nahm. Wem der Kaiser diese Sammlung, von der der gelehrte kaiserliche Rat Dr. Johann FUCHSMAG ein erhalten gebliebenes Verzeichnis anlegte, vererbt hat, wissen wir nicht. Man könnte dieses Verzeichnis als den Beginn einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit Münzen in Österreich oder, besser gesagt, der historischen Forschung mit Hilfe der Münze ansehen. Denn es handelt sich hier noch keineswegs um eine Beschreibung der Objekte, sondern vielmehr um eine ,Ordo et series augustorum cesarum ac tyrannorum, qui imperium invadere ausi sunt, cum annotacione, quo quisque tempore et quot annis imperavit . . .' Darauf folgt ein Herrscherverzeichnis von Julius Caesar bis auf Maximilian I. und die ,Imperatores orientis a tempore Caroli Magni'. Und weiter — und das ist das Bezeichnende — ,Divo Maximiliano . . . varia hec veterum numismata priscam Romae urbis maiestatem testancia et augustorum et cesarum atque magistratuumnominibus inscripta Johannes Fuchsmag doctor dono dedit . . Die Herrscher de aurea numismata sind besonders angeführt. Man sieht hieraus deutlich die Absicht des Fuchsmag, dem Kaiser an Hand seiner Münzsammlung seine Vorgänger im Imperium vor Augen zu führen. Was hier über die antike Münze vorlag, fand seine gedankliche Entsprechung in den von Maximilian angeregten verschiedenen graphischen Folgen sowie in den monumentalen Erzstandbildem an seinem Grabmal in der Hof kirche zu Innsbruck. Ein Schritt weiter zur wissenschaftlichen Bearbeitung ist der Katalog der Münzsammlung von Maximilians Enkel F e r d i n a n d I., von der ein verlorengeglaubtes Inven78

tar erst 1957 in den Beständen der Handschriftensammlung der Wiener Nationalbibliothek wiederentdeckt wurde, ein zweites, später entstandenes Inventar befindet sich in der päpstlichen Bibliothek in Rom. „Dieses Manuskript, das sich zweifellos ursprünglich im Besitz Kaiser Rudolphs II. in Prag befunden hat, kam im Jahre 1649 mit der Schwedenbeute nach Stockholm in die Bibliothek der Königin Christine . . . Bei ihrer im Jahre 1654 erfolgten Übersiedlung nach Rom nahm die . . . Exmonarchin das Manuskript mit sich" (425). Durch den Neffen ihres Universalerben wurde es später an Papst Alexander VIII. verkauft. Diese Handschrift der Vaticana verrät indessen im Gegensatz zum älteren nach 1547 entstandenen Inventar in der Nationalbibliothek zu Wien einen eigenen, ganz andern Geist. Ähnlich wie bei dem Katalog Fuchsmags gab zwar auch hier das „Römische Reich" das „Thema für die Auswahl der in ihm verzeichneten Münzen" ab, „es waren imperiale Ideen, die bei der Zusammenstellung dieser repräsentativen Suite von Römermünzen mitschwangen" (425). Hier handelt es sich „fast um ein Handbuch für den systematischen Münzsammler . . . — eine an sich sehr beachtenswerte historiographische Leistung, indem Rubriken für alle Magistrate, Kaiser usw. angelegt wurden, auch wenn von ihnen keine Münzen vorhanden sein konnten oder waren". Im Gegensatz zum Verzeichnis der Vaticana, das sich auf römische Münzen beschränkt, ist das Wiener Verzeichnis ein Gesamtverzeichnis der Sammlung. Beide aber zeichnet, was hier besonders hervorgehoben sei, bereits eine „ernsthafte Systematik" aus (237). Diese beiden Beispiele mögen vorerst genügen, um die schon damals durch Münzen hervorgerufenen historischen Anregungen zu beweisen. Als wesentliche Tatsache muß aber schon zu diesem frühen Zeitpunkt erwähnt werden, daß es der Kaiserhof war, von dem der Impuls zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Münzen ausging. Die Pflege der Numismatik hat sich übrigens seit jeher als wissenschaftlich ungemein segensreich erwiesen. „Sie zwang zur Klarheit in chronologischen Fragen, sie legte den Grund zu solidem Wissen, ohne das eine wirkliche Kenntnis des Altertums nicht zu gewinnen gewesen wäre. Die Objekte waren verhältnismäßig leicht und zahlreich zu haben, ihre Eigenart und ihr Erhaltungszustand schloß jede nur ästhetische Wertung von vornherein aus" (237). Ferdinand I. hat seine Münzsammlung seinem ältesten Sohne M a x i m i l i a n II. vererbt, aber dieser hat sie nicht sonderlich gefördert. Sie ist wahrscheinlich in den Besitz R u d o l p h s II. gekommen; aber auch er hat sie, was bei einem Kunstsammler so großen Formats eigentümlich berührt, im Grunde vernachlässigt. Denn er „war nicht der Mann, der sich dauernd auf die kleinen Dinge hätte konzentrieren können". Und so hebt denn mit ihm „jene mehr als hundertjährige Ebbe des kaiserlichen Interesses an der Numismatik an, für die es schwerlich eine Erklärung gibt" (237), wenn man nicht Gegenreformation, Dreißigjährigen Krieg, Franzosen- und Türkennot als Argumente gelten läßt. Daraus ergibt sich, daß es mangels eines kaiserlichen Mäzenatentums auf diesem Gebiete ebenso lange auch in ganz Österreich keine wissenschaftliche Betätigung mit der Numismatik gibt. Erst K a r l VI. hat den Bann gebrochen. Mit ihm beginnt eine neue Ära in der Geschichte der Numismatik, die nicht nur in bezug auf Bereicherung und Erweiterung der kaiserlichen Sammlung, sondern auch in literarischer Hinsicht fruchtbar war. Der Kaiser hat schon in jungen Jahren diese Wissenschaft, die als ein ausgezeichnetes Mittel höherer geschichtlicher und ökonomischer Studien noch bis ins 19. Jahrhundert mit Recht eifrig gepflegt wurde, in den letzten Jahren aber leider aufgehört hat, ein Gegenstand allgemeiner Anteilnahme zu sein, eifrig betrieben. Bald nach seiner Rückkehr aus Spanien, auf dessen Königskrone er bekanntlich hatte verzichten müssen, hat Karl den Schweden Carl Gustav H e r a e u s zu seinem Medaillen- und Antiquitäteninspektor 79

ernannt, dessen erste Aufgabe es war, die damals noch verstreuten Münzbestände des Monarchen in einem kaiserlichen Münzkabinett zu vereinigen. Diesem Auftrag zufolge kam auch eine Auswahl der von Erzherzog F e r d i n a n d von Tirol (f 1595) angelegten Münzensammlung aus Schloß Ambras nach Wien. Auch die kaiserlichen Diplomaten wurden damals in den Dienst dieses Münzkabinettes gestellt, das heute, auf so breiter Grundlage errichtet, was die wissenschaftliche Bedeutung anlangt, zu den ersten der ganzen Welt zählt. Diese kostbare Sammlung gab auch frühzeitig den Anstoß zu einer großartigen, leider durch Verschulden des Autors nicht zu voller Reife gediehenen Publikation. Sie hätte als Hauptwerk des HERAEUS unter dem Titel .Thesaurus numismatum recentiorum Caroli VI. imperatoris iussu ex gazophylacio aulae cesareae Vindobonensis per tabulas LXV exhibitus' erscheinen sollen. Auf diesen Tafeln sollten, zeitlich geordnet, „zum Nutzen der Forschung und zum Ruhme der kaiserlichen Sammlungen" Medaillen weltlicher und geistlicher Fürsten in Kupferstich vorgeführt werden. Als Heraeus jedoch auf eine noch nicht restlos geklärte Weise aus seinem Amte scheiden mußte, fanden sich erst 26 dieser auf kaiserliche Kosten gestochenen Kupferplatten vor. Der Rest wurde dann erst unter Karls Schwiegersohn Kaiser F r a n z i , gefunden, so daß die Veröffentlichung des Werkes erst nach dem Tode des Autors möglich wurde. Trotzdem blieb der ,Thesaurus' der erste Versuch einer Publikation zum Zwecke der Forschung. Wohl gab es schon früher eine ganze Reihe von Veröffentlichungen mit Münzabbildungen; diese aber dienten meist nicht wissenschaftlichen Zwecken, sondern vielmehr denen der Wirtschaft, wie etwa Wertvergleichungen von umlaufenden Münzen, die schon erwähnten Münztarife, Valvationen u. dgl. Und noch etwas verdient für das Folgende festgehalten zu werden: es war das kaiserliche Kabinett zu Wien, von dem die ersten wissenschaftlichen Publikationen ausgingen, wodurch auch Außenstehende zur Forschung angeregt wurden, wie etwa Franz Anton, der dritte Sohn des Reichsfürsten Johann Joseph von Khevenhüller, der als erster und einziger seines Geschlechtes übrigens auch das Münzrecht ausübte. Dieser Franz Anton veröffentlichte noch als Zögling der Theresianischen Ritterakademie in Wien die Schrift: ,Regum veterum numismata anecdota, aut perrara notis illustrata', die, bei Johann Thomas Trattner in Wien gedruckt, gelegentlich des Tentamen publicum, der öffentlichen Prüfung des jungen Autors, zu Ende des Schuljahres 1752 herausgegeben wurde. Franz Anton K h e v e n h ü l l e r , der 1797 als kaiserlicher Hofmarschall starb, war zur Numismatik durch den aus Graz stammenden gelehrten Jesuitenpater Erasmus F r o e l i c h (f 1758) hingeleitet worden; dieser war von M a r i a T h e r e s i a z u m Bibliothekar der von ihr gestifteten Ritterakademie ernannt und später auch von ihrem Gemahl Franz Stephan v. Lothringen an das von ihm ungemein favorisierte Münzkabinett berufen worden, wo er in Gemeinschaft mit anderen den Katalog der antiken Münzen bearbeitete. Daher betrafen auch Froelichs numismatische Arbeiten hauptsächlich die Antike. Aber auch auf das Gebiet der Neuzeit hatte er sich gewagt durch sein der Kaiserin gewidmetes ,Specimen Archontologiae Carinthiae' (Wien, J. Th. Trattner 1758), worin sich auch eine Beschreibung der wichtigsten, von Maximilian I. bis Karl VI. in Kärnten geprägten Münzen vorfindet. Doch dient diese Übersicht — übrigens die erste und auf viele Jahrzehnte hinaus auch einzige zusammenhängende Beschreibung von Kärntner Geprägen — nicht so sehr der Münzkunde, sondern wie das ganze VIII. Kapitel (,De titulo archiducatus Carinthiae') dem Nachweis, wieso es, obwohl Kärnten eigentlich ein Herzogtum war, zum Erzherzogtitel gekommen sei und auf Grund welchen Rechtes sich die Landesfürsten auf ihren in Kärntner Münzstätten geprägten Münzen fast ausnahmslos Archiduces genannt haben. Es ist eben bemerkt worden, daß sich Kaiser Franz I. des Münzkabinetts ganz beson80

ders angenommen hat. Damit ist aber weniger die von seinem Schwiegervater Karl VI. hinterlassene Sammlung, als vielmehr sein eigenes privates Münzkabinett gemeint. Es gab also damals mehrere Münzsammlungen: das Nummophylacium Carolino-Austriacum, das Nummophylacium imperatoris Francisci I. und als dritte noch die Münzsammlung in Schloß Ambras. Auf Befehl Maria Theresias fertigten unter Leitung des aus Besançon stammenden Joseph Angelo de F r a n c e , ihres Trésoriers (Hofschatzmeisters), der in der Champagne geborene und von Franz I. besonders geschätzte Valentin Jamerai D u v a l und der bereits kränkliche Erasmus F r o e l i e h , für den dann sein Ordensbruder und Schüler Joseph K h e l l von K h e l l b u r g einsprang, einen Katalog der väterlichen Sammlung an. Das Ergebnis war das 1755 ebenfalls bei Trattner gedruckte und mit zahlreichen Kupferstichtafeln ausgestattete Werk ,Numismata Cimelii Austriaci Vindobonensis, quorum rariora iconismis, extera catologus exhibite iussu Mariae Theresiae imperatricis et reginae augustae'. Aber auch der Kaiser ließ für sein Privatkabinett ein ähnliches Prachtwerk anlegen, die ,Monnoies en argent qui composent des différentes parties du Cabinet de S. M. L'Empereur depuis les plus grandes jusqu'au florin inclusivement', zwei Bände in Folio, Wien, Trattner, 1756, wovon nach dem Tode des Kaisers eine zweite, beträchtlich vermehrte Auflage und 1770 auch noch ein Supplement dazu erschienen sind. 1759 wurden zusätzlich die ,Monnoies en or' und 1769 dazu ebenfalls ein Supplement herausgegeben. Das kostbare Werk ist nie in den Buchhandel gekommen, sondern bloß verschenkt worden. Leider enthält es nur Abbildungen, keine Beschreibungen; dennoch bildet es einen bedeutsamen Ausgangspunkt für die numismatisch-literarische Betätigung der Folgezeit. Nach dem Tode des Kaisers wurden seine und die carolinische Sammlung zusammengelegt und die Stücke gezählt: es waren — eine f ü r diese Zeit beträchtliche Zahl — 50.000 Einheiten, davon allein in Gold (ohne die Orientalen) 8731 Stück im Gesamtgewicht von rund 39.600 Dukaten, wobei das Gewicht der antiken Goldstücke nicht überliefert ist. Es ist klar, daß eine solche Sammlung für die im Werden begriffene numismatische Forschung eine ungewöhnlich breite Basis und einen ganz besonderen Anreiz bilden mußte. Zwei Werke des theresianischen Zeitalters, die ebenso wie ihre Verfasser in die Geschichte eingegangen sind, beruhen auf ihr: Die ,Nummotheca' der Monumenta HERRGOTTS und — als krönender Abschluß dieses numismatischen Jahrhunderts — E C K H E L S ,Doctrina numorum veterum'. Es kann als eine besondere Fügung des Schicksals angesehen werden, daß Duval seinen kaiserlichen Gönner nachdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, auch nicht-antike Münzen zu sammeln. Der Kaiser beschloß denn auch, seiner Kollektion Gold- und Silbergepräge von der Zeit Karls des Großen an einzuverleiben. Dadurch kam endlich auch das numismatische Mittelalter zu seinem Recht, und die Abkehr von der bisher üblichen, einseitigen Bevorzugung des Altertums und des Goldes war vollzogen und damit dem kaiserlichen Kabinett die Entwicklung in einer neuen, auch geschichtlich fruchtbaren Richtung ermöglicht. Da die Münzkunde damals bereits als wichtigste Hilfswissenschaft der Geschichte gepflegt wurde, mußte für sie auch das entsprechende Münzmaterial bereitgestellt werden. Als Reaktion gegen den Humanismus hatte bekanntlich um die Wende zum 17. Jahrhundert die wissenschaftliche Forschung zum ersten Male begonnen, „die Geltung überlieferter Autoritäten prinzipiell in Zweifel zu ziehen" und durch sorgfältige und systematische Pflege der sogenannten Hilfswissenschaften echte und, von den Vorläufern unabhängig, auf Grund philologisch exakt interpretierter Quellen und einer selbst er81

arbeiteten Methodik Geschichte zu schreiben. Chronologie, Diplomatik, Paläographie und auch die Numismatik wurden nunmehr zum ersten Male in großem Umfange systematisch bearbeitet und ihre Ergebnisse in der Historiographie ausgewertet und nutzbar gemacht. In Frankreich war die Benediktinerkongregation des hl. Maurus mit dem Sitze in St. Germain des-Pres bald nach ihrer Stiftung im Jahre 1621 die Stätte gediegenster historischer Gelehrsamkeit geworden. Jenes klassische Werk, das „mit einem Schlage die wissenschaftliche Urkundenlehre, die Diplomatik, nebst der Paläographie schuf, Jean M A B I L L O N S ,De re diplomatica libri VI '(1681)", war hier entstanden. In dieser geistigen Atmosphäre hat auch Franz Jacob HERRGOTT aus Freiburg im Breisgau in den österreichischen Vorlanden seine wissenschaftliche Prägung erhalten. Im Stifte St. Blasien im Schwarzwald erzogen, legte er daselbst 1715 Profeß mit dem Namen Marquard ab. Abt Franz II. Schächtelin sandte ihn zur weiteren Ausbildung zu den Maurinern nach Paris, von wo er mit reichen wissenschaftlichen Erfahrungen, insbesondere der Überzeugung von der Notwendigkeit gründlicher Quellenforschung heimkehrte. Durch volle zwanzig Jahre, von 1728 bis 1748, vertrat er in Wien als Deputierter der breisgauischen Stände ihre Interessen am Kaiserhofe. Zwei Sommer hindurch besuchte er auch das k. k. Münz- und Antikenkabinett, wo er Erasmus Froelich kennenlernte, den er ,eruditionis laude florentissimus' nennt. „1736 erhielt er unmittelbar von Karl VI. den Auftrag zu einem riesigen Werk über das Haus Habsburg, das ihn bis zu seinem Tode (1762) beschäftigte. Die Eigenart dieses Werkes ist, daß es in der Anlage die direkte Nachfolge reich bebilderter, barocker Ehrenwerke verrät, aber mit der Sammlung nun auch bewußte Auswahl, nach den neuesten Prinzipien geschulter Kritik und Auseinandersetzung mit Quellen und Autoren verbindet" (59, 124). Für die unter Mithilfe zweier Mitbrüder erfolgte Herausgabe der drei Foliobände der ,Genealogia diplomatica augustae Domus Habsburgicae' wurde er zum kaiserlichen Rat und Historiographen ernannt. In sein Stift zurückgekehrt, erhielt Herrgott die Propstei Krotzingen, wo er die zur Fortsetzung seiner Arbeiten notwendige Muße fand. In den Jahren 1752 und 1753 gab er dann mit seinem Mitbruder P. Rustenus H E E R die ,Numotheca Principum Austriae' als zweiten Teil seiner ,Monumenta Augustae Domus Austriae' heraus. Es ist dies eine mit vielen Abbildungen belegte Münzgeschichte Österreichs bis Ferdinand IV. Heer wurde übrigens nach dem Tode Herrgotts ebenfalls zum kaiserlichen Rat und Historiographen ernannt. Mit diesen beiden Benediktinern aus St. Blasien und nicht wenigen anderen Gleichstrebenden ist übrigens ein neuer Begriff aufgetreten, der nicht nur für die Geschichtsschreibung an sich gilt, sondern auch f ü r die Münzwissenschaft: „der des Geschichtsforschers zum Unterschied vom Geschichtsschreiber, des ,Historicus' als des in Altertümern kramenden Mönches neben dem Historiographen" (59). Noch eines weiteren geistlichen Numismatikers muß hier kurz gedacht werden, des Lilienfelder Zisterziensers P. Chrysostomus H a n t h a l e r aus Marenbach im damals noch bayrischen Innviertel. Durch die Münzsammlung des Stiftes (sie fiel leider der zeitweiligen Aufhebung des Klosters unter Kaiser Joseph II. zum Opfer) angeregt, verfaßte auch er mehrere numismatische Werke, u. a. ein ,Verzeichniss bisher bekannter alt- und neuer merkwürdiger Wienerischer Schau-, Denk- und Lauf-Münzen', Linz 1745. Weitere Teile sind handschriftlich erhalten geblieben. Interessant durch ihren Titel ist eine erst zwei Jahre nach seinem Tode (1754) zu Wien und Prag erschienene Schrift ,Exercitationes faciles de numis veterum pro Tyronibus'. Der Titel verrät die Absicht, die Beschäftigung mit antiken Münzen weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Ob die gehegte Absicht auch wirklich erfüllt wurde, steht um so mehr dahin, als Hanthaler in seinen historischen Werken zum „ersten gelehrten Fälscher" geworden war, indem er das, was zu seiner 82

Stiftsgeschichte unauffindbar war, einfach selbst konstruierte. Wir haben ihn hier nur deshalb erwähnt, weil er und die beiden Blasianer sich in der Zeit von 1730 bis 1750 gleichsam als Private mit der Numismatik publizistisch beschäftigten, während in dieser Zeit von seiten des Hofes nichts geschah. Karl VI. scheint durch das Versagen des von ihm einst so hochgeschätzten Heraeus die Lust an der Numismatik verloren zu haben, während seine Tochter Maria Theresia während der ersten Jahrzehnte ihrer Regierung ganz andere, größere Sorgen hatte. Die durch die vorhergegangenen Kriege gegen Preußen dringend gewordene große Staatsreform von 1749 beweist dies zur Genüge. Daß damals auch eine Neuordnung des Münzwesens erfolgte, wird noch weiter unten zu erwähnen sein. Erst gegen Ende ihres Lebens wurde der Betrieb im Münz- und Antikenkabinett wieder lebhaft, zumal jetzt seinem Personal zwei hervorragende Fachleute der Münzwissenschaft angehörten, die beiden Abbés E c k h e l und Neu mann, von denen sich dieser allerdings weniger literarisch betätigte als sein erstgenannter Amtskollege. Neumanns zweibändiges Hauptwerk, ,Populorum et regum numi veteres inediti', eine numismatische Ikonographie, erschien Wien 1779 und 1783 bei Trattner als Ergebnis dreißigjähriger Forschungsarbeit. Der aus Krems an der Donau stammende Franz de Paula N e u m a n n , der sich schon früh in seinem Stifte zu St. Dorothea in Wien der Numismatik gewidmet hatte, wirkte weit über seine Bedeutung als wissenschaftlicher Schriftsteller hinaus als Lehrer dieses Faches seit 1798 an der Wiener Universität. Zu seinen Schülern gehören Steinbüchel, Arneth, Bergmann, Sacken und Kenner, lauter Namen, die in den Annalen der Münzwissenschaft einen dauernden Ehrenplatz innehaben. Es wird über sie noch einiges zu sagen sein. Sie alle aber werden überstrahlt von dem bis zum heutigen Tage in Numismatik und Archäologie nachwirkenden Ruhme des Johann Joseph Hilarius von E c k h e l (1737 bis 1798), den Bergmann zu Recht den „Linné der Numismatik" nannte. Zu Enzesfeld in Niederösterreich geboren, weilte er 1772—1774 in Italien, namentlich zu Rom und Florenz, wo er dem Großherzog Peter Leopold I. (als Kaiser Leopold II.) eine Münzsammlung von 30.000 Stück einrichtete. Ob seiner großen Begabung empfahl ihn später Leopold seiner Mutter. Nach Aufhebung seines Ordens, der Gesellschaft Jesu, hatte Eckhel zunächst dessen dem kaiserlichen Münzkabinett übergebene Münzsammlung zu betreuen; schon einen Monat später, am 14. März 1774, wurde er unter Duvals Oberleitung zum Direktor der antiken Münzen bestellt, mit der Verpflichtung, wenigstens zweimal in der Woche im Kabinett Münzfreunden ausführliche Erläuterungen auf diesem Gebiete zu geben. Seit September desselben Jahres war er bereits Professor Ordinarius publicus für Altertumskunde an der Wiener Universität. Nach dem Tode Duvals (|1757) wurde er, nunmehr Weltpriester, dessen Nachfolger. Eckhel richtete nun die kaiserliche Sammlung nach einem ganz neuen, wohldurchdachten System ein, was eine bis in unsere Zeiten heraufreichende, unvergessene Tat war und ist: er verwarf die bisher übliche alphabetische Ordnung und führte an ihrer Stelle die regionale, die geographische ein. Da infolgedessen die bisherigen Publikationen über antike Münzen den neuen Anforderungen nicht mehr genügen konnten, beschloß er, in diesem Sinne einen vollständigen Katalog der antiken Münzen des k. k. Kabinetts herauszugeben. Es ist dies der ,Catalogus Musei Caesaris Vindobonensis numorum veterum distributum in partes duas, quarum prior monetam urbium, populorum, regum, altera Romanorum complectitur', dessen Titel bereits die Grundzüge seines Systems darlegt. Das mit zahlreichen Abbildungen versehene Werk erschien bereits 1779 zu Wien. Sein Hauptwerk ist indessen die vielgerühmte ,Doctrina numorum veterum', deren eigenhändige Niederschrift die Nachfolgerin des ehemals kaiserlichen Münzkabinetts, die 83

Bundessammlung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen zu Wien, als kostbare Hinterlassenschaft pietätvoll bewahrt. Steinbüchel, der später an die Spitze des Kabinetts trat, hat dazu aus dem Handexemplar 1826 noch einen Nachtrag herausgegeben. Gedruckt wurde dieses großartige, Kaiser Franz II. gewidmete Werk zu Wien auf Kosten von Joseph Vinzenz Degen Ritter von Elsenau, 1792—1798 in acht Quartbänden. In wissenschaftlicher Hinsicht bedeutete die ,Doctrina' eine förmliche Revolution auf dem Gebiet der Numismatik. Eckhel gebührt das nicht hoch genug einzuschätzende Verdienst, wie sein Biograph Joseph v. Bergmann sich ausdrückt, „allmählich die Massen . . . gesichtet und gelichtet, wie auch ein streng wissenschaftliches System in der alten Numismatik aufgestellt zu haben. Mit seinem Namen beginnt eine neue Aera". Eine Einschränkung muß allerdings gemacht werden: Eckhels einseitige Begeisterung für die klassische Antike und sein (auch von anderen geteiltes) ästhetisches Vorurteil für diese allein. So konnte ihm der grundsätzliche Irrtum unterlaufen, daß er „gewisse Münzen der Völkerwanderungszeit u. a. als wertlos und nur für den Schmelzofen tauglich bezeichnete", ein Vorurteil, dem auch sein Kollege Neumann unterlag, der „für die Ausscheidung schlechter Prägungen oder sachlich geringfügiger Stücke" eintrat. Auf diese Weise ist bei der mit kaiserlicher Bewilligung 1794 tatsächlich vorgenommenen Einschmelzung von nicht weniger als 4286 Münzen und Medaillen sicherlich sehr viel Wertvolles mit zugrunde gegangen. Das Münz- und Antikenkabinett blieb auch nach dem Tode Eckhels und Neumanns ein ernster wissenschaftlicher Forschung zugewendetes Institut, eine Tradition, die sich trotz des geringen Personalstandes auch in der Bundessammlung als Rechtsnachfolgerin unvermindert erhalten hat. Neumanns Nachfolger war sein Schüler Anton S t e i n b ü c h e l v o n R h e i n w a l l aus Krems, der ihm in seinen akademischen Kursen aufgefallen war und ihm auch in der Professur für Altertumskunde und Numismatik nachfolgte. Wissenschaftliche Qualitäten sind Steinbüchel auch von seinen zahlreichen Widersachern nie abgesprochen worden; so erwies er sich denn als Direktor des Kabinetts auch den großen Überlieferungen seiner gelehrten Vorgänger würdig. Unter seiner bis 1840 währenden Leitung wurde Wichtiges geleistet, hauptsächlich in der Bearbeitung der immer zahlreicher werdenden Münzfunde, deren wissenschaftliche Bedeutung schon Bergmann klar erkannt hatte. „Da die dem k. k. Münz- und Antiken-Cabinete seit mehr denn 60 Jahren eingesandten Funde in den Acten desselben aufgezeichnet sind, so Hesse sich aus ihnen eine Karte aller dieser Funde, wenigstens der wichtigsten, bis zum heutigen Tage nach und nach anfertigen, und wäre diese Arbeit nunmal zu mühsam und zeitraubend, so ist es an der Zeit, eine solche auf Grundlage unserer ausgezeichneten Specialkarten in ihrem grösseren Maasstabe von jetzt an anzulegen. Derlei Fundkarten werden dem umsichtigen und besonnenen Geschichts- und Alterthumsforscher sicherlich nicht uninteressante Einblicke in die Vergangenheit in mehrfacher Beziehung gewähren und überraschende Resultate darbieten" (258). In der Ära Neumann-Steinbüchel wurden mehrere bedeutende Funde gemacht und z. T. vom Kabinett erworben. Das meiste Aufsehen erregte wohl der fast 2,5 kg Gold enthaltende Schatzfund von Szilägysomlyö in Siebenbürgen (ca. 1797), der von mehreren Generationen gesammelte, ausschließlich aus Gold bestehende Familienschatz eines angesehenen germanischen Fürstengeschlechtes unbekannter Stammeszugehörigkeit. Neben Schmuckstücken, wohl durchwegs germanischer Erzeugung, ist er durch seine 13 schweren Goldmedaillons im Gewichte zwischen 27,15 und 256,99 g, die als Ehrengeschenke aus Rom gekommen und von den Germanen gerahmt und zum Teil auch nachgeahmt wurden, auch numismatisch von großer Bedeutung. Nach der gleichzeitigen Schätzung 84

des Wiener Hauptmünzamtes betrug der ganze Schatz 695 Dukaten oder in Geld 2411 fl. 51 Kr. reiner Metallwert! Es wurde also damals schon vor 175 Jahren der Versuch gemacht, die so wertvollen Funde für die Wissenschaft zu retten. „Soviel ist gewiß", sagt Ludwig HUSZÄR, der die den Fund betreffenden Dokumente zusammengetragen hat, „daß dieses Verfahren sehr kompliziert war, und vielleicht ist auch dies schuld daran, daß uns nur einige wenige bedeutende Funde aus jener Zeit trotz der Einlieferungspflicht erhalten blieben" (453). Eine traurige Tatsache, gegen die bis jetzt leider noch jedes Denkmalschutzgesetz machtlos geblieben ist. Unter den Kustoden des Wiener Münzkabinetts, die damals die einlangenden archäologischen und numismatischen Funde bearbeiteten, ist einer besonders zu erwähnen, dessen Name auch der österreichischen Literaturgeschichte angehört: Johann Gabriel S e i d l (1804—1875), den Zeitgenossen nicht zuletzt als Textdichter der Haydnschen Volkshymne bekannt (1854). Was dieser Wiener Dichter schuf, hat Josef NADLER „bodenechtes Biedermeier, die hold begrenzte Seele eines Volkes, das genoß, um es zu besitzen", genannt (785). Daß sich Seidl auch als Gelehrter, hauptsächlich durch die fortlaufende Veröffentlichung der in der ganzen Monarchie gemachten archäologischen Funde einschließlich der Münzen, einen Namen gemacht hat, beweist seine im Jahre 1851 erfolgte Ernennung zum wirklichen Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Seidls ,Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde' wurden ab 1860 von seinem jüngeren Amtskollegen Friedrich v. K e n n e r (1834—1922) fortgesetzt, dem sowohl auf numismatischem als auch auf archäologischem Gebiete eine ansehnliche Reihe bedeutender Forschungsergebnisse aus allen Perioden der Numismatik zu verdanken ist. Von ihnen sei seine kritische Beschreibung der wichtigsten Stücke aus der hervorragenden Sammlung des oberösterreichischen Stiftes St. Florian (1871) besonders hervorgehoben. Kenner gehört wissenschaftlich schon einer späteren Generation von Numismatikern an, die unter ganz anderen Voraussetzungen arbeiten konnte als die vorhergehende. Sie wird weiter unten gewürdigt werden. Wir müssen hier aber noch kurz bei Steinbüchel und seinem Zeitgenossen Joseph von Bergmann verweilen. S t e i n b ü c h e l hat sich besonders durch eine numismatische Arbeit verdient gemacht, er war einer der ersten, der sich auch wissenschaftlich mit den Problemen der Münzfälschung auseinandersetzte. Im Jahre 1836 erschien zu Wien seine Schrift: ,Die Beckerschen falschen Münzstämpel'. Es handelt sich hier um den fürstlich Isenburgschen Hofrat Carl Wilhelm B e c k e r (1772—1830), einen guten, fast Freund zu nennenden Bekannten Goethes, der mit so vollendeter Meisterschaft Münzen aller Zeiten nachahmte, daß von den Zeitgenossen kaum einer die Nachahmung ahnte. Denn Becker hatte, wie Steinbüchel schreibt, „alles, was immer glücklicher Trug vermag . . . mit großer Umsicht zu seinem Vortheile zu vereinigen gewusst, seinen Stücken fehlt fast nur das eine Kennzeichen — die Wahrheit . . ." Wohl hat es seit jeher mehr oder minder geschickte Münzfälscher gegeben; sie sind insbesondere in unserer Zeit, die mit ihren technischen Errungenschaften dieses üble Gewerbe sehr erleichtert, rege tätig. Aber zur Zeit Steinbüchels (der übrigens in der Arbeit des Italieners Sestini ,Sopra i moderne falsificatori. . .', Florenz 1816, einen Vorläufer hatte) steckte die numismatische Kritik in Echtheitsfragen noch sehr in den Kinderschuhen, so daß wir sogar in Eckhels ,Doctrina' Phantasiemünzen angeführt finden, die nie existiert haben. Man muß natürlich hier zwischen den nahezu seit Anbeginn der Münzprägung existierenden, rein gewinnsüchtigen Zwecken dienenden Fälschungen von Umlaufsmünzen aus minderwertigem Material und den zur Täuschung der Sammler hergestellten Nachahmungen von Raritäten unterscheiden. Becker gehörte der zweiten Gruppe an, wenn er auch immer versichert haben soll, daß er diese Selten85

heiten nur zu Studienzwecken hergestellt habe. Es war daher von Steinbüchel eine vorbildliche Tat, wenn er das Problem der Münzfälschung überhaupt angriff und an einem konkreten Beispiel Fachleuten wie Sammlern die Augen zu öffnen suchte. Auf Steinbüchel war nach seiner Versetzung in den Ruhestand der Oberösterreicher Joseph Calasanza A r n e t h (1791 — 1863) als Direktor gefolgt, der sich aber numismatisch nur wenig betätigte. Von seinen Schriften sind die beiden Auflagen seiner Arbeit über das k. k. Münz- und Antikenkabinett und die Beschreibung der zur Schau ausgelegten Münzen und Medaillen insofern von Bedeutung, als damit das wachsende Interesse des Publikums an diesen Sammlungen bewiesen wird. Wenige Jahre nach seinem Tode gaben dann die beiden Kustoden Eduard Freiherr von S a c k e n , Spezialist für die „Kunstarchäologie" des Mittelalters, und Friedrich K e n n e r , klassischer Archäologe und Numismatiker, eine auch dem Umfang nach ansehnliche Geschichte des Kabinetts und seiner Sammlungen heraus. Dieses Werk entstand bereits während der Direktion des Vorarlbergers Joseph Ritter v. B e r g m a n n ( 1 7 9 6 — 1 8 7 2 ) , „ein Polyhistor in mancher Beziehung", wie LHOTSKY ihn charakterisiert, „der gleichermassen in der mittelalterlichen Genealogie, in der Landeskunde von Vorarlberg, in linguistischen Problemen der Schweiz und der deutschen Literaturgeschichte, vor allem aber in der neueren Numismatik und Medaillenkunde bewandert war, für deren moderne Systematik er Wesentliches beigetragen hat". Er war ein „stiller Gelehrter", der mehr als 130 Veröffentlichungen hinterlassen hat, von denen sein zweibändiges Werk über Medaillen auf berühmte Männer des österreichischen Kaiserstaates, das fast 1000 Druckseiten umfaßt, heute noch — vielleicht in Einzelheiten — kaum überholt ist und infolge seiner erstaunlichen Fülle historischer Daten zur Familiengeschichte der behandelten Personen noch auf lange Zeit hinaus unentbehrlich bleiben wird. Ebenso beruhen seine Abhandlungen über die Pflege der Numismatik in Österreich von Heraeus bis in Bergmanns eigene Zeit hinauf, denen wir hier großenteils gefolgt sind, auf gründlicher Quellenkenntnis. Bergmann starb 1872. Um diese Zeit hatte sich eine bedeutende Umschichtung unter den Trägern der numismatischen Wissenschaft vollzogen. Wie aus dem Gesagten ersichtlich ist, war bisher das k. k. Münz- und Antikenkabinett nahezu die einzige Quelle der Erkenntnis und der Forschung und durch seine gelehrten Beamten, die nebenbei meist auch an der Wiener Universität lehrten, beinahe das einzige Forum zur Verbreitung dieser Wissenschaft gewesen. Wohl gab es damals schon in den österreichischen Erblanden eine ganze Reihe bedeutender Privatsammler, denen die Klöster zeitlich vorangegangen waren, aber eine literarische Tätigkeit haben bis zur Jahrhundertmitte nur wenige entfaltet, wenn wir von Leopold W e l z l s von W e l l e n h e i m mißglückten Arbeiten über die Grafen von Görz (1839) absehen wollen. Da erschien im Jahre 1865 der erste Band der von Dr. G. A. E g g e r , einem Mitbesitzer der Eggerschen Münzhandlung zu Wien, herausgegebenen ,Wiener numismatischen Monatshefte'. In dem Aufruf „An unsere Leser" heißt es da: „Nachdem das große Donaureich, in welchem so viele Zeugenschaften vergangener Jahrtausende schon vorgefunden worden und noch jetzt immer an das Tageslicht gebracht werden, bisher noch kein Organ aufweisen konnte, das sich speziell mit Numismatik und deren Hilfswissenschaften befasst hätte, erging an uns von vielen Seiten die ehrende Aufforderung: für Österreich einen literarischen Sammelpunkt zu bilden, wo die neuesten Forschungen auf dem Gebiete der antiken und neuen Numismatik in eingehender und wissenschaftlicher Weise verfolgt und besprochen werden sollen. Wir glauben deshalb einem ziemlich allgemeinen Verlangen nachzukommen, wenn wir hiemit an die Gründung einer periodischen Schrift schreiten, 86

die es sich zur Aufgabe machen wird, vorzüglich die Verbreitung österreichischer Münzkunde anzustreben, ohne aber deshalb die Numismatik anderer Länder in den Hintergrund zu stellen, die es ferner als ihre Pflicht anerkennen wird, immer neue, wissenschaftlich begründete Aufklärungen über das gesammte Münzfach zu liefern, neue Funde zur allgemeinen Kenntnis zu bringen und jeder literarischen Bewegung auf dem Felde der Numismatik mit kritischem Auge zu folgen." Es war höchste Zeit, daß nun auch in Österreich, neben Italien, dem klassischen Land der Numismatik, eine Fachzeitschrift gegründet wurde, wo auch Laien, d. h. keine approbierten Wissenschaftler, neben diesen sich wissenschaftlich betätigen konnten, wobei natürlich die Beiträge vor Drucklegung durch ein Redaktionskomitee geprüft wurden. In Deutschland war durch den „Altmeister der Numismatik", den Hannoveraner Hermann Grote, schon im Dezember 1831 der Prospekt einer Fachzeitschrift ausgesendet worden, deren erstes Heft aber erst drei Jahre später erschien. Sie hieß zuerst ,Numismatische Zeitung', wurde aber schon mit Heft 4 in ,Blätter für Münzkunde. Hannoversche Numismatische Zeitung' umbenannt. Ungefähr gleichzeitig trat auch J. L e i t z mann, Weißensee in Thüringen, mit seiner ,Numismatischen Zeitung' auf den Plan, während der Holländer P. O. van der C h i j s schon 1832 — als erster Herausgeber eines numismatischen Blattes überhaupt — zu Leyden seine ,Tydschrift voor algemene Munten Penningkunde' herausbrachte. In Österreich war durch Eggers Monatshefte gewissermaßen das Monopol des Münzkabinetts auf Forschung und literarische Betätigung gebrochen und damit der Numismatik ein weites Feld eröffnet worden, das alle Zeiten und Gebiete wie etwa auch die Orientalistik umfaßte. Die Monatshefte als solche erlebten allerdings nur fünf Jahrgänge: 1869 kamen nur mehr zwei Lieferungen dieses fünften und letzten Bandes heraus. Der Grund dieser plötzlichen Einstellung lag aber nicht im Erlahmen des Interesses, sondern ganz einfach im Materialmangel infolge des Erscheinens des ersten Bandes der neuen Numismatischen Zeitschrift' im Jahre 1869 als Organ der eben gegründeten „Numismatischen Gesellschaft in Wien". In ihren Statuten heißt es in § 1: „Die Gesellschaft verfolgt als ihren Zweck die Pflege der numismatischen Wissenschaft. Sie sucht einen regeren Verkehr zwischen Forschern und Sammlern anzubahnen und dadurch deren gemeinschaftliche Interessen zu fördern." Dieser Zusammenschluß der beiden Exponenten der Numismatik auf einer höheren Ebene war das Neue; er sollte bald die schönsten Früchte tragen. Die konstituierende Versammlung fand am 19. März 1870 im grünen Saale der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften statt. Die ersten Redakteure der Zeitschrift waren Christian Wilhelm H u b e r , k. k. Ministerialrat und ehemaliger Generalkonsul in Ägypten, und der Wiener Universitätsdozent Dr. Joseph K a r a b a c e k ; Huber behielt sich die Antike vor, während Karabacek die Münzkunde des Mittelalters, der Neuzeit und des Orients zu betreuen hatte. Aber schon der dritte Band mußte gleichsam als Vorwort, eine dem plötzlich verstorbenen Freund und Förderer der Numismatik Huber zu Beginn des Jahres 1872 gehaltene Gedächtnisrede bringen. Bis einschließlich des fünften Bandes (Jg. 1873, erschienen erst 1875) hatte der mittlerweile zum Universitätsprofessor in Wien ernannte Karabacek die Redaktion der Zeitschrift inne. Ab Band VI/VII (Jg. 1874/75, erschienen 1876) hatte dann ein aus den Herren Direktor Carl Ritter von E r n s t , Kustos Dr. Friedrich K e n n e r und dem Grazer Univ.Prof. Dr. Arnold Ritter L u s c h i n v. E b e n g r e u t h zusammengesetztes Redaktionskomitee die Geschäfte der Zeitschrift zu besorgen. Sie ist dank ihrer allzeit vorbildlichen Betreuung durch dieses Komitee (dessen im Laufe der Zeit wechselnde Zusammensetzung 87

wir hier nicht weiter verfolgen wollen) in den bisher erschienenen 82 Bänden zu einer der bedeutendsten Fachzeitschriften geworden, die ihre Seiten nur den Beiträgen von hohem wissenschaftlichem Wert und allgemeinem Interesse offenhält. Um aber auch kleinere, minder wichtige Aufsätze unterbringen zu können, beschloß die Gesellschaft im Jahre 1883 auch die Herausgabe eines Monatsblattes, durch das „zunächst ein regerer und rascherer Verkehr der Gesellschaft mit ihren Mitgliedern vermittelt werden soll und letztere von den Vereins-Angelegenheiten, Verhandlungs-Programmen und Beschlüssen der Versammlungen sowie in entsprechenden Berichten von den gehaltenen Vorträgen in Kenntnis gesetzt werden. Kurze Aufsätze und Notizen sollen Mitteilungen über Vorkommnisse auf numismatischem Gebiete enthalten, literarische Essays eine periodische Übersicht der numismatischen Publikationen bringen, Münzfunden, ihrer Bestimmung und Besprechung wird eine rege Aufmerksamkeit gewidmet werden." Von diesem Monatsblatt, dessen Nr. 1 vom August 1883 datiert ist, sind bis zum Jahre 1918 11 Bände mit insgesamt 425 Nummern erschienen, die eine reiche Fülle von wertvollem und interessantem Material darbieten. Im Jahre 1890 hatte sich neben der Numismatischen Gesellschaft in Wien der „Club der Münz- und Medaillenfreunde" konstituiert, als dessen Zweck in den Statuten „die Förderung des Sammeins von nicht gangbaren Münzen und Medaillen im allgemeinen sowie insbesondere die Pflege des Verkehres mit Münzen und Medaillen der Mitglieder untereinander", also Tausch oder Verkauf, angegeben wurde. Als „Mittel zur Erreichung des Zweckes" wurde ein Kluborgan, die,Mitteilungen des Clubs der Münz- und Medaillenfreunde in Wien', herausgegeben, das 15 Jahrgänge (1890—1904) erlebte, aber von 1905 bis 1918 ,Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde' hieß, konform der neuen Bezeichnung, die sich der alte „Club" gegeben hatte. Im Jahre 1919, als sich durch die Zertrümmerung der alten Monarchie der Mitgliederstand der beiden Gesellschaften stark verringert hatte, kam es endlich zu einer schon längst fälligen Fusion unter dem Namen der älteren Gesellschaft, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg „Österreichische Numismatische Gesellschaft" nennt. Dementsprechend wird auch das an die Stelle des alten Monatsblattes getretene gemeinsame Publikationsorgan ,Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft' bezeichnet. Zu erwähnen bleibt noch, daß die Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde auch zwei Bände der ,Zeitschrift für Münz- und Medaillenkunde' herausgebracht hat: I, Wien 1905-1907; II, Wien 1908-1913. Zwischen den beiden Gesellschaften, deren Publikationen eine schier unerschöpfliche Fülle von Erkenntnissen darbieten, war es stillschweigend zu einer Art Arbeitsteilung gekommen. Während die Numismatische Gesellschaft in erster Linie die Antike und das Mittelalter kultivierte und auch Arbeiten über nichtösterreichische Themen Raum gewährte, pflegten Club und Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde hauptsächlich Österreich und die moderne Medaille. Die konservative Einstellung der Gesellschaft machte sich nicht zuletzt auch dadurch bemerkbar, daß die Leiter und Kustoden des kaiserlichen Münzkabinetts, wie Karl D o m a n i g , Ernst H a r t m a n n von Franzenshuld, Friedrich v. K e n n e r , Wilhelm K u b i t s c h e k , Rudolf M ü n s t e r b e r g , ihre Arbeiten in der Numismatischen Zeitschrift herausbrachten. Neben ihnen beteiligten sich in dieser noch eine ganze Reihe anderer hervorragender Mitarbeiter, so der Montanist und Beamte an den Münzämtern Venedig und Wien, zuletzt Direktor des k. k. Bergwerksprodukten-Verschleißes, Carl Ritter von E r n s t , der Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Alfred Na gl, der uns schon bekannte Orientalist Prof. Dr. Joseph K a r a b a c e k , dann der kenntnisreiche Kustos der Bibliothek und des Museums der Stadt Wien Dr. Karl S c h a l k , der Oberstleutnant Otto V o e t t e r , der Oberst Eduard Ritter v. Z a m b a u r 88

und der Grazer Rechtshistoriker und Universitätsprofessor L u s c h i n , der wohl alle Vorgenannten an wissenschaftlicher Bedeutung weit übertraf. E r n s t hat sich nicht nur als einer der Schriftleiter der ,Numismatischen Zeitschrift' um diese sehr verdient gemacht, sondern war selbst wissenschaftlich tätig. Beruflich mit der Technik des Münzens in allen Einzelheiten wohl vertraut, hat er sowohl in dieser Sparte als auch für die österreichische Münzgeschichte gediegene Arbeit geleistet und dadurch so manches numismatische Neuland erschlossen, wobei er auf Grund des einschlägigen Aktenmaterials streng methodisch vorging. S c h a l k hat sich hauptsächlich mit der Geschichte der Münzstätte Wien beschäftigt, während K a r a b a c e k und Zamb a u r auf dem Gebiet der orientalischen Münzkunde Hervorragendes leisteten, wobei auch der gelegentliche Einfluß des orientalischen, insbesondere türkischen Münzwesens auf die Münzverhältnisse in gewissen Gebieten der Monarchie nicht vergessen wurde; so hat z. B. Zambaur die Prägungen der Osmanen in Bosnien, Karabacek die monetären Folgen der mongolischen Invasion in Ungarn 1241/42 behandelt. Eine ganz besondere Stellung nimmt Otto V o e t t e r ein. Er war vor allem ein erfolgreicher Sammler römischer Münzen, von denen er mehr als 30.000 Stück zusammengebracht und in 11 Bänden beschrieben hat. Katalog und Sammlung schenkte er dem kaiserlichen Münzkabinett. Er hat als aktiver Offizier in Komorn, in dessen Nähe, bei Ö-£zöny, sich ein Römerlager befunden hatte, selbst Grabungen veranstaltet. Er kann aber auch — fast ein Jahrhundert nach E c k h e l — als Begründer der Wiener Schule bezeichnet werden, die sich auf die spätrömische Kaiserzeit spezialisierte und deren Münzen „nach den Abschnittsmarken (und sonstigen Serienzeichen) in ausdrücklichem Gegensatz zu Eckhels Verzicht und ungerechter Abkehr sammelte und für eine Geschichte der Entwicklung der römischen Kaisermünzen . . . ausnützte" (594). Neben Voetter gehören zu den hervorragendsten Vertretern dieser Schule Dr. Alexander M i s s o n g , Dr. Joseph v. K o l b , Theodor R o h de sowie der als Sammler hochbedeutende, aus Frankenthal in der Rheinpfalz stammende Wiener Teehändler Franz T r a u . Voetter hat es auch verstanden, Tafeln „nach Durchreibungen von Münzen mit virtuoser Betonung des Charakteristischen zu zeichnen" (594). Die von ihm in seinen Münzbeschreibungen angewendeten Abkürzungen und Zeichen werden noch heute in der ganzen Welt gebraucht. Er hat am Schlüsse eines langen Lebens „eine herrschende Stellung im Studiengebiet der römischen Numismatik bezogen" (594). Wenn Percy H. W e b b , M. B. E., der Bearbeiter des V. Bandes der Roman Imperial Coinage (1962), auf S. XVII in der Select bibliography zum Schlagwort Voetter schreibt: "The invaluable series of his articles in Num. Zeitschrift], from 1899 onwards, without which it would have been most difficult to compile this work" (1205), so beleuchtet dieser Satz in prägnanter Kürze den Ruf, den Voetter noch Jahrzehnte nach seinem Tode (f 1926) in der Fachwelt des In- und Auslandes mit vollem Recht genoß. Mit Voetter muß zugleich auch Wilhelm K u b i t s c h e k genannt werden, der der Numismatischen Gesellschaft 44 Jahre als Mitglied, Vorstandsmitglied, Redakteur, Präsident und zuletzt als Ehrenpräsident angehörte. Überdies war er Kustos und seit 1916 Direktor des antiken Münzkabinetts und überdies auch Ordinarius für Altertumskunde an der Wiener Universität. Er hat in seinen vielfältigen Beanspruchungen sowohl organisatorisch als auch wissenschaftlich Hervorragendes geleistet. Sein Interesse galt besonders den Bodenschätzen in Carnuntum bei Deutsch-Altenburg und Lauriacum (Lorch) bei Enns. Durch seine Publikation einer Anzahl von Lagerfälschungen aus dem Besitz des Oberstleutnants Eduard La com, antiker Fälschungen vom Donau-Limes, hat er diese merkwürdige Reihe als erster der Öffentlichkeit bekanntgemacht. Durch seine Umsicht und Initiative hat er auch dem Münzkabinett die Erwerbung wichtiger Sammlungen 89

ermöglicht. Unter ihm ist „das Inventar der Griechen von 27.602 auf 37.025 gewachsen, die Zahl der Römer aber, die 35.000 Stücke betragen hatte, war verdoppelt worden". Der hervorragendste Vertreter der österreichischen Münzforschung aus der Anfangszeit der Wiener Numismatischen Gesellschaft, der ihr auch seit ihrer Gründung angehörte, war Johann N e w a l d (1817—1886), Direktor der k. k. Forstakademie Mariabrunn bei Wien. Wie so viele zu wissenschaftlicher Bedeutung gelangte Numismatiker war auch er Autodidakt. Daß aber kein Geringerer als Arnold von L U S C H I N seinen Nekrolog schrieb, zeigt deutlich, welchen Rang Newald in seinem Spezialfach, der Münzgeschichte Österreichs seit dem Mittelalter, einnahm. Für die Zeit von Ferdinand I. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts kann man über seine Arbeiten das gleiche sagen, wie der Engländer Webb über die Voetters: ohne sie wäre z. B. dieses Buch zu schreiben unmöglich gewesen. Mit Recht konnte auch Luschin darauf hinweisen, daß „ein unbefangener Vergleich seiner Arbeiten mit dem B e c h e r sehen Werke über das österreichische Münzwesen der Jahre 1524—1838 . . . oder dem Waldnerschen Versuch eines Entwurfes der Hauptmomente des deutschen Münzwesens den Wert des auf archivalischer Forschung beruhenden Gesamtwerkes von Newald voll erkennen lasse. Grundlegend", heißt es weiter, „sind seine Arbeiten für die Zeit von Ferdinand I. bis zum Regierungsantritt Ferdinands II.; fürs folgende Jahrhundert sind von ihm wichtige Vorarbeiten geschaffen worden." Zweier bedeutender Forscher, die beide im Jahre 1965 von uns gegangen sind} sei hier noch gedacht: August Oktavian Ritter v. L o e h r und Karl P i n k . Loehr hat als Nachfolger Domanigs die Direktion des Münzkabinetts und dann der „Bundessammlung" übernommen und diese Institution zu neuem Leben erweckt; vor allem durch eine Neuaufstellung der Schausammlung wirkte er beispielgebend. Wie er selbst in der Einleitung zu dem 1935 erschienenen Führer durch die Sammlung sagt, war f ür das zu diesem Zeitpunkt über 300.000 Objekte umfassende Kabinett die Regierung Karls VI. von entscheidender Bedeutung gewesen. „Der kaiserliche Antiquitäteninspektor Heraeus hatte nicht bloß die Sammlung großzügig zu vermehren und auszugestalten, er hatte auch die Ausführung der im Zusammenhang mit der Reform des Prägewesens neu eingeführten Hofmedaille zu überwachen, Bildentwürfe und Inschriften zu entwerfen und mit den Medailleuren zu beraten. Es ist dies die Epoche, die für die numismatischen Sammlungen überhaupt charakteristisch geworden ist, die nicht die Gußmedaille, sondern das Prägestück in den Mittelpunkt des Interesses zog, zwischen Münzen und Medaillen wenig unterschied, da der historisch antiquarische Gesichtspunkt vorherrschte und so jene Gleichartigkeit in den Sammlungsobjekten kannte, die die Voraussetzung für das nun stärker werdende Sammlerinieresse und die Fachliteratur bildete. Heute ist das Verständnis der gleichen Wurzel des Sammeins für die disparaten Formen der Geldzeichen und die ebenfalls vielgestalteten Medaillen nicht immer mehr ganz vorhanden, da die Erinnerung an die Zeit, da die Münzen Medaillen sein wollten und die Medaillen Schaumünzen waren, verblaßt ist" (648). Nachdem die streng wissenschaftliche Richtung Eckhels eine starke Zuwendung zur antiken Numismatik ausgelöst hatte, die sogar noch die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts beherrschte, hat dann der Tiroler Volksdichter Karl D o m a n i g , der von 1900 bis zu seinem Tode (f 1913) die Sammlung für Mittelalter und Neuzeit leitete, bewirkt, daß sich das Wiener Kabinett wieder mit der Medaille befaßte. „In der Folge hat sich, mit der glücklichen Möglichkeit moderne Kunstmedaillen im größten Ausmaß zu vereinen, das Bedürfnis der planmäßigen wissenschaftlichen Bearbeitung und Aufsammlung des gesamten österreichischen Münz- und Geldwesens geltend gemacht, wobei sich sofort die Notwendigkeit zeigte, über die Münze hinaus Papiergeld und Kreditpapiere aller Art 90

in das Arbeitsgebiet einzubeziehen und sich die grundsätzlichen Fragen des Geldzeichens von den primitiven Formen an vorzulegen' 4 (648). Aus dieser Sicht ergab sich eine Darstellung der Morphologie des Geldes, die Loehr nicht nur in musealer Hinsicht, sondern auch in seinen wissenschaftlichen Arbeiten konsequent durchgeführt hat. Er ist damit zum Vertreter jener schon von Luschin betonten Lehre geworden, daß die Numismatik keine isolierte Wissenschaft sein darf, sondern daß sie auch mit den Nachbarwissenschaften und mit dem praktischen Leben dauernd in Kontakt bleiben muß. Ferner meinte er, daß die Münze wohl den Kernpunkt der Numismatik bildet, daß diese aber, um lebendig zu wirken, die Münze in den viel weiteren Begriff des Geldes einordnen muß. So ist es nur eine logische Folgerung, wenn wohl die geprägte Metallmünze als wichtigstes Tauschmittel im Vordergrund steht, daß ihr aber „ebenso sehr wichtige Vorstufen (Naturalgeld) vorausgingen, wie ihr vielerlei Erfindungen (Kreditgeld) nachfolgen und wie bereits mit ihr Entwicklungsphasen anderer Art (Giro- und Kompensationsverkehr) laufen" (648). Damit hat sich eine neue Auffassung vom Wesen der eigentlichen Münze — wenn auch keineswegs kampflos — durchgesetzt. Die Ausweitung des münzgeschichtlichen Stoffes zum geldgeschichtlichen ist damit eine wissenschaftliche Selbstverständlichkeit geworden und führte auch zur Legitimierung einer bisher meist über die Achsel angeschauten „bloßen Hilfswissenschaft". Loehrs Initiative in den schweren Zeiten nach dem Zusammenbruch der Monarchie ist nicht zuletzt auch die Erhaltung der Privatsammlungen zu verdanken, als der neue Staat bereits seine Hände danach ausstrecken wollte. Ebenso ist die Ausgestaltung der Bundessammlung sein und seiner bewährten Mitarbeiter Verdienst. Aus der Reihe seiner zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten sei hier insbesondere die Herausgabe des von dem Großindustriellen Viktor M i l l e r zu A i c h h o l z begonnenen, von Loehr und seinen Mitarbeitern fortgesetzten und vollendeten Werkes .Österreichische Münzprägungen seit 1519' hervorgehoben, das bereits in 2. Auflage vorliegt (eine 3. wird vorbereitet). Dank der geldgeschichtlichen Erläuterungen zu den einzelnen Prägejahren, in die das Werk gegliedert ist, wird damit nicht nur dem Wissenschaftler, sondern ebenso dem Sammler österreichischer Münzen eine chronologische Übersicht über ein Kapitel der Münzgeschichte geboten. Als Zeitgenosse Loehrs stand auch der ehemalige Zisterzienser, dann Weltpriester Univ.-Prof. Dr. Karl P i n k , nach dem Tode Rudolf M ü n s t e r b e r g s (f 1926) der antiken Abteilung der Bundessammlung vor. Neben zahlreichen bedeutenden Arbeiten über griechische und römische Gepräge hat Pink vor allem durch seine Forschungen auf dem Gebiete der keltischen Numismatik, die insbesondere den Ostkelten galt, durch seine Methodik und Systematik bahnbrechend gewirkt und sich damit um diese ungemein schwierige Epoche, die ja infolge des Fehlens jeglicher schriftlicher Überlieferung nur auf die Münzen selbst als Dokumentation angewiesen ist, außerordentlich verdient gemacht. Pink führte in die wissenschaftliche Arbeit das System des sogenannten Aufbaues ein. Der Zweite Weltkrieg hat in dem noch jungen Georg E l m er, den Pink selbst als seinen „begabtesten Schüler" bezeichnete, ein schweres Opfer gefordert. Elmers Doktordissertation über Eugenius und sein vier Jahre später in den Bonner Jahrbüchern erschienener großangelegter Aufsatz über die Münzprägung der gallischen Kaiser in Köln, Trier und Mailand hatten große Hoffnungen für seine wissenschaftliche Zukunft erweckt, die durch ein tragisches Geschick nicht erfüllt werden konnten. Aus dem Kreise des Clubs bzw. der Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde seien hier drei Namen kurz hervorgehoben: Theodor U n g e r , Rudolf H ö f k e n v. Hatt i n g s h e i m und Viktor v. R e n n e r . Einer Forscherfamilie (sein Vater Franz war einer der bedeutendsten Botaniker seiner 91

Zeit, dessen Bruder Ferdinand war Arzt und zugleich ein eifriger und erfolgreicher Archäologe) entstammte der steirische Historiker Theodor U n g e r (1840—1896). Als Leitgedanken seiner Sammlung verfolgte er das Ziel, ein erschöpfendes numismatisches Gesamtbild der Personen- und Ortsgeschichte der Donaumonarchie zu schaffen. Er war also ungleich dem Universalsammler Karl H o l l s c h e k ein Spezialist. Seine Sammlung enthielt denn auch nur eine Auswahl der Münzen und Medaillen österreichischer Regenten, während die Prägungen österreichischer Standesherren, Privatpersonen und Orte in außergewöhnlicher Vollständigkeit vertreten waren. Der Versteigerungskatalog, der bei den Personenmedaillen auch familiengeschichtliche Hinweise brachte, ist daher für den Forscher heute noch eine unerschöpfliche Fundgrube. Dieser mit Verständnis und Hingabe angelegten Sammlung entsprechen auch die literarischen Leistungen des Besitzers, der 1864 in das damals noch mit dem Münz- und Antikenkabinett vereinigte Archiv am Landesmuseum Joanneum in Graz als Volontär eintrat. Seine auf archivalischer Forschung beruhenden Arbeiten galten zwar in erster Linie der Medaille, aber nicht zuletzt auch der Münze. Hier hat sich Unger insbesondere durch ein aus den Quellen geschöpftes Verzeichnis steirischer Münzmeister und sonstiger Münzbeamter sehr verdient gemacht. Daß der vielseitig gebildete und interessierte Forscher auch auf allgemeingeschichtlichem Gebiete seiner steirischen Heimat tätig war und schließlich seinem Hauptwerke, dem erst nach seinem Tode von Ferdinand K h u l l vollendeten ,Steirischen Wortschatz', einen guten Teil seiner Arbeitszeit widmete, sei zur Charakterisierung dieser trefflichen Gelehrtenpersönlichkeit hier wenigstens am Rande vermerkt. H ö f k e n ist insbesondere durch das von ihm herausgegebene ,Archiv für Brakteatenkunde' bekannt geworden, später auch noch durch seine Arbeiten über österreichische Weihemünzen. R e n n e r dagegen, der mit einem großen Werke über die zweite Türkenbelagerung Wiens hervorgetreten ist, betätigte sich viele Jahre hindurch als Schriftleiter der ,Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde', in denen er außer zahlreichen Beschreibungen wichtiger Mittelalterfunde sowie kleineren Arbeiten über neue Münzemissionen u. dgl. hauptsächlich über moderne Medaillen referierte. Wie so viele österreichische Numismatiker erreichte auch er das Patriarchenalter. Dies war auch bei Arnold L u s c h i n von E b e n g r e u t h der Fall, jener einmaligen Persönlichkeit eines mit ungewöhnlichen Forschergaben und ebenso außergewöhnlichen Kenntnissen begabten Numismatikers von echtem Schrot und Korn. Zwar hatte er in seiner Bescheidenheit im Vorwort zur 1. Auflage seiner unerreichten und unübertroffenen ,Allgemeinen Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit' gemeint, „neben dem Österreicher Eckhel, dem Verfasser der heute noch jugendfrischen ,Doctrina numorum veterum', und Mader, dem Begründer einer wissenschaftlichen Behandlung der Münzkunde des Mittelalters, hätte unzweifelhaft Alexander von Pawlowski sich einen dritten Ehrenplatz auf dem Felde der Numismatik gesichert, wenn ihm die Vollendung eines groß angelegten Handbuchs der mittleren und neueren Münzgeschichte, das er begonnen hatte, beschieden gewesen wäre." So war es Luschin vorbehalten, dieses Werk, zu dem ihm zum größten Teil ungedruckt gebliebene Arbeiten P a w l o w s k i s sicherlich den Anreiz gaben (er entnahm ihnen auch den „obersten Einteilungsgrad"), selbst zu schreiben und damit ein einzig dastehendes Monument des Gelehrtenfleißes, der Sachkenntnis und der Kritik zu errichten, das — aere perennius — heute noch unerschüttert dasteht. Luschin (1841 — 1932), der als Rechtshistoriker auch das für die Erforschung des Mittelalters so bedeutsame Institut für österreichische Geschichtsforschung als Gast besuchte und schließlich in Graz österreichische Rechtsgeschichte lehrte, war ein wissen92

schaftliches Phänomen. Er bewegte sich in den beiden Sparten seiner Forschertätigkeit auf Neuland. Die Rechtsgeschichte konnte zur Zeit seiner Habilitierung erst auf wenige Jahrzehnte ihres Bestehens als moderne Wissenschaft zurückblicken, und in Österreich hat ihr Luschin überhaupt erst zur allgemeinen Anerkennung verholfen. Nur einem so durchdringenden Geiste wie dem seinigen, der jedes Problem, mochte es aus noch so vielen Facetten bestehen, von allen möglichen Seiten betrachtete, war es möglich, einen so lange vernachlässigten Boden zu reichem Ertrag zu bringen: Intuition und die im oben erwähnten Institut erlernte strenge Forschungsmethode ließen ihn zum Ziel gelangen. Die Wiener Pfennige des Mittelalters bildeten zu Beginn seiner Laufbahn noch eine Terra incognita. Man kannte wohl diese Münzsorte, wußte aber mit ihr nichts anzufangen, vermochte ihre Bilder nicht zu deuten, ihre Herkunft, ihr Alter nicht zu bestimmen. Der Urkundenforscher hat es da viel leichter. Denn das beschriebene Pergament gibt, selbst wenn es nicht datiert ist, doch weit mehr Anhaltspunkte als die mittelalterlichen Denare: „meist ohne Aufschrift, von roher und unvollständiger Präge sind sie in der Regel", schrieb Luschin selbst 1869, also zu Beginn seiner Forschertätigkeit. Aber so wenig Gemeinsames — rein äußerlich gesehen — Urkunde und Münze haben, so enge sind sie in den Forschungsmethoden miteinander verwandt: beide können, von Einzeluntersuchungen ausgehend, zu großen Ergebnissen führen; beiden kommt, wie Luschin für die Numismatiker forderte, „eine selbständige Stellung in der Gruppe der historischen Wissenschaft" zu, denn sie erschließen uns „Äußerungen menschlicher Tätigkeit, politischen, künstlerischen und volkswirtschaftlichen Inhalts, die dem Gesamtbild menschlicher Zustände der Vergangenheit nicht fehlen dürfen". Von dieser hohen Warte aus wird dieser Disziplin die etwas abschätzige Bezeichnung „Hilfswissenschaft" keineswegs gerecht. Von seinen Protagonisten hat ihm insbesondere Joseph von B e r g m a n n , der 1872 in Graz starb, in persönlichem Umgange viel gegeben. Er und Luschin verfügten über ein geradezustupendes historisches Wissen. Aber erst Luschin war imstande, eine amorphe Masse, wie es die österreichischen Pfennige des 12. —14. Jahrhunderts mit wenigen Ausnahmen waren, aus ihrer Erstarrung zu lösen, was nur mit raffinierten Methoden, selbstlosem Fleiß und Ausdauer zu erreichen war. Luschin konnte auf diesem seinem Spezialgebiet nur deshalb einen durchschlagenden Erfolg erzielen, weil er innerhalb einiger Jahrzehnte alle ihm erreichbaren Münzfunde zu durchforschen vermochte, so daß es ihm schließlich gelang, auf Grund eingehendster Materialkenntnis seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Diese sind so tragfähig, daß alle neueren Forschungen sie zum Ausgangspunkt nehmen müssen. Sie werden, was Methode und Kritik anlangt, für immer als ein unübertroffenes Beispiel exakter Forschung dienen können, auch wenn auf Grund neuer Funde und neuer Hinweise da und dort ein Stück nunmehr anders gedeutet werden kann. Das gilt für alle Sparten der von Luschin bearbeiteten Mittelalterpfennige, für die Wiener ebenso wie für die steirischen und kärntnerischen Prägungen Grazer oder Friesacher Schlags. Die Krönung von Luschins numismatischer Lebensarbeit aber ist und bleibt seine schon zitierte ,Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte', die im Rahmen des von G. v. Below und F. Meinecke herausgegebenen .Handbuches der mittelalterlichen und neueren Geschichte' 1904 in erster und 1926 in einer zweiten, stark vermehrten Auflage herausgekommen ist. Dieses Werk war in seiner Art ein Novum, weil es nicht wie andere Bücher mit ähnlicher Absicht „fast ausschließlich die Bedürfnisse des angehenden oder schon tätigen Münzsammlers" berücksichtigt, sondern weil es als die Summe „einer vierzigjährigen literarischen Beschäftigung mit Münzen" den akademisch geschulten Historiker über alle Fragen der Münzkunde Auskunft geben will. Wie es die Vorrede zur 93

ersten Auflage hervorhob, ist es „eine leidige, oft und von verschiedener Seite beklagte Tatsache . . ., daß selbst sehr tüchtige geschichtliche Werke meist versagen, sowie sie auf das Gebiet der Münzgeschichte kommen oder soweit sie sonst Münzen als Quellen ihrer Darstellung benutzen müssen". Welche Fülle an Wissen in diesem Buche aufgespeichert ist, davon zeugt in beredter Weise die herangezogene Literatur, die, in einem eigenen Verzeichnis zusammengefaßt, allein viele Seiten beanspruchen würde. Denselben Geist atmen auch Luschins Arbeiten auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte. Hier hat er durch sein Handbuch und durch einen Grundriß der österreichischen Reichsgeschichte unbeschadet des trefflichen Buches gleichen Titels von Alfons H u b er (1894, zweite Aufl. 1904 bearb. von Alfons D o p s c h ) eine unentbehrliche Grundlage auch für die Münz- und Geldgeschichte und ihre rechtlichen Beziehungen geschaffen, weil diese erst in einem größeren rechtsgeschichtlichen Zusammenhang deutlich werden. An seinem Lebensabend hat uns Luschin noch mit einer kleinen Selbstbiographie beschenkt, in der er Leben und Laufbahn dem Leser in prägnanter Weise vor Augen führt. Sein Tod Ende 1932 hat eine empfindliche Lücke in die um diese Zeit ohnehin dünn gesäte Reihe der numismatischen Elite gerissen. Zum Schlüsse dieses Berichtes noch einige Zeilen über eine an Zahl zwar geringe, dafür aber erlesene Schar österreichischer Numismatiker, die es in dieser Sparte der historischen Wissenschaft zu fortwirkender Anerkennung ihrer Leistungen gebracht hat: die Offiziere der österreichisch-ungarischen Armee. Der Dienst versetzte sie oft in die entlegensten Garnisonen der Monarchie, wo sie sich mangels anderer geistiger Beschäf tigung oft als Münzsammler oder auch auf wissenschaftlicher Basis als Forscher betätigten. Zwei von ihnen haben wir schon kennengelernt: V o e t t e r und Z a m b a u r , die beide auf ihrem Gebiete bahnbrechend wirkten. Neben ihnen ist auch Oberst Georg Conte V e i t h zu nennen, der als Artillerist Jahre hindurch in einer einsamen „kula" (Fort) an der montenegrinischen Grenze hauste und dort Schlangen und römische Münzen sammelte; nebenbei schrieb er ein Werk über die Feldzüge Julius Caesars in Illyricum, wofür er von der Universität Münster zum Ehrendoktor ernannt wurde. Als er schließlich eine Studienreise für den ,Atlas der antiken Feldzüge' von Haushofer nach Anatolien unternahm, wurde er von Hirten meuchlings erschlagen und seiner Barschaft beraubt. Ein anderer Artillerist, Oberst Hans Freiherr v. K o b l i t z (f 1931), genoß als Kenner der Münzen spätrömischer Kaiser und der Kelten einen internationalen Ruf. Nebenbei hat er auch seinen Neffen, Dr. jur. Friedrich M a y r e d e r , der mehrere treffliche Arbeiten über österreichische Mittelaltermünzen veröffentlichte, zu einem hoffnungsvollen Numismatiker herangebildet, dem leider ein früher Tod beschieden war. Der berufene Nachfolger Luschins auf dem Gebiete der Friesacher Pfennige, wo die Forschung durch neue Funde immer wieder vor neue Probleme gestellt wurde, war der Pionieroberleutnant Egon B a u m g a r t n e r , der nach dem Ersten Weltkrieg in Marburg in der ehemaligen Untersteiermark tätig war, ein für die Numismatik äußerst fruchtbares Gebiet, das schon durch die dort gemachten Funde mannigfache Anregung bot. Baumgartner hat die Ergebnisse seiner Forschungen in einer ganzen Reihe ausgezeichneter Aufsätze, teils in deutscher, teils in slowenischer Sprache veröffentlicht. Durch seine Arbeit ,Das Eriacensisgepräge und seine Beischläge' und seine ,Blütezeit der Friesacher Pfennige', in deren zweitem Teil auch die Friesacher Grenzmünzung behandelt ist, Arbeiten, die zum Teil über Luschins Untersuchungen hinausgehen, hat er sich in der Fachwelt bald einen angesehenen Namen geschaffen. Seine Ausbildung als akademischer Maler kam ihm dabei sehr zugute, da er seine Aufsätze selbst illustrieren konnte, wobei sein künstlerisch geschultes Auge das Charakteristische der Gepräge vortrefflich erfaßte. Ein früh94

zeitiger Tod hat ihn den Abschluß seines Lebenswerkes, das jetzt von unserem gemeinsamen Freunde Wilhelm von F r i t s c h in Graz sachkundig und pietätvoll fortgeführt wird, leider nicht mehr erleben lassen. Im letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges starb der Infanterieoberst August v. M ü l l e r - W a n d a u , der mehrere Jahre im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum für die dortige Weltkriegssammlung tätig war und auf Grund seiner eigenen Kollektion von historischen Medaillen Österreichs, Papiergeld der alten Monarchie und nicht zuletzt einer fast vollständigen Reihe des russischen Kriegsgefangenen-Lagergeldes 1914—1918, die er aus eigenem bitteren Erleben zusammengebracht hatte, auch literarisch mit interessanten Beiträgen hervortrat. Gleichfalls Infanterist, gehörte Hauptmann Leo S c h i n d l e r (1888—1957), wie auch in seinem Nachruf hervorgehoben wurde, zu jenen Offizieren, die sehr befruchtend auf die Numismatik eingewirkt haben. Sein Sammelgebiet waren die byzantinischen Münzen. Als einer der bedeutendsten österreichischen Sammler auf diesem Spezialgebiet, hatte er seine Sammlung ganz auf ein bestimmtes wissenschaftliches Ziel ausgerichtet. Er plante ein Corpus, aber nicht in der üblichen Weise, sondern in Tabellenform, die dem Betrachter das Münzwesen und die Münzen jedes Herrschers nach Münzstätten geordnet mit Zuhilfenahme eigens ersonnener Zeichen anschaulich, gleichsam plastisch vor Augen führen sollte. Die Vorarbeiten zu diesem umfangreichen Plan waren schon sehr weit vorgeschritten, als der Tod Schindler die Feder vorzeitig aus der Hand nahm. Glücklicherweise hat er, zum Teil gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Dr. Gerhard K a l m a n n , eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, von denen insbesondere seine kritischen byzantinischen Regententabellen erwähnt seien. Der 1942 als Feldmarschalleutnant verstorbene Heinrich T e i s i n g e r von T ü l l e n b u r g hat sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit den Prager Groschen beschäftigt, deren schwierige Chronologie er mit großem Fleiße zu klären bemüht war. Daß ein kaiserlicher Offizier, der aus elsässischem Uradel stammende Christian Jakob August Freiherr von B e r s t e t t (1773—1860), der als Dragoneroffizier, zuletzt Major, in kaiserlichen Diensten die Koalitionskriege und dann den Befreiungskampf gegen Napoleon mitmachte, zum Begründer der oberrheinischen Münzgeschichte wurde, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Der ehemalige Pioniermajor Franz v. S c h e i g e r (f 1961) hat die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg im konsularischen Dienst in Albanien verbracht und sich zu einem der besten Kenner der Geschichte dieses Landes entwickelt. Er besaß eine großartige Sammlung von antiken und mittelalterlichen Münzen dieses Raumes, über die er einige von großer Sachkenntnis zeugende Aufsätze veröffentlichte, wie z. B. über die mittelalterliche Münzstätte in Durazzo oder ,Una moneta d'oro byzantina-slava del secolo V i r . Leider hat sich Scheiger nur schwer entschlossen, seine Forschungsergebnisse, über die er im Kreise der Grazer Numismatischen Vereinigung zu referieren pflegte, auch zu Papier zu bringen, da er hoffte, sie durch neue Funde noch besser belegen zu können. Scheiger stellt gewissermaßen den Übergang von jenen Sammlern, die auf Grund ihrer Sammeltätigkeit zur Forschung angeregt wurden, zum reinen Sammler dar, zu welchem Typus eine nicht unbedeutende Anzahl alter Offiziere gehörte. Ihre Namen können wir hier zum größten Teil übergehen, da wir von ihren Sammlungen bestenfalls aus Auktionskatalogen Kenntnis haben. Nur drei von ihnen müssen hier genannt werden, weil die Kataloge ihrer großartigen Kollektionen heute noch eine Fundgrube für die österreichische Numismatik sind. Es sind dies in chronologischer Reihung Fürst Wilhelm M o n t e n u o v o , Ernst Prinz zu W i n d i s c h - G r ä t z und Karl H o l l s c h e k . 95

Der älteste dieses Trifoliums ist der General der Kavallerie Fürst Wilhelm von M o n t e n u o v o (1821 — 1895), der Sohn der Herzogin Maria Louise von Parma, Piacenza und Guastalla, geborenen Erzherzogin von Österreich, dann Gattin Napoleons und nach dessen Tod Gemahlin des Grafen Adam Adalbert von Neipperg. Montenuovo (die italienisierte Form des Vaternamens) hatte in einer mehr als dreißigjährigen Sammeltätigkeit mit wahrhaft fürstlichen Mitteln eine hervorragende Sammlung von rund 70.000 Münzen und Medaillen zusammengebracht, die aus mehreren Hauptgruppen bestand. Die umfangreichste Gruppe (18.000 Stück) umfaßte Italien; es wurde allerdings nur ein kleiner Teil davon in den Auktionskatalog aufgenommen, der weitaus größere Rest jedoch im Lande selbst verkauft. Von ganz besonderer Bedeutung waren in der Abteilung Österreich die nahezu 2200 historischen Medaillen, von denen bedauerlicherweise ebenfalls eine beträchtliche Anzahl vor der Versteigerung veräußert worden war, so daß der wegen seiner Fülle einzig dastehende Katalog durch diesen Verlust wissenschaftlich ein wenig entwertet wird. Auch eine Sammlung von ca. 600 Stück Münzen und Medaillen Maximilians I. war vorhanden, von der gleichfalls nur ein geringer Teil katalogisiert und damit der größere Teil der Öffentlichkeit wie der Wissenschaft entzogen wurde. Einzigartig und von den größten Kostbarkeiten strotzend war die Sammlung siebenbürgischer Münzen, in der sich u. a. auch eines der vier stempelverschiedenen Hundertdukatenstücke des Fürsten Michael Apafi befand. Der Fürst hatte diese Sammlung wohl größtenteils im Lande selbst zusammengebracht, als er in Hermannstadt das 12. Armeekorps kommandierte. Diese außerordentliche Sammlung, die 1414 Stücke umfaßte, ist glücklicherweise in einem eigenen Katalog erschöpfend beschrieben worden und hat neben den Beständen des Brukenthal-Museums in Hermannstadt dem Werke von Adolf RESCH über die Münzen und Medaillen seines Heimatlandes (982) als wichtige Quelle gedient. Der im Jahre 1827 geborene Ulanenoberst Ernst Prinz zu W i n d i s c h - G r ä t z hat schon in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu sammeln begonnen. Die sieben Bände des gedruckten Kataloges, an dessen Abfassung Eduard F i a l a (Mittelalter und Neuzeit), Dr. Josef S c h o l z (Griechen), Otto V o e t t e r (Römer) und Eduard v. Z a m b a u r (Orientalische Münzen) beteiligt waren, führt über 33.000 Nummern an, darunter ebenso wie bei Montenuovo zahlreiche Raritäten allerersten Ranges. Literarisch ist der Prinz nur ein einziges Mal mit einer bescheidenen „Miszelle" hervorgetreten, in der er von dem Funde eines Brakteatenstempels aus dem 13. Jahrhundert auf der gräflich Kälnokyschen Besitzung Lettowitz in Mähren berichtet, wo ihn ein Waldheger beim Fällen eines Baumes entdeckte. Kälnoky schenkte das seltene Stück samt den mitgefundenen Münzen dem Prinzen, der es zur Untersuchung und Beschreibung Luschin überließ; dieser hat die Ergebnisse dann in der Wiener Numismatischen Zeitschrift, BandXIII, 1881, veröffentlicht. Der aus Budweis gebürtige Infanteriehauptmann Karl H o l l s c h e k (1859—1941) hat es dank glücklicher Umstände zur wohl umfangreichsten Privatsammlung von Münzen und Medaillen gebracht, die nach glaubwürdiger Schätzung über 220.000 Stück umfaßte! (Die zu ihrer Zeit hochberühmte Sammlung W e l z l von W e l l e n h e i m enthielt „bloß" rund 45.000 Nummern, darunter allerdings einige Lots.) Die Sammlung Hollschek gewährte mit Recht den überwältigenden Eindruck eines einmaligen, universalen Privatkabinetts, das jedem der großen Museen der Welt Bereicherungen zu bieten hatte. Hollschek, der sein Leben lang seine ganze Freizeit, den Tag sowohl als auch viele Nächte den Münzen widmete, hat schon im Alter von 11 Jahren zu sammeln begonnen. Er „lebte den Satz, daß die Numismatik jung erhalte, überzeugend . . . Der Wissenschaft stand sein Haus stets offen, und manches Werk, darunter der berühmte ,Miller-Aichholz', trägt viele 96

Belegnotizen seiner Sammlung, denn auch das Geringe achtete er als Glied eines größeren Ganzen, und dem ,parva ne pereant' hat er einen hohen Tribut entrichtet" (Einleitung zu 408/1). Und dieser richtigen Einschätzung der Kleinmünzen als den eigentlichen Trägern des Geldumlaufes verdanken wir auch einige gediegene Arbeiten über österreichische Gepräge, worin Hollschek irrige Zuteilungen richtigstellte und unbekannte Stücke als nicht unwesentliche Bausteine zur Münzgeschichte der alten Monarchie der Wissenschaft dienstbar machte, bevor sie durch die Versteigerung der Sammlung in alle Winde zerstreut wurden. Die Wissenschaft hat daher alle Ursache, dieser Art von Sammlern, denen es weniger auf die materielle Kostbarkeit als vielmehr auf die Nutzbarmachung auch unscheinbarer, aber münzgeschichtlich interessanter Objekte ankommt, dankbar zu sein. In keine der beiden Kategorien der Forscher oder Sammler läßt sich schließlich Anton Graf von P r o k e s c h - O s t e n (1795—1876) eindeutig einreihen. Durch gewisse, f ü r einen Offizier ganz ungewöhnliche Verhältnisse war er zum Numismatiker geworden. Die Wiener Numismatische Gesellschaft ernannte ihn bereits 1871 zu ihrem Ehrenmitglied. Er war 1813 in die kaiserliche Armee eingetreten, wollte aber nach Beendigung des Krieges gegen Napoleon I. Advokat werden. Durch Mut, Umsicht und Entschlossenheit während der Kämpfe am Rhein wurde er bekannt und 1815 in die Kanzlei des Erzherzog Karl berufen, der damals Gouverneur von Mainz war. Dies bestimmte ihn, Soldat zu bleiben. Später wurde er Adjutant des Fürsten Schwarzenberg, des Siegers von Leipzig. Als Hauptmann in Triest erwachte dann in Prokesch, einem echten Kinde der Romantik, die Sehnsucht nach dem Orient, die sich auch in dem ihm später verliehenen Adelsprädikat „von Osten" widerspiegelt. Aufgerüttelt durch den griechischen Freiheitskampf reiste er nach Griechenland. Er besuchte den Archipelagus mit den griechischen Inseln, das Schwarze Meer mit seinen Küsten und Ägypten, wo er bis zu den Katarakten des Nil gelangte. Dabei hatte er auch handelspolitische Geschäfte abzuwickeln, welche ihn namentlich mit den Anführern des griechischen Freiheitskampfes in persönliche Berührung brachten (229). Auch Palästina besuchte er. Eine kurze Zeit danach war er dann in Wien einer der Erzieher des Herzogs von Reichstadt, des Sohnes von Napoleon I. und Maria Louise von Österreich. 1831 stand er als Generalstabschef der kaiserlichen Armee in Italien das letzte Mal in militärischer Verwendung. Von da an wirkte er nur mehr als Diplomat, als kaiserlicher Gesandter bei König Otto I. in Athen, dann in Berlin. 1853 wurde er Präsidialgesandter am Bundestag in Frankfurt am Main, 1855 zuerst Internuntius und schließlich 1861 — 1871 Botschafter in Konstantinopel. Im Laufe der Jahre wurde er zuerst in den Ritter-, dann in den Freiherrn- und schließlich in den Grafenstand erhoben, wirklicher Geheimer Rat und Feldzeugmeister sowie Mitglied des österreichischen Herrenhauses ; 1872 trat er in den Ruhestand. Neben seinen vielseitigen diplomatischen und militärischen Aufgaben hatte der Weitgereiste auch Muße gefunden, sich als Historiker und als Reiseschriftsteller zu betätigen wie auch Münzen zu sammeln; aber in ästhetischer Auslese. „ D i e römischen Münzen waren ihm uninteressant, die Kolonialmünzen nach Stil und Zeit etwas Triviales, Gemeines. Aber die griechischen Münzen aus der Zeit der Autonomie, aus der Blütezeit staatlicher Freiheit und künstlerischer Vollendung, das Neue, Anziehende, wie sie T a g f ü r T a g in den Funden auftauchten, und Stadt um Stadt, Gau um Gau aus alten Zeiten wieder erstehen machten, diese zogen ihn, den Mitzeugen der Wiedererhebung des neuen Griechenlands vor allem an. Daneben sind es die Königsreihen des macedonischen, syrischen und parthischen Reiches, welchen er frühe seine Aufmerksamkeit zuwandte. Der Glanz des Hof lebens, zumal des orientalischen, den er auf seinen Reisen kennen97

gelernt, die Geschichte jener Dynastien und ihrer Reiche war seinem Standpunkte nach das einzige würdige Gegenstück zu den Münzprägen des freien Griechenland. So bildete sich in seiner Sammlung die Abteilung der athenischen Münzen, die Alexanders des Großen und der Arsakiden zu einer Vollständigkeit aus, wie sie sonst in öffentlichen und privaten Sammlungen nicht angetroffen wird" (229). Seit 1843 veröffentlichte Prokesch-Osten in verschiedenen Fachzeitschriften, unter anderem auch in den ersten vier Bänden der Wiener Numismatischen Zeitschrift, die noch unbekannten Münzen seiner Sammlung. Da es sich also um unedierte und zudem meist um äußerst seltene Stücke handelte, haben diese Aufsätze in der europäischen Fachwelt großes Aufsehen erregt und ihrem Autor als einem großen Förderer der Numismatik des klassischen Altertums für alle Zeiten einen ehrenvollen Platz gesichert. Dem von Erzherzog Johann gegründeten steirischen Landesmuseum „Joanneum" hat Prokesch-Osten noch zu seinen Lebzeiten immer wieder griechische Münzen aus seiner Sammlung gespendet. Leider läßt es sich heute nicht mehr feststellen, um welche Stücke es sich handelte. Was ansonsten mit seiner Sammlung geschah, ist unbekannt. Es ist begreiflich, daß das Zentrum der wissenschaftlichen Numismatik seit eh und je in der Hauptstadt Wien liegt, v/o sich auch der Sitz der Numismatischen Gesellschaft befindet. Doch auch einzelne Länder können auf eine ersprießliche Tätigkeit zurückblicken. In der Steiermark ist die Zeitschrift ihres Historischen Vereins und auch der , Schild von Steier' der Numismatik geöffnet, ebenso in Kärnten die ,Carinthia I'. Über die Pflege der Numismatik in diesen beiden Ländern liegen auch zusammenfassende Arbeiten vor (864, 911). Ebenso bringen die historischen Zeitschriften der anderen Länder ab und zu numismatische Beiträge. In den letzten Jahren haben auch Geldinstitute begonnen, sich für das Münz- und Geldwesen früherer Zeiten zu interessieren und diesen Themenkreis durch Ausstellungen wie durch eigene Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Insbesondere Jubiläen werden gerne zum Anlaß genommen, diese durch schön ausgestattete Festschriften zu feiern, in denen auch die Numismatik zur Geltung kommt. Es seien da nur in der Steiermark die Sparkassen von Feldbach (924) und Graz (938) und in Kärnten Villach (950) genannt. Einen ganz besonderen Weg schlägt aber die Erste österreichische Spar-Casse in Wien ein. Nicht nur, daß in den Schauräumen ihrer Zentrale eine sehr bedeutende Dauer-Ausstellung von Münzen, Medaillen und Sparbüchsen zu sehen ist, gibt sie von Zeit zu Zeit auch von einem Fachmann verfaßte, sehr instruktive kleine Büchlein heraus, die vom Bundesministerium für Unterricht sogar für den Schulgebrauch empfohlen werden (506—508). Auch die Österreichische Länderbank in Wien hat kürzlich ein solches Heft herausgegeben, das vor allem durch seine Angaben über die Prägestätten der österreichischen Münzstätten der Neuzeit nebst Übersichtsplan beachtenswert ist (565 c). Diese Art der Pflege der Numismatik ist besonders zu begrüßen, da sie auf diese Weise in leicht verständlicher Form an eine breitere Schichte herangetragen wird, der damit begreiflich gemacht werden kann, daß das Interesse für alte Münzen mehr ist als ein bloßes „Hobby" — wie man immer wieder hört —, nämlich eine ernstzunehmende Sparte der Geschichtswissenschaft. Eine Sonderstellung innerhalb der numismatischen Forschung in Österreich nimmt der 1921 verstorbene Wiener Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Adolf Na g l ein. Er war weder Sammler noch Münzkenner, aber dennoch unserer Wissenschaft und der Wiener Numismatischen Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er war, jahrzehntelang aufs engste verbunden. 98

Als Rechtsanwalt hatte er große Vermögen, vor allem des alteingesessenen Adels zu verwalten, dessen Vermögensrechte ins Mittelalter zurückreichten, was immer wieder die Einsicht in das Familienarchiv und die dort seit Jahrhunderten ruhenden Rechnungsbücher erforderte. „Die Versuche, diese ganz ungenügend bekannten Praktiken und ihre Grundlagen zu erschließen, führten Nagl immer weiter in das Gebiet der praktischen Arithmetik." Dem verdanken wir seine Untersuchungen über die verschiedenen Methoden des Rechnungswesens und der Buchführung. Sie erstrecken sich „von der Zeit der Rechenpfennige im 14., 15. und 16. Jahrhundert durch das ganze Mittelalter bis tief ins Altertum. Die wesentlichen Ergebnisse sind in der hervorragenden Schrift: ,Die Rechentafel der Alten . . .' zusammengefaßt, deren einleitende Kapitel allgemeine Bedeutung besitzen". Eine zweite Gruppe dieser Untersuchungen beschäftigt sich mit der Feststellung des Wiener Markgewichtes, eine dritte mit der Währungsgeschichte. Leider hat dieser hervorragende Gelehrte nie eine Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse vorgenommen; „die Entwicklungskurve hat er nicht gezogen, wie er überhaupt dem Entwicklungsgedanken und den naturwissenschaftlichen Methoden nicht gefolgt ist; seine Domäne war die Geisteswissenschaft in ihrem vollen Umfange" (638). Nagl war wie gesagt kein „Münzkenner", sondern ein Forscher; wichtig war ihm nicht die Beschreibung von Münzen und deren Varianten, sondern die Darstellung der großen geldgeschichtlichen Zusammenhänge, und da hat er nun das Zusammengehören von Rechnen und Zahlen, von Gewichten und Edelmetallmünzen, von Geld und Kredit, von Münzen und Wertpapier, von Zahlen und Buchführung im großen Umfange erkannt und erforscht und uns damit ein wertvolles Erbe hinterlassen. Wir haben also gesehen, daß die Gründung der zwei numismatischen Vereinigungen in Österreich, der Numismatischen Gesellschaft und des Clubs (später Gesellschaft) der Münz- und Medaillenfreunde in Wien — viele Mitglieder gehörten beiden Gesellschaften an —, der ursprünglichen Alleinherrschaft des k. k. Münz- und Antikenkabinetts auf dem Gebiete der Forschung ein Ende bereitete. Es folgte darauf eine Art von Arbeitsteilung, indem neben den fachwissenschaftlich ausgebildeten Beamten des Kabinetts auch die Autodidakten der Sammlerwelt in Erscheinung traten. Daraus erwuchs der Numismatik aber keinesfalls ein Nachteil. Die angeführten Beispiele zeigten, welch bedeutsame Leistungen wir auch den historischen Laien zu verdanken haben. Allerdings meist auf dem Gebiete der Beschreibung und Katalogisierung, weniger auf dem der geldgeschichtlichen Forschung, wo es auf Kenntnis des urkundlichen Materials und seine kritische Beurteilung ankommt. Aber auch die Katalogisierung ist eine höchst verdienstliche Leistung, kann doch der Geldhistoriker erst dann mit seiner Untersuchung einsetzen, wenn ihm in einem Münzcorpus das Material in den „metallenen Urkunden" der Münze selbst vorliegt. Auf beiden Gebieten, der Münz- wie der Geldgeschichte, ist dank emsiger und gründlicher Erforschung des schriftlichen wie des metallenen Materials Vorbildliches geleistet worden. Österreich nimmt daher im Vergleich mit anderen Ländern, wie Deutschland, Frankreich, England und Italien, auf dem Gebiet der Numismatik einen durchaus eben bürtigen Rang ein.

B. Böhmen Die Numismatik ist hier verhältnismäßig spät zu Ehren gelangt. Die 1541 in Prag erschienene Chronik des Altbunzlauer Propstes Wenzel H a g e k von L i b o t s c h a n führt 99

zwar in der deutschen Übersetzung des Stadtschreibers von Kaaden Johann S a n d e l (1596) den anspruchsvollen Titel ,Böhmische Chronik vom Ursprung der Böhmen . . ., von guter Ordnung, Münz etc.', aber sie ist, obwohl sie bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein den nachhaltigsten Einfluß ausgeübt hat, ein unzuverlässiges, von Sagen und phantastischen Erzählungen durchsetztes Werk. Als Quelle kommt es also keineswegs in Betracht. Es fehlte in Böhmen überhaupt ein Zentrum, wie es die Sammlungen des kaiserlichen Hofes zu Wien im 18. Jahrhundert bildeten. Die berühmte Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. auf dem Hradschin zu Prag hatten die Schweden 1648, noch knapp vor Friedensschluß, wertvoller Stücke beraubt, die nach Stockholm gebracht wurden. Abgesehen davon überwog in ihr das Seltsame, Kuriose, während die Münzen in ihr eine geringe Rolle gespielt hatten. Sie sind nach dem Tode Rudolfs (1612) von seinem jüngern Bruder Kaiser Matthias wahrscheinlich nach Wien gebracht worden. Es war demnach in der böhmischen Hauptstadt nichts vorhanden, woran sich das Licht der numismatischen Wissenschaft hätte entzünden können, wie es in Wien seit Karl VI. geschehen ist. Nur in einer Beziehung war der Prager Hof bahnbrechend: Einer der nobelsten Richtungen der bildenden Kunst, der Medaillenprägung, hatten die Münzstätten wertvolle bildliche Vorlagen und zuweilen wohl auch technische Belehrung zu danken. Die von dem aus Riva am Gardasee stammenden Medailleur und Wachsplastiker Antonio A b o n d i o geschaffenen Kaiserbildnisse haben den Stempelschneidern von Wien, Kremnitz, Nagybänya, Prag, Joachimsthal, Kuttenberg und Budweis als Vorlage f ü r die Talerprägung gedient. Das war in der Tat eine wesentliche Belebung der österreichischen Stempelschneidekunst, die allerdings in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges infolge Überbeanspruchung der kaiserlichen Münzstätten für einige Zeit wieder verfiel. Der Krieg selbst, der für Böhmen in der Plünderung seiner Hauptstadt durch die beutelustigen Schweden gipfelte, dann die drakonischen Strafen Ferdinands II. gegen die Anhänger des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz nach der entscheidenden Schlacht auf dem Weißen Berge bei Prag (1620), die ebenso Bürger wie Adelige trafen, nicht zuletzt dann die „Vernewerte Landesordnung" für Böhmen und Mähren (1627 und 1628), welche die Ständeherrschaft beseitigte sowie gleichzeitig auch die Religionsedikte und die Gegenreformation ähnlich wie in Innerösterreich vollends durchführte, bewogen mehr als 30.000 Familien zur Auswanderung. Schließlich kam zu allen diesen Maßnahmen auch noch das Restitutionsedikt, das die Rückstellung aller seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 eingezogenen Kirchengüter an die Katholiken befahl. All dies verursachte den Verlust einer Menge von Vermögen, Kraft und Intelligenz für Österreich. Unter solchen Verhältnissen war für die Entwicklung und das Gedeihen einer stillbeschaulichen Wissenschaft, wie der Numismatik, kein Nährboden vorhanden. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung also, begann es sich auch in Böhmen zaghaft zu regen. Um die Numismatik der neueren Zeiten war es damals im Gegensatz zur Antike noch sehr übel bestellt. Es gab wohl viel Material, aber wenig Kritik. Der erste, der sich mit dem böhmischen Münzwesen befaßte, war der Piaristenpriester Adauctus Voigt. In seiner Beschreibung der damals bekannten böhmischen Münzen betrieb er wohl nur deskriptive Numismatik, ohne ein vollständiges kritisches Bild des böhmischen Münzwesens zu liefern. Erst der Prager Professor, Doktor der Rechte Joseph v. M a d e r (1754-1815) schuf hier Wandel. Seine zwei, 1797 und 1808 erschienenen Studien über die Brakteaten, aber noch mehr seine,Kritischen Beiträge zur Münzkunde des Mittelalters' waren bahnbrechend (636, 677). Zwei der wesentlichen Hilfsmittel der modernen Forschung standen dem Numismatiker um 1800 wohl noch nicht zu Gebote: die Verwertung der Forschungsergebnisse, die auf einer großen Zahl von 100

wissenschaftlich bearbeiteten Funden beruhen, und die Anleitungen, welche die Mache, die Fabrik, die Stilkritik dem Numismatiker an die Hand geben. Das wesentliche, bleibende Verdienst für die Geschichte unserer Wissenschaft besteht darin, daß er auf Grund seines reichhaltigen Wissens und seines durch juristische Tätigkeit geförderten methodischen Vorgehens kritisch an die Bearbeitung des zahlreichen schon gesammelten Materials herantrat. Allerdings fand Maders Wirken vorläufig keine Nachfolge. Auch die im Jahre 1818 nach dem Vorbilde des Grazer Joanneums erfolgte Gründung des Böhmischen Landesmuseums brachte auf numismatischem Gebiete noch keine Belebung, obwohl sich namentlich auf Betreiben der Grafen Franz und Kaspar Sternberg im gleichen Jahre die „Gesellschaft des böhmischen Museums" konstituiert hatte. Zwar veröffentlichte Kaspar S t e r n b e r g (1761 — 1838) alsbald zwei durch ihren Titel bemerkenswerte Aufsätze, von denen der eine, ,Andeutungen über die Epoche und Charaktere des böhmischen Münzwesens', 1830 erschien, während der andere ,Über den gegenwärtigen Stand der vaterländischen Münzkunde' erst nach dem Tode des Verfassers veröffentlicht wurde. Trotzdem dauerte es noch eine geraume Weile, bis sich auch in Böhmen auf Grundlage der bloßen Beschreibung die ersten Ansätze einer Münz- und Geldgeschichte bemerkbar machten, womit sich auch der Schritt von der „reinen" zur „angewandten" Numismatik, wie Behrendt P i c k sich ausdrückt, vollzog. Die langsame Entwicklung ist wohl auch dem Umstände zuzuschreiben, daß der nationale und sprachliche Gegensatz zwischen Deutschen und Tschechen gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch die Numismatik berührte. Wohl gab es schon einen „Verein für Numismatik" zu Prag, der in den Jahren 1852—1870 durch seine Mitglieder Ottokar M i l t n e r und Joseph N e u m a n n das Werk von Voigt fortsetzen ließ. Dieser hatte nur die Münzen und Medaillen der böhmischen Herrscher beschrieben und war durch seinen Tod 1787 an der geplanten Bearbeitung der böhmischen „Privatmünzen" verhindert worden. Sie wurden nunmehr von Miltner und Neumann in einem stattlichen Bande beschrieben; einem Band, der in seinen genealogischen Einleitungen ein unschätzbares Material zur Geschichte der durch Münzen oder Medaillen vertretenen böhmischen Familien darbietet. Ebenso werden auch die Ortschaften durch historische Notizen einbegleitet. Leider besaß der Verein kein eigenes periodisches Organ, und so kommt es, daß die böhmischen Numismatiker sich späterhin der Wiener Numismatischen Zeitschrift für ihre Veröffentlichungen bedienten, zumal viele von ihnen der Wiener Gesellschaft auch als Mitglieder angehörten. Die Tschechen allerdings bevorzugten meist die ,Pamätky archeologicke a mistopisne' (archäologische und topographische Denkschriften) und die ,Rozpravy ceske akademie' (Abhandlungen der böhm. Akademie der Wissenschaften) für ihre Publikationen. Unter ihnen hat Joseph S m o l i k , Kustos der Münzsammlung des Landesmuseums, eine ansehnliche Reihe von numismatischen Arbeiten in tschechischer Sprache verfaßt, von denen seine grundlegenden Untersuchungen über die Prager Groschen hervorgehoben seien. Aus der Reihe der tschechischen Numismatiker dieser Zeit sei auch noch Wenzel H a n k a erwähnt, der verschiedene Gebiete der Numismatik, u. a. die Münzen böhmischer Herren, so der Rosenberg, Schlik und Wallensteins, behandelte. Hanka wurde jedoch vor allem durch die von ihm erdichtete ,Königinhofer-Handschrift' (1818) bekannt, die durch angeblich aufgefundene Bruchstücke alttschechischer Epen die Existenz einer „vaterländischen" Originalkultur vor der Christianisierung nachweisen wollte. Ein sicherlich geniales Machwerk, das aber naturgemäß auch die numismatischen Arbeiten dieses Mannes in einem fragwürdigen Lichte erscheinen läßt. Trotz dieses in weiten Kreisen verbreiteten Nationalismus bleibt die Zahl der ausschließlich in tschechischer Sprache schreibenden Numismatiker spärlich. Dafür gibt es 101

in dem seit 1887 der Wiener Gesellschaft als Mitglied angehörenden Regierungsrat Eduard F i a la, lange Zeit Konservator der Sammlungen des Herzogs von Cumberland, dessen Braunschweiger Münzen er in einem mehrbändigen Werke eingehend beschrieben und auf Grund von Archivalien auch kommentiert hat, einen kenntnisreichen Mann, der seine meist sehr umfangreichen Arbeiten sowohl in seiner Muttersprache als auch deutsch schrieb. Obwohl von Beruf ursprünglich Ingenieur und Bauunternehmer, also Autodidakt, besitzt sein numismatisches Lebenswerk, das zu einem großen Teile seiner böhmischen Heimat gewidmet war, eine bleibende wissenschaftliche Bedeutung. Nicht nur in seinen aufschlußreichen Aufsätzen in der ,Wiener numismatischen Zeitschrift', wie z. B. über die Beamten und Angehörigen der Prager Münzstätte oder über den berühmten Podmokler Goldfund, zieht er Literatur und archivalische Quellen heran, auch seine beschreibenden Arbeiten, wie die eben erwähnte über Braunschweig, dann die uns schon bekannten von ihm bearbeiteten Bände der Collection Ernst Prinz zu W i n d i s c h G r ä t z , ferner die Beschreibung der hervorragenden Sammlung böhmischer Münzen des Max D o n e b a u e r und schließlich die Beschreibung der Stempelsammlung des Wiener Hauptmünzamtes werden den Anforderungen der Wissenschaft gerecht. Vor allem die beiden letztgenannten Werke sind wegen ihres Quellenwertes insbesondere für die Kenntnis der böhmischen Numismatik wichtig, da das eigentliche Standardwerk darüber, die durchgehend auf archivalischer Grundlage beruhende Beschreibung der königlich böhmischen Münzen von Kliement C e r m a k I und Bedrich S k r b e k in tschechischer Sprache abgefaßt ist, ohne die seit dem Zerfall der Monarchie üblich gewordenen anderssprachigen Resümees. Dies gilt bedauerlicherweise auch für F i a l a s vielleicht wichtigstes, wenn auch in manchen Teilen überholtes Werk über die böhmischen Denare und dessen verbessernde und ergänzende Kommentierung durch Christian T u r n w a l d . Ein ganz anderes Bild ergibt die böhmische Numismatik aus der Zeit der tschechoslowakischen Republik. Durch die von der ,Numismatickâ spolecnost ceskoslovenskd' (Tschechoslowakische numismatische Gesellschaft) in Prag seit 1925 herausgegebene ,Numismaticky Casopis ceskoslovensky' (Revue numismatique tchécoslovaque) haben nunmehr die Numismatiker des neuen Staates ein hervorragend geleitetes publizistisches Hauptorgan erhalten, das 1953 von dem durch die Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften herausgegebenen ,Numismaticky sbornik' (Numismatische Rundschau) abgelöst wurde. Das Gesellschaftsorgan heißt jetzt seit 1945 ,Numismatické listy' (Numismatische Zeitschrift). Außerdem gibt es in Schlesien in der Zeitschrift ,Slezsky numismatik'(Opava / Troppau) seit 1955 ein eigenes Mitteilungsblatt, das in seinen Aufsätzen besonders die numismatischen Beziehungen Schlesiens zu Polen im Mittelalter pflegt. Die ,Moravské numismatické zpravy' (Mährische numismatische Nachrichten) wurden nach 9 Heften (1956—1962) aufgelassen. Außer diesen periodischen Organen stand und steht den fleißigen und gründlichen tschechoslowakischen Numismatikern noch eine Reihe anderer Publikationsmöglichkeiten, z. B. in den ,Acta musei nationalis Pragae' und in ähnlichen Veröffentlichungen anderer Museen der Republik, zur Verfügung. Diese breite Grundlage gestattete die Entfaltung einer nach Umfang und wissenschaftlicher Bedeutung wirklich imposanten Tätigkeit. Die heutigen Numismatiker der Tschechoslowakei haben frühere Versäumnisse, wie sie sich aus der seinerzeitigen politischen Konstellation ergeben hatten, aufgeholt. Was bisher in wenigen anderen Ländern gelungen ist, wie etwa in der Bundesrepublik Deutschland durch die Römisch-Germanische Kommission des deutschen archäologischen Instituts zu Frankfurt a. M. in der Form der durch Hans G e b h a r t (f 1960) und Konrad K r a f t herausgegebenen, nach Ländern gegliederten ,Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland', hat die Tschechoslowakei 102

für ihr Gebiet in mustergültiger Weise möglich gemacht: nämlich die Erfassung sämtlicher bis zum Erscheinungsjahr in Böhmen, Mähren und Schlesien gemachten Funde, die übrigens auch weiterhin fortlaufend im ,Sbornik' veröffentlicht werden. Es sind dies die vier Bände der ,Nalezy minci' (Münzfunde), die unter der Redaktion von Emanuela N o h e j l o v ä - P r a t o v ä , der ehemaligen Direktorin des Münzkabinettes am Nationalmuseum, die übrigens einige Jahre an der Brünner Universität auch als Professor für Numismatik wirkte, in mustergültiger Zusammenarbeit mit anderen Fachgenossen herausgegeben wurden. Es ist übrigens ein Charakteristikum der meisten Ostblockstaaten, daß eine verhältnismäßig große Zahl von weiblichen Gelehrten in der Numismatik tätig ist. So hat in Bratislava Ludmila K r a s k o v s k ä die beiden Bände der slowakischen Funde redigiert. Bis zur zweiten Republik hatten die nunmehr aus dem Lande evakuierten deutschen Münzsammler der Tschechoslowakei in der in Budweis herausgegebenen Zeitschrift ,Der Münzsammler' ihr eigenes Organ, das im Niveau ein bloßes Sammlerblatt weit überragte. Um den hohen Rang der numismatischen Forschung in der Tschechoslowakei herauszustellen, sei hier zweier früh verstorbener Persönlichkeiten gedacht. Der gelehrte Jurist Viktor K a t z (f 1950) hat außer einer Reihe von Aufsätzen in tschechischer Sprache, so über die Chronologie der frühmittelalterlichen böhmischen Denare und über die Gegenstempel auf Prager Groschen, auch ein großes deutsches Werk veröffentlicht, das die erzgebirgische Prägemedaille des 16. Jahrhunderts zum Thema hat. Es darf hier auch erwähnt werden, daß es außer ausgezeichneten stilkritischen Untersuchungen auch in die Werkstätten Joachimsthaler Stempelschneider, so in die des Nickel Milicz und seiner Familie, hineinleuchtet, wodurch auch ihre Tätigkeit als Eisenschneider der Joachimsthaler und Prager Münze geklärt wurde. Der Historiker Gustav S k a l s k y (f 1956) war zuletzt Direktor der Münzsammlung des Prager Nationalmuseums. Er war entschieden einer der größten, vielleicht sogar der bedeutendste unter den tschechischen Numismatikern. Wie seine vorhin erwähnte langjährige Mitarbeiterin und spätere Amtsnachfolgerin in ihrem Nachruf anführt, hat der in Mähren Geborene in Prag und Wien studiert und in den Jahren 1911 — 1913 unter dem Einfluß des großen Wirtschaftshistorikers Alfons D o p s c h im Institut für österreichische Geschichtsforschung für seine wissenschaftliche Ausbildung entscheidende Anregungen empfangen. Seine der Prüfungskommission vorgelegte Hausarbeit ,Zum ältesten Handel Böhmens' zeigt deutlich den Weg an, der ihm in Wien gewiesen wurde. Es ist daher kein Zufall, wenn Skalsky schon im ersten Jahrgang des Sbornik mit einer umfassenden Arbeit hervortrat, die den böhmischen Handel des 10. und 11. Jahrhunderts im Lichte der Münzfunde darstellte. In diesem gründlichen Aufsatz zeigen sich mit voller Klarheit die Möglichkeiten, die sich der „angewandten Numismatik" eröffnen, wenn sie nach strengen wissenschaftlichen Methoden mit scharfer Quellenkritik und überlegener Methodik vorgeht. Nicht zuletzt ist es Skalskys vorbildlichem Wirken zuzuschreiben, daß die Numismatik im Räume der heutigen Tschechoslowakei allenthalben in hoher Blüte steht. Das gilt ebenso für die Slowakei wie für Mähren, wo Skalsky 1891 geboren worden war. Für Schlesien hat der universell gebildete Jurist Ferdinand F r i e d e n s b u r g (1858—1930) eine schon erwähnte einmalige Leistung vollbracht. Sein Name ist uns durch seine kulturhistorisch-numismatischen Arbeiten, wie z. B. die Münze in der Kulturgeschichte oder die Systematik der Mittelaltermünzen, ebenso bekannt wie durch seine über hundert auf Schlesiens Münzgeschichte bezüglichen Arbeiten, die fast alle Neuland bearbeitet und 103

erschlossen haben. Die Zersplitterung Schlesiens in eine Reihe fürstlicher Linien, die bis zu ihrem Aussterben in neuerer Zeit neben dem bis 1740 zur Krone Böhmen gehörenden Herzogtum in einer beträchtlichen Anzahl von Münzstätten das Münzrecht ausübten, dazu noch das Bistum Breslau und einige Städte, schließlich die Prägungen der Krone selbst und seit 1743 die Prägungen Preußens, machen Schlesien zu einem historisch wie numismatisch schwer zu überblickenden Gebiet. Für diese neuere Zeit allein haben Friedensburg und sein Mitarbeiter H. S e g e r nicht weniger als 3629 verschiedene Münztypen (ohne Varianten) festgehalten, was einen ungefähren Begriff über die Vielschichtigkeit der monetären Verhältnisse dieses Landes gibt.

C. Ungarn Die Numismatik als Wissenschaft, also die angewandte Numismatik, beginnt in Ungarn mit einer großartigen Schenkung und der ungefähr gleichzeitigen Gründung des Ungarischen Nationalmuseums. Im Jahre 1792 schenkte Graf Stefan S z e c h e n y i (1754—1820), der gemeinsam mit seinem gleichnamigen Sohne, dem Begründer der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, bei seinen Landsleuten den Sinn f ü r Geschichte, den Stolz auf die nationale Vergangenheit und das Gefühl f ü r die tiefe Verbundenheit von Sprache und Volkstum zu erwecken trachtete, seine kostbare Bibliothek und Münzsammlung dem von ihm 1802 begründeten Nationalmuseum seines Vaterlandes (1244). Der Katalog dieser Sammlung, die der gelehrte Abt und Bibliothekar der Pester Universität Stephan S c h ö n v i s n e r „Insignum thesaurum numismaticum" nennt, erschien schon 1807 in drei Bänden (,Catalogus numorum hungariae ac Transsilvaniae Instituti nationalis Szechenyani') und einem Bilderatlas (,Tabulae numismaticae'), denen bereits 1810 ein Nachtrag folgte (113, 114). Es war dieser Katalog aber — und das ist das Entscheidende — nicht nur eine bloße Beschreibung dieser hervorragenden Sammlung, sondern ein „Specimen dissertationis de praestantia et usu numorum Hungariae ac Transsilvaniae" sowie eine „Sylloge constitutionum aliquot monetalium et metallicorum Regni Hungariae", die, der Bibliothek des Grafen entnommen, zum erstenmal publiziert wurden. Alles dies zeugt von dem wissenschaftlichen Ernst des Herausgebers, in dem wir, dem Vorwort entsprechend, wohl Schönvisner erblicken dürfen. Es darf uns dabei aber nicht stören, daß der ,Catalogus' auch „Münzen" Attilas (668, 777) und seines Bruders Buda erwähnt und abbildet, denn der Abschnitt, in dem diese Stücke beschrieben werden, ist ausdrücklich als ,Appendix confictorum aliquot numismatum, et falsarum monetarum specimina' überschrieben. Wenige Jahre vor der Herausgabe des ,Catalogus', bereits 1801, hat Schönvisner selbst ein stattliches Werk über ungarische Münzen unter dem Titel ,Notitia Hungaricae rei numariae etc.' herausgegeben (1077), in dem auch die siebenbürgischen Gepräge nicht vergessen sind. Daß der Autor dem umfangreichen Quartband die Worte des Erasmus von Rotterdam „Tenenda antiquitas, quae non modo ex vetustis auctoribus, rerum etiam e nomismatis priscis, titulis saxisque petitur" voranstellt, erweisen den Priester und Bibliothekar als belesenen Humanisten. Daß er sich aber, wie es auch beim ,Catalogus' der Fall ist, der lateinischen und nicht der ungarischen oder deutschen Sprache bedient, ist dem Umstände zuzuschreiben, daß in Ungarn noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Latein als Amtssprache und als Sprache der Gebildeten in Gebrauch war. Erst im Jahre 1844 wurde das Magyarische zur Staats- und Schulsprache erklärt. 104

Es ist daher verständlich, daß das umfassende Werk über die ungarischen Münzen des Mittelalters, das der Archivbeamte der kgl. Ungarischen Kammer Jakob R u p p 1841 und 1846 in zwei Teilen herausgab, zuerst in lateinischer Sprache erschien und dann erst durch das Mitglied der ungarischen Gelehrten-Gesellschaft und Kustos am Nationalmuseum, Johann v. L u c z e n b a c h e r , ins Ungarische übersetzt wurde. Das in der Hauptsache beschreibende Werk hat außer einer ansehnlichen gedruckten Literatur auch eine ganze Reihe von öffentlichen und privaten Sammlungen herangezogen; historische Anmerkungen und eine münzkundliche Übersicht zeugen von dem Bestreben, mehr zu geben als ein bloß beschreibendes Münzcorpus. Im Jahre 1816 war Josef W e s z e r l e (f 1838) zum Professor der Numismatik an der Budapester Universität und zugleich zu ihrem Bibliothekar ernannt worden. Er war der erste, der sich mit der systematischen Bearbeitung der heimischen Münzkunde und Geldgeschichte befaßte. Infolge seines frühzeitigen Todes gelangte er jedoch bedauerlicherweise nicht über eine bloße Materialsammlung hinaus. So dauerte es genau 100 Jahre, bis Bälint H ö m a n auf Grund eigener Forschungen — die geringe Zahl der Vorarbeiten sowie das Fehlen metrologischer und chronologischer Einzeluntersuchungen hatten ihm die Arbeit sehr erschwert — endlich die ersehnte Münzgeschichte von 1000 bis 1325, also von Stephan dem Heiligen bis Karl Robert von Anjou, vorlegen konnte. Ein Werk von ganz hohem wissenschaftlichem Range, das alle Möglichkeiten ausschöpft, aber durch die Sprache, in der es verfaßt ist, außerhalb Ungarns leider nur wenigen Forschern zugänglich ist. Höman, der während des Horthy-Regimes auch eine Zeitlang Unterrichtsminister war, hat außer dem genannten Hauptwerk noch eine Reihe anderer numismatischer Arbeiten geschrieben. Bis zu einem gewissen Grade darf man auch seine deutschsprachige Geschichte des ungarischen Mittelalters von den ältesten Zeiten bis zu den Anfängen des Hauses Anjou hinzurechnen, da sie der Geldgeschichte einen breiten Raum einräumt. Der Neuordnung des Münzwesens unter Karl Robert und dem Einfluß des ungarischen Goldes auf die europäische Wirtschaft sind einige grundlegende Arbeiten gewidmet. Höman bildet entschieden den Höhepunkt der neuzeitlichen Münzgeschichtsschreibung in Ungarn. Umfassende Quellenkenntnis, straffe Methodik und scharfe Kritik gestatteten ihm, den gesammelten Stoff souverän zu gestalten. Sein Einfluß wirkt in der heute lebenden Generation der ungarischen Numismatiker noch immer nach. Davon zeugen nicht zuletzt die Arbeiten, die das zuerst von Ödön G ö h l (1859—1927) redigierte Fachblatt der ,Magyar numizmatikai Tärsulat' (Ungarische numismatische Gesellschaft), das ,Numizmatikai Közlöny' (Numismatische Zeitschrift) unter seiner und seiner Nachfolger Leitung in den bisher erschienenen 65 Jahrgängen veröffentlicht hat. In dem Vorwort zum ersten Jahrgang 1902 hat Göhl die weitgesteckten Ziele der Zeitschrift dargelegt und dabei auch einen Blick auf die lange Reihe der ungarischen Münzsammler geworfen, die auf keinen geringeren als auf den ebenso kriegerischen wie mäzenatischen und kunstverständigen König M a t t h i a s C o r v i n u s (f 1490), den Sohn des Türkenbekämpfers Johannes Hunyadi, zurückgeht. Nicht wenige aus den Reihen des ungarischen Hoch- und Kleinadels huldigten der Numismatik als Sammler. Auch Vertreter der siebenbürgischen Fürstenfamilien Bocskay und Raköczi befanden sich darunter. Franz S z e c h e n y i aber hat sich durch die eingangs erwähnte großzügige Schenkung ein Denkmal aere perennius gesetzt. Der Siebenbürger Sachse Samuel Brukenthal, 1777—1787 Gouverneur dieses Landes, dessen Wahlspruch lautete: „Fidem genuasque servabo" (Ich werde meinem Glauben und meinem Volk dienen), zählte zu den Paladinen Maria Theresias und wurde von ihr verdientermaßen in den erblichen Freiherrnstand erhoben 105

und auch noch anderer Ehren gewürdigt. Am „Großen Ring" in Hermannstadt ließ er sich ein Palais errichten, das in der Folge nach ihm benannt wurde. Es birgt in seinen Räumen erlesene Kunstschätze, unter anderem auch eine prachtvolle Sammlung hauptsächlich siebenbürgischer Münzen, daneben auch eine Reihe im Lande gefundener Römer. Das Palais fiel später samt seinem kostbaren Inventar durch Stiftung dem evangelischen Gymnasium A. B. zu, dem der Verfasser dieses Buches bis zur Reifeprüfung 1905 angehörte. Das ,Numizmatikai Közlöny', an dem neben Göhl bis zur Stunde auch andere bewährte Fachleute mitgearbeitet haben, bewahrte stets ein sehr hohes Niveau. Gepflegt wurde natürlich in erster Linie die ungarische Numismatik, die besonders für das Mittelalter zahlreiche schwierige Probleme aufwirft, die keineswegs schon alle gelöst sind. Da aber der Boden heute noch reich an Münzschätzen ist, nach denen derzeit durch Ausgrabungen großen Stils systematisch gefahndet wird, stehen Kelten und Römer durchaus gleichberechtigt neben den Forschungen aus Ungarns Münz- und Geldgeschichte. Göhl hat sich insbesondere um die Keltenforschung auf ungarischem Gebiet, wie Pink einmal betonte, „unvergängliche Verdienste" erworben und „sich immer ein kühles, sachliches Urteil bewahrt". Das ist ihm besonders hoch anzurechnen, da gerade die keltische Münzkunde von jeher ein Tummelplatz blühender Phantasien gewesen ist (873). Unterstützt wurde die Keltenforschung vor allen durch die großartige Sammlung, die Graf Nikolaus D e s s e w f f y (1854—1918) seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit größtem Verständnis zusammengetragen und damit die oftmals geringschätzig als „Barbarenmünzen" bezeichneten Stücke der allgemeinen Mißachtung förmlich entrissen hatte. Berichtet er doch im Zusammenhang damit, daß „par exemple dans la ville de Debreczen vers les 70e du siècle passé les Cives (ainsi se nomment les bourgeois de cette ville) portèrent des boutons sur leurs habits dont l'argent provenait de monnaies barbares. Les Marchands de bric à brac les vendaient à vil prix; combien de trésors passaient au four de l'orfèvre!" (145). Von den Zeitgenossen der Dessewffy, Göhl und Höman ist vor allem L a d i s l a u s R É T H Y deshalb zu nennen, weil durch sein Corpus nummorum Hungariae (das nur das Mittelalter bis 1526 enthält) das monetäre Material erfaßt war, das Höman für seine Geldgeschichte benötigte. Das Corpus war 1907 abgeschlossen worden, neun Jahre später erschien Hömans Werk. Réthy, der von der archäologischen Kommission der Ungarischen Akademie der Wissenschaften mit der Arbeit betraut worden war und übrigens auch den ungarischen Teil der Sammlung Montenuovo bearbeitet hatte, betrachtete sein Buch trotz der zahlreichen geldgeschichtlichen Exkurse selbst nur als eine bloße Materialsammlung, auf die er anderthalb Jahrzehnte verwendet hatte. Im Gegensatz zu seinen Vorläufern, dem Catalogus Széchényianus von Rupp und Schönvisner, war sie jedoch von dem Geiste einer den Anforderungen der Jahrhundertwende durchaus entsprechenden Wissenschaftlichkeit erfüllt. Das verarbeitete Material übertrifft das von Rupp gebrachte um mehr als das Zehnfache, ein Beweis, welche Fortschritte die ungarische Numismatik seit ihren Anfängen gemacht hatte. Das Corpus hätte auch die Zeit nach 1526, also die Zeit der Habsburger, erfassen sollen, aber es war Réthy nicht mehr vergönnt, diesen Teil zu vollenden, zumal dieser infolge der Unzahl von Stempelverschiedenheiten, wie er selbst sagte, einen ungleich größeren Zeitaufwand erfordert hätte als der mittelalterliche. In diese Bresche rückte nun Paul H a r s a n y i (1882—1929) ein, der in mehreren Jahrgängen des ,Numizmatikai Közlöny' unter dem Titel ,Adatok a C. N. H. III kôtetéhez' (Beiträge zu Bd. III des Corpus num. Hung.) seine jeweiligen Vorarbeiten dazu veröffentlichte. Das Material dazu lag gleichsam vor ihm ausgebreitet, da er — noch unter 106

Göhl — in das Münz- und Antikenkabinett des Ungarischen Nationalmuseums eingetreten war. Als Göhl 1925 in den Ruhestand trat, folgte ihm Harsänyi als Direktor nach. Aber ihm war nur mehr ein kurzes Wirken beschieden. Schon 1929 nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand, so daß der dritte Teil, bis jetzt unvollendet, ein Torso geblieben ist. Nur 12 Abhandlungen, die mit Matthias II. (1608—1619) enden, liegen gedruckt vor, und zwar wie auch die Mehrzahl seiner sonstigen Arbeiten im ,Numizmatikai Közlöny'. Einiges findet sich auch im ,Archeologiai Ertesitö' (Archäolog. Nachrichtenblatt), in dem übrigens auch andere Numismatiker gerne ihre Arbeiten veröffentlichten. Nicht sosehr Numismatiker wie Historiker war der Direktor des Landesarchives und spätere Sektionschef im gemeinsamen Finanzministerium Ludwig von T h a l l ö c z y (1854—1916), der vor allem durch seine Arbeit über den .Nutzen der ungarischen Kammer in Verbindung mit der Entwicklung des ungarischen Steuer- und Geldwesens' sowie durch seine .Beiträge zur Geschichte de«- ungarischen Finanzverwaltung' auch für die Geldgeschichte seines Vaterlandes wichtige Grundlagen geschaffen hat. Von der regen Tätigkeit der ungarischen numismatischen Gesellschaft zeugt nicht nur das zuerst von Göhl, dann nach einem kurzen Zwischenspiel von H a r s ä n y i und Andreas A l f ö l d i (z. T. gemeinsam mit Huszär) nunmehr seit mehr als drei Jahrzehnten vom ehemaligen Leiter des Budapester Münzkabinetts Ludwig H u s z ä r in vorbildlicher Weise redigierte ,Numizmatikai Közlöny'. Das große Interesse an der Numismatik beweist nämlich auch eine zweite von der Gesellschaft herausgegebene Zeitschrift, die seit 1922 unter dem Titel ,Az erem' (Die Münze) erscheint. Dadurch wird das ,Közlöny' entlastet, indem die Sekundärzeitschrift in erster Linie die Sammlerinteressen berücksichtigt, während das ,Közlöny' ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken, d. h. der angewandten Numismatik, vorbehalten ist. Lange nicht so gut wie um Ungarn ist es um die Numismatik des selbständigen Fürstentums Siebenbürgen bestellt. Ebensowenig wie es eine Geschichte Siebenbürgens gibt (nur die Siebenbürger Sachsen besitzen eine solche), ebensowenig existiert für dieses Land eine münz- und geldgeschichtliche Darstellung. Es gibt zwar eine ziemliche Anzahl von Einzeluntersuchungen, aber an eine Zusammenfassung hat — wenn wir von dem kurzen geschichtlichen Überblick über die siebenbürgische Münzprägung in der Sammlung ,Törteneti Erdely' (Geschichtliches Siebenbürgen) des selbst aus Siebenbürgen stammenden Huszär absehen — noch niemand gedacht. Auch Adolf Resch, der 1901 zu Hermannstadt ein Buch über die Medaillen und Münzen dieses Landes seit 1538 herausgegeben hat, ist über eine reine Beschreibung nicht hinausgekommen. Dabei wäre eine Münz- und Geldgeschichte gerade dieses Landes, dessen Grenzen ja nicht auf die des theresianischen Großfürstentums beschränkt waren, sondern über diese zeitweise hinausgegriffen haben, eine ungemein lohnende Aufgabe, zumal die politische Verbindung mit den Türken, von deren Gnaden die verschiedenen, alten einheimischen Adelsfamilien entstammenden Wahlfürsten mehr oder minder abhingen, ungewohnte neue Gesichtspunkte erschließt. Die deutschsprachigen Sachsen haben sich um das von den verhaßten, weil meist tyrannischen und grausamen Fürsten bestimmte Münzwesen wenig gekümmert; in den Wiener Fachzeitschriften ist daher fast mehr über siebenbürgische Münzen zu finden als im Archiv für siebenbürgische Landeskunde. Nur auf dem Gebiete der Materialsammlung ist auch von sächsischer Seite einiges geschehen, zumal die reichen Bestände des Brukenthalschen Museums Anreiz für eine zusammenfassende, deskriptive Veröffentlichung boten. Aus R e i s s e n b e r g e r s Beschreibung, den Tafeln W e s z e r l e s und den von Hess publizierten siebenbürgischen Münzen der Sammlung M o n t e n u o v o , dem Catalogus 107

Szechenyianus usw. sowie durch Bereisung der Museen von Berlin, Budapest und Wien hat der schon erwähnte Kronstädter Uhrmacher R E S C H sein sehr gewissenhaft gearbeitetes Werk geschaffen. Nur von angewandter Numismatik ist darin kein Hauch zu spüren. Etwas besser ist es um die an Ungarn grenzenden südslawischen Gebiete, Kroatien, Slawonien, Dalmatien und Bosnien, bestellt. Nicht nur, daß Ivan RENGJEO (1884—1962) in seinem Corpus der mittelalterlichen Münzen dieser Länder das gesamte Material beschreibt, hat er in der Einleitung auch eine kurze Münzgeschichte gegeben. Für die Neuzeit kommt allerdings nur ein einziges Beispiel, 1848 (Jellachich-Kreuzer-Probemünze), in Betracht. Dieses Corpus überschneidet sich zum Teil auch mit der ungarischen Materialsammlung von R e t h y (deutsch von P r o b s z t ) und den verschiedenen Einzeluntersuchungen über die kroatischen Friesacher. Nicht aufgenommen in das ausschließlich den autonomen Prägungen vorbehaltene Werk sind die Emissionen der Venezianer in Dalmatien, die zum größten Teil von dem k. u. k. Marineoffizier Karl S t o c k e r t i n der .Wiener Numismatischen Zeitschrift' veröffentlicht wurden, wobei Stockert bestrebt war, mehr als reine Beschreibungen zu geben. Über Ragusa existiert noch ein zweibändiges, auch geldgeschichtlich sehr bedeutsames Werk von Milan RESETAR, das zwar in serbischer Sprache geschrieben und in zyrillischen Lettern gedruckt ist, aber infolge der in der italienischen Originalsprache abgedruckten Dokumente und eines italienischen Resümees (Bd. I: Breve riassunto und Bd. II: breve descrizione dei tipi e delle varianti delle varie specie di monete ragusee) auch für den des Serbischen nicht mächtigen Benützer leicht verwendbar ist. Besonders darf hier auch auf die grundlegende Arbeit von Ciro TRUHELKA über die slawonischen Banaldenare verwiesen werden, die eine urkundlich ausgezeichnet fundierte Münzgeschichte und eine systematische Übersicht der Gepräge gibt und daher, wenn auch 60 Jahre vor dem Corpus von Rengjeo erschienen, diesen durch die im Corpus fehlende ausführliche geschichtliche Darstellung wirkungsvoll ergänzt. In ähnlicher Weise ist auch das Werk von Sime LJUBIÖ ,Opis jugoslavenskih novaca' aufgebaut, das die südslawischen, also die bulgarischen, serbischen und bosnischen Münzen des Mittelalters behandelt, also jene Gebiete, die außerhalb der ehemaligen Monarchie lagen. Auch Ljubic, damals Direktor des Kroatischen Nationalmuseums in Zagreb (Agram), hat mit Unterstützung des serbischen Fürsten M i l a n und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien mit diesem in kroatischer Sprache gedruckten Werk durch kritische Verwendung von Literatur und Urkunden auch für den Forscher von heute ein unentbehrliches Kompendium geschaffen. Seine Bedeutung bleibt ungeschmälert, mag auch durch neuere Untersuchungen und neu entdecktes Material sich so manches verschoben haben. Im Rahmen dieses Handbuches kommt vor allem der Abschnitt über Bosnien in Betracht, zu dem übrigens auch Rengjeo für das Mittelalter einiges bisher Unbekanntes beigesteuert hat. Aus dieser kurzen Übersicht erhellt, daß auch auf diesem Gebiete ausgezeichnete Arbeit geleistet wurde, was nicht zuletzt der rührigen kroatischen numismatischen Vereinigung (,Hrvatsko numizmaticko drustvo') in Zagreb und dem Erscheinen ihrer beiden Zeitschriften ,Numizmatika' und seit 1939 die ,Numizmaticke Vijesti' (bisher 24 Hefte) zu verdanken ist.

108

III. Die territoriale Entwicklung

A. Die österreichischen Länder Betrachtet man die Karte von Mitteleuropa zur Zeit der Staufer, also zur Zeit, da der Babenberger Heinrich II. Jasomirgott von Kaiser Friedrich I. Barbarossa zum Herzog von Österreich erhoben wurde, so erkennt man auf den ersten Blick den fundamentalen Unterschied zwischen Deutschland und dem Gebiet, das sich früher oder später mit Österreich zu einem großen Ganzen zusammenschließen sollte. Hier große, kaum durch fremde Enklaven durchbrochene Räume, dort ein buntes Farbengewimmel, aufgespalten und durchsetzt von Fremdkörpern verschiedener Größe. Eine verwirrende, kaum überschaubare Fülle. Das gleiche Bild ergibt sich auch, wenn man dies alles in münzgeschichtlicher Schau zu überblicken versucht. Reichsmünzstätten, weltliche große und kleine Dynasten sonder Zahl, geistliche Fürsten, vom mächtigen Erzbischof von Köln angefangen bis zur Äbtissin irgendeines längst verschwundenen Nonnenklosters oder zu Domkapiteln, Städte: alle hatten mit verbrieftem oder auch nur angemaßtem Recht ihre eigenen Münzstätten und trugen dadurch mehr oder minder Schuld an dem monetären Chaos in Deutschland, das im Grunde erst die Einführung der Reichs-Markwährung im Jahre 1871 zu beseitigen vermochte. Diese Verhältnisse wurden in Deutschland noch durch die Teilung einer beträchtlichen Anzahl regierender Häuser verschlimmert, die in mehrere Linien aufgespalten waren, deren jede das Münzrecht ausübte und damit den Wirrwarr noch um einiges vermehrte. Demgemäß ist auch die Zahl insbesondere der mittelalterlichen Münzstätten im Westen des Deutschen Reiches im Vergleich mit der des österreichischen Ostens überwältigend. Im österreichischen Raum gab es im ganzen bloß deren rund 50, wovon eine beträchtliche Anzahl überhaupt nur vorübergehend im Betrieb war. Die Zahl der im Reiche vorhandenen ist dagegen kaum erfaßbar. Entsprechend dieser monetären Entwicklung ist auch die Geschichte der territorialen Entwicklung der österreichischen Länder eine weitaus einfachere und klarere als im Reiche, das eigentlich nur durch gewisse Randgebiete zu bestimmten Zeiten Einfluß auf den Südosten gewonnen hat. Erich Z Ö L L N E R hat als ein wesentliches Merkmal der österreichischen Geschichte erkannt, „daß ihr Rhythmus mit dem der Weltgeschichte übereinstimmt, wie das kaum bei der Geschichte eines anderen Staates feststellbar erscheint. Die bairisch-fränkische Mark, der Babenbergerstaat und Habsburgs ,Herrschaft zu Österreich' entsprechen den drei Hauptperioden des Mittelalters. Als Renaissance, Reformation und Entdeckungen die neue Zeit einleiteten, weitete sich die Macht des ,Hauses Österreich' zu Weltstellung und verwirklichte sich im eigenen Rahmen Mitteleuropas die wiederholt angestrebte Vereinigung der österreichischen, böhmischen und ungarischen Länder zur Donaumonarchie. Die Pragmatische Sanktion von 1713 soll deren Weiterbestand sichern, während die 109

Friedensschlüsse von Utrecht und Rastatt den Weltkampf um das spanische Erbe beenden. Im 20. Jahrhundert ist es wieder eine Katastrophe von weltweitem Ausmaß, in der die Donaumonarchie zerbricht . . ." (1260). Ihr Werden und Vergehen ist nicht zuletzt ihrer geographischen Lage zuzuschreiben; sowohl Zusammenschluß als nach vielen Jahrhunderten die gewaltsame Auflösung in die ursprünglichen Teilgebiete sind durch geographische und ethnische Elemente bedingt worden, wobei die zusammenschließenden in wirtschaftlichen Bindungen, die auflösenden in nationalen Diskrepanzen zu suchen sind. Die durch die stetige Expansion entstandene Völkervielfalt der Donaumonarchie hat ihr zwar eine fast ständige Unruhe im Innern, dafür aber auch einen nicht meßbaren kulturellen Zuwachs gebracht, der auch in der Buntheit seines Münz- und Geldwesens drastisch zum Ausdruck kommt. Die ersten, die in unserem Räume die Geldwirtschaft annahmen und ihr zufolge auch eigene Münzen prägten, waren die in verschiedene Stämme aufgespalteten Kelten. Sie hatten das Münzgeld auf ihren Wanderzügen in Mazedonien kennengelernt. Unter dem Drucke feindlich gesinnter Nachbarn waren sie schließlich von Westen her auch in die Ostalpen gelangt, entlang der Donau waren sie eingewandert und dann von ihr ausgehend längs ihrer Nebenflüsse (Drau, Mur) aufwärts in die Gebirgslandschaft aufgestiegen. Die Kelten kamen als Eroberer, übernahmen jedoch die Kultur der unterworfenen illyrischen Völkerschaften. In Böhmen und Mähren waren, gleichfalls vom Westen, zu Beginn der La-Tene-Zeit um 400 v. Chr. die keltischen Boier eingedrungen. Die Stunde der Keltenherrschaft schlug, als die Römer im Jahre 15 v. Chr. die Räter und keltischen Vindeliker, vier Jahre darauf die illyrischen Pannonier bezwangen und das Königreich Noricum im Ostalpenraum zunächst tributpflichtig, später aber dem Reiche einverleibt und die Donau zur Grenzlinie gegen den Norden gemacht wurde. 107 n. Chr. eroberte Kaiser Trajan auch Dazien, das spätere Siebenbürgen. Damit war das ganze Gebiet von den Quellen des Rheins und dem Bodensee bis zur Donau und Save ebenso unter römischer Botmäßigkeit wie Dalmatien, das sich bis zur Drina erstreckte, und Dazien, das die Gebiete östlich der Theiß und nördlich der unteren Donau umfaßte. Die Donauprovinzen wurden nach und nach romanisiert, die einheimischen Dialekte durch die lateinische Sprache verdrängt. Aber an den Grenzen drohten die von Norden und Osten eindringenden landhungrigen Germanen. „In den mit wechselnder Intensität um 166 bis 180 geführten Markomannenkriegen, in denen es die Römer zumeist mit einer Koalition der germanischen und sarmatischen Stämme der Donaugrenzen zu tun hatten, wurden Noricum und Pannonien 170 durch den Einbruch der Germanen furchtbar verwüstet, aber auch Rätien, Dazien und sogar Oberitalien in Mitleidenschaft gezogen. Juvavum (Salzburg) und Flavia Solva (bei Leibnitz, Steiermark) wurden zerstört, Aquileia belagert" (1260). Markomannen und Quaden hielten nach den Gegenangriffen Marc Aurels, der 180 in Vindobona gestorben war, einige Jahrzehnte Ruhe. Dafür bedrohten seit 213 die Alemannen den Limes, deren Scharen 268 über den Brenner in das Etschland und nach Oberitalien drangen. Aber es gelang, alle verlorengegangenen Gebiete wieder zurückzugewinnen. Die Grenze verlief nunmehr an Rhein, Bodensee, Iiier und Donau. In der diokletianischen Zeit erhielten sich die Donauprovinzen dank der von diesem Kaiser durchgeführten Reichsreform, die von Konstantin dem Großen weiter ausgebaut wurde. Seine Neuorganisation des Münzwesens durch die Einführung des Goldsolidus überdauerte noch den Bestand des Weströmischen Reiches. Aber bereits um die Mitte des 4. Jahrhunderts kam es wieder zu Kriegen gegen die Germanen. Der Versuch Valentinians I., sich nördlich der Donau festzusetzen, schlug 110

fehl: Carnuntum wurde von den Quaden genommen. Seither verfiel es immer mehr und mehr. Schließlich setzten sich die germanischen Völker jenseits der Reichsgrenze erneut in Bewegung. Kaiser Valens wurde 378 von den Westgoten bei Adrianopel besiegt und getötet. Seither schritt der Niedergang der Römerherrschaft in den Donauländern immer rascher fort. Dazien war schon 271 an die Goten verlorengegangen, 395 wurde der Limes neuerlich überrannt; damals erlagen Carnuntum und wohl auch Vindobona dem Angriff. Im Jahre 433 wurde die „Pannonia prima" vom Weströmischen Reich in aller Form an die Hunnen abgetreten, die unter Attila zweimal die Donauländer durchquert hatten. Nördlich des norischen Gebietes hatten sich die Ruger festgesetzt, doch 488 mußten sie Ufer-Norikum räumen. Einige Jahre vorher (476) hatte der erfolgreiche Staatsstreich des skirischen Königssohnes Odoakar dem weströmischen Reiche tatsächlich das Ende bereitet. Damit war die Herrschaft der Römer zusammengebrochen, die als die ersten Begründer höherer Gesittung auf dem Boden des heutigen Österreich angesehen werden müssen. Das Gebiet der Donaumonarchie wird nun zur Beute unsteter germanischer Völkerschaften, die keine dauernden Spuren im Lande hinterließen. Erst nach dem Abzug der Langobarden nach Italien (568/601) gewinnen die Völkeransiedlungen auf österreichischem Boden Bestand. Die Siedler tragen alle neue Namen: Awaren, Slawen, Baiem. Das mongolische Hirtenkriegervolk der Awaren rückte nach dem Abzug der Langobarden in deren bisheriges Siedlungsgebiet ein. Mit den Awaren kamen auch slawische Stämme. „Diese Völkerschaften prallten bei ihrem Vordringen auf einen westgermanischen Stamm: die Baiern, die ihrerseits von dem führenden germanischen Volk, den Franken abhängig waren" (1231). In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts beginnt auf dem Boden Österreichs die Auseinandersetzung zwischen dem slawisch-awarischen und dem germanischen Element und damit die Geschichte des österreichischen Frühmittelalters. Den Osten von Pannonien bis über die Theiß ins ehemalige Dazien füllten die Awaren aus; zwischen und neben ihnen wohnten Slawen, die gemeinsam mit ihnen in den Jahren 602—611 in Dalmatien einfielen und dort das alte Salona zerstörten, in dessen Nähe, im heutigen Split (Spalato), sich Kaiser Diokletian, ein gebürtiger Dalmatiner, nach seinem Rücktritt einen gewaltigen Palast hatte erbauen lassen. Andere Slawen brachen aus dem Dnjeprbecken nach Westen vor, wo sie die obere Weichsel- und Oderlandschaft besetzten; sie sind wahrscheinlich über die Karpatenpässe in die heutige Slowakei, das frühere Oberungarn, und durch die Oderpforte nach Mähren gelangt. Ebenso drangen sie auch in die Täler der Ostalpen und in die Karstländer vor. Dieser für die Zukunft entscheidende Vorstoß der Slawen in den Westen geschah mit Wissen und Willen der Awaren, die ihrer bedurften, um die verödeten Landstriche wieder unter den Pflug zu nehmen. Ein großer Teil der Slawen wurde dann von ihren awarischen Machthabern über die Donau auf die Balkanhalbinsel gedrängt, wo sie sich vom Schwarzen Meer bis zur Adria verbreiteten. Das Slawentum wurde bald zu einem gefährlichen Gegner ihrer Zwingherren. Als diese im Verein mit den persischen Sassaniden zu einem entscheidenden Schlage gegen Byzanz ausholten, brach in Böhmen und dessen Nachbarländern ein Aufstand der slawischen Randvölker unter der Führung des fränkischen Kaufmannes Samo aus. Es gelang ihm, ein Großreich zu errichten, das sich vermutlich weit über die Sudetenländer und die Ostalpen erstreckte, aber nach dem Tode Samos (ca. 660) bald zugrunde ging. Samo war sicherlich „ein Vertreter jener großen Kaufleute, die damals den Fernhandel über außerordentlich weite Strecken leiteten . . . Bei der Bildung seines Reiches 111

waren Handelsbeziehungen, Kreuzungen der Handelswege und Marktanlagen von besonderer Bedeutung . . . " Wahrscheinlich hat er sowohl über die Slawen der Sudetenländer (Tschechen, Mährer) wie über die Alpenslawen (Karantanen = Slowenen) geherrscht; auch ein Teil der österreichischen Donaulandschaft wird „zu seinem kurzlebigen Reich gehört haben". Während die Sudetenslawen nach Samos Tod wieder unter awarische Botmäßigkeit zurückfielen, zogen es die Alpenslawen vor, sich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts einer anderen, minder drückenden Herrschaft, nämlich der bayrischagilolfingischen, zu unterwerfen. Diese Alpenslawen waren nicht in geschlossener Masse, sondern in kleinen Gruppen — übrigens eine diesem Volke eigentümliche Besonderheit — in das Gebiet der Ostalpen, insbesondere nach Kärnten und in die südliche Steiermark eingesickert. Als zweite und spätere slawische Schichte in dieser Gegend folgten die Kroaten, die dann als zweite slawische Welle auch in die Karstländer bis zur Adria vordrangen. Zum Unterschied von anderen slawischen Stämmen besaßen sie eine bedeutende staatsbildende Kraft, die sie auch zur Gründung eines eigenen Königreichs befähigte. Die awarische Macht wurde, je länger sie sich hielt, für den Westen immer gefährlicher und damit zugleich auch für das langsam gegen den Osten vordringende Christentum, um dessen Verbreitung sich der Bayernherzog Tassilo III. durch Klostergründungen im Pustertal wie auch im heutigen Oberösterreich große Verdienste erworben hatte. Die Festigung der bayrischen Macht im Südosten — der Karantanenherzog Boruth hatte die Oberhoheit Herzog Odilos anerkennen müssen — bedeutete aber für das erstarkende fränkische Großreich eine Bedrohung und zugleich Unsicherheit an der Ostgrenze. In der Tat rief Tassilo die Awaren gegen Karl den Großen zu Hilfe. Bayern wurde hierauf nach Absetzung des Herzogs dem Reiche einverleibt und Karantanien von diesem abhängig gemacht. Auch die Kroaten und die pannonischen Slowenen zwischen Drau und Save wurden der fränkischen Oberhoheit unterworfen, nachdem Istrien schon früher Ostrom entrissen worden war. Da auch die Slawen in Böhmen und Mähren dem fränkischen Könige Tribut zahlen mußten, war ein großer Teil des späteren Österreich unter fränkischer Oberherrschaft vereinigt. Obwohl es Karl dem Großen gelang, die Awaren zu vernichten, war die vom Osten drohende Gefahr keineswegs für immer gebannt: „bei jedem neuen Ausschwärmen der Reiternomaden Innerasiens konnte sie wieder erwachen". Die Grenzen lagen im Osten offen und schutzlos da. „Durch die Schaffung eines von Sperren und Befestigungen durchzogenen Vorfeldes, der Marken, sowie durch den Aufbau einer wehrfähigen Bevölkerung" sollten Abhilfe und erhöhte Sicherheit gegen Osten geschaffen werden. Die Mark an der Donau (sie wurde später „marchia orientalis" genannt) grenzte im Süden an die Mark Friaul, eine Organisation, die im Laufe des 9. Jahrhunderts Veränderungen erfuhr, von denen für uns hier nur die Abtrennung Karantaniens als eigene Mark von Bedeutung ist. Die Herrschaft über Karantanien, das als erstes slawisches Fürstentum dem ostfränkischen Reiche eingegliedert wurde, erhielt der Enkel König Ludwigs des Deutschen, Arnulf, der 887 zum deutschen König gewählt wurde und 896 auch die Kaiserwürde empfing. Nach seinem Tode 899 folgte ihm der letzte Karolinger, Ludwig das Kind (f 911). Die schwächeren Nachfolger Karls des Großen vermochten das von diesem Errungene auf die Dauer nicht zu behaupten. Schon 817 wurde das Reich geteilt, und das von ihm eroberte Böhmen war ebenso wie die Slawenländer in Karantanien und Pannonien zum Herzogtum Bayern gekommen. 822 wurde auch Mähren von diesem abhängig, das immer mehr zu einer führenden Stellung aufstieg. Erst die Gründung des Großmährischen Reiches durch Moimir (830—846), das sich von der mittleren March über Mähren südwärts bis zur Donau, im Osten über die Slowakei und zuletzt im Westen über 112

ganz Böhmen erstreckte, gefährdete die bayerischen Erwerbungen von 817 ernstlich. Denn obwohl König Ludwig 846 Moimir und dessen Neffen und Nachfolger Raztislav besiegte, konnte er doch nicht verhindern, daß sich derNeffe des Letztgenannten, Svatopluk (Zwentibold), ganz Böhmens und vielleicht auch der Gebiete an der oberen Weichsel bemächtigte. Aber das einst so mächtige Großmährische Reich erlag 905—906 dem Ansturm eines neuen, von der Nordküste des Schwarzen Meeres nach dem Westen vorgedrungenen Feindes: der Magyaren oder Ungarn. Irn Ungarnsturm, der ungefähr 150 Jahre fast ununterbrochen wütete, brach die Karolingische Mark, die zum Schutze des Ostens hätte dienen sollen, vollständig zusammen. Schon 881 trafen die Reiterscharen bei Wien (das bei dieser Gelegenheit zum ersten Male nach vier Jahrhunderten Schweigens wieder erwähnt wird) mit fränkischen Streitkräften zusammen. Kurz vor 906 gibt die berühmte Raffelstettener Zollordnung Kunde von einem lebhaften und geregelten Handelsverkehr an der Donau. Wenige Jahre später, am 4. Juli 907, aber wurde der zur Ausschaltung der augenscheinlich unterschätzten ungarischen Gefahr nach Osten entsendete bayrische Heerbann in einer Schlacht bei Preßburg fast vollständig vernichtet. „Damit waren auch die donauländischen Marken verloren, die Enns wurde wieder zur — höchst unsicheren — Grenze, über welche die Ungarn in weitausholenden Zügen wiederholt nach Westen vorstießen" (1231). Erst der große Sieg auf dem Lechfelde bei Augsburg, den König Otto I. am 10. August 955 errang, brachte die entscheidende Wendung. Die Gefahr für das ottonische Reich wie für das bayerische Altland war endlich gebannt, so daß man einige Jahre später schon an die Rückeroberung der Marken schreiten konnte. Es dauerte begreiflicherweise längere Zeit, bis in dem durch die Magyaren schwer heimgesuchten Grenzlande wieder Ruhe und Ordnung eintraten. Erst dann konnte es hier im Osten des Reiches zu einer territorialen Neuregelung kommen, einer Neuregelung, die notwendigerweise auch zur Bildung landesherrlicher Gebiete führen mußte, die nur mehr lose vom Reiche abhingen. Dauernde Wandlungen der Machtverhältnisse hemmten vor allem die innere Entwicklung der Ostalpenländer. Erst unter Kaiser Heinrich II. (1002 bis 1024) ging es mit der Kolonisation Karantaniens und seiner Nebenländer aufwärts; an ihr waren anfänglich adelige Geschlechter, Klöster und schließlich auch die bayerischen Bistümer Salzburg, Freising und das 1007 gegründete Bamberg hervorragend beteiligt. Die Herrschaft über das alte Markengebiet an der Donau war noch durch Kaiser Otto I. dem Burggrafen von Regensburg, Burkhard, anvertraut worden, der bald nach 970 genannt wird. Aber er fiel in Ungnade, worauf 976 der Markgraf Leopold I. als sein Nachfolger eingesetzt wird, mit dem die zweihundertsiebzigjährige Herrschaft der Babenberger in Österreich beginnt. Leopold wurde 994 durch einen Meuchelmörder getötet. In die Regierungszeit seines Sohnes und Nachfolgers, Heinrichs I. (994—1018), fallen die ältesten Zeugnisse für das Aufkommen des Namens Österreich (Ostarrichi) als Bezeichnung für das Gebiet babenbergischer Herrschaft an der Donau (oder auch nur eines Teiles davon), während der lateinische Name „Austria" zuerst in einem Diplom König Konrads III. für Klosterneuburg 1147 bezeugt ist. Etwas später wird auch das Königreich Ungarn begründet. Auch dieses Reich verdankte gleich der Ostmark seine Entstehung dem großen politischen Konzepte der Kaiser aus dem sächsischen Hause oder, präzise gesagt, der Ottonen, im Osten zu einer festen und gesicherten Grenze zu gelangen und das dahinter liegende Gebiet, die „Sclavinia", einschließlich des von den Magyaren besiedelten Donautieflandes für die römische Kirche zu gewinnen. 113

Ebenfalls im 10. Jahrhundert war es in Böhmen den Przemysliden gelungen, nach Verdrängung der übrigen Herzogfamilien die Alleinherrschaft zu begründen. So begannen sich infolge der von den Karolingern eingeleiteten Neuordnung in Mitteleuropa im Osten des Deutschen Reiches allmählich große, ethnisch und sprachlich voneinander differenzierte Länderkomplexe herauszubilden, von denen Ungarn und Böhmen eine in sich geschlossene innere Einheit bildeten, während in Österreich eine solche erst mit der Zeit rein äußerlich zustande kam. Diese Verschiedenheit wird durch die geographischen Verhältnisse verständlich: Böhmen wie Ungarn besitzen in den mächtigen Randgebieten der Sudeten bzw. Karpaten von der Natur vorgebildete Grenzen. Die österreichischen Alpenländer aber bilden jedes für sich eine eigene Kulturlandschaft. Den Gebirgszügen der Alpen kommt mehr eine trennende als eine verbindende Funktion zu. Jedes Land hat seinen Fluß, an dem oder in dessen Nähe die Hauptorte liegen und auf den das ganze Land hin orientiert ist: die Donau für Ober- und Niederösterreich, die Salzach für Salzburg, der Inn für Tirol, die Drau für Kärnten, die Mur für die Steiermark und die Save für Krain. Im ganzen Bereich gibt es keinen zentralen Ort wie Prag für Böhmen und Ofen für Ungarn. Daher bildeten sich neben der eigentlichen Ostmark zunächst andere landesherrliche Territorien heraus. Es dauerte aber auch hier eine gewisse Zeit, bis die endgültigen Landesgrenzen erreicht waren; insbesondere im Osten mußten die durch die Magyaren verwüsteten Gebiete erst neu kolonisiert werden. Trotzdem bildeten schon 1025 am linken Donauufer die March, am rechten die Fischa, vielleicht sogar schon die Leitha die Ostgrenze, die allerdings für einige Jahre infolge eines unglücklichen Krieges Kaiser Konrads II. mit Stephan dem Heiligen von Ungarn bis zum Jahr 1043 wieder verlorenging. Während des Investiturstreites verursachte die schwankende politische Haltung Markgraf Leopolds II. neuerliche Verluste; König Heinrich IV. verlieh die Mark Österreich für eine Zeit sogar dem zuverlässigen Böhmenherzog Wratislav. So konnte sich die babenbergische Mark nur langsam konsolidieren. Westlich der Enns hatten die Babenberger mehrere bayrische Lehen inne, die 1156, bei der Erhebung der Mark Österreich zu einem Herzogtum, mit diesem vereinigt wurden. Diese Erhebung zum Herzogtum machte Österreich zum Kernland des zukünftigen Großstaates. Der neue Herzog war der Babenberger Heinrich II. Jasomirgott; damit war die Gefahr abgewendet, daß die Mark Österreich zu einem unbedeutenden Nebenland Bayerns herabsinken könnte, denn um diese Zeit reichte die Mark im Westen erst bis zur Enns und zum Haselgraben. Erst „die Zertrümmerung des bayrischen Stammesherzogtums im Jahre 1180 brachte den Landstrich von der Hasel bis zur großen Mühl dem Herzog Leopold V. zu, während das Land zwischen der Enns und dem Hausruck zum neuen Herzogtum Steiermark geschlagen wurde. Erst der Ofner Friede vom Jahre 1254, der die Steiermark zwischen den Königen von Böhmen und Ungarn teilte, machte die neue Abgrenzung der Lande nötig, die sich bis heute erhalten hat. In der Zeit des Zwischenreiches nach dem Aussterben der Babenberger fällt auch die Trennung von Österreich in das Land ob und unter der Enns, indem König Ottokar um 1260 die frühere Längsteilung des Landes durch den Donaulauf aufgab und durch eine Querteilung ersetzte. Seit dem Jahr 1264 findet sich in Urkunden die Bezeichnung Austria superior oder Austria supra Anasum, districtus supra Anasum, während für das alte Herzogtum Österreich Austria inferior, gewöhnlich sogar Austria schlechtweg gesetzt wird" (686). Die österreichischen Ostalpenländer haben im Hochmittelalter ihre eigene Geschichte gemacht. Sie haben sich alle aus der alten Karantanenmark entwickelt: unter der Gesamtbezeichnung Karantanien begriff man Jahrhunderte hindurch die innerösterreichische 114

Ländergruppe Kärnten, Steiermark und Krain; wobei die steirisch-ungarische Grenze wie auch die Südgrenze nur allmählich gewonnen wurde. Von diesen Ländern im Osten ist als erstes die Steiermark in enge Verbindung mit dem babenbergischen Österreich getreten. „Das Herrschaftszentrum der 970 erstmalig erwähnten karantanischen Mark am Mittellauf der Mur war zunächst mit der Hengistburg bei Wildon gegeben" (1260), die jedoch bei der Wiedereroberung von den Ungarn bis auf die Grundfesten zerstört wurde. Graz war damals, Mitte des 11. Jahrhunderts, noch eine kleine Burgsiedlung slawischen Ursprungs, weshalb sich das Schwergewicht nach Norden verlagerte. Von dieser sogenannten oberen Mark aus, die vier Grafschaften im Ennstal, um Judenburg, um Leoben und im Mürztal umfaßte, wurde später das Herzogtum Steiermark begründet. Um das Jahr 1000 wurden diese vier Grafschaften ebenso wie die Karantanenmark von Adalbero von Eppenstein verwaltet, dessen Familie sich nach ihrer Burg bei Judenburg nannte. Während der Jahre 1012—1035 war Adalbero auch Herzog von Kärnten. Nach seiner Absetzung durch den mit den Eppensteinern verfeindeten Kaiser Konrad II. kam die Karantanenmark an die bayrischen Grafen von Wels und Lambach, deren Haus um 1050 unterging. Ihnen folgte im Amte des Markgrafen die in der Chiemseegegend begüterten Otakare. Nur die Grafschaft Pitten im Aspangtale fiel mit einem Großteil des Welser Familiengutes an den Grafen Ekbert von Formbach, der in diese Familie hineingeheiratet hatte. Als die Formbacher 1158 ausstarben, kam auch das Pittener Gebiet mit dem Hauptort Neunkirchen unter die Herrschaft der Otakare. Diese haben „in den steirischen Marken und Grafschaften jenes Einigungswerk vollzogen, welches in Österreich den Babenbergern gelang. Die Otakare haben aber dem neuen Land auch den Namen gegeben, den ihrer Hauptburg Steyr an der Enns, nach der sie sich als ,marchiones de Stire' bezeichneten" (1260). Zur Ausbildung des Landesfürstentums in der Steiermark mußten ähnliche Widerstände überwunden werden wie in Österreich. Durch Erbschaften und Erwerbungen wuchs das Land. Entscheidend war für die Steiermark das Aussterben der Eppensteiner (1122), das dem Markgrafen Leopold „dem Starken" einen wahrhaft fürstlichen Landbesitz einbrachte. Auch Güter an der Drau und im Sanntal kamen auf dem Erbweg dazu, und 1158 konnte auch der Pittner Besitz zwischen Semmering, Wechsel und der Piesting erworben werden. Im Jahr 1180 wurde dann Markgraf Otakar IV., um Heinrich den Löwen zu demütigen, zum Herzog erhoben, wobei er auch das bayrische Gebiet zwischen der Enns und dem Hausruck erhielt. Der erste Herzog war auch der letzte seines Geschlechtes. Am 17. August 1186 schloß er, unheilbar krank und ohne Hoffnung auf Leibeserben, mit Leopold V. von Österreich einen Vertrag über die Nachfolge der Babenberger in der Steiermark. 1192 schon trat der Erbfall ein. Der Großteil des an Österreich gefallenen Gebietes bildete auch weiterhin ein eigenes Land „Steiermark". Das Herzogtum Kärnten des späteren Mittelalters „war wesentlich kleiner als das alte Karantanien, zu dem bekanntlich auch die Gebiete der späteren Steiermark, Krains, ja selbst Niederösterreichs, etwa das Pittener Land, gehört hatten". Die politische Geschichte Kärntens ist in der Zeit der Ottonen und der salischen Kaiser ebenso bewegt wie unübersichtlich. Es sei nur angemerkt, daß 976, im gleichen Jahre, in dem die Babenberger erstmals als Markgrafen von Österreich erwähnt werden, Kärnten als eigenes Herzogtum von Bayern abgetrennt und einem Luitpoldinger verliehen wurde. Eine eigene Dynastie entstand erst, als das Land von Heinrich IV. an Leopold aus dem schon genannten Hause der Eppensteiner übertragen wurde, das jedoch schon 1122 ausstarb. Kaiser Heinrich V. verlieh nun Kärnten dem Grafen Heinrich von Lavant aus der rheinfränkischen Familie der Grafen von Spanheim (Sponheim), jedoch ohne die Mark Verona, die die 115

Eppensteiner innegehabt hatten. Die Spanheimer fanden in Kärnten keine leichte Aufgabe vor, da die Immunitätsherrschaft Bambergs zu Villach und Griffen sowie Salzburgs zu Friesach und überdies die Stärke des Landesadels die Ausbildung eines einigermaßen geschlossenen Landesfürstentums behinderten, die erst im 13. Jahrhundert gelang. Aber auch den Spanheimern war keine lange Lebensdauer beschieden. 1269 starb ihr Haus aus und Kärnten gelangte 1286 an Meinhard von Tirol. Das dritte der drei innerösterreichischen Länder (die Bezeichnung „Innerösterreich" kam allerdings erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf), Krain, wurde zum erstenmal 973 als Mark erwähnt, hatte aber noch nicht den spätem Umfang erreicht. Es galt noch längere Zeit als Bestandteil des Herzogtums Kärnten. Die Krainer Markgrafen waren ebenso wie die des benachbarten Istrien dem Kärntner Herzog untergeordnet. Unterkrain gehörte eine Zeitlang dem Patriarchat Aquileja an, während Oberkrain teils Immunitätsbesitz der Bistümer Brixen und Freising war, teils zum Eigenbesitz der Grafen Weimar-Orlamünde gehörte. Nach deren Aussterben (nach 1141) gelangte das Land zuerst an die verschwägerten Spanheimer, dann an die Grafen von Bozen und schließlich für ungefähr 30 Jahre an die Andechs-Meranier. Nach der über Heinrich IV. 1209 ausgesprochenen Reichsacht erhielten die Patriarchen von Aquileja Istrien zurück, konnten sich aber dieses Besitzes infolge ihrer Rivalität mit Venedig nicht ungestört erfreuen. Einen großen Teil des istrischen Binnenlandes besaßen später die Grafen von Görz, die auch in Ostfriaul, in Krain und Kärnten (Lessach- und Mölltal einschließlich Lienz) begütert waren. Auch andere Geschlechter hatten in Krain umfangreiche Besitzungen inne, so die Andechser u. a. Stein, die Spanheimer Laibach, Krainburg und Landstraß. Durch die Lostrennung der Marken und Grafschaften im Osten und Süden war die Gewalt des Herzog auf das Gebiet Kärntens vor 1919 mit dem angrenzenden Teile Tirols beschränkt worden. Nur die Bezirke von Windischgraz, Murau und wahrscheinlich auch die Mark an der Sann (ebenso die von Cilli) gehörten damals noch zu Kärnten, nicht zu Steiermark. Die Mark von Cilli entwickelte sich später zu einer eigenen, auch durch Münzen vertretenen Grafschaft. Alles in allem eine bunte Folge wechselnder Besitzverhältnisse, die sich zu einem beachtlichen Teile auch auf das Münzwesen dieser Gegenden auswirkte. Die Landesgrenzen blieben noch so lange im Fluß, bis sich durch den allmählichen Anfall an das Haus Habsburg, durch eine einheitliche oder zumindest die Einheit anstrebende Verwaltung und die immer stärkere Ausbildung des Landesfürstentums auch die territorialen Verhältnisse festigten. Es wurde oben mehrfach von geistlichen und weltlichen Immunitätsgebieten innerhalb der von weltlichen Fürsten regierten Länder gesprochen, die als größere oder kleinere Enklaven deren Territorium durchsetzten. Es seien hier nur jene hervorgehoben, die durch die Errichtung eigener Münzstätten in und für diese Besitzungen auf innerösterreichischem Gebiet in Betracht kommen. Nur eines dieser geistlichen Fürstentümer hat sich im Ostalpenraum auch zu einem weltlichen Landesfürstentum entwickelt: Salzburg, dessen Erzbischof im Kerngebiet seiner Kirchenprovinz schon frühzeitig eine weltliche Machtstellung erlangt hatte. So kam es, daß zu einer Zeit, da es in den Ostalpenländern nur vom Reiche abhängige Marken, aber noch lange keine landesfürstliche Gewalt gab, der Salzburger Erzbischof Hartwig auch bereits das Münzregal erhielt (996). Außerhalb des geschlossenen Territoriums des Erzbistums aber besaß er in fast allen österreichischen Ländern mit dem Immunitätsrecht ausgestattete Streubesitzungen, in denen er überall gerichtsherrliche Gewalt, ferner Berg-, Münz- und Zollrechte ausübte. Der zu Friesach geprägte Pfennig war lange Zeit die wichtigste Münze im Ostalpengebiet und weit darüber hinaus in Ungarn, ja teilweise sogar in den nördlichen Balkanländern verbreitet. 116

Diese Ausstattung geistlicher Gewalt mit so großem Landbesitz und weltlichen Hoheitsrechten hängt mit der frühmittelalterlichen christlichen Mission aufs engste zusammen, um die sich insbesondere Salzburg durch den Rheinländer Rupert und den Iren Virgil verdient gemacht hatte. Ihre Nachfolger setzten deren Bildnis in dankbarem Gedenken seit dem 16. Jahrhundert auf die von ihnen geprägten Münzen. An zweiter Stelle ist das fränkische Bistum Bamberg zu nennen, dessen Bischof Gunther in Villa que vocatur Villach . . . mercatum liberum . . . cum banno, monetariis, monetis, theloneis . . . 1060 von Heinrich IV. verliehen erhielt. Bamberg hat dieses Münzrecht sowohl zu Villach als auch seit 1242 zu Griffen, beide in Kärnten, ausgeübt. Die Bischöfe von Freising in Bayern schlugen Münzen zu Gutenwört in der Windischen Mark, einem Orte, der längst nicht mehr besteht und als Hofmark am Unterlauf der Krainer Gurk, etwa auf halben Weg zwischen Rann und Einöd, lag. Neben Salzburg haben auf ehemals österreichischem Gebiet auch das Patriarchat Aquilej a, die Tiroler Bistümer Brixen und Trient sich zu weltlichen, ebenfalls mit dem Münzrecht begabten Landesfürstentümern entwickelt. Auch das Bistum Triest, dessen Geschichte enge mit der Istriens verknüpft ist, hatte Herrscherrechte über Stadt und Gebiet auf Grund königlicher und kaiserlicher Gnadenbriefe ausgeübt, die bis ins 10. Jahrhundert zurückgehen. Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts tritt in Görz, dessen Gebiet und Stadt Kaiser Otto III. dem Patriarchen Johann von Aquileja zur Hälfte geschenkt hatte, ein neues Geschlecht auf den Plan, dessen Angehörige bis zu ihrem Aussterben im Jahre 1500 die Herrscher von Stadt und Gebiet Görz waren. Ausgangspunkt der Machtstellung dieses Hauses, zweifellos aribonischer Herkunft aus dem Kärntner Lurngau, war die Vogtei über das Patriarchat Aquileja, also die Wahrnehmung weltlicher Rechte, vor allem der weltlichen Gerichtsbarkeit, die zu den einträglichsten Einnahmsquellen der Vögte gehörte und auch von den Görzer Grafen auf Kosten des Hochstiftes rücksichtslos ausgenützt wurde. Die Besitzungen der Görzer Grafen, über die sie als selbständige Landesherren verfügten, waren vielfältig und reich. Ihre Grenzen deckten sich aber auch hier nicht mit denen der „gefürsteten Grafschaft", wie Görz unter den Habsburgern hieß. „Einigermaßen geschlossen war nun das Gebiet vom Wippachfluß bis zum Isonzo im Umkreis der Stadt . . . und nördlich bis in die Talenge der Ronzina. Westwärts gehörten ohne feste Grenzen viele vereinzelte Besitzungen den Grafen, die auch in der friaulanischen Ebene bis an den Tagliamento begütert waren. Der Oberlauf des Isonzo mit Tolmein, als dem Mittelpunkt der Verwaltung, kam wahrscheinlich erst nach dem Sturze der Patriarchenherrschaft zur Grafschaft. Zahlreiche Besitzungen auf dem Karste: Duino, Senosetsch, Prem usw. leiteten zur Grafschaft Istrien hinüber, die schon im 12. Jahrhundert in den Händen der Görzer Grafen war; noch weiter östlich lag jenes Gebiet in der windischen Mark und im Möttlinger Boden, das 1374 nach dem Tode des Grafen Albert (IV.) nebst der Grafschaft Istrien zu Krain kam. Uralter Familienbesitz lag im Pustertal und in Oberkärnten usw. Den Höhepunkt seiner Macht erreichte das Geschlecht um die Mitte des 13. Jahrhunderts, als dem Grafen Meinhard III. das halbe Erbe nach Albert, dem letzten Grafen von Tirol zufiel. Allein dessen Söhne teilten (1267—1272) den Besitz: Meinhard IV. (in Tirol Meinhard II.) erhielt Tirol bis zur Haslacher Klause und erwarb hiezu 1286 auch Kärnten, der jüngere Albert (II.) die Güter im Pustertale von der Haslacher Klause abwärts, die Pfalzgrafschaften in Kärnten (zu der fast das ganze Gailtal gehörte), die Grafschaften Görz und Besitzungen in Krain und der windischen Mark" (686). Unter diesem, schon öfters kurz erwähnten Gebiet versteht man den von Slowenen (Winden) bewohnten 117

Landstrich im südöstlichen Krain, zwischen Save, Gurk und Kulpa. Später ging der Name auf ganz Unterkrain über. Meinhards Linie erlosch 1335 im Mannesstamme; das Geschlecht endete, durch wiederholte Güterteilungen und schlechte Wirtschaft in seiner Macht geschwächt, im Jahr 1500 ruhmlos mit Graf Leonhard, worauf Maximilian I. auf Grund von Erbverträgen die in ihrem ehemaligen Besitzstand stark geschmälerte und überdies sehr verschuldete Grafschaft besetzte. Die Görzer Grafen haben auf Grund ihrer nahen Verwandtschaft wiederholt, aber vergeblich versucht, ihre Ansprüche auf Tirol durchzusetzen. Doch hier hielt sich die andere Linie ihres Hauses noch über ihr Erlöschen im Mannesstamme hinaus. Hier, im „Land im Gebirge", wie Tirol noch zu Ende des 13. Jahrhunderts hieß, hatte sich eine eigene Landesherrlichkeit ebenfalls erst recht spät durchsetzen können. In karolingischer Zeit und unter den Ottonen war es in mehrere Grafschaften geteilt gewesen, von denen die nördlichen zum Herzogtum Bayern gehörten, während die südliche, die ehemals langobardische Grafschaft zu Trient, zur Mark Verona gerechnet wurde. Kein zweites Land des alten Österreich war unter so schwierigen Verhältnissen erwachsen, in keinem war die Herrschergewalt in so viele, vor allem geistliche Machthaber zersplittert. Das Erzstift Salzburg besaß das Ziller- und das Deffreggental, das Bistum Chur gebot im Vintschgau, Regensburg im Unterinntal. Auch die Bistümer Bamberg, Freising und Augsburg sowie zahlreiche bayrische Klöster hatten hier Besitzungen. Die beiden einheimischen Bistümer Brixen und Trient aber wuchsen, wie bereits erwähnt, allmählich zu reichsunmittelbaren Territorien von beträchtlichem Umfange an. Diese auffallende Bevorzugung der geistlichen Macht vor der weltlichen hatte einen reichspolitischen Hintergrund: die deutschen Herrscher mußten alles daransetzen, die Alpenpässe, vor allem den Brenner, für ihre Heereszüge freizuhalten, sie in verläßliche Hände zu bringen. In den von ihnen ernannten Bischöfen erblickten sie eine Hauptstütze ihrer Italienpolitik. Das Hochstift Brixen erhielt daher von ihnen eine Grafschaft, die sich von Klausen durch das Eisacktal über den Brenner und innabwärts bis zur Ziller erstreckte, während Trient mit der Grafschaft Bozen, die eisackaufwärts bis Klausen und auf dem linken Etschufer bis unterhalb Meran reichte, sowie mit dem Vintschgau das obere Etschtal bis Punt Ota (Pontalt) im Engadin umfaßte. Die beiden Bischöfe aber behielten die so erworbenen Grafschaften nicht unmittelbar in ihren Händen, sondern gaben sie an Adelsgeschlechter weiter, so daß sich statt zweier geistlicher Fürstentümer die weltliche Grafschaft Tirol bildete. Nur den italienischen Teil der Grafschaft Trient ließen die Bischöfe durch ihre eigenen Beamten verwalten. Seit 1140 nannte sich ein Grafengeschlecht nach seiner an der Stätte des römischen Teriolis erbauten Burg bei Meran Grafen von Tirol, ein Name, der nach dem Aussterben des Hauses auf das Land selbst überging. Die Grafen unterstützten gleich den anderen Adelsfamilien des Erblandes die Staufer in ihren italienischen Kämpfen und waren auch sonst politisch eifrig tätig. „Namentlich der letzte seiner Familie, Graf Albert, war ein energischer und erfolgreicher Staatsmann. Da er 1253 ohne männliche Nachkommen starb, wurde freilich eine andere Familie, die der Görzer, Nutznießer der Einigungsarbeit der Grafen von Tirol" (1260). Zu dieser Zeit war die Ausbildung des Landesfürstentums im Tiroler Raum noch nicht abgeschlossen, aber doch schon in die Wege geleitet. Erst im 19. Jahrhundert kam die Bildung eines eigenen Landes Vorarlberg nach einem ungemein langwierigen Prozeß zustande. Als Land hat Vorarlberg selbst nie Münzen geprägt; denn was heute mit diesem Namen bezeichnet wird, das hatte im Mittelalter weder einen Gesamtnamen noch ein eigenes Landeswappen, da es die lose Vereinigung 118

reichsunmittelbarer Gebiete war, die man in Österreich nach ihrer Lage als die vier (seit 1765 fünf) Herrschaften vor dem Arlberg bezeichnete. Sie hatten den Montfortern und den verwandten Grafen von Werdenberg gehört, die zu den mächtigsten Dynastengeschlechtern des Bodensees zählten, aber allmählich durch schlechte Wirtschaft und fortgesetzte Teilungen völlig verarmten. Von diesen beiden Familien haben nur die Montfort eigene Münzen geschlagen, aber nur im Mittelalter auf dem Boden des heutigen Bundeslandes, wo sie als Herren von Feldkirch im 13. Jahrhundert, am Höhepunkte ihrer Macht, das Münzrecht ausübten. In der neueren Zeit haben die Grafen von Montfort nicht mehr auf österreichischem Gebiet, sondern im heutigen Württemberg gemünzt, da sie die Herrschaften Feldkirch und Bludenz schon Ende des 14. Jahrhunderts an die Herzoge von Österreich verkauft hatten. Nach dem Aussterben der Babenberger im Mannesstamme behandelte Kaiser Friedrich II. die babenbergischen Besitzungen mit vollem Rechte als heimgefallene Reichslehen, die er durch Statthalter verwalten ließ. Der Papst aber, der den Staufer gebannt hatte, vertrat dagegen das Erbrecht der weiblichen Mitglieder der Babenberger, insbesondere der Nichte des letzten männlichen Babenbergers, Friedrichs des Streitbaren, Gertrude, Tochter seines 1228 verstorbenen älteren Bruders Heinrich. Der österreichische höhere Landadel aber sympathisierte mit der Schwester Margarete des in der Schlacht an der Leitha (1246) im Kampfe gegen die Ungarn gefallenen Herzogs. Kaiser Friedrich mußte den alten Plan, Österreich und Steiermark staufisch zu machen, aufschieben. Aber vier Jahre nach dem Tode seines österreichischen Namensvetters starb auch er. So entstand nun sowohl im Reiche als auch in den verwaisten babenbergischen Ländern ein herrenloser Zustand, ein Interregnum. Der böhmische Kronprinz Öttokar griff nach Österreich, König Béla IV. von Ungarn nach der Steiermark. Zwischen den beiden Rivalen kam es zu schweren Kämpfen, die erst 1254 durch einen Friedensschluß beigelegt wurden. Ungarn behielt wohl die Steiermark, mußte aber den nördlich von Wechsel und Semmering gelegenen Bezirk Pitten samt Wiener Neustadt sowie das Traunviertel, die früher zu Steiermark gehört hatten, dem Böhmen abtreten, der es mit Österreich vereinigte. Die so geschaffene neue Landesgrenze blieb fortan bestehen. So hatte Ottokar, seit 1253 auch König von Böhmen, nach endgültiger Vertreibung der Ungarn das ganze babenbergische Erbe wieder vereinigt. 1270 besetzte er nach dem kinderlosen Tode Ulrichs III. von Kärnten auch dieses Land samt Krain und der Windischen Mark. Sie alle ertrugen die strenge Regierung des Böhmen als Fremdherrschaft nur mit Murren. Als im Jahre 1273 Rudolf von Habsburg zum deutschen König erwählt und damit „der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit" ein Ende gesetzt wurde, zeigte sich der neue Herrscher vom Tage seiner Wahl an entschlossen, nicht nur die verfallene Ordnung wiederherzustellen, sondern auch die Ansprüche des Reiches auf das Erbe der Babenberger und Spanheimer zur Geltung zu bringen. 1276 mußte Ottokar auf alle seine neuen Erwerbungen verzichten, wodurch sein Traum, eine Herrschaft von der Ostsee bis zur Adria aufzurichten und damit einen mächtigen Block zwischen das Deutsche Reich und Ungarn zu stellen, sich in nichts auflöste. Er konnte sich damit nicht abfinden; beim Versuch, den Verlust mit Waffengewalt zurückzugewinnen, verlor er 1278 im Kampfe gegen Rudolf von Habsburg Schlacht und Leben. Der König trachtete nun durch kluge Politik das babenbergische Erbe seinen beiden Söhnen Albrecht und Rudolf zuzuwenden. Nachdem alle Hindernisse, die diesem Plane entgegenstanden, aus dem Wege geräumt waren, konnte Rudolf zu Weihnachten 1282 die beiden in den Reichsfürstenstand erheben und sie unter Zustimmung der Kurfürsten mit Österreich, Steiermark, Krain und der windischen Mark belehnen, desgleichen auch mit 119

Kärnten, das jedoch 1286 wieder abgetrennt und dem Grafen Meinhard von Görz, Rudolfs getreuem Paladin, verliehen wurde. Als in den österreichischen Landen Bedenken gegen die Gesamtbelehnung vorgebracht wurden, erklärte der König 1283, daß Österreich, Steiermark und Krain dem Herzog Albrecht und dessen Nachkommen zustünden, Rudolf aber mit Geld entschädigt werden solle. Nun vollzog sich in verhältnismäßig rascher Folge der Anfall der noch unter eigenen Landesherren stehenden weltlichen Gebiete an das Haus Habsburg, das schon in Österreich und der Steiermark herrschte. Den Anfang machte im Jahre 1335 Kärnten samt Krain und Istrien, wo 1382 auch Triest sich durch freiwilligen Anschluß der drohenden Vergewaltigung durch Venedig entzog ; 1363 gelang es RudolflV. dem „Stifter", Tirol von der letzten Meinhardinerin, Margaretha Maultasch, zu erwerben. 1375 setzten die Herzoge von Österreich durch Ankauf der Herrschaften Feldkirch und Bludenz mit dem Tal Montafon auch nach Vorarlberg ihren Fuß; 1451 kam noch eine Hälfte der Grafschaft Bregenz, 1523 die andere dazu, indem Erzherzog Sigmund, dann Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser, sie von den Grafen von Montfort-Bregenz kauften. Schließlich sei auch noch der Grafschaft Cilli gedacht, die den tatkräftigen Freien von Sonneck gehörte. Seit dem 14. Jahrhundert nannten sie sich Grafen von Cilli und hatten einen so reichen Güterbesitz angekauft, daß er 1436 zu einer gefürsteten Grafschaft erhoben wurde. Durch Verschwägerung mit den Luxemburgern, den Piasten, den Jagelionen und den Königen von Bosnien herrschten sie von Oberkärnten über Krain und die südliche Steiermark bis tief nach Kroatien, wo sie Herren der Grafschaft Zagorien waren. Aber 1456 wurde der letzte dieses „unbändigen" Geschlechtes zu Belgrad von politischen Gegnern ermordet. „Das reiche Cillier Gut — der Keim zu einem unabhängigen Groß-Kroatien — zersplitterte, die Besitzungen in Innerösterreich fielen an Kaiser Friedrich III., die Grafschaft Zagorien verblieb bei Kroatien" (689). Als dann 1500 durch den Tod des letzten Grafen Leonhard auch Görz an das Haus Habsburg fiel, hatte dieses, wenn wir von dem noch bestehenden geistlichen Immunitätsbezirk absehen, einen abgeschlossenen und abgerundeten Besitz. Ungefähr um diese Zeit hatte auch die seit dem Vertrag von 1379 zu Neuberg in der Steiermark vereinbarte Länderteilung zwischen Albrecht III. und Leopold III. in eine albertinische und eine leopoldinische Linie durch Erlöschen der albertinischen Linie mit Ladislaus Postumus (1457) zu bestehen aufgehört. Eine Kräftezersplitterung, die beinahe böse Folgen für die Erblande gehabt hätte, da der Gegensatz im Herrscherhause auch auf die Länder übergriff. Und auch in der leopoldinischen Linie herrschte keine Einigkeit, da die beiden jüngeren Söhne Leopolds III., der 1386 im Kampf gegen die Eidgenossen bei Sempach gefallen war, Emst und Friedrich IV., den ihnen als väterliches Erbe zugefallenen Besitz ebenfalls teilten. Ernst erhielt Innerösterreich, Friedrich IV. „mit der leeren Tasche" aber Tirol und die Vorlande. Erst als dessen Sohn Sigmund seinem Neffen Maximilian von einem anderen Zweige dieser Linie sein Gebiet abtrat, vereinigte dieser endlich den habsburgischen Gesamtbesitz wieder in einer Hand. Noch ein Wort über die eben genannten Vorlande, später auch Vorderösterreich genannt; es waren dies in der Nachbarschaft älterer habsburgischer Besitzungen im Schwarzwald die Landgrafschaft Breisgau mit der Stadt Freiburg; dann solche in der Schweiz und in Schwäbisch-Österreich oder Österreichisch-Schwaben, unter denen monetär die Markgrafschaft Burgau zwischen Lech, Donau und Iiier hervorragt, schließlich Vorderösterreich im engeren Sinne, d. h. die gesamten im Bereich des Hoch- und Oberrheines einschließlich des Schwarzwaldes und der Baar gelegenen Herrschaften; während alles andere seit Maximilian I. der Innsbrucker oder oberösterreichischen Regierung unter120

stand, war Vorderösterreich dieser nur mittelbar untergeordnet, da es in Ensisheim im Oberelsaß bis zum Westfälischen Frieden 1648, der das Elsaß Frankreich zusprach, eine eigene vorderösterreichische Regierung besaß.

B. Die Länder der Wenzelskrone Keines der Länder der ehemaligen Monarchie, auch nicht Ungarn, war von Natur aus so begünstigt, sich zu einem einheitlichen Staate zu entwickeln, wie Böhmen. Rings von Gebirgen umgeben, war ihm sein Territorium von den ältesten Zeiten her vorgezeichnet. Aber trotzdem hat es auch hier lange gedauert, bis die Gunst der Lage zur Bildung einer politischen Einheit voll ausgenützt wurde. Bis zum Ende des 9. Jahrhunderts werden in Böhmen von den fränkischen Schriftstellern zwar stets eine größere Zahl von Fürsten (duces) nebeneinander, aber nie ein Herr des ganzen Landes erwähnt. Böhmen und Mähren galten seit dem Ende der Awarenzüge als dem Frankenkönig Untertan, doch waren diese Länder für die Karolinger ein recht unsicherer Besitz, der schließlich an das aufstrebende Großmährische Reich verlorenging, als dieses seine Macht auch über Böhmen erstreckte. Nach der vernichtenden Niederlage des bayrischen Heerbanns gegen die ungarischen Reiterscharen bei Preßburg 907 erlag auch das Großmährische Reich dem ungarischen Ansturm. Trotz ihrer Unterwerfung unter die Oberhoheit zuerst der fränkischen und dann des Großmährischen Reiches hatten die Tschechen in Böhmen ihre innere Selbständigkeit wahren können. Von ihren Stammesfürsten war das Geschlecht der Przemysliden, das über die mittleren Teile des Landes herrschte, zu größerer Macht gelangt, die sie anfänglich noch mit den mit polnischen Herrschern verbündeten Slavnikiden teilen mußten. Im Laufe des 10. Jahrhunderts gelang es aber den Przemysliden nach Verdrängung der übrigen Fürstenfamilien, die Alleinherrschaft über Böhmen zu begründen; als sie im Jahre 995 auch das Haus der Slavnik ausgerottet hatten, gewann ihr Herrschaftsgebiet ungefähr den Umfang, den das spätere Königtum Böhmen bis 1918 besessen hatte. Im Westen reichte es bis zum Egerländchen, nordöstlich bis Glatz. Die Herrscher aus dem Hause der Przemysliden sind deutsche Reichsfürsten gewesen; seit 1257 waren sie sogar Kurfürsten. Wratislav II. (1061 — 1092) erhielt für seine im Investiturstreit bewiesene Treue von Heinrich IV. für seine Person den Titel eines Königs von Böhmen und Polen. Ein Jahrhundert später (1158) erhielt Wladislav II. von Friedrich I. in Anerkennung seiner Kriegsdienste gegen die lombardischen Städte für sich und seine Nachfolger die Königskrone, verlor sie aber nach wenigen Jahren wieder infolge einer eigenmächtigen Handlung. Um sich für die Zukunft zu sichern, suchte Barbarossa überdies die Macht seines Vasallen durch Teilungen zu schwächen, indem er unter anderem 1182 Mähren von Böhmen abtrennte und zu einer eigenen Markgrafschaft erhob. Nach dem Tode Kaiser Heinrichs VI. gelang es schließlich unter Przemysl Ottokar I. den früheren Zustand zum Teil wieder herzustellen und die Königswürde dem Hause fortan zu sichern. Dessen Sohn, Przemysl Ottokar II., seit 1247 Markgraf in Mähren, 1253 auch Herrscher in Böhmen, verstand es, wie bereits erwähnt, sein Reich bis zur Adria auszudehnen. Sein Machttraum aber ging nur zu bald zu Ende, als er 1278 auf dem Marchfelde im Entscheidungskampfe gegen König Rudolf I. von Habsburg Schlacht und Leben verlor. Sein Haus erlosch schon 1306 mit Wenzel III. König Albrecht I., der Sohn Rudolfs I., verlieh Böhmen und 121

Mähren als erledigte Reichslehen seinem ältesten Sohne Rudolf. Nach dessen frühen Tode (1307) aber wählten die böhmischen Großen, obwohl sie eidlich gelobt hatten, Böhmen beim Hause Habsburg zu lassen, zuerst den Herzog Heinrich von Kärnten, Gemahl der ältesten Schwester Wenzels III., der aber bald ihre Gunst verlor. Im Jahre 1310 belehnte König Heinrich VII. dann seinen Sohn Johann von Luxemburg mit Böhmen und Mähren, der sich mit der jüngeren Schwester des letzten Przemysliden vermählte. Johanns Sohn Karl, der als der IV. dieses Namens seit 1347 auch die Krone des Deutschen Reiches trug, benützte diese Stellung vor allem zur Mehrung seiner Hausmacht, indem er unter anderem die von seinem Vater zum Teil begründete Lehensherrlichkeit der Krone Böhmens über ganz Schlesien erweiterte und die Lausitz, Oberpfalz und Brandenburg seinem Hause gewann. Im Jahre vor seinem Tode teilte er seine Länder: seinem ältesten Sohne Wenzel (IV.), der ihm auch im Reiche nachfolgte, gab er Böhmen, Schlesien, die luxemburgischen Besitzungen in Bayern, Sachsen und Franken, einen Teil der Lausitz sowie die Oberlehensherrlichkeit über die Lande seiner übrigen Söhne. Von diesen wurde Sigmund Kurfürst von Brandenburg, während der dritte und letzte, Johann, den Rest der Lausitz mit dem Titel eines Herzogs von Görlitz erhielt. Unter Wenzel IV. aber begann infolge seiner üblen Charaktereigenschaften alsbald der Verfall des von Karl IV. zur führenden Macht im Reiche gediehenen Landes. Adelsverschwörungen, religiöse und politische Zerwürfnisse, nicht zuletzt auch der erstarkende tschechische Nationalismus spalteten Böhmen in einander feindlich gegenüberstehende Lager. Die Erregung erreichte ihren Höhepunkt, als das Konzil von Konstanz den Magister Johann Hus der Ketzerei schuldig befand und verbrennen ließ. Die darauf einsetzende hussitische Reformbewegung löste einen langjährigen, erbitterten Bürgerkrieg aus, der auch auf österreichisches und oberungarisches Gebiet übergriff und sich immer mehr zu einem nationalen Kampfe gegen das deutsche Bürgertum zuspitzte. Der allgemeine Landtag von Caslau erklärte 1421 Sigismund, der bereits deutscher und ungarischer König war, der böhmischen Krone für verlustig und setzte eine provisorische Regierung ein. Erst ein Jahr vor seinem Tode im Jahre 1437 konnte Sigmund in Prag feierlich einziehen. Mit ihm erlosch der Mannesstamm der Luxemburger. Nach den Bestimmungen der Thronfolgeordnung von 1347 war das Erbrecht von Sigmunds einziger an Herzog Albrecht V. von Österreich vermählter Tochter Elisabeth nicht zweifelhaft. Aber der Habsburger wurde von den Hussiten abgelehnt. Nach seinem baldigen Tode 1439 wurden auch Elisabeth und ihr Sohn Ladislaus Postumus nur von den Schlesiern, den Lausitzern und von Mähren anerkannt. Als Postumus 1457 unvermählt starb, wurde in Mißachtung der Erbrechte der frühere Reichsverweser Georg Podiebrad aus dem Hause Kunstat zum König gewählt. Aber auch er regierte, obwohl beim Volke beliebt, recht unglücklich und führte das Land abermals an den Rand des Verderbens. Als er 1471 starb, stand er im Kriege gegen den Ungarnkönig Matthias Corvinus, der Mähren und Schlesien erobert hatte und Anspruch auf die Wenzelskrone erhob, dem aber in dem polnischen Prinzen Wladislav Jagello ein Gegenkönig entstand. Erst 1478 konnte der Frieden zwischen den beiden Prätendenten auf Grundlage des damaligen Besitzstandes und gegen Anerkennung des böhmischen Königstitels für Matthias geschlossen werden. Als der Corvine 1490 zu Wien starb, gewann der Pole nicht nur Mähren und Schlesien zurück, sondern auch die Krone Ungarns hinzu. Unter der schwachen Regierung von Wladislav (f 1516) und seines Sohnes Ludwigs II. (f 1526) nahm in Böhmen wie in Ungarn die Zerrüttung der königlichen Gewalt zugunsten des Adels immer mehr zu. Die zwischen Kaiser Maximilian I. und Wladislav im 122

Jahre 1515 zu Wien verabredete Doppelhochzeit zwischen den beiden Herrscherhäusern brachte wohl vorübergehend eine Kräftigung, aber alle Hoffnungen brachen mit der Niederlage und dem Tod des jungen Ludwig in der Türkenschlacht bei Mohäcs jäh zusammen. Einige Worte über den Besitzstand außerhalb von Böhmen. Die südostdeutschen Herzogtümer, die Przemysl Ottokar II. nach dem Aussterben der Babenberger und der Spanheimer an sich gebracht hatte, mußte er im Wiener Frieden von 1276 an König Rudolf von Habsburg abtreten. Das gleiche war mit E g e r der Fall, das früher eine Reichsstadt gewesen war. Als sich dann Ludwig von Bayern 1314 um die deutsche Krone bewarb, verpfändete er Stadt und Land Eger dem Böhmenkönig Johann von Luxemburg um 20.000 Mark Silber, was 1322 in Kraft trat. Doch wurde Eger nicht mit Böhmen vereinigt, sondern dem König und dem von diesem ernannten Hauptmann unterstellt. Das B a u t z n e r Land oder Budisin und Görlitz war schon 1076 dem Herzog Wratislaw II. von Böhmen verliehen worden, kam dann zwar nach einigen Unterbrechungen als Mitgift einer Schwester Przemysl Ottokars II. an Brandenburg, aber unter König Johann wieder an Böhmen zurück, der 1329 auch noch Görlitz dazukaufte. Die Markgrafschaft ( N i e d e r - ) L a u s i t z erwarb Kaiser Karl IV. 1364 zuerst als Pfand, 1367 aber dauernd durch Kauf. Ein Teil Schlesiens hatte schon im 10. Jahrhundert zu Böhmen gehört; nach der Eroberung durch den Piastenherzog Boleslav Chrobry von Polen (999) blieb es mit diesem Reiche vereint, bis dieses 1138 unter die Söhne Boleslav III. geteilt wurde. Schlesien zerfiel 1163 in zwei Herzogtümer und löste sich im Laufe des 13. Jahrhunderts in zahlreiche Fürstentümer auf. Als der Böhmenkönig Wenzel II. Ansprüche auf das erledigte Herzogtum Krakau erhob, versprachen ihm die Herzoge von Teschen und Oppeln Heeresfolge in allen seinen Kriegen, nachdem sein Bruder Kasimir von Beuthen schon zwei Jahre vorher die Lehenshoheit Böhmens anerkannt hatte. Als bald darauf (1306) die Przemysliden ausstarben, ging, wie die Herrschaft Böhmens über Polen, auch die Lehenshoheit über diese Teile Oberschlesiens verloren. Jedoch König Johann konnte sie wiederherstellen, so daß die Oberhoheit der böhmischen Herrscher über ganz Oberschlesien erneut gefestigt war. 1327 trat auch der kinderlose Heinrich VI. von Breslau sein Herzogtum an Johann gegen eine Jahresrente auf Lebensdauer ab. Auch Glogau fiel ihm zu, ebenso waren die Herzoge von Liegnitz-Brieg, Steinau, Sagan, Oels und Münsterberg genötigt, ihre Länder vom Böhmenkönig zu Lehen zu nehmen. Die letzten schlesischen Fürstentümer erwarb Karl IV. durch seine Heirat mit Anna, der Nichte und Erbin des kinderlosen Herzogs Bolko von Schweidnitz und Jauer, nach dessen Tod (1368) auch diese Länder an Böhmen kamen. Bei dem Aussterben einiger dieser plastischen Linien fielen von diesen Fürstentümern die einen schon im 14. Jahrhundert, die anderen im 16. Jahrhundert an Böhmen; sie wurden dann zum Unterschiede von den noch in den Händen der Piasten verbliebenen Territorien „Erbfürstentümer der Krone Böhmens" genannt. Jüngere Fürstengeschlechter kamen in Schlesien zur Herrschaft, als Przemysl Ottokar II. das Gebiet von Troppau nebst einigen Städten, darunter Jägerndorf, von Mähren abtrennte und seinem legitimierten Sohne Nikolaus als Fürstentum verlieh, ferner dadurch, daß Kaiser Friedrich III. die Söhne König Georgs von Podiebrad, denen ihr Vater Troppau, Münsterberg, Oels und Glatz gegeben hatte, in den Reichsfürstenstand erhob. Andere schlesische Gebiete wiederum wurden Böhmen entfremdet, unter anderem das Herzogtum Auschwitz, das 1457 an Polen verkauft wurde, und das Herzogtum Sagan, das Sachsen erwarb, wobei jedoch die Lehenshoheit der polnischen Krone vorbehalten blieb. 123

C. Die Länder der Stephanskrone Die Magyaren rückten gegen Ende des 9. Jahrhunderts aus dem Osten in die von den Awaren verlassenen Gebiete an der mittleren Donau und Theiß vor, vernichteten das Großmährische Reich und schoben sich trennend zwischen Nord- und Südslawen. Das in acht Horden oder Stämme geteilte Volk hatte schon während seines Aufenthaltes in Südrußland den Führer des mächtigsten Stammes, Arpäd, zu seinem gemeinsamen Oberhaupt gewählt. Die Landnahme erfolgte der Überlieferung nach im Jahre 896. Die Stammeshäupter besaßen aber auch weiterhin noch eine ausgedehnte Gewalt. Erst Geisa (Géza) I., der in Gran an der Donau residierte, gelang es, einen Teil dieser Stammeshäuptlinge zu unterwerfen; den Rest eroberte sein Sohn Stephan I. (f 1038), der 1001 mit einer vom Papst Sylvester II. gesandten Krone zum Könige gekrönt wurde. Damit war — bis auf den Südwesten — so ziemlich das ganze Territorium des ungarischen Reiches, einschließlich von Westsiebenbürgen, dem „Land jenseits des Waldes" (Trans- oder Ultrasilvanien), im Besitz des ersten Königs. Ladislaus I. (1077—1095) erwarb auch Kroatien, das jedoch bald wieder verlorenging. Erst sein Bruder und Nachfolger Koloman (1095—1116) konnte es wieder mit Ungarn vereinigen; die Verwaltung wurde einem Ban übertragen. Im Jahre 1105 konnten auch Zara, Trau, Spalato und die benachbarten Inseln, die bis dahin die Oberhoheit Venedigs anerkannt hatten, unterworfen und mit Ausnahme von Zara auch in späteren Kriegen gegen die Venetianer behauptet werden. König Béla II. (1131 — 1141) dehnte seine Oberherrschaft auch über das von Serben besiedelte Rama (Nordwesten der Herzegowina) aus. Auch das zwischen Ungarn und Rama liegende Bosnien erscheint schon 1137 als ungarisches Herzogtum. „Die ungarischen Könige legten sich übrigens im Laufe der Zeit auch die Titel von Serbien, Galizien und Lodomerien sowie Kumanien und Bulgarien bei. Wirkliche Herrscherrechte standen jedoch den Arpaden, als ihre Dynastie im Jahre 1301 erlosch, nur in Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien, Slawonien, in Teilen von Dalmatien, Serbien und der Walachei zu" (689). Dies war auch der Umfang des ungarischen Reiches, als König Karl I. Robert aus dem Hause der neapolitanischen Anjou (1304—1342) hier die Herrschaft antrat. Allerdings hatten die Thronstreitigkeiten, die nach dem Aussterben der Arpaden ausbrachen, auch schwere und unwiderrufliche Verluste gebracht: Der Ban von Bosnien, der auch Chulm unterwarf, machte sich ganz unabhängig. Die Küstenstädte Dalmatiens stellten sich unter den Schutz Venedigs und gingen damit f ü r Ungarn endgültig verloren. Nur das Severiner Banat oder Kleine Walachei sowie das Machover Banat, das Belgrad und andere Städte südlich der Save umfaßte, konnte gegen Angriffe des walachischen Woiwoden- und des Serbenkönigs behauptet werden. Karl Roberts Sohn Ludwig der Große (1342—1386) vermochte dem von ihm geführten Titel eine reale Grundlage zu verschaffen: Moldau und Walachei mußten die ungarische Oberhoheit anerkennen; Dalmatien und Kroatien wurden unterworfen, Venedig mußte alle Inseln und Küstenplätze zwischen dem Quarnero und dem Gebiete von Durazzo an Ungarn abtreten. Nach dem Tode seines Oheims Kasimir wurde Ludwig 1370 auch König von Polen; ungefähr zehn Jahre später konnte er auch Rotrußland, die ehemaligen Fürstentümer Halitsch und Wladimir, mit Ungarn vereinigen. Der Ban von Bosnien wurde genötigt, die Oberherrschaft des ungarischen Königs wieder anzuerkennen und ihm das Land Chulm oder Chelm im Hinterlande von Ragusa abzutreten. Auch die Auflösung des großserbischen Reiches sowie Thronstreitigkeiten in Bulgarien boten die Möglichkeit zu Gebietserweiterungen. Trotzdem blieb die Herrschaft über die Vasallenländer nach wie vor unsicher: 1377 124

wurde die Walachei wieder unabhängig; 1370 mußte Ludwig das von ihm fünf Jahre vorher eroberte Widdin gegen Anerkennung seiner Oberhoheit wieder an Bulgarien zurückgeben; 1376 ließ sich Twartko von Bosnien, der seine Herrschaft über Chulm, Trebinje und das Küstenland ausgedehnt hatte, zum „Könige von Serbien, Bosnien und dem Küstenlande" krönen, was ihn als unabhängigen Herrscher legitimierte. Nach Ludwigs Tod begann das Großreich langsam zu zerbröckeln. Die Polen anerkannten nicht seine ältere Tochter Maria, sondern die jüngere Hedwig als ihre Königin. In Ungarn und Kroatien trat 1385 der aus einer Seitenlinie der Anjou stammende Karl von Neapel als Gegenkönig auf, der die legitime Herrscherin Maria sogar gefangennahm. Rotrußland wurde währenddessen von Hedwig in Besitz genommen, der Woiwode von Moldau erkannte die Oberhoheit Polens an und jener der Walachei schloß mit diesem ein Bündnis. Auch der Serbenfürst Stephan fiel ungeachtet seiner Bedrängnis durch die Türken von Ungarn ab. Hier war der mit Ludwigs Tochter Maria vermählte Sigmund von Luxemburg endlich von den Ungarn als König anerkannt worden; aber 1397 fiel er nach seiner Niederlage bei Nikopolis in türkische Gefangenschaft; sein unstetes Wesen und die Begünstigung einiger Ausländer hatten die Folge, daß die Unzufriedenen 1403 König Ladislaus zu Neapel als ihren König erkoren. Diesmal aber wurde Sigmund der Aufständischen Herr. Da jedoch Ladislaus Zara und einige Nachbargebiete sowie seine Ansprüche auf den übrigen Teil Dalmatiens 1409 um 100.000 Dukaten an Venedig verkaufte, brach zwischen diesem und Sigmund alsbald ein Krieg aus, der 1420 mit dem Verluste von ganz Dalmatien an die Serenissima endete. Um sich das zu diesem Krieg notwendige Geld zu verschaffen, hatte der leichtsinnige König 1412 die Herrschaften Lublau, Pudlin und Kniesen sowie 13 deutsche Gemeinden in der Zips um 37.000 Schock Groschen (1 Schock zu 60 Stück) an Polen verpfänden müssen, Gebiete, die erst im Jahr 1772 anläßlich der ersten Teilung Polens wieder an die Monarchie zurückfielen. Die vieljährigen Kriege mit den immer bedrohlicher gegen den Westen anstürmenden Türken brachten den endgültigen Verlust der südlichen Vasallenländer; Serbien, Bosnien und die Herzegovina wurden von den Osmanen erobert. Zwar gelang es Matthias Corvinus, im Norden Bosniens wieder einige Gebiete zurückzuerobern, aber sie gingen unter seinen schwachen Nachfolgern wieder verloren. 1521 wurden auch die noch in ungarischen Händen befindlichen Festungen am rechten Ufer der Save, Sabacz und Belgrad, von den Türken erobert, die 1526 bei Mohacs den Ungarn eine entscheidende Niederlage bereiteten, in der auch der jugendliche König Ludwig II. sein Leben verlor. 1541 wurde dann Ofen, die alte Residenzstadt der ungarischen Könige, f ü r fast 150 Jahre der Sitz eines türkischen Eyälets; dem Abendland erhalten blieb bloß ein klein gewordenes, ständig vom Erbfeind der Christenheit und anderen Gegnern bedrohtes Rumpfungarn.

D. Die Gebietsveränderungen unter habsburgischer Herrschaft Die berühmt gewordene habsburgisch-jagellonische Doppelhochzeit zu Wien war die Geburtsstunde der österreichisch-ungarischen Monarchie. Infolge der damals zwischen Kaiser Maximilian I. und Wladislav II. abgeschlossenen Verträge schloß einige Jahre später der Kaiserenkel Ferdinand die Ehe mit Anna von Ungarn, ihr Bruder Ludwig II., bereits König, mit Ferdinands Schwester Maria. Der Tod Ludwigs in der Türkenschlacht 125

bei Mohàcs brachte Ferdinand mit einem Schlag rechtmäßige Herrschaftsansprüche in Böhmen und Ungarn. In Böhmen konnte sich der junge Erzherzog ohne besonderen Widerstand durchsetzen: hier wurde er bereits am 23. Oktober 1526 zum König gewählt, obwohl es neben ihm auch noch andere Bewerber um den erledigten Thron gegeben hatte. In Ungarn aber stand ihm von vornherein die nahezu geschlossene Phalanx einer mächtigen nationalen Adelspartei gegenüber, die auch ihren Kandidaten, den Zipser Grafen Johann Zäpolya, vordem Woiwode von Siebenbürgen, zum König proklamierte, obwohl sich dieser dem türkischen Sultan unterworfen hatte, um mit dessen Hilfe seine ehrgeizigen Pläne durchsetzen zu können. Infolgedessen waren die ersten Regierungsjahre Ferdinands nicht nur von der immer stärker werdenden Bedrohung durch die Türken erfüllt, die 1529 sogar Wien belagerten, sondern auch von schweren und verlustreichen Kämpfen in Oberungam gegen Zäpolya, die erst mit dessen Tod im Jahre 1540 schlecht und recht beendet wurden. Immerhin konnte Ferdinand sich von vornherein als den rechtmäßigen Herrscher des immer kleiner werdenden Ungarn betrachten, zumal er und nicht sein Gegenpart mit der hl. Stephanskrone gekrönt worden war. Nach dem Tode Zäpolyais setzte dessen Witwe, die polnische Königstochter Isabella durch, daß ihr erst zwei Wochen alter Sohn Johann Sigismund, entgegen den Bestimmungen des Friedens von Großwardein, von der Mehrzahl der Anhänger seines Vaters zum König ausgerufen wurde. Der Sultan sagte seine Unterstützung zu. 1541 fiel Ofen für anderthalb Jahrhunderte in die Hände der Osmanen und mit ihm die ganze Mitte des Reiches. Sultan Soliman II. der Prächtige überließ Isabella und ihrem Sohn nur noch Siebenbürgen und das Land jenseits der Theiß als türkisches Sandschakat gegen einen jährlichen Tribut von 10.000 Dukaten in Gold. Zehn Jahre später mußte Isabella Siebenbürgen und Ostungarn gegen das schlesische Fürstentum Oppeln an Ferdinand abtreten, was einen neuen Türkenkrieg auslöste. Siebenbürgen ging dadurch 1556 neuerlich und diesmal endgültig an Isabella und ihren Sohn bzw. dessen durch Wahl an die Spitze des Landes berufenen Nachfolger verloren. Seit dem achtjährigen Frieden von 1568, der in der Folge wiederholt erneuert wurde, bildeten die Orte Szatmär, Tokaj, Erlau, Levenz, Neuhäusel, Komorn, Totis, Palota, Veszprim und Kanizsa die äußersten Punkte habsburgischen Gebietes in Ungarn. Auch dieses Rumpfungarn wurde noch für Jahrzehnte um etliche Komitate geschmälert, die Rudolf II. und dann Ferdinand II. an die siebenbürgischen Fürsten Stephan Bocskay, Gabriel Bethlen und Georg I. und II. Ràkóczi abtreten mußten. Von diesen hat sich Bocskay Fürst von Ungarn und Siebenbürgen genannt, Bethlen aber, den sein Kampf gegen Ferdinand II. fast unter die Tore Wiens führte, nahm 1620 sogar die ungarische Königskrone an. 1621 entsagte er zwar dem Königstitel, wofür er den eines Reichsfürsten und die schlesischen Herzogtümer Oppeln und Ratibor erhielt. Auch später noch wurde das habsburgische Königtum in Ungarn durch den von Frankreich und der Türkei unterstützten Emeri eh Tököly und schließlich durch Franz II. Ràkóczi und seine blutdürstigen Kuruzzenhorden, die auf ihren Zügen bis in die Oststeiermark kamen, gefährdet. Ràkóczi war von seinen Anhängern 1704 auch zum Fürsten von Siebenbürgen ausgerufen worden, obwohl der letzte Fürst, der junge Michael II. Apaffy, 1696 sein Land gegen eine Jahresrente und den Titel eines Reichsfürsten dem Kaiser abgetreten hatte. Der Friede von Szatmär (1711) brachte endlich die Auflösung der Rebellenarmee, während Ràkóczi ins polnische, französische und schließlich ins türkische Exil ging. Mittlerweile war es den Kaiserlichen und ihren Bundesgenossen nach harten Kämpfen endlich geglückt, Ungarn von den Türken zu befreien. Im Frieden von Karlowitz 1699 mußte die Pforte auf Ungarn mit Ausnahme des Gebietes zwischen Theiß und Maros, auf 126

Siebenbürgen, auf Kroatien bis zur Una und auf Slawonien mit Ausnahme eines kleinen Gebietes im Osten verzichten. Nachdem Prinz Eugen den Türken 1716 bei Peterwardein, 1717 bei Belgrad eine vollständige Niederlage beigebracht und diese zur Kapitulation gezwungen hatte, trat die Türkei 1718 im Frieden von Passarowitz Temeswar mit seinem ganzen Gebiete südlich der Maros, das nun als „Banat" organisiert wurde, den Rest von Slawonien, die Kleine Walachei westlich des Alt-Flusses, das nördliche Serbien bis zum Timok und zum westlichen Arme der Morawa und einen schmalen Landstrich von Bosnien am rechten Saveufer an Österreich ab. Doch ging abgesehen vom Banat alles dies in einem unglücklichen Kriege wieder verloren, so daß seit dem Frieden von Belgrad 1739 der Lauf der unteren Una, Save und Donau bis Orsova die Grenze zwischen Ungarn und der Türkei bildete. In Deutschland hatten sich seit dem Regierungsantritt Ferdinands I. bis zum Aussterben der Habsburger im Mannesstamme (1740) nur unbedeutende territoriale Veränderungen ergeben. Kurze Zeit war Württemberg, das Karl V. in den Brüsseler Verträgen von 1522 seinem Bruder Ferdinand überließ, in dessen Besitz. 1534 aber fiel das Land an den geächtet gewesenen Herzog Ulrich wieder zurück, jedoch unter der Bedingung, daß das Land ein österreichisches Afterlehen bleibe. Kaiser Rudolf II. aber gab 1599 auch diese Lehenshoheit gegen eine namhafte Entschädigung auf. Die einzig nennenswerte Erwerbung Ferdinands I. und seiner Nachfolger war die eines größeren Teiles Schlesiens: 1532 die Fürstentümer Oppeln und Ratibor und 1548 das Herzogtum Sagan. 1622 zog Ferdinand II. auch Jägerndorf ein, belehnte aber damit den Fürsten Karl von Liechtenstein, dem er schon 1614 das Herzogtum Troppau als Manneslehen verliehen hatte. 1653 fiel das Herzogtum Teschen, 1675 auch die letzten schlesischen Vasallenfürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau nach dem Tode des kinderlosen Herzogs Georg Wilhelm an die Krone zurück. Brandenburg konnte seine Ansprüche darauf nicht durchsetzen, nur der Schwiebuser Kreis wurde 1686 an den Kurfürsten Friedrich Wilhelm abgetreten. Diesen verhältnismäßig bescheidenen Erwerbungen standen empfindliche Verluste gegenüber. Als Ersatz der Kriegskosten mußte Ferdinand II. im Frieden von Prag 1635 dem Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen, der ihn unterstützt hatte, die Oberund Nieder-Lausitz als böhmisches Lehen abtreten. Noch schmerzlicher war, daß Österreich im Westfälischen Frieden von 1648 gegen eine Entschädigung von 3 Millionen Livres die Landgrafschaft Elsaß mit dem Sundgau, die Landvogtei über die zehn elsässischen Reichsstädte und die Festung Alt-Breisach an Frankreich übergeben mußte. Nur Freiburg im Breisgau, das 1679 ebenfalls an Frankreich gelangt war, kam im Frieden von Ryswick 1697 wieder an Österreich zurück. Das Erlöschen der spanischen Linie des Erzhauses im Jahre 1700 stellte dieses vor neue Probleme. Kaiser Leopold I. wäre zwar der berechtigte Erbe gewesen, und er hatte schon seinen zweitgeborenen Sohn Karl (VI.) zum Herrn des spanischen Reiches bestimmt, als Ludwig XIV. von Frankreich, dessen Vormachtgelüsten die Umklammerung seines Landes durch die tatkräftigen österreichischen Habsburger einen Riegel vorgeschoben hätte, im letzten Augenblicke den schon todkranken Spanier Karl II. bestimmte, ein Testament zu unterzeichnen, worin der zweite Sohn des französischen Dauphins, Herzog Philipp von Anjou, als erster Erbe eingesetzt war. Der spanische Erbfolgekrieg, der ob dieser offenkundigen Rechtsverletzung zwischen dem Kaiser und Frankreich entbrannte und den Franzosen eine Reihe schwerer Niederlagen durch die Kaiserlichen und ihre Verbündeten unter den Befehlen des Prinzen Eugen von Savoyen und dem Herzoge von Marlborough beibrachte, endete 1714 mit dem Frieden zu Rastatt. England 127

hatte infolge eines Systemwechsels im Lande bereits im Jahre vorher zu Utrecht einen Frieden geschlossen, dem auch einige der bisherigen Verbündeten beitraten. Die berechtigten Ansprüche Karls, der mittlerweile 1711 auch Herr der österreichischen Länder und deutscher Kaiser geworden war, konnten nun nicht mehr im vollen Umfange aufrechterhalten werden. Immerhin erhielt Karl die spanischen Niederlande, Mailand, Neapel, Sardinien, die spanischen Plätze an der Küste von Toskana sowie Mantua, dessen Herzog, wegen seiner Verbindung mit Frankreich vom Kaiser geächtet, 1708 gestorben war. Im Wormser Frieden von 1713 mußte er allerdings seinem Bundesgenossen, dem König von Sardinien, die letzten Reste seines Besitzes jenseits des Ticino und des Lago Maggiore überlassen. Im Jahre 1717 versuchte der bourbonische König von Spanien Philipp V. wenigstens einen Teil der italienischen Besitzungen zurückzugewinnen, wobei ihn insgeheim der Herzog Viktor Amadeus von Savoyen unterstützte. Aber bald wurde der Herzog gezwungen, dem Kaiser das von ihm besetzte Sizilien zu überlassen, wofür er Sardinien und den Königstitel erhielt. Philipp aber wurde 1720 durch die Quadrupelallianz, der neben England, Frankreich und Holland auch der Kaiser angehörte, gezwungen, auf die italienischen Nebenlande zu verzichten, von denen der größere Teil freilich bald wieder verlorenging. Im polnischen Erbfolgekrieg mußte der Kaiser 1735 an Savoyen die mailändischen Gebiete von Novara und Tortona, an Don Carlos von Spanien aber die Königreiche Neapel und Sizilien mit den Plätzen an der toskanischen Küste abtreten, wofür er die Herzogtümer Parma und Piacenza erhielt, während Toskana 1737 dem Herzoge Franz von Lothringen, dem Gemahl Maria Theresias, als Entschädigung für sein Stammherzogtum überlassen wurde. Die Regierung der Kaiserin Maria Theresia begann mit dem Verlust von ganz Niederschlesien und einem Teil Oberschlesiens sowie der Grafschaft Glatz an König Friedrich II. von Preußen. Bei Österreich verblieben im Präliminarfrieden von Breslau 1742 nur die Herzogtümer Teschen und Troppau sowie der größte Teil von Jägerndorf. Im Frieden von Aachen endlich mußte Maria Theresia dem spanischen Infanten Don Philipp das Herzogtum Parma mit Piacenza abtreten. Diesem schmerzlichen Verluste stand während der vierzigjährigen Regierung von Maria Theresia jedoch auch ein namhafter Gebietszuwachs gegenüber. Der Friede von Teschen 1779 brachte das Innviertel an Österreich. 1765 war nach dem Erlöschen des herrschenden Geschlechtes die Grafschaft Hohenems in Vorarlberg als Reichslehen an die Kaiserin gefallen und 1759 die bischöflich bambergischen Besitzungen in Kärnten angekauft worden, die allerdings schon früher unter österreichischer Landeshoheit gestanden waren. Den weitaus größten Ländererwerb Österreichs in dieser Zeit bildeten bei der ersten Teilung Polens 1772 die 13 Zipser Städte und so ziemlich genau das spätere Königreich Galizien, mit Ausnahme von Krakau, das erst 1846 anfiel. 1775 trat dann die Türkei auch die Bukowina an Österreich ab. In die Zeit der großen Kaiserin fällt auch die Errichtung einer habsburgischen Sekundo- und Tertiogenitur in Italien und deren Ausstattung mit Toskana (1763) und Modena (1771), die aber nicht durch das Band der pragmatischen Sanktion mit Österreich verbunden waren. Somit hatte die Kaiserin wohl 772 Quadratmeilen eingebüßt, aber dafür 1618 Quadratmeilen hinzugewonnen. Ihr Enkel Franz II. (I.) konnte bei der letzten Teilung Polens 1795 auch noch Westgalizien, das Land zwischen der Pilica, der Weichsel und dem Bug, ausgenommen die Umgebung von Warschau, erwerben. Diese Neuerwerbung mußte jedoch in dem von Napoleon diktierten Frieden von Schönbrunn 1809 an den König von Sachsen als „Großherzog von Warschau" wieder abgetreten werden. 128

Die Koalitionskriege gegen Frankreich brachten Österreich sowohl Verlust als auch Gewinn. Infolge der Friedensschlüsse von Campo Formido (1797) und Luneville (1801) mußte Österreich die Niederlande und Mailand an Frankreich abtreten, wofür es das venezianische Festland östlich vom Gardasee, venezianisch Istrien und Dalmatien samt der Bocche di Cattaro erhielt. Der Breisgau ging an den Herzog von Modena verloren. Der Reichsdeputationshauptschluß (1803) säkularisierte die Bistümer Brixen und Trient und unterwarf ihre weltlichen Gebiete vollends der österreichischen Staatshoheit. Durch den Frieden von Preßburg (1805) verlor Österreich alle italienischen Gebiete an das neu errichtete Königreich Italien, ferner den Rest der vorderösterreichischen Besitzungen, Vorarlberg und Tirol, an Bayern, Baden und Württemberg und erhielt als einzige Entschädigung Salzburg mit Berchtesgaden. Das Jahr 1809 brachte dann infolge des Friedens von Schönbrunn die schwersten Verluste: die Gebiete von Salzburg und Berchtesgaden, das Inn- und ein Teil des Hausruckviertels gingen an Bayern, die Grafschaften Görz, Triest, Krain mit dem Villacher Kreis und alle Landesteile auf dem rechten Saveufer (die sogenannten illyrischen Provinzen) fielen an Frankreich; das 1795 erworbene Westgalizien und der Zamoscer Kreis von Ostgalizien fielen an das Großherzogtum Warschau und schließlich die Kreise Tarnopol und Czortkov in Ostgalizien an Rußland. Zumeist waren es wohl nur vorübergehende Verluste, die kaum ein Jahrzehnt umspannten, aber hier dennoch angeführt werden müssen, weil sie auf monetärem Gebiete ebenfalls Veränderungen nach sich zogen. Die endgültige Niederwerfung Napoleons brachte dann durch den Pariser Frieden 1814 und die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1814/15 im großen ganzen nicht nur eine Wiederherstellung der alten Grenzen, sondern auch eine Erweiterung des territorialen Umfanges, der allerdings durch die Kriege von 1859 und 1866 wieder bedeutend vermindert wurde. Österreich erhielt nunmehr in der Begrenzung durch den Lago Maggiore, den Tessin und Po das lombardisch-venezianische Königreich in Italien nebst dem Veltlin, ferner die 1805 und 1809 abgetretenen „illyrischen Provinzen" nebst Dalmatien und Ragusa. Bayern mußte Tirol, Vorarlberg, Salzburg, das Hausruck- und das Innviertel, Rußland den Tarnopoler Kreis zurückgeben. Auch die österreichische Sekundogenitur in der Toskana und die Tertiogenitur in Modena wurden wiederhergestellt. Dagegen mußte auf Westgalizien und Krakau und auf alle übrigen Gebiete verzichtet werden, die vor dem Jahre 1792 zu Österreich gehörten. Krakau wurde auf dem Wiener Kongresse mit einem kleinen Gebiete zum Freistaat erklärt, dann nach dem galizischen Aufstand von 1846 an Österreich überlassen und 1849 mit Galizien vereinigt. Die unglücklichen Feldzüge gegen Frankreich, Sardinien und Preußen 1859 und 1866 zogen die Abtretung der Lombardei und den Verlust der Sekundogenitur Toskana und der Tertiogenitur Modena nach sich, schließlich mußte auch das venezianische Festland mit Friaul an das neu errichtete Königreich Italien abgetreten werden. Zuletzt erhielt Österreich-Ungarn nach Beendigung des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 vom Berliner Kongreß das Mandat zu bleibender Besetzung und Verwaltung der angrenzenden türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina. 1908 wurde dann die Ausdehnung der Souveränität sowie der für das Herrscherhaus geltenden Erbfolgeordnung auch auf diese Länder ausgesprochen und damit der Anstoß zu der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Sarajewo (1914) und zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges gegeben, der die Auflösung der alten Monarchie zur Folge hatte.

129

Zweiter Teil Bergwesen und Metallversorgung

Die Entstehung einer Münzstätte war im Altertum wie auch noch im Mittelalter entweder von der Verkehrslage abhängig oder von der Nähe eines Edelmetallvorkommens. Häufig spielten auch wirtschaftliche und militärische Erwägungen dabei eine Rolle. So stattete man zum Beispiel Marktplätze gern mit Münzstätten aus, und die römischen Münzstätten in Aquileja und Siscia waren zweifellos auf Grund der günstigen Verkehrslage entstanden, während etwa Zeiring in der Obersteiermark durch die nahegelegenen Erzvorkommen begünstigt wurde. Manchmal findet sich der ideale Fall, daß beide Voraussetzungen zusammentreffen. Eine günstige Verkehrslage erleichterte natürlich die Herbeischaffung des Münzmetalls auch aus entfernten Gegenden, zumal wenn die Straßen, wie zur Zeit des römischen Imperiums, in gutem Zustande und gesichert waren. Für jene Fälle, in welchen ein benachbartes Erzvorkommen für die Errichtung einer Münzstätte maßgebend war, bildet für unseren Bereich im Mittelalter wohl Zeiring das beste Beispiel. Ein kleiner abgelegener Ort, der sich durch reiche Silberfunde auszeichnete, erhielt eine eigene Münzstätte, die man als Filiale der Grazer Münzstätte bezeichnen kann. Eine Zeitlang brachte die Münzstätte der ansässigen Bevölkerung Ansehen und Wohlhabenheit, bis ein Wassereinbruch, der übrigens auch in der Volkssage seinen Niederschlag fand, dem florierenden Betrieb ein plötzliches Ende bereitete. Späterhin zog man es wohl vor, die Münzstätten in den Landeshauptstädten als dem jeweiligen Verwaltungsmittelpunkt zu errichten, um ihre Gebarung besser und leichter kontrollieren zu können. Dies zeigt sich deutlich an den Münzstätten der Babenberger, die zuerst in Krems und dann in Wien münzten, entsprechend der Verschiebung der Landesgrenze und der Verlegung des Hofes gegen Osten. Wie wir indessen bei der Darstellung des Münzwesens öfter sehen werden, hat auch das Vorkommen von Münzmetall auch noch in der neueren Zeit Einfluß auf den Ort der Münzstätte. Das Metall bei ausreichendem Vorkommen gleich an Ort und Stelle auszuprägen, hatte den Vorteil, daß man die Transportkosten ersparte, die bei der schon geprägten Münze geringer waren, als beim noch unverarbeiteten Metall. Auch bekam man es am Fundort mit seinem Hütten- und Aufbereitungsbetrieb gleich gebrauchsfähig ins Haus, ein Umstand, der in Zeiten großen Geldbedarfs besonders ins Gewicht fiel. Auch die Unsicherheit der Straßen mag da mitgespielt haben. Zudem ermöglichte die Dezentralisierung des Münzbetriebes innerhalb eines größeren Gebietes es auch, daß die neuen Gepräge von mehreren Orten aus schneller in Umlauf gesetzt werden konnten, als von einem einzigen Mittelpunkt aus; dies gilt natürlich nur für die älteren Zeiten. Besaß ein Land keine eigenen oder nur ungenügende Metallvorkommen, dann war es auf den Import des Münzmetalls angewiesen; daher entstanden Münzstätten, wenn die Hauptstadt selbst nicht in Frage kam oder der Münzherr mit der Dezentralisierung münzpolitische Zwecke verfolgte, an Orten, wo das Münzmetall leicht zugeliefert werden konnte. Das gilt z. B. für Friesach, die Münzstätte der Salzburger Erzbischöfe in Kärnten, wo hauptsächlich für den Handelsverkehr mit dem Osten gemünzt wurde. 133

I. Das Altertum

Der Gebrauch und die Herstellung von Münzen setzt eine vorgeschrittene Kulturstufe und auch ein gewisses Maß von Handelsbeziehungen zu Völkern voraus, die sich bereits des Münzgeldes bedienten. In unserem Bereich haben dies als erste die Kelten getan, von denen verschiedene Stämme auf ihren Wanderungen Gebiete innerhalb dieses Raumes besetzt hatten und durch längere Zeit hindurch in ihrer Hand hielten. Dies waren — um nur einige Beispiele zu nennen — die Bojer in Böhmen, die Taurisker und Noriker in Kärnten und der Steiermark und die Daker in Siebenbürgen. Als Söldner, besonders in makedonischen Diensten, hatten sie dort Gebrauch und auch Herstellung der Münzen kennengelernt und diese Kenntnisse nach ihrer Entlassung mitsamt ihrem Sold in ihre Wohnsitze heimgebracht, wo nun auch sie eigene Münzen prägten, und zwar aus dem von ihnen bergmännisch gewonnenen Gold und Silber. Bekannt ist der von Strabo in seinem Werke ,Geographika' erwähnte Bericht des Polybios, „daß zu seiner Zeit bei Aquileja und bei den Tauriskern, vorzüglich aber bei den Norikern, ein derartig ergiebiges Goldlager aufgefunden worden sei, daß man nach einem Aushub von 2 Fuß Tiefe sofort auf Grabgold stieß . . . Als aber Italiker den Barbaren durch zwei Monate behilflich waren, sei sofort der Preis des Goldes in ganz Italien um ein Drittel gesunken. Als die Taurisker aber genügend Kenntnisse erlangt hatten, hätten sie, nach Vertreibung ihrer Werkgenossen, den ganzen Goldhandel an sich gerissen." Dieser Bericht gibt allerdings zweierlei zu bedenken: erstens liegt keine Nachricht vor, daß sich in der Nähe von Aquileia je Erzlager befunden hätten, zweitens ist es merkwürdig, daß die in der Bergwelt der Tauern ansässigen Taurisker, deren Name wahrscheinlich mit „Tauern" zusammenhängt, trotz dieses angeblichen Goldreichtums nur in Silber gemünzt haben. Es muß daher angenommen werden, daß das von ihnen geförderte Gold in unverarbeitetem Zustand nach Italien ging. Dieser für die Taurisker sicherlich sehr einträgliche Handel dauerte indessen nicht lange; denn schon im Jahre 15 v.Chr. verlor, wie alle anderen römischen Bundesgebiete, auch das keltische Königreich Noricum seine Freiheit. Unter Kaiser Claudius (41—54) wurde es dann in die gleichnamige römische Provinz umgewandelt. Die norischen Gaufürsten, von denen wir sogar einige mit Namen kennen, haben das Silber zu ihren Münzen sicherlich im Lande selbst gewonnen, denn Kärnten war einst ein an Edelmetall sehr reiches Land. Sicheres über die Fundorte wissen wir nicht; wir dürfen aber vermuten, daß die Taurisker von den reichen Metallvorkommen bereits Kenntnis hatten. Auch die Kelten vom Magdalensberg dürften für ihre Kleinmünzen Tauernsilber verwendet haben. Keltenmünzen wurden, wie die Karte bei Pink (873) zeigt, so ziemlich im Gebiete der ganzen Monarchie gefunden; einmal sogar zu Zloczöw in Galizien. In besonderer Dichte liegen die Funde zwischen Donau und Save bis zu ihrer Einmündung, dann im Bereich der heutigen Slowakei, in Böhmen und schließlich im 134

dakischen Siebenbürgen. Wenn es sich auch nicht durchwegs um Münzschätze, sondern auch um Streufunde, oft nur um Einzelstücke handelt, so zeigt sich daraus doch mit voller Deutlichkeit, daß hier ein gewaltiger Metallverbrauch vorliegt. Beim Silber wird es sich im Bereich der Siedlungen auf dem rechten Donauufer bei den in diesem Gebiet entstandenen Sorten einesteils um norisches, andernteils bei den Orten nächst der Donau wohl um makedonisches Metall handeln. Dieses stammte hauptsächlich wohl aus dem umgeschmolzenen Tetradrachmen des Soldes der den makedonischen Königen dienenden keltischen Söldner sowie aus den Erträgnissen der sonstigen balkanischen Silbergruben. Es gab solche „im Osogovgebirge (Kratovo) und im Quellgebiet des Strymon auf Glogovica. Reichere Minen treffen wir im Quellgebiet der Morava und des Ibar. Janjevo . . Novo Brdo und Pristina, alle im Gebiet des Amselfeldes, hatten silberhaltige Erze. Silberreich war auch das Kapaonik-Gebirge längs des Ibar. . . Weiter nördlich ist Rudnik und schon in der Nähe der Save und Donau Babe, Stojnik und Guberevci. . . Von hervorragender Bedeutung waren die Silbergruben an der Drina, wo das alte Domavia, in der Römerzeit auch der Sitz eines Prokurators für die Silberminen in Dalmatien und Pannonien, eine hervorragende Rolle spielt. In Ostserbien ist das Flußgebiet des Pek (Deli Jovan, Kuöajna, Vitovnica) und des Timok als silberreich bekannt. Der südliche Teil des Banats, der zum Komitat Krassö gehört. . ., ist ebenfalls reich an Erzen (Karänsebes, Resicabänya, Oravica, Moldava), die zwar hauptsächlich Kupfer und Zinn enthalten, aber auch silberhältig waren" (873). In der Slowakei wurde sicherlich das Silber des ungarischen Erzgebirges im Gebiete des Granflusses benützt. Die Bojer bildeten eine besondere Ausnahme innerhalb des keltischen Münzwesens: Sie prägten nämlich nur in Gold, das jedoch bei ihren ältesten Stateren wohl nicht aus einheimischen Bergwerken stammte. „Eher dürfte es sich um Gold aus umgeschmolzenen Stateren oder um Goldschmuck handeln." Die „Hersteller der ersten Nachahmer tief im Herzynischen Wald" hatten keine Wahl zwischen verschiedenem Münzmetall, sondern sie mußten „Bilder und Metall der Vorbilder" übernehmen, „wenn sie ihre Erzeugnisse anstelle der Alexanderstatere ausgeben wollen". Später aber änderte sich die Lage, und zwar im Zeitabschnitt „B", dem „goldenen Zeitalter" der Keltenprägung in Böhmen, „dessen Gepräge sich nicht nur durch besondere Reinheit des Metalls, sondern auch durch ungewöhnlich große Stückzahl, Vielfältigkeit der Emissionen, Varianten und Nominale auszeichneten". Welche gewaltige Mengen keltischer Goldmünzen damals aus böhmischem Golde geschlagen wurden, zeigen am besten „die Münzfunde von Podmokly 1771 mit 30 bis 40 Kilogramm Gold und Stradonice 1877 mit etwa vier bis fünf Kilogramm!" (111). Die Herkunft dieses fast reinen Goldes, das in den keltischen Oppida „hinter den undurchdringlichen Wäldern der böhmischen Randgebirge verprägt wurde", diese Ausnahmsstellung im keltischen Münzwesen Europas, wird hier hauptsächlich „mit geologischen Faktoren der einheimischen Goldvorkommen" (111) in Verbindung gebracht. So wurde gesagt, daß die Kelten Böhmens nicht nur Goldbergbau betrieben, sondern — dies nachgewiesenermaßen — auch Eisenerze abbauten, weshalb angenommen wurde, daß das Metall der Keltenmünzen Böhmens aus dem goldhaltigen Gestein böhmischer Gruben stammte. Dagegen hat CASTELIN eingewendet, daß das keltische Münzgold nicht das Erträgnis keltischer Goldgruben war. Schon den antiken Schriftstellern, z. B. Diodor, war es bekannt, daß es in Böhmen Flußgold gab. Diodor berichtet nämlich um das Jahr 30 v. Chr.: „Silber gibt es in Galatien überhaupt nicht, jedoch reichlich Gold, und die Natur gewährt es den Bewohnern ohne Bergbau und Mühe." Unter Galatien ist hier wohl vor allem Gallien zu verstehen. Aber im Gebiete der Otava (früher Wotawa), 135

also in Südböhmen, bei Strakonice, wurden nicht nur die Hütte eines keltischen Goldwäschers, sondern auch die Reste eines hölzernen Troges gefunden und überdies an diesem Flusse und seinen Zuflüssen auch „eine unabsehbare Menge von , Seifen' (regelmäßige Sandhaufen als Reste des Goldwaschens) entdeckt. Auf welchem Wege aber die reiche Ausbeute der südböhmischen Goldwäschereien in das etwa 30 km südwestlich von Prag am rechten Ufer der Berounka gelegene Oppidum bei Stradonice (und vielleicht auch noch an andere Orte) gelangte, ob im Tauschhandel für die Erzeugnisse der mittelböhmischen Oppida oder als Erträgnis der Arbeit einer unfreien Bevölkerung" (die Kelten bildeten in den böhmischen Landen die Oberschichte): auf diese Frage bleibt uns mangels Quellen sowohl die Münzkunde als auch die Archäologie die Antwort schuldig. Was schließlich die letzte Gruppe der Kelten im Bereiche der alten Monarchie, die Keltodaker, anlangt, so handelt es sich hier um „wilde und bewegte" Silbergepräge, deren Metall wahrscheinlich aus dem Vulkangebirge, einem Teil der Transsilvanischen Alpen, und zwar aus dem Schieltale und der Gegend des Vulkanpasses, der nach Rumänien führt, stammen dürfte. Die R ö m e r haben ihr Gebiet — mit Ausnahme von Dacien — nirgends über die Donau hinaus ausgedehnt. Versuche, einen Teil Germaniens zu besetzen und eine befestigte natürliche Grenze, gebildet durch Elbe, March und Donau von der Marchmündung abwärts, zu errichten, sind nur zum Teile gelungen. Nur die Unterwerfung der Alpen- und Donauländer gelang. Tirol und Vorarlberg gehörten zur Provinz Raetia secunda, die übrigen Länder des heutigen Österreich größtenteils zur Provinz Noricum, der Rest, einschließlich Vindobona (Wien) und Carnuntum, zu Pannonien. Wenn man aber von der kurzlebigen Münzprägung des Usurpators Regalianus und seiner Frau Dryantilla nach 260 absieht, die vielleicht in Carnuntum stattfand, weil man hier die meisten Münzen dieses „obskuren Kaiserpaares" gefunden hat, unterhielt das Imperium in diesem gewaltigen Gebiet selbst nur die Münzstätten Siscia (Sissek) in Kroatien und Syrmium (Mitrowitza) in Slawonien, wozu noch das gleichsam vor den Toren Noricums gelegene Aquileia als dritte dazukommt. Hier, an der Grenze zwischen den Provinzen Venetia und Histria, wurde diese Münzstätte wahrscheinlich im Jahre 299 von Diocletian errichtet; sie war mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 323 und 331 bis Valentinian III. (425—455) ausgiebig beschäftigt. Geprägt wurde fast nur in Bronze, in Gold und Silber dagegen nur ganz wenig. Diese spärliche Prägung in Edelmetallen verdankte ihr Material wohl den norischen Alpen, das Kupfer für die reiche Bronzeprägung dagegen dürfte aus dem bedeutenden Handel Aquileias stammen, denn in der Nähe der Stadt befanden sich überhaupt keine Bergwerke. Merkwürdigerweise finden sich in keiner der Arbeiten über das römische Münzwesen Angaben über die mögliche Herkunft des Münzmetalls. MOMMSEN (761) streift diese Frage nur ein einziges Mal bei Erwähnung des „Silbers von Osca" ganz flüchtig, auch B E R N H A R T verliert in seinem ,Handbuch' (66) kein Wort über Bergwerke und Metallversorgung, obwohl deren Kenntnis mitunter ganz neue Aspekte ergeben könnte. Nur H E I C H E L H E I M erwähnt in seiner aufschlußreichen Arbeit über die römische Sozialund Wirtschaftsgeschichte Kupfer- und Eisenbergwerke in der Toskana, dann das gewaltige Bergwerksgebiet von Neukarthago, heute Cartagena in Spanien, das im 2. Jahrhundert v. Chr. 40.000 Bergleute beschäftigt und sich über 74 km erstreckt haben soll. In der Zeit der Gründung von Aquileia (181) „hören wir vom Silberbergbau im attischen Laurionbezirk, Goldseifen und Goldbergwerken in den norditalischen, Schweizer 136

und Kärntner Alpen, Silber- und Goldbergwerke in Spanien, Gallien, dem Kaukasus und Nubien" (384). Dies war die Lage, als sich zwischen 181 und 184 v.Chr. die Goldund Silberpreise in der Welt verdoppelten, was zu neuer Förderung in aufgelassenen Edelmetallbergwerken führte, die wegen des Preissturzes für Gold und Silber zur Zeit Alexanders des Großen als abbauunwürdig stillgelegt worden waren. Um 89 v.Chr. fielen die Edelmetallpreise ein zweites Mal auf die Hälfte der vorangehenden Jahrzehnte, worauf die meisten Kleinbetriebe etwa zur Zeit Sullas abermals aufgegeben wurden. Kupfer stand dem Imperium in ganz großen Mengen zur Verfügung: Kupfer- und Eisenbergwerke waren von Indien bis Britannien außerordentlich zahlreich. „Italien wurde in dieser Hinsicht in der Hauptsache von Elba, Sardinien, den Alpenbergwerken und Spanien versorgt. Zinn kam von Spanien, Gallien, Iran und vor allem von Cornwall in Britannien" (384). Damit scheint unsere Vermutung begründet, daß der Fernhandel die Münzstätte in Aquileia mit dem nötigen Münzmetall versorgte. Eine nähere Lokalisierung der Bergwerke ist jedoch schlechthin unmöglich, wenngleich uns über die Bergwerke und Steinbrüche im Imperium Romanum, die in der Regel in Staatsbesitz waren, für die Prinzipatszeit ein verhältnismäßig reiches Quellenmaterial zur Verfügung steht. Die beiden anderen Münzstätten, Siscia und Sirmium, werden ihr Metall wahrscheinlich in erster Linie vom Balkan bezogen haben. In Siscia hatte Kaiser Gallienus (253—268) die Münzstätte ins Leben gerufen, die insbesondere in Billon (Kupfer mit einem geringen Silberzusatz) eine reiche Prägung veranstaltet hat. Im Hinblick auf seine späte Gründung war Siscia im Osten die vielleicht meistbeschäftigte Münzstätte, während ihr im Westen die erst von Diocletian eröffnete Münzstätte zu Treveri (Trier) zum mindesten in der nachdiocletianischen Zeit den Rang ablief. Unter Gallienus waren zwei, zu Siscia unter Aurelian sechs, unter Probus sieben, dann aber bis in die ersten Jahre Diocletians nur mehr drei Offizinen beschäftigt, deren Zahl unter seinen Nachfolgern dann wieder auf sechs anstieg. Diese starke Münzung dürfte übrigens ihren besonderen Grund haben. Beide Städte unterhielten starke Garnisonen. Nach Siscia hatte bereits Kaiser Augustus eine starke Besatzung gelegt; die Stadt blieb auch weiterhin eine der wichtigsten Basen der militärischen Betätigung in Pannonien. Trier aber lag unmittelbar hinter der Rheinfront, an der die Truppen am stärksten im ganzen Reich massiert waren. Siscia aber war nicht nur strategisch, sondern auch handelspolitisch von Bedeutung. Im Tale der Kulpa erscheinen Aquieleienser, und der durch das Tal führende Weg verband Siscia auch mit Dalmatien; es gab daher hier in der Römerstadt unter den sonstigen Fremden (hauptsächlich Italiker) auch verhältnismäßig viele Dalmatiner, aber auch Personen aus Südgallien und Hispanien traf man hier an. Dieser rege Verkehr allein beweist die Notwendigkeit einer eigenen Münzstätte. Ihre reiche Kupfermünzprägung, die insbesondere Kleinmünzen umfaßt, läßt darauf schließen, daß sich neben der Garnison in der Stadt auch viel einfaches Volk befand und somit großer Bedarf an Kleinmünzen bestand. Diese starke Münzung erforderte naturgemäß viel Metall. Ähnlich war es auch um Sirmium an der Save bestellt, der bedeutendsten Stadt in Niederpannonien. Hier nahm die Münzstätte erst 324 unter Constantinus Magnus nach dem zweiten Bürgerkriege ihre Tätigkeit auf. Auch hier stand schon unter Augustus eine römische Garnison. Es ist möglich, daß auch hier wie in Siscia Flottensoldaten angesiedelt wurden. Unter den Einwohnern waren jedenfalls die Italiker vorherrschend, die aber nicht aus Sirmium selbst, sondern von auswärts stammten, wo sie als Legionäre gedient hatten. 137

Die Prägung in dieser Münzstätte ist zeitlich begrenzt; sie dauerte bloß etwa ein halbes Jahrhundert, denn schon unter Kaiser Valens verschwindet die Sigle SIRM von den Münzen, auch in der Notitia dignitatum kommt sie nicht mehr vor. Dafür ist Sirmium durch die Stempelung römischer Goldbarren in der Form der heutigen Siegellackstangen mit dieser Sigle bekannt geworden. Die Barren, 15 an der Zahl von verschiedenem Gewicht, wurden im September 1887 in Siebenbürgen, und zwar in der südöstlichen Ausbuchtung des Häromszeker Komitates an dem Bache Bodza gelegentlich eines Straßenbaues ausgegraben. Abgesehen von ihrem materiellen Werte sind sie auch durch den Fundort sehr interessant, der bereits ein gutes Stück jenseits der pannonischen Grenze lag. Daß die Besitzer des Goldes, das wahrscheinlich irgendwo im Bereiche der goldführenden Transsilvanischen Alpen gefunden worden war, einen so weiten Weg zurücklegten, um ihrem Metall durch die Stempelung in einem kaiserlichen Münzamte eine Garantie verleihen zu lassen, wobei durch die Bezeichnung „kaiserlich" augenscheinlich dokumentiert werden sollte, „daß die Goldprobe von den Beamten nicht als Privatpersonen, sondern ex officio vorgenommen wurde", zeigt vor allem die engen Beziehungen zu dem Goldland Dacien, das damals von den Römern übrigens schon aufgegeben worden war. Diese Barren dienten sicherlich dem Goldhandel. Wie weitgespannt dieser war, zeigt unter anderem auch die Nennung der Barbii, einer der bedeutendsten Familien von Aquileia, die auf dem Magdalensberg nächst Klagenfurt eine große Handelsniederlassung hatte und auch sonst in Kärnten sehr verbreitet war. Zwei Mitglieder dieser Familie sind als Stifter der berühmten Erzstatue des Jünglings vom Magdalensberg und des gleichzeitig oder nicht viel später der Statue beigegebenen Schildes neben den Poblicii durch Inschrift auf der Statue verewigt. Da sich die Kaufleute dieser Niederlassung vorwiegend mit dem Metallhandel befaßten, wobei freilich das norische Eisen die Hauptrolle spielte, kann möglicherweise auch die Beschaffung von Edelmetall für Aquileia einerseits und von Kupfer für die beiden pannonischen Münzstätten andererseits eine Rolle gespielt haben. Denn in dieser östlichen Provinz sind Mitglieder dieser wie auch anderer römischer Kaufmannsfamilien nachweisbar. Sirmium wurde in der Zeit der Völkerwanderung noch ein letztes Mal Münzstätte, nämlich unter den Ostgoten und Gepiden, die hier nur in Gold und Silber prägten. Sirmium, von wo aus gute Römerstraßen nach allen Weltgegenden ausgingen, war für die ostgermanischen Völker ein Sammelpunkt „nach dem Tore des Westens." Nach ihrem Abzug ging es dann auch mit dieser Münzstätte, die in der kurzen Zeit ihres Bestandes eine sehr umfangreiche Tätigkeit entfaltet hatte, endgültig zu Ende. Daß sich aber die neuen Eroberer zu ihren Münzen in der Hauptsache des auf ihren Zügen geraubten Goldes und Silbers und kaum je unmittelbar des bergmännisch gewonnenen (die Bergwerke lagen ja in diesen Stürmen darnieder) Metalles bedienten, ist wohl so ziemlich sicher.

138

II. Das Mittelalter

A. Die österreichische Ländergruppe

Hunnen, Slawen und Magyaren haben w ä h r e n d der Völkerwanderung unseren Raum mehr als ein halbes Jahrtausend lang nicht zur Ruhe kommen lassen. Die Primitivität der hier neues Siedlungsgebiet suchenden oder nur nach Beute dürstenden Stämme machte für sie ein eigenes Münzwesen überflüssig. Der Handel war zum größten Teil Tauschhandel; ein geordnetes Marktwesen gab es nicht. Was noch als Münze im Lande umlief, war fremder Import aus fortgeschritteneren Gegenden. Erst die verhältnismäßige Beruhigung der Ostgrenze des Deutschen Reiches nach dem Siege Kaiser Ottos I. auf dem Lechfelde bei Augsburg über die Ungarn machte es möglich, daß sich langsam Territorien bilden konnten, deren Landesherren auch das Berg- und Münzregal ausübten, das ihnen der Kaiser verliehen hatte. 1. Salzburg Der erste, der das Münzrecht im österreichischen Räume erhielt, war der Erzbischof Hartwig von Salzburg, dem Kaiser Otto III. am 28. Mai 996 zu Rom dieses wichtige Regal verlieh, allerdings mit dem Zusatz, daß die Münzen nach Regensburger Schlag auszuprägen seien. Das salzburgische Gebiet hatte ursprünglich zu Bayern gehört und infolgedessen, als sich die Münze langsam einzubürgern begann, anfänglich mit diesem auch eine gemeinsame Währung. Arnulf von Bayern (909—937) ließ sowohl in Regensburg als auch schon in Salzburg münzen. Regensburg hatte seine Münzstätte schon unter den Karolingern erhalten und seine führende Stellung im Donauhandel, die es bis ins 12. Jahrhundert hinein behauptete, nicht zuletzt seiner guten Münze verdankt. Daraus erklärt sich auch die extensive Prägetätigkeit dieser Stadt zu einer Zeit, als in Bayern selbst noch kaum ein Bedürfnis nach Münzgeld bestand. Eine Zeitlang prägten Salzburg, die Herzoge von Bayern und König Heinrich II. sogar gleichzeitig in der bayrischen Handelsstadt, der König gemeinsam mit Erzbischof Hartwig. Alle diese Regensburger Silberdenare und andere Münzsorten nach Regensburger Schlag sind fast kaum in Funden des Ursprungslandes, sondern vielmehr weit entfernt davon im Räume zwischen Oder und Weichsel, ja sogar in Westrußland, auf den Ostseeinseln, in den baltischen Ländern und in Skandinavien anzutreffen. Dies zeigt, daß die Regensburger Denare als reine Handelsmünze ein riesiges Streuungsgebiet im Osten wie im Norden hatte. Die Handelsware aber waren Sklaven, die hauptsächlich aus dem noch heidnischen Slawenland im Osten bezogen wurden, um quer durch Deutschland hindurch den Arabern in Spanien und anderen Sklavenhaltern, etwa in Böhmen, geliefert zu werden (936). Dieser Sklavenhandel spielte sich in großen Dimensionen ab und erklärt auch die 139

Herkunft des zu seiner Alimentierung nötigen Silbers. Da im ganzen deutschen Raum um diese Zeit außer auf dem Rammeisberg bei Goslar (970) und im südlichen Schwarzwald (1028) kein Silber produziert wurde, mußte Regensburg es sich von auswärts verschaffen. Zuerst waren es die von den jüdischen Sklavenhändlern für ihre Waren eingenommenen arabischen Dirhems, die hauptsächlich aus dem Samanidenreiche in Transoxanien stammten, wo das Silber vornehmlich in den Bergwerken bei Taschkent gewonnen wurde. Die Dynastie der Samaniden wurde 998 von den Gaznawiden gestürzt. Außerdem ging der Sklavenhandel auch infolge der fortschreitenden Christianisierung stark zurück. Die Zufuhr arabischer Münzen nach Mittel- und Westeuropa hörte um das Jahr 1000 schlagartig auf. Dies bedeutete eine schwere Krise im salzburgischen wie im bayrischen Münzbetriebe. Das Erzstift scheint seine Prägetätigkeit damals für längere Zeit sogar ganz eingestellt zu haben. Die Regensburger Kaufleute indessen fanden für ihren nach anderen Waren und Absatzgebieten ausblickenden Handel alsbald einen vollwertigen Ersatz in dem Silber anderer Bergwerke. Der Regensburger Donauhandel lebte nicht nur von ungarischen Häuten und Fellen, von ungarischem Wachs und Honig, sondern auch von jenem Handelsartikel, der noch lange Zeit in Oberdeutschland gänzlich fehlte: den Edelmetallen, die in Ungarn in ausreichendem Maße vorhanden waren. „Noch im 1 S.Jahrhundert wird ziemlich offen gesagt, daß es ein Hauptzweck des Regensburger Handels nach Österreich sei, von dort Silber zu beschaffen." Österreich war in der Tat „als Vermittler des Handels mit Ungarn im ganzen Mittelalter die Silbergrube für Oberdeutschland" (721). Der Erwerb von Edelmetall war ein Hauptgrund für den oberdeutschen Handel nach dem Osten. Somit sind die ersten Prägungen eines österreichischen Münzherrn sicherlich mit Hilfe von Importsilber zustande gekommen. Aber nicht in Salzburg allein, wo erst eine Urkunde von 1287 auf Gold- und Silbergruben im Lungau hinweist, sondern auch andere österreichische Münzstätten mußten sich mangels eigener Metallproduktion noch lange Zeit hindurch des ungarischen Silbers bedienen. Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde der Regensburger Schlag im Erzstift durch einen eigenen Salzburger Pfennigtypus abgelöst. Aber nicht in Salzburg selbst, sondern in dem salzachabwärts gelegenen Städtchen Laufen entstand an Stelle von Regensburg die neue Münzstätte des Erzstiftes. Infolge einer recht gefährlichen Stromschnelle der Salzach bei dem damals noch zu Salzburg gehörenden Laufen, welche die auf dem Wasserwege beförderten Salztransporte passieren mußten, zogen es manche Händler vor, ihre Ware nicht weiterzuführen, sondern gleich zu verkaufen, und es entwickelte sich der Ort schon bald zu einem Umschlagplatz für Salz und andere Waren, was auch einen größeren Bedarf an Bargeld mit sich brachte. Das erforderliche Silber wurde wohl auf dem Handelswege erworben, da zu dieser Zeit ein bergmännischer Abbau von Gold und Silber im Erzstifte noch unbekannt gewesen sein dürfte. Man mußte es sich daher mittels des Salzhandels beschaffen oder direkt aus Regensburg beziehen, obwohl die Beziehungen zu Bayern damals eher gespannt waren. Deshalb wurde die Münzstätte auch bald von Laufen nach Salzburg übertragen, was um 1200 geschehen sein mag. Man darf wohl auch annehmen, daß infolge der damals noch andauernden Silberarmut in Deutschland die in Laufen geschlagenen erzstiftischen Pfennige ebenfalls aus ungarischem Silber bestanden. Wie schon erwähnt, stammen die ersten Nachrichten über Bergwerke im Salzburgischen erst aus dem Jahre 1287. Nun aber darf bei der Frage der Metallversorgung eines nicht vergessen werden, daß außer dem bergmännisch gewonnenen Metall auch noch 140

abgenüt2te oder außer Kurs gesetzte eigene oder ins Land geströmte Münzen für Neuprägungen umgeschmolzen wurden, wobei das Fremdmetall, das z. B. die Salzburger Erzbischöfe als Gewinn aus dem Salzhandel zogen, das Eigenmetall oft an Wert überstieg. Überdies bildete im Mittelalter die sogenannte Renovatio monetae, die periodische Münzverrufung bei gleichzeitiger Münzerneuerung auf Kosten des Einlieferers, ein anrüchiges Mittel, um zu Metall zu gelangen und daran doppelt zu verdienen. Eine vierte Möglichkeit, sich Prägemetall zu beschaffen, war nicht nur im Mittelalter, sondern auch in den diesem folgenden Jahrhunderten die Verwendung von angekauftem Bruchsilber und Bruchgold, dem sogenannten Pagament, das, wie schon das Wort „Bruch" besagt, aus nicht mehr verwendbaren Edelmetallgeräten bestand. Die frühesten Nachrichten über Edelmetall im Lande Salzburg berichten von Goldwäscherei. Der Gewinn daraus könnte, da es noch keine Goldmünzen gab, wohl zum Einkauf von Silber verwendet worden sein. Außer dem 1287 erwähnten Bergbau im Lungau besitzen wir eine Nachricht, vermutlich über den Silberbergbau bei Ramingstein und den Goldbergbau bei Schellgaden. Für die gleiche Zeit ist auch eine umfangreiche Betriebstätigkeit im wichtigsten Goldbergbaugebiet, in den Tälern von Gastein und Rauris, überliefert. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hören wir überdies öfters von Silbergruben zu Leogang bei Saalfelden. Auch sonst läßt sich im Lande Salzburg noch Edelmetallbergbau nachweisen oder wenigstens vermuten. Schließlich besaß das Erzstift auch noch Bergbaue auf Edelmetalle in Osttirol und im Zillertal sowie besonders um Friesach in Kärnten, über das weiter unten berichtet werden soll. „Um einen genauen Überblick über den Betrieb und den Umfang des salzburgischen Edelmetallbergbaues zu gewinnen, dafür reichen die Quellen nicht aus. Hatte der Erzbischof die Gruben nicht selbst in Betrieb gehalten, so standen ihm bedeutende Einkünfte aus den verpachteten Regalrechten zu" (560). Dank der Erschließung des Bergsegens im Lande konnte sich die Salzburger Münzstätte genügend Metall verschaffen. Erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts begann der Ertrag zurückzugehen, was in den sechziger Jahren zu einer längeren Einstellung der Münzstätte führte. Die Bergwerke des Erzstiftes lagen fast alle im Pinzgau, im westlichen Gebiet des Landes, dessen Südgrenze am Kamm der Hohen Tauern verläuft; ein kleiner, kaum in Betracht kommender Rest lag auch noch im salzburgischen Teil des Lungaus, also am Oberlauf der Mur und im Tal der Taurach. Die Haupterträgnisse des Salzburger Edelmetallbergbaues erbrachten daher die Tauern, und zwar vornehmlich um Gastein und Rauris, wo heute noch zahlreiche Bergnamen über das goldene Zeitalter des früheren, längst erschöpften Bergbaues berichten: Goldberg, Goldzechkopf, Goldberg-Tauernkopf, Silberpfennig usw. Aus dem Golde der Tauern wurden auch die einzigen mittelalterlichen Goldstücke Salzburgs, die Goldgulden Erzbischof Pilgrims II. von Puchheim (1365—1396), geprägt, über die im Abschnitt Steiermark mehr zu sagen sein wird. Das wichtigste Montanprodukt des Landes, das ihm auch den Namen gab, war und blieb jedoch das Salz; mit den daraus erzielten Einkünften aber waren die Erzbischöfe in Zeiten unergiebigen Edelmetallbergbaus in der Lage, landfremdes Metall f ür ihre Münzstätte Salzburg zu erwerben.

141

2. Aquileia, Triest, Görz, Cilli In der Chronologie der Münzrechtsverleihungen steht das Patriarchat Aquileia an zweiter Stelle. Am 11. September 1028 verlieh Kaiser Konrad dem Patriarchen Poppo das Recht, Denare aus feinem Silber zu schlagen, ähnlich denen von Verona. Zuerst hatte Poppo ebenfalls nach Regensburger Schlag, dann aber nach dem Vorbilde der salzburgischen Münzstätte Friesach und der herzoglichen in St. Veit in Kärnten sehr roh gezeichnete Stücke geprägt. Seit dem Patriarchen Pilgrim II. kamen dann um 1204 Pfennige mit schüsseiförmig aufgebogenem Rand (sog. denari scodellati) und sehr feinem, sichtlich von italienischen Stempelschneidern herrührendem Gepräge auf. Das Patriarchat spielt neben Salzburg eine höchst wichtige Rolle in der politischen wie in der Münz- und Geldgeschichte Österreichs. Im Jahre 803 hatte Karl der Große die von König Pippin 797 verfügte Abgrenzung der beiden benachbarten Diözesen Salzburg und Aquileia durch die Drau anläßlich seiner Anwesenheit in Salzburg bestätigt. Dadurch war den guthaltigen Geprägen des Patriarchates von vornherein auch auf Kärntner Boden ein Einzugsgebiet gesichert, das sich mit der Zeit fast auf das ganze Land ausdehnte, bis die weltliche Entmachtung dieses Kirchenfürsten durch Venedig dessen Münzprägung 1455 ein Ende setzte. Eine so extensive Ausübung des Münzrechtes setzt stets auch eine reichliche Metallversorgung voraus. Es wurde einmal die Frage aufgeworfen, ob die Patriarchen ihre Münzen nicht vielleicht zu Friesach hätten prägen lassen, was bis zur Einführung der feinen denari scodellati schon aus dem Grunde denkbar wäre, weil diese ersten Emissionen der „Agleier" im Stil des Münzbildes und in der groben Mache den in Kärnten geprägten aufs Haar gleichen. Es könnte daher derselbe Stempelschneider für Salzburg (Friesach, St. Veit) und Aquileia zugleich gearbeitet haben. Überdies steht ja auch fest, daß der Patriarchenstaat im Friaulischen keine eigenen Bergwerke besaß, dafür aber großen Grundbesitz in Südsteiermark und Kärnten, von dem er alljährlich einen ansehnlichen Zehnten bezog, der bei Geldzinsen sicherlich in Friesachern geleistet wurde. Zudem hatte das Patriarchat gerade in der alten Herrschaft Friesach neben dem Erzbistum Salzburg ebenfalls einen großen Besitz. Wenngleich auch nicht nachzuweisen ist, daß darauf Bergbau betrieben wurde, mußte es dennoch ein leichtes sein, in dieser Gegend Silber zu erwerben, abgesehen davon, daß die Friesacher Pfennige auch im Patriarchat umlauffähig waren, sofern man sie nicht in dessen Zecca einschmolz und umprägte. Das gleiche gilt wahrscheinlich auch für die Bischöfe von Triest, während die Grafen von Görz, die eine Münzstätte zu Lienz im heutigen Osttirol und eine andere zu Ober-Vellach in Oberkärnten besaßen, an beiden Orten Edelmetallbergwerke in nächster Nähe hatten: nämlich den Bergbaubezirk Großkirchheim, also das obere Mölltal mit seinen ertragreichen, allerdings in großen Höhen gelegenen Gruben. Die Grafen hatten hier reichen Streubesitz, der aber sicherlich das zur Münzprägung erforderliche Metall erbrachte. Hier muß noch kurz der Grafen von Cilli gedacht werden. Sie waren von Kaiser Sigmund, der eine Tochter dieses Hauses, Barbara, zur Gattin hatte, 1436 gefürstet worden und erhielten die Grafschaften Cilli in der Steiermark und Sternberg bei Velden wie auch Ottenburg, beide in Kärnten, mit Gericht, Grenzen, Münz- und Bergrecht zu Lehen. Durch die Grafschaft Ortenburg verfügten die Cillier für ihre kurze und anscheinend geringfügige Pfennigprägung im Berggericht Steinfeld, das seinen Namen nach einem im Drautal östlich von Greifenburg gelegenen Orte führt, über ausreichende Silbermengen. 142

3. Kärnten Außer den erwähnten Görzer Grafen, die zu Ober-Vellach münzten, hat es neben den Landesfürsten, den Herzogen, als Münzherren auch noch die Bischöfe von Bamberg und vor allem die Erzbischöfe von Salzburg gegeben, die auf und für ihre Kärntner Besitzungen eigene Münzen prägten. Zeitlich stehen die B a m b e r g e r an vorderster Stelle, denn schon im Jahre 1060 verlieh König Heinrich IV. dem Bischof Gunther für Villach das Münzrecht; 1242 gestattete Kaiser Friedrich II. dem Bischof Heinrich I. von Schmiedefeld, sowohl zu Villach als auch zu Griffen nach Friesacher Schlag zu münzen, und schließlich bestätigte Ludwig IV. der Bayer dem Bistum dieses Privileg. Die Münzberechtigung dürfte jedoch erst seit etwa 1164 ausgeübt worden sein. Da, wie feststeht, von ihr nur in sehr geringem Umfange Gebrauch gemacht wurde, hat es fast den Anschein, daß man nur deshalb münzte, um des Rechtes per non usum, wie der technische Ausdruck lautet, also durch Nichtausnützung nicht verlustig zu gehen. Der Bamberger Bischof hatte gleich anderen Kärntner Grundherren in seinem Gebiete auch die bergrechtliche Oberherrlichkeit. Von ganz besonderer Bedeutung war für ihn sein Lavanttaler Grubenbesitz. Im Jahre 1227 hören wir zum ersten Male vom Silberbergbau auf bambergischem Gebiet im obern Lavanttale in der Gegend von Reichenfels. Später betrieb das Hochstift auch Goldbergbau in Kliening, einem Seitengraben des Lavanttales westlich der Stadt St. Leonhard. Anfangs sehr ertragreich, erlitt er Ende des 16. Jahrhunderts einen katastrophalen Rückschlag, der indessen die beiden altbambergischen Münzstätten Villach und Griffen nicht mehr tangierte, da sie um diese Zeit schon längst der Vergangenheit angehörten. Friesach war das Verwaltungszentrum für die ausgedehnten Besitzungen des salzburgischen Erzstiftes in Kärnten. In den Bergen der unmittelbaren Umgebung, insbesondere bei dem nordöstlich gelegenen Zeltschach und auch an anderen Stellen des später nach Friesach benannten Berggerichtsbezirkes, fanden sich reichliche Mengen von Silber auf eigenem Boden. Die Münzstätte in einer der Burgen hoch über der Stadt wurde in Friesach ungefähr zur selben Zeit errichtet wie die in Laufen, etwa um das Jahr 1125, also unter Erzbischof Konrad I. Graf von Abensperg. Die Entwicklung des Münzwesens nahm jedoch in Kärnten einen ganz anderen, weit stürmischeren Verlauf als an der Salzach. Der „Friesacher Pfennig", ein Begriff, der auch im gleichzeitigen Schrifttum, wie Urbaren, Urkunden usw., in sprachlich verschiedener Form auch anderen nach Friesacher Schlag ausgebrachten Münzen beigelegt wird, hat eine für diese Frühzeit geradezu ungeheure Verbreitung gefunden. Besonders interessante Aufschlüsse vermitteln da die Auslandfunde. Die älteren Gepräge kommen als typische Handelsmünzen vornehmlich in Ungarn vor. Der östlichste Fund ist indessen in der Walachei entdeckt worden. Der nach 1209 vergrabene Fund von Detta im Banat enthielt gegen 10.000, der von Aba-Puszta in Oberungarn, Komitat Szabolcs, rd. 7500 Friesacher, also höchst beträchtliche Mengen, ein kleines Vermögen für die damalige Zeit. Nach dem furchtbaren Mongoleneinfall in Ungarn im Jahre 1241, auf den die Bergung zahlreicher Münzschätze zurückzuführen ist, verschwanden die Friesacher dann plötzlich aus dem ungarischen Münzumlauf, wo man schon unter König Andreas II. (1205—1235) versucht hatte, sich ihrem Einströmen durch eigene Nachprägung zu erwehren. Aber der zeitweise Verlust des ungarischen Marktes wirkte sich keineswegs hindernd auf die Friesacher Prägetätigkeit aus. Im Gegenteil, der West-Ost-Handel dürfte nach dem Mongolensturm infolge Ausplünderung weiter Gebiete Ungarns und dem dadurch enstandenen Warenhunger vielmehr geblüht haben. Als Gegenleistung kam außer ungarischem Vieh 143

und anderen Landesprodukten auch ungarisches Silber, dessen Export damals noch frei war, in Münzen oder, was noch wahrscheinlicher ist, in Barren nach dem Westen, und zwar teils durch Vermittlung von Wien, teils als Rückfracht der aus Kärnten, Krain und der Steiermark ostwärts vorstoßenden Handelsleute. Dadurch kam ein Teil des Erlöses auch der Friesacher Münzstätte in Form von Prägesilber zugute. Denn wie ließe sich sonst der nach damaligen Verhältnissen riesig zu nennende Erfolg des Lyoner Kreuzzugszehents im Erzbistum Salzburg (1282—1285) erklären? Diese Abgabe, über die wir noch in anderem Zusammenhange Näheres hören werden, erbrachte im Erzbistum Salzburg nicht weniger als 525% Zahlmark allein an Friesachern, ungerechnet die ausländischen Silbersorten, die daneben im Lande umliefen. Dieses Gewicht entspricht einer Summe von etwa 84.000 Stück. Dies aber war bloß ein Zehntel des tatsächlichen Bestandes dieser Münzsorte im Besitz der gehobenen Geistlichkeit. Überdies besaßen naturgemäß auch die nicht besteuerten Laien einiges von dieser Münzsorte, und wenn auch von ihnen ein guter Teil noch Natural-Tauschhandel trieb, so verfügte dafür die Bevölkerung der Städte als Handel- und Gewerbetreibende neben ihren Waren und Erzeugnissen auch über bares Geld in ihren Truhen. Angesichts dieser Massen erhebt sich zwangsläufig die Frage nach der Herkunft des für diese Riesenmenge guthaltiger Friesacher nötigen Silbers. Ihr Gewicht kann zur Zeit des Lyoner Zehnten durchschnittlich mit je l g angenommen werden. Wenn man nun einen Umlauf von einer Million Stück im Erzbistum allein voraussetzt, wären dazu 1000 kg Silber erforderlich gewesen. Wo aber gab es auf erzbischöflichem Gebiet Bergwerke, die in dieser — bergmännisch gesehen — so frühen Zeit bereits eine so hohe Kapazität besaßen? Tausend Kilogramm fast reinen Silbers sind für jene Zeit eine gewaltige Menge. Man muß bedenken, wie mühselig der nur mit Eisen und Schlägel durchgeführte Abbau und wie langwierig der Veredelungsprozeß war. Auch mit Hilfe der „Renovatio" hätte sich der Metallbedarf nicht decken lassen; bestenfalls genügte dieser Zuschuß für den Binnen-, keineswegs aber auch für den Außenhandel. Es wird daher, wie schon angedeutet, das ungarische Silber gewesen sein, das die Handelsleute als Teil ihrer Rückfracht auf ihrer Fahrt durch die Täler der Drau und Save oder auf anderen Handelswegen mit sich führten. Dieses Silber dürfte wohl hauptsächlich aus den reichen Gruben im Gebiet der sieben niederungarischen Bergstädte, vor allem aus der Gegend von Schemnitz, der späteren „Silberstadt", gestammt haben. Denn Friesacher sind ja nicht nur in süd-, sondern auch in nordungarischen Funden angetroffen worden, z. B. in Karpfen, das zwar nicht unmittelbar dem Bunde der erwähnten Bergstädte angehörte, zu ihnen aber in mannigfachen Beziehungen stand. Auch siebenbürgisches Silber kann man sich in den Friesachern denken. Endgültig könnte diese Annahme wohl erst nach einer umfassenden Analyse des Silbers in den Friesachern bewiesen werden. Aus alledem ergibt sich jedenfalls, daß zu Ende des 13. Jahrhunderts schon so große Mengen von Silbergeld zirkulierten, daß der alte räumlich noch begrenzte NaturalTauschhandel sich bereits zum Fernhandel auf monetärer Basis entwickelt hatte. Im übrigen werden auch in Urkunden des obersteirischen Benediktinerstiftes Admont Silbergruben rings um Friesach bezeugt. Weiters gab es in dieser Gegend auch noch andere Bergbaue, die nicht dem Erzbistum gehörten. Vielleicht kam auch aus diesen Gruben ein Teil des Münzmetalls der erzbischöflichen Münzstätte, so daß das heimische Bergsilber zum mindesten eine Basis für die Friesacher Prägung abgab. Die fortschreitende Entwicklung der Friesacher zu einer vielbegehrten Handelsmünze setzt natürlich eine weithin ausgreifende Organisation des Silberhandels voraus. 144

Die Blütezeit der Friesacher fällt in die Zeit des großen Erzbischofs Eberhard II. von Regensberg (1200—1246). Nach seinem Ableben, das gerade in die Zeit des Mongolensturmes fällt, sank die Bedeutung der Friesacher Münzstätte. Es kam in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts sogar zu einer Vereinbarung zwischen Erzbischof Wladislaus von Schlesien und Ulrich III. von Kärnten, um einer Münzverschlechterung in Friesach und den herzoglichen Münzstätten zu St. Veit, Völkermarkt und Windischgraz durch gemeinsame Kontrolle vorzubeugen. Das weist auf zunehmenden Metallmangel hin. Mit Erzbischof Rudolf von Hoheneck (1284—1290) schloß dann der erste Vertreter einer neuen Dynastie, Herzog Meinhard von Kärnten, Graf von Tirol, 1286 zu Judenburg eine Münzvereinigung. Aber alle diese Abkommen konnten Verfall und Ende der Friesacher Prägung nicht mehr aufhalten. Um 1350 hörte sie überhaupt auf. Unter Erzbischof Leonhard v. Keutschach lebte sie um 1500 noch ein letztes Mal auf; aber der Begriff der „Friesacher" gehörte zu dieser Zeit bereits der Geschichte an. Was die salzburgischen Nebenmünzstätten in der Untersteiermark anlangt, so hatten diese die Aufgabe, den dringenden Bedarf an Friesachern in diesen Grenzgebieten gleich an Ort und Stelle befriedigen zu können. Es waren dies Pettau, wo gemeinsam mit den Babenbergern gemünzt wurde, sowie Rann, Reichenburg und Tschatesch gegenüber von Rann. Insbesondere die Ranner Gepräge nach Friesacher Schlag scheinen ziemlich verbreitet gewesen zu sein, wenigstens sind sie in der Abrechnung des Lyoner Zehents unter dem Namen „Rainer Pfennige, denarii de Reyn oder Reynenses" eigens angeführt, allerdings in weit geringeren Mengen als bei den Original-Friesachern. Die vorerwähnten Münzstätten lagen alle an den beiden Hauptausfallpforten nach dem Osten: Pettau an der Drau, die anderen an der Save. An diesen Orten mußten alle Handelsleute vorbeikommen, die mit Kroatien (das eine Zeitlang ebenfalls die beliebten Friesacher nachprägte) und Ungarn Handel trieben. Da aber in der Nähe dieser Münzhäuser keine Bergwerke liegen, darf man wohl annehmen, daß die Münzmeister das nötige Silber gleich von den in die Heimat zurückkehrenden Händlern bezogen. Die Kärntner Landesfürsten haben allem Anschein nach in ihren Landen erst spät zu münzen begonnen, und zwar vorwiegend in St. V e i t a. d. Glan. Wohl haben sie schon vor dem Übergang der Macht von den Eppensteinern an das Haus Spanheim (1122) nach Regensburger Schlag gemünzt, aber es ist ungewiß, wo ihre Münzstätte zunächst stand, ebenso der Zeitpunkt, zu dem eine solche in der Herzogstadt St. Veit eingerichtet wurde. Jedenfalls war diese im ersten Regierungsjahrzehnt Herzog Bernhards (1202 bis 1256) schon im Betrieb. Es steht auch fest, daß die Anfänge des Münzwesens der Spanheimer ungefähr in die gleiche Zeit zurückreichen, in der sich Erzbischof Konrad zur Errichtung einer Münzschmiede zu Friesach entschloß. Neben St. Veit unterhielt der Landesfürst auch noch Münzstätten zu V ö l k e r m a r k t und L a n d s t r a ß . Völkermarkt, 1105 als Markt, 1252 als Stadt erwähnt, war ursprünglich im Besitz des Stiftes St. Paul im Lavanttal, wurde aber gegen Ende des 13. Jahrhunderts landesfürstlich. Die neue Brücke über die Drau, die Herzog Bernhard hier erbaute, und die Lage an der Straße, die über das bambergische Griffen ins Lavanttal und durch dieses dann ins Murtal bei Judenburg führte, nicht zuletzt auch die ostwärts fließende Drau gestalteten Völkermarkt zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt und machten die Stadt für eine Münzstätte sehr geeignet. Die militärische Aufgabe der Unterkrainer Gurk, in ihrem Unterlauf durch Jahrhunderte Reichsgrenze gegen Kroatien, veranlaßte die Gründung von Landstraß. Auf einer kleinen Insel in der Gurk erbaute Herzog Bernhard zum Schutze des Landes ein festes Schloß mit dem Namen „Landestrost", weil es, wie Valvasor in seinem Werke 145

,Die Ehre des Herzogtums Krain' bemerkt, „ehedem für jedweden feindlichen Anlauf den Umwohnenden zur Zuflucht gedienet. . .". Landstraß (später Kostanjevica) wurde indessen von seinem Erbauer nicht bloß zum Zufluchtsort, sondern auch zum Handelsplatz bestimmt; es erhielt daher auch eine Münzstätte, deren Prägungen bis tief nach Ungarn hinein umliefen. Zunächst ahmten die schüsseiförmigen Gepräge des 1249 als Markt erwähnten Ortes die denari scodellati des Agleier Patriarchen Wolfger nach, der 1218 gestorben war. Solche Münzen aber waren in dieser Gegend nicht umlauffähig, weil sich in den benachbarten Ländern Kroatien und Ungarn die Münzen Friesacher Schlages eingebürgert hatten. Aus diesem Grund folgte auch Landstraß alsbald dieser Prägeweise, und Münzen dieser Art strömten bald in großer Menge über die Ostgrenze, doch in Kürze verschwanden sie fast gänzlich aus dem Geldverkehr. Für die Münzstätten der Kärntner Landesfürsten gilt hinsichtlich der Metallversorgung wohl so ziemlich das gleiche wie für die geistlichen, doch besaß der Landesfürst allem Anschein nach wohl das Bergregal, jedoch keine eigenen Bergwerke. Wir vermuten daher, daß diese herzoglichen Münzhäuser von dem Silber versorgt wurden, das jenen Grundherren gehörte, die zwar nicht das Münzrecht besaßen, dafür aber Bergwerke. Dann aber lieferte die „Renovatio" Münzmetall und nicht zuletzt die landesherrlichen Einkünfte, vornehmlich aus Maut und Zoll. Besonders aus diesem Titel mag sehr viel bares Geld in die Kassen des Herzogs geflossen sein, und zwar nicht immer gängiger Landesmünze, sondern häufig auch in entsprechend umgerechneten minderwertigen Sorten, die dann sogleich in die Schmelztiegel der Münzstätten wanderten. Beim Ankauf von Münzmetall aber wird wohl auch hier das ungarische Silber die Hauptrolle gespielt haben. Ähnlich verhält es sich auch mit der Friesacher Münzstätte der Andechs-Meranier zu W i n d i s c h g r a z in der Untersteiermark, wie nicht minder mit Stein und G u t e n w ö r t im ehemaligen Krain. Wann dieses dem altbayrischen Hause der Grafen von Dießen entsprossene Geschlecht, das nach meteorhaftem Aufstieg 1251 mit dem Patriarchen Berthold von Aquileia ausstarb, das Münzrecht erhielt, wissen wir nicht; sicher ist nur, daß es in diesen drei Münzstätten ausgeübt wurde. Von ihnen liegt Windischgraz auf dem rechten Ufer der Mißling, die bei Unterdrauburg in die Drau mündet. Der hier errichteten Münzstätte kam die alte Römerstraße zugute, die Laibach mit Klagenfurt über den Trojansberg und Cilli verband. Um 1200 hat es auf ihr einen regen Handelsverkehr gegeben. Das Städtchen Stein liegt am Fuße der mächtigen Steiner Alpen an einem im Mittelalter stark begangenen Nebenweg, der bei Loschitz in die eben erwähnte Römerstraße einmündete. Stein war der Hauptort jener Besitzungen, welche die Andechs-Meranier als Erben der Weimar-Orlamünde in Oberkrain übernommen hatten. Und schließlich Gutenwört. Hier hat der Unterlauf der Krainer Gurk von ihrem Austritt aus der Enge bei Einöd bis zur Mündung in die Save durch Jahrhunderte die Grenze des Deutschen Reiches gegen Kroatien gebildet. Auf dem rechten Ufer hatte das Bistum Agram Besitzungen, auf dem linken verschiedene deutsche Familien, wie die Spanheimer, die Andechs-Meranier und auch das Bistum Freising. „Etwa halben Weges zwischen Rann und Einöd lag Freisinger Gut, die Hofmark Gutenwört" (693). Hier befand sich nun zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine Münzstätte, von der sich redende Gepräge, aber keinerlei urkundliche Nachrichten erhalten haben. Verschiedene Münzherren haben hier einander abgelöst: als erster Bischof Otto II. von Freising (1184 bis 1220), „der bedeutendste Historiker des deutschen Hochmittelalters", dann Markgraf 146

Heinrich IV. aus dem Hause Meranien (1215—1228) und schließlich auch der streitbare letzte Babenbergerherzog Friedrich (von 1229 bis zu seinem Tode 1246). Es war keine sehr umfangreiche Prägung, offenbar nur gerade so viel, als man zur Versorgung der mit der Fähre nach Kroatien übersetzenden Händler benötigte und — soweit man eben Münzmetall erhielt. Dies mag hier besonders schwierig gewesen sein, da sich in ganz Istrien kein einziges Edelmetallbergwerk und auch in Krain nur silberhaltige Bleigruben befinden, von denen es nicht einmal sicher ist, ob sie in dieser Frühzeit überhaupt schon ausgebeutet wurden. Die Versorgung dieser drei Münzstätten wird also nicht ohne beträchtliche Schwierigkeiten möglich gewesen sein. Nur die Lage an stark begangenen und befahrenen Handelsstraßen und die damit verbundenen Einkünfte aus Zoll und Maut mögen die Lage einigermaßen erleichtert haben, sofern nicht auch hier ungarisches Silber Verwendung fand. Auch die kurzlebige Münztätigkeit der Kärntner Spanheimer in der krainerischen Münzstätte L a i b a c h (Ljubljana) dürfte ähnlichen Schwierigkeiten gegenübergestanden sein, die wohl ebenfalls auf den bereits bekannten Wegen behoben oder doch mindestens gemildert werden konnten. Vor allem wird die rege Handelstätigkeit der Stadt ihrer Münzstätte auch die nötige Metallversorgung gewährleistet haben. Die wohl von eingewanderten oder hierher berufenen italienischen Goldschmieden geprägten, künstlerisch meist auf hoher Stufe stehenden Gepräge, die in ihren Münzbildern Triester oder Agleier Vorbilder nachahmten, weisen deutlich auf die Richtung dieses Handels hin. Die Seltenheit dieser Laibacher Denare, deren Prägung mit der Besitznahme Krains durch die Habsburger nach der siegreichen Schlacht auf dem Marchfelde (1278) erlosch, zeigt überdies, daß die Laibacher Münzstätte kaum eine über lokale Bedürfnisse hinausgehende Bedeutung besessen haben dürfte.

4. Steiermark Unter der Herrschaft der Chiem- und Traungauer reichte die grüne Mark im Norden weit über die heutigen Landesgrenzen hinaus. Die Markgrafen besaßen Münzstätten zu Fischau auf dem Steinfelde, wohin sie das nach dem Aussterben der Grafen von Pitten angefallene Münzrecht von Neunkirchen übertrugen, und zu Enns, das eben damals als Handelsplatz aufzublühen begann. In ihrem großen Gebiete südlich von Semmering und Wechsel aber bestand vor dem 12. Jahrhundert noch keine Münzstätte. Dies beweist, daß um diese Zeit hier noch kein solcher Bedarf an Münzgeld vorhanden war, der die Errichtung einer eigenen Münzstätte gerechtfertigt hätte. Man fand daher an den umlaufenden Friesachern vorderhand das Auslangen. Im Norden aber, in einer Gegend, die bereits mehr oder minder unter dem Einfluß des großen Donauhandels stand, war man schon seit längerer Zeit vom primitiven Tausch- und Naturalhandel zur fortgeschrittenen Stufe gelangt, die sich der geprägten Münze bediente. Aus diesem Grunde änderten auch die österreichischen Babenberger nach dem Tode des kinderlosen letzten Traungauers, Herzog Ottokars IV. ( f 1192), als dessen Erben nichts an den in der Steiermark vorgefundenen Zuständen. Erst Herzog Leopold VI., der Glorreiche, hat die Errichtung einer eigenen Münzstätte in Graz als notwendig empfunden, um sich des Überhandnehmens der aus den steirischen Besitzungen des Salzburger Erzstiftes in die herzoglichen Landesteile einströmenden Münzen zu erwehren. Da die ersten Grazer Pfennige auch nach Friesacher Schlag geprägt wurden, konnte das 147

Einströmen der originalen Friesacher in die Steiermark verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Die Münzstätte wurde allerdings bereits um 1222 für ein Jahrzehnt wieder geschlossen, als Leopold VI. und Eberhard II. zu Pettau, wie oben erwähnt, eine gemeinschaftliche Münzstätte in Betrieb setzten, wobei alle Einkünfte aus Münze, Zoll und den Gerichtsgefällen zu Pettau zwischen den beiden Vertragspartnern geteilt wurden. Der Grund dieses kurzfristigen „Münzvereins" lag für den Babenberger wohl darin, daß er an den wahrscheinlich reichen Einkünften aus einer begehrten Handelsmünze, wie es die Friesacher waren, ebenfalls teilhaben wollte. Durch die gleichzeitige Ausschaltung der Grazer Münze wurde eine mögliche Konkurrenz ausgeschlossen. Ebensowenig wie die tatsächlichen Gründe dieser Gemeinschaftsmünzung sind auch die ihrer Aufhebung durch den Babenbergerherzog Friedrich II. im Jahre 1232 bekannt. Vielleicht hatte die durch die Beteiligung des Salzburgers sicherlich erleichterte Metallversorgung den Babenberger der Gemeinschaf tsmünzung geneigt gemacht und ihn zu dem Angebot mit den für den Erzbischof verlockenden Zugeständnissen bewogen. Neben Graz wurde im steirischen Oberland nächst dem Bergwerk Oberzeiring noch eine zweite landesfürstliche Münzstätte eingerichtet, um die reiche Ausbeute dieser Silbergruben gleich an Ort und Stelle ausprägen zu können. Zwar stammt die erste urkundliche Nachricht über diesen Bergbau erst aus dem Jahre 1265; man darf aber mit guten Gründen annehmen, daß seine Aufschließung noch in die Zeit der Babenberger zurückreicht. Der Besuch, den König Rudolf I. von Habsburg 1279 dem „mons Zyrich" abstattete, läßt vermuten, daß der Betrieb damals schon in höchster Blüte stand. Mit einem katastrophalen Wassereinbruch im August 1361 fand die Prägetätigkeit in Zeiring ein vorschnelles Ende. Zwar hatte Herzog Rudolf IV. der Bürgerschaft zum Trost für die vielen Todesopfer urkundlich den Weiterbetrieb der Münzstätte zugesichert; als sich aber herausstellte, daß an eine Wiederbewältigung der ersäuften Gruben nicht mehr zu denken war, verliefen sich alsbald sowohl Gewerken als auch Bergknappen. Bei dem Grubenunglück sollen innerhalb einer Viertelstunde 1400 Knappen ertrunken sein: diese große Belegschaft zeigt deutlich auch die Kapazität dieses Bergwerkes an; seine Silberproduktion ist wohl zur Gänze hier ausgemünzt worden, und zwar nach Grazer Fuß. Da aber die ersten Grazer Pfennige noch nach Friesacher Art geprägt waren, dürften sich wohl auch die ersten Zeiringer Denare an dieses Vorbild gehalten haben. Schlüssige statistische Daten sind mangels urkundlichen Materials natürlich nicht zu erwarten. Wir wissen nur, daß Abt Heinrich II. von Admont nach dem Zeugnis des steirischen Reimchronisten Ottokar „ouz der Geul" nicht nur als Gewerke, sondern auch als „Landschreiber" (d. h. hier: Generalpächter der herzoglichen Einkünfte in der Steiermark) aus dem Münzregal, für das er dem Herzog Albrecht 6000 Mark verrechnete, und aus dem Zeiringer Bergwerke bedeutenden Gewinn zog. Während wir also in dieser Frühzeit des steirischen Münzwesens wenigstens eine, vermutlich sogar die ergiebigste primäre Silberquelle — eben Oberzeiring — kennen, wissen wir sonst über die Metallversorgung nicht das mindeste. Es ist wohl nicht zuletzt dem Versagen des einheimischen Bergbaues zuzuschreiben, daß die Ausmünzung in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts langsam an Bedeutung verlor. Selbst in seiner kurzen Blütezeit hatte das Grazer Münzhaus gleich den Kärntner Münzstätten seinen Silberbedarf größtenteils aus ungarischem Importsilber gedeckt, das bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts keiner Ausfuhrbeschränkung unterworfen war. Erst König Karl Robert aus dem Hause Anjou verbot den Export, und es bestand für Edelmetalle eine Ablieferungspflicht an die ungarischen Münzhäuser, eine Anordnung, die sehr rigoros gehandhabt wurde. Etwas Ähnliches wäre für die verschiedenen österreichischen Münzstätten 148

nie zu erreichen gewesen. Somit ist es kein Zufall, daß gerade um diese Zeit sowohl im benachbarten Kärnten als auch in der Steiermark die Münztätigkeit immer geringer und geringer wurde und daß an Stelle des Friesacher und des Grazer Pfennigs nunmehr andere, auswärtige Münzsorten hier den Verkehr beherrschten, wie der Wiener Pfennig und die vom Süden her eingeführten Agleier. Zeiring hat an Graz wohl kaum je von seinem Überfluß abgegeben, sondern wahrscheinlich alles im eigenen Hause vermünzt. Noch im Jahre 1579 berichtet der Oberste Bergmeister Hans Hubmayr an die Grazer Hofkammer, daß „die bauenden Gewerken der Orten so hoch befreit gewesen sind, daß sie ihre eigene erbaute silber selbst zu vermünzen die Zulassung gehabt haben sollen, wie denn noch heutigen Tags derselben Pfenning, so man die Zeyringer Pfenning nennen thut, hier und wieder zu finden sind". Diese posthume Vermutung aber wird durch eine Urkunde Rudolfs IV. vom 16. August 1361 zu Großkirchheim zur Gewißheit. Dort heißt es nämlich: „daß die münz Grazer Pfenning, furbas sein soll dasselbe auf der obern Zeiring und nicht zu Judenburg, also daz dieselb burger ein eigen Münz auf der obern Zeiring", wie bisher haben sollen. Das ist gleichzeitig eine Bestätigung dafür, daß die gleich zu besprechende Goldprägung dieser Zeit tatsächlich zu Judenburg stattgefunden hat. Im übrigen dürfte Graz seinen Silberbedarf späterhin im 15. Jahrhundert doch wieder aus ungarischen Importen gedeckt haben, da Karl Roberts Edelmetallmonopol schon wenige Jahrzehnte später entweder in Vergessenheit geraten oder einfach umgangen worden zu sein scheint. Denn noch das Münzbuch Albrechts von Eberstorf vermerkt anläßlich einer Zusammenkunft bayrischer und österreichischer Abgesandter zu Linz 1455 in der Instruktion für die Österreicher, daß „das Vorgeben, Bayern habe nicht wie Österreich Silberbergwerke, z. B. in Ungarn, zur Hand", insofern zurückzuweisen sei, da ja auch Bayern „an der Etsch, in Böhmen" und den umliegenden Ländern Silberquellen genug habe. Demnach war Österreich um diese Zeit, wie einmal gesagt wurde, „als Vermittler des Handels mit Ungarn" noch immer die „Silbergrube für Oberdeutschland", wobei es natürlich auch die Versorgung seiner eigenen Münzstätten nicht vergaß; auch die der Grazer nicht, obgleich diese während der sogenannten „Schinderlingszeit" (1458-1460) unter dem Münzpächter Balthasar Eggenberger genau so schlechte Pfennige prägte wie die Wiener Hausgenossen und Söldnerführer, denen Kaiser Friedrich III. notgedrungen das Münzrecht zugestanden hatte. Die österreichische Goldprägung des 14. Jahrhunderts war eine ebenso kurze, wie bedeutsame Episode. Silber war während des Mittelalters innerhalb der altösterreichischen Lande das tragende, das fast ausschließlich veredelte Münzmetall gewesen. Die einzige Ausnahme bildete die alte Handelsstadt Judenburg in der Obersteiermark. Sie lag an der uralten Nord-Süd-Verbindung, die von Wien über den Semmering, den Neumarkter Sattel und durch das Kanaltal nach Venedig führt und einerseits wegen ihres Zieles, andererseits wegen der vorwiegend auf ihr nach Süden transportierten Ware als „Italienstraße" oder „Eisenstraße" bezeichnet wurde. Der Fernhandel war in diesem Jahrhundert schon sehr beträchtlich; für seinen Umfang und die Kostspieligkeit der durch ihn aus dem Süden importierten Waren, die meist den Luxus befriedigen sollten, genügte der sonst sehr geschätzte silberne Alpenpfennig nicht mehr. Die ausländischen Gewürze, Pelze, Seidenstoffe und Leckerbissen mußten schon deshalb mit Gold bezahlt werden, weil sich die Verkäufer im Nahen und Fernen Osten, wie nicht minder auch die italienischen Handelsstädte Florenz, Genua und Venedig als Vermittler dieses Handels, mit dem in größeren Mengen schwer zu manipulierenden Silber nicht mehr begnügten. Für den österreichischen Binnenhandel bestand damals noch kein Bedarf an Goldmünzen, dafür aber für Zahlungen an das Ausland. In Salzburg z. B. 149

mußte man für die Prokuration eines Erzbischofs an der römischen Kurie stets größere Summen erlegen, was in Goldstücken der eben genannten Großhandelsstädte durch italienische Bankiers geschah. Wie gering der binnenländische Goldbedarf und Goldumlauf war, zeigt die Abrechnung des päpstlichen Kollektors, des Domherrn Alironus von Venedig, der bei Einhebung des Lyoner Kreuzzugzehents gegenüber 2783 % Kilogramm Silber bloß rund 1,6 Kilogramm Gold eingesammelt hatte. Es ist dabei allerdings anzunehmen, daß so mancher lieber sein Silber als sein Gold hergab. Im altösterreichischen Räume hatte es bisher wohl eine wenig ertragreiche Goldwäscherei, hauptsächlich im salzburgischen Pongau, gegeben. Der mittelalterliche Edelmetallbergbau Kärntens war ausschließlich auf Silber eingestellt; eine ins Gewicht fallende Goldproduktion hat nur das 16. Jahrhundert gebracht. Steiermark hatte überhaupt kein Gold produziert. Nieder- und Oberösterreich besaßen überhaupt keine Edelmetallbergwerke. Dagegen reicht der bergmännische Abbau im Salzburgischen in einigen Tälern, wie in dem schon genannten Lungau, schon bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zurück. Die im Lungau 1287 erwähnten, dem Salzburger Domkapitel gehörenden Gruben hatte Gold und Silber produziert. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts tauchen Nachrichten über das wichtigste Goldrevier Salzburgs, die Täler von Gastein und Rauris, auf. Das Erzbistum befand sich gerade damals in einer kritischen Finanzlage, weshalb seine Oberhirten nur zu gern die Regalrechte an ihren Goldbergwerken, besonders in den eben genannten Tälern, an zahlungskräftige Bürger verpachteten. Schon 1344 wird eine namentlich angeführte Gesellschaft Judenburger Bürger im Hochgebirgstal als Pächter von Wechsel und Frone, von Berg- und Landgericht auf ein Jahr um 1500 fl. genannt. Zehn Jahre später nahm abermals ein Judenburger Konsortium die gleichen Rechte in Gastein und Rauris, dann Frone und Wechsel im Lungau, im kärntnerischen Malta- und Liesertal und zu Sachsenburg auf drei Jahre um je 1000 fl. für sich in Anspruch. Zu guter Letzt überließ Erzbischof Pilgrim II. 1378 seine Regalrechte neuerlich den Pächtern um 3200fl. auf zwei Jahre; dieser Vertrag wurde 1385 zu den gleichen Bedingungen erneuert. Es waren jedoch nicht nur Judenburger Bürger an dieser Ausbeutung der Salzburger Goldgruben beteiligt. Auch sonst suchte städtisches Kapital nach einer Anlagemöglichkeit, indem es sich am Bergbau beteiligte. Unter den vielen durch den Italienhandel wohlhabend, wenn nicht reich gewordenen Judenburger Bürgern standen diese Bergwerkspächter wohl in der vordersten Linie. Judenburg handelte vornehmlich mit „venedischer war" bis nach Wien und war hier sogar von dem unbequemen Stapelzwang befreit. Unter solchen Umständen ist es zu begreifen, wenn die Judenburger für ihren Handel mit Venedig angesichts dieses „Goldbooms" auch eigene Goldmünzen schlagen ließen. Es besteht kein Zweifel, daß es sich bei diesen Judenburger Goldgulden um Tauerngold handelt. Es ist auch sicher, daß die für diese Prägung bestimmte Münzschmiede sich in Judenburg selbst befand. Wenn auch kein direkter Beweis vorliegt, daß die Judenburger Bergwerkspächter die Ausmünzung in eigener Regie durchführten, so legt doch das zeitliche Zusammentreffen von Regalpacht und Münzprägung diesen Schluß nahe. Im übrigen hat sich Herzog Rudolf IV. wahrscheinlich mit dem Gedanken getragen, „auch die .Wiener Neustädter Silbermünze' und die ,Münz Gräzer Pfennig' von Oberzeiring nach Judenburg zu verlegen. Judenburg sollte also eine führende Stellung unter den österreichischen Münzproduktionsstätten einnehmen" (914). Vielleicht leitete den Herzog dabei der Gedanke, daß auf der Eisenstraße für die innerösterreichischen Lande, wie sie später hießen, leichter das Münzmetall zu beschaffen sei. Sein früher Tod hat die Ausführung dieses Planes verhindert. Im übrigen war die Tätigkeit der Judenburger 150

Münze zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von langer Dauer. Als im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts die Goldprägung nach Florentiner Vorbild aus Süddeutschland wieder verschwand, folgte auch die Judenburger Gesellschaft diesem Beispiel. Wahrscheinlich erschien den Teilhabern der Gewinn, den sie aus dem Metallhandel und der Goldprägung gezogen hatten, nicht groß genug, um ihr Kapital noch länger in diesen beiden Sparten arbeiten zu lassen. Vielleicht war auch die in den besten Zeiten kaum überragende Ausbeute der Bergbaue so gesunken, daß die Unternehmer es nicht wagen konnten, mit dem ungarischen Goldgulden, der die österreichische Wirtschaft langsam zu beherrschen begann, in Wettbewerb zu treten. Der ungarische Florin wurde im österreichischen Räume und darüber hinaus alsbald zur dominierenden Handelsmünze, die das goldarme Mittel- und Südeuropa alljährlich mit rund einer halben Million Stück beliefern konnte, eine damals enorme Summe, die das Ergebnis von Karl Roberts von Anjou weitschauender Münz- und Bergwerksreformen gewesen war. 5. Krems und Wien Das Münzwesen im Herzogtum Österreich war im Grunde nichts anderes als ein Ableger des viel älteren bayrischen mit seinem Regensburger Pfennig. Er war auch in unseren Gegenden infolge des regen Donauhandels bis über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaus maßgebend geblieben, weshalb er auch für die ersten Prägungen der Babenberger zum Vorbild wurde. Heinrich II. Jasomirgott hatte gleich seinem jüngeren Bruder Leopold IV. für kurze Zeit als Herzog von Bayern in Regensburg gemünzt. Als Heinrich nach der Versöhnung des Kaisers mit den Weifen das Herzogtum Bayern zurückgeben mußte, wurde er in der Münzstätte Krems der erste Münzherr des zum Herzogtum erhobenen Österreich. Diese Kremser Pfennige werden schon um 1157 urkundlich erwähnt; sie blieben bis gegen die Jahrhundertwende die Münze des jungen Herzogtums. Sie bürgerte sich rasch ein, so daß sie schon von den Teilnehmern des dritten Kreuzzuges (1189) in größeren Mengen nach Ungarn mitgenommen wurde. Bezeichnenderweise hatten Kremser und Regensburger Denare denselben Kurswert, während Kölner und Friesacher anders taxiert wurden. Das Metall zu den Kremsern hatte zweifellos Ungarn geliefert. Mit dem Jahre 1196 enden die urkundlichen Nachrichten über die Kremser Münzstätte. Dank dem Aufhören der Ungarneinfälle konnten die Grenze der alten Mark und der Herrschersitz weiter gegen Osten verlegt werden, und so folgte auch die Münzstätte von Krems nach Wien, wo die ersten Münzen urkundlich im Jahre 1204 aufscheinen. Die Errichtung dieser Münzstätte dürfte wohl „im Anschluß an den dritten Kreuzzug erfolgt sein, als sich der Geldbedarf in Österreich mit einem Male erheblich steigerte, weil viele heimische Kreuzfahrer Liegenschaften verkaufen mußten, um die Barmittel zur Ausrüstung aufzubringen. Diesen plötzlichen Abfluß an Edelmetall mußte man in Österreich um so schwerer empfinden, als das Land keine eigenen Silbergruben besaß und erst wenige zur Ausfuhr geeignete Erzeugnisse hervorbrachte. Ein lebhafter Verkehr mit großen Anforderungen und Geldknappheit trafen mit einem Male zusammen und erschwerten die Silberlieferung an die Münze" (685). Herzog Leopold V. zog daraus die Folgerungen und gab die Ausmünzung auf eigene Rechnung auf, indem er sie, zunächst gegen Ablieferung des ausbedungenen Schlagschatzes, Privaten überließ. Dann aber ging er einen Schritt weiter und „errichtete zu Wien die mit dem Anspruch auf Selbstergänzung und manch anderen Vorrechten ausgestattete Körperschaft der 151

Hausgenossen, die als Vereinigung von Kapitalisten gegen einen Anteil am Münzertrag für den ungestörten Münzbetrieb zu sorgen hatte" (685). Herzog Leopold V. erhielt aus dem Lösegeld, das der auf Dürnstein gefangengehaltene englische König Richard Löwenherz zu zahlen hatte, 50.000 Mark Silber Kölner Gewichtes, was ungefähr 11.690 Kilogramm heutigen Gewichtes entspricht. Das Silber wurde, wie wir aus Jansen Enikels Fürstenbuch ersehen, zur Befestigung von Enns und Hainburg und sicherlich auch zur Gründung der als Grenzfestung erbauten Neustadt (Wiener Neustadt) verwendet. Die Bezahlung des Lösegeldes an den Herzog erfolgte zu einer Zeit, als „die Verlegung der Münzstätte von Krems im Gange war. Ob sie vielleicht überhaupt erst durch den Zugang so großer Kapitalien veranlaßt wurde, läßt sich nicht sagen. Sicher bedeutete der Zufluß so großer Mengen an Münzmetall einen gewaltigen Impuls für die Geldwirtschaft. Der Herzog konnte nunmehr genügend Münzmetall in das Geschäft der Münzer-Hausgenossen einbringen und sich damit einen namhaften Schlagschatz sichern". Auch die Wiener Kaufmannschaft hatte vom Herzog 30.000 Mark Silber erhalten, die zu einem Teile noch aus dem Lösegeld herrührten. Da aber Kaufmannschaft und Hausgenossenschaft „in ihrer personellen Zusammensetzung weitgehend identisch waren", darf man annehmen, daß die zum ersten Male 1203 genannten „Wiener Pfennige" — wenigstens zum Teile — aus diesem Lösegeld geschlagen wurden (183). Münzer-Hausgenossenschaften gab es seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in etwa 15 deutschen Städten, von denen sieben dem Rheinlande, vier (darunter Wien) dem Donaugebiet und zwei Sachsen-Thüringen angehörten. Ihr Aufgabenbereich wird noch in einem andern Zusammenhange näher beleuchtet werden. Hier ist nur einiges über den wichtigsten Punkt ihrer Tätigkeit zu sagen, von dem Sein oder Nichtsein des ganzen Betriebes abhing: die Metallbeschaffung. Sie bereitete nicht nur in Wien allein Schwierigkeiten, sondern war angesichts der Montan- und Verkehrsverhältnisse vielmehr eine allgemeine Sorge. Zahlreichen Münzstätten im deutschen Räume stand ein ganz ungenügender Bergbaubetrieb gegenüber. Wien hatte es da vielleicht sogar etwas besser als die Hausgenossenschaften im übrigen Deutschland, da es ja bekanntlich im Mittelalter der hauptsächliche Umschlagplatz für den Metallhandel mit ganz Oberdeutschland war, wovon die Wiener Münze natürlich entsprechend profitierte. Die Hausgenossen waren hier überdies „allein zum Handel mit Edelmetallen und zum Besitz von Gold- und Silbergewichten berechtigt, konnten auf allen landesfürstlichen Märkten gegen Bezahlung von 72 neuen Pfennigen an den Marktrichter den Auswechsel der alten Münze an sich ziehen und hatten für grundherrliche Märkte das Vorrecht zur Lieferung der neuen Münze, falls der Inhaber den Auswechsel hier selbst besorgen wollte. Aber alle diese Vorrechte waren nur Zugeständnisse der Landesfürsten, eine Eigenberechtigung zu münzen besaßen die Hausgenossen niemals. Überdies erstreckte sich ihre Tätigkeit immer nur auf die Herstellung jener Münzen, die zur Zeit des ersten Auftrages üblich waren, also auf Pfennige und Hälblinge" (685). Aus verschiedenen Ursachen wurden die Geschäfte der Hausgenossen im Laufe der Zeit viel weniger einträglich, als sie es zur Zeit ihrer Gründung gewesen waren, namentlich seit Rudolf IV. 1359 auf das Recht der alljährlichen Münzerneuerung verzichtet hatte. „Manche Hausgenossen verarmen nun so sehr, daß sie das erforderliche Silber nicht mehr kaufen konnten, andere wurden geradezu der Verschleppung von Silber außer Landes beschuldigt" (685). Insbesondere im 15. Jahrhundert, unter Kaiser Friedrich III., lösten die sogenannten „Schinderlinge" im österreichischen Münzwesen und in der Wirtschaft jener Tage chaotische Verhältnisse aus. In der Einrichtung der Hausgenossen 152

zeigten sich schon merkliche Spuren des Verfalls, die 1522 mit der Auflösung der Körperschaft und einem Blutgericht endeten. 6. Tirol und Vorarlberg Im Mittelalter wurde sowohl in Tirol als auch von den Montforter Grafen im heutigen Vorarlberg gemünzt, und zwar, der territorialen Zersplitterung entsprechend, an vielen Stellen. Für Tirol liegen ziemlich konkrete Daten vor. Die ersten weltlichen Prägungen haben indessen nicht die späteren Grafen dieses Landes — sondern wie in Istrien und Friaul — die Andechs-Meranier und die mit ihnen verwandten Grafen von Hirschberg anfertigen lassen. Die Münzstätte lag in Innsbruck, also an einem verkehrstechnisch und handelspolitisch bedeutenden Punkt, der seinen Namen Pons Oeni der Brücke über den Inn, verdankt. Diese ersten Tiroler Münzen wurden nach Augsburger Schlag geprägt, denn solche Münzen waren damals die hier gängigste Münzsorte. Die Brennerstraße als wichtigste Verkehrsverbindung der oberdeutschen Handelsstädte mit Italien machte in der Kette der bereits bestehenden Münzstätten Augsburg am Nordende, Verona am Südende und Trient südlich des Brenners auch nördlich des Alpenüberganges eine vierte Münzstätte in Innsbruck erforderlich. Das Münzrecht der Bischöfe von Trient war schon 1182 von Friedrich Barbarossa bestätigt worden. Zwei Jahre vorher hatte auch das Bistum Brixen das Münzrecht erhalten, doch es ist ungewiß, ob die Bischöfe im Mittelalter je davon Gebrauch gemacht haben. Die Bischöfe von T r i e n t und B r i x e n verfügten über genügend Bergwerke, um den ursprünglich noch recht bescheidenen Bedarf an gemünztem Geld daraus zu befriedigen. Allerdings wurde dieser Bedarf an der Brennerstraße langsam immer stärker und stärker. Denn nicht umsonst hieß sie auch die „Kaiserstraße". Seit Otto I. im Jahre 951 zum ersten Male nach Italien zog, haben deutsche Herrscher in Verfolgung ihrer Italienpolitik immer wieder über diesen vielbegangenen Paß den Weg nach dem Süden angetreten. Als letzter hat Karl V. ihn überquert, als er 1530 von der Kaiserkrönung in Bologna nach Deutschland zurückkehrte. Aber um diese Zeit waren im Interesse des Imperiums schon längst keine Fahrten über die Alpen mehr nötig. An die Stelle der deutschen Kaiser und Könige war nun endgültig der oberdeutsche Kaufmann getreten. Schon 1202 werden zum ersten Male die Bozner Messen erwähnt,' die Stadt selbst wird erstmals 1070 « als Handelsplatz genannt: der Geldbedarf wuchs im gleichen Maße wie der Warenumsatz. Wenn auch vom Süden her, hauptsächlich von Verona, Münzgeld einströmte, so bestand auch an einheimischem kein Mangel, denn Silber war im Lande reichlich vorhanden. Nordöstlich von Trient liegt der Monte Calisio, der südwestliche Ausläufer des Lagorai-Gebirges, der „Möns argentarius" der alten Bergbauurkunden, einst die wichtigste Erzlagerstätte im südlichsten Tirol. Auf dem Turm neben dem Alten Rathaus von Trient kann man noch heute die Inschrift lesen: „montes argentum mihi dant nomenque Tridentum." Auch das alte Stadtsiegel zeigt diese Umschrift. So nimmt es nicht wunder, wenn hier im Tridentinischen die erste Bergordnung aufgezeichnet wurde, und zwar in Form einer Vereinbarung des Bischofs Albert I. vom 24. März 1185 mit den Gewerken. Dieses Statut ist aber zugleich auch die älteste Erwähnung des damals schon in vollem Gange befindlichen Bergbaues nördlich des Kalisberges (Möns Calisio) bei Pergine. Weitere wichtige Urkunden im Sinne bergrechtlicher Statuten stammen aus der Regierungszeit des Bischofs Friedrich von Wanga aus den Jahren 1208, 1213 und 1214; sie bilden in ihrer Gesamtheit das älteste alpenländische Bergrecht. 153

Wahrscheinlich hatten an diesem Südtiroler Bergsegen auch die Andechser und nach ihnen die Hirschberger ihren Anteil. 1281 war Meinhard II. von Tirol mit den Augsburger Lehen des verstorbenen letzten Grafen von Hirschberg, Gebhard VII., belehnt worden, wofür der Tiroler Graf 300 Mark Silber zu zahlen hatte. Abermals eine Bestätigung des Tiroler Silberreichtums. Mit dem Aussterben der Hirschberger aber wurde die Innsbrucker Münze überflüssig und daher aufgelassen. Nach mittelalterlichem Brauche wurde die neue, nunmehr mit Recht „tirolisch" zu nennende Münzstätte nahe dem Residenzschloße Tirol in der Stadt Meran an der Etsch eingerichtet. Der genaue Zeitpunkt ist jedoch unbekannt. Hier schlugen nun die Meinhardiner ihren Adlergroschen und nach diesen die „Zwainziger", so genannt, weil sie 20 Veroneser Bernern gleichkamen. Trient hat für seine verhältnismäßig geringen Prägungen sein eigenes Bergsilber verwenden können, die Andechser und Hirschberger haben sich ihr Silber wohl durch Kauf in Bozen oder anderswo beschafft. Nach Erschöpfung der Trienter Bergwerke war das tirolische Bergsilber rar geworden. Erst nach dem Aufblühen des Schwazer Kupferund Silberbergbaues zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab es wieder reichlich Silber im Lande. Infolge des Tiroler Silberreichtums war hier die anderwärts geübte Finanzmaßregel der periodischen Münzerneuerungen unbekannt, die z. B. in Wien alljährlich einen großen Teil des erforderlichen Münzsilbers aufbrachte. Damit blieb eine sonst überreichlich beanspruchte Silberquelle ungenützt, so daß die Meraner Münze vor allem auf Einlösung der aus der Fremde kommenden Edelmetalle in Münzen angewiesen war (690/VI). Dabei taucht die Frage auf, womit denn diese Einlösung bezahlt wurde? Reisende pflegten damals Rohsilber mit sich zu führen, um es nach Bedarf gegen ortsübliche Münzen einzuwechseln. Wir können dies z. B. aus den Reiserechnungen des Bischofs Wolfger von Passau 1202/03 erweisen; es war aber auch nach dem Zeugnis des hl. Thomas von Aquino noch 1267 in Deutschland Reichsbrauch. Diese Zuflüsse waren nicht beträchtlich, da Vergnügungsreisen dem Mittelalter fehlten und die Menge der Reisenden überhaupt nicht groß war. Der Ertrag konnte jedoch ergiebiger werden, wenn man die Kaufleute heranzog, die den Handel noch als Wandergewerbe betrieben und das Paßland Tirol sowohl von Deutschland aus als von Italien her betraten. Auf Nutzbarmachung des Handels zur Beförderung des Münzbetriebes war daher seit je die Aufmerksamkeit der Münzherren gerichtet (690/VI), wie z. B. der Freiheitsbrief Herzog Leopolds V. von Österreich vom Jahre 1192 für die Regensburger beweist. Um diese Zeit versuchten allgemeine Reichsverordnungen die Verwendung von Rohmetallen als Zahlungsmittel zugunsten der Münzherren einzuschränken. König Heinrich VII. gebot am 20. April 1231, daß an Marktplätzen, wo es Münzstätten gab, alle Käufe und Verkäufe mit Edelmetallen laut wiederholt ergangener Gesamturteile einzig den Münzern zustünden. Sein Vater, Kaiser Friedrich II., wiederholte dasselbe bald darauf in einem „aput Aquilegiam" erlassenen Gesetz. Zahlungen mit Barrensilber hörten damit keineswegs auf. „Sogar im Marktverkehr, für welchen diese Gesetze ausdrücklich ergingen, ließen sie sich nicht ganz durchführen, um so weniger bei Darlehen, Rechtsgeschäften über Grund und Boden und dgl. Es läßt sich darum die Barrenwährung neben Zahlungen in Münze in Deutschland das ganze 13. Jahrhundert hinein als üblich nachweisen, sie hörte hier erst auf, als nach dem Jahre 1301 dem Großverkehr bequeme Münzgrößen: Turnosen, Prager und Meissener Groschen und später die Goldgulden in hinlänglicher Menge zu Gebote standen" (690/VI). Es scheint auf den ersten Blick kaum glaubhaft, daß der Kaufmann, der über den 154

Brenner zog, trotz der ihm auferlegten Lasten und Beschränkungen, die den Ertrag der landesfürstlichen Regalien sichern sollten, doch noch den Mut fand, sein Geschäft weiter zu betreiben. Nur ein Beispiel: Im Fondaco dei Tedeschi zu Venedig mußte der deutsche Kaufmann, der anderswo überhaupt nicht absteigen durfte, zunächst hohe Einfuhrzölle für die mitgebrachten Waren entrichten. Bei seiner Abreise aber mußte er seinen Barerlös in Venedig in andere Waren umsetzen und für diese auch noch hohe Ausfuhrzölle bezahlen. „So zog also die Republik vom deutschen Kaufmann doppelten Gewinn und behielt überdies das Edelmetall im Lande" (690/VI), eine der vielen, oft üblen Maßnahmen, die die Serenissima anwandte, um das im Land fehlende Edelmetall für ihre Zecca zu beschaffen. Auf dem Rückweg nach Oberdeutschland erging es den Kauf leuten kaum besser. Denn die Grafen von Tirol schlugen ebenfalls einen eigenartigen Weg ein, um den durch das Land ziehenden Händlern, die schon für jedes Öffnen der zahlreichen Mautschranken ansehnliche Gebühren leisten mußten, überdies auch noch einen bestimmten Teil des Silbers, das sie gemünzt oder in Barren mit sich führten, abzunehmen und der Münzstätte zuzuführen. Es war dies die sogenannte „Silberstange", die zwischen 1300 und 1400 erwähnt wird. „Das Wesen dieser Verpflichtung bestand darin, daß die Kaufleute zur Versorgung der Meraner Münze von der Ausfuhr gewisser Südtiroler Waren eine bestimmte Menge Silber gegen Vergütung abzuliefern hatten. Dürfen wir die in den Münzpachtverträgen von 1306—1361 darüber verstreut vorkommenden Andeutungen zusammenfassen, so mußte der landfremde Kaufmann der Meraner Münzstätte für jedes Fuder Wein oder jede Saumlast Öl, die er ausführen wollte, zwei Mark Silber Trienter Gewichts, der Inländer aber die Hälfte dessen zur Einlösung überlassen. Die Münze übernahm das Edelmetall nach dem festen Ansatz von 131/, Pfund Bemer (Berner = Veroneser) für die lötige Gewichtsmark. Konnten sich beide Teile über die Bewertung des angebotenen Silbers nicht einigen, so wurde es durch den geschworenen Versucher (Wardein) lötig gebrannt und sohin nach obigem Satze ausgezahlt. Aber die deutschen Kaufleute dürften trotz aller Zölle und sonstigen Belastungen beiderseits der Grenzen mit ihren Waren in der Heimat einen respektablen Gewinn erzielt haben. Diese Zwangsleistung der Kaufleute, die neben der Entrichtung der allgemeinen Zollgebühren gefordert wurde, gab nun der Meraner Münze die Mittel zu reichlichen Ausprägungen unter Graf Meinhard II. und seinen Söhnen. Nun waren zwar ärmere Landleute, die nur ihren Haustrunk auf 6 bis 8 Rossen beförderten, von Leistung der Silberstange frei und durften vom Münzerknecht in Bozen nicht weiter belästigt werden. Dagegen wurden die Kaufleute um so strenger herangezogen. Selbst der im Mittelalter sonst sehr gangbare Weg persönlicher Befreiung durch Erwirkung landesfürstlicher Gunstbriefe wurde ihnen von den Münzpächtern nach Möglichkeit verrammelt" (690/VI). Die Tiroler Grafen haben übrigens noch einen weiteren interessanten Beitrag zur Geschichte der Edelmetalle geliefert. Meinhard II. und seine Söhne haben nämlich beträchtliche Goldgeschäfte getätigt, die ihnen den für mittelalterliche Begriffe höchst ansehnlichen Gewinn von wenigstens 400 Mark Berner für 171 Mark Goldes Trienter Gewichts zu rund 254,7 g einbrachten. „Gekauft wurde das Gold gewöhnlich von deutschen Kauf leuten, welchen es wohl auf ihre Schuldigkeit zur Entrichtung der Silberstange angerechnet wurde. Meist waren es kleinere Posten, die immerhin bis zu 200 und mehr Mark ergaben, für welche die Kammer ein paar tausend Mark bereithalten mußte" (698). Was nun die Verwertung des in Deutschland angekauften Goldes in Italien anbelangt, so beruhte das ganze Geschäft auf dem ungeheuren Goldhunger, der bei dem enormen Goldbedarf der großen Handelsstädte, insbesondere Florenz' und Venedigs, für ihre 155

Fiorini und Zechini ohne weiteres erklärlich ist. Verkauft wurde das in Tirol erworbene Gold hauptsächlich an die bekannte florentinische Handelsgesellschaft der Frescobaldi oder nach Venedig direkt an die Zecca, die Münzstätte. Nutzbringend wurde diese Transaktion vor allem dadurch, daß Deutschland noch an seiner alten Silberwährung festhielt, aber auch durch den Umstand, daß Deutschland infolgedessen von der Goldhausse auf dem Weltmarkte noch längere Zeit unberührt blieb, während die hierzulande gleichgebliebene Preisrelation zwischen den beiden Metallen durch diesen Goldbedarf von 1: 8 im Lauf der Jahrzehnte bis etwa 1315 auf 1:14 (und sogar noch höher) stieg. Trotz dieser erfolgreichen Goldspekulationen begann jedoch für die Meraner Münze eine Zeit des Abstiegs, ja des Verfalls. Dies war eine der Ursachen, weshalb sie 1477 nach Hall im Inntale verlegt wurde. Ausschlaggebend war hierfür allerdings das rapide Aufblühen des Schwazer Bergsegens, „dem die Münzstätte örtlich möglichst nahegerückt werden sollte. Diese Ansicht ist insofern zweifellos richtig, als der Transport größerer Silbermengen über den Brenner und den Jaufen nach Meran und ebenso der Rücktransport des gemünzten Metalls zur landesfürstlichen Kammer in Innsbruck sowie an andere Nordtiroler Ämter, insbesondere an das Haller Salzamt, namentlich im Winter mit großen Schwierigkeiten verbunden war" (758). Dazu kam noch, daß der damalige Landesfürst, Erzherzog Sigmund, ein Verschwender war, der sich überdies in den Händen raffgieriger Intriganten befand, die unter dem Namen „die bösen Räte Erzherzog Sigismunds" in die Geschichte eingegangen sind. Alles dies erforderte naturgemäß einen besonders hohen Aufwand und infolgedessen einen ungleich größeren Umfang der Ausprägung gegenüber den früheren Zeiten. Diese gesteigerten Ansprüche waren mit den viel bescheideneren Erträgnissen der Südtiroler Bergwerke im Vintschgau, Nonstal und Primör nicht zu befriedigen; „schon für die Lieferung der Gossensasser Ausbeute bildete der Jaufenpaß das gleiche Hindernis wie für das Schwazer Silber. Zu diesen Schwierigkeiten kam jedoch seit dem Anfang der siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts als letzter und entscheidender Beweggrund die vom Osten durch das Pustertal drohende Türkengefahr. Bei einem Türkeneinfall konnten tatsächlich die in der Meraner Münze liegenden Metallschätze auf nicht absehbare Zeit von Nordtirol abgeschnitten werden; es handelte sich dann nicht nur um diese selbst, sondern auch um die ganze Einrichtung der Münzstätte. Daneben mögen auch die gespannten Beziehungen Sigmunds zu den Eidgenossen, von denen ein Einbruch durch das Vinschgau her drohen konnte, mit Veranlassung gewesen sein" (758), daß die Ausmünzung zu Hall am 11. Dezember 1477 aufgenommen wurde. Im heutigen Vorarlberg übten die Grafen von Montfort und Tettnang das Münzrecht aus; sie entfalteten im Land selbst, wie auch in Langenargen am Bodensee bis zu ihrem Aussterben (1787) eine reiche, auf Gewinn bedachte Prägetätigkeit in Silber und Gold. Da Vorarlberg außer dem erst im 14. Jahrhundert im Montfortischen bezeugten Silberbergbau keine Silbergruben betrieb, dürfte ein beträchtlicher Teil seiner Münzen aus angekauftem Metall bestanden haben. 7. Die Vorlande Neben Österreich und der Steiermark besaßen die Habsburger auch in Schwaben zu beiden Seiten des Oberrheins ausgedehnte Gebiete, die teils Reichs- oder Kirchenlehen, teils auch Eigengüter waren. „Die Landgrafschaft Oberelsaß, die Grafenrechte im Aargau, Zürichgau und Thurgau, also von der Aar bis zum Boden- und Wallenstädter156

see, vom Rhein bis an die Südgrenze von Unterwaiden und Schwyz, die Vogtei und das Kloster Säckingen, namentlich das diesem gehörige Tal Glarus, und über die zahlreichen Herrschaften des elsässischen Klosters Murbach in der heutigen Schweiz, dann am rechten Rheinufer Güter im Breisgau und im Schwarzwald hatte Rudolf schon bei seiner Thronbesteigung in Besitz. Später kauften teils er, teils seine Söhne von der jüngeren habsburgisch-laufenburgischen Linie Freiburg im Üchtland (1277), vom Kloster Murbach die Stadt Luzern (1291), dann mehrere Städte und Herrschaften im südlichen Schwaben, besonders an der oberen Donau, wo 1301 auch die Markgrafschaft Burgau erworben wurde. Die Verbindung zwischen der östlichen und westlichen Ländergruppe wurde durch die Erwerbung Kärntens und Tirols erleichtert" (445). Im Jahre 1311 wurde von den Herzogen von Österreich und der Stadt Basel eine Münzkonvention beschlossen, an deren Stelle 1387 eine neue tratt, die jedoch ein viel größeres Gebiet und nicht weniger als 70 Teilnehmer umspannte. Jetzt wurde auch eine gemeinsame Pfennigmünze festgesetzt, die aber auf die Dauer infolge politischer Gegensätze nicht haltbar war, weshalb zur Aufrechterhaltung einer guten Silberwährung von der Mehrzahl der früheren Vertragspartner 1403 der kleinere „Rappenmünzbund" gegründet wurde, zu dem der Ritter Friedrich von Hadstatt, Landvogt Herzog Leopolds IV. von Österreich-Tirol im Elsaß, Breisgau und Sundgau sowie die Städte Basel, Freiburg und Breisach gehörten. Dieser neue Bund sollte das ganze Gebiet der Landvogtei und der vier Städte umfassen. Man wollte jährlich mindestens 2800 Mark Silber ausprägen, und zwar in kleinen Pfennigen und in den sogenannten Rappen; die Form dieser neuen Münzen war einheitlich vorgeschrieben. Der Bund, dessen verschiedene Peripetien hier nicht aufgezeigt werden können, hielt sich bis zum Jahre 1584, in welchem er durch Erzherzog Ferdinand II. von Tirol aufgelöst wurde, der den Mitgliedern des Bundes den Silberkauf endgültig aufkündigte. Die Silbergruben, aus deren Erträgnissen der Bund seine Münzen bisher geprägt hatte, befanden sich nämlich um diese Zeit hauptsächlich in den Händen des Erzherzogs, der nunmehr für die Landgrafschaft Oberelsaß in Ensisheim, wo sich auch der Sitz der vorderösterreichischen Regierung befand, eine neue Münzstätte errichtet, die bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1632 tätig war. Der Rappenmünzbund hatte sein Silber aus folgenden Bergwerken bezogen: „Am wichtigsten waren vor allem im 16. Jahrhundert die Bergwerke des Lebertales bei Markirch. In dem engen Seitentale von Deutsch-Rumbach, das sich bei Leberau mit dem Lebertale vereinigt, hatten im 9. Jahrhundert die Mönche des Klosters Eckerich Silberminen entdeckt. Die Edlen von Eckerich waren damit belehnt worden, doch hatte man die Gruben am Ende des 13. Jahrhunderts infolge Einströmens von Wasser verlassen. Erst im 15. Jahrhundert wurden dieselben durch die Herren von Rappoltstein und auf Rechnung der Genossenschaft der Rappenmünze wieder in Betrieb genommen und der Gewinn zwischen der österreichischen Regierung und den Herren von Rappoltstein geteilt." „Weiter südlich waren die Gruben von Masmünster im Tale der Doller am bedeutsamsten. Dieselben spielen besonders im 15. Jahrhundert in der Geschichte des Rappenmünzbundes eine Rolle. Auf dem Gebiete der Frauenabtei Masmünster gelegen, wurde sie von den Erzherzogen von Österreich als Vögten dieses Klosters in Betrieb genommen. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts sank ihre Ausbeute und wurde weit überholt durch den Hüttenbau in dem nahen Rosenfelser Tal bei Giromagny und durch die Bergwerke von Asseln (Auxelles). Auch auf diese Gruben legten die Erzherzoge von Österreich als Landgrafen des Sundgaus ihre Hand, und da sie Mitglieder der Genossenschaft der Rappenmünze waren, erstreckte sich deren Silberbann auch auf die Täler des westlichen Vogesen157

abhanges. Ja sogar noch weiter nach Welschland hinein dehnte sich derselbe aus, auf die Minen von Planchier im Tale des Rahin, wo die Äbte von Murbach Silber schmelzen ließen und es bis zur Eröffnung ihrer eigenen Münze in Geweiler (1544) in die Prägestätten des Bundes abführten. Wenn auch der Wasgau die hauptsächlichste EdelmetallBezugsquelle für die Genossenschaft bildete, so kam doch auch der Silberbergbau, der im südlichen Teile des Schwarzwaldes betrieben wurde, für dieselbe in Betracht, zumal in Zeiten, in denen man aus verschiedenen Gründen an der Ausbeute jener anderen Gruben nicht teilhatte. Da mußten oft jahrelang die Silber aus dem Schwarzwalde den ganzen Bedarf des Bundes decken. In der Nähe von Freiburg im Zastlertal, dem waldreichen Seitentale der Dreisam, wurden bei dem Orte Oberried Silberminen entdeckt, und die vorderösterreichische Regierung setzte hier zu Anfang des 16. Jahrhunderts ihren Bergrichter ein, der das ergrabene Silber in das Kaufhaus zu Freiburg zu liefern hatte" (102). Dieses Silber wurde in den Stadtrechnungen häufig auch als „Silber aus dem Schauwinsland" angeführt. Die bedeutendsten und ältesten Gruben aber im südlichen Schwarzwalde waren die von Todtnau im oberen Wiesental am Südabhange des Feldberges. Mit der Landgrafschaft im Breisgau kamen dieselben dann zu Österreich, unter dessen Herrschaft sie später dem Silberbanne des Rappenmünzbundes unterworfen waren. Wir sind also über die Silberbelieferung des Rappenmünzbundes außergewöhnlich gut unterrichtet, aber zugleich auch über seine Silbernöte. Angesichts der vielen reichen Gruben, die — auf dem Papier wenigstens — dem Bunde zur Verfügung standen, scheint dies im ersten Augenblicke wohl etwas merkwürdig, aber bei den damaligen monetären und bergbaulichen Verhältnissen darf uns das nicht wundernehmen. Denn das schon erwähnte Steigen des Goldpreises und das unausgesetzte Einströmen fremder minderwertiger Silbermünzen trieb in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts auch den Rappenmünzbund in eine schwere Krise, die für viele Jahre eine bedeutende wirtschaftliche Schädigung des ganzen Rheinlandes herbeiführte. Auch die gänzliche Verrufung der fremden Silbermünzen verfehlte angesichts der bereits eingesickerten großen Mengen ihren Zweck. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts mußte das Münzmetall dann zum überwiegenden Teile bereits im Handel eingekauft werden, da die Gruben des Lebertales und der Südvogesen, die damals von Österreich und den Rappoltsteinern eben erst wieder in Betrieb genommen worden waren, für die Silberlieferung an die verbündeten Städte nur wenig in Betracht kamen. Nach dem Bundestage in Neuenburg 1507 aber wurde zum ersten Male der ganze Edelmetallbedarf für die auf dieser Tagung beschlossene Neuprägung aus den einheimischen Bergwerken zu Masmünster, Plantschier, Todtnau usw. gedeckt. Dies war um so leichter möglich, als der Grubenbetrieb in den Südvogesen von dieser Zeit an stetig zunahm. Die Selbstauflösung des Bundes, der wohl als das Musterbild einer Genossenschaft auf monetärer Basis genannt werden kann, erfolgte am 11. September 1584 zu Kolmar. Der flammende Protest der Mitglieder gegen das eigenmächtige Vorgehen des Tiroler Erzherzogs verhallte ungehört. Damit endete eine Vereinigung, die das Wirtschaftsleben des oberen Rheintals durch zwei Jahrhunderte entscheidend beeinflußt hatte.

158

B. Die böhmische Ländergruppe

1. Böhmen Von den Ländern der Donaumonarchie hat Böhmen als erstes eigene Münzen geprägt, und zwar wahrscheinlich schon unter der Regierung Herzog Wenzels I. des Heiligen (928—935). Seither gab es keine Unterbrechung der Münzung. Gewöhnlich knüpfte ein neuer Typus an den vorangehenden an, so daß sich schon daraus eine Kontinuität ergibt. Die Münzfunde aber zeigen, daß bereits im 10. und 11. Jahrhundert im Lande auffallend große Mengen geprägten Geldes umliefen. SKALSK? hat bei der Bearbeitung des Fundes von Altbunzlau bei Brandeis a. d. Elbe errechnen können, daß z. B. aus der Prager Münzstätte in den beiden letzten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts an die 400.000 Denare ausgegangen sind, die auffallenderweise den Münzschlag des angelsächsischen Königs Ethelred II. (978—1016) nachahmten. Die eben erwähnte Prägezahl und der Typus weisen nicht nur darauf hin, daß in dieser Frühzeit der Bedarf Böhmens an geprägtem Gelde schon sehr groß gewesen sein muß, sondern sie werfen auch die Frage auf, woher die Prager Münzstätte das für diese Massenprägung erforderliche Silber bezogen haben könnte. Denn ungefähr um dieselbe Zeit hatte der Jude Ibrahim ibn Jakub, der als Mitglied einer Gesandtschaft aus dem arabischen Spanien 973 nach Merseburg an den Hof Ottos I. gereist war, unterwegs auch Böhmen besucht und darüber unter anderem berichtet, daß damals in Prag ganz dünne Tüchlein aus Leinen angefertigt wurden, „die bei den Slawen den Wert von Vio Pfennig hatten und im Handel als Zahlungsmittel gang und gäbe waren, von denen manche ganze Kisten voll besaßen". Neben diesen „Tüchlein" aber gab es — selbst wenn man den Prägebeginn unter Wenzel I. noch als ungewiß hinnimmt — auf alle Fälle unter BoleslavI. (936—967) und ebenso unter dessen Nachfolger BoleslavII. (967—999), in dessen Regierungszeit ja der Besuch Ibrahims fällt, schon zweifellos im eigenen Lande geprägte Silberdenare, neben denen aber auch noch Regensburger umliefen, die sich den böhmischen Raum vor dem Beginn der Eigenprägung erobert hatten. Woher stammte also das Silber dieser ersten böhmischen Denare? Eine im Jahre 1712 erschienene topographische Schilderung des Königreichs nannte Böhmen unter anderem einen „Kasten des Reichtumes", welche Bezeichnung sich auf „die Menge und Mannigfaltigkeit der nutzbaren Mineralien gründet, mit welchen das Land von der Natur gesegnet ist. Ringsum von Urgebirgen umgeben, welche als Böhmerwald und Erzgebirge, Riesengebirge und böhmisch-mährisches Hochplateau mit ihren höchsten Kämmen fast durchgehends die Landesgrenze und zumeist die europäische Wasserscheide bilden, stellt sich Böhmen als ein großartiges Urgebirgs-Becken dar, in welchem durch alle geologischen Zeitalter die mannigfachsten Gesteinsbildungen vor sich gegangen sind". Der Bergbau auf Edelmetalle geht zum Teil noch in prähistorische Zeiten zurück; seine größte Aktivität entfaltete er jedoch während des Mittelalters im 13. und 14. Jahrhundert. Hussiten und Dreißigjähriger Krieg haben ihn dann empfindlich geschädigt. Erst nach zwei Jahrhunderten begann er sich wieder zu erholen. Vom einstigen Goldreichtum Böhmens zeugten noch in der jüngsten Zeit umfangreiche Überreste alter Goldwäschereien, insbesondere an den Zuflüssen der gold- und perlenreichen Wotawa sowie an jenen der Sazava und der Luznitz entstanden ausgedehnte Goldanschwemmungen, die später durch die Kelten mittels eines einfachen Waschprozesses ausgebeutet wurden. An mehreren Orten des Landes aber wurde Gold auch in seinen primären Lagerstätten gefunden, obgleich selbst hier die Goldwäscherei vor159

angegangen war. So verdankt die altberühmte Goldbergstadt Eule (Jilov), südlich von Prag an der Sazava gelegen, ihren Namen der alten Goldwäscherei (jilovati = Gold waschen). Der bergmännische Abbau soll hier bis zu den Hussitenkriegen geradezu fabelhaft gewesen sein. Wahrscheinlich wurden auch die böhmischen Goldgulden und die der luxemburgischen Dynastie aus Euler Metall geschlagen. Die zweite alte Goldstadt war Bergreichenstein (Kasperske Hory) in den Vorbergen des Böhmerwaldes östlich von Eisenstein und Arber. Auch hier war der Bergbau bis zum 16. Jahrhundert sehr ergiebig, kam aber dann durch den Großen Krieg zum Erliegen. Auch die Bergstadt Knin am Südhang des Brdy-Waldes nordöstlich von Pribram hatte Gold gefördert. Die böhmische Silberproduktion ließ indessen die des Goldes weit hinter sich. Sie war eine der reichsten der ganzen alten Welt. Von den böhmischen Urgebirgen erweist sich als silberführend zunächst das böhmisch-mährische Hochplateau, also der südöstliche Teil des Landes, in einem ganzen Zug von Iglau bis Kuttenberg und auf einigen südlichen Punkten; dann das auch an sonstigen Erzen überaus reiche Erzgebirge; außerdem partizipiert an dem böhmischen Silberreichtum das böhmische Silur in seinen untersten Schichten im Bereich des eben genannten Brdy-Waldes in der alten Bergstadt Pribram. Der älteste Silberbergbau ist jedoch wohl jener von Mies (westlich von Pilsen, an der Bahn nach Eger), 1188 schon genannt. Der Ort hieß auf tschechisch geradezu Stribro = Silber. Auf ihn folgt Iglau (Jihlava) in Mähren (seit 1249) mit seinen auf böhmischem Gebiet liegenden Bergwerken; dann Deutsch-Brod (seit 1257) und endlich als bedeutendste Münz- und Bergstadt Kuttenberg (Kutnä Hora). Ihr Name geht auf die Sage zurück, daß die Silbererze hier zufällig um die Mitte des 13 Jahrhunderts durch einen Mönch aus dem nahen Kloster Sedlec entdeckt worden seien. Zur Zeit Przemysl Ottokars II. (f 1278) wurde auf dem Kuttenberge schon lebhaft Silberbergbau betrieben. König Wenzel II., der 1300 der Stadt eine auf Iglauer Recht beruhende Bergwerksordnung gab, richtete hier auch eine Münzstätte ein, in die er Münzpersonal aus Florenz berief. Hier wurden die ersten „Prager Groschen" genannten Pfennigvielfachen nach dem Vorbild der französischen Turnosen geschlagen. Die großen zur Verfügung stehenden Mengen böhmischen Bergsilbers, zumal aus Kuttenberg, ermöglichten dieser neuen Münzsorte alsbald auch Polen und den größten Teil des Deutschen Reiches zu erobern, ohne daß dieser Silberexport dem böhmischen Münzwesen durch Metallentzug Schwierigkeiten bereitet hätte. Die außerordentliche Bedeutung Kuttenbergs als Berg- und Münzstadt erhellt nicht zuletzt auch aus ihrer Barbarakirche mit dem berühmten gotischen Chor und nicht minder durch ihre Fresken mit bergmännischer Ikonographie sowie durch die Miniaturen des „Kuttenberger Kanzionais" und eines zweiten Kodex in der Wiener Nationalbibliothek; beides, Kanzional wie Kodex, verewigen nicht nur den Bergmann, sondern auch den Münzer. In der „Münzerkapelle" des herrlichen Domes sind die verschiedenen Verrichtungen des Münzprägers dargestellt, die gemeinsam mit den illuminierten Initialen des Kanzionais eine anschauliche Vorstellung des mittelalterlichen Prägeverfahrens vermitteln. Daß der Kuttenberger „Gemeinde der Münzer und Präger" eine eigene Kapelle der Barbara-Kirche vorbehalten war, zeigt wohl die münzgeschichtliche Bedeutung ebenso deutlich und eindringlich wie die Fresken der Haspler- und Bergmannskapelle die bergbauliche. Die höchste Blüte des Kuttenberger Bergbaus und Münzwesens fällt in das 14. Jahrhundert, das Zeitalter der kunst- und prachtliebenden Herrscher aus dem Hause Luxemburg, von denen einer, Karl IV., auch als deutscher Kaiser überragende Bedeutung 160

erlangte. Kuttenberg, das den Ehrentitel „Kleinod des Königtums" trug, galt in dieser Epoche förmlich als die zweite Hauptstadt Böhmens. In der Bergwerksordnung Wenzels II. von 1300 wurde das Silberbergwerk als ein „den Königen von Böhmen vom Anbeginn der Welt durch Gottes Fügung vorbehaltenes Geschenk" gepriesen. Der Wohlstand der Stadt und der meist aus Deutschland zugewanderten Bergleute — sie und die Münzer waren im Mittelalter viel auf Wanderschaft — hatte dann zu Beginn des 15. Jahrhunderts Neid und Haß der Hussiten erweckt. Als sich diese der Stadt bemächtigten, fanden viele angesehene Bergleute den Tod oder sie wurden, falls sie nicht zum Hussitismus konvertieren wollten, zur Auswanderung gezwungen, was natürlich der herrschenden Blüte des Bergbaues ein jähes Ende setzte. Allerdings war der Abbau um diese Zeit bereits in ansehnliche Tiefen vorgedrungen, die infolge der damaligen technischen Schwierigkeiten nur sehr schwer und nur mit hohen Unkosten zu bewältigen waren. Graf Kaspar STERNBERG, dem wir eine Geschichte des böhmischen Bergbaues verdanken, berechnete für die Jahre 1240 bis 1620 die Gesamtproduktion Kuttenbergs an Silber auf mehr als 8 Millionen Gewichtsmark; es entfielen daher auf ein Jahr durchschnittlich mehr als 21.000 Mark. Nun werde aber im 16. Jahrhundert infolge Rückgangs der Produktion nur mehr ein Jahresdurchschnitt von 13.000 Mark erzielt. Demgemäß müßte also die Produktion in der Blütezeit weit mehr als die erwähnten 21.000 Mark (d. i. rund 5000 kg) im Jahre betragen haben. Zur Zeit der Luxemburger befand sich die Goldmünzstätte in der Hauptstadt Prag und prägte ausschließlich Goldgulden. Nur in der Hussitenzeit wurden hier und auch in Kuttenberg die berüchtigten Silberheller mit dem böhmischen Löwen in riesigen Mengen als richtiges Inflationsgeld geprägt. Über der Geschichte des ältesten Pfibramer Bergbaues schwebt undurchdringliches Dunkel. Wenn aber der Chronist Häjek von Libocan der Fürstin Libussa eine glänzende Prophezeiung über den Reichtum des „Birkenberges" unter dem Berge „Trebusna" in den Mund legt, so ist diese Sage zu einem bescheidenen Teile Wirklichkeit geworden. Über den Bergbau besitzen wir jedoch erst aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts sichere Kunde. Nach dem ältesten noch existierenden Bergbuch bestanden vor dem Jahre 1527 bereits 33 Grubenbaue (Zechen). Nach einer Münzamtsrechnung aus den Jahren 1536-1538 wurde die Silberabfuhr jährlich noch mit 1400 Mark angenommen, aber von 1553 bis 1566 sank die Silberproduktion von jährlich 600 kg allmählich bis zum Nullpunkt. Um das Bergwerk vor dem gänzlichen Erliegen zu bewahren, erhielt die Stadt Pribram 1579 von Kaiser Rudolf II. ein umfassendes Privileg. Der Bergbau wurde von der Stadtgemeinde übernommen, erzielte aber trotz aller Begünstigungen nur geringe Erfolge, bis endlich 1779 der Adalbertschacht als erster Hauptschacht angelegt wurde. Da am Birkenberge der Adel erst in größerer Tiefe begann, konnte der Bergbau dank planmäßiger und fachmännisch richtig geleiteter Arbeit dann nach fast einem Jahrhundert, 1870, glänzende Erfolge aufweisen. Die „Mutter der böhmischen Bergstädte", Joachimstal, die gleich einer Reihe anderer Bergwerke erst im 16. Jahrhundert, also erst in der Neuzeit für den Münzbetrieb von wesentlicher Bedeutung wurde, soll weiter unten ausführlich behandelt werden. Der in diesem Abschnitt wiederholt angeführte Produktionsrückgang in gewissen böhmischen Bergbaugebieten dürfte, auch mit der zunehmenden Verschlechterung des Feingehaltes der Prager Groschen und anderer Silbernominale in Zusammenhang stehen. Seinen Höhepunkt erreichte dieser Rückgang nach dem Tode Karls IV. unter seinem unwürdigen Sohne Wenzel IV. (1378—1419). Das gewonnene Silber mußte in Böhmen 161

in der landesherrlichen Münze eingelöst werden. Dies war auch in anderen Ländern, z. B. im benachbarten Sachsen Brauch, und so kam es, daß der außerordentlich hohe finanzielle Nutzen, den die Landesfürsten, hier also die böhmischen Könige, aus dem Bergregal zogen, zu Lasten der Bergbautreibenden ging, die infolge des niedrigen Einlösetarifs ihre Kosten nicht mehr decken konnten. Dazu kam, daß viele Bergbaue schon eine derartige Tiefe erreicht hatten, daß sich der Betrieb angesichts des schlechten Silberpreises nicht mehr lohnte, weil die zunehmende Tiefe des Abbaues die Betriebskosten beträchtlich steigerte. Wohl versuchte man durch vorübergehende Einschränkung des Silbereinlösungsrechtes der Krone dem notleidenden Bergbau aufzuhelfen, aber in vielen Fällen kam diese Hilfe schon zu spät. Die Wiederaufnahme des Abbaues hätte unerschwingliche Kosten verursacht. Im übrigen ist anzunehmen, daß auf seiten der Gewerken immer eine gewisse Unzufriedenheit mit der Monopolisierung des Silberkaufes durch die Münze bestanden hat. Ob nicht die Kuttenberger Gewerken an die Vorteile eines freien Edelmetallhandels dachten, als sie zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Entmachtung des Königs und seiner adligen Anhänger betrieben, damit „omne minerae proventus eo liberius, quo lucriosus quasi hereditate perpetua" ihnen zustände? 2. Mähren Die hart an der böhmischen Grenze gelegene zweitgrößte Stadt Mährens, Iglau, erlangte in der Geschichte des deutschen Bergbaues durch das für sie geschaffene Bergrecht eine besondere und beispielgebende Stellung. Aus dem der Stadt wahrscheinlich 1229 durch König Wenzel und Przemysl Ottokar II. verliehenen Privilegium erwuchs ein autonom ausgestaltetes Recht, das in mehreren Fassungen vorliegt und die Grundlage der Stadtrechte von Deutsch-Brod, Brünn, Prag und Schemnitz in Ungarn bildete. Von der Tätigkeit Iglaus als „Oberhof" gingen die vielen Schöffensprüche aus, die sich erhalten haben. Auch die ,Constitutiones juris metallici' König Wenzels II. vom Jahre 1300 wurden für die Silbergruben von Kuttenberg mit Benützung des Iglauer Rechtes, wahrscheinlich durch Gozzius von Orvieto ausgearbeitet. In Iglau betrieben schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts deutsche Knappen Bergbau und entwickelten dort ein reiches städtisches Leben, von dem uns die Handveste von 1249 Kunde gibt. Diese Iglauer Bergordnung galt als „Magna Charta" des Bergrechts. Das Land Mähren hatte schon zur Zeit der Przemysliden gemünzt, und zwar wie überall im Hochmittelalter Silberdenare. Münzherren waren die böhmischen Teilfürsten, das heißt die Häupter der Seitenlinien des Herrscherhauses, wie Spytihnew II., der erstgeborene Sohn Bfetislav I. (1037-1055), der zuerst Teilfürst von Mähren und des Saazergaues war, bis er nach dem Tode seines Vaters dessen Nachfolger als Herzog von Böhmen wurde. Brünn, Znaim und Olmütz waren seine Münzstätten in Mähren. Im 15. Jahrhundert, der Hussitenzeit, haben dann die genannten Städte sowie auch Iglau schlechte Silberpfennige schlagen müssen. Auch eigene Landesmünzen mit dem geschachtcn Adler gibt es. Aber zu einer intensiven Münzung ist es in Mähren weder im Mittelalter noch in späteren Jahrhunderten gekommen, obwohl das nötige Münzmaterial vorhanden gewesen wäre, sowohl um Iglau als auch in anderen Teilen des Landes. Aber das mährische Silber ging wohl hauptsächlich in die böhmischen Münzstätten.

162

3. Schlesien Wie im benachbarten Mähren galt auch der älteste schlesische Bergbau dem Abbau der Edelmetalle. Er kann bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden, doch dürften die Bergleute ihre „Tätigkeit mehr der Tagesoberfläche und den Alluvien als dem festen anstehenden Gesteine zugewendet haben" (581). Schlesien besaß schon 1233 ein eigenes Recht der Goldbergwerke, aber ein Recht der Silbergruben scheint es um diese Zeit noch nicht besessen zu haben. Die älteste Urkunde über Bergrecht hat erst 1258 Boleslaus II. zugunsten des Klosters Leubus ausgestellt. Zehn Jahre später belehren die Iglauer Bürger und königlichen urburarii den Abt von Leubus über das Iglauer Bergrecht; eine Urkunde der Herzoge Boleslav und Heinrich erklärt diese Belehrung als gültiges Recht. Am 8. Dezember 1273 verleiht dann Heinrich diesem Kloster volle Freiheit „super locis mineralibus et metallis cuiuscumque generis fuerunt" und alles Recht, „quod super talibus homines clarissimi avunculi nostri domini et serenissimi Boemorum regis habere dinoscuntur" (266). In Böhmen sind Münze und Bergwerk stets auf das engste miteinander verbunden gewesen, „indem der Münzer zugleich einer der höchsten Bergbeamten war. Es darf daher mit Fug angenommen werden, daß das ältere böhmische Bergwesen auch auf Schlesien eingewirkt hat". Leider sagen die erwähnten Urkunden nichts über die Lokalität der Bergwerke aus, zumal der fürchterliche Mongolensturm von 1241 gleichwie in Ungarn auch in Schlesien die Entwicklung des Landes um Jahrzehnte zurückwarf. Wir wissen nur, daß auch in Schlesien das Gold anfänglich durch Waschen aus Flußsand gewonnen wurde. Als Münzmetall kam es in größerem Ausmaße erst im 16. Jahrhundert in Gebrauch. Goldbergwerke befanden sich bei der Stadt Goldberg, die von ihnen auch den Namen hat; sie waren schon vor der Mongolenschlacht bei Liegnitz in Betrieb, standen dann eine Zeitlang still und wurden um 1260 wieder abgebaut. Da auch in Schlesien die „abjectio" oder „renovatio monetae" im Schwange war, wenngleich ohne Zwangsmaßnahmen, die etwa in Deutschland die Ablieferung vielfach durch Strafandrohung erzwangen, ist also auch aus dieser Quelle ein Silberzufluß an die Münzstätten erfolgt. Sicherlich aber wurde daneben Silber angekauft und vielleicht mit Waschgold bezahlt. Im übrigen kursierte im Lande Barrensilber, gewöhnlich in der Gestalt von Halbkugeln von einem bestimmten abgerundeten Gewicht und mit einem Zeichen oder Stempel versehen, an welchem der Kaufmann erkennen mochte, in welcher Münzstätte der Barren gegossen oder gewogen war. Es gab da Goslarisches, Freiberger, auch Breslauer Silber (auch „Silber Goslarischen usw. Brandes" genannt). Es ist demnach genug Silber im Lande gewesen, wo übrigens nicht nur mit Edelmetallen, sondern auch mit allerlei Gegenständen der Natur und der Industrie gehandelt wurde. Diese Barrenwährung aber läßt den Rückschluß zu, daß Schlesien nicht nur über genügend Edelmetalle verfügte, sondern daß mit ihnen auch ein schwunghafter Handel betrieben wurde, insbesondere nach der sogenannten Brakteatenzeit, also ungefähr seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, was mit der Abwehr der Mongolen zusammenfällt. Der Edelmetallhandel wurde verschieden gehandhabt. Während der Breslauer Rat 1339 anordnete, daß Gold und Goldgeld nicht gegen Kredit, sondern nur bar verkauft werden dürfe, um der Spekulation einen Riegel vorzuschieben, öffnete Herzog Ludwig von Liegnitz dieser in einer Urkunde vom Jahre 1346 Tür und Tor, indem er in seinem Herrschaftsgebiet den Edelmetallhandel nach Aufhebung gewisser im öffentlichen Interesse gelegenen Beschränkungen freigab. „Dieser Rechtszustand änderte sich später dahin, daß dem Münzer das ausschließliche Recht, Edelmetalle und außer Kurs gesetzte Münzen 163

einzukaufen, zuerkannt wurde, was sich aber selbst durch häufige Androhung hoher Strafen nicht aufrechterhalten ließ. Mit diesem Monopol der Münzstätte berührte sich aufs innigste der Wechsel, welcher länger noch als die Münze in den Händen der Fürsten geblieben, dann aber ebenfalls an die Städte übergegangen ist. Dieselben besorgten ihn entweder in der Münze selbst oder in eigenen Wechselstätten, die zuweilen im Rathause eingerichtet wurden" (266).

C. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn Der erste Träger der nach ihm benannten Krone, der heiliggesprochene erste König von Ungarn, der Arpade Stephan I. (1000—1038), ließ auch die ersten ungarischen Münzen prägen. Es waren Halbdenare nach Regensburger Schlag, die in Osteuropa bald zu einer vielbegehrten Handelsmünze wurden. Im Gegensatz zu Regensburg hatte Ungarn keine Sorgen wegen der Metallbeschaffung; im Gegenteil, es konnte von seinem Überflusse sogar an das bayrische Handelszentrum an der Donau und an Oberdeutschland reichlich abgeben. Ungarn besaß in seinem Karpatenbogen, der einem schützenden Ringwall gleicht und fast das ganze Reich umfing, reiche Edelmetallschätze; vor allem im Bereiche der sieben niederungarischen Bergstädte, dem Ungarischen Erzgebirge im Norden und weiter im Südosten im Siebenbürgischen Erzgebirge, das besonders an Gold reich war. Der Beginn des bergmännischen Abbaues ist in Dunkel gehüllt, doch darf man annehmen, daß er bereits bestand, als Stephan das Münzgeld einführte. Wenn auch dem Erzbischof von Gran als Primas des Landes ein bedeutender Einfluß auf die Münzprägung zustand, von der er bedeutende Einkünfte, das sogenannte „Piset", bezog und er deshalb an der unmittelbaren Überwachung des Münzwesens persönlich interessiert war, so wird daneben auch die Nähe der um den Mittellauf der Gran gruppierten niederungarischen Bergstädte nicht wenig dazu beigetragen haben, daß die erste ungarische Münzstätte aller Wahrscheinlichkeit nach in Gran etabliert wurde. Gegenüber dem hochragenden Bischofsitz am rechten, mündete am linken Donauufer der gleichnamige Fluß in die Donau, der sicherlich den Transport des Prägemetalls in diesen frühen Zeiten erleichtert haben mag. Der Metallexport nach dem Westen scheint sich übrigens auf das ungarische Münzwesen mit der Zeit doch ungünstig ausgewirkt zu haben. Aber nicht nur der konstante Silberabfluß nach dem Ausland trug daran schuld, daß nach dem Tode des ersten Königs eine progressive Geldentwertung einsetzte, sondern auch die Nachfolger Stephans. Sichtlich unter dem Einfluß ähnlicher Vorgänge im Westen, dessen Luxusbedürfnisse sie übernahmen, begannen sie besonders im 12. Jahrhundert Regalrechte zu finanziellen Operationen auszunützen und zu einer ergiebigen Einnahmsquelle auf Kosten der Güte ihrer Münzen zu entwickeln. Erst Béla III. (1173 — 1196) betrat wieder den Weg einer allmählichen Münzverbesserung, aber unter seinem Sohne Andreas II. (1205 —1235) begann ein neuer Abstieg. Die von ihm geprägten Silbermünzen waren ungefähr die Hälfte der im Lande in großen Mengen umlaufenden Friesacher wert. Durch Zwangsverrufungen und wiederholte Neuemissionen innerhalb eines Jahres verängstigt, weigerten sich die 164

Einwohner schließlich, das königliche Geld anzunehmen; sie hielten sich dafür auch weiterhin an die ausländischen Münzsorten und der im 12. Jahrhundert üblichen ungeprägten Silbervaluta der Barren. Der Mongolensturm des Jahres 1241 verwüstete zwar so ziemlich das ganze Land in unmenschlicher Weise, aber in Béla IV. (1235 —1270) fand es einen tatkräftigen Herrscher, der es nach dem Rückzug des Feindes verstand, Ungarn neu aufzubauen, nicht zuletzt durch Regelung des Geldwesens und Förderung des ebenso schwer darniederliegenden Bergwesens. Aber das von ihm Geschaffene machte sein ungezügelter Enkel Ladislaus IV. der Kumanier (1272 — 1290) wieder zunichte. Bald nach seiner Ermordung starb auch die Dynastie der Arpaden aus, an deren Stelle nun das Haus Anjou trat, dem Ungarn zwei sehr bedeutende Herrscher verdankte: Karl Robert und Ludwig den Großen. 1307 war Karl Robert als König anerkannt worden, aber es dauerte noch Jahre, bis er sich gegenüber einer aus thronlüsternen Oligarchen bestehenden Opposition endgültig durchsetzen konnte. Unter den Arpaden hatte es schließlich etwa zehn Münzstätten gegeben, hervorgerufen durch eine von der Größe des Territoriums notwendig gewordene Dezentralisation, die zwischen 1211 und 1221 einsetzte. In den Urkunden tauchen allmählich die Münzstätte der Csanäder Diözese (1221), dann die Kammer von Szerém (Sirmium, 1253), die Slawonische Kammer (1251) und schließlich die in Ofen (Buda) auf, die in einer Urkunde Bêlas IV. vom 25. Juli 1255 erstmalig erwähnt wird. Ofen, wohin auch die königliche Residenz verlegt wurde, hat sein Münzmaterial sicherlich wie bisher Gran aus dem niederungarischen Bergrevier erhalten, vielleicht auch Csanäd, wohin das Silber ja ein gutes Stück Weges auf dem Wasserwege donauabwärts hätte transportiert werden können. Slawonien und Syrmien dagegen haben ihr Metall entweder aus nicht näher benannten Silbergruben in ihrem Gebiete bezogen oder es angekauft. Auch das Siebenbürgische Erzgebirge käme für sie und auch für Csanäd in Frage. Der junge, tatkräftige Karl Robert, der aus seiner neapolitanischen Heimat nicht nur vortreffliche und fortschrittliche wirtschaftspolitische Ansichten, sondern auch Verständnis für Münz- und Bergwesen mitgebracht hatte, ging nach Niederringung der Oligarchen, die sich während des Interregnums wichtiger Teile des Landes, darunter auch der niederungarischen Bergstädte bemächtigt hatten, sofort an eine Neuordnung des Königreiches. Unter seiner zielbewußten Wirtschaftspolitik wurde Ungarn alsbald das reichste Goldland Europas und zugleich ein wichtiger Faktor innerhalb der europäischen Münzpolitik. Der ungarische Goldgulden, der in seiner ersten Emission das florentinische Vorbild mit der Lilie nachahmte, nationalisierte sich und erhielt sehr selbstbewußt das ungarische Wappen aufgeprägt. Er eroberte alsbald den böhmischen und mährischen Markt, obwohl bekanntlich Böhmen selbst Berggold produzierte und unter den Luxemburgern auch ausprägte. Um diese Stellung des ungarischen Goldguldens zu erringen und auch zu behaupten, wurde vor allem das schon erwähnte königliche Edelmetallmonopol geschaffen und mit aller Strenge durchgeführt. Angesichts der Goldarmut Deutschlands und auch Österreichs eroberte der ungarische Goldgulden um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Märkte Mitteleuropas und wußte sich während des ganzen Mittelalters als dessen bevorzugtes Zahlungsmittel zu behaupten. Das Ungarn Karl Roberts hatte daher als eines der reichsten Edelmetalländer der damaligen bekannten Welt an dem großen wirtschaftlichen Umbruch, der vom Ende des 12. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts währte, einen beträchtlichen Anteil. Wie sich diese Vorzugsstellung im Geldwesen und in der Geldpolitik auswirkte, soll in einem späteren Kapitel gezeigt werden. Hier sei nur so viel gesagt, daß nach verläßlichen Nachrichten in die drei Kammern 165

zu Kremnitz, Nagybänya und Hermannstadt (Nagyszeben) zu Ende des 15. Jahrhunderts jährlich an die 4877 Mark Gold eingingen. Dies zeigt, daß die ungarischen Bergwerke die europäische Wirtschaft jährlich mit 420.000 bis 450.000 Goldgulden versorgen konnten. Hermannstadt war gleich Nagybänya in Oberungarn ebenfalls Standort einer Kammer und einer Münzstätte. Beide besaßen in ihrem Wirkungsbereich ergiebige Edelmetallbergwerke. Die Existenz und das Münzwesen Nagybänyas, das ja so ziemlich an der Peripherie des Landes lag, war ausschließlich durch den Bergsegen bestimmt. „Die alten Bergorte Nagy- und Felsöbänya liegen am südlichsten Ende des Vihorlat-GutinGebirgszuges, der in genetischem Zusammenhang mit den Eruptivfeldern von Schemnitz steht. Die Erzgänge streichen in der Richtung von Norden nach Süden und sind in gewaltige Andesit- und Decitgesteinsmassen gelagert. Der Gold-Silber-Bergbau in Nagybänya reicht, wie lokale Inschriften beweisen, in die Antike zurück." Im späten Mittelalter scheint aber die Ausbeute wie in den niederungarischen Bergstädten auch in den beiden Orten, deren Namen durch das Wörtchen „bänya" = Bergwerk sogleich auf ihre besondere Tätigkeit hinweisen, zurückgegangen zu sein. Seit wann Nagybänya auch als Münzstätte fungierte, ist nicht sicher bekannt. Wir kennen nur die Namen einiger Kammergrafen, deren Reihe mit dem Jahre 1446 beginnt, so daß man den Anfang der Münzprägung wohl in diese Zeit setzen darf. Welche Münzsorten hier ausgeprägt wurden, wird sich erst sagen lassen, wenn die Münzzeichen aus der Reichs verweserschaft des Johannes Hunyadi (1446) angefangen bis zum Ende der Jagelionen (1526) geklärt sein werden. Da der ungarische Nationalheld und Türkensieger Hunyadi sein Amt im selben Jahre antritt, in dem der erste Kammergraf von Nagybanya erwähnt wird, wäre es gut denkbar, daß die Kammer vom Reichsverweser gegründet wurde.

2. Siebenbürgen Der wichtigste siebenbürgische Edelmetallbergbau befand sich in der Südwestecke des Landes im Siebenbürgischen Erzgebirge. Hier wurde sowohl bergmännisch abgebaut als auch noch weitgehend Goldwäscherei betrieben. Zahlreich sind in dieser Gegend die Namen von Gewässern, die mit der ungarischen Bezeichnung aranyos- (goldig) zusammengesetzt sind. Wenn wir von dem alten und sehr bedeutenden Silberort Rodna (Radna) in dem an die Bukowina angrenzenden Nösnergau (ehemals Komitat Bistritz-Naszöd) absehen, befand sich der Hauptschauplatz der siebenbürgischen Edelerz- und Metallgewinnung im südwestlichen Teil des Unteralbenser und im nordöstlichen des Hunyader Komitates; es bildete zwischen den Orten Groß-Halmagen, Offenburg und Broos ein Dreieck. Der Goldbergbau, dem gegenüber die sonstigen Goldschürfe und Goldwäschereien des Landes nur bedeutungslos sind, wurde in dieser Gegend schon von den Römern betrieben, die hier unter Kaiser Traian ihre Provinz Dacia eingerichtet hatten. Hauptort des Bergbaues war Alburnus maior (Verespatak), wo in den Gruben 25 wächserne Triptycha gefunden wurden. Es sind lauter privatrechtliche Urkunden, meist Kaufsund Verkaufsverträge aus der Zeit von 131 bis 167 n. Chr. Als Bergleute werden die illyrischen, um die Bucht von Cattaro (Kotor) ansässigen Pirusten erwähnt, die aus Dalmatien nach Dacien gekommen waren. Sitz der römischen Bergwerksdirektion war Ampelum (Zalatna), das mit dem Stadtrecht ausgestattet war. Der Direktor (procurator Augusti auriariorum) war zu Traians Zeit ein Freigelassener des Kaisers, später ein Mann von vornehmer Herkunft. 166

Bei Verespatak, Groß-Schlatten, Abrudbänya, Offenburg und Klein-Schlatten und noch an mehreren anderen Orten wurde und wird zum Teil auch heute noch mit großem Erfolg nach Gold geschürft. Neben dem Bergbau auf Edelmetalle, besonders auf Gold, wurde zur Römerzeit auch ein solcher auf Eisen und Salz betrieben. Wie reichlich hier in jenen frühen Zeiten Gold zur Verfügung stand, zeigt nicht nur der schon erwähnte Schatz von Szilägy-Somlyö, sondern auch andere Funde: So pflügte im Jahre 1868 ein Landmann bei Klein-Gredistve im Hatzeger Tal eine aus 14 zusammengebogenen Goldbarren bestehende Kette aus, welche das k. k. Antikenkabinett für 1800 Gulden einlöste. Allem Anschein nach war in Dacien weder Kupfer noch Silber vorhanden, zum mindesten nicht in den von den Römern betriebenen Bergwerken. Dieser Umstand dürfte auch zur Klärung der noch offenen Frage beitragen, weshalb in Dacien keine eigene Münzstätte eingerichtet wurde. Das Fehlen zweier wichtiger Münzmetalle, die Unsicherheit des Landes, das trotz seiner natürlichen Grenzen in Form von ansehnliche Höhen erreichenden Gebirgszügen immer wieder den Einfällen feindlicher Volksstämme ausgesetzt war, haben da sicherlich eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Zwar hat Traian in den Jahren 104—105 durch den berühmten Apollodorus von Damaskus zwischen Turn Severin und Kladova die großartige 3570 Fuß lange steinerne Brücke über die Donau bauen lassen, aber trotzdem scheint man es für sicherer gehalten zu haben, die wertvollen Metalle rechtzeitig über den Strom hinüberzuschaffen, um sie in Sicherheit zu bringen. Nach dem Siege über den Dakerkönig Decebalus soll Traian nach einer (wohl übertriebenen) Nachricht des Laurentius Lydus eine Kriegsbeute von 5 Millionen Pfund Goldes, doppelt so viel Silber und 500.000 Kriegsgefangene gemacht haben. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts kam mit dem Beginn des großen Markomannenkrieges die römische Herrschaft in Dacien ins Wanken; ein Jahrhundert später war sie hier gänzlich verschwunden. Schon um 260 n. Chr. war Dacien von den Westgoten überflutet; Germanen, Avaren, Slawen folgten einander. Erst als König Stephan der Heilige, der die strategische Bedeutung von Siebenbürgen erkannt hatte, den Stamm „jenseits des Waldes" mit der Gesamtheit der Magyaren vereinigte, wurde das Land in der Geschichte Ungarns zu einer jahrhundertewährenden Schutzbastion.

3. Dalmatien, Slawonien, Kroatien, Bosnien Woher die dalmatinischen Städte für ihre autonomen Prägungen oder die unter der Herrschaft Venedigs in deren Zecca geschlagenen Münzen ihr Münzmetall, meist Kupfer, bezogen, wissen wir nicht. Es dürfte wohl durch den Seehandel hereingekommen sein. Dasselbe gilt für die Prägungen einzelner ungarischer Könige, insbesondere Ludwigs I., in Cattaro und Zara; allein Ragusa war stets selbständig geblieben, mußte jedoch diese Freiheit durch starke Tributzahlungen an die Hohe Pforte in Konstantinopel erkaufen. Dieser Tribut aber wurde durch den blühenden Handel, den der Stadtstaat als erfolgreicher Konkurrent Venedigs hauptsächlich landeinwärts in die unterentwickelten Gebiete der Balkanhalbinsel trieb, reichlich wettgemacht. Die Münzstätte der kleinen Stadtrepublik konnte daher für diesen Handel auch eine rege Prägetätigkeit in Silber und Kupfer entfalten. Die Metalle dafür wurden wohl aus den Bergwerken Serbiens bezogen, etwa aus Brskovo oder Novo Brdo nördlich von Skutari. Diese Bergwerke wurden hauptsächlich von deutschen oder, wie man sie nannte, „sächsischen" Bergleuten betrieben und auch noch später unter der Türkenherrschaft von ihnen ausgebeutet. 167

Slawonien, wo die ungarischen Könige ihre Banaldenare prägten, wurde schon oben erwähnt. Kroatien dagegen hat im 11. und 12. Jahrhundert keine eigenen Münzen herausgegeben, obwohl eigene Könige an seiner Spitze standen. Man zahlte in Naturalien oder mit fremden Münzen, hauptsächlich byzantinischen. Später ahmten die ungarischen Könige oder ihre Bane in Kroatien die Friesacher nach. Woher das Silber für diese oder die slawonische Prägung kam, ist unbekannt. Man wird aber aus dem Text einer Urkunde für Slawonien schließen können, daß es aus dem Lande selbst stammte. Seit Kroatiens Eintritt in die Staatsgemeinschaft mit Ungarn begann auch Bosnien ein politisches Eigenleben zu führen. Es entwickelte sich mit der Zeit zu einem kraftvollen Königreich, das seinen Höhepunkt unter Tvrtko I. (1377—1391) erreichte. Als unabhängiger Staat prägte Bosnien eigene, dem mittelalterlichen Brauche nach aus Silber hergestellte Münzen. Bis zum Einbruch der Türken haben die bosnischen Bane und Könige zahlreiche Münzreihen herausgegeben. Um Srebrenica (wörtlich: Silberstadt) südlich von Zvornik an der Drina besaß das Land reiche Silbergruben und wahrscheinlich auch eine Münzstätte. Das Municipium der Bergbaukolonie, der „Bosna Argentina", war jedoch Domavia. Es lag in einem Becken, das die Sacka Rijeka oder „sächsisches Flüßchen" kurz vor der Einmündung in das Drinabett ausgeschwemmt hatte. Hier befand sich der größte an Bleiglanz gebundene Silberbergbau des Landes. Es steht jedenfalls fest, daß der bosnische Bergbau dank der auch hier ins Land gerufenen deutschen Bergleute, der „Sassones", so ergiebig war, daß er nicht nur den großen Bedarf der einheimischen Münzstätten deckte, sondern seine Erzeugnisse konnten sogar ausgeführt werden. Das Metall ging wahrscheinlich an die Münzhäuser der dalmatinischen Städte, solange sie noch autonom prägten und nicht von der Zecca in Venedig beliefert wurden, die dafür wohl Importsilber von da und dort verwendete. Es ist erwiesen, daß der rege bosnische Handelsverkehr mit dem Aufschwung des Bergbaues in enger Verbindung stand. Schon in der Römerzeit waren die bosnischen Bergwerke berühmt, im Mittelalter wurden sie von den Sassones (Sasi, Theutonici, Tedeschi) neuerdings in Aufschwung gebracht. Sie werden zum erstenmal unter Tvrtko I. erwähnt. Exportiert wurde aus den Bergwerken Silber, Blei, Kupfer und Eisen, wahrscheinlich auch Quecksilber, im 15. Jahrhundert wird auch die Ausfuhr von Zinnober erwähnt. Nur das Gold der Goldwäschereien war seit der Römerzeit erschöpft. Es gibt daher außer einem vierfachen Dukaten (Unikum) des von den Türken gemeuchelten letzten Königs von Bosnien, Stephan Tomasevic (f 1463), im gesamten südslawischen Räume während des ganzen Mittelalters keine einzige Goldprägung.

III. Die Neuzeit

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Übersicht „Der Zusammenschluß der im Mittelalter selbständigen Gebiete zu großen Länderkomplexen unter einer Regierung und einer zentralen Verwaltung schuf im Münzwesen und dementsprechend auch im Bergbau veränderte Verhältnisse. Neue Münzstätten wurden errichtet, alte aufgelassen. Der unheilvollen territorialen und daher auch monetären Zersplitterung im Reiche, die noch ganz mittelalterlich anmutet, konnte Österreich nunmehr einen in bezug auf das Münz- und Geldwesen ziemlich einheitlich verwalteten und geleiteten Gebietskörper entgegenstellen. 1490 hatte Maximilian I. seinen Oheim Sigmund von Tirol wegen notorischer Unfähigkeit von der Regierung über seine Länder ausgeschaltet. Die altösterreichischen Lande bildeten seither, wenn man von den geistlichen Enklaven absieht, eine kompakte Masse. Allerdings spaltete sich nach dem Tode Kaiser Ferdinands I. (1564) gemäß seinem letzten Willen wieder eine Tiroler (bis 1665) und eine innerösterreichische Linie (bis 1619) mit Innsbruck bzw. Graz als Residenz ab. Die Münzstätten zu Hall in Tirol und Ensisheim im Elsaß gehörten zur Tiroler Linie, während jene zu Graz und Klagenfurt Innerösterreich versorgten. Nach der Türkenschlacht von Mohacs (1526) waren infolge der habsburgisch-jagellonischen Doppelhochzeit des Jahres 1515 die Länder der Stephanskrone (soweit sie nicht für 150 Jahre unter türkischer Herrschaft standen) und der Wenzelskrone an das Haus Österreich gefallen; ein territorial wie wirtschaftlich gewaltiger Gebiets- und Machtzuwachs, aber zugleich auch eine Quelle der Sorgen und infolge der fast pausenlosen Kämpfe gegen den „Erbfeind der Christenheit" und der Tributzahlungen an die Pforte auch der finanziellen Erschöpfung. Diese territoriale Konzentration wird auch durch den Umstand charakterisiert, daß anders als im Reiche in Österreich die geistlichen Fürsten, Salzburg und Olmütz ausgenommen, so gut wie keine Prägetätigkeit mehr ausübten. Und wenn auch dem einen oder dem andern weltlichen Großen für seine Verdienste um das Erzhaus vom Kaiser das Münzrecht verliehen worden war, so hat die Mehrzahl von ihnen dieses Recht in sehr bescheidenem Ausmaß nur zur Repräsentation ausgeübt und um nicht durch „non usum" dieses Recht wieder zu verlieren. Auf altösterreichischem Boden sind nur die Dietrichstein, Eggenberg, Montfort und Trautson, in den böhmischen Ländern die Liechtenstein, Schlik und Wallenstein monetär und daher auch in der Frage der Metallversorgung stärker hervorgetreten. Von den österreichischen Städten aber hat keine das Münzrecht besessen; Eger, das im Mittelalter gemünzt hatte, hat dieses alte Recht gleich anderen Städten nur mehr während Belagerungen notgedrungen ausgeübt. Die sogenannten „Neufürsten" oder besser gesagt Standesherren unterstanden bei ihren Münzungen natürlich den geltenden Vorschriften. Da viele von ihnen ihre Münzen in staatlichen Münzstätten schlagen ließen, war schon dadurch Mißbräuchen ein Riegel 169

vorgeschoben. Ganz im Gegensatz zum Reiche, das von einem dichten Netz meist unbefugter „Heckenmünzstätten" überzogen war, konnte eine gewisse Zentralisierung des österreichischen Münzwesens durch die betreffenden Länderkammern, wenn auch nicht immer mit vollem Erfolge, durchgeführt werden. Diesen Vorteilen standen natürlich, vor allem in der Frage der Metallbeschaffung, Nachteile gegenüber. Glücklicherweise hatten die Osmanen weder innerhalb der altösterreichischen Ländergruppe, wo sich dieser Engpaß am meisten bemerkbar machte, noch in Rumpfungarn die wichtigsten Montangegenden erobern können. Nur Siebenbürgen ging nach kurzer Herrschaft unter Ferdinand I. bis 1687 den Habsburgern wieder verloren, weil in diesem an Edelmetallen reichen Lande ein Wahlfürstentum von des Sultans Gnaden entstanden war. Außer den Tributen, mit denen die jeweiligen Friedensschlüsse und deren Verlängerungen förmlich erkauft werden mußten, stellte die Instandsetzung der Befestigungen an der Ostgrenze und nicht zuletzt die an ihr stationierten, aus aller Herren Ländern bunt zusammengewürfelten Söldner die höchsten Anforderungen an die Staatsfinanzen und damit auch an die Metallversorgung der Münzstätten. Die Söldner brachten überdies nicht nur aus der Heimat die verschiedenartigsten, meist minderwertigen Münzsorten mit, die sie der von ihnen terrorisierten Bevölkerung aufzwangen. Weiters floß auch mit den Reichssubsidien, aus denen der Sold bezahlt wurde, viel schlechtes Geld aus dem Reiche über die Grenzen ein, wobei die deutschen Reichsstände diese ihre schlechten Münzen Österreich zum Nenn- und nicht zum Metallwert verrechneten! Man möchte nun glauben, daß die innerösterreichischen Münzstätten, vor allem in Graz, wo die Administration der am meisten bedrohten windisch-kroatischen Grenze ihren Sitz hatte, über diesen Zufluß immerhin erheblicher Mengen umzuprägender Geldstücke erfreut gewesen wären. Diese Umprägung erforderte jedoch meist mehr Zeit und Geld, als das Ganze wert war, denn die schlechte Münze sollte in gute verwandelt werden; das dazu fehlende Silber aber mußte aus den ohnehin knappen Vorräten zugeschossen werden. Die neue Zeit kündigt sich auch in der Organisation des Bergwesens unter Maximilian I. an. Sie steht in engem Zusammenhang mit der großen Verwaltungsorganisation, die, von Tirol ausgehend, schließlich die gesamten österreichischen Erblande ergriff. Durch die Teilungen der Leopoldiner war bekanntlich der habsburgische Hausbesitz in eine ober- und niederösterreichische Ländergruppe geteilt worden, von denen jene Tirol und die Vorlande in Schwaben und im Elsaß umfaßte, während die übrigen Landschaften zu den niederösterreichischen Ländern gezählt wurden. In der oberösterreichischen Ländergruppe stand nach wie vor der ergiebige Falkenstein bei Schwaz der noch jungen Münzstätte im benachbarten Hall zur Verfügung. Hier in Tirol war übrigens die Organisation des Bergwesens schon seit langem festgelegt; sie änderte sich auch in der Folgezeit nicht. Im Jahre 1539 gab es in ganz Tirol vom Montafon bis Kitzbühel und von Imst bis Persen (Pergine) siebzehn Bergrichter bzw. Berggerichte, davon sechs in Südtirol. Für die vorderösterreichischen Lande, die nun zur oberösterreichischen Ländergruppe gehörten, mußte eine einheitliche Organisation erst geschaffen werden. Über die im eigentlichen Österreich gelegenen Bergwerke war seit spätestens 1494 je ein Obrister Bergmeister in Österreich, Steier, Kärnten und Krain gesetzt. Wichtig ist, daß bereits unter Maximilian I. die Forderung gestellt wurde, daß „alles Bergwerk" unter die Regalrechte des Landesherrn falle, eine Forderung, die aber erst sein Enkel, Ferdinand I., durchzusetzen vermochte. Im Jahre 1509 wurden die Bergwerke in folgende Verwaltungssprengel zusammengefaßt: 170

1. Die Bergwerke in Oberkärnten: Vellach, Kirchheim, Modereck und Steinfeld und, damit verbunden, auch das bereits jenseits der Grenze in Tirol liegende Lienz. Diese Gruppe nennt sich meist „Bergwerke in der Grafschaft Ortenburg zu Lienz". Die Bergwerke um Gmünd waren 1502 samt Herrschaft und Stadt an Salzburg verkauft worden. 2. Die Bergwerke in der Obersteiermark im oberen Ennstal, also Schladming und an der Mandling sowie das Berggericht Rottenmann. 3. Die Bergwerke in der Obersteiermark und inUnterkärnten: an der Zeiring, im Gurk-, Metnitz- und Görtschitztal. 4. Die Bergwerke in Österreich und Untersteiermark: in der Prein bei Mariazell, am Semmering, zu Kallwang im Liesingtal, zu Frohnleiten, Schrems, Übelbach und am Zuckerhut. 5. Die Bergwerke in Krain. Hier befand sich der meistgenannte Bau in Littai an der Save; aber auch zu Nassenfuß an der Neurlng, in der Herrschaft Schwarzenberg und in der Gegend um Bischoflack gab es Gruben. In dieser Aufzählung handelt es sich ausschließlich um Silberbergwerke. Erst unter Ferdinand I. entwickelte sich Kärnten zum reichsten Goldland im österreichischen Bereich. Aber auch im Silberbergbau stand Kärnten in dieser Ländergruppe an der Spitze. Die Steiermark besaß wohl zahlreiche Gruben, aber ihre gesamten Erträgnisse genügten kaum zur Versorgung des Grazer Münzhauses. Im Österreich ob und unter der Enns (dem heutigen Ober- und Niederösterreich) gab es keine Edelmetallvorkommen, wenn man von der geringen Ausbeute an Silber absieht, die unter Maria Theresia bei Annaberg gewonnen wurde. Überhaupt konnte sich der Silberbergbau in den fünf niederösterreichischen Landen keineswegs mit den Tiroler Silbergruben messen; hingegen wurde Tirol bei der Goldgewinnung von Kärnten übertroffen. Als Maximilian I. 1519 starb, waren in den beiden österreichischen Ländergruppen von den zahlreichen weltlichen Münzstätten des Mittelalters nur mehr drei übriggeblieben : Wien, St. Veit und Hall. Dazu kam noch die erzstiftliche in Salzburg. Es war dies die Folge einer landschaftlich gegliederten Verwaltungsreform, verbunden mit der Vollendung des Begriffes „Österreich" und einer schon sehr neuzeitlich gedachten Behördenorganisation Maximilians, die dann von seinem Enkel Ferdinand I. noch weiter entwickelt und verbessert wurde. Zu den erwähnten drei Münzstätten kamen dann noch unter Ferdinand Graz und Linz. Die Münzstätte in Linz sollte es dem Münzpächter, dem Augsburger Hanns Stengl, ermöglichen, das von ihm in Krumau an der Moldau gewonnene Silber zu verwenden. Diese südböhmische Stadt war ja durch den Haselgraben, der die Täler der Donau und der Moldau miteinander verband, leicht zu erreichen. In Krumau haben übrigens, das sei am Rande vermerkt, später die Fürsten von Eggenberg und Schwarzenberg gemünzt. Die Linzer Münzstätte hat im Laufe ihres kurzen Daseins recht ansehnliche Münzreihen hervorgebracht, in denen auch das Gold nicht fehlte. Aber schon 1562 mußte der Betrieb eingestellt werden, da die obderennsischen Landstände eine finanzielle Unterstützung der Münzstätte kurzsichtigerweise energisch ablehnten. Sie war nämlich dahingesiecht, da mit der Zeit die Metallversorgung versagte. Ein solcher Glücksfall wie 1532, als Ferdinand I. aus dem Nachlasse des Herzogs Johann von Oppeln und Ratibor beträchtliche Mengen von Gold- und Silbermünzen zugefallen waren, kam nicht alle Tage vor. Das Gold wurde damals zur Bestreitung der Ausgaben für die Türkenabwehr nach Wien verbracht, das Silber aber, soweit es nicht gangbar war, in Linz umgeprägt.

171

13. Kärnten, Ehg. Karl von Innerösterreich. Taler 1572, Klagenfurt

2. Wien Ferdinand I. hatte der Münzerhausgenossenschaft 1522 zu Wiener Neustadt ein blutiges Ende bereitet, weil sich die prominentesten Mitglieder während des Interregnums nach dem Tode seines Großvaters Maximilian hochverräterischer Umtriebe schuldig gemacht hatten. Der Erzherzog richtete nun die Wiener Münze unter landesfürstlicher Autorität wieder auf, doch konnte sie ebensowenig wie Linz den Betrieb auf landeseigenes Bergsilber stützen. Sie mußte daher für ihre Prägungen Pagament oder ungeprägtes Metall verwenden. Dies hier im einzelnen zu verfolgen, würde zu weit führen. Nur so viel sei gesagt, daß es sich beim Ankauf von Münzmetall kaum mehr um ungarisches Silber oder Gold gehandelt haben kann, da dieses in den ungarischen Münzstätten Kremnitz und Nagybänya selbst vermünzt wurde, wie auch die kurzlebige habsburgische Münzstätte Hermannstadt siebenbürgisches Metall verwendete. Späterhin haben auch die einheimischen Fürsten eine ungemein rege Prägetätigkeit entfaltet. Zudem standen einzelne von ihnen, besonders die aus der Familie Raköczi, dem Hause Habsburg so feindlich gegenüber, daß sie einen Export nach Österreich wohl kaum gestattet hätten. Sie hielten sogar, wie insbesondere Gabriel Bethlen, zeitweise die ungarischen Bergstädte besetzt und ließen in den dortigen Münzstätten aus den an Ort und Stelle gewonnenen Edelmetallen ihre Münzen prägen. Hauptsächlich unter Leopold I. und seinen Söhnen Joseph I. und Karl VI. hat sich dann unter der Bezeichnung „Münzjuden" ein eigenes, meist sehr einträgliches Gewerbe konstituiert, dessen Mitglieder wo sie nur konnten Münzmetall (hauptsächlich Pagament und Bruchsilber) zusammenkauften und die Münzstätten in den metallarmen Ländern, vor allem in Wien, damit belieferten. Daß die Lieferanten dabei nicht selten mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, ist nicht zu verwundern. Immerhin aber konnten dank ihrer Tätigkeit die verschiedenen Münzhäuser dem immer wieder auftauchenden Metallmangel entgehen und den Betrieb schlecht und recht auch in Notzeiten aufrechterhalten. Ganz anders war die Lage in Kärnten, der Steiermark und Tirol. Hier war im großen ganzen genug eigenes Münzmetall vorhanden, nur Graz hatte mitunter mit ziemlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. 3. Kärnten Den beiden innerösterreichischen Münzstätten in St. Veit und in Graz standen folgende Bergwerke zur Verfügung: In Oberkärnten Steinfeld, Großkirchheim und Obervellach im Mölltale, wo sich seit Ferdinand I. auch der Sitz des Oberstbergmeisters der niederöster172

14. Kärnten, Ehg. Karl von Innerösterreich. 10er 1569, Klagenfurt

reichischen Lande befand. Dies 2eigt deutlich, daß der Schwerpunkt des Edelmetallbergbaues dieser Ländergruppe in Kärnten lag. Als wichtigste Gewerken erscheinen hier die Weitmoser, die Krieglstein, die Römer, die Katzpeck und besonders die Putz von Kirchamegg. In Unterkärnten war vornehmlich der Lavanttaler Bergbau von großer Bedeutung. Der berühmte Arzt und Naturforscher Theophrastus Paracelsus erwähnt das Tal sogar in seiner „Kärntner Chronik", weil es wegen des einstigen Goldreichtums seiner „Wasserflüss" viele fremde Künstler und Bergleute angelockt und daher seinen Namen „vom Waschen" (lavare) erhalten habe. In dieser Gegend stand an der Spitze Obergoldegg in Kliening bei St. Leonhard, zuerst im Besitz der Fugger, dann einer Gewerkschaft, deren Bevollmächtigter von etwa 1579—1594 der Freiherr Paul von Tannhausen war. Ähnlich wie im tirolischen Hall war auch in Klagenfurt und seit 1622 in St. Veit das Verhältnis zwischen einheimischem Edelmetallbergbau und Münzstätte sehr innig. Die Kärntner Landschaft hatte 1529 die Münze von Ferdinand I. gepachtet und besaß seit dem gleichen Jahre auch das Privileg, daß die Gewerken des Landes ihr Bergsilber direkt an die Klagenfurter Münze verkaufen durften, was 1548 auch auf das Gold und die Erträgnisse der Krainer Bergwerke ausgedehnt wurde. Bei diesen ist es allerdings sehr fraglich, ob sie das Recht hier auch je ausgenutzt haben; so war es nur natürlich, daß die Landstände an der Lebensfähigkeit ihrer Münzstätte und des sie garantierenden Bergbaus in höchstem Grade interessiert waren. Es konnte sich in Kärnten schon frühzeitig jener eigenartige Zustand entwickeln, daß das Klagenfurter Münzhaus zu seiner eigentlichen Funktion noch die einer Darlehensbank übernahm, indem es aus seinen Erträgnissen die Gewerken finanzierte. Für die Zeit von 1553 bis 1617 beliefen sich diese Darlehen einschließlich der Zinsen auf rund 353.050 fl., die uneinbringlichen Forderungen an verstorbene und verdorbene Gewerken 1621 auf über 50.000 fl. Dies zeigt deutlich, daß der Ertrag und damit auch der Fortbestand dieser ständischen Münze mit der Prosperität des einheimischen Bergbaues stand und fiel. Münzwesen und Bergbau erlebten daher unter Ferdinand I. und seinem jüngsten Sohne Erzherzog Karl (f 1590) als Regenten von Innerösterreich dank dem Bergsegen glückliche Tage. Der aus Kärntner Gold geprägte Klagenfurter Dukat kann mit vollem Recht als Handelsmünze bezeichnet werden, die in Mengen außerhalb der Landesgrenzen, insbesondere auf dem Balkan, anzutreffen war, wo er seiner großen Beliebtheit wegen sogar in plumper Weise gefälscht wurde. Dieser Blüte des Kärntner Bergbaues wurde indessen gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch eine schwere, nie mehr ganz überwundene Krise ein plötzliches Ende bereitet. Man hat viel über den Verfall der Kärntner Edelmetallbergwerke geschrieben und die verschiedensten Theorien aufgestellt, unter denen insbesondere die Gegenreformation und die durch sie angeblich bewirkte Auswanderung der protestantischen Bergknap173

pen am häufigsten als Ursachen genannt werden. Sie und daneben die natürliche Abnahme der Bergschätze waren jedoch keineswegs die einzigen Faktoren, die den offenkundigen Rückgang des Edelmetallbergbaues verursachten. Es wurde nämlich vergessen, daß auch die damalige Wirtschaftskonstellation hier ein gewichtiges Wörtlein mitzureden hat. Vor allem hatte die gewaltige allgemeine Preissteigerung des 16. Jahrhunderts eine auf die Dauer untragbare Steigerung der Produktionskosten (Löhne und Betriebskosten) nach sich gezogen. Dazu kam zu allem Überfluß 1580 noch der gewaltige Schneefall im Frühjahr und dann auch noch ein ungewöhnlich kalter Sommer, der die Tauernspitzen zwischen Goldzechkopf und Herzog Ernst samt den dortigen hochgelegenen Bergwerken durch Schnee und Eis unzugänglich machte. 4. Steiermark Die Entwicklung verläuft hier im wesentlichen ganz ähnlich wie im benachbarten Kärnten. Als Fundstätte kommt in der Steiermark vor allem Schladming im oberen Ennstale in Betracht, von wo auch Lieferungen an die Münze bezeugt sind. Wann hier der Kupferund Silberbergbau eröffnet wurde, ist nicht festgestellt, doch wissen wir, daß wahrscheinlich schon 1322 der zur Stadt erhobene Bergwerksort 1408 durch den Stadt- und Bergrichter Leonhart den Eggelzain einen „Bergbrief" (Bergordnung) erhielt, der für den übrigen österreichischen Edel- und Buntmetallbergbau von ähnlicher Bedeutung wurde wie das Freiberger Bergrecht für Mitteldeutschland. 1505 erhielt Schladming auch einen eigenen Bergrichter, dem auch die Bergbaue von Mandling und Rottenmann unterstanden. Neben Kupfer und Silber wurde auch Gold (ein einheimischer Gewerke trug den sprechenden Namen Vintzgold) und auch geringe Mengen des zur Darstellung des Silbers nötigen Bleis gefunden. Aber der Bauern- und Knappenaufstand von 1525 und das ihn beendende Strafgericht vernichteten den hoffnungsvoll aufstrebenden Betrieb fast zur Gänze. Wohl bemühte sich die Regierung um Abhilfe, aber der Wohlstand der Bürger war dahin. Es fehlte, wie überhaupt im Lande, das durch seine Leistungen für die Türkenabwehr finanziell erschöpft war, an dem nötigen Kapital, um aus eigenen Mitteln den Bergbau in großem Stil neu zu beleben. Wenn nicht oberdeutsches Kapital aus Eßlingen und Reutlingen, Nürnberg und Augsburg eingegriffen hätte, wäre es um den Schladminger Bergbau wohl geschehen gewesen. Allein das Geld der Fugger und Andree Prantmayrs Erben aus Augsburg, des Lukas Sitzinger und des Ratsherrn Paul (II.) Behaim aus Nürnberg, der Tiroler Gewerken Katzpeck von Katzenstein und des führenden Gasteiner Gewerken Christoph Weitmoser, der die Schladminger Gruben aufkaufte, brachte dem Bergbau hier eine letzte Nachblüte. Neben Schladming war es das gleichfalls in einem Seitengraben der Enns gelegene Öblarn, das in den Akten auch unter dem Namen „Gewerken in der Walchen" aufscheint, an dem bis auf die Fugger alle Vorgenannten beteiligt waren, und dem als Silberlieferant der Grazer Münze einige Bedeutung zukam. Ferner sind „die Gewerken in der Schrembnitz" (Schrems bei Frohnleiten im Murtale), die zu Teufenbach (Beginn des steirischen Lungaus) zu nennen und schließlich Pankraz von Windisch-Grätz, dieser jedoch ohne Nachricht über die Herkunft seines Brandsilbers. Da er aber zu Waldstein am Übelbach eine Schmelzhütte besaß, dürften seine Gruben in der Nähe gelegen sein, etwa im Arzwaldgraben, wo heute noch Gruben und Gänge zu sehen sind. In Waldstein haben auch die von Kaiser Ferdinand II. gefürsteten Eggenberg außer der in Krumau noch eine Münzstätte besessen, was auf die Nähe von Silbergruben hinzuweisen scheint. 174

Um die Versorgung seiner Münzstätten sicherzustellen hatte der Landesfürst dem freien Verkehr des Silbers schon frühzeitig gewisse Beschränkungen auferlegt. So erhielt schon 1511 der Bergmeister Lamprecht Zäch den Befehl, dafür zu sorgen, daß alles in den niederösterreichischen Landen erzeugte Silber nur an die Münze zu Wien geliefert werden dürfe, was jedoch wenig beachtet wurde. Nach Aufhebung der Wiener Hausgenossenschaft im Jahre 1522 ließ Erzherzog Ferdinand (I.) 1524 eine neue Münze für die niederösterreichischen Lande zu Wien einrichten. Durch ein Mandat wurde gleichzeitig angeordnet, daß alles einheimische Bergsilber nur an diese neue Münzstätte verkauft werden dürfe. Zugleich wurde jede Ausfuhr strengstens untersagt. Die Handhabung dieser Verordnung wurde auch dem Schladminger Bergrichter auferlegt. Aber der Aufstand des Jahres 1525, der in den einzelnen Ländern in verschiedener Stärke losbrach, fügte fast überall dem Bergbau schwere Schäden zu. Als dann nach seiner Beendigung auch das steirische Münzwesen neu geordnet und in Graz die lange stillgelegte Münzstätte wiedereröffnet und — ähnlich wie in Klagenfurt — der steirischen Landschaft auf zehn Jahre verpachtet wurde, verlieh der Erzherzog den Ständen zugleich das Silbermonopol. Er trug ihnen ferner auf, für das Silber den bisherigen Preis weiterhin zu zahlen. Wenn die Gewerken einen Verlag (Vorschuß) verlangen sollten, hatten sie sich mit ihnen zu vergleichen. Aber wie es damals und auch später, hier wie anderwärts immer wieder vorgekommen ist, war der festgesetzte Einlösepreis von 10% fl. rheinisch für die Wiener Mark zu gering bemessen, um damit den Betrieb weiterführen zu können. Abgesehen davon war den Gewerken dieses Monopol begreiflicherweise ein Dorn im Auge, weshalb sie es nach Kräften zu umgehen trachteten. Ferdinand mußte schon 1530 energisch gegen solche Bestrebungen einschreiten, aber trotz aller Ermahnungen blieb der Münzbetrieb in Graz recht dürftig. Er litt an chronischem Silbermangel und mußte sogar zeitweise feiern, da es vor allem die Schladminger mit der anbefohlenen Silberablieferung durchaus nicht ernst nahmen. Als die Schritte, die der Grazer Landtag von 1540 unternahm, ebenfalls erfolglos blieben, mußte das Grazer Münzhaus seine Türen schließen. Damit — und das hatten sie wohl mit ihrer Mißachtung der Gebote und Verbote bezweckt — fiel für die Schladminger Gewerken auch die Verpflichtung fort, ihr Silber nach Graz zu liefern. Sie verkauften es daher an den Salzburger Handelsmann Vigilius Fröschlmoser, bis König Ferdinand 1548 anordnete, es dem Linzer Münzmeister Ruprecht Puellacher abzuliefern. Den Schladmingern aber lag Linz zu weit entfernt, weshalb sie ihr Silber statt nach Linz den Salzburger Handelsleuten, „Die Alten" genannt, weiterhin nach Salzburg lieferten. Als Ruprecht Puellacher und sein Bruder Wolfgang die Linzer Münze infolge Verschuldung 1559 aufgeben mußten, ging das Silber von Schladming nach wie vor zum Teil an die Münze des Erzstiftes und auch an Handelsleute in Salzburg. Bald nach seinem Regierungsantritt beschloß der neue Landesherr Erzherzog Karl in Graz wieder eine Münze einzurichten. Der Regierung und Kammer in Graz wurde im Januar 1565 unter anderem aufgetragen, mit der steirischen Landschaft auch wegen Aufbringung eines Verlages zur Silbereinlösung zu verhandeln, da neben etlichen tausend Mark Feinsilber aus Kitzbühel auch 4000 Mark von Schladming, Rottenmann, dem Zuckerhut (Fischbacher Alpen, Oststeiermark) und auch aus Zeiring in Aussicht ständen. Der Plan, eine Münzstätte in Graz zu errichten und dort das steirische Silber zu vermünzen, konnte indessen aus verschiedenen Gründen nicht verwirklicht werden. Um seine Ausfuhr ins (besser zahlende) Ausland zu verhindern, wurde im Februar 1565 von der Regierung angeraten, mit der Kärntner Landschaft zu verhandeln, damit diese bis zur Einrichtung einer Münzstätte in Graz das steirische Silber übernehme. In der Tat erging 1569 der Befehl, das gesamte steirische Silber an die landschaftliche Münze in Klagenfurt abzuliefern. 175

Für die Gewerken in der Walchen, wo der größte Teil des Silbers im Schladminger Bergbezirk erzeugt wurde, war diese Verordnung äußerst drückend. Sie verloren damit nicht nur alle Vorteile, die ihnen aus dem Verkauf nach Salzburg erwuchsen, sondern sie hatten angesichts der stipulierten Silberpreise und des nicht ungefährlichen Weges über die Sölker oder Rottenmanner Tauern nach Klagenfurt, was erhöhte Transportkosten bedingte, durch diese Anordnung nur Nachteile. Karl mußte daher die Verfügung schon 1570 wiederum zurücknehmen und die Lieferung nach Salzburg gestatten. Vier Jahre später, 1574, konnte endlich die Grazer Münze wieder eröffnet werden, und zwar wie in Kärnten unter der Ägide der Landschaft. Damit trat aber auch die Verpflichtung der Silberlieferung wieder in Kraft. Die Gewerken opponierten natürlich zuerst gegen diese Einschränkung der freien Verfügung über ihre Produktion. Ihrer Beschwerde über den zu niedrigen Silberpreis, der nunmehr 12 fl. für die Mark Feinsilber betrug, wurde insofern stattgegeben, als ihnen noch ein Hilfsgeld ausbezahlt wurde, indem sie von der Mark goldigen Silbers anstatt des üblichen Scheiderlohnes von 4 ß ( = 30 kr) nur 20 kr zu bezahlen hatten. Alles dies war vor allem der alten Geldtheorie zu verdanken, die eine nahezu vollkommene Übereinstimmung von Nominalwert und Metallwert forderte und jede geringerhältige Münzung ablehnte. Um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert kam es in Schladming zu einem allgemeinen Rückgang des Bergbaues; was noch erzeugt wurde, kauften die Gold- und Silberschmiede auf, die besser zahlten. Für die Grazer Münze blieb daher kaum etwas übrig. Es kam in der Folge sogar zu einer längeren Stillegung des Betriebes. Nicht zuletzt war es der allgemeine Mangel an Edelmetall, der sowohl durch den Rückgang der Produktion als auch durch den heimlichen Abfluß vollwertiger Münzen ins Venezianische verursacht die katastrophale Münz- und Wirtschaftskrise der sogenannten „Kipperzeit" von 1620 bis 1623 auslöste. Seit dieser Zeit lagen die einst so ergiebigen österreichischen Bergwerke im Sterben. Die Beschaffung von Münzmetall wurde immer schwieriger; dafür blühte der Schleichhandel. Erst Maria Theresias große Münzreform schuf dadurch eine gewisse Abhilfe, daß ein etwas billigerer Münzfuß, der Konventionsfuß, eingeführt wurde, und vor allem, daß man den Begriff der „Scheidmünze" und damit auch das Kupfer als Münzmetall anerkannte. Dadurch konnte einiges am Münzsilber erspart werden. Auch die — in der Folge allerdings mitunter verderbliche — Einführung des Papiergeldes verringerte den Edelmetallbedarf der Münzstätten. Diese wurden nunmehr in der Monarchie von der einheimischen Metallproduktion immer unabhängiger, ein Umstand, der auch die endgültige Schließung von Münzhäusern, die infolge Metallmangels dahinsiechten, gestattete. 176

5. Salzburg Zwei Aufzeichnungen aus dem Salzburger Landesarchiv gewähren uns interessante Aufschlüsse über die Abrechnung des Pfennigmeisters (etwa Finanzdirektors) aus dem Jahre 1587, also aus der Zeit des Erzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau. In diesem Jahre wurde an Gold und goldigem Silber empfangen: aus dem Pochwerk zu Weihstuhl in der Rauris und aus dem Schmelzwerk zu Goldwieß an der Lend im Salzachtal, aus dem gesamten Lender Handel, von dem Gewerken Hans Weitmoser aus Gastein, von Michael Katzpecks Erben (Goldegger Silber), vom Zottischen Handel (Gasteiner Silber), von den Rosenbergischen (Thumenbacher Silber), ferner an allerlei Gold und goldigem Silber aus Kirchberg, Leogang und Ramingstein und schließlich an Waschgold usw. insgesamt rund 1372 Mark goldiges Silber und 479 Mark Gold sowie 1 x/2 Mark Waschgold(!). Ferner ungöldiges Silber, und zwar Ramingstein (Lungau), Fronsilber [das dem Landesherrn als „Fron" abzuliefernde Silber, gewöhnlich 1/10 der Ausbeute] von den Tannhausen und Khuen, Kirchbergerisches und Rosenbergisches Leoganger Stiftsilber, insgesamt 2526 Mark fein, wozu noch das angekaufte Metall kam. Die zweite Abrechnung stammt aus dem Jahre 1670 aus der Zeit des Erzbischofs Maximilian Gandolph Grafen von Küenburg. Sie führt als Herkunftsorte des an die Münze abgelieferten Edelmetalls den Gasteiner und Lender Handel, den von Rauris, ferner Zillertaler Gold, Ramingsteiner Silber sowie angekauftes Edelmetall an. Insgesamt wurden in diesem Jahre 12.713 Dukaten in Gold und 20.782 Reichsthaler in der Salzburger Münze geprägt. Das Land Salzburg wurde im Jahre 1803 säkularisiert. Seine Münzstätte führte aber den Betrieb noch einige Jahre zuerst als kurfürstliche, sodann als k. k. Münzstätte weiter. Sehr gut unterrichtet sind wir auch über die kurze Tätigkeit der Salzburger Münze unter österreichischer Herrschaft (1806—1809). Das Gold für die Dukatenprägung stammte aus den ehedem erzstiftischen Bergwerken zu Rauris, Gastein, Lend, Schellgaden, Zell im Zillertale, von den Goldwäschern längs der Salzach und endlich aus goldhaltigem Silber, das Private in die Münzstätte gebracht hatten. Da aber die Goldproduktion in den erwähnten Jahren nur gering war, wurden nur wenige österreichische Dukaten mit dem Münzzeichen D (Salzburg, vorher Graz) geprägt. Das Silber zu den Konventionszwanzigern konnte in der notwendigen Menge nicht auf dem Wege der Einlösung beschafft werden, zumal die Kameralkasse, die Bergverwaltungen und zeitweise auch die Kriegskassa vom Münzamt große Mengen geprägten Geldes anforderten. Mehr als drei Viertel des eingelösten Silbers bestanden aus geringhaltigen Siebzehnern und Siebnern und anderen, durch ein kaiserliches Patent vom 22. Dezember 1807 außer Kurs gesetzten Silbermünzen. Zu den Zwanzigern, die zu ihrer Zeit den täglichen Handel und Wandel beherrschten, benötigte man aber viel Feinsilber. Das von Privaten gelieferte göldische Einlieferungsgut reichte nicht aus, daher mußte es hauptsächlich vom Wiener Hauptmünzamt bezogen werden. Auch das Kupfer für die Scheidemünzen mußte von auswärts beschafft werden. Anfänglich kam es, wie z. T. auch das Silber, aus Annaberg bei Lilienfeld in Niederösterreich, wo es jedoch nicht „hüttenmännisch" dargestellt, sondern auf eine ganz eigentümliche Weise gewonnen wurde. Die weiter unten zu besprechende Günzburger Münzstätte hatte in dieser Zeit den Auftrag erhalten, auf Rechnung der Wiener Hofkammer unbrauchbare Kanonen aufzukaufen, um aus ihnen Kupfer für die Scheidemünzen zu gewinnen. Diese Geschütze wurden donauabwärts nach Krems und von hier per Achse über St. Pölten nach Annaberg verfrachtet, um dort in der „Ärarialhütte" eingeschmolzen zu werden. Das Kanonenmetall enthielt 80—84% Kupfer und

177

20—16% Zinn, das durch Schmelzen ausgesondert wurde. Ungarisches Kupfer, das sonst das Hauptkontingent der Kupferprägung bildete, war in diesen Krisen- und Kriegszeiten nicht verfügbar. Aber auch an dem Kanonenmetall, das aus Kanonenrohren, Haubitzen, Feldschlangen, Bombenmörsern und Böllern gewonnen wurde, mangelte es, zumal Bronze damals in den französischen Seehäfen von jenen sehr gesucht war, die Kaperschiffe ausrüsteten. Der gleiche Lieferant, Johann Christoph Wägner aus Nürnberg, bot übrigens der Wiener Hofkammer auch das Bronzegitter an, mit dem das Nürnberger Rathaus umgeben war und das 200 Zentner wog. Wegen des zu hohen Preises und der Bronzearmut des Gitters wurde jedoch das Angebot abgelehnt. Aus dem in Annaberg verarbeiteten Kanonenmetall ist ein Teil der damals in Wien, Prag und Salzburg geprägten Kupferscheidemünzen hervorgegangen, während die ungarisch-siebenbürgischen Münzstätten Kremnitz, Schmöllnitz, Nagybänya und Karlsburg Hüttenkupfer meist lokaler Provenienz verwendeten. Wien, Prag und Salzburg vermünzten außer dem Kanonenmetall auch von den Ärarialkupferhütten geliefertes Metall oder im Handel erworbenes Kupfer, darunter auch sächsisches, sogenanntes Rosettenkupfer, ja sogar das Metall alter Feldkessel. So groß war damals der Bedarf an kleiner Scheidemünze. Als bald darauf viele umlaufende Kupfermünzen außer Kurs gesetzt wurden, hörten alle Schwierigkeiten auf, so daß das Salzburger Münzamt nunmehr über genügende Kupfermengen verfügte. Schließlich sei noch angemerkt, daß während der französischen Okkupation Salzburgs im Jahre 1810 mit den vorhandenen Stempeln österreichische Dukaten und Zwanziger sowie kurfürstlich salzburgische Kupferkreuzer mit der Jahreszahl 1805 nachgeprägt wurden. Am 26. Oktober 1810 wurde die Salzburger Münzstätte vom königlich bayerischen Münzwesenskommissär Le Prieur endgültig geschlossen, die Stempel wurden vernichtet und die Gold- und Silbervorräte nach München gebracht. 6. Tirol Hall erfreute sich auch unter Kaiser Maximilian I. nach wie vor einer ausreichenden Silberversorgung, wenngleich auch hier der Ertrag der Bergwerke mit der Zeit eine natürliche Abnahme zu verzeichnen hatte. Die Münzstätte blieb dennoch in ihrem alten Flor. Das 16. Jahrhundert hatte den Höhepunkt der Produktion gebracht und damit auch die wirtschaftliche Hochblüte des Landes selbst. Der Bergbau in Schwaz, Kitzbühel, Imst, Sterzing, Klausen, Terlan, Pergine (Persen) und Primör (Primiero) produzierte Silber und Kupfer in solchen Mengen, daß Tirol als das reichste Land Mitteleuropas angesehen wurde. Große Handelsgesellschaften, wie die Fugger, Baumgartner, Hörwart, beteiligten sich selbst am Tiroler Bergbau und erhielten ihre Darlehen an die Habsburger in Silber und Kupfer zurückerstattet. In der Zeit von 1500 bis 1550 beherrschte die Montanindustrie das Wirtschaftsleben des Landes. Die Versorgung der Bergbaubetriebe und die Erztransporte beanspruchten die Straßen in größtem Ausmaß. Hall blieb infolge des Tiroler Metallreichtums bis zu ihrer Schließung 1809 eine der produktivsten österreichischen Münzstätten, die allerdings ihr Silber bereits aus dem Handel (Augsburger Silberhandlung) beziehen mußte. Im Gegensatz zu Salzburg wurde sie 1805 bis 1808 von Bayern weitergeführt. Sie prägte damals große Mengen von Kupferkreuzern und in Silber die sogenannten „Landsechser" (6 kr.) mit dem bayerischen Wappen, die im Münzbilde den in München geschlagenen glichen. Außerdem scheint Hall unter Bayern ganz besonders mit der Herstellung von Metallplättchen (Schrötlingen) für diese beiden Sorten beschäftigt 178

gewesen zu sein, die zum größten Teile nach München gingen. Denn der bayerische Hauptmünzmeister Heinrich Joseph Le Prieur, der uns schon in Salzburg begegnet ist, hatte Hall von Anfang an für die Erzeugung von Schrötlingen verschiedener Größe bestimmt. Es darf als sicher angenommen werden, daß dafür Tiroler Metall verwendet wurde. Andreas Hofer hat dann 1809 nach kurzfristiger Vertreibung der Bayern in ziemlichen Mengen Kupferkreuzer und Silberzwanziger mit dem Tiroler Adler gemünzt; für die Kreuzer war eine Stückzahl von 1,800.000 beantragt und bewilligt worden. Wahrscheinlich wurden für sie die für Bayern bestimmten Schrötlinge benützt. 7. Vorderösterreich (Burgau) Die Münzstätte zu Günzburg wurde für die Markgrafschaft Burgau oder Vorderösterreich im Jahre 1761 eingerichtet. Sie war gleich Hall bis 1805 im Betrieb und prägte hauptsächlich Kupfermünzen. War noch im 17. Jahrhundert das im vorderösterreichischen Schwarzwald erschmolzene Silber an das Haller Münzamt gesandt worden, so mußte nach Errichtung der Günzburger Münzstätte der Freiburger Bergrichter das Schwarzwälder Silber an dieses Münzhaus abliefern und mit dem vorderösterreichischen Generaleinnehmer darüber abrechnen. Maria Theresia hatte die Günzburger Münzschmiede deshalb errichtet, um den regellosen Umlauf minderwertigen Geldes in den Vorlanden zu unterbinden. Die Günzburger Prägungen erfreuten sich auch in den nichtösterreichischen Ländern guten Rufes, insbesondere die Burgauer Taler. Günzburg erhielt übrigens außer vom Schwarzwald auch noch von anderen Seiten reichliche Metallmengen. Zunächst strömten bei Aufnahme des Münzbetriebes aus dem ganzen Schwäbischen Kreise massenhaft entwertete Scheidemünzen in die Kassen des Münzamtes, so daß dieses Tag und Nacht in Betrieb stehen konnte. Seit der Abwertung dieser Sorten wurden aus ihrem Metall auf zwei Stoß werken 1,300.000 fl. in Talern und 120.000 fl. in Zehnkreuzerstücken ausgeprägt. Diese sehr emsige Münzstätte prägte überdies auch große Kupfermengen für Görz und Gradiska und schließlich auch für fremde Münzherren, wie die Bischöfe von Augsburg, Konstanz und Straßburg, den Fürsten von Fürstenberg und für die Stadt Ulm; diese Kupferstücke sind alle mit dem Münzbuchstaben G gekennzeichnet. Der Taler mit dem Brustbild der Kaiserin war seit jeher im Osten begehrt gewesen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Günzburg war die Silberprägung für den Orient. Die Geschichte des berühmten Maria-Theresien-Talers mit der Jahreszahl 1780 soll in einem andern Zusammenhange geschildert werden. Hier sei nur ein Detail zur Metallversorgung erwähnt. Als der schwungvolle Export der Günzburger Taler in die Levante aus verschiedenen Ursachen ins Stocken geriet, wurde zur Belebung der Anlieferung von Silber an die Münze im Jähre 1769 mit Bewilligung der Kaiserin zu Augsburg ein Konsortium gegründet, das den Namen „k. k. privilegierte ausländische Silberhandlung" erhielt. Ihm gehörten die Augsburger Bankiers Benedikt Adam Liebert von Liebenhof, Carli & Co. und Georg Jakob Edler von Köpf an. Dem auf 8 Jahre abgeschlossenen Vertrag gemäß sollte in Günzburg nur das Silber dieser Augsburger Silberhandlung auf Taler ausgeprägt werden. „Alles von anderen Lieferanten oder von Bergwerken gelieferte Silber sowie das aus Rückständen gewonnene Silber (Krätzsilber) durfte nur zu Zwanzigern und Zehnern, und die Rückstände dieser Münzen (Schrotten) mußten zu Fünfern verprägt werden. Dagegen machte sich die Augsburger Silberhandlung erbötig, innerhalb des Jahres 1770 an die zwei Münzämter zu Günzburg und zu Hall in Tirol Silber im Werte von 3 Millionen 179

Gulden zu liefern. Die Mark Feinsilber sollte ihr jedoch, statt wie bisher mit 22 fl. 40, um 48 kr. höher, also mit 23 fl. 28 kr. bezahlt werden. Allein der türkisch-russische Krieg lähmte den Handel mit der Levante und so konnte die Silberhandlung das vereinbarte Kontingent nicht erreichen. Daraufhin wurden für das Jahr 1771 andere Zahlungsmodalitäten vereinbart. Da zu diesen Talern das Silber aus dem Auslande beigeschafft werden mußte, wurden der Silberhandlung jährliche Freipässe ausgefertigt, in welchen alle deutschen Reichsstände von der Kaiserin angegangen wurden, diesem Silber zollfreie Durchfuhr durch ihre Lande zu gewähren (221)." Trotzdem erzielte das Talergeschäft nicht den erhofften Aufschwung, und so sahen die Augsburger sich genötigt, noch vor Ablauf der Vertragsfrist um die Entlassung aus ihren Lieferungsverpflichtungen anzusuchen. Es sei ihnen, schrieben sie unter anderem, nicht möglich gewesen, innerhalb der letzten 13 Monate in Livorno, Genua, Marseille und Venedig mehr als insgesamt 12.000 Taler anzubringen. Die Lösung des Vertrages wurde bewilligt, gleichzeitig der Silberhandlung aber untersagt, ihren bisherigen Namen weiterzuführen (Hofkammerverordnung vom 5.1. 1776). Günzburg und Hall wurden gleichzeitig ermächtigt, nunmehr von jedermann wieder Talersilber anzunehmen. Die Silberhandlung stellte nun auch die ihr ausgefolgten Freipässe zurück, in denen für die den beiden Münzhäusern im Jahre 1776 zu liefernden 166.666% Wiener Mark Feinsilber überall freier Durchzug verlangt worden war. Die für den Weiterbestand Günzburgs so wichtige Talerprägung aber war fast ganz lahmgelegt. Man griff zwar zu verschiedenen Auskunftsmitteln, um der wegen des Silbermangels drohenden Stillegung vorzubeugen, aber erfolglos. An Bergsilber waren seit der Errichtung der Münze bis Ende 1778 bloß 12.303 Mark 7 Lot eingegangen. Beteiligt waren an dieser Lieferung das Bergwerk Schau des Freiherrn von Beroldingen und der Witwe Litschgi (später Gebrüder L.), der k. k. Bergbau Rothenbach, das Gotteshaus St. Trudbert bei Freiburg in Baden, das durch Karl VI. 1719 wiedererweckt worden war, sowie die Privatbergwerke von Leonhard Degelen und Johann Mederspacher. Das meiste Bergsilber soll von der Abtei geliefert worden sein. 1780, im Todesjahr der Kaiserin, aber brachte ein Taler mit dieser Jahreszahl und den Münzbuchstaben S. F., den Initialen des Münzmeisters Tobias Johann Schöbl und des Wardeins Joseph Faby, die große Wendung und neuen Aufschwung. Es war dies der eigentliche Maria-Theresien- oder Levantinertaler, der heute noch vom Wiener Hauptmünzamt vom gleichen Stempel weitergeprägt wird. 8. Das 19. und die Anfänge des 20. Jahrhunderts Weder das vergangene noch das währende Jahrhundert bringen zum Thema „Metallversorgung" etwas Nennenswertes. Die Münzstätten in den Kronländern schließen eine nach der andern ihre Pforten. Nach dem Ausgleich von 1867 bleibt in jeder Reichshälfte nur mehr eine einzige Münzstätte, Wien und Kremnitz, übrig. Trotz des ungeheuren Geldumlaufes ist der Metallbedarf verhältnismäßig gering. Er wird natürlich in erster Linie aus den noch ausbeutefähigen einheimischen Bergwerken gedeckt; was fehlt, wird auf dem Metallmarkt angekauft. Das Silber wird langsam durch unedle Metalle ersetzt, durch Nickel und, während des Ersten Weltkrieges, durch Kupfernickel und Eisen. Die Hauptlast des Geldverkehrs übernimmt das Papier. Dukaten und die Goldstücke der Kronenwährung sind im binnenländischen Münzumlauf kaum mehr anzutreffen, noch weniger die 20- und 10-Franken-Stücke (8 und 4fl.). Nebenbei beginnt auch schon der 180

bargeldlose Verkehr eine bedeutsame Rolle zu spielen, der insbesondere bei größeren Transaktionen in Frage kommt, aber bereits vom Privatmann in Anspruch genommen wird, wobei hier in erster Linie an die Österreichische Postsparkasse, die erste ihrer Art, erinnert sei.

9. Österreichische „Neufürsten" Die Mehrzahl dieser Fürsten, besonders jene, die erst im 18. Jahrhundert meist zugleich mit ihrer hohen Würde auch das Münzrecht erhielten, entfalteten keine sehr intensive Prägetätigkeit und hatten daher keinen großen Bedarf an Münzmetall. Sie prägten, um ihr Münzrecht zu dokumentieren, das durch Nichtgebrauch wieder verlorengegangen wäre. Da es diesen Fürsten vor allem um die Repräsentation ging, besaßen sie — mit geringen Ausnahmen — keine eigenen Münzstätten, sondern ließen aus dem von ihnen gelieferten oder zum Teil auch vom Münzamt beigestellten Metall ihre Münzen prägen. Die bevorzugte Prägestätte für jene Fälle war die Wiener Münze. Hier ließen die Auersperg, die Batthyäny, die Colloredo-Mansfeld und die Esterhäzy prägen. Von allen diesen Familien verfügten jedoch nur wenige über eigene Bergwerke, und sie mußten daher das Münzmetall kaufen. Nur zwei waren im Besitz ergiebiger Bergwerke: die Grafen Schlik in Joachimstal und Albrecht von Wallenstein, über deren Montanbesitz im folgenden Kapitel zu sprechen sein wird.

B. Die Böhmische Ländergruppe 1. Böhmen Wie schon oben angedeutet, gesellt sich gleich zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu den bisherigen böhmischen Münzstätten eine neue, die wie das alte Kuttenberg ihr Entstehen der Entdeckung eines bislang unbekannten Bergsegens verdankt. Auf der böhmischen Seite des böhmisch-sächsischen Erzgebirges besaßen die Grafen Schlik bei Konradsgrün Bergwerke, die sie nach längerer Stillegung 1516 wieder auszubeuten begannen. Joachimsthal, die „Perle des Bergbaues", wie Graf Kaspar Sternberg den Ort nennt, blühte auf, als Kuttenbergs Bergbau langsam zu erlahmen begann. „Da in der Umgegend bereits ein Annaberg und Josdorf (Josephsdorf) bestanden, so hat man, um die Heilige Familie zu ergänzen, dieses Tal Joachimsthal genannt", sagt der Biograph dieses Bergwerkes, der „Pfarrherr des Bergbaus" und Verfasser zahlreicher bergmännischer Predigten, Johannes MATHESIUS, in seiner ,Sarepta oder Bergpostill' vom Jahre 1562. Aber nicht nur durch den Bergbau allein hat Joachimstal zu seiner Zeit Weltberühmtheit erlangt, sondern auch durch die an die Haller Guldiner Erzherzog Sigmunds von Tirol sowie an die sächsische Großsilbermünze anknüpfenden, seit 1519 geprägten Stücke, die als „Joachimsthaler" und schließlich auch einfach als „Taler" weithin bekannt und beliebt wurden. Diese Bezeichnung, die einer ganz neuen Münzgattung den Namen gab, lebt heute noch als „Dollar" weiter. Die Entdeckung sehr ergiebiger Silberlager in Joachimsthal bewog den Grafen Stephan Schlik, der später gleich seinem König Ludwig II. in der Türkenschlacht 181

bei Mohäcs (1526) fiel, gemeinsam mit seinen sechs Brüdern, an diesem Orte nicht nur eine Bergstadt zu gründen, sondern mit Bewilligung der böhmischen Landstände hier auch eine Münzstätte zu errichten. Doch sowohl Ludwig II. als auch dessen Schwager und Nachfolger in Ungarn und Böhmen, Ferdinand I. von Habsburg, versagten ihnen das Münzrecht. Ferdinand ließ 1528 auf einem Landtag zu Budweis die ständische Bewilligung in der „Landtafel" (öffentliches Buch) löschen, übertrug jedoch noch im selben Jahre den Grafen die Münzprägung in der Weise, daß sie im Namen des Königs ausgeübt wurde und diesem auch sämtliche Münzbeamten verpflichtet waren. Demnach waren die Schlik nur Münzlieferanten und gleichzeitig auch die Pächter der Joachimsthaler Münze. Als sie aber im Schmalkaldischen Krieg auf die Seite der Gegner der habsburgischen Brüder Karl V. und Ferdinand I. traten, verloren sie auch dieses Privileg. Überdies wurden sie eingekerkert: ihre Städte Joachimsthal und Elbogen mußten sie an König Ferdinand I. abtreten. Joachimsthal war und blieb damit bis zu ihrer Aufhebung eine kaiserliche Münzstätte. Ihr war allerdings kein langes Leben beschieden; sie wurde schon 1670 oder 1671 aufgelassen, da die Produktion der Bergwerke durch den Dreißigjährigen Krieg so sehr geschädigt worden war, daß sich ein eigenes Münzhaus hier nicht mehr rentierte. Seinerzeit hatte Joachimsthal den „Hauptpunkt eines Montangebietes" gebildet, „welches an 75 Quadratkilometer einnahm und im Westen den Bergbau von Alberthan, im Osten jenen von Dürenberg, im Nordosten Gottesgab umfaßte und bezüglich der Erzführung gewissermaßen das Herz und die Pulsader des reich gesegneten Erzgebirges war" (444). In dieser Gegend wurde bereits im 15. Jahrhundert Silber gewonnen; die großartigen Aufschlüsse, die die epochemachende Talerprägung sowohl auf der böhmischen als auf der sächsischen Seite des Gebirges (hier besonders zu Freiberg und Annaberg, Buchholz und Schneeberg) ermöglichten, fallen erst in den Anfang des 16. Jahrhunderts. Unter der Herrschaft der Schlik sollen um das Jahr 1526 in Joachimsthal und Umgebung an die 8000 Arbeiter beschäftigt gewesen sein. Graf Sternberg hat die von dem Joachimsthaler Bergbau von Anbeginn 1516 unter dem Besitze der Grafen Schlik und seit 1545 unter dem Besitze der königlichen Kammer bis einschließlich 1577 an die Gewerken verteilte Ausbeute oder Dividende in Talern oder rheinischen Gulden jahrweise nach Quartalen geordnet zusammengestellt (1129). Diese Ausbeute betrug im ersten Dezennium von 1516—1525 842.419 Taler, im zweiten von 1526—1535 1,429.336 und im dritten von 1536—1545 830.243, insgesamt also 3,166.998 Taler. Der Bergbau hatte demnach im zweiten Dezennium seine höchste Blüte erlebt; seit 1545 aber ging er langsam zurück, denn von 1545 bis einschließlich 1577 ergibt sich nur mehr eine Gesamtausbeute von 1,341.728 Talern, die unter die Inhaber der Kuxe verteilt wurden. In der Blütezeit dürften nicht weniger als 914 Zechen bestanden haben; von 1517—1560 gab es überdies 12 Erbstollen (Stollen, die Bergwerke unterfahren, das Wasser ableiten und frische Luft zuführen), die ihren Unternehmern an reiner Ausbeute 121.131 Taler eintrugen, so daß sich die Gesamtausbeute oder Dividende auf 4,629.858 Taler belief. Diesen Einnahmen stehen Bergkosten samt Schichtmeisterlohn für die Zeit von 1516—1577 von rd. 8,257.536 fl. gegenüber, ferner Hüttenkosten von rd. 1,313.312 fl. Die Hauptsumme, oder besser gesagt, der Gesamtgeldumsatz betrug demnach insgesamt rund 13,900.707 fl. Das sind gewaltige Summen, selbst für einen Zeitraum von ca. 62 Jahren. Da die feine Mark mit 9 % Taler ausgemünzt wurde, entspricht dies einem Aufwand an Feinsilber von 1,393.231 Mark und 12 Lot. Im Jahre 1585 hatte Ferdinand die dann auch auf andere Orte übertragene „Joachimsthaler Bergordnung" erlassen; drei Jahre vorher war Joachimsthal selbst zu einer könig182

liehen Bergstadt erhoben worden. Aber um diese Zeit begann, wie die eben angeführten Ziffern deutlich zeigten, die Ausbeute von Jahr zu Jahr geringer zu werden. Wurden etwa 1546 noch 92.394 Taler an die Gewerke ausgeschüttet, so waren es 1576 nur mehr 16.512. Der große Krieg aber versetzte, wie auch sonst im Königreich Böhmen, dem Joachimsthaler Bergwerk einen so schweren Schlag, daß es sich nicht mehr erholen konnte. Ähnlich war es auch Kuttenberg ergangen, das sich von den durch die Hussiten erlittenen schweren Schäden nie mehr ganz erholen konnte. Kaum aber war diese Schrekkenszeit überstanden, als 1495 ein besonders gegen den Berghofmeister Michael Smisek von Vrchovist gerichteter Aufstand der Bergleute einen neuerlichen Rückschlag herbeiführte. Drei Jahre später haben die Münzamtleute gebeten, ihnen wegen Armut der Bergwerke den jährlichen Beitrag zum Aufbau des Prager Schlosses (Hradschin) sowie den zum Kaufschilling für Kolin und Podiebrad nachzusehen. Bald darauf dürfte sich die Produktion jedoch wieder erheblich gebessert haben; zum mindesten hören wir, daß im Jahre 1523 13.498 Mark Bergsilber in die Münze eingeliefert wurden. Wie die Münzamtsrechnungen erweisen, scheinen aber um diese Zeit nur mehr wenige „Prager Groschen" geprägt worden zu sein, dafür aber um so mehr Kleinsilbermünzen. Die Prager Groschen, die ehedem eine bedeutende geldgeschichtliche Rolle gespielt hatten (s. unten S. 314), waren nämlich durch die Einführung des Talers und seiner Teilstücke so stark in den Hintergrund gedrängt worden, daß sie um die Mitte des 16. Jahrhunderts überhaupt aufgelassen wurden. Der Dreißigjährige Krieg brachte für Kuttenberg einen neuerlichen Rückschlag. Außer der Münzzerrüttung der Kipperzeit fügten wiederholte Okkupationen und Brandschatzungen durch Sachsen und Schweden der Stadt schwere Schäden zu: Gewerken und Bergleute flohen oder wanderten überhaupt aus. Als 1653 ein Teil der geflüchteten Einwohner wieder heimkehrte, gab es in der Stadt 453 ganz verlassene, nahezu demolierte Häuser. Erst 1654 konnte die Münzprägung wiederaufgenommen werden. Im Jahre 1726 aber wurde der Kuttenberger Münzbetrieb nach einem halben Jahrtausend ununterbrochener Tätigkeit endgültig aufgelöst. Die Bergwerke hatten längst ihre Ergiebigkeit eingebüßt, die Ausbeute reichte zur Beschäftigung einer eigenen Münzstätte nicht mehr aus, und so wurde deren Auflösung beschlossen. Von nun an war Prag die einzige Münzstätte des Landes, wohin nun auch das Silber abgeliefert wurde. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, daß die Prager Groschen sich zwar in der Umschrift selbst als Grossi Pragenses bezeichneten, aber mit Ausnahme einiger weniger Jahre der Regierung Ferdinands I. nie in der böhmischen Landeshauptstadt, sondern zu Kuttenberg geprägt wurden. Zur Zeit der Luxemburger war Prag nur Goldmünzstätte, die überhaupt kein anderes Metall verwendete, außer zur Zeit der Hussiten, die nicht nur in Kuttenberg, sondern auch hier in Prag riesige Mengen einseitiger Kupferheller prägen ließen. Die wenig umfangreiche Goldprägung dauerte auch noch unter Ludwig I. (in Ungarn II.) an. Dann wurde die Münzstätte eine Zeitlang geschlossen und erst 1540, veranlaßt durch die Entdeckung von Silberminen in Stfibrnä Skalice im Kreis Böhmisch Brod (östlich von Prag, halben Weges zwischen diesem und Kolin), neu errichtet. Eine Instruktion regelte die Silber- und Goldeinlösung für Prag. Von der Verpflichtung, Metall an Prag abzuliefern, war das Joachimsthaler und Kuttenberger Silber ausgenommen, da man dieses für die dortigen Münzhäuser benötigte. Demnach stammte das Prager Münzmetall hauptsächlich aus dem Gold- und Silberpagament sowie aus dem Edelmetall der übrigen böhmischen Bergwerke. In ihren Anfängen wurde die Prager Münzstätte auch noch aus den reichlichen Silbererträgen der Umgebung von Budweis versorgt. Eine Pestepidemie in der Landeshaupt183

Stadt, die auch unter den Beamten des Münzgebäudes so manches Opfer forderte, hatte zur Folge, daß 1569 in Budweis eine neue Münzstätte eingerichtet wurde, während die Prager Münze immer mehr verfiel. In den Jahren 1569 bis 1571 konnten nur mehr kleine Münzsorten ausgebracht werden. Man dachte schon an eine Schließung der Münze, was jedoch unterblieb, als Kaiser Maximilian II. gleich seinem Vater Ferdinand I. Prag zu seiner Residenz erkor. Der Kaiser und die böhmische Kammer nahmen die Münze in ihren Schutz. Mit der Wiederausmünzung von Talern 1573 kamen wieder bessere Zeiten. Das Silber bezog Prag hauptsächlich aus Pfibram und aus Nikolsburg in Mähren, das Gold aus Eule und Knin. Aber die größte Hilfe brachte ein Kaufmann aus Nürnberg, der berüchtigte Erzaufkäufer Bartholomäus Albrecht, der seit 1580 Gold und seit 1588 Silber in genügender Menge lieferte, bis er 1595 in Nürnberg verhaftet wurde. Wegen seiner üblen Praktiken wurde ihm der Prozeß gemacht, der indessen im Sande verlaufen zu sein scheint. Unter den Prager Münzmeistern dieser Zeit ragt insbesondere Lazarus Ercker von Schreckenfels, ein Kind des sächsischen Erzgebirges, hervor. Nicht nur, daß unter seiner Leitung die Prager Münze die größte Produktionsziffer erreichte, stieg er auch als Bergund Hüttenmann zur Berühmtheit empor. Daß er und Albrecht einander nicht vertrugen, ist fast selbstverständlich. Aber die Unstimmigkeit beruhte wohl vor allem auf einem gewissen Konkurrenzneid, denn auch der sonst so wohlgeachtete geistige Nachfolger Georg Agrícolas verschmähte es nicht, sich in seiner amtlichen Tätigkeit falscher Gewichte und minderer Metalle zu bedienen, woraus ihm jedoch keine Unannehmlichkeiten erwuchsen. Ercker mußte nur der Stelle eines Oberst-Bergmeisters entsagen. 1594 ist er gestorben. Von Prag nahm dann auch mit dem Fenstersturz von 1618 nicht nur der Dreißigjährige Krieg, sondern auch die unheilvolle Zeit der „Kipper und Wipper", die große metallene Inflation, ihren Ausgang. Schuld an diesen wirtschaftlichen Wirren, die bekanntlich mit einem 87%igen Staatsbankrott endigten, war nicht zuletzt der Umstand, daß schon lange vor Ausbruch der böhmischen Revolution deutsche Bergleute, deren Ahnen dank ihrer Berufung durch die böhmischen Könige dem Lande die Segnungen eines fachmännisch geleiteten Bergbaues erschlossen hatten, nunmehr aus konfessionellen wie auch aus nationalen Gründen verfolgt und ausgewiesen wurden. Der dadurch bedingte katastrophale Mangel an Edelmetall und die sukzessive zu fast astronomischen Höhen emporkletternden Metallpreise führten dann zwangsläufig zu einer Münzverschlechterung größten Ausmaßes. Der auf böhmischem Boden um die Erhebung Friedrichs von der Pfalz zum (Winter-)König entbrannte große Krieg verschlang unvorstellbare Geldsummen, für die weit und breit kein Metall vorhanden war. „Die Schmelztiegel fraßen alles weg, was aufzutreiben war." Kaiser Ferdinand II. verpachtete die Prager Münze an den Amsterdamer Hans de Witte, der sein und Wallensteins Bankier war, aber schließlich, als ihm alles über den Kopf wuchs, durch Selbstmord endete. Der Holländer durfte, obwohl Kalvinist, in Prag bleiben, weil er ein sehr fähiger Mann war. Er bildete mit einer Reihe prominenter Persönlichkeiten, unter denen sich auch Wallenstein befand, ein Münzkonsortium; aber der totale Zusammenbruch der Wirtschaft und des Münzwesens war ebensowenig aufzuhalten, wie der unersättlichen Habsucht und Geldgier der großen Herren, die das kaiserliche Vertrauen schmählich mißbrauchten, ein Damm entgegengesetzt werden konnte. Insbesondere Wallenstein, Karl von Liechtenstein und der besondere Günstling des Kaisers, der Steirer Fürst Johann Ulrich von Eggenberg, haben sich damals eine traurige Berühmtheit erworben. Die 1569 neu errichtete, aber 1611 schon wieder aufgelassene Münzstätte Budweis wurde aus den südböhmischen Bergwerken in ihrer Umgebung, vor allem aus denen bei 184

Rudolfstadt und Adamstadt, und überdies noch aus der Bergstadt Ratiboritz bei Tabor mit Silber versorgt. Eine alte Medaille meldet, daß von 1547—1593 in Rudolfstadt nicht weniger als um rund 160.165 Mark produziert worden sei. Ein Budweiser Archivauszug berichtet für die Zeit von 1547—1601 1,670.809 Mark, währendin Joachimsthal von 1516—1601 1,305.794, in Kuttenberg innerhalb von 80 Jahren 1,200.000 Mark erzeugt worden seien. Der prachtliebende Fürst Adam Franz von Schwarzenberg ließ in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts aus seinem Bergwerk bei Ratiboritz dem Wiener Münzamt ein sehr goldhaltiges Silber im Gewichte von 120 Mark übergeben, woraus 1000 Reichstaler und 662 Dukaten geprägt wurden. Auch später noch haben dieser Fürst und seine Nachfolger aus diesem Bergwerk, das aus dem 1719 angetretenen Erbe nach dem letzten Fürsten von Eggenberg an die Familie gekommen war, Silber an die kaiserliche Münzstätte in Wien geliefert. Falls sie das Metall nicht zur Prägung eigener Münzen benötigten, haben sie es verkauft. Durch das reiche Eggenbergische Erbe waren sie also der Sorgen um die mitunter sehr leidige Silberbeschaffung enthoben. Trotz seiner Bemühungen um möglichste Konzentration konnte Ferdinand II. dem mächtigsten Mann in einem Staat, Wallenstein, als Angehörigen der Reichsstände und als Herzog von Friedland in Böhmen und von Sagan auch in Schlesien das Münzrecht nicht versagen. Wallenstein münzte sowohl in Sagan als auch zu Gitschin (Jicin) in Nordböhmen. Das nötige Silber bezog er hauptsächlich aus seinen eigenen Bergwerken, besonders im Friedländer Herzogtum. Er betrieb eifrig den Abbau, führte sogar nach dem Vorbild der Joachimsthaler eine eigene „Herzoglich Friedländische Bergordnung" ein und gründete überdies eine „Herzoglich Friedländische Erzkaufshandlung". Geschürft wurde hauptsächlich auf Silber und Kupfer. Das Hauptrevier lag im Gebiet der Herrschaften Hohenelbe und Starkenbach, dicht um Hohenelbe selbst (auch im Bergbereich der Schneekoppe lagen Silber- und Kupfer-Fundstellen) und um Rochlitz. Hier hatte der Organisator des gesamten Bergbaubetriebes, Jan de Witte, der selbst einer der Gewerken war, eine neue Schmelzhütte errichten lassen. Da eine vom Kaiser genehmigte Entscheidung der Hofkammer ausdrücklich gestattete, daß sowohl Gewerken als Verleger, ja sogar alle Einwohner der Bergstädte Joachimsthal, Platten, Gottesgab und Bleistadt weiterhin ihrem evangelischen Glauben anhängen durften, fand de Witte „bei den nichtkatholischen Gewerken, die er warb, besseres Gehör" (225 a). Der größte Teil der gewonnenen Erze ging in die herzogliche Münze nach Gitschin, den Rest übernahm de Witte zum Vertrieb in der Erzkaufshandlung. Ein Teil des Prägematerials wurde indessen durch den Ankauf von Gold- und Silberpagament, Kleinodien, hauptsächlich aber von entwerteten Münzen beschafft. 2. Mähren Vom äußersten Westen dieses Landes, von Iglau, ist bekanntlich das deutsche Bergrecht ausgegangen. Die Sentenzen des Iglauer Schöffenstuhles, die man sich auch aus weit entlegenen Gegenden schriftlich und mündlich erbat, waren richtunggebend. Das Ansehen, dessen sich Iglau bis in die neuere Zeit im Hinblick auf sein Bergrecht erfreute, genoß auch der Bergbau in seiner Umgebung. Noch im 16. Jahrhundert gab es fast 100 Grubenbetriebe; dann allerdings kam es auch hier zum Verfall. „Alle Versuche, die alten Edelmetallbergbaue Mährens, wie die von Tisnovitz, Fulneck, am Hostein, Goldenstein, Altstadt, Hangenstein, Braunseifen, Friedrichsdorf, Jamnitz, Groß-Wister185

16. Stände von Mähren. Taler 1620, Olmütz, Christoph Cantor (C—C)

nitz, Johnsdorf, Pohof wieder zu beleben, schlugen trotz der großen Entwicklung der montanistischen Technik fehl" (580). Für die mittelalterliche Münzung, die etwa die schon erwähnten mährischen Teilfürsten und auch einige Städte entfalteten, war jedenfalls noch genug Silber vorhanden. Dann ruhte in Mähren die Münze für mehr als ein Jahrhundert. Erst unter den Kaisern Ferdinand II. und III. wurden im Lande zu Olmütz, Brünn und Nikolsburg für kurze Zeit wieder Münzstätten errichtet, von denen die zu Olmütz und Brünn schon von dem Ständischen Direktorium (1619/21) errichtet worden waren. In seinem Schloß zu Nikolsburg prägte 1627/28 der Kardinal Franz von Dietrichstein, Bischof von Olmütz, der damals in seinem eigenen Gebiet infolge von Unruhen nicht münzen konnte, Groschen und Kreuzer nach kaiserlichem Typus. Das Bistum Olmütz, das einzige geistliche Fürstentum neben Salzburg, das, wenn auch mit zeitlichen Unterbrechungen, ansehnliche Münzreihen herausgab, hatte seine Münzstätte in Kremsier. Der Ankauf von Pagament war den Fürstbischöfen wiederholt verboten, die Verwendung von Gold und Silber aus den selbst bebauten Bergwerken nach Abzug des landesfürstlichen Anteiles jedoch gestattet worden. Sie durften auch ungeschmolzenes wohlkennbares Bruch- und Fadensilber und Gold aus dem Auslande einführen und im Olmützer und Prerauer Kreise einkaufen (628). Diese Einschränkungen sind wohl darauf zurückzuführen, daß das Bistum Olmütz nicht wie Salzburg ein eigenes geschlossenes Territorium, sondern eine Enklave in Mähren bildete. Es erfolgte also — mit Ausnahme von Olmütz — in Mähren seit Beginn der Neuzeit keine regelrechte und dauernde Münzung. Es galten hier natürlich die in böhmischen oder anderen kaiserlichen Münzstätten geprägten Stücke ebenso wie in ihren Ursprungsgebieten. Daß es überhaupt kaiserliche Münzstätten in Mähren gab, ist wohl nicht zuletzt fiskalischen Erwägungen zuzuschreiben. Es war ja die berüchtigte „Kipperzeit", als der Kardinal Franz von Dietrichstein, damals Statthalter des Landes, die Münzhäuser Olmütz und Brünn 1631 zunächst für ein Jahr an ein jüdisches Konsortium verpachtete. Diesem folgte der Betrieb Hans de Wittes 1622/23, dem andere Pächter bis 1633 folgten. Sowohl die Kipperzeit verlangte infolge der Minderwertigkeit ihrer Sorten eine erhöhte Zahl von Münzstätten als auch der 1624 vollzogene Übergang zu guthaltigen Kleinmünzen, die in rauhen Mengen geschlagen werden mußten, um die eingezogene Kippermünze schnellstens durch gute zu ersetzen. Woher diese mährischen Münzstätten indessen ihr Silber bezogen, war bisher im einzelnen nicht nachzuweisen.

186

3. Schlesien Ein ansehnlicher Teil der reichen Gebiete dieses Landes war 1526 zugleich mit Böhmen und Mähren an Ferdinand I. gefallen. Eine Kammer in Breslau besorgte die Verwaltung. Schlesien stand seit alters mit dem benachbarten Polen, woher ja auch die mittelalterlichen schlesischen Landesfürsten, die Piasten, stammten, in lebhaftem Handelsverkehr. Polen aber besaß seiner minderwertigen Münzen wegen in den angrenzenden Gebieten, also Schlesien, Böhmen und Oberungarn, einen schlechten Ruf; auch die in einigen Landesteilen noch herrschenden Piastenherzöge, die in Schlesien münzten, machten sich des gleichen Vergehens schuldig. Um dem entgegenzuwirken, genehmigte König Ferdinand 1530 auf Einschreiten der schlesischen Länder die Errichtung einer eigenen Landesmünzstätte, aber nur unter der Bedingung, daß lediglich ein Viertel des zur Vermünzung gelangenden Silbers in kleinen Sorten ausgeprägt werden dürfe; hinsichtlich des Ortes hatte man zwischen Schweidnitz und Breslau zu entscheiden. 1532 wurde dann ein Münzhaus zu Breslau eröffnet, gleichzeitig die Gold- und Silberausfuhr verboten und die Einlieferung von Pagament in die neue Münzstätte zu einem bestimmten Tarif angeordnet. 1546 wurde die Münze im Breslauer Königshof untergebracht. Neben dieser Hauptmünzstätte wurden im Laufe der Zeit noch andere eingerichtet. Die wichtigsten waren Brieg (1677—1704), Glatz (1626—1690), Oppeln (1624/25 und 1668—1704) und schließlich Teschen (1642/55). Sie wurden von den Kaisern oder von ihren Söhnen, die bereits zu Königen von Böhmen gekrönt worden waren, betrieben. Das Bistum Breslau münzte in Neiße, die verschiedenen plastischen Fürsten in ihren Hauptstädten. Damit war ein relativ kleines Gebiet von einem ganzen Netz von Münzstätten überzogen, von denen die kaiserliche insoferne einen schweren Stand hatte, als sie der Vorschrift gemäß münzte, während die kleinen Fürsten aus der Prägung ein Geschäft machten und durch ihre mehr oder minder unterwertigen Münzen die besseren aus dem Verkehr drängten. Wie im benachbarten Mähren galt auch in Schlesien der ältere Bergbau fast ausschließlich den Edelmetallen. Seine Spuren gingen, wie erwähnt, bis ins 12. Jahrhundert zurück. Eine alte Überlieferung berichtet, daß er sehr ergiebig gewesen sei. Am Querberge bei Zuckmantel im edelmetallreichen Altvatergebirge besaßen die Bischöfe von Breslau ein reiches Goldbergwerk, dem begreiflicherweise ihre besondere Obsorge galt. Als Zeichen dieses Bergsegens übersandte Bischof Andreas Jerin (1585—1596) an Kaiser Rudolf II. zwei Goldstufen im Gesamtgewichte von über 11 Mark (etwas mehr als 2 kg, wenn man die spätere Breslauer Mark zu 187.024 g als Grundlage nimmt). Ein blühender Silber- und Bleibergbau befand sich im 16. Jahrhundert bei Benisch; weitere Edelmetallbergbaue gab es an zahlreichen anderen Orten, deren Anführung hier zuviel Platz beanspruchen würde. Es seien von ihnen daher nur Würbental, Engelsberg, Freiwaldau (im Altvatergebirge) und das Revier von Tarnowitz genannt. Über die Metallversorgung der Münzstätten in Schlesien sind wir verhältnismäßig gut unterrichtet. Während im Reich die Bergwerkbesitzer unter den Fürsten ihren Vorteil erkannt hatten, ausschließlich oder wenigstens hauptsächlich das auf ihren Besitzungen geförderte Edelmetall zu vermünzen, da in diesem Falle sie den Preis bestimmten, mußte in Schlesien mit wenigen Ausnahmen mit angekauftem Metall gearbeitet werden. Da es nicht möglich gewesen war, das in alten Zeiten allzu freigebig verliehene Münzrecht ausschließlich auf die Bergwerksbesitzer unter den Fürsten zu beschränken, beschloß 1570 der Reichstag zu Speyer, daß in jedem der zehn Reichskreise je nur 3—4 Münzstätten gestattet sein sollten. „Doch soll denjenigen Ständen, so eigene Bergwerk haben, auch sondere Münzen daneben zu halten . . . zugelassen sein." Dieser Beschluß 187

wurde 1571 durch den Frankfurter Reichsdeputationsabschied dahin erläutert, „daß die Münzherren, so eigene Bergwerk haben, auf ihren sonderen Münzen nur dasjenige Gold und Silber, soviel daselbsten gewonnen, zu vermünzen unverboten, aber sonsten alles ander erkauft oder sonsten an sich gebrachte Gold und Silber sollen sie, wie andere Stände auf den . . . Kreis-Münzstädten vermünzen zu lassen schuldig sein" (402/11). Eine gut gemeinte, aber wegen der unstillbaren Habsucht dieser Münzstände undurchführbare Verordnung. Kaiser Ferdinand II. gelang es dann, das Münzrecht der schlesischen Fürsten mehr und mehr zu unterbinden. Er und seine Nachfolger sorgten eifrig dafür, „daß kein Stand mehr seines Münzwesens froh wurde". Dieses Vorgehen war durchaus begreiflich, denn im Gegensatz zu den altösterreichischen Ländern und auch zu Böhmen, Mähren und Ungarn war Schlesien monetär ganz zersplittert, der Geldverkehr infolge des Fehlens einer einheitlichen, im Lande selbst geprägten Münze ungemein erschwert und überdies durch die Infiltration mit geringhaltigen polnischen Münzen arg bedroht. Nach Wallensteins Tod konnte der Kaiser zwar die Wiederaufnahme der Prägung in den schlesischen Fürstentümern Liegnitz, Oels, Teschen, Neiße und Oppeln auf die Dauer nicht verhindern. Es wurde nicht nur streng an der vorschriftsmäßigen Ausprägung der Münzsorten festgehalten, sondern den Münzherren, wo man nur konnte, die Ausübung ihrer Tätigkeit und der Ankauf von Silber erschwert. „Während man aber Wallenstein höflich erinnerte, daß er für Silber einen höheren Preis bezahle als die Böhmische Kammer, sperrte man dem Christian Ulrich von Württemberg-Oels strafweise sein Münzhaus auf sechs Monate" (267). Wie schon erwähnt, kamen für das Münzwesen in Schlesien insbesondere die Goldbergwerke des Altvatergebirges und bei Reichenstein sowie die Tarnowitzer Silbergruben in Betracht. Der Reichenstein diente nacheinander den Herzögen von Oels, den Herren von Rosenberg und den Fürsten von Liegnitz-Brieg, während die Tarnowitzer Gruben zum Herzogtum Jägerndorf gehörten. Die kaiserliche Regierung hat wiederholt versucht, den schlesischen Fürsten das Bergregal abzuerkennen. Dies wird begreiflich, wenn man bedenkt, daß selbst die reichsten schlesischen Bergwerke sogar in ihren besten Zeiten den Bedarf der Münzstätten nicht zu decken vermochten, so daß man in hohem Maße auf den Silberhandel angewiesen war. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts schufen die Verhältnisse sogar einen eigenen Berufszweig, den „Silberjuden". Was den Besitzwechsel am ertragreichen Reichenstein (der Berg trägt seinen Namen zu Recht) anlangt, so waren die Herzöge von Münsterberg-Oels im 16. Jahrhundert immer tiefer in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im Bereiche des plastischen Fürstenhauses war dies nichts Ungewohntes, denn schon im Mittelalter hatte wüste Verschwendung mehrere schlesische Herzöge zu Bettlern gemacht. Wie es auf ihren Höfen zuging, hat der Zeitgenosse und Biograph Heinrichs XI. von Liegnitz, der Junker Hans von Scheinichen, in seiner Selbstbiographie mit derber Anschaulichkeit geschildert. Die Münsterberger waren Nachkommen des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad. Herzog Johann soll „durch Errichtung einer bettlerischen Gesellschaft, die Raubbau getrieben und insbesondere die Holzbestände verwüstet" habe, nach dem Zeugnis seiner Neffen Heinrich und Karl das meiste zum Verfall des Reichensteines beigetragen haben. Die Herzoge waren daher gezwungen, diese Bergwerke, deren Ertrag auch aus natürlichen Ursachen nachgelassen hatte, dem reichen böhmischen Edelmann Wilhelm von Rosenberg zu verkaufen. Dieser und sein Bruder und Nachfolger Peter Wok, mit dem 1611 das Geschlecht ausstarb, prägten aus der Ausbeute des Reichensteins gleich ihren Vorgängern Goldmünzen. 188

Die Bischöfe von Breslau hatten 1515 von Kaiser Maximilian I. das Recht der Goldprägung erlangt. Das Material bezogen sie aus ihren Bergwerken im Altvatergebirge, namentlich bei Zuckmantel, wo sogar sich zeitweise, neben jener bischöflichen Residenzstadt Neiße, eine eigene Münzstätte befand. Ein Stollen im Zuckmanteler Revier hieß bezeichnenderweise „Münzmeisterstollen", wohl deshalb, weil sein Ertrag zur Besoldung der Beamten diente. Die Münzstätten einiger weltlicher schlesischer Fürsten waren noch bis ins 18. Jahrhundert hinein tätig, so jene der Fürsten von Liechtenstein in Troppau (und auch in Wien) oder die von Münsterberg-Oels hauptsächlich in Oels. Auch einige schlesische Städte, wie Breslau, hatten zeitweilig das Münzrecht ausgeübt. Mit dem Tode Karls VI. und der Eroberung Schlesiens durch Preußen hörte die österreichische Prägung in diesem Lande endgültig auf. Im Jahre 1743 prägte Friedrich II. in Breslau die ersten Münzen mit seinem Bildnis.

C. Die angarische Ländergruppe 1. Ungarn Da Ofen sich auf die Dauer gegen die Türken nicht halten konnte, wurde nach Auflassung der Ofner Münzstätte im Jahre 1531 Kremnitz die Hauptmünzstätte Ungarns. Kremnitz galt auch als die „Goldstadt" des Landes und hatte im Gebiet der sieben niederungarischen Bergstädte den Vorrang. Der schwache Jagellonenkönig Wladislav II. hatte sie in seiner chronischen Geldnot an ein Konsortium verpachtet, das aus den mächtigen Augsburger Fuggern und dem Zipser „Bergwerkspionier im Karpatenraum", Johann Thurzö de Bethlenfalva, bestand. Nach dem Tode Johann Thurzös zog sich seine mit den Fuggern versippte Familie langsam zurück, so daß schließlich über den „Ungrischen Handel" nur mehr die Fugger, an ihrer Spitze Jakob der Reiche und nach seinem Tod 1525 sein Neffe Anton, bis 1546 geboten. Dies mißfiel den ungarischen Magnaten außerordentlich, die die „fremden Eindringlinge" mit allen Mitteln bekämpften. Die inneren Zustände des Landes trieben einer Katastrophe entgegen. Eine Münzverschlechterung hatte die Unzufriedenheit im Lande noch mehr geschürt. Diese „moneta nova" erregte allgemeine Erbitterung und löste gerade an ihrem neuralgischen Punkt, nämlich in den niederungarischen Bergstädten, so schwere Unruhen unter den Bergknappen aus, daß die Produktion gefährdet war. Nicht genug an dem: die Krise war überdies mutwillig zu einem Zeitpunkt heraufbeschworen worden, in dem es um die Existenz des Landes ging. Bei Mohäcs verlor der junge König Ludwig II. Schlacht und Leben. Das in Kremnitz, Ofen und Hermannstadt ausgeprägte Gold hätte, richtig verwendet, diesen für das ganze Abendland furchtbaren Schlag vielleicht noch abwenden können. Durch das Aussterben der Jagelionen ergab sich eine ganz veränderte politische Lage. Infolge des 1515 zu Wien zwischen den Häusern Habsburg und Jagello abgeschlossenen wechselseitigen Ehe- und Erbvertrages trat Ferdinand I., damals noch Erzherzog, als Gemahl der ungarischen Prinzessin Anna, der Schwester Ludwigs, in dessen Rechte in Ungarn wie in Böhmen ein. In Ungarn erstand ihm sogleich ein Gegenkönig in dem Haupte der Nationalpartei, Johann Zäpolyai, Grafen von der Zips und Woiwode von Siebenbürgen (f 1540), der sich in dem nun entbrennenden Zweifrontenkrieg Ferdinands 189

17. Siebenbürgen, Kronstadt, Nottaler 1612, Kronstadt (C—B = Civitas Brassov)

gegen Osmanen und Gegenkönig sogar immer wieder des niederungarischen Montangebietes bemächtigen konnte. Nicht geringe Schwierigkeiten erwuchsen dem jungen Herrscher überdies in seinem Streite mit seiner durch den Tod Ludwigs verwitweten Schwester Maria, denn ihr gehörten die genannten Bergwerke als Witwengut. Diese Zwistigkeiten konnten erst 1548 zu Augsburg durch Vermittlung des kaiserlichen Bruders, Karl V., durch eine „Concordia" bereinigt werden. Nun erst war Ferdinand im Vollbesitz der Einkünfte aus den Bergwerken (die Fugger hatten sich 1546 aus Ungarn zurückgezogen) und damit auch der Kremnitzer Münzstätte, die durch ihre reiche Goldprägung in der Zukunft nicht wenig, wenn nicht sogar nahezu alles zu den Tributzahlungen an die Türken beitrug. Trotz dieses konstanten Aderlasses blieb diese Goldprägung auch in den folgenden Jahrhunderten beträchtlich, da sie auf den Erträgnissen der Goldgruben beruhte. Auch Silber war genug vorhanden, besonders in der „Silberstadt" Schemnitz und ebenso in der „Kupferstadt" Neusohl, deren weltberühmtes Kupfer stark silberhältig war. Ferdinand I. hatte seit 1548, als er dank der „Concordia" endlich freie Hand in den niederungarischen Bergstädten erhielt, hier Reformen eingeleitet, um insbesondere in Kremnitz den Betrieb zu sichern und damit die stark angespannten Einkünfte zu vermehren. 1550 wurden vor allem Maßnahmen gegen die Verschwärzung von Gold und Silber erlassen und den sieben Bergstädten die Ausfuhr von Edelmetall, das ausschließlich an die Kremnitzer Münze abzuliefern war, unter Androhung schwerer Leib- und Geldstrafen verboten. Kremnitz nahm infolgedessen, wenn auch nicht mehr im gleichen Ausmaße wie zur Zeit der Anjou, die alte Tradition der Goldmünzung wieder auf. Die mit dem Prägezeichen K. B. (Körmöcbänya=Kremnitz) versehenen Dukaten, wie die früheren Goldgulden nunmehr genannt werden, besitzen dadurch ein besonderes Zeichen der Güte und Verläßlichkeit. Sie repräsentieren den „ungarischen Dukaten" schlechthin, obwohl auch Nagybänya und durch kurze Zeit auch Hermannstadt in Siebenbürgen in bescheidenem Umfange solche Münzen ausprägten. Dieses Nagybänya ist die zweite Münzstätte in Oberungarn. Sie stammt noch aus der Zeit des ungarischen Nationalstaates und wurde gleich Kremnitz und Hermannstadt sowohl vom rechtmäßigen König als auch vom Gegenkönig benützt. Das Münzhaus in Nagybänya und Kaschau, wo Ferdinand nur ganz kurz münzte, wurde erst 1574 unter Maximilian II. wiedereröffnet. Dafür war die Münze in Preßburg, wo die Königinwitwe Marie auf ihrer Flucht nach Wien eine Zeitlang gemünzt hatte, 1530 eingestellt worden. Erst im 17. Jahrhundert wurde sie wieder für einige Jahrzehnte in Betrieb gesetzt. Kremnitz erhielt seinen Metallbedarf aus dem niederungarischen Montanbezirk, Nagybänya, das seinen Betrieb bis 1828 aufrechterhielt, bezog ihn aus den Gruben von Nagy- und

18. Siebenbürgen, Leopold I. Dukaten in Form eines Halbmondes, 1694 Klausenburg (CV)

Felsöbänya, also aus der nächsten Umgebung. Insbesondere der Abbau der Königsgrube (fodina regis) wurde gefördert. Aber trotz aller Sorgfalt verfielen die sehr wassernötigen Gruben, was bei dieser an der Peripherie des Landes gelegenen Münzstätte besonders unangenehm war, da ihr Betrieb ausschließlich vom lokalen Bergsegen abhing. Die Edelmetallproduktion in diesem Montangebiet, zu dem seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts auch das in Siebenbürgen gelegene Kapnik trat, wies im Laufe der Zeit starke Schwankungen auf, war aber überhaupt nie besonders groß. Man mußte daher, um den Münzbetrieb aufrechterhalten zu können, der anderseits für die Unterhaltung der Bergwerke wichtig war, immer wieder zum Handkauf von Edelmetall greifen. Das gleiche gilt für die beiden Nebenmünzstätten Kaschau und Preßburg, die kein unmittelbares Bergwerkshinterland besaßen. Schmöllnitz hingegen, das zum sogenannten „oberungarischen" Montanbezirk gehörte, prägte seit der Einführung der Kupfermünzen unter Maria Theresia auch für fremde Gebiete, wie Böhmen, Galizien und die Lombardei, in außerordentlich großen Mengen. Hier gewährte das Hinterland das erforderliche Metall in zureichendem Ausmaße. 2. Siebenbürgen Sichere Nachrichten über die Existenz einer Münzstätte in diesem Lande besitzen wir erst aus der Zeit König Sigismunds, unter dem in Hermannstadt geprägt wurde. Im 16. Jahrhundert haben dann die beiden Gegenkönige Ferdinand I. und Johann Zäpolyai hier münzen lassen, dieser von 1538—1540, jener von 1551 — 1556. Im letztgenannten Jahre beginnt dann mit dem Sohne Zäpolyais Johann II. Sigmund, zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter, Isabella von Polen, die autonome Prägung der siebenbürgischen Wahlfürsten, die je nach der politischen Lage an den verschiedensten Orten in- und außerhalb von Siebenbürgen münzten. In Siebenbürgen geschah dies in Hermannstadt, Kronstadt, Fogaras, Klausenburg, Weißenburg (das spätere Karlsburg) und Schäßburg; außerhalb der Landesgrenzen in Kremnitz, Nagybänya, Kaschau und Munkäcs in Oberungarn; unter Gabriel Bethlen sogar zu Oppeln-Ratibor in Schlesien. Alle diese ständigen oder kurzfristigen Münzstätten bezogen ihr Metall außer durch Handkauf natürlich von ihnen zunächst liegenden Bergwerken. Der Edelmetallreichtum Siebenbürgens wurde schon oben (S. 166) erwähnt. Hervorzuheben ist daher aus der Fürstenzeit nur die außergewöhnlich reiche Goldprägung; Michael Apafi ließ sogar 100-Dukaten-Stücke prägen. Die pracht- und prunkliebenden Fürsten ließen Goldprägungen in verschiedensten Formen vornehmen: 191

19. Siebenbürgen, Leopold I. Sechseckiger Dukaten 1695, Klausenburg ( K V )

neben dem gewohnten Rund kommen Vier- und Sechsecke, Sterne, Halbmonde vor (die beiden letzten Formen erst nach dem Übergang des Landes an Kaiser Leopold I.). Das Gold beherrschte sichtlich das ganze Münzwesen, denn man brauchte es nicht zuletzt, um damit gleich dem Kaiser den dem türkischen Großherrn zu Konstantinopel schuldigen Tribut zu entrichten. Die Fürsten begünstigten natürlich den Bergbau, der bekanntlich in der Südwestecke des Landes, im „Siebenbürgischen Erzgebirge", konzentriert war und reichste Erträgnisse abwarf. Hier wurde sowohl bergmännisch abgebaut als auch noch immer, und zwar in großem Ausmaß, Goldwäscherei betrieben. Es sei hier an die Orts- und Flußnamen mit -aranyos erinnert. Privilegien der Fürsten für ihre Bergstädte und Schutz für die Gewerken wirkten sich äußerst günstig aus. Auch Leopold I. und seine Nachfolger ließen sich den siebenbürgischen Edelmetallbergbau sehr angelegen sein, um so mehr, als mit dem Ende der Fürstenzeit ein gewisser Rückgang in den Erträgnissen der stark abgebauten Bergwerke eingetreten zu sein scheint. Maria Theresia war schließlich ein neuer Aufschwung, insbesondere in der Goldgewinnung, zu verdanken. Eine eigene Medaille vom Jahre 1747 feierte mit Recht ihre „Leges metallurgicae in Transilvania restitutae". 3. Kroatien Ein typisches Beispiel für den innigen Zusammenhang zwischen Bergsegen und Ausmünzung an Ort und Stelle ist trotz ihres episodenhaften Charakters die Münzstätte Gvozdansko (bei Kostainica) der kroatischen Grafen von Zrinyi (Serin). Um das Jahr 1524 trat eine Gruppe Laibacher und Villacher Bürger in geschäftliche Beziehung zu Graf Nikolaus III., der in dem der bosnischen Grenze nahegelegenen Orte Gvozdansko ein anscheinend recht ergiebiges Silber- und Bleibergwerk besaß. Das Gerücht besagt, daß der Jahresertrag an Silber 1524 nicht weniger als rund 30.000 fl. betragen habe. Die Hauptunternehmer scheinen die beiden Laibacher Bürger Leonhard Gruber und Marx Stettner gewesen zu sein. Im Jahre 1529 erhielt Zrinyi von Ferdinand I. auch die Erlaubnis, aus seinem Silber Münzen prägen zu dürfen. 1532 nahmen die beiden Laibacher Bergwerk und Münze in Bestand (Pacht). Nach dem Tode von Nikolaus III. im Jahre 1534 wird die Münzstätte nicht mehr erwähnt, vom Bergwerk ist noch 1536 die Rede.

192

Dritter Teil Münz- und Geldwesen

I. Das Altertum

A. Von der Natural- zur Geldwirtschaft „Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft sind in der ökonomischen Theorie zwei fest abgegrenzte Begriffe, die gewöhnlich in Gegensatz zueinander gestellt werden. Bei der Naturalwirtschaft fehlt der Tausch entweder ganz, reine Naturalwirtschaft, oder es werden Waren unmittelbar gegen Waren getauscht (Naturaltausch). Die Geldwirtschaft hingegen ist in eminentem Sinne Tauschgeschäft, und zwar werden die zahlreichen Tauschgeschäfte mit Hilfe eines allgemein gültigen Äquivalentgutes, eines Geldes, bewirkt. Dieses Geld kann freilich bei verschiedenen Völkern und in verschiedenen Zeiten sehr verschieden geartet sein" (166). Das ist nur eine von den nicht wenigen Theorien, die zu diesem Thema aufgestellt wurden, aber sicherlich die stichhaltigste von allen. Insbesonders aber ist festzuhalten, daß sie nicht starr aufgefaßt werden darf, da die Verhältnisse landschaftlich wie chronologisch stark differenziert sind, weshalb die Formen der Naturalwirtschaft wie der Zeitpunkt des Überganges zur Geldwirtschaft und in dieser wiederum zum Münzgelde beträchtliche Verschiedenheiten aufweisen. Es hängt dies nicht allein von der Kulturstufe der in Betracht kommenden Stämme und Völkerschaften ab, sondern von ihren positiven oder negativen Beziehungen zu ihren Nachbarn, von der Landschaft, in der sie leben, von ihrer Lebensweise und von den natürlichen Bedingungen ihrer unmittelbaren Umwelt. E s ist hier nicht der Ort, diese Verschiedenheiten im einzelnen aufzuzeigen. E s soll daher nur ganz kurz bemerkt werden, daß schon bei den Primitiven so etwas wie „ G e l d " bekannt war, daß aber dieses Geld, gleichgültig ob Natural- oder Münzgeld, keineswegs die reine Naturalwirtschaft oder den Naturaltausch innerhalb eines bestimmten Gebietes ausschließt. Ein erster Übergang zu einem Naturalgeld vollzieht sich mit dem Einsetzen einer Fernhandelstätigkeit, die mit der Ausbeutung und Verarbeitung der Metalle, zuerst des Kupfers und des Eisens, Hand in Hand geht. Insbesondere die Bronze, eine Mischung von Kupfer (90%) und Zinn (10%), erobert sich sozusagen die ganze damalige Welt. Aus dieser Bronze bestehen Gegenstände, wie etwa Armringe und Beile, die immer wieder in Depotfunden ans Tageslicht kommen. „Wenn in größerer Menge gleiche Formen in einem Depot auftauchen, legen es wirtschaftliche Gesichtspunkte nahe, weniger an Gebrauchsgegenstände zu denken als an Bezugsgrößen — daher immer gleiche Typen — in wertmessender Funktion entsprechend dem späteren G e l d . Wir haben noch nicht genügend Einblick, um sagen zu können, ob den Typen dieser Metalldepots etwa schon etwas wie verschiedene Geldsorten entspricht — eher nicht", aber daß man sich eben ihrer wertmessenden Funktion wegen als Tauschmittel bediente, dürfte wohl feststehen. Solche Depots aus Bronzegegenständen, deren Fertigung sich über ein Jahrtausend erstreckt, finden sich vor allem im alten Norikum in vorkeltischer Zeit. Aber auch aus der 195

Eisenzeit, dem frühen Mittelalter, gibt es ähnliches, so z. B. aus der Spät-La-TenePeriode aus der Burgwallanlage bei Stradonice unweit Beraun (Böhmen) und ähnlichen Siedlungen („Stradonitzer Kultur"), z. B. Stare Hradisko bei Okluky (Mähren). Es waren „Fabrik- und Handelsstationen, wo Bronze, Eisen und Glasgegenstände in Werkstätten hergestellt wurden und wo sich der Handel mit entfernten Ländern konzentrierte, wofür die zahlreichen Münzen auswärtigen Ursprungs stumme Zeugen sind" (1080). Das schließt jedoch nicht aus, daß mit diesen Fabrikaten auch noch Tauschhandel getrieben wurde, mit Gegenden, wo Münzen noch unbekannt waren, so daß sie in diesem Falle eine Geldfunktion annahmen. Dieses Nebeneinander von Tausch und Bezahlung wird man wohl überhaupt in dieser Zeit annehmen dürfen. Das gleiche gilt auch für Ungarn. Hier hat man etwa in Soltvadkert zwischen Donau und Theiß (Komitat Csongrad) in der großen ungarischen Tiefebene „eine aus 41 Gießformen bestehende Fundgruppe ausgegraben, die auch Bruchstücke und halbfertige Waren enthielt. Mit dem Gießen der Bronze befaßte man sich also überall, nicht nur an Orten, wo Kupfer gewonnen wurde, der Tauschhandel diente in erster Linie dem Transport der Rohstoffe und nur in geringerem Maße dem der fertigen Ware" (847). In verschiedenen großmährischen Wallburgen in Mähren, in der Slowakei und in einem Falle auch in Polen hat man einige hundert Stück eiserner hakenartiger Gegenstände von länglicher Form gefunden, die an einem Ende eine schmale Öffnung besaßen. Archäologische und metallographische Untersuchungen haben ergeben, daß sie eine Art Halbfabrikat oder ein symbolisches Werkzeug darstellen, das als Zahlungsmittel verwendet wurde. Im Hinblick auf die schon ansehnliche Entwicklung des Handels im Großmährischen Reiche, das noch keine eigenen Münzen kannte, ist eine Verwendung solcher Zahlungsmittel an Stelle von Münzgeld höchst wahrscheinlich. Vermutlich richtete sich das Gewicht dieser Eisenbarren nach dem byzantinischen Pfund, da mit Byzanz bereits Kulturund Handelsbeziehungen bestanden. Diese Eisenhaken in Geldfunktion sind dadurch besonders lehrreich, daß sie einen Rückfall in eine primitivere Wirtschaftsform bedeuten. In früheren Jahrhunderten hatte man sich in diesen Gegenden schon des Münzgeldes bedient, und zwar des keltischen und dann auch des römischen. Dieser Rückfall ist um so verwunderlicher, als sich das Großmährische Reich auf einer sehr hohen Kulturstufe befand und sowohl mit den Franken als auch, wie erwähnt, mit Byzanz lebhaften Handel betrieb. Auf dem Boden der Slowakei, die zum Großmährischen Reich gehörte, gab es auch reiche Edelmetallvorkommen, die schon die Kelten ausgebeutet hatten. Aber vielleicht bediente man sich dieser Eisenbarren als Zahlungsmittel im Verkehr mit eisenarmen Ländern, die dafür andere, Großmähren fehlende Waren liefern konnten. Jedenfalls steht es fest, daß Nordmähren vom archäologischen Standpunkte wegen seiner Eisenlager als die bedeutendste großmährische „Industrielandschaft" zu bezeichnen ist und daß „das Eisenhüttenwesen" und das Schmiedehandwerk hier an Güte hinter dem sonstigen europäischen Handwerk in keiner Weise zurückstanden. Aus diesen paar Beispielen kann man erkennen, daß es zeitlich wie räumlich eine große Differenzierung gibt. Während eine Gegend sich für den Handel schon des Münzgeldes bedient, herrscht in der Nachbarschaft noch reiner Tauschverkehr. Ebenso aber existiert in einem anderen Räume auch noch beides nebeneinander oder, wie wir es bei den mährischen Eisenhaken gesehen haben, kommt es aus unbekannten Gründen nach einer Periode reiner oder gemischter Geldwirtschaft wieder zu einem Rückfall in die alte Tauschwirtschaft. Das sind die Hauptlinien der sich um die Zeitwende vollziehenden Entwicklung. 196

B. Die Kelten Der Altmeister der keltischen Numismatik in Österreich, Karl P I N K (f 1965), hat einmal gesagt, daß die Münzen dieses über weite Räume Europas verbreiteten Volksstammes die einzigen historischen Dokumente sind, die wir über sie besitzen: „Im Gegensatz zur klassischen Numismatik fehlt ein wichtiges Element, die historischen und geographischen Grundlagen" (873). Deshalb ist ihre Erforschung schwierig, und es haben sich anderseits die besten Köpfe erfolgreich mit ihr beschäftigt, die zuerst für die keltische Münzkunde eine eigene Methode entwickelten, um dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Diese inneren Schwierigkeiten hat Pink in der Einleitung zu seinen ,Ostkelten' geschildert und dazu auch die Verdienste jener Autoren wie G Ö H L und Graf DESSEWSKY angeführt, die das Material für die besonders schwierige Ostkelten-Forschung in ihren Publikationen bereitgestellt haben. Schon der ethnographische Ausgangspunkt ist unsicher. Man nimmt an, daß die Urkelten in Ostfrankreich und Süddeutschland gesessen sind. Aber „dieses Volk war immer durch große Beweglichkeit und einen Wandertrieb ausgezeichnet, der es nach allen Windrichtungen führte und überall Kriegsdienste nehmen ließ, so daß man die Kelten mit Recht als die Landsknechte des Altertums bezeichnet". Es ist hier nicht der Ort, diese Wanderungen im einzelnen zu verfolgen. Es seien daher hier nur die keltische Besiedlung jener Räume angeführt, die im Gebiet der Donaumonarchie lagen. Beim ersten Auftreten von Münzen in Österreich war das Land bereits keltisch. „Gewöhnlich nimmt man an, daß bei der großen Keltenwanderung um 400 v. Chr., als die Boier auch Böhmen, die Tectosagen wahrscheinlich Mähren und den Norden Niederösterreichs besetzten, ein Eindringen in südliche Alpentäler erfolgt ist und Salzburg, Kärnten und Steiermark keltisch oder besser keltoillyrisch wurden" (877). Das heißt, daß die Eindringlinge sich mit der einheimischen Bevölkerung zu einem neuen Volke vermischt hatten. Ferner ist sicher, wie das boische Gold beweist, daß ein Teil nach den Kämpfen mit den oberitalischen Boiern und ihren Genossen, zu denen auch die Taurisker, das illyrische Urvolk Noricums, gehört haben werden, mit den Römern um 200 v. Chr. nordwärts nach Böhmen zog, während ein Teil sich möglicherweise ostwärts längs der Save wandte. Das Münzinventar von Stradonitz aus dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. erzählt uns „von regen Beziehungen sowohl nach Westen zu den Galliern, namentlich Bibracte, und nach Osten in die Slowakei". Über den Geldverkehr der Kelten sind wir nur durch die Funde unterrichtet, und da ergibt sich sofort die Frage nach dem Wesen der keltischen Münzen selbst, die ja in ihrer Gesamtheit von der iberischen bis tief hinein in die Balkanhalbinsel von den verschiedenen Stämmen angefertigt, geprägt oder gegossen wurden. Der Katalog dieser Stämme ist ebenso umfangreich wie das Verzeichnis der Fundorte, und nicht minder bedeutend sind die äußeren und inneren Unterschiede, wie in Typus, Gewicht, Legierung, Form des Schrötlings, Prägetechnik, Stilentwicklung im allgemeinen, Schrift und Beizeichen. Es bilden daher drei Elemente das Ordnungsprinzip: „der körperliche Inhalt der Münzen (das Münzmaterial), der geistige Inhalt (das Münzbild) und die Herkunft (die Funde)" (873). Nach diesen Gesichtspunkten, vor allem aber nach den Funden ergeben sich für das heutige Österreich „zwei scharf getrennte Gruppen, die ältere Nordgruppe und die jüngere im Süden. Jede Gruppe hat wieder einen Ost- und einen Westteil. Die Verbindung zwischen Nord und Süd stellt das Burgenland her" (877). Die Nordostgruppe liegt in Niederösterreich nördlich der Donau mit dem Zentrum 197

20. Makedonien, Philipp II. Tetradrachme

21. Ostkeltische Tetradrachme „ N E M E T " (Kärnten)

Oberleiserberg, die Nordwestgruppe in Oberösterreich südlich der Donau mit dem Freinberg bei Linz als Mittelpunkt; das Burgenland hat sein Zentrum in Velem St. Veit. Die Südostgruppe (Ostnoriker) befindet sich mit ihrem Zentrum in Cilli in der ehemaligen Untersteiermark, die Südwestgruppe (Westnoriker) in Kärnten hat ihren Mittelpunkt in Teurnia oder auf dem Magdalensberg. Ebenfalls in Kärnten gibt es norisches Kleinsilber, während es sich sonst meist um Großsilber handelt. Die einzelnen Typen hier anzuführen, ist aus Raumgründen unmöglich; es sei daher auf die angeführte Literatur, insbesondere auf Pink, verwiesen. Nur die Vorbilder seien angeführt, nach denen die Kelten in Österreich ihr Münzgeld hergestellt haben. Es ist hierbei allerdings eine fortschreitende Verwilderung des Stils festzustellen, was den keltischen Prägungen bis vor nicht allzulanger Zeit fast ausschließlich den Namen „Barbarenmünzen" eingetragen hat. Ferner soll auch der Neuschöpfungen gedacht werden, sofern diese im Bereich der Donaumonarchie entstanden. Die wichtigste Type, besser gesagt der Keltentypus schlechthin, geht unstreitig auf die Tetradrachmen Philipps II. von Makedonien (359—336) mit dem Zeuskopf auf der Vs. und einem nackten Reiter auf der Rs. zurück. Die Kelten hatten diese „Philipper" als Söldner in großen Mengen erhalten; sie wurden in Amphipolis, einer Stadt in Thrakien von größter strategischer und merkantiler Bedeutung, immer wieder für die Soldzahlung an die Kelten fortgeprägt und von da nordwärts ausgeführt. Die Stadt war 437 von den Athenern begründet worden, um die Edelmetallbergwerke des Dysoron- und Pangaiongebirges zu beherrschen, 357 wurde sie von den Makedoniern erobert (877). Diese Münzgattung der Philipper war wohl das erste Münzgeld, das die Ostkelten zu Gesicht bekamen; daher bedienten sie sich dieses Typus als Vorlage für ihre ersten Münzen. Aber zu der immer mehr anwachsenden Beliebtheit dieses Typus mag außer dem Silberwert auch der Umstand beigetragen haben, daß das Pferd in der keltischen Religion keine geringe Rolle spielte; es gab sogar eine eigene Pferdegöttin Epona und Pferdegötter wie Epodatextoris und Rudiobus. „Solange die Kelten des Westens und bei uns ihre Freiheit und damit ihr eigenes Geld hatten, gibt es kein Symbol, das auf den Rückseiten der Münzen häufiger erscheint" (191). Im Räume des heutigen Österreich hat es wahrscheinlich nur eine einzige keltische Münzstätte gegeben, die in Kärnten entweder in Teurnia (bei St. Peter in Holz westlich des Millstättersees) oder, noch wahrscheinlicher, in dem bedeutenden keltischen Oppidum auf dem Magdalensberg (früher Helenenberg) nordöstlich von Klagenfurt zu suchen ist. Die Kärntner Tetradrachmen zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie meist die Namen von Häuptlingen tragen. Es gibt zwei Typen: Der Avers zeigt stets den Apollokopf, der Revers immer den Reiter, und zwar entweder den Philippsreiter, bei dem der 198

Reiterrumpf aus Kugeln gebildet ist, oder den gallischen Lanzenreiter. In der ersten Gruppe scheinen die Namen Boio, Tinco, Copo auf, in der zweiten Eccaio (anscheinend am häufigsten), Suicca, Conge(sa) und Congestlus. Die jüngste und letzte norische Prägung enthält die Namen Atta, Nemet und Adnamat und kommt verhältnismäßig häufig längs der Drau von Lavamünd bis Lienz vor. Der Hauptfundort ist bis jetzt Teurnia, wo auch noch der neue Name Escingo vorkommt. Münzen dieses zweiten Typs wurden in Einzelstücken auch in Maxglan und am Bieberg bei Saalfelden (Salzburg), in Roseldorf (Niederösterreich) gefunden. Dagegen aber fehlt vorderhand auf dem Magdalensberg noch das Großsilber, wie es in Teurnia aufscheint. Das ist um so verwunderlicher, als ja die Stadt auf dem Magdalensberg ein Großhandelsplatz war. Wie umfangreich hier besonders der Metallwarenhandel war, bezeugen die hierüber vorgefundenen ältesten Aufzeichnungen auf österreichischem Boden, die an den Innenwänden von zwei Kellern mit dem Griffel eingeritzt worden waren. In der Bergstadt kam bisher nur im Jahre 1955 ein Schatzfund von Kleinsilbermünzen zutage. Sie gehören der von Pink Gurina-Typ genannten Kategorie (um 80 v. Chr.) an, weil die meisten Stücke dieser Art aus der Feste Gurina im Gailtal stammen. Dieser Typus bezeugt so recht die große Ausbreitung des keltischen Handels, die lebhaften Beziehungen der keltischen Oppida im Ausgang der La-T£ne-Zeit, also gegen Ende des 2. Jahrhunderts und im 1. Jahrhundert v. Chr. Der Haupttyp dieser Gurina-Münzen hat einen glatten Avers, der Revers ist das Tectosagenkreuz mit je einer Kugel im Winkel. Dieses Kreuz ist von den degenerierten Drachmen von Rhoda in Nordspanien abgeleitet, die in ihrer ersten Phase eine stilisierte Rose tragen. „Diese Kreuzmünzen sind in Frankreich, Oberitalien, in der Schweiz und in Süddeutschland allenthalben zu finden. Vielleicht hat gerade die Besiegung der Tectosagen durch Caepio 106v.Chr. und die Gefangennahme ihres Fürsten Copillos durch Sulla 104v.Chr. eine neuerliche Auswanderung verursacht und den Anstoß zur Verbreitung dieses Typs gegeben" (876). Dieser Gurina-Typ fand in dem nach 60 v. Chr. entstandenen Typ von Eis (bei Völkermarkt) seine Fortsetzung, und zwar in fortschrittlichem Sinne, indem der Avers hier wieder einen gut ausgeführten Kopf nach dem Vorbild der letzten westnorischen Tetradrachmen mit den Namen Adnamat, Atta und Nemet aufweist. Bei diesen um 70 v. Chr. anzusetzenden Stücken sinkt das Silber übrigens schnell bis zur Bronze, wogegen die früheren Gruppen noch gutes Metall verwenden. Als wahrscheinlicher Hauptprägeort der Ostnoriker sei Celeia, das spätere Cilli, erwähnt; hier entstand noch eine ältere „steirische" Gruppe vor 80 v. Chr. mit dem Philippbild und einem „Brezelohr" auf dem Kopf der Vs. Die jüngere Gruppe (nach 80 v. Chr.) hat dieselbe Rs., aber als Vs. einen „Wuschelkopf" nach gallischem Vorbild. Damit wären die Haupttypen der im altösterreichischen Räume entstandenen Keltenmünzen erschöpft, jedoch nicht das Keltengeld in Österreich selbst. „Der Norden", sagt Pink (877), „der nur Gold kennt und kein eigenes Geld prägt — daher keine Schatzfunde und kein eigentlicher Geldverkehr —, steht unter dem Einfluß der benachbarten Boier und Tectosagen in Böhmen und Mähren. Vom ältesten Typ, dem Alkisgold, im zweiten Drittel des 2. Jahrhunderts v. Chr. kommen Stücke längs der March in den Nordostwinkeln von Niederösterreich mit dem Oberleiserberg als Zentrum vor, allerdings nur eine schwache Quote. Ähnlich steht es im Nordwesten, in Oberösterreich südlich der Donau. Hierher dringt das nationale Boiergeld in Gestalt des Rolltiers oder anderer Stradonitzer Typen, gelegentlich auch ein Nikestater hauptsächlich nach Linz (Freinberg), so daß wir eine Zuwanderung durch die Budweiser Senke vor uns haben. Auch dieser Weg ist begreiflich, weil der Hauptprägeort Stradonitz war. Diese Prägungen stammen aus dem letzten Drittel des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Die an der Westgrenze 199

dieses Gebietes auftretenden Regenbogenschüsselchen gehören eigentlich nicht mehr nach Österreich; es sind versprengte Typen aus Bayern" (877). Ganz anders liegen die Verhältnisse im Südteil und auch im Osten. Hier herrscht der Einfluß der ostkeltischen Münzung vor; hier kann man von einem Münzverkehr reden. Das Burgenland, das später als Verbindung zwischen Nord und Süd diente, hat eigene Typen, die pannonisch-gallische Kombinationen darstellen, die Kroisbacher und die Velemer. Sie stammen aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts v. Chr. und kommen bereits als Schatzfunde vor. Gelegentlich auftretendes Boiergeld beweist den Handelsverkehr. Der Südosten beteiligt sich an der Einführung des Münzgeldes bei den Kelten in seiner Weise. Von Kroatien her kommt ein neues Gepräge, auch eine pannonischgallische Mischung, und wandert save- und drauaufwärts in die Steiermark bis zur Mur. Es kann etwa gleichzeitig mit dem burgenländischen angesetzt werden und fand sich in mehreren bedeutenden Schatzfunden. Als Ostnoriker haben sie bereits ein eigenes lokales Kolorit. An sie schließt eine weitere heimische Münzgruppe an, die Westnoriker, die etwa ins 7. Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts gehören und in Kärnten durch manche Schatzfunde und viele Einzelfunde belegt sind. Die letzte Phase des Keltengeldes in Österreich und sein Ende überhaupt stellt die boische Silberprägung von Preßburg nach der Auswanderung im 6. Jahrzehnt dar. Um die gleiche Zeit hört die gallische Freiheit auf und damit das dortige Keltengeld, ins 5. Jahrzehnt fällt der Untergang der Boier und damit das Ende des boisch-norischen Keltengeldes und in das 4. Jahrzehnt das Ende des letzten ostkeltischen (877). Zum besseren Verständnis dieser „Ergebnisse für Österreich" sei hier eine knappe Übersicht der im Vorhergehenden angeführten außerösterreichischen Keltenprägungen geboten. Zunächst die B o i e r . Um 200 v. Chr. aus Oberitalien vertrieben, kamen sie nach Böhmen, wo sie in ihrer Hauptstadt Stradonitz eine umfangreiche Prägetätigkeit in Gold entfalteten. Sie strahlte nach Westen und Norden aus in den Regenbogenschüsselchen, nach Osten in den Muschelstateren. Vom Westen her kommt ständig gallischer Einfluß; das ist bei den regen Beziehungen der Kelten untereinander und dem starken Handelsverkehr zwischen Bibracte (nach Caesar die größte und volkreichste Stadt der Aeduer in Gallien) und Stradonitz nicht auffällig. „Bei Beginn der La-Tene-Zeit sind ja mehrere gallische Völker, die vom unteren Main bis nach Thüringen wohnten, nach dem Osten gewandert, an die mittlere Donau und nach Böhmen. Gerade in der späten La-Tene-Zeit entstehen die größten Festungen (Oppida), teils infolge des aufblühenden Handels, teils zur Sicherung gegen die drohende Germanengefahr" (877). Gegen Ende des 3. Jahrhunderts waren die boischen Länder „hauptsächlich von zwei verwandten keltischen Volksgruppen bewohnt, von der südlichen Moldau-OtavaGruppe sowie von der nördlichen Elbegruppe, deren Einfluß noch weiter nach Osten reichte. Die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen dürfte in Böhmen ungefähr am Fluße Berounka (ein linker Nebenfluß der Moldau, der südlich von Prag mündet) und beim Höhenzug Brdy (südlich von Prag) zu suchen sein; der Großteil Mährens und teilweise wohl auch Schlesiens stand unter dem Einfluß der Kelten Nordböhmens. Zum Unterschied von den dünn besiedelten steinernen Wallburgen Südböhmens waren die Siedlungen der neu zugewanderten Kelten in der Mitte und im Norden des Landes zumeist dicht bewohnte, bedeutende Mittelpunkte des Handels und der Produktion, die durch Mauern, Palisaden und Erdwälle vor Angriffen geschützt waren. Die keltischen Erzeugungszentren arbeiteten nicht nur für den Eigenbedarf, für den eigenen Haushalt oder für die eigenen Familienmitglieder, sondern auch für den Handel, besonders mit 200

Keramik und Metallwaren. Hier finden wir bereits wirkliche Handwerker, die einen ständigen Bedarf an Zahlungsmitteln, an geprägtem Gelde hatten. Damit befinden wir uns bereits am Ende eines älteren Entwicklungsstadiums, das noch ohne geprägtes Geld auskam, und am Anfang einer neuen Epoche, wo wir bei den Kelten Mährens und auch in dem viel schwerer zugänglichen Böhmen um die Wende vom 3. zum 2. Jahrhundert die ersten Spuren der Verwendung von Münzgeld feststellen können" (111). Auch die in den böhmischen Ländern siedelnden Kelten sind zum erstenmal auf dem Balkan mit Münzgeld in Berührung gekommen. Vermutlich zunächst in Makedonien und Thrakien, anläßlich gelegentlicher kriegerischer Zusammenstöße, später jedoch bei überwiegend friedlichen Beziehungen, die ungefähr mit der Mitte des 3. Jahrhunderts begonnen haben dürften. Vor allem in dieser Zeit drangen die ersten Goldstatere Alexanders des Großen vom Balkan nach Nordwesten, zum Teil bereits in der Form von stilistisch noch recht wohl gelungenen Nachahmungen, zunächst entlang der Donau bis zur Einmündung der Morava, dann gegen Ende des 3. Jahrhunderts wohl schon bis zur Bernsteinstraße in Mähren und um ungefähr dieselbe Zeit bereits nach Böhmen. „Die keltische Wirtschaft stand in den böhmischen Ländern vor einer eingreifenden strukturellen Änderung, nämlich am Beginn des Übergangs von der reinen Naturalwirtschaft zur Natural- und Geldwirtschaft. Von da zur ersten Eigenprägung dauernder Art war nur mehr ein kleiner Schritt. Zu diesem kam es, wie uns die Funde lehren, vermutlich bald danach in Böhmen" (111). Die Zahl der hier eindeutig festgestellten keltischen Münzstätten ist gering; das Oppidum bei Stradonice am rechten Ufer der Berounka, jetzt unter dem Namen „Hradiste bei Stradonice", ist die bekannteste und zugleich bedeutendste der böhmischen Länder. Hier wurden Tontafeln — Bruchstücke als Formen für Teilmünzen des Alexander-Stater — gefunden; weitere Münzstätten liegen im Norden und Nordwesten Böhmens. Bei Tuchlovice im Bezirk Kladno (westl. von Prag) kam ebenfalls eine Tontafel mit halbkugelförmigen Vertiefungen ans Tageslicht, wahrscheinlich ein Gerät zur Herstellung von Schrötlingen. Die älteste mährische Münzstätte ist vielleicht mit der Wallburg am Stare Hradisko bei Okluky identisch, wo ebenfalls eine Tonform gefunden wurde, mit der vermutlich Drittel-, Achtel- und Vierundzwanzigstelstatere hergestellt werden konnten. Schließlich dürfte auch in Preßburg (Bratislava) eine Münzstätte gewesen sein, wahrscheinlich aber nur, wie eine Konzentration von Funden in dieser Gegend vermuten läßt, für Großsilbermünzen. Eine detaillierte Übersicht über die Keltenmünzen der böhmischen Länder zu geben, verbietet der zur Verfügung stehende Raum, denn die verschiedenen Typen und die mit ihnen zusammenhängenden Probleme sind zu zahlreich, um hier in wenigen Worten dargestellt zu werden. Wir müssen uns daher mit einer gedrängten Zusammenfassung begnügen. An erster Stelle der boischen Prägung steht das Gold. Wir verfügen hier über ein ungewöhnlich reiches Material, das CASTELIN ( 1 1 1 ) in zwei Hauptreihen und vorläufig ungefähr zehn verschiedene kleine Einzelgruppen aufgliedern konnte, die sich nach Münzbild, Gewicht, Feingehalt usw. voneinander unterscheiden. Trotz dieses Reichtums aber war es für die Forschung ein unersetzlicher Verlust, daß der im Jahre 1771 bei dem Dorfe Podmokly (bei Rakovnik) in der damals fürstlich Fürstenbergischen Domäne Pürglitz durch einen Taglöhner entdeckte Goldfund zum Teil (ca. %) schon bei seiner Auffindung verschleppt wurde, während Fürst Karl Egon den Rest in der Prager Münze zu Dukaten verarbeiten ließ. Insgesamt scheint der Fund rund 5000 Stück umfaßt zu 201

haben, die in dem Bericht des fürstlichen Aktuars Ruzcizka als große, mittlere und kleinere unterschieden wurden. Dem Münzsystem der keltischen Goldprägung Böhmens liegt der Stater zugrunde. Bei Haupt- wie bei Nebenseiten kann man das Bestreben feststellen, zwischen ihm und seinen Teilstücken (Drittel, Achtel und Vierundzwanzigstel) „ein ganz bestimmtes Gewichts-(und Wert-)verhältnis auszudrücken und einzuhalten, auch wenn alle Münzeinheiten im Laufe der Zeit allmählich an Gewicht abnahmen. Ungefähr zu Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr., vielleicht sogar etwas früher wurden diesem System noch Silbermünzen angegliedert, die in der letzten Epoche der keltischen Münzprägungen der Münzstätte bei Stradonice geschlagen wurden." Damals ließ ein keltischer Häuptling, der nach den Münzaufschriften Biatec heißt, „sicher mindestens vier, wahrscheinlich aber fünf verschiedene Münzeinheiten in Gold und Silber schlagen. Wir kennen von ihm in Gold Statere, Drittel- und Achtelstatere" (111), in Silber Großsilberstücke mit seinem Namen sowie vermutlich auch noch Kleinsilbermünzen von einem nach dem Wiener Gemeindebezirk Simmering als Hauptfundort benannten Typus, der selbst jedoch keinen Namen nennt. Das Münzsystem der keltischen Goldprägung in Böhmen ist dadurch besonders gekennzeichnet, daß mit den drei Teilstücken des Staters im ganzen zehn verschiedene Werte ausgedrückt und gezahlt werden konnten. P A U L S E N hat in seinem Werke über die Goldprägung der Boier in Böhmen die Hauptreihe der Statere in drei Gruppen geteilt: in die Gepräge Typus Nike und AthenaAlkis, in die ältere boische Goldprägung der Muschelreihe und in die jüngere Goldprägung dieser Reihe. C A S T E L I N teilt die ältere Muschelreihe in zwei klar unterschiedene Gruppen, denen eine gleiche parallele Unterteilung in Drittel-, Achtel- und Vierundzwanzigstel-Stücke entspricht. Die ältesten Statere stehen nach Typus und Gewicht den makedonischen Vorbildern am nächsten. Die erste Serie zeigt auf der Vorderseite noch die Nike der AlexanderMünzen, die zweite ist bereits um eine Kleinigkeit leichter und zeigt auf der Rückseite wohl die Athene-Alkis mit Schild am erhobenen linken Arme und wurfbereiter Lanze in der erhobenen Rechten. Für dieses Münzbild wurde neuestens auch die Bezeichnung „Athene-Alkidemos" vorgeschlagen. Die dieser Hauptgruppe zeitlich folgenden Statere zeigen statt des Kopfes ein buckelartiges Gebilde, auf der Rückseite aber ein torquesartiges Gebilde, das alsbald in ein muschelartiges übergeht, aus dem schließlich eine deutliche Muschel wird. Die Teilstücke haben — wohl zur äußerlichen Kenntlichmachung — ganz andere Münzbilder als die Statere der Hauptreihen; die ältesten tragen auf der Vorderseite einen behelmten Kopf vorne rechts und einen Krieger auf der Rückseite, also nach einem fremden Vorbild, dessen Herkunft aber nicht feststeht. Der Typus aber wird im Laufe der Zeit immer mehr barbarisiert, bis die Zeichnung überhaupt nicht mehr zu definieren ist. Die Nebenreihen enthalten in der älteren Gruppe Prägungen vom Typus Kopf/Stier, Buckel/Athene— Alkis—Alkidemos, Buckel/kriechender Krieger, Eber/stehender Krieger, Kopf/Krieger vom Athene-Typus. Die jüngere Gruppe hat symmetrisches Ornament/ Pferd, kniender Krieger/Pferd, Buckel/galoppierendes Pferd, dreiteiliges Ornament/ Pferd und endlich Axt/Rolltier. Dieser „Rolltierstater", der mit Nordwestböhmen einerseits, Bayern und Schlesien andererseits zusammenhängt, ist wohl das merkwürdigste Stück der ganzen Goldprägung der Boier. P I N K hat das phantastische Tier als „Rolltier" angesprochen, „das im skythischen Kunstbereich heimisch ist und bis nach China geht; für das Münzen war es sehr geeignet. Hier ist es ein Ringeldrache ohne Gliedmaßen, und gerade damals (um 150 v. Chr.) erlebte der skythische Tierstil eine Wiederbelebung..." (877). 202

22. Boischer GoldRolltiers tater (Böhmen)

Die Archäologen haben diese Theorie mit einer gewissen Zurückhaltung aufgenommen, während die Numismatik wohl allgemein zustimmte. Fest steht jedenfalls, daß der Stempelschneider des ersten Rolltier-Staters ein Meister seines Faches war. Dieses Stück steht daher in seiner künstlerischen Vollendung im keltischen Münzwesen überhaupt ganz vereinzelt da. Sein Rätsel ist bis jetzt noch nicht überzeugend gelöst worden. Mit Sicherheit wissen wir nur folgendes: „Der Rolltierstater wurde fern von den Zentren der griechischen und römischen Welt in einer keltischen Münzstätte in Böhmen geprägt, und einer seiner beiden Stempel ist die Arbeit eines ausgezeichneten, vermutlich nichtböhmischen Stempelschneiders" (111). Wenn nun CASTELIN mit guten Gründen die Skythentheorie Pinks ablehnt, so versucht er dafür — was auch einleuchtend erscheint — südwestlichen Einfluß durch Silbermünzen dieser Gegend geltend zu machen: „die Münzbilder beider Seiten des Rolltierstaters finden sich — wenngleich nur als Beizeichen — auf Keltenmünzen Galliens wieder" (111). Im übrigen darf betont werden, daß es auch böhmische Einflüsse auf die keltischen Gepräge in den Nachbarländern gibt. Die Prägung der Boier — während ihrer ganzen Dauer fremden Einflüssen unterworfen — hatte dann in Nordpannonien infolge der Kämpfe mit den Dakern, in denen die Boiermacht vernichtet wurde, zwischen den Jahren 6 0 — 4 0 ihr Ende gefunden. Aus demselben Grunde darf man auch die Prägungen mit der Aufschrift Biatec in dieselbe Zeit ansetzen. Von diesen Münzen wurde im Jahre 1942 in Preßburg der „größte und numismatisch kompletteste Schatz" von 270 Exemplaren gefunden. Nach ONDROUCH, der diese Münzen in einem eigenen Buch veröffentlichte, wurden die Tetradrachmen und die übrigen Münzen dieses Typus nicht in Pannonien, sondern in der Südslowakei geprägt, wahrscheinlich zu Preßburg selbst. Diese Münzstätte wurde von Stammes-Repräsentanten der militärisch-landwirtschaftlichen Aristokratie, sicherlich mit Fürst Biatec an der Spitze, gegründet, welche sich in der Gründungszeit „neben der Landwirtschaft auch der Handwerksproduktion, davon namentlich der Töpferei und Handelsunternehmungen auf inund ausländischen Märkten, insbesondere auf dem Gebiete Pannoniens und Norikums, widmeten und aus der damaligen Bratislavaer Niederlassung (Oppidum) ein sehr reges Handelszentrum an der mittleren Donau bildeten. Was die Münzstätte anbelangt, so dürfte sie nur eine verhältnismäßig kurze Zeit, ungefähr in den Jahren zwischen 7 0 — 5 8 v. Chr., somit also bis zur dakischen Besetzung Pannoniens und der Südslowakei, in Tätigkeit gewesen sein. Mit ihr zusammen verschwand unter dakischem Anstoße auch das Bratislavaer städtische Oppidum, welches dann, namentlich unter dem Einflüsse der römischen Expansion, die auf das Gebiet nördlich der Donau gelenkt war, nach und nach zu einer bedeutungslosen Niederlassung herabsank" ( 8 3 7 ) . 203

Außer dem Namen Biatec, dessen Träger zweifellos der bedeutendste unter den Häuptlingen war, kennen wir noch die 14 weiteren Stammesfürsten: Nonnos, Devil, Busu, Bussumarus, Jantumarus, Cobrovomarus, Coisa, Ainorix, Fariarix, Evoiurix, Titto, Counos und endlich Maccius. Die O s t k e l t e n . P I N K scheidet die Ostgruppe in „zwei räumlich getrennte Zirkulationsgebiete, das der Tetradrachme Philipps II. und das der attischen Tetradrachme Alexanders III." (877). Dieses umfaßt hauptsächlich den Osten (Bulgarien, Ostrumänien), kommt daher hier nicht in Betracht. Dafür ist der Westen mit dem Philipper für uns von größtem Interesse, denn er umschließt Gebiete der ehemaligen Monarchie, nämlich Ungarn und Siebenbürgen und Westrumänien sowie Kroatien und Slawonien; die beiden letzten gehören mit Serbien zum heutigen Jugoslawien. Das Vorbild ist hier die schon erwähnte Tetradrachme Philipps II. Die Vorderseite zeigt stets den Zeuskopf von Elis, die Rückseite entweder den makedonischen Königsreiter von links mit Kopfbedeckung und Grußgeste oder den olympischen Reiter von rechts mit Siegespalme. Alle beide Typen nennen den Königsnamen. Nach dem Tode Philipps wird der Philipper als Sold- und Handelsgeld für die barbarischen Nachbarn weitergeprägt, also in erster Linie für die Kelten, die sich so sehr an diese Münzsorte gewöhnten, daß sie jede Neuerung ablehnten. Nach der Schlacht bei Pydna (168 v.Chr.) hörte aber die makedonische Prägung auf, damit ^uch das Exportgeld, das hauptsächlich in Amphipolis geprägt wurde. Die Kelten sahen sich im Osten und im Westen genötigt zur Eigenprägung überzugehen, wobei das Münzbild immer mehr verwilderte, immer barbarischer wurde. Es ist die Kunst der ausgehenden La-Tene-Zeit, die uns nunmehr in den keltischen Prägungen entgegentritt, wobei gewisse Stämme eine bestimmte völkische Eigenart entwickelten. Pink, dem die erste zusammenfassende Darstellung des ostkeltischen Münzwesens zu verdanken ist, hat dieses in elf Zirkulationsgebiete des Philippers eingeteilt (877). Die erste und älteste Gruppe umfaßt die direkten Nachahmungen, ist daher in unmittelbarer Nachbarschaft Makedoniens, nämlich in Serbien und Bosnien, entstanden, wo die mächtigen Skordisker Landesherren waren. Hier machte sich der Mangel an geprägtem Geld zuerst fühlbar; in Dornavia gab es Silbergruben. Von der zweiten Gruppe angefangen gibt es bereits Neuschöpfungen, die sich in zwei Untergruppen scheiden. Die erste wird durch einen angeblich 1807 im Banat entdeckten Fund bestimmt, der 38 Stück enthielt, von denen 27, die eigentlichen „Banater", für die Gestaltung des Lorbeerkranzes so charakteristisch sind, daß danach neu auftauchende Stücke sicher zugeordnet werden können. Dieser Banater Fund stammt wahrscheinlich aus dem erzreichen Komitat Krassö-Szöreny mit dem Hauptort Lugos. Die zweite Untergruppe hat einen Bartkranz auf der Vorderseite, eine Kombination von Zeus- und Herakleskopf; die Rückseite zeigt den sogenannten Baumreiter. „Bei dieser Type wird der ursprüngliche Palmzweig des olympischen Reiters nunmehr wie ein Tannenbaum vor dem Reiter vorangetragen. Der Mittelpunkt der Prägung dieser Type ist vielleicht an der Savemündung zu suchen, wofür auch die Silbergruben von Babe, Guberevci und Stojnik sowie dievon Rudnik sprechen" (877). Diese Gruppe ist hauptsächlich gegen die Donau zu, also nach Norden und Westen, verbreitet. Mit der Prägung dürfte nach dem Erlöschen der Skordisker, also um 110 v. Chr., begonnen worden sein. Die dritte Gruppe hat Dickschrötlinge und ist in Nordserbien zu Hause, wo es Silberminen in den Tälern des Pek und Timok gibt. „Ganz eigenartig und vielleicht rein dakisch sind die Gepräge in Siebenbürgen und Westrumänien, bei denen für die Vorderseite außer Zeus- und Herakleskopf als Vorlage noch der Lysimachoskopf und teilweise die Artemisbüste dient. Zu dieser vierten Gruppe gehören die Ringellocke, die Sattelköpfe und die 204

23. Ostkelten, Banater Tetradrachme

24. Pannonien, Keltische Tetradrachme „SVICCA'

schüsseiförmigen dünnen Schrötlinge mit völlig aufgelöstem Münzbild. Sie gehen bis nach Westrumänien. Silbervorkommen gibt es im Komitat Hunyad und in Zalatna" (877). Für die fünfte Gruppe ist der Schatzfund von Juncäd bei Märmoros-Sziget charakteristisch, wo sich bei Nagybänya bekanntlich ein Silberbergwerk befand. „Zum Teil weist dieser Fund auf den Banat zurück, zum Teil auf die Slowakei. Jetzt kommen wir in den Bereich des gallischen Einflusses, der immer stärker wird, je weiter wir nach Westen gehen" (877). Die weiter westlich gelagerte sechste Gruppe zeigt eine Buckel-Vorderseite. „Ihre ziemlich rohe Prägeweise hat auf die Goldprägung der Boier abgefärbt. Die Prägeherren sind angeblich die Cotini in den Komitaten Borsod und Nögrad" (877). Die siebente Gruppe weist deutlich auf die edelmetallreichen niederungarischen Bergwerke, wo im frühen Mittelalter die berühmten Bergstädte Kremnitz, Schemnitz und Neusohl entstanden. Hier herrscht der Honter-Typ vor, der Einhiebe und Einstempelungen hat. Die Gruppe wirkt bereits gegen Preßburg und das Burgenland. Die achte Gruppe „bringt die letzten Neuschöpfungen von großer Wichtigkeit im Audoleontyp. Das Zentrum dürfte im Matragebirge liegen; die Verbreitung reicht bis an die Donau" (877). Jene Sorte, die mit dem Honter-Typ in Wechselbeziehungen steht, hat ihr Vorbild in der Rückseite der Tetradrachmen des Paionenkönigs Audoleon (ca. 315/286), auf den schon die Bezeichnung hinweist. Das sogenannte „Dunänttil" bildet die neunte Gruppe. Dieses umfaßt den Raum, den die Donau von Preßburg an bis etwa zur Einmündung der Drau gegen Osten abgrenzt und der im Westen bis zum Burgenland reicht. Diese Gruppe weist eine Anzahl bizarrer Darstellungen auf, von denen ein Teil wohl den Azali zugehört, wie die Münzen von Tötfalü auf der Andreasinsel oberhalb von Budapest. Hier wurde 1903 ein großer Fund von ca. 950 Drachmen, alle vom ähnlichen Typ, gemacht, höchst verwilderte Nachprägungen makedonischer Vorbilder, Kleingeld, wie die Gruppe elf. Die zehnte Gruppe, die zum Teil dem Burgenland angehört, zeigt in dem Kroisbacher Typ (bei Ödenburg) schon norischen Einschlag. Eine zweite Reihe bilden die nach der prähistorischen Siedlung Velem-St.Veit im Eisenburger Komitat benannten Velemer, die bereits sehr verwildert sind. Die elfte Gruppe, die Kapostaler (Banat), wo auch eine Prägestätte und eine Schmelze entdeckt wurde, sind später Klein-Münzen, die den Bartkranz in sehr verwilderter Form nachahmen und schließlich zu kleinen Bronzestücken herabsinken. Jede dieser Gruppen hatte ein eigenes Umlaufgebiet, ebenso wie sie alle eine eigene Formenwelt besitzen, die oft schwer in Kürze zu beschreiben war. Die von Pink gut gewählten Typenbezeichnungen wie Wuschelkopf, Brezelohr, Bartkranz, Entenschnäbler, 205

Baumreiter usw. vermitteln doch ohne die dazugehörigen Abbildungen nur eine unvollkommene, ganz allgemeine Vorstellung von dem wirklichen Aussehen der „Barbarenmünze". Zum Schlüsse sei noch eines nur in einem einzigen Exemplare bekannten, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges leider verschollenen Stückes gedacht, das schon zur Zeit seines Auffindens viele noch nicht gelöste Rätsel aufgegeben hat, die allem Anschein nach nunmehr endgültig ungelöst bleiben werden. Anfang Juni 1904 wurde oberhalb des Tauernhauses am Mallnitzer oder Niedertauern beim Suchen nach Mineralien in etwa 2410 m Seehöhe unter einem Stein eine Silbermünze gefunden. Das Tauernhaus liegt etwas südlich der heutigen Landesgrenze zwischen Kärnten und Salzburg noch auf Kärntner Boden. Der uralte Weg, auf dem die Münze durch Zufall entdeckt wurde, führt auf Kärntner Boden von Mallnitz nach Ober-Vellach im Mölltale und weiterhin südwärts über Teurnia an die Drau, nordwärts durch das Naßfeld nach Wildbad Gastein und im weiteren Verlauf nach dem (späteren) Juvavum (Salzburg), wo schon eine vorkeltische, dann aber keltische Siedlung stand. Vielleicht befand sich in der Nähe dieses Tauernüberganges eine der Stätten jenes vorgeschichtlichen Goldbergbaues, von dem Strabo mit Berufung auf Polybius erzählt. Die Münze nennt auf der Vorderseite einen König Gesatorix, auf der Rückseite den König Ecritusirus; beiderseits ist der mit einem Lorbeerkranz geschmückte K o p f eines unbärtigen Mannes in ziemlich roher Weise dargestellt, die Namensform Gesatorix ist auch sonst bezeugt, z. B. in Paphlagonien und Galata. Der Name Ecritusirus aber ist historisch nicht belegbar. Das Stück hat gleich nach seiner Entdeckung heftige Kontroversen über die Echtheit hervorgerufen. Pink meint, daß zwar die vorgenommenen technischen Untersuchungen und auch die Fundberichte „zu wenig Grund zu Zweifeln" boten, daß aber die typologische Prüfung Bedenken errege: „Ein solcher Stil, wie ihn die Gesatorixmünze zeigt, kommt im Altertum meines Wissens nicht v o r . . . Die Verwendung von zwei Porträts für Vorder- und Rückseite ist bei Keltenmünzen unerhört, aber auch sonst selten. Nur die Goldprägung der bosporanischen Könige hat ständig auf der einen Seite das Porträt des Königs, auf der andern das des Kaisers. Wäre es also ein Stück aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., könnte man es von den Bosporanern auch nach dem Stil ableiten." Auch das Gewicht von etwa 12 g stimmt nicht. Denn das Gewicht der ältesten Noriker ist gleich dem der Pannonier, und zwar 13 g, sinkt aber dann schnell auf 10,4 g. „ Z u den ältesten kann es typologisch nicht gehören. Name und Typus würden es, wenn überhaupt lokalisierbar, zu den letzten Prägungen verweisen. Da aber gibt es weder reines Silber mehr (die Gesatorixmünze ist aus reinem Silber) noch ein solches Gewicht" (871). Die Münze ist bis auf den heutigen Tag ein Alleingänger, und das macht es besonders schwierig, ihr Wesen zu ergründen. Wenn Pink daher zu größter Vorsicht rät, solange keine neuen Funde vorliegen, die die erhoffte Aufklärung bringen könnten, so kann man ihm nur recht geben. C. Unter römischer Herrschaft 1. Noricum — Österreich Um die politische und wirtschaftliche Entwicklung seines nördlichen Nachbarn, der alpinen Kelten, in seinem Sinne lenken zu können und gleichzeitig ihre Einbruchslinien 206

nach Italien zu sperren, hatte Rom im Jahre 181 v. Chr. Aquileia gegründet. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, kurz vor 113 v. Chr., war dann ein Freundschaftsvertrag zwischen der Republik und dem König der Noriker zustande gekommen. „Wenn hier auch die Noriker in der antiken Überlieferung als Freunde der Römer tituliert werden, so ist das natürlich eine nichtssagende Phrase, welche den wahren Sachverhalt, Schutz der römischen Interessen in den Ostalpen, verdecken und die Noriker verpflichten sollte, den römischen Kaufleuten und Händlern auf ihrem Territorium Gastfreundschaft zu gewähren; denn eben damals beherrschten in verstärktem Maße kapitalistische Tendenzen die wirtschaftliche Struktur Italiens, und römisches Kapital suchte über Tarvis den Weg nach den Gold- und Eisengruben der Ostalpen." Es ist daher — und die Münzfunde beweisen es — schon zu republikanischer Zeit ein Eindringen römischer Münzen in die Ostalpen zu verzeichnen; aber nach den leider keineswegs lückenlosen und verläßlichen Fundberichten zu schließen, scheinen es keineswegs große Mengen gewesen zu sein, oder die Kelten benützten sie als Material für ihre eigenen Prägungen. In Kärnten, wo doch infolge der unmittelbaren Nachbarschaft am ehesten etwas zu erwarten wäre, ist seit 1928 anscheinend kein einziges Stück dieser Zeit gefunden worden, und in den anderen österreichischen Bundesländern sieht es nicht viel anders aus. Es seien hier nur ein paar Beispiele von Schatzfunden aus der Zeit des Markomannenkrieges (166—180 n. Chr.), eines der Hauptereignisse, der (nach Kubitschek) neben dem Goteneinfall im Jahre 260 und dem Untergang der meisten Limesorte Ende des 4. Jahrhunderts Anlaß zum Vergraben von Münzschätzen gab, angeführt. So fanden sich unter den 1446 Silberstücken, die 1799 zu Wien unter der Schleuse bei der Renn weger Brücke entdeckt worden waren, bloß sieben, unter den 200 Silberstücken, die man beim Bau der Pyhrnbahn in der Nähe von Spital am Pyhrn fand, ein einziges republikanisches Stück. Es ist dabei natürlich zu bedenken, daß die zur Vergrabungszeit der Schatzfunde längst aus dem Verkehr gezogenen Denare der Republik bereits in großen Mengen eingeschmolzen sein konnten. Georg E L M E R hat in seinem 1933 publizierten Aufsatz über den römischen Geldverkehr in Carnuntum 34 Denare, 3 Quinare und 5 Asse konstatiert, wobei die Stücke aus den Horten nicht berücksichtigt wurden. Dagegen fällt die relativ große Zahl der Legionsdenare des Antoninus auf, während sonst vorneronische Denare, hauptsächlich republikanische, vorkommen (200). Der monetäre Hauptverkehr spielte sich zur Römerzeit am österreichischen Donaulimes ab; wir wollen daher ihn zur Grundlage unserer Ausführungen nehmen, da sich aus ihm mutatis mutandis auch die Verhältnisse in Binnennorikum ableiten lassen. Vorerst ein kurzer, auf den Arbeiten E L M E R S und P I N K S beruhender historischer Überblick. „Außer der Hauptlimesstraße, die wegen Bodenschwierigkeiten nicht immer eng neben dem Strome führt, gab es auch ein Sträßlein neben der Donau gleich dem Treppelweg des vergangenen Jahrhunderts, was auch durch Münzfunde bewiesen werden konnte. Von der Limesstraße zweigt eine Anzahl von Straßen ab, so eine vor Lauriacum (Lorch bei Enns) nach Ovilava (Wels), die über Juvavum (Salzburg) und Teurnia (bei St. Peter in Holz) nach Aquileia führte. Eine andere Straße zog von Ovilava über Ernolatia (Windischgarsten) und Virunum (bei Klagenfurt auf dem Zollfeld) ebenfalls nach Aquileia. Die zweite Hauptstraße geht von Carnuntum aus und führt zunächst über Scarbantia (Ödenburg, Sopron) und Savaria (Steinamanger, Szombathely) westwärts nach Aquileia, ostwärts nach Siscia (Sissek) und Sirmium (Mitrowitz). Daneben existierten noch kleinere Straßen; doch sind viele Straßenzüge aus Mangel an systematischen Grabungen unsicher" (869). 207

Ziemlich unklar liegen die Verhältnisse im Norden der Donau: „Der große Wald, der sich von der bayrischen Grenze bis zum Kamp ausdehnt, war schwach besiedelt. Dagegen war das Gebiet vom Kamp ostwärts bis zur March sehr fruchtbar und stark bevölkert. Hier wohnten in der Römerzeit die Quaden, doch haben Römer selbst mehrmals versucht, diesen Landstrich zu besetzen, so unter Tiberius (6 n. Chr.), dann kurz nach dem Markommanenkrieg und zuletzt unter Valentinian I." (869). Wahrscheinlich gab es hier auch ein entsprechendes Straßennetz. Bekannt ist vor allem die alte Bernsteinstraße von Carnuntum nordwärts entlang der March. Marc Aurel gedachte, zwei neue Provinzen, Marcomannia und Sarmantia, zu errichten, aber 180 schon ereilte ihn in der Limesstadt Vindobona (Wien) der Tod. Das Andenken an seinen denkwürdigen Donauübergang zur Bekämpfung der Markomannen ist übrigens in einem Aureus und zwei Sesterzen festgehalten, während drei andere Sesterzen Marc Aurels Schwiegervater Antoninus Pius mit einem leider ungenannten König der Quaden zeigen. Die geschichtliche Überlieferung ist für unser Gebiet verhältnismäßig spärlich. Wir wissen nur, daß bis zur Zeit des Augustus im südlichen Teil das keltische Reich Noricum bestand, das 15.v. Chr. von Tiberius für Rom ziemlich leicht unterworfen worden war, aber in gewisser Beziehung noch längere Zeit als „Regnum Noricum" selbständig blieb. In der Zeit des Augustus reichte es etwa bis an die Leitha. Im Limesgebiet hatte sich vor allem in den drei großen Lagerstädten Carnuntum, Vindobona und Lauriacum während der fast viereinhalb Jahrhunderte ihres Bestandes ein höchst reges Leben abgespielt. Das römische Geld ist in größeren Mengen zum erstenmal im Jahre 6 n. Chr. bis zur Donau gelangt, als die Legionäre des Tiberius nach Carnuntum kamen, um von hier aus die March aufwärts gegen den Markomannenkönig Marbod zu marschieren. Bei dieser Gelegenheit tritt uns übrigens in der antiken Literatur auch zum erstenmal der Name dieses strategisch wichtigen Punktes an der Donau im Königreich Noricum entgegen (1045). Carnuntum soll schon in vorrömischer Zeit ein bedeutender Ort gewesen sein. Wie überall, wo ein Standlager errichtet wurde, kam es auch hier zur Ausbildung einer Zivilstadt, die unter dem Schutz des Lagers den Heerestroß und damit Gastwirte, Händler verschiedener Kategorien und Dirnen aufnahm (200). Die Händler hatten es auf den Sold der Legionäre und auf die gewinnbringenden Heereslieferungen abgesehen. Mit der Zeit vergrößerte sich die Bevölkerung der Zivilstadt durch ausgediente Soldaten, die aus aller Herren Länder stammten und, der Heimat entfremdet, nach der Dienstentlassung sich hier niederließen und einen Hausstand gründeten. Es entstanden langsam Werkstätten, Fabriken und Faktoreien, die die einheimische Bevölkerung und wahrscheinlich auch die Germanen jenseits der Donau mit den verschiedensten Gebrauchs- und Luxusgegenständen versorgten. Die Lage Carnuntums an wichtigen Straßenzügen, am Wasserweg der Donau und gegenüber der Marchmündung trugen dazu bei, es auch zum Handelsplatz werden zu lassen. Heer und Handel sind also die beiden Quellen, durch die das Geld reichlich nach Carnuntum floß. Man hätte also annehmen können, daß hier eigentlich auch der geeignete Ort für eine Reichsmünzstätte gewesen wäre; aber entweder genügte der umfangreiche Handelsverkehr an sich, um nicht nur den Geldbedarf der Zivilbevölkerung zu decken, sondern auch den Sold für das Militär davon zu bestreiten, oder man hielt die Lage des Ortes für zu unsicher, um die für einen so großen Geldumsatz nötigen Metallmengen hier aufzubewahren. Man kann den Münzumlauf Carnuntums im großen ganzen auch für die anderen Römersiedlungen auf altösterreichischem Boden als richtunggebend betrachten; freilich müßte man, entsprechend der im Vergleich mit Carnuntum geringeren Größe, Bedeutung und Funktion der anderen Orte, einen geringeren Umfang annehmen. 208

25. Rom, Septimius Severus. Aureus

26. Ostrom, Constantinus Magnus. Goldsolidus, Kyzikos

Die Münzverhältnisse unseres Raumes entsprechen während der Zeit der römischen Herrschaft im wesentlichen den Münzverhältnissen der römischen Kaiserzeit, für die ebenfalls die Feststellung gilt: „Alle Münzgeschichte ist die Geschichte der Münzverschlechterung" (512). Da hier nicht der Raum ist, auf Einzelheiten des römischen Münzwesens einzugehen, muß eine Darstellung in groben Zügen genügen und gleichzeitig auf die einschlägige Fachliteratur (vgl. Literaturverzeichnis) verwiesen werden. Die wohlüberlegte und auf die Dauer gedachte Augusteische Münzordnung aus dem Jahre 16/17 n. Chr. hatte keinen langen Bestand. Schon Nero setzte das Gewicht des Denars, das sich von den Zeiten der Republik bis in die Kaiserzeit unverändert erhalten hatte, empfindlich herab, um die Finanzierung des Wiederaufbaues der durch Feuer fast völlig zerstörten Stadt Rom zu bewerkstelligen. Auch der Aureus wurde von dieser Wertminderung betroffen, und nur der einfache Mann, der Sesterzen erhielt, wurde geschont. Die Last der Geldentwertung fiel demnach in der Hauptsache auf die Schultern der Empfänger von Gold- und Silberzahlungen. Vielleicht ist die Tatsache, daß Edelmetallmünzen durch eine Minderung ihres Feingehaltes leicht im Wert herabgesetzt werden können, die Ursache dafür, daß in den zeitgenössischen Quellen sogar große Vermögen stets in Sesterzen (also in Kupfer) angegeben wurden und nicht in anderen Münzgattungen. Der Afrikaner Septimius Severus (193—211), Statthalter und Oberkommandierender von Pannonia superior, der am 9. April des Jahres 193 durch die Legio XIV gemina martia victrix in Carnuntum zum Kaiser gewählt worden war und als glücklicher Sieger über seinen Gegenkaiser die erbliche Militärmonarchie einleitete, setzte den Silbergehalt des Denars sogar grundsätzlich auf 50% herab. Der neue Kaiser dankte seinen Soldaten in besonderer Weise. Die Besatzung von Carnuntum hatte ihm auf dem Siegeszug nach Rom mit Waffengewalt die Anerkennung zu erringen geholfen. Er erwies fast allen Legionen der Rhein- und Donauarmee, welche ihn auf den Schild gehoben hatten, die seltene Ehre, ihre Namen und Standarten auf seine Münzen zu setzen. Septimius Severus hatte seine Söhne ermahnt, „die Soldaten reich zu machen und sich um sonst nichts zu kümmern" (1046), eine Ermahnung, die auf fruchtbaren Boden fiel. Als sein Sohn Caracalla (211—217) zur Regierung kam, wurden alsbald die besseren Denare seiner Vorgänger eingezogen und in geringere umgeprägt. Der dadurch erzielte Gewinn reichte jedoch nicht aus, den Bedarf des Kaisers zu decken. Man schuf eine Münze in der Gestalt eines Doppeldenars oder Antoninians (Caracalla hieß eigentlich Marcus Aurelius Antoninus III.), die zwar ein höheres, aber minderwertiges Nominal darstellte. Sie unterschied sich von den einfachen Denaren, die meist den Kaiserkopf mit oder ohne Lorbeer209

kränz zeigten, dadurch, daß die Kaiser mit der Strahlenkrone als Sol, die Kaiserinnen mit dem Halbmond als Luna dargestellt wurden. Der Antoninian war ungefähr zweimal so groß als der bisherige Denar und enthielt auch wie dieser 50 Prozent Silber, wog aber nur 1 y 2 mal soviel wie der alte Denar. Unter Valerianus (253—259) und seinem Sohn und Mitregenten Gallienus, der nach dem Tode des Vaters noch bis 268 regierte, erreichte der Verfall des Münzwesens seinen Höhepunkt. Nicht nur, daß wilde Barbarenhorden von allen Seiten sengend und brennend über die Grenzen fluteten, eine furchtbare Pestepidemie ausbrach und die Soldaten allenthalben meuterten, fehlte es um diese Zeit besonders an dem für die Münzprägung nötigen Gold und Silber. Besonders der Silbermangel führte schließlich dazu, daß unter Kaiser Constantin dem Großen an die Stelle des bisher als Münzmetall vorherrschenden Silbers nunmehr das Gold trat. Um den Antoninian, dessen Silbergehalt bis auf einige Hundertstel veringert wurde, vor einer Verwechslung mit den reinen Kupfermünzen zu bewahren, und ihm noch ein gewisses Ansehen zu erhalten, entzog man ihm durch Sieden in einer Salzlösung das Kupfer an der Oberfläche, so daß er durch die Prägung ein glänzend weiß schimmerndes Aussehen erhielt (der sogenannte Silbersud, heute als Weißkupfer bezeichnet). Von diesen schlechten Antoninian-Typen wurden riesige Mengen ausgegeben, um den Verkehr nicht ganz zum Stillstand gelangen zu lassen. Erst Kaiser Aurelian (270—275) gelang es, dieser Mißstände wieder Herr zu werden. Er führte eine neue Münzordnung ein und behielt sich selbst das Recht zur Ausprägung von Messing- wie Kupfergeld vor, das seit mehreren Jahrhunderten dem römischen Senat wie auch einzelnen Provinzstädten zugestanden war. Doch erst Kaiser Diokletian gelang es, das durch viele Generationen schwerkranke römische Münzwesen endlich wieder auf eine feste Grundlage zu stellen. Er half dem Mangel einer wertbeständigen Silbermünze ab, indem er den Denar der neronischen Münzordnung als Argenteus zu neuem Leben erweckte. In einer Münzordnung um das Jahr 294 reformierte Diokletian auch die Kupfermünzen. Nach seinem Rücktritt dürften die Mitglieder der zweiten diokletianischen Tetrarchie einen Münzvertrag abgeschlossen haben, wie man aus einem einheitlich durchgeführten Wandel in Gewicht und Gliederung der Münzen erschließen kann. Dieser Münzvertrag ist wohl auf dem berühmten Kongreß von Carnuntum im Jahre 308 zustande gekommen. Wenn auch die schriftliche Überlieferung versagt, sind doch dem Anschein nach alle in dieser Zeit im Geldwesen auftauchenden Veränderungen auf diesem Kongreß beschlossen worden. Die wichtigste Neuerung Anfang des 4. Jahrhunderts war ein neues Goldnominale, der Solidus, der im ganzen Reich eingeführt wurde und der von nun an bestimmt war, die Grundlage und den Eckpfeiler der Münzordnung überhaupt zu bilden. Der Wert der neuen Münze sollte unveränderlich sein — daher nannte man sie Solidus—,und es sollten damit, wenn Schwankungen in den Wertverhältnissen der drei Münzmetalle Gewichtsveränderungen der Münzen erforderlich machten, solche nicht mehr, wie bisher, an der Gold- oder Kupfermünze, sondern ausschließlich an der Silber- und Kupfermünze vorgenommen werden (308). Eine wichtige Änderung betraf auch den von Diokletian geschaffenen weit verbreiteten Kupfer-Follis, mit dem Genius des römischen Volkes. Er wurde von 10,91 auf 6,54 Gramm herabgesetzt (reduzierter Follis). Der Beschluß zu dieser Gewichtsverminderung ist auch in Carnuntum gefaßt worden. Nach dem Tode des Kaisers Valentinianus, der 375 während des Quadenkrieges in Brigantio gegenüber Komorn einem Schlaganfall erlag, versiegte allmählich der bisher 210

27. Ostrom, Iustinianus I. Goldsolidus, Konstantinopel 28. Rom, Constantinus II. Centenionalis, Arelate (Arles) 29. Rom, Constans. Reduzierter Follis, Siscia 30. Rom, Diocletianus. Follis, Aquileia

so große Geldstrom nach Carnuntum. Münzen späterer Regenten werden hier kaum mehr gefunden, was vielleicht mit der Einstellung der Prägung in der bis dahin so fruchtbaren Münzstätte Siscia (Sissek) im Jahre 388/89 zusammenhängt. Auch Aquileia und Rom, die nach der Schließung von Siscia für die Versorgung des Geldumlaufes nördlich der Alpen in Betracht kamen, entfalteten seitdem eine weitaus geringere Tätigkeit. Der Schrecken, der den aus dem Osten immer mehr und mehr westwärts drängenden Völkerschaften vorausging, scheint auch auf die Münzprägung lähmend eingewirkt zu haben, insbesondere seit Valentinianus' Bruder Valens 378 in der Schlacht bei Adrianopel im Kampfe gegen die Westgoten und die ihnen verbündeten Ostgoten und andere Scharen sein Leben verloren hatte. Der Tod des letzten Alleinherrschers, des Kaisers Theodosius, im Jahre 395, der die Kupferprägung so eingeschränkt hatte, daß es fast einer Einstellung gleichkam, gab im gleichen Jahre den Germanen an der Donau, den Markomannen und Quaden, aber auch den Goten und Alanen, das erwartete und erwünschte Signal, in das Wiener Becken einzufallen und unaufhaltsam bis zur Donau vorzudringen. Dem Vandalen, magister militum utriusque militiae Flavius Stilicho, gelang es nicht mehr, die Germanen über den Strom zurückzuwerfen; damit war der Verzicht auf die nördlichen Gebiete der Pannonia I. ausgesprochen, der Limes zwischen Vindobona und Brigetio gefallen. Pannonien war seither viel mehr germanischer als römischer Besitz. Die gesamte mittlere Donau bis zur Mündung hatte aufgehört, Reichsgrenze zu sein. Daß Carnuntum trotzdem noch eine Zeitlang besiedelt blieb, beweisen die hier gefundenen byzantinischen Kupfermünzen, die bis Heraclius (610—641) reichen. Zu erwähnen bleibt noch, daß in der Limesgegend verhältnismäßig wenig Gold gefunden wurde, in den Lagern bis etwa 1932 überhaupt keines. Der Truppensold war zwar auf Gold gestellt (der gemeine Soldat erhielt zuerst drei Stipendien zu 75 Denaren jährlich = 3 Aurei, die im Laufe der Zeit auf 5 Aurei anwuchsen), wurde jedoch aus praktischen Erwägungen in Silber ausbezahlt. Das Silber bildete demnach bis ins erste Drittel des 3. Jahrhunderts die Hauptmasse der Funde, Kupfermünzen gibt es hauptsächlich aus dem 2. und 4. Jahrhundert. In dieser Zeit beherrscht es auch in den behandelten Gebieten den Geldverkehr; der Höhepunkt wird unter Constantinus II. (337—340) erreicht. Interessant und aus der Vielschichtigkeit der ortsansässigen Bevölkerung von Carnuntum, insbesondere auch der Veteranen, erklärlich ist die Vielfalt der Münzstätten, aus welchen die Münzfunde stammen. Sie alle anzuführen, fehlt hier der Raum, aber man 211

31. Rom, Iovianus. Centenionalis, Siscia 32. Rom, Valentinianus I. Centenionalis, Siscia 33. Rom, Regalianus. Antoninianus, Carnuntum 34. Rom, Dryantilla. Antoninianus, Carnuntum

kann sagen, daß so gut wie alle römischen Münzstätten hier vertreten sind. „Der Hauptlieferant bis Aurelianus ist das Münzamt in Rom, dann tritt Siscia bis zum Tode des Valentinianus I. an seine Stelle. Daneben kamen große Kontingente aus Aquileia, Ticinum und Thessalonica" (200). Auch Carnuntum selbst könnte, wenn nicht ein unbekannter Ort in Pannonien dafür in Frage kommt, ganz kurze Zeit eine Münzstätte besessen haben. Die kurzlebigen Prägungen von Gallienus' Gegenkaiser P-C. Regalianus und seiner Frau Dryantilla, deren Antoniniane aus dem Beginn des Jahres 261 fast alle hier in Carnuntum oder in Brigetio gefunden wurden, kämen dafür in Frage. Aber nicht nur römische Münzen hat die Erde von Carnuntum wieder preisgegeben. Neben ein paar echten griechischen der klassischen Zeit, darunter sogar einige Ptolemäer, sind hier auch von den Kaisern auf griechischem Boden geprägte sogenannte „Provinzialprägungen" gefunden worden. Sie beginnen schon mit Augustus. Besonders hervorzuheben sind die Gepräge aus Daciaund aus Viminacium, Hauptstadt von Moesia superior, jetzt Kostolac an der Donau; „sie waren Ersatzgeld für den Messing- und Kupfergeldmangel, der seit Septimius Severus herrschte und seinen Höhepunkt unter Gordianus III. erreichte, während die anderen griechischen Münzen mehr zufällig nach Carnuntum gekommen sind". Darunter befinden sich auch einige jüdische Münzen aus der Zeit des Simon Bar-Kochba (132—135), der den letzten großen Aufstand seines Volkes gegen die Römer führte. Diese Stücke stammen sicher von heimgekehrten Truppen, die nach dem Orient abkommandiert gewesen waren. Ganz besonders auffallend aber sind in Carnuntum wie im ganzen Limesgebiet überhaupt die in den Funden in relativ großer Zahl vorkommenden Fälschungen, unter denen eine besondere Gattung, die Limes-Falsa, für den Geldverkehr vor allem Carnuntums von ziemlicher Bedeutung ist. Während KUBITSCHEK und PINK diese Fälschungen für ein behördlich geduldetes Not- oder Ersatzgeld halten, um dem unter Septimius Severus eingetretenen Kupfer- und daher Kleingeldmangel abzuhelfen, neigt ELMER der Ansicht zu, daß es sich um „private Falschmünzererzeugnisse handelt". Das waren diese rohen Gußstücke aus Bronze sicherlich. Nach LACOM (607) waren sie „ursprünglich wahrscheinlich in doloser Absicht erzeugte Falschmünzen, die sich allmählich zu einem unentbehrlichen Notgeld, von den Behörden geduldet, vielleicht sogar gefördert, herausbildeten". Daß diese Münzen, Abgüsse von Sesterzen und Assen der verschiedensten Kaiser, „lediglich dem lokalen Kleinverkehr zwischen Lager und Stadt" dienten, dafür spricht auch die Tatsache, daß ihre Ausmünzung mit dem Aufhören der drückendsten Kleingeldnot endete. Die Einstellung dieser vorübergehend geduldeten Münzproduktion erfolgte unter der Regierung des Kaisers Severus Alexander im Jahre 231, „und zwar 212

35. Rom, Marcus Aurelius. Sesterz, Limesprägung

überaus radikal, unter Zerstörung der Einrichtungen und Konfiskation der Vorräte an Metall und Münze, so daß sich an der vermutlichen Erzeugungsstätte weder Tonmodell noch Metallreste oder Gußmünzen, sondern lediglich spärliche Schlackenreste vorfanden" (607). Außer diesen tolerierten Fälschungen gab es im Limesgebiet natürlich auch noch andere, insbesondere die schon zur Zeit der Republik da und dort vorkommenden „gefütterten" Denare, die einen Kupfer-(selten auch Eisen-)Kern haben und mit einer Silberschichte überzogen sind. Diese „subaerati" sind meist ausgesprochen private Falschmünzererzeugnisse (1088). Wann und wie das Ende für Stadt und Lager Carnuntum kam, ist schriftlich nicht überliefert. Es ist aber anzunehmen, daß es mit dem letzten Germanensturm im Jahre 395 zusammenhängt. Um ungefähr die gleiche Zeit wurde auch Vindobona, teilweise auch Lauriacum zerstört, dieses aber unter Generidus, dem magister militum Illyriens, wiederhergestellt, so daß sich die römische Bevölkerung hier noch lange Zeit halten konnte. „In der Vita Severini wird es noch als Zufluchtsort der flüchtigen Umwohner erwähnt" (869). Nachdem Odoaker dann die Masse der römischen Bevölkerung nach Italien verfolgt hatte, wurde das Land von Germanen bevölkert, wovon byzantinisches Gold- und Kupfergeld zeugt, das bis ins 7. Jahrhundert reicht. Im Jahre 433 erhielt Noricum infolge der dauernden Zurückverlegung der römischen Grenze das gewaltige Reich der Hunnen zum Nachbarn. 451 führte Attila seine Scharen durch Noricum nach Frankreich und wieder zurück. „Germanische Stammesfürsten begannen sich auf dem nicht mehr recht geschützten und nicht mehr recht verwalteten Reichsgebiet einzurichten; sie schufen hier lose Staatsgebiete, die keine festen Grenzen hatten, sondern je nach den Streifzügen ihrer Oberhäupter veränderlich waren" (227). Ufernoricum wurde von den Romanen geräumt. „Ähnlich aber wie im Falle der Aufgabe Daziens vor mehr als 200 Jahren handelt es sich nicht um eine restlose Evakuierung. Geräumt wurden vor allem die Städte, während auf dem flachen Lande restliche romanische Elemente verblieben. Nunmehr standen von den österreichischen Ländern im wesentlichen nur noch Kärnten und Osttirol — also die Territorien von Virunum, Teurnia und Aguntum — in staatsrechtlichem Verband mit Italien" (69). Dieses südliche Noricum erhielt jetzt den Charakter einer Grenzmark Italiens. Nach Odoakers Sturz 493 wurde es eine Provinz des von Theoderich d. Gr. in Italien errichteten Ostgotenstaates. Kurz seien noch die Münzen der Ruger-Könige erwähnt, über deren Volk im „Rugiland" (am nördlichen Ufer der Donau von Stein und Krems) derselbe spätrömische Historiker Eugippius berichtet, der die Vita Severini verfaßte. Die Ruger, deren Münz213

verkehr noch nicht genügend erforscht ist, prägten ganze und halbe Silbersiliquen. Die Monogramme der Könige hat Friedrich S T E F A N den beiden bei Eugippius genannten Herrschern Flaccitheus (451?—475) oder seinem Sohne Feva (475—487) zuzuweisen versucht (1113, 1114). 2. Böhmen und Mähren Antike Münzen sind natürlich auch nördlich der römischen Provinzen Noricum und Pannonien anzutreffen, es hat bis ins 19. Jahrhundert nie einen vollständig reinen, nur auf die Münzen des eigenen Landes beschränkten Geldumlauf gegeben; schon im Altertum entwickelte sich die nach dem hochwertigen Vorbild der Mittelmeerländer orientierte eigene Kultur, wodurch die Bedürfnisse ständig wuchsen und infolgedessen die Handelsbeziehungen mit dem Süden sich erweiterten und vertieften. Dabei erschlossen sich die im Vergleich mit ihren weiter fortgeschrittenen Nachbarn noch primitiven Völker weiter Möglichkeiten für die Einfuhr fremder Waren durch die Ausfuhr eigener Erzeugnisse und vor allem auch von Rohstoffen. Wir wissen, daß schon der altitalische Fernhandel des Neolithikums aus dem Norden Bernstein bezog und daß im 3. Jahrhundert v. Chr. aus Zentraleuropa, Skandinavien, Rußland und West-Sibirien und dann während der Principatszeit vor allem Bernstein, Sklaven, Vieh und Pelze nach Italien eingeführt wurden. Das freie Germanien, Skandinavien und Ungarn versorgte man im Gegenverkehr mit wertvollen und billigen Metallwaren, Töpfereiprodukten, Weinbehältern, Gläsern und anderen Waren. Insbesondere Sklaven waren noch bis ins 11. Jahrhundert n. Chr. für spätrömische Kaufleute eine sehr begehrte Ware. Die Funde antiker Münzen (bis etwa 1955: 13 griechische in Böhmen, 5 in Mähren und Schlesien sowie 617 römische Gepräge in Böhmen und 599 in Mähren und Schlesien) zeigen merkwürdige Konzentrationspunkte; auf böhmischem Territorium an der Elbe und um Kolin (hier selbst 7 Funde), auf mährischem bei Brünn und in nächster Umgebung (20) sowie bei Muschau nahe Nikolsburg (24 Funde). Dieses Muschau liegt etwa westlich der Schwarzawa, nahe ihrer Einmündung in die Thaya, die ungefähr von hier an einen sehr spitzen Winkel mit der March zu bilden beginnt, in dem sich die Fundorte (meist Einzelfunde) nur so drängen. Und ähnlich ist es mit der Umgebung von Brünn bestellt. In dieser Gegend vermutet ein Teil der Archäologen das bei Ptolemäus erwähnte Eburodunum, während bei Muschau das alte Felikia gesucht wird. Während fast des ganzen Altertums, sicher schon im dritten Jahrhundert v. Chr. trafen sich an der uralten Bernsteinstraße die Bernsteinhändler aus den Ostseeländern mit den Händlern, welche Erzeugnisse aus dem Süden, aus Norditalien und der großen Donauebene mit sich führten. Diese Handelsstraße führte quer durch den fast undurchdringlichen Hercynischen Wald, wie Caesar die Waldgebirge Mitteldeutschlands vom Rhein bis zu den Karpaten nannte; sie bildeten damals die Grenze zwischen den Germanen und den Kelten. „In römischer Zeit wie auch noch in den Tagen Attilas zog dort der Handel von Carnuntum und Bratislava entlang des Marus (der heutigen Morava, Marchfluß) durch die Nordmährische Pforte ins Odergebiet" (111) und von da weiter der Ostsee zu. Von dieser Straße hat es dann auch eine Verbindung zur Elbe gegeben, der entlang ein Weg nach Jütland ging, denn es gab einen jütischen und einen baltischen Bernstein, die beide gleich geschätzt waren. Als Ausgangspunkt dieser beiden Bernsteinstraßen sind das Samland und die Kimbrische Halbinsel anzusehen. Diese Straßen dienten auch dem Handel mit germanischen und dakischen Sklaven aus dem Barbaricum; auch die boischen Aristokraten profitierten davon. Ähnlich lagen in der Elbegegend um 214

Böhmisch Brod und Kolin Schwerpunkte des keltischen Handels und der Eisenproduktion, die wohl auch zur Römerzeit weiter besiedelt blieben. So erklärt sich die auffallende Häufung römischer Münzfunde gerade in diesen Gegenden mühelos aus dem hier seit alters bestehenden Fernhandel und aus der Kontinuität der Siedlungen. Die jüngsten antiken Münzen, die in Böhmen gefunden wurden, sind zwei nicht näher beschriebene Stücke der byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos und Isaak II. Angelos aus der Zeit von 1143—1195. 3. Slowakei Ein ziemlich ähnliches Bild der römischen Münzinfiltration bietet auch die Slowakei. Hier häuften sich die Funde an den linken Ufern von March und Donau und an den Unterläufen der in die Donau mündenden Flüsse Waag, Neutra, Gran und Eipel. Interessant ist die Verteilung auf die verschiedenen Perioden: Auf die Zeit von Augustus bis Clodius Albinus (197 n. Chr.) entfallen insgesamt 153 Funde, davon 39 auf die Kaiser von Augustus bis Nero. Auf das 3. Jahrhundert von Septimius Severus bis Constantinus kommen 100, auf das 4. Jahrhundert von Galerius Maximianus bis Valentinianus III. 89 Funde. Byzantinische Münzen von Arcadius bis Konstantin XII. Monomachus (4.—11. Jahrhundert) waren in 25 Funden enthalten. Die Fundorte liegen also hauptsächlich im Bereich des pannonischen Limes beziehungsweise an der Bernsteinstraße, denn von den Völkern jenseits der Donau wurden Rinder und Schafe, aus Germanien sogar Getreide geliefert. Der römische Export bei den Markomannen existierte bereits in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts, während Tauschhandel mit den Barbaren „in der Umgebung" der Lager dem Limes entlang, vor allem in „Carnuntum und Aquincum", verlief (751). 4. Pannonien, Ungarn Ungarn ist überaus reich an antiken Münzfunden. Leider hat es sich, trotz aller Rührigkeit seiner Forscher — ebensowenig wie Österreich — immer noch nicht dazu aufgerafft, gleich der Tschechoslowakei ein kritisches Verzeichnis der Münzfunde herauszugeben. So sind wir im großen ganzen auf das von Ludwig H U S Z A R verfaßte Inhaltsverzeichnis der Jahrgänge I—LI (1902—1952) des ,Numizmatikai Közlöny' (447) und für die Zeit nachher auf dieses selbst angewiesen. In diesem Fundregister ist bei den einzelnen Funden auch ihr Inhalt, in unserem Falle das Beiwort „römai" (römisch), angegeben. Darüber hinaus kann bis einschließlich 1961 die von Huszär zusammengestellte Bibliographie (448) herangezogen werden. Vorerst einige Worte über den Umlauf des römischen Geldes im vorrömischen Pannonien. Da in dieser Zeit ostkeltische Münzen im Gebrauch standen, hat das römische Geld hier relativ spät Eingang gefunden. Im nordöstlichen Pannonien waren in den achtziger und siebziger Jahren des ersten vorchristlichen Jahrhunderts die unter der Diktatur Caesars geprägten Münzen und die des Triumvirs Marcus Antonius am häufigsten. „Das Erscheinen des römischen Geldes darf in die Zeit nach Octavians Japodenfeldzug gesetzt werden, als die Verbindung mit Aquileia durch das Japodenland eröffnet werden konnte. Es ist unvorstellbar, daß in der Blütezeit der ostkeltischen Münzprägung auch das römische Geld bereits im Gebrauch gewesen wäre. Die Denare der Eravisker sind daher 215

in die dreißiger oder noch eher in die zwanziger Jahre zu setzen. Daß ihnen viel frühere Geldstücke als Vorlage gedient haben, erklärt sich damit, daß eben dieser Typ hier am meisten geläufig war" (752). Die Provinz Pannonien umfaßte im großen ganzen den heute Transdanubien (Dunäntül) genannten Raum, der im Norden und Osten von der Donau, im Süden von der Drau und im VCesten von den Ausläufern der österreichischen Alpen begrenzt wird. Im nordwestlichen Winkel griff die Provinz über die heutige Staatsgrenze, den Leitha-Fluß, hinüber, so daß auch Vindobona (Wien), Ala Nova (Schwechat), Aquae (Baden b. Wien) und Carnuntum (bei Deutsch-Altenburg) zu Pannonien gehörten, und zwar zu Pannonia superior, seitdem Traian das Gebiet in eine westliche und eine östliche Hälfte (P. inferior) geteilt hatte. Die Grenze zwischen beiden bildete eine vom Flusse Arrabo (Raab) bis zum Savis (Save) gezogenen Linie. Seit dem Jahre 300 erfolgte unter Galerius eine neuerliche Teilung in vier Provinzen: Pannonia prima, Pannonia secunda, Valeria und Savia. Pannonien wurde ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung dem Imperium einverleibt. Der römische Einfluß war in diesem Lande schon vor der römischen Okkupation vorhanden gewesen. Tiberius hatte nach sehr schweren Kämpfen gegen die überaus wilden und tapferen Eingeborenen schon im Jahre 11 v. Chr. namhafte Erfolge errungen; das neueroberte Gebiet wurde dann mit dem südlich anschließenden Land zu einer großen Provinz „Ulyricum" vereinigt. „Außer Siscia wurden jetzt auch Emona (Laibach), welches damals von Norikum losgelöst wurde, und Poetovio (Pettau) an der Drau römische Standlager" (572). Als jedoch Tiberius in den Jahren 6—9 n. Chr. „die einzige noch selbständige Germanenkoalition unter Marobod dem Reiche eingliedern wollte", brach in seinem Rücken der furchtbare pannonische Aufstand aus, der für die Nord-Politik Roms einen schweren Rückschlag bedeutete. Aber Tiberius warf den gefährlichen Aufstand von Siscia aus verhältnismäßig schnell nieder. Es war die letzte militärische Großtat für den augusteischen Prinzipat. Nach der Niederwerfung eines Einfalls der Jazyger 93 hat Kaiser Domitian Pannonien auf der Ostseite in den Lagern von Brigetio (gegenüber Komorn) und Aquincum (Ofen) die endgültige militärische Organisation gegeben. Aber nicht nur die strategische Sicherung der Donaugrenze war durch die Unterwerfung Pannoniens erreicht worden, sondern auch die des wichtigsten Handelsweges in dieser Gegend, nämlich der schon erwähnten Bernsteinstraße, die, nachdem sie bei Carnuntum pannonisches, also römisches Gebiet erreicht hatte, ihren Weg über Scarabantia (Ödenburg), Savaria (Steinamanger), Poetovio (Pettau), Celeia (Cilli) und Emona (Laibach) nach Aquileia fortsetzte. „Die Naturschätze des Nordens, der Bernstein, das Gold, die Felle, das für Sklavenarbeit höchst wertvolle Menschenmaterial, lockten später, im Laufe des 2. Jahrhunderts, auch die italischen Kaufleute auf diesen Weg" (1160). Die Entwicklung im Innern der Provinz ging in zwei Richtungen vor sich: „Pannonia Superior, die näher zu Noricum lag und deren Romanisierung intensiver war, erhielt infolge ihrer Nähe schneller die Güter, die aus Italien eintrafen, so daß dieser Teil der Provinz auch vom ethnischen Standpunkt aus enger mit Nord-Italien und Noricum verbunden ist. Demgegenüber zeigt die Romanisierung von Pannonia Inferior militärischen Charakter, und auch die Bevölkerung ist mehr gemischt. Hier ist jede Bewegung der vor dem Limes lebenden barbarischen Völker besser zu fühlen. Diese Spaltung — in den späteren Jahrhunderten immer mehr anwachsend — zeigt sich in ihrer folgenschweren Entwicklung hauptsächlich im 4. Jahrhundert" (27—30). Auch im Geldwesen hat sich diese Spaltung naturgemäß bemerkbar gemacht. Es würde zu weit führen, die mit den im Laufe der Zeit gemachten Münzfunden zusammenhängenden politischen, oder besser gesagt, militärischen Ereignisse im einzelnen darzustellen. Für Intercisa (Dunapentele, Sztälinväros) hat dies 216

Ladislaus BARKÖCZI in mustergültiger Weise besorgt. Was er vorbringt, gilt aber nicht für Intercisa allein, sondern für die ganze Provinz. Eines ist sicher, daß die nicht wenigen Münzschätze nur auf die Nachricht des Einbruchs oder des Angriffs der verschiedenen, vor dem Limes lauernden Völkerschaften, wie etwa der JazygenundSarmaten, verborgen wurden. Eine Gruppe der Funde beweist mit voller Deutlichkeit, daß sich die Provinz vom Jahre 150 an in ständiger Unruhe befand, die sich entlang der nördlichen Grenze in geringerem, im südlichen Teil der Provinz in stärkerem Maße äußert, da der Süden von der Angriffsbewegung der Sarmaten in erster Linie betroffen war. Die Funde zeigen entlang des Limes, von Norden nach Süden gehend, ansteigende Jahreszahlen, ein Umstand, der wohl mit der Richtung der zunehmenden Angriffsbewegung zusammenhängen dürfte. Während einer längeren Zeitspanne wurde fast jeder Münzhort zu einem anderen Zeitpunkt vergraben; das bedeutet, daß die Volksbewegung im Grunde genommen das ganze Karpatenbecken umfaßte. So lassen die Münzfunde die ständige Unruhe im nördlichen Randgebiet von Dacien und im Bereich von Pannonien gut erkennen. Aber es läßt sich auch von den Funden ablesen, daß mit dem Beginn des 2. Jahrhunderts, also angefangen mit Traian, ein lückenloser Geldverkehr anhebt. Dabei ist es merkwürdig, daß in Intercisa Münzen von Septimius Severus und Caracalla nach verhältnismäßig kurzer Umlaufzeit bereits in die Gräber gelegt wurden, während die meist schlecht erhaltenen Denare Traians und Hadrians im Barbaricum infolge Geldmangels erst nach einem Umlaufe von 50—60 Jahren in die Erde gerieten. Bald entstanden neben den alten Dörfern, den wichtigsten Straßen entlang und in den Handelszentren größere Niederlassungen, z. B. Siscia (Sissek), Sirmium (Mitrovica), Poetovio, Scarabantia und Carnuntum, so daß Pannonien bald völlig romanisiert war. Aber der nach heftigen Kämpfen erlangte Frieden wurde im 2. Jahrhundert auf das schwerste gestört; während der Regierung Marc Aurels verwüsteten Quaden, Markomannen und Sarmaten die blühenden Donauprovinzen. Es war für ganz Pannonien eine Epoche der Zerstörung. Es gab kaum eine Gegend in der Provinz, die von den wütenden Horden verschont geblieben wäre. Der der Donau entlang errichtete Limes war nicht stark genug gewesen, um Pannonien vor diesen ununterbrochenen Einbrüchen zu schützen. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts versuchte man durch Befestigung des hinter dem ursprünglichen Grenzwall liegenden Gebietes eine neue Verteidigungslinie zu schaffen. Die jüngste große Befestigung war das Werk des letzten bedeutenden Kaisers, des aus Pannonien selbst stammenden Valentinianus I. Aber auch diese Anstrengung war vergeblich. Mit dem Tode Theodosius I. 395 endet auch hier die römische Zivil- und Militärverwaltung. In den ersten Jahren des 5. Jahrhunderts wurde der östliche Teil Pannoniens, die Provinz Valeria, offiziell aufgegeben und den Hunnen überlassen. Nun konnte auch der durch natürliche Grenzen nicht geschützte westliche Teil Pannoniens seinem Schicksal nicht mehr entgehen; bald darauf wurde er zur Beute der Hunnen und ihrer Verbündeten. Nur der Raum zwischen Drau und Save verblieb noch weiter unter byzantinischer Herrschaft. Neben den Markomannen und Quaden und ihren Bundesgenossen bedrohten auch die Sarmaten-Jazygen den Donaulimes. Dieser iranische Volksstamm, der aus der südrussischen Steppe gekommen war, besetzte in den fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. das Gebiet zwischen Donau und Theiß. Das römische Imperium gebot ihrer weiteren Expansion Einhalt. Der Versuch Marc Aurels, die Reichsgrenze weiter nach Norden und Osten vorzuschieben und eine Provinz Marcommania (Böhmen und Mähren) und Sarmatia (das Jazygenland) gleichsam als Festungsglacis für Noricum und Pannonien 217

zu schaffen, scheiterte nicht nur, sondern mehrere blutige Vorstöße dieser Barbarenstämme erwiesen den befestigten Limes keineswegs als den Schutzdamm, der den vordringenden Völkern ein für allemal Einhalt gebieten konnte. Schon in der Zeit des Kaisers Tiberius waren die Jazygen in Pannonien eingedrungen. In dem Kriege gegen die Dacier gelang es dann, sie als Bundesgenossen zu gewinnen, weshalb auch die Reliefs auf der Trajanssäule ihrer gedenken. In dieser Zeit wurden die Sarmaten auch mit der römischen Geldwirtschaft bekannt, wie außer Einzelstücken auch eine Reihe großer Münzfunde in der ungarischen Tiefebene, hauptsächlich im Komitat Csongräd und auch in der Hortobägy (Komitat Hajdü), beweisen. Der Fundinhalt reicht hier von der Zeit der Republik bis in die des Kaisers Heraclius (gest. 641 n. Chr.). Dies alles wäre weiter nicht merkwürdig, da es eine allgemeine Erscheinung ist, daß sich römische Münzen in großer Zahl immer wieder jenseits der Reichsgrenze vorfinden, wenn nicht hier im Sarmatenland neben den Originalen auch lokale Prägungen vorkämen. Sie imitieren schlecht und recht die römischen Denare und sind in der Hauptmasse für den eigenen Geldbedarf geschlagen worden. Aber es gibt auch noch eine zweite Kategorie: diese Stücke sind sämtlich gelocht, zeigen zwar Kaiserporträts des 3. und 4. Jahrhunderts, aber auf der Rückseite Halbmonde und Sterne, was sie als religiöse Amulette kennzeichnet. Überdies bestehen sie aus schlechtem Material, nämlich meist aus Messing, und haben ganz dünne Schrötlinge von kleinem Durchmesser. Vielleicht hängt dieses Reversbild irgendwie mit der bei den Sarmaten schon vor ihrer Einwanderung nach Ungarn nachweisbaren Sonnenanbetung zusammen. Der zehnjährige ungemein harte Feldzug gegen die Quaden und Markomannen hat auch die Macht der Sarmaten-Jazygen gebrochen. Erst seit den dreißiger Jahren des 3. Jahrhunderts kommt es wieder zu neuen Angriffen, als neue sarmatische Völker, die Roxolanen, in die große ungarische Tiefebene eindringen. Außer den Sarmaten-Jazygen haben sich auch die Quaden am großen Markomannenkrieg beteiligt. Man glaubte um 1880 noch, daß auch sie in der gleichen barbarischen Art und Weise römische Münzen, und zwar solche der Republik, nachgeahmt hätten. Ein Vierteljahrhundert später hat der bedeutende ungarische Numismatiker Ödön G Ö H L diese Prägungen jedoch den illyrischen Eraviskern zugeschrieben, die gegen Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. über die Donau gewandert sein und hier ihre Wohnsitze aufgeschlagen haben sollen. P I N K indessen, der als erster die ostkeltische Prägung im Zusammenhang behandelte, nennt diese Münzung „die sogenannte Eraviskerprägung". Die Quaden aber zieht auch er nicht in Erwägung. Es ist also hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Pannoniens Geldumlauf wurde in römischer Zeit in der Hauptsache durch die Prä218

gungen der zwei an der Save gelegenen Münzstätten, Siscia und Sirmium, gewährleistet. Siscia, unter Gallienus errichtet, war eine der produktivsten Münzstätten des Reiches. Sirmium fing erst nach dem zweiten Bürgerkriege, 324, unter Constantin dem Großen zu prägen an, doch in weit geringerem Umfang als Siscia. Beide waren, wenn man so sagen darf, auf Kleinbronzen spezialisiert, die in großen Massen ausgegeben wurden. Sirmium stand bis unter Kaiser Gratianus, Siscia noch unter Arcadius in Betrieb. Jenes ist insbesondere durch die hier hergestellten, im Kapitel „Metallversorgung" erwähnten Goldbarren bekannt; von hier aus ist wohl hauptsächlich die Provinz Dacia mit Münzen beliefert worden, während Pannonien dank seiner ausgeweiteten Handelsbeziehungen zu Aquileia zum Teil auch von dort mit Geld versorgt wurde. Eine dritte, jedoch außerhalb Pannoniens gelegene Münzstätte, Viminacium, dürfte eine Zeitlang — sicher unter Pacatianus (im Jahre 248) und dann von Valerianus bis Gallienus — neben den bekannten kolonialen Kupfermünzen für die Provinz Moesia superior zwischen 239—257 auch kaiserliche Antoniniane geprägt haben. Da eine Gruppe solcher Münzen in der Umgebung von Szalacska (Komitat Szabolcs) gefunden wurde, darf man annehmen, daß diese Billon-Antoniniane entweder für Pannonien oder für Dazien bestimmt waren, um irgendeine Versorgungslücke auszufüllen. Wie schon bemerkt wurde, ist Ungarn — und hier vor allem der Boden des alten Pannoniens — reich an Münzfunden. Hier kommen als Fundorte insbesondere Brigetio, Aquincum und — seit etwa 20 Jahren — Intercisa in Betracht, das am rechten Donauufer etwa gegenüber der Südspitze der Insel Csepel liegt. Dieses Intercisa war seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr., also seit Traian, unter dem vermutlich nach Beendigung der dakischen Kriege zwischen 106 und 108 das endgültige Lager errichtet wurde, bis zur Aufgabe der Provinz im Jahre 410 ein wichtiger Punkt zur Verteidigung von Pannonia inferior. Die römische Besetzung von Dunapentele, die mit der Eroberung Daziens zusammenhing, spielte als einer der Brückenköpfe der nach Dacien führenden Straße bis zur Aufgabe dieser Provinz eine wichtige Rolle (271). Es war auch später noch, dank seiner ausgezeichneten geographischen Lage an der Grenze von Pannonia inferior beziehungsweise Valeria, zur Verteidigung eines wichtigen Grenzabschnittes hervorragend geeignet. Angesichts des großen Mangels an Baustein im Umkreis von Dunapentele trugen die Bewohner der Umgebung im Laufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts für ihre Bauten die von den Römern mühsam auf Wagen herbeigeschafften Steine davon, so daß fast sämtliche römischen Bauten vernichtet wurden. Bald darnach begann hier auch ein Run der Antiquitätenhändler: „ihre Agenten plünderten die Gräberfelder und die Siedlung. Auf diese Weise wanderten viele Funde ins Ausland, kamen in den Besitz von Privatsammlern oder ohne jede fachgemäße Beobachtung ins Ungarische Nationalmuseum" (478). Erst um die Jahrhundertwende begannen systematische Grabungen, die wohl große Ergebnisse brachten, jedoch das Verlorengegangene nicht mehr ersetzen konnten. Natürlich hatte in den vorhergegangenen Raubzügen das Hauptinteresse den leicht beweglichen Gegenständen, unter ihnen vor allem den Münzen, gegolten, so daß sich im Gegensatz etwa zu Carnunturri der Geldverkehr von Intercisa nur mehr schwer und höchst lückenhaft rekonstruieren ließ. Maria R. A L F Ö L D I mußte daher in ihrer umfassenden Arbeit über Intercisa gleich einleitend feststellen, daß man über den Geldverkehr in Intercisa nur „ein annähernd genaues Bild" entwerfen könne. „Größere Münzfunde fehlen hier fast vollkommen, und das uns zur Verfügung stehende Streumaterial ist ebenfalls gering. Trotzdem sind auch 219

37. Rom, Traianus. Dupondius, mit Donaubrücke

38. Rom, Hadrianus. lDupondius ^ U ^ U U U i U d ,„DE , 1 SARMATIS"

diese wenigen Münzen für den Geldverkehr des Gebietes charakteristisch, und auf ihrer Grundlage wird uns eine Andeutung des lokalen Geldverkehrs wenigstens in breiten Umrissen möglich" (9, 10). Intercisa gehörte nicht zu jenen ersten, frühen Lagern, „deren Aufgabe es war, die sich vollziehende militärische Besetzung von Pannonien zu sichern". Der Niederlassung ging hier auch keine Siedlung der Eingeborenen voraus. Das erste Castrum, das Pfahllager, wurde erst zu Beginn des 2. Jahrhunderts errichtet, in der Zeit nach Traians zweitem dakischen Feldzuge. Daher setzte der normale Geldverkehr in diesem Gebiet erst unter Traian ein. Das römische Fundmaterial ist bis zur zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts sehr dürftig. Man kann daraus schließen, daß der Geldverkehr in diesem Gebiet, von größeren Erschütterungen unbehelligt, ein ruhiger und normaler war. Es bestand keine Notwendigkeit, sein bewegliches Hab und Gut, vor allem das Geld, vor feindlichen Einfällen in Sicherheit zu bringen. Bis zu den Markomannen-Sarmaten-Kriegen war das Leben hier verhältnismäßig ruhig und „auch der Geldverkehr normal und ausgeglichen". Aus den großen Donaukämpfen aber blieb kein einziger Fund erhalten. Auch Streumünzen dieser Epoche sind nicht vorhanden. Ein aus den Jahren 176—178 stammender Sesterz des Marc Aurel ist das erste Zeichen der Wiederkehr normaler Verhältnisse. Auch die Zeit vom Regierungsantritt des Septimius Severus im Jahre 193 bis Gordianus III. (238—244) ist für Pannonien wieder eine ruhige, durch Kriege wenig gestörte Periode. Der Geldverkehr zeigt, daß verschiedene und genügend zahlreiche Prägungen für den nötigen Geldumlauf sorgten. Nur in den Jahren 235—238, unter Maximinus Thrax, gibt es eine auffallende Lücke. Die Münzstätte des benachbarten Viminacium war berufen, dem um die Mitte des 3. Jahrhunderts immer drückender empfundenen Mangel an Großbronzen, also auch Sesterzen, einigermaßen abzuhelfen. Wie in der ganzen Provinz sind auch in Intercisa die bekannten Bronzestücke von Moesia superior mit dem Herrscherkopf auf der einen Seite sowie mit einer Frauengestalt zwischen Löwe und Stier auf der anderen Seite häufig. Unter der Regierung des Gallienus, in den Jahren 160—168, gibt es dann abermals eine große Lücke. Inzwischen lockert sich jedoch die Spannung. Die ungestörte Tätigkeit der Münzstätte Siscia seit ihrer Errichtung im Jahre 262 zeigt deutlich die fortschreitende Besserung der Lage in der Provinz. Die Zeit der Tetrarchie ist in Intercisa wieder spärlich vertreten. Erst aus der Zeit nach den zwanziger Jahren des 4. Jahrhunderts wurden wieder größere Mengen von Münzen gefunden. Seit 320 nimmt der Geldumlauf nicht nur hier, sondern in der ganzen Provinz bedeutend zu. „Das ist jedoch nicht nur ein Anzeichen einer beginnenden Geld220

39. Rom, Iulia Mamaea. Dupondius

entwertung, sondern spricht gleichzeitig für die anwachsende Bedeutung der Provinz Pannonien im 4. Jahrhundert. Ebenso charakteristisch für diese Epoche ist eine gewisse Regulierung in der Verteilung des Kleingeldes: mit fortschreitenden Zeiten versieht Siscia die Provinz Pannonien in immer größerem Maße mit dem nötigen Kleingeld" (478). Der geordnete Geldverkehr endet mit dem großen Einbruch der Quaden und Sarmaten (um das Jahr 374/75) auch in Intercisa. Die dem Tode Valentinians I. folgenden Münzen fehlen hier ebenso wie in den anderen Teilen der Provinz. Im Fundmaterial des nun folgenden Zeitraumes kommen nur mehr sehr wenige Münzen vor. Unter den Prägungen der römischen Kaiser gibt es auch solche östlicher Provenienz, vor allem fällt eine größere Anzahl von Kleinbronzen aus Nikaia auf, die sämtlich aus der Zeit des Severus Alexander (von 222 bis 235) stammen. Nikaia war ein Durchgangslager der im Osten angeworbenen Soldaten; durch sie sind diese und andere östliche Prägungen hierher an die Donau gelangt. Sie waren jedoch kein Verkehrsgeld, sondern wurden „vermutlich von Reisenden aus dem Osten stückweise als Andenken und als Kuriosum hierhergebracht" (478). Den zeitlichen Abschluß der Fundmünzen von Dunapentele-Intercisa bildet ein Bronzestück der Ostgoten, das vielleicht — die Münze ist stark abgenutzt — der Mataswintha angehört und in diesem Falle aus den dreißiger Jahren des 6. Jahrhunderts stammen würde. Die Fundumstände sind unbekannt; jedenfalls aber bedeutet das Auftauchen dieser Prägung für Intercisa kein Problem, da die damaligen Bewohner Transdanubiens, die Langobarden und noch mehr die Gepiden, mit ihren Verwandten in Italien, den Ostgoten, in ständiger Verbindung standen. Neben Intercisa ist auch Brigetio (Ö-Szöny gegenüber Komorn) am rechten Donauufer, gegenüber der Einmündung der Waag, zu nennen. Da dieser Punkt im Verlauf des pannonischen Limes eine ebenso wichtige wie exponierte Stelle einnimmt, wurde zugleich mit Vindobona und Aquincum aus einem Kastell ein Legionslager errichtet. Die Nordgrenze der beiden Pannonien bis zum Donauknie sollte durch diese Lager geschützt werden. Aber in den Jahren 170/71 wurden sie von den Markomannen, Quaden, Naristen und Jazygen ebenso überrannt wie Intercisa. Bis nach Italien sind diese Völker damals gelangt, wo sie Aquileia belagerten, Oderzo in Asche legten und Verona bedrohten. In Brigetio sind insbesondere zwei Goldfunde von größerem Interesse. Der eine, 1946 gehoben, enthielt neben Goldschmuck insgesamt 7 Prägungen von Carinus, Diocletian und Maximianus Herculius aus den Münzstätten Siscia und Rom. Von großer Bedeutung ist aber der Ort der Auffindung, nämlich das Offiziershaus neben dem Praetorium. Dies zeigt deutlich, daß, wie schon P I N K in seiner Arbeit über den Geldverkehr in Carnuntum bemerkt hat, die Offiziersgehälter der Grenztruppen meist in Gold ausbezahlt wurden. 221

Ein ganz anderes Bild zeigt der Fund von 1959, mit 118 Aurei aus der Zeit von Nero bis Julian. Die Fundstelle lag südlich des Legionslagers in einem weder damals noch später bewohnten Gelände. Hier wollte wahrscheinlich ein Händler sein Vermögen vor den anstürmenden Barbaren in Sicherheit bringen, hat aber deren Einfall nicht überlebt. Zwischen der Vergrabungszeit der beiden Funde (193 bzw. 282/289) liegt rund ein Jahrhundert. Beide Male hat Brigetio den Ansturm überdauert, obwohl es im zweiten, im Jahre 293, von den Quaden zerstört worden war. Doch bereits in den unmittelbar darauffolgenden Jahren gibt es hier wieder einen ungestörten Geldverkehr, über den eine zusammenfassende Darstellung bis nun leider zu fehlen scheint, obwohl außer den beiden eben erwähnten auch noch andere Funde aus Brigetio publiziert wurden. Das dritte Legionslager an der Nordgrenze Pannoniens war Aquincum (Altofen). Leider lassen uns hier die Fundberichte ziemlich im Stich. Vor allem fehlt auch hier eine zusammenfassende Übersicht. Man wird aber trotzdem annehmen dürfen, daß sich der Geldverkehr kaum wesentlich von dem in Intercisa unterschieden hat. Bemerkenswert sind dagegen die jahrelangen umfangreichen Ausgrabungsarbeiten, die zur Freilegung des Gebietes der in Zweiten Weltkriege schwer mitgenommenen Burg von Buda (Ofen) geführt haben. Bis zum Jahre 1956 waren hier fast 3000 Münzen gefunden worden, darunter 32 antike. Deren Vorkommen auf diesem Boden überrascht, zumal sie zum größten Teil in Begleitung von Münzen des 15. Jahrhunderts auftraten; „wenn sie aber gegebenenfalls sporadisch allein zutage gefördert werden, so rühren sie auch dann aus Fundstellen oder Schichten her, an denen in ihrer unmittelbaren Nähe doch auch wieder mittelalterliche Münzen vorkommen. Folglich stellen sie auf keinen Fall Beweise für in antiken Schichten unmittelbar uns überlieferte Denkmäler der antiken Welt dar, sondern dürften wohl im Laufe des 15. Jahrhunderts an ihre gegenwärtige Fundstelle geraten sein. In der Umgebung der Burg gab es zweifellos schon zu jener Zeit gute Fundorte (Aquincum usw.), und die antiken Münzen, die auf verschiedenen Wegen in die Burg gelangt waren, dürften sich da und dort mit den übrigen mittelalterlichen Geldstücken vermengt haben. Möglicherweise bildeten sie auch schon damals Gegenstand unmittelbaren Interesses, war doch die Aufmerksamkeit der Renaissance und Protorenaissance im allgemeinen auf die Denkmäler der antiken Kultur gerichtet. Auch weisen einige Daten darauf hin, daß sich Ansätze von Münzsammeltätigkeit bereits zu jener Zeit feststellen lassen" (458). Mit den drei angeführten pannonischen Legionslagern ist natürlich der Geldverkehr in dieser Provinz keineswegs erschöpft; zahlreiche Münzfunde aus dem „Hinterland" erwiesen dies. Hier aber konnten begreiflicherweise nur jene Orte kurz beleuchtet werden, deren Bedeutung auch für den Münzumlauf der übrigen Teile Pannoniens normative Ergebnisse versprach. Zum Ende des römischen Geldumlaufes in Pannonien wäre vor allem zu sagen, daß systematische Ausgrabungen bis etwa 1920 leider nur an sehr wenigen Orten vorgenommen wurden und daß selbst die nicht immer sorgfaltig waren. Trotzdem bietet sich genügend Material zur Skizzierung des Rahmens. Die letzte Periode einer friedlichen Existenz dieser Provinz zeigen die Münzen aus den Jahren 364—378. Es ist aber auch sicher, daß die Münzen von Valentinianus I., Valens und Gratianus noch lange von der romanisierten Bevölkerung benützt wurden; denn neu geprägte Münzen wurden in der Provinz immer seltener. Im Jahre 378 fällt dann Kaiser Valens im Kampf gegen die Goten; damit ist für die römische Welt das Schicksal unserer Provinz von einem dichten Schleier umhüllt. Nur ganz zufällig und sehr selten fallen bei den Schriftstellern einige Worte darüber, aus denen man den Gang der Ereig222

nisse aber nicht verfolgen kann. Die einzige greifbare, zeitlich fixierbare Lebensäußerung der Römer bietet das numismatische Material. Aus ihm geht hervor, daß Verwaltungsorganismus und Heer im Jahre 380 nicht plötzlich aus der Provinz verschwanden; ja es gelang sogar während der Regierung des Theodosius, noch den Schein der alten Ordnung aufrechtzuerhalten; erst nach seinem Tode im Jahre 395 wird die Lebensfunktion der Provinz durch die Kriegszüge der unsteten Barbarenvölker vollständig gelähmt. Der Handel und die freien Bewegungsmöglichkeiten, über deren Intensität die Münzen Zeugnis ablegen, kommen zum Stillstand. Die zurückgebliebenen Bewohner der Städte schließen sich in ihre Mauern ein und erwarten hier eine bessere Zukunft; statt dessen aber beginnt der Prozeß des langsamen endgültigen Unterganges (6). Schon im Jahre 388 nahm der Umsatz bedeutend ab, da ein Jahr vorher die Münzstätte Siscia geschlossen worden war, wodurch Pannonien seinen bedeutendsten Geldlieferanten verlor. Die in Sirmium geprägten und im Räume zwischen Drau und Save umlaufenden Münzen der Gepiden lieferten nur einen unzureichenden Ersatz. Zur Zeit Justinians I. (527—565) gelangten auch Kupfermünzen byzantinischer Münzstätten nach Pannonien, deren Eindringen indessen nicht als bloßer Zufall zu werten ist, sondern eine systematische Aufnahme der Handelsbeziehungen zwischen dem neuerstarkten oströmischen Reiche und den noch teilweise romanisierten Völkern Syrmiens sowie den Barbarenstämmen jenseits der Donau darstellt. 5. Dakien Die Grenzen dieser römischen Provinz umfaßten alles Land zwischen der Theiß, den Karpaten, dem Pruth (Hierasus) und der Donau, also das alte Ungarn östlich der Theiß, Siebenbürgen, Bukowina, die Moldau westlich des Pruth und die Walachei, was im großen ganzen dem Gebiet der heutigen Volksrepublik Rumänien entspricht. In den Donauländern hat Burebista ein großes Goten- und Dakerreich aufgerichtet, „das sich seit 60 v. Chr. durch die Vertreibung der keltischen nun am Plattensee wohnenden Boier westwärts nach Pannonien hin ausweitete und die Poebene bedrohte" (572/11). Die Feldzüge Octavians in den Jahren 35—33 gegen die Japuden, Pannonier und Dalmater dienten nicht nur dem Ausbau der illyrischen Grenzstellung, sondern „bedeuteten auch eine Wiederaufnahme der letzten Pläne Caesars gegen die Daker. Bezeichnend ist, daß gleich nach der Niederwerfung der Japuden ostwärts zur Save und diese abwärts und südwärts bis zum Drin und zur Donau vorgestoßen wurde, an deren Gegenufer damals die Daker saßen. Dabei wurde Siscia (Sissek), die südliche Schlüsselstellung Pannoniens, an der Vereinigung der schiffbaren Kulpa mit der Save gelegen, nach dreißigtägiger Belagerung erobert und als Hauptetappenplatz gegen die Daker eingerichtet (572/11). Deren König Burebista war um 40 ermordet worden, und das Dakerreich zerfiel darauf in vier, später fünf Teilherrschaften. Die schwierige Aufgabe, einen genügenden Grenzschutz an der unteren Donau im Vorgelände der Balkanhalbinsel aufzubauen, galt vor allem dem Kampf gegen Geten und Daker. Diese überquerten im Winter 11 /10v. Chr. die vereiste Donau, wurden aber abgewiesen und im Jahre 9 nach Überschreitung des Flusses von den Römern in einem konzentrischen Angriff von Moesien und Pannonien aus im eigenen Lande besiegt. Nach Abdämmung der Westgermanen führte die Unruhe unter den nachrückenden Ostgermanen zu einer Verlagerung der Hauptgefahrenzone für das römische Reich vom Rhein an den Mittel- und Unterlauf der Donau. Dieser Raum wurde seit der zweiten Hälfte der Regierung Domitians „der eigentliche Tummelplatz der römischen Nord223

politik. Sie erreichte ihren Höhepunkt unter Traian, der hier die römische Macht zu großem Ansehen brachte und durch seine Kämpfe gegen Daker und Parther ein wiedererstandener Imperator Caesar wurde, der letzte Soldat und Mann der Tat, der nach einer langen ausgezeichneten Militärlaufbahn den Traum von Alexanders Taten noch einmal geträumt hat" (572/11). Den Dakern aber war „nach einem großen nationalen Aufstieg in Dekebalus ein neuer Burebista" erstanden. Domitian hatte nach einer schweren Niederlage seines über die Donau entsandten Heeres mit ihm einen Frieden geschlossen, der jedoch, wie Traian sogleich erkannte, nur eine Notlösung gewesen war. Durch eine Offensive im äußersten Osten griff er den Feind an, wodurch auch das Schwarze Meer völlig unter die Herrschaft der Römer gelangte. Neben der Machterweiterung, die gleichzeitig eine Grenzsicherung sein sollte, lockte auch die Tatsache, „daß Dakien ein reiches Goldland war, und zwar seit Jahrtausenden, das vielleicht schon dem ,goldreichen' Mykenä das kostbare Material geliefert hatte" (572/11). Um den Krieg zu rechtfertigen, warf man Dekebalus unentwegt Vertragsbruch vor. Nach Fertigstellung der großen Kunststraße durch die Donauenge bei Orsova begann der Feldzug, der in zwei für Rom sehr verlustreichen Kriegen (101/102 und 105/106) durchgeführt wurde. „Schon der erste Friedensschluß brachte neben der Schleifung der festen Hauptstadt Sarmizigetusa den Gewinn der südwestlichen und südlichen Außenländer an der Donau (Banat und kleine Walachei). Beide wurden verwaltungsmäßig an Obermösien angegliedert, während das Kernland (Siebenbürgen) noch bei Dekebalus verblieb, allerdings ebenfalls mit Besatzungen belegt wurde. Nach Erbauung der Donaubrücke bei Drobeta (Turnu-Severin) wurde dann im zweiten Krieg, mit dem Dekebalus die Römer überraschte, von Drobeta aus Sarmizigetusa erobert und der König auf der Flucht ins Bastarnerland (Ostkarpaten) im Jahre 107 zum Selbstmord getrieben" (572/11). Seine Schätze fielen in die Hände des Siegers. Der nicht sehr kritische Grieche Johannes Laurentius L y d o s (um 490—570) berichtet — wohl übertrieben—, Traian habe aus dem dakischen Kriege 5 Millionen Pfund Goldes, doppelt soviel Silber und 500.000 Kriegsgefangene erbeutet. Jedenfalls war die Beute groß genug, um aus ihren Mitteln das Traianische Forum und auf diesem die Traianssäule errichten zu lassen, die nach Mommsen ein „Zeugnis der verwüsteten Geschichtsüberlieferung der römischen Kaiserzeit darstellt, wie wir kein zweites besitzen — ein gemeißeltes Bilderbuch der dakischen Kriege, zu welchem uns fast überall der Text fehlt" (760). Dieser Sieg und die Niederwerfung des durch seine Edelmetallschätze für die römische Expansions- und gleichzeitig Grenzsicherungspolitik nahezu unentbehrlichen Dakerlandes haben auf den Münzen Traians einen ungewöhnlich kräftigen Niederschlag gefunden, und zwar sowohl auf den Aurei und Denaren wie auch auf den Sesterzen, Dupondien und Assen. Auch Hadrian hat sich auf den Münzen noch Dacicus Parthicus genannt und daneben auch seinen Onkel und Adoptivvater Traian auf einigen Stücken sogar mit dargestellt. Alle diese Münzen entstammen der Münzstätte Rom, denn es gibt kein Anzeichen, daß es zur Zeit dieser beiden Kaiser eine Münzstätte in einer der Städte gegeben habe, die als Basis für die dakischen und parthischen Feldzüge dienten. Traian mag die Münzstätte Rom, unterstützt durch die von Caesarea und Antiochia, als ausreichend für die Ausprägung des Truppensolds angesehen haben. Der Name „Dada" kommt auf diesen Münzen in verschiedenen Versionen vor, deren wichtigste wohl DACIA CAPTA oder DACIA.AVGVST.PROVINCIA sind. Jedenfalls galt die mit schweren Opfern erreichte Eroberung dieses Landes als bedeutendstes militärisches Unternehmen des großen Imperators und bot auch den Anlaß zu einer so intensiven Ehrung auf seinen Münzen. 224

40. Rom, Hadrianus. As „ D A C I A "

Dakien wurde nunmehr im größten Stile systematisch kolonisiert, in einer Weise, wie das von Rom aus bis jetzt noch nirgends geschehen war. Nach Ausrottung der Eingeborenen weithin durch das Land, abgesehen von einigen Reservaten im Osten und Norden, wurden die in staatliche Regie übernommenen Goldbergwerke durch des Bergbaus kundige Dalmatiner, etwa die Pirusten, betrieben, die man aus ihrer damals stark übervölkerten Heimat nach Dakien verpflanzte. Die Balkanländer aber hatten erst durch die Eroberung den vollen römischen Schutz erhalten. Das alte Sarmizigetusa blieb wohl auch weiterhin Hauptstadt der jungen römischen Provinz, aber die im Lande zurückgelassene Legio XIII Gemina baute sich ihr Lager nicht hier, sondern auf dem Festungshügel zu Apulum (Alba Julia, Weißenburg, Karlsburg, jetzt abermals Alba Julia). Die eigentliche Grenzverteidigung aber wurde trotz der Errichtung einer neuen römischen Provinz nicht in dem Maße vorgeschoben, als man erwarten möchte. Dakien wurde „im Ganzen als eine exzentrische Position behandelt, die nur nach Süden hin an der Donau selbst unmittelbar mit dem römischen Gebiet zusammenhing, nach den andern drei Seiten hin in das barbarische Land hineinragte. Auf alle Fälle blieb hier viel mehr noch als in Germanien der Rhein die Donau die Grenze der Zivilisation und der eigentliche Stützpunkt der Grenzverteidigung" (760). Dies dürfte auch die Ursache sein, daß Dakien trotz seines Metallreichtums unter den Römern nie eine eigene Münzstätte besaß, sondern von Offizinen jenseits der Donau mit dem nötigen Geld beliefert wurde. Hadrian hatte zuerst daran gedacht, diese vorgeschobene Provinz aufzugeben, deren Einverleibung ins Imperium er offenbar als strategischen Fehler betrachtete. Aber dann überwog „die Rücksicht auf die schon zu weit vorgeschrittene römische Kolonisation, den Goldreichtum der dakischen Berge, endlich seine militärisch so bedeutsame Vorpostenstellung zwischen den eben erst wieder in Bewegung geratenen Sarmatenvölkern im Osten und Westen Dakiens" (572/11). Der große Markomannenkrieg ergriff auch Dakien. Die sarmatischen Jazygen warfen sich auf das Land, wo die Goldbergwerke seit 167 verlassen werden mußten. Nach einigen Jahrzehnten verhältnismäßiger Ruhe wurde die Provinz von den Karpen in den Jahren 245—277 so schwer geschädigt, daß der normale Geldverkehr des Landes sehr stark gestört wurde. Kaiser Philippus Arabs mußte im Herbst 246 selbst gegen diesen damals gefährlichsten Feind zu Felde ziehen. Mit diesen Kämpfen und auch mit „den kühnen Wikingerfahrten der Boraner, Goten und Heruler", die Kleinasien und die Balkanhalbinsel bis tief hinunter nach Griechenland schwer brandschatzten, hängt wohl die Verlegung der Reichsmünzstätte Viminacium nach Köln in den Jahren 253—257 zusam225

men, während die von Siscia ungestört weiterarbeitete. Das nunmehr ganz exponierte Dakien aber wurde „seit 256 abermals von den Karpen überrannt und (ging) faktisch schon damals dem Reiche verloren" (572/11). Kaiser Aurelian hat dann die Räumung der Provinz Dakien endgültig und planmäßig vollzogen. „Die römischen Bewohner wurden auf dem diesseitigen Donauufer in einer zweigeteilten Kleinprovinz an der Grenze von Ober- und Niedermösien unter dem Namen Dakien (Dacia ripensis an der Donau und Dacia mediterranea im Binnenland mit Serdica [Sofia] als Hauptstadt) angesiedelt. Die Rettungsaktion für Dakien, die seit Decius auf den Münzen mit ,Dacia Felix' zutage trat, war endgültig gescheitert. Dakien war das Opfer der Rebellionen der Gallier im Westen und der Palmyrener im Osten" (572/11). Etwa ein Jahrhundert später (um 376) suchten dann die Westgoten unter Athanarich jenseits der Karpaten und der Transsylvanischen Alpen im alten Dakien Schutz. Wie seine Geschichte bildet auch der Münzumlauf in diesem Lande ein recht buntes Bild. Daß die geprägte Münze frühzeitig Eingang in Dakien gefunden hatte, erklärt sich leicht durch seine Handelsbeziehungen zu den griechischen Staaten einerseits und durch seinen Edelmetallreichtum andererseits. Schon sehr früh muß das eigentümliche siebenbürgische Gold, das auf 4/5 je 1/5 Silber enthält, an den Küsten der Mittelmeerländer weit verbreitet gewesen sein, denn das dort so oft gefundene silberhaltige Gold, welches wegen seiner bernsteinartigen Farbe Elektron genannt wurde, zeigt ganz dieselbe Mischung. Für dieses Gold lieferten der Süden, namentlich aber die in Oberitalien selbst unter der gallischen Bevölkerung fortarbeitenden etruskischen Fabriken Bronzegegenstände aus einer Metallzusammensetzung, welche auf 90% Kupfer 10% Zinn enthält (323). Mit dem 4. Jahrhundert v. Chr. gewinnen dann die vom Balkan her nach Norden dringenden ethnischen und kulturellen Strömungen das Übergewicht. Dies zeigt sich am deutlichsten in den Funden griechischer Münzen, die hauptsächlich an den südwärts führenden Grenzpässen der Karpaten, z. B. am Bodzapaß und am Ojtozpaß, zu Hunderten ans Tageslicht gelangt sind und immer wieder in diesen Gegenden gefunden werden. Um das Jahr 1540 hat ein Fischer nicht weniger als 40.000 Stück der bekannten Goldstatere des thrakischen Königs Lysimachos, einst Feldherr Alexanders des Großen, mit dem vergöttlichten Kopf und der thronenden Athene Nikephoros aus der Strell herausgefischt. Sie sollen zum größten Teile in den Besitz des Großwardeiner Bischofs Georg Martinuzzi gekommen sein, der sich als politischer Berater des ungarischen Gegenkönigs Johann Zäpolyai betätigte. Wenn die überlieferte Zahl wohl auch reichlich übertrieben sein mag, so hinterließ der 1551 ermordete Kardinal in seinem Testament immerhin noch tausend Stück dieser schönen Münze. Eine gewisse Zahl dieser Fundmünzen aber dürfte nicht dem Handelsverkehr entstammen, sondern die Beute zahlreicher Feindeinfälle sein, die im 3. und 2. Jahrhundert vom Grenzgebirge her durchgeführt wurden. Aber nicht nur hier am Karpatenwall fanden sich griechische Münzen in größeren Mengen, auch im Zentrum des siebenbürgischen Erzgebirges zwischen Zalatna und Vöröspatak und ebenso in der Gegend von Deva. Dort waren es z. B. Tetradrachmen der Insel Thasos; ob es Originale waren oder keltische Nachprägungen, steht dahin. Daß sich nach und nach auch Gepräge der römischen Republik dazugesellten, beleuchtet die mit der Zeit eingetretenen kommerziellen und politischen Veränderungen. Im Jahr 1873 wurde unter anderem in Cserbel bei den Hunyader Eisenwerken ein Bronzegefäß gefunden, das neben schlangenhäuptigen Armreifen und Ohrgehängen auch römische Münzen aus der Zeit von 500 bis 171 v. Chr. enthielt. Aus dieser Römerzeit (eine neue Publikation nennt sie „La Dacie esclavagiste romaine" zur Unterscheidung vom 226

BSP! 41. Thrakien, Kg. Lysimachos. Goldstater

„L'État esclavagiste dace") sind zahlreiche Funde bekannt; leider fehlt, soweit mir bekannt ist, noch eine zusammenfassende Übersicht, die entsprechende Rückschlüsse ermöglichen würde. Überhaupt hat man sich in Siebenbürgen zur Zeit der Monarchie bekanntlich mit der Münzkunde auffallend wenig beschäftigt; bloß die Archäologen haben ihr pflichtgemäß Aufmerksamkeit gewidmet. Dagegen strebt die jetzige Volksrepublik Rumänien das Versäumte tunlichst nachzuholen. Da die Römer in Dakien trotz des Edelmetallüberflusses keine eigene Münzstätte einrichteten, mußten die Garnisonen, die Beamten und Kolonisten gleichwie in Noricum und eine Zeitlang auch in Pannonien von auswärtigen Münzstätten mit Geld versorgt werden. Das Hauptkontingent wird wohl Rom dazu beigetragen haben, da die große Vermehrung der Münzstätten erst zu einem Zeitpunkt stattfand, als die Provinz unter Aurelian aufgegeben werden mußte, der 275 zu Byzanz ermordet wurde. So wurden die nächstgelegenen Münzhäuser Siscia 262, Serdica 271 und Viminacium 251 gegründet; Sirmium, von dem man vermuten würde, daß es Dacia beliefert hätte, entstand überhaupt erst nach Aufgabe der Provinz im Jahre 324. Im übrigen hat schon MOMMSEN festgestellt: „nirgends vielleicht ist so wie hier die Münze der angrenzenden Kulturländer zusammengeströmt, die Goldstatere des Königs Lysimachos von Thrakien und die römisch-thrakischen des Koson und Brutus, welche beiden Sorten sich vorzugsweise um Sarmizigetusa finden, sowie die von Thasos und Maroneia, das Silbergeld von Apollonia und Dyrrhachion, die Denare des römischen Freistaats — es scheint zum Eintausch des dakischen Geldes viel Silbermünze hier eingeführt, auch wohl das ungemünzt ausgeführte Gold gemünzt zurückgekommen zu sein. Auch ägyptisches und korkyräisches Kupfergeld hat sich hier gefunden. Die eigene Prägung (der Daker, nicht der Römer) dagegen scheint nichts hervorgebracht zu haben als aufschriftlose, den Silbertetradrachmen des Lysimachos nachgemünzte Goldstücke und ebenfalls aufschriftlose silberne Großstücke nach Art der makedonischen und nordgriechischen Tetradrachmen, in der Regel mit dem Kopf und dem Reiter; der spätesten Zeit, kurz vor oder nach dem Aufgeben der Provinz unter Aurelian, gehören einzelne den römischen nachgemünzte Goldstücke mit lateinischer Aufschrift an" (760). In nachrömischer Zeit tauchen in den Funden vereinzelt auch Prägungen aus Thessalonica, Siscia, Alexandria usw. auf. Der Handelsverkehr mit Rom hatte sich demnach auch nach dem Aufhören der römischen Herrschaft weiter erhalten, freilich — soweit die Münzfunde aufgearbeitet sind — anscheinend nur in geringem Umfange. Denn Münzen aus dem 4. Jahrhundert kommen nur mehr ganz sporadisch vor. Die jüngste dürfte ein Quinar Valentinians I. aus einer nicht angeführten Münzstätte sein. 227

D. Völkerwanderung Das allgemeine Chaos, das dem Untergang der Römerherrschaft im mitteleuropäischen Räume folgte, hat auch im Münzwesen tiefe Spuren hinterlassen. „Außerhalb des römischen Limes, in den Steppen- und Waldzonen benachbarter primitiver Gebiete wuchsen und reiften langsam neue Kräfte, die sich am Euphrat, an Donau und Rhein, also an den Rändern des Imperiums, mit diesem berührten und gegen seinen Ausdehnungswillen behaupteten, um schließlich zum Angriff überzugehen und erobernd in die mediterrane Welt einzudringen. Aus Nordeuropa südwärts wandernd, bedrängen germanische Stämme das oströmische wie das weströmische Reich und bemächtigen sich vorübergehend oder dauernd großer Teile des Reichsbodens. Aus den Steppen Hochasiens ergießen sich Wellen von Hirtenkriegern, die zwar nur selten bis ins Herz Europas stoßen, wie etwa der Hunnensturm, aber mittelbar wirksam werden, indem sie die germanische Völkerwanderung beschleunigen und die slawische auslösen. Endlich quellen aus dem Steppengebiete Arabiens die Beduinen, durch einen großen Religions- und Staatsstifter zusammengefaßt, hervor und überfluten die byzantinischen und persischen Gebiete Vorderasiens und ganz Nordafrikas bis an die Säulen des Herkules, ja darüber hinaus. Dieses Drama gewaltiger Völkerbewegungen war kein einmaliger Vorgang, sondern hatte viele Akte. Es ist ein steter Wechsel von Angriff und Abwehr, von Vorstoß und Rückschlag, alles in allem aber ein Vorgang der Zerstörung, der Auflösung in kleine und ephemere Gebilde. Erst gegen Ende des sogenannten Frühmittelalters bricht aus dem brodelnden Chaos dieser Jahrhunderte der Wandlung und des Übergangs, die nicht mehr echte Antike und noch nicht volles Mittelalter sind, der alte Wille der Menschheit zur Einheit wieder siegreich hervor" (1116). Diese eben erwähnte Auflösung in kleine und ephemere Gebiete macht es für die Numismatik unendlich schwer, ein zusammenhängendes Bild zu gestalten, um so weniger, als die wissenschaftliche Behandlung dieser Gebiete insbesondere für die Münz- und Geldgeschichte noch viele Probleme bisher ungelöst belassen hat, teils aus Mangel an Material, teils weil sich dafür noch kein Bearbeiter gefunden hat. So wird es auch uns hier nur möglich sein, kleine Teilgebiete zu erfassen, über die halbwegs gesicherte Untersuchungen vorliegen. Geographisch gesehen handelt es sich hier wieder um die drei großen Räume Österreich, Böhmen und Ungarn. Nur wird man sie nicht wie in den früheren Abschnitten jeden für sich gesondert betrachten können, sondern nur im Rahmen des Gesamtraumes, denn der Zug fast aller Völker, welche die alte Monarchie durchwanderten, strebte im Grunde einem außerhalb ihrer Grenzen gelegenen Ziele zu, nämlich Italien. Das gilt für die Ost- und Westgoten ebenso wie für die Langobarden. Sie alle hatten einmal unseren Raum entweder durchwandert oder sind in ihm für eine Zeitlang seßhaft geworden. Während nämlich die Ostgoten um das Jahr 526, das Todesjahr Theoderichs des Großen, ein Reich besaßen, das fast ganz Italien und dazu die alten römischen Provinzen Noricum und Pannonien umfaßte, hatten die Westgoten in Spanien und die Langobarden im Bereich der mittleren Donau, nördlich von Pannonien, ihr erstes Reich gegründet. Östlich der Ostgoten, etwa im ehemaligen Dacien, saßen die Gepiden. Sie und auch die Ostgoten wurden 568 von den Langobarden vernichtet, die in Italien ein zweites Reich errichteten, wo sie vor allem in der Poebene siedelten. Auch die Herzogtümer Trient und Friaul gehörten ihnen. Die Ostgoten aber erlagen 553 am Möns Lactarius (Monte Lattario bei Neapel) der Übermacht des byzantinischen Feldherrn Narses. Auf altösterreichischem Boden vermochte in den Stürmen der Völkerwanderung 228

kein einziges Volk eine dauernde Herrschaft zu begründen. „ Alle zogen entweder in südliche Gegenden oder wurden unterworfen." Mit dem Tode des hl. Severin im Jahre 482 war in den Donaulanden „die letzte Stütze des sinkenden Römertums" zusammengebrochen. Der neue germanische Beherrscher Italiens, der Skire Odoaker, machte zwar dem Reiche der Ruger auf dem linken Donauufer um 487/88 ein Ende, hatte aber dann den Abzug der Römer aus der aufgegebenen Provinz Noricum angeordnet. Westlich der Enns gelang es nunmehr den Bajuwaren (Bayern), das herrenlose Land zwischen Inn und Enns dauernd zu besetzen. Im Norden und Osten des österreichischen Raumes waren ungefähr um die Zeit der Räumung Noricums die Langobarden aufgetreten. Sie weiteten gegen Mitte des 6. Jahrhunderts ihr Siedlungsgebiet in die pannonischen Ebenen aus, wo sie im östlichen Karpatenraum in Konflikt mit den Gepiden gerieten. Nach schweren Kämpfen siegten die „Langbärte", nachdem sie sich vorher noch durch den Abschluß eines Bündnisses mit dem mongolischen Hirtenvolk der Awaren gegen diese abgesichert hatten. Bald nachher zogen die Langobarden nach Italien ab (569/9). Erst von diesem Zeitpunkte an gewinnen die Völkersiedlungen auf österreichischem Boden eine gewisse Stetigkeit. Das Hin- und Herwogen der Völker, die einen neuen Siedlungsraum suchten und einander dessentwegen bekämpften, hatte begreiflicherweise im Wirtschaftsleben einen schweren Rückschlag zur Folge. Man lebte gewissermaßen von der Hand in den Mund, von Kriegsbeute, Raub und Plünderung. Von einem Münzwesen, geschweige von einem geordneten, konnte kaum die Rede sein; wozu Geld, wenn man sich einfach nehmen konnte, was man wollte ? Trotzdem finden sich — vereinzelt — Funde von geldgeschichtlich ziemlicher Bedeutung. Wenn auch die Ostgoten auf ihren Wanderungen die altösterreichischen Gebiete nicht berührten, haben sie doch dort numismatische Spuren hinterlassen. Im Oktober 1938 wurde in St. Lorenzen (Sebatum) im Pustertale, das jetzt auf italienischem Boden liegt, ein Goldschatz gehoben, der 11 Solidi und 11 Trienten (Tremisses) aus der Zeit Odoakers, Theoderichs und Athalarichs, also aus den Jahren 476 bis 534, umfaßte. Sechzehn Stück davon stammten aus der gotisch-italischen Münzstätte Ravenna, wo der große Theoderich seine Residenz hatte und heute noch sein Grabmal steht. Auch die Langobarden haben nicht auf österreichischem Boden geprägt, obwohl sie ziemliche Teile davon besetzt hielten, was vor allem das berühmte Fürstengrab von Civezzano in der Nähe von Trient bezeugt, das ebensowenig wie das dazugehörige Reihengräberfeld Münzen aufwies. Das langobardische Reich in Oberitalien reichte bis zum Nordausgang der Eisackklause, umfaßte Kärnten und Krain und begründete eine dauernde politische Organisation, die das Geschick der Alpenländer entscheidend beeinflußte. Die Langobarden haben gleich den Ostgoten nur sehr zögernd ein eigenes Münzsystem und einen eigenen Münztypus entwickelt. Die Münzen der Ostgoten unterscheiden sich anfänglich nur durch die Angabe der Münzstätte (Rom, Mailand, Bologna, Ravenna) von jenen der letzten weströmischen Kaiser. Später erscheint dann auf ihnen das königliche Monogramm; auf einigen Geprägen findet sich auch der Herrschername. Als wenige Jahre nach dem Untergang der Ostgoten die Langobarden Italien eroberten, begannen sie ebenfalls mit der Nachahmung des gleichzeitigen byzantinischen Geldes, wobei sie sehr willkürlich verfuhren. Langsam prägten sie dann auch unter eigenen Bildern. Gleich den Ostgoten bildete auch bei ihnen Gold das bevorzugte Metall. Den Reichtum dieser langobardischen Goldprägung, namentlich unter dem letzten König Desiderius, zeigt am besten der 1904 bei Illanz an der Straße über den Lukmanier zwischen Chur und Disentis im schweizerischen Kanton Graubünden entdeckte Schatzfund. 229

Solche Imitationen des byzantinischen Prototyps enthielt auch der zwischen 570/71 und 584/85 vergrabene und 1924 gehobene kleine Goldmünzenfund innerhalb der Reste des spätantiken Kastells auf dem Hoischhügel bei Maglern im Kärntner Kanaltale, welches die direkte Verbindung zwischen Villach und Venedig, in alter Zeit zwischen Virunum am Zollfelde und Aquileia darstellt. In dem Funde gab es sowohl originale wie nachgeahmte Goldsolidi Justinians I. aus der Münzstätte des byzantinischen Exarchats Ravenna. Als die Langobarden im Jahre 568 in Italien einzogen, kursierten diese Typen der großen, italisch-oströmischen Goldmünzen und blieben auch noch weiterhin unter der langobardischen Herrschaft im Umlauf, da die langobardischen Nachahmungen dieser Solidi, nach ihrem seltenen Fundvorkommen zu schließen, nicht zahlreich genug waren. Die Auffindung dieses Schatzes gerade im alten Meclaria (Maglern) zeigt, daß es sich hier offenbar um die Reste einer langobardischen Kriegskasse handelt, die den Sold für die Besatzung einer zum Schutz des Drautales angelegten Befestigung enthielt. Aus dieser ersten Periode der Völkerwanderung, die mit dem Abzug der Langobarden nach Italien endet, ist — wenn wir von der rugischen Münzstätte in der Königsburg auf der Anhöhe „Altenburg" ob Stein an der Donau zur Zeit des Bestandes von Ufernorikum absehen — nur noch eine einzige Münzstätte der Völkerwanderungszeit im Räume der alten Donaumonarchie bekannt: nämlich das alte Sirmium in der Provinz Pannonia inferior, dem späteren Slawonien. Hier haben zuerst die Ostgoten, nach ihnen dann die Gepiden gemünzt. Beide Völker haben sogar den Ortsnamen auf ihre hier geprägten Münzen gesetzt. Die Ostgoten dürften in Sirmium nach der Rückeroberung der von den Gepiden besetzten Stadt im Jahre 504 mit der Münzung begonnen haben, „da die Einrichtung der gotischen Provinz Pannonia sirmiensis die Grundlage war, auf der sich ein neuer Wirtschafts- und Handelsverkehr aufbauen ließ. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß die Goten damals an eine daselbst vorangegangene Münztätigkeit der Gepiden anknüpfen konnten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die gotische Münzung in Sirmium schon unter den unmittelbaren Nachfolgern Theoderichs durch den beginnenden byzantinischen Vernichtungskrieg ins Stocken geriet, da in einem Erlaß Kaiser Justinians I. vom 15. April 535 diese ostgotischen Landschaften bereits als neu gewonnene byzantinische Gebiete genannt werden. Längstens mit der kampflosen Überlassung Sirmiums an die Gepiden um das Jahr 536 fand die Prägetätigkeit der Goten bestimmt ihr Ende" (1108). Die Sirmienser Gepräge der Ostgoten beschränken sich auf kleine Silbermünzen mit dem Monogramm Theoderichs (493—526) auf der Rückseite; man kann diese Münzchen, die einen sehr dünnen Schrötling haben, als Viertelsiliquen ansprechen. Auch die Münzen der Gepiden entsprechen diesem Nominale, haben aber einen viel kleineren, dafür aber dickeren Schrötling. Auf der Rückseite weisen sie abgekürzte Namensformen des Gepidenkönigs Kunimund (560—567) auf. Die Vorderseite aber zeigt das Bildnis der byzantinischen Kaiser ihrer Zeit sowohl bei den Ostgoten als auch bei den Gepiden. Im übrigen ist für die Gepiden in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts „um so mehr noch ein Festhalten an der römischen Tradition vorauszusetzen, da hier die ständige Verbindung mit dem byzantinischen Reiche das Münzwesen nicht in jene Verwilderung ausarten ließ, wie in dem von jedem Kontakt mit Rom fast völlig losgelösten Westen". Wenn uns von diesem Volke nur wenige numismatische Denkmale erhalten geblieben sind, so geben sie uns doch nicht nur ein Bild von der reichen Tätigkeit ihrer Münzstätte Sirmium, sondern auch einen Beweis, „welch reich entwickeltes Wirtschaftsleben diesem germanischen Volksstamm bereits eigen war" (1108). Das Gepidenreich unterlag nach tapferem Kampfe 567 dem vereinten Ansturm der 230

42. Gepiden, Kunimund. % Siliqua, Sirmium (Rs.)

Awaren aus dem Norden und der Langobarden aus dem Westen. Im selben Jahre hatte Sirmium seine Tore den Byzantinern geöffnet, deren Kaiser Justinus II. sich daraufhin den Triumphaltitel „Gepidicus" beilegte. Die Überreste des Volkes aber beugten sich für drei Jahrhunderte unter das Joch der Awaren, die im gleichen Jahre das siebenbürgische Gepidenland und anschließend daran die pannonischen und norischen Gebiete der nach Italien abrückenden Langobarden besetzten. „Damals müssen die Awaren ihren Machtbereich bis an die Grenzen des Baiernlandes ausgedehnt haben." Sie bildeten jedoch „in ihrem Reich nur das Herrenvolk; zu ihrer Klientel gehörten verschiedene meist mit dem Sammelnamen der Bulgaren bezeichnete (später slawisierte) Turkstämme, die Reste der germanischen Gepiden und vor allem slawische Völkerschaften. Vor den Awaren flüchtend, später in ihrem Gefolge, sind slawische Sippen und Stämme auch in die Ostalpen eingedrungen, wo sie alsbald in kriegerischen Konflikt mit den Bayern gerieten" (1259). Gegen Ende des 6. Jahrhunderts können Slawen in ganz Pannonien, Norikum und in allem Land von der Donau bis nach Istrien nachgewiesen werden; 602—611 fielen sie mit den Awaren vereint in Dalmatien ein, wo sie das alte Salona zerstörten. Andere Slawen brachen damals aus dem Dnjeprbecken nach Westen auf, besetzten die Weichselund Oderlandschaft und dürften durch die Karpatenpässe in die heutige Slowakei und durch die Oderpforte nach Mähren gelangt sein. „Daß diese Ausbreitung der Slawen nach dem Westen mit Wissen und Willen der herrschenden Awaren geschah, ist nicht zu bezweifeln; diese bedurften eben ackerbautreibender Untertanen, um die verödeten Landstriche durch deren Fleiß zu bebauen, und fanden solche in den Slawen, deren Widerstandskraft noch nicht soweit erstarkt war,um ohne äußeren Anstoß das Joch der Awaren abzuschütteln. Dies geschah erst unter der Führung Samos, eines fränkischen Kaufmanns aus Sens (Dept. Yonne, Frankreich), der einen großen slawischen Völkerbund im Norden und Süden der Donau ins Leben rief" (686). „Wohl im Zusammenhang mit diesem von 623 bis 658 blühenden großen Slawenreich, das sich der Überlieferung nach von Thüringen und Böhmen bis zur Südgrenze Kärntens erstreckt hat, wurden die Slawen von der awarischen Herrschaft frei" (769). Im Jahre 796 wurden dann die Awaren von Karl dem Großen vollständig unterworfen. Es erhebt sich nun die Frage, ob diese Slawen schon die Münze gekannt haben. Eigene Prägungen sind nicht bekannt, und da sie als Ackerbauer wirtschaftlich gewissermaßen autark gewesen sein dürften, werden sie wohl kaum des geprägten Geldes bedurft haben. Die Münzfunde in der Steiermark und in Kärnten, wo die Alpenslawen hausten, lassen uns da vollständig im Stich. Indessen wird man angesichts des monetären Chaos, welches das noch während der Völkerwanderung in seiner Spät- und Verfallszeit immer noch funktionierende römische Münzwesen ablöste, kaum von einem ge231

gelten Münzwesen innerhalb des von uns behandelten geographischen Raumes sprechen dürfen, am allerwenigsten in der Awarenzeit. Man wird hier die wirtschaftlichen Verhältnisse Großmährens zum Vergleich heranziehen müssen, wo die Landwirtschaft ebenfalls die Hauptbeschäftigung darstellte. Daneben aber gab es bereits eine bedeutende Hausindustrie, verschiedene Handwerkszweige und eine gewerbliche Produktion, wobei das Kunsthandwerk eine bedeutende Funktion ausübte. Auch Handel mit dem Westen war schon üblich, durch den unter anderem verschiedene Schmuckformen östlicher und byzantinischer Herkunft ins Land kamen. Trotzdem gab es in Großmähren keine eigenen Münzen. „Als älteste slawische Zahlungsmittel werden die Eisenbarren betrachtet, welche man im Gebiet zwischen Gran (Hron) und March (Morava) in genau festgelegten Größen und zu 10 Stück gebündelt antrifft. Vereinzelte byzantinische Münzen, die in großmährischen Gräbern als Oboloi gefunden wurden, deuten auf die Kenntnis der Münze als Zahlungsmittel hin" (1167). Der Fernhandel wurde mit fremden Münzen, vorwiegend byzantinischen, betrieben, während für den Binnenhandel die eben erwähnten und aus Funden bekannten Eisenbarren oder vielleicht auch das von Ibrahim ibn Jakub bezeugte Tüchelgeld als Zahlungsmittel Verwendung fanden. Für das 9. Jahrhundert wird ein Verhältnis zwischen Silber und Eisen von 1:500 angenommen, eine Bewertung, die die Edelmetalle für eine dem Binnenhandel dienende Eigenprägung zu hochwertig erscheinen ließ. Ähnlich werden wir uns wohl auch — mutatis mutandis — die Handelsverhältnisse bei den Alpenslawen vorzustellen haben. Vielleicht haben sich die Awaren den Geldverkehr — wenigstens im großen — selbst vorbehalten. Denn von ihnen ist unter anderem die Nachahmung eines byzantinischen Solidus von Heraclius und seinem Sohn Constantin (613—630) bekannt, während in verschiedenen Awarengräbern Solidi und Bronzemünzen des Phokas (602/10) und ein Triens Justinus II. (565/78) gefunden wurden. Wenn es sich auch nur um spärliches Fundmaterial handelt, so wird man dennoch darauf schließen dürfen, daß die Awaren den Gebrauch der Geldmünze kannten und daß sie sich zu Zahlungszwecken der byzantinischen Münzen im Original oder in eigenen Nachahmungen bedienten.

232

II. Das Münzwesen des Mittelalters

A . Die österreichische Ländergruppe

1. Karolingerzeit — Regensburg „Im Jahre 791 rückten im konzentrischen Angriff drei fränkische Heere über die Enns in das Awarenland ein und drangen bis tief ins Feindesland vor. Aber erst 803 gelang nach harten Kämpfen die völlige Unterwerfung des trotz mancher schwerer Einbußen noch immer streitlustigen Volkes, dessen Resten Wohnsitze zwischen Fischa und Leitha angewiesen wurden. Das von Karl dem Großen eroberte Neuland im Südosten stand der bayrisch-fränkischen und der slawischen Siedlung offen" (1260). Aber es dauerte geraume Zeit, bis sich die Verhältnisse im Ostalpen- und im Donau räum so weit konsolidiert hatten, daß Handel und Wandel sich in gewohnten Geleisen bewegten, daß Neusiedler und altangesessene Bevölkerung sich in die neue Ordnung fügten. Im Osten stand das fränkische Reich überall slawischen Stämmen gegenüber, im Südosten den Slowenen, die „in der awarisch-fränkischen Auseinandersetzung eine nicht unerhebliche eigene Aktivität entfaltet hatten; in Pannonien einem vasallitisch slawischen Fürstentum unter dem von den Mähren vertriebenen slowakischen Fürsten Pribina". Den stärksten slawischen Faktor im politischen Kräftespiel bildeten aber seit der Mitte des neunten Jahrhunderts die Mährer. Das Großmährische Reich, welches zur Zeit seiner größten Ausdehnung vom Böhmerwald bis über die Gran gereicht haben dürfte, „brach im Doppelkampf gegen das Ostfrankenreich und die einbrechenden Magyaren zusammen" (1260). Es fällt auf, daß auf altösterreichischem Gebiet — soweit Publikationen überhaupt vorliegen — kein einziger Münzfund aus der Karolingerzeit gemacht wurde. Das kann ein Zufall sein, doch die Tatsache geht konform mit der Erfahrung, daß die deutschen Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts überhaupt kaum im Inland, sondern fast zur Gänze im Ausland (Ostseeländer, Skandinavien) gefunden wurden. Es ist jedoch mit einer gewissen Sicherheit anzunehmen, daß es in der noch spärlich besiedelten Ostmark um diese Zeit überhaupt nur reine Naturalwirtschaft gab. Wenn auch Handel und Verkehr im westlichen Frankenreich schon unter den münzreichen Merowingern zur Blüte gelangt waren und vermutlich mit dem Karolingerreich in gan.7 Europa einen noch größeren Aufschwung genommen hatten, so wurden davon der Nord- und Südosten kaum berührt. Hier hatte nur Regensburg bereits früh als Handelsplatz eine solche Bedeutung erlangt, daß es schon unter den Karolingern eine Münzstätte erhielt. Es konnte sich sogar gegen die Ungarn behaupten, die in der Unglücksschlacht bei Preßburg (907) den bayrischen Heerbann und nach ihm auch die Ostmark vernichtet hatten. Damit ging mit den übrigen Einrichtungen auch der um diese Zeit in unserer Gegend schon hochentwickelte Verkehr zugrunde, der uns in der Raffelstettener Zollordnung (vor 906) so anschaulich entgegentritt. Um diese Zeit war Münzgeld schon wieder im Umlauf, denn die Ordnung sieht Geldabgaben für gewisse Zölle vor. Dieser Handelsverkehr aber spielt sich haupt233

sächlich an der Donau ab, während das Binnenland durch seine Produkte nur teilweise daran partizipierte. Handelspartner waren Böhmen und Mähren, ja sogar Rußland. Mit dem großen Ungarneinfall von 907 wurden diese Beziehungen wohl für längere Zeit unterbrochen, denn die Wiederherstellung der Ostmark unter Kaiser Otto I., der durch den vernichtenden Sieg über die Ungarn auf dem Lechfelde im Jahre 955 der schwer geprüften Mark für lange Zeit Ruhe geschaffen hatte, änderte zunächst nicht viel an diesen Zuständen. Die Regensburger behaupteten ihre führende Stellung im Donauhandel tief bis ins 12. Jahrhundert hinein, weshalb auch ihre Münze den Verkehr lange beherrschte und selbst dann noch maßgebend blieb, als es in Karantanien und auch in der Ostmark zur Begründung eigener Münzstätten kam. Das beweisen Urkunden und Münzen. In der Urkunde vom 28. Mai 996, aus Rom, in der Kaiser Otto III. dem Salzburger Erzbischof Hartwig aus dem Hause der Spanheimer in Kärnten das Münzrecht verlieh, gestattete er ihm ausdrücklich, Regensburger Pfennige zu schlagen. „Monetam Radasponensem in loco Salzburg dicto imperiali potentia construi et adprime incoeptari concessimus." Und ebenso sind die Pfennige der Kärntner Herzoge Konrad I. (1009—1011) und Adalbero (1012—1036) sowie des Patriarchen Poppo von Aquileia aus den Jahren 1028—1042 nach Regensburger Schlag gemünzt. Man darf daher annehmen, daß auch die Münzrechtsverleihungen für die Witwe Imma zu Lieding in Kärnten im Jahre 975, übrigens die erste Vergabe in Österreich, für das Bistum Bamberg zu Villach in Kärnten (1060) und zu Neunkirchen auf dem Steinfelde für Ekbert und den Grafen von Pitten (1141) für Gepräge nach Regensburger Art gedacht waren, sofern von ihnen zu jener Zeit überhaupt Gebrauch gemacht wurde, was allem Anschein nach jedoch nicht der Fall ist. Was ist nun unter der in allen diesen Verleihungsurkunden angeführten moneta zu verstehen? Wir müssen hier ein wenig zurückgreifen. Der Zusammenbruch der römischen Herrschaft in Westeuropa hatte auch in Münzprägung und Geldumlauf tief einschneidende Veränderungen ausgelöst. Es gab keine zentrale Münzgewalt mehr, und demgemäß bildeten sich in den germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit eigene Münzsysteme heraus, die sich in ihren Prägungen zunehmend von ihren Vorbildern entfernten. Zum Teil lag das Münzwesen noch immer fest in den Händen der Könige, wie etwa bei Westgoten und Langobarden. Dagegen machten im Merowingerreich bald auch andere Gewalten aus der Münzprägung ein einträgliches Geschäft: Bischöfe, Klöster, Monetäre, deren Stellung nicht immer eindeutig zu ermitteln ist, aber die zweifellos weitgehend als selbständige Unternehmen anzusehen sind. Rund 800 merowingische Münzstätten sind bekannt, von den auf den Münzen genannten Orten aber lassen sich über 20% nicht mehr eindeutig lokalisieren. Auf alle Fälle war es eine heillose Zersplitterung. Bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts war der goldene Triens die Hauptmünze, daneben selten dessen dreifacher Wert, der Solidus, wenige Silbermünzen und noch seltener Kupferstücke. Seit der Mitte des Jahrhunderts aber verdrängte das Silber das Gold innerhalb kurzer Zeit vollständig. Um 700 gibt es bei den Merowingern nur mehr Silberdenare. „Die Umstellung der Währung durfte nicht zuletzt auf das Vordringen des Islams zurückzuführen sein, war damit doch die Verbindung zu den afrikanischen Goldvorkommen abgeschnitten" (58). Mit König Pippin aber tritt dann um 751 die entscheidende Wandlung ein. „Unter ihm beginnt eine neue Zentralisierung des Münzwesens, die das Münzrecht wieder zum Königsrecht macht und unter Karl dem Großen ihre volle Ausbildung erfährt" (58). Dessen Münzform bestimmte das Geldsystem in Mittel- und Westeuropa für längere Zeit, gilt daher als wichtigster Festpunkt der europäischen Münzgeschichte. Grundsätzlich 234

muß dazu gesagt werden, daß die Karolinger nicht von der Gold- zur Silberwährung übergingen, wie man früher glaubte, und daß unter Pippin keine reine Silberwährung eingeführt wurde, indem man die seltenen karolingischen Goldstücke als Schaumünzen deutete, sondern daß die früher schon vorhandene Doppelwährung beibehalten wurde, wobei das Gold freilich nur eine sekundäre Rolle spielte. Pippin hatte bestimmt, daß aus einem Pfund Silber nicht mehr als 22 Solidi ausgebracht werden sollten, was spätestens unter Karls Regierung dahin abgeändert wurde, daß nur mehr 20 Schillinge auf ein Pfund gingen. Die von Karl ausgeführte Hauptveränderung aber bestand in einer Erhöhung des Münzgrundgewichtes, des fränkischen Pfundes (libra). Über deren Ausmaß herrschen indessen die größten Meinungsverschiedenheiten, so daß keine feststehende Zahl angegeben werden kann. Das ist indessen für uns hier nicht von entscheidender Bedeumng, da die Münzprägung im österreichischen Räume ja erst um das Jahr 1000 aufgenommen wurde, als sich im Münzwesen bereits vieles wieder geändert hatte. Es gingen also 240 Denare oder Pfennige auf das karolingische Pfund, während unter Pippin deren 264 aus dem römischen geprägt wurden. 240 Denare galten 20 Schillinge, demnach 1 Schilling 12 Denare oder Pfennige in Silber, die nunmehr in Mitteleuropa als alleinige Kurrentmünze ausgeprägt wurden, was von großer Bedeutung für das Münzwesen aller abendländischen Staaten bis zum Ende des Hochmittelalters gewesen ist. Größere Zahlungen erfolgten meist in Barrenform, und in Urkunden vorkommende Schillinge (solidi) und Pfunde (talenta) sind nur als Rechnungsbegriffe zu betrachten. Es steht außer Frage, daß das Silber nun zum bevorzugten Münzmetall wurde, obwohl Gold im Frankenreich in ausreichender Menge vorhanden gewesen wäre. So hatte schon der Sieg über die Awaren einen beachtlichen Goldstrom nach dem Westen geführt. Wenn auch die afrikanischen Goldgruben nunmehr in den Besitz der Araber gelangt waren, was unter den Merowingern für eine gewisse Zeit einen empfindlichen Mangel an Gold zur Folge hatte, versorgten nun die Araber den Süden des Frankenreiches in regem Handelsverkehr mit Gold. Auch in Bayern werden Goldbergwerke erwähnt, und der Fund von Illanz aus dem Jahre 1904 zeigt, daß auch unter Karl dem Großen diesseits der Alpen, in Chur, Goldprägungen stattfanden. Wenn man früher gemeint hatte, daß der Rückgang der Goldprägung zugunsten des Silbers vorwiegend auf einen Mangel an Münzmetall zurückzuführen wäre, kann man heute dazu sagen, daß dies für die Zeit Karls des Großen, ja sogar auch für die seines Vaters Pippin nicht zutrifft. Wenn das Gold als Münzmetall im Frankenreich trotzdem vernachlässigt wurde, hatte das ganz andere Gründe, die nicht so sehr in den Verhältnissen um das Jahr 750 lagen, sondern in der vorausgehenden Zeit. Die Goldprägungen Galliens waren schon im 5. und 6. Jahrhundert bereits so minderwertig, daß sie im Verkehrsleben häufig zurückgewiesen wurden. Das weitere Absinken des Feingehaltes im 7. und am Beginne des 8. Jahrhunderts mußte daher noch nachteiligere Folgen für das Vertrauen in die Goldmünzen und damit für die wirtschaftlichen Beziehungen hervorrufen. So wird die ganze Münzpolitik der ersten Karolinger verständlich, deren Maßnahmen sich mit innerer Konsequenz aneinanderschließen. Sie suchten das allgemeine Mißtrauen gegen die schlechten Goldprägungen der Merowingerzeit durch gute und schwere Silberstücke zu beseitigen. Daher die Verstärkung des Münzfußes, daher die stete Erhöhung des Gewichtes im einzelnen. Daher auch die Vergrößerung des Schrötlings, auf dessen umfangreichem Planium nun der Namenszug des Königs deutlicher wird, eine Bürgschaft zugleich für Feingehalt und Gewicht. Diese fränkischen Denare sollten dem Auslande gegenüber konkurrenzfähig werden. Und sie wurden es auch. 235

Das ist in großen Zügen die karolingische Münzverfassung, soweit sie sich auf die Münzen selbst erstreckt. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts aber beginnt die straffe Zentralisierung langsam aufzuweichen. Während dieses Jahrhunderts bildeten Münzrechtsverleihungen seitens der Könige in Deutschland noch seltene Ausnahmen. Erst unter Ludwig dem Kinde zeigten sich dann auch jene Erscheinungen, welche das Zeitalter der feudalen Münze charakterisieren: mit dem Verfalle der königlichen Zentralgewalt erwarben die geistlichen und weltlichen Fürsten auch die Münze allmählich zu eigen. Auch weisen die Denare vom Ende der Karolingerzeit eine Gewichtsverminderung auf. Sie sind von 1,70—1,90 Gramm in der zweiten Regierungsperiode Karls des Großen nunmehr auf 1,35—1,45 Gramm herabgesunken. Die Prägungen der bayrischen Herzöge standen mit der eben erwähnten „feudalen Münze" in keinem Zusammenhang, denn in Deutschland waren auch die alten Stammesherzöge seit Anbeginn im Besitz der Münzhoheit gewesen, ohne daß ihnen diese, wie in sonstigen Fällen, erst vom König verliehen werden mußte. Regensburg war nach dem Tode Ludwig des Kindes im Jahre 911 die Hauptstadt Bayerns und des gegen den König, den Frankenherzog Konrad, aufständischen und von ihm niedergezwungenen Herzogs Arnulf. Und da sein Nachfolger an der Krone, König HeinrichL, sich mit dem Bayern in Güte vertrug und ihm eine bevorrechtete Stellung gönnte, blieb Mainz zunächst der einzige Ort, dessen Pfennige den Namen des Königs trugen, während in Regensburg und zugleich in Salzburg Herzog Arnulf das Münzrecht ausübte, ohne der Konkurrenz einer königlichen Prägung ausgesetzt zu sein. Und dies Recht haben seine Nachfolger trotz allem Wechsel, dem sie in der Folgezeit unterlagen, unangefochten anderthalb Jahrhunderte bis in die Tage Heinrichs IV. genützt, und die herzoglich bayrischen Pfennige bilden unter den Funden die umfangreichsten und zumeist geschlossenen Reihen unter allen deutschen Münzen der sächsisch-fränkischen Kaiserzeit. „Entsprechend der erst im Jahre 1002 endgültig vollzogenen Trennung des Herzogtums Kärnten von Bayern hat auch die herzoglich kärntische Münzprägung erst später zu St. Veit ihren Anfang genommen, jedoch schon unter Herzog Konrad I. in den Jahren 1004—1011" (729). Die Regensburger Pfennige der Herzöge von Bayern wurden unter anderem auch in der erzbischöflichen Münzstätte Salzburg nachgebildet. Ob man aber daraus, wie M E N A D I E R meint, schließen darf, daß das Königtum nicht nur die herzoglichen Münzstätten vor jedem Eingriff sichergestellt, sondern auch die geistlichen Münzstätten unterworfen habe, erscheint zum mindesten für Bayern fraglich, hat doch das Erzbistum Salzburg bekanntlich schon 996 das Münzrecht erhalten und König Heinrich IV. dieses Erzstift 1062 ausdrücklich in seinen Schutz genommen, „cum omnibus pertinentibus . . . monetis, theloneis". Wenn aus den anderen bischöflichen Offizinen des bayrischen Raumes auch herzogliche Gepräge hervorgegangen sind, geschah dies wohl nur zur besseren Ausnutzung der einzelnen Offizinen, vielleicht auch deshalb, um nicht in den alten Fehler zu verfallen, durch eine Unzahl kleiner und kleinster Münzstätten das alte Übel der unübersehbaren Zersplitterung neu entstehen zu lassen. Feststeht indessen, daß alle diese Münzen Regensburger Schlages, wo immer sie entstanden waren, nicht eigentlich für den Binnenverkehr, sondern für den Fernhandel geprägt wurden, denn im Lande selbst gab es noch kaum Verwendung für Münzgeld, am wenigsten in der noch an den Verheerungen durch die Ungarneinfälle leidenden östlichen Grenzmark, dem späteren Österreich. Ganz abgesehen davon war der Regensburger Fernhandel in diesen frühen Zeiten gleichbedeutend mit dem gewinnbringenden Sklavenhandel, dessen Wege Österreich nicht berührten. 236

2. Salzburg a) Laufen. Die ersten Salzburger Pfennige nach Regensburger Schlag wurden noch in einer gewissen Abhängigkeit vom Bayernherzog geprägt. Sie sind daher, wie die Funde erweisen, auch dieselben Wege gegangen wie die bayrischen Gepräge dieser Zeit, nämlich weit in den Nordosten hinein, eine Richtung, die übrigens auch die ersten ungarischen Münzen einschlugen. Nach der Regensburger Prägung hören wir auf monetärem Gebiet lange Zeit nichts von Salzburg. Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts ist von einem eigenen Salzburger Pfennigtypus die Rede, sicherlich eine Folge des Aufblühens der Stadt und ihres eigenständigen Handels. Nunmehr war auch das Bedürfnis nach gemünztem Gelde zur Erleichterung des Handels vordringlich geworden. Zunächst wird jedoch nicht der Bischofsitz Salzburg, sondern das salzachabwärts im heutigen Bayern gelegene Städtchen L a u f e n zur Münzstätte des Erzstiftes, die ihre Tätigkeit schon vor der Mitte des 12. Jahrhunderts aufnimmt. Der Ort selbst muß damals schon eine ziemliche Bedeutung besessen haben, denn Kaiser Friedrich I. Barbarossa hielt hier 1166 sogar einen Hoftag ab. Infolge des Salzes aber, das, auf der Salzach verfrachtet, gerade bei Laufen eine gefährliche Stromschnelle passieren mußte, befand sich hier wohl schon frühzeitig ein Umschlagplatz für dieses Gewürz und andere Waren, für die man größere Barmittel benötigte. Der verhältnismäßig kurze Bestand der Laufener Münzstätte zeigt jedoch deutlich, daß sowohl zu ihrer Gründung als auch zu ihrer Schließung besonders zwingende Gründe bestanden haben mußten. Waren es für jene vor allem solche wirtschaftlicher Natur, so sind für diese Rücksichten auf die hohe Politik maßgebend gewesen. Mit Eberhard II. von Regensberg hatte 1200 ein besonders tatkräftiger Mann den Stuhl Sancti Ruperti bestiegen. Wahrscheinlich selbst mit den Staufern verwandte, verdankt er sowohl seine Wahl zum Bischof von Brixen als auch vier Jahre darauf die zum Erzbischof von Salzburg, des wichtigsten aller süddeutschen Hochstifte, der staufischen Partei. Die Gunst Kaiser Friedrichs II. führte dann die Salzburger Diözese ein gutes Stück weiter zum Territorialfürstentum. Im Zusammenhang damit mag auch die Verlegung der Münzstätte von Laufen nach Salzburg stehen, da die allzu große Nähe des weifisch, also feindlich gesinnten Bayern die Belassung in einem kleinen Landstädtchen nicht ratsam erscheinen ließ. Ein weiterer Grund zur Verlegung, vielleicht der ausschlaggebende, dürfte aber der große Umschwung in der Salzproduktion gewesen sein, der zu Ende des 12. und Beginn des 13. Jahrhunderts stattfand. Bis dahin handelte es sich bei dem auf der Salzach verfrachteten Salz ausschließlich um solches aus Reichenhall. Nun aber wurde es von den neu eröffneten erzbischöflichen Salzbergwerken auf dem Dürrnberg bei Hallein verdrängt; nichts war natürlicher, als die Münzstätte nunmehr in die für die Verfrachtung günstig gelegene Hauptstadt zu verlegen. Ungefähr gleichzeitig mit Laufen hatte das Erzstift noch eine zweite Münzstätte südlich des Alpenhauptkammes zu Friesach in Kärnten gegründet, dessen Geschichte ein eigenes Kapitel (s. u. S. 241) bildet. In Friesach befand sich nicht nur das Verwaltungszentrum der ausgedehnten hochstiftlichen Besitzungen in diesem Lande; in seiner Umgebung, so bei dem nordöstlich davon gelegenen Zeltschach, gab es überdies auch Silberbergwerke. Diese konnten indessen nur einen Teil des außergewöhnlichen Metallbedarfs decken, denn wie wir noch eingehend hören werden, hatte die Friesacher Münzstätte einen weit größeren Aktionsradius als die Salzburger. Diese war durch die Nachbarschaft mit Tirol, Bayern, Passau, Regensburg und Österreich in ihrem Münzumlauf im wesentlichen auf den engen Bereich des Erzstiftes beschränkt. Immerhin trifft man Ge237

43. Salzburg, Eb. Eberhard I. von Hippoltstein. Friesacher Pfennig

präge des Salzburger Münzhauses — aber nur bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts — auch in bayrischen, ungarischen und böhmischen Münzfunden an. In diesem Zeiträume ist der Gebrauch von Laufener und Salzburger Pfennigen außerhalb des Salzburger Landes hauptsächlich im südöstlichen Bayern urkundlich und fundmäßig belegt. Nur der Lungau, das vom Oberlaufe der Mur durchflossene Gebiet südlich des Tauernkammes, das auch verwaltungsmäßig zum salzburgischen Vizedominat Friesach und nicht zum Hofmeisteramt Salzburg gehörte, war von diesem Währungsgebiet abgespalten und vom Friesacher Pfennig beherrscht. Zwischen der 2. Hälfte des 13. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts konnte der Salzburger Pfennig die von ihm errungene Stellung auf erzbischöflichem wie auch auf bayrischem Gebiet behaupten, hier insbesondere in Reichenhall und in Mühldorf. Seit den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts gelang es ihm dann auf Kosten der Neuöttinger Münzen sogar noch weiter ins bayrische Land vorzustoßen; indessen waren, wie schon wiederholt betont wurde, die Grenzen der mittelalterlichen Währungsgebiete, wenn nicht geographische Besonderheiten wie der eben erwähnte Lungau eine natürliche Abgrenzung ergaben, meist fließend. Im Lungau wurde der Friesacher Pfennig später von den aus Südkärnten vorstoßenden Agleiern, den Münzen des Patriarchates Aquileia, das mit Salzburg eine durch Karl den Großen 811 festgelegte gemeinsame Diözesangrenze in der Drau besaß, immer mehr zurückgedrängt. Dagegen herrschte der Salzburger Pfennig im oberen Ennstal vor, wo große Güter des Erzstiftes lagen; daneben liefen freilich auch Grazer Pfennige um. Im salzburgischen Anteil von Nordtirol aber waren Veroneser „Berner" und Tiroler Etschkreuzer die alleinige Währung. Gegen 1350 konnte auch der nach der Stadt Schwäbisch Hall benannte Haller (später Heller) im erzbischöflichen Gebiet Fuß fassen, wobei zwei Haller einen Salzburger Pfennig galten. Man war jedoch nicht gewillt, auch die fortschreitende Verschlechterung der Haller mitzumachen. Man hatte schon frühzeitig erkannt, daß jede Münzverschlechterung sich auch auf die Nachbarländer auswirkte. Aber erst Jahrhunderte später formulierte der berühmte „königliche Kaufmann", Sir Thomas Gresham, im Zeitalter der Königin Elisabeth die bekannte Tatsache als Gesetz, demnach das schlechtere Geld stets das gute verdrängt; man war aber nie imstande, die Einfuhr schlechter und die Ausfuhr guter, vollhaltiger und vollgewichtiger Münzen, auf denen ja eine gesunde Währungspolitik beruhte, hintanzuhalten. Und so geschah es, daß im ewigen Kreislauf aus dem Gelde eines Landes mit guter Währung jenseits der Grenzen schlechtere Münzen geprägt und wieder zurückgeschmuggelt wurden. Salzburg bot als Durchzugsland nach dem Süden schon frühzeitig die willkommene Gelegenheit zu solchen lukrativen Geldmanipulationen. Nicht nur die Agleier büßten 238

allmählich ihren guten alten Ruf ein, sondern auch der einst so berühmte Wiener Pfennig, der im Salzburgischen bald die Oberhand gewann und die gehaltvollere Salzburger Münze verdrängte. Da der Wiener Pfennig, seitdem Herzog Rudolf IV. von Österreich 1359 auf die einträgliche alljährliche Münzerneuerung, die renovatio monetae, gegen eine Getränkesteuer, das sogenannte Ungeld, verzichtet hatte, eine nicht zu unterschätzende Wertbeständigkeit besaß, konnte er alsbald nahezu das gesamte salzburgische Gebiet erobern. Nur die Besitzungen des Erzstiftes im Zillertal, die bei ihrer alten Tiroler Landeswährung blieben, waren von dieser Infiltration ausgenommen. Sofern unter diesen Umständen überhaupt noch Salzburger Münzen geschlagen wurden, waren sie kaum mehr als eine Abart der siegreichen Wiener Münzen. Nur in Bayern konnten sich diese nicht durchsetzen. Bis gegen 1440 dürften infolgedessen überhaupt keine eigenen Salzburger Münzen geprägt worden sein. Der Kleinverkehr scheint mit den Münzen einer süddeutschen Einheitswährung das Auslangen gefunden zu haben, die um 1400 eingeführt worden war, wobei im Salzburgischen naturgemäß die bayrischen Pfennige vorherrschten. Aber bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die schlecht und recht konsolidierten Münzverhältnisse des Erzstiftes bedenklich gestört. Der enge monetäre und verkehrsmäßige Kontakt mit seinen Nachbarn, nicht zuletzt die Auswirkungen des Greshamschen Gesetzes zogen zwangsläufig auch das Erzstift in jene monetäre Katastrophe hinein, die unter dem Namen „Schinderlingszeit" zu trauriger Berühmtheit gelangte. Merkwürdig ist die Tatsache, daß sich die bayrischen Herzoge ihrer eigenen Münze, der sogenannten Schwar Pfennige, deren Farbe von dem äußerst geringen Silbergehalt kam, nunmehr selbst nicht mehr erwehren konnten. Sie legten daraufhin 1457 dem Erzbischof Siegmund I. von Volkersdorf nahe, seine Münzen „grau oder weiß" auszubringen, also mit größerem Silbergehalt, damit nicht auch von salzburgischer Seite her der Umlauf der schwarzen Münze in Bayern vermehrt werde! Die beiden Parteien konnten sich allem Anschein nach nicht einigen; überdies stand Kaiser Friedrich III. auf Seiten Salzburgs, dem er in einem Privileg unter anderem gestattete, graue, weiße und auch schwarze Pfennige zu schlagen, da man das Gift nur mit einem Gegengift dieser Art vertreiben zu können wähnte. In Salzburg erreichten die Verwirrungen 1459 ihren Höhepunkt, so daß sich der Erzbischof gezwungen sah, neuerlich mit Bayern zu verhandeln. Trotzdem waren noch Mitte 1460 die Salzburger Pfennige in Bayern verboten. Erst mit der Prägung „guter weißer münz" fand diese die Wirtschaft zutiefst erschütternde Episode ihr Ende, zugleich aber auch die erzstiftliche Münzprägung während des Mittelalters. Das 14. Jahrhundert lenkt durch eine ebenso kurze wie merkwürdige Episode noch einmal unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir haben bisher für Salzburg nur das Silber als Münzmetall erwähnt. Gold tritt uns wohl in kostbaren kirchlichen Geräten aller Art in manchmal geradezu verschwenderischer Weise entgegen, auch in profanen Schmuckgegenständen, aber nie in Gestalt der Münze. Im mittelalterlichen Salzburg ist das geprägte Gold auch nie zu besonderer Bedeutung gelangt, obwohl schon seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts insbesondere die großen italienischen Handelsstädte Genua, Florenz und Venedig für ihren Levantehandel eine intensive Goldprägung betrieben. Und so konnte es geschehen, daß etwa größere Summen für die Prokuration eines neuen Erzbischofs an die Kurie in Rom durch italienische Bankiers in Goldstücken der genannten Städte bezahlt werden mußten. Für andere Zwecke aber werden in Salzburger Urkunden kaum je Goldstücke erwähnt, so daß wohl kein Bedürfnis danach bestanden haben dürfte. Mit der Karolingerzeit hatte ja fast im ganzen Abendland die Goldprägung aufgehört; 239

man bediente sich, wenn eine Goldzahlung erforderlich war, meist byzantinischer oder arabischer Goldstücke. Die auf Gold, und zwar auf Gewichtsgold lautenden Zahlungsverpflichtungen des Erzstiftes an die Kurie wurden gewöhnlich durch das Silberäquivalent beglichen. Wie wenig Gold noch zu Ende des 13. Jahrhunderts im salzburgischen Raum in gemünzter und noch mehr in ungemünzter Form umlief, zeigt die Abrechnung des päpstlichen Kollektors, des Domherrn Alironus von Venedig, der den Lyoner Zehent eingetrieben hatte. Insgesamt wurden von ihm 1,6 Kilogramm Gold und 2783 Kilogramm Silber eingenommen! Und noch 1318 mußten die päpstlichen Steuerboten das eingesammelte Silber, zumeist in Barrenform, nach Venedig schaffen, da in der Salzburger Diözese eine Umwechslung in Gold, durch die sich die Transportkosten infolge des geringeren Umfanges und Gewichtes erheblich gesenkt hätten, unmöglich war. Tatsächlich scheint der Goldbergbau in den Salzburger Tauerntälern Gastein und Rauris erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts eröffnet worden zu sein. Ähnlich stand es im benachbarten Österreich, wo erst unter Herzog Albrecht II. zum erstenmal florentinische Goldstücke durch eine Gemeinschaft von Bürgern aus dem Golde der genannten Täler in der steirischen Handelsstadt Judenburg nachgeahmt wurden. Dem österreichischen Beispiel folgte in Salzburg 1366 Erzbischof Pilgrim von Puchheim, der in diesem Jahre von Kaiser Karl IV. das Recht erhalten hatte, Goldmünzen nach Florentiner Art zu prägen. Aber ebensowenig wie in Österreich hatte im Erzstift die Goldmünze Bestand. Sie blieb auch hier nur ein kurzes Zwischenspiel, das auf den weiteren Verlauf des erzstiftlichen Münzwesens ohne Einfluß blieb. Wenn Goldmünzen benötigt wurden, griff man zu den wertbeständigen ungarischen Goldgulden, die im Spätmittelalter im gesamten österreichischen Raum die Groß- und Fernhandelsmünzen waren. Während die Münzen nach Regensburger Schlag beschriftet sind, weshalb die Zuteilung an ihre Münzherren (die Erzbischöfe Hartwic, Dietmar II. und Balduin) eindeutig feststeht, sind die späteren Gepräge seit Erzbischof Konrad (1106—1147), mit Ausnahme des Goldguldens von Pilgrim, schriftlos. Das Münzbild weist nur durch mitrierte Köpfe oder Brustbilder, durch Kirchengebäude und sonstige sakrale Bilder auf einen geistlichen Münzherrn hin, aber durch nichts auf dessen Sitz und Namen. Viele Pfennige wurden daher früher dem Bistum Passau zugewiesen; erst neuere Arbeiten haben auf Grund von Funden eine chronologische und persönliche Zuteilung ermöglicht, wobei die Gepräge des späteren 13. und des 14. Jahrhunderts erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben. Erst seit Pilgrim II. (1365—1396) ist durch Anbringung des Stiftswappens wenigstens die Zuweisung an Salzburg absolut gesichert. Pilgrim und dann Siegmund I. von Volkersdorf (1452—1461) setzen auch den oder die Anfangsbuchstaben ihres Vornamens auf die Rückseite. Trotzdem kann man im 14. und 15. Jahrhundert noch eine gewisse Anzahl von Salzburger Pfennigen nicht genauer einteilen. Ein paar Worte über den Münzfuß: In Salzburg rechnete man wie in Bayern und Österreich das Zählpfund zu 8 langen Schillingen zu je 30 Pfennigen. Das Feingewicht betrug nach einer Notiz von 1273 0,578 Gramm, laut den Aufzeichnungen des Lyoner Zehents aber nur mehr 0,535 Gramm. 1273 wurde eine Wiener Mark Silber dem Werte von 480 Salzburger Pfennigen gleichgesetzt, während eine Salzburger Mark 390 Salzburger Pfennigen entsprach. „Gegenüber der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts besaßen also die Salzburger Münzen der ersten Hälfte ein höheres Feingewicht, was mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf ein größeres Rauhgewicht schließen läßt. Dies bezeugen auch die Fundmünzen" (560). Im 14. Jahrhundert wird der Pfennig, wie die Münzordnung des Erzbischofs Ortulf von 1355 zeigt, im Verhältnis zum 13. leichter, und auch seine Feine ist zurückgegangen, 240

44. Salzburg, Eb. Eberhard I. von Hippoltstein. Friesacher Pfennig (Brakteat)

nämlich 0,733 Gramm rauh und 0,453 Gramm fein. Für das 15. Jahrhundert gibt es allem Anschein nach keine schriftliche Quelle über Schrot und Korn der Salzburger Gepräge. Wir können nur eine wesentliche Verschlechterung während der Schinderlingszeit konstatieren. Was die Münzstätte Laufen anlangt, so wurden 5 Laufener Pfennige 3 Friesachern gleichgestellt; der Laufener ^ entspricht also 0,6 Friesachern. Ende des 13. Jahrhunderts gilt 1 Salzburger ^ 13/21 Regensburger. 1324 werden die Salzburger dem Öttinger ^ gleichgesetzt. 1321 muß der Salzburger etwas besser als der Münchener gewesen sein. 1314 war 1 Salzburger gleich 2/3 Agleier, also 3 : 2. „Gegenüber dem im Werte vordringenden Haller richteten der Salzburger und auch der Münchener Pfennig ihren Gehalt zunächst im Verhältnis 2:1. Dadurch war, wie eine Urkunde von 1343 berichtet, der Wert des Salzburgers dem Münchener gleich geworden. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erfolgte nun ein Anschluß des Salzburgers an den Wiener, so daß schon 1369 ein Salzburger ^ einem Wiener gleichgewertet wurde" (560). Erwähnt sei noch, daß im Zuge des Salzhandels auch Prager Groschen ins Land kamen, während eigene Groschen von Salzburg nicht geprägt wurden. Sie werden schon in dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, also ungefähr gleichzeitig mit ihrer Entstehung, in erzbischöflichen Urkunden erwähnt. Sie wurden sicherlich gerne genommen, da der eigene Pfennig für den Großverkehr nicht mehr genügte. Um sich vor minderwertigen Stücken zu schützen, brachte man auf ihnen — insbesondere in der Hussitenzeit — das Salzburger Wappen als Gegenstempel an, die die Umlauffähigkeit erweisen sollte. b) Friesach. Die erste Münzgattung, die auf altösterreichischem Boden geprägt wurde und sich bald zu einer wichtigen, diesmal dem Südosten zugewandten Handelsmünze entfaltete, ist der Friesacher Pfennig. Es ist sicherlich kein Zufall, daß es ein geistlicher Fürst, der Erzbischof von Salzburg, war, der als erster das Münzrecht im österreichischen Raum erhielt. Dem Erzstift war von Karl dem Großen die Bekehrung der Karantanen anvertraut worden. Seit 822 ist die deutsche Kolonisation des gesamten herrenlosen Gebietes eine Aufgabe, die auch der Stärkung der bayrisch-fränkischen Herrschaft und der Missionierung dienen sollte. Das gegenüber dem Osten kulturell weit fortgeschrittene Salzburg war daher berufen, in die von ihm missionierten Gebiete auch die neuen Wirtschaftsformen zu bringen, sobald sie sich in Salzburg selbst durchgesetzt hatten. Dazu gehörte seit 996 auch das Münzgeld. Schon mehr als 100 Jahre vorher, 860, war Friesach in den Besitz des Erzstiftes gekommen, 928 war es ein Gutshof, besaß aber schon eine Kirche. Es gelangte dann im Tauschwege an verschiedene Große und um 1072 wieder 241

45

46

45. Unbestimmter Pfennig aus dem Funde von Hintergumitsch (Kärnten)

47. Spanheimer zu Völkermarkt. Friesacher Pfennig (Brakteat)

46. Gemeinschaftsprägung des Salzburger Eb. Eberhard II. von Regensberg und Hg. Leopolds VI. von österreich-Steiermark. Friesacher Pfennig, Pettau

48. Bamberg, Bischof Bertold von Leiningen. Friesacher Pfennig, Griffen (Brakteat)

zurück ans Erzstift. Erzbischof Konrad I. (1106—1147) machte Friesach zum Hauptort des Kärntner Stiftsbesitzes. In die Burg auf dem Petersberge kam die Münze, zu deren Einrichtung sich Konrad im Hinblick auf den seinem Vorgänger Hartwig von Otto III. erteilten Gunstbrief ohne weiteres für berechtigt hielt. In Wirklichkeit aber lagen die Dinge anders. Die frühere Bewilligung lautete auf Salzburger und auf Regensburger Pfennige, nun aber wurde Köln zum Muster gewählt. Von dort kamen die ersten Münzmeister, die seit 1144 namentlich bekannt sind. Diese brachten die Kölner Mark als Münzgewicht und wohl auch den kölnischen Münzfuß mit und statteten die neuen Friesacher Pfennige mit einer sehr vergröberten Nachbildung der Kölner Gepräge aus. Nach LUSCHIN wäre der Beginn der Prägungen in der erzbischöflichen Münzstätte zu Friesach zwischen 1125 und 1130 anzusetzen. Der denarius coloniensis war als territoriale Pfennigmünze des 12. und 13. Jahrhunderts dem Rhein entlang im Norden bis zur Mündung, im Süden ungefähr bis Oppenheim, nach Osten und Westen in wachsender Breite in Umlauf. Aber auch in ungarischen Funden kommt er vor, was die Beliebtheit dieser Münzsorte beleuchtet. Er wurde aber, wie wir gesehen haben, keineswegs in Köln allein ausgeprägt, sondern in einer ziemlichen Reihe von eigenen Münzstätten des Erzstiftes Salzburg und solchen, die im Mitbesitz der Erzbischöfe waren sowie auch in fremden, deren Erzeugnisse auf Kölner Fuß und nach Kölner Schlag gemünzt wurden; eine Erscheinung übrigens, die sich bei den Friesachern wiederholte. Als Münzfuß nimmt H Ä V E R N I C K ( 3 8 0 ) eine ältere, leichtere Kölner Mark an, aus der 144 Denare geschlagen wurden. Sie wurde 1170 durch eine jüngere, schwerere ersetzt, aus der bei gleichbleibendem Denargewicht 160 Denare geschlagen wurden. Das Gewicht der Kölner Denare blieb vom 11. bis zum 13. Jahrhundert unverändert; im Durchschnitt betrug es 1,40 Gramm. Der Feingehalt schwankte dagegen zwischen 912/1000 bis zum beabsichtigten vom 975/1000. Die Kölner Mark wog 210,42 Gramm vor dem Jahr 1170, später 233,8123 Gramm. In diesem Gewicht begegnet sie uns in den späteren Jahrhunderten. Der von L U S C H I N ermittelte Münzfuß der Friesacher ergab, daß in Kärnten bis 1286 nach der alten Kölner Mark (229,450 g), seit 1287 nach der Wiener Mark von (damals) 275,347 Gramm Schwere gemünzt wurde. Anfänglich, zwischen 1136—1164, entsprachen 160 Stück Pfennige einer Mark lötigen Silbers, wobei 1 Pfennig 1,437 Gramm schwer war. Das Normalsilber der Friesacher Münze hieß lötiges Silber, war jedoch weder lölötig noch 1000/1000 fein, sondern nur 15/16, d. h. es enthielt auf 16 Lot oder eine Mark Schwere nur 15 Lot oder nach heutiger Bezeichnung 938/1000 Feinsilber. Diese ältesten Friesacher blieben lange im Umlauf. Durch Seigerung, d. h. durch unberufenes Aussuchen der schwer242

49. Bamberg, Bischof Otto II. von Andechs. Friesacher Pfennig, Friesach 50. Markgraf Heinrich IV. von AndechsMeranien. Friesacher Pfennig, Stein 51. Babenberger. Friesacher Pfennig, Gutenwört 52. Spanheimer. Brakteat, Landstraß

sten Stücke wurde die Valuta in gewaltsamer Weise gestört, denn es blieben nur die leichtesten Pfennige zurück. Diese durch Manipulationen herabgekommenen Friesacher wurden zu Beginn des 13. Jahrhunderts zu 200 Stück auf die lötige Mark gerechnet und hießen infolgedessen „Fünfvierdunge". Im Verkehr behalf man sich eben dadurch, daß man den Abgang am Feingewicht durch eine Erhöhung der Anzahl von Pfennigen auf die Zahlmark ausglich, um die Mark lötiges Silber zu erreichen. Ursprünglich betrug die Aufzahl, d. h. die Anzahl der Pfennige, die auf die Mark lötigen Silbers gerechnet wurde, 160, sie stieg zwischen 1164 bis 1200, wie schon erwähnt, auf 200 Stück, von 1200 bis 1230 auf 210 Stück, von 1242 bis 1244 auf 245 Stück, von 1253 bis 1257 auf 290 Stück, von 1287 bis 1289 auf 370 und nach 1334 auf 410 Stück. Diese Aufzahl wurde auch von den Herzögen von Kärnten, dem Patriarchen von Aquileia, den Andechs-Meraniern zu Villach, vom Bamberger Bischof Otto II. (1177—1196) eingehalten. Die Aufzahl 210 von den Herzogen von Kärnten zu St. Veit und von den Babenbergern zu Graz und Pettau. Dagegen wurden die Pfennige in den Münzen an der Krainer Gurk zu Landstraß durch die Spanheimer und zu Gutenwört durch die AndechsMeranier um 1215 bis 1230 nach einem um vieles geringeren Münzfuß geschlagen, nämlich zu je 245 Stück auf die lötige Mark. Die Ranner Pfennige (1265—1276) hatten eine Aufzahl von 250 Stück. Die Friesacher Pfennige wurden im Zeitraum von 1287 bis nach 1334 aber nicht mehr nach der Kölner Mark zu 229,456 Gramm, sondern nach der Wiener zu 275,347 Gramm gemünzt; die erwähnte Aufzahl war in den zwei Jahren von 1287 bis 1289 außer für die Münzstätte Friesach auch für St. Veit und Völkermarkt gültig; in der Zeit ab 1334 kam noch die Münzstätte Windischgraz dazu. Die Friesacher Münzprägung bietet im ersten Augenblick ein recht verwirrendes Bild; sie konnte erst durch Luschins jahrzehntelange Forscherarbeit in eine systematische Ordnung gebracht werden. Wie schon aus der Übersicht über den Münzfuß hervorgeht, hat es sich hier ja keineswegs um die Gepräge vom Friesacher Petersberg allein gehandelt, denn der Name Friesacher ist wie die Regensburger zu einem Gattungsbegriff geworden, der sämtliche Münzen umfaßt, die nach diesem Münzfuß geschlagen wurden. Salzburg selbst besaß durch längere oder kürzere Zeit Nebenmünzstätten zu Pettau an der Drau, Reichenburg und Rann an der Save. Die Andechs-Meranier schlugen Friesacher zu Windischgraz, Stein und Gutenwört, die Herzöge von Kärnten zu Landstraß, St. Veit und Völkermarkt, die Bischöfe von Bamberg zu Villach und Griffen, die Herzöge von Steiermark zu Graz, Zeiring und Pettau. Auch die Grafen von Görz ließen zu Lienz im heutigen Osttirol und wahrscheinlich auch zu Obervellach im Kärntner Mölltale Friesacher prägen. Ebenso die 243

53. Kärnten, Hg. Bernhard. Pfennig nach Art der Agleier, Landstraß

Patriarchen zu Aquileia zwischen 1130 bis 1218. Zur Zeit des Patriarchen Peregrin I. (Pilgrims I.), 1130—1161, trat eine Verbesserung des Münzfußes ein, durch die sich für Jahrhunderte die Ausdrücke Frixachensis, Fresacbensis, Frixachus, Frixerius als Bezeichnung der neuen vollwertigen Agleier Pfennige einbürgerten. In Ungarn und Kroatien aber wurden von Geistlichen wie Weltlichen — darunter vom König selbst -— die Friesacher unbefugterweise einfach nachgeprägt, sehr zum Schaden der originalen Gepräge. Diese und andere nicht lokalisierbare Nachahmungen durch unberechtigte Münzer, die sich durch viele Jahrzehnte lang verfolgen lassen, eröffnen einen Ausblick auf die Verbreitung der Friesacher außerhalb ihres eigentlichen Umlaufgebietes, eine Erscheinung, die uns erst später wieder beim Wiener Pfennig begegnet, als die Friesacher bereits an Bedeutung verloren hatten. In diese anonyme Gruppe gehört teilweise auch die von BAUMGARTNER so benannte Gren^müns^mg, deren Erforschung unter anderem zwei bisher unbekannte Zweigmünzstätten, Heiligenkreuz bei Landstraß und Tschatesch bei Rann, ergab. Diese vor Baumgartner kaum beachtete beziehungsweise in ihrem Wesen und Zweck ebensowenig erkannte Friesacher Grenzmünzung war dadurch notwendig geworden, als „der zu Beginn des 13. Jahrhunderts ungewöhnlich ansteigende Geldbedarf in den vom Osthandel unmittelbar berührten Ländern die Errichtung einer Reihe von Münzstätten" (39 c) unmittelbar an der Grenze notwendig machte. Diese erstreckten sich von Pettau nach Süden bis an die Krainer Gurk, denn der Zufluß an Münzen aus Friesach selbst genügte nicht mehr. Man darf doch wohl annehmen, daß das Silber, welches die Kaufleute von ihren Ungarnfahrten hereinbrachten, sofort in den Grenzmünzstätten zur Deckung des steten Bedarfes ausgeprägt wurde. In Pettau an der Drau sowohl wie in Rann an der Save befanden sich Märkte, die wohl als Hauptumschlagplätze für den sich entlang der gesamten Grenze im Südosten entwickelnden ausgedehnten Handel dienten. Dieser Handel wird sich „bestimmt nicht nur allein auf den Warenaustausch und die Einfuhr wertvoller landwirtschaftlicher Erzeugnisse und von Vieh beschränkt haben. Die in der Untersteiermark nachweislich besonders in Pettau stark vertretenen und wirtschaftlich mächtigen Juden werden sich sicherlich mit der Ausfuhr des in Ungarn stark gefragten gemünzten Silber Friesacher Schlages abgegeben haben. Auf ihre Verbindung mit den Glaubensgenossen in Völkermarkt — welches vorerst Judenmarkt geheißen — und denen zu Villach braucht nicht besonders hingewiesen zu werden. In allen diesen Orten gab es, wenn vielleicht auch nicht zur gleichen Zeit, Münzstätten" (39 c). Ein eigenes Kapitel in der Geschichte der Friesacher bildet auch die Frage einer Münzung der Bischöfe zu G u r k . Das von diesen prätendierte und auch tatsächlich ausgeübte Münzrecht ist ihnen nie verliehen worden, obwohl es dem Bischof Franz Xaver Altgrafen von Salm-Reifferscheid von Kaiser Franz II. 1801 bestätigt wurde. 244

Es gilt nunmehr als sicher, daß sich die Gurker Bischöfe das Münzrecht einfach angemaßt hatten, und zwar wurden zunächst die ungemein verbreiteten Gepräge mit der Umschrift ERIACENSIS nachgeahmt. Erzbischof Adalbert erwirkte deshalb einen Rechtsanspruch Heinrichs VI., der die Nachahmung erzbischöflicher Münzen innerhalb der Salzburger Diözese verbietet und die zum Schutze der Silbertrinsporte nach Friesach vorgesehenen Maßnahmen gutheißt. Ein Urteil, das offenkundig in erster Linie auf Gurk gemünzt ist, dessen Bischof ja ein Suffragan des Salzburger Erzstiftes gewesen ist. Der Gurker hat übrigens auch in den spanheimischen Münzstätten Heiligenkreuz bei Landstraß geprägt, wobei sowohl Kölner als Friesacher Vorbilder benützt wurden. Schließlich hat Gurk noch vor 1228 in den östlichen Grenzgebieten in der alten Markgrafschaft Saunien, also in dem an der „Soune", Sann, gelegenen Lande gemünzt, und zwar die erwähnten Eriacensis-Friesacher. Gurk besaß in dieser Mark das südöstlich der Herrschaft Windischgraz anschließende Weitensteiner Gebiet. Um 1200 umfaßte dieser Gurker Besitz in Saunien „die Herrschaften Weitenstein, Neuhaus (Dobrna), St. Georgen-Anderburg, Lemberg, Windisch-Landsberg, Rohitsch, Peilenstein, Hörberg, Wisell, Montpreis, dazu in Krain die Herrschaft Liebeck mit Savenstein, Erkenstein, Wolkenburg sowie Nassenfuß mit Straßberg" (396). Auf diesen exterritorialen Besitzungen, deren Hauptort die Feste Peilenstein war, „schalteten und walteten die Gurker nach Ihrem Belieben, ohne auf Salzburg, von dem sie de jure vollständig abhängig waren, viel Rücksicht zu nehmen" (396). Da der vorerwähnte Besitz in der Diözese Aquileia gelegen war, glaubten sie ungestraft selbständig vorgehen Zu können. Sie sollten sich aber täuschen. In dem fünfzig Jahre währenden Kampf des Bistums um seine Unabhängigkeit vom Erzstifte, der insbesondere vom Gurker Domkapitel „mit aller Zähigkeit und einer Leidenschaft geführt wurde, die selbst vor ausgebreiteten Urkundenfälschungen nicht zurückschreckte, ging schließlich nicht nur der Prozeß, sondern auch das Ansehen und die materiellen Mittel des Bistums verloren" (39c). Neben den geistlichen Fürsten (Salzburg, Gurk, Bamberg, Aquileia) gab es also, wie schon wiederholt angedeutet, eine ansehnliche Zahl weltlicher Fürsten, die Friesacher schlugen, so die Andechs-Meranier zu Windischgraz, Stein und Gutenwört, die Herzöge von Steiermark zu Graz, Zeiring und Pettau, die Grafen von Görz zu Lienz und Obervellach und schließlich die Herzoge von Kärnten zu Landstraß, St. Veit und Völkermarkt. Es fehlt hier an Raum, um auch die kleinen Münzstätten zu besprechen, für die daher auf die Literatur zu verweisen ist. (Über die steirischen Friesacher wird im Kapitel Steiermark noch zu sprechen sein.) Es sei daher hier nur der landesherrlichen Prägungen gedacht. Zunächst aber muß über das Münzbild der vorerwähnten Münzschmieden in aller Kürze etwas gesagt werden. Die zahlreichen Stempelverschiedenheiten, die nicht zuletzt durch die renovatio monetae verursacht wurden, lassen den außergewöhnlichen Umfang des Bedarfes an gemünztem Silber aus diesen auf den Südosthandel ausgerichteten Münzstätten leicht erkennen. Daß eine Sorte allein wie das Eriacensis-Gepräge zahlreiche Stempelvarianten aufweist und noch dazu häufig und meist in größeren Mengen vorkommt, läßt darauf schließen, daß es in großer Zahl und durch längere Zeit hindurch ausgegeben wurde, abgesehen davon, daß es auch vielfach unbefugt nachgeprägt wurde. Keine andere Gattung der Friesacher durfte sich einer ähnlichen Beliebtheit erfreut haben. Die anderen zweiseitigen Gepräge tragen auf der Vorderseite meist das Brustbild des Kirchenfürsten und in der Regel auch dessen Namen. Es gibt aber zahlreiche schriftlose und auch einseitige Gepräge, deren Zuteilung nur auf Grund der Münzfunde, des Gewichts und anderer charakteristischer Eigenschaften möglich war. Insbesondere die Zeit nach dem Tode Erzbischof Eberhards II. 1246 bis etwa 1360 gibt zahlreiche Rätsel auf. Ähnliches gilt 245

auch für die anderen Münzstätten der Erzbischöfe sowie für die der übrigen Münzherren, soweit deren Gepräge — und das ist die große Masse — schriftlos sind. Die Kärntner Herzoge haben im allgemeinen auf die Umschrift verzichtet und nur unter dem münzreichen Herzog Bernhard (1202—1256) den Namen des Landesherrn genannt. Auch landesfürstliche Denare und Brakteaten konnten deshalb oft nur auf Grund reichsten Fundmaterials chronologisch wie lokal zugeordnet werden. Auch unter den späteren Münzen gibt es ziemlich viele „stumme", d. h. schriftlose Gepräge, oder sie bringen wohl Buchstaben, die sich als Trugschriften erweisen. Nur selten wird in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Prägestätte, fast niemals der Münzherr genannt. Während bei den Friesacher Prägungen nach 1250 in fortschreitendem Maße das für die Kehrseite bestimmte Münzbild vernachlässigt wird, was die Altersbestimmung sehr erschwert, werden unter Herzog Ulrich III. (1256—1269), ja vielleicht schon in den letzten Regierungsjahren seines Vaters Bernhard Versuche mit Hohlmünzen (Brakteaten) gemacht, die bis in die Herrscherzeit des Böhmenkönigs Przemysl Ottokar (1270—1276) fortdauerten. Besonders der Fund von Starigrad bei Landstraß hat eine Reihe bis dahin unbekannter Brakteaten ans Tageslicht gebracht. Über die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts geben zwei Münzverträge zwischen den Erzbischöfen von Salzburg und den Herzogen von Kärnten aus den Jahren 1268 und 1286 Aufschluß. Solche Verträge, wie überhaupt Urkunden, die sich auf das Münzwesen in genere beziehen, sind in recht spärlicher Zahl auf uns gekommen, und dies meist erst aus späteren Zeiten. In dem ersten dieser Verträge vom 14. Juli 1268 zu St. Radegund am Hohenfeld (nun Althofen), vereinbarten Herzog Ulrich III. und sein Verwandter Erzbischof Wladislaus Maßnahmen, um der andauernden Münzverschlechterung in den herzoglichen Münzstätten in St. Veit, Völkermarkt und Windischgraz sowie in der erzbischöflichen zu Friesach Einhalt zu tun und setzten hiefür empfindliche Strafen fest. Jeder der beiden Vertragspartner durfte nur in den vorgenannten Münzstätten münzen. Den beiderseitigen Geprägen, die einen gemeinsamen Münzfuß hatten, wurde freier Umlauf in den Besitzungen der vertragschließenden Teile zugesichert, der Verkehr mit fremder Münze dagegen bei Strafe untersagt. Eine von sicherlich vielen anderen solcher Anordnungen, die immer wieder erneuert, aber nie befolgt wurden. Der zweite Vertrag von 1286 wurde in einer ganz neuen politischen Situation abgeschlossen. Ulrich III. vermachte die spanheimischen Länder Kärnten und Krain mitsamt der Windischen Mark seinem böhmischen Vetter Przemysl Ottokar II., damals auch Herzog von Österreich und Steiermark, der von ihnen nach Ulrichs Tod 1269 Besitz ergriff. Rudolf von Habsburg belehnte 1275 Ulrichs Bruder Philipp mit den erwähnten spanheimischen Ländern; dieser hat Kärnten aber bis zu seinem Tode 1279 nicht mehr betreten. Mit ihm erlosch das letzte einheimische Herzogsgeschlecht. Nach dem Tode des Böhmenkönigs belehnte 1286 Rudolf von Habsburg Graf Meinhard von Görz-Tirol mit Kärnten, dessen Hauptmann der Graf seit 1276 und dessen „Herr" er seit 1280 gewesen war. Damit wurde Meinhard Reichsfürst und vereinbarte als dux Carinthiae im Jahre seiner Belehnung und Erhöhung am 22. Oktober 1286 zu Judenburg in der Steiermark mit dem Erzbischof Rudolf von Salzburg eine Ordnung über die Münze in Kärnten, die auch den Münzfuß neu regelte. Das alte Friesacher Gewicht, die modifizierte Kölner Mark wurde aufgegeben und an ihrer Stelle die Wiener Mark eingeführt. „Die Pfennige sollten — soweit das technische Können jener Zeit reichte — fünfzehnlötig sein und zu 344 Stück (von welchen 4 Pfennige den Schlagschatz 246

bildeten) aus der Münzmark geschlagen werden. Ergänzende, sehr wertvolle Nachrichten über Gewicht und Feingehalt der in Kärnten, ebenso wie in Salzburg, Österreich und Steiermark umlaufenden Gepräge liefern uns auch die Abrechnungen der Einheber des sogenannten Lyoner Zehents für die Jahre 1282—1285 und der Libellus decimationis de anno 1285. Schließlich kommt es noch ein letztes Mal im Jahre 1334 am 24. August zu Friesach selbst zu einer Vereinbarung, indem Konrad von Aufenstein, Marschall in Kärnten, der Vizedom Hans, der Comes Otto von Liechtenstein, Hauptmann und Mainhart, Vizedom zu Friesach, im Auftrag ihrer Herren Heinrich des Königs von Böhmen, Herzogs von Kärnten und Grafen von Tirol und Görz sowie des Erzbischofs Friedrich von Salzburg, neuerlich einen Vertrag über die Ausmünzung der Pfennige in Kärnten schließen, wobei das Übereinkommen von 1286 zugrunde gelegt und durch Hinzufügung zahlreicher Erläuterungen ergänzt wird. Das Jahr 1334 brachte für Kärnten das Ende einer Zeit häufig wechselnder Landesherren. Nach dem Tode der drei Söhne Herzog Meinhards belehnte am 2. Mai 1335 Kaiser Ludwig IV. der Bayer die österreichischen Herzöge Albert und Otto mit Kärnten. Gleichzeitig erhielten die Habsburger auch das verpfändete Krain mit der Windischen Mark, womit sie in den Ostalpen das Übergewicht erhielten. Aber Kärnten war für sie nur ein Nebenland. Dies wirkte sich natürlich auch auf das Münzwesen aus, so daß hier um 1360 die Prägung, sowohl die herzogliche als die erzbischöfliche, überhaupt erlosch. Die Friesacher Münzstätte stand im Jahre 1339 schon knapp vor dem Ende ihrer langjährigen Tätigkeit. Der Mangel an Bergsilber und die Verteuerung des Pagamentsilbers von 17 auf 18 im Jahre 1338 machte die Einhaltung des vorgeschriebenen Münzfußes schwierig. Und überdies engten die unaufhaltsam in das Umlaufgebiet der Friesacher eindringenden Agleier die Verbreitung der Kärntner Pfennige immer mehr ein. Die Friesacher Münzung war unrentabel geworden. Die Entscheidung fiel, als noch vor 1355 Erzbischof Ortulf die Prägung von Pfennigen zu Salzburg zu einem wesentlich verschlechterten Münzfuß befahl. In einer von ihm mit Gilig von Florenz und Genossen vereinbarten Münzordnung ist von Friesachern keine Rede mehr. „Da der Vorrat an Friesachern im Lande fortan weder eine Erneuerung noch eine Ergänzung erfuhr, so nahm er allmählich ab, und zwar nicht nur infolge des unvermeidlichen Umlaufverlustes, sondern mehr noch durch Ausschwärmung außer Landes, denn die Friesacher gehörten noch um die Mitte des 14. Jahrhunderts dem Feingehalt nach zu den besten Münzen der Zeit und wurden daher gern mit ausländischen Münzen aufgekauft. So erklärt sich das siegreiche Vordrängen der Agleier in Kärnten, denen sich wohl auch venezianisches Geld und — gefördert durch die Münzpolitik der Habsburger — auch die Wiener Pfennige beigesellten. Die Friesacher Pfennige verloren sich demnach bis auf einige ausgeseigerte Stücke in wenig Jahren völlig aus dem Münzumlauf in Kärnten und die Rechtsgeschäfte wurden mehr in fremden Münzen als der tatsächlichen Landeswährung abgeschlossen" (695). Nur um das Jahr 1507 lebte die Münze zu Friesach unter dem Erzbischof Leonhard von Keutschach ein letztes Mal auf; aber es waren diesmal keine Friesacher mehr, die geprägt wurden, sondern die bekannten Rübenbatzen, vielleicht auch noch Pfennige und Heller. Das gleiche gilt natürlich auch für die herzoglichen Gepräge. In Kärnten gab es für die zweite Hälfte des 14. und während des ganzen 15. Jahrhunderts keine eigene Münzstätte mehr. Nur im Jahre 1461 heißt es in einer Urkunde vom 17. Mai zu Graz, daß sich Kaiser Friedrich III. mit Balthasar Eggenberger, „der unser münssmaister hier zu Grecz, zu sand Veit und Laybach gewesen ist um die münss in dem geringen und swern Korn ettwie lang gehandelt hat", geeinigt und auf jeden weitern Anspruch gegenüber dem Genannten verzichtet habe. 247

Die verschiedenen kleineren Münzstätten, die in Kärnten seinerzeit Friesacher ausgeprägt hatten, wie etwa für das Bistum Bamberg zu Villach und Griffen, hatten ihre Tätigkeit schon längst eingestellt. Es obliegt uns nun, die ganz besondere geldgeschichtliche Bedeutung der Friesacher, wenn sie auch bisher da und dort schon angedeutet wurde, zusammenhängend darzulegen. Der Geldumlauf in Kärnten war im Hochmittelalter vom Friesacher Pfennig in seinen verschiedenen Typen beherrscht. Das beweisen nicht nur die Münzfunde, sondern auch die urkundlichen Nachrichten über Rechtsgeschäfte und Geldzinse. Aber der Umlauf blieb keineswegs auf das Entstehungsland allein beschränkt. Denn die einzelnen Währungsgrenzen waren keineswegs starr, höchstens, daß sich durch schwer zu bewältigende natürliche Hindernisse eine vollkommene Trennung von selbst ergab. Im Laufe der Entwicklung ist es oftmals zu sehr großen Verschiebungen gekommen. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhielt der Umlauf der Friesacher seine größte Ausdehnung; er kann an Hand von Funden und Urkunden weit gegen den Südosten nach Kroatien und Ungarn verfolgt werden. Die Verbreitung erfolgte selbstverständlich durch den Handel, aus welchem Grunde die Mehrzahl der Friesacher Münzstätten entweder längs der Drau oder an den nach Kroatien führenden Handelswegen errichtet wurden. Es ist recht wahrscheinlich, daß auf den gleichen Wegen, auf dem die Exportgüter ostwärts befördert wurden, als Rückfracht auch ungarisches Silber mitgenommen wurde, da sich anders die große Zahl der Friesacher Gepräge nicht erklären läßt. Die erzstiftlichen Bergwerke in Kärnten lieferten keineswegs so viel Silber, als man zur Prägung benötigte. In den erwähnten Abrechnungen über den Lyoner Kreuzzugszehent von 1282 bis 1285 werden nicht weniger als 525 % Zahlmark Friesacher angeführt, was einer Summe von etwa 84.000 Stück entspricht. Das war aber nur ein Zehntel des tatsächlichen Umlaufs, ganz abgesehen davon, daß nur die gehobene Geistlichkeit von der Abgabe betroffen war und überdies auch unter den Laien Friesacher umliefen und daß sich unter diesen wohl auch jene Kaufleute befanden, die mit dem Osten Handel trieben. Und noch etwas fällt bei der Schätzung der möglichen Prägezahlen schwer ins Gewicht: daß nämlich um das Jahr 1240 der Höhepunkt der Friesacher Münzung erreicht war und diese langsam dem Ende zustrebte. In ihrer Blütezeit aber hatten sich die Friesacher in einem großen Teil des Südostens verbreitet. Der östlichste Punkt, wo sie — und zwar in riesigen Mengen — gefunden wurden, war das Banat, die Landschaft zwischen Donau, unterer Theiß und Maros und sogar die westliche Walachei. Überdies sind sie auch in Dalmatien anzutreffen. Dies zeigt deutlich, daß Ungarn das Hauptexportland für die Friesacher geworden war. Daß hier ein terminus aus der Handelsgeschichte verwendet wird, soll deutlich machen, daß diese Münzgattung nicht nur für den Osthandel bestimmt, sondern daß sie selbst zu einem höchst begehrten Handelsgegenstand geworden war. Die Frage, wieso sich die Friesacher und nicht die ebenfalls in gutem Ruf stehenden Regensburger und Kölner Pfennige in Ungarn verbreiteten, obwohl „der kommerzielle Anschluß Ungarns im Mittelalter an Bayern und die Rheingegenden viel enger und andauernder war als an Kärnten und Salzburg" (433), wird von ungarischer Seite damit beantwortet, daß die Heirat des Königs Andreas II. mit Gertrud von Meranien (im Jahre 1205) dazu beigetragen habe. Die Grafen von Andechs-Meranien ließen bekanntlich in Windischgraz, Stein (Krain) und Gutenwört „ebenfalls Friesacher prägen; und durch Gertrud von Meran und ihr Gefolge kamen dann die Friesacher in Umlauf" (433). Eine Vermutung, die übrigens auch urkundlich bezeugt wird. Überdies wurde Berthold von Meranien 1206 Erzbischof von Kalocsa, von wo er 1218 als Patriarch nach Aquileia ging. 248

Im übrigen aber waren um diese Zeit die Friesacher im Lande schon seit Jahrzehnten eingebürgert; die erwähnte Heirat hat wohl nur den Umlauf beträchtlich erhöht. Die eigentliche Veranlassung zur Überflutung Ungarns mit Friesachern liegt in der Münzzerrüttung dieses Landes, die unter König Gézall. (1141—1161) ihren Höhepunkt erreichte. Die ungarischen Münzen dieses 12. Jahrhunderts gehören zu den kleinsten und leichtesten des Mittelalters. Dieser Zusammenbruch fiel aber in eine Zeit, „in der sich der Bedarf nach gutem wertbeständigen Geld im Lande selbst stark fühlbar machte. Die ersten Kreuzzüge gingen über den Balkan nach dem Heiligen Land und brachten viel fremdes Geld nach Ungarn, das der Verkehr gern aufgriff, zumal der Handel mit Byzanz neuen Aufschwung genommen hatte. Friesacher begegnen uns hier zuerst in einem zu Gran gehobenen Münzschatz, der über die Geldverhältnisse, wie sie in Ungarn um die Mitte des 12. Jahrhunderts herrschten, vollkommenen Aufschluß bietet. Dreierlei Gattungen waren hier vertreten: ungarische Landesmünzen, Breitpfennige bayrisch-österreichischer Art und schließlich Friesacher geistlicher wie weltlicher Prägung. Als dann 1189 auch der dritte Kreuzzug Ungarn zu Wasser und zu Lande durchquerte, schrieb Ansbertus in seiner ,Historia de expeditione Friderici imperatoris' : „Quippe qui pro duobus Coloniensibus quinque tarnen suos et pro duobus Frisacensibus quattuor dabant Ungaricos denarios et pro Ratisponense seu Chremsense unum tantum Ungaricum, qui vix Veronensem valebat" (693). Die Friesacher drangen indessen begreiflicherweise weniger vom Norden und donauabwärts als vom Südwesten, also von ihrem Ursprungslande her, in Ungarn ein. „Gefördert wurde ihr Eindringen längs der Save und Drau dadurch, daß die verschlechterten Gepräge der ungarischen Könige in dem südlichen Nebenreich, das später als Kroatien, Slowenien, Dalmatien unterschieden und oft einem Mitgliede des Herrscherhauses zu selbständiger Verwaltung überlassen wurde, anscheinend keinen gesetzlichen Umlauf hatten. Hier müssen die Friesacher, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts eine ob ihrer Güte geschätzte Handelsmünze geworden waren, zur Zeit des dritten Kreuzzuges schon in Menge vorhanden gewesen sein. Kein Wunder, daß darum die ältesten autonomen Münzen für Kroatien, die Andreas II. als Statthalter (1197—1204) schlagen ließ, sich als Nachahmung von Friesacher Geprägen darstellen" (693). Friesach war jedoch nicht nur, wie schon erwähnt, im Südosten, sondern, wie Funde und Urkunden erweisen, bis tief nach Siebenbürgen und auch nach Oberungarn hin verbreitet. Ihre Güte wie die gleichzeitige Zerrüttung des ungarischen Münzwesens haben bei ihrer Ausbreitung in Ungarn gleichermaßen mitgewirkt. Sie waren die eigentliche Landeswährung während der ganzen Regierungszeit Andreas' II. (1205—1235). Der König selbst begann dann neben dem ungarischen Kleingeld auch Münzen nach Friesacher Muster zu schlagen, die in den Quellen ebenfalls frisatici oder jrixatici heißen und wohl auch als solche umliefen. Die Empfänger aber kamen bei ihnen nicht auf ihre Rechnung, weil sie nicht als leichtere und schlechtere Nachprägungen erkannt wurden. Mit dem Jahre 1240 oder bald danach verschwanden dann die Friesacher plötzlich aus dem ungarischen Geldverkehr, vor allem aus den Gegenden links der Donau. Im Gegensatz zu HÖMAN, der diese Tatsache mit münzpolitischen Maßnahmen Bêlas IV. in Verbindung bringt, erklärt L U S C H I N sie als eine Folge des katastrophalen Mongoleneinfalles, der die früheren Handelsbeziehungen, die über Steiermark und Krain bis hoch nach Oberungarn und weit nach Siebenbürgen hinein gereicht hatten, zerrüttet und zeitweilig völlig unterbrochen habe. „Diese Störung kam — als wieder friedliche Zeiten anbrachen — den Wienern zugute, und so traten denn in Ungarn die Wiener Pfennige auch als Handelsmünze an die Stelle der Friesacher" (693). 249

54. Aquileia, Patriarch Pilgrim II. von Dornberg. Denar

55. Aquileia, Patriarch Wolfger von Ellenbrechtskirchen. Dcnar

56. Aquileia, Patriarch Bertold von Meranien. Denar

Noch ein Wort über die Friesacher in Kroatien. Als dieses Land Ende des 12. Jahrhunderts aus jenen Reichsgebieten ausschied, in denen die königlich ungarische Münze Zwangsumlauf besaß, bürgerten sich auch in den Ländern am Unterlauf der Save und Drau die Friesacher ein. Kroatien war überhaupt die längste Zeit auf fremde Handelsmünzen angewiesen gewesen: By^antini, solidi romanati, solidi Romanorm/, pecunia Graecorum, neben denen auch einzelne ungarische Gepräge umliefen. Mit der Einbürgerung der Friesacher in Kroatien und Ungarn hatte es indessen eine merkwürdige Bewandtnis; sie hatten nämlich als Handelsmünze keinen eigentlichen Nennwert, „sondern wurden — wenn nicht Zahlung nach Stück bedungen war — nur nach Gewicht genommen. Daher gelangten gewöhnlich nur Altpfennige über die Grenze, das heißt Stücke mit verringertem Schrot, die man daheim schon außer Verkehr gesetzt hatte" (693). Im übrigen hat auch Kroatien vom Ende des 12. Jahrhunderts bis 1240 in Anlehnung an Friesacher Gepräge Münzen geschlagen, die gewöhnlich das Münzbild nachahmen oder sich in der Mache und anderen Prägeeigentümlichkeiten an das Vorbild anlehnen. Erwähnt soll noch werden, daß es auch geistliche Nachprägungen gibt. 3. Friaul a) Aquileia. Am 11. September 1028 verlieh Kaiser Konrad II. zu Imideshirten (Imbshausen bei Hildesheim) dem Patriarchen Poppo „ . . . monetam publicam infra civitatem Aquileie faciendi. Igitur Denarios ipsius monete ex puro argento firmiter precipimus fieri et Veronensis monete denariis aequiparari, nisi prenominatus patriarcha sua spontanea voluntate velit meliorare". Die Echtheit dieses Privilegs, von dem nur eine notarielle Abschrift aus dem Jahre 1195 im Archivio Capitolare zu Udine erhalten ist, war lange umstritten. Nun gibt es wohl einen Denar Poppos nach Regensburger Schlag, obwohl die vorerwähnte Urkunde Veroneser Währung vorschrieb; aber Poppo entstammte einem Kärntner Grafengeschlecht, war 1019 von Kaiser Heinrich II. zum Patriarchen ernannt worden und bewährte sich trefflich als Stütze des Deutschen Reiches. Er zog auch deutsche Gelehrte und Künstler an seinen Hof und herrschte in einem Gebiete, das damals noch zu einem guten Teile deutsch war. Es ist daher begreiflich, wenn er sich auch monetär an Deutschland anlehnte und an Stelle des ihm vorgeschriebenen Münzsystems das Regensburger bevorzugte, das sich für den regen Handel mit den angrenzenden österreichischen und den deutschen Ländern besser eignete. Aber der Denar des Poppo blieb bloß eine Episode, die keine Nachfolge fand. 250

57. Aquileia, Patriarch Raimondo della Torre. Denar

58. Aquileia, Patriarch Philipp von Alenjon. Denar

59. Aquileia, Patriarch Ludwig von Teck. Denar

Das Patriarchat hatte in Kärnten große Besitzungen und betrieb dorthin einen namhaften Handel. Durch seine Lehensträger und deren Untertanen in Kärnten, die ihre Abgaben in landläufigen Friesacher Pfennigen abstatteten, gelangten bald große Mengen davon nach Aquileia, wo sie neben der einheimischen Münze jahrhundertelang Geltung hatten, bis sich der Spieß umdrehte und die Agleier nunmehr ihrerseits die Friesacher verdrängten. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts scheint in Westkärnten der Agleier als die tragende Münzsorte auf; im 14. Jahrhundert verstärkt sich sein Vordringen zum Teil bis an die Nordgrenze. Am längsten hielt er sich im Lavanttal (Fund von Hintergumitsch). In den siebziger Jahren aber wird er schließlich vom Wiener Pfennig abgelöst. Nach Poppo trat, wie erwähnt, eine längere Pause in der Eigenprägung auf, in der man sich in Friaul mit dem Gepräge der kaiserlichen Münzstätten Oberitaliens, besonders von Verona und Venedig behalf. Allein der Münzfuß dieser Pfennige verschlechterte sich unaufhaltsam. Die kleinen schüsseiförmigen Gepräge von Verona, wegen der Kreuzchen auf beiden Seiten denarii cruciati genannt, waren zur Zeit, in der die ersten hochhaltigen Friesacher geschlagen wurden, schon auf ein Stückgewicht von 0,456 Gramm und 0,263 Feingehalt herabgesunken. Das führte im Handel und Wandel zu namhaften Mißständen. Als nun die Friesacher durch die Abgaben der Untertanen aus Kärnten massenhaft nach Aquileia kamen, entschloß sich Friaul zu einer Besserung seiner monetären Verhältnisse. Der Spanheimer Patriarch Peregrin oder Pilgrim (1130—1164) „erinnerte sich an das lange vernachlässigte Münzrecht seines Hochstiftes und an die Ermächtigung, auch bessere Münzen als die Veroneser schlagen zu dürfen" (693). Als Kärtner war ihm das geordnete Münzwesen dieses Landes bekannt: er nahm deshalb die Friesacher zum Vorbild für seine eigenen Prägungen. Die Veroneser denarii cruciati und die ihnen nachgebildeten ebenfalls schüsseiförmigen Gepräge von Venedig, die kaum mehr als 1/12 der Friesacher Pfennige wert waren, blieben im Patriarchat als denarii parvuli als Kleingeld weiter im Umlauf. „Die Friesacher aber hatten als Grossi, wahrscheinlich als Schillinge zu 12 parvuli, die Aufgabe des Hartgeldes zu erfüllen. In welchem Jahre diese Verbesserung eintrat, welche die Ausdrücke Frixachensis, Fresachensis, Frixachus, Frixerius noch nach Jahrhunderten zur technischen Bezeichnung der neuen vollwertigen Agleier Pfennige macht, entzieht sich unserer Kenntnis; wohl aber ist es sicher, daß sie von Patriarch Peregrin I. ausgegangen ist" (693). Die Nachahmung der Friesacher dauert bis in die Regierungszeit des Patriarchen Wolfger (1204—1218), welch letzterer die Stücke mit der rückläufigen Umschrift ERIACENSIS nachprägen ließ, während seine Vorgänger Gottfried und Pilgrim II. Namenschiffren, Pilgrim I. ein A, Ulrich II. aber AQVILEGIA P. auf ihre Münzen gesetzt hatten. Diese und andere Nachahmungen des Friesacher Pfennigs (z. B. 251

von Gurk) haben den Erzbischof von Salzburg Adalbert veranlaßt, vom Kaiser ein Privilegium de monetis zu erwirken, das zwar nicht erhalten ist, aber wahrscheinlich wie der schon erwähnte Spruch des Reichsgerichtes von 1195 gegen unbefugte Nachprägungen gerichtet war. Unter Patriarch Wolfger von Leubrechtskirchen, vorher Bischof von Passau, der sich auch Markgraf von Friaul, Istrien und Krain nannte, änderte sich sowohl Münzfuß als auch Aussehen der Agleier. Es ist, könnte man sagen, eine nationalistische Veränderung eingetreten, da seit diesem Patriarchen das Münzwesen nach dem Vorbild des in der unmittelbaren italienischen Nachbarschaft üblichen venezianischen Münzwesens umgestellt wurde. Schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war die Lagunenstadt in rege Handelsbeziehungen zum Friaul getreten; venezianisches Maß und Gewicht und zuletzt auch die Münzen kamen in Gebrauch. Diese neuen Agleier oder Friauler Pfennige wurden nach der venezianischen Mark ausgebracht, die auch anderwärts verwendet wurde und mit ihren 238,3437 Gramm etwas schwerer war als die Kölner. Von den beiden Denartypen Wolfgers ist der ältere mit dem sitzenden Kirchenfürsten und der Darstellung eines Tempels auf der Rückseite im Grunde eine Nachahmung der zahlreichen kaiserlichen und kirchlichen Denare aus gewissen deutschen Münzstätten, wie z. B. Aachen und Köln, von wo Patriarch Wolfger stammte. Auffallend ist jedoch die viel feinere und sorgfältigere, geradezu künstlerische Ausführung und die Schüsselform, die fortan bis zum Patriarchen Paganus della Torre (1319—1332) beibehalten wird. Es sind dies die sogenannten denari scodellati, wie sie in Italien heißen; sie wurden im österreichischen Raum von den Bischöfen von Triest und Trient, von Herzog Bernhard von Kärnten in Laibach und Landstraß sowie von den Grafen von Görz in Lienz geschlagen. Diese kleinen Kunstwerke bilden einen angenehmen Gegensatz zu den meist häßlichen Friesachern und anderen österreichischen Geprägen dieser Zeit. Der zweite Typus Wolfgers schlägt ebenso wie die Münzen seiner Nachfolger mit der Darstellung der Rückseite ganz neue Wege ein. Bei Wolfger ist es ein nimbierter Adler, dann gibt es ein Bildnis des hl. Hermagoras, des Patrons des Patriarchats, Lilien, Blumenkränze, Wappen usw. Auch bildliche Anklänge an die venezianischen Matapane, auf deren Vorderseite der hl. Marcus und der Doge zu sehen sind, finden sich etwa auf einem Denar des Neapolitaners Gregor v. Montelongo (1251—1269), der den hl. Hermagoras neben dem Patriarchen zeigt. Der Standort der Münzstätte wurde wiederholt gewechselt; einmal prägte man zu Aquileia, dann zu Udine, ein andermal wieder zu Cividale oder Gemona. Im 13. Jahrhundert wurden die Münzen von Aquileia von den Grafen von Görz in Lienz und von den Bischöfen von Triest nachgeprägt. Aus dem 14. Jahrhundert sind solche Nachprägungen nicht bekannt, dagegen in besonders merkwürdiger Weise aus dem 15. Jahrhundert, als es hier schon längst keine Münzen der Patriarchen mehr gab. Der vom Ungarnkönig Matthias Corvinus 1464 zum Ban und 1470 zum König von Bosnien ernannte Nikolaus Ujlaki (f 1476) ließ nämlich Münzen der Patriarchen Antonio II. Panciera von Portogruaro (1402—1408 bzw. 1411) und Ludwig von Teck (f 1437) nachprägen, wobei das Münzbild gleich blieb wie beim Muster und nur die Umschrift geändert wurde. Man darf daher „mit höchster Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Aquileier Münzen noch zur Zeit Ujlakis in Bosnien stark im Umlaufe gewesen sind, obgleich sie damals in unseren Ländern bereits aus dem Verkehr gewichen waren. Dabei verschlägt es nicht, daß die Patriarchen von Aquileia schon seit mindestens 40 Jahren zu münzen aufgehört hatten, denn es ist bekannt, wie sehr Handel und Wandel unter halbzivilisierten Völkern die einmal beliebt gewordene Münze festhält" (660/III). Zudem 252

60. Triest, Bischof Heinrich II. Ravizza. Denar

61. Triest, Sedisvakanz. Denar

ist es bekannt, daß Denare von Aquileia in Ungarn viel zirkulierten ; „von daher mögen sie ebenso gut wie aus Kroatien und Dalmatien nach Bosnien gedrungen sein; dies mag den König bewogen haben, diese Gepräge nachzuahmen" (660/III). Ob dabei auch Gewinnsucht mit im Spiele war, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, es ist jedoch durchaus möglich. Interessanterweise werden die Agleier und auch die Triestiner in dem berühmten Werk des Florentiners PEGOLOTTI, „Prattica dellamer catura" aus der Zeit um 1340 erwähnt. Die Münzen von Aquileia und Trient werden hier unter dem Namen „fregiachesi dell' Aquila e della Torre e dello giglio e della luna" beschrieben. Diese Stücke gehören den Patriarchen Gregorio di Montelongo (1251—1269) undRaimondo della Torre (1273—1298) sowie ihrem Triestiner Zeitgenossen, dem Bischof Arlongo de'Visgoni (1260—1282) an (328). Pegolotti hat sein Buch als Hilfsmittel für den Kaufmann geschrieben, um diesen in einer Art von Kurszettel über den Handelswert der umlaufenden Münzen zu informieren. Daß die Agleier hier erwähnt werden, zeigt, daß sie schon damals zu einer wichtigen Handelsmünze geworden waren. Pegolotti unterscheidet sie in vecchi, alte, und nuovi, neue, von denen jene auf eine Feinheit von 0 , 7 5 0 , die neuen auf 0 , 5 9 4 geschätzt werden. L U S C H I N suchte die alten unter den Geprägen des Petrus Gerra ( 1 2 9 9 — 1 3 0 1 ) oder Ottobonus de Razzi ( 1 3 0 2 — 1 3 1 5 ) , die neuen aber unter denen des Bertram de St. Gènes ( 1 3 3 4 bis 1 3 5 0 ) , also eines Zeitgenossen des Florentiners. Gold wurde in Aquileia nie geprägt, nur Silber, das in späterer Zeit sehr stark mit Kupfer legiert war (Billon). Sowohl doppelte {grossi), einfache und Halbdenare (me%%int) variierten im Gewicht als auch die aus Billon hergestellten piccoli, auch parvi oder parvuli, auch denarii parvuli oder bagattini genannt (0,25—0,6 g). Später erhielten auch die Denare einen Kupferzusatz von etwa 40%, während der Silberzusatz von 1/8 bei den Piccoli ganz entfiel. Der Silberdenar war in 12, später 14 Piccoli unterteilt. Wie schon die Bezeichnung denari nuovi bei Pegolotti ihren verminderten Feingehalt andeutet, blieb auch Aquileia nicht von einer einschneidenden Münzverschlechterung verschont. Sie begann mit Paganus della Torre, dem es bei der Schuldenlast des Patriarchats nicht einmal möglich war, die von Rom geforderten hohen Kontributionen zu bezahlen. Auch seine unglücklichen kriegerischen Unternehmungen verschlangen sehr viel Geld. Um den Handel zu beleben, förderte er die Niederlassung fremder Kaufleute, insbesondere der Florentiner in Cividale. Aber die Münzverschlechterung war dennoch unausbleiblich; sie schritt unter seinen Nachfolgern noch weiter fort, während deren Regierungszeit das Patriarchat noch dazu unter Erdbeben, Pest und Hungersnot zu leiden hatte. Auch die Mißwirtschaft Philipps von Alençon (1381—1388), eines Neffen des Königs von Frankreich, trug viel zum Untergang des Patriarchats bei. Venedig ging 253

aus der Auseinandersetzung mit den Patriarchen als Sieger hervor. Nach der Flucht des vorletzten Patriarchen, Ludwigs von Teck (1412—1437), der im Exil zu Basel starb, schloß sein Nachfolger Lodovico III. Scarampi Mezzarota 1445 mit der Serenissima einen Vertrag, in dem er sich die geistliche Herrschaft über das Patriarchat sowie die weltliche über die Stadt Aquileia, San Vito und San Daniele im Friaul sicherte, dagegen den gesamten übrigen Besitz des Patriarchates und alle seine Rechte gegen eine jährliche Pension von 5000 Dukaten dem Sieger abtrat. Scarampo hat nicht mehr gemünzt; sein Vorgänger Ludwig von Teck war der letzte, der Münzen ausgab. Zuletzt befand sich die Münzstätte in Udine im sogenannten Turione vecchio, die im Jahre 1662 beim Niederreißen des Gebäudes dort entdeckt wurde. b) Triest. Im Zusammenhang mit Aquileia muß auch die Münzprägung der Bischöfe von Triest und die des Kärntner Herzogs Bernhard in Laibach betrachtet werden. Wann und ob überhaupt das Bistum das Münzrecht erhielt, wissen wir nicht. Die Tatsache besteht jedoch, daß es die Münzen der Patriarchen in Form, Bild und Münzfuß nachahmte. Die erste dieser Münzen zeigt auf der Vorderseite den thronenden Bischof mit Mitra, Krummstab und Evangelienbuch und auf der Rückseite einen Tempel mit zwei Säulen, ähnlich den Münzen des Patriarchen Peregrin II., die den Übergang vom Friesacher zum AquileiaTypus bilden. LUSCHIN hat dieses erste Triestiner Stück, das nur den Ort, aber nicht den Münzherrn nennt, dem Bischof Heinrich III. Rapicio (1200—1203), einem Zeitgenossen Peregrins, zugeschrieben, andere wieder dessen Nachfolger Givardo (Gebardo oder Wigbard, 1203—1213). Die Frage ist m. W. noch offen. Givardo hat indessen schon unter seinem eigenen Namen gemünzt, wobei er den Typus von Aquileia mit dem Tempel beibehielt. Leonhard I. (1232—1234) und Ulrico de Portis, ein Nobile aus Cividale (1234—1254), emanzipieren sich in den Münzbildern so ziemlich von Aquileia ebenso wie Arlongus de' Visgoni (1260—1282). Nur der feine Stempelschnitt und die schüsseiförmige Form zeigt den Zusammenhang mit Aquileia auch weiterhin auf. Der von ihm geprägte Denar mit dem Halbmond und Stern auf der Rückseite wird von Pegolotti unter der Bezeichnung luna erwähnt. Die Prägung des Triestiner Bistums hört mit Rodolfo Moranduri del Pedrazzani (1302—1312) auf, ohne daß wir die Gründe dieser Einstellung urkundlich nachweisen können. c) Laibach. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war Laibach der Hauptort der alten krainerischen Besitzungen der spanheimischen Herzoge in Kärnten. „Unter den vielen geistlichen und weltlichen Fürsten, die sich damals in den Besitz Krains teilten, standen die Spanheimer fast an erster Stelle" (39). Auch Landstraß (Landestrost, K o s t a n j e v i c a ) gehörte ihnen, das, wie schon der Name sagt, der Bevölkerung vor allem als Schutz gegen Überfälle der östlichen Nachbarn diente. Auch in diesem Schlüsselpunkt befand sich eine Münzstätte. „Laibach aber diente als Kernpunkt des damals politisch zerrissenen Krain. Zufolge seiner vorzüglichen geographischen Lage, im Schnittpunkt dreier bedeutender Handelslinien: Ungarn—Friaul, Kärnten—Istrien und Wien—Triest, hatte es bald nach der Befriedung Mitteleuropas nach den Stürmen der Völkerwanderung durch den wieder auflebenden Handel seine alte Bedeutung zurückgewonnen" (39). Herzog Bernhard II. (1202—1256) hatte den Schwerpunkt seiner Politik nach Krain verlegt. Zu seinen landesherrlichen Rechten gehörte auch die Ausübung des Münzrechtes in Landstraß und Laibach (um 1215). Sein mächtigster Rivale um die Vorherrschaft in Krain war Markgraf Heinrich IV. von Andechs-Meranien, dessen reiche Besitzungen in 254

Oberkrain mit dem die Alpenpässe beherrschenden Hauptort Stein, das ebenfalls eine Münzstätte beherbergte, sich mit denen des Kärntner Herzogs wohl messen konnten. Neben dem Andechser hatte Bernhard aber auch noch mit dem Patriarchen Berchtold von Meranien zu rechnen. Bernhard hatte seinen ältesten Sohn Ulrich mit Agnes, der Tochter Ottos VII. von Andechs-Meranien vermählt, so daß er schließlich die ganze Landgrafschaft besaß. Aber sein Versuch, nach dem Tode seines Vaters Aquileia aus Krain zu verdrängen, scheiterte. Er mußte u. a. das angestammte Laibach vom Patriarchen zu Lehen nehmen. Nach Ulrichs Tod eroberte Ottokar von Böhmen 1270 Kärnten und Krain, verlor aber Krain im doppelten Kampfe gegen Rudolf und Aquileia zur Gänze. Nach der Schlacht auf dem Marchfelde setzte der Habsburger unter Umgehung der Ansprüche des Patriarchats vorerst Meinhard von Tirol als Hauptmann von Krain und der Mark ein. 1282 verlieh er dann die aquileische Landgrafschaft Krain und die Mark als Reichslehen seinen Söhnen Albrecht und Rudolf. So war der Münzstätte Laibach infolge aller dieser politischen Ereignisse nur ein kurzes Leben beschieden. Die Laibacher Münze wird zum erstenmal 1248 in einer Urkunde von Bischof lack erwähnt. Durch eine Schenkungsurkunde Herzog Ulrichs von 1263 erscheint die Fortdauer der Münzstätte nach dem Tode Herzog Meinhards gesichert. Während der böhmischen Besetzung werden Zahlungen in Laibacher Münze festgesetzt, doch tragen alle Münzen den Namen Bernhards. Ob König Ottokar in Laibach noch gemünzt hat, kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Es ist durchaus möglich, doch lassen sich dieser Münzstätte keine bestimmten Gepräge zuteilen. Für die Vorderseite des ersten Gepräges hat man das Reitersiegel Bernhards zum Vorbild genommen, für die Rückseite eine Stadtansicht, die schon beim Patriarchen Wolfger vorkommt. Spätere Prägungen unterscheiden sich nur mehr durch Umschrift und kleine Details von den gleichzeitigen Agleiern. Etwa um 1225 prägte man dann doch den sitzenden Herzog auf die Vorderseite, während die Rückseite ein Fabeltier aufweist. Alle diese Gepräge und auch die Mehrzahl der folgenden sind schüsseiförmig und von feinem Stempelschnitt, der an italienische Goldschmiede als Stempelschneider denken läßt. Eine Ausnahme bildet ein in mehreren Stempelvarianten vorkommender Denar mit einem einen Kreuzstab haltenden Löwen auf der Vorderseite und einem Löwenkopf über einem Turm auf der Rückseite. Diese Münzen sind denen von Landstraß nachgebildet. Die nahe bildliche Verwandtschaft der Münzen Bernhards mit denen von Aquileia ist unschwer aus den großen Besitzungen des Patriarchats in Krain zu erklären, dessen Gepräge hier in Mengen umliefen. Da der Herzog nicht auf die Ausübung seines Münzrechtes verzichten wollte, glich er seine Münzen denen des Patriarchates an, schon weil dieses in Krain bereits früher begütert war und seine Gepräge daher längst im Lande umliefen. „Der Münzfuß der Laibacher dürfte anfangs jenen der Agleier angepaßt worden sein, später machen jedoch die Laibacher Denare dieselben Wertverminderungen mit wie die Friesacher. Mit der Schwesteranstalt in Landstraß war Laibach sowohl durch gemeinsame Gepräge nach Agleier aber auch nach Friesacher Schlag verbunden" (39). Die Stücke nach Agleier Art waren als eine lokale Währung gedacht, während die nach Friesacher Schlag als Exportmünzen für das östliche Ausland dienten. Sie wurden in großen Mengen auch in der Nebenmünzstätte Heiligenkreuz bei Landstraß geprägt. d) Gör%. In dieselbe Kategorie wie die drei vorgenannten Münzstätten gehören auch die Gepräge der Grafen von Görz. Leider gibt es keine auf neueren Forschungen beruhende Ubersicht über die Münz- und Geldgeschichte dieses Landes, das durch seine geo255

62. Görz, Gf. Heinrich II. Denar, Lienz

graphische Lage ganz besonders interessant ist. Wir müssen uns daher hier mit SCHWEITZERS , Abrégé de l'histoire des comtes de Gorice et série de leurs monnaies', Triest 1851, begnügen. Eine Arbeit, die für die damalige Zeit auf einem sehr hohen Niveau steht und deshalb auch von LUSCHIN in seinen ,Umrissen' herangezogen wurde. Wann die Görzer Grafen das Münzrecht erhielten, ist unbekannt, da keine Urkunde darüber erhalten ist. Da aber die erste Görzer Münze dem Grafen Meinhard II. (1186 bis 1202) zugeschrieben wird, dürften die Grafen das Recht, eigene Münzen zu schlagen, zu Beginn des 13. Jahrhunderts erworben oder auch usurpiert haben. Auch die Prägungen von Aquileia, Kärnten und Triest setzen um ungefähr diese Zeit ein. Denn in dieser Epoche, sagt SCHWEITZER mit Recht, unternahmen die Städte und Gemeinwesen sowie abhängige Landesherren von einem gewissen Ansehen ihre ersten Anstrengungen, um sich vom Reich unabhängig zu machen. LUSCHIN setzt den Ausmünzungsbeginn um das Jahr 1210 an. Früher keinesfalls. Denn am 13. Dezember 1202, als zu Cividale bekundet wird, welche Rechte die Grafen von Görz als Vögte im Patriarchate von Aquileia beanspruchen konnten, heißt es ausdrücklich : Monetam non habebat. Im Frieden von St. Quirino 1202 hatten die Görzer zwar den Patriarchen Peregrin II. das volle Eigentum an der Stadt Görz und ihrem Gebiete abgerungen, doch wurde bei der schiedsgerichtlichen Regelung der Vogtrechte das Münzrecht davon ausgeschlossen. Die Grafen eröffneten hierauf ihre Münzstätte zu Lienz, das in den Stammbesitzungen des Geschlechtes und außerhalb der Grenzen des Patriarchates lag. Bald errichteten sie auch eine Münzstätte zu Porto Tesana, dem heutigen Latisana, die Münze bestand jedoch nur kurze Zeit, wogegen die zu Lienz bis zum Aussterben des Geschlechtes mit Graf Leonhard IV. (1500) in Betrieb blieb. Daneben wurde, wohl zu Ende des 13. Jahrhunderts, auch eine Münzstätte zu Obervellach im Kärntner Mölltale eingerichtet, da die Görzer Grafen im obersten Teil dieses edelmetallreichen Tales reichen Besitz hatten, der die Nähe einer Münzstätte angezeigt erscheinen ließ. Die Grafen hielten sich in ihren Prägungen zwar vor allem an das Vorbild von Aquileia, haben aber auch nach Friesacher Art geschlagen. Wenn CZOERNIG (I, 705) meint, daß diese Prägungen in Friesach selbst entstanden seien, weil die reichen Silbergruben das erforderliche Material lieferten, so ist dies unrichtig, denn die Grafen hatten bloß „Anspruch auf 20 Mark Gülte, die sie aus den Erträgnissen der erzbischöflichen Münze zu Friesach bezogen". Es gab, wie LUSCHIN konstatierte, nur drei, übrigens seltene Ausnahmen, die den Friesacher Typus nachahmen. In erster Linie wurden natürlich Pfennige (Denare, darunter auch einige Scodellati und Brakteaten) und ihre Teilstücke: Halbdenare und Piccoli, unter dem letzten Grafen auch sogenannte Etschkreuzer nach Tiroler Vorbild geschlagen. Bemerkenswert ist ein 256

Grosso (?) des letzten Grafen mit seinem Brustbild vom Jahre 1498, den Schweitzer unter Nr. 103 beschreibt. Die Grafen Heinrich III. (1338—1364) und Meinhard V. (1364—1365) sollen auch Goldstücke nach Florentiner Typus geprägt haben. Das CNI. führt ein solches Stück ebenfalls an; da es aber von dem berüchtigten C. W. BECKER unter Nr. 99 in seinen ,200 seltene Münzen des Mittelalters', Leipzig 1813, beschrieben ist, dürfte es sich um eine von ihm begangene Fälschung handeln, was auch für das in der Sammlung Reichel in Sankt Petersburg befindliche Stück zu gelten haben wird. Schweitzer führt für die Chronologie ein sehr treffendes heraldisches Argument an: die Münzen mit dem Löwen allein gehören in die Zeit vor 1304; jene aber, die das heute noch übliche Görzer Wappen zeigen, das außer dem Löwen noch die Schrägbalken aufweist, ausnahmslos in die folgenden Jahre bis zum Erlöschen des gräflichen Hauses. Die mehrfach geäußerte Ansicht, daß der einfache Löwe auch später beibehalten worden sei und bloß für Istrien gegolten habe, ist jedoch urkundlich nicht erwiesen. Nach dem Tode des letzten Grafen hat die Münzstätte Lienz unter Maximilian I. noch eine Zeitlang fortbestanden. Im Jahr 1504 überließ der König dem Münzmeister Johann Strigel diese Münze, der sich anheischig machte Kreuzer und Vierer zu schlagen. Von je 13 Mark Feinsilber waren den Landesfürsten 1 Fl. rh. zu bezahlen. Im Jahr 1505 scheint die Münzstätte noch tätig gewesen zu sein. 4. Innerösterreich — Steiermark a) Enns. Als Geburtsjahr der Steiermark gilt mit gutem Recht das Jahr 1122. Damals starben die Kärntner Eppensteiner aus und ihr reiches Eigengut im Mur- und Mürztal fiel an die Traungauer, die im Oberland bisher nur die Grafschaftsrechte sowie Eigen im Ennstal und um Judenburg besessen hatten. Nunmehr erstreckte sich ihr Gebiet — Amt und Eigen — von der Donau bei Enns bis ans Murknie bei Ehrenhausen, ja, ihr Streubesitz reichte bis Friaul. Um die gleiche Zeit dürfte auch die Steiermark von Kärnten getrennt und reichsunmittelbar geworden sein. Von einer Münzrechtsverleihung wissen wir nichts, dagegen werden im Jahre 1185 in einer Admonter Urkunde aensarii, d. h. Ennser Pfennige erwähnt. Es wurde indessen mit gutem Grunde behauptet, daß schon seit 1140 fallweise geprägt wurde (176). Enns begann damals als Handelsplatz aufzublühen und war der östlichste Punkt der von fremden, besonders Regensburger Kaufleuten aufgesucht wurde, denn das Gebiet am rechten Ufer des Ennsflusses galt damals noch als recht unsicher. Die Prägung in Enns wurde von dem letzten Traungauer, Ottokar I., Herzog von Steiermark (1180—1192) bald nach seinem Regierungsantritt ins Werk gesetzt, als ihm nach Ächtung Herzog Heinrichs des Löwen von Bayern dieses Gebiet zugefallen war. Wir kennen sogar den Namen des Münzpächters, Riwidus, der 1191 in Enns tätig war. „Die neue Münzstätte war steirisch und blieb es auch nach der Vereinigung der Steiermark mit Österreich im Jahre 1192, solange Babenberger herrschten. Erst während des Zwischenreiches vollzog sich die Änderung, als durch den Ofener Frieden 1254 vom ungarischen König ein Teil der Steiermark an Przemysl Ottokar II. abgetreten wurde und dieser seine Erwerbung mit dem Herzogtum Österreich vereinigte. Von da ab war Enns eine Münzstätte für das Herzogtum Österreich . . ." (685). Die aus der steirischen Münzstätte Enns stammenden Gepräge sind redend; sie tragen die Aufschriften Mo(neta) ANASV und zeigen auf der Vorderseite einen Engel mit Kreuz, auf der Rückseite einen Enterich. Pfennige mit ähnlichen Münzbildern dürften daher nach Enns gehören. 257

b) ¥tschau. Im Jahre 1166 werden in einer Urkunde des oststeirischen Ortes Hartberg denarii Viscacensis mottete und ein Eberhard als Münzmeister genannt. Als Gepräge dieser Zeit dürfte wohl ein Breitpfennig mit einem Panther links im Hohlring auf der Vorderseite, an den sich vier in Lilien ausgehende Doppelbögen anschließen, und auf der Rückseite mit einem Röschen und einem stark gekrümmten Drachen gelten, denn der Panther weist nach einer steirischen Mün2stätte; die Mache aber auf ein Gepräge aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die Münzstätte wurde dann vor 1195 auf Veranlassung des österreichischen Herzogs Leopold V. von Fischau nach dem nahegelegenen, neuerbauten Wiener Neustadt gebracht und einem jüdischen Münzmeister namens Schlom überlassen. Münzen dieser Zeit kennen wir indessen nicht. Die beiden von den Traungauern oder Chiemgauern eingerichteten Münzstätten hatten sich in Münzfuß und Mache an die Kremser und später an die Wiener Gepräge angeschlossen. c) Graz Pettau. Unter der Herrschaft der Traungauer gab es in ihrem großen Gebiet südlich vom Semmering und Wechsel noch keine Münzstätte. Auch ihre Erben, die österreichischen Babenberger, ließen es vorläufig dabei. Erst Herzog Leopold VI. der Glorreiche richtete in der steirischen Landeshauptstadt Graz eine Münzstätte ein, um das Übergreifen der Friesacher von den salzburgischen Besitzungen in der Steiermark auf sein eigenes Gebiet zu verhindern oder wenigstens einzudämmen. „So entstanden zu Graz ungefähr in den Jahren 1210 bis 1215 jene Pfennige, die auf einer Seite nach dem Vorbild der gleichzeitigen Friesacher einen Engelkopf mit hochaufragenden Flügeln und der Umschrift F R I S A C H , auf der anderen den Herzog selbst zeigen. Später um 1222 wurde die Grazer Münzstätte geschlossen und gemeinschaftlich mit dem Erzbischof Eberhard II. zu Pettau eine neue eingerichtet, die aber nicht lange bestand. 1232 unter Herzog Friedrich dem Streitbaren wurde die herzogliche Münze zu Graz wieder eröffnet; sie gab wegen häufiger Münzerneuerungen zu Klagen Anlaß, welche nach Ächtung des Herzogs durch Kaiser Friedrich II. dazu führten, daß durch einen kaiserlichen Gnadenbrief fortab den Ministerialen des Landes Einfluß auf die Münzerneuerung verliehen wurde". (693/ 1923) I n der M a c h e haben sich die n u n als selbständige Gramer Pfennige (moneta Grae-

censis) auftretenden steirischen Gepräge, dessen Sonderung von den anderen babenbergischen Münzstätten schwer möglich ist, wohl mehr den Friesachern als den Wiener Pfennigen angenähert. Auch für die Steiermark liefern die Rechnungen der Einheber des Lyoner Zehents für die Jahre 1282 bis 1285 wertvolle Nachrichten über Gewicht und Feingehalt. Über die Münzerneuerung in der Steiermark gibt auch die Steirische Reimchronik (um 1291) Nachricht. Diese Münzerneuerungen wurden von der Bevölkerung als arge Plage empfunden, da dieses „Recht" meist sehr willkürlich ausgelegt und gehandhabt wurde. Sie waren nichts anderes als eine starke Besteuerung des Bargeldes. Wie schon erwähnt, untersagte schon der Freiheitsbrief Kaiser Friedrichs II. ihre alljährliche Wiederkehr. Obwohl König Rudolf von Habsburg dieses Verbot 1277 bestätigte, scheint Abt Heinrich von Admont, der als Landschreiber zugleich Finanzpächter und Beamter des Landesfürsten war und als solcher ein lukratives Amt bekleidete, dennoch zu dieser Maßregel geraten zu haben. Er begnügte sich nicht damit, daß er dem Lande zahlreiche entfremdete Güter zurückgebracht hatte, sondern griff dennoch zu diesem alten probaten Mittel der als „Währungsreform" getarnten Münzerneuerung. Es hat übrigens eine gewisse Zeit gedauert, bis sich die steirische Prägung in ihrem Äußern vom Friesacher Vorbild löste und eine eigene Form annahm, die als der eigentliche 258

63. Steiermark, Kg. Rudolf I. von Habsburg. Grazer Pfennig (Vs.)

Grader Pfennig anzusprechen ist und als solcher sich auch urkundlich als „moneta Graecensis" qualifizierte. Die steirischen Pfennige sind gleich den Wiener Pfennigen meist schriftlos. Es gibt aber auch eine Anzahl redender Münzen, deren Umschriften dadurch bemerkenswert sind, daß sie sich zuweilen bereits der deutschen Sprache bedienen und infolgedessen als „die älteren Beispiele der Anwendung von Landessprache in Süddeutschland angesehen werden können" (150). Das bekannteste, seltenste und daher auch berühmteste Stück ist der Pfennig mit dem steirischen Panther und der Vorderseite-Umschrift SCHILT VON STEIR, von dem sich nur wenige Exemplare erhalten haben. Was die stummen, also die inschriftlosen Gepräge anlangt, so ist es sehr schwierig, die älteren Grazer Pfennige von den Friesachern abzusondern, da sie einander in Mache und Feingehalt oft sehr ähnlich sind. Hier sind zunächst die Münzbilder und das Fundvorkommen zu berücksichtigen. Für die jüngeren Grazer Gepräge fällt dies weg, weil die Ausmünzung der Friesacher in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eingestellt wurde; dafür beginnt eine Annäherung an die Wiener Pfennige, die seit dem Jahre 1409 zur Ausbringung von Grazer Pfennigen nach Wiener Schlag führte. Die Münzordnung von 1339 bestimmte eine Verkleinerung des Schrötlings bei gleichzeitiger Verdickung, was nicht nur für den Münzfuß, sondern auch für die zeitliche Einordnung von Bedeutung ist. Um der Wirkung der sogenannten Ausseigerung (Ausscheidung) der schweren Stücke aus dem Verkehr zu begegnen, wurde, wie dies die Münzordnung verlangte, auch das Schrot ein und derselben Münzgattung zu bestimmten Zeiten verringert; danach schwankte die auszubringende Anzahl je Lot zwischen 21 und 23 Stück ! Die drei verschiedenen Perioden wurden durch Anbringung von Punkten oder anderen Beizeichen im Stempel gekennzeichnet; die schwerste Serie, die von Lichtmeß bis Reminiscere, blieb ohne Kennzeichen. Ob dieser periodische Wechsel des Schrots der Pfennige in der Grazer Münze seit alters üblich war oder ob er erst durch die Münzordnung von 1339 neu eingeführt wurde, ist nicht festzustellen, doch ist zu vermuten, daß es sich um eine Neueinführung handelt (680). d) Zeiring. Neben Graz wurde später eine zweite Münzstätte in der Obersteiermark nächst dem Bergwerk Oberzeiring eingerichtet, um die reiche Silberausbeute gleich an Ort und Stelle ausmünzen zu können. Wann dieser Bergbau in Betrieb genommen wurde, wissen wir nicht. Die erste urkundliche Nachricht stammt aus dem Jahre 1265, indem in einem Verzeichnis der landesfürstlichen Einkünfte der „mons Zyrich" erwähnt wird. Einige Jahre später, 1317, ist dort auch ein „Mathe der minczer" nachzuweisen. Der Bergbau selbst war jedenfalls viel älter; der Beginn der Silbergewinnung dürfte wohl schon in die 259

64. Steiermark, Grazer Brakteat um 1331 65. Steiermark, Kg. Przemysl Ottokar II. von Böhmen. Grazer Pfennig (Vs.) 66. Steiermark, Grazer Brakteat aus der Zeit Albrechts I.

Zeit der Babenberger fallen. Für den reichen Ertrag des Bergwerks spricht, daß am 23. November 1279 König Rudolf I. den „Berg Ceyrich" persönlich besuchte; seither mehren sich die Nachrichten. Daß der Münzhammer schon zu dieser Zeit tätig war, „darf man wohl aus der Bestätigung über den Münzwechsel nach Münzerneuerungen schließen, welche das Privilegium von 1277 für die nahe gelegene Stadt Judenburg enthält" (693/ 1923). Im 14. Jahrhundert ist dann die Münzstätte ausdrücklich und urkundlich einwandfrei bezeugt. Mit dem katastrophalen Wassereinbruch von 1361, dem „in einer viertel Stunde ob denn 1400" Mann zum Opfer gefallen sein sollen, erreichte der Betrieb des Bergbaues und in der Folge auch die Ausmünzung zu Zeiring ihr Ende. Zwar hatte Herzog Rudolf IV. der Bürgerschaft zum Trost urkundlich verbrieft, „daß die münz Grazer Pfennig, furbas sein soll daselbe auf dem obern Zeiring und nicht zu Judenburg, also daz dieselben ein eigen Münz auf der obern Zeiring" wie bisher haben sollen. Aber es kam nicht mehr dazu. Die Versuche, die ersäuften Gruben wieder befahrbar zu machen, blieben vergeblich ; Gewerken, Bergknappen wie Münzer verliefen sich. Es hat längere Zeit gedauert, bis man zu der gesicherten Nachricht über die Münzstätte auch die entsprechenden Münzen aus der Masse der Kärntner und Grazer Friesacher aussondern konnte. LUSCHIN wagte dies noch nicht; das Verdienst, einen entscheidenden Schritt vorwärts getan zu haben, kommt dem Wiener Friedrich MAYREDER und dem Grazer Wilhelm FRITSCH ZU. Sie konnten auf Grund eines im Jahre 1914 bei Pols unweit von Zeiring gemachten Münzfundes und eines zweiten, der schon 1823 in Aichdorf bei Farrach (bei Fohnsdorf) gemacht worden war, feststellen, daß die Zeiringer Münze schon v o r der ersten urkundlichen Nennung (1265) tätig war und zwar zur Zeit der ersten Reichsverwaltung unter Kaiser Friedrich II. (1237—1240), während des Zwischenreiches nach dem Tode des letzten Babenbergers (1247—1250) und endlich unter der Böhmenherrschaft (1260—1276). Unter den Münztypen ist ein Pfennig mit der Darstellung eines Bergmannes besonders bemerkenswert. Der frühverstorbene Mayreder hat dann Pfennige nach Grazer Schlag aus der Masse der schon bekannten ausgesondert, die infolge ihrer Pantherund Damhirsch-Rückseiten wahrscheinlich für Oberzeiring in Betracht kommen. Mayreder glaubt überdies, daß der tatsächliche Beginn der Zeiringer „in die Tage der Blüte des Friesacher Pfennigs, also spätestens in die Zeit um 1220 fällt". Auf alle Fälle war die Zeiringer Münzung insofern nur eine Episode im steirischen Münzwesen des Mittelalters, als die Ausprägung hier mit dem Bestehen des Bergwerkes stand und fiel. Der Grazer Pfennig, zu dem auch die jüngeren Zeiringer gehören, behauptete sich in seiner bisherigen Art als besondere Münzgattung bis zum Jahr 1409. 1368 werden 20 neue Grazer 30 alten Wiener Pfennigen gleichgesetzt, ein Wertverhältnis, das bei Grundabgaben noch im 15. Jahrhundert festgehalten wurde. 260

67. Steiermark, Pfennig 14. Jh., Zeiring

68. Steiermark, Hg. Rudolf IV. Grazer Pfennig

e) Judenburg. Noch in das 14. Jahrhundert aber fällt eine Guldenprägung aus österreichischem Golde, die zwar eine Art Ausbeutemünzung darstellte, wenn man für jene Zeit diesen Begriff schon anwenden darf, die aber letzten Endes doch nur als Versuch zu werten ist, dem Einströmen ungarischer Goldmünzen, wenn nicht Einhalt zu gebieten, so doch Widerstand entgegenzusetzen. Die Einbürgerung des Goldes als Handelsgeld in diesem Jahrhundert hat auf das österreichische Münzwesen stark eingewirkt und auch die kurzlebige Goldprägung in der obersteirischen Handelsstadt Judenburg ausgelöst. Die Herzoge Albrecht II. (1330—1358) und seine beiden Söhne Rudolf IV. (1358—1365) und Albrecht III. (1365—1395) waren die Münzherren. Sie folgten damit dem Beispiel Italiens, Aragons und Frankreichs, der Niederlande und Deutschlands. Während aber alle diese ihre den Florentiner Floren auch im Typus nachahmenden Goldstücke aus Importmetall schlagen mußten, konnte Österreich dies aus dem im eigenen Lande gewonnenen Golde tun. Die Judenburger Goldprägung fällt mit dem Beginn des mittelalterlichen alpenländischen Goldbergbaues zusammen. Allerdings schlummerte das Kärntner Gold damals meist noch unerkannt in den Adern seiner Berge, während Steiermark Gold überhaupt nie in ausreichendem Maße besaß, es im heutigen Nieder- und Oberösterreich und in Krain überhaupt fehlte. Das an Gold ebenfalls nicht reiche Tirol kam erst 1363 an das Haus Habsburg. Dagegen betrieb Salzburg schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts einen regen bergmännischen Abbau seiner reichen Goldvorkommen (s. o. S. 177 ff.). Judenburg gehörte ja in diesem Jahrhundert mit zu den wenigen Städten an der Straße Wien—Venedig, der sogenannten „Eisen-Straße", und seine Bürger verstanden es, sich im Fernhandel mit Italien eine entscheidende Position zu sichern. Selbst die Landeshauptstadt Graz mußte italienische Waren über Judenburg beziehen. Unter solchen Umständen wird es begreiflich, daß die Judenburger für ihre Geschäfte mit Venedig auch ihre eigenen Goldmünzen haben wollten. Der Landesherr wird sicherlich gerne seine Bewilligung dazu gegeben haben, zumal ja auch er irgendwie an dieser Ausprägung profitierte. In einem Privileg Herzog Rudolfs IV. vom 2. Juni 1360 für Wiener Neustadt, das ja gleichfalls an dieser Handelsstraße lag, spricht der Aussteller ausdrücklich von der moneta nostra in Judenburg. Den Bürgern der Neustadt wurden sogar gewisse Rechte an dieser Münze zugesprochen. Aus diesem Privileg und einer Urkunde Rudolfs IV. für Oberzeiring vom 16. August 1361 ist zu entnehmen, daß sich der Herzog wahrscheinlich mit dem Gedanken getragen hat, auch die Wiener Neustädter Silbermünze und die Mm^ Gräber Pfennig von Oberzeiring nach Judenburg zu verlegen. Judenburg sollte also eine führende Stellung unter den österreichischen Münzproduktionsstätten einnehmen" (914, Koch). 261

Im letzten Viertel dieses Jahrhunderts aber verschwindet die Goldprägung wieder aus Süddeutschland und um die gleiche Zeit wird auch die Verbindung der Judenburger Gesellschaft mit Salzburg gelöst. Wir besitzen keine urkundliche oder sonstige Nachricht über die Gründe, wissen nur, daß Erzbischof Pilgrim 1386 den Pachtvertrag löste, wohl um das bisher den Judenburgern überlassene Gold für seine eigene Münze zu verwenden. Dies ist um so wahrscheinlicher, als diese ephemere Salzburger Goldprägung offenbar größere Mengen produzierte. Von diesem Goldgulden, dem ersten und einzigen Goldstück Salzburgs im Mittelalter, sind mehrere Stempel bekannt, was Rückschlüsse auf den zahlenmäßigen Umfang der Prägung zuläßt. Offenbar hatte sich damit zugleich der salzburgische Goldbergbau für eine gewisse Zeit erschöpft, den erst Leonhard von Keutschach um 1500 wieder aufnimmt. Doch auch die österreichische Goldprägung hatte in der Judenburger Zeit ihr vorläufiges Ende erreicht. Erst gegen Ende des folgenden Jahrhunderts nehmen sie Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Sigmund von Tirol wieder auf, ohne daß jedoch ihre Prägungen zahlenmäßig den Wettbewerb mit den ungarischen aufnehmen konnten. Die Judenburger Goldprägung bleibt daher für das steirische Münzwesen nur eine, wenn auch geldgeschichtlich bedeutsame Episode. Doch schlug auch für den Gramer Pfennig in seiner vollen eigenständigen Ausbildung um etwa die gleiche Zeit die Stunde. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also in seiner Blütezeit, herrschte er „im steirischen Murtal ungefähr von Judenburg abwärts, im Mürztal und den übrigen Nebentälern" (561) unbeschränkt, während im oberen Murtal wahrscheinlich der Friesacher dominierte. „Im oberen Ennstal in der Umgebung von Schladming war der Einfluß des Salzburger Pfennigs groß, ebenso um Haus und Gröbming, wo große Salzburger Güter lagen. Sonst dürfte das steirische Ennstal Domäne des Grazer Pfennigs gewesen sein. In der Oststeiermark ist ein weiteres Vordringen des Wiener Pfennigs zu konstatieren, Friedberg, Vorau, Birkfeld und Hartberg lagen schon in seinem Einflußgebiet" (561). Auch für die Zeit um 1330 ergibt sich nach LUSCHIN noch ein ähnliches Bild über den Geldumlauf in der Steiermark: In der Obersteiermark, in Neumarkt und St. Lambrecht. wurde nach Agleiern gerechnet, die über Kärnten schon bis hierher eingedrungen waren. Im Westen hatte weiterhin der Salzburger Pfennig Bedeutung, sonst war der Grazer bevorzugt, jedoch begann auch hier bereits der Wiener Pfennig seinen Vormarsch (664), der nun seinen Siegeszug durch das ganze Land antrat. Das erfolgte schon im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts. Von der Steiermark strömte er dann weiter nach Kärnten und, wie wir noch hören werden, auch in andere Gebiete Altösterreichs. Diese Verhältnisse führten zwangsläufig zur engen Anpassung an das Wiener Münzwesen. Das wäre vielleicht schon früher, als es dann tatsächlich geschah, eingetreten, wenn 262

70. Grafschaft Cilli, Gf. Ulrich. Pfennig

nicht durch den Tod Herzog Rudolfs IV. nach einer kurzen Regierung eine tief eingreifende Umwälzung der Machtverhältnisse eingetreten wäre. Durch eine Reihe von Familienverträgen und Herrschaftsteilungen wurde die Einheit des habsburgischen Besitzes aufgesplittert. Streitigkeiten zwischen der leopoldinischen und der albertinischen Linie und der Tod einiger Familienmitglieder ergaben weitere Komplikationen, die bis über die Mitte des 15. Jahrhunderts hinaus andauerten und naturgemäß auch im Münzwesen ihre Spuren hinterließen, das immer mehr verwilderte. Erst 1411 nach dem Tode Leopolds IV. einigten sich die drei überlebenden Herzoge zu einer neuerlichen Teilung, durch die der gesamte habsburgische Besitz unter Albrecht V., Friedrich IV. und Ernst geteilt wurde, wobei Albrecht die beiden Österreich, Friedrich Tirol, Vorarlberg und die Vorlande und Herzog Ernst Innerösterreich, also Steiermark, Kärnten, Krain und Triest erhielt. Ernst, mit dem Beinamen „der Eiserne", war aber schon früher im Besitze der grünen Mark gewesen, die er seinem Bruder Leopold IV. streitig gemacht hatte, dem sie als dem ältesten dem Herkommen nach eigentlich gebührt hätte. So kam es, daß Ernst schon 1409, am Neujahrstage von Graz aus Heinrich dem Propst, vormals Versucher zu Wien, die Ausmünzung zu Graz in der Art übertrug, daß er hier Grazer Pfennige nach Korn, Waag und Aufzahl wie zu Wien schlagen sollte, womit praktisch der Wiener Pfennig, wenn auch unter anderem Namen (Steyrer Münze) endgültig und auch rechtlich in der Steiermark eingeführt wurde. Seit 1436 waren wie in Wien auch in Graz Hausgenossen, also die in anderem Zusammenhang schon mehrfach erwähnte Genossenschaft, am Werke. In diesem Jahre überließ Emsts Sohn, Herzog Friedrich V. (III.), dem Kristoff Seydennater und zehn namentlich genannten, darunter Ulreich Ekhenperger, als Hausgenossen seine Münze und den Wechsel zu Graz bis auf Widerruf und ordnete die Ausprägung nach dem Wiener Münzfuß an. Im gleichen Jahr befahl der Herzog auch seinem Landschreiber in Steiermark, Leopold Aschbach, daß „jedermann in Steiermark die Wiener und Grazer Pfennige, zwei Hälblinge für den Pfennig bei 5 Pfund Strafe unweigerlich annehme" (681). Gleichzeitig wurden alle bayrischen Münzen verboten. Die Münzung der Hausgenossen muß sehr umfangreich gewesen sein, denn in den Jahren 1437/38 betrug der Schlagschatz, den der Landesfürst aus der Münze bezog, jährlich 100 Pfund Pfennige. f ) Cilli und Frangipan. Im Jahre 1436 erhob Kaiser Sigmund die Grafen von Cilli in den Fürstenstand und gewährte Friedrich und Ulrich sowie ihren Nachkommen unter anderem auch „dess sy ir aigne münz aufgewerfen und geshlahen mögen in golt und gelt mit irem zaichen und gepreckh in den genannten iren grafschaften . . . wo und wie in des am besten und füglichsten bedenket" (681). Dies war eine Eigenmächtigkeit 263

71. Steiermark, K. Friedrich III. Halbgroschen o. J., Graz 72. Steiermark, K. Friedrich III. Groschen 1467, Graz

und geradezu ein Eingriff in die landesherrlichen Rechte der Leopoldiner, weshalb Herzog Friedrich V. sofort Einspruch erhob. Es kam sogar zu einer Fehde zwischen ihm und den Cilliern, doch erkannte der inzwischen zum römischen König erwählte Friedrich (IV.) die Fürstenwürde und damit auch die zugehörigen Rechte schließlich an. Cillier Goldgulden sind bis jetzt nicht bekannt geworden, dafür aber Silberpfennige mit dem Wappen der Fürsten, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit denen der Grafen von Erbach früher diesen zugeteilt worden waren. Als Prägeort kommt wahrscheinlich Cilli selbst in Frage, wo beim Baue des neuen Rathauses 1830 eine Menge verschlackter Schmelztiegel gefunden wurde. Es sei bei dieser Gelegenheit vermerkt, daß Aeneas Sylvius Piccolomini, Geheimschreiber Kaiser Friedrichs und später als Papst Pius II., ein Zeitgenosse und politischer Gegner der Grafen, diese der Falschmünzerei beschuldigte. Es hat sich schließlich auch eine Urkunde vom Jahre 1443 erhalten, in der König Friedrich IV. auch Stefan, Grafen zu Frangipan, Veglia und Modrusch und dessen Erben die Freiheit erteilt habe, Münzen mit ihren Wappen auf das Korn der Wiener Münze zu schlagen, die in ihrem Lande eine „werschaft" sein sollten. Das Recht scheint indessen nicht ausgeübt worden zu sein. g) Die Schinderling^eit unter Friedrich V. (III.). Die Regierung Friedrichs ist für das Münzwesen eine der unerfreulichsten Perioden. Wenn es auch am Beginn des 15. Jahrhunderts in den östlichen Ländern der Habsburger zu einer gewissen Einhelligkeit gekommen war, indem sowohl in Wien als auch in Graz nach dem gleichen Schrot und Korn und auch in der gleichen Mache geprägt wurde, so überstürzten sich im Verlaufe der siebzigjährigen Regierung dieses Herrschers förmlich die Ereignisse. Der Bruderkrieg mit Herzog Albrecht VI. erschütterte das Land und riß es in eine monetäre Katastrophe sondergleichen hinein. Türken und Ungarn suchten den Osten Österreichs immer wieder in verheerender Weise heim; Wien wurde sogar durch fünf Jahre von Matthias Corvinus besetzt. Friedrich hatte zunächst, solange sein Vetter Albrecht V. (II.) lebte, als Landesherr von Innerösterreich zu Graz einseitige ölötige Pfennige mit dem Bindenschild und seinen Initialen prägen lassen. Als aber der König 1439 starb, stand ihm als Vormund für Albrechts Sohn Ladislaus Postumus auch die Wiener Münzstätte zur Verfügung, wo er Pfennige, im Aussehen den Grazer Pfennigen ähnlich, prägen ließ. Aber massenhaftes Eindringen minderwertiger bayrischer und anderer süddeutscher Münzen unterhöhlte die österreichische Wirtschaft. Ladislaus, aus der Vormundschaft entlassen, versuchte durch Ausgabe einer besseren Münze (71ötig) in Österreich diese Mißstände zu steuern, während Friedrich in Innerösterreich den umgekehrten Weg ging, indem er 1456 in Graz 264

73. Österreich, K. Friedrich III. Kreuzer o. J., Wiener Neustadt

nur mehr 4 % lötige Pfennige mit dieser Jahreszahl prägen ließ. (Neben den gleichzeitigen Wiener Neustädter Kreuzern = 4 Pfennigstücken die ersten mit einer Jahreszahl versehenen Münzen in Österreich.) Friedrich hoffte dadurch das Eindringen fremden Geldes aufzuhalten, dessen Export sich ja jetzt nicht mehr lohnen würde. Aber beide Versuche mißlangen. Denn Ladislaus, der mit seiner Großjährigkeit auch König von Ungarn und Böhmen geworden war, starb bereits Ende 1457. Um sein Erbe aber entbrannte zwischen Friedrich und seinem Bruder Albrecht VI., wie erwähnt, ein gnadenloser Bruderkrieg, der das ohnehin schon sehr in Mitleidenschaft gezogene Münzwesen völlig zerrüttete. Der Krieg erforderte Unsummen, und um diese zu beschaffen, griff man zum gewohnten Mittel der Münzverschlechterung. Zu allem Überfluß sah sich der Kaiser gezwungen, einer Reihe von adeligen Söldnerführern, unter anderen auch dem Steirer Andreas Baumkirchner aus Schlaining, in den Jahren 1457 bis 1460 zu gestatten, daß „auf das Gepräg, Korn und Aufzahl als vor selbst" Münze zu schlagen. Wie verheerend sich dies auswirkte, hat der Pfarrer Jakob Unrest von St. Martin am Techeisberg in Kärnten (und auch andere Zeitgenossen) in bewegten Worten geschildert: „Wer viel alter Kessel hatte, der münzte desto besser." Die Pfennige wurden immer leichter und bald ganz aus Kupfer, so daß sie niemand annehmen wollte. Hebrenko oder noch treffender Schinderling nannte das Volk dieses Schandgeld, das es in eine Reihe mit Teuerung, Pest, Krieg und anderen Landplagen stellte. Der Pfennig, die Münze des „armen, gemeinen Mannes" verlor von Tag zu Tag an Wert. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt zu Beginn des Jahres 1460. In Graz hatte der Kaiser 1458 einem Bürger dieser Stadt, Balthasar Eggenberger, gestattet, Schwar^pfennige (so genannt wegen ihres minimalen Silbergehaltes), Hälblinge und auch Kreuzer zu schlagen. Im Jahr 1461 wird Eggenperger als gewesener Münzmeister zu Graz, St. Veit und Laibach bezeichnet, so daß vorher jedes der drei innerösterreichischen Länder seine eigene Münzstätte besaß, ohne daß man heute imstande wäre, die dreierlei Gepräge auseinanderzuhalten, da sie offenbar sämtlich das gleiche Münzbild aufweisen. 1460/61 bekam auch Andreas von Weispriach eine ähnliche Erlaubnis. Abgesehen von der Gewinnsucht, die das Handeln gewisser Leute, wie Eggenperger und Baumkirchner, bestimmte, herrschte damals offensichtlich ein ähnlicher Mangel an barem Gelde wie im Deutschland der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg. Auch die Schinderlinge bedeuten eine Inflation, obwohl als Zahlungsmittel Metallgeld und nicht Papiergeld umlief. Das Material war in beiden Fällen wertlos und die Folgen für die Wirtschaft verheerend. Die Hauptaktionen dieser Krise spielten sich auf dem Boden der beiden Länder ab, wo die beiden feindlichen Brüder einander nicht nur kriegerisch, sondern auch auf inflationistischem Wege bekämpften. Schon 1459 waren die Stände beim Kaiser vorstellig geworden, hier Abhilfe zu 265

74. Österreich, K. Friedrich III. Pfennig o. J., Wiener Neustadt

75. Österreich, K. Friedrich III. Goldgulden o. J., Wiener Neustadt

schaffen. Aber erst im folgenden Jahre zeigten sich die ersten Anzeichen einer Besserung. Man einigte sich auf 51ötige Pfennige, die auch in Graz geschlagen wurden. Trotzdem konnte sich der Geldumlauf noch lange nicht völlig beruhigen. Erst mit dem Jahr 1469 trat eine merkliche Besserung ein. In Graz und Wiener Neustadt wurde sogar Gold geprägt, und zwar in der Art des ungarischen Dukaten, fast vollfein, und nach der des rheinischen Goldguldens, ungefähr dreiviertelfein. In Graz war seit 1467 der Münzmeister Hans Wieland von Wesell tätig, der früher in Diensten Albrechts VI. gestanden hatte. Unter seiner Leitung entstanden sicherlich Pfennige, Halbkreuzer, Halbgroschen und Groschen, wahrscheinlich auch Goldstücke. Am 4. Oktober 1481 erschien endlich eine Münzordnung, die eine radikale Absage an die mittelalterliche, durch die neuen Wirtschaftsformen längst überholte Pfennigwährung enthielt. Schon daß der Goldkurs von 1456 bis 1460 auf das Achtfache stieg, zeigt die Unhaltbarkeit des bisherigen Münzsystems, nicht weniger die unerhörten Preissteigerungen. Der ungarische Goldgulden beherrschte den Handel ebensosehr, wie die Truppen des Matthias Corvinus immer wieder den steirischen Osten und auch noch darüber hinaus benachbarte Gebiete heimsuchten. Begreiflicherweise erlitt auch der steirische Handel schweren Schaden, der „im Mittelalter als streng gehütetes Vorrecht des Bürgertums" gegolten hatte. „Der Fernhandel lag freilich in den Händen der Bürger einiger weniger Städte. Leobener Bürger handelten mit Eisen und Salz, Rottenmann und Bruck mit Salz, Bruck auch mit Arsenik, Radkersburger Bürger beherrschten den Handel mit Wein und Vieh, Judenburger Bürger wurden im Handel mit Salz, Loden, Speik und Welschwaren reich, Grazer Bürger zogen Gewinn aus dem Handel mit Wein und Welschwaren" (1173). Aber mit dem 15. Jahrhundert wandte sich das Blatt. Nicht mehr der Bürger steirischer Städte zog in die Fremde, um seine Geschäfte an Ort und Stelle abzuwickeln, da der schlechte Straßenzustand und die Unsicherheit durch häufige innere Unruhen den Fernhandel erheblich behinderten. Nun kamen die fremden Kaufleute ins Land, vor allem aus Oberdeutschland, die jetzt zu Trägern des Fernhandels nach dem Nordwesten wurden. Schon 1418 hatten sich die Bürger bei Herzog Ernst beklagt, daß diese Fremden Gold, Silber, Safran, Wachs und Eisen aus dem Lande führten. Es ist klar, daß dieser Edelmetallexport der schon damals im Keime vorhandenen Münzverschlechterung und Inflation Vorschub leistete. War doch gerade das Problem der Metallbeschaffung für die Münzstätten immer prekärer geworden. Nun wurde mit der Münzordnung von 1481 der Pfennig seiner Eigenschaft als Währungsmünze entkleidet; er war nur mehr Scheidemünze. Dafür wurde die Prägung von Dukaten (23,5karatig), rheinische Goldgulden (18karatig), 91ötige Groschen, 81ötige Kreuzer, ölötige Pfennige (Zweier) und 41ötige Kleinpfennige angeordnet. 1 Groschen galt 266

3 Kreuzer, 6 Pfennige (Zweier) oder 12 Kleinpfennige; der Dukaten 25 Groschen. Der rheinische Gulden erhielt keinen festen Wert; er blieb eine bloße Kursmünze. Als Matthias Corvinus 1485 Wien, zwei Jahre später auch Wiener Neustadt besetzte, konnten die vom Feinde noch freien Erbländer nur von Graz aus mit Münzen versorgt werden, vor allem mit Kreuzern, von denen Stücke mit den Jahreszahlen 1480, 1482 bis 1491 und 1493 bekannt sind. Durch diese Ausprägung mittlerer Silbermünzen und Wiederaufnahme der Goldprägung hatte das österreichische Münzwesen einen beträchtlichen Schritt nach vorwärts getan. Die endgültige Neuordnung der Münzrechtsverhältnisse nahm aber nicht vom Kaiser, sondern von seinem Neffen Sigismund von Tirol ihren Ausgang. 5. Tirol Das „Land im Gebirg", wie Tirol in alten Zeiten hieß, ist als Paß- und Durchzugsland zwischen Italien und Oberdeutschland verhältnismäßig bald in den Münzverkehr eingetreten. Allerdings nicht das „Land" selbst erhielt das Münzrecht, da sich hier noch keine weltliche Landeshoheit herausgebildet hatte, sondern zwei Bistümer, deren Gebiet durch Schenkungen groß und mächtig geworden war und damals für ein weltliches Landesfürstentum kaum einen Raum übrig ließ. Kaiser Konrad II. wollte die Alpenpässe, vor allem den Brenner, über den die „Kaiserstraße" nach Rom führte, in verläßliche Hände bringen. In den von ihnen ernannten Bischöfen erblickten die deutschen Herrscher die Hauptstütze ihrer Italienpolitik. Wahrscheinlich verlieh Konrad 1027 dem Hochstift Trient die gleichnamige Grafschaft, falls sie nicht schon durch Heinrich II. an den Bischof gekommen war. In diesem Falle hätte Konrad II. diese Verleihung bloß bestätigt; jedenfalls fügte er auch noch die Grafschaften Bozen und Vintschgau hinzu. Der Bischof von Brixen erhielt, ebenfalls laut der Urkunde von 1027, die Grafschaft in der „Vallis Norica", das ist die Grafschaft im Eisacktale von Klausen aufwärts, und im Inntal westlich der Ziller und sicher bis zur Melach sowie vermutlich auch weiter noch durch das ganze Oberinntal bis zur Finstermünz. Aus den beiden geistlichen Territorien hätten unter Umständen für die Dauer zwei Kirchenstaaten entstehen können; aber was im ruhiger gelegenen Salzburg möglich war, erwies sich im Bereich der vielbegehrten und viel umstrittenen Brennerstraße als unmöglich. Die Bischöfe mußten sich daher alsbald entschließen, „ihre Grafschaften hochfreien Geschlechtern als ihren Vögten lehensweise weiterzugeben. Die mächtigen Vögte aber begannen die formelle Oberhoheit ihrer Bischöfe allmählich abzuschütteln" (1228). Zunächst erhielt Brixen, das seit seiner Gründung Teile des späteren Nordtirol und Südtirol zu einer engen politischen Einheit verklammerte, das Münzrecht (16. I X . 1179) und zweieinhalb Jahre später (9. II. 1182) Trient die Bestätigung eines älteren Münzregals durch Kaiser Friedrich I. unter Zurückweisung der Ansprüche der Bürgerschaft. Die Verleihung oder Bestätigung des Münzrechts an die beiden Bistümer in dieser Zeit war mit dem Handelsverkehr über den Brenner innig verknüpft. Zwischen Augsburg und Regensburg im Norden, Verona, Aquileia und Venedig im Süden gab es keine Münzstätte. Dabei war Bozen schon 1027 wohl wegen der mit dem Marktrecht verbundenen hohen Einkünfte an das Hochstift Trient gelangt. Es war daher schon aus diesem Grunde notwendig, auch im Innern des Paßlandes eigene Münzstätten einzurichten. Wann und wo die Brixener Bischöfe von ihrem Münzrecht Gebrauch gemacht haben, ist ungewiß. Die Brixen im .Corpus Nummorum Italicorum VI' zugeschriebenen Denare 267

laufen unter der Bezeichnung vescovi annottimi-, die Tatsache aber, daß in Brixener Urkunden niemals ausdrücklich Brixener Denare erwähnt werden, sondern vielmehr neben Veronenses nur gelegentlich auch Augustenses, also Münzen der Augsburger Bischöfe, läßt die Frage, ob das Hochstift überhaupt eigene Münzen geprägt hat, unbeantwortet. In T r i e n t gilt als erster Münzherr Bischof Adalbert II. von Madruzzo (1156—1177), dann folgen kaiserliche Statthalter (podestà imperiali). Für eine Reihe von Münzen ist der Prägeherr unbekannt. Mit Egino von Eppan (1248—1273) beginnt dann eine geschlossene Reihe, die mit Nikolaus Amrein Bruna (1338—1387) endet. Unter Georgi, von Lichtenstein (1390—1419) oder Alexander von Masovien (1423—1444) soll die Münze angeblich reaktiviert worden sein, ohne daß wir hier Prägungen nachweisen können. Dann klafft eine Lücke bis Bernhard von Cles (1514—1539), wenn man dessen Prägungen als „Geld" ansehen darf. Die Währungsmünze war der Silberdenar oder Pfennig; neben ihm gab es auch solidi, ferner piccoli oder parvi, schüsseiförmige Kleinpfennige, eine Münzgattung, die in Verona zwischen 1039—1135 aufgekommen war. Sie wurden wegen des Kreuzchens auf beiden Seiten bekanntlich denarii cruciati genannt. Durch fortwährende Verminderung wurde dieser Veroneser Pfennig dann zum parvulus Veronensis, zum kleinen Pemer oder Berner, den Venedig übernahm und durch Massenprägung der Dogen Sebastian Ziani, Orio Malipiero und Enrico Dandolo zwischen 1172 und 1205 im östlichen Oberitalien bis nach Nordtirol und Friaul verbreitet waren. Der Solidus oder Schilling von Trient galt 12, der Grossus (Denar) 20 solcher Perner. Dieses Münzchen, das später zur Grundlage des Tiroler Münzwesens wurde, galt trotz seines winzigen Durchmessers bis ins 14. Jahrhundert hinein als Wertmünze. Am 9. Juni 1239 verbriefte Herzog Otto von Meranien zu I n n s b r u c k den Bürgern dieser Stadt ihre Rechte und ordnete an, „ut moneta civitatis predicte sit monete similis Augustensi". Daraus wie auch aus der gelegentlichen Erwähnung Augsburger Münzen in Brixener Urkunden geht hervor, daß Nord- und teils auch Südtirol bis zur Prägung eigener Münzen unter dem monetären Einfluß der Lechstadt gestanden hatten. Zu Bozen, Imst, Stams, Mieming, Ziri und schließlich zu Innsbruck werden vom 12. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts Augsburger Münzen urkundlich erwähnt. Gefunden aber wurden die Augustenses allem Anschein nach nur an einem einzigen Ort, und zwar im Vintschgau bei Naturns in den Jahren 1908 und 1911. Die Münzen dürften um 1200 verborgen worden sein. Leider ist gerade dieser wichtige Fund, der 133 italienische Münzen, meist mailändischer Herkunft, und 63 Gepräge süddeutscher Münzstätten enthält, nur ganz kurz angezeigt, aber bisher noch nicht wissenschaftlich ausgewertet worden (82). Immerhin ist es möglich, in großen Umrissen eine Währungsgrenze zu skizzieren: im nördlichen Landesteil herrschten vor der Prägung eigener Landesmünzen vom 10. bis zum 12. Jahrhundert zunächst Pfennige Regensburger, dann Augsburger Schlags; im südlichen aber dominierte die Währung Veronas mit ihrem ganzen oberitalienischen Anhang. „Die Umlaufsgrenzen zwischen diesen Währungen, die sich an den Grenzen unseres Landes gebildet hatten, standen den Tiroler Prägeherren bei Eröffnung ihrer Münzstätte in ihrem eigenen Land bereits zur Auswahl, um ihren neuen Münzen gleich erleichterten Umlauf auch im Nachbargebiet zu verschaffen" (53). Die Trienter Bischöfe übernahmen, wie erwähnt, den Münzfuß von Verona und damit die italienische Art Dichtmün^en, den auf beiden Seiten mit erhabenem Bilde versehenen Münzen dieser Zeit, während sich die Grafen von Andechs der Augsburger Währung und damit den deutschen Dünnmün^en anschlössen. Im Jahre 1239 hatte Herzog Otto VIII. angeordnet, daß die in Innsbruck geprägten 268

Münzen den Augsburger Geprägen ähnlich sein, also diesen Pfennigen in Darstellungsweise, Mache und Gewicht entsprechen sollten. Das besagte jedoch keineswegs, daß in Innsbruck die Münze von Augsburg als gesetzliche Währung galt. Man wollte begreiflicherweise nichts anderes, als sich dem Handelsbrauch anzupassen. Da in einer anderen Urkunde von 1230 ein Bernardus monetarius neben anderen Innsbrucker Bürgern als Zeuge auftritt, hat die Innsbrucker Münze wohl schon früher — wann ist unbekannt — ihre Tätigkeit ausgeübt. Im meinhardinischen Urbar von 1288 wird der Ertragswert dieser Münzung, also der Schlagschatz, auf mindestens 12 Pfund Augustenses im Jahre veranschlagt, die dem Bistum Augsburg als Abstandsgeld noch bis etwa 1331 zu zahlen waren. Auf Grund einer Vereinbarung mit dem Bischöfe von Augsburg wurde die Münzstätte bald wieder eingestellt. Über den genauen Zeitpunkt dieser Auflassung gehen die Meinungen jedoch auseinander. Dieses Übereinkommen könnte entweder Graf Albert III. von Tirol (1248 bis 1253) oder auch dessen Schwiegersöhne und Erben, Graf Gebhard VI. von Hirschberg und Graf Meinhard II. (IV.) von Görz getroffen haben. Für Meinhard käme sowohl das Jahr 1281 in Frage, in dem der Graf vom Bischof mit den Lehen des verstorbenen Grafen belehnt worden war, oder auch 1282, als König Rudolf von Habsburg dem Grafen durch einen Schiedsspruch endgültig die gesamten Besitzungen und Gerechtsame der Hirschberger im Inntale zusprach. Als die Grafen von Tirol um 1265 zu Füßen ihres Stammschlosses nächst Meran eine eigene Münzstätte errichteten, fristete die Trientiner Münze unter deren hemmenden Einfluß nur mehr ein armseliges Dasein, das weder münz- noch geldgeschichtlich von Belang war. Dagegen entfaltete sich das Münzwesen der Tiroler Grafen, die sich nach ihrem Stammschloß benannten. Der Name kam dann bald für das von ihnen beherrschte Gebiet in Gebrauch und verdrängte die altgewohnte Bezeichnung „Land im Gebirg". Die Münzung erfolgte zunächst ohne ein besonderes Privileg, sondern nur aus eigenem Recht als Beherrscher des wichtigsten Alpenüberganges, der Brennerstraße, und nicht nur in eigenem Gebiet. Denn bei der Belehnungsverhandlung mit Trient 1259 hatte Meinhard II. (IV.) eine Temporalienteilung erzwungen, „welche die Tiroler Grafschaftsrechte im Bistum bedeutend verstärkte. Im gleichen Jahre hatte der junge Graf von Tirol Elisabeth von Wittelsbach, die Witwe nach König Konrad IV. von Staufen geheiratet und sich bei dieser Gelegenheit wohl den reichen Staufer Besitz im oberen Inntal als Mitgift ausbedungen. Die Ehe mit der hohen Frau stellte die fürstengleiche Stellung des Tirolers außer Zweifel" (1228). Dessen Besitz rundete sich immer weiter ab, bis die Realteilung von 1271 zwischen den Brüdern Meinhard II. von Tirol und Albert II. von Görz dem Lande jene Gestalt gab, die es bis 1500 behielt. „Meinhard II. erhielt alles Land westlich der Haslacher ( = Mühlbacher) Klause, also die Grafschaft Tirol. Albert dagegen erhielt alles Land östlich der Klause, die sogenannte Grafschaft Görz. Der Anteil Meinhards erscheint in diesem Vertrag als ,comitatus et dominium Tyrolis'. Das erstemal erscheint der einheitliche Name für das ganze Land an der Etsch und im Gebirge" (1228). Die Kirchenvogtei über die Hochstifte Brixen und Trient war die eigentliche Grundlage für die Entstehung des weltlichen Landes Tirol. Die Unterwerfung der hochfreien Dynastengeschlechter, zu denen auch die Hirschberger zählten, ist eine weitere Etappe. Die Grafen, vor allem Meinhard II., hatten mit sicherem Blick den richtigen Zeitpunkt für ihr Vorgehen gewählt: der Prozeß der innern Auflösung war damals schon so weit fortgeschritten, daß er nur durch eine gegenläufige Zusammenfassung zu neuen größeren Einheiten aufgehalten und gleichzeitig das Eindringen landfremder Elemente abgewehrt werden konnte. Nicht zuletzt diese territoriale Arrondierung und die reinliche Scheidung 269

zwischen Tiroler und Görzer Besitz ermöglichten auch von allem Anfang an die Entwicklung des weder von Trient noch von Brixen her gehemmten eigenen Münzwesens. 1274 bestätigte König Rudolf von Habsburg dem Grafen Meinhard das Münzrecht. Vor der Realteilung hatten die Grafen Meinhard und Albert zunächst seit etwa 1265 auf eigene Faust nach Trienter, also Veroneser Vorbild gemünzt. Es gab Perner und Zwanzigpernerstücke, die sogenannten Adlergroschen oder kurz Grossus. In Italien wurde er Agugljnus, Aquilino genannt. In den Urkunden heißt er um 1300 moneta antiqua oder vetus Meranensis oder veteres denarii de Merano. Er wog durchschnittlich 1,52 Gramm und enthielt 830/1000 Feinsilber. Der Aquilino setzte sich alsbald auch im Auslande durch, Beweis dafür die vielen Beischläge, die nach seinem Vorbild entstanden, so, um nur ein paar Beispiele zu nennen, in Mantua, Padua, Verona, Parma, Vicenza. Bald nach der Teilung verbesserte Meinhard als alleiniger Landesherr den alten Münzfuß um ein Zehntel, änderte jedoch die Münzbezeichnung nicht, setzte aber seinen eigenen Namen auf die mit dem Tiroler Adler geschmückte Vorderseite und auf die Rückseite der größeren Sorte, des Zwanzigpernerstücks, zwei übereinandergelegte Kreuze. Sie trugen diesem auch in den folgenden Jahrhunderten beibehaltenen Typus den Namen Etschkreu^er oder auch Kreuzer schlechthin ein. Damit war eine Bezeichnung geschaffen, die wohl im Volksmunde und nicht in den Kanzleistuben entwachsen, eine welthistorische Bedeutung erlangte. Der Kreuzer hieß in der Entstehungszeit auch Grossus, Grovge, Zwain^iger, Grossus de viginti, vinti(n)arius, vigintinus, in Italien Tjrolinus, selten denarius. In Urkunden um 1300 wird er zum Unterschied vom alten Aquilino moneta nova bona Meranensis (de Tirollo), novi Meranenses, ja sogar novi Veronenses genannt. Diese von den Meinhardinern fast ausschließlich geprägte Sorte (es gab neben ihr noch ein Halbstück und ein ebenfalls nicht häufiges 4-Perner-Stück oder Vierer) war 1,65 Gramm schwer mit einem Feingehalt von 870/1000. 18 dieser Kreuzer galten 20 Adlergroschen. Der Zwainziger oder Etschkreuzer verbreitete sich zu einem entsprechend höheren Kurs alsbald in Italien und auch in Süddeutschland. Er war bald zu einer echten Handelsmünze geworden, die in zahllosen österreichischen (besonders Krainer) und süddeutschen Funden auftritt und in Oberitalien wie in Deutschland alsbald nachgeahmt wurde. Wir kennen solche Beischläge z. B. von Acqui, Crevacuore, Incisa, Ivrea und Mantua, dann auch von Hildesheim, Konstanz und Zürich usw. Um die Umlauffähigkeit dieser Münze zu fördern, trugen sie bis in die Zeit des Dynastiewechsels 1363 stets den Namen „Meinhardus" auf der Vorderseite, gleichgültig wer Landes- und Münzherr war. Tirols Münzen hatten demnach von allem Anfang an einen guten Namen; sein (Etsch-)Kreuzer aber wurde in der Folge sogar die Grundlage des deutschen Reichsmünzsystems. Sein Halbstück, das Meraner Zehnpernerstück, hieß auch denarius de decem, decenarius, t^ehenarius-, das Vierpernerstück kam einem Fünftel des Kreuzers gleich, war stark kupferhältig, also eine ausgesprochene Kleinmünze. Es wog bloß 0,60 Gramm. Es wurde zuerst unter Meinhards jüngstem Sohne Heinrich, dem König von Böhmen (1311—1335), seit etwa 1325 ausgegeben und bis in die Zeit der Habsburger mit Heinrichs Namen weitergeprägt. Der Perner alten Typs selbst wurde erst unter den Habsburgern (Leopold III. oder wahrscheinlich eher IV., 1386—1406) ausgeprägt. Bloß 0,20 Gramm schwer, war er noch kupferhältiger als der Vierer. Es sind deshalb nur ganz wenige Exemplare auf uns gekommen. In der Sprache der Urkunden heißt der Perner auch Parvulus Veronensis, denarius parvulus, Veronensis, Berner, kleiner Veroneser. Meinhard II. hatte sein Münzwesen zwischen so mancher Scylla und Carybdis hin270

76. Tirol, Gf. Albert III. Aquilino

77. Tirol, Gf. Meinhard II. „Zwainziger"

78. Tirol, Gf. Leopold III. oder IV. Vierer 76

77

78

durchsteuern müssen, bis es sich soweit gefestigt hatte, daß es unangreifbar dastand und zu einer Einnahmsquelle erster Ordnung wurde. Schon sein Vater, Meinhard I., hatte, seit 1253 als Graf von Tirol, einen kleinen Staatsstreich begangen, indem er sein Görzer Münzregal einfach auf die neugewonnene Grafschaft übertrug, ohne sich viel um die lauten Klagen der Trienter Bischöfe zu kümmern. Aber sie konnten gegen die Meraner Münzstätte kaum etwas ausrichten, sobald diese nach Bedarf als Görzer Münze hingestellt wurde. Sein Sohn, der zweite Herrscher dieses Namens in Tirol und der vierte in Görz, bemühte sich eifrig um die Legalisierung des von seinem Vater geschaffenen Zustandes, da er in der eigenen Münze mit Recht ein besonderes Kennzeichen der Landeshoheit erblickte, das automatisch die anderen Regale, wie Markt, Straße, Bank und Bergwerk nach sich zog. Er hatte damit Erfolg, da ihm bekanntlich König Rudolf 1274 das Münzrecht ungeachtet der Trienter Rechte zugestand. Die mit seinem Bruder Albert ehedem eingegangene Tirol-Görzer Münzunion empfand er bald als einen Nachteil für sein Land. Denn „je mehr der Görzer Handel und Münzumlauf gegenüber Tirol zurückblieb, um so stärker mußte sich Meinhard durch die gleiche Teilung der Münzgewinne mit seinem Bruder benachteiligt fühlen". Sein Land Tirol ging ihm über die Bruderliebe. Es gelang ihm, Albert zum Verzicht auf die Meraner Münzanteile zu bewegen, wofür dieser als Gegengabe Schloß und Herrschaft Heinfeld erhielt. Seit 1275 hatte er somit das Tiroler Münzregal fest in der Hand. Gegen Augsburg wie gegen Trient führte er einen „scharfen Münzkrieg". Trient suchte er durch das Verbot der Silberausfuhr nach Augsburg auf die Knie zu zwingen. Mit der erwähnten Säkularisation des Stiftslandes hatte er sein Ziel erreicht. Für Augsburg waren seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Münzverhältnisse immer ungünstiger geworden. Nur die bekannte Stadtrechtsverleihung an Innsbruck von 1239 stützte noch für eine Weile den Umlauf Augsburger Münzen im Süden. Seit den achtziger Jahren näherten sich die Tiroler Münzgewinne fast den Steuereinnahmen. Dabei hatte Meinhard auf den willkürlichen Münzverruf schon sehr bald verzichtet. Vorzüglich war auch die Organisation der Münze; ihre Leiter „waren beamtete Unternehmer, meist florentinischer Gesellschaften, welche eine Münzprägung auf bestimmte Zeit in Pacht nahmen und mit der Kammer zu verrechnen hatten. Diese Münzpächter erfreuten sich keineswegs so weitgehender Rechte wie etwa die gleichzeitigen Wiener Hausgenossen, die ihre eigene Gerichtsbarkeit besaßen und größeren Anteil am Schlagschatz hatten als der Herzog. Die Meraner Münze wie auch die herzogliche Münze in Kärnten waren dem Gericht des Herzogs unterworfen" (1227). In der Münzgeschichte nimmt Meinhard auch dadurch eine Sonderstellung ein, als er schon zwischen 1254—1268 als erster in den späteren österreichischen Ländern Pfennig271

vielfache prägte. Nur Italien und vielleicht auch Frankreich waren ihm vorangegangen, während der Prager Groschen erst 1300 folgte. Das bleibt auffällig, selbst wenn man in Rechnung zieht, daß der Groß verkehr bei uns vom 12. bis zum 14. Jahrhundert vorwiegend mit Rohsilber oder mit entwerteter Münze (den sogenannten alten Pfennigen) bestritten wurde, die nach Gewicht gegeben und genommen wurden. Die Gewinne dieses wohldurchdachten und geordneten Münzwesens, das sich sowohl durch einen konstant bleibenden hohen Feingehalt als auch durch die klug gewählten Wertabstufungen der Gepräge auszeichnete, waren, wie schon bemerkt, infolge des bedeutenden Umfangs der Ausprägung sehr hoch. Im übrigen Österreich, mit Ausnahme des meinhardinischen Kärnten, wäre Ähnliches zu erreichen gewesen, hätte man schon früher auf die Unsitte der Renovatio und die mit ihr enge verbundene Münzverschlechterung verzichtet. Der einzige triftige Entschuldigungsgrund ist die Tatsache, daß die Länder im Osten über kein einziges Silberbergwerk verfügten, während Tirol daran keinen Mangel hatte. In Tirol stiegen die Münzgewinne infolge dieser klugen Politik von 1288 bis 1300 nach Ausweis der Raitbücher von 150 auf 300 Mark Denare an. Dem entsprach eine Steigerung der jährlich geprägten Umlaufmittel von 2766 Mark auf 6460 Mark (1227). Stabilität der Münze und Fernhandel standen in engster Wechselwirkung. Für Tirol als Paß- und Durchzugsland war dies eine Frage wirtschaftlicher Selbsterhaltung. Dies erkannt zu haben, erhebt Meinhard II. weit über das Niveau seiner übrigen österreichischen weltlichen und geistlichen Standesgenossen. Unterstützt wurde aber diese Politik durch die Casanen (Wechselbanken), die sich wie die Münze selbst fast durchwegs ebenfalls in den Händen von Florentinern befanden. Diese waren gleich den Münzern halb Amtsleute, halb Unternehmer und hatten „einerseits den laufenden Umwechsel fremder Währungen, der beim starken Tiroler Transit ziemlich rege war, ebenso den Eintausch der älteren gegen neue Münze durchzuführen; außerdem hatten sie das Monopol auf den Edelmetalleinkauf zur Versorgung der Münze und das Recht der Pfandleihe" (1227). Die Casanen waren wie ein Netz über das ganze landesfürstliche Tirol, aber auch über die besetzten Bischofstädte verbreitet. Den höchsten Pachtzins zahlte die Bozener Bank mit 120, den niedrigsten Enn und Sterzing mit 8 Mark. Insgesamt waren es gegen 400 Mark, die diese Casanen dem landesfürstlichen Säckel eintrugen. Ihre Aufgabe bestand sowohl im Münzwechsel als auch in der Gewährung von Krediten an die Märkte von Bozen, Meran, Trient und Innsbruck. Sie waren nicht nur privilegierte Bankunternehmungen, sondern zugleich auch Außenstellen der Münze, mit der sie, nicht selten in einer Hand vereinigt, eine Art „Staatsbank" bildeten. Münzgeschäft, Ausprägung, Geldwechsel und Kreditgeschäft waren so zu einer organischen Einheit zusammengeschlossen, die zwar als freie Unternehmungen geführt, doch der landesfürstlichen Kammer unterstanden (1227). Wenn man mit ihnen die Wiener Hausgenossen vergleicht, die ausschließlich zur Prägung und zum Wechsel befugt, vom Kreditgeschäft aber ausgeschlossen waren, von den anderen österreichischen Ländern ganz zu schweigen, so stellt sich das Tiroler Münzwesen dank dem zielbewußten Geschäftssinn seines Herrschers wohl als das fortschrittlichste innerhalb aller österreichischen Länder dar. In diesem Falle hat sich die kommerzielle Verbindung mit Italien für Tirol geradezu segensreich ausgewirkt. Meinhard war in der Tat ein Geschäftsmann ganz großen Stiles, ein mitunter sogar skrupelloser Finanzier. Er beteiligte sich nämlich zur rechten Stunde erfolgreich am Goldhandel. Denn zur Zeit seiner Regierung gingen Frankreich und die italienischen Großhandelsstädte Florenz, Genua und Venedig zur Goldwährung über, was zwangsläufig 272

79. Tirol, Ehg. Sigmund. Etschkreuzer o. J., Hall

in Italien ein Anziehen des Goldpreises bewirkte, während Deutschland noch eine gute Weile damit zögerte, auch seinerseits den Anschluß an diese Neugestaltung des Münzwesens zu vollziehen. Nicht daß Meinhard selbst hätte Goldmünzen schlagen lassen — das dürfte ihm vielleicht zu riskant erschienen sein —, er nutzte die Konjunktur viel rationeller aus, indem er von deutschen oder italienischen Kaufleuten Gold aufkaufte oder an den Zollschranken einfach abnehmen ließ. Er hortete es und verkaufte es schließlich als Rohgold nach Italien, wo dieses Metall sehr gesucht war. Aus den Raitbüchern läßt sich ein Durchschnittsgewinn von 400 Mark Silber im Jahre errechnen. Dieses einträgliche Geschäft wurde nach seinem Tode einige Zeit von seinen Söhnen fortgesetzt. Von ihnen und ihren Nachkommen schlugen indessen nur die Görzer Grafen Goldgulden; Tirol bekannte sich erst unter Erzherzog Sigmund dazu. Obwohl Tirol um diese Zeit schon Silber produzierte — die Gegenden in Passeier, auf dem Villanderer Berg und in Pergine bei Trient waren den Bischöfen wohl gerade der Silbervorkommen wegen von Meinhard entfremdet worden —, war dennoch nicht genug Silber für den laufenden Bedarf der Münze und deren Reform im Lande vorhanden. Die Einnahmen der Kammer aus dem Edelmetallbergbau sind uns nur ungefähr bekannt. Wir wissen bloß, daß im Jahre 1288 1976 Mark reines Silber und im Jahre 1300 3900 Mark vermünzt wurden, wobei keineswegs feststeht, was davon heimisches Bergsilber war. Immerhin dürfte der Tiroler Eigenbau doch 1000—2000 Mark reines Silber ergeben haben, was 1400—2800 Mark Perner entspricht. Diese an sich nicht unbeträchtliche Menge reichte jedoch nicht im entferntesten für den Bedarf einer Handelsmünze, wie es die Zwainziger oder der Etschkreuzer schon kurze Zeit nach ihrer Ausgabe geworden waren. Die Tiroler Grafen griffen daher zu einem sehr drastischen Mittel, um sich höhere Silbereingänge zu sichern, nämlich zu der schon erwähnten Zwangsabgabe, der sogenannten „Silberstange" (s. oben S. 155). Diese setzte die Meraner Münze unter Meinhard und seinen Söhnen in die Lage, ihre Prägung auf höchste Touren zu bringen und aus ihr reichliche Einkünfte zu erzielen. Die Habsburger, die 1363 mit Rudolf IV. die Regierung in Tirol antraten, haben an der vorgefundenen Münzordnung vorläufig nichts geändert; sie behielten Münzsorten und Münzbild bei und setzten nur an Stelle des Namens Meinhardus ihre eigenen auf die Gepräge. Der Münzfuß aber verschlechterte sich mit der Zeit, insbesondere unter Friedrich IV. mit der leeren Tasche (1406—1439). Seinen Spottnamen trug er indessen zu Unrecht, da er seinem Sohn Sigmund sein Land in geordneten Verhältnissen und überdies noch mit einem beträchtlichen Schatz hinterließ. Wenn Friedrich schon 1407 den Fuß der Kreuzer von 18 auf 19 Mark Berner aus der feinen Mark herabsetzte, so geschah dies nicht zuletzt deshalb, weil sich bekanntlich auch in den Nachbarländern Österreich, 273

Salzburg und Bayern Ähnliches zutrug und der Herzog wohl befürchtete, daß die schlechtere, fremde Münze seine guten Landesmünzen aufsauge. Der Tiroler Landtag verlangte zwar 1420 die Rückkehr zum guten alten Münzfuß, weil fast keine Silberkreuzer, sondern nur mehr die schlechten kleinen fast kupfernen Vierer ausgebracht wurden. Aber erst Sigmund mit dem verdienten Beinamen „der Münzreiche" hat zwischen 1450 und 1460 die Kreuzer wieder stabilisiert, und zwar als 500/1000 feine Silbermünze, die alsbald massenhaft ausgeprägt wurde und in Deutschland wie in die Schweiz eindrang, die ihn ihrerseits nachahmten. Auch die Görzer prägten den Kreuzer in ihrer Lienzer Münzstätte, und ebenso wurde er seit etwa 1456 in die Reihe der österreichischen Nominale aufgenommen. In einer Handschrift heißt es „In diesem jar [1450] hat angefangen der Unterschid der alten und neuen Meraner münz und ist die neue in jeder Sorten um 2/3 besser gemacht worden als die alte gewesen ist" (681, nr. 220). Aber diese Maßnahmen waren nur der Prolog zu einer anderen, förmlich umstürzenden Reform, die schlechthin als die Grundlage des deutschen Münzwesens der beginnenden Neuzeit angesprochen werden darf. Den Anstoß dazu gab eine ganze Reihe von Erwägungen: Handel und Verkehr hatten ungeahnte Dimensionen angenommen. Wenn auch der Löwenanteil den romanischen Ländern zufiel, denen das Mittelmeer und die Adria ein weites Betätigungsfeld erschlossen hatte, nahm doch auch die Brennerstraße an dieser Entwicklung insofern Anteil, als ihr südlicher Endpunkt Venedig nicht nur den größten Teil der Adria beherrschte, sondern sich auch in der ganzen Levante feste Stützpunkte geschaffen hatte. Auch in Deutschland bemühten sich insbesondere die oberdeutschen Handelsstädte, an diese Entwicklung den Anschluß zu finden und das einmal Gewonnene auch auf die Dauer zu bewahren. Tirol lag als Durchzugsland in der Mitte zwischen diesen beiden Handelspolen. Seit 1400 lag es überdies „im Schnittpunkt der Einflußsphären des venezianisch-ungarischen Golddukatens und des rheinischen Goldguldens" (1165). Um an diesem großen Aufschwung des Handels teilzuhaben, mußte aber sein Münzwesen auf eine ganz neue Grundlage gestellt werden. Mit dem Etschkreuzer allein ließ sich dies nicht mehr bewerkstelligen, seitdem man auch in gewissen deutschen Gebieten zur Goldwährung übergegangen war. Böhmen und Ungarn hatten schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts ihre eigenen Goldgulden geprägt. Auch einzelne deutsche Fürsten hatten in bescheidenem Umfange den florentinischen Gulden mit der Wappenlilie und dem Stadtheiligen Giovanni Battista nachgeahmt. Aber während Böhmen und ganz besonders Ungarn auf Grund reicher Golderträgnisse vollwertige Gulden in ansehnlichen Mengen ausgeben konnten, behielten die Deutschen aus Goldmangel nicht lange den Fuß der Florentiner bei, sondern verschlechterten ihn. Um dem vorzubeugen, schlössen die rheinischen Kurfürsten 1386 ihren ersten Münzverein. Dieser rheinische Gulden (fl. rhein.) wurde alsbald in diesem größten und reichsten Gebiete Westdeutschlands die Haupthandelsmünze. Aber auch sie verlor im 14. und 15. Jahrhundert dauernd an Feingewicht: von 3,396 Gramm im Jahre 1386 sank sie 1490 auf 2,527 Gramm herab und im Jahre 1550 gar auf 2,48 Gramm. Ihre Ausprägung wurde daher bald völlig eingestellt, worauf der Dukaten, der, nach dem bekannten Vorgang von der schlechteren Münze verdrängt, vorübergehend in den Hintergrund getreten war, wieder seine alte Bedeutung erlangte. Auch Erzherzog Sigmund von Tirol hatte, obwohl arm an eigenem Berggold, in der Meraner Münzstätte 1477 eigene Goldgulden nach rheinischem Vorbild zu prägen begonnen und diese Münzung auch in der neuen Münzstätte zu Hall im Inntal fortgesetzt. Es wurden zwar bemerkenswerte Mengen geprägt, doch reichten sie keineswegs zur Befriedigung des Bedarfes aus, so daß kein nennenswerter Gewinn erzielt werden konnte. 274

Um dieselbe Zeit, als in Meran die ersten Goldgulden geschlagen wurden — 169 an der Zahl, von denen leider kein einziges Stück bekannt ist —, machten verschiedene Umstände eine Verlegung der Münzstätte nach Nordtirol notwendig. Der entscheidende Beweggrund war wohl die vom Osten her durch das Pustertal drohende Türkengefahr. Noch 1473 hatte der Erzherzog die erste eingehende Münzordnung für Meran erlassen, aber schon bald darauf geriet der Betrieb auffallenderweise ins Stocken, was höchstwahrscheinlich mit dem im gleichen Jahre erfolgten Einbruch der Türken in Kärnten zusammenhängt. Aber noch ein anderes wirtschaftliches Moment kam hinzu: der Geldbedarf der landesfürstlichen Kammer in Innsbruck — schon Sigmunds Vater, Herzog Friedrich, hatte Residenz und Regierung von Meran dorthin verlegt — sowie anderer Ämter, insbesondere des Salzamtes in Hall, war ungeheuer angewachsen. Die bescheidenen Südtiroler Bergwerke konnten ihn mit ihren unzureichenden Erträgnissen keineswegs decken; anderseits bildete, namentlich im Winter, der Transport größerer Silbermengen von Tirol über den Brenner und Jaufen nach Meran ebenso wie der Rücktransport des gemünzten Metalls nach dem Norden ein bedeutendes und zugleich kostspieliges Hindernis. Überdies, und das hat schließlich zweifellos den Ausschlag gegeben, bahnte sich seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts im Tiroler Bergbau eine entscheidende Wendung an. Das ungemein reiche Silbervorkommen auf dem Falkenstein bei Schwaz führte zu einem unglaublichen Aufstieg des Tiroler Bergbaus. Auf die Kunde hievon war viel fremdes Bergvolk aus Böhmen, Sachsen und anderen deutschen Landen auf der Arbeitssuche nach Schwaz gekommen (188). Der nun folgende, schier unglaubliche Aufstieg hatte das bisher mittelalterliche Wirtschaftsgefüge durchbrochen. „Allein in Schwaz, das den Ehrennamen ,aller Bergwerke Mutter' führte, stieg die jährliche Silberausbeute von 27.000 Mark im Jahre 1478 auf 50.000 Mark im Jahre 1485. Da der Tiroler Landesfürst als Inhaber des Bergregals die Ablieferung der gesamten Silberproduktion gegen Barzahlung an die Gewer ken durchsetzen konnte, stand ihm jährlich eine gewaltige Menge an Edelmetall zur Verfügung. Wenn auch ein Großteil dieser Produktion zur Abzahlung der Darlehen diente, die Augsburger und Wasserburger Handelsgesellschaften zur Bezahlung der verschwenderischen Hofhaltung Erzherzog Sigmunds gegeben hatten, so erfolgte diese Rückzahlung nicht in Barren, sondern in gemünztem Silber. Da die Bezahlung in den bisher üblichen Kleinmünzen bei solchen Summen einen übermäßigen Arbeitsaufwand erfordert hätte, lag der Gedanke einer Reform des gesamten tirolischen Münzwesens nahe" (1165). Die neue Münzstätte in Hall wurde also zur Ablieferungsstelle für die Erträgnisse der ganz in der Nähe gelegenen Silberbergwerke. Ein idealeres Zusammentreffen für die Durchführung einer grundlegenden Reform konnte es gar nicht geben. Dazu kam noch, daß der zur Ausarbeitung dieser Reform bestgeeignete Mann zur Verfügung stand: der aus dem Venezianischen stammende Anthoni vom Roß (oder de Caballis). Die Italiener standen damals in geschäftlichen Dingen fast turmhoch über der konservativen Schwerfälligkeit der Einheimischen. Das hatte schon Meinhard II. erkannt, als er Florentinern seine Meraner Münze anvertraute. So wurde Roß als „obrister Amtmann" der Berater des Erzherzogs in allen Bergbau- und Münzangelegenheiten. Der neue Mann „hat als typischer Vertreter der Renaissance die Eigenschaften des wagemutigen Bergunternehmers, des Erfinders neuer Schmelzmethoden und auch die des Spekulanten in sich vereinigt. Als Münzstätte wurde der vom Landesfürsten 1474 angekaufte Ansitz Sparberegg eingerichtet. Im Münzmeister Bernhard Behaim fand Roß den Mann, der seine neuen Ideen organisatorisch in die Tat umzusetzen verstand" (1165). Die reiche Schwazer Silberausbeute ermöglichte wohl die erste Goldprägung in 275

80. Tirol, Ehg. Sigmund. Goldgulden o. J., Hall

Tirol durch den Ankauf alter Goldmünzen und von Bruchgold. Das Hauptziel der Haller Münzreform war indessen „die Auswertung des Tiroler Silbers, und zwar in Form von größeren Münzen", wie sie der Handelsverkehr benötigte. Die erste Etappe dieser neuartigen Silbermünzung war die Prägung eines Geldstückes, dessen Wert genau dem von 1 Pfund Pernern zu 12 Kreuzern entsprach. Man begann 1482 diese großen Groschen oder Pfundner zu schlagen; 18.500 Stück mit einem Gewichte von je 6,35 Gramm drangen in den Geldumlauf ein. Italien hatte hierfür das Vorbild abgegeben, als 1472 Venedig die erste Münze mit dem Bildnis eines Fürsten prägte, die nach dem Dogen benannte Lira Tron, übrigens die einzige venezianische Münze, die ein Dogenbildnis aufweist. Dieses Beispiel wurde zunächst 1474 vom Mailänder Herzog Galeazzo Maria Sforza nachgeahmt, und die mit der testa (Kopf) eines Münzherrn ausgestatteten Stücke, deren Typus alsbald auch andere italienische Machthaber, nicht zuletzt auch die Päpste, übernahmen, hießen testoni. Auch Erzherzog Sigmund folgte diesem Beispiel; es war ein völliges Novum in den österreichischen Landen und daher bahnbrechend. Was an Herrscherköpfen auf Münzen des hohen Mittelalters auftaucht, war fern jeder Porträtähnlichkeit; der kleine Schrötling der Pfennige erlaubte ja nichts anderes als eine symbolisierende Andeutung. Die Stempelschneider, die Sigmund angestellt hatte, Konrad Michlfelder und Wenzel Kröndl (von diesem stammten auch die Eisen zu den Goldgulden), brachten auf dem Tiroler Pfundner „das erste bewußte Porträt eines Landesfürsten im deutschen Raum" an. Dem Pfundner wurde im gleichen Jahre 1482 auch noch ein Halbstück (Kleiner Groschen oder Sechser), der ebenfalls das Profilbildnis des Erzherzogs zeigt, an die Seite gestellt. Noch Erzherzog Maximilian III. prägte sie bis zum Jahre 1618. Der Sechser wurde zur beliebtesten Groschenmünze im Geldverkehr und blieb bis zu seinem Ende auch in seinem Äußeren ziemlich unverändert. Typisch für ihn ist die Rückseite mit den vier Wappen zwischen den Kreuzwinkeln. Ferdinand I. prägte ihn eine Zeitlang sogar in nichttirolischen Münzstätten, ebenso der letzte Görzer Graf. Dann folgten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Öttingen, Salzburg und eine pfälzische Seitenlinie zu Neuburg an der Donau. Pfundner und Sechser bedeuteten wohl schon einen großen Fortschritt, aber noch keineswegs den Höhepunkt der endgültigen Absage an das ausgehende Mittelalter. Die Münzreform Sigmunds strebte nämlich in erster Linie danach, den rheinischen Goldgulden durch ein Silberäquivalent zu ersetzen. Der Handel bedurfte dringend einer Großmünze in Silber, als sich die Prägung von Goldgulden in Tirol als unrentabel erwiesen hatte. In Hall versuchte man es zunächst 1484 mit einem Stück im Gewichte von 15,85 276

81. Tirol, Ehg. Sigmund. Halbguldiner 1484, Hall

G r a m m und einem Feingehalt von 935/1000, also einer ungemein feinen, vollwertigen Münze. Sie hatte den Wert eines halben Guldens und hieß halber Guldengroschen oder Halbguldiner. Auch mit dem Münzbild nahm man es sehr genau : der Halbguldiner sollte nicht nur in seinem Werte gut sein, sondern auch in seinem äußeren Aussehen etwas ganz Besonderes, noch nie Dagewesenes repräsentieren. Schon 1483 hatte man — abermals aus Venedig — zwei Goldschmiede, Leone Sigura und Reichart Weidenpusch berufen. D e r A b g u ß eines Modells von der Hand Weidenpuschs ist uns erhalten. Die Vorderseite zeigt das Hüftbild Siegmunds im Profil mit Harnisch, Zepter und Erzherzogshut, die Linke am Schwertgriff. Damit war sozusagen für das ganze folgende Jahrhundert und auch noch für Teile des 17. das Münzbild der Vorderseite der silbernen Großmünzen präfiguriert. Die Rückseite war noch eindrucksvoller : sie zeigt den Erzherzog zu Pferde, umgeben von zehn Wappen. Dieses Modell, zugleich auch die Vorlage für die erste deutsche Schaumünze, diente als Grundlage für den Halbguldiner, bloß daß die bei Weidenpusch insbesondere in der Gestaltung des Reiters deutlich erkennbaren Elemente oberitalienischer Renaissance von den beiden Haller Stempelschneidern Wolfgang Peck und Wenzel Kröndl im Sinne deutscher Spätgotik umgeformt wurden. Überdies enthält der Wappenkreis rings um den Turnierritter 14 Wappen und zuguter Letzt trägt das Stück auch die Jahreszahl 1484. Der Erzherzog ließ von diesem Stempel auch Stücke im doppelten Gewicht (31,7 g) herstellen, die indessen nicht als Vorläufer des ganzen Guidiners anzusehen sind. Der Guldiner folgte zwei Jahre später seinem Halbstück; er hieß auch großer Groschen oder Uncialis, war 31,7 bis 32 G r a m m schwer und besaß den gleichen Feingehalt wie der halbe Guldiner. Damit war das Ziel der Münzreforn erreicht, das Silberäquivalent des Goldguldens geschaffen. Die Rückseite ist in entsprechender Vergrößerung die gleiche geblieben, nur daß sie die Jahreszahl 1486 unter dem Ritter trägt. D a f ü r ist auf der Vorderseite der Erzherzog in Vorderansicht in ganzer Figur mit Harnisch, Mantel, Zepter, Schwert und Erzherzogshut zu sehen; er wird von einem den Bindenschild haltenden Löwen und einem Turnierhelm mit dem österreichischen Zimier, einem Pfauenstoß, flankiert. Der Guldiner scheint in größeren Mengen geprägt worden zu sein, da Stempelvarianten das Vorhandensein mehrerer Eisen bezeugen. Schon 1488 wurde der ganze Guldiner durch Herzog René II. von Lothringen nachgeahmt, ein Zeichen, wie schnell sich damals derartige Gepräge verbreiteten. Als Sigmund, der stets am prächtigen Münzwerk seine Freude gehabt hatte und nun im Alter etwas kindisch geworden war, 1496 seine Todesstunde herannahen fühlte, holte man 400 Guldiner, „weil sein Gnad noch einmal in ain silber greifen wolt". Bei der Totenfeier wurden neben dem Sarg drei Becken aufgestellt, eines mit Gold, eines mit neuen 2 77

82. Tirol, Ehg. Sigmund. Guldiner I486, Hall

Sechsern und eines mit neuen Kreuzern. Er war wirklich Sigmund der Münzreiche (1165).

Er hätte es wohl nicht gewagt daran zu denken, daß seine großartige Neuschöpfung als „Taler" und unter verschiedenen anderen Bezeichnungen im böhmisch-sächsischen Erzgebirge im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts einen Siegeszug durch die ganze Welt antreten würde. Aber zu dieser Zeit war der Name des Schöpfers wohl schon vergessen. 6. Nieder- und Oberösterreich Über den Beginn der Münzprägung im babenbergischen Österreich herrscht Unklarheit. Die Münzstätte Enns scheidet hier aus, da die Stadt bekanntlich in der Frühzeit den Traungauern und damit zur Steiermark gehörte. Die älteste Urkunde (Admont, 1157) führt die „Chremensis moneta", die Kremser Münze an, etwa ein Jahrzehnt später wird in einer Hartberger Urkunde die „Uiscacensis moneta", die Fischauer Münze, erwähnt, wo ebenso wie in Enns von den steirischen Herzogen geschlagen wurde. Nun ist im Jahre 1886 auf einem Felde der Gemeinde Rakwitz an der österreichischmährischen Grenze unweit von Podivin und Lundenburg ein Münzschatz von mehreren Tausend Pfennigen geborgen worden. Neben zierlichen böhmisch-mährischen Denaren von Wratislav II. (1058—1092) angefangen bis Sobeslav (1125—1140) gab es auch mehrere Hundert größere unbekannte Gepräge, nicht unähnlich den Kegensburgern, die O B E R MAYR aus dem Reichenhaller Münzfund veröffentlicht hat. Besonders interessant ist an den Rakwitzern, „daß die Münzbilder in ihrer symmetrischen Anordnung ohne Zerstörung meistens eine Längsteilung und zuweilen überdies eine Querteilung gestatten". Mit anderen Worten, es ermöglicht die Hälfte oder selbst ein Viertel eines solchen Pfennigs seine Ergänzung zur vollständigen Münze, weil man die Zerlegung der Ganzstücke in kenntliche Hälblinge und Viertel durch das Gepräge fördern wollte (670, WNZ. XX). Diese breiten Rakwitzer mit ihren nicht entzifferbaren Umschriften sind um ungefähr 30 bis 50 Jahre älter als die Reichenhaller Fundstücke. DANNENBERG hat diese Münzen den Markgrafen Leopold III. und IV. ( 1 0 9 5 — 1 1 3 6 und 1 1 3 6 — 1 1 4 1 ) beigelegt. L U S C H I N hat indessen diese Zuschreibung in seiner Besprechung nicht für spruchreif angesehen und BUCHENAUS Vermutung, der neben Krems auch die Münzstätten Enns und Neunkirchen für diese Breitmünzen in Betracht zieht, für annehmbarer erachtet, gleichzeitig aber erklärt, daß eine Lösung dieser Rätsel nur von der Auffindung sicherer Leitmünzen zu erhoffen sei. 278

83. Pfennig aus dem Funde von Rakwitz; Zuteilung unsicher

84. Österreich, Hg. Leopold V. „Sirenenpfennig", Krems

In neuerer Zeit haben sich noch D W O R S C H A K und wiederum Buchenau mit diesen merkwürdigen Stücken befaßt. B U C H E N A U meint, daß eine sichere Aufteilung der Rakwitzer Halbbrakteaten „im wesentlichen zwischen Enns (?), vorzugsweise Krems (Wien käme nach Meinung der österreichischen Münzforscher noch nicht in Frage) und Neunkirchen für Abtei Formbach und deren Vögte nicht möglich" sei. Chronologisch wären sie der Zeit des Markgrafen Leopold IV. zuzuteilen. Bildlich hätten sowohl die Regensburger und auch die zierlichen böhmischen Pfennige Herzog Wladislavs I. und seiner Nachfolger, nicht zuletzt aber auch Römermünzen konstantinischer Zeit auf diese Gruppe eingewirkt. D W O R S C H A K konnte dann auf Grund des Fundes von Hainburg a. d. D . feststellen, daß dieser Fund „den Rakwitzer Breitpfennigen hier in Österreich-Steiermark ihre gesicherte Heimat gewähre". Damit müssen wir uns vorderhand begnügen. Jedenfalls ist durch den von D W O R SCHAK beschriebenen Hainburger Fund die größte Wahrscheinlichkeit gegeben, daß in Österreich eine landesfürstliche Prägung schon im dritten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts eingesetzt hat, und zwar in Krems, wo die Babenberger ihre Burg hatten, bis ihnen die politischen Verhältnisse eine Verlegung der Residenz weiter donauabwärts nach Wien ermöglichte. Die Münzung hier beginnt wohl mit Heinrich II. Jasomirgott, der 1141 bis 1156 Markgraf von Österreich, 1143—1152 auch Herzog von Bayern und 1156—1177 Herzog von Österreich war. Der Fund von Hainburg ist auch „der erste nachweislich auf niederösterreichischem Boden gehobene Schatz mit Münzen der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Zeitlich füllt er die Lücke zwischen den Funden von Rakwitz (ca. 1140) und den Funden von Gran (aus dem Jahre 1163), Zombor und Reichenhall (bis 1162)" (176). Einige der Hainburger Typen kommen auch im Rakwitzer Fund vor. Die Krems zugeteilten Hainburger Halbbrakteaten zeigen eine verschieden gebildete, mit Türmen ummauerte Stadt auf der Vorder- und einen Reiter mit Helm und Fahne auf der Rückseite. Es mußte oben schon öfters darauf hingewiesen werden, daß das Münzwesen im Herzogtum Österreich seiner geschichtlichen Entwicklung nach eine Abzweigung vom älteren bayrischen Münzwesen sei. Das zeigt sich schon in der übereinstimmenden Einteilung des Zählpfundes. Während in ganz Westeuropa das karolingische Zählpftmd in 20 Schillinge zu 12 Pfennigen oder Denaren geteilt wurde, wobei 240 Pfennige ohne Rücksicht auf ihr Gewicht als 1 Pfund galten, gliederte man das Pfund ( 5 ) in Bayern und Österreich in 8 Schillinge (ß) zu je 30 Pfennigen ( ^ ) . Dem sonst in ganz Deutschland üblichen kurzen Schilling (solidus brevis) von 12 Pfennigen stand demgemäß der bayrisch-österreichische als langer Schilling (solidus longus) von 30 Pfennigen gegenüber. „Der in den Donaugegenden infolge des Handels mit Byzanz länger andauernde Umlauf von Goldmünzen mag dahingeführt haben, daß man hier in einer Zeit, da im übrigen Frankenreich 279

85. Österreich, Hg. Friedrich I. oder Leopold VI. Pfennig, Krems

86 "

Osterreich, Leopold VI. Wiener Pfennig

H 8-

der solidus als Bezeichnung für 12 fränkische Denare zur Rechnungsmünze geworden war, noch am byzantinischen Goldsolidus festhielt, diesen jedoch dem geänderten Wertverhältnis der Edelmetalle folgend, auf 30 karolingische Denare bewertete" (685). Es erscheint begreiflich, daß sich das österreichische Münzsystem nach dem bayrischen richtete, nicht nur weil die Regensburger Kaufleute jahrhundertelang im Donauhandel die erste Rolle spielten, sondern weil auch der Regensburger Pfennig bis über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaus bis zum Beginn einer österreichischen Prägung in unserer Gegend maßgebend blieb. Ebenso selbstverständlich ist es, daß er und keine andere Münzsorte für die ersten österreichischen Prägungen das Vorbild abgab. Die neue Münze, die bereits erwähnten Breitpfennige aus der ersten österreichischen Münzstätte in Krems, erfreute sich großer Beliebtheit. 1157 erfolgte die erstmalige Erwähnung und bis gegen das Jahr 1200 blieb sie die gängige Münze des auf dem Regensburger Hof tag von Kaiser Friedrich Barbarossa zum Herzogtum erhobenen Österreich. Die neue Münze erfreute großer Beliebtheit. Die im Jakre 1189 durch Österreich ziehenden Teilnehmer am dritten Kreuzzug führten sie in größeren Mengen nach Ungarn mit, wo sie von den Geldwechslern freilich arg übervorteilt wurden. Der sogenannte Tageno berichtet in der ,Historia de expeditione Friderici imperatoris', daß die Kremser und Regensburger Pfennige denselben Kurswert hatten, während die Kölner und Friesacher in Ungarn anders bewertet wurden: für 2 Kölner Pfennige erhielt man damals 5 ungarische, für 2 Friesacher Pfennige 4 ungarische, für Regensburger oder Kremser nur einen ungarischen, der kaum soviel galt wie ein Veroneser. Das Ende der Kremser Münze läßt sich urkundlich nicht feststellen, sie dürfte aber die Zeit der Babenberger kaum überdauert haben. Als Friedrich III. 1463 die unbotmäßigen Wiener bestrafen wollte, da „wurden unter anderem sämtliche Münzrechte mit ihren Gerichten, Gnaden und Freiheiten, wie sie vordem in Wien bestanden hatten, auf die Städte Krems und Stein übertragen. Es scheint auch, daß in Krems damals eine kurze Zeit gemünzt wurde" (685); aber Kaiser Friedrich III. nahm 1465 die Wiener wieder in Gnaden auf, wodurch die Kremser Münzstätte, wenn sie überhaupt tätig gewesen war, wieder überflüssig wurde. Die Aufgabe, die Kremser Pfennige aus der großen Menge unbestimmbarer süddeutscher Gepräge des 12. und 13. Jahrhunderts auszusondern, hat sich schon deshalb als schwierig erwiesen, weil auch die Forschungen über das bayrische Münzwesen dieser Zeit noch keine endgültigen Resultate erbrachten, die eine klare Scheidung zwischen Vorbild und Nachahmung gestatten würde. Vorläufig ist daher noch so ziemlich alles in Flusse. Mit Sicherheit kann man bloß einen älteren Pfennig der Stadt Krems zuteilen, weil er einen Lindenbaum zeigt, der zusammen mit österreichischem Helm und Schild im 280

Kremser Stadtsiegel des 13. Jahrhunderts zu sehen ist. Dagegen war die Aussonderung der Ennser Pfennige vom Traungauer Schlag wesentlich leichter. Eindeutige Wiener Neustädter Gepräge sind jedoch erst aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Am 16. Juli 1277 verlieh König Rudolf I. von Habsburg der Wiener Münder- Hausgenossenschaft bestimmte Rechte und Freiheiten. Nach den Eingangsworten dieser Urkunde läßt sich der Bestand einer Münze zu Wien bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zurückverfolgen, da die Hausgenossen „iura et statuta professionis eorum exercitiis, que ab illustri Leupoldo quondam duce Austriae avo illustris Fridrici ducis primitus cepisse feruntur". Das besagt, daß der Beginn einer Wiener Münzstätte innerhalb der Jahre 1177—1194 liegen muß; seit 1203 ist sie auch durch die Reiserechnungen des Bischofs Wolfger von Passau belegt. „Die Errichtung dieser Münzstätte dürfte im Anschluß an den dritten Kreuzzug erfolgt sein, als sich der Geldbedarf in Österreich erheblich gesteigert hatte, weil viele heimische Kreuzfahrer Liegenschaften verkaufen mußten, um die Barmittel für ihre Ausrüstung aufzubringen" (685). Da das Land bekanntlich über kein eigenes Bergsilber verfügte, sondern das Metall wohl aus seinem Handel mit dem silberreichen Ungarn bezog, war dieser plötzliche Edelmetallabfluß für Österreich ein schwerer Schlag. Ein lebhafter Verkehr mit großen Anforderungen und Geldknappheit trafen mit einem Male zusammen und erschwerten den Münzbetrieb. Herzog Leopold V., der ihn bis dahin auf eigene Rechnung geführt hatte, überließ „die Ausprägung gegen Bezug des bedungenen Schlagschatzes an Private" (685). Zunächst dürfte der Jude Schlom die Münze gepachtet haben, der kurz nach dem dritten Kreuzzug an die Spitze der herzoglichen Münze gestellt worden war. Dann aber entschloß sich Leopold zu einer dauernden und gründlichen Regelung. Er errichtete zu Wien „die mit dem Anspruch auf Selbstergänzung und manch andern Vorrechten ausgestattete Körperschaft der Hausgenossen, die als Vereinigung von Kapitalisten gegen einen Anteil am Münzertrag für den ungestörten Münzbetrieb zu sorgen hatte". Der Landesfürst konnte dadurch einen viel größeren Einfluß auf die Ausprägung nehmen, als dies bei einer bloßen Verpachtung möglich gewesen wäre (s. o. S. 33). Wie schon erwähnt, unterstand die Münze dem obersten Kämmerer als erstem Finanzbeamten des Landes. Albrecht I. betraute 1298 den Chalhoch von Ebersdorf mit dem Erbländischen Kämmereramt. Dies hatte zur Folge, „daß die Ebersdorfer das ganze Mittelalter hindurch nicht nur gewisse Einkünfte aus der Münze bezogen, sondern auch als Schutzherren der Münzer und aller zugehörigen Personen erschienen" (685). Der Posten des Mün^meisters war ebenso gesucht wie hoch angesehen, „ein Vertrauensposten mit weitreichenden Befugnissen und guten Einkünften, der aber technische Kenntnisse und Vermögen erforderte und ein großes Maß von Verantwortlichkeit einschloß, weil der Münzmeister die Münzerzeugung vom Anfang bis zum Ende zu überwachen und für die Richtigkeit der von ihm in Umlauf gebrachten Münzen zu sorgen hatte". Die Münzmeister entstammten gewöhnlich jenen Geschlechtern, die auch auf die Leitung der Gemeindegeschäfte der Stadt den größten Einfluß hatten. Es gibt daher geradezu Münzmeisterfamilien, wie die Greif, die Tirna, die Würfel und die Liebhart. Die Mehrzahl dieser Namen von etwa 1300 bis 1450 finden wir auch unter den Wiener Bürgermeistern; einzelne von ihnen bekleideten sogar beide Ämter Jahre hindurch zur gleichen Zeit. Auf einigen Pfennigen des 13. und 14. Jahrhunderts haben sie auch auf der Rückseite ihre Wappen angebracht, so der Landschreiber Konrad von Tulln oder Jacob von Hoya, Angehöriger eines Wiener Bürgergeschlechtes, dann die Wiener Bürger Heime und Chraechsner wie auch ein Kremser namens Urvar. Wappen wie Siegel haben die Aufstellung einer Chronologie der Wiener Pfennige sehr erleichtert. 281

Um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert heißt dieser Beamte aber nicht mehr Münzmeister von Wien, sondern bereits von Österreich, wodurch die stärkere Einflußnahme der Herzoge auf das Münzwesen betont wird. Auch kommt in diesem neuen Titel die Tatsache zum Ausdruck, daß Wien nach Auflassung der anderen Münzstätten, wie Enns und Wiener Neustadt, nunmehr das ganze Land mit Münzen zu versorgen hatte. Der Titel blieb erhalten, als später auch an diesen Orten wieder gemünzt wurde und zur Schinderlingszeit sogar neue Münzstätten wie Linz und Freistadt dazukamen. Der Münzmeister übte auch eine besondere Gerichtsbarkeit aus. Bei Verbrechen, auf denen Tod oder schwere Leibsstrafe stand, wurde das Stadtgericht um Vollzug der vom Münzgericht der Hausgenossen erkannten Strafe ersucht. Nach dem Münzmeister war der ranghöchste Beamte in der Münze der herzogliche Anwalt, der notarius monetae, der die landesfürstlichen Interessen zu wahren und zu vertreten hatte. Oberster Kämmerer, Münzmeister und Münzanwalt waren die höchste Instanz für die wichtigsten technischen Belange sowie für die Verwaltung der Münzstätte. Die Herstellung des Geldes oblag den verschiedenen Münzarbeitern. Die Befugnisse der Hausgenossenschaft und deren Organisation sind zu weitschweifig, um hier im einzelnen erörtert zu werden. Festzuhalten ist dafür, daß wir vor allem aus dem Münzbuche des obersten Kämmerers Albrecht von Eberstorf oder eines seiner Amtsvorgänger im 15. Jahrhundert über diese hervorragend organisierte Körperschaft bis ins kleinste Detail informiert sind. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts arbeitete sie in der alten Herzogsburg (der Name des Platzes „Am Hof" erinnert noch heute daran); später übersiedelte sie „teils in die Münzerstraße neben dem Haus, das die Landskron hieß, teils in den Münzhof, der sich von der Wollzeile bis zum Stefanskirchhof erstreckte" (685). Es ist allgemein bekannt, daß das mittelalterliche Münzwesen mehr auf dem Willen und der Autorität des Münzherrn als auf dem Metallwert des Geldes beruhte. Das Münzregal sollte ja seinem Inhaber großen Gewinn bringen (s. o. S. 53). „Selbst wo sich der Münzherr auf die Erhebung des ordentlichen Münzgewinnes beschränkte, was in Osterreich während des 13. und 14. Jahrhunderts der Fall war, ließen sich schwere Belästigungen von Handel und Verkehr dabei nicht vermeiden. Der Handel mit Edelmetallen war monopolisiert und dem Herzog vorbehalten, der ihn zur Versorgung der Münze mit Silber den Hausgenossen überließ. Gleichem Zwecke diente der jährlich wiederkehrende Münzverruf, der die umlaufende Münze des Vorjahres ihrer Münzeigenschaft entkleidete und als Altsilber an die Wechselbänke drängte" (685). Diese Münzverrufung, die berüchtigte renovatio monetae, war nichts anderes als eine Besteuerung des baren Geldes bis zu einem Viertel des Nennwertes in jedem Jahre. Nach Ausgabe der neuen Münze aber durfte bei schwerer Strafe niemand Käufe oder Verkäufe gegen alte Pfennige oder ungemünztes Silber abschließen. Dieses Verbot ließ sich indessen nicht zur Gänze durchsetzen. Wenn in Urkunden denarii novi und denari antiqui erwähnt werden, so haben diese Ausdrücke eine bestimmte Rechtsbedeutung. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts betrug der Feingehalt des Wiener Pfennigs gegen 690/1000 oder ungefähr 11 Lot; ein Jahrhundert später aber war er auf etwa 600/ 1000 = 9 % Lot gefallen. Trotzdem war er für jene Zeiten „vergleichsweise hoch und beständig" (685). Dies erklärt auch, weshalb die Wiener Pfennige in beträchtlichen Mengen — um 1295 waren es rund 14.000 Pfund Pfennige jährlich — nach Ungarn abströmten. Hier waren sie bis gegen 1358 eine beliebte Handelsmünze, die im Lande die Nachfolge der langsam ihre Bedeutung verlierenden Friesacher angetreten hatte und sich Schritt für Schritt auch in den anderen österreichischen Gebieten an Stelle der Friesacher durchsetzte. 282

Renovatio und Vollgültigkeit als Handelsmünze im Ausland ergaben einen beträchtlichen Schlagschatz, der in den Säckel des Landesherrn floß. Genaue ziffernmäßige Angaben besitzen wir aus dem Jahre 1334. „Damals verrechnete der Wiener Münzmeister Dietrich Urwetsch im ganzen 4971 Pfund Pfennige, die etwa 621,5 Kilogramm Feinsilber enthielten, an Münzgefälle, darunter 2576 Pfund, 60 Pfennige Schlagschatz aus der Wiener Münze und 1970 Pfund, 7 Schilling, 20 Pfennig von den Wiener Hausgenossen, ferner 369 Pfund, 7 Schilling Eingang von der Münzkammer zu Wiener Neustadt und 453 Pfund, 7 Schilling, 10 Pfennig aus Enns" (685). Die jährliche Münzerneuerung, die in Österreich schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts bezeugt ist, war begreiflicherweise „eine drückende Last, die jährlich neue Preissatzungen für Lebensmittel und Arbeitslöhne erheischte und große Verkehrsverluste brachte, zudem nahm ihr Erträgnis mit dem Sinken des Münzfußes allmählich ab", Herzog Rudolf IV. entschloß sich daher, Abhilfe zu schaffen: er verzichtete auf sein Münzerneuerungsrecht, erhielt aber dafür den Wert von einem Zehntel aller in seinen Landen ausgeschenkten Getränke als Ungeld zugesprochen. Ursprünglich versuchsweise und vorderhand nur für das Jahr 1359 gedacht, wurde dann diese Abrede schon nach Jahresfrist für immerwährende Zeiten von den Landständen angenommen. Österreich war mit diesem Verzicht früher als die meisten deutschen Territorien „im Vertragswege beim sogenannten ewigen Pfennig angelangt" (685). Albrecht V. hat 1416 sehr zum Unwillen der Bevölkerung diese Abrede eigenmächtig durchbrochen, Weißpfennige mit dem Wappen des Landes ob der Enns ausgegeben und gleichzeitig die früheren Emissionen widerrufen. Die Folge dieser Willkür war eine schwerwiegende Verringerung der landesherrlichen Einkünfte aus dem Münzregal: 1438 wurde der Ertrag nur mehr auf 193 Pfund Pfennige bei 5,25 Kilogramm Feingewicht geschätzt. Die Wiener Pfennige waren mit der Zeit immer leichter und infolgedessen auch minderwertiger geworden. Trotzdem erfreuten sie sich einer über ihr Ursprungsgebiet weit hinausreichenden Beliebtheit. Den Habsburgern war es nämlich gelungen, am Ende des Mittelalters „zu einem Münzsystem zu gelangen, auf welchem fortan durch Jahrhunderte die Einheitlichkeit des Münzwesens in ihren weiten Landen beruhte" (685). Sie erreichten dieses Ziel nicht zuletzt dadurch, daß sie den Abfluß der Wiener Pfennige in den Geldumlauf der Nachbarlande systematisch förderten. Schon zur Zeit der ersten Habsburger, also zu Ende des 13. Jahrhunderts, „gab es ein zweifaches Umlaufsgebiet der Wiener Pfennige, ein engeres, in dem sie Währungsrecht hatten, und ein weiteres, das sie als Handelsmünze beherrschten" (685). Im engeren Gebiet besaß der Herrscher das Recht der alljährlichen Münzerneuerung. Der erwähnte Ungeldbrief Rudolfs IV. vom Jahre 1359 fixierte es mit den Worten „in allem dem lande ze Osterreich under der Ens und ob der Ens, als weit und als verre als unser münzze von Wienn von recht gen sol" (1104). Daneben gab es den ertragreichen cursus monetae major, das Umlaufgebiet jenseits der Landesgrenzen. Diesen cursus schätzte man zur Zeit Albrechts I., wenn Frieden im Lande herrschte, auf etwa 14.000 Pfund Pfennige jährlich; später war er noch höher. Dementsprechend waren auch die Prägezahlen bemessen. Damit es im eigenen Lande infolge des Abflusses nicht an gemünztem Gelde mangle, schlug man eben weit mehr Pfennige als der Eigenbedarf erfordert hätte. Der Wiener Handelsverkehr war von allem Anfang an bilateral, demgemäß floß die Münze hauptsächlich in zwei Richtungen ab: westwärts nach Oberdeutschland, ostwärts nach Ungarn. Schon im 14. Jahrhundert kann man sie bis nach Bayern und Böhmen, über Krain hinaus bis Florenz, dann bis Tirol, ja sogar bis Siebenbürgen verfolgen. Die weite Verbreitung nach Osten hin gibt jedoch zu denken. Ungarn war ja im 283

Mittelalter dank seines Reichtums an Edelmetallen geradezu die „Silbergrube für Oberdeutschland" gewesen, wobei Österreich als Vermittler dieses Handels eine ungemein wichtige Rolle zukam. Der Erwerb von Edelmetallen bildete den Hauptfaktor für den Handel der Oberdeutschen nach dem Osten. Es besteht daher kein Zweifel, daß die ungarischen Könige, um dieser Infiltration ihres Landes mit dem Wiener Pfennig wirksam zu begegnen, diese selbst nachahmten. „Gerade das Auftreten von Wiener Pfennigen in den Urkunden der ungarischen Könige schließt völlig aus, daß unter den denarii Viennenses von Wien nach Ungarn ausgeführte Münzen zu verstehen sind. Denarii Viennenses hatte daher in Ungarn eine ähnliche Bedeutung, wie Videnskij im Tschechischen" (721). Diese ungarischen „Wiener" Pfennige sind leichter im Gewicht als die Originale, nämlich bloß 0,46—0,58 Gramm gegenüber dem Wiener Durchschnittsgewicht von 0,826 vor 1250 und 0,779 Gramm nachher. Bezeichnend ist aber, daß diese leichteren ungarischen Stücke fast nur in ungarischen Funden vorkommen, und zwar in großen Mengen, während sie in Österreich, also im Auslande nur vereinzelt, nie aber in Mengen auftauchen. In ungarischen Quellen heißen diese eigenständigen „Wiener Pfennige" denarii parvi, medioscre oder lati, eine Differenzierung, die sich auf die originalen Wiener Pfennige nicht anwenden läßt. Im Jahre 1342 erläßt dann König Karl Robert eine neue Münzordnung, die gleichzeitig die Einziehung und Umwechslung der im Umlauf befindlichen Gepräge festlegt: „tres ex eisdem denariis pro quattuor latis Viennensibus vel aliis Camerae nostrae monetis quinti anni jam abolitis, aut etiam in aliis praecedentis anni fabricatis, combustionem Viennensem habentibus cambientur". Und schließlich: „Statuimus, ut nullos omnino hominum cum aliquibus antiquis monetis, aut auro vel argento in specie et specialiter cum parvis etiam cum mediocribus Viennensibus, quorum omniusdam exstirpationem volumus et committimus, praeterquam cum praedictis monetis camerarum nostrarum mercandi habeat facultatem." Daraus geht eindeutig hervor, daß die Bezeichnung Viennenses ebenso ein auch im Ausland üblicher Gattungsname war wie die Friesacher. Diese Feststellung hat übrigens zwangsläufig auch die Theorie L U S C H I N S ZU Fall gebracht, daß die Handelsbilanz Österreichs gegenüber Ungarn aktiv gewesen sei. Weder der cursus monetae major noch die in Ungarn gemachten Münzfunde lassen sich in einen Zusammenhang mit der Handelsbilanz bringen. Gerade das Gegenteil trifft zu. Seit der Abschaffung der ungarischen „Wiener" im Jahre 1342 werden sie auch in den Urkunden nur mehr sporadisch als Wertangaben erwähnt. Auch in den Münzfunden aus etwas späterer Zeit sind sie verschwunden, und auch die Zolltarife rechnen nicht mehr nach ihnen. Dies alles rückt auch den cursus monetae major in ein ganz neues Licht, Österreich besaß kein einziges Edelmetallbergwerk, es bezog daher das erforderliche Münzmetall aus dem reichen Bergsegen Ungarns. Da aber der unmittelbare Handel mit Edelmetall in Österreich verboten war, „das Silber vielmehr zuerst an die herzogliche Münze verkauft werden mußte, um dort vermünzt zu werden, ehe es weiter in den Verkehr kam, zog auch die Münze einen schönen Gewinn aus dem Handel. Es ist allerdings nicht zu denken, daß alles Silber tatsächlich in Wien neu ausgeprägt wurde. Immerhin ergab sich aber daraus eine nicht geringe Menge von Münzen, die der Wiener Münze entstammten, ohne eigentlich für den österreichischen Verkehr bestimmt zu sein" (721). Die erfolgreiche Abwehr des originalen Wiener Pfennigs durch Ungarn beweist seine große Beliebtheit und Wertschätzung in diesem Lande. Sie erstreckte sich aber nicht bloß auf den Osten. Im übrigen war die offenkundige Begünstigung des Wiener Pfennigs durch die Herzoge nicht bloß eine fiskalische Maßnahme, sondern auch die Tendenz, in dem sich immer mehr erweiternden habsburgischen Länderkomplex, also in Österreich, 284

Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol zu einer Einheitsmünze zu gelangen, womit auch die Überflutung durch auswärtiges Geld gesteuert werden sollte. Es galt daher vor allem in den übrigen Gebieten die bisherige Landesmünze, wie den Friesacher und den Grazer Pfennig zu verdrängen. Dies gelang am frühesten in Kärnten und Krain. Ob unter den Habsburgern seit 1335 noch Friesacher geschlagen wurden, ist trotz der Münzreform von 1334 mehr als zweifelhaft. Etwas länger hielt sich der Grazer Pfennig, der noch unter Rudolf IV. deshalb nach seinem alten Münzfuß geschlagen wurde, weil man sich dadurch gegen die in Österreich bis zum Ungeldbrief von 1359 übliche jährliche Münzerneuerung schützen wollte. Seit 1366 aber wird in den Urkunden die Gleichwertung Gramer oder Wiener Pfennig immer häufiger, bis dann 1409 Herzog Ernst der Eiserne die Ausmünzung nach Wiener Schrot und Korn anordnete. 1436 wurde sogar versucht, auch in Graz eine Münzerhausgenossenschaft einzuführen (s. o. S. 281). Zu Beginn des 15. Jahrhunderts beherrscht also der Wiener Pfennig als landesübliche Münze die habsburgischen Gebiete, allerdings mit Ausnahme von Tirol, das an seinen hergebrachten Münzeinheiten festhält, weil sein Handel mit Italien dies erfordert. In Tirol gilt nach wie vor die Bernerwährung, deren kleinstes Nominale das 4-Berner-Stück oder Vierer ist. Österreich und die Steiermark versuchen bald nach der Jahrhundertmitte sich diesem Münzfuß insofern anzupassen, indem man den Etschkreuzer 4 Wiener Pfennigen gleichsetzte und ebenfalls Kreuzer zu prägen begann. Dies bahnte eine neue Entwicklung des österreichischen Münzwesens an. Wohl wurde an der alten Rechnungsweise des Pfundes Pfennig festgehalten, aber man konnte dieses Pfund anstatt mit 240 Stück Pfennigen auch mit 60 Kreuzern begleichen. „Als endlich im Laufe des 15. Jahrhunderts der in großen Mengen als Handelsmünze umlaufende rheinische Goldgulden die Bewertung auf 60 Kreuzer oder 240 Wiener Pfennige erreicht hatte, war damit die Grundlage gegeben, auf welcher sich fortan ein einheitliches Münzwesen für die habsburgischen Erblande erheben konnte" (685), in dem der Wiener Pfennig die unterste Einheit bildete. Von den seit dem Ende des 12. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts entstandenen mehr als anderthalb Hundert Geprägen, die die Mache der Wiener Pfennige aufweisen, gleichgültig ob sie in der Münzstätte Krems, Enns, Wiener Neustadt oder Wien entstanden sind, war die Zuweisung an die einzelnen Herrscher nicht ohne weiters möglich. Denn die überwiegende Mehrzahl dieser Gepräge ist stumm, also ohne erklärende Schrift. Doch gibt es immerhin methodische Behelfe, die eine Bestimmung wenigstens in hohem Grade wahrscheinlich machen. Die redenden Gepräge, die zwar unter den Wiener Pfennigen zu den Ausnahmen gehören, können dann als Leitmünzen für die Bestimmung der stummen dienen. Aber nicht nur die ausgeschriebenen Herrschernamen oder deren Anfangsbuchstaben erleichtern eine sichere Bestimmung, sondern auch Wappenschilde oder Wappenbilder von österreichischen Landschreibern, den wichtigsten Beamten der Finanzverwaltung, oder Münzmeistern ermöglichen eine „bis aufs Jahr oder doch auf ein Jahrzehnt genaue Zeitbestimmung" (685). Aber auch Schrot und Korn liefern Anhaltspunkte. Das Korn des österreichischen Pfennig ist bekanntlich von rund 690/1000 um die Wende zum 13. Jahrhundert allmählich gesunken. Die feinhältigeren Gepräge sind infolgedessen älter als die schlechteren. Ähnlich verhält es sich auch beim Schrot, dem Rauhgewicht. „Da von Haus aus auf das Durchschnittsgewicht gemünzt wurde, so sind Einzelgewichte von Pfennigen wenig brauchbar und Durchschnittsgewichte um so wertvoller, je größer die Anzahl ist, aus der sie gewonnen wurde" (685). Als wichtigste Bestimmungshilfe dienen da die Münzschätze, vorausgesetzt, daß sich ihre Vergrabungszeit genau ermitteln läßt. Aus der abwechslungsreichen Reihe der Münzbilder, mit denen die Wiener Pfennige 285

87. Österreich, Hg. Albrecht IV. Wiener Pfennig, sog. „Böckler"

88. Österreich, Hg. Albrecht V. Wiener Pfennig

ausgestattet sind, hat eines eine ganz besondere Bedeutung erlangt. Im Jahre 1399 hatten sich die Herzoge Albrecht IV. und Wilhelm entschlossen, das zerrüttete Münzwesen durch Einziehung der seit 40 Jahren umlaufenden Pfennige und Ausgabe einer besseren und schwereren Sorte wieder auf die frühere Höhe zurückzubringen. Sie ordneten daher die Prägung von Pfennigen an, von denen 400 Stück auf die rauhe Mark von 9 Lot (0,563 g) gehen sollten. 100 Stück wurden einem Goldgulden gleichgesetzt. Es ist jedoch ein Irrtum LUSCHINS, daß diese neue Münze mit den nach ihrem Bild Steinböcke oder Böckler genannten Pfennigen identisch gewesen seien, deren Ausprägung in die Zeit von 1358 bis 1388 zu setzen ist. Immerhin scheint dieses Münzbild die längste Lebensdauer unter den Wiener Pfennigen besessen zu haben. Ob es aber diese Böckler waren, die die bunte Bilderwelt der Wiener Pfennige endgültig zugunsten eines gänzlich neuen Typus abschlössen, ist noch nicht restlos geklärt. Der Plan einer 91ötigen Münze mußte wieder fallengelassen werden, da die österreichischen Städte eine Preissteigerung der Waren befürchteten. Es wurden daher in der Folge 71ötige Pfennige ausgegeben, die einen von verschiedenen Buchstaben (den Initialen der betreffenden Münzherren) umgebenen Bindenschild im Dreipaß zeigen, in dessen Winkeln sich wechselnde Beizeichen befinden. Dieser Typus erhielt sich bis zum Adlerpfennig König Friedrichs IV. Dieses 15. Jahrhundert war für die österreichische Linie der Habsburger in jeder Beziehung kritisch; es war von dauernder Unruhe erfüllt. Wenn das Landplagenbild an der Südseite des Grazer Domes die drei Landplagen des Jahres 1480 eindringlich schildert (Türken, Heuschrecken und Pest), so ist dies nur ein Ausschnitt aus dem damaligen Geschehen, das um die Jahrhundertmitte in einer katastrophalen Münzkrise gipfelte. Sie hat indessen ihren Ausgang nicht von Österreich genommen, wenngleich sie hier ihren Höhepunkt erreichte. In Schwaben und Bayern hatte die massenhafte Ausmünzung „böser" Schwarzpfennige durch den Grafen Ulrich von Öttingen im Jahre 1457 die Münzverschlechterung eingeleitet. „An dieser über Süddeutschland wie Wildwasser hereinbrechenden Überschwemmung immer schlechter werdender Münzen beteiligten sich die Habsburger, die Herzoge von Bayern, der Erzbischof von Salzburg, Passau, die Grafen von Öttingen und Hals und noch manche andere. Die Zahl der Münzstätten wuchs, das Feingewicht der Münzen schwand" (696). In Österreich dagegen wurde die „Münzirrung" durch die Streitigkeiten um das Erbe nach König Ladislaus Postumus (f 1457) ausgelöst, die zwischen Kaiser Friedrich III. und seinem ehrgeizigen Bruder Albrecht VI. entbrannt waren. Begonnen hatte damit der temperamentvolle Albrecht; sein bedächtiger Bruder mußte ihm dann, von den Ereignissen förmlich überrollt, auf der abschüssigen Bahn 286

notgedrungen folgen. Kurz nach Überlassung des Landes ob der Enns befahl Albrecht seinem Münzmeister Hansman Beyland (Weyland oder Wieland) von Wesel, in Linz 18%karätige Goldgulden, siebenlötige Groschen je 9 und Kreuzer je 18 Stück auf ein Lot der rauhen Wiener Mark zu schlagen. Der Kaiser dagegen hatte mittlerweile das seit langem geschlossene Münzhaus zu Wiener Neustadt wieder eröffnet, wo er seit 1456 durch seinen aus Frankfurt a. M. stammenden Münzmeister Erwein vom Steg Kreuzer prägen ließ. Hier winkte dem Kaiser ein einträgliches Geschäft: der Münzmeister verrechnete ihm am 25. November 1459 21.200 Pfund Pfennige als Münzgewinn für ein halbes Jahr oder 1200 Pfund Pfennige für die Woche. Es ist unbekannt, in welchen Sorten dieser Gewinn ausbezahlt wurde, kaum in Schinderlingen, wie das Volk die immer schlechter werdenden Pfennige nannte, deren Ausgabe in dieser Zeit schon in Blüte stand. Der Erzherzog münzte um diese Zeit in Enns und Freistadt und ließ nach seiner Münzordnung vom 7. Oktober 1459 einlötige (!) Pfennige ausbringen, von denen 38 Stück auf ein Wiener Lot gingen. Nun muß man sich daran erinnern, daß diese und auch noch die folgenden Zeiten bis Maria Theresia dem unheilvollen Grundsatz huldigten, daß sich der Nennwert einer Münze mit ihrem Metallwert nahezu decken müsse. Eine derartige Verschlechterung des Münzfußes aber mußte unweigerlich zu einer Katastrophe führen. Denn auch der Kaiser, der durch große nie eingehaltene Versprechungen bestimmt, dreien seiner Kämmerer die Pfennigprägung erlaubt hatte, war durch die Verhältnisse zu einer radikalen Münzverschlechterung gedrängt worden. Diese Herren scheuten nämlich vor offener Falschmünzung ebensowenig zurück, wie die schon oben erwähnten Adeligen, denen der Kaiser, teils um Schulden zu bezahlen, teils um sich politische Anhänger zu sichern, die Münztätigkeit gestattet hatte. Zu Beginn des Jahres 1460 hatte die Verwirrung solche Ausmaße angenommen, daß eine Abhilfe nicht weiter aufgeschoben werden konnte. Die 1458 vorgeschriebenen 71ötigen Kreuzer waren schon ein Jahr später sukzessive einlötig, ja sogar bloß halblötig geworden, so daß sie um diese Zeit ganz kupfrig aussahen. Um dieselbe Zeit stand der Kurs des ungarischen Goldguldens auf 3686 Pfennig! Die Landtage von Stockerau 1459 und 1460 zu Göllersdorf machten daher dem Kaiser ernstliche Vorstellungen, denn alle Kriege, Raub und Brand hätten das Land nicht „so hoch erermet", als dies durch die Schinderlinge geschehen sei und noch täglich geschehe. Wer „umb 60 Pfund Einkünfte" gehabt habe, „der hat nicht zechne", Handel und Verkehr stocke im Lande, das hochsträfliche Aufkaufen guter Münzen gegen schlechtes Geld blühe (687). Friedrich gab nach, schob aber die Schuld auf das Eindringen fremder minderwertiger Münzsorten in seine Lande, was ihn zur Herabsetzung des Münzfußes genötigt habe. In der Tat raffte er sich alsbald zu einer Münzverbesserung auf. In seinem Auftrag begann der reiche Wiener Bürger Niklas Teschler am 22. März 1460 mit der Ausprägung sechslötiger Pfennige, die schon am 26. April in den Münzumlauf kamen. Doch der Versuch mißlang, da die neuen, vom Volke Großkorn genannten Schwarzpfennige, von denen 6 ß auf 1 fl gehen sollten, sich von den alten geringwertigen Sorten kaum unterschieden. Daher drangen neuerdings schlechte Kreuzer und Schinderlinge in den Münzumlauf ein, so daß der Guldenkurs auf 1246 oder 2880 ^ stieg. Auch die Preise zogen weiter an: ein Laib Brot kostete 9 ß oder 270 Es war aber kein Münzmetall mehr vorhanden, die Beschaffung äußerst schwierig. Mit den eine Zeitlang ausgeschalteten Hausgenossen konnte keine Einigung erzielt werden. Teschler blieb bis auf Widerruf Münzmeister in Österreich. Durch den Mißerfolg mit dem Großkorn gewitzigt, gab er die Schwarzpfennige auf und änderte das Äußere der neuen Münzen in auffälliger Weise. Im Sommer kam endlich auch die Einigung 287

89. Österreich, K . Friedrich III. Pfennig der Wiener Hausgenossen, Mzm. Teschler

90. Österreich, Hg. Albrecht .VI. Schwarzpfennig (Schinderling), Enns

mit den Hausgenossen zustande: von den neuen guten Münzen sollten 6 ß (180 einen ungarischen Gulden wert sein. Es waren fünflötige Weißpfennige, die vom Hochsommer 1460 von den Hausgenossen in großen Mengen geschlagen wurden. Sie zeigten im Dreipaß das Wiener Wappen umgeben von den Buchstaben H-W-T ( = Wiener Hausgenossen Teschler). Die Ausprägung erfolgte in großer Eile. Da es aber noch immer am nötigen Silber fehlte, wurde die Prägung „für eine gewisse Zeit" in der Art fortgesetzt, daß jedermann sein Silber gegen Bezahlung einer geringen Gebühr durch die Hausgenossen vermünzen lassen durfte. Eine ganze Reihe hochgestellter Persönlichkeiten, wie der Bischof von Gurk, der Abt von Melk, der Propst von Klosterneuburg und selbst die Stadt Wien machten von dieser Erlaubnis Gebrauch und förderten damit, wie der Chronist berichtet, die Münze in der Tat sehr, da durch sie ja größere Mengen guten Geldes in den Umlauf kamen. In Oberösterreich hat Erzherzog Albrecht VI. innerhalb von rund 15 Monaten nicht weniger als vier Münzordnungen erlassen, eine für Linz, die übrigen drei für Enns. Die Münzstätten waren an Unternehmer verpachtet worden mit Pachtverträgen von einem bis zu sechs Jahren. In allen vier Münzordnungen war die Prägung von rheinischen Goldgulden vorgesehen. Beim Gold fand eine Untermünzung statt. Die Linzer Münzordnung befahl überdies die Ausprägung von siebenlötigen Groschen oder Doppelkreuzern. Aber sie sind allem Anschein ebensowenig ausgeprägt worden wie die Goldgulden. Zum mindesten sind nur Kreuzer und Pfennige auf uns gekommen. Jedenfalls war alles auf große Münzgewinne ausgerichtet, die in Schwarzpfennigen ausbezahlt werden sollten. Diese Forderung aber bedeutete eine zu schwere Belastung der Pächter, weshalb zwei von ihnen, unter ihnen Wesel, zurücktraten. Obwohl Erzherzog Albrecht daraufhin den Schlagschatz notgedrungen herabsetzte, muß der Gewinn, den er von seinen Münzstätten zog, dennoch gewaltig gewesen sein, denn er finanzierte damit seine blutigen Fehden gegen den kaiserlichen Bruder. Aber auch die Münzpächter brachten ihr Schäfchen ins Trockene, obwohl sie aus ihrem Anteil die Kosten zu bestreiten hatten. Sie besserten ihren Gewinn jedoch betrügerischerweise durch Abweichung vom Münzfuß auf und wurden reiche Leute; so z. B. Erwein vom Steg, der mit Gold und Silber im Werte von 80.000 fl aus Wiener Neustadt nach seiner Vaterstadt Frankfurt a. M. flüchtete, oder der Grazer Balthasar Eggenberger, der durch seine Tätigkeit reichen Landbesitz erwerben konnte und mit reichen Schätzen nach Venedig entrann, aber später wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Nur Albrechts Münzmeister zu Freistadt, Hans Wesel, kam nicht auf seine Kosten. Er mußte gänzlich verarmt das Land verlassen und noch froh sein, nicht Ärgeres erdulden zu müssen. 288

91. Österreich, K. Friedrich III. Kreuzer o. J., Wiener Neustadt

Nach dem Zusammenbruch der Schinderlingswirtschaft prägte Albrecht zu Enns auch noch bessere Münzen. In seinem Todesjahr 1463 ließ er schließlich durch seinen Münzmeister Valentin Liephart und die Wiener Hausgenossen Weißpfennige prägen, zu denen einer gehört, „der das Landeswappen nach alter Form im Dreipaß zeigt, aber ohne die bei diesem Typus früher üblich gewesene Namensnennung des Prägeherrn" (420). Die Münzstätte zu Wiener Neustadt, die im Laufe des 14. Jahrhunderts eingegangen war, wurde von Kaiser Friedrich III., der hier längere Zeit residierte, wieder in Betrieb genommen. 1455 nahm er den uns schon bekannten Erwein vom Steg in seine Dienste. 1456 war die Münze in voller Tätigkeit, die während der ganzen Schinderlingzeit andauerte. 1456—1460 wurden hier Vierer oder Kreuzer geprägt; Erwein mußte dafür 1200 Pfund ^ wöchentliche Pacht zahlen. Es müssen riesige Mengen gewesen sein, sonst hätte er kaum auf seine Kosten kommen können. Die Pfennigprägung aber überließ der Kaiser dreien seiner Kämmerer, die ganz elende Münzen schlugen. Erwein konnte rechtzeitig entkommen, was mit den Kämmerern geschah, wissen wir nicht. Die Münzstätte wurde vom Kaiser trotz der schlechten Erfahrungen, die er mit ihr gemacht hatte, dem Michael Slegl als Münzmeister anvertraut. Münzordnungen für Wiener Neustadt aus der Schinderlingzeit sind nicht bekannt. Bezeugt ist bloß die Prägung von Kreuzern (Vierern) und Pfennigen, deren Stempel sich im Besitz der Stadt erhalten haben. Einer dieser alten Pfennigstempel läßt erkennen, daß ein mißratenes Eisen zur Not gebrauchsfähig gemacht worden war. Mit ihm wurden wohl Schinderlinge ärgster Art, mit dem andern Schwarzpfennige aus gutem Silber geprägt. Merkwürdigerweise wurde während der Schinderlingzeit zu Wien selbst nicht gemünzt. Um die Mitte dieses Jahrhunderts hatten sich nämlich bei der Hausgenossenschaft bereits Spuren des Verfalls bemerkbar gemacht. Albrecht V. und noch mehr Friedrich III. hatten ihr durch längere oder kürzere Zeit die Prägung abgenommen, worauf die Körperschaft keineswegs Rechtsverwahrung einlegte, sondern bloß um die Erhaltung ihrer alten Freiheiten bat. Die Klagen nahmen zu, und es zeigte sich, daß die Hausgenossen nicht mehr in der Lage waren, eine überhastete Prägung durchzuführen. Der Kaiser rief darauf die Wiener Neustädter Münzstätte ins Leben, deren geschäftstüchtiger Pächter von keinerlei Skrupeln gehemmt war. Durch den plötzlichen Tod Albrechts VI. am 2. Dezember 1463 lösten sich die Schwierigkeiten für Friedrich von selbst, die Erbschaftsteilung fiel fort, und der Kaiser regierte in den folgenden Jahren allein. Während dieser drei Jahrzehnte aber vollzogen sich große Veränderungen im österreichischen Münzwesen, die zum Teil schon im Kapitel über die Steiermark angedeutet wurden (s. o. S. 263). Der Pfennig, der bis in die Schinderlingzeit seinen Währungscharakter bewahren konnte, wurde nach 1460 zur Kleinmünze. 289

92. Österreich, K.Friedrich III. Goldgulden o. J., Wien 93. Österreich. K. Friedrich III. Großetl 1470, Wiener Neustadt 94. Österreich, K. Friedrich III. Kreuzer o. J., Enns

Wohl war schon in der vorangegangenen Periode diese mittelalterliche Währung durch Ausgabe von Pfennigvielfachen (Kreuzern und Groschen) durchbrochen worden. Aber erst 1491 wurde diese Währung auch von Rechts wegen aufgegeben und der Pfennig für immer zur Klein- und bloßen Scheidemünze abgewertet. Dafür aber wurde jetzt die Prägung goldener Handelsmünzen, die wie erinnerlich schon im 14. Jahrhundert durch einige Jahrzehnte in Judenburg ausgeübt worden war, wieder aufgenommen, wenn auch vorerst in beschränktem Umfang. Der ungarische Goldgulden, der lange Zeit das österreichische Wirtschaftsleben souverän beherrscht hatte, wurde nun das Vorbild für den österreichischen. Den ungarischen Goldgulden wollen wir in Hinkunft zur Unterscheidung vom österreichischen, dessen Feingehalt dem schon sehr geschwächten rheinischen entsprach, nach seiner späteren Bezeichnung schon hier „Dukaten" nennen. Für diese in Wiener Neustadt durchgeführte Goldprägung wurde Ende 1469 der geflüchtete Erwein vom Steg wieder in Gnaden aufgenommen. Er sollte Gold- und Silbermünzen prägen, und zwar fast vollfeine Dukaten und ungefähr dreiviertelfeine Goldgulden. Es wurden wohl deshalb gleich zwei Goldsorten ausgegeben, weil Österreich sowohl mit Deutschland, das nach dem rheinischen Goldgulden rechnete, als auch mit Ungarn Handel trieb, wo der nach dem Vorbild italienischer Goldstücke geprägte Dukaten heimisch war. Überdies war dieser auch für den österreichischen Italienhandel von großer Wichtigkeit. An Silbermünzen sollten Pfennige und Pfennigvielfache, Grosseti, Kreuzer und Groseben, geprägt werden, welche Sorten bis auf die Groschen auch durch die noch vorhandenen Münzen eindeutig belegt sind. Trotz dieses Besserungsversuches waren die Münzverhältnisse noch immer nicht erfreulich. Während im Westen Österreichs, in Tirol, eine grundlegende Münzreform durchgeführt wurde, deren Wirkung später auch auf den Osten ausstrahlte, war dieser noch weit von normalen, friedlichen Verhältnissen entfernt. Türken- und Ungarneinfälle taten ein übriges, um die Normalisierung des Lebens zu verzögern. Die tirolische Münzreform war dem Überfluß an Silber zu verdanken. In Österreich, wie auch in der Steiermark mit der Münzstätte Graz, lag die Hauptschwierigkeit einer dauerhaften Reform, wie schon öfters erwähnt, in der Beschaffung des Münzmetalls, seit der Nachschub aus dem jetzt feindlichen Ungarn abgeschnitten war. Nach Zwischenlösungen, von 1477 in der Münzordnung für den Münzmeister Hans vom Steg, wohl ein Sohn Erweins, oder von 1479 (?) in den Verhandlungen auf dem Landtag zu Enzersdorf über die Ausmünzung einer beständigen Münze wurde endlich 1481 der entscheidende Schritt getan. Am 4. Oktober erließ der Kaiser für Jan vom Steg, seinen Münzmeister zu Wien, eine neue Münzordnung, in der die Einstufung des Pfennigs 290

95. Österreich, K. Friedrich III. Wiener Pfennig o. J.

zur Scheidemünze endgültig besiegelt wurde. Angeordnet wurde die Prägung von 23,5karätigen Dukaten, 18karätigen rheinischen Goldgulden, neunlötigen Groschen, achtlötigen Kreuzern, sechslötigen Pfennigen (Zweiern) und vierlötigen Kleinpfennigen. 1 Groschen galt 3 Kreuzer oder 6 Pfennige (Zweier) oder 12 Kleinpfennige; der Dukaten 25 Groschen, der rheinische Gulden jedoch blieb als Handelsmünze ohne Valvation eine bloße Kursmünze. Für den Kleinverkehr war diese Münzordnung brauchbar, für den Großverkehr, also den Fernhandel, war indessen der Feingehalt der groben Groschenmünze zu 9 Lot entschieden zu schwach. Drei Jahre später hat dann Tirol mit seiner fünfzehnlötigen Groschenmünze das Richtige getroffen und damit ein Vorbild geschaffen, nach welchem sich bald auch das Deutsche Reich richtete, ja „die sich des Rufs erfreute, die erste zu sein in der Christenheit" (687). Die im Jahre 1485 erfolgte Besetzung von Wien und 1487 auch die von Wiener Neustadt durch die Ungarn vernichtete so ziemlich alle Ansätze zur Besserung der Münzverhältnisse. König Matthias Corvinus hat in den von ihm eroberten Teilen Österreichs, darunter auch zu Wien, Dukaten, Groschen und auch kleine Silbermünzen schlagen lassen, die sich von den ungarischen durch die Anbringung eines Bindenschildes als Münzzeichen unterscheiden. Die ungarischen Denare wurden auch nach dem Tode des Königs (6. April 1490) weitergeprägt, und erst als der Kaisersohn, König Maximilian, Wien zurückeroberte (19. August 1490), wurde diese Münzung eingestellt. Der Kaiser hatte den Umlauf der ungarischen Münzen in der Steiermark schon am 10. Juni 1490 von Linz aus verbieten lassen. Während der Besetzung Wiens und Wiener Neustadts durch den Feind konnten die österreichischen Erbländer nur von Graz aus mit Geld versorgt werden, wo in den Jahren von 1480 mit kurzen Unterbrechungen bis 1490 vor allem Kreuzer geprägt wurden. Im Jahre 1493 starb Kaiser Friedrich III. in der Linzer Burg. Unter seinem Sohne und Nachfolger Maximilian I. bricht auch für das Münzwesen ein neues Zeitalter an. Seine Regierung schlägt die Brücke vom Mittelalter zur Neuzeit.

7. Vorderösterreich Neben den Herzogtümern Österreich, Steiermark, Kärnten und der Grafschaft Tirol besaßen die Habsburger auch ausgedehnte Gebiete zu beiden Seiten des Oberrheins, teils als Reichs- oder Kirchenlehen, teils auch als Eigengüter. „Die Landgrafschaft Oberelsaß, die Grafenrechte im Aargau, Zürichgau und Thurgau, also von der Aar bis zum 291

Boden- und Wallenstädtersee, vom Rheine bis an die Südgrenze von Unterwaiden und Schwyz, die Vogtei über das Kloster Säckingen, namentlich das diesem gehörige Tal Glarus und die zahlreichen Herrschaften des elsässischen Klosters Murbach in der heutigen Schweiz, dann am rechten Rheinufer Güter im Breisgau und im Schwarzwald hatte Rudolf von Habsburg schon bei seiner Thronbesteigung in seinem Besitz" (445). 1277 kauften er und seine Söhne von der jüngeren habsburg-laufenburgischen Linie noch Freiburg im Uechtland, 1291 vom Kloster Murbach die Stadt Luzern, dann mehrere Städte und Herrschaften im südlichen Schwaben, besonders an der oberen Donau, wo 1301 auch die Markgrafschaft Burgau erworben wurde. Bei seiner Erwerbung war dieser Streubesitz im Westen noch ohne eine direkte Verbindung mit dem alten babenbergischen, dann premyslidischen, zuletzt habsburgischen Besitzungen in Österreich. Erst das 1363 erworbene Tirol bildete die Landbrücke zwischen dem westlichen und dem östlichen Länderkomplex. Dieser habsburgische Besitz am Oberrhein mußte natürlich auch monetär versorgt werden — keine einfache Angelegenheit, da es sich ja um kein in sich geschlossenes Territorium, sondern eben um Streubesitz handelte. Am Oberrheinland besaß Basel die merkantile Vorherrschaft, und wahrscheinlich schon seit dem Jahre 1025 verfügten hier die Bischöfe das Münzrecht. Aber seit dem 13. Jahrhundert begann die Münze zu verfallen. Man lehnte sich gegen das Monopol der Bischöfe auf, da und dort wurden Münzstätten in wachsender Zahl errichtet. Schließlich versuchte man durch Bündnisse das einheitliche Münzsystem zu ersetzen, das früher der Baseler Denar dem Oberrheinlande gewährt hatte. Auch die Kaiser ergriffen in diesen Streitigkeiten gegen Basel Partei (102). Der erste derartige Versuch war eine Übereinkunft, die 1344 Bürgermeister und Rat der Stadt Basel im Namen ihres Bischofs Johann II. von Münsingen mit dem Landvogt Hermann von Landenberg, Hauptmann und Pfleger der Herzoge von Österreich im Thurgau, Aargau und Elsaß, sowie mit dem Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich für deren Äbtissin abschlössen. Man dachte damals noch nicht an eine einheitliche Währung, sondern nur an gewisse gegenseitige Schutzbestimmungen. Daher behielten die österreichische Münzstätte zu Zofingen ebenso wie die zu Basel und Zürich noch ihre verschiedenen Pfennigsorten bei, nur durften sie von jetzt ab die im Vertrag nach Schrot und Korn genau festgesetzte Münze nicht mehr einseitig herabsetzen. Aber jeder der drei Vertragschließenden hatte sich ausdrücklich das Recht vorbehalten, nach einer bestimmten Zeit mit Wissen der andern die neue Münzordnung zu widerrufen. Es war also nur halbe Arbeit geleistet worden. Bald machte sich Basel wieder selbständig, bis neue Klagen gegen seinen Pfennig den Bischof zur Rückkehr zu den Abmachungen von 1344 zwangen. 1373 ging die Münze definitiv vom Bischof an die Stadt über, aber der städtische Pfennig konnte sich außerhalb der Stadt nicht durchsetzen. Das Land begann vielmehr auf Grund der im letzten Jahrzehnt gemachten Erfahrungen das Münzwesen neu zu ordnen. Herzog Leopold III. von Österreich „gründete 1375 eine eigene Münzstätte für das Oberelsaß in dem Städtchen Bergheim nördlich von Rappoltsweiler" (102). Auch die Stadt Kolmar suchte jetzt ihre monetäre Abhängigkeit von Basel mit Hilfe Karls IV. abzuschütteln, der ihr 1376 denn auch wirklich eine eigene Münzstätte zugestand. Aber damit nahm eigentlich die Münzverwirrung nur noch zu, denn die willkürliche Festsetzung des Münzfußes durch die kleinen Territorien beeinträchtigte den Handel schwer, da der Umlauf solcher Münzen eng begrenzt war. Da griffen die beiden politischen Vormächte der Gegend, die Herzoge von Österreich und die Stadt Basel, ein und schufen eine Vereinigung, „die auf Grund von Verträgen die verlorengegangene Münzhoheit des Oberrheinlandes wieder herstellen wollte" (102). Diese Vereinigung war der Vorläufer des Kappenmün^bundes, der späterhin ein stabiles Münzwesen gewährleistete. 292

Am 7. März 1377 trat in Schaffhausen eine Anzahl von Herren und Städten zur Gründung einer fünfzehnjährigen Münzkonvention zusammen. Herzog Leopold III. für seine Münzstätten Freiburg i. Br., Schaffhausen, Breisach, Zofingen und Bergheim, Graf Rudolf von Habsburg für Laufenburg, Graf Rudolf von Kyburg für Burgdorf, Gräfin Elisabeth von Neuenburg für die Neuenburger Münzstätte, Hermann von Krenckingen für Thiengen und schließlich die Bürgermeister, Schultheißen und Räte der Städte Basel, Zürich, Bern und Solothurn. Aber auch diesmal konnte keine Einheitlichkeit erzielt werden. Nicht zuletzt vereitelten der Krieg Leopolds III. gegen die Eidgenossen und sein Tod bei Sempach 1386 sowie andere Fehden eine wirksame Münzvereinigung. Ein Jahr vorher hatte übrigens König Wenzel in einem Edikt die schwäbischen Städte ermächtigt, gegen die schlechten Münzen vorzugehen und sie zudem vor „herzog Luipolt" gewarnt, weil er und andere Fürsten und Herren, „die bösen haller slahen". Insbesondere in Straßburg machte sich dieser Münzverfall unangenehm bemerkbar, da es rege Handelsbeziehungen mit dem Oberrhein verbanden. Der Stadtrat entsandte 1386 eigene Boten, um Proben von diesen oberländischen Münzen zu machen. Ihr Bericht ergab ein trostloses Bild. In Breisach, Freiburg und Bergheim gab man zwar den Pfennigen ein ziemlich gutes Rauhgewicht, reduzierte aber dafür den Feingehalt auf ein Minimum, so daß 5 Stück Breisacher Pfennige nicht einmal einen Straßburger wert waren. Erst 15 Pfund = 3600 $ enthielten eine Mark guten Silbers. Ähnlich stand es in Freiburg, geradezu katastrophal in der herzoglich österreichischen Münzstätte zu Bergheim, wo gar 4392 $ auf die Mark Feinsilber gingen. Die Baseler Münzen waren noch die besten. Der Straßburger Rat zog auch den Schaffhauser Münzmeister Markus wegen der von ihm geprägten „bösen Heller" vor Gericht. Aber der Stadtrat von Schaffhausen nahm seinen Bürger in Schutz: Die Stadt habe vor zehn Jahren einen Münzvertrag mit Leopold III. und anderen Herren geschlossen, aber diese hätten alsbald den Feingehalt ihrer Münzen verringert, weshalb der Vertrag nicht mehr eingehalten werden konnte. Den Münzmeister treffe daher keine Schuld. Diese desolaten Zustände verlangten eine rasche und gründliche Reform. Sie ging von Albrecht III. von Österreich aus, dem Bruder des bei Sempach im Kampf mit den Schweizern gefallenen Leopold III. Er trat gleich nach Abschluß des Friedens mit den früheren Vertragspartnern wieder in Verbindung und suchte den Kreis möglichst zu erweitern, um eine Vereinbarung von Dauer zustande zu bringen. Im September 1387 konnte zu Basel ein „allgemeiner Tag" zusammentreten, auf dem 11 Herren und 17 Städte vertreten waren, die zusammen ein Gebiet von nicht weniger als 74 Städten und Herrschaften repräsentierten. Am 14. September schon konnte die Vertragsurkunde unterzeichnet werden, „die dem oberrheinischen Münzbunde den weitesten Umfang gab, den er jemals erreicht hat" (102). In ihm sind alle Städte und Orte vertreten, in denen der neue gemeinsame Pfennig Geltung haben sollte; von ihnen seien hier nur Kolmar, Villingen, Schaffhausen, Zürich, Bern und Neuenburg genannt. Der vornehmste Partner war Herzog Albrecht III., der in seinem Namen und in dem seiner Neffen, der Söhne Leopolds III., für seine münzberechtigten Städte unterzeichnete. Es waren dies Freiburg i. Br., Schaffhausen, Breisach, Zofingen, Villingen, Bergheim und Todtnau, deren Münzstätten zu dieser Zeit in Betrieb waren; dann für seine Städte Rheinfelden, Säckingen, Waldshut, Diessenhofen, Stein, Winterthur, Zell, Rapperswyl, Frauenfeld, Sursee, Wietlisbach, Ölten, Aarau, Brugg, Mellingen, Baden, Bremgarten, Lenzburg und Aarburg; für die breisgauischen Städte Neuenburg am Rhein, Kentzingen und Endingen und für die sundgauischen Altkirch, Pfirt, Beifort, Blumenberg (jetzt Florimont südlich von Beifort), Tattenried (Delle an der Allaine), Masmünster, Thann, Sennheim und Ensisheim. 293

Die übrigen Partner waren Bischof Friedrich II. Graf von Blankenheim von Straßburg, die Grafen Rudolf von Hohenberg, Hans von Habsburg und Berthold von Kyburg, die Gräfin Elisabeth von Neuenburg, Freiherr Hermann von Krenckingen und schließlich eine Reihe von größeren und kleineren Städten, darunter Basel, Luzern, Bern, Solothurn, Kolmar, Mühlhausen usw.; dann Bischof Imer von Ramstein von Basel, Abt Wilhelm von Murbach und endlich Brun zu Rappoltstein und Graf Heinrich zu Saarweiden für die obere und untere Stadt Rappoltsweiler. Die Vertragschließenden verpflichteten sich, zehn Jahre lang nach einem gemeinsamen Fuße zu münzen. 1168 ^ sollten aus der zwölflötigen Mark geschlagen werden, was je Stück 0,2 Gramm Rauh- und 0,15 Gramm Feingewicht und daher einen Silbergehalt von 750/1000 ausmachte. Die nach dieser Ordnung ausgebrachten Münzen durften nach Belieben rund oder eckig gemacht werden, nur mußten die Teilnehmer durch ein deutliches Münzzeichen erkennbar sein. Die eckigen Stücke waren in dieser Gegend damals sehr beliebt, die Gepräge brakteatenähnlich. Die unter österreichischer Herrschaft stehenden Münzstädte hatten folgende Münzbilder: Freiburg i. Br. einen Adlerkopf; Schaffhausen sein redendes Wappen, den aus einem Turm herausspringenden Vorderteil eines Schafbocks; Breisach, das früher von Basel abhängig war und einen Bischofskopf auf seine Münzen gesetzt hatte, war durch einen mit der Herzogskrone bedeckten Bindenschild zwischen den Buchstaben B-R(eisach) gekennzeichnet; Zofingen hatte die österreichische Herzogskrone mit dem Pfauenstoß, meist zwischen Z-O, während Villingen einen Helm mit Pfauenstoß als Zimier zwischen V-I und Bergheim einen gekrönten Profilkopf zwischen B-E zeigte; Todtnau endlich hatte den Bindenschild, umgeben von T-O-T. Im gleichen Jahr 1387 verlieh Albrecht III. auch dem Rat seiner Stadt Thann im Elsaß das Recht Münzen zu schlagen, jedoch war die Stadt selbst nicht münzberechtigt, sondern sie übte dieses Regal nur für und im Namen ihrer Landesherren, der Herzoge von Österreich, aus. Aber auch der Vertrag von 1387 führte nicht zum angestrebten Ziele. Die Durchführung scheiterte an inneren wie an äußeren Schwierigkeiten, vor allem am gegenseitigen Mißtrauen. Es kam sogar zu Gewalttaten. Eine der Klagen ging dahin, daß dem Lande fortwährend Silber entzogen werde; die Herrschaft Österreich wurde besonders aufgefordert, „ihren Rittern und Knechten zu verbieten, mit solchen zu reiten, die Edelmetall ausführten". Vielleicht war dies die Ursache, daß 1393 nicht einmal alle münzberechtigten Mitglieder des Bundes mit der vertragsmäßigen Prägung der vorgeschriebenen neuen Pfennige begannen. Basel hatte übrigens die Vertragsurkunde nicht einmal bestätigt. Es wurde auch nicht mehr versucht, den Vertrag in diesem Umfang zu erneuern. Bergheim, Thann und Kolmar mußten ihre Münzhäuser vorläufig stillegen, als sich die Stadt Straßburg vertraglich verpflichtete, ihre Münze zehn Jahre hindurch an Schrot und Korn nicht zu ändern. Das förderte natürlich auch den Umlauf dieser Pfennige in fremdem Gebiet, so z. B. in Kolmar, wo man sich um die Jahrhundertwende nur der Straßburger Pfennige bediente. Dadurch aber wurde nicht nur die Landgrafschaft Oberelsaß um ihren Gewinn aus dem Münzregal gebracht, sondern auch der Handel der Stadt Basel ernstlich bedroht. Dies führte 1399 zu Unterhandlungen zwischen den beiden betroffenen Münzherren, die zu einem Separatvertrag über einen neuen Münzbund führten, „der die heimische Währung retten und die weitere Verbreitung der fremden Münze verhindern sollte". Die Anregung hiezu ging von Leopold IV. von Österreich aus, dem an einem gemeinsamen Münzfuß mit Basel besonders viel liegen mußte, da für die habsburgischen Besitzungen 294

dies- und jenseits des Rheines die Stadt das Handelszentrum darstellte. Basel ging gerne darauf ein, denn ihm war vor allem an einem festen Tarif für den Wechsel der Goldgulden und anderer Fremdmünzen gelegen. Da Basel anfangs gegen die österreichischen Vorschläge Einwand erhob, kam endlich nach schleppenden Verhandlungen am 1. September 1399 zu Ensisheim zwischen Herzog und Stadt eine Einigung zustande, in der der österreichische Standpunkt Gesetzeskraft erlangte. Es sollten nunmehr Zweilinge und Stäbler (nach dem sogenannten „Baslerstab" im Stadtwappen) geprägt werden. Der Stäbler wog 0,174 Gramm und hatte ein Feingewicht von 0,46 Gramm oder 666/1000, der Zweiling wog 0,35 Gramm und einen Feingehalt von 0,23 Gramm im gleichen Verhältnis. Als Prägungen dieses Vertrags sind jene Rappen und Stäbler anzusehen, die zwar rund sind, aber keinen geperlten, sondern einen einfachen Hohlrand haben. Der Perlkranz ist erst das Kennzeichen aller späteren Rundstücke des Rappenmünzbundes. Herzog Leopold IV. behielt sich auch die Prägung von Groschen vor, die gerade in Deutschland, insbesondere in Hessen und Thüringen aufkamen. Er versuchte nämlich die Prägung von Plapparten (Blaffert, breite Münze). In der Schweiz wurde diese neue Münzsorte bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts etwa von Bern, Luzern und Zürich geschlagen. Der Vertrag von 1399 wurde auf fünf Jahre abgeschlossen und übernahm eine ganze Reihe von Vorschriften wörtlich aus der Urkunde von 1387. Die Abmachung kann daher nur als Fortsetzung dieses Bündnisses angesehen werden; ihr Inhalt ist demnach ebensowenig eine Neuschöpfung wie der aus ihr hervorgegangene neue Vertrag von 1403. Die neuen Münzvereinbarungen waren für alle österreichischen Besitzungen am Oberrhein und für die Bannmeile von Stadt und Bistum Basel vorgesehen; aber auch Herren und Städten war das Tor zum Beitritt geöffnet. Zunächst wurde Freiburg i. Br., das gleich Breisach innerhalb des herzoglichen Gebiets eine nahezu autonome Münze besaß, als selbständiges Mitglied aufgenommen, bald darauf folgte auch Breisach diesem Beispiel. Die erweiterte Vereinigung suchte zwar den Vertrag gleich ins Werk zu setzen, stieß aber infolge Edelmetallmangels alsbald auf Schwierigkeiten. Auch ließ der Herzog in seinem Gebiet die alten Münzen verrufen, bevor noch ausreichende Mengen neuen Geldes als Ersatz bereitstanden. Eine Beschwerde des Basler Stadtrates war die Folge. Der Herzog beschwichtigte ihn, und es wurde dann wirklich nach den Bestimmungen von 1399 gemünzt. Das neue Geld war zwar im Werte um ein Drittel besser als das alte, aber noch immer zu gering, um damit das fremde austreiben zu können. Die Städte suchten daher diese Übereinkunft durch eine bessere zu ersetzen. Zunächst berieten Abgesandte von Basel, Freiburg und Kolmar darüber. Aber Basel wollte nur mittun, falls auch die Herrschaft Österreich in die neue Münzordnung einbezogen würde, für die es bereits einen bis ins einzelne gehenden Entwurf ausgearbeitet hatte. Ende 1402 kam es dann hier der Münze wegen zu heftigen Unruhen, und der Stadtrat bot seinen ganzen Einfluß auf, um bald zu einem gedeihlichen Ende zu kommen. „Diesen von der Not der Zeit gebieterisch geforderten Bemühungen verdankt die große Bundesakte vom 24. Februar 1403 ihr Entstehen" (102). Es war dies der zur Aufrechterhaltung einer guten Silberwährung gegründete Rappenmünzbund, der viel weniger Mitglieder umfaßte als die Vereinigung von 1387 und infolgedessen auch viel größere Garantien der Einheitlichkeit in sich barg. Die Teilnehmer an dem Bund waren Ritter Friedrich von Hadstatt, Landvogt Leopolds IV. im Elsaß, Breisgau und Sundgau, sowie die Bürgermeister, Räte und Bürger der Städte Basel, Freiburg, Kolmar und Breisach. Dieses einheitliche Münzgebiet sollte reichen „von dem Eggenbach hie disent und enent Rins her uff untz gen Rinfelden", also das gesamte Gebiet der Landvogtei und der vier genannten Städte. Grundlage der 295

neuen Währung war 146 ^ = 240 ^ = 1 fl rh. Von der neuen Bundesmünze sollten 1242 Pfennige (Stäbler) aus der 10%lötigen Mark geschlagen werden, was ein Rauhgewicht von 0,212 Gramm und ein Feingewicht von 0,141 Gramm = 655%/1000 entsprach und eine bedeutende Verbesserung gegenüber dem Ansatz von 1399 darstellte. Die Hauptmasse der festgesetzten Mindestausprägung von 2800 Mark Silber sollte in diesen vorgeschriebenen kleinen Pfennigen, der kleinere Teil aber in den sogenannten Kappen oder Zweilingen ausgeprägt werden. Als Form wurde der viereckige Schröding gewählt. Die fünf Vertragspartner mußten auch einen neuen Münzstempel mit „ir sunders mergklich zeichen" für ihre Münzen verwenden, damit man die neuen von den alten Münzen leicht unterscheiden könne. Der Vertrag wurde zunächst auf sechs Jahre abgeschlossen. In ihm waren etliche Vorsichtsmaßregeln eingebaut, um Mißbräuche zu verhüten. Die erwähnten 2800 Mark wurden nach folgendem Schlüssel aufgeteilt: auf Basel als bedeutende Handelsstadt entfielen 1400, auf Freiburg 800 Mark, Kolmar und Breisach je 300 Mark jährlich. Es sollten aus diesem Silber nur Rappen und Kleinpfennige, jedoch nicht Plapparte oder Groschen geschlagen werden. Erwähnt sei noch, daß in der Urkunde zum erstenmal das Wort Kappen in einer Bundesurkunde vorkommt, obwohl diese Bezeichnung schon 1350 für oberrheinische Pfennige verwendet wurde, und zwar in der Bedeutung von Schwar^pfennig. Ein Rappen war gleich einem Zweiling, eine eindeutige Erklärung des Namens existiert jedoch nicht. Möglicherweise geht die Bezeichnung auf die Pfennige der Grafen von Rappoltstein zurück. Wie dem auch sei, jedenfalls wurde der neue Bund nach seiner Hauptmünze genannt. Er blieb in seiner Zusammensetzung konstant, da nur mit einhelliger Zustimmung aller Teilnehmer ein neues Mitglied hätte aufgenommen werden können. Zwar umfaßte der Rappenmünzbund bloß das obere Rheintal, aber gerade durch diese Beschränkung gewann er nicht nur seine dauernde Gestalt, sondern auch eine solche Festigung, daß er das Vordringen fremder Münzen verhindern konnte. Man schritt diesmal auch gleich an die Ausführung der Vertragsbestimmungen. Im übrigen war der Münzvertrag von 1403 hauptsächlich aus dem Grunde abgeschlossen worden, um das Silbergeld der Vertragspartner in eine bestimmte und dauernde Relation zum rheinischen Goldgulden setzen zu können, der damals die allgemeine Handelsmünze für ganz Westdeutschland war. Doch erwies sich die Voraussetzung dazu in den wesentlichsten Punkten als irrig, indem sich die Goldgulden nicht in ihrer ursprünglichen Güte erhielten. Zwar versuchte der an Stelle Wenzels von Böhmen neu gewählte König Ruprecht von der Pfalz eine für das ganze Reich gültige Ordnung der Guldenmünze zu schaffen, da er ja selbst ein Mitglied der kurrheinischen Vereinigung war; aber obwohl er von den Städten unterstützt wurde, besaß er nicht die Macht, um die übrigen rheinischen Kurfürsten zu einer legalen Münzprägung zu bewegen. Der Rappenmünzbund sah sich daher, kaum gegründet, bereits großen Schwierigkeiten gegenüber, die wir hier im einzelnen nicht verfolgen können. Es sei nur erwähnt, daß schon 1406 der Bund in seinen Münzstätten vorläufig das Prägen einstellte, wodurch sein Münzwesen weit hinter der Zeit zurückblieb: es wurden nämlich keine größeren Sorten geprägt — der Rappen aber genügte dem Handel nicht mehr. Erst spät, 1425, wurde die Rappenmünzung durch einen neuen Münzvertrag modernisiert. Er wurde abgeschlossen durch Hans Erhart Bock von Staufenberg, Landvogt der Katharina von Burgund (Witwe nach dem 1411 verstorbenen Leopold IV. von Österreich) im Elsaß und Sundgau, und den Bevollmächtigten der Städte Basel, Freiburg i. Br., Kolmar und Breisach, also den alten Verbündeten, die dem Gebiet von Eggenbach diesund jenseits des Rheins, hinauf bis zum Hausenstein ob Laufenburg abermals eine ein296

heitliche gute Münze geben wollten. Der neue Vertrag brachte aber eine wesentliche Änderung, nämlich die Abkehr vom Pfennig als Währungsmünze. Er und sein Hälbling wurden zur bloßen Scheidemünze und an ihrer Statt der Plappart zum Träger der Währung erkoren. Rappen und Hälblinge wurden überdies um die Hälfte ihres bisherigen Feingehaltes, nämlich auf 500/1000, herabgesetzt. Von diesen beiden Sorten scheinen übrigens die Hälblinge (Stäbler) die beliebtere Münze gewesen zu sein, während für Rappen (Zweilinge) nur ein gewisser Bedarf bestand. Daher wurde die Prägung der Stäbler ganz freigegeben, die der Rappen hingegen für ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes kontingentiert. Mit dem Plappart oder Halbgroschen hoffte man einem wirklichen Bedürfnis abzuhelfen. Er wog 1,62 Gramm und war 937/1000 fein, enthielt also 1,52 Gramm Feinsilber und war daher eine vollwertige Münze. Außerdem sah der Vertrag von 1425 auch die Einführung von ganzen Groschen vor, deren jeder 12 Rappen gelten sollten. Zur Ausprägung scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Das Wertverhältnis der beiden Edelmetalle Silber und Gold war in Straßburg auf 1018 zu 1 gesetzlich festgelegt worden. Damit war auch die Relation zum Goldgulden gegeben. Im Vertrag wurden auch die eckigen Pfennige abgeschafft. Alle runden Rappen und Hälblinge, die das Wappen der teilnehmenden Münzstände in Hochrand und mit äußerem Perlkreis zeigen, sind nach der Münzordnung von 1425 geprägt. Der Perlkranz war eine bewußte Nachahmung des damaligen Straßburger Pfennigs und sollte das betrügerische Beschneiden des Münzstücks verhindern. Die Münzen der Herzogin Katharina als Landgräfin im Elsaß zeigen im gespaltenen spanischen Schild vorn die österreichische Binde, hinten den burgundischen Schrägbalken, die Münzen der vier Städte ihr Wappen. Diese Neuordnung des Münzwesens brachte Handel und Geldverkehr im Gebiete des Rappenmünzbundes zu neuem Aufschwung. Die Errichtung einer Reichsguldenmünzstätte zu Basel durch König Sigmund 1429 blieb auf den Verlauf der Geschichte des Bundes nicht ohne Einfluß, wenngleich der stets geldbedürftige Luxemburger diese Reichsguldenmünze bereits nach zwei Jahren verpfändete. Noch größere Wirkung auf den Geldumlauf im Oberrheintal aber erzielte das von Papst Martin V. im Jahre 1431 einberufene allgemeine Konzil in Basel. Das brachte viel auswärtiges Geld, dessen Umlaufswert jedoch oft schwer zu ermitteln ist, in das Bundesgebiet und erforderte ebenso wie zwei Jahrzehnte später das neuerliche Einströmen fremder Silbermünzen entsprechende Abwehrmaßnahmen. Nach einer Vorberatung zu Neuenburg im März 1450 kam am 16. Juli Graf Hans von Tierstein als Vertreter des Landesherrn, des Erzherzogs Albrecht VI. von Österreich, des streitsüchtigen Bruders von Friedrich III., und die Gesandten der vier Städte zu Freiburg zusammen, wo sie ein bindendes Protokoll aufsetzten. Danach durfte fortan im ganzen Gebiet des Bundes niemand für einen Goldgulden mehr als 146 2 ß Stäblerpfennige geben. Auch ein Tarif für den Kurs gewisser fremder Münzsorten wurde angenommen und für jeden Übertretungsfall empfindliche Strafen statuiert. In der Folge verursachte das stete Ansteigen des Goldpreises neuerliche Schwierigkeiten. Die Klagen wurden in einer Denkschrift der Stadt Freiburg an den Erzherzog zusammengefaßt. Nur eine strenge Durchführung der Bestimmungen des Rappenmünzbundes könnte alle durch das Steigen des Goldpreises entstandenen Schäden beseitigen. Aber der in Österreich weilende Erzherzog und seine Räte waren anderer Meinung. Unter Mißachtung aller bestehenden Verträge und Privilegien nahm Albrecht das Münzwesen in Vorderösterreich in seine eigene Hand und gedachte dort nach eigener Willkür in Gold und Silber prägen zu lassen. Mit einer Urkunde vom 9. Januar 1458 aus Wien er297

nannte er den Hansman Beyland von Wesel auf sechs Jahre zu seinem Münzmeister in Freiburg und in Rottenburg am Neckar. Dies hätte, wären die Bestimmungen dieser Urkunde ausgeführt worden, das Ende des Rappenmünzbundes bedeutet. Aber dieses eigenmächtige Vorgehen forderte zu energischem Widerstand heraus. Nur Freiburg und Breisach mußten als Untertanen des machtgierigen Erzherzogs vorsichtig sein. Dafür nahm sich Basel der Sache der Rappenmünze um so tatkräftiger an. Der Erzherzog mußte schließlich nachgeben, da er einsah, „daß er gegen den Willen der den Markt beherrschenden Städte sein neues Geld nicht durchsetzen könne" (102). In Freiburg entstand keine landesfürstliche Münzstätte, die alten Verträge blieben in Kraft, mußten aber insofern modifiziert werden, als das stetige Ansteigen des Goldpreises sonst die eigene Silberwährung geschädigt hätte. Da die bisherigen Stäbler ihrer Güte halber überall eingeschmolzen wurden, beschloß man, sie von nun an nur siebenlötig auszubringen, während der neue Hälbling nur noch 0,22 Gramm wog, bei einem Feingehalt von 0,09 Gramm oder 437,5/1000. Über diese Neuregelung wurde eine Vertragsurkunde aufgesetzt, die 1462 von dem österreichischen Landvogt und den Städten Freiburg und Breisach besiegelt wurde. Im gleichen Jahre führte Basel noch ein neues Nominale, den Vierer, ein, der zwischen dem Plappart und dem Rappen stand. Das Stück war 2 Rappen oder 4 Stäbler wert; 35 Stück gingen auf 1 Lot, 69 sollten 1 fl gelten. Rauhgewicht war 0,91 Gramm = 500/1000. Der Vierer war nur für den Kleinverkehr bestimmt. In ihrer äußeren Gestalt machte man sie den neu aufgekommenen neuen und gleich sehr beliebten Etschkreuzern Erzherzog Sigmunds von Tirol ähnlich, dem sie auch im Wert ungefähr gleichkamen. Insbesondere Basel lehnte sich offensichtlich an das Tiroler Vorbild an. In diesen Jahren begannen für den Rappenmünzbund schwere Zeiten. Der stark verschuldete, zudem in fortgesetzten Differenzen mit den Eidgenossen verwickelte Erzherzog Sigmund hatte am 9. Mai 1469 gegen eine Summe von 50.000 Goldgulden die Landgrafschaft Elsaß, die Grafschaft Pfirt, die Rheinstädte Rheinfelden, Säckingen, Laufenburg, Waldshut, Burg, Hauenstein und später auch noch Breisach an Herzog Karl den Kühnen von Burgund verpfändet. Der neue Gebieter ließ dort durch seinen infolge größter Strenge und Grausamkeit berüchtigten Landvogt Peter von Hagenbach die burgundische Verwaltung einführen. Er schloß sich zwar, was das Münzwesen betrifft, zunächst dem Bunde an, der jedoch infolge der Goldhausse und des ständigen Einströmens fremden Silbergeldes einer schweren Krise entgegenging. Für das ganze Rheinland bedeutete das eine schwere wirtschaftliche Schädigung. Das gute eigene Geld wurde durch das schlechte fremde verdrängt, dessen Verrufung aber aus politischen Bedenken unterlassen. Überhaupt blieben alle Verhandlungen in dieser Angelegenheit solange erfolglos, bis endlich am 3. Juni 1477 nach eingeholter Zustimmung der Bundesstädte, ein Erlaß des neuen österreichischen Landvogtes Wilhelm von Rappoltstein veröffentlicht wurde, der jedermann empfahl, sich seiner fremden Münzen bis zum 24. August so gut als möglich zu entledigen. In den folgenden Versammlungen des Bundes ergaben sich dann neue Schwierigkeiten wegen der Etschkreuzer. Der Landvogt trat für sie ein, während die Basler sich für ihre Bundesgenossen verwendeten. Da man sich — wie fast immer — nicht einigen konnte, wurde der geplante Verruf des fremden Silbergeldes zunächst verhindert und beschlossen, sich an den Tiroler Erzherzog zu wenden und ihn um eine Erneuerung des alten Vertrages von 1425 zu bitten, wobei ein Guldenfuß von 23 Plapparten zugrunde gelegt werden sollte. Sigmund wollte anfänglich darauf nicht eingehen, aber als die Münzverwandten, um dem Kleingeldmangel abzuhelfen, in Basel Muster von neuen Rappen und Hälblingen herstellen ließen, kam es am 22. September 1478 zu einem 298

neuen Vertrag zwischen dem Rappoltsteiner als obersten Hauptmann und Landvogt im Elsaß, Sundgau, Breisgau und am Schwarzwald im Namen des Erzherzogs und der vier Städte. Es wurde ein neuer Rappenmünzfuß eingeführt, in dem der Erzherzog jedoch einen Eingriff in seine Rechte erblickte. Ein Austritt Österreichs aus dem Bunde hätte aber dessen weitere Existenz in Frage gestellt. Die Verbündeten stellten daher dem Erzherzog die Schäden vor Augen, die sie durch das fremde Silbergeld und die Preissteigerung des Goldes erlitten, denn alle Importwaren mußten ja mit Gold bezahlt werden. Das einzige Mittel zu einer Besserung aber sei, daß sich der Erzherzog den berechtigten Wünschen des Bundes füge, damit man durch einen „ziemlichen Pfennig" zu Gold komme. Auch der Landvogt stellte sich auf die Seite der Städte, so daß Sigmund schließlich nachgab. Die Verhandlungen zogen sich noch über ein Jahr hin, bis endlich am 30. Oktober 1840 zu Kolmar von den fünf Partnern des Bundes ein neuer Rappenmünzvertrag feierlich besiegelt und verkündet werden konnte. Darin wurde zunächst zum Grundsatz erklärt, daß der 1425 mit Katharina von Burgund aufgerichtete Vertrag vollinhaltlich weiter in Kraft bleibe, insoweit nicht einige Artikel den geänderten Verhältnissen entsprechend neu gefaßt werden müßten. Dem veränderten, jetzt auf 23 ß Stäbler oder 11 y2 ß Rappen festgesetzten Wert des Goldguldens gemäß sollten nunmehr geprägt werden: erstens aus 1 y 2 beschickter Mark (15 Lot fein und 9 Lot Speise) je 86 Stück große (falls man solche schlagen wollte) oder 172 Basel-Plapparts im Werte von 6 46 6 ß Rappen; zweitens aus einer beschickten achtlötigen Mark 2 46 8 ß ( = 576 Stück) Rappen oder 4 46 16 ß ( = 1152 Stück) Stäbler, deren Korn auf 7 Lot herabgesetzt wurde. Die fremden Silbermünzen wurden mit 24. Dezember 1480 verrufen; nach diesem Stichtag durfte nur mehr das im Bundesgebiet geprägte Silbergeld verwendet werden. Der Kurs des Goldguldens wurde mit 1 46 3 Stäblern oder 11 y 2 ß Rappen festgesetzt. Der Erzherzog sollte jährlich zu Thann 1000 Mark Feinsilber, zu Basel 600, zu Freiburg und Kolmar je 300, zu Breisach 200 Mark vermünzen dürfen, von denen jede zehnte Mark in Hälblingen auszubringen war. Sigmund hatte sich diesem Vertrag nicht vorbehaltlos gefügt. Die Vertreter der vier Städte mußten ihm einen Revers ausstellen, worin sie anerkannten, daß er „nur aus gutem Willen und bis auf Widerruf dem Übereinkommen beigetreten sei". Gleichzeitig gaben sie der — in der Tat erfüllten — Hoffnung Ausdruck, daß Sigmund auch in Hinkunft nichts mehr gegen den Rappenmünzbund unternehmen werde. Die vier verbündeten Städte stellten in der Person des Ludwig Gesell von Baden einen gemeinsamen Münzmeister an. An den Geprägen des Bundes wurden keine besonderen Veränderungen vorgenommen. Die neuen Sorten unterschieden sich zwar von den alten auch äußerlich, doch blieb dies mehr oder weniger auf das Beiwerk beschränkt. Der Erzherzog übertrug der Stadt Thann, die schon seit 1387 das Münzrecht besaß, die Ausmünzung des ihm zugefallenen Teiles der Münzauflage. Diese Plapparte von 1480 ahmen den Basler Typus nach und zeigen auf der Vorderseite das Stadtwappen (gespalten; vorn die Binde, hinten eine Tanne), auf der Rückseite erscheint der hl. Theobald als Stadtpatron. Die Eidgenossen beschwerten sich über den Verruf ihrer Münze; sie mußten sich aber dann doch fügen. Der Rappenmünzbund konnte nunmehr durch einige Jahre im Sinne des Vertrags von 1480 ruhig weiter münzen. Erst knapp vor der Jahrhundertwende trat durch eine Verschlechterung der Goldgulden wieder eine allgemeine Verwirrung ein. Sie fällt aber schon in die Regierungszeit Maximilians I. und soll daher in einem anderen Zusammenhange besprochen werden. 299

B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen und Mähren a) Die Frühreif. E s hat lange gedauert, bis sich in Böhmen ein einheitlicher Staat bildete, obwohl das rings von Gebirgen umgebene Land von Natur aus zu einem solchen prädestiniert war. Nach dem A b z u g der keltischen Boier, von denen es seinen deutschen Namen herleitet, ließen sich in der von ihnen hinterlassenen Wüstung zuerst die germanischen Markomannen nieder. Erst nachdem diese wieder abgezogen waren, kamen in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts wohl schon Slawen ins Land, sie zerfielen jedoch in einzelne, getrennte Stämme mit eigenen Häuptlingen (duces), die keinen gemeinsamen Oberherrn anerkannten. Dieser Zustand dauerte bis zum E n d e des 9. Jahrhunderts an. Erst um diese Zeit gelang es den Fürsten der in der Gegend des heutigen Prag wohnenden Tschechen die anderen Stammeshäuptlinge teils gänzlich zu unterwerfen, teils wenigstens zur Anerkennung ihrer Oberhoheit zu bewegen und so ein größeres Reich zu gründen. Boleslav I. (929—975) wird zwar von dem sächsischen Geschichtschreiber Widukind von Corvey als K ö n i g (rex) bezeichnet, aber erst 995 unter Boleslav II. verschwand das letzte Teilfürstentum (principatus), das unter den Slavnikiden den ganzen Osten und Süden des Landes ausgefüllt hatte. Seither umfaßte das Reich des in Prag residierenden Herzogs, der seinen Ursprung auf den sagenhaften Przemysl zurückführte, das ganze Böhmen in seiner Gestalt vor 1918 bis zur Grenze des östlichen Egerlandes mit Einschluß des Gebietes von Glatz. Wenn auch diese innenpolitische Entwicklung auf die Entstehung eines geregelten eigenen Münzwesens nach westlichem — karolingischem — Vorbild hemmend eingewirkt haben mag, so war doch andererseits der Handel schon beträchtlich entwickelt, und zwar der Fernhandel, der sich gerade in jenen Ländern, mit denen Böhmen in Beziehungen stand, bereits längst des geprägten Münzgeldes zur Abwicklung seiner Geschäfte bediente. Daß Böhmen fremdes Münzgeld kennengelernt hatte, bevor es eigene Münzen prägte, steht fest, denn es war ja das Durchzugsland für die großen Sklavenkarawanen, die aus dem Osten an die Araber in Spanien über den Sammelpunkt Verdun dirigiert wurden. Trotzdem wurde für den Binnenhandel noch immer bis etwa zur Mitte des 10. Jahrhunderts die bereits erwähnte merkwürdige Währung der Leinentüchelchen verwendet, über die der jüdische Kaufmann Ibrahim ibn J a k u b als Augenzeuge berichtet (s. o. S. 159). D a er feststellt, daß 10 solcher Tücher einem Silberdenar gleichgesetzt waren, so ist damit erwiesen, daß man um diese Zeit, wenn nicht schon früher, die geprägte Münze kannte, die in der F o r m des für den Osthandel geschlagenen Regens300

burger Denars nach Böhmen gelangt war. Neben ihm kommt als Eindringling aus dem Osten auch der islamische Silber-Dirhem in böhmischen Funden vor, allerdings hier nicht so zahlreich wie in Polen. Auch die oft schon erwähnte Raffelstätter Zollordnung vom Anfang des 10. Jahrhunderts bestätigt die Verwendung von Münzgeld, denn Böhmen wie Russen mußten für die mitgebrachten Sklaven und Tiere Geldzölle entrichten. Auch das schon mehrfach erwähnte Großmährische Reich prägte keine eigenen Münzen, obwohl es bereits einen regen Fernhandel betrieb. Seine Währung bestand vielmehr in Eisenbarren, die gleichzeitig dem Geschäftspartner als Rohmaterial dienen konnten. Außerdem dürfte sich auch die böhmische Tüchelwährung auf Großmähren erstreckt haben. Sowohl in Böhmen als auch in Mähren aber zirkulierten nebstbei byzantinische und fränkische Gepräge. Im allgemeinen wird sich aber der Großteil des Binnenhandels wohl in der Form eines gegenseitigen Warentausches abgespielt haben. b) Die Denarperiode. Die Frage der Entstehung eines eigenen Münzwesens im böhmischmährischen Räume wurde noch immer nicht eindeutig beantwortet. Der bedeutende tschechische Numismatiker Gustav SKALSKY hat 1929 gelegentlich der Tausendjahrfeier des Märtyrertodes des heiliggesprochenen Fürsten Wenzel einen Denar mit der Bezeichnung VENCIEZLAVVS diesem Wenzel zugesprochen, eine Ansicht, die auch von einigen namhaften Numismatikern Deutschlands und Böhmens geteilt wurde. Aber alsbald wurde Skalskys mit viel Scharfsinn begründete These von seinem Landsmann Viktor K A T Z angefochten und das Stück nach Polen verlegt. Von anderer Seite wiederum wurden die ersten böhmischen Münzen Boleslav I. zugesprochen, der sie bald nach 955 in Prag geprägt haben soll; dieser Denar aber, meint Jaroslav PoSvÄfi im Gegensatz zu Katz, wurde noch nicht zum allgemeinen Zahlungsmittel, sondern er drang nur sehr langsam in das Wirtschaftsleben ein. Noch im 13. Jahrhundert gab es im böhmischen Handel Warentausch und ungemünztes Metall als Zahlungsmittel. Das Münzregal wurde in der Denarperiode in Böhmen von den Przemysliden von allem Anfang an als souveränes Recht ausgeübt. Im Bereich des böhmischen Herzogtums gab es aber auch noch weitere, wenn auch nur vorübergehend ausgeübte Münzrechte. Vor allem ist hier das Recht der Familie S l a v n i k zu erwähnen, das ihr wohl vom Böhmenherzog erteilt worden war. Die Slavnikiden trugen ihren Namen nach ihrem Stammvater Slavnik, wurden jedoch 995 von Anhängern der Pfemysliden grausam ausgerottet, während ihr hervorragendstes Mitglied, der hl. Adalbert, Bischof von Prag, als Glaubensbote in Polen den Märtyrertod erlitt. Die Slavnikiden hatten zu Libitz bei Chotebor und Malin bei Kuttenberg geprägt; ihr Münzwesen war, nach den Münzbildern zu schließen, vom böhmischen abhängig, obwohl später auch polnische Motive auftauchten. Auch Bischof Adalbert (Vojtech) hat das Münzrecht zu Prag ausgeübt, und einige Jahre lang münzte Emma, die Gemahlin Boleslavs II. zu Melnik. Im Gegensatz zu älteren Untersuchungen, die die Anfänge eines m ä h r i s c h e n Münzwesens an das Ende des 10. Jahrhunderts legten, wird jetzt der Beginn mit Recht in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts angesetzt. Als erste Gepräge gelten die Denare des Bfetislav aus der Olmützer Münzstätte, wo sich auch die fürstliche Residenz befand. Bald nach den Olmützer Denaren wurden auch in Brünn solche geprägt. Als erste Prägung dieser Münzstätte ist wahrscheinlich eine Gemeinschaftsprägung Konrads I. als Teilfürsten in Brünn und Ottos I. als Teilfürsten in Znaim von etwa 1054/55 anzusehen. Von den Denaren Konrads wurde behauptet, daß sie nicht in Brünn, sondern auf der Burg Podivin (Kostel) entstanden seien. Die Münzstätte war mit dem bischöflichen 301

Münzrecht für Podivin verbunden, über das zwischen dem Prager und dem Olmützer Bischof ein Streit entbrannte, in den auch der deutsche König Konrad III. eingriff. Dieser erteilte im Jahre 1144 dem Ölmützer Kirchenfürsten das Recht, eine „öffentliche" Münze zu prägen, womit wohl eine „mährische Regierungsmünze" gemeint ist. Wahrscheinlich handelte es sich da um ein altes, mit der Burg verbundenes Münzrecht, was im böhmischen Münzwesen aber ungewöhnlich ist. Sonst pflegte ein „abgeleitetes" Münzrecht vom Herrscher auf eine Person, aber nicht auf eine Burg übertragen zu werden. Über das Münzrecht der Bischöfe von Olmütz besteht kein Zweifel, das haben die Untersuchungen L U S C H I N S über den Rakwitzer Münzfund deutlich ergeben. Ein „abgeleitetes" Münzrecht besaßen und gebrauchten auch die przemyslidischen Teilfürsten von Mähren auf ihren Sitzen zu Olmütz, Brünn, Znaim und Grätz bei Troppau wie die Bischöfe von Olmütz zu Podivin ( = Kostel bei Lundenburg). Die Häupter dieser Seitenlinien rückten mitunter zu Herzögen oder Königen von Böhmen auf. So war z. B. Spytihnev II., der erstgeborene Sohn Bfetislavs I., zuerst Teilfürst von Mähren und des Saazer Gaues, bevor er nach dem Tode seines Vaters Herzog von Böhmen wurde. Der zweitgeborene Wratislav I., der 1061 Herzog, dann 1081 ad personam der erste König von Böhmen wurde, war zuerst Teilfürst von Olmütz und Konrad I., ehe er die Nachfolge seines Bruders Wratislav antrat, Teilfürst von Brünn und Znaim gewesen. Die eben genannten mährischen Orte aber waren zugleich die Münzstätten ihrer Regenten. Schon aus Handelsrücksichten begann man in Böhmen die eigene Münzprägung mit Silberdenaren im Gewicht von rund 1 Gramm. Das nötige Metall stammte wahrscheinlich noch aus Pagament und Bruchsilber, war doch Prag im 10. Jahrhundert schon seit langem ein bedeutender mitteleuropäischer Handelsplatz. Als dann die Münzproduktion größere Ausmaße annahm, wird man wohl auch einheimisches Bergsilber dazu verwendet haben. Zur Zeit des Chronisten Cosmas Pragensis (f 1125) waren schätzungsweise schon mehrere Millionen Denare im Umlauf, deren Prägung gewaltige Silbermengen erfordert hatte, was auch schon auf eine Blüte des einheimischen Bergbaues schließen läßt. Schriftliche Nachrichten über das böhmische Münzwesen des 10. und 11. Jahrhunderts gibt es so gut wie keine. Wir wissen nur aus den Umschriften, wo die Denare geprägt wurden, nämlich zu Prag, Vysehrad, Kourim, Pilsen und Melnik. Aus der Chronik des Cosmas erfahren wir bloß, daß auch in Böhmen das System der renovatio monetae alsbald eingeführt und in einem besonders großen Umfange praktiziert wurde. Die böhmische Denarwährung basierte bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts auf dem karolingischen Pfund im Gewichte von rund 408 Gramm, also auf dem damals im West- und zum Teil auch schon in Mitteleuropa allgemein eingeführten Gewicht. Diese libra dmariorum oder talentum denariorum wurde bekanntlich in 20 Solidi oder 240 Denare unterteilt, wobei der Solidus (1 ß = 12 eine bloße Rechnungseinheit bildete, also nicht als ein mehrfaches Denarstück auch wirklich ausgeprägt wurde. Das Denargewicht wurde jedoch von den Herzogen von Böhmen und den mährischen Teilfürsten immer mehr herabgesetzt. Statt 240 Denaren prägte z. B. Boleslav I. 304 Denare, Boleslav II. bis 347 und Udalrich (1012—1037) 375 Stück Denare aus dem Pfund zu 408 Gramm. Der Denar wog daher statt 1,7 Gramm bald nur mehr 1,088 Gramm. Aus diesem Grunde entstand im 11. Jahrhundert in Böhmen als neue, leichtere Währungseinheit die Mark, deren Vorbild die skandinavische Mark von rund 210 Gramm war. Das bedeutet, daß der böhmische Denar um diese Zeit nur mehr die Hälfte des karolingischen wog. Diese Verwendung eines nordischen Gewichtes ist wohl auf die 302

97. Böhmen, Boleslaus II. Denar

98. Böhmen, Udalrich. Denar

Handelsbe2iehungen Böhmens mit Skandinavien zurückzuführen. Ungefähr gleichzeitig wurden die Münzen auch kleiner, nämlich 15—16 mm im Durchmesser, anstatt 19—20 mm wie früher. Nach den Nachrichten bei Cosmas Pragensis wurden aus dieser neuen Mark von 210 Gramm ursprünglich 200 Denare geprägt; gleichlaufend mit der ständigen Herabsetzung des Schrötlingsgewichtes stieg auf der anderen Seite auch die Aufzahl: von 344 Stück bei Wratislav II. (1061—1092) bis fast 2000 unter Wladislav I. (1109—1125), also eine beträchtliche Verschlechterung im Verlaufe von einem halben Jahrhundert. Der Münzgewinn des Münzherrn erreichte hiemit nicht weniger als 892%! Zu Beginn des 13. Jahrhunderts waren diese Mißstände unter dem Einfluß struktureller Veränderungen innerhalb der böhmischen Wirtschaft und nicht zuletzt infolge der Ansiedlung deutschsprachiger Kolonisten in den böhmischen Markt- und Bergstädten unerträglich geworden. Eine kurze Episode in der böhmischen Geschichte, die sich jedoch längere Zeit auf das Münzwesen auswirkte, sei hier noch erwähnt: die Besetzung Böhmens durch den Polenfürsten Boleslav Chrobry („der Tapfere") im Jahre 1003. Wir sind über den Verlauf dieser Okkupation durch den deutschen Chronisten T h i e t m a r Bischof von M e r s e b u r g , den etwas späteren C o s m a s und schließlich den ältesten polnischen Chronisten G a l l u s ziemlich genau informiert. In den ersten Jahren war diesen Chroniken zufolge der Einfluß Polens auf Böhmens Innenpolitik immer größer geworden. Böhmische Fürsten suchten vielfach Hilfe bei Boleslav Chrobry, weil sie sich durch innere Zwistigkeiten bedroht fühlten. Als schließlich 1002 Boleslav III. Rothaar durch eine Revolution besiegt wurde, erbat er sogleich in Polen die Hilfe des ihm verwandten Herrschers, der indessen dem Vertriebenen keine Hilfe leistete, sondern ein Mitglied seiner eigenen Familie, Vladivoi, nach Prag entsandte. Während der paar Monate, die er in Prag zubrachte, ließ er unter seinem Namen eine ganze Reihe verschiedener Denare prägen, die auf der Rückseite aber die Namen der beiden Münzmeister, Nacub und Mizleta, und als zweiten Fürstennamen den sonst gänzlich unbekannten Provina tragen. Die beiden Münzmeisternamen begegnen uns im übrigen schon auf den Denaren des vertriebenen Boleslav III. und auch später. „Sie sind das erste Zeichen der englischen Mode in der Prager Münze. Hunderte von solchen Münzmeisternamen sind auf den Denaren Ethelreds von England (978—1016) zu lesen, und die Prager Münze war am Kontinent die erste, wo sich diese Sitte eingebürgert hatte" (343). Der Tod Vladivois Ende 1002 rief abermals Zwiespalt im böhmischen Volke hervor. Die eine Partei wählte den jungen Jaromir, Sohn Boleslavs II. und Bruder des vertriebenen Boleslav III., die andere bat Polen um einen neuen Fürsten. Boleslav Chrobry 303

verjagte Jaromir und setzte den vertriebenen Rothaar wieder auf den ihm gebührenden Platz. Böhmen aber stand, durch Eide der beiden Parteien gebunden, nunmehr unter polnischem Protektorat. Obwohl jeder der feindlichen Brüder nur kurz regierte, haben sie beide doch in Prag münzen lassen. Jaromir und nach ihm sein grausamer Bruder waren nacheinander verjagt worden. Boleslav floh abermals nach Polen, wurde aber diesmal eingekerkert und geblendet, weil er seinen Eid, seine Feinde nicht mehr zu verfolgen, gebrochen hatte. Nun besetzte der Pole selbst mit seinen Truppen die Stadt Prag und das Land und ließ sich zum Herzog ausrufen. Nur eine kleine nationale Partei leistete in der Burg Vysehrad Widerstand. Als Herzog von Böhmen war Chrobry der vierte Boleslav; seine Regierung währte 18 Monate. Die von ihm in Prag geprägten Denare lassen sich jedoch schwer von den übrigen Boleslav-Denaren unterscheiden. Denn sie bringen in ihren verschiedenen Typen den Herrschernamen stets ohne Kennziffer. Aber der neue Herrscher hatte auch neue Münzmethoden eingeführt und einen bis dahin ganz unbekannten Typus: das in England übliche Herrscherbildnis. Noch eine zweite merkwürdige Münzgattung entsteht um diese Zeit: Prager Pfennige und Obole (Hälblinge) eines in der Geschichte unbekannten Fürsten Otto, der nur polnischer Herkunft sein kann gleich Yladivoi und Provina, die als Statthalter Polens nach Böhmen geschickt worden waren. GUMOWSKI hat ihn mit Otto Bezprim, dem ältesten Sohne Boleslavs (IV.), identifiziert. Derselben Zeit gehören auch noch Gepräge eines Prinzen Sobieslav an, eines Bruders des hl. Adalbert, der als ältester der Slavnikiden dem Blutbad in Lubic (im Jahre 995) entronnen war. Er scheint sogar, wie die Pfennige mit Liv Bvz zeigen, sogar von Chrobry seine Lande zurückerhalten zu haben. Dessen unerwarteter Tod war vielleicht die Ursache des polnischen Rückzuges aus Böhmen. Nur Mähren blieb weiter in polnischen Händen. Ebenfalls der Okkupationszeit entstammen die Denare, auf denen neben den Regentennamen Boleslav III. und Jaromir auch die auf dem rechten Moldauufer gelegene Burg Vysehrad genannt ist. Nach Gumowski konnte hier nur dann geprägt worden sein, wenn auf der Burg und in Prag „zwei verschiedene und feindliche Fürsten regierten. Ein solcher Fall ist nur einmal in der Geschichte Böhmens vorgekommen, und zwar zur Zeit der polnischen Okkupation Böhmens im Jahre 1003 bis 1004. Wie Thietmar und Cosmas melden, wurde Wyschehrad damals Stützpunkt für die nationale und polenfeindliche Partei des böhmischen Volkes. Sie verschanzte sich in den Wyschehrader Mauern und ließ sich belagern, hielt sich jedoch während der achtzehn Monate dauernden Okkupation und konnte nicht erobert werden" (343). So haben anderthalb Jahre einer Fremdherrschaft merkwürdige Rückwirkungen auf das böhmische Münzwesen hervorgebracht, wie sie sonst in der Münzgeschichte nicht häufig aufzutreten pflegen. Noch einige Worte über die böhmisch-mährischen Münzbilder der Denarperiode, die ähnlich wie in Wien eine große Mannigfaltigkeit aufweisen. Die ersten Gepräge sind den gleichzeitigen Regensburger Denaren angenähert: auf der Vorderseite steht der Herzogsname rings um ein gleichschenkliges Kreuz, dessen Winkel mit Kugeln, Ringen, Punkten u. dgl. ausgefüllt sind; die Rückseite zeigt einen Kirchengiebel mit R E G I N A CIVITAS in Regensburg — P R A G A CIVITAS in Böhmen. In der Folgezeit verwildern die Münzbilder, vor allem sind die Umschriften korrumpiert, was auf das Bestehen noch unbekannter Münzstätten im großen Reiche Boleslavs II. hinweist. Unter ihm wird auch der Kirchengiebel durch die nach unten weisende „Hand Gottes" ersetzt. 304

99. Böhmen, Jaromir. Denar 100. Mähren, Spytihnev I. Denar 101. Böhmen, Wratislav II. Denar 102. Böhmen, Wladislav I. Denar

99

100

101

102

Als Jaromir im Jahre 1004 zum zweiten Male auf den Thron gelangte, weisen seine zierlich gewordenen Denare sichtlich byzantinischen Einfluß auf, wie z. B. das Brustbild Christi mit der segnenden Rechten und dem Buche in der Linken. Seit Jaromirs Bruder Udalrich (1012—1037) weisen die Denare fast stets den Namen des Landespatrons Wenzel auf. Seine und seines Sohnes Bretislav (1037—1055) Münzbilder sind derber als die früheren geraten, bringen aber recht interessante Beiträge zur Kenntnis der damaligen Kleidung. Um das Jahr 1050 wird, wie schon erwähnt, der Schrötling dicker und kleiner, die Bilder werden mannigfaltiger, bleiben aber nach wie vor ziemlich roh, was auch für seinen Nachfolger Spytihnev II. (1055—1061) gilt. Für die Münzgeschichte Böhmens ist die Rückeroberung Mährens durch Bretislav I. 1029 von besonderer Bedeutung. Denn von nun an haben die regierenden Herzoge von Böhmen ihre nächsten Verwandten in erster Linie mit Anteilen in Mähren bedacht, mit denen auch das Münzrecht verbunden war. Diese Anteile waren Olmütz, Brünn und Znaim; die auf den Geprägen genannten Kirchenpatrone ermöglichen eine klare Scheidung: Wenceslaus weist auf Olmütz, Petrus auf Brünn und Nikolaus auf Znaim. Bis ins 13. Jahrhundert hinein haben mährische Teilfürsten und später Markgrafen aus dem Titel eines abgeleiteten Münzrechts zu Brünn, Znaim und Olmütz und die Olmützer Bischöfe auf der Burg Podivin münzen lassen. Auch in Mähren galt das Münzsystem, wonach ein Talent oder Pfund 240 mährische Denare enthielt. Es war wahrscheinlich auch hier das karolingische Pfund von 408 Gramm; es wurde jedoch später durch die schwere mährische Mark von 280 Gramm ersetzt, während die leichtere böhmische nur 210 Gramm wog. Vermutlich hat während der Besetzung durch Przemysl Ottokar II. auch Österreich nach 1250 diese mährische Mark übernommen. Die Denare der böhmischen Teilfürsten sind in ihrer Mache den gleichzeitigen der böhmischen Herzoge ähnlich. Erst als Svatopluk von Olmütz den böhmischen Thron bestieg (1107— 1109) werden die Münzbilder wesentlich feiner; sie erreichen unter Wladislav I. (1109— 1125) ihren künstlerischen Höhepunkt, der die gleichzeitigen mitteleuropäischen und sogar italienischen Münzbilder überragt. Es war eine Meisterhand, die diese Stempel geschnitten hat. Leider hat die Kunstgeschichte diese auffallenden Münzbilder noch nicht untersucht, die bis in die ersten Regierungsjähre Sobeslavs I. (1125—1140) anzutreffen sind. Seither aber nimmt die künstlerische Qualität ebenso merklich ab wie der Feingehalt; es sind dies wohl die Auswirkungen der häufigen Münzerneuerung, da es offensichtlich nicht mehr dafür stand, sich für eine kurze Dauer mit dem Stempelschnitt besonders anzustrengen. Unter Przemysl Ottokar I. (als Herzog 1192—1198, zum zweiten Male 1197—1230, seit 1198 König), dem Großvater des zweiten König dieses Namens, ist der Silberge305

halt auf rund 188/1000 gesunken, was zur Genüge die damaligen Zwistigkeiten und Kämpfe unter den Angehörigen dieses Geschlechts beleuchtet. Ein so allgemeiner Verfall, ja Verkommenheit der böhmischen Denare konnte nur mit ihrer gänzlichen Verrufung enden. Sie wurde daher um 1215 durch eine neue, auch in der Form ganz andere Münzgattung ersetzt. c) Brakteatenperiode. Die Entstehung von Städten wie auch eine rasche Aufwärtsentwicklung des einheimischen Berg- und Hüttenwesens in Böhmen und Mähren hatten sowohl von der politischen als auch von der wirtschaftlichen Seite her eine ganz neue Lage geschaffen. Den Städten waren Marktgemeinden vorangegangen, die ihr Dasein mit einem ständigen Markt verbanden, aber es waren eigentlich Dorfmärkte, keineswegs Ausstrahlungs- und Gravitationszentren des Handels, wie sie späterhin eben die Städte darstellten. Zudem gab es vor der deutschen Kolonisation in diesen Märkten nur ein „räumliches Nebeneinander unfreier und freier, bäuerlicher und kaufmännischer, slawischer und deutscher Bevölkerungsschichten, verfassungsmäßig betrachtet, ein Chaos, aus dem sich niemals in allmählicher Entwicklung das Gebilde der Stadt gestalten konnte". Eine Stadt aber stellte andere, größere Anforderungen, nicht zuletzt an das Münzwesen. Denn ihre Wirtschaft war meist auf den Handel eingestellt. Daher konnte der katastrophale Verfall des Denars zu Beginn des 13. Jahrhunderts keineswegs diese neue Stadtwirtschaft fördern. Das Münzgeld hatte sich je länger, je mehr schon eingebürgert und sein Umlauf war schon längst nicht mehr auf die Landeshauptstadt Prag und einige andere bedeutendere Orte in Böhmen und Mähren beschränkt. Man mußte daher das Münzwesen von Grund auf reformieren, zumal die von den Pfemysliden geförderte Kolonisation, deren Träger hauptsächlich Ansiedler aus Thüringen und Meißen waren, eine Überflutung der Märkte mit den Münzen dieser beiden Länder mit sich gebracht hatte, die das schon bedenklich verfallene böhmische Münzwesen vollends zu zerrütten drohten. Die von den Kolonisten nach Böhmen gebrachten Münzsorten bestanden hauptsächlich aus Meißner Brakteaten, die, wenn auch nicht auf der künstlerischen Höhe der böhmischen Denare stehend, dafür von unvergleichlich besserem Feingehalte waren. Hier spielte sich — allerdings durch einen konkreten Umstand gefördert — einmal das Umgekehrte des sonst Gewohnten ab. Diesmal nämlich verdrängte nicht eine ins Land eingedrungene schlechte Münze aus gewinnsüchtiger Absicht die einheimische gute, sondern die wertvollere fremde Münze zwang zur Herstellung einer gleichwertigen in der neuen Heimat der Einwanderer. Insbesondere aus Nordböhmen sind Hortfunde von Meißner Brakteaten bekannt, die sich aber später in einem kontinuierlich ansteigenden Prozentsatz mit böhmischen vermischten, die um 1250 bereits das Übergewicht im Umlauf erreicht hatten. Man hatte in Böhmen die von Meißen aus dem Lande drohende monetäre Gefahr glücklicherweise bald erkannt. Nicht nur, daß Böhmen infolge seiner schlechten Denare aus dem Handelsverkehr ausgeschlossen worden wäre, hätten auch die Einkünfte der königlichen Schatzkammer aus dem Münzregal empfindlich darunter gelitten. Zunächst wurden die bildlich primitiven Meißner Brakteaten ebenso primitiv nachgeahmt. Wenn man an die künstlerisch so hochstehenden sonstigen deutschen Brakteaten denkt, die großartige Denkmäler der Romanik sind, fühlt man sich angesichts dieser in ungezählten Variationen vorkommenden ungeschlachten Gestalt eines thronenden Herrschers mit Recht abgestoßen. Dieses Münzbild gleicht weit mehr einem Fetisch aus dem dunkelsten afrikanischen Urwald als einem Menschen. Man hatte aber diese 306

103. Böhmen, Wenzel II. Großbrakteat

Darstellung wohl aus dem Grund gewählt, um sich den eingeströmten Meißner Vorbildern zu assimilieren und sie langsam unschädlich zu machen. Der Typus war fast der gleiche, nur daß die böhmischen Brakteaten einen gekrönten König, die meißnischen aber einen barhäuptigen Dynasten zeigen. Feingehalt und technische Ausführung waren die gleichen. Man hatte aber diese neue Münzgattung wohl deshalb gewählt, um den Ausmünzungsvorgang zu beschleunigen (was zum Teil auch ihre Kunstlosigkeit erklärt). Denn man konnte von diesen einseitigen Stücken von dünnstmöglichem, daher auch leicht zerbrechlichen Schrötling (weshalb die Brakteaten auch „Blechmünzen" genannt wurden) durch einen einzigen Hammerschlag 10—12, ja sogar noch mehr Stücke auf einmal herstellen. Auf diese Weise ließ sich der Vorsprung der auch weiterhin einströmenden Meißner Brakteaten bald einholen. Mit dieser in Technik, Form und Durchmesser (40—42 mm) von den kleinen Denaren völlig abweichenden neuen Münzgattung verdrängte Przemysl Ottokar I. zu Beginn des 13. Jahrhunderts die zweiseitigen Denare bald aus dem Umlauf. Das Silberblech war fünfzehnlötig, also nahezu völlig fein (937,5/1000). Etwas später wurde der Durchmesser allmählich wieder verringert, bis um 1250 die Großbrakteaten in Böhmen fast plötzlich durch von ihnen vollständig verschiedene neue Brakteaten ersetzt wurden, deren Durchmesser von 32—27 schließlich auf 15 Millimeter herabsank; dies war dann auch der Durchmesser der vom König geprägten zweiseitigen Denare gewesen. Nur für ihre Enklaven und Besitzungen in Meißen und in der Oberlausitz wurde von den Königen von Böhmen und ihren Vasallen in der Folge der Großbrakteat weiter beibehalten, weil dies auch in Meißen noch der Fall war. Die ersten Silberfunde (1233 und 1234) haben zuerst eine Anzahl „berufskundiger Bergleute, danach kaufmännische Elemente" nach Iglau gelockt. Diese Nachrichten aber betrafen bloß das später Alt-Iglau genannte Dorf auf dem linken Ufer des Iglflusses, während die Stadt auf dem rechten Ufer erst mit dem Stadtrecht von 1249 hervortritt. Demzufolge können die ersten Brakteaten keineswegs aus Iglauer Silber geprägt worden sein, sondern wie bei den in großen Mengen geschlagenen Denaren dürfte auch hier das Metall aus anderen böhmischen Bergwerken sowie aus Pagamentsilber bestanden haben. Im übrigen war die erste Brakteatenprägung, wie die Münzfunde bezeugen, noch keineswegs umfangreich. Vielleicht hat man für sie auch das Silber eingeschmolzener meißnischer Stücke verwendet. Überdies läßt der unkünstlerische Stil dieser ersten böhmischen Brakteaten auch vermuten, daß nicht einheimische, sondern ausländische Stempelschneider die Eisen zu diesen Stücken geschlagen haben, weil sie in diesen Brakteatenstempeln bereits Erfahrung hatten. Damit verfiel die im 12. Jahrhundert noch so hochstehende böhmische Münzglyptik. 307

104. Böhmen, Przemisl Ottokar II. Brakteat 105. Mähren, Iglau (?); Brakteat aus dem Funde von Jestrovice 2. Hälfte des 13. Jhs. 106. Mähren, Wladislav III. Heinrich. Denar

Das Iglauer Silber kann sich infolgedessen erst bei der Änderung der Brakteatenwährung um 1250 geltend gemacht haben, als sich die böhmischen Prägungen in Größe und Bild von den meißnischen zu lösen begannen. Nun half der florierende Iglauer Bergbau in entscheidender Weise bei der Bekämpfung des fremden Geldes mit. Aber erst im Jahre 1260 gelang es König Przemysl Ottokar II. das Gleichgewicht im böhmischen Münzwesen auf Grund einer Neuregelung der Maße und Gewichte herzustellen. Die kleinen Brakteaten haben sich auch wieder auf das Äußere besonnen, die Münzbi'lder sind gefälliger und feiner geworden, wenn sie auch nicht die künstlerische Höhe der Denare Wladislavs I. erreichten, die wir oben erwähnt haben. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also in der Brakteatenperiode, waren in Mähren Münzstätten zu Brünn, Iglau, Znaim, Olmütz und vermutlich auch in Ungarisch Hradisch sowie im schlesischen Troppau in Betrieb. Zu dieser Zeit wurden 360 Denare aus der elfJötigen mährischen Mark ausgeprägt, wie dies aus den Münzen des Markgrafen Wladislav, eines Bruders Ottokars II., festgestellt werden konnte. Nachrichten über die Verpachtung mährischer Münzstätten, die wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen, zeigen, daß damals beinahe die doppelte Aufzahl, nämlich 612 Stück aus der Mark geschlagen wurden. Es ist möglich, daß sich diese Nachricht auf die zweiseitigen mährischen Denare bezieht, die auch während der Brakteatenzeit geprägt wurden. In den Quellen kommt die mährische Mark erst in der eben erwähnten Zeit vor, und zwar heißt es ausdrücklich „marca argenti Moravici ponderis". Gleichzeitig mit dieser Reform der Brakteaten wurden auch die Münzstätten neu organisiert. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts begann nämlich eine Dezentralisation der Münzprägung, indem außer Prag sicherlich auch noch in Eger, Klattau, Kaaden, Pilsen, Deutsch-Brod, Pisek und Brüx gemünzt wurde. Auch Glatz gehörte zu den böhmischen Münzstätten. Wahrscheinlich aber gab es noch weitere Münzhäuser zu Leitmeritz, Leitomischl, Saaz und Hohenmauth. Sie wurden in diesem Zeitabschnitt entweder in Eigenregie der königlichen Kammer oder — und zwar in der Regel — von Münzunternehmern (Einzelpersonen oder Genossenschaften) betrieben. Es gibt noch eine Reihe solcher Pachtverträge, denen interessante Angaben über Pachthöhe, Pachtdauer, Rechte und Pflichten der Münzmeister, Münzpräger, Münzschreiber und des übrigen Münzpersonals sowie auch über die Ausführung der einzelnen Münzsorten entnommen werden können. Auch über das Verbot von Zahlungen mit ungemünztem Silber oder mit fremden Münzen sowie über Anordnungen der zwangsweisen Verwendung von Münzgeld im Wirtschaftsleben geben die Archivalien Auskunft. Aber trotz aller gutgemeinter Bemühungen, das Münzwesen und die gleichzeitige Wirtschaft miteinander zu koordinieren, konnten die erwähnten Mißstände nicht ausge308

rottet werden. Zahlreiche Urkunden über den Verkauf von Gütern wie auch Funde von Silber in Stangen oder Kuchenform (Barrensilber), wobei auch Bruchteile verwendet wurden, geben während des 13. Jahrhunderts Kenntnis davon. Zudem war auch das Schrot und Korn der Brakteaten einer ständigen Verschlechterung unterworfen. Diese Münzverschlechterung war auch in Böhmen nicht zuletzt das Ergebnis der schädlichen renovatio monetae. Schon in der Chronik des Cosmas ist davon die Rede, wo er im Jahre 999 den sterbenden Herzog Boleslav II. von der vernichtenden Wirkung einer allzuhäufigen Münzverschlechterung sprechen läßt. Unter diesem Herrscher hatte das Denargewicht noch 1,3 Gramm betragen; unter Vladivoi betrug es nur mehr 1,045 Gramm. Bfetislav I. versuchte zwar die Währung durch die erwähnte Einführung einer neuen Mark im Gewichte von 210 Gramm zu stabilisieren, vermochte aber nicht dadurch einem weiteren Sinken des Rauhgewichts Einhalt zu tun, das unter Wladislav I. nur mehr rund 0,69 Gramm betrug. Aber nicht nur das Schrot wurde vermindert, sondern auch das Korn, das von 860/1000 unter Boleslav I., auf 260/1000 unter Wladislav II. herabsank. Um so höher waren freilich die Gewinne der Münzherren. Nach einer von S K A L S K ? durchgeführten Schätzung waren im 12. Jahrhundert rund 4 Millionen Stück Denare im Umlauf. Bei einer Pflichteinwechslung im Zuge der renovatio würde der Reinertrag 25% = 1 Million Denare ausmachen, ein Betrag, der sich bei einer wiederholten Einwechslung im Jahr noch um ein Vielfaches steigern konnte. Das sind zwar hypothetische Ansätze, sie finden aber insofern einen Rückhalt, als wir wissen, daß die Finanzen des Landesherrn meist ziemlich bedeutend waren. So mußte Herzog Svatopluk für seine Entlassung aus der Reichshaft Heinrichs V. 10.000 Mark Silber versprechen, wovon er gleich nach seiner Rückkehr nach Prag 7000 Mark auszahlen konnte. Durch die Einführung der Brakteatenwährung wurde die Münzverrufung keineswegs beseitigt, was mit der Zeit naturgemäß zu einer Entwertung dieser ursprünglich fast aus Feinsilber geprägten Münzgattung führte. Ihr Durchschnittsgewicht von 1 Gramm später 0,74—0,73 Gramm wurde um 1250 durch die Verkleinerung des Schrötlings auf ein Gewicht von 0,43—0,58 Gramm bei gleichzeitiger Verkleinerung des Feingehaltes abgeändert. Im 13. Jahrhundert dauerte die pflichtgemäße Geldumwechslung, und zwar zweimal im Jahr, weiter fort, da Premysl Ottokar II., der nach dem Worte des Chronisten „seine Türme mit Gold und Silber vollgefüllt" hatte, durch die sein Königtum prunkvoll repräsentierende Hofhaltung wie auch durch seine ebenso erfolgreiche wie kostspielige Außenpolitik ungeheure Geldsummen benötigte. Im übrigen war auch die harte Zwangsmaßnahme der Münzerneuerung nicht imstande, ihren Zweck, die besseren alten Münzen durch schlechtere zu ersetzen, im vollen Umfange zu erfüllen. Die Münzfunde zeigen nämlich deutlich, daß dem nicht so war. Sie enthalten fast stets mehrere Typen. Wenn die Auswechslung vollkommen gewesen wäre, müßten die Funde stets nur einen einzigen Typus enthalten. Es waren indessen von 200 Funden bloß 10 monotyp. Wenn man den Nachrichten bei Cosmas vertrauen darf, wurde die Geldeinwechslung nur im 11. Jahrhundert konsequent durchgeführt, während sich später das Volk dem Druck der Münzverrufung mit Erfolg widersetzte. d) Kechnungsweise. In den böhmischen Ländern wie auch in Sachsen und Meißen wurde nach dem solidus brevis gerechnet, also nach dem Pfunde zu 20 Solidi zu je 12 Denaren. Man hatte also die Rechnungsart des Karolingerreiches übernommen. Das zeigt, daß der böhmische Handel in erster Linie nach Westen ausgerichtet war. Die beiden Nachbarn im Süden, Bayern und Österreich, verwendeten jedoch bekanntlich den solidus longus, von dem 8 auf ein Pfund gingen und der sich in 30 Denare unterteilte. 309

In den Schriftdenkmälern der Länder der Wenzelskrone werden noch im 13. Jahrhundert die Solidi breves angeführt. So z. B. im Iglauer Rechtsbuch an mehreren Stellen, so bei der Festsetzung einer Geldbuße oder der Gebühr für die Ausmessung einer Grube. Ebenso wird in der Urkunde König Wenzels I. von etwa 1253 über die Verpachtung der böhmischen Münzstätten an den Münzmeister Eberlin um 14.000 Mark festgesetzt, daß diese aus einer Mark Silber zuerst 20 kurze Solidi zu 4 Denaren, später aber 30 kurze Solidi zu 4 Denaren schlagen sollten. Ähnliches vermelden auch noch Urkunden Wenzels II. Doch war auch der Soüdus longus nicht unbekannt, wie die mährischen Stadtrechte erweisen. Außer den kurzen und langen Solidi werden in böhmischen Quellen auch ein solidus Viennensis und ein solidus viennensium denariorum erwähnt, also zweifellos der lange Solidus. In einer Urkunde Przemysl Ottokars II. von 1258, in der Gewitsch in Mähren das Stadtrecht verliehen wird, ist auch von einem solidus parvulorum denariorum die Rede, womit offenbar die kleinen zweiseitigen Denare gemeint sind, die in Mähren auch während der Brakteatenzeit geprägt wurden. Wieviel Stück von ihnen jedoch auf einen Solidus gingen, ist nicht bekannt. Im Iglauer Rechtsbuch werden auch lange Solidi angeführt. Dies ist insofern erklärlich, als sich im Iglauer Gebiet den Münzfunden nach zu schließen Kolonisten aus Österreich und Tirol angesiedelt hatten, denen der solidus longus von Haus aus geläufig war. Das macht für Mähren diese Zählweise begreiflich, die übrigens auch in Süd- und Südwestböhmen — wohl infolge der bayrischen und österreichischen Nachbarschaft — gebräuchlich war. Nord- und Mittelböhmen rechneten dagegen nach dem solidus brevis. Die Rechenweise nach Pfund und Solidus währte noch bis in die Groschenzeit hinein. Die Prager Groschen, auch grossi denarii genannt, entsprechen nämlich 12 Kleinpfennigen (parvi denarii), was dem denarius brevis, den er ersetzte, genau entsprach. Das Pfund wurde im 14. Jahrhundert insbesondere in Heller unterteilt. Nach der Münzordnung Karls IV., die er im Jahre 1376 aus Nürnberg erließ, wurden die Heller mit einem solchen Feingehalt geprägt, daß 1 Pfund bis 1 Pfund 3 Heller ( = 240—243 Heller) einem Gulden rheinischer Währung entsprach. Karls Sohn, Wenzel IV., ordnete dagegen 1385 die Einführung einer neuen Währung und Hellermünze in Schwaben und Franken an, indem 1 Pfund Heller einem böhmischen oder ungarischen Goldgulden mit einem Feingehalt von 986/1000 und nicht einem rheinischen mit einem Korn von bloß 739/1000 gleichgesetzt werden sollte. Nach Pfund und Solidus, für den sich jetzt die neue Bezeichnung Schilling einbürgerte, wird noch zu Ende des 15. Jahrhunderts gerechnet, offenbar aus Rücksicht auf den Handelsverkehr, insbesondere mit Österreich, wo diese Rechenweise noch immer im Schwange war. e) Groschenperiode. Den leicht zerbrechlichen Brakteaten widerfuhr infolge der auch bei ihnen ausgeübten Renovatio alsbald das gleiche Schicksal wie den Denaren. Ursprünglich ausgegeben, um ein besseres Geld zu schaffen und dadurch gleichzeitig der Infiltrierung durch die Meißner Brakteaten zu begegnen, unterlagen auch sie der sukzessiven Verschlechterung, so daß sie für die Wirtschaft auf die Dauer untragbar wurden. Nicht nur die Schriftquellen, sondern auch die Funde beweisen, daß der Handel wieder zur älteren Form zurückkehrte und sich anstatt des schlechten gemünzten Geldes der verläßlichen Barrenwährung bediente, die überdies noch den Vorteil besaß, durch Gewicht und Feingehalt größere Beträge leicht auszahlen zu können. Die Wirtschaft drängte infolgedessen schon längst nach einer größeren Silbermünze, 310

mit der Zahlungen mittleren Umfanges leicht bewerkstelligt werden konnten. Ludwig IX. von Frankreich, der Heilige, schuf sie 1266 in der Form des gros tournois, der Turnose. Mit ihrer Schöpfung wurde nicht nur für Frankreich die Zeit der alleinstehenden Pferinigprägung endgültig abgeschlossen, sondern auch für alle Länder ringsum der gleiche Fortschritt angebahnt. Auch für Böhmen. Diesem wurde diese einschneidende Reform aber vor allem dadurch ermöglicht, daß am Ende des 13. Jahrhunderts bei Kuttenberg ungeahnt reiche Silberlager erschlossen wurden. Die Silbererze im Bergrevier von Iglau hätten den durch ein Pfennigvielfaches gestellten Anforderungen keineswegs mehr genügen können. Zu Anfang der Regierung König Wenzels II. (1283—1305) waren die Abhänge der Hügel um die spätere Stadt Kuttenberg fündig geworden. Es entstand ein förmliches Silberfieber, so daß von allen Seiten Menschen herbeiströmten, Bergleute wie Gewerbetreibende, zuletzt auch Bergbauunternehmer (Gewerken), die alsbald den Betrieb in ihre Hände nahmen, organisierten und auch finanzierten. Aus der ursprünglich nur ganz kleinen Berggemeinde entstand alsbald eine königliche Bergstadt. Für die Zeit von 1240 bis 1628 wurde die Kuttenberger Produktion auf mehr als 8 Millionen Gewichtsmark berechnet (s. o. S. 160 f.), was einen Jahresdurchschnitt von 21.000 Mark ergibt. Da aber im 16. Jahrhundert die Produktion auf rund 12.000 Mark und später auf noch weniger zurückging, darf man annehmen, daß sie dafür in der Anfangszeit um so bedeutender gewesen sein muß. Wenzel II. hat den Kuttenberger Bergbau sehr gefördert. In seiner 1300 erlassenen Bergordnung pries er ihn als ein den Königen von Böhmen vom Anbeginn der Welt durch Gottes Fügung vorbehaltenes Geschenk. Der reiche Ertrag — es ist dies eine frühe Parallele zum Schwazer Silberbergbau — versetzte ihn in die Lage, im Jahre 1300 auch die so notwendige Münzreform durchzuführen. Sie wurde in jeder Hinsicht sorgfältig vorbereitet. Schon 1299 war Wenzels Kanzler, Bischof Peter von Aspelt von Basel, mit dem Auftrag nach Italien gereist, dort geeignete Fachleute anzuwerben. Er fand sie auch wie Meinhard II. von Tirol in Florenz, und die Chronik von Königsaal vermerkt ausdrücklich „viros industrios Reinhardum scilicet Alphardum et Cynonem Lombardum . . . qui in talibus negotiis tantam habebant experientiam, quod utiliter dirigere poterant rem tantam magnam". Vermutlich war ihnen bei der organisatorischen Vorbereitung der Reform als juridischer Berater auch der schon erwähnte Professor des römischen und kanonischen Rechtes Gozzius von Orvieto behilflich, der auf Wunsch des Königs vom Kardinal Matteo Orsini schon 1294 nach Prag empfohlen worden war, um hier die Kodifizierung des Landrechts vorzubereiten. Als dieses Vorhaben jedoch am Widerstand der böhmischen Stände scheiterte, war er dann mit der Bearbeitung des böhmischen Bergrechts, den „Constitutiones juris metallici" betraut worden, das von Wenzel II. offenbar gleichzeitig mit der Münzreform erlassen wurde. Beides war enge miteinander verknüpft, weil im Bergrecht die Ablieferungspflicht für das geförderte Silber an die königliche Münzstätte angeordnet war; ferner wurde auch das Bezahlen in Münzgeld kodifiziert, indem bei sämtlichen Käufen und Verkäufen nur dieses verwendet werden durfte. Damit war der Verschiebung von Silberbarren über die Landesgrenzen ein Riegel vorgeschoben. Die königliche Kammer war, wie wir schon hörten, insbesondere unter dem prunkliebenden PrzemyslOttokar II. in immer größere Schulden geraten; von ihr aus konnte daher die Münzreform keineswegs finanziert werden. Dies geschah wohl durch die ins Land gerufenen Italiener, den „socii de Florencia", deren Capo offenbar R e i n h a r d oder R i n i e r i war, der alsbald Mitglied der königlichen Kammer und später Hauptmann von Krakau wurde. Auch er erinnert uns an einen anderen Italiener in ähnlicher Funktion: Anthoni von Roß bei Erzherzog Sigmund von Tirol. In Krakau oblagen Reinhard ver311

mutlich auch wirtschaftliche Aufgaben, darunter vielleicht auch die Prägung von böhmischen Groschen, da auch Polen bald nach 1300 die Groschenwährung annahm, sobald Wenzel II. die Krone dieses Landes als Gegenkönig Wladislavs IV. (I.) empfing. Die Florentiner gelangten in Böhmen zu ziemlichem Reichtum, wahrscheinlich als Pfand für ihre hier investierten Geldmittel. König Johann wurde nach 1316 von der Signoria um die Bezahlung von 28.000 Mark Silber gemahnt, den Rest der Ansprüche der Gesellschaft an die königliche Kammer. Dies läßt darauf schließen, daß die socii de Florencia die finanzielle Unterstützung ihrer Vaterstadt genossen, vielleicht sogar deren Bevollmächtigte gewesen waren. Die langjährige Anwesenheit der ebenso fachkundigen wie auf ihren eigenen Vorteil bedachten Italiener hat übrigens auch im Stadtbild von Kuttenberg ein Denkmal hinterlassen, den sogenannten „Welschen Hof", in dem auch die Könige residierten, wenn sie die Stadt besuchten. Das Haus, bleibender Wohnsitz des Obersten Münzmeisters von Böhmen, hieß auch der „Münzhof", weil sich hier die Münzstätte befand. Aber auch sonst erinnert so manches bauliche Detail an bergbauliche und münzerische Tätigkeit, vor allem in der schon erwähnten, der Patronin des Bergbaues geweihten Barbarakirche. Die Fresken in ihr sind unschätzbare Bilddokumente alter Münztechnik, aber ebenso ein Beweis für die ganz besondere Stellung der Kuttenberger Münze. Denn zugleich mit ihrer Gründung wurden sämtliche anderen Münzstätten im Lande aufgelassen, wodurch Kuttenberg im böhmischen Münzwesen bis auf weiteres geradezu ein Monopol erreichte. Durch die Umschrift GROSSVS PRAGENSES auf den neuen Geldstücken verleitet, hat man früher Prag als Prägestätte angenommen, was durch eine tatsächliche Ausprägung zu Prag im Jahre 1310 bekräftigt wurde. Aber seit diesem Jahr regierte schon die Dynastie Luxemburg in Böhmen, da die Przemysliden mit Wenzel III. 1306 ausgestorben waren, während Rudolf von Österreich, ein Sohn Kaiser Albrechts und Böhmenkönig, bereits 1307 verstarb und sein Nachfolger, Heinrich von Kärnten, ein Sohn Meinhards II. von Tirol und Kärnten, sich im Lande nicht behaupten konnte. Es ist demnach zu vermuten, daß die Prager Groschenmünzung des Jahres 1310 nur eine vorübergehende war, da die Lage der Kuttenberger Münzstätte im Mittelpunkt eines großartigen Silberbergbaues schon wegen der gesetzlich verankerten Silberablieferung eine andere Deutung nicht zuläßt. Trotz Beschränkung der Groschenprägung auf Kuttenberg bei Einführung dieser neuen Sorte, lassen sich dennoch Spuren einer Münztätigkeit dieser Periode auch in M ä h r e n verfolgen. Es scheint, daß hier schon am Ende der zwanziger Jahre des 14. Jahrhunderts die markgräfliche Münzstätte in Betrieb stand, in der, wenn auch nur zeitweise, Kleinmünzen geprägt wurden. Vorläufig aber fehlt noch das zur Bestätigung dieser Annahme erforderliche Münzmaterial. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß in der Regierungszeit von Karls IV. Bruder Johann Heinrich (f 1375), der Markgraf von Mähren und Gatte der Margarete Maultasch von Tirol war, der Hohlheller mit dem geschachten mährischen Adler entstanden ist, was der Bedeutung Brünns zu dieser Zeit entsprechen würde. So sind uns nur aus der Zeit des Markgrafen Jodok (f 1411), Johann Heinrichs Sohn aus seiner dritten Ehe mit Margarete von Österreich, sichere mährische Gepräge bekannt. Strittig sind nur noch die Heller mit dem IO unter der Krone, was sowohl Iodocus als Iohannes bedeuten könnte. Sie fallen keineswegs in die Zeit der Vierschlag-Pfennige, also in die Jahre von 1384 bis ins zweite Viertel des 15. Jahrhunderts. Die neue Münzsorte nannte sich ausdrücklich Grossus und gab auch stets den Namen des jeweiligen Prägeherrn an, bei dem meist auch die Ordnungszahl der Herrscher wie WENCESLAVS SECVNDVS oder IOHANNES P R i M v s aufscheint. Nur König Wenzel IV. machte hier insofern eine Ausnahme, da er auf den Groschen TERCIVS genannt wird, ob312

wohl dies der letzte Przemyslide war, der indessen ebensowenig Groschen geprägt zu haben scheint wie seine beiden Nachfolger Rudolf und Heinrich. Bei der großen Zahl von Varianten der Groschen Wenzels II. ist daher anzunehmen, daß während der Übergangsperiode und der mit ihr verbundenen kriegerischen Verwicklungen die Stempel Wenzels II. weiter benützt wurden. Die Groschen haben einen Durchmesser von 28 mm; auf der Vorderseite tragen sie rings um die Krone des hl. Wenzel zwei Schriftzeilen mit Herrschernamen und Titel, auf der Rückseite rings um den doppelschwänzigen böhmischen Löwen die Bezeichnung grossi pragenses, was wohl auf die Landeshauptstadt und damit auf das Entstehungsland hinweisen sollte, da ja dieser Stadtname auch im Auslande bekannt war, was man bei dem jungen Kuttenberg kaum annehmen konnte. Die Groschen waren von sehr gutem Silber mit einem Feingehalt von rund 950/1000, ein Umstand, der ihnen alsbald eine weite Verbreitung jenseits der Landesgrenzen sicherte, vor allem natürlich dort, wo es noch keine größere Silbermünze gab. Sie eroberten sich große Teile Österreichs und Ungarns, das alsbald auch Pfennigvielfache einführte, die jedoch nicht lange im Umlauf waren. In Österreich verwendete man die böhmischen Groschen für größere Zahlungen an Stelle des früheren Barrensilbers und neben Goldmünzen. Die deutschen Städte aber versahen die bei ihnen umlaufenden Groschen mit einem Gegenstempel, der die Stücke als eine lokal gültige Umlaufsmünze kennzeichnete; insbesondere in Westfalen, Niedersachsen und Schwaben finden wir solche kontermarkierte Prager Groschen. Die grundlegende Gewichtseinheit dieser neuen Münzsorte war die Mark, die nunmehr Prager Mark hieß. Sie wog 253,14 Gramm, war fünfzehnlötig und entsprach im Gewicht 64 Groschen zu je 3,9 Gramm. Solange der Feingehalt auf der erwähnten Höhe stand, galt eine Mark Groschen gleich einer Mark Feinsilber. Aber anscheinend war der Groschen noch immer zu gering für die Erfordernisse des Groß- und Fernhandels. Man übernahm daher von der Landwirtschaft die Rechnungseinheit des „Schock" und rechnete mit Schock Groschen. Noch heute ist uns ein Schock Eier geläufig, und die Schockrechnung, die im Mittelalter eine allgemeine Verbreitung hatte, wurde später „auf die Münze übertragen, und zwar auf die ersten Prager und meißnischen Groschen, welche zu 60 Stück auf die feine Mark ausgebracht wurden. Aus diesem wirklichen Schock wurde aber sehr bald ein Rechnungsschock oder Zahlschock. Diese Rechnungsweise hörte im 16. Jahrhundert nach Einführung des Guldengroschens oder Talers, der ursprünglich gleich 1 Schock oder 1 fl war, auf" (1088). Das Schock Groschen (sexagena grossorum) war in Böhmen gebräuchlich, während man in Mähren mehr mit einer Mark Groschen mährischen Münzfußes und mährischer Aufzahl zu 64 Groschen (marca grossorum Pragensium moravici numeri et pagamenti pro marca sexaginta quattuor grossorum computando) rechnete. Nur ausnahmsweise wird in Mähren die Mark mit 62 Groschen berechnet. Außerdem gab es auch eine königliche oder leichte Mark (marca regalis, marca levis) zu 56 Groschen im Gewichte von 221,48 Gramm, die der Görlitzer oder Zittauer Mark entsprach. Diese beiden Städte lagen in der Lausitz, die ja im 14. Jahrhundert zu Böhmen gehörte. Die königliche Mark wurde bei der Verrechnung der königlichen Schulden und der an die königliche Kammer abgeführten Abgaben verwendet. Eine besondere Markgattung war schließlich die Bergmark (marca montana) zu 48 Groschen, in der auch Geldbußen berechnet wurden, weshalb sie auch Straf mark (marca emendalia) hieß; sie entsprach bei einem geringen Gewichtsunterschied der polnischen Mark. Diese verschiedenen Arten der Mark werden als Überbleibsel aus früherer Zeit erklärt, wo man bei Zahlungen in Metall die Preise auf Groschenwährung umrechnen mußte. 313

Im übrigen war die Bergmark elflötig, die königliche und die schwere mährische Mark dreizehn- und die Schockmark vierzehnlötig. Die Mark teilte man in Halbmarken {media marca) und in Vierlinge (fertones) zu je 4 Lot, wobei das Lot in 4 Quentchen (64 Q — 1 Mark) unterteilt wurde. 1 Quentchen war einem, das Lot 4 und ein Vierung 16 Groschen gleich. Den Prager Groschen nannte man zunächst denarius grossus Pragensis, also Groschen oder dicker Pfennig. Bald aber ließ man das Wort denarius fort und nannte die neue Münze einfach Grossus oder Groschen. Nur in den Urkunden, insbesondere bei den lateinischen, begegnet man noch sehr häufig der ursprünglichen längeren Bezeichnung. Der Kaufwert eines Groschen, der fast 4 Gramm wog, war ziemlich hoch; es wurde daher ein Teilwert in dem denarius parvus, dem kleinen Pfennig geschaffen, der allgemein bloß parvus genannt wurde. 12 solcher Parvi gingen auf einen Prager Groschen, an den diese Kleinmünze auch äußerlich erinnerte: die Wenzelskrone auf der Vorderseite, der böhmische Löwe auf der Rückseite, auf dieser auch die Wertbezeichnung PARVI PRAG(enses). Die Münze trug auch den Herrschernamen und wog im Durchschnitt 0,48—0,54 Gramm; der Feingehalt betrug durchschnittlich 544/1000, der Durchmesser 15—16 mm. Später wurden die Parvi Heller genannt, eine Bezeichnung, die sich von der Stadt Schwäbisch Hall herleitet. Die Groschenwährung knüpfte insofern an die Denarwährung an, als der Groschen zu 12 Parvi oder Pfennige eigentlich ein ausgeprägter Solidus war. 20 Groschen gingen auf ein altes Pfund oder Talent. Ein Schock Groschen enthielt demnach 60 mal 12, das sind 720 Parvi und glich daher 3 Talenten. Später war dies auch dem valor intrinsecus nach der Fall, als man im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts mit Rücksicht auf die Handelsbeziehung mit Schwaben den dort entstandenen Heller zu verwenden begann. In böhmischen Urkunden kommt daher mitunter auch die Bezeichnung parvi hallenses vor, und mit der Zeit geriet die Bezeichnung parvus denarius ganz in Vergessenheit. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts wird dann eine andere Kleinmünze Denar oder Pfennig genannt. Schließlich büßte der Parvus oder Heller nach und nach seinen ursprünglichen Wert ein, so daß einem Groschen nicht mehr 12 Parvi, sondern in der Regel 14—18, ja sogar mehr entsprachen. Der Prager Groschen wurde zwar als dauernder konstanter Geldwert geplant, trotzdem widerfuhr auch ihm das Schicksal jeder besseren Münzgattung seines Zeitalters, daß er seinen ursprünglichen Feingehalt nicht beibehalten konnte. Schon zwischen 1314—1317 mußte dieser herabgesetzt werden. König Johann I. weilte um diese Zeit nicht im Lande und ließ sich aus Böhmen bedeutende Geldmittel in die Fremde nachschicken. Obwohl er als schlauer Diplomat den Besitz der böhmischen Krone nicht unbeträchtlich vermehrt hatte, fügte er andererseits durch seine Verschwendungssucht und Gewissenlosigkeit dem Lande schweren Schaden zu. Mißernte und Teuerung kamen dazu. Die Königsaaler Chronik berichtet zum Jahr 1327, daß der König Finanzfachleute aus Florenz nach Böhmen berief, auf deren Rat insbesondere bei den Parvi der Feingehalt verringert wurde. Ihr Kupferzusatz war auch äußerlich erkennbar und rief beim Volke, bei dem der König ebenso verhaßt war wie beim Adel, großes „Geschrei" hervor, zumal das „verdorbene Aussehen" der Parvi beim Kauf und Verkauf sehr hinderlich war. Es war dies eine regelrechte Inflation; sie sollte sich in der Groschenzeit übrigens noch mehrmals wiederholen. Die 12 Parvi, die den Wert eines Groschen haben sollten, waren jetzt höchstens die Hälfte wert. Vielleicht sind diese Parvi mit den Kupferhellern identisch, die 1366 und 1367 in Brünner Quellen erwähnt werden. Aus den dreißiger und vierziger Jahren ist eine Reihe von Beispielen bekannt, in denen sich der Geldemp314

fänger gegen eine Verschlechterung des Feingehaltes durch eine Zahlung in Feinmetall sicherte, was auf ein bedeutendes Absinken des Korns schließen läßt. Das Personal des Unterkämmerers war überdies in dieser Zeit instruiert worden, bei Steuerzahlungen die „kleinen Groschen" in jedem Fall zurückzuweisen, da man bei diesen Stücken in Prag beim Ausgeben */« verliere. Am ärgsten war die Verschlechterung der Parvi in den letzten Regierungsjahren König Johanns. Sie führte zwangsläufig zu einer Erhöhung des Ungeldes. König Johann fiel 1346 in der Schlacht bei Crecy als Mitkämpfer Frankreichs gegen England. Sein Sohn und Nachfolger Karl I. (als deutscher König und Kaiser IV.) bemühte sich, das Münzwesen wieder in Ordnung zu bringen. Seine älteren Groschen haben nämlich noch den gleichen geringen Feingehalt wie die seines Vaters, von denen 84 y 2 auf die Prager Mark gingen. Im Jahre 1353 aber wurden auf eine Mark nur mehr 75—78 Stück gerechnet. Die Reform muß daher zwischen diesem Jahr und seinem Regierungsantritt durchgeführt worden sein. Aus dieser Zeit, vom 28. März 1350, existiert nämlich ein Brief des Richters und Rates von Kuttenberg, daß damals neuerlich italienische Berater, Andrea und Thobaldo von Florenz, in der Bergstadt anwesend gewesen seien. Trotz dieser Verbesserung des Feingehaltes wurden zwischen 1360—1375 wiederum Zahlungen in Feinsilber oder in vollwertiger Münze, wenn die Münze geändert werden sollte (si moneta terre processu temporis fuerit immutata), erwähnt. Ähnliche Nachrichten bringen auch die Stadtbücher von Brünn, wo jedoch 1364 ausbedungen wurde, daß bei einer solchen Änderung nur der halbe Betrag ausgezahlt werden sollte, was auf eine Verbesserung um 50% hinweisen würde. Auch aus ihrem Verhältnis zu der mittlerweile eingeführten Goldmünze ist dies ersichtlich. Mit der Herabsetzung des Feingehaltes der Heller änderte sich auch ihr Verhältnis zum Groschen. Es scheint übrigens mehrere Hellergattungen gegeben zu haben, deren Wert zwischen 1/i2 und 1/i4 Groschen schwankte, wobei in der Praxis für den Groschen sogar noch mehr bezahlt wurde, 1378 ist in Brünn dieses Verhältnis 16: 1; bei noch schlechteren Hellern sogar 18—24: 1. Diese ungeordneten Münzverhältnisse führten am 2. November 1378 zur Verlautbarung einer neuen Münzordnung durch Karl IV. Auf 100 Mark Silber kamen jetzt 12 Mark Kupfer; aus jeder so legierten Mark sollten 70 Groschen geschlagen werden. Diese Legierung galt auch für die Heller, von denen 12 Stück einen Groschen galten. Trotz der für die Nichtbefolgung dieser Ordnung festgesetzten strengen Strafen, scheint sie jedoch in der Praxis dennoch nicht konsequent durchgeführt worden zu sein, denn die Heller besaßen nur mehr 60% des vorgeschriebenen Feingehalts. Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, daß Karl IV. und sein Sohn Wenzel IV. seit 1374 eine Zeitlang auch in ihrer fränkischen Münzstätte Erlangen als eine Abart der Regensburger sogenannte Erlanger oder böhmisch-pfälzische Pfennige schlagen ließen, die aber alsbald wieder aus dem Verkehr verschwanden. Mit dem Regierungsantritt von Karls älterem Sohn Wenzel IV. im Jahre 1378 kam für das böhmische Münzwesen wie für das Land selbst eine böse Zeit. Er trieb es schließlich so weit, daß er als Gefangener des gegen ihn gebildeten Herrenbundes nach Oberösterreich gebracht und hier von den Herren von Starhemberg auf ihrem Schlosse Wildberg im Haselgraben festgehalten wurde. Auch als deutscher König wurde er im Jahre 1400 abgesetzt und Ruprecht von der Pfalz zu seinem Nachfolger erwählt. Wenzel hatte seinen jüngeren Bruder, den ungarischen König Sigmund, zum Verweser des Königreiches Böhmen ernannt, der sich durch seine Strenge den Adel zum Gegner machte. 315

Von Wien, wo ihn die österreichischen Herzoge bewachen sollten, gelang es Wenzel zu entkommen und nach Böhmen zurückzukehren, wo sich bereits die ersten Anzeichen einer religiösen Bewegung bemerkbar machten, die alsbald Mitteleuropa in schwere Verwirrung stürzen sollte. Aus der religiösen wurde eine nationale Bewegung, als sich der Wiklifianer Johannes Huß zu ihrem Mittelpunkt machte. Als er 1415 zu Konstanz am Bodensee als Ketzer den Feuertod erlitt, loderten die Flammen der Empörung empor. Unter Anführung des Ritters Johann 2izka von Trocnow erstürmten die Aufrührer im Jahre 1419 das Rathaus der Prager Neustadt; als sie die ersten Greueltaten verübten, machte ein Schlaganfall dem Leben des unseligen Wenzel ein Ende. Dieser König, der sich zu Beginn seiner Regierung noch bemüht hatte, die Ordnung zu erhalten, kümmerte sich zu dieser Zeit auch um das Münzwesen. Wahrscheinlich bereits 1383 traf er Vorkehrungen zur Prägung besserer Heller, um die aus den verschiedenen Wertstufen der Kleinmünzen sich ergebenden Schwierigkeiten zu beheben. Von diesen neuen Hellern mit dem gekrönten Königskopf auf der Vorderseite durften, wie schon früher, wieder nur 12 Stück auf einen Groschen gehen, bei sonstiger pena perdicionis rerum et corporis. Aber bereits 1384 wurden abermals neue Heller ausgegeben und die erwähnten wieder eingezogen. Nach einer Verordnung vom 27. November dieses Jahres wurden nunmehr Schwarzpfennige (denarii nigri quadrate figure) geprägt, von denen 7 Stück einem Groschen entsprachen, und überdies Heller, von denen 14 einen Groschen ausmachten. Die älteren aber, die noch unter dem Kuttenberger Münzmeister Martin Rotlew geprägt worden waren, sollten von der Münzstätte zu einem Kurse von 26 Groschen je Mark gegen neue Münzen umgewechselt werden. Was aber noch tiefer ins Wirtschaftsleben eingriff, war die leidige Tatsache, daß auch der Wert der Groschen ständig abnahm. Zur Zeit Wenzels II. kostete ein Goldgulden noch 12 Groschen, 1327 bereits 16, unter Karl IV. sank er für eine kurze Weile wieder auf \2y 2 bis 13, stieg aber in seinem Todesjahr 1378 auf 17, 1380 auf 18 und 1384 sogar bis auf 21 % Groschen. Der erwähnte Herrenbund, der sich gegen Wenzel IV. gebildet hatte, forderte dann auch die Verbesserung des Groschenkorns, worauf der König nach langem Zögern endlich einging; es sollten nunmehr aus einer Mark Silber 80 Groschen geprägt werden, was indessen nicht genau eingehalten werden konnte. Immerhin stabilisierte sich der Wert eines Groschens auf der Höhe von 1386, nämlich auf 20 Stück je Goldgulden. Durch die Einführung der Vierschlagpfennige als J/7 und der Heller als 1 ju Groschen hatte sich jedoch die Lage weiter kompliziert, da „gute" alte und geringe neue nunmehr nebeneinander umliefen. Die alten wurden zu 12 und auch zu 13 Stück je Groschen angenommen. Aber dieser war selbst infolge der hussitischen Wirren entwertet. Überdies drang nunmehr auch wieder fremdes Geld ins Land, insbesondere Nürnberger Heller, die annähernd soviel galten wie die neuen böhmischen. Im Jahre 1407 wurde offenbar abermals eine Neuregelung des Münzwesens versucht, indem der Feingehalt der Groschen mit 610/1000, der der Pfennige und Heller mit 400/1000 vorgeschrieben wurde. Aber auch diese Neuerung dauerte nicht lange, da der Wert des Goldguldens von 20 Groschen im Jahre 1400 auf 23 im Jahre 1409 angestiegen war. Die bewegten Zustände am Ende der Regierung Wenzels IV. und erst recht zur Hussitenzeit hatten einen Niederbruch des böhmischen Münzwesens zur Folge. Zunächst hörte die Groschenprägung auf; sogar die Kuttenberger Münzstätte mußte 1418 Zahlungen in kleiner Münze leisten. Die schlechte Beschaffenheit des Münzwesens war übrigens eine der Ursachen der hussitischen Bewegung. Die Zentralgewalt war so gut wie erloschen; über die politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten entschieden 316

107. Böhmen, Hussitenheller, 15. Jh.

PP

108. Mähren, Iglauer Stadtpfennig (Hussitenzeit)

die streitenden Parteien, nicht mehr der König. Sigmund von Ungarn hatte sich 1419 der Stadt Kuttenberg bemächtigt und sie mit einer Unterbrechung bis zu Ausgang des Jahres 1421 gehalten. In der Kuttenberger Münzstätte prägten sodann die Utraquisten, auch Kalixtiner (Kelchner) genannt, deren Mittelpunkt die von Karl IV. gegründete Prager Universität war. Sie bildeten den schärfsten Gegensatz zur radikal-demokratischen Partei der nach dem Berge Tabor benannten Taboriten. Die Utraquisten schlugen Groschen und Pfennige „unter königlichem Gepräge", von denen die Pfennige auch Horske peni^e, d. h. Kuttenberger genannt wurden. Ein Beschluß der „Großen Gemeinde" in Prag vom 30. Mai 1422 lautete, daß diese Pfennige und Groschen nur zu Prag und Kuttenberg geprägt werden durften. Ausdrücklich erklärte dann der St.-Galli-Landtag im Jahre 1423, daß „für das allgemeine Wohl und für die Wiederherstellung und Förderung Böhmens" die Kuttenberger Sorten mit gutem Feingehalt und von gleichem Schlag wie die Prager ausgeprägt und wie Groschen und Pfennige unter König Wenzel II. ruhmreichen Angedenkens und auch nach seinem Tode gerecht und silbern hergestellt und allgemein in Umlauf gesetzt werden sollten. Allen jenen aber, die Kupfergroschen oder Kupfer- und Bleipfennige in Umlauf setzten, drohten schwere Strafen. Außer in Kuttenberg wurden Groschen und Schwarzpfennige unter „königlichem Gepräge" 1420/21 auch in Prag geschlagen. Als man hier kein Silber mehr erhielt, waren die Pfennige aus reinem Kupfer; sie hießen Flitter (flütky). Zur selben Zeit schlug man sie auch in Tabor. Als der Münzmeister Sigmund Korybutowicz, der 1422 die Agenden seines Amtes in der Mehrzahl der Münzstätten übernommen hatte, nach ungefähr achtmonatiger Tätigkeit abzog, kam Kuttenberg in die Hände der Prager, die hier um etwa 60% geringerhältige Münzen schlugen. 1427 fiel Kuttenberg an die Taboriten und die Partei der „Waisen", die keine besonderen Münzen schlugen. Alles dies zusammengenommen verursachte, daß die Prager Groschen im Ausland das ihnen bisher geschenkte Vertrauen einbüßten. Im Jahre 1428 begann der oberschwäbische Münzbund und einzelne deutsche Städte die guten Groschen mit ihren Gegenstempeln zu versehen. Auch Iglau und Brünn taten dies als einzige in den böhmischen Ländern gelegene Städte, jene mit dem Bilde eines Igels, diese mit dem mährischen Adler. Das Währungssystem, das die Luxemburger geschaffen hatten, blieb unter den Hussiten unverändert. Die Abweichungen betrafen nur das Verhältnis des Groschens zum Goldgulden. Bis März 1428, als Kuttenberg noch von Korybutowicz verwaltet wurde, stand der Goldgulden auf 22 Groschen und 12 Heller, später unter der Prager Administration auf etwas mehr als 23 und 1424 unter der Partei des 2izka auf 24 Groschen. 317

Zur selben Zeit berechnete man die Prager Groschen in Schwaben mit 16 Hellern. 1429 galt der neue Florin (Goldgulden) 25, fünf Jahre später bereits 26 Groschen. Während der Hussitenzeit zirkulierten in Mähren eine Menge verschiedener Münzsorten. Außer einheimischen, markgräflichen Prägungen und solchen von Kuttenberg waren auch die Münzen von Sigmund von Ungarn und seinem Schwiegersohn Albrecht von Habsburg im Umlauf. Fast gleichzeitig prägten auch die mährischen Städte eigene Münzen, und zwar in chronologischer Reihenfolge zuerst Olmütz, dann Brünn, Znaim und Iglau, alle mit dem Bilde des mährischen Adlers. Dessen Brustschild enthält entweder die Buchstaben Z(naim) oder I(glau) oder er fehlt überhaupt. Nach dem Vorbild der Wiener Pfennige kommen 1435/36 die Pfennige auch mit dem österreichischen oder dem Brünner Balken im Brustschild des Adlers vor. Eine Sorte mit G könnte der Stadt Jamnitz angehören. Diese Stadtmünzen zirkulierten sowohl in Mähren als auch in Böhmen bis ins 16. Jahrhundert hinein. Es waren dies lauter nummi (Pfennige), von denen 7 auf einen Groschen gingen. Es dürften aber auch Obole oder Heller genannte Halbstücke geprägt worden sein. Es wurde schon erwähnt, daß Prager Groschen mit dem Gegenstempel von Iglau und Brünn versehen wurden. Wir wissen jedoch nicht, ob diese Kontermarkierung auf Befehl der Städte in ihren Münzstätten erfolgt ist, da die schriftlichen Quellen darüber keine Auskunft geben. In Mähren wurde, wie bereits erwähnt, die mährische Mark zu 64 Groschen verwendet; die Unterteilung der Groschen in Parvi war die gleiche wie in Böhmen. Die Brünner Stadtbücher geben Kunde davon, daß der Wert eines Parvus (Hellers) allmählich sank: anstatt 12 wurden mit der Zeit 18, ja sogar 24 Stück auf einen Groschen gezählt. Diesen Tiefstand zeigt eine Beschwerde der Brünner Armen vom Jahre 1378. Wahrscheinlich nach Wiener Vorbild rechnete man die Heller auf Pfunde um; so 1323 bei einer Geldstrafe von „fünf phunt cleyner Bemische phenninge". In Brünner Quellen findet man auch das „talentum grossorum" als Straftaxe in der Höhe von 20 Groschen oder 240 Parvi erwähnt, wobei der Wert eines solchen Talentes variabel ist. 1436 gab Sigmund, der in diesem Jahre als König von Böhmen anerkannt worden war, auf dem Landtag in Iglau den böhmischen Ständen zwar das feierliche Versprechen, er wolle für das Wohl des Landes, daß wieder ein guter Groschen hergestellt werde, wie er unter Wenzel II. im Schwange war; aber dieses Versprechen ist nie erfüllt worden, da der König und zugleich Kaiser schon im Dezember des folgenden Jahres zu Znaim in Mähren verstarb. Die Nachfolge in Böhmen trat der Habsburger Albrecht V. an, der als Gemahl von Sigmunds Tochter Elisabeth auch König von Ungarn war. Aber schon zwei Jahre später ereilte ihn auf einem Zuge gegen die Türken der Tod. Sein nachgeborener Sohn Ladislaus Postumus als rechtmäßiger Nachfolger beziehungsweise Elisabeth als dessen Mutter und Vormund sahen sich den größten Schwierigkeiten gegenüber. In Böhmen wurde Georg von Kunstadt auf Podiebrad von König Friedrich IV. mit der Verwaltung des Landes betraut und 1452 zum Reichsverweser gewählt. In Ungarn regierte der aus Polen ins Land gerufene Wladislav I., ein Enkel Ludwigs des Großen, Königs von Ungarn und Polen, bis zu seinem Tode in der Schlacht bei Warna 1444. Darauf wurde der tapfere Türkensieger Johannes Hunyadi Reichsverweser. Endlich konnte auch der erst achtzehnjährige Ladislaus Postumus in die böhmische Hauptstadt einziehen, um hier seine Vermählung mit einer französischen Prinzessin zu feiern, als er, angeblich an Gift 1457, in Prag plötzlich verstarb. In Ungarn und Böhmen kamen nun nationale Könige auf den Thron: in Ungarn Matthias Corvinus, der Sohn des Jo318

hannes Hunyadi, in Böhmen Georg von Podiebrad, der 1459 zu Brünn vom Kaiser damit belehnt wurde, nachdem er ihn trotz eigener Ansprüche auf Böhmen schließlich wohl oder übel hatte anerkennen müssen. Daß sich in dieser Übergangszeit von dem noch immer untergründig schwelenden Hussitismus bis zur Errichtung eines nationalen Königtums das Münzwesen nicht erholen konnte, liegt auf der Hand. Was sich auf diesem Gebiete ereignete, ist alles mehr oder weniger provisorisch, nirgends finden sich in diesen Jahrzehnten Ansätze zu etwas Andauerndem. Dem Kuttenberger Pfennig mit dem Vierschlag wurde um 1450 eine neue, kreisrunde Emission gegenübergestellt. Es waren dies Pfennige (nummi) mit einem Feingehalt von 400/1000, die Prager Pfennige genannt wurden, um sie von den alten Kuttenbergern, die offenbar nicht weitergeprägt wurden, zu unterscheiden. Diese Bezeichnung der neuen Halbgroschen erhielt sich vielleicht bis 1460. Unter Ladislaus Postumus waren nur wenige Groschen in Umlauf, dafür aber umsomehr die kleinen Rundpfennige unter der Bezeichnung Denare, Pfennige (pent^e), Prager Pjennige (prazske peni^e) usw. Schon diese Vielfalt der Namen läßt die herrschende monetäre Unsicherheit erkennen. Infolge des Groschenmangels mußten oft ansehnliche Beträge in Kleingeld beglichen werden. Als Ersatz für die Prager Groschen dienten die Meißner Groschen, die damals in großen Mengen in Böhmen umliefen. Auch kleine Wiener Pfennige, von denen wie die Prager 7 Stück auf den Groschen gingen, waren in den Münzumlauf eingedrungen. Ihr Wert sank jedoch alsbald, als die edelmetallarmen und daher wertlosen Schinderlinge Kaiser Friedrichs III. sich auch in Böhmen verbreiteten. Sie wurden dann von den etwas besseren Pfennigen der Wiener Hausgenossen unter dem Münzmeister Niklas Teschler aus den Jahren 1457—1460 abgelöst (s. o. S. 287). Im Jahre 1458 wurde an Georg von Podiebrad für seine dem Kaiser während des „österreichischen Faustrechts" geleistete militärische Hilfe 16.000 Goldgulden in solchen Schwarzpfennigen ausbezahlt, da das Reichsoberhaupt damals über kein anderes Geld verfügte. König Georg ließ daraufhin diese Rappenmiin^e (habränky) durch Anschlag an den Pranger verrufen und verbieten. In Österreich waren dafür die Prager Groschen ein hochwillkommenes Zahlungsmittel. Am 2. Januar 1460 verbot Georg die Einfuhr von Schwarzpfennigen bei Todesstrafe und Vermögenskonfiskation. Die ausländischen Kaufleute sollten nur in Gold und Silber nach Gewicht oder mit größeren alten Münzsorten zahlen. Ausfuhr von Gold und Silber war strengstens untersagt. Als in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts das schlechte „schwarze" Geld — die Schinderlinge — nach M ä h r e n vordrang, verursachte es hier die gleiche Verwirrung wie in Böhmen. 1460 wurde die Annahme auf den Märkten und im sonstigen Handel verboten. Der Goldgulden galt in Schwarzpfennigen 32 Groschen. Die ungarischen Goldgulden haben auch in diesem Jahrhundert in Mähren eine bedeutende Rolle gespielt, zumal ja das Land eine Zeitlang von Matthias Corvinus besetzt war, der am 3. Mai 1469 in Olmütz zum böhmischen König gewählt wurde. Um in Böhmen selbst Ordnung zu schaffen, ließ der König gute Pfennige mit dem Löwenwappen schlagen, mit denen die österreichischen Schwarzpfennige eingewechselt werden sollten. Da aber diese Löwenpfennige selbst bloß nur 0,56—0,75 Gramm Feinsilber enthielten, besaß der gute ungarische Goldgulden einen doppelten Kurswert, je nachdem, ob er in den besseren Groschen oder in den geringhaltigen Pfennigen ausgedrückt war. So etwa im Jahre 1460: bei Zahlung in Groschen 30, in Kleingeld 40 bis 42 Groschen; im Jahre 1468 sogar 48 Groschen. 1465 galt der ungarische Goldgulden 319

46 y 2 Groschen. Damals waren die Kuttenberger Pfennige (horske peni^e) von schlechtestem Korn. Dieser niedrige Gehalt der Kleinmünze war in jener Zeit keineswegs auf Böhmen allein beschränkt; auch im Nachbarlande Polen gab es ihn. Als die beiden Länder 1462 in Großglogau ein Bündnis schlössen, wurde im Vertrag auch die Verbesserung der Münze behandelt. Auf dem Landtage von 1465 hatte König Georg auf Grund einer von den ihm feindlich gesinnten Ständen ausgearbeiteten Beschwerde auch eine Münzreform in Aussicht gestellt. Laut einer Eintragung in die Landtafel vom 26. Februar 1467 wurden 25 Groschen einem böhmischen oder ungarischen Goldgulden (florin) gleichgesetzt. In dieser Zeit prägte die Union von Zelena Hora (Grünberg), die der Breslauer Bischof Jost von Rosenberg mit 16 Herren des „Herrenbundes" gegen den König abgeschlossen hatte, in ihrer eigenen Münzstätte zu Pilsen auf Grund eines kaiserlichen Privilegiums. Auch der mächtige Johann von Rosenberg, dem Georg das Münzrecht verliehen hatte, soll damals in Krumau an der Moldau mit dem Münzen begonnen haben. Das Privileg stammt aus dem Jahre 1468; es sind indessen keine Münzen bekannt, die man mit Sicherheit als rosenbergisch bezeichnen könnte. 1470 hat dann sogar Matthias Corvinus, der im Kriege gegen den Böhmenkönig stand, zu Budweis eigene Pfennige geschlagen, die den gleichen Wert haben sollten wie die böhmischen 1/7 Groschen) und die Wiener Pfennige. Durch alle diese Münzsorten von verschiedenem Feingehalt und verschiedener, teils ausländischer Herkunft, wuchs die Verwirrung im Münz- und Geldwesen immer mehr. Um dem abzuhelfen erließ Georg am 5. Juni 1469 eine neue Münzordnung, die in der Hauptsache auf die Verbesserung des Kornes aller silbernen Münzsorten (Groschen, Pfennige und Heller) abzielte, damit der ungarische Goldgulden nicht mehr als 24 Groschen gelten sollte — unbeschadet der Geldsorte, in der die Zahlung erfolgte. Der rheinische Goldgulden wurde auf 18 Groschen tarifiert. Gleichzeitig wurden die alten Kuttenberger Pfennige auf die Hälfte ihres bisherigen Wertes herabgesetzt, indem für einen neuen Groschen 14 und für einen neuen Pfennig 2 alte Kuttenberger gegeben werden sollten. Unter einem wurde auch die Regulierung alter Schulden, Zinsen und Zahlungen eingeleitet und der Silberhandel verboten. Im ganzen Königreich durfte nur mehr das gute böhmische und mit Ausnahme der Meißner Groschen ( = 6 Pfennig) kein fremdes Geld mehr verwendet werden. In der Praxis gingen dann 2 Meißner auf einen böhmischen Groschen und dementsprechend galten 2 Meißner 1 böhmisches Schock. Alle anderen fremden Münzen, insbesondere die von Görliz und die polnischen Halbgroschen, wurden verboten. Für den neuen Prager Groschen war ein Gewicht von rund 2,7 Gramm und ein Feingehalt von 620/1000 vorgeschrieben (rund 1,67 Gramm Silber); er glich infolgedessen fast denen Wenzels IV. (ca. 1,77 Gramm fein). Nach der neuen Münzordnung wurden Groschen, Pfennige (V7 Groschen) und Heller (Vu Groschen) ausgeprägt, jedoch von allen nur kleine Mengen, so daß nach wie vor die alten Kuttenberger die Hauptmünze bildeten. Der neue Groschen sollte 14 Pfennige gelten: aber die Herren und Ritter hielten sich nicht daran, sondern wollten von ihren Untertanen die Abgaben nur in alten Groschen annehmen, wodurch wieder „ein großes Geschrei unter den Leuten" entstand. Diese letzte Münzreform Georgs beendete trotz alledem die andauernde Unsicherheit und Verwirrung im Münzwesen, die noch ein Relikt aus der Hussitenzeit waren. Wichtig war in dieser Reform, daß der Meißner Groschen nunmehr zum gültigen Bestandteile des einheimischen Münzumlaufes geworden war. Es dauerte jedoch noch geraume Zeit, bis sich die neue Ordnung durchsetzte. Das spiegelt sich auch in den Postulaten wider, die 320

1471 von den Landständen bei der Wahl Wladislav Jagellos zum Nachfolger des kurz vorher verstorbenen Georg im Landtage erhoben wurden. Der neue König ordnete gleich nach seiner Thronbesteigung an, daß man die in der MO. von 1469 angeführten Münzsorten in ausreichenden Mengen schlagen solle. Nur die Namen der Münzen wurden ein wenig abgeändert. Diese Anordnung hätte allen Beschwerden abhelfen können, wäre sie auch befolgt worden. Zwar wurden die Groschen bis 1482 neunlötig mit einem Korn von 563/1000 geprägt, aber schon 1483 schlug man sie nur mehr achtlötig (500/1000) und 1485 schließlich bloß siebenlötig (483/1000). Die schon 1470 angeordnete Ausprägung von Weißpfennigen (V7 Groschen) wurde erst Anfang März 1483 durchgeführt; zuerst siebenlötig, aber ab 1485 bloß sechslötig (375/1000), anfänglich zweiseitig wie die früheren Parvi, waren sie später einseitig mit einem W(ladislav) als Münzbild. Auch die Kleinpfennige wurden erst seit März 1482 ausgegeben; sie waren dauernd dreilötig (188/1000). Laut Landtagsbeschluß vom 12. Oktober 1485 sollten sie nicht mehr penize (Pfennige), sondern halere (Heller) heißen. Der ungarische Goldgulden wurde mit 29, der rheinische mit 21V2 böhmischen Groschen bei Zahlung in Groschen oder Pfennigen festgesetzt; bei Zahlung in Hellern aber der ungarische 58, der rheinische 43 Groschen gelten. Es sollte also bei den leichten Münzen der Silbergehalt dem Goldwerte angeglichen werden. Während die Görlitzer Pfennige verboten blieben, waren die Glatzer Münzen gültig. Sie wurden 1454 von Georg selbst und später bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts von seinen Söhnen geprägt, denen er Troppau, Münsterberg, Oels und Glatz gegeben hatte. Diese Pfennige hatten denselben Wert wie die böhmischen. Im Jahre 1486 wurde zu Iglau zwischen Wladislav II. und Matthias Corvinus eine Vereinbarung getroffen, die u. a. auch das Münzwesen betraf. In den von Ungarn in Besitz genommenen böhmischen Landesteilen, also in Mähren, Schlesien und in der Lausitz, sollten Groschen und Pfennige von demselben Schrot und Korn geprägt werden wie in Böhmen, eine Vereinbarung, die — wie so oft — nicht ausgeführt wurde. Obwohl die weiteren Schicksale des Groschens in die ersten Jahrzehnte der Neuzeit hineinragen, sollen sie des Zusammenhanges wegen doch noch in diesem Abschnitt gestreift werden. Im Jahre 1519 hatten die Grafen Schlik in J o a c h i m s t h a l bekanntlich eine Münzstätte gegründet, wo sie auch Prager Groschen schlugen, jedoch unter dem Namen König Ludwigs I., nicht unter dem eigenen. Die Ausprägung von Kleinmünzen blieb ausschließlich Kuttenberg vorbehalten. Hier waren zu Beginn der Regierung Ludwigs eine Zeitlang überhaupt keine Groschen ausgegeben worden. Anstatt Prager Groschen sagte man jetzt meist breite Groschen, vielleicht zur Unterscheidung von den schlikischen Joachimsthalern oder Taler-Groschen, die man später einfach Taler nannte. 1529 erteilte dann Ferdinand I., der nach dem Tode seines Schwagers Ludwig bei Mohäcs (1526) unter großen Schwierigkeiten König von Böhmen und Ungarn geworden war, den Brüdern Jobst und Peter von Rosenberg eine Münzordnung, deren Münzen nach dem Muster von Kuttenberg geprägt werden sollten. 1532 erhielten sie dann auch noch die Bewilligung, 13 Jahre hindurch Groschen, Weiß- und Kleinpfennige schlagen zu dürfen, die sich von den Stücken der königlichen Münzstätten durch ein „Röslein" unterscheiden sollten. Es sind jedoch keine derartigen Münzen bekannt, die man mit voller Sicherheit als „rosenbergisch" bezeichnen könnte. Als sich die Stände im Jahre 1540 darüber beschwerten, daß die böhmischen Münzen in den Nachbarländern an Wert einbüßten, erteilte ihnen der König den Rat, die böhmische 321

Währung der österreichischen und jener der benachbarten Kurfürsten anzugleichen. Die Stände aber wehrten sich dagegen, da ein solcher Schritt die Einführung der Kreuzerwährung bedeutet hätte, der sie abgeneigt waren. Als jedoch in den folgenden Jahren die leichten fremden Münzen das Königreich überfluteten, blieb den Ständen nichts übrig, als im Landtag von 1544 die fremden Münzen zu tarifieren, ein Vorgang, der sich in den folgenden Jahrhunderten bis ins 19. hinein in unzähligen Verordnungen, Geboten und Verboten äußerte, deren Anführung den hier gegebenen Rahmen sprengen würde. Abgesehen davon müßten erst alle diese Mandate und Edikte durch eine Edition zugänglich gemacht werden. Im Jahre 1547 wurden die letzten Prager Groschen geprägt. Sie hatten sich überlebt, als durch die Einführung des Talers und seiner Teilmünzen, der Kreuzer, Pfennige und Heller, genügende andere Münzsorten vorhanden waren, die sich leichter in die Münzsysteme der neueren Zeit einordnen ließen. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gab es auch in Mähren keine Münzstätte mehr. Wenn die Quellen von einer „Landeswährung" sprechen, so ist damit der Gulden im Werte von 30 Groschen als Rechnungseinheit zu verstehen, wobei der Groschen zu 8 Weißpfennigen oder Denaren gerechnet wurde. Mitunter war dieser Guldenwert aber auch höher. f ) Die Goldwährung. Im Jahre 1325 begann König Johann mit der Ausprägung goldener Florene nach florentinischem Vorbild. Die Königsaaler Chronik berichtet, daß der König durch gewisse Lombarden Goldmünzen herstellen ließ, von denen vier Stück mehr gelten sollten als eine Mark. Dieses Datum verdient in der Geschichte des böhmischen Münzwesens festgehalten zu werden, da es einen Umschwung nicht nur in der Münzgeschichte Böhmens, sondern in der Münzgeschichte überhaupt bedeutet. Denn um diese Zeit begann man sich auch in anderen Ländern von der Silberwährung des frühen und hohen Mittelalters langsam zu emanzipieren, um einen Anschluß an die Bedürfnisse des ins Weite strebenden Handels zu finden. Von Böhmen aus übernahm alsbald auch Ungarn die Goldprägung, das „Patenland", wie wir noch hören werden, jedoch bald weit überflügelnd und die Vorherrschaft des Goldumlaufes an sich reißend. Die ersten böhmischen Goldmünzen ahmten, wie auch die übrigen Goldgulden nach Florentiner Gepräge, ihr Vorbild in jeder Beziehung genau nach, das Wappenbild, die heraldische Lilie (flos), von der die Arnostadt ihren Namen herleitet, und der Stadtheilige Johannes der Täufer erschienen alsbald auf den ersten Goldmünzen Spaniens, Frankreichs, der Niederlande, Deutschlands, hier besonders im Süden, ja sogar des Kreuzfahrerstaates Achaja. Überall wurden die gleichen Embleme gewählt, um damit die kommerzielle Gleichberechtigung mit dem Prototyp zu erlangen. Daß dieser Typus dann schon bald nach der Mitte des 14. Jahrhunderts (auch in Böhmen und Ungarn) einem nationalen Typus wich, sei hier bloß angemerkt. Das Abweichen vom Vorbild zeigt aber auch, daß man es nicht mehr nötig hatte, eine Fremdmünze nachzuahmen. Die ersten böhmischen Florene (wie wir sie zur Unterscheidung von den geringhaltigen rheinischen Goldgulden nennen wollen) wogen 3,53 Gramm und bestanden aus Feingold mit einem Verhältnis von Gold zu Silber von etwa 1:17,5, und zwar unter Berücksichtigung der fünfzehnlötigen Silbermark im Gewichte von 253 Gramm. Damit hatte sich die Relation gewaltig verändert. Bis ins 13. Jahrhundert betrug sie 1:10, zu Beginn des 14. Jahrhunderts aber bereits 1:12, zu Ende des ersten Viertels etwa 1:17 und zehn Jahre später sogar 1:20—25! Kurz nach Böhmen hat dann auch Ungarn die Goldprägung aufgenommen und sich dank seines großen Goldreichtums als mächtiger Konkurrent des böhmischen Florens 322

109. Böhmen, Kg. Wenzel I. (IV). Goldgulden

erwiesen. Wir werden noch hören, daß das ungarische Gold alsbald einen Siegeszug antrat, gegen den alle goldprägenden europäischen Länder ohnmächtig waren. Dagegen war und blieb Böhmen nach wie vor der größte Silberproduzent Europas. Böhmen bezog sein Gold wie zur Keltenzeit noch immer aus den „Seifen", aus der Goldwäscherei und dann aus der schon erwähnten bergmännischen Gewinnung in Eule (Jilovä) südlich von Prag. Wahrscheinlich wurden die Florene der luxemburgischen Dynastie aus diesem Golde hergestellt. Da die an sich reiche Ausbeute zu Eule nur ein Bruchteil dessen war, was Ungarn produzierte, konnte es mit diesem nie in Wettbewerb treten, was im weiteren Verlaufe auch auf die Silberwährung abfärbte. Das Verhältnis zwischen Gold- und Silbermünzen darf in der Regel als das sicherste Kriterium in der Beurteilung des inneren Wertes der silbernen gelten. Ursprünglich gingen auf einen Floren 12—13 Prager Groschen. Als sich deren Qualität immer mehr verschlechterte, stieg der Wert der Goldmünze in demselben Maße als der der Silbermünze abnahm. Wir haben schon gehört, daß ein Floren in den Jahren 1463—1474 bis auf 48 Groschen gestiegen war. Laut Eintragung in der Landtafel vom Jahre 1467 sollte das Verhältnis des Groschens zum böhmischen wie ungarischen Floren wie 25:1, nach der Münzordnung König Georgs von 1469 wie 24:1 sein. 1544 sollte der ungarische Goldgulden mit IV2 Meißner Schock bezahlt werden, was 45 Groschen oder 105 Kreuzer ausmachte. Mährische, insbesondere Olmützer, Quellen zeigen, daß der Floren im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts mit 30, zu Beginn des 16. mit 32 Groschen bewertet wurde. Nach der Iglauer Rechtssprechung um die Wende zum 15. Jahrhundert war er dem — wahrscheinlich Meißner — Schock mithin 30 Groschen gleich, bei der Regelung des Geldwesens in Mähren durch König Georg im Jahre 1469 32. Diese Relation aber war offenbar nur bei Zahlungen in Schwarymün^en gedacht. Auch die Brünner Quellen ergeben Anhaltspunkte für die Bewertung des Florens, und zwar im Jahre 1439 30 Weißgroschen für den böhmischen und 28 für den ungarischen Floren; 1476 galt er 36 neue böhmische Groschen. Mähren selbst prägte nur unter dem Markgrafen Jobst (Jodok) eigene Goldmünzen. In den Ländern der böhmischen Krone waren, wie bereits erwähnt, sowohl einheimische als auch ungarische Florene in Umlauf. Nach dem Landtagsbeschluß von 1467 sollte die Bewertung beider Sorten gleich, nämlich 25 Groschen sein. In der Praxis aber gab es zuweilen Abweichungen von diesem Kurse. Allmählich erstarrten aber beide Sorten zu einer Rechnungs- und Währungseinheit. Bei Zahlungen wurde manchmal ausdrücklich ausbedungen, daß in vollgewichtigen und vollhaltigen „roten" Gulden bzw. in Groschen gemäß dem Guldenwert oder für ebensoviel von allgemein gangbarem Gelde oder auch zu einer Hälfte in ungarischen Floren, zur anderen mit einheimischem Gelde bezahlt 323

werden sollte. Ebenso wurde es mit dem böhmischen Goldstück gehalten, das späterhin ein Bestandteil des handmün^e genannten Währungssystems werden sollte, in dem es 30 Groschen zu 7 Weißpfennigen galt. Neben diesen beiden Florenen war in den Ländern der Wenzelskrone aber auch der rheinische Goldgulden heimisch, der zum erstenmal im Jahre 1386 auf Grund eines Münzvereins der vier rheinischen Kurfürsten geprägt worden war (s. o. S. 274). Sein Feingehalt sank jedoch ständig, da er mangels einheimischen Metalls aus eingeschmolzenen alten Goldstücken hergestellt werden mußte. 1386 hielt er noch 3,396 Gramm, um 1550 aber nur mehr 2,48 Gramm Gold. Trotzdem blieb der rheinische Goldgulden bis zum Aufkommen der Silberwährung (Taler) um 1500 und sogar noch darüber hinaus die Haupthandelsmünze in dem größten und reichsten Handelsgebiet Deutschlands, den Rheinlanden. Aber nicht nur im Reich, auch in den böhmischen Ländern wurde er allmählich zu einer Rechnungsmünze. Nach der Münzordnung Podiebrads von 1469 sollte er nur um ein Viertel weniger gelten als der ungarische, also 18 Groschen. Mit Landtagsbeschluß von 1485 wurde sein Wert mit 21V2, der ungarische dagegen mit 29 Groschen festgelegt. Der Kurs des rheinischen Goldguldens stieg und sank in Böhmen je nach der Wirtschaftslage. Den höchsten Kurs erreichte er 1460 mit 32 Groschen. 1524 kostete er nur 24 Breitgroschen und 1544 ein Meißner Schock und 12 Kleinpfennige = 72 Kreuzer oder fast 31 Groschen. Der rheinische Goldgulden hielt sich dann noch mehrere Jahrhunderte neben der nunmehr Dukat genannten Hauptgoldmünze im böhmischen Münzumlauf. 2. Schlesien Die Anfänge des Münzwesens in Troppau stehen zweifellos mit dem Bergbau in den Silbergruben bei Oberbeneschau in engem Zusammenhang. Przemysl Ottokar II. erteilte 1271 den Bürgern dieser Stadt die Bewilligung, sich bei diesem Bergbau des Iglauer Bergrechts zu bedienen. Als Münzmeister wird 1269 ein Troppauer Bürger namens Henning erwähnt. Aus dieser Zeit sind auch Nachrichten über Gewicht und Währung vorhanden. Die Münzberechtigung erhielt Troppau jedoch erst 1284. Die Fürsten aus dem Hause der Piasten haben schon frühzeitig zu münzen begonnen. Die Urkunden erwähnen bis 1240 Münzen bzw. Münzstätten in Breslau, Leubus, Trebnitz (wo die Äbtissin eines Nonnenklosters das Münzrecht besaß), Liegnitz; bis 1902 folgen Steinau, Löwenberg, Schweidnitz, Münsterberg, Frankenberg, Neiße, Oppeln, Löwen und Troppau. Die Organisation der Münzstätten glich der in den böhmischen Ländern; auch die Münzerneuerung wurde ausgeübt. Wenn auch urkundliche Nachrichten erst im 13. Jahrhundert auftauchen, so wurde mit der Prägung doch schon viel früher begonnen; schätzungsweise bereits um die Mitte des 10. Jahrhunderts, allerdings noch nicht von den Piasten. Um dies verständlich zu machen, müssen wir die Landesgeschichte bis in die Frühzeit zurückverfolgen. Ursprünglich von Vandalen besiedelt, blieb das Land nach deren Abzug einige Jahrhunderte unbewohnt, bis sich dann gegen Ende des 10. Jahrhunderts die Tschechen an dem linken Oderufer ansiedelten. An dem rechten Ufer saßen die Polen, die alsbald ihre Nachbarn verdrängen. Damit wird Schlesien ein Teil Polens, bis König Wladislav II., 1246 aus seinem Lande vertrieben, in Schlesien ein eigenes Fürstentum gründet, das sich im 13. Jahrhundert aus dem Verbände mit Polen loslöst. Die Nachkommenschaft Wladislavs zerfällt in viele Linien, die sämtlich selbständige Herzogtümer besitzen. Aber bis auf Liegnitz-Brieg, Oppeln und Teschen sterben sie alle im 14. und 15. Jahr324

hundert aus. Ihre Gebiete werden von auswärtigen Herrschern eingenommen. Die Böhmenkönige Johann und Karl von Luxemburg erzwingen sodann die Lehensoberhoheit über die Piasten; der Polenkönig Kasimir der Große aber verzichtet 1333 und 1339 für sich und seine Nachfolger auf den Anspruch auf Schlesien, ebenso König Ludwig der Große von Ungarn, der eine Zeitlang auch Herrscher von Polen war. Nach dem Aussterben des Hauses Luxemburg mit Sigmund im Mannesstamme (1437) streiten Ungarn, Polen und Böhmen um das Land, bis endlich Ferdinand I. von Habsburg nach Mohacs (1526) Böhmen, Ungarn und Schlesien mit Österreich vereinigt. Diese verwickelten dynastischen Verhältnisse im Mittelalter spiegeln sich natürlich auch im schlesischen Münzwesen wider. Seine Geschichte beginnt mit Boleslav I. von Böhmen (935—967), der in Breslau gemünzt hat, „einen im Urstück seltenen, in verrohenden Nachprägungen öfter vorkommenden Pfennig mit der um das häufige Gepräge eines Schwertes gesetzten Umschrift seines Namens, auf der Rückseite steht um einen Kirchengiebel der abgekürzte Stadtname mit den angehängten sakralen Buchstaben AO" (266). Der nächste Münzherr ist Boleslav I. der Große von Polen (992—1025) mit einem Stück, das die rohgezeichneten Köpfe des Herzogs und des heiligen Täufers, der seit Anfang der Schutzheilige der Stadt und des Bistums war, vereinigt. So bleibt das Münzwesen Schlesiens auf viele Jahrzehnte hinaus polnisch, auch noch als Boleslav der Hohe oder Lange (f 1201) in Breslau münzte. Hier muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß es um diese Zeit drei Boleslave gibt: den polnischen, den eben erwähnten schlesischen und den kujavischen. Die beiden Letztgenannten hat FRIEDENSBURG und nach ihm auch noch andere Autoren irrtümlich in einer einzigen Person zusammengefaßt. Unter Boleslav dem Langen, seinen Söhnen Heinrich I. und Mesko (richtiger Miseko) beginnt eine Reihe kleiner Brakteaten. Wenn auch das Münz- und Geldwesen in dieser Zeit polnisch ist, so wird doch in den Urkunden zuweilen nach deutscher Art gerechnet, und zwar nach Pfunden oder Talenten zu 20 Solidi oder 240 Denaren. Über das Markgewicht in Schlesien ist man jedoch nicht einig. Fest steht nur, daß sich die schlesische Mark nach Eingliederung des Landes unter die böhmische Krone in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts der Prager Mark von 253 Gramm nicht angepaßt hat, sondern ihr bisheriges Gewicht beibehielt. Die Mark enthielt 4 Vierdunge (fertones) zu 6 Skot (scotus), also 24 Skot. Ende des 13. Jahrhunderts und später wurde der Skot in 4 Viertel namens Quarte unterteilt, so daß nunmehr 96 Quarte auf eine Mark gingen. Außerdem rechnete man in Schlesien mit 16 Lot je 1 Mark. Ein Lot enthielt 1,5 Skot oder 6 Quarte. Die Quartenrechnung stand im Zusammenhang mit der sogenannten Quartniken-Währutig, bei der ein neuer Denar das vierfache Gewicht der früheren Brakteaten aus der letzten Periode darstellte. Der Quartnik war zweiseitig und erinnerte an den Prager Groschen, dessen Konkurrenz er bilden sollte. Bei Zahlungen in Metall betrug die Relation des Goldes zum Silber in den böhmischen Ländern 1:10, in Schlesien bis zum Ende des 13. Jahrhunderts 1:8. Die Zuteilung der frühen schlesischen Münzen an die einzelnen Landesteile und Prägeherren ist schwierig und vielfach unsicher. Seit etwa 1230 gibt es viele hunderte Sorten größerer Brakteaten mit einem Durchmesser von 20—24 mm sowie auch zahlreiche Halbstücke davon — alles schriftlos. Die frühere Annahme, daß Schlesien diese Art von Münzen von Böhmen übernommen habe, mit dem es im 13. Jahrhundert in bergbaulichen wie politischen Beziehungen stand, ist nunmehr der entgegengesetzten Ansicht gewichen, daß nicht Böhmen, sondern Schlesien der gebende Teil gewesen sei. Die einzige Schriftmünze dieser Art zeigt den schlesischen Adler und nennt als Münzherrn Heinrich den I. von Breslau, den Gemahl der hl. Hedwig. „Die Prägebilder der übrigen 325

Stücke umfassen so ziemlich alles, was da kreucht und fleucht, vom Fürsten- und Bischofsbilde bis zum Buchstaben und der symmetrischen Darstellung. Besonderheiten sind die Abzeichen einiger Adelsgeschlechter, also wohl von Kastellanen in Münzstädten : unanfechtbar ist wohl der eigentümliche Helm der Tschammer, an Abzeichen der Städte der Schlüssel von Liegnitz, die Muschel von Neiße, der Löwe von Löwenberg, das mit dem halben Adler verbundene halbe Kreuz von Oppeln" (266). Diese großen Brakteaten vermindern bald sowohl das Fein- wie das Rauhgewicht. Aus Urkunden erfahren wir, daß an dieser Brakteatenprägung die Münzstätten Breslau, Löwenberg, Löwen, Troppau, Steinau, Teschen, Neiße, Schweidnitz, Liegnitz, Glogau, Sagan, Beuthen, Ratibor und noch einige andere beteiligt waren. Nach Ansicht bedeutender Forscher hat um 1290 Herzog Heinrich III. von Glogau mit der Ausprägung schwerer zweiseitiger Münzen begonnen, wogegen die Prägung der bisherigen Brakteaten eingestellt wurde. Es war dies die erste grobe Münzgattung, die zwar fast zur gleichen Zeit, aber unabhängig von dem etwas späteren böhmischen (Prager) Groschen im damals noch polnischen Raum entstand. Diese schlesischen Scherfe, die eigentlich Quarten Quartenses oder Kwartniki hießen, und unter diesem Namen in Polen die Hauptmünze seit der Mitte des 14. Jahrhunderts darstellten, waren kleiner als die Groschen und wogen auch nur 1,67 Gramm. Quartenses wurden sie deshalb genannt, weil sie Vdb des Skots oder % der Mark darstellten. Diese Viertelung war in Schlesien allgemein üblich. Herzog Heinrich III. hatte nach dem Tode Przemysl Ottokars II. fast ganz Großpolen erobert und hier in einigen Städten (Posen, Grätz, Bomst und Frauenstadt) auch Münzstätten eröffnet. Die von ihm eingeführte Scherfwährung zeigt große Verschiedenheiten des Münzbildes: es finden sich heraldische, kirchliche und viele andere Motive auf seinen Münzen. „Die ganze Gruppe läßt sich auf 34 verschiedene Münzstätten verteilen. Alle schlesischen Herzöge beteiligten sich an dieser Prägung. Allein im Glogauer Fürstentum arbeiteten damals 10 Münzstätten, im Fürstentum Oels 7, in Oberschlesien 5, in Liegnitz 5, in Schweidnitz 4, in Neiße 2 und in Breslau 1. Die Münzbilder dieser Scherfe zeigen selten Bilddarstellungen von einem der genannten Herzoge, wie Heinrich von Glogau, Bolko von Oels, Ziemovit von Beuthen. Öfters bringen sie Darstellungen von Städten, deren Patronen und dem Bischöfe. Viele Wappen beziehen sich nicht nur auf den Herzog oder die Stadt, sondern auch auf die schlesischen Ritter und auf die Verbindungen und Beziehungen mit fremden Höfen. Größere Bedeutung haben jene Münzbilder, die die schlesischen Ansprüche auf die polnische Krone verraten. Die Zeitspanne der Prägung der schlesischen Scherfe umfaßt die Jahre 1290 bis 1330 und endet gleichzeitig mit der Unterwerfung der schlesischen Herzoge und der Verbindung mit der böhmischen Krone" (266).

Der Feingehalt dieser Stücke war 14—15 Lot. Sie waren den Prager Groschen zwar nicht im Bilde, so doch in der Größe ziemlich angenähert, obwohl sie nur y 2 Groschen wert waren. Der eingangs erwähnten Ansicht, daß mit der Prägung dieser Kwartniki in Schlesien wirklich schon in den neunziger Jahren begonnen worden sei, stehen jedoch gewisse Bedenken entgegen. Es sei unwahrscheinlich, heißt es, daß Schlesien ein Jahrzehnt früher als Böhmen eine so einschneidende Münzreform begonnen haben solte, da sich das Land gerade damals in wirtschaftlicher wie politischer Hinsicht Böhmen anzunähern begann. Auch der Umstand ist zu erwähnen, daß die schwere Groschenmünze schon ab 1466 in Tours und nachher auch in einigen norditalienischen Städten, niederländischen Grafschaften und Lothringen geprägt wurde. Die Prager Groschen drangen auch bald nach ihrem Erscheinen nach Schlesien vor, wo sie gleich nach 1300 schriftlich belegt sind. 326

1305 und 1310 werden sie sogar schon häufiger unter dem Namen grossi denarii regales, große Kungespfennittge oder als denarii regales, grossi denarii, grossi Bohemicales in den Urkunden und sonstigen Schriftquellen erwähnt. Man berechnete sie nach einer Mark zu 49 Groschen, wobei etwa von der marca grossorum Pragensium polonici numeri et ponderis oder marca grossorum Pragensium polonici et Vratislaviensis numeri 18gr. pro marca qualibet computando oder von der marca grossorum denariorum Vratislaviensis die Rede ist. Es wurde also die Mark nach polnischem Vorbild mit 187 Groschen berechnet. Die Groschen wurden in Schlesien auch nach Gewichtseinheiten berechnet: 1 Vierdung (ferto) hatte 12 Stück, 1 Lot Groschen umfaßte 3 und 1 Skot 2 Stück. Das Verhältnis der schlesischen Mark zum Prager Schock wurde derart berechnet, daß die Mark 1 Schock weniger 1 Vierdung Groschen wert war. Die Heller wurden auch nach Mark (Mark Heller) gezählt oder nach Vierdungen und Skoten oder nach Schillingen von Groschen zu 12 Stück. Ein Schilling Groschen war % der Groschenmark und demnach mit einem Vierdung der Mark identisch. Als der böhmische Groschen in Schlesien eindrang, unterbrach er die Weiterentwicklung des einheimischen Münzwesens. In Glatz und in Troppau wurden bereits im 13. Jahrhundertböhmische Münzsorten ausgeprägt, was aus der Eingliederung dieser beiden Münzstätten in den Kuttenberger Münzbetrieb anläßlich der Groschenreform von 1300 deutlich hervorgeht. In den schlesischen Münzstätten wurden nur mehr Kleinmünzen hergestellt. Nach 1300 teilte Schlesien das oben geschilderte Schicksal des böhmischen Münzwesens. Nach einer zu Breslau am 30. Januar 1445 zwischen Bischof Peter II. Nowack von Breslau, Herzog Wlodko von Glogau, Georg von Kunstadt und Podiebrad, Gubernator von Böhmen, sowie Heinrich von Rosenberg, Hauptmann von Breslau, sowie den Städten Breslau, Schweidnitz und Jauer abgeschlossenen Münzübereinkunft hatte jeder der Vertragspartner das Recht, 5000 schlesische Mark in vierlötigen Hellern ausprägen zu lassen, von denen 17 Stück auf einen Prager Groschen gingen, wobei 40 Schillinge Heller = 480 Stück, einem Goldgulden gleichkamen. Georg von Podiebrad, der in Glatz das Münzrecht besaß, ließ hier eine auch in Böhmen gestattete Münze prägen, die jedoch in Breslau verboten war. Im übrigen zirkulierten in Breslau auch eigens für Schlesien geprägte Münzen des Matthias Corvinus, der in Münsterberg Heller, in Breslau Groschen und Halbgroschen sowie Heller und schließlich in Jägerndorf ganze und halbe Groschen prägen ließ, die ersten in Schlesien geschlagenen Groschen. Matthias gedachte nach der böhmischen Münzreform Georgs vom Jahre 1469 seine schlesischen Münzen dem böhmischen Münzsystem anzupassen, so daß ein Goldgulden 30 Groschen oder 60 Halbgroschen, 1 Groschen dagegen 7 Weißpfennigen oder 14 Hellern gleichkommen sollte. Dieses System konnte sich in Schlesien jedoch nicht durchsetzen. Im Jahre 1470 wurden sodann in Breslau die erwähnten Münzen geprägt, und zwar sollte ein Goldgulden nun 40 Groschen oder 80 Halbgroschen, 1 Groschen aber 12 Heller wert sein, eine Währung, die ebenfalls auf Ablehnung stieß. Dem Beispiel des Ungarnkönigs folgten 1500 auch die Herzoge von Liegnitz und von Münsterberg mit Groschen im Wert von 18 Stück der gleichzeitigen Heller. 1505 kam ein Vertrag der Stadt Breslau, des Bischofs und mehrere weltlichen Fürsten zustande, wonach „weiße Groschen zu 6 Lot fein, 90 auf die Breslauer Mark, 36 gleich einem Gulden geschlagen wurden, dazu Heller ebenfalls zu bestimmtem, gleichmäßigem Satz, 12 auf einen Groschen" (266). Dieser Vertrag wurde von den Städten Breslau und Schweidnitz, vom Breslauer Bischof Johann V. Thurzö de Bethlenfalva sowie von den Herzogen von Liegnitz und denen zu Münsterberg-Öls auch tatsächlich durchgeführt, aber nur in 327

bezug auf die Groschen. Gleichzeitig schlug auch der polnische Königssohn Sigmund (I.) solche weiße Groschen in dem ihm zugefallenen Fürstentum Glogau. Heller kamen erst 1522 und 1524 auf Grund neuer Verträge wieder heraus; für alle Teilnehmer unter einheitlichem Gepräge, den Namensbuchstaben König Ludwigs I. Den Abschluß der mittelalterlichen Münzgeschichte Schlesiens bilden dann zwei Raubmünzungen schlimmster Art, die eine zu Schweidnitz von 1517 bis gegen das Jahr 1530 auf Rechnung König Ludwigs II. von Böhmen und Ungarn und dann seiner Witwe Maria von Österreich brachte genaue Nachbildungen der Halbgroschen des Polenkönigs Sigmund I. heraus, die sogenannten ~Pölchen. Die andere, an der ebenfalls das ungarische Königspaar und auch andere Fürstlichkeiten beteiligt waren, ging von Breslau aus, wo der Großkaufmann Konrad Sauermann mit seinen Kumpanen ungarische Denare sehr geringen Gehaltes prägte. Beide Münzungen schlugen hohe Wellen: ein gefährlicher Aufstand der Schweidnitzer Zünfte, politische Verwicklungen mit den in Mitleidenschaft gezogenen Nachbarstaaten und Verwirrung in Handel und Verkehr waren die Folge. Im übrigen rechnete man sonst in Schlesien nach Pfunden (Talenten); 1 Pfund entsprach 20 Groschen im Werte der Solidi der Denarwährung, während 1 Schock Groschen 3 Pfunden oder Talenten gleichkam. Goldmünzen nach Florentiner Art prägten in Schlesien die Herzoge Bolko II. von Schweidnitz und Wenzel von Liegnitz. Dessen Witwe Anna ersetzte dann die heraldische Lilie durch das Landeswappen, ein Vorgang, der sich ungefähr in der gleichen Zeit auch in anderen deutschen Ländern sowie auch in Böhmen und Ungarn verfolgen läßt. Die Stadt Breslau erhielt zwar 1362 ein Privileg für die Prägung von Goldmünzen, scheint es jedoch erst viel später ausgenützt zu haben. Im übrigen war die schlesische Prägung nach Florentiner Typus „der am weitesten nach Osten gelangte Vorstoß der Florentiner Weltmünze". Bewertet wurde der Floren in Schlesien um die Mitte des 15. Jahrhunderts mit 28 Groschen. 3. Der Einfluß des böhmischen Münzwesens auf Österreich Als Abschluß unserer Betrachtungen über das Münz- und Geldwesen des Mittelalters im böhmischen Raum scheint es geboten, dessen Einwirkungen auf Österreich noch kurz zu betrachten. Österreich war bekanntlich silberarm; die Schätze des Falkensteins bei Schwaz kamen ausschließlich dem Ursprungsland Tirol zugute, auch wurden sie erst ein Jahrhundert nach dem Auftreten der ersten Groschen erschlossen. Österreich war daher nicht imstande gewesen, aus eigenen Mitteln größere Münzen als Pfennige zu prägen, und in Gold blieb die Judenburger Prägung eine ganz kurze Episode. So bedeutet der böhmische Groschen für den österreichischen Handel gewissermaßen die Erlösung aus einer monetären Zwangslage. Seit etwa 1315 schon kommen in österreichischen Urkunden „in steigendem Maße Geldbeträge vor, die auf gro^e pehemiscbe Pfenninge lauteten. Fast immer wurden die genannten Münzen mit einer Gewichtsmenge Silber in Beziehung gesetzt. Das Rechtsgeschäft wurde dann um so und so viel Mark Silbers ie %wen und sibent^icb grosse pehemiscbe phenninge für ain igleich march getätigt. Die Gleichrechnung von 72 Groschen für eine Mark Silbers findet sich fast ausschließlich in Niederund Oberösterreich, während in Steiermark und Kärnten vorwiegend Zahlungen zu 64,66 oder 68 Groschen auf eine Mark vorkommen" (266). Durch diese „Beziehungssetzung der Groschen zu einer Quantität Silber" konnte nun das Barrengeld wenigstens zum Teil durch Münzgeld ersetzt werden. 328

Um 1340 verschwindet der böhmische Groschen plötzlich wieder aus den österreichischen Urkunden; inzwischen hatte nämlich die Goldmünze, vor allem der ungarische Floren, seinen Siegeszug angetreten. Die urkundlichen Nennungen von Goldmünzen mehren sich. Sie haben die Prager Groschen und deren Funktion als Träger des Großgeldverkehrs bald abgelöst. Den Prager Groschen kam nun in der Zukunft eine andere Rolle zu als bisher, nämlich die einer Hilfe für den Kleingeldverkehr. Ähnlich lagen die Verhältnisse übrigens auch in Bayern, dem anderen Nachbarn Böhmens. Wenn im weitern Verlaufe des 14. und des 15. Jahrhunderts in Urkunden und auch in urbarialen Aufzeichnungen, Weistümern Nieder- und Oberösterreichs trotzdem noch immer, wenn auch nur gelegentlich, Prager Groschen aufscheinen, so handelt es sich dabei meist nur um verhältnismäßig geringe Beträge: der böhmische Groschen galt nicht mehr als Hauptstück, sondern nur mehr als Mittelglied zwischen dem ungarischen Goldgulden und dem Pfennig. Es fällt auf, daß trotz seiner häufigen urkundlichen Nennung das Vorkommen des Groschens in Münzfunden fast kaum zu belegen ist. Diese repräsentieren in ihrer Mehrzahl doch „die Habe des kleinen Mannes", weshalb sie nur aus Münzen des „kleinen" Geldumlaufes bestehen. Erst am Ende des 15. und im 16. Jahrhundert ändert sich die Lage, als die Groschen Wladislavs I. von Böhmen nach Österreich eindringen, vor allem in das unmittelbare Grenzgebiet Nieder- und Oberösterreichs, doch lassen sie sich, wenn auch in kleineren Mengen, bis nach Kärnten verfolgen. Nunmehr wird der Groschen auch nicht mehr einer Gewichtsmenge Silbers gleichgesetzt. In den Urkunden dieser Zeit wird er fast durchgehend mit 7 Wiener Pfennigen bewertet, demnach bloß als Pfennigvielfaches betrachtet, keinesfalls aber wie früher als eine silberne Handelsmünze. Immerhin aber waren die Prager Groschen in Österreich so beliebt, daß sie ausdrücklich vom Verbot fremder Münzsorten ausgenommen werden. Der uns als Kritiker der Schinderlingszeit schon bekannte Kärntner Pfarrer Jakob Unrest berichtet, daß in dieser Periode die Nachfrage nach Prager Groschen sehr groß war, da man „mit ihnen zu kaufen fand, was man wollte", während man um die übrigen Geldsorten nicht einmal „ein Morgenmahl" erhielt. Doch war man auch mit den Groschen nicht immer zufrieden, da insbesondere zur Zeit Albrechts V. von „grosser irsall von der behemischen gross wegen" in Nieder- und Oberösterreich berichtet wird. Die Kontermarkierung hat im Gegensatz zu Deutschland in Österreich keine Rolle gespielt. Man kennt nur eine einzige von Salzburg, wobei es fraglich ist, ob das Erzstift oder die Stadt den Gegenstempel veranlaßt hat. Der angebliche Gegenstempel von Leoben gehört dagegen sicherlich nicht nach Österreich, sondern vielleicht nach Ungarn. Daß in Österreich mit der eben erwähnten Ausnahme (die wohl durch die unmittelbare Nachbarschaft Deutschlands begründet ist) keine Gegenstempel verwendet wurden, rührt wahrscheinlich davon her, „daß das Verhältnis des österreichischen Pfennigs zum Prager Groschen auch in der kritischen Zeit gleichgeblieben ist. Bedingt dürfte das dadurch gewesen sein, daß der Wert beider Münzsorten gleichmäßig gefallen ist" (564), was sich aus der Relation zum Dukaten zu ergeben scheint. Was die Goldmünzen anlangt, so häufen sich hier die Anführungen von ihnen in den österreichischen Urkunden. „Bald hatte sich die neue Goldmünze so eingebürgert, daß sie in der Steiermark um 1340 sogar als gemeine Landeswährung bezeichnet worden sind" (564). Durch den fast gleichzeitigen Beginn der Goldprägung in Böhmen und Ungarn wurde der Goldgeldumlauf in Österreich wesentlich gefördert. Die Weiter329

führung der Judenburger und Salzburger Goldprägung ist in erster Linie wohl am Mangel ergiebigerer Goldlager im eigenen Lande gescheitert, in zweiter durch den Goldreichtum vor allem Ungarns, der jede Bemühung, mit ihm in Wettbewerb zu treten, von Anbeginn an aussichtslos machte. Überdies steigerte der österreichische Italienhandel zu einem gewissen Grad auch den österreichischen Goldbedarf. Der böhmische Floren spielte im Gegensatz zum ungarischen im österreichischen Münzverkehr nur eine höchst untergeordnete, ja eigentlich nur eine Zufallsrolle. Wenn er auch in der Schuldurkunde der österreichischen Herzoge für den Wiener Juden David Steuzz vom Jahre 1368 neben dem ungarischen, Judenburger und „ducaten" (womit die venezianischen Zechinen gemeint sind) ausdrücklich genannt wird, so verschwindet er gleich dem Judenburger bald wieder aus dem österreichischen Geldumlauf. Die Hauptmasse in diesem bildet auch hier der ungarische, später Dukat genannte Floren, weil dessen Prägung entsprechend den reichen Goldvorkommen des Landes eine außergewöhnlich umfangreiche war, die jede andere Konkurrenz aus dem Felde schlug. Mußten ja doch auch die Venezianer froh sein, wenn sie ungarisches Gold ver- oder ummünzen konnten. Dieses Vorherrschen des ungarischen Florens bringen sowohl die Urkunden als auch die Münzfunde klar zum Ausdruck. Erst in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts beginnt vom Westen her auch der rheinische Goldgulden in Österreich an Boden zu gewinnen, ja er wird sogar für Sigmund von Tirol zum Vorbild seiner Goldprägung (s. o. S. 274); begreiflich, weil sein Land schon wegen seiner vorländischen Besitzungen wirtschaftlich auch nach Süd- und Westdeutschland, nicht nur nach Italien ausgerichtet war. In Österreich selbst war es ähnlich; erst zur Zeit der Besetzung großer Teile Ostösterreichs und sogar Wiens durch Matthias Corvinus ist der ungarische Dukat wieder in den Vordergrund getreten. Unter Kaiser Maximilian und in der Zwischenzeit von seinem Tode bis zum Regierungsantritt Ferdinands I. hat man aus Gold nur Gulden geprägt. In diesem „Wechselspiel" zwischen Dukat und rheinischem Goldgulden ist schließlich Ungarn Sieger geblieben. Vom böhmischen Floren aber war keine Rede mehr. Wenn unter der Regierung der Habsburger von Goldmünzen die Rede ist, sind es nur mehr Dukaten. Denn auch die beiden letzten selbständigen Könige von Böhmen und Ungarn, die Jagelionen Wladislav und Ludwig, haben in beiden Ländern nur Dukaten geprägt, keine Florene mehr.

4. Reichsmünzstätte Eger Diese Stadt war zuerst eine Reichsmünzstätte gewesen; ihre ersten Gepräge gehören ungefähr in die Zeit von 1165/70—1180. Kaiser Friedrich I. Barbarossa hatte die Burg von Eger zur Reichspfalz erhoben; schon 1195 wird Eger civitas genannt, in der zuwandernde Hörige schon nach Jahr und Tag abgabefrei werden. In der Burg entstanden wohl die ersten Breitpfennige nach Nürnberger Vorbild, wie sie uns aus dem Funde von Borotin in Nordböhmen und zu VeruSicky bei Karlsbad in Westböhmen bekannt sind. Die ersten schriftlichen Nachrichten über das Egerer Münzhaus stammen aus den Jahren 1235 und 1242. Auch im 13. Jahrhundert werden die Nürnberger Münzen in Eger noch eine Zeitlang weiterkopiert. Im Jahr 1266 nahm dann König Premysl Ottokar II. von Böhmen das Egerland in Besitz, mußte es aber zehn Jahre später im Frieden von Wien seinem Gegner Rudolf 330

110. Böhmen, Eger. 1 Kreuzer Belagerungsgeld 1743

von Habsburg abtreten. Gegen Ende dieses Jahrhunderts kam dann das Egerland wieder unter böhmischen Einfluß. Wie vor einigen Jahrzehnten für Ottokar, münzte die Egerer Münzstätte abermals für den Böhmenkönig. Aber diese für Wenzel II. ausgeführten Prägungen lassen sich nicht mit Sicherheit feststellen; man darf jedoch annehmen, daß es sich um Brakteaten handelte. Im Zuge der großen Münzreform von 1300 mußte auch die Egerer Münzstätte den Betrieb einstellen; erst nach einem halben Jahrhundert wurde sie wieder eröffnet. Als sich Ludwig der Bayer 1314 um die deutsche Krone bewarb, versprach er dem böhmischen Kurfürsten König Johann für dessen Unterstützung bei der Wahl Stadt und Land Eger um 20.000 Mark Silber zu verpfänden, was 1322 auch in Kraft trat. Doch wurde Eger nicht mit Böhmen vereinigt, sondern es stand unmittelbar unter dem König und dem von ihm ernannten Hauptmann. Erst 1349 ermächtigte Kaiser Karl IV. die Stadt, in ihrer Münzstätte eigene Münzen zu prägen; sie weisen von nun an auf der Vorderseite stets, wenn auch in wechselnden Formen, das Stadtwappen auf: in einem geteilten Schild oben einen Adler mit ausgebreiteten Flügeln, unten ein Gitter. In der vorhussitischen Periode (1378—1420) gab Eger einseitige Heller in großen Mengen mit ständig abnehmendem Feingehalt heraus. Dies hatte 1420 eine Neuordnung zur Folge. König Sigmund autorisierte in diesem Jahre die Stadt, zwei Sorten von Kleinmünzen zu prägen: zweiseitige Pfennige, von denen 18 Stück auf den Prager Groschen gingen, und ein einseitiges Halbstück, Heller genannt (36 = 1 Groschen). Aber diese Ermächtigung setzte der Münzverschlechterung keineswegs ein Ende. 1437 plante man daher die Ausgabe besserer Weißpfennige, was jedoch nicht ausgeführt worden zu sein scheint. Kurz vor 1444 hörte man mit der Prägung der Heller auf, weil sie um diese Zeit schon fast wertlos geworden waren. Im gleichem Jahre gestattete dann der deutsche König Friedrich IV., eine neue Pfennigsorte von 7 Stück auf den Groschen zu schlagen; anscheinend hat die Stadt von diesem Privileg auch Gebrauch gemacht. Bald nach 1466 schlug die städtische Münze in neuerlicher Nachahmung der Nürnberger auch neue Heller, zweiseitig, mit dem Stadtwappen auf der Vorderseite und der Initiale E(ger) auf der Rückseite, eine Prägung, die verschiedene Typen umfaßte und wahrscheinlich bis 1506 dauerte. In diesem Jahre 1506 erhielt die Stadt dann von König Wladislav das Recht, eine Münze vom Schrot und Korn der böhmischen Weißpfennige auszugeben. Sie entstanden in großen Mengen und brachten daher der Stadt einen großen Münzgewinn. Es sind undatierte Gepräge und auch solche mit den Jahreszahlen 1516 und 1517 bekannt. Die Tätigkeit der Münzstätte erlosch dann endgültig zwischen 1516 und 1520. Nur im Jahre 1743 während der Belagerung durch die Österreicher wurden für die von Franzosen besetzte Stadt Notmünzen aus Zinn im Werte von 3 und 1 Kreuzer geschlagen. 331

5. Oberlausitz Über die Begründung von Oberlausitzer Münzstätten oder die Verleihung des Münzrechtes an Städte oder Personen in diesem Gebiete ist urkundlich nichts bekannt. Wir wissen nur, daß nach verschiedenen Meißner Typen von den Königen von Böhmen und den Markgrafen von Brandenburg in Bautzen, Görlitz und Cottbus und auch von einigen Dynasten gemünzt wurde. Erst in der Teilungsurkundie von 1268 ist davon die Rede, daß in der Oberlausitz von altersher geprägt wurde. Nun aber wurde bestimmt, daß gemäß der Teilung jährlich abwechselnd von Bautzen und Görlitz geprägt werden solle. Überdies wird auch nach 1253 eine landesherrliche Münzstätte in der Stadt Zittau von Przemysl Ottokar II. errichtet, die er einem Theodoricus Langschenkl verliehen hatte. Sie wurde von einem Tilo de Tilia mitfinanziert, aber um 1300 bei Einführung der Prager Groschen aufgelassen, weil die Groschenprägung bekanntlich im Welschen Hof zu Kuttenberg konzentriert war. Die Brakteaten des 13. Jahrhunderts (s. o. S. 307) gehören zu den häßlichsten Erzeugnissen des Stempelschnittes. Im 15. Jahrhundert hat dann die Stadt Görlitz Schwarzpfennige mit dem Stadtnamen geprägt. König Sigmund hatte ihr nämlich das bereits 1339 von König Johann billig erworbene Münzrecht bestätigt, das aber damals noch nicht ausgenützt worden zu sein scheint. Nach dem nicht ganz klaren Urkundentext scheint die Stadt das Münzrecht schon früher einmal, aber nur befristet besessen zu haben. Es ist jedoch wahrscheinlicher, daß mit dem Besitzwechsel der Länder Bautzen und Görlitz von Brandenburg an Böhmen die Brakteatenprägung aufgehoben und der Stadt Görlitz die Ausprägung von Teilstücken der inzwischen eingeführten Groschenmünze in Form von Hellern und Pfennigen — die später eine verhängnisvolle Rolle in der Geldgeschichte der Oberlausitz spielten — zugestanden wurde. Ansonsten hat hier der Prager Groschen dominiert. Sein Anteil an Funden von Silbermünzen des 14. und 15. Jahrhunderts beträgt 88,1%, doch ging der Anteil böhmischen Geldes im 16. Jahrhundert demgegenüber stark zurück. Trotzdem kommt es bis ins 18. Jahrhundert in Oberlausitzer Funden noch bis zu 65% der Fundmasse vor.

G. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn Etwa ein Jahrhundert nach der Landnahme im Jahre 896 hat das unruhige Reitervolk der Magyaren oder Ungarn unter seinem ersten König Stephan dem Heiligen (997— 1038) seine ersten Münzen geprägt. In jüngster Zeit wurde zwar von Gyula LASZLÖ der Versuch gemacht, dem heiligen König die Priorität abzusprechen und diese seinem Vater, dem Fürsten Geza, der mitunter auch Stephanus und Rex genannt wurde, zuzuschreiben (616). Die von Läszlo angeführten Gründe reichen indessen nach Ansicht eines namhaften ungarischen Historikers und Numismatikers so lange nicht aus, bis nicht neue Funde diese These untermauern (463). Vorläufig gelten daher die Gepräge mit STEPHANUS R E X wie bisher als Münzen des im Jahre 1000 mit einer von Papst Sylvester geweihten Krone gekrönten ersten wirklichen Königs. Der erste Erzbischof von Gran überbrachte seinem Herrscher nicht 332

nur dieses königliche Symbol, sondern dazu das auch auf die Nachfolger übergehende apostolische Recht der Ordnung kirchlicher Angelegenheiten, ein Recht, dessen sich die Könige auch stets bedienten. Den Titel eines „apostolischen Königs" trugen jedoch die ungarischen Könige erst seit Maria Theresia, der dieser Titel von Papst Clemens XIII. erneuert worden war. Unter Franz Joseph I. kommt er auch auf den Münzen vor. Der Beginn der Münzprägung in Ungarn stand sicherlich in engem Zusammenhang mit der Annahme des Königstitels und der königlichen Macht. Auf die Ausübung des Münzrechts war indessen auch die Gemahlin des ersten Königs, die bayrische Prinzessin Gisela, von Einfluß gewesen, deren Vater Heinrich II. (985—995) zu Regensburg Denare und Obole prägen ließ. Stephans Münzen besaßen den Wert eines Regensburger Obols, also eines Halbdenars. Sie weisen bei zahlreichen Stempelverschiedenheiten im Grunde nur einen einzigen Typus auf: beiderseits ein Kreuz als Symbol des jungen ungarischen Christentums; auf der Vorderseite die Umschrift STEPHANUS REX, auf der Rückseite REGIA CIVITAS (Durchmesser 15—17 mm, Durchschnittsgewicht 0,8 Gramm). Man hat lange angenommen, daß nur eine einzige Münzstätte — nämlich Gran — diese Münzen hergestellt habe, die bald zu wichtigen Handelsmünzen wurden. Nun hat aber vor etwa drei Jahrzehnten ein auf der Insel Gotland in der Ostsee gehobener Schatzfund ein Stück ans Tageslicht gebracht, das nicht nur diese Ansicht erschütterte, sondern auch einen neuen Typus aufwies. Dieser zeigte auf der Rückseite einen Giebel auf Querbalken mit der Umschrift ( B ) R E S L A W A C I V . Dieses neue Münzbild zeugt sowohl von bayrischem als auch von böhmischem Einfluß. Als Ursprungsort ist die slowakische Hauptstadt Bratislava (Preßburg) anzusehen. Nach Fabrik, Größe (21 mm) und Gewicht (1,99 Gramm) steht dieses bisher einzige Exemplar den regulären Geprägen des Königs ferner als dessen gewichtige Nachprägungen, von denen bisher nur 6 Stück bekannt sind und die im Auftrage Stephans vielleicht von bayrischen Münzmeistern im Westen geschlagen wurden. Neben ihnen gibt es auch normalgewichtige Exemplare von schlechter Ausführung und mit verworrenen, unlesbaren Umschriften, deren Erzeugungsort unbekannt ist. Wie dem auch sei: Mit diesen Nachprägungen ist aber das Kernproblem der ersten ungarischen Münzen angeschnitten. Nachgeprägt wurden bekanntlich nur Münzsorten, die allgemein bekannt und beliebt waren und demzufolge einen international anerkannten Handelswert besaßen. Unter dem ersten König gab es nämlich einen bereits sehr bedeutenden ungarischen Außenhandel, dessentwegen das Land wohl überhaupt erst zu einem von allem Anfang an zielbewußt gesteuerten eigenen Münzwesen kam. Der Binnenhandel war zu dieser Zeit wohl kaum noch über den altgewohnten bargeldlosen Tauschhandel hinausgelangt; der Adels- und Kriegerstand deckte seine Lebensbedürf333

nisse noch hauptsächlich aus seinen Gütern. Allerdings bedurfte man bereits in dieser Zeit Waren, die im Lande selbst kaum herzustellen waren. In den drei gewichtigen Bänden, die zur Tausendjahrfeier des heiligen Königs 1938 herausgekommen sind und sein Leben und Wirken eingehend untersuchten, findet sich auch eine Abhandlung von Ludwig H U S Z Ä R über das Münzwesen Stephans und darin eine Zusammenstellung von nicht weniger als 110 Auslandsfunden, in denen die Münzen Stephans in wechselnder Anzahl vorkommen und als Fundorte die Länder Deutschland, Polen einschließlich Danzig, Böhmen, Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Italien und Österreich umfassen. Diese Streuung setzt eine ansehnliche Zahl von Geprägen voraus, die von einer einzigen Münzstätte (Gran) kaum bestritten worden sein konnte. Die Hauptrichtung dieser merkwürdigen Verbreitung der Stephan-Obole „ist der Lauf der Oder und der Weichsel; von dort geht die Ausstrahlung nach Schlesien, dem Lauf der Elbe, dann weiter nach Pommern, Mecklenburg, den Holsteinischen und dänischen Inseln, Schweden und den Färöer Inseln . . (450). Die weitere Verbreitung erfolgte in östlicher Richtung. „Hier gelangten die ungarischen Münzen auf dem Wege des Seehandels nach Estland, von hier nach Finnland, Lettland, Litauen und Rußland, wo der Ladoga-See die äußerste Grenze bildet. Diese Wege bedeuten bis zu einem gewissen Grade auch die Wege des Handels." Die ungarischen Münzen des 11. Jahrhunderts kommen bis einschließlich der Zeit Ladislaus des Heiligen (1077—1095) in diesen nordischen Funden vor. Das spätere Aufhören dieses Verkehrs kann auf drei Ursachen zurückgeführt werden: auf die Erstarkung der autochthonen Münzprägung, die nunmehr überall eintrat, auf die im 12. Jahrhundert erfolgte ungarische Münzverschlechterung und schließlich auf die neue Richtung des ungarischen Handels, der sich mehr nach Westen verschob. Ohne urkundliche Beweise zu besitzen, dürfen wir wohl annehmen, daß das Silber der ersten ungarischen Münzen vorwiegend aus dem Gebiet der später so genannten „niederungarischen" Bergstädte stammte. Ihre Beliebtheit aber verdankten sie ihrem fortdauerndem guten Feingehalt von durchschnittlich 930/1000. Man kann daher diese Obole fast als Feinsilber, argentum purissimum ansehen. Vielleicht war diese Güte, gepaart mit massenhaftem Auftreten, auch die Ursache, daß das ungarische Bergsilber alsbald donauaufwärts den Weg nach dem Westen fand, so daß, wie schon mehrfach erwähnt, Ungarn während des Mittelalters geradezu zur „Silbergrube" für Deutschland wurde. Als Hauptprägeort der ungarischen Münzen wird Gran angenommen, weil diese Stadt lange Zeit Residenz war und sich zudem das genannte Montangebiet in unmittelbarer Nähe befand. Neben Gran wurde zwar auch Stuhlweißenburg als mögliche Münzstätte genannt, aber schon der Umstand, daß der Erzbischof von Gran, zugleich Primas des Landes, seit alters das Kontrollrecht über die Münzprägung besaß, aus dem er beträchtliche Einkünfte bezog, spricht für diese Stadt. Überdies lag das reichste Montangebiet Ungarns am Mittellauf des Granflusses, der gegenüber der Stadt in die Donau mündet und wohl auch als Transportweg für die Erzeugnisse des Bergbaues benutzt werden konnte. König Stephan hatte sich für seine Münzen bayrischen und italienischen Fachleuten verschrieben. Daß er gerade die Regensburger Pfennige seines Schwiegervaters zum Vorbild nahm, geschah wohl kaum aus familiären Rücksichten, sondern vor allem deshalb, weil eben diese Münzgattung den Donauhandel beherrschte. Aus einem karolingischen Pfund im Gewichte von 408 Gramm schlug man bei einem Feingehalt von 900/1000 und mehr 510 solcher Oboli. Obzwar sie im Wert nicht haargenau der Hälfte der Denare Heinrichs II. entsprachen, waren sie dennoch wertvoller als die sonstigen 334

112. Ungarn, Salomon. Denar 113. Ungarn, Ladislaus I. der Heilige. Denar. 114. Ungarn, Ladislaus I. der Heilige. Denar 115. Ungarn, Ladislaus I. der Heilige. Denar

deutschen und böhmischen Münzen dieser Zeit. Das Münzregal war im Westen durch die Verleihung an weltliche und geistliche Große sehr entwertet worden ; das ungarische guthaltige Silbergeld wurde daher schnell ein allgemein beliebtes und weithin verbreitetes Zahlungsmittel. Es gelang ihm sogar, in Polen bald den in seinem Wert immer mehr absinkenden Regensburger Denar zu verdrängen. Die auf dem Silberreichtum seiner Bergwerke beruhende Beständigkeit von Schrot und Korn machte das junge ungarische Königtum für ein halbes Jahrhundert geradezu zum Erben des gesunden karolingischen Münzsystems. Trotzdem gestaltete sich das Münzregal damals bei weitem nicht so einträglich wie in späterer Zeit, da der Verkehr mit gemünztem Gelde doch noch recht beschränkt war. Nur auf den königlichen Märkten entwickelte sich der Umlauf der eigenen Silbermünzen etwas reger. Ansonsten schlössen die Ungarn ihre Geschäfte mit den reichlich vorhandenen byzantinischen Goldstücken ab sowie mit dem alten Produktengeld: Rindern, Tierhäuten, Pelzen. Sogar der König selbst schrieb die gesetzlichen Bußgelder noch in Rindern und Goldgeld vor. Parteistreitigkeiten und Thronwirren nach dem Tode Stephans des Heiligen ließen Ungarn von der unter seiner Regierung erreichten stolzen Höhe an Macht und Ansehen jäh wieder herabsinken. Nur ein einziger unter den drei unmittelbaren Nachfolgern Stephans, Andreas I. (1046—1061), brachte es zu einer fünfzehnjährigen Regierung; aber gerade er stellte die weisen Staatseinrichtungen seines Ahns wieder in Frage. Als erster einer langen, nur zeitweilig unterbrochenen Reihe, griff er zu dem berüchtigten Mittel der renovatio mottetae, der Münzverschlechterung. Er nutzte das Münzregal in allen seinen Konsequenzen aus und untergrub dadurch völlig den in ihren Anfängen so guten Ruf der ungarischen Münze. Für sich selbst steigerte er allerdings den persönlichen Nutzen der Silberprägung, der zur Zeit Stephans bloß 5,88% betragen hatte, auf 45—46%! Béla I. (1061—1063) brach zwar mit diesem unglücklichen System und vermochte auch den verlorengegangenen Kredit der ungarischen Münze einigermaßen wieder herzustellen; er regierte aber zu kurz, um Dauerndes zu schaffen. Sein Nachfolger Salomon (1063—1074) führte die Zwangseinwechslung von neuem ein und verringerte während seiner Regierung den Silbergehalt und Wert der Münzen um 25%. Erst unter Ladislaus dem Heiligen (1077—1095) wurde diesem ein halbes Jahrhundert währenden Tiefstand und der Zerrüttung ein Ende gemacht. Es ist nur zu begreiflich, wenn die seines segensreichen Wirkens noch lange hinaus dankbar gedenkende Nachwelt sein Bild im 14. und teilweise auch noch im 15. Jahrhundert als das des Nationalheiligen auf die Rückseite der Goldgulden setzte, in ähnlicher Weise wie die Florentiner ihren S. Giovanni. Erst König Matthias Corvinus brach mit dieser Überlieferung und 335

setzte an die Stelle seines heiligen Vorgängers die hl. Jungfrau mit dem Kinde auf seine Florene. Als „Patrona Hungariae" ist die hl. Gottesmutter noch bis ins 20. Jahrhundert hinein auf ungarischen Münzen zu sehen. König Ladislaus verwarf Geldverschlechterung und Münzverrufung, ließ aus gutem Silber vollwertige und daher wertbeständige Silberdenare prägen und bestimmte genau das Wertverhältnis des im Lande kursierenden byzantinischen Goldsolidus — der sogenannten pensa auri—und seines königlichen Silberdenars. Der Verkehrswert eines Goldstückes, der zur Zeit Stephans 30 Denare betragen hatte, setzte er auf 40 Denare oder 80 Oboli fest. Diese Wertbestimmung wurde zur Basis der im Verlaufe des Mittelalters gebräuchlichen und von jeder ausländischen abweichenden ungarischen Silberberechnung, wonach die Summe von 40 Denaren — ungeachtet ihres jeweiligen Werts — stets pensa genannt wurde. Zur Erhöhung der Einkünfte riefen die ungarischen Könige um die Mitte des 11. Jahrhunderts zur Besiedlung noch unbewohnter Gebiete und zur Ergänzung der durch innere und äußere Kämpfe stark zusammengeschmolzenen Bevölkerung fremde Ansiedler ins Land, hauptsächlich Deutsche, darunter auch um Geld gekaufte Kriegsgefangene. Um die gleiche Zeit aber begannen auch die im Münz-, Finanz- und Zollwesen sehr erfahrenen arabischen und bulgarischen Mohammedaner einzuwandern, die in den ungarischen Geschichtsquellen mit den gleichfalls mohammedanischen Petschenegen unter dem Namen Böszörmenier, Kalisier, Ismaeliten und Sarazenen erwähnt werden. Gleichzeitig tauchen auch die Juden in Ungarn auf. Es begann ein reges Handelsleben und demzufolge werden auch der Umlauf und die Menge geprägten Geldes beträchtlich zugenommen haben. Die bisher noch in großem Umfang ausgeübte Naturalwirtschaft begann nunmehr auch in Ungarn der mächtig voranstrebenden Geldwirtschaft zu weichen. Ladislaus der Heilige setzte bereits hohe Geldbußen für gewisse Delikte fest. Als der König starb, ohne einen männlichen Erben zu hinterlassen, wurde der Sohn seines Bruders Géza I., Koloman (1095—1114) sein Nachfolger. Dessen Gesetzgebung zeigt ebenfalls eine gewisse Zunahme im Gebrauch des Münzgeldes. So hatten etwa die Ansiedler eine jährliche Kopfsteuer von 8 Denaren zu leisten. Dieser „freie Denar" ist die erste staatliche Steuer in Ungarn. Auch Ismaeliten und Juden waren verpflichtet sie zu bezahlen. Obwohl kränklich und körperbehindert, erwies sich Koloman als ein dem Oheim ebenbürtiger Herrscher, der dem Lande nach verheerenden Kriegen und blutigem Parteihader wieder Frieden und Ordnung brachte — doch nur für kurze Zeit. Denn mit der Vermehrung des königlichen Besitzes wuchsen gleichzeitig auch die Belastungen des Staatshaushaltes. Eine glänzende Hofhaltung, außenpolitische Ausgaben sowie die Haltung eines ständigen Söldnerheeres ließen den Bedarf an Gold, Silber und Bargeld immer stärker anwachsen, was die Könige durch Steigerung der Regaleinkünfte, insbesondere aus der Münzprägung, wettzumachen suchten. Der Mißbrauch des Münzwesens als landesfürstliche Einnahmsquelle war aber zu allen Zeiten und an allen Orten gleichbedeutend mit seiner Zerrüttung. Seit Béla II. (1131—1141) gaben die Herrscher jährlich neue Münzen heraus, was früher nur jedes zweite Jahr der Fall gewesen war. Der Verkehrswert der Münzen verringerte sich von Tag zu Tag. Nach einem Jahre aber wurden sie mit einer Einwechslungsprämie von 50% wieder aus dem Verkehr gezogen, was vor allem die Kaufmannschaft äußerst belastete. Vor allem eben unter Béla II. wurde dieses hierum camerae (ein Begriff, der in der ungarischen Münz- und Geldgeschichte eine bedeutende Rolle spielt) durch Verminderung von Schrot und Korn vermehrt. Das Gewicht von 0,3991 Gramm reinen Silbers, das Kolomans letzte und Stephans II. erste Denare besessen hatten, sank nunmehr auf 0,0327 Gramm, also im Verhältnis von 13:1. Die 336

116. Ungarn, Stephan V. Kupferstück nach byzantinischer Art mit arabischen Umschriften

Folge dieser Maßnahmen war wohl ein wesentlicher Gewinn des Ärars, also des Königs, dagegen ein Verlust der Kreditwürdigkeit der Münzen im Auslande und Devalvation ihres Umlaufwertes. An Stelle des entwerteten königlichen Geldes begann man nun auch in Ungarn ungemünztes Silber nach Gewicht als Zahlungsmittel zu verwenden. Wie ist aber die ständige Verschlechterung der ungarischen Münze mit dem allem Anschein nach riesigen Silberexport über Wien nach Oberdeutschland in Einklang zu bringen? Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Was man bei der Prägung am Münzmetall einsparte, gewann man als Vielfaches bei der Ausfuhr. Die fremden Kaufleute kamen ja nicht allein wegen der ungarischen Felle und Häute, wegen Honig und Wachs nach dem Osten; es gab eben noch eine andere Ware, die in Oberdeutschland, wo diese Kaufleute meist saßen, mangels eigener Bergwerke gänzlich fehlte, nämlich die Edelmetalle. Insbesondere das Silber, und hier wieder in erster Linie das des niederungarischen Montangebietes, war und blieb auf Dauer ein Ausfuhrartikel par excellence, dem alles andere untergeordnet wurde, sogar das eigene Münzwesen. Mochte auch die ungarische Münze im Auslande ihr ehemaliges Ansehen auch restlos eingebüßt haben, so konnte man die Einfuhr mit hochwertigem Barrengeld bezahlen. Für den „armen gemeinen Mann" war das verschlechterte einheimische Geld noch immer gut genug. Erst Géza II. (1141—1161) gelang es, das finanzielle Gleichgewicht wiederherzustellen. Nach einer zwanzigjährigen Stabilität der Valuta betrat dann Béla III. der Glorreiche (1173—1196) wieder den Weg einer allmählichen Münzverbesserung, indem er den Feingehalt der Denare von 0,144 Gramm auf 0,546 Gramm steigerte, wodurch nicht nur die königlichen Einkünfte wieder stiegen, sondern auch der Kredit langsam wiederkehrte. Unter Béla wurden — ein einmaliges Phänomen in der ungarischen Münzgeschichte — mit aller Wahrscheinlichkeit jene merkwürdigen Kupfermünzen teils nach byzantinischem, teils nach arabischem Vorbild geprägt, die bisher der bloß einjährigen Regierung Stephans IV. (1162—1163) zugeschrieben worden waren. Sie wurden bis vor kurzem als eine nebensächliche Erscheinung angesehen. Nun aber hat sich herausgestellt, daß sie an über 130 über ganz Altungarn verstreuten Orten gefunden wurden. Ein erst vor wenigen Jahren zu Hort, im Komitat Heves gehobener Schatz brachte 1061 solcher Kupferstücke ans Tageslicht, die nicht weniger als 122 Stempelvarianten aufweisen. Die weitgehende Streuung dieser Funde und die Menge im Horter Schatze zeigen mit voller Deutlichkeit, daß diese Kupferprägung sehr intensiv gewesen sein muß. Weshalb sie dann wieder aufgelassen wurde, ist keineswegs geklärt. Interessant ist aber, daß diese Kupferstücke auch gemeinsam mit Friesacher Pfennigen in den Funden vorkommen. Der Umlauf war sicherlich auf Ungarn allein beschränkt. Eine Zirkulation in großen Mengen jenseits der Landesgrenzen kommt schon aus dem Grunde nicht in Frage, weil zu dieser Zeit das Kupfer 337

117. Slavonien, Kg. Karl Robert von Ungarn; Banus Mikac Mihaljevic. „Banal"Denar

118. Ungarn, Andreas II. Denar

sonst als Münzmetall geradezu verpönt war. Nur in mährischen Funden kommen diese Stücke gelegentlich vor. Sollte eine vorübergehende Silberverknappung dieses Abweichen von der Regel ausgelöst haben? Der Fund von Hort läßt die Annahme zu, daß diesen Kupferstücken doch eine größere Bedeutung zukam, als bisherangenommen wurde. Infolge der Einwanderung aus dem Auslande vermehrte sich auch die von den freien Bauern und Ansiedlern erhobene Kopfsteuer wie auch die Erträgnisse aus der in Slawonien üblichen „marturina", der Marderfellsteuer. Im 13. Jahrhundert wird dann auch das Zoll- und Mautregal intensiver ausgenützt, wozu noch Brückenzölle und Flußgeld kamen. Die das Land durchquerenden Kreuzfahrer und die neuen Siedler führten zu einer ungemeinen Belebung des Verkehrs und zur Errichtung neuer Marktplätze. Höman schätzt die Einkünfte Bêlas III. auf ungefähr 241.000 Gewichtsmark im Jahr, was etwa 45.000 Kilogramm gediegenen Feinsilbers entspricht, wobei die Einnahmen aus der Münzprägung allein rund 60.000 Gewichtsmark ausmachten. Nach dem Tode des „glorreichen" Königs drohte aber ein unseliger Bruderzwist alle Errungenschaften des Vaters wieder zunichte zu machen. Der Tod Emmerichs und seines kaum der Wiege entwachsenen Sohnes Ladislaus III. beendete zwar den Thronstreit, brachte jedoch mit Andreas II. (1205—1235) abermals eine unruhige Zeit. Infolge der Kreuzzüge waren zwar die bisher getrennten Wirtschaftsgebiete Europas und Kleinasiens einander nähergerückt worden und auch im Westen neue Bedürfnisse und bisher unbekannte Luxusansprüche entstanden. In Ungarn war die Umstellung zu der nunmehr fast allenthalben gültigen Geldwirtschaft keineswegs reibungslos vor sich gegangen. Das feudalistische Land war wirtschaftlich noch nicht reif, im Konzert der Mächte eine gleichberechtigte Stellung einzunehmen. Die Schatzkammer war geleert, das alte System verfallen, neue Grundlagen für den Staatshaushalt, der über die Zeit Stephans des Heiligen hinaus noch immer auf dem königlichen Domanialbesitz beruhte, mußten erst geschaffen werden. Andreas II. machte das Finanzregal im Geiste der sizilianischen Reform seines großen Zeitgenossen Kaiser Friedrichs II. zum Mittelpunkt des Landeshaushaltes. Die Regaleinkünfte mußten durch Erschließung neuer Quellen und einträglichere Nutzung der alten vermehrt werden. Selbstverständlich stand auch hier wieder einmal die Ausschöpfung des Münzregals im Vordergrund. Es hatte bekanntlich im 12. Jahrhundert zu den am einträglichsten fließenden Quellen gehört, war aber jetzt am Beginn des 13. bedenklich zusammengeschmolzen. Deshalb griff auch Andreas zur metallenen Inflation der Münzverschlechterung, nur daß sie unter ihm in einer besonders häßlichen Form durchgeführt wurde. „Er ließ nach dem Muster der guten Friesacher Denare, die in den deutschen Territorien des Ostens und so auch im Lande seiner Meraner Verwandten im Umlauf waren, scheinbar schönes und wertvolles 338

Geld prägen. Die Kaufleute nahmen das im Gewände des auch in Ungarn kursierenden Friesacher Geldes erscheinende schwere königliche Geld gern an. Aber sie kamen bald darauf, daß die Nachahmung nur äußerlich dem Muster glich" (435/11). In Wahrheit war das königliche Geld ungefähr um 50% weniger wert als die echten Friesacher. Und da der Feingehalt der andreanischen Münzen weder dem Bêlas III. entsprach noch dem der Friesacher, „trat durch das Wiegen des Geldes auch bei Zahlungen nach Silbergewicht ein Verlust von 20 Prozent ein. Dabei begnügte sich Andreas nicht mit dem großen Nutzen, den die jährliche Zwangsverrufung brachte, er versuchte jährlich sogar mehrmals neues Geld in Verkehr zu bringen. Infolge dieser Manipulationen weigerten sich die Bewohner des Landes, das königliche Geld bei Zahlungen anzunehmen und hielten auch weiterhin am ausländischen Gelde und an der im 12. Jahrhundert üblichen Silbervaluta fest. Der Schatzmeister Dionys vermehrte die Einkünfte der königlichen Münzprägung, dezentralisierte die Verwaltung und stellte sie auf geschäftliche Grundlage. Dionys errichtete mehrere neue Münzkammern : in Ofen, in der Diözese Csanâd, in Syrmien und Slawonien und verpachtete die Kammern einzeln. Die Stelle der Meister der königlichen Münzprägung nahmen Pächter ein, die königliche Kammergespane — comes camerae — genannt wurden. Die Überwachung der Geldprägung behielt der König weiterhin sich und dem Erzbischof von Gran vor, der den zehnten Teil der Geldprägungseinkünfte genoß" (435/11). Aber die bis zum Leichtsinn ausartende Freigebigkeit Andreas II., der Gut um Gut an die sich um ihn drängenden fremden und ungarischen Adeligen verschenkte, hatte mit seiner Finanzreform ein höchst verderbenbringendes System geschaffen, das Mißbräuche und Übergriffe von Seiten der mit einem Schlag reich gewordenen, unersättlichen Würdenträger geradezu herausforderte, gleichzeitig aber eine ständig anwachsende Opposition ins Leben rief. Sie richtete sich gegen das neue System, nicht zuletzt gegen die Verpachtung der Regaleinkünfte. Eine solche war freilich im Ausland schon seit längerer Zeit gebräuchlich. Sie hatte sich dort dank der persönlichen Interessen der Pächter vom Standpunkt der Rentabilität aus wie auch in Ungarn so lange bewährt, als die Pacht in den Händen einwandfreier Geschäftsleute lag. Nun aber wurde zwischen 1219 und 1222 die königliche Münzprägung in Ungarn die Beute der anrüchigen Sarazenen und Ismaeliten, „die das Ärar mit einer hohen Pachtsumme befriedigten, den Kredit des ungarischen Geldes aber innerhalb von ein paar Jahren zugrunde richteten und den zum Gebrauch des königlichen Geldes gezwungenen Landesbewohnern unerträgliche Lasten auferlegten" (435/11). Die Verschwörung der Unzufriedenen, deren erstes Todesopfer die aus dem Hause Andechs-Meranien stammende Königin Gertrud wurde, setzte indessen nicht den Schlußpunkt unter diese Entwicklung. Neun Jahre später, 1222, mußte auf einem Gerichtstag zu Stuhlweißenburg der König den Forderungen der überwältigenden Menge der Unzufriedenen nachgeben und in der sogenannten „Goldenen Bulle" den Einwohnern des Landes die von Stephan dem Heiligen erworbenen, aber von einigen seiner Nachfolger stark beschnittenen Freiheiten bestätigen. Seit ihrer neuerlichen Bestätigung durch Ludwig I. den Großen ist diese ungarische „Magna Charta" als Zusammenfassung der adeligen Freiheitsrechte bekannt. Sie verbot unter anderem die Verwendung von Ismaeliten und Juden bei der Pacht und Verwaltung von Münzpräge- und Salzkammern sowie der Zölle und bestellte an ihrer Stelle ungarische Adelige. Die Bulle verfügte ferner die ein Jahr lang währende Gültigkeit der königlichen Münzen und schrieb die Prägung von Denaren vor, die den Münzen Bêlas III. ähnlich, also aus gutem Silber sein sollten. Interessant ist dabei der Umstand, daß bei der zweiten Bestätigung der Urkunde durch Andreas II. im Jahre 1231 die Bestimmungen über den Geldumlauf und die Qualität der Münzen wegfiel und nur die über die Ismaeliten und Juden aufrechterhalten wurden. 339

119. Ungarn, Bela IV. Mohrenkopf-Brakteat

120. Ungarn, Stephan V. Denar Münzstätte Graz

Das Unglück wollte es, daß schon wenige Jahre nach dem Tode dieses schwachen Herrschers über Ungarn eine Katastrophe schier unvorstellbaren Ausmaßes hereinbrach : der Tataren- oder Mongoleneinfall des Jahres 1241. Das Land glich nach dem plötzlichen Abzug des Feindes einer förmlichen Wüstenei. Trotzdem vermochte Béla IV. (1235—1270), der unmittelbare Nachfolger Andreas, Ungarn wieder zu Wohlstand und Ansehen zu führen. Bei seinem Hinscheiden hinterließ er ein territorial vergrößertes, im Innern geordnetes Reich. Auch die Finanzen waren dank umsichtiger Reorganisation wieder geregelt und damit natürlich auch die Geld- und Münzverhältnisse. Unter Béla IV. erreichte die Münzprägung der Arpaden ihre höchste Ausbildung. Die Denare und ihre Halbstücke, die Obole, waren wieder aus gutem Silber, ein Beweis, daß auch die durch die Mongolen teilweise verwüsteten Bergwerke wieder ihren Betrieb aufgenommen hatten. In dem letzten Jahrzehnt der Regierung dieses Königs, also etwa zwischen 1260 und 1270, konnte in den westlichen, an Österreich grenzenden Komitaten Ungarns das Eindringen einer neuen ausländischen Münze festgestellt werden, die bisher nur ab und zu aufgetreten war, aber nun andauernd im Verkehr blieb: der Wiener Pfennig. „In einer undatierten Urkunde, die vom Vasvärer Kapitel zwischen den Jahren 1265 und 1270 ausgestellt wurde, werden die Wiener Pfennige noch jenseits der Raab umlaufende Pfennige (marca denariorum ultra Rabam currencium) genannt. Kaum einige Jahre später war der Wiener Pfennig das einzige Zahlungsmittel jenseits der Donau und ganz Nordwestungarns" (433/WNZ. LI). Zu Tausenden kommen die Wiener Pfennige in den Münzfunden zum Vorschein, wodurch ihr Umlauf auch in Westungarn bezeugt ist. Der Kontakt zwischen Ungarn und Böhmen war zur Zeit der Kämpfe, die Premysl Ottokar II. von Böhmen um den Besitz von Österreich und der Steiermark führte, lebhaft. Er erreichte seinen Höhepunkt mit der Eroberung der grünen Mark durch Béla IV. 1254. Damals ließen übrigens der spätere König Stephan V., vorher Herzog der Steiermark, und der Banus Stephan aus dem Geschlecht der Gutkeled zwischen 1254 bis 1260 wahrscheinlich in Graz eigene Münzen für die steirische Provinz prägen. Durch die Vermählung des Böhmenkönigs mit Kunigunde, der Enkelin Bêlas IV., wurde die Verbindung zwischen beiden Ländern noch enger; sie wirkte sich insbesondere auf den Handel sehr günstig aus, zumal auch die nach dem Mongolensturm von Béla gegründeten, wie auch die älteren ungarischen Städte aufzublühen begannen. Demgemäß nahm auch der Umlauf der Wiener Pfennige in Ungarn immer mehr zu. Doch erklären alle die erwähnten Gegebenheiten keineswegs die Tatsache, daß der Wiener Pfennig bereits nach Ablauf einiger Jahre das beliebteste Zahlungsmittel in Ungarn geworden war. Die Friesacher waren seinerzeit infolge des geringen Wertes der Landesmünzen ins Land gekommen. Zur Zeit Bêlas IV. aber war die Lage doch ganz 340

anders. „Die musterhafte Münzprägung Bêlas und seine 0,900 Gramm Silber hältigen Pfennige, die viel besser waren als die 0,687 Gramm hältigen (elflötigen) Wiener Münzen, zeugen dafür, daß er die in der Münzverschlechterung steckende ausgiebige, jedoch unmoralische Einnahmsquelle für sich nicht in Anspruch nahm" (433/WNZ. LI). Daß sich die Wiener Pfennige trotzdem im Lande verbreiteten und das wertvollere Geld des ungarischen Königs sogar aus dem Umlauf verdrängen konnten, dafür war der Kurswert der Wiener Pfennige in Ungarn maßgebend. Der König versuchte zwar durch einen niedrigen Wertansatz das übermäßige Eindringen der Wiener Pfennige zu verhindern, aber die Kaufleute beider Länder fanden Mittel und Wege, diesen offiziellen Kurs zu umgehen. In Wien wurde wahrscheinlich die bessere ungarische Münze eingeschmolzen und zu einer weniger wertvollen umgemünzt, die dann den Umlauf der ungarischen Denare im eigenen Land und damit auch eine der wichtigsten Einnahmsquellen des königlichen Fiskus gefährdete. Es kam sogar so weit, daß man sich in Ungarn selbst weigerte, die eigenen Münzen anzunehmen. Die großen Freiheitsbriefe Andreas II., vor allem die beiden Goldenen Bullen von 1222 und 1231, nahmen noch darauf Bedacht, die Untertanen gegen die aus der schlechten ungarischen Münze stammende ungerechte Belastung zu schützen. Die Gesetze von Andreas III. aus den Jahren 1291 und 1298 sehen sich dagegen schon genötigt, „die aus gutem Silber geprägten königlichen Münzen und den dem König zukommenden rechtmäßigen Münzgewinn gegen die Gewinnsucht der Untertanen in Schutz zu nehmen. Man trachtete daher mit allen Mitteln, dem Wiener Pfennig Einhalt zu gebieten, indem man Münzen schlug, die dem Wiener Pfennig ähnlich waren. Es tauchten daher neben dem vollgewichtigen, meist viereckigen Wiener Pfennig (Vierschlag) auch leichtere, runde und flache geprägte Pfennige auf" (433/WNZ. LI), deren Gepräge manchmal dem einer schwereren Pfennigsorte vollkommen entspricht, manchmal als eine neue Abart erscheinen. Bemerkenswert ist, daß diese leichten Pfennige auf österreichischem Boden nur vereinzelt gefunden werden. Sie werden in den Quellen des 14. Jahrhunderts oft auch kleine Pfennige (parvi, parvuli) oder kleine Wiener (parvi Viennenses) genannt. Die echten Gepräge dagegen heißen in den ungarischen Quellen denarii lati. Diese kleinen Wiener aber bezweckten keineswegs eine Ausbeutung des Volkes ; sie wurden vielmehr unter Ladislaus IV. dem Kumanier (1272—1290) und seinen Nachfolgern nur zur Verhinderung des Umlaufes der originalen Wiener Pfennige geschlagen. Die Absicht gelang allerdings nicht restlos; die Wiener Pfennige blieben auch weiterhin im Verkehr, da ihr Silberwert größer war als der der ungarischen Wiener. Diese unentwegte Beliebtheit der denarii lati veranlaßte um 1335 den Karl Robert neben den parvi Viennenses auch große zu prägen. Dem österreichischen Gebrauch der Hälblinge entsprechend ließ der König auch oboli ( Halbpfennige) herstellen, die in einer ungarischen Quelle Viennenses valde parvi, also sehr kleine Wiener, genannt werden; sie standen zu den ungarischen parvi in einem Verhältnis von 10:14. Den Niedergang des ungarischen Münzwesens haben — wenn wir Andreas II. ausnehmen — die Herrscher nur zum Teil selbst verursacht. Der Druck innerer und äußerer Einflüsse trägt die Hauptschuld daran. Im Grunde aber vollzog sich in Ungarn eine ähnliche Entwicklung, wie wir sie bereits in den bisher besprochenen Ländern im Mittelalter kennengelernt haben. Es ist nur natürlich, daß auch die Nachbarschaft in irgendeiner Weise auf das eigene Münzwesen zurückwirkt ; dies zeigte sich hauptsächlich in dem Grundübel jedes Münzwesens überhaupt, in der Verdrängung der guten eigenen Münzen durch die nachbarlichen schlechten. Ein typischer Vorgang, der Jahrhunderte später als das Greshamsche Gesetz bezeichnet wird. 341

Wie in Böhmen unter Wenzel II., kam es dann ungefähr um dieselbe Zeit auch in Ungarn zu einer radikalen Umgestaltung des Münzwesens. Das Haus der Arpaden ist im Jahre 1301 mit Andreas III. ausgestorben. Um die Nachfolge entbrannten erbitterte Parteihader, die das Land an den Rand des materiellen Ruins brachten. Auch der neugewählte Karl Robert von Anjou konnte sich erst nach schweren Kämpfen gegen die während des Interregnums zur Macht gelangten ungarischen Oligarchen, insbesondere gegen die Gewaltherrschaft des Matthäus Csäk von Trentschin durchsetzen. Dieser soll sich angeblich auch das Münzrecht angemaßt haben, sicher ist jedoch, daß er in den niederungarischen Bergstädten sein Unwesen trieb. Der junge König kam aus Italien, dessen fortschrittliche Wirtschaft damals alle anderen Länder in den Schatten stellte. Daher war für ihn, der aus seiner neapolitanischen Heimat den Sinn und das Verständnis für eine gesunde Wirtschafts- und Finanzpolitik mitbrachte, die Förderung des Bergbaues als der unerläßlichen Basis eines geordneten Münzwesens die vordringlichste Aufgabe. Als sich die inneren Verhältnisse konsolidiert hatten, gründete er im Jahre 1328 die „Königin der sieben niederungarischen Bergstädte" : Kremnitz. Das böhmische Kuttenberg aber nahm er als Vorbild für Münzstätte und Bergbau. Von hier kamen auf seinen Ruf in ansehnlicher Zahl Bergleute und Bürger in die junge Bergstadt. Wir erinnern uns, daß Johann von Böhmen für seine Kuttenberger Münze und das Bergwesen Fachleute aus Florenz hatte kommen lassen. Es ist durchaus möglich, wenn auch urkundlich nicht nachweisbar, daß auf diesem Umweg ebenfalls Welsche nach Kremnitz kamen. Sicherlich aber befanden sich unter den zugewanderten Kuttenberger Stempelschneidern auch solche, die dort bei einem Italiener in die Schule gegangen waren. Denn seit Karl Robert wird das Münzbild auffallend künstlerischer und sorgfältiger als bisher. Eine Zeitlang hatte dieses im arpadischen Ungarn fast nur aus Ornamenten bestanden; Umschriften waren seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts selten geworden, so daß eine sichere Zuteilung an die einzelnen Herrscher, insbesondere von Koloman bis Géza II., unmöglich ist. Die Nähe zum Orient zeigt sich auch in der undeutbaren Nachahmung kufischer und arabischer Schriftzeichen, wie dies auf den erwähnten Kupfermünzen Bêlas III. und dem einzigen Goldstück der Arpadenzeit, das wohl gleichfalls diesem König angehören dürfte, zu sehen ist. Unter Andreas II. gibt es wenigstens schon figürliche Münzbilder, da sie ja Friesacher wie Wiener Pfennige nachahmen wollten. Erst unter Béla IV. und seinen Nachfolgern wird das Münzbild gefälliger; trotz der Kleinheit des Schrödings gibt es mitunter recht ansprechende Bilder. Auch Brakteaten finden sich darunter, die allerdings in Ungarn nie so im Schwange waren wie in Böhmen, sondern nur ganz vereinzelt vorkommen. Auch heraldische Motive finden sich ab und zu. Unter Karl Robert und seinem Sohn Ludwig I. dem Großen sind auch die Bilder der Kleinmünzen mit wenigen Ausnahmen nicht mehr der Willkür des Stempelschneiders anheimgestellt, sondern erweisen sich in ihrer Mehrzahl als ein Produkt sorgfältiger Planung und Rücksichtnahme auf königliche Repräsentation auch im kleinen. Die nach Kremnitz zugewanderten Münzer gehörten vorerst nicht der privilegierten Herrenschicht innerhalb der Bürgerschaft an. Erst viel später sitzen einige von ihnen im Stadtrat, weil sie durch Einheirat in eine alte Bürgerfamilie ratsfähig geworden sind. Kremnitz verdankte seine Erhebung zur königlichen Bergstadt seinem Bergbau; es produzierte insbesondere während des 14. und 15. Jahrhunderts solche Mengen Goldes wie kein anderes europäisches Goldbergwerk. Karl Robert verband diese Tatsache, die sich gerade zur rechten Zeit ereignete, sogleich mit seinem Münzwesen. Im Abendlande hatte bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts fast ausschließlich die Silberwährung 342

vorgeherrscht, der Denar oder Pfennig. Nur in Süditalien hatte unter arabischem Einfluß auch die Goldmünze schon eine Rolle zu spielen begonnen, während Byzanz seinen Solidus schon im frühen Mittelalter westwärts entsendet. Die Kreuzzüge machten dann den Westen mit einer ganz neuen Welt bekannt. Nicht daß es hier noch keinen bemerkenswerten Handel gegeben hätte, im Gegenteil, aber er spielte sich noch zu einem gar nicht geringen Teil, insbesondere mit den primitiven Völkern Osteuropas, in der Form des Tauschhandels ab; für den Zahlungsverkehr aber reichten Denar und Silberkuchen hinlänglich aus. Turnose und Prager Groschen und der neapolitanische Cigliato (den Karl Robert übrigens eine kurze Zeit auch in Ungarn prägen ließ) waren wohl ein Fortschritt, aber für den Fernhandel genügten sie nicht. Bisher hatte man sich wie erwähnt mit dem byzantinischen Goldsolidus und in gewissen Gebieten mit dem arabischen Dinar, der Goldeinheit des arabischen Münzsystems, beholfen, der übrigens schon frühzeitig in Funden des hohen Nordens auftauchte. Aber diese östliche Goldzufuhr konnte mit einem Male stocken; man wollte daher vor einer solchen Eventualität gefeit sein. Es sei daran erinnert, daß die drei großen italienischen Handelsstädte Florenz, Genua und Venedig für ihren Levantehandel Goldmünzen zu schlagen begannen, von denen der florentinische fiorino d'oro als Goldgulden bekanntlich weithin nachgeahmt wurde, freilich dort, wo es kein eigenes Berggold gab, nur in bescheidenem Ausmaße. Die venezianischen Zechinen aber wurden von Türken und Genuesen in Pera in schamloser Weise nachgeahmt, sogar Indien versuchte sie nachzuprägen. Die Zechine war daher viel weiter verbreitet als der florentinische Fiorino. Die Mengen dieser italienischen Goldprägungen, die ihr Metall wohl aus dem Levantehandel bezogen, und ihre Nachahmungen müssen ungeheuer gewesen sein; ihr entsprachen aber auch Ausmaße und Gewinne dieses Handels, bis es zu einem nicht vorher zu ahnenden Rückschlag kam. Der italienische Handel hatte sich seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ohne Schwierigkeit Gold aus Afrika beschaffen können, jedoch um die Wende zum 14. Jahrhundert wurde Europa von einer gewaltigen Goldkrise heimgesucht. Nicht die vermehrte Nachfrage nach diesem meistbegehrten Metall war die Ursache, sondern eine zwischen 1295 und 1305 erfolgte grundlegende Änderung des bis dahin stabilen Wertverhältnisses zwischen Gold und Silber, indem nunmehr der Wert des Goldes rapid zunahm. Im Mittel war sein Wert jetzt um 4% Punkte gestiegen, wobei diese Steigerung gerade durch das ungarische Gold beeinflußt war, denn zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatte sich der für den Welthandel bereits einzig und allein maßgebende ungarische Handel mit den goldführenden Ländern einschneidend verändert. Der Fall des letzten christlichen Bollwerkes Akkon im Jahre 1291 und die Vorbereitung zu einem neuen Kreuzzug hatten die Handelsbeziehungen zum Nahen Osten empfindlich gestört, und zu allem Überfluß verbot das Konzil von Vienne im Jahre 1312 jeglichen Handel mit den Moslims sowie den Transport von Waren, insbesondere nach Ägypten und Syrien. Diese Stillegung des Levantehandels blieb natürlich nicht ohne schwerste Rückwirkung auf den Geld- und Metallmarkt. Das kirchliche Handelsverbot sperrte ja die wichtigsten Quellen des unverarbeiteten Goldes, weil ja dessen größerer Teil gerade über Ägypten nach Europa gelangte. Infolge einer merkwürdigen Verkettung der Umstände konnte jedoch auch das ungarische Gold den herrschenden Mangel nicht beheben, obwohl Venedig sich darum eifrig bemühte. Die erwähnten Thronwirren und die Oligarchenherrschaft nach dem Aussterben der Arpaden lähmte die ungarische Wirtschaft; erst die tatkräftige Hand Karl Roberts belebte sie wieder. Der junge König sah in der Spannung zwischen Okzident und Orient eine ein343

121. Ungarn, Karl Robert von Anjou. Goldgulden nach florentinischem Vorbild

malige Chance für sein Land. Er steigerte die kritische Situation jener Länder, deren Goldbedarf bisher über den Orient befriedigt wurde, durch ein 1325 erlassenes Ausfuhrverbot für beide Edelmetalle, die bis dahin bekanntlich die wohl wichtigsten Exportartikel gewesen waren. Das ungemünzte Gold wurde in Ungarn dem freien Handel entzogen, die ausländischen Händler sahen sich daher zum Geldumtausch gezwungen. Den Kurs setzte Karl Robert 1335/36 so hoch an, daß dem königlichen Schatze ein großer Gewinn zufloß. Dies alles aber konnte erst geschehen, als der König nach böhmischem, dann nach italienischem Vorbild nun auch den Goldgulden eingeführt hatte. Er trug zunächst das gleiche Münzbild wie der Florentiner (gegen dessen Nachbildung Florenz übrigens protestierte), also die heraldische Lilie und den hl. Johannes, der später dem ungarischen Nationalheiligen Ladislaus weichen mußte. Der König behielt indessen diesen Typus nicht lange bei, sondern setzte, seine Selbständigkeit und Würde auch hier betonend, sein eigenes Konterfei thronend und gekrönt, Zepter und Reichsapfel haltend, auf die Vorderseite, während auf der Rückseite sein Wappen stand, das, gespalten, rechts die Lilien der Anjous, links die rot-silber-roten Balken Altungarns zeigt. Damit war auch Ungarn in die Reihe der goldprägenden Staaten eingetreten, aber nicht, wie so manch anderes Land, nur für kurze Zeit, gleichsam zur bloßen Repräsentation, sondern für viele Jahrhunderte bis 1916, in welchem das letzte Goldstück des Königreiches im Werte von 20 Kronen geprägt wurde. Die ersten Goldgulden wurden in Ofen, der Residenz des Königs, geschlagen. Erst später ging infolge der zunehmenden Türkengefahr die Prägung von Goldmünzen hauptsächlich auf die Münzstätte der „Goldstadt" Kremnitz über. Diese extensive Goldprägung war mit einer grundlegenden, ja geradezu umstürzenden Münzreform verbunden. Der ungarische Handel hatte vor Karl Robert mit drei großen Schwierigkeiten zu kämpfen: mit der Unsicherheit der Straßen, den ungerechten Zöllen und den unklaren Geldverhältnissen, die freilich ein „speziell ungarisches Übel" waren. Das Münzsystem war veraltet und infolgedessen zur Abwicklung eines umfangreicheren Handelsverkehrs gänzlich ungeeignet. Im 12. Jahrhundert war das ungemünzte Silber mit Ausnahme von Italien in ganz Europa das Zahlungsmittel für größere Beträge gewesen. Dieser Notbehelf konnte aber dem sich immer lebhafter entwickelnden Handel auf die Dauer nicht mehr genügen. Immer stärker wuchs das Bedürfnis nach der Stabilisierung der Geldwerte durch Ausgabe besonderer Münzen. Als Folge davon setzten sich in Ungarn wie auch anderswo nicht das einheimische Geld, sondern einige besonders guten Ruf genießende Münzsorten durch, die sich wie die Pfennige von Friesach, Wien, Aquileia und Regensburg sowie die Denare des slawonischen Banats nicht nur 344

im eigenen Lande allgemeiner Beliebtheit erfreuten, sondern auch von dem sich immer mehr und mehr auf internationaler Ebene ausbreitenden Handel bevorzugt wurden. Der Denar oder Pfennig, der während des frühen und hohen Mittelalters in Hunderten und aber Hunderten von Spielarten die europäische Münze schlechthin gewesen war, wich nun fast überall besseren und größeren Silbersorten: in und um Frankreich der Turnose, in Meißen, Hessen und Böhmen dem Groseben, in Italien dem Soldo oder Grosso. Und als dann in Italien auch noch Goldmünzen auftauchten und alsbald Nachfolge fanden, war der entscheidende Schritt zu einer allgemeinen, zeitgemäßen Reform des Münzwesens getan. Trotzdem waren um 1320 in Ungarn nach dem Zeugnis der päpstlichen Steuereinnehmer noch immer 35 fremde und inländische Geldsorten im Umlauf, wobei das ungarische zugewogene Silber noch immer die Rolle des Wertgeldes spielte. „Das Verhältnis der ungemünzten Silbermark zu den verschiedenen kleineren Münzen war nicht geregelt, so daß das Umwechseln von Geldsorten für die Kaufleute und die königliche Schatzkammer mit großen Verlusten verbunden war. Das königliche Geld, das keinen stabilen Wert hatte und nur geprägt wurde, um der königlichen Schatzkammer zu einem Einkommen zu verhelfen, war kaum im Verkehr, so daß der Nutzen an der jährlichen Geldprägung auf ein Minimum herabgesunken war" (435/11). Karl Robert ordnete daher auf dem Temesvärer Landtag von 1323 an, daß schlechtes, den Landbewohnern zum Schaden gereichendes Geld nicht mehr ausgegeben werden dürfe, sondern „ewig dauerndes, d. i. beständiges und in allen Landesteilen verwendbares, gutes neues Geld geprägt werden solle" (435/11). Zur Deckung der Kosten dieser vorläufigen Reform boten die Stände dem König eine einmalige Steuer von einem Viertel Silber pro Leibeigenenfamilie an. Karl Robert aber verpachtete sämtliche Münzkammern an fünf Kammergespane und verpflichtete sie, „nach dem Vorbild des seit einem halben Jahrhundert wohlbekannten, in Gewicht und Wert gleichbleibenden slawonischen Denars für das ganze Land ein einheitliches und gutes Geld zu prägen. Er sicherte den ausschließlichen Gebrauch dieses Geldes durch die Senkung des Verkehrs- und Wechselwertes des alten und ausländischen Geldes und durch strenge Strafsanktionen und ordnete die verpflichtende und sofortige Einwechslung der anderen Geldsorten an". Diese Münzreform von 1323 durchbrach endlich die jahrhundertelang eingewurzelte Anschauung, daß das Münzregal nur eine Einnahmsquelle des Staates beziehungsweise des Herrschers selbst sei und nicht eine gemeinnützige Institution, durch die der Handel belebt, die Bildung von Vermögen ermöglicht und zugleich auch eine bedeutende Verbesserung der Staatsfinanzen durch höhere Steuerleistung in Form gangbarer guter Münzen erreicht werden konnte. Aber trotz aller dieser theoretisch unanfechtbaren Leitgedanken konnte dieser ersten Etappe der Münzreform nicht der erwartete Erfolg beschieden sein, weil sie noch von einer bloßen Verbesserung des Silberdenars ausging, anstatt sich auf eine höherwertige Münzsorte zu gründen. Dies war ein um so größerer Fehler, als rings um Ungarn sich solche größere Sorten restlos durchgesetzt hatten: Zechine und Goldgulden liefen außer im Stammlande bereits in Kroatien und Dalmatien um, während die nordwestlichen Nachbarn Böhmen und Schlesien zur Groschenwährung übergegangen waren. Bald fanden Goldgulden und Prager Groschen auch den Weg ins Innere von Ungarn; am Ende des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts war der Groschen — damals noch eine ausländische Münze — neben den Silberbarren das eigentliche Zahlungsmittel des Landes. Das wesentliche Ziel der Reform von 1323, das Eindringen fremder Münzsorten nach Ungarn zu verhindern, war also nicht erreicht worden. Aber der König erkannte 345

rasch den Mißerfolg; er führte daher 1329 eine Doppelwährung ein, wonach neben dem bereits ausgeprägten ungarischen Goldgulden in Anlehnung an den Prager Groschen Wenzels II. nunmehr auch ein ungarischer Silbergroschen treten sollte, dessen Münzbild: thronender Herrscher/Wappen, wie schon erwähnt, weitgehend dem der neapolitanischen Gigliati angenähert war. Diesen Namen hatte das Geldstück von der Wappenblume der Anjou erhalten. Die Einführung des Silbergroschens in Ungarn aber hatte auch einen politischen Hintergrund. Im Wirtschaftsleben Mitteleuropas hatte bekanntlich Böhmen dank seiner reichen Silberproduktion (Iglau, Kuttenberg usw.) die führende Stellung eingenommen. In Ungarn aber war nach dem Aussterben der Arpaden der Bergbau rapid verfallen und die Prägung von Silbermünzen daher ins Stocken geraten. Der Nachbar Österreich und dann Bayern und andere deutsche Territorien, und nicht zuletzt auch Italien, waren daher gezwungen, anstatt wie bisher hauptsächlich in Ungarn, ihren Silberbedarf nunmehr in Böhmen zu decken. Wenzel II. hatte jedoch ebenso wie etwas später Karl Robert ein Ausfuhrverbot für ungemünztes Edelmetall erlassen. Im übrigen mußten auch die westeuropäischen Staaten mangels eigener Produktion ihr Silber aus dem Ausland importieren und sich gegen dessen Wiederexport in ungemünztem Zustand ebenfalls durch Ausfuhrverbote schützen. Als sich dann die ungarischen Verhältnisse unter der neuen Dynastie zu konsolidieren begannen, erkannte Böhmen die Gefahr, die seiner Edelmetallproduktion dadurch erwuchs. Sein bisheriges Monopol auf diesem Gebiete war bedroht, zumal Ungarn besonders beim Gold nicht zu schlagen war. Nur durch einträchtige Zusammenarbeit konnte Böhmen der ihm drohenden Krise, Ungarn dagegen einer erbitterten Feindschaft mit dem Nachbarkönigreiche entgehen, deren Auswirkungen das kaum Gewonnene alsbald wieder zunichte gemacht hätten. Insbesondere das massenhafte Eindringen der Prager Groschen hätte Karl Roberts Reformwerk schwer gefährden können. „Böhmen und Ungarn lieferten mehr als die Hälfte der Silberproduktion und mehr als n/i2 der Goldproduktion Europas. Getrennt hätten sich ihre Pläne durchkreuzen können, vereint aber gingen sie dem gewissen Erfolg, ihrem großen finanziellen Ziele entgegen" (435/11). Die Aufrechterhaltung der Silberausmünzung lag daher ebenso im Interesse Böhmens wie die des Goldguldens in dem Ungarns. Karl Robert sah bald ein, daß er die Währung seines Landes nicht allein auf das Gold basieren dürfe, da er dadurch Böhmen wohl schaden, aber dennoch die Prager Groschen nicht aus seinem Lande vertreiben könne. So einigten sich die beiden Könige 1327 in einem Währungsabkommen auf eine Doppelvaluta. Zur Herstellung eigener Silbergroschen, die sich jedoch nicht lange hielten, berief Karl Robert Kuttenberger Münzer nach Kremnitz, die hier 1329 mit der Prägung begannen. Die Reform vom Jahre 1323 hatte festgesetzt, daß die neue Münze nach dem Münzfuß der alten Banaldenare geschlagen werden sollte, demnach aus einer Ofner Silbermark von 0,875 Feinheit 298 Denare. Nach der Doppelwährung von 1329 spielte die Kleinmünze nur mehr die Rolle einer Scheidemünze. Auch trat bis 1338 die Renovatio wieder in Kraft, da ja eine Scheidemünze nicht vollwertig zu sein brauchte. Bei den seit 1325 geprägten Goldgulden wurden aus einer Ofner Mark zu 23 Karat und 9 Grän feinen Goldes 69 Stück geschlagen; Rauhgewicht 3,55851 Gramm, fein 3,52 Gramm. Bei der 1329 begonnenen Prägung der ungarischen Groschen wurde ein etwas niedererer Münzfuß als der böhmische eingehalten; aus der Ofner Mark sechzehnlötigen Silbers wurden 72 Groschen ausgemünzt; Rauhgewicht 3,410247 Gramm, fein 3,197106 Gramm. Später wurden auch zu Ofen solche Groschen geprägt. Das neue System der Doppelwährung funktionierte aber nur bis 1336 ohne Schwie346

122. Ungarn, Karl Robert von Anjou. Groschen o. J.

rigkeiten, wenngleich es auch das Wert Verhältnis der beiden Geldsorten zueinander und zum Wechselgeld nicht gänzlich stabilisieren konnte. Aber im Jahre 1337 stieg der Goldwert unerwartet auf das Zwanzigfache des Silbers; neue große Störungen traten ein. Im Verkehr wurden an Stelle der ursprünglichen 16 Groschen schließlich deren 24 auf einen Goldgulden gerechnet. Dieses abnorme Verhältnis führte dann 1338 zur Einstellung der Groschenprägung, Einstellung der Doppel- und Rückkehr zur reinen Goldwährung. Trotz aller dieser Maßnahmen war indessen das ungarische Münzwesen noch lange nicht saniert. Insbesondere die Verschiedenheit der örtlichen Praxis der Geldberechnung war ein beträchtliches Übel. Der Verkehr paßte sich den gesetzlichen Bestimmungen nicht an, da die mit hohem Wert in den Umlauf gebrachten Scheidemünzen noch immer alle Jahre erneuert wurden, wodurch ihr Wert ständig abnahm. Karl Robert erhob daher 1336 auch die früher geprägten Kleindenare zu einer stabilen Währungsmünze, indem er ihren Emissionsnominalwert als ständig und unveränderlich erklärte. Die Senkung des Verkehrs wertes wurde verboten und die Verpflichtung zur jährlichen Zwangsverrufung endgültig beseitigt. Als Ersatz für die aus der Geldumwechslung stammenden Einkünfte erhob der König auf jedes Tor eine direkte Steuer von 3 Groschen. Diese „Portalsteuer" galt indessen nicht für den steuerfreien Adel und die conditionarii und adeligen Jobbagionen des Königspaares und der Kirche. Mit dieser endlichen Beseitigung der renovatio monetae verlor das Münzregal seinen bisherigen überwiegend fiskalischen Charakter. Die Portalsteuer, die unter dem Titel „lucrum camerae" erhoben wurde, sollte übrigens die Kammerpächter entschädigen, die ja durch das Verbot der Münzerneuerung um einen beträchtlichen Gewinn gekommen waren. Seit 1338 war der in Ofen, Kremnitz und auch in Siebenbürgen geprägte Goldgulden fast das einzige Geld im Lande. Die Prägung von Groschen und kleinen Silberdenaren wurde gänzlich eingestellt und an ihrer Stelle Denare und Oboli mit einem besseren Silbergehalt eingeführt; 8 bzw. 16 pensa auri oder 320 bzw. 640 Stück sollten dem Wert einer Silbermark entsprechen. Dieser Münzfuß blieb bis zum Tode Karl Roberts (1342) in Kraft. Um den ausschließlichen Umlauf dieses neuen Silbergeldes zu sichern, wurden ungemein strenge Maßnahmen getroffen. 1338 wurde die Einhebung der Portalsteuer für ein Jahr aufgehoben und dafür die endgültige und obligatorische Einlösung der noch umlaufenden alten einheimischen und der ausländischen Münzsorten, darunter auch der ungarische Groschen, und schließlich auch des ungemünzten Edelmetalls angeordnet. Vom folgenden Jahre an wurde die Portalsteuer anstatt in Groschen mit 18 Denaren festgesetzt. 347

Damit hatte die Unsicherheit der monetären Verhältnisse in der Tat ein Ende gefunden. Denn diese letzte Währungsreform Karl Roberts konnte sich auch durchsetzen. Auch die Herrschaft des Banalgeldes hörte auf. Der Goldgulden war zum einzigen, beständigen Wertmesser geworden. Neben ihm aber bildeten die neuen besseren Silberdenare in ihrem vollen gesetzlichen Werte die Münze des täglichen Handels und Wandels. Der Großhandel war jetzt von allen lähmenden Fesseln befreit. Nur vom rein fiskalischen Standpunkt aus gesehen brachte diese Reform keinen Nutzen, da die reichen Einnahmen aus der Zwangsverrufung aufgehört hatten. Da aber die Kammergespane dieses Defizit aus der Portalsteuer nicht decken konnten, waren sie auch nicht in der Lage, dem König die jährliche Pachtsumme zu bezahlen. Karl Robert versuchte daher, die Gespane auf andere Weise zu entschädigen, vor allem dadurch, daß er die Kammern nicht an gewinnsüchtige und dilettantische Adelige, sondern an Fachleute, im Geldwesen bewanderte Bürger, verpachtete. Überdies suchte er das Münzregal intensiver auszunützen, nämlich durch Einführung der grundherrlichen Bergbaufreiheit und das schon erwähnte Edelmetallmonopol. Da das ungemünzte Gold und Silber nunmehr dem freien Handel entzogen war, die Zwangsumwechslung jedoch zu einem vom König diktierten Kurs erfolgte, konnten die Kammern einen Gewinn erzielen, der den Ausfall der Einkünfte aus der renovatio durchaus wettmachte. Auch die Ausschaltung des Wiener Zwischenhandels kam dem ungarischen Edelmetallhandel zugute. Karl Robert verhinderte die ausschließliche Benützung des bisherigen Handelsweges über Wien, indem er im Einvernehmen mit dem Böhmenkönig dem Fernhandel die Straßen Ofen—Brünn und Kaschau—Brünn eröffnete. Andererseits nahm er durch Ausbildung des Stapelrechts der ungarischen Städte „den Weitertransport der Waren und deren Verkauf den Wiener Kauf leuten aus der Hand und sicherte den Gewinn dem Bürgertum der ungarischen Städte" (435/11), ein Schlag, von dem sich der Wiener Handel nie mehr erholte. Bei den fremden Kaufleuten aber entstand eine so große Nachfrage nach den ungarischen Goldgulden, daß die Münzstätten den Bedarf in der ersten Zeit gar nicht befriedigen konnten. Es kam infolgedessen zu dem ganz abnormalen Wertverhältnis von 1:20,9, das erst 1340 wieder auf 1:14,5 und 1:15,5 sank, wodurch das ökonomische Gleichgewicht wieder einigermaßen hergestellt war. Erst zwei Jahre nach dem Tode des Königs, 1344, erreichte die Krise ihren Höhepunkt und zugleich ihr Ende, indem auf dem Markte zu Florenz der Goldwert wieder auf 1:11, ja sogar auf 1:10 gesunken war. Die Krise aber war durch bewußte Thesaurierung der ungarischen Goldvorräte ausgelöst worden, die zu einer Zeit erfolgte, als sich diesseits der Alpen die Goldprägung auszubreiten begann, was die Nachfrage nach dem Gold noch mehr gesteigert hatte. Als die Idee eines neuen Kreuzzuges zu nichts zerrann, verloren das Verbot des Orienthandels und die Handelsblockade jede Rechtsgrundlage. So wurden die gerissenen Fäden neu geknüpft, neue Handelsverträge abgeschlossen, die durch zwei Jahrzehnte in Ungarn gehorteten und dem freien Handel entzogenen Goldreserven aber verursachten durch ihre schließliche Freigabe eine förmliche Überschwemmung des europäischen Marktes. Nach einem starken Kurssturz stellte sich dann das normale Wertverhältnis wieder her, das bis zum Ende des Mittelalters dauerte. Die Entdeckung Amerikas und seiner Edelmetallschätze und nicht zuletzt der hiedurch mitverursachte Preisverfall des 16. Jahrhunderts leitete eine neue Phase der Wirtschaftsgeschichte ein. Die natürliche Erschöpfung der europäischen Metallvorkommen, begünstigt durch Raubbau und unrationelle Abbaumethoden, kam noch hinzu. 348

123. Ungarn, Ludwig I. von Anjou. Goldgulden

Der ungarische Goldgulden, der diesen Wandel mitverursacht hatte, blieb neben der venezianischen Zechine (von der Tausende und aber Tausende aus ungarischem Gold geprägt sein mochten) bis zum Ende dieser Epoche das vorherrschende Zahlungsmittel des Welthandels. Nach verläßlichen Ermittlungen flössen in die Kammern Kremnitz, Nagybänya und Hermannstadt Ende des 15. Jahrhunderts jährlich 4877 Mark. Das zeigt, daß Ungarn die europäische Wirtschaft alljährlich mit 420.000 bis 450.000 Goldgulden versorgt hatte, was im Vergleich mit den gleichzeitigen Preisen eine ungeheure Summe darstellt. Die hohe Bedeutung der ungarischen Goldgulden in dieser Zeit zeigt sich nicht zuletzt auch darin, daß sein Münzbild sowohl von den Niederlanden als auch von Italien nachgeahmt wurde, weil dem ongaro wegen seines hohen Feingehaltes eine gute Aufnahme im Verkehr gesichert war. Zu erwähnen ist noch, daß das Münzbild mit dem Wappen und dem hl. Ladislaus sich im Ausland nicht bewährte; man bevorzugte dort noch immer den alten florentinischen Typus. So ging man unter Karl Roberts Sohn Ludwig I. wieder für einige Zeit zu diesem über, trotz der ständigen Proteste der Florentiner gegen diese Nachbildung ihres fiorino d'oro. Der ungarische Goldgulden hatte sich also fast die ganze damalige Welt im Fluge erobert. Seine beherrschende Stellung behielt er insbesondere im österreichischen, süddeutschen und böhmischen Raum auch weiterhin bei. Die ungarische Silbermünze aber nahm im Außenhandel neben ihm einen höchst bescheidenen Platz ein, zumal Ludwig I. (1342—1382) gleich bei seinem Regierungsantritt die größte monetäre Errungenschaft seines Vaters, die bleibende (durabilis) Münze wieder durch eine alljährliche Münzerneuerung entwertete. Erst gegen Ende der fünfziger Jahre gelang es, bleibende Denare in Umlauf zu setzen. Sie trugen an Stelle des wechselnden Münzbildes früherer Zeiten den Kopf eines Mohren und wurden auch danach Mohrenkopf-Denare benannt. Das merkwürdige Münzbild war ursprünglich das Zeichen des Kammergrafen Jakob Szerecsen, dessen Name zu deutsch Sarazene, Neger oder Mohr bedeutet. Mit der Prägung dieser Münze, auf die auch in späteren Quellen immer wieder hingewiesen wird, gelang es endlich, wieder eine durabilis moneta zu schaffen, die nicht der jährlichen Verrufung unterworfen war. Solche Mohrenkopf-Denare tauchen daher noch in Funden auf, deren sonstiger Inhalt aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts stammte. Aus der vierjährigen Regierungszeit von Ludwigs Tochter Maria (1383—1387) ist nichts Besonderes zu vermerken, um so mehr dagegen aus der ihres Gatten Sigmund von Luxemburg (1387—1437), der uns schon als König von Böhmen in nicht allzu guter Erinnerung steht. Unter ihm behielt die Ofner Münzstätte eine Zeitlang die führende Stellung bei, die sie unter Karl Robert innegehabt hatte; es mehrten sich aber die Anzeichen, daß sich der Schwerpunkt der Münzprägung langsam nach Kremnitz verlagern 349

124. Ungarn, Sigmund von Luxemburg. Denar

werde. Offenbar hatte man am Hofe die Vorteile erkannt, die sich aus einer Konzentration von Münzprägung und Metallgewinnung auf möglichst kleinem Räume ergeben mußten. Aber das war so ziemlich der einzige Vorteil, den das ungarische Münzwesen dem unsteten, leichtfertigen, daher auch in ewiger Geldnot befindlichen König verdankte. Unter ihm begann langsam der Niedergang des von seinem Schwiegervater Ludwig aufgebauten großungarischen Reiches. Die zwangsläufige Folge war auch der Verfall des unter den Anjou zu beachtlicher Fortschrittlichkeit gediehenen ungarischen Münzwesens. Immerhin gelang es Sigmund während seiner ganzen fünfzigjährigen Regierung wenigstens eine Münzerneuerung zu vermeiden. Unter ihm kam übrigens auch der Brauch auf, daß die Kammergrafen ihren Namen abgekürzt auf die Münzen setzten, was die Zeitbestimmung sehr erleichtert. 1390 wurde eine Münzänderung vorgenommen und ein Denar geprägt, der in den Urkunden als Denar mit langem Kreu% erwähnt wird, offenbar um ihn von einer früheren Emission zu unterscheiden. 1427 wurde er außer Kurs gesetzt, gleichzeitig aber unter Beibehaltung des früheren Münzfußes die Prägung eines neuen, moneta maior genannten Denars angeordnet, der größer war als sein Vorgänger. Im übrigen weisen die Kleinmünzen Sigmunds nur wenige Typen auf; meist steht das Kreuz auf der einen, Wappen oder Krone auf der andern Seite. Die Goldgulden zeigen nur das entsprechend geänderte Wappen (geviert von Ungarn und Böhmen oder vom luxemburgischen Adler) sowie die Gestalt des hl. Ladislaus. Die Gold- wie die Silbermünzen waren guthaltig. Aber die Teilstücke des Denars: Heller, Ducat (nicht zu verwechseln mit den späteren Golddukaten) und Quarting, also gerade jene Sorten, die in den unteren Volksschichten am meisten umliefen, waren dafür um so schlechter. Unter den Hellern gab es viele Billongepräge, also Stücke, die nur einen ganz geringen Silberzusatz hatten und zudem auch in großen Mengen gefälscht wurden. 1424 wurden sie daher widerrufen, 1427 ihre Prägung ganz eingestellt. Dafür wurde der Ducat als neue „silberne" Kleinmünze eingeführt. Seinen Namen erhielt er, weil er dem in der Walachei geprägten Ducaten wertmäßig wie auch im Münzbilde in gewissem Maße ähnelte. Aber auch dieser neuen Sorte war keine lange Lebensdauer beschieden; wahrscheinlich wurde er nur von 1427 bis 1430 geprägt. Nach seiner Einziehung wurde dann als letzte Kleinmünze Sigmunds der Quarting ausgegeben, der in den Quellen manchmal auch moneta minor oder fyrling genannt wird. Aus der mit 7 Mark Kupfer legierten Mark Feinsilber waren 500 Stück zu schlagen, wobei 400 Stück dem Wert eines Goldguldens entsprechen sollten. Aber schon im Jahre 1432 betrug die Relation 1000:1, trotzdem hielt sich der Quarting bis zum Tode des Königs. Die kurze Regierung des Habsburgers Albrecht (1438/39), des Schwiegersohnes Sigmunds, ist für das Münzwesen nur dadurch bemerkenswert, als die unter ihm geprägten 350

Denare (wohl infolge der schwiegerväterlichen Mißwirtschaft) einen noch geringeren Münzfuß aufweisen als bisher. Aus einer Ofner Mark siebenlötigen Silbers wurden nämlich 430 Denare geprägt, wovon 500 einem Goldgulden entsprachen. Überdies folgte — auch dies eine Folge der Krise — auf die „bleibende" Münze Sigmunds jetzt wieder die alljährliche Münzerneuerung. Sie blieb auch nach Albrechts plötzlichem Tod in Geltung und wurde erst durch die große Münzreform von Matthias Corvinus wieder abgeschafft. Außer dem stabil gebliebenen Goldgulden und den erwähnten Silberdenaren ließ Albrecht auch Obole prägen. Der Tod des tatkräftigen Habsburgers, der nach kaum zweijähriger Regierung einer Seuche erlag, stellte Ungarn vor kaum zu bewältigende Probleme. Die Königinwitwe Elisabeth trug ein Kind unter dem Herzen. Albrecht hatte vorgesorgt, falls es ein Sohn wäre, daß er ihm in Böhmen und Ungarn nachfolgen solle. Denn nur auf diese Weise konnte die Personalunion der beiden Königreiche mit Österreich fortgesetzt werden. Statt des Kindes Ladislaus Postumus riefen aber die Ungarn den Jagellonen Wladislav I. als König in ihr Land. Die ungarische Münzprägung wird nun zum getreuen Spiegelbild der durch zwei Jahrzehnte tobenden Parteikämpfe. „Durch Mißbrauch des von neuem eingeführten Systems der alljährlichen Münzerneuerung wurde nach einem stets geringeren Münzfuß geprägt. Da der Münzfuß dieser Billonmünzen großen Schwankungen ausgesetzt war, ist jedes metrologische System unmöglich geworden. Zahlreiche Fälschungen waren im Umlauf, so daß zwischen den königlichen Geprägen und den Fälschungen oft keine Grenze gezogen werden kann" (459). Da Kremnitz unter die Herrschaft Elisabeths gelangt war, gewann die Ofner Münzstätte ihre einstige Vorrangstellung wieder zurück. Das Land war in zwei Teile gespalten: der von der Königinwitwe ins Land gerufene Hussitenführer Jan Giskra von Brandeis hatte sich im Namen des königlichen Kindes Ladislaus der niederungarischen Bergstädte und der Zips bemächtigt, wo er auch Münzen schlagen ließ. Dadurch entstand eine doppelte Münzung, die auch in der Zeit des Reichsverwesers Johannes Hunyadi noch andauerte. Sämtliche „Silber"-Münzen Wladislavs I., von dem es auch Goldgulden gibt, sind ganz geringhaltige Gepräge inflatorischen Charakters; sowohl in der künstlerischen und technischen Qualität als auch vom Standpunkte des Umlaufs aus betrachtet, bilden die Kleinmünzen dieses Königs einen Tiefpunkt der ungarischen Münzprägung. Der Jagellone fiel im November 1444 bei Warna am Schwarzen Meere im Kampfe gegen die Türken. Bald darauf betrauten die Stände sieben Oberhauptleute mit der Regierung des Landes; dieses Interregnum wurde durch den Landtag von 1446 wieder beendet. In dieser Übergangszeit gab es nur Denare und Obole. Die Umschrift des Denars (der Obol hat wegen seiner Kleinheit überhaupt keine Legende) führt nur den Titel des ungarischen Königtums ohne Herrschernamen an. Die Ausprägung der beiden Münzsorten wurde in allen Münzstätten einschließlich von Kremnitz einheitlich durchgeführt, da auch Giskra, der Vertrauensmann Elisabeths, einer dieser Oberhauptleute war. Aber diese durch den Zwang der Verhältnisse wiederhergestellte Einheit dauerte kaum ein Jahr. Im Juni 1446 erkannten zwar die Stände Ladislaus V. Postumus als rechtmäßigen König von Ungarn an, wählten aber für die Zeit seiner Minderjährigkeit Johannes Hunyadi zum Reichsverweser. Die Oberhauptleute legten ihr Amt nieder, nur Giskra wollte nicht auf die Macht verzichten und ließ daher in den Münzstätten Kremnitz und Kaschau, die in seinem Bereich lagen, im Namen des unmündigen Königs prägen. Hunyadi aber münzte in Ofen, das weiterhin seine monetäre Vorrangstellung behauptete, wie auch in Preßburg, Nagybänya, zu Kronstadt in Siebenbürgen Goldgulden, Denare und Obole. Als der Reichsverweser 1452 mit Giskra zu Kremnitz Frieden schloß, wurde auch 351

125. Ungarn, Matthias Corvinus. Groschen

126. Ungarn, Matthias Corvinus. Denar. Dieser Typus wird seit dem 16. Jh. „Schaftreiber" genannt

vereinbart, daß im ganzen Land einheitliche Münzen von gleichem Schrot und Korn geschlagen werden und überall Geltung haben sollten. Die Texte der Umschrift waren in Ofen und Kremnitz gleich: sowohl der Namen des Königs als auch der des Gubernators wurde angeführt, nur das Münzbild war vor allem im Wappen verschieden. Möglicherweise hatten sich die Parteien nur über die Legende geeinigt. Die unter dem Namen des jungen Königs geprägten Münzen entstammen zum größten Teile noch der Zeit vor seinem Regierungsantritt. Erst nach der Abdankung des Reichsverwesers im Jahre 1453 kann wieder von einem einheitlichen Münzwesen gesprochen werden. Ladislaus war nun tatsächlich der Herrscher Ungarns, und Giskra besaß keinen Einfluß mehr auf das Münzwesen. Geprägt wurden in verschiedenen Münzstätten wie unter dem Reichsverweser Goldgulden, Denare und Obole. Als nach dem jähen Tode von König Ladislaus V. der Sohn des Türkenhelden Johannes Hunyadi, Matthias, der sich nach dem Raben im Familienwappen Corvinus nannte, zum Herrscher erwählt wurde (1458—1490), erlebte Ungarn eine einmalige Blüte, die sich auch im Münzwesen sinnfällig äußerte. Seine Münzen lassen sich, bildlich gesehen, in zwei große Gruppen scheiden, in jene ohne Madonna (1458—1467) und die mit der „Patrona Hungariae" (bis 1490). Die Gruppe der sogenannten Wappenmün^en mit stets wechselnden Münzbildern und schwankendem Münzfuß wurden in den ersten Regierungsjahren ausgeprägt, als die Münzen noch alljährlich erneuert wurden. Auf die Münzreform von 1468 folgte dann die zweite Gruppe der Gepräge, der Madonnenmünzen, die von bleibender Güte waren. In überreicher Menge wurden unter Matthias Goldgulden ausgeprägt, für die nun immer häufiger der Name Dukaten verwendet wird. Sie zeigen zunächst noch alle den alten Typus: Wappen — St. Ladislaus. Erst nach 1468 wird auch hier der Einheitlichkeit halber der Nationalheilige durch die Madonna mit Kind ersetzt. Wegen des Raben im Wappen, hieß diese Münze auch Räblerdukaten. Er spielte übrigens dieses Raben wegen in der Volksmedizin als Mittel um die Geburtswehen zu erleichtern eine gewisse Rolle. Noch lebhafter und reichhaltiger war die Ausprägung von silbernen Denaren und Obolen. Der gesetzliche Münzfuß des Denars betrug 375 Stück aus einer mit 3 Mark Kupfer legierten Mark Feinsilber, ein Münzfuß, der sich noch an die Bestimmungen Johannes Hunyadis und Ladislaus V. hielt. 1463 versuchte man eine Verbesserung, indem gemäß den Beschlüssen der zu Tolna tagenden Stände in Zukunft 100 Denare einem Dukaten entsprechen sollten. 1464 wurden dann vom Ständetag neue Münzen nach dem Vorbild der Gepräge Sigmunds ausgegeben. Aber diese so glücklich eingeleitete Münzverbesserung erlitt 1465 einen katastrophalen Rückschlag, den wahrscheinlich die Kriege gegen die Türken und gegen Kaiser 352

127 Ungarn, Matthias Corvinus. Goldgulden

128. Ungarn, Matthias Corvinus. Goldgulden (,,Räbler"-Dukaten)

Friedrich III. verursacht hatten. Jedenfalls bestanden die jetzt geprägten Münzen nur mehr zu V8 aus Feinsilber und gehörten somit zum schlechtesten Geld, das während der Regierung des Corvinus geprägt wurde, da es fast zur Gänze aus Kupfer bestand. 1466 forderten daher die Stände auf einem Landtag zu Ofen die Rückkehr zum Münzfuß von 1463. Im Jahre 1468 erfolgte dann endlich der große Schritt zur endgültigen Verbesserung des Münzwesens. Diese zweite Etappe der Münzgeschichte jener Zeit ist gekennzeichnet durch die einheitliche Form des Münzbildes und durch den endlich konstant bleibenden Münzfuß. Der Denar erhielt jetzt sein bleibendes Bild, das sich nur in der Gestaltung des Wappens, im Wechsel der Herrschernamen und Münzzeichen unterscheidet. Es war dies jene Münzsorte, die bis tief in die habsburgische Zeit hinein in den Akten besonders der innerösterreichischen Lande unter dem Namen Schaftreiber erwähnt wird. Diese Bezeichnung hängt aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Viehtrieb aus dem Osten bis an die Gestade der Adria zusammen. „Die Reform der Münzprägung wurzelt in jenen Beschlüssen der Ständeversammlung von 1467, welche das Steuersystem von Grund auf änderte. Die unter dem Namen ,lucrum camerae' bekannte Steuer wurde von den Ständen abgeschafft und an ihrer Stelle eine neue, ,tributum fisci regalis' genannte, eingeführt. Dies machte auch dem System der alten jährlichen Münzerneuerung ein Ende. Nach dem neuen bleibenden Münzfuß waren aus einer Ofner Mark achtlötigen Silbers 426 Denare zu schlagen, und 100 dieser neuen Denare entsprachen einem Goldgulden. Die nach der Reform in Umlauf gesetzten Münzen haben alle dieselben Münzbilder. Die Vorderseite trägt das gevierte Wappen mit Herzschild, auf der Rückseite ist die Madonna mit dem Jesuskind auf dem Schoß zu sehen. Der Grund für die Madonnendarstellung kann in der bekannten Marienverehrung des Hauses Hunyadi zu suchen sein; zum neuen Münzbild mochte auch teils der begonnene Feldzug gegen die .böhmischen Ketzer', teils auch der mit den Türken geführte Krieg Anlaß gegeben haben . . . Das sichtbare Resultat der Geldreform war, daß nach einer Pause von 100 Jahren nun auch wieder Groschen geprägt wurden" (459). Als Kleinmünzen wurden Denare und Obole beibehalten. 1470 wurde die Prägetätigkeit in Ofen eingestellt, was wohl mit der Einführung der bleibenden Münze zusammenhängt, für die diese Stadt kein richtunggebendes Zentrum mehr war. Die Münzstätten, die den edelmetallreichen Bergwerken näher lagen, konnten die Prägung viel leichter und auch viel billiger durchführen. Das goldreiche Kremnitz trat dadurch in die vorderste Reihe der Münzstätten, ja sogar als ungarische Hauptmünzstätte an ihre Spitze. Ofen wurde nur unter der Regierung Ludwigs II. noch einmal für kurze Zeit als Münzstätte reaktiviert. Auf den großen König, der in seinem Todesjahr 1490 auch in dem von ihm besetzten 353

Wien nach ungarischem Schlag hatte münzen lassen, folgte der schwache Jagellone Wladislav II., der seit dem Tode Georg Podiebrads auch König von Böhmen war. Unter seiner Regierung wurde Ungarn neuerlich zum Schauplatz von Machtkämpfen. Der Staatsschatz war gänzlich erschöpft und zudem unredlich verwaltet. Seine Bedürfnisse deckte der König solange es ging durch Veräußerung und Verpfändung der Krongüter und der königlichen Einkünfte. Trotzdem trat im Münzwesen vorläufig keine Änderung ein, es wurde sogar bis in die ersten Regierungsjähre des Königssohnes Ludwig II. die Münzordnung von 1368 beibehalten. Aber dann brachte das Jahr 1521 eine unheilvolle Wendung, die nicht zuletzt die Katastrophe von Mohäcs 1526 mitverschuldete (s. u. S. 390). In den erhalten gebliebenen Rechnungsbüchern einiger Städte spiegelt sich die Unruhe dieser Zeit getreu wieder. Zwei Hauptgeldsorten sind in ihnen zu finden: der sogenannte Kammergulden (florenus camerae), der 100 Denare enthielt, dann der sogenannte Gold- oder rote Gulden (florenus auri, florenus rufus, Kotgulden), dessen Wert variierte, gewöhnlich aber 200 Denare betrug. Dieser Kurs aber stieg etwa in Kremnitz innerhalb weniger Jahre von 232 Denaren im Jahre 1423 bis zu 600 Denaren im Jahre 1445. Aber das war nicht der höchste Kurs, den der Goldgulden zur Hussitenzeit erreichte; zwar nicht in den Bergstädten selbst, sondern in der Zips, zu Bartfeld, rechnete man für diesen Gulden 1435/36 nicht weniger als 6000 Denare! In dieser Stadt nannte man 1434 übrigens das nach Goldgulden gerechnete Geld auch bona pecunia, dagegen die gewöhnlichen Münzen communis moneta oder pecunia schlechthin. 1427 kommt hier auch ein florenus vulgaris vor, der bloß 60 Denare enthielt. Auch die Bezeichnung nova pecunia kommt hier, besonders 1443/44, mehrfach vor; damals hießen Gulden und Pfennige: florenus novae monetae und denarius novus. Leider sind infolge der Lückenhaftigkeit der Überlieferung die in den Bergstädten zur gleichen Zeit üblichen Münzbezeichnungen nicht bekannt; man wird wohl annehmen dürfen, daß sie in Anbetracht der Handelsbeziehungen zu der Zips und anderen Städten, etwa Preßburg, überall die gleichen waren. Neben dem Goldgulden oder, wie er später hieß, Dukaten wurde auch nach dem sogenannten rheinischen Gulden (fl. rhein.) gerechnet, einer Goldmünze, die seit 1386 von den rheinischen Kurfürsten auf Grund des von ihnen in jenem Jahre geschlossenen „Münzvereins" geprägt wurde. Diese Münze wurde bald in dem größten und reichsten Gebiet Westdeutschlands die Haupthandelsmünze. Sie enthielt 1386 3,396, 1490 2,527, um 1550 aber nur mehr 2,48 Gramm Gold, während der Dukaten oder ungarische Gulden 3,44 Gramm Feingold besaß. Die Relation zwischen ungarischem und rheinischem Goldgulden erhellt deutlich aus einem Schreiben der Königin-Witwe Maria an ihren Bruder Ferdinand von 1540, in dem sie ihm ihre Forderungen aus dem Besitz der Bergstädte mitteilt. 25.000 fl. ung. werden hier 31.250 fl. rhein. gleichgesetzt. Demnach war ein ungarischer Gulden gleich 1,25 fl. rhein. und umgekehrt dieser 0,8 fl. ung. An kleinen Münzsorten war der manchmal auch nummus genannte Denar (Neusohl 1386—1399, Bartfeld 1438) in Umlauf; dann auch der ferto, der dem polnischen Münzfuß entsprechend als ferto polonicus vorkommt (Bartfeld 1426) und der obolus (Preßburg 1410). Ein Viertel-Kammergulden hieß orto — genauso wie im Deutschen das Wort „Ort" ein Viertel bedeutete; im Münzwesen wurde damit allgemein das Viertel einer Münzeinheit bezeichnet, z. B. Ortstaler oder Ortsgulden. Dieser ferto war indessen ursprünglich kein Geld, sondern ein Gewicht (% Mark); später wurde aus ihm eine Rechnungseinheit. Ebenso war der rheinische Gulden (renes forint) in Ungarn bloß eine Rechnungseinheit, und zwar 60 Kreuzer oder 80 Denare. 354

Je näher der Grenze eine Stadt lag, desto mehr wurde nach ausländischen Münzfüßen gerechnet : der Wiener, der böhmische und der polnische Münzfuß wird daher oft erwähnt. Während in Preßburg, Ödenburg und Tyrnau zumeist nach der Wiener und der böhmischen Währung gerechnet wurde, geschah dies in den Bergstädten und in der Zips oft nach der polnischen, nach grossi polonicales, deren größere Einheit die polnische Mark war und deren Wert stark schwankte: 1 Gulden galt z. B. in Neusohl 1386—1399 durchschnittlich 40 polnische Groschen, 1386 aber einmal sogar 80 polnische Groschen. Ebenda galten 50 Groschen einmal 2 Gulden, 11 Orto (25 Denare). Es gab auch einen breiten Groschen (ilatus grossus, Bartfeld 1418), während an kleineren polnischen Münzeinheiten der polnische ferto und denarii Cracovienses (Krakauer Denare) umliefen (Bartfeld 1436). Nach böhmischen Groschen (grossi Bohemicales) rechnete man nur selten, so in Neusohl 1386—1399. In den Schemnitzer Steuerlisten wird dagegen nach Mark und Lot gerechnet; das kam vereinzelt auch anderswo vor, so in Tyrnau, wo 1415 eine Mark zu 40 Pfennigen gerechnet wurde. Ferner gab es auch lokale ungarische Geldsorten, so den Kaschauer Gulden (floreni Caschovienses vel Cassenses), nach Ofner Pfennigen {denarii budenses) und nach Lewc^er, „Leutschauer" Geld (Bartfeld 1443). Welche Münze man damit bezeichnet ist unklar. Ebensowenig sind die Ausdrücke Bankarti (Bancardi, Bartfeld 1425 und 1433) und Nesik (ebda. 1428) zu definieren. Von letzterem Geld wissen wir nur, daß es ein Teil der Mark war; über den Wert dieser beiden Münzgattungen und auch über den in Bartfeld 1443 vorkommenden ducatus geben die Rechnungsbücher indessen keine Auskunft. Als Abschluß dieses Kapitels sei noch etwas über das M ü n z b e a u f s i c h t i g u n g s r e c h t des G r a n e r E r z b i s c h o f s gesagt, das insbesondere für die Kremnitzer Münzstätte beträchtliche Schwierigkeiten bereitete. Kein Wunder, daß auch die Kontrollbeamten es nicht immer leicht hatten ! Schon Stephan der Heilige hatte das Graner Erzbistum zur Hauptkirche Ungarns ernannt und ihr ein Zehntel aller königlichen Einkünfte — den Z e h e n t — verschrieben; unter diesen Einnahmen waren auch jene aus den Münzstätten, dem Bergregal und den Kammern zu verstehen. Es war dies ein wohlgemeintes, aber für die Zukunft mitunter recht drückendes Privilegium, wenn wir uns erinnern, daß die Einkünfte der Könige oft für sie selbst nicht ausreichten. Aber diese im Grunde aufreizende Bevorzugung des Graner Kirchenfürsten ging noch weiter, denn zu dem erwähnten Zehnten kam später — der genaue Zeitpunkt der Entstehung ist umstritten -— noch das P i s e t r e c h t , eine Entschädigung von Vio aus den Einkünften des Münzwechsels. Dessen erste Spuren werden in Ungarn im Jahre 1191 sichtbar; unter Béla IV. aber dürfte es schon allgemein verbreitet gewesen sein. Pisetum bedeutet eine Gewichtseinheit, und zwar 1/48 Mark. Pisetrecht und Zehentrecht des Graner Erzbischofs wurden von den älteren Autoren gewöhnlich für wesensgleich gehalten. Es besteht heute kein Zweifel mehr, daß es sich hier um zwei ganz verschiedene Rechte handelt, deren jedes auf grundverschiedenen Voraussetzungen beruhte. Es hängt sicherlich mit diesen Rechten eng zusammen, daß Gran so lange die Hauptmünzstätte, ja eine Zeitlang sogar die einzige Münzstätte des Landes war. Deshalb gewinnt auch jene Vermutung an Wahrscheinlichkeit, daß nicht nur der Zehent, sondern auch das Pisetrecht auf Stephan den Heiligen zurückgeht. Es kann hier das Pisetrecht nicht bis in seine Einzelheiten erörtert werden, es sei daher nur hervorgehoben, was die Bergstädte, vor allem die Münzstätte Kremnitz, betrifft. Schon seit den Zeiten Bêlas IV. war die Überwachung der Münzstätten sehr streng. 355

Offenbar hat es allerhand schwere Unregelmäßigkeiten gegeben, die man nunmehr abschaffen wollte. Es wurde daher angeordnet, alle Münzwerkzeuge und dabei in erster Linie die Prägestempel von einem dazu bestimmten Vertrauensmann sicher aufzubewahren und nur zur Zeit der Münzprägung dem Kammergespan auszufolgen. Zur Zeit Karl Roberts und vielleicht auch schon früher wurden die Werkzeuge von den Beauftragten des Schatzmeisters (Tärnokmeister, Tavernicus) vor ihrer Aufbewahrung auch noch versiegelt. Die Lösung der Siegel konnte daher nur entweder in persönlicher Gegenwart von Schatzmeister und Erzbischof oder ihrer Vertrauensmänner erfolgen. Der Guß des Schmelzsilbers und dessen Ausprägung geschah zudem unter Überwachung. Unter dem Titel dieser Bewachung der Werkzeuge erhielt der Erzbischof von jeder ausgeprägten Gewichtsmark 1 pondus (später pisetum genannt) oder 1/48 Mark in geprägten Münzen. Das ist der Ursprung des Pisetrechtes, das eine beträchtliche Einnahmequelle des Graner Erzbischofs bildete und erst in jüngster Zeit vom Staate abgelöst wurde, sicherlich eine einzig dastehende Einrichtung. Der erzbischöfliche Beamte, der diese Funktion zu erfüllen hatte, führte die Amtsbezeichnung „Pisetarius". Er wohnte meist in der den Bergstädten nahe gelegenen Benediktinerbatei St. Benedikt an der Gran (Garam-Szent-Benedek) und kam wahrscheinlich nur, wenn geprägt wurde, nach Kremnitz, wo die Abtei ein Haus besaß. Auch der Tavernicus wurde für diese Tätigkeit, die in Stoßzeiten anstrengend und verantwortungsreich gewesen sein dürfte, entsprechend entschädigt. Zur Zeit Karl Roberts betrug diese Entlohnung für jeden Arbeitstag y2 ferto. Aber mit der bloßen Überwachung waren die Verpflichtungen des Schatzmeisters und des Erzbischofs keineswegs beendet. Aus den Münzverträgen Karl Roberts geht hervor, daß die Agenden, die in Deutschland und Österreich dem Münzmeister oblagen, im 14. Jahrhundert in Ungarn Sache der königlichen Beamten und des Erzbischofs waren. Sie prüften durch Stichproben Feingehalt und Gewicht der Münzen, überwachten den gesetzlichen Ablauf der Münzeinlösung und bestraften die Schuldigen beim Auftauchen von Fehlern. Auch die Einhebung der Abgabe zugunsten der königlichen Kammer geschah in ihrer Gegenwart. Ihre Aufsicht und Überwachungspflicht erstreckte sich daher auf alle Zweige der Münzprägung und der Münzeinlösung. Bedenkt man, daß zur Zeit Bêlas IV. der jährliche Münzausstoß auf 15,2 Millionen Denare geschätzt wird, so kann man daraus wohl erkennen, daß diese Oberaufsicht keine bloße Sinekure war. Münzwerkzeuge und Stempel waren also zu gewissen Zeiten in Verwahrung, dies bedeutet, daß nicht kontinuierlich gemünzt wurde. Wenn man eine zehnstündige Arbeitszeit annimmt, so konnten nämlich 30 Münzarbeiter innerhalb von 6 Wochen das gesamte Jahreskontingent an Münzen ausprägen! Karl Robert setzte an die Stelle der renovatio monetae, der Münzerneuerung, bekanntlich die Portalsteuer als neue Einkunftsquelle. Auch verpachtete er die Einkünfte der Münze zugleich mit jenen der königlichen Kammern. In diesen Pachtverträgen mit den Kammergespanen ist die Ordnung für Ausprägung und Einlösung ausführlich niedergelegt und die Grenzen genau bestimmt, innerhalb deier sich die Beauftragten des Erzbischofs bei ihrer Überwachung bewegen durften. Jeder Gespan einer Kammer, der auch eine Münzstätte angegliedert war, mußte zwei Schränke haben; in dem einen wurden die Stempel, im anderen die Silberstangen (Münzzaine), von denen die Schrötünge (Münzplättchen) abgeschnitten wurden, aufbewahrt. Jeder der beiden Schränke war mit einem dreifachen Schloß und einem Siegel versehen. Ein Schlüssel befand sich beim Vertreter des Erzbischofs, der zweite bei dem des Schatzmeisters, der dritte beim Kammergespan, so daß keine dieser drei Personen 356

ohne Zustimmung der beiden anderen zu den Prägeeisen gelangen konnte. Wenn der Kammergespan Schlösser und Siegel ohne Wissen und Zustimmung der beiden anderen aufgebrochen hätte, würde der Schatzmeister mit ihm wie mit einem gewöhnlichen Falschmünzer verfahren haben. Insbesondere wurde die Anwesenheit der beiden Kontrollbeamten beim Guß der Zaine verlangt, damit sie das rechte Korn hatten. Von den ausgeprägten Münzen aber mußten allwöchentlich 40 Stück probiert werden, ob sie den gesetzlichen Wert, also das rechte Schrot (Gewicht) besaßen. Da das schlechte Geld aus dem Verkehr gezogen und gegen neues ersetzt werden mußte, wurde auch der Einlösungsmodus bestimmt. Die Einlösung geschah in den königlichen Städten und in den Marktflecken des Königs und der Königin, gewöhnlich an Sonntagen. Der Kammergespan oder seine Beamten legten Geld auf die am Marktplatz (Ring) aufgestellten Tische und wechselten dann die alten Münzen gegen neue ein. Die Einlösung mußte stets in Anwesenheit von fünf Zeugen geschehen, unter denen an erster Stelle der Beauftragte des Erzbischofs genannt wird. Damit hörte die Einlösung durch Private auf. Kein Kaufmann durfte seine Waren um alte oder ausländische Münzen oder um Rohsilber oder Rohgold verkaufen. Eine Ausnahme von dieser Bestimmung war nur dann zulässig, wenn der Beauftragte des Kammergespans oder des Erzbischofs davon wußte. Unter Karl Robert durften nur geprägtes Gold und die neugeschlagenen Silberdenare ins Ausland abfließen (s. o. S. 349). Nicht einmal die Kammergespane waren von diesem Verbot ausgenommen. Bei Verdacht der Münzfälschung mußte der Gespan unter Mitwirkung des erzbischöflichen Beauftragten die Untersuchung führen. Dieser spielte überdies eine große Rolle bei der Eintreibung der Portalsteuer; er hatte gegen säumige Zahler vorzugehen und war auch ein Mitglied des fünfköpfigen Ausschusses, der die Vermögensverhältnisse der Steuerschuldner überprüfte und bestimmte, ob sie zahlungsfähig seien oder nicht. Da sich die Zahl der Münzstätten änderte, schwankte infolgedessen auch die Anzahl der Münz-Vertrauensleute, also der Pisetarii des Erzbischofs. Als späterhin die Zahl der Münzstätten noch mehr zunahm, entsandte der Primas seine Leute nicht mehr überallhin, sondern nur zu den Kammern, wo ein größerer Nutzen zu erzielen war und die Bevollmächtigten auch ohne Belastung des Betriebes entlohnt werden konnten. Im 15. Jahrhundert wurden sie daher nur mehr nach zwei Orten, nämlich nach Kremnitz und Nagybänya delegiert. In Kremnitz erhielt der Beamte jährlich 52, in Nagybänya 50 Goldstücke als Bezahlung. Die pondera mußten die Kammergespane an jedem Arbeitstag für jede vermünzte Mark den erzbischöflichen Vertrauensleuten übergeben, die sie zusammen mit der Abrechnung gegen eine Quittung dem Erzbischof einsandten. Wenn der Gespan aber mit der Ablieferung gezögert hätte, wäre dem Beauftragten des Erzbischofs das Recht zugestanden, die Münzstempel zu versperren und die Münzung zu verhindern. Falls aber der Gespan nicht die nötige Geldsumme hätte ausprägen lassen, wäre er als Landesbetrüger angezeigt worden. Auf diese Weise wollte Karl Robert die Graner Erzbischöfe gegen die Habsucht und Willkür der Kammergespane schützen. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts ist denn auch kein Fall bekannt, daß ein Erzbischof die Hilfe des Königs hätte in Anspruch nehmen müssen, um zu den ihm rechtlich zustehenden Einkünften zu gelangen. Als unter Karl Robert zur Goldprägung übergegangen wurde, erhielten die Erzbischöfe bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts auch von der Goldmark ihr pondus. Um diese Zeit verschwindet dann die Bezeichnung pondus und weicht dem seither gebräuch357

liehen Piset. Dies bedeutet jedoch keine bloße Änderung des Namens, sondern zugleich auch eine materielle. Bis dahin hatten die Erzbischöfe die Prägung überwachen lassen und dafür von jeder aufgearbeiteten Mark einpondus erhalten. Die Überwachung blieb auch weiterhin bestehen und veränderte sich höchstens darin, daß die Erzbischöfe nur in zwei und späterhin sogar nur in eine einzige Münzstätte, nämlich nach Kremnitz, ihren Bevollmächtigten entsandten und daß sich dessen Aufmerksamkeit nicht mehr auf die Eintreibung des Kammernutzens erstreckte. Aber nunmehr erhielt der Graner Erzbischof nicht nur von der aufgearbeiteten, sondern auch von jeder unaufgearbeiteten Mark Goldes oder Silbers seine Gebühr, und zwar auch von jenen Münzstätten, in denen er keinen Vertrauensmann unterhielt, der die Stempel zu bewahren hatte. Nach dem Wortlaut gleichzeitiger Quellen steht es fest, daß die ungarischen Könige von den Einwohnern der Bergstädte die urbura erhielten, nämlich Vio von jeder ausgegrabenen Mark Goldes, Silbers oder Kupfers. Davon erhielt denn auch der Erzbischof seinen Anteil, der das Zehntel von Zehn genannt wurde. Die Einhebung der urbura währte mehr als hundert Jahre, weil, wie ein zeitgenössischer Autor schrieb, das, was einmal in die Bücher des Königs und des Erzbischofs gekommen war, nicht so leicht wieder in Vergessenheit geriet. In jener Zeit jedoch konnten die Bergleute frei über ihr Gold und Silber verfügen und an jedermann verkaufen, ohne deshalb eine Strafe zu befürchten. Als aber dann König wie Erzbischof wiederholt von den Einwohnern der Bergstädte um ihre Einkünfte betrogen wurden, indem sie als urbura nur das schlechteste Erz erhielten, das im Schmelzen keinen Nutzen ergab, wurde der Reichsrat einberufen und beschlossen, daß die Könige von Ungarn künftig nicht die urbura von den einzelnen Bergleuten, sondern daß sie, wie es auch in anderen Ländern gebräuchlich war, den ganzen Kammernutzen behalten sollten. Die Graner Erzbischöfe hingegen erhielten von jeder zur Prägung bestimmten Silbermark 1 Piset. Als Ferdinand I. von seiner Schwester Maria die Bergstädte übernommen hatte, bat er sie um 1550 um Aufklärung über das Pisetrecht und dessen Ursprung. Diese antwortete ihm, daß sie zwar nichts Bestimmtes mitteilen und auch keine einschlägigen Urkunden einsenden könne, sondern nur wisse, daß sie in der Zeit, als sie die Bergstädte besaß, teils von ihren Räten, teils auch von anderen Personen folgendes erfahren habe: Der Erzbischof habe von Andreas II. das Recht erhalten, daß ihm von allen Einkünften des Ärars Vio gebühre. Infolgedessen genossen die Erzbischöfe seither Vio „von allen gebrochenen artzt". Später beschwerte sich der Erzbischof darüber, daß die ihm übergebenen Erzmengen vollständig wertlos und unbrauchbar seien, weshalb er wünsche, daß ihm kraft seines Privilegs Vio von jeder Mark reinen Goldes und Silbers gereicht werde. Die Streitsache wurde in dem Sinne ausgeglichen, daß dem Kirchenfürsten fortab von jeder verarbeiteten Gold- oder Silbermark ein Piset gezahlt wurde. Die von der Königin 1527 in die Bergstädte entsandte Kommission habe geraten, die Auszahlung des Pisets einzustellen, da dem Erzbischof diese Abgabe nicht auf Grund eines Rechtes zustehe, sondern als Entschädigung, weil er einen Pisetarius zur Kontrolle der Prägung bestelle. Dieser erhalte jedoch 1 y 2 fl. wöchentlich als Lohn. Der Erzbischof (es handelt sich um Paul Värday, der damals Reichskanzler, nicht Schatzmeister war) habe übrigens, als er selbst noch Schatzmeister war, die Einstellung beantragt. Die Königin aber habe keine Neuerung einführen wollen und daher den alten Brauch unverändert beibehalten. Eines steht jedenfalls fest, daß vom 15. Jahrhundert an der Erzbischof das Piset nicht nur infolge der Ausübung seines Kontrollrechtes bei der Münzung genoß, sondern auch als Ersatz für die eingestellte Bergsteuer, nur mit dem Unterschied, daß er für die Münzkontrolle das Piset für jede verarbeitete Mark Goldes oder Silbers erhielt, 358

während das Zehntel auch für jede unverarbeitete Mark galt. In den Urkunden wird seit dem 15. Jahrhundert zwischen dem Piset für die ausgeprägte und dem für die unverarbeitete Mark unterschieden, woraus folgt, daß der Erzbischof seine Gebühren auch von jenen Kammern erhielt, wo er keine Kontrollorgane hatte. Die aus dem Piset herrührenden Einkünfte durfte er nicht verpachten, ein Verbot, das allerdings umgangen wurde. Es wurde bereits erwähnt, daß König Sigmund die Ablieferungspflicht für Edelmetalle einführte, wonach jeder sein Gold und Silber nur an die Kammer zum vom König bestimmten Preis verkaufen durfte; die Bergsteuer wurde auf diese Weise jedoch hinfällig. Dagegen hörte das Recht des Erzbischofs nicht auf, wonach ihm ein Zehntel dieses Zehntels bzw. Vio der urbura gebührte. Sigmund wagte es nicht, dem Erzbischof dieses alte, so oft bestätigte Recht abzusprechen. Man mußte daher an Ersatz denken, und dieser war das Piset. Es war also jenes Piset, das den Urkunden gemäß „de omni auro et argento non cuso" gezahlt wurde. Demnach ist die Behauptung Marias, daß die Abgabe nur vom „cuso" geleistet worden sei, ein Irrtum, da schon frühere Urkunden das Gegenteil erweisen. Der Irrtum beruhte auf einer unter Eid erfolgten Aussage eines Kremnitzer Beamten, der anläßlich einer Untersuchung durch Erzbischof Nikolaus Oläh (seit 1553) wegen des Pisets erklärte, in der betreffenden Zeitspanne sei alles in Kremnitz erzeugte Gold und Silber vermünzt worden. Aus diesem Grunde gab es zur Zeit Marias kein unverarbeitetes Edelmetall und daher davon auch kein Piset. Nach dem klaren Wortlaut des erwähnten Dekrets von Sigmund und der Antwort Marias an ihren Bruder war demnach die Bergsteuer (urbura) Vio des gewonnenen Erzes, die ohne Ausnahme in jedem Bergwerk und jedem Erze bezahlt wurde. Dem Erzbischof gehörte daher das Zehntel dieses Zehntels von Gold, Silber, Blei, Kupfer, Eisen usw. Nach dem Briefe Marias erhoben die Erzbischöfe aber nur wegen der urbara von Gold und Silber Klage, da sie ja dieses in natura und nicht in Geld erhielten. Aber da man ihnen nur minderwertiges Erz lieferte, erlitten sie dadurch empfindlichen Schaden. Ferner hatte das Dekret Sigmunds nur die Einlösung von Gold und Silber angeordnet, nicht, von allen Metallen. Daher konnte auch nur die urbura von den beiden Edelmetallen aufhören, nicht aber die gesamte Bergsteuer. Aus demselben Grunde hörte aber auch die Zahlung von Vio urbura von den unedlen Metallen nicht auf, weshalb es kein Widerspruch ist, wenn sowohl Vio urbura und das Piset gleichzeitig in den Urkunden aufscheinen. Ein Standpunkt, den Ludwig II. in einem Brief aus dem Jahre 1517 vor den Gespanen der Kremnitzer Kammer, den Brüdern Thurzo, vertrat, indem er ihnen die seit Jahren ausständige Auszahlung von urbura und Piset auftrug. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, daß die Erzbischöfe von Gran einerseits für die Kontrolle des Münzwesens 1/48 Mark für jede ausgeprägte Mark Silbers oder Goldes erhielten, andererseits auch ein Zehntel der in natura abgelieferten Bergsteuer genossen. Als aber die Könige im 15. Jahrhundert die Einlösung des gesamten in den Bergwerken gewonnenen Goldes und Silbers an sich zogen, entfiel dadurch die bisher gezahlte Bergsteuer und damit natürlich auch das Zehntel des Erzbischofs. Als Entschädigung für diesen Entgang erhielten die Erzbischöfe nunmehr auch für jede nicht ausgeprägte Gold- oder Silbermark 1/48 Mark, was Piset genannt wurde. Da das alte Quentchen mit diesem Piset gleich war, erhielt auch dieses Quentchen mit der Zeit den Namen Piset. Der Erzbischof erhielt demnach von jeder ausgeprägten oder nicht verarbeiteten Mark Goldes oder Silbers sein Piset. Schließlich wurde es dann Brauch, unter Piset das Recht zu verstehen, auf Grund dessen das Erzbistum diese Einkünfte bezog. Der mit der Einziehung betraute Beamte hieß demgemäß, wie schon erwähnt, Pisetarius. 359

Über die Höhe dieses Piseteinkommens liegen nur dürftige Nachrichten vor. Das älteste bekannte Rechnungsbuch dieser Art stammt aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und wird in Modena aufbewahrt. Der Neffe der Königin Beatrix, Ippolit d'Este, ein Sohn des Herzogs von Ferrara, war schon im Alter von acht Jahren Erzbischof von Gran geworden. Später, als Kardinal, tauschte er dann mit dem Bischof von Erlau Thomas Bakäcs die Pfründe und zog sich 1498 für ständig nach Italien zurück. Bei seiner Abreise aus Ungarn nahm er auch Ausgaben- und Einnahmebücher des Graner Erzbistums mit sich, die mit dem Jahre 1487 begannen. Zu seiner Zeit bekam er als Erzbischof von Gran das Piset aus sechs verschiedenen Orten : Kremnitz, Nagybänya, Rosenberg, Kleinzeben, Göllnitz und Schmöllnitz. In Kremnitz und Nagybänya unterhielt er einen eigenen Pisetarius, in den vier übrigen Orten hatte er — widerrechtlich — das Piset verpachtet. Das Piset wurde ihm aber nicht immer in barem Gelde ausbezahlt; oft gaben die Kammern Rohsilber oder bearbeitetes Silber in Form von Bechern, Schmuck für Pferdegeschirre usw. Bei diesen Gelegenheiten wurde die Mark Feinsilber mit 5 Goldgulden und 50 Denaren berechnet. Die Erträge waren: 1488 2719 fl., 25 d, davon aus Kremnitz allein 1435 fl., während Nagybänya 626 fl. eintrug: 1489 3277 fl., 84 d (Kremnitz 1706 fl., 19 d, Nagybänya 1132 fl., 65 d). Als Béla IV. die Freiheiten des Graner Erzbistums bestätigte, darunter auch das Pisetrecht, sagte er ausdrücklich, daß er dies für ewige Zeiten tue, was ganz den Absichten des ersten Königs entsprach. Auch Karl Robert, Ludwig I., Sigmund, Johannes Hunyadi, Matthias Corvinus und die beiden Jagellonenkönige versprachen, die Freiheiten zu achten und zu schützen, ein Beweis übrigens, daß Kräfte am Werk waren, die dieses uralte Recht anzuzweifeln, die Einkünfte zu beschneiden, zurückzuhalten oder gar zu entfremden suchten. Besonders häufig sieht man diese Bestrebungen seit dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Immer wieder gab es diesbezüglich Mißstände bei dieser oder jener königlichen Kammer. Aber auch die Pisetarii vergingen sich daran; einer von ihnen, Konrad Rolner, schädigte den Kardinal-Erzbischof Dionys Széchi zur Zeit der Reichsverweserschaft Hunyadis um die beträchtliche Summe von 4600 Goldgulden! Wenn der eine oder der andere einflußreiche Kammergespan in seinem Bereiche auf Kosten der königlichen Macht fast unbeschränkt regierte, half dem Erzbischof auch eine Unterstützung seiner Ansprüche durch den König nicht. Eine solche Macht im Staate bildeten z. B. die Thurzo, der alte Johann und seine drei Söhne Georg, Alexi und Johann d. J., die, als sie an der Spitze der Kremnitzer Kammer standen, dem Erzbischof unsäglich viel Schaden und Verdruß bereiteten, ohne daß es den schwachen Jagelionen gelungen wäre, diesen Übelstand abzustellen. Erst als Maria 1525 die Bergstädte in Besitz nahm, Alexi Thurzo zurückgetreten war und sie damit auch die Kremnitzer Kammer übernahm, wandte sich auch die Pisetangelegenheit zum Besseren, indem sie die pünktliche Auszahlung anordnete. Sie verwarf auch, wie schon erwähnt, den Vorschlag, das Piset überhaupt abzuschaffen. Am wenigsten Schwierigkeiten gab es zur Zeit Marias und auch später unter ihrem Bruder mit dem Piset. Der letzte Pisetarius amtierte noch unter dem Erzbischof Johann Scitovszky (1866), der an Stelle einer Bezahlung das obere Stockwerk im Pisetariushaus samt dem Garten erhielt. Aber mit der ursprünglichen Bestimmung der Überwachung hatte er nichts mehr zu tun; seine einzige Arbeit war die Übernahme des Pisetgeldes.

360

2. Kroatien und Slawonien Nach dem Aussterben der nationalen kroatischen Dynastie, die keine eigenen Münzen geprägt hatte, wählte der Hochadel Koloman von Ungarn zum König. Im Jahre 1102 kamen Vertreter der kroatischen Stämme an der Spitze eines Heeres an die Drau, wo sie mit Koloman einen staatsrechtlichen Vertrag (pacta conventa) schlössen. Sie krönten ihn sodann zu Belgrad und am Meere in Zara (Biograd, Zara Vecchia) zum König von Kroatien und Dalmatien. Seitdem führten alle gemeinsamen ungarisch-kroatischen Könige den Titel Rex Hungariae, Croatiae et Dalmatiae. „Kroatien blieb während des ganzen Mittelalters ein besonderes Verwaltungsund Rechtsgebiet; das Volk lebte nach seinen eigenen eigentümlichen Rechtsbräuchen. In Ungarn regierte der gemeinsame König, in den kroatischen Ländern ein selbständiger, dem König gleichgestellter Herzog (Dux), gewöhnlich ein Mitglied des königlichen Hauses, oder ein Banus. Der Herzog übte verschiedene Herrscherrechte aus, und zum Zeichen seiner Herrschaft ließ er autonome herzogliche Münzen prägen, die als gesetzliches Zahlungsmittel für ganz Kroatien galten" (969). Zur Zeit der nationalen Könige hatte man das internationale Zahlungsmittel der byzantinischen Münzen verwendet. Auch als das Land mit Ungarn in Staatsgemeinschaft trat, blieben diese weiter im Umlauf. Erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts tauchen unter dem Bruder König Emmerichs, dem Herzog und damaligen Regenten Kroatiens, Andreas, die ersten kroatischen Münzen auf. Damals hatten sich im Lande bereits die allbeliebten Friesacher Pfennige durchgesetzt, die in kroatischen Urkunden frisatici genannt werden. Um dieses fremde Geld aus seinem Herrschaftsgebiet zu verdrängen, ließ Andreas in einer zu diesem Zwecke eigens gegründeten Münzstätte den Friesachern an Form und Wert ähnelnde Münzen prägen. Diese ältesten kroatischen Münzen sind zugleich auch die ersten bei den südslawischen Völkern. Die kroatischen Friesacher mit dem zweitürmigen Kirchengiebel auf der Rückseite und dem alten kroatischen Wappen (Halbmond und Stern) auf der Vorderseite entsprachen ganz dem Friesacher Typus. Die Umschrift ANDREAS D(UX) CR(oatiae) entspricht der üblichen Intitulation des Herzogs: Dux Croatiae. Dalmatiae et Chulmae (Chlm, Chelmo, Zahumlje, ein Puffergebiet zwischen der Küste und dem bosnischen Binnenland im Narentatale). Diese Münzgattung wurde unter steter Erneuerung des Typus bis zum Jahre 1235, also bis zum Todesjahre des Andreas (als König II.) geprägt. Der alte Typus wurde bei Ausgabe des neuen eingezogen. Das Durchschnittsgewicht der zwischen 1196—1209 geprägten Stücke belief sich auf 0,85 Gramm, der Feingehalt auf 800/1000; bei den späteren Emissionen schwächte sich jedoch das Korn bis auf 600 bis 700/1000 ab. Unter Béla IV. (1236—1270) wurde Kroatien in zwei Verwaltungsbezirke geteilt. An der Spitze eines jeden stand ein Banus. In Nordkroatien, das von nun an amtlich Slawonien heißt, befand sich der Banus totius Slavoniae, in Südkroatien der Banus Croatiae et Dalmatiae. Die Hauptstadt von Slawonien war Zagreb (Zagrabia, Agram). Hier war der Sitz eines Herzogs oder Banus sowie eines Bischofs. Gleichwie Béla IV. sofort nach seinem Regierungsantritt Maßnahmen zur Verbesserung des unter seinem Vater Andreas II. heruntergekommenen ungarischen Münzwesens getroffen hatte, bemühte sich auch sein Bruder Koloman, Herzog von Slawonien (1135—1141), in gleicher Weise. Denn die kroatischen Friesacher hatten unter Andreas viel von ihrer einstigen Güte eingebüßt. Koloman schaffte daher die renovatio ab und führte eine neue Münzgattung ein. Das Land erhielt dadurch ein wertbeständiges 361

Geld, das auch eine Kapitalsbildung ermöglichte. Auf einem Schröding von etwa 15 mm Durchmesser, einem Durchschnittsgewicht von ca. 0,90 Gramm und einem Feingehalt von rund 900/1000 scheint nunmehr auf der Vorderseite das slawonische Wappentier des Marders auf, die Rückseite zeigt ein Doppelkreuz, unter dem sich zwei einander zugekehrte Köpfe befinden, deren Bedeutung verschieden erklärt wird. Ferner gibt es verschiedene Beizeichen, Siglen und Buchstaben. Nach der auf der Vorderseite befindlichen Umschrift lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: die erste mit der Erwähnung des Herzogs: MONETA DUCIS p(ro) SCLAVONIA, die zweite mit der des Königs MONETA REGIS usw. Die erste Gruppe prägte der Herzog, die andere der Banus als königlicher Verwalter von Slawonien. Es wurden Denare (0,93 Gramm), Halbdenare (0,45 Gramm) und Bagattine (0,14 Gramm) ausgegeben. „Das Gewicht dieser Münzen nahm Jahrzehnte hindurch langsam ab, so daß der Denar nach dem Jahre 1325 nur mehr ca. 0,60 Gramm wog. Als Gewichtseinheit im slawonischen Münzwesen hatte die Mark 224,4917 Gramm; sie wurde wahrscheinlich von Friesach übernommen. Aus einer Gewichtsmark fünfzehnlötigen Silbers wurden 240 Denare geprägt. Die Zahlungen und Abrechnungen in diesem Geld erfolgten in Zählmark {marca numerale, marca pagamenti). Eine Zählmark wurde mit 5 Fensen oder mit 200 Denaren abgerechnet (1 Mark = 5 Pensen = 200 Denare; 1 Pensa = 40 Denare). Eine Pensa hatte den Wert von einem Goldsolidus. In öffentlichen Urkunden des Mittelalters kommt dieses Geld unter verschiedenen Benennungen vor, wie: denarii banales, denarii ducales, denarii Zagrabienses, moneta usualis-, heute nennt es die Wissenschaft Slawonische Banaldenare" (969). Diese Münzen wurden unter den Königen Béla IV., Stephan V., Ladislaus IV., Andreas III., Karl Robert und Ludwig I., also seit dem Jahre 1235 geprägt. „Die Anjous trachteten, die Herrschaft im Staate ganz in ihre Hände zu bekommen. So kam es, daß Ludwig I. um das Jahr 1364 die Prägung des autonomen slawonischen Geldes einstellte und in Handel und Verkehr" (969) das königliche Geld auch in diesem Gebiet einführte. 3. Dalmatien Zur gleichen Zeit wie in Kroatien die Banaldenare entstanden, wurde auch in Dalmatien mit der Prägung autonomer Münzen begonnen. Die alte Bischofstadt Spalato unterstand nach dem Erlöschen des kroatischen Königsgeschlechtes den ungarisch-kroatischen Königen, mußte zwischendurch auch mehrmals die Oberherrschaft Venedigs anerkennen, konnte sich aber trotzdem lange die eigene Autonomie wahren. Erst im Jahre 1420 kam die Stadt dann endgültig unter die Oberhoheit der Serenissima, unter der sie bis 1797 verblieb. Ihre Münzstätte begann in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts mit der Prägung autonomer Münzen, von denen insgesamt fünf verschiedene Typen bekannt sind. Ihre Prägung dauerte ungefähr ein Jahrhundert. Diese denarii parvuli oder denarii piccoli bestanden aus einem sehr geringhaltigen Silber (Feingehalt ca. 0,28 Gramm, Durchmesser 11—13 mm). Trotzdem liefen sie als Kleingeld nicht nur in der Stadt selbst, sondern auch im ganzen kroatischen Küstengebiet und auf den vorgelagerten Inseln um. Nach dem Tode Ludwigs I. (im Jahre 1382) entstand sowohl in Ungarn als auch in Kroatien ein Streit um die Nachfolge. Die eine Partei des Adels trat für Maria ein, das einzige Kind des verstorbenen Königs, die andere für den König von Neapel, Karl III. Dieser kam auch 1385 ins Land, wurde aber wenige Monate später von der Gegenpartei 362

ermordet. Als Maria zur Königin ausgerufen wurde, entbrannte in Kroatien ein Bürgerkrieg ; der unmündige Sohn Karls, Ladislaus von Durazzo, wurde zum König proklamiert und im Jahre 1403 zu Zadar (Zara) auch gekrönt. Infolge von Unstimmigkeiten mußte er aber bald wieder nach Neapel zurück. (Ein von ihm geprägter Denar trägt daher auch den Titel eines Königs von Ungarn.) In Kroatien hinterließ er einen Statthalter in der Person des bosnischen Magnaten und Großwoiwoden Hrvoje Vuksic, dem er den Titel „Dux Spaleti" — Herzog von Spalato — verlieh. 1409 verzichtete Ladislaus von Durazzo auf Krone und Land zugunsten Venedigs, dem er das ganze kroatische Küstenland mit den dalmatinischen Städten und Inseln um 100.000 Dukaten verkaufte. Hrvoje, der das Statthalteramt von 1408 bis 1413 bekleidete, prägte als Herzog zu Split eigenes Geld in drei Nominalen: Groschen, Denare und Halbdenare. Die ansehnliche Zahl von Varianten läßt erkennen, daß die Münzung ziemlich umfangreich war. Das Gepräge mit dem Wappen Hrvojes auf der Vorderseite und dem Stadtpatron von Spalato, dem hl. Doimus, auf der Rückseite ist sehr sorgfältig. Typus und Mache erinnern an die Münzen der Könige von Bosnien, was die Alternative offenläßt, entweder aus Bosnien berufene ausländische Stempelschneider oder Prägung dortselbst anzunehmen. Das Spalatiner Münzwesen schließt mit Kupferbagattinen, die zwischen 1491 und 1518 in Venedig entstanden sind. Sie zeigen den Stadtheiligen auf der einen, den Kopf des geflügelten Markuslöwen auf der andern Seite. In Zadar (Jadere, Giadra, Zara) hat schon König Ludwig I. Kupferfollari mit der Initiale G des Stadtnamens Giadra und dem Brustbild des hl. Ladislaus geprägt. Auch Obole gibt es, die auf der Rückseite an Stelle des Heiligen das ungarische Patriarchenkreuz zeigen. Als Venedig das Küstenland von Ladislaus von Durazzo gekauft hatte, besetzte es schleunigst die Stadt, um die in der Vergangenheit schon viel venezianisches Blut geflossen war, wie es das Kolossalgemälde Tintorettos in der Sala del scrutinio des Dogenpalastes zeigt. Um seine Stellung auch optisch zu demonstrieren, ließ Venedig bald nach der Besetzung Zaras in der Zecca von Venedig silberne Saldi prägen. Dies wurde durch die Staatsdekrete vom 31. Mai 1410 und vom 27. April 1414 beschlossen. Durch diese Münzen, die mit dem Wappenschild der Familie Suriani und mit dem Namen und Bildnis des hl. Markus ausgestattet sind und auf der Vorderseite die Umschrift MONETA D A L M A T I E tragen, sollte der Umlauf der Münzen Herzog Hrvojes in der Stadt selbst wie in ihrem Hinterland verhindert werden. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts herrschte in den dalmatinischen Städten, die ihr Münzgeld von Venedig bezogen, ein drückender Kleingeldmangel. Eine Ausnahme bildete Ragusa (Dubrovnik), das seine staatliche Unabhängigkeit bis in die Tage Napoleons I. bewahren konnte. Um diesem Mangel abzuhelfen, ersuchte die Stadt Sebenico die venezia363

nische Regierung um die Erlaubnis, auf eigene Kosten kleine Kupfermünzen schlagen zu lassen. Dies wurde vom Consiglio dei Dieci durch die Dekrete vom 21. Mai 1485, 11. Februar und 13. Juli 1491 und 27. Mai 1499 auch gestattet. Die Stadt mußte 300 Dukaten in Gold als Gegenwert erlegen, wofür ihr in der Zecca ausgeprägte Kleinmünzen geliefert wurden. Auch andere dalmatinische Städte erhielten solche Bewilligungen: Spalato (26. Februar 1491 und 14. April 1518), Traü (19. März 1492), Zara (10. Februar 1491) und endlich Lesina (25. September 1493). Alle diese kleinen Kupfermünzen (Bagattini) tragen auf der Vorderseite die Figur des Stadtpatrons (Lesina: St. Stephanus; Sebenico: St. Michael; Spalato: St. Doimus; Traü: St. Laurentius und Zara: St. Simeon). Die Umschrift führt den Heiligen- und den Stadtnamen an; die Rückseite zeigt den Markuslöwen. Eine Sonderstellung unter den dalmatinischen Städten nimmt, wie schon angedeutet, Ragusa ein. Obwohl nur eine kleine Republik, vermochte sie dennoch ihre Selbständigkeit sowohl gegenüber den Türken als auch gegen Venedi g erfolgreich zu verteidigen, wobei es die größten Opfer nicht scheute. Fast ein halbes Jahrtausend lang (seit 1337) prägte die Stadt in dem noch erhaltenen Hause, der auch architektonisch berühmten Dogana, ohne Unterbrechung sehr viele Typen aus, und zwar wie die zahlreichen Abarten und Varianten beweisen, in großen Mengen. Aber merkwürdigerweise nur in Silber und Kupfer, obwohl der ausgebreitete Handel der Republik, mit dem stets goldhungrigen Balkaninnern auch Münzen dieses Metalls erfordert hätte. Aber dafür hatte man eben die byzantinischen Solidi oder die venezianischen Zechinen, vielleicht auch ungarische Goldgulden zur Hand. Daß sich diese Stadtrepublik ihres Münzwesens in einem Maße annahm wie keine andere in Dalmatien, ist in ihrem regen Handel begründet, dem sie nicht nur ihren Wohlstand, sondern auch ihre wirtschaftliche Vormachtstellung verdankte. Vor der Mitte des 12. Jahrhunderts wissen wir kaum etwas über Handelsbeziehungen. Damals waren Schifffahrt und Fischerei die Hauptbeschäftigung der Einwohner. Erst um die erwähnte Zeit haben wir konkretere Nachrichten, so einen Vertrag mit Pisa vom Jahre 1169, der bezeugt, daß der Handel seinen Weg über Ancona und Ragusa nahm. Vom Ende des 12. Jahrhunderts aber kennen wir schon eine ganze Reihe solcher Handelsverträge mit italienischen Hafenstädten und auch mit Cattaro. Auch auf dem balkanischen Festland wurden Verträge mit den slawischen Fürsten geschlossen, so z. B. mit dem serbischen Großzupan Stephan Nemanja (1186) und dessen Bruder, dem Fürsten Miroslaw von Chelm im Narentatal und mit Kulin, dem Ban von Bosnien. Die Blütezeit dieses Handels hielt bis in das 15. Jahrhundert an. Damals war Ragusa der wichtigste Handelsplatz an der Ostküste der Adria, „einerseits wurden durch diese Stadt die mannigfachsten Erzeugnisse der italienischen Industrie nach Osten gebracht, andererseits ging von hier aus der Export der Rohprodukte der Balkanhalbinsel nach Westen. Der wichtigste Schauplatz des ragusanischen Handels war das Gebiet, das man damals Sclavonia nannte, die adriatische Küste zwischen Istrien und derBojana mit allen Hinterländern, also dem gegenwärtigen Kroatien, Dalmatien, Montenegro, Nordalbanien, Hercegovina, Bosnien und Serbien. Überdies waren die Ragusaner nach dem Muster der italienischen Gemeinde bestrebt, auch eine heimische Industrie in ihrer Stadt zu fördern. Der ältere Seehandel wurde bald durch den Handel zu Lande überflügelt. Die Ragusaner waren nicht nur berühmte Schiffbauer, sie besaßen auch eine Tuch-, Farben- und Seifenproduktion, Eisen- und Glockengießerei, Herstellung von Waffen" (499) und eine hervorragende Goldschmiedekunst. Während der Türkenkriege aber änderten sich die Verhältnisse: drei Viertel des Handels mußten wieder zur See und nur mehr ein Viertel konnte noch zu Lande abgewickelt werden. Die Blütezeit des Ragusaner Handels steht in enger Verbindung mit dem Aufschwung 364

des Bergbaues in Bosnien, Serbien und Bulgarien während der drei letzten Jahrhunderte des Mittelalters. Die zur Römerzeit noch sehr ertragreichen Bergwerke hatten nach dem Abzug der Römer einen Tiefpunkt der Produktion erreicht, bis die Ansiedlung deutscher Bergleute, in den südslawischen Ländern als Sachsen (Sasi), bei den Ragusanern aber als Theotonici oder Tedeschi bezeichnet, eine erfolgreiche neue Ära des Bergbaues einleitete. Exportiert wurde aus diesen Bergwerken Silber, Blei, Kupfer und Eisen, wahrscheinlich auch Quecksilber; im 15. Jahrhundert wird auch die Ausfuhr von Zinnober erwähnt. Drei Arten von Münzen hat Ragusa in verschiedenen Abarten geprägt: silberne Grossi (danari) und Melanin: (Halbdenare) sowie kupferne Follari. Sie zeichnen sich alle durch sorgfältige Zeichnung des Münzbildes und sorgsame Prägung aus. Von besonderem Reize sind die Kupferfollari mit dem in hohem Relief sehr fein ausgeführten Mädchenkopf. Es heißt, daß für diese Münzgattung der bedeutende Renaissance-Medailleur Paolo da Ragusa die Prägestöcke angefertigt habe, der zwar meist in Italien lebte, aber in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch in seiner Heimatstadt tätig war. Die ältesten Grossi hatten das im Jahre 1337 amtlich vorgeschriebene Gewicht von 1,951 Gramm. Bis 1452 wurde es aber nicht weniger als neunmal gesenkt, so daß der Grosso zuletzt nur mehr 1,214 Gramm wog. Sein Durchmesser betrug 19—21 mm, das Feingewicht im Jahre 1337 916/1000, zu Ende des 16. Jahrhunderts aber nur mehr 800/ 1000. Wenn man die Geringwertigkeit der Münzen anderer Länder in dieser Zeit betrachtet, erscheint dies immer noch recht ansehnlich, so daß der Umlaufswert in der Fremde sicherlich aufrechtgehalten werden konnte. Der Nominalwert blieb konstant: 1 Grosso zu 30 Follari. Der Halbdenar ist die kleinste Ragusaner Münze: 14,5—16 mm im Durchmesser, entspricht sein Feingewicht dem des Ganzstückes, des Grosso oder Danaro. Im Wert entsprachen daher 1 Denar 2 Halbdenaren, 1 Halbdenar 15 Follari. Das Gewicht der Follari schwankt zwischen 0,845—2,18 Gramm, die Größe liegt zwischen 14 und 17 mm Durchmesser. 1 Follarius war also 1/3o Denar. Die ersten Stücke dieser Art imitierten römische und byzantinische Münzen. Der Grossus und sein Halbstück zeigen den Stadtheiligen St. Blasius im vollen Ornat mit Mitra und Krummstab, die Rückseite den an die venezianischen Zechinen erinnernden Christus in der Mandorla. Alle drei Münzgattungen wurden bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in typologisch gleicher Weise weitergeprägt. Als südlichste Stadt Dalmatiens, die Münzen ausgegeben und geprägt hat, ist Cattaro (Kotor) zu erwähnen. Auch sie erlebte wie ihre Schwestern wechselvolle Schicksale. Gleich Ragusa hat auch Cattaro „durch Tapferkeit sowohl, als durch außerordentliche diplomatische Schlauheit" (432/WNZ. XLIV) sich seine Selbständigkeit zu wahren verstanden. Cattaro, zweifellos die ältere, „hielt in der Höhe des Mittelalters Ragusa in allem wohl die Waage. Mit der Neige des 14. Jahrhunderts beginnt jedoch der Glanz der Bocchestadt zu verblassen. Den ununterbrochenen Kämpfen und Plünderungen war sie trotz aller besonders zur See damals weitgerühmten Tapferkeit auf die Dauer nicht gewachsen. Der Handel lag darnieder, mit ihm waren der einstige Reichtum der Stadt und so auch die Mittel geschwunden, sich allein wieder aufzuraffen. Um nicht den andrängenden Türken oder einem ihrer räuberischen Vasallen in die Hände zu fallen, warf sie sich dem in der Not stets hilfsbereiten Venedig in die Arme" (1132/WNZ. XLIV). Während Ragusa „mit seiner Interessensphäre schon sehr in den Norden reichte, war Cattaro in engem Zusammenhange mit den albanisch-lateinischen Städten Scutarum, Antibarium, Olcinium, Durastum, Sovacium und anderen. Nach Beispielen des Ostens regelte es auch seinen Münzfuß und prägte als erste Münzen Follari ähnlich denen der benachbarten Stadtgemeinden im Gewichte von ungefähr 3 Gramm" (1132/WNZ. XLIV). 365

130. Cattaro, Ludwig I. von Ungarn. Denar

Wie Ragusa hat auch Cattaro nur in Bronze und Silber geprägt. Am ältesten sind autonome Prägungen aus Bronze. Sie zeigen den Stadtheiligen St. Triphon in ganzer Figur, auf der Rückseite eine von einem Turm bekrönte Festungsmauer, die sehr an die Lagertore auf der Rückseite der Kleinbronzen der constantinischen Zeit erinnert. Diese in den Urkunden Follari genannten Stücke sind augenscheinlich nur für den Geldumlauf in der Stadt selbst gedacht gewesen; für den Handelsverkehr mit dem serbischen Hinterland kamen sie wegen des äußerst geringen Metallwertes wohl kaum in Betracht. Entstanden sind sie wahrscheinlich im 11. oder 12. Jahrhundert. Es gibt von dieser Sorte auch Halbstücke, die an Stelle des stehenden Heiligen dessen Büste zeigen. Später ändert sich der Typus, indem bei den Follari der Heilige auf beiden Seiten aufscheint, während die Rückseite der Halbfollari anstatt des Turmes ein Kreuz ziert. Soweit die autonomen Prägungen. Im Jahre 1369 ändert sich die politische Lage, indem sich die Stadt das erste Mal bis 1370 unter das Protektorat Venedigs beugte. Die Halbfollari (Oboli) setzen nun bei gleichbleibender Vorderseite auf die Rückseite den geflügelten Markuslöwen. 1370—1382 übt dann Ludwig I. von Ungarn die Schutzherrschaft über Cattaro aus: auf den Follari steht der Stadtheilige wie bisher, die Rückseite aber nimmt das ungarische Wappen (gespalten; links Altungarn, rechts Anjou) ein. Von 1385 bis 1392 übernimmt dann König Tvrtko von Bosnien das Protektorat. Die Rückseite zeigt nun ein großes T über einer offenen Krone. Der letzte Protektor der Stadt ist von 1392 bis 1405 Ladislaus von Durazzo. Seine Prägungen sind auf der Rückseite durch eine große offene Lilienkrone gekennzeichnet. Einen ähnlichen Wandel des Münzbildes auf der Rückseite zeigen auch die Silberprägungen. Es war notwendig geworden, sich auch des Silbers für die Münzen zu bedienen, da der Handel der Stadt sich ausweitete und insbesondere „die kommerziellen Beziehungen mit der in ihren Bedürfnissen anspruchsvoller gewordenen serbischen Schutzmacht inniger wurden und die Cattareser Handelsflotte außer für die notwendigen Genußmittel wie Salz, auch zum Lieferanten für die aus fernen Ländern importierten Gebrauchs- und Luxusartikel, wie z. B. für Tuch wurde" (1132/WNZ. XLIV). Für solche Geschäfte, die über den wohl noch üblichen Verkehr mit Tauschwaren hinausgingen und daher nur gegen Barzahlung abgewickelt werden konnten, reichte das Bronzegeld nicht aus. Man prägte daher von nun an Groschen und — in weit geringerem Umfange — auch Halbgroschen. Die Prägung aber umspannte bloß ein halbes Jahrhundert. Das Gewicht betrug im Durchschnitt 0,70 bis 1,96 Gramm, der Durchmesser 1,65 bis 20 mm. Die erste Serie dieser Grossi entstand unter dem Protektorate des serbischen Kaisers Stephan Dusan (1346—1355). Die Vorderseite zeigt St. Triphon stehend in der Mandorla, die Rückseite den thronenden Kaiser mit der Umschrift STEPHANVS IMPERATOR. Die 366

Halbgroschen seines Nachfolgers Uro§ V. (1356—1371) zeigen die Büste des Stadtheiligen auf der Vorderseite, auf der Rückseite die des Kaisers mit Bart und Mütze. Unter der Schutzherrschaft Ludwigs I. von Ungarn (1370—1382) bleibt der Groschentypus gleich, nur daß die Umschrift den Namen des Protektors aufweist. Auch die Halbgroschen ähneln jenen von Uros, nur daß die Königsbüste gekrönt ist. Der letzte Herrscher, der Cattaro seinen Schutz angedeihen ließ, war Stephan Ostoja, König von Bosnien (1404/05?). Der Typus blieb der gleiche, nur die Umschrift wurde sinngemäß geändert. Als sich schließlich die Stadt endgültig unter das Protektorat der Serenissima begab, zierte die Rückseite bei gleichbleibender Vorderseite nunmehr der Markuslöwe. Venedig ließ dann in Cattaro bis 1640 prägen, und zwar ganze und halbe Grossetti, Gazette, Soldi und Me%%i Soldi in Silber sowie Follari aus Kupfer. Trotz der ständigen Kontrolle Venedigs wurden jedoch die vorgeschriebenen Legierungen der Silbermünzen nicht eingehalten. Die Münztypen wechseln. Der Stadtheilige kommt auf der Vorderseite überall vor, während auf der Rückseite der Markuslöwe oder der heilige Markus selbst aufscheint. Erst die häufige Verwendung der Wappen der venezianischen Statthalter, die seit 1480 den Titel Rettori e Provveditori annehmen, während sie vorher Conti hießen, brachte eine Neuerung. Der Conte Gabriel Bertucci (1470—1473) war der erste, dessen Wappen auf den Münzen zu sehen ist. Seit 1640 bediente sich Cattaro hauptsächlich des venezianischen Geldes. Die Prägung der städtischen Münze hat damit aufgehört. 4. Bosnien Seit dem Eintritt Kroatiens in die Staatsgemeinschaft mit Ungarn nahm Bosnien eine politische Sonderstellung ein und begann sich im Laufe der Zeit zu einem kraftvollen Königtum zu entwickeln, dessen Höhepunkt die Regierung Tvrtkos I. (1377—1391) bildete. Als unabhängiger Staat prägte Bosnien natürlich auch seine eigenen Münzen. Ihnen gingen einige Gepräge voraus, die sowohl für Bosnien als auch noch für Kroatien geschlagen worden waren. Die ersten entstanden unter dem Dominus Bosnae Paul Subic (1302—1312), Banus von Kroatien und zugleich Fürst von Bosnien. Seine Nachfolger setzten diese Prägung fort, als letzter der spätere König Tvrtko (1353—1377). Merkwürdigerweise hat Tvrtko nur als Banus gemünzt, nicht aber als König. Nur in Cattaro gab es, wie erwähnt, unter seiner Schutzherrschaft geprägte Münzen. Die seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts von den bosnischen Banen ausgegebenen Münzen ähneln im Typus den venezianischen Matapanen. Es fällt auf, daß keiner dieser Bane sein Wappen auf diese Münzen setzen ließ. Die Reihe der eigentlichen bosnischen Prägungen eröffnet erst König Tvrtko II. (1421—1443) im Jahre 1436, also nur wenige Jahre vor seinem Tode. Er und sein Nachfolger Thomas (1444—1461) ließen drei Sorten Groschen, Denare und Halbdenare prägen, die sich sämtlich durch feinen Schnitt auszeichnen. Während auf der Rückseite der Groschen und Denare die stehende Figur des hl. Gregor von Nazianz zu sehen ist, zeigt die Vorderseite als Zeichen der bosnischen Eigenstaatlichkeit das von einem Helme mit Decke bewehrte Wappen. Thomas fügte den Nominalen seines Vorgängers auch noch seine neuen Sorten von Denaren hinzu, auf denen statt des bosnischen Staatswappens das der königlichen Familie Kotromaniö zu sehen ist. Bei zwei Arten davon wird der Königstitel statt in lateinischer in kroatischer Sprache wiedergegeben: Gos. T O M A S C R A . B O S N . 367

(Gospodin Tomas kralj Bosne). Von ihm stammen auch Halbdenare mit dem schildlosen Wappen. Sein Sohn Stephan II. (1461—1463) ließ ebenfalls mit lateinischen wie auch kroatischen Umschriften prägen. Von ihm stammt auch die einzige bekannte, nur in diesem einen Exemplar erhaltene bosnische Goldmünze: ein vierfacher Dukat von großartiger künstlerischer Vollendung. Er zeigt auf der Vorderseite einen Löwen, auf der Rückseite das helmbewehrte Wappen. Mit dem Löwen wollte der König sein Herrscher- und Erbrecht über die Besitzungen der Despotenfamilie Brankovic in Serbien, wo er selbst von 1458 bis 1459 die Despotenwürde bekleidet hatte, dokumentieren. Stephan II. war der letzte König von Bosnien. 1463 wurde er in seiner Residenzstadt Jajce auf Befehl des türkischen Sultans Mehmed II. enthauptet, womit der Unabhängigkeit Bosniens ein Ende gesetzt war. Indessen waren Kräfte am Werke, diese zurückzugewinnen. Noch im selben Jahr befreite Matthias Corvinus die nördlichen Landesteile; 1472 ernannte er den kroatischen Magnaten Nikolaus de Ilok (Ilocki, Ujlaky) zum Titularkönig von Bosnien, mit dem Auftrag, auch noch die vom Feinde besetzten Landesteile vom Türkenjoch zu befreien, was ihm indessen nicht gelang. Nikolaus (f 1471) hat in Ausübung seiner Macht auch eigene Münzen prägen lassen, und zwar Silberdenare nach ungarischem Typus sowie nach dem der längst aus dem Verkehr gezogenen Münzen des Patriarchen von Aquileia Ludwig von Teck (1412—1437) mit dessen Rautenschild. Die ältesten bosnischen Münzen, die der Bane Stephan und Tvrtko, stehen typologisch, wie erwähnt, den venezianischen Matapanen nahe, die ihrerseits von Byzanz beeinflußt sind. Die Typen des Banus Stephan mit einem Wappen und dem hl. Blasius sind Nachahmungen von serbischen und Ragusaner Münzen, während jene mit Christus auf der Vorderseite und St. Blasius auf der Rückseite grobe Fälschungen sind. Tvrtko II. hat dann ganz neue und sehr repräsentative Münzbilder eingeführt: das bosnische Wappen auf der Vorderseite und auf der Rückseite die Figur des Landespatrons, zuerst des hl. Gregor von Nazianz, die später unter Thomas und Stephan II. der Darstellung des hl. Papstes Gregor wich. Mit der Besetzung durch die Türken erlosch die einheimische Prägung. Das türkische Geld hielt seinen Einzug. Im Wilajet Bosnien haben zur Zeit der Osmanenherrschaft „mehrere blühende Münzateliers" existiert. Bald nach Eroberung des Landes wurde ein solches zu Cajnica errichtet, der ersten bosnischen Stadt, die „man nach Überschreitung des Metalkasattels erreicht, der aus dem Sandschak Novipazar in das Drinatal führt" (1250). Die zweite bosnische Münzstätte war Srebrenica, denn hier befand sich seit alters ein berühmtes Silberbergwerk, dessen Vorhandensein auch im Stadtnamen zum Ausdruck kam. „Schon in Römerzeiten waren hier ausgedehnte metallurgische Unternehmungen, die ganz Pannonien und Dalmatien mit Silber versahen" (1250). Es liegt im äußersten Osten des Landes, weitab von den Hauptverkehrslinien. Die Stadt wird in den Quellen allerdings erst 1376 genannt; wir erfahren, daß hier eine ragusanische Ansiedlung bestanden hat. „Im Jahre 1417 wird sie zuerst als Münzstätte urkundlich erwähnt, doch schon im Jahre 1462 (867) ging sie endgültig in türkischen Besitz über, nachdem sie schon einmal von 1430—1443 von den Osmanen erobert worden war. Seitdem ist die Stadt in den Münzreihen der osmanischen Sultane vertreten, doch die Münzreform des Sultans SuleimänIL (1687 = 1099) machte den meisten Provinzmünzstätten, darunter auch den bosnischen, ein Ende. Seither gerieten die Bergwerke in Verfall, ja in Vergessenheit" (1250). Diese beiden Münzstätten Cajnica und Srebrenica sind durch Prägungen der Sultane Suleimäns des Gesetzgebers, Selim II. undMurädlll., also von 1519—1594 (926—1003) vertreten. In Sarai (Sarajevo) wird erst viel später ein Münzhaus eingerichtet, wohl erst im 17. Jahrhundert. 368

Aus Srebrenica wie aus Cajnica besitzen wir einen Altjn; beide Stücke nennen die Münzstätte. Das erste Stück entstand 926 der Hedschra ( = 1519) unter Suleimän I., das zweite unter Selim II. 974 ( = 1566). Aus beiden Münzstätten kennen wir ferner verschiedene Aktseben von 926 ( = 1519), 974 ( = 1566) und 982 ( = 1574), diese letzte von Muräd III. Die Aktsche aus Sarai 1032, offenbar ein Unikum, entstand unter Muräd IV. 1032 (1622). Die Aktsche war eine kleine dünne Silbermünze, die die frühesten Osmanensultane von den kleinasiatischen Teilfürsten übernommen hatten. Sie „blieb fast vier Jahrhunderte lang das ausschließliche Nationalgeld" (1250). Der Name bedeutet Weißling, bei den christlichen Völkern aber hieß die Münze Asper. Ihr offizielles Gewicht betrug zu Beginn des Reiches Vz Gewichtsdirhem = 1,06 Gramm, sank aber sehr bald beträchtlich. Zur Zeit der erwähnten Münzreform vom Ende des 17. Jahrhunderts wog das Stück nur mehr 0,13 Gramm. Als die Türken nach Europa kamen, führten sie in den Balkanländern die Aktsche als nationale Münze ein. Der Altyn wurde im christlichen Europa allgemein Zechine genannt, da er nach dem Fuß dieser venezianischen Goldmünze (3,43 Gramm) ebenfalls in Gold ausgeprägt wurde. Ein zweites Mal tauchen nach einer ziemlich langen Unterbrechung türkischbosnische Münzen erst wieder unter Suleimän II. 1688 (1099—1100) auf. Das war das Jahr, als der „Türkenlouis", der Markgraf Ludwig von Baden, siegreich in Bosnien eindrang, bei Banjaluka den Wali Mohammed Beg besiegte und Zvornik erstürmte. Auch in Dalmatien wurden die Türken zu dieser Zeit hart bedrängt. Diese Ereignisse machten in der Türkei eine Münzreform notwendig. Zum ersten Male tauchen nun auch große Silbermünzen auf, die jedoch in Bosnien nicht geprägt wurden. Diese Stücke bis zur Größe eines Talers sollten die weitklaffende Lücke zwischen Aktsche und Altyn ausfüllen. Trotz allen drückenden Maßnahmen herrschte aber in den öffentlichen Kassen Ebbe, es gab eine fürchterliche Geldnot. Ein Renegat, der aus Livorno gebürtige Mustafa Aga riet dem Großwesir, Geldzeichen aus Kupfer an Stelle von Silbermünzen erzeugen zu lassen. Schon im August 1688 erschien der großherrliche Ferman, der diesen Rat verwirklichte. In Konstantinopel wurde sofort mit der Prägung begonnen und große Mengen solcher Münzen hergestellt. „Der genannte Ferman des Sultans bestimmte, 800 Kupferstücke (Manghir) aus der Oka ( = 400 Gewichtsdirhems = 1283 Gramm) auszuprägen" (1250), was ein Stückgewicht von 1,60 Gramm ergibt, das auch eingehalten wurde. „Diese Kippermünze sollte % Aktsche Wert haben; doch da die Geldnot trotz dieser Maßregel weiter anhielt, wurde der Wert des Manghirs im Dezember 1688 auf einen ganzen Aktsche erhöht. Es wurde dem Manghir daher, gering gerechnet, der vier- bis fünffache innere Wert beigelegt. Dieses Notgeld war vor allem als Truppensold bestimmt. Aus der Konstantinopler Münze wurde damit die bei Adrianopel in Formation begriffene Armee bezahlt; um den dringenden Geldbedarf der in Bosnien stehenden Aufgebote zu decken, wurde der Wali dieser Provinz, Hussein Pascha Topah (der Lahme) beauftragt, in der Münze zu Sarajewo dieselben Manghirs auszuprägen" (1250), was in zwei Emissionen auch geschah. Die erste 1099 ( = 1687) wurde von „vortrefflich geschnittenen Stempeln" geschlagen; die zweite von 1100 ( = 1688) dürfte in größter Eile hergestellt worden sein: „die Stempel sind nachlässig geschnitten, das Metall unrein, die Münzplättchen sehr unregelmäßig und schlecht vorgerichtet, mit einem Worte, diese Münzen gehören zu den schlechtesten Stücken der an erbärmlichen Sorten nicht armen türkischen Serien" (1250). Die erste Emission nannte als Münzstätte Bosna, die zweite Sarai; beides bedeutet Sarajewo. 369

Mit dieser „Kippermünze" scheint die Münzprägung in Bosnien selbst ihr Ende erreicht zu haben.

5. Randgebiete Die bei Ragusa und Cattaro aufgezeigte Verflechtung des Handels mit dem des balkanischen Hinterlandes ergibt auch eine Durchdringung des Münzumlaufes mit den Münzen der Handelspartner. Dies gilt natürlich keineswegs nur für Kroatien und Dalmatien, sondern ebenso auch für die anderen Grenzlandschaften Ungarns überhaupt. Im Süden war es insbesondere Serbien, dessen Münzwesen nordwärts nach Ungarn ausstrahlte. Auch die Walachei und die Moldau, die Siebenbürgen im Süden und Osten umklammern, sind infolge ihres Handels im Münzumlauf dieses Landes vertreten. Im Norden Ungarns und Siebenbürgens aber wirkt Polen durch sein konstant schlechtes Geld oft unheilvoll auf Wirtschaft und Münzumlauf Ungarns ein. Wir müssen aus Raumgründen leider verzichten, uns hier mit den aus dieser Grenzlage Ungarns entstehenden monetären Problemen im einzelnen auseinanderzusetzen. Es kann daher hier nichts anderes als die wichtigste Literatur zu diesem Thema angeführt werden.

370

III. Das Münz- und Geldwesen der Neuzeit

A. Der Übergang zum Gesamtstaat 1. Das Münzwesen unter Maximilian I. a) Die Voraussetzungen. Die Münz- und Geldgeschichte dieser drei Jahrzehnte zeigt sich ebenso bunt und vielgestaltig wie janusköpfig, das heißt sowohl noch in alten Theorien und Prinzipien befangen, als bereits neuen Zielen zugewandt. Maximilian I. ist der erste Herrscher, der die gesamten altösterreichischen Lande unter seinem Zepter vereinigt. Schon diese Tatsache allein genügt, um die insbesondere auf dem Gebiet des Geld- und Münzwesens auftretenden Schwierigkeiten aufzuzeigen. Denn noch handelt es sich nicht um ein in sich geschlossenes Gebiet, sondern um eine Vielzahl einst politisch selbständiger Territorien, die auch ein eigenes, ihren Bedürfnissen entsprechendes Münzwesen entwickelt hatten. Maximilian erkannte alsbald die Notwendigkeit, alle diese Besonderund Verschiedenheiten nach Möglichkeit auszumerzen und an ihrer Stelle eine tragfähige Zentralverwaltung einzurichten, in der auch das Münzwesen den ihm zukommenden Platz hatte. Er „sah die Prozesse einer Kräftigung der staatlichen und landesherrlichen Gewalt in Westeuropa vor seinen Augen sich vollziehen: in Spanien, in England, in Frankreich" (235). Mit der Vereinigung sämtlicher altösterreichischer Länder in einer Hand (1493) war nun auf deutschem Boden ein Staat entstanden, der dringende neue administrative Einrichtungen benötigte, um die verschiedenen Sonderverwaltungen der einzelnen Länder durch ein einheitliches Regiment zwar nicht ihrer alten Rechte und charakteristischen Eigenschaften zu berauben, sondern im Sinne des eben aufgekommenen Begriffes der „Staatswohlfahrtpflege" die „Schranken provinzieller Abgeschlossenheit" zu durchbrechen und die Lande „um des gemeinen Nutzens willen" einander näherzubringen. Zudem ließen der Umstand, daß Maximilian zur Zeit seines Regierungsantrittes (1493) bereits deutscher König war, und noch mehr die Erwerbung der burgundisch-niederländischen und bald darauf auch der spanischen Gebiete für sein Haus „den neuen Monarchen in eine Großmachtstellung vorrücken, an deren vielseitigen Interessen nun auch Osterreich beteiligt war". Schon bei der Verwaltung der burgundischen Erbländer zuerst als Mitregent seiner ersten Gemahlin Maria und nach deren Tod als Vormund (mambour) seines minderjährigen Sohnes Philipp des Schönen mag ihn das Beispiel Frankreichs, das „die ersten Gerüste eines zentralistischen Monarchenstaates" aufgerichtet hatte, vor Augen gestanden haben. Er hatte dessen Vorteile rasch erkannt und unternahm es nun, dieses Beispiel auch in seinen österreichischen Ländern nachzuahmen. Vor allem lag ihm die Geldwirtschaft, die Ordnung der Finanzen am Herzen und damit auch die Reform des gesamtösterreichischen Münzwesens in der Weise, daß aus den verschiedenen Landeswährungen, die bisher bestanden hatten, nunmehr eine einzige Währung entstand. Die Durchführung dieser Münzreform überließ er allerdings seinen Räten. Denn sein persönliches Interesse an der Münze galt nicht der Kleinmünze und dem Münzwesen „im 371

Sinne von Münze = Geld", sondern vor allem der Schaffung und Ausgestaltung der großen Sorten, die von ihm als Mittel zur Förderung seiner Popularität und Erhaltung seines Angedenkens in der Nachwelt angesehen und von ihm persönlich an seine Getreuen oder an solche, die er für sich gewinnen wollte, verehrt und verschenkt wurden. Vor allem die großen Silberstücke, die zu Hall in Tirol entstandenen Guldiner, die zwar in Schrot und Korn genau nach der Vorschrift ausgebracht wurden, so daß sie auch als Zahlungsmittel hätten verwendet werden können, sollten diesem Zwecke dienen. Denn als „Geld" wollte er diese künstlerisch wohlgelungenen Schaumünzen doch nicht gern betrachtet wissen. Auf die Ausstattung dieser Stücke nahm er sogar persönlichen Einfluß, vornehmlich auf die Gestaltung seines Porträts sowie auf Titel und Wappen. Die Änderungen, denen die für den täglichen Handel und Wandel bestimmten unentbehrlichen Kleinmünzen unterworfen wurden, gehen jedoch meist auf die Initiative und das Drängen der Länder oder der Stände zurück. Im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger, die das Münzregal als eine ergiebige Einnahmsquelle betrachteten und demgemäß auch die Währung herunterwirtschafteten, sah Maximilian seine sonstigen Einnahmen aus den Ländern, seinen Gütern und deren Verpachtungen als seine Hauptgeldquelle an. Die oberdeutschen Handelshäuser, an erster Stelle die Augsburger Fugger und verschiedene Banken, spielten in der Finanzgebarung des Kaisers eine ebenso große Rolle wie das Tiroler Bergsilber, insbesondere aus Schwaz. In Hall wurden nicht nur Münzen geprägt, wofür allerdings manchmal das Silber ausging, da die Ausbeute schon auf Jahre hinaus an die Gläubiger des Kaisers verpfändet war, was in der Aktensprache „vorfinanzt" hieß, sondern hier wurden auch die Silbergeschäfte in größtem Stile getätigt. Die Lage Tirols zwischen Oberdeutschland und Oberitalien und der Handelsverkehr über die Brennerstraße hatte im „Land im Gebirg" schon weit früher modernere Ansichten über Handel und Geschäftsgebarung gezeitigt als in den übrigen Erbländern (s. o. S. 267f.). Unter Maximilian entwickelte sich Hall zur Hauptmünzstätte des Gesamtstaates. Neben ihr münzten noch Wien, St. Veit an der Glan in Kärnten, eine kurze Zeit auch Lienz und vielleicht — die Frage ist noch strittig — ganz kurze Zeit auch Graz. Während man sich in Tirol bereits zu einer größeren Münze entschlossen hatte, steckte man in den östlichen Ländern noch tief im Pfennigzeitalter und war jeder fortschrittlichen Neuerung abhold. In Tirol hatte der Kaiser die Münzstätte fest in seiner Hand, in Wien dagegen wirtschafteten die Hausgenossen ebenso eigenwillig wie eigenmächtig und wehrten sich heftig gegen jede Einmischung durch einen landesfürstlichen Münzmeister. In Kärnten gab es anscheinend überhaupt keine Kontrolle. In Italien ließ Maximilian in einigen während seiner Feldzüge von ihm eroberten Städte, etwa in Verona, Münzen mit seinem Namen und zum Teil auch seinem Bildnis prägen, doch unter Beibehaltung des bodenständigen Münzsystems. In Deutschland dagegen prägten nach altem Brauch die Reichsmünzstätten unter seinem Namen. Es gab daher noch immer eine Vielzahl verschiedener Währungsgebiete und -systeme, die langsam einander angepaßt werden mußten, wobei allerdings mit dem Widerstand von Bevölkerung und Behörden zu rechnen war. Eine Modernisierung des Münzwesens mit einem Schlage, wie etwa in Oberitalien, Frankreich und England, war von vornherein aussichtslos und daher undurchführbar. Es blieb also nichts anderes übrig, als die alten Münzen zunächst weiter im Umlauf zu belassen, daneben aber neue Sorten einzuführen und sodann die alten langsam aus dem Verkehr zu ziehen. Daneben bedurfte man aber auch einer gemeinsamen „Oberwährung", als die sich 372

die Goldmünze von selbst anbot. Diese stand nämlich in jedem Währungsgebiet in einem festen Wertverhältnis zur Landeswährung, das sich nach dem Wert der Silbermünze richtete. Wurde diese verschlechtert, brauchte dies nicht auch bei der Goldmünze zu geschehen, sondern es verschob sich dann eben der Kurs der „Oberwährung" zuungunsten des Silbers. Es gab dabei nur einen Nachteil: daß der Goldgulden nicht überall in gleichem Schrot ausgebracht wurde und daß auch sein Feingehalt ständig sank. Dies macht auch begreiflich, daß man sich in Österreich auch weiterhin hauptsächlich des ungarischen Goldguldens (Dukatens) bediente, dessen konstanter Goldgehalt die Kursermittlung bei einem Absinken der Silbermünze wesentlich erleichterte. Man war zwar auf den deutschen Reichstagen ehrlich bemüht, das Münzwesen zu vereinheitlichen, aber ein wirklicher Erfolg konnte unter der Regierung Maximilians nicht erzielt werden. Die zentrifugalen Kräfte waren noch zu groß, um mit einem Male in die entgegengesetzte Richtung umgelenkt werden zu können. Das Hemd stand überall näher als der Rock. Immerhin aber gebührt Maximilian das Verdienst, wenigstens den Gedanken einer durchgreifenden Reichsmünzreform angeregt zu haben, ein Gedanke, der zwar erst unter seinen Enkeln Karl V. und Ferdinand I. wohl feste Formen annahm, ohne jedoch bereits bis ins Letzte durchgesetzt werden zu können. Dadurch aber, daß die Goldmünze jetzt allenthalben in den Vordergrund rückte, waren die Voraussetzungen für eine sich auf größere Räume erstreckende Münzpolitik gegeben, die ein starres Festhalten an der alten Pfennigwährung allmählich überall als überholt erscheinen ließ. Mit Einführung des Goldguldens war zwar ein ziemlicher Schritt in Richtung einer Vereinheitlichung des Münzwesens getan. Seine ständige Wertminderung aber bereitete dem wertbeständigen ungarischen Goldgulden, nun Dukaten genannt, den Weg zu einer internationalen Handelsmünze, sogar in jenen Ländern, die am rheinischen Goldgulden auch weiter festhielten. Es ist hier nicht der Ort, die gleichzeitigen Münzverhältnisse im Deutschen Reiche eingehend zu behandeln. Für die österreichischen Lande hatte bekanntlich das Silberäquivalent des rheinischen Goldguldens seit den Tagen Sigmunds von Tirol eine weit größere Bedeutung als dieser selbst. Das ergab sich von selbst aus dem reichen Ertrag der Bodenschätze um die Wende zum 16. Jahrhundert. Diese waren in Schwaz so reichhaltig, daß Maximilian z. B. im Jahre 1496 an verschiedene Handelsgesellschaften nicht weniger als 120.000 Wiener Mark Brandsilber verkaufen konnte! Begreiflich, daß bei einem solchen aus der Not der Zeit erklärlichen Handel die Metallbelieferung der Haller Münzstätte empfindlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das maximilianische Münzsystem das Silber bevorzugte und daß sich auch die Tiroler Kreuzerwährung durchsetzte, obwohl sie größere Metallmengen erforderte als die Pfennigmünze. Um jedoch den Goldgulden, der durch seine ständige Wertverminderung alsbald zu einer reinen Rechnungsmünze (fl. rh.) entartete, endgültig aus dem Münzsystem auszumerzen, führte Maximilian in der Münzordnung von 1510 eine andere, wertbeständige Goldmünze ein, den nach ungarischem Vorbild schon 1481 in Tirol geprägten ungarischen Gulden, der um diese Zeit nach der bekannten venezianischen Münze Dukaten benannt wurde, um ihn von dem schlechteren rheinischen zu unterscheiden. Maximilian ließ den Dukaten seit 1510 in den nieder- und oberösterreichischen Landen prägen. Dazu ist verwaltungsrechtlich zu bemerken, daß seit Maximilian die Erblande in zwei Ländergruppen geteilt waren, wovon die oberösterreichische Gruppe Tirol und die Vorlande in Schwaben und im Elsaß umfaßte, während zur niederösterreichischen 373

Österreich unter und ob der Enns, Steiermark, Kärnten, Krain und Görz sowie das Küstenland gehörte. Das neue, schon in der Münzordnung von 1510 Dukaten genannte Goldstück trug auch Maximilians Titel und Wappen, zuweilen auch sein Bildnis. Nur die Haller Goldgulden machten eine Ausnahme; sie wurden auch jetzt noch nach dem Typus und unter dem Namen Erzherzog Sigmunds weitergeprägt, um den guten Ruf dieser Münzgattung durch eine Änderung nicht in Gefahr zu bringen. Sie waren nämlich — obwohl nur in relativ geringer Zahl geprägt — ob ihrer konstanten Güte zu einer sehr geschätzten Handelsmünze geworden. Die Anpassung der Goldprägung an das ungarisch-italienische Vorbild war insbesondere für Tirol von großer Bedeutung. Maximilian hat die Wichtigkeit einer beständigen Goldmünze erkannt und den Tiroler Goldgulden, den er im Lande schon vorfand, daher in sein Münzsystem aufgenommen. In Salzburg münzte schon seit etwa 1500 der Erzbischof Leonhard von Keutschach Dukaten, und die ausschlaggebende ungarische Goldprägung war auch unter den Jagellonen nicht abgerissen. Wie eingangs erwähnt, benützte Maximilian den von seinem Vetter Sigmund eingeführten Guldiner (der sich allerdings zu seiner Entstehungszeit noch keineswegs einbürgerte) merkwürdigerweise nur für Geschenkzwecke; er ließ ihn in Hall und zum Teil auch zu St. Veit in Kärnten in verschiedenem Gewicht als halben, einfachen und als mehrfachen Guldiner, auch in Gold, schlagen. Daß ihm z. B. Sachsen mit der Größprägung für Zahlungszwecke zuvorgekommen war und erst sein Enkel Ferdinand I. den Taler in das österreichische Münzwesen einführte, tut seiner Reformfreudigkeit keinen Abbruch. Maximilian führte dafür andere bisher unbekannte Münzsorten in Österreich beziehungsweise Tirol neu ein: den Dukaten, der zwar schon 1481 in der Münzordnung seines Vaters Friedrichs III. vorgesehen war, jedoch nicht ausgeprägt wurde; den FünfMehner (15 Kreuzer) oder Viertelguldiner, den Batten (4 Kreuzer) und den Halbbat^en (2 Kreuzer). Man sieht, wenn der Name auf den Münzen auch nicht genannt wird, daß der aus Tirol stammende Kreuzer das neue Münzsystem beherrscht. Als Maximilian im Jahre 1490 nach dem Rücktritt Sigmunds zunächst in Tirol und den Vorlanden die Regierung antritt, wurde in der oberösterreichischen Kammer nach Zählgulden, daneben aber auch noch nach der Mark Berner gerechnet. Diese Zählmark aber weicht schon wenige Jahre nach der Jahrhundertwende dem Zählgulden. In den Raitbüchern der Haller Münzstätte werden Löhne, Bau-Ausgaben usw. noch bis zum Ende des 15. Jahrhunderts fast ausschließlich nach der Mark Berner berechnet; dann aber verschwindet auch sie. In Tirol galt zunächst folgendes Rechensystem: Mark

Gulden

Pfund

Kreuzer

Vierer

Berner

1

2 1

10 5 1

120 60 12 1

600 300 60 5 1

2400 1200 240 20 4

In den niederösterreichischen Landen rechnete man dagegen nach Pfunden, wobei 1 Pfund 8 Schillingen (ß) oder 240 Pfennigen entsprach. Diese Rechnungsweise hielt sich in diesem Gebiet noch sehr lange. Es gab aber auch einen Wechselgulden, wobei 374

der Schilling als Unterteilung blieb. 1510 wurden die neuen Münzsorten auch für die niederösterreichischen Lande eingeführt, die ebenso in den oberösterreichischen hätten gelten sollen, dort jedoch nicht ausgeprägt wurden. Neben dem Dukaten wurden auch drei Silbersorten in das neue Münzsystem aufgenommen: der Viertelguldiner oder FünfMehner, der Leopolder oder Batten (4 Kreuzer oder 16 Pfennige) und der Halbbat^en oder Achter, wie folgendes Schema ergibt : Gulden 1

Fünfzehner 4 1

Leopolder 15 3,75 1

Halbbatzen 30 7,5 2 1

Kreuzer 60 15 4 2 1

Zweier 120 30 8 4 2 1

Pfennig 240 60 16 8 4 2 1

Hälbling 480 120 32 16 8 4 2

Als Gewicht wurde durchwegs, also auch in den oberösterreichischen Landen, die Wiener Mark verwendet, die ca. 281 Gramm wog und in 16 Lot oder 64 Quint oder 256 Gewichtspfennige unterteilt wurde. Diese Wiener Gewichtsmark galt sowohl für Gold als auch für Silber; nur bei den Feinheitsangaben wurde zwischen den beiden Metallen unterschieden. Beim Gold wurde die Feinheit nämlich in Karat angegeben, wobei 24 Karat gleich 1000/1000 fein sind; 12 Karat gleich 500/1000 usw. 1 Karat wird unterteilt in 12 Grän, 24 Karat sind demnach 288 Grän. Beim Silber gleichen 16 Lot 1000/1000 fein; die Unterteilung war zunächst wie bei der Gewichtsmark: 1 Lot gleich 4 Quintel und 1 Quintel gleich 4 Pfennige. Noch im 16. Jahrhundert wurde das Lot aber in 18 Grän unterteilt, so daß 288 Grän 16 Lot entsprachen. Dies geschah jedoch erst nach dem Tode Maximilians. Die umwälzende Neuerung im österreichischen Münzwesen vollzog sich also in den Jahren 1510/11 und entsprang der Notwendigkeit, größere Münzwerte in Silber zu schaffen, da die Zweier und Pfennige dem Zahlungsverkehr nicht mehr genügten. Diese neuen Nominale bildeten also Zwischenstufen zwischen dem Dukaten und den Kleinstmünzen. Die Reform war aber in erster Linie für die niederösterreichischen Lande gedacht, da Tirol bereits im Sechser eine solche Zwischenstufe besaß, von dem große Mengen ausgeprägt wurden. Diese hochwertige gute Münze war auch in Süddeutschland sehr angesehen. Die höheren Münzwerte der Münzreform Sigmunds, vom Pfundner (Doppelsechser) aufwärts, spielten im Münzumlauf kaum eine Rolle. In den niederösterreichischen Landen hatte man zwar schon unter Friedrich III. Versuche mit größeren' Münzwerten (den Sechzehnern und Achtern) gemacht, doch blieb ihre Ausprägung beschränkt und die Kleinstmünzen infolgedessen vorherrschend. Unter Maximilian konnte sich in Wien nicht einmal der Kreuzer durchsetzen, zumal ihn die Münzmeister der Hausgenossen nur selten prägten, weil sie an den kleineren Sorten mehr verdienten. Dies veranlaßte den Kaiser, die Vormachtstellung der Genossenschaft nach Möglichkeit einzuschränken und in Wien zugleich mit einer Münzreform eine landesfürstliche Münzstätte einzurichten. Der Versuch, mit dem Münzmeister Jörg Jordan eine Reform durchzusetzen, schlug jedoch gänzlich fehl; erst mit der Berufung Bernhard Behaims d. J. aus Hall nach Wien trat im Münzwesen der niederösterreichischen Lande eine Wendung zum Besseren ein. 375

Mit dem Batten und seinem Halbstück aber war in Österreich eine Münzsorte eingeführt worden, die auf den ersten Blick als eine praktische Neuerung angesehen werden konnte; allerdings erwies sich schon nach wenigen Jahren der Halbbat^en als Quelle zahlreicher Unzukömmlichkeiten und folglich auch von Beschwerden. Während Böhmen und Meißen längst ihre Groschenwährung besaßen, mangelte es in anderen Gebieten an einer größeren silbernen Zwischenmünze, um die weite Spanne zwischen dem Goldstück und dem Kreuzer zu überbrücken. Kapitalkräftige Kaufleute von Augsburg und Memmingen taten sich daraufhin zusammen und veranlaßten einige Schweizer Kantone und süddeutsche Münzstände Vierkreuzerstücke nach einem Fuße zu prägen, der guten Gewinn versprach. Man nannte diese neuen Stücke Rollenbahn oder kurzwegs Batzen. Die Ableitung des Namens ist strittig. In den österreichischen Landen wurde jedenfalls nur die Bezeichnung Batten gebraucht, die nach KLUGE, Etymologisches Wörterbuch, von dem Bären (Bätz, Petz) im Wappen von Bern, wo der Batzen ebenfalls geprägt wurde, herrühren soll. Auch Erzbischof Leonhard von Keutschach von Salzburg führte diese Batzen ein, die infolge ihres Wappenbildes JLübenbat^en hießen und in so riesigen Mengen ausgeprägt wurden, daß ihretwegen in den Jahren 1506/07 sogar die längst aufgelassene Friesacher Münzstätte reaktiviert werden mußte. Seit 1506 gab auch Bayern Halbbatzen heraus. Diese rasche Verbreitung des neuen Nominales veranlaßten Maximilian, sie in seine Reform einzubauen und in Wien und in St. Veit (vielleicht auch in Graz?) ausprägen zu lassen. Diese Batzenprägung aber währte infolge des geringen Metallwertes dieser Sorte nur sehr kurz; trotzdem war sie für den Augenblick das gegebene Auskunftsmittel und zugleich der Anstoß, daß man sich in den niederösterreichischen Landen vom Pfennig als Währungsmünze endgültig lossagte. Der Pfennig und sein Hälbling bildeten fortan die kleinsten Nominale, sie waren nur mehr Scheidemünze. Bevor wir uns der Tätigkeit der einzelnen Münzstätten zuwenden, müssen wir uns noch kurz der wirtschaftlichen Lage der Erblande seit dem Tode Friedrichs III. (f 1493) befassen. Der Kaiser hatte sie seinem Sohne in einem ziemlich zerrütteten Zustande hinterlassen. Der wirtschaftliche Niedergang hatte bekanntlich bereits mit den Schinderlingen um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts eingesetzt. Die kaum überstandene Krise war durch eine neue abgelöst worden, die der Krieg gegen Matthias Corvinus von Ungarn und die fast gleichzeitigen Türkeneinfälle in die Steiermark und Kärnten verursacht hatten. Bekanntlich hatte Matthias auch Wien erobert, wo er 1490 starb. Maximilian, damals noch römischer König, hatte dann unter persönlichem Einsatz nicht nur Stadt und Land zurückerobert, sondern bei der Verfolgung des weichenden Feindes sogar die altungarische Krönungsstadt Stuhlweißenburg eingenommen. Seine Hoffnungen auf den Erwerb der ungarischen Krone (worüber schon zu Lebzeiten seines Vaters verhandelt worden war) hatten sich jedoch zerschlagen, als die Ungarn nicht ihn, den Tatkräftigen, sondern den schwachen Böhmenkönig Wladislav Jagello, als II. dieses Namens, zu ihrem Herrscher erwählten. Alles dies, Krieg und Bewerbung um die Stephanskrone, hatte Geld gekostet. Den einst so blühenden Handel Wiens aber traf ein besonders harter Schlag, als bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts der Bedarf an ungarischem Edelmetall bedeutend gesunken war, weil die Fugger und andere geldmächtige oberdeutsche Handelshäuser nunmehr ihre Handelsbeziehungen unmittelbar nach Ungarn ausdehnten. Wiens Mittlerrolle war damit ausgespielt. Diese und andere Umstände machten eine Wiederbelebung nicht nur des Wiener, sondern auch des sonstigen österreichischen Handels im alten Umfange unmöglich, wenn man nicht fremdes Kapital in Anspruch nahm, um wenigstens den Absatz der österreichi376

sehen gewerblichen Erzeugnisse zu fördern. Die Verleihung von Handelsmonopolen an Fremde riefen begreiflicherweise im Lande selbst heftige Klagen hervor, obwohl man das so nötige ausländische Kapital doch nur durch verlockende Zugeständnisse ins Land ziehen konnte. Eine wichtige und ergiebige Einnahmequelle für den Landesfürsten waren wohl Mauten und Zölle, aber auch sie waren meist verpachtet und sogar verpfändet. b) Wien. Wie schon angedeutet, hatte Wien seine ertragreiche Mittlerrolle im Edelmetallhandel deshalb eingebüßt, weil das edelmetallarme Oberdeutschland seinen Bedarf aus dem Überschuß der ergiebigen Silberbergwerke in Tirol, Böhmen, Ungarn und Sachsen nunmehr auf direktem Wege decken konnte. Der Handel mit Ungarn ging sogar einen neuen Weg über Mähren und Böhmen, da die Donau eine Zeitlang zu unsicher war und man sich überdies dem Wiener Stapelrecht nicht länger fügen wollte. Der Rückgang des Handels mit Ungarn aber bewirkte in dieser Zeit auch einen Rückgang des guten ungarischen Goldguldens (Dukaten) im bayrisch-österreichischen Raum, wodurch der schlechtere rheinische wieder halbwegs Verbreitung fand. Auch der Handel mit Venedig war stark zurückgegangen und im übrigen Österreich lag er ebenso darnieder, so daß man Waren, die man bisher in Wien gekauft hatte, nunmehr aus den Nachbarländern bezog. Die Geschäfte machte nicht mehr der ansässige, sondern der ausländische Kaufmann, da das Stapelrecht, das einst den Wohlstand Wiens begründet hatte, jetzt nur mehr zum Scheine bestand. Maximilian sah sich daher in einer ziemlich ausweglosen Lage, die sich während seiner Regierung noch durch unglückliche Kriege verschärfte, die der ewig Rastlose etwa gegen die Eidgenossen, gegen Bayern, Franzosen und Venedig führte. Auch die Aufstände der windischen Bauern in Untersteier, Kärnten und Krain (1515—1517) trugen nicht zur Verbesserung der Lage bei. Der vom Kaiser immer wieder geforderte Kreuzzug fand nicht statt, aber dafür drang der „Erbfeind der Christenheit" immer weiter gegen Westen vor. Und zu alledem kam auch noch, daß Maximilian in Gelddingen eine allzu leichte Hand besaß. Nichts charakterisiert dies besser, als der Satz, den sein Bankier Jakob Fugger der Reiche 1508 einem Verwandten schrieb: „Ich glaube wohl, Seine Majestät wird das Geld aus meinem Säckel geben." Unter solchen negativen Auspizien war auch die Lage in den unter Maximilian betriebenen Münzstätten mehr oder minder hoffnungslos. Wir erwähnten schon, daß sogar Hall für seine Münze mitunter an Silbermangel litt; wie mußte dies erst in Wien aussehen, das Silber bisher aus Ungarn bezogen hatte. Zunächst besaßen die Hausgenossen noch die Führung; ihr Eigennutz erstickte jeden Versuch einer Besserung im Keim. Sie trat erst 1510 in bescheidenem Maße ein. Da waren aber seit dem Regierungseintritt Maximilians bereits zwei kostbare, infolge der Ungunst der Verhältnisse nicht genützte Jahrzehnte verstrichen. Der Wert der Kleinmünzen sank immer mehr, damit auch die Einkünfte des Landesherrn, da die meisten Abgaben in Pfennigen festgesetzt waren; ein größeres, wertbeständiges Silbernominale gab es ja bisher in den Erblanden nicht. Nur Tirol besaß wenigstens den Sechser, was indessen auch keinen vollgültigen Ersatz darstellte. Die Entwertung der Silbervaluta bewirkte jedoch gleichzeitig ein Steigen des Goldmünzenkurses. Die Ämter der Wiener Münzstätte waren zur Zeit der Hausgenossen meist an Männer vergeben, die auch in der Verwaltung der Stadt ein gewichtiges Wort mitzureden hatten; Hausgenossen waren sogar Bürgermeister und Stadtrichter. Der Münzmeister von Wien war zwar dem von Österreich untergeordnet, aber was konnte er schon gegen diesen aus377

131. Kärnten, Maximilian I. Pfennig 1516 (eins.), St. Veit

richten, hinter dem das ganze Stadtregiment stand? Um Abhilfe zu schaffen hat Maximilian das Amt des Wiener Münzmeisters anscheinend abgeschafft; seit 1502 gibt es nur noch Münzmeister in Österreich, also landesfürstliche Beamte. Zunächst stand unter Maximilian noch die Münzordnung seines Vaters von 1481 in Kraft. Sie enthielt folgende Münzsorten: Goldgulden und Dukaten in Gold, Groschen, Kreuzer, Zweier und ( K l e i n - ) ? f e m i g e in Silber. Die Unterteilung der Silbermünzen war 1 Groschen gleich 3 Kreuzer gleich 6 Zweier oder 12 Kleinpfennige. Es wurden jedoch keineswegs alle angeführten Sorten auch wirklich ausgeprägt. Erst 1510 erfolgte dann der erste Schritt zu einer Münzreform, als der Kaiser Jörg Jordan, der schon seit 1507 als Münzmeister in Österreich wirkte, zum Obristen Münzmeister und Verweser der Münze in Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain ernannte. Jordan geriet bald als Gegenspieler und Konkurrent in scharfen Gegensatz zu den Hausgenossen, die sich durch den gleich ihnen gewinnsüchtigen Mann in ihren Geschäften geschmälert und in ihren Privilegien gefährdet sahen. Sie unternahmen daher alles, um Jordan beim Kaiser in Mißkredit zu bringen. Dies war nicht schwer, denn der neue Mann bewährte sich in keiner Weise. Jordan hatte es übrigens verstanden, sich schon früher auf legale Weise eine Möglichkeit zur Untermünzung zu verschaffen, indem er sich ein zu großes Remedium verbriefen ließ, also eine im Hinblick auf Unvollkommenheiten in der Technik der Münzprägung gesetzlich gewährte Fehlergrenze beim Schrot und Korn. Es geschah also, was man gerade vermeiden wollte: Klagen und Bedenken gegen die Münzen wurden laut. Ein von der Innsbrucker Regierung 1506 gefordertes Gutachten über den Münzvertrag mit Jordan, das der Haller Münzmeister Bernhard Behaim d. Ä. erstellte, fiel für Jordan vernichtend aus. Von Goldgulden und Kreuzern, die 1507 in einem Schreiben erwähnt werden, ist kein Stück auf uns gekommen, sondern nur Zweier und Pfennige, also gerade jene Sorten, die am dringendsten begehrt wurden; die ebenfalls nötigen Hälblinge hatte Jordan vernachlässigt, weil sie zu viel Arbeit erfordert und vor allem zu wenig Gewinn eingebracht hätten. Jordan mußte abtreten. Aber auch nach seinem Abgang gab es noch keine Besserung, dafür aber einen so argen Mangel an österreichischen Münzen, daß der Geldverkehr mit ausländischen Sorten, vor allen mit Putschendln, böhmischen Hellern Wladislavs II., von denen drei auf einen Kreuzer gingen, abgewickelt werden mußte. Die Hauptschuld an diesem geradezu katastrophalen Zustand des österreichischen Münzwesens trug die viel zu geringe eigene Münzproduktion, die dem Eindringen fremder, geringhaltiger Münzen geradezu Tür und Tor öffnete. Diese offensichtliche Vernachlässigung der österreichischen Belange und die gleichzeitige Bevorzugung des Tiroler Münzwesens hängt aber nicht nur mit dem chronischen 378

132. Österreich, Maximilian I. Goldgulden 1511, Wien

133. Kärnten, Maximilian I. Leopolder (Batzen) 1518, St. Veit

Silbermangel Wiens zusammen, sondern insbesondere mit der politischen Entwicklung, die Maximilian persönlich von Wien fernhielt. Abgesehen davon galt ihm Wien keineswegs als Hauptstadt; sein Lieblingssitz war und blieb Innsbruck. Dazu riefen ihn die Reichstage immer wieder ins Reich, für seine kriegerischen Aktionen war ebenfalls Innsbruck ein günstiger Ausgangspunkt. Nur wenn der zugunsten anderer politischer Probleme vernachlässigte Osten plötzlich an Bedeutung gewann, mehrten sich auch die Aufenthalte des Herrschers in seinen östlichen Ländern. Und selbst dann gab er Linz vor Wien den Vorzug; hier befand sich ja bis 1510 der Sitz des „Niederösterreichischen Regiments", das erst in diesem Jahre nach Wien verlegt wurde. Doch erst 1515 gelangte diese Stadt durch die berühmte Doppelhochzeit der Häuser Habsburg-Jagello in den Mittelpunkt der kaiserlichen Politik. Der Fehlschlag einer Münzverbesserung durch Jordan zwang den Kaiser unter dem Drängen der Stände endlich einer Neuordnung des Münzwesens in den niederösterreichischen Landen zuzustimmen. Er berief dazu den Haller Münzmeister Bernhard Behaim d. J., einen fachkundigen Mann, der auch sein Möglichstes leistete. Der Kaiser hatte von den einzelnen Landschaften vorher Vorschläge zur Aufrichtung einer beständigen Münze eingeholt, wobei der Akzent auf „beständig" ruht. Auch das niederösterreichische Regiment und sogar die Wiener Hausgenossen waren um ihre Meinung befragt worden. Durch den Augsburger Reichstag von 1510 wurden denn durch den dort tagenden Ausschußlandtag der fünf niederösterreichischen Länder abschließende Verhandlungen geführt und am 10. April im sogenannten „Augsburger Libell" das Ergebnis auch schriftlich niedergelegt. Behaim war zu diesen Verhandlungen als Fachmann beigezogen worden. Die neue Münzordnung vom 14. August 1510 enthielt wesentliche Neuerungen: Dukaten und Goldgulden sollten nebeneinander ausgeprägt werden, der Dukaten nach ungarischem und Salzburger Vorbild, der Goldgulden nach dem Muster der Salzburger, der Tiroler Sigmunds und der Goldgulden der rheinischen Kurfürsten. Silberne Guldiner und Halbguldiner kommen in dieser neuen Münzordnung nicht vor; dafür aber ein ganz neues Nominale, der Viertelguldiner oder Fünf^ehner, der indessen gleich den beiden vorgenannten Sorten fast ausschließlich zu Geschenkzwecken verwendet wurde, obwohl er ursprünglich eigentlich als Zahlungsmittel gedacht war. Mit den Batten (oder nach ihrem Münzbild, dem stehenden Landespatron von Niederösterreich, Leopolder) und den Halbbat^en hatte man sich dem Brauch der Nebenländer angeschlossen, aber damit, wie schon angedeutet, in ein Wespennest gestochen. Der Kreuzer war nach bewährtem Haller Vorbild auszubringen. Es gibt auch eine zweite, von der ersten etwas abweichende Fassung dieser Münzordnung, und zwar vom 30. April 1511. Sie ist dadurch bemerkenswert, daß der Halbbatzen379

134. Österreich, Maximilian I. Halbbatzen 1516, Wien

fuß ansehnlich gestaltet wurde; offenbar wollte man dadurch den zu erwartenden Beschwerden zuvorkommen. Diese zweite Fassung aber galt nunmehr sowohl für die niederösterreichischen als auch für die oberösterreichischen Lande, mithin für ganz Österreich. Dadurch war das österreichische Münzwesen wenigstens auf dem Papier vereinheitlicht worden. Die erste Version erwähnt neben Wien auch Lienz im ehemaligen Gebiet der im Jahre 1500 ausgestorbenen Görzer Grafen als Münzstätte; sie fehlt in der zweiten Fassung, weil ihr Betrieb offenbar eingestellt worden war. Von den in der Instruktion von 1510 angeführten Münzsorten ist bisher aus der Wiener Münzstätte nur der Kreuzer nicht durch Münzfunde belegt. In einem Schreiben an den Kaiser aus Wien vom 11. Dezember 1510 baten die Ausschüsse der fünf niederösterreichischen Lande, die entsprechenden Münzbriefe auszufertigen und die beiden Münzstätten pro Jahr je 10.000 Mark Silber gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen, um die Münzstätten in Wien und Graz bald in Betrieb nehmen zu können. Ohne Silber gäbe es ja keine Beständigkeit des Münzwesens in Österreich und in der Steiermark; vor allem aber könnte der Kreuzer dann nicht im Wert der Tiroler geschlagen werden. Die Erfüllung dieser Bitte um ausreichende Metallbelieferung erwies sich j edoch sogleich als der heikelste Punkt der Reform. Die Silberausbeute war bekanntlich längst verpfändet, und es bedurfte besonderer Verhandlungen mit den Gläubigern, um wenigstens Münzsilber zu erhalten. Zunächst waren die Fugger so gefällig, der Wiener Münze monatlich 100 Mark zuzugestehen; in der Tat kam hier die Ausmünzung alsbald in Gang. Dagegen gab es Schwierigkeiten mit den Augsburger Höchstettern, die Graz versorgen sollten. Ein an Jakob Fugger von einem nicht genannten „sonders guten Freund" gerichteter Brief vom Juli 1513, dessen Entwurf sich erhalten hat, zeigt, daß in der steirischen Landeshauptstadt die Münzung trotz aller Bemühungen Behaims und „des Geschreies" der Landschaft nicht vorwärtsging. Das Einschreiten scheint aber für den Augenblick geholfen zu haben, denn schon nach wenigen Monaten mußte der Kaiser seinen Tiroler Kanzler Zyprian von Serntein neuerlich zu Verhandlungen mit den beiden erwähnten Augsburger Firmen delegieren. Schließlich „waren es die Landschaften selbst, welche das mühsam ins Gleichgewicht gebrachte Münzwerk wieder störten. Die Steigerung des Silberpreises veranlaßte die Kärntner, den Kaiser um gewisse Erleichterungen für ihren Münzmeister zu bitten, und 1517 folgten die Österreicher mit dem gleichen Ansuchen für die Münzungen der Wiener Hausgenossen" (687/11). Dies versetzte die übrigen Landschaften in nicht geringe Aufregung, die sich auf dem Innsbrucker Ausschußlandtag von 1518 in vehementerWeise entlud. Die Vorschläge des Kaisers wurden zwar von den Ausschüssen abgelehnt, aber schließlich doch dadurch eine Einigung erzielt, daß Maximilian eine Neuregelung ver380

sprach; damit inzwischen kein Mangel an Münzen entstünde, sollten die Hausgenossen zu Wien und die St. Veiter Münzstätte (Graz und Lienz werden nicht mehr erwähnt) nach der Ordnung von 1510/11 weiterprägen. Jedoch infolge des bald darauf erfolgten Todes des Kaisers kam es nicht mehr zur Einlösung des Versprechens. Trotz der Bestellung Bernhard Behaims d. J. zum Obersten Münzmeister in den niederösterreichischen Landen und in Tirol, wird sein Hauptbetätigungsfeld jedoch noch immer Hall gewesen sein, das übrigens auch in technischen Belangen in Wien auszuhelfen hatte. 1515/16 wird der Wiener Bürger Martin Liphart als Münzmeister in Österreich genannt, der wohl mit den Hausgenossen zusammenhing, während seit 1517 Thomas Behaim, ein Bruder Bernhards d. J., dieses Amt innehatte. Daß er ganz auf kaiserlicher Seite stand, das bezeugt seine Flucht aus Wien nach dem Tode des Kaisers. Ab 1518 ist dann Hans Schwarz als Münzmeister die führende Persönlichkeit unter den Hausgenossen. Er muß diese Tätigkeit 1522 beim Blutgericht in Wiener Neustadt mit seinem Haupte büßen. c) Gra^ Schon die Dokumentation über die Wiener Münzstätte ist in dieser Zeit ziemlich spärlich; für Graz läßt sie uns nahezu vollständig im Stich. Es ist infolgedessen sogar die Frage aufgetaucht, ob unter Maximilian die steirische Münzstätte überhaupt in Betrieb war. Sie war seit 1482 unter Kaiser Friedrich III. eifrig tätig gewesen und hatte insbesondere nach der Besetzung Wiens durch die Ungarn die schwierige Aufgabe erhalten, die niederösterreichischen Lande mit Münzgeld zu versorgen. Diese Tätigkeit ist bis 1493 belegt. Aber schon im folgenden Jahre widerrief König Maximilian seine Münzerlaubnis für den Grazer Münzmeister; die Gründe dafür werden in dem Befehlsschreiben an den Kanzler leider nicht genannt. Über die Folgezeit herrscht völliges Dunkel. Erst 1510 hören wir, daß der Kaiser dem steirischen Vizedom befahl, daß er das Grazer Münzhaus nach den Angaben Behaims herrichten lassen solle, ein Auftrag, der darauf schließen läßt, daß der Betrieb seit 1494 geruht habe. Unmittelbar darauf baten, wie schon erwähnt, die Landesausschüsse den Kaiser auch für Graz um eine reichliche Belieferung der Münzstätte mit Silber. Zehntausend Mark im Jahre waren gefordert worden, aber angesichts der Umstände gab man sich dann auch mit kleineren Mengen zufrieden. Für Graz gibt es wohl den Hinweis, daß die Höchstätter aus Augsburg tatsächlich Silber nach Graz geliefert haben; ob es aber auch wirklich ausgemünzt wurde, ist nirgends urkundlich zu erweisen. Es gibt zwar Pfennige mit dem steirischen Panther, die auf eine Ausmünzung in Graz schließen lassen; ob aber auch Halbbatzen dort geprägt wurden, läßt sich infolge des einheitlichen Typus des Gepräges von der Münze her ebensowenig feststellen, wie urkundlich nachweisen. Dieses Gepräge: Bindenschild auf der Vorderseite — auf der Rückseite die Wappen von Steiermark, Kärnten und Tirol in Kleeblattstellung, dazu die Umschrift STIRIE— CARINTH— TIROLIS weisen darauf hin, daß die Münze in Gesamtösterreich umlauffähig war. Sollte aber in Graz dennoch geprägt worden sein, so hat die Tätigkeit der Münzstätte die Jahre 1513/14 sicherlich nicht überdauert, denn um diese Zeit war, wie wir noch hören werden, die St. Veiter Münze in vollem Betrieb. Infolge der einheimischen Bergwerke hatte sie wohl kaum mit Schwierigkeiten in der Metallversorgung zu kämpfen, konnte von Kärnten aus auch die anderen innerösterreichischen Gebiete leicht mit Münzgeld versorgen, während der vorgeschilderte Typus für den gesamtösterreichischen Raum gedacht war. Für diese Annahme spricht auch die Tatsache ein beredtes Wort, daß Graz in den Beschwerden des Innsbrucker Ausschußlandtages wegen der schlechten Münzen nicht genannt wird. Überdies ist für die gesamte Regierungszeit Maximilians bisher 381

135. Kärnten, Maximilian I. Halbguldiner 1518, St. Veit

auch kein Münzpersonal für Graz bekannt geworden, was die Annahme zuläßt, daß auch die Pantherpfennige in Wien hergestellt wurden. d) St. Veit. Diese in der alten Landeshauptstadt Kärntens nach langer Ruhepause durch Maximilian reaktivierte Münzstätte hat zwar erst 1515, also verhältnismäßig spät, ihre Tätigkeit aufgenommen, dafür aber in sehr intensiver Weise. Kärnten war bis dahin von Wien und, wenn es wirklich gemünzt hat, auch von Graz aus mit Geld versorgt worden, vielleicht auch aus dem im Westen angrenzenden Tirol. Die Münzen der Ordnung von 1507 für Jörg Jordan haben als Gemeinschaftsgepräge in Kärnten ebenso Geltung gehabt, wie späterhin die der Ordnung für Bernhard Behaim von 1510/11. Während aber die Münzen aus der Zeit Jordans äußerlich in keiner Weise darauf hinweisen, daß sie auch außerhalb des Wiener Bereiches gültig gewesen seien, deuten sowohl die Wiener Leopolder als auch die Halbbatzen durch das Wappen und zum Teil auch durch die Umschrift auf Kärnten hin. Auch die Wiener Dukaten mit dem Landespatron weisen das Kärntner Wappen auf. Von den Geprägen nach dem Schrot und Korn der Behaimschen Ordnung wurden in Kärnten Dukaten, Goldgulden, Fünfzehner, Leopolder, Halbbatzen und Pfennige geprägt. Die Fünfzehner (/4 Taler) haben auch in Kärnten ein mehr schaumünzenähnliches Aussehen als das einer Kurantmünze; ihre große Seltenheit weist ebenfalls darauf hin, daß sie fast nur zu Geschenkzwecken geprägt und auch verwendet wurden, zumal Goldabschläge von ihnen existieren. In St. Veit sind auch größere Silberstücke vticgan^e und halbe Guldiner entstanden, zum Teil ebenfalls in Gold. Aber gleich den Haller Geprägen und den Fünfaehnerti sind sie ebenfalls nur als Geschenk- und nicht als Kurantmünzen anzusehen. Sie sind überdies nicht in der Münzordnung erwähnt. Somit bleiben als Umlaufmünzen in St. Veit nur die Goldstücke (Gulden und Dukaten), dann in Silber die Leopolder und Halbbat^en sowie die Pfennige übrig. Die Halbbat^en zeigen auf der Vorderseite gleich dem von Behaim in Wien geprägten Typus den mit dem Herzogshut bedeckten Bindenschild, auf der Rückseite jedoch nur die Wappen von Kärnten und Tirol, was diese Sorte auch für das Nachbarland geeignet zeigt; denn in Hall wurde dieses Nominale nicht geprägt; es gab hier nur Sechser, Kreuzer und Vierer. Archivalische Quellen über das Kärntner Münzwesen dieser Zeit sind so gut wie keine auf uns gekommen; das Landesarchiv wurde wiederholt von Bränden heimgesucht und auch in anderen Archiven ist nichts erhalten geblieben. Wir kennen nur aus einem Mandat von Maximilians Enkel Erzherzog Ferdinand, dem späteren Kaiser, die Namen der St. Veiter Münzpächter Pankraz Hamel und Hieronymus Kirchpucher, beide Villacher 382

136. Kärnten, Maximilian I. Dukaten 1 5 1 5 , St. Veit

Bürger. Sie hatten von Maximilian das Privileg erhalten, in Kärnten „mit dem korn und wert unserer österreichischen münze gleichmäßig, wie die ettwan ThomanBeham, münzmeister zu Wien gemünzt hat" Münzen zu schlagen. Thomas, des Bernhard jüngerer Bruder, hatte diesen während dessen längeren Aufenthaltes in Wien im Laufe der Jahre 1511/12 in Hall vertreten; er dürfte um 1512 dann das Wiener Münzmeisteramt übernommen haben. Demnach könnte es ganz gut zutreffen, daß die beiden Villacher bereits 1515, zu Beginn der St. Veiter Münzung, wie die Jahreszahlen auf den Münzen selbst aussagen, hier den Betrieb gepachtet hatten. Beide waren Mitglieder einer bedeutenden Villacher Handelsgesellschaft, beide betätigten sich auch im Kärntner Bergbau. Sie waren jedenfalls gewitzte Kaufleute, die ihr Münzprivileg so sehr zu ihren eigenen Gunsten auslegten, daß man begreift, weshalb sich der Zorn des Innsbrucker Ausschußlandtages 1518 ganz besonders und ausdrücklich gegen die Kärntner Halbbatzen richtete. Trotzdem dauerte ihre Tätigkeit noch bis Ende 1523 fort, als man zugunsten einer geplanten Zentralmünzstätte für die niederösterreichischen Lande die Kärntner Münzstätte (allerdings nur für kurze Zeit) stillegte. Hervorzuheben wäre schließlich, daß Maximilian seine in St. Veit geprägten Dukaten, von dem sonst gebräuchlichen Typus abweichend, mit seinem gekrönten Kopfbildnis ausstatten ließ. e) Hall. Diese Münzstätte, die halben Weges zwischen der landesfürstlichen Residenzstadt Innsbruck und dem Silberort Schwaz liegt, war die einzige in seinen Landen, deren sich Maximilian in großem Maße bediente, um durch sie sein „Gedächtnis" in edlem Metall festhalten zu lassen. Sie war auch die erste gewesen, über die er bei seinem Regierungsantritt in Österreich gebieten konnte, solange sein Vater noch lebte. Und als er dann drei Jahre später sein Erbe antrat, lag der Schwerpunkt seiner Politik, für die die Silberausbeute am Falkenstein bei Schwaz und am Röhrerbühel bei Kitzbühel die materielle Grundlage abgab, in erster Linie an der Brennerstraße, zumal diese nordwärts auch nach Augsburg führte, wo die großen Geldmächte seiner Zeit, die auch seine Bankiers und Geldgeber waren, ihren Sitz hatten. Hier in Hall fand er auch in den beiden tüchtigen Eisenschneidern Benedikt Burkhart und Ulrich Ursenthaler die kongenialen Schöpfer seiner auf Nachruhm bedachten Schau- und Denkmünzen. Als erfahrener und vertrauter Münzmeister aber diente ihm der ehemalige Goldschmied Bernhard Behaim d. Ä. Er war von 1482 an bis zu seinem Tode 1507 in dieser Vertrauensstellung mit solchem Erfolge tätig, daß man angesehenen Persönlichkeiten, die Innsbruck besuchten, die Haller Münzstätte in dem Schlosse Sparberegg in der Oberstadt zu zeigen pflegte. Man möchte glauben, daß Hall der Sorge um das Silber ledig gewesen wäre, aber 383

137. Tirol, Maximilian I, Kaiserguldiner o. J. von Ulrich Ursenthaler

dies ist, wie wir schon hörten, ein Irrtum. Maximilian war alles eher als ein guter Haushalter, ganz im Gegensatz zu seinem Vater, der ein großer Knicker war, aber dafür seinem Sohn einen großen Schatz hinterlassen konnte. Die Kosten der von Maximilian mit Recht eingeleiteten Großmachtpolitik konnten die Erblande unmöglich aus eigenem aufbringen. Wenn auch Hall „aller Bergwerk Mutter" war, wie es im Tiroler Landreim von 1558 mit Recht genannt wurde, so konnte die Münzstätte an diesem Bergsegen infolge der „Vorfinanzierung" nicht teilhaben. Denn die Ausbeute wurde eben ähnlich wie das Getreide am Halm noch vor der Ernte verkauft, oder richtiger gesagt, auf Jahre hinaus an die Augsburger verpfändet. Aber diesem „Silberkauf" verdankte der Kaiser schlechthin die Durchführung seiner Pläne vom habsburgischen Weltreich, die der Erwerbung Burgunds, der Niederlande, Ungarns, Böhmens und Spaniens galten. Von 1491 bis 1494 machten die Anleihen auf das Schwazer Silber 286.000 fl. aus. Für die Kaiserwahl seines Enkels Karl V. mußten von 600.000 fl. des Darlehens 415.000 fl. in Schwazer Silber zurückgezahlt werden! Da die Geschenk-Großsilberstücke nur in einer beschränkten Auflage hergestellt wurden, bedeutete ihre Prägung keine allzu große Belastung für den Silbervorrat der Münzstätte. Trotzdem hatte Hall mitunter hart unter Materialmangel zu leiden, ja der Münzbetrieb kam einige Male sogar zum Erliegen. Während der Jahre 1518/19 scheint er sogar vollständig geruht zu haben. Dies geht deutlich aus den Rechnungsbüchern der Haller Münzstätte hervor, die für die Maximilianische Zeit lückenlos erhalten sind. Die Haller Münzstätte war im Gegensatz zu den in den niederösterreichischen Landen befindlichen Offizinen eine landesfürstliche, fest in der Hand des Herrschers, und nicht wie jene an Profitjäger verpachtet. Dies äußert sich deutlich in der Güte der Tiroler Münzen, gegen die sogar der kritische Innsbrucker Ausschußlandtag nichts einzuwenden wußte. Der Münze stand ein Münzmeister vor, ein Münzschreiber hatte die Buchhaltung zu besorgen, gleichzeitig aber auch die Kontrolle auszuüben. Diese ging dann auf das 1512 geschaffene Wardeinamt über, so daß dem Schreiber nur mehr die Buchhaltung oblag. Alle drei Beamte waren fest besoldet. Nach dem Tode des alten wurde der junge Bernhard Behaim der Berater des Kaisers in Münzangelegenheiten, was ja auch in seiner Ernennung zum Obersten Münzmeister der niederösterreichischen Lande (1510) zum Ausdruck kommt. Das in ihn gesetzte kaiserliche Vertrauen war indessen nicht restlos gerechtfertigt: Behaim vergriff sich gelegentlich am Silber und bezahlte auch den Münzergesellen den Lohn nicht aus. Später, als er der Berater von Maximilians Enkelin, der ungarischen Königinwitwe Maria, wurde, hat er gleichfalls zum Schluß seiner Laufbahn deren allzu großes Vertrauen eingebüßt. Das neugeschaffene Wardeinamt erhielt im Jahre 1512 neben seiner bisherigen 384

138. Tirol, Maximilian I. Vi Guldiner o. J., Hall

Tätigkeit der bewährte Stempelschneider Ulrich Ursenthaler; Maximilian erließ dafür eine eigene Ordnung. Neben den fest besoldeten Beamten und den hauptsächlich nach dem ausgeprägten Silber entlohnten Stempelschneidern gab es noch die Münzarbeiter, die entweder gleich diesen nach den verarbeiteten Metallmengen oder nach Arbeitstagen bezahlt wurden. Die Zahl der in der Haller Münze Beschäftigten schwankte zwischen 15 im Jahre 1495 und 26 Personen 1511. Aus der Münzordnung seines Vetters Sigmund hat Maximilian die Dukaten, Sechser, Kreuzer und Vierer übernommen. Die Dukaten ließ er im Bild und Titel unverändert, nur auf der Rückseite wurde in der bisherigen Legende MONETA NOVA AVREA seit 1486 das N O V A ausgelassen. Der Sechser behielt den Typus Sigmunds im großen ganzen bei, auf der Vorderseite fehlt zwar Maximilians Name, dafür wurde sein Hüftbild im Harnisch, mit Schwert, Kugelzepter, auf dem Haupt den Erzherzogshut, aufgenommen. Auf der Rückseite stehen in den Winkeln eines gleichschenkligen Kreuzes die Wappen von Ungarn (!), Österreich, Burgund und Tirol. Der nie aufgegebene Anspruch auf das den habsburgischen Ländern noch nicht einverleibte Ungarn sollte demnach hier durch den Wappenschild ad oculos demonstriert werden. Das Wappen von Burgund, das zuweilen auch auf den Münzen der niederösterreichischen Lande vorkommt (z. B. Wiener Fünfzehner und Dukaten), wird seit Maximilian zum feststehenden Bestandteil des gesamtösterreichischen Wappens. Die Kreuzer zeigen das bekannte Doppelkreuz auf der Vorderseite, den Tiroler Adler auf der Rückseite, die Vierer endlich den Bindenschild im Vierpaß und den Tiroler Adler. Die Berner, die noch immer, und zwar noch recht häufig in den Rechnungen vorkommen, wurden schon lange nicht mehr ausgeprägt, da sie viel zu klein und daher unpraktisch geworden waren. Sie scheinen jetzt nur mehr als Rechenmünzen auf, wobei besonders genaue Raitbeamte manchmal sogar den Ort (%) eines Berners in Rechnung stellen. Das Sigmundische Münzsystem erfuhr unter Maximilian mitunter kleine Änderungen. So plante er 1501 die Kreuzerprägung einzustellen — ohne jedoch seine Absicht auch auszuführen —, da sie keinen Schlagschatz, also keinen Gewinn abwerfe. An ihre Stelle sollten Halbkreu^er treten. 1502 befahl er, daß in Hall keine Sechser mehr geprägt werden sollten, sondern nur mehr Kreuzer und Vierer. Dadurch sollte ein Ausgleich dafür geschaffen werden, weil nach seinem Regierungsantritt nur mehr Sechser geprägt worden waren, aber keine Kreuzer und Vierer, wodurch ein empfindlicher Kleingeldmangel entstanden war. Aber diesen Befehl mußte der König bald insofern widerrufen, indem er einstweilen die Weiterprägung der Sechser gestattete, weil man nicht so bald die erforderliche Menge von Kleinmünzen prägen konnte. Den Befehl begründete er 385

139. Tirol, Maximilian I. Sechser o. J., Hall

140. Tirol, Maximilian I. Kreuzer o. J., Hall

übrigens damit, daß die Sechser außer Landes gebracht würden und überdies für den „gemeinen Mann" zu schwer seien. Im gleichen Jahr erging auch ein Erlaß an die Pfleger, Zöllner und Amtleute der Grafschaft Tirol und an die Innsbrucker Raitherren, daß im Reich und in den Vorlanden die ungarischen Dreier und die rheinischen Goldgulden nach dem Gewichte genommen und dementsprechend bezahlt würden. Da aber auch unterwertige Dukaten und Goldgulden ins Land gebracht würden, sollten alle Goldmünzen genau untersucht und in den Ämtern nur die vollwichtigen angenommen werden. Nur nebenbei sei erwähnt, daß Maximilian bei der Annahme des Kaisertitels im Jahre 1508 in Venedig durch einen Sondergesandten, seinen vertrauten Unterhändler Luca de Renaldis, an prominente Persönlichkeiten goldene und silberne Denkmünzen verteilen ließ, deren Stempel Ursenthaler geschnitten hatte. Es dürfte sich hiebei um die berühmten großen „Reitertaler" handeln, die den Kaiser auf einem geharnischten Streitroß in seiner ganzen Majestät darstellen. Auch für die nicht weniger bedeutsame Doppelhochzeit des Jahres 1515 benötigte er eine größere Anzahl von Silber- und Goldmünzen medaillenartigen Charakters. Behaim wurde vom Kaiser sogar nach Wien mitgenommen, um diese Stücke hier an Ort und Stelle ausprägen lassen zu können. Dies alles und noch so manch andere Stelle in den Haller Rechnungsbüchern beweist die hohe technische und künstlerische Leistungsfähigkeit der Haller Münzstätte, die übrigens gleich der ihr übergeordneten Tiroler Raitkammer eifersüchtig auf Wahrung ihrer Prärogative bedacht war. Auf Tiroler Boden, zu Innsbruck, fand auch die letzte große Aussprache über das Münzwesen statt. Am 15. Januar 1518 waren dort die Abgeordneten von Osterreich ob und unter der Enns, Steiermark, Kärnten, Krain, Görz und Friaul, Tirol und der Vorlande zu Beratungen zusammengekommen. Auch Probleme des Finanz- und Münzwesens standen auf der Tagesordnung. Wie schon erwähnt, wurden insbesondere gegen die schlechten Münzverhältnisse schwere Vorwürfe und Bedenken erhoben. Der Kaiser erklärte sich schließlich bereit, eine gute Münze, „die sich im gehalt und aufschnitt gegen einen guten rheinischen gülden wohl vergleiche, aufzurichten", jedoch müßten diese Münzen ohne finanziellen Nachteil für ihn geschlagen werden. Damit aber kein Mangel an guten Münzen eintrete, sollte nach dem österreichischen Korn geprägt werden, also auch durch die Wiener Hausgenossen und in Kärnten, aber nicht mehr unterfertig wie bisher. Zu einer endgültigen Regelung dieser so wichtigen Angelegenheit, die schon bedrohliche Formen anzunehmen begann, kam es jedoch nicht mehr, da der Kaiser bereits im Januar 1519 verstarb. 386

141. Görz, Maximilian I. Halbbatzen 1519, St. Veit

f ) Lien%. Auf Grund von Erbverträgen war nach dem Tode des letzten Görzer Grafen Leonhard im Jahre 1500 die Grafschaft an Maximilian gefallen, damit auch die Herrschaft Lienz im Pustertale und die hier befindliche Münzstätte der Görzer Grafen. Die Frage, ob diese Herrschaft an Tirol oder an Kärnten angeschlossen werden sollte, blieb zunächst unentschieden. 1498 hatte man noch die Görzer Münzen in Tirol wegen ihrer Geringhaltigkeit verboten. 1504 wird dann Hans Strigl zum Münzmeister in Lienz bestellt und ihm auch ein „Münzbrief" (Instruktion) ausgefertigt, wonach er Kreuzer und Vierer nach dem ihm vorgeschriebenen Schrot und Korn münzen sollte. Von dem nach Lienz gelieferten Silber sollte mindestens ein Drittel für die Prägung von Kreuzern verwendet werden. Etwas später wurde Strigl auch die Ausprägung von Pfennigen aufgetragen, da der Vierer im benachbarten Kärnten wenig gangbar war. Vier solche Pfennige sollten auf einen Kreuzer gehen und vier Pfennige soviel Silber enthalten wie ein Kreuzer oder fünf Vierer. Diese Pfennige erhielten, obwohl sie in erster Linie für den Umlauf in Kärnten bestimmt waren, den Bindenschild und das Görzer Wappen. Schon zu Beginn des Jahres 1505 erklärte Strigl, daß er bei dem ihm vorgeschriebenen Münzfuß nicht bestehen könne. Der König gestand ihm daher eine Verbesserung zu, indem fortan aus einem Wiener Lot Silber nicht mehr bloß 17, sondern 17% Kreuzer sowie statt 36 bis zu 37 Stück Vierer ausgebracht werden durften. Auch Tirol sollte sich in Zukunft an diesen Satz halten, damit in beiden Münzstätten Gleichheit herrsche. Der Bergrichter von Obervellach in Kärnten wurde angewiesen, Lienz mit Silber aus den umliegenden Bergwerken zu versorgen. Strigl war aber nicht bloß als Münzmeister tätig, er wurde vom König auch mit anderen Aufgaben betraut, so hatte er z. B. die Arbeiten am Grabstein des letzten Görzer Grafen zu beaufsichtigen. Überdies war er an der Ausbeutung des Quecksilberbergwerkes Idria beteiligt. Wenn die Jahreszahl 1504 auf dem ersten Görzer Pfennig mit dem Prägejahr tatsächlich übereinstimmt, so hat der Münzbetrieb in Lienz in diesem Jahre begonnen. Da die Münzstätte St. Veit damals noch nicht bestand, hatte Strigl wohl die Aufgabe, auch einen Teil des Kärntner Münzbedarfs zu decken. Es war übrigens auch ein Görzer Sechser geplant, von dem aber nur ein Probe-Dickstück existiert, er wurde aus unbekannten Gründen dann doch nicht ausgeprägt. Im Gutachten Bernhard Behaims d. Ä. über den Münzvertrag mit Jörg Jordan vom Jahre 1506 wurde der Görzer Kreuzer noch erwähnt; auch in der Münzordnung von 1610/11 wird die Münzstätte Lienz noch angeführt. Dann aber gibt es nur mehr eine Notiz im Raitbuch der Tiroler Kammer vom Jahre 1522: „Luenz nichil." Wann die endgültige Schließung dieser Münzstätte erfolgte, ist nicht belegt; mög387

142. Österreich, Wiener Hausgenossen. Halbbatzen 1521, Wien

licherweise noch vor 1518, da in diesem und in den nächstfolgenden Jahren die St. Veiter Prägung von ganzen und halben Batzen mit den Wappenschilden von Kärnten und Görz einsetzt. 2. Interregnum in Österreich — Karl V. Nach dem Tode Maximilians kam es in Österreich zu einer Zwischenregierung, da die rechten Erben seiner Lande, König Karl I. von Spanien und dessen Bruder, der Infant Ferdinand, fernab in der Fremde weilten. Die Landstände hatten zwar auf dem Innsbrukker Ausschußlandtage Maximilian ausdrücklich gebeten, die Ansprüche dieser beiden Enkel noch bei seinen Lebzeiten zu ordnen, aber „der Kaiser hatte ausweichend geantwortet und erst in seinen letzten Lebenstagen durch einen Zusatz zum Testament die Verwaltung den jetzigen Inhabern der Ämter im Umfang der früheren Vollmachten bis zur Ankunft der neuen Herrscher übertragen. Das war eine nie dagewesene Neuerung und widersprach den Vereinbarungen, welche die Stände unter sich getroffen hatten" (687/11). Das von dem verstorbenen Monarchen geförderte Berufsbeamtentum hatte seinen Einfluß auf Kosten der Stände vermehrt. Das war für sie Anlaß genug, die kaiserlose Zeit dazu auszunützen, das Verlorene zurückzuholen. Dieser Abneigung gegen das alte Regiment gesellte sich in Wien noch eine umstürzlerische Bewegung. „Die Fortführung der Regierungsgeschäfte durch die verhaßten kaiserlichen Behörden bis zur Ankunft der neuen Herren wurde abgelehnt und das Regiment zuletzt nach Wiener Neustadt gedrängt. Hier spielte sich auch der blutige Schlußakt des nun abrollenden Dramas ab" (687/11). Ein vom Landtage eingesetzter Ausschuß, der die laufende Verwaltung besorgen sollte, beschlagnahmte das landesfürstliche Kammergut ebenso wie die landesfürstlichen Zölle, bemächtigte sich auch des Wiener Münzhauses, wo er 1520 in Silber Pfennige, 1519—1521 Halbbatzen — diese mit den Buchstaben W(iener)-H(ausgenossen) zu Seiten des Bindenschilds — und 1519/20 auch Goldgulden prägen ließ. Kurz, es entwickelte sich in Wien ein Regiment äußerster Willkür. Als Erzherzog Ferdinand kraft des Brüsseler Vertrages mit seinem Bruder 1522 alleiniger Herr in den Maximilianischen Landen geworden war, wurde ein strenges Strafgericht über die Häupter der frondierenden Ständepartei abgehalten. Sie wurden als schuldig erkannt und ihnen hauptsächlich ihr Eingriff in das landesfürstliche Münzregal als Verbrechen angerechnet. Der letzte Münzmeister der Hausgenossen, Hans Schwarz, und auch noch andere Wiener Bürger wurden am 11. August 1522 zu Wiener 388

143. Kärnten, Karl V. Dukaten 1521, St. Veit

144. Württenberg, Karl V. Schilling 1520, Stuttgart

145. Württenberg, Karl V. Dreier (3 Pfennig) 1521, Stuttgart

143

144

145

Neustadt enthauptet. Am 4. Oktober wurden dann Bürgermeister, Rat und die ganze Gemeinde von Wien verständigt, daß die Körperschaft der Hausgenossen mit Urteil und Recht abgetan sei. Damit hatte diese einst hochangesehene Institution nach vierhundertfünfzigjährigem Bestände ein ruhmloses Ende gefunden. Ihre letzten Prägungen, die oben erwähnt wurden, von denen die Halbbat^en im Bilde jenen der Zeit Maximilians bis auf kleine Abweichungen gleichen, fallen dadurch auf, daß keines der größeren Stücke einen Herrschernamen aufweist, sondern anonym bleibt. Es gibt auch Zweier aus dieser Zwischenzeit (1519—1521); sie sind jedoch keine Erzeugnisse der Hausgenossen, sondern anderwärts, vielleicht zu Wiener Neustadt, dem Zufluchtsort des alten Regimentes, entstanden. Im Gegensatz zu Wien hatten sich die übrigen österreichischen Lande nicht in den Strudel umstürzlerischer Betriebe hineinziehen lassen. St. Veit prägte unbeirrt die Halbbat^en für Görz 1519—1521 mit dem alten Münzbild weiter; von 1521 existiert übrigens ein Kärntner Halbbat^en dieses Jahres, der noch den Namen Maximilians aufweist. Es gibt nur ganz wenige Stücke davon, denn sie bestanden nämlich aus versilbertem Kupfer und waren demnach von dem Konsortium Hamel-Kirchpucher schamlos verfälscht worden; merkwürdigerweise fehlen die Jahrgänge 1519—1520 von diesem Typus. Im selben Jahre wie dieser ominöse Halbbatzen entstand dann in St. Veit ein Dukaten mit Bildnis, Namen und Wappen Karls V. Er wird hier als Romanorum Rex bezeichnet, obwohl er bereits 1519 zum Kaiser gewählt worden war. Ohne Jahreszahl hat auch Hall einen Dukaten für Karl geprägt, der ihn noch Archidux Austriae nennt. Das Stück folgt dem alten Typus mit dem stehenden Herrscher und vier in die Winkel eines Lilienkreuzes gestellte Wappen: Österreich, Kärnten, Habsburg und Burgund. Sonderbarerweise fehlt der Tiroler Adler, obwohl die Legende des Stückes MONETA NOVA AUREA COMITI(S) TIROL(IS) es ausdrücklich nach Hall verweist. Dies sind die einzigen in Österreich geprägten Münzen mit dem Namen Karls V. Sie sind dadurch bemerkenswert, weil der Kaiser nie die Regierung der maximilianischen Hinterlassenschaft angetreten hatte, auch nie dazu geneigt gewesen war. Nur das Tiroler Stück hätte einigermaßen Berechtigung, da Karl seinem Bruder im Wormser Vertrage von 1521 nur die fünf niederösterreichischen Lande zugesagt hatte, aber nicht auch die oberösterreichischen. Dafür wurden während der österreichischen Besetzung Württembergs 1520—1530 in Sttutgart durch Kaiser Karl V. und dann durch seinen Bruder, Erzherzog Ferdinand, eine Reihe von Münzsorten mit ihren Namen geprägt

(801a).

389

146. Ungarn, Wladislav II. Jagello. Halbtaler 1506, Kremnitz

3. Das Münzwesen der Jagelionen in Böhmen und Ungarn Das Münzwesen Böhmens hat sich im Zeitalter Maximilians I. ohne einschneidende Veränderungen weiterentwickelt. Das gleiche gilt auch für Ungarn bis zum Jahre 1521. Die Ofner Münzstätte war noch unter Matthias Corvinus 1470 eingestellt worden, was mit der Einführung der „bleibenden" (durabilis) Münze zusammenhängt. Ein in der Residenzstadt gelegenes richtunggebendes Zentrum war nicht mehr notwendig. An ihrer Stelle kommen die dem Edelmetallbergbau näher liegenden Münzstätten, an der Spitze Kremnitz, in Betracht. Sie konnten ihre Aufgabe leichter und vor allem billiger bewältigen, weil nunmehr der kostspielige und infolge der auf unsicheren Straßen durch Räuber gefährdete Transport in die Hauptstadt wegfiel. Eine Ausnahme hievon macht nur die auf halbem Weg zwischen Gran und Waitzen auf dem rechten Donauufer gelegene alte Plintenburg, jetzt Visegrad genannt; hier wurde wahrscheinlich schon einmal im 14. Jahrhundert gemünzt, und nun erfolgte auf der Burg von 1524 bis 1526 noch einmal eine Denarprägung. Auch die Ofner Münze lebte noch einmal auf, als eine von vornherein zum Scheitern verdammte Münzreform 1521 den bisherigen Münzfuß auf die Hälfte herabsetzte und unter Beibehaltung des früheren Nennwertes den neuen Münzen einen Zwangskurs aufoktroyierte. Zu Anfang der Regierung Ludwigs II., der im Jahre seiner Thronbesteigung 1516 als zehnjähriger Knabe ganz in der Hand der ihn umbuhlenden, keineswegs uneigennützigen Großen war, herrschte wie zur Zeit seines Vaters Wladislav II. im Münzwesen noch vollkommene Ordnung. Die Prägung der Madonnenmünzen war seit 1468 ohne jegliche innere Veränderung fortgesetzt worden. Der neue Münzfuß von 1521 und die auch amtlich so genannte moneta nova setzten dieser Ordnung ein unverdientes Ende. Aus einer Ofner Mark vierlötigen Silbers wurden 500 neue Denare geschlagen; bei der moneta antiqua, wie die alten Denare nunmehr hießen, war das Silber achtlötig gewesen. Auch wurden aus einer Ofner Mark bloß 416 Denare geschlagen. Zur Ausprägung dieser bedeutend verschlechterten Münzen wurde auch die alte Ofner Münzstätte wieder in Betrieb genommen. Ursprünglich hatte der König die Signoria von Venedig um 10 bis 15 Münzergebeten; als dies abgeschlagen wurde, berief man sie aus Kremnitz. Um den 1. August begann Ofen mit dieser verhängnisvollen Untermünzung. 1524 kamen auch 25 Münzarbeiter aus Wien; man hatte es also mit der Prägung sehr eilig. Im gleichen Jahre hatte der König Wien auch ersucht, die für diese Münzprägung nötigen Geräte aus Österreich zollfrei einführen zu dürfen. Es scheint dies eine Ziehbank gewesen zu sein, die von den deutschen Münzern eine „Schelmenbank" gescholten und, als sie von Ofen einmal heimkehrten, bei Gran in die Donau 390

147. Ungarn, Ludwig II. Jagello. Taler 1525, Ofen

geworfen wurde. Sie hätten dann, heißt es in einer zeitgenössischen Nachricht, begonnen, „auf der Kremnitz schlechte, ungleiche Pfennige zu schroten" (884). Neben diesen in großen Mengen geschlagenen moneta nova gibt es auch einen Denar mit dem Zeichen A-A (wahrscheinlich Ofen) und der Jahreszahl 1522. Der Ständetag dieses Jahres hatte nämlich beschlossen, daß der König neben den schlechten auch gute Münzen prägen lassen solle, damit es im Lande nicht gänzlich an ordentlichem Geld fehle. Der Denar der moneta nova aber wurde in den Jahren 1521—1525 mit den Zeichen L(udovicus)-B(uda = Ofen) geprägt, daneben auch Groschen und Obo/e; die Prägung dieser kleinsten Münzsorte wurde indessen bald wieder eingestellt. An Münzen herrschte nun wahrlich kein Mangel,. aber niemand wollte das neue Geld annehmen; instinktiv hatte die Bevölkerung erkannt, daß es sich bei dieser stark kupferhältigen Münze, deren Minderwertigkeit sich nach längerem Umlauf schon an der ins rötliche spielenden Farbe leicht erkennen ließ, um eine inflatorische Erscheinung handelte. In seiner Erbitterung gab ihr denn auch das Volk den richtigen Namen: cuprea moneta; sogar die Amtssprache mußte sich bis zu einem gewissen Grade dieses Ausdrucks bedienen. Zur allgemeinen Verwirrung trug auch noch die Münzprägung von Privaten bei, die teils mit, teils ohne Erlaubnis des Königs natürlich ebenfalls unterwertige Münzen prägten, die meist noch schlechter waren als die königlichen. Der wirtschaftliche Notstand des Landes, den die jugendliche Unerfahrenheit des Königs und seine Machtlosigkeit gegenüber den ebenso herrschsüchtigen als gewissenlosen und verschwenderischen Magnaten ausgelöst hatte, wurde am Vorabend der Türkenschlacht bei Mohäcs durch einen Aufstand in den niederungarischen Bergstädten, den Metallieferanten, noch bedeutend verschlimmert. Die Erhebung war infolge des Zwangskurses der den Lohn der Bergarbeiter bildenden cuprea moneta ausgebrochen. Die neue Münze bedeutete für die ohnehin schlecht entlohnten Bergleute eine untragbare Einbuße an Kaufkraft. Abgesehen von dieser natürlichen Folge einer Zwangsverschlechterung hatten auch Spekulanten und Händler durch ihr Treiben die Notlage und die Erbitterung des Volkes noch vermehrt. Eine Klage der Schemnitzer und Hodritscher Bergleute spricht ausdrücklich von der „usura", dem Wucher, der mit der neuen Münze zum Schaden der Bergleute getrieben wurde. Die Bergwerke selbst aber wurden infolge des Aufstandes in gefahrdrohender Weise vernachlässigt und in ihrer Betriebsfähigkeit, wenn nicht sogar in ihrer Existenz bedroht. Die Forderung nach einer vernünftigen Regelung des Münzwesens wurde immer dringender. Im Süden lauerte schon der Erbfeind der Christenheit, während man im Lande vor dem Verhängnis, das immer näher heranrückte, geflissentlich die Augen schloß. Diese Gefahr konnte selbst durch die Mitte 1525 einsetzende Münzverbesserung nicht 391

mehr aufgehalten werden, welche die moneta nova abschaffte, an deren Stelle wieder die antiqua trat. Die Umwechslung aber konnte bis zum festgesetzten Termin nicht mehr durchgeführt werden; somit blieb die nova weiter im Umlauf. Aber die längst drohende finanzielle Krise konnte trotz aller verzweifelten Versuche, sie abzuwenden, nicht mehr aufgehalten werden. Der mutwillig provozierte Bergarbeiteraufstand hatte zur Folge, daß es in dem an Edelmetallen vielleicht reichsten Land Europas zu einer Metallkrise kam. Um die ungenügenden Mengen vorhandenen Bergsilbers zu ergänzen, versuchte man Pagamentsilber zu erlangen, indem man einen Teil des Kirchensilbers einschmelzen ließ, was hauptsächlich in der Ofner Münzstätte geschah. Mit Genehmigung des päpstlichen Legaten Antonio Burgio wurden die Kirchen und Klöster verhalten, die Hälfte ihres Silbers abzuliefern, wogegen der König sich verpflichtete, nach Beendigung des Türkenkrieges den Wert der eingelieferten Schätze aus dem ertragreichen Außenhandelszoll, dem sogenannten Preßburger „Dreißigsten", rückzuvergüten. Dazu kam es bekanntlich nicht mehr, denn auch die nun erst einsetzenden Kriegsvorbereitungen und die diesen in erster Linie dienende Beschleunigung der Münzprägung konnte das Unheil nicht mehr abwenden. Geprägt wurde mit Hochdruck in Kremnitz, mit Kremnitzer Münzern in Ofen, auch zu Visegrad, und ebenso in den übrigen ungarischen Münzstätten wie etwa in Preßburg. In Ofen wurde im Schicksals jähre 1526, überhaupt nur eine einzige Münzsorte, nämlich der aus achtlötigem Silber bestehende Denar der moneta antiqua geprägt. Die zahlreichen Stempelvarianten bezeugen, daß es sich damals um einen Münzausstoß allergrößten Ausmaßes gehandelt hat. Auf die Nachricht von der Mohäcser Katastrophe und dem Tod des jungen Königs (29. August 1526) wurde der Ofner Betrieb eingestellt. Große Massen der Bevölkerung verließen fluchtartig die Stadt, an der Spitze die Königinwitwe Marie, die nach Preßburg zog und hier in den Jahren 1526/27 die leichte Prägung, also die moneta nova, fortsetzte. In Ofen hat dann Johann Zäpolyai, der Gegenkönig Ferdinands I., seit 1526 ebenfalls Kleinmünzen schlagen lassen, die jedoch bald Mißtrauen erregten, woran nicht zuletzt die jetzt rasch um sich greifende Falsch- (oder Privat-) Münzerei schuld trug. Im allgemeinen waren indessen die Münzen Zäpolyais recht gut. Um aber weiteren Klagen zu begegnen, die natürlich auch seiner Königswürde von des Sultans Gnaden abträglich waren, ließ er seit 1530 neue gute, sogar zehnlötige Münzen schlagen, die sich von den früheren Geprägen dadurch unterschieden, daß sich im gevierten Wappen der Vorderseite kein Herzschild mit dem Wappen Zäpolyais findet. Dieses nimmt dafür das 3. Quartier des Wappens ein. Die Güte der Legierung wurde jedoch diesen Münzen zum Verhängnis. Sie wurden ebenso wie die Ferdinands I. eine Beute der Privatmünzerei. Beiden Königen fehlte es an der Macht, ihr Einhalt zu gebieten. Ihretwegen wurde 1533 die Prägung von Kleinmünzen sogar für drei Jahre eingestellt. Eine in der ungarischen Münzgeschichte einmalige und beispiellose Erscheinung ist auch die Tatsache, daß der von Johann zum Obersten Landesverweser ernannte Lodovico Gritti, Bastard des ehemaligen venezianischen Geschäftsträgers in Konstantinopel und späteren Dogen Andreas Gritti, es wagte, sein eigenes Wappen mit dem Löwenkopf auf der Rückseite unterhalb der Madonna anzubringen. Die Geschichte der „Regentschaft" dieses Emporkömmlings, der selbst nach der ungarischen Krone trachtete, offenbart die schmähliche Abhängigkeit König Johanns von dem türkischen Oberherrn. Als Gritti in Mediasch der durch seine Willkürherrschaft hervorgerufenen Erbitterung seiner Gegner erlag, mußte Zäpolyai alles aufwenden, um den Grimm des Sultans zu beschwören. Johann Zäpolyai hat während seiner Regierung in verschiedenen Münzstätten des Landes, so wie es die durch die jeweiligen Kämpfe gegen Ferdinand I. eben bedingten, 392

148. Württenberg, Ferdinand I. Schilling 1523, Stuttgart

149. Württenberg, Ferdinand I. Dreier (3 Pfennig) 1527, Stuttgart

wehrfache, einfache und Viertelgoldgulden {Dukaten), Groschen, Denare und Obole nach dem herkömmlichen Typus prägen lassen, die ihn durch Umschrift und Gestaltung des Wappens als Münzherrn erweisen. Ein dreifacher Goldgulden ohne Jahr mit seinem gekrönten Brustbild scheint ein Probestück oder eine Geschenkmünze zu sein. Auch der zehnfache Gulden vom normalen Typus vom Jahre 1540 ist sicherlich einer dieser beiden Kategorien zuzuweisen. Auf keinen Fall handelt es sich aber hier um Kurantgeld. Im Jahre 1531 ist wohl zum letztenmal in Ofen geprägt worden. Zehn Jahre später kam die Stadt in Besitz der Osmanen, die sie zum Sitz eines Eyaläts machten. In Restungarn wird Kremnitz von nun an unbestritten die Hauptmünzstätte und bleibt es bis zum Ende der Monarchie.

B. Der Gesamtstaat 1. Ferdinand I. Durch den Brüsseler Teilungsvertrag von 1522 war die habsburgische Erbschaft endgültig in eine österreichische und eine spanische Machtsphäre geteilt worden, so daß es durch die Nachkommenschaft der beiden Enkel Maximilians I. zur Bildung einer spanischen und einer österreichischen Linie des Hauses Habsburg kam. Ferdinand hat dem Münzwesen seiner Länder stets besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Während seiner Regierung raffte sich das Reich dreimal zu gemeinsamem Handeln, den drei großen Reichsmünzordnungen auf, von denen jedoch nur die beiden Augsburger von 1551 und 1559 auch in den österreichischen Landen wirksam wurden. Die erste, Eßlingen 1524, hatte Ferdinand insbesondere wegen des viel zu kostbaren Münzfußes des Pfennigs abgelehnt. Infolgedessen münzten die erbländischen Münzstätten von seinem Regierungsantritt angefangen bis 1524 im großen ganzen nach maximilianischem Vorbild weiter. Es sind ohnehin nur wenige Sorten, die in den Jahren 1522 bis 1523 auftreten: in Wien Pfennige und Zweier, in St. Veit Halbbat^en und in Stuttgart Schillinge und Dreier (3 Pfennige), die, ohne Bildnis, nur mit dem Wappen von Österreich und Württemberg ausgestattet sind. Dieses Land war nämlich vom schwäbischen Bundestag, der Herzog Ulrich in einem kriegerischen Konflikt vertrieben hatte, am letzten November 1519 an Kaiser Karl V. übergeben worden. „Ein großes südwestdeutsches Territorium und eine breite Landbrücke zwischen dem Elsaß und den Ostalpenländern schien gesichert" (1260). Der Kaiser, der in Stuttgart Goldgulden mit seinem Bildnis prägen ließ, 393

betraute seinen Bruder am 31. März 1522 mit der Statthalterschaft des Landes, 1530 belehnte er ihn damit. Bis zu diesem Jahre dauern auch Ferdinands Stuttgarter Prägungen. Doch 1534, als die Kräfte der Habsburger im Türkenkampf gebunden waren, ging Württemberg wieder an sein altes Herrscherhaus verloren. Die große Jugend des Infanten von Spanien, wie sich Ferdinand auf dem Großteil seiner Münzen nannte, hatte zur Folge, daß er sich in seinen ersten Regierungsjahren ganz seinen aus Spanien mitgebrachten Ratgebern unterwarf, vor allem dem später von ihm zum Grafen von Ortenburg in Kärnten erhobenen Gabriel Salamanca, der sich hier sogleich der Finanzen bemächtigte, als er mit seinem Herrn 1521 nach Österreich kam. Der aus Burgos Gebürtige war ein Mann von großer Kaufmannsschlauheit und zugleich ein ausgezeichneter Diplomat. 1522 hatte er sich die Leitung und die Einkünfte der Kanzlei von Tirol und Württemberg verleihen lassen, bei welcher Gelegenheit er zum erstenmal „Generalschatzmeister" genannt wird. Dank der ihm zuteil gewordenen Schenkungen und Belehnungen wurde er alsbald auch der reichste Mann in Österreich, während im gleichen Maße der Wohlstand der Bevölkerung abnahm und ihr Haß gegen den Fremden stieg. Die natürliche Folge der erzherzoglichen Gunst war, daß der Emporkömmling auch an Ferdinands Münzreform von 1523/24 einigen Anteil hatte. Die Anfänge dieser Reform liegen ganz im Dunkel. Bereits einen Monat vor der Aufhebung der Wiener Hausgenossen war im November 1522 der Gedanke an eine solche aufgetaucht; die Münzmeisterinstruktionen für Hall, wo die Münzstätte bekanntlich eine Zeitlang feiern mußte, und auch für Wien lassen dies erkennen. In der Wiener Instruktion für Thomas Behaim heißt es ausdrücklich „Instruktion über die New Müntz", wobei allerdings auch die Wiederaufrichtung der geschlossenen Münzstätte einbezogen ist. In Tirol wurde die Prägung zwar bald aufgenommen, aber ebenso rasch wieder eingestellt, weil plötzlich materielle Schwierigkeiten eingetreten waren. Die Fugger und andere Kaufleute hatten wohl Silber geliefert, aber in Innsbruck befürchtete man, daß diese „Kaufleute" die neue Münze wohl kaum im Lande ausgeben, sondern sie ausführen würden, was unter der Bevölkerung große Unruhe und sogar die Zurückhaltung der eben fälligen Steuern zur Folge haben könnte. Was schon ausgeprägt war, wurde zum Teil wieder eingeschmolzen. Denn zu Anfang des Jahres 1524, am 15. Februar, hatte Ferdinand zu Nürnberg auf der Grundlage der erwähnten Wiener Münzmeisterinstruktion eine neue Münzordnung erlassen. In dieser neuen Ordnung ist die Verbilligung der Silbersorten bemerkenswert. Für die Durchführung stand zwar endlich genug Silber zur Verfügung, weil dies die Fugger und Baumgartner zugesagt hatten. Aber dafür fehlte es an Geld für den Verlag der Münze. Trotzdem erholte sich die Haller Münze von dem Tiefstand in den letzten Regierungsjahren Maximilians. In den niederösterreichischen Ländern, wo 1524 bloß Wien prägte, während Graz erst 1525, Linz und Klagenfurt erst 1527 dazu kamen, wurden die Bergwerke zur Ablieferung ihrer gesamten Silberproduktion verpflichtet, überdies in Wien ein landesfürstliches Wechsleramt eingerichtet, während die Geldmittel zum Silberkauf aus verschiedenen Ämtern angewiesen wurden. Nach dem 15. Februar 1524 wurde die gesamte Silberbeschaffung in der Hand des Obersten Bergmeisters Hieronymus Zott vereinigt, das nötige Bargeld bei den landesfürstlichen Ämtern abgehoben: „in Eisenerz und Innerberg, beim Salzamt in Aussee, bei den Aufschlägen zu Tarvis, beim Viztum in Kärnten; auch der Generaleinnehmer Khiemseer steuerte unmittelbar Geldsummen bei" (304). Hall nimmt die Ausmünzung noch Ende Februar oder Anfang März 1524 auf; wann Wien begann, ist nicht bekannt, sicherlich aber noch im gleichen Jahr, da Dukaten und Pfundner mit dieser Jahreszahl vorkommen. 394

150. Oberösterreich, Ferdinand I. Groschen 1534, Linz

151. Tirol, Ferdinand I. Dreier (Groschen) 1556, Hall

Von der Verbilligung des Münzfußes hatte man eine Verteuerung des Silbers und zugleich eine Verbilligung des Goldes erhofft; aber dessen Kurs stieg: der Goldgulden um 6 y 2 , der Dukaten gar um 9 % über den Stand von Anfang 1524. Nach diesem Fuß wurden eine ganze Reihe verschiedener Münzsorten ausgeprägt, in Gold und Silber ohne Jahresangabe mit dem Titel eines Erzherzogs von Österreich (1521—1527), dem eines Königs von Ungarn und Böhmen (1527—1531), eines römischen Königs (1531—1558) und schließlich eines römischen Kaisers (1558—1564). Das jugendliche bartlose Bildnis herrscht bis 1548 vor. Als im Jahre 1547 Ferdinands Gemahlin Anna von Ungarn starb, ließ sich der W i t w e r seit 1548 einen Vollbart stehen. Dies gilt zunächst für sämtliche ganze, halbe und viertel Taler, für die übrigen Sorten aber erst seit 1556; es ist immerhin ein kleiner Behelf zur ungefähren Datierung der Münzen o. J . Diese Nürnberger Münzordnung Erzherzog Ferdinands ist für längere Zeit auch die Grundlage für das österreichische Münzwesen geblieben. Sie bringt gegenüber den Ordnungen seines Großvaters etwas grundlegend Neues; sie enthält nämlich als erste den Guldiner und seine Teilstücke als Kurantmünzen. Damit hatte das Großsilberstück endlich den ihm längst gebührenden Platz im Münzwesen erhalten, als wirkliches Silberäquivalent des Goldguldens. Die Guldiner Sigmunds hatten sich, wie erinnerlich, zu ihrer Zeit noch nicht durchsetzen können, die Großsilberstücke Maximilians aber waren bekanntlich nicht für den Umlauf, sondern für Geschenkzwecke bestimmt. Die Münzordnung vom 15. Februar 1524 ist allerdings zunächst nur in den kleineren und mittleren Nominalen auch wirklich ausgeführt worden. Da aber die ganzen und halben Pfundner (12 und 6 Kr.) „genau im Talerfuß ausgebracht wurden, setzt das Talersystem als Währung tatsächlich bereits 1524 ein" (307). Zehn Monate später erließen zu Eßlingen die deutschen Reichsstände die erste Reichsmünzordnung. Sie kam Ferdinand sehr ungelegen. Als Reichsstand hätte auch er sie annehmen und die mühsam endlich zustande gebrachte eige'ne Münzordnung wieder aufgeben müssen, wenn ihm nicht der kaiserliche Bruder einen A u s w e g offengelassen hätte. Der Eßlinger Münzfuß war gemäß dem kurz vorher von Kursachsen und den Grafen Schlik zu Joachimsthal eingeführten Talerfuß weitaus schwerer als der ferdinandeische, er hätte sich daher angesichts der mehrfach angedeuteten schwierigen Silberbeschaffung für Österreich katastrophal auswirken müssen. Auch die Mehrzahl der deutschen Münzstände ging aus ähnlichen Gründen eigene Wege, ohne dazu berechtigt zu sein. Ferdinand dagegen besaß für die Nichtbefolgung des Reichsediktes eine handfeste Rechtsgrundlage in dem ihm von seinem Bruder verliehenen „Privilegium des Quentchens". Als nämlich zu Eßlingen die neue Reichsmünzordnung trotz Einspruchs seiner Abgesandten angenommen und sogar vom Kaiser unter395

fertigt wurde, erhob der Erzherzog bei diesem sofort energischen Protest. Er führte in seinem Schreiben an, daß die neue Münzordnung nicht nur seinem Kammergute und seinen Ländern, sondern dem ganzen Reiche deutscher Nation zum Nachteil gereichen und viele Bergwerke in seinen und anderen Fürstentümern und Ländern zum Erliegen bringen würde. Er verlange daher, auf Grund der dem Hause Österreich und seinen Landen von seinen Vorfahren mit Wissen der Kurfürsten und Fürsten des Heiligen Römischen Reiches eingeräumten Privilegien von der Befolgung der Eßlinger Münzordnung entbunden zu werden. Mit „Freiheiten und Privilegien" waren die sogenannten „Hausprivilegien", das Privilegium maius und die dazugehörenden „Freiheitsbriefe" gemeint, nach denen Österreich nach außen und auch im Innern völlig unabhängig sein sollte, womit auch die Unterordnung der österreichischen Länder unter die seit dem 14. Jahrhundert immer schwächer gewordene Reichsgewalt aufhörte. Dieser Protest hatte, wie nicht anders zu erwarten, vollen Erfolg. Am 10. März 1525 hob Karl V. in Madrid die Eßlinger Münzordnung für sich, seinen Bruder und alle ihre Nachkommen auf, indem er, ebenfalls unter wiederholter Berufung auf die seinem Hause zustehenden Privilegien und Freiheiten, befahl, daß die Eßlinger Münzordnung weder die beiden Brüder noch ihre Erben „nit binden noch begreifen soll, sondern sol und mag sich sein Lieb die einer und des haus Österreich löblich freiheiten mit münzen . . . gebrauchen, nützen, nießen, inmaßen unsere vorfahren am haus Österreich untzher gethan", wobei er die „verfüerung und Verteilung" von Gold, Silber und Kupfer und anderen Metallen als einen der Gründe dieser Annullierung betonte. Als aber gegen die Berufung auf den damals schon nicht mehr als unanfechtbar geltenden Urkundenkomplex der Hausprivilegien Stimmen laut wurden, die es als unzulässig erklärten, wenn die habsburgischen Brüder für sich und ihre Nachkommen das Recht in Anspruch nahmen, das Münzwesen in Österreich nach ihrem eigenen Ermessen, wenn auch in Anlehnung an das Reich zu regeln, schob Karl diesem Einspruch ein für allemal einen Riegel vor: mit Patent vom 6. Januar 1530 bestätigte er nicht nur neuerlich die Freiheitsbriefe seines Hauses, sondern verbot auch jegliche Disputation über sie auf das strengste. Ferdinand war damit der Eßlinger Münzordnung, die in der Tat einen viel zu hohen Münzfuß, insbesondere bei der kleinsten Münze, den Pfennigen, festgelegt hatte, überhoben. Nach seiner Nürnberger Münzordnung sollten 93/4 Silberguidiner im Werte eines Goldguldens aus der Wiener Mark, demnach 8x/s aus der Kölner Mark geschlagen werden; gemäß der Eßlinger Münzordnung jedoch sollten es 8 Stück sein. Der Eßlinger Guldiner wog daher 2 Lot, das sind 8 Quentchen; da der Erzherzog um V8 Stück mehr aus der Kölner Mark prägen ließ, betrug die rohe Gewichtsdifferenz genau 1 Quentchen, ein scheinbar geringes Gewicht, das sich aber in der Menge ansehnlich summierte. Ein Quentchen (Quint, Quent oder Quentin) war bekanntlich der 64. Teil der deutschen Gewichtsmark oder 1/i Lot. Das Quentchen der Kölner Mark betrug 3,654 Gramm. Diese geringe Differenz war aber im Zeitalter des starren Festhaltens am Althergebrachten eine Haupt- und Staatsaffäre. Das Privilegium wurde dann in Österreich zu einer Dauereinrichtung, so oft auch bis ins 18. Jahrhundert hinein dagegen protestiert wurde; die Kaiser aus dem Hause Habsburg haben dieses Recht immer ausgenützt und im 17. Jahrhundert sogar die Taler in der Feine verschlechtert. Somit trifft der immer wieder erhobene Vorwurf, Österreich habe sich, obwohl Reichsstand, von der mit seiner Stimme beschlossenen Reichsmünzordnung exemt gehalten, im Tatsächlichen wohl zu, ging aber angesichts seiner besonderen Privilegien ins Leere. Trotz dieser Einsparung eines einzigen Quentchens darf festgestellt werden, daß 396

152. Krain, Ferdinand I. Pfundner 1527, Graz

Österreich in den folgenden Jahrhunderten weit und breit stets als der gewissenhafteste Münzherr in deutschen Landen angesehen werden kann. Es hat sein Münzrecht nie- dem Lande zum Schaden ausgenützt. Im Gegenteil, seine gute Münze war stets — wenn auch unfreiwillig — einer seiner besten Exportartikel. Diejenigen im Reich, die der Ansicht waren, daß sich ein Reichsmünzwesen überhaupt erst einrichten ließe, wenn die Vorschriften im ganzen Reich ohne Ausnahme eingehalten würden, hatten natürlich recht, aber das ließ sich bei einem Territorialstaat und einer Zersplitterung des Münzwesens, wie sie eben im Reich bestand, nur bei gutem Willen aller durchführen. Und am guten Willen fehlte es eben stets und überall. An einer einheitlichen Münzordnung waren überhaupt nur die Reichsstädte interessiert. Der von ihnen betriebene Handel bedurfte dauerhafter und geregelter Münzverhältnisse. Sie konnten sich ihrerseits keinen Mißbrauch ihres eigenen Münzrechts zu fiskalischen Zwecken leisten, dem so viele andere, insbesondere die kleinen bedenkenlos frönten. Daß die Ausnahmestellung Österreichs wiederholt angegriffen wurde, versteht sich demnach von selbst. Man hätte diesen Vorwurf durch eine Veröffentlichung der rechtlichen Verankerung ersparen können, aber niemand im Reich wußte davon. Es scheint, daß man lieber den Vorwurf einer ungerechtfertigten Ausnahmestellung auf sich sitzen ließ, als durch die Publizierung der Rechtsgrundlagen den Anstoß zu geben, daß auch andere Münzstände eine ähnliche Ausnahmestellung forderten. Das Privileg des Quentchens beherrscht das österreichische Münzwesen bis zur großen Reform Maria Theresias. Unter diesem Gesichtspunkt ist es daher auch gestattet, es als eine ganz besondere Ausnahme von den Münzverhältnissen im Reiche zu betrachten, die nur zum Vergleich herangezogen werden können, nicht aber als starrer Zwang betrachtet werden dürfen, dem sich vor allem auch das Reichsoberhaupt bedingungslos zu unterwerfen gehabt hätte. Im Sinne der nunmehr aller Fesseln ledigen Nürnberger Münzordnung wurden dann in Gold Dukaten, in Silber gatr^e, halbe und viertel Taler (Gitldiner), Pfundner, Sechser, Zweier und Pf emiige ausgeprägt; etwas später kam dann noch der Dreier oder Groschen hinzu. 1526 vollzieht sich dann die große, tief einschneidende Wendung. Als Ferdinands Schwager Ludwig II. von Ungarn bei Mohäcs Schlacht und Leben verlor, tritt der Erzherzog kraft der bei der Doppelhochzeit von 1515 abgeschlossenen bilateralen Verträge auch das Erbe in diesen beiden Ländern an und übernahm damit eine große Verantwortung. Insbesondere in Ungarn wurde ihm von vornherein das Leben und das Regieren schwer gemacht, als ihm der Woiwode von Siebenbürgen, Johann Zäpolyai, als nationaler Gegenkönig gegenübertrat, der sich freiwillig der Oberhoheit des Sultans gebeugt hatte, um mit dessen Hilfe seine Machtgier befriedigen zu können. 397

153. Böhmen, Ferdinand I. Prager Groschen 1539, Prag (in Umschrift das Wappen des obersten Münzmeisters Albrecht von Guttenstein) 154. Schlesien, Ferdinand I. Groschen 1548, Breslau

Während Böhmen trotz seiner andern Sprache auf Grund der einstigen Kurfürstenwürde seiner Herrscher auch weiterhin als Teil des Reichsgebietes angesehen wurde, stand Ungarn stets außerhalb des Reichsverbandes — natürlich auch in seinem Münzwesen. Hier brauchte man sich um die Metallversorgung keine Sorge machen, höchstens zeitweilig, wenn irgendein fremder Aggressor die Bergwerksgebiete besetzte, z. B. Gabriel Bethlen und auch spätere siebenbürgische Fürsten. Man mußte nur alles tun, um die wertvollen Montangebiete gegen einen möglichen Feind zu schützen, was eben — außer gegen die Türken — nicht immer gelang. Der Feind, das war — bis zum Jahre 1686, in dem Ofen wieder kaiserlich wird — auch weiterhin der Türke; das waren aber auch jene ungarischen Großen, die die Krone des hl. Stephan keinem Landfremden vergönnten. In den dreißiger Jahren hatte Ferdinand, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, das Erbe nach seinem Schwager endgültig angetreten. Er münzte nun in den Erblanden zu Wien, Graz (das 1527/28 auch für Krain münzte), Klagenfurt, Hall und im Elsaß wahrscheinlich zu Thann; in Schlesien zu Breslau; in Ungarn zu Kremnitz, Nagybänya, Kaschau, und für kurze Zeit auch in Neusohl und Hermannstadt. Das Münzwesen ist also in vollem Schwange; in Ungarn gibt es übrigens auch noch eine Reihe von Münzstätten, deren Ort nicht bekannt ist. Die österreichischen Lande und Böhmen münzten nach den Normen von 1524. Böhmen und Schlesien bringen einige von den anderen Ländern abweichende Nominale; so münzen z. B. Kuttenberg, dann auch Prag und Joachimsthal bis 1547 noch den alten Prager Groseben weiter. In Schlesien war es nach dem Tode Ludwigs II. zunächst beim alten geblieben. Es prägte um diese Zeit der Breslauer Bischof zu Neiße, aber bis in den Beginn des 17. Jahrhunderts hinein nur aus Ausbeutegold; ferner schlugen die Münsterberger Herzoge auf dem Reichenstein und der Rat zu Breslau Goldmünzen in beträchtlichem Umfange. Daneben gab es zwei Münzstätten, die das Land selbst mit schlechtem Silbergeld versorgten. Die Münze zu Breslau lieferte ungarische Denare, die zu Schweidnitz außerdem noch schlechte polnische Halbgroschen. Beide waren Privateigentum von Ferdinands Schwester Maria, der Witwe Ludwigs II., die sie an Unternehmer verpachtet hatte. Zu Lebzeiten Ludwigs hing das Münzwesen Ungarns und Schlesiens eng zusammen und war durch eine chaotische Verwirrung gekennzeichnet. Das verschwenderische Königspaar suchte sich durch Münzmanipulationen aus seinen ständigen finanziellen Verlegenheiten herauszuwinden. Insbesondere die zu Schweidnitz „auf Polnisch gepreg, schrot und korn" geschlagenen Halbgroschen standen einer Falschmünzerei bedenklich nahe. Der König war nämlich den Pächtern der Breslauer und teilweise auch der Schweidnitzer Münzstätte nicht weniger als 13.461 Schock Meißnisch schuldig. 398

155. Böhmen, Ferdinand I. Taler 1561, Joachimsthal

Conrad Saurman, dem Maria bei 40.000 ungarische Gulden schuldete, sollte daher zu Schweidnitz, obwohl die Münzstätte eigentlich Maria zugeeignet war, „an solchen seiner schuld abmünzen so viel er kann oder mag". Das war nichts weniger als ein Freibrief für eine staatlich nicht nur geduldete, sondern wohlorganisierte Falschmünzerei. Im Jahre 1528 stellte Ferdinand dieses unsaubere Geschäft ab. Gewillt, in allen seinen Königreichen und Ländern eine gute und beständige Münze einzurichten, kam nach mehreren erfolglosen Versuchen, das verrottete Münzwesen in Schlesien wiederum in Ordnung zu bringen, endlich auch die Breslauer landesfürstliche Münze wieder richtig in Gang. Schlesien war für den Landesfürsten ein besonders schwieriges Gebiet, denn es gab hier eine ziemliche Anzahl münzberechtigter Fürsten und Herren, wie die Herzoge von Liegnitz, Brieg und Wohlau, die von MünsterbergOels, die Herren von Rosenberg, die — in Krumau an der oberen Moldau ansässig — den goldreichen Reichenstein besaßen, die Breslauer Bischöfe in Neiße, die Herzoge von Jägerndorf usw. Dieses also von fremden Machthabern durchsetzte Land stand zudem mit Polen, „dieser seit jeher fruchtbaren Geburtsstätte von schlechtem Geld" in lebhaftem Handelsverkehr. Es war daher mit polnischen Münzen überschwemmt, und auch die erwähnten schlesischen Fürsten brachten geringhaltige Silbermünzen in den landesfürstlichen Gebieten Schlesiens in Umlauf. Ferdinand genehmigte daher ein Ansuchen der schlesischen Stände, eine eigene Münzstätte zu errichten mit der Bedingung, daß nur der vierte Teil des zur Vermünzung gelangenden Silbers in kleinen Sorten ausgeprägt werden dürfe. Aber erst 1532 wurde die Errichtung einer Münze in der Hauptstadt Breslau verlautbart, die Edelmetallausfuhr verboten und zugleich die Einlieferung von Pagament an das neue Münzhaus angeordnet. Aber das neue Unternehmen mußte schon nach wenigen Jahren wieder eingestellt werden. Erst 1539 wurde es wieder eröffnet und gleichzeitig festgesetzt, daß nach österreichischem Schrot und Korn, also nach der Ordnung von 1524 zu münzen sei. Die Breslauer Münzstätte hatte aber auch in der folgenden Zeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen, vor allem weil ihr die schlesischen Fürsten beim Pagamentankauf Konkurrenz machten. Trotzdem war die Breslauer Münze bis zum Tode Kaiser Karls VI. und dem darauf folgenden Übergang des Landes an Preußen auch weiterhin in Betrieb. Nur das Winterkönigtum Friedrichs von der Pfalz, 1620/21, und die Prägungen der schlesischen Stände 1620 unterbrachen für kurze Zeit die Münzreihe der Landesfürsten aus dem Hause Habsburg. Es ist aus Raumgründen unmöglich, alle Phasen des wechselvollen Ferdinandeischen Münzwesens hier im einzelnen darzulegen. Nur einiges kann aus dieser Fülle herausgegriffen werden, etwa daß in Graz 1527 Pfundner und Pfennige für Krain mit dessen Landeswappen geprägt wurden. Es fand dazu das von der Krainer Landschaft wegen der Tür399

kennot eingezogene Kirchensilber Verwendung, und da in Krain keine eigene Münzstätte bestand, erfolgte die Prägung in der steirischen Landeshauptstadt. Unter der Regierung Ferdinands wurde auch in Oberösterreich zu Linz eine eigene Münzstätte eingerichtet. Damit sollte jedoch keineswegs eine eigene Landesmünzstätte geschaffen werden, sondern die seit 1526 wesentlich nähergerückte Türkengefahr machte auch entsprechende Umstellungen des Handels notwendig. Im Oktober dieses Jahres meldete der Augsburger Bürger Hanns Stengl, daß er seit einiger Zeit das im Rosenbergischen Krumau gewonnene Silber in die österreichischen Erblande vertrieben habe. Nun aber habe er wegen der Türken den Handel nach Wien und Ofen aufgeben müssen, weshalb er bei Ferdinand den Antrag stellte, in Linz oder an einem andern Orte auf seine Kosten, aber im Namen Ferdinands, dieses sein Silber vermünzen zu dürfen. Linz, durch den Haselgraben und durch die „Via regia" über Neufelden und den Oswalder Sattel direkt mit dem Gebiet der oberen Moldau verbunden, war daher der geeignete Ort für diese Münzstätte, die alsbald nach der Nürnberger Ordnung von 1524 auch zu münzen begann und insbesondere in den ersten Jahren ihres Bestandes eine ziemlich lebhafte Tätigkeit entfaltete. Wenn diese durch das Türkenjahr 1529 und die Belagerung von Wien auch einen ziemlichen Rückschlag erfuhr, konnte Linz andererseits das Hinterland von Wien mit Münzen versorgen. König Ferdinand hielt sich übrigens während der Belagerung von Wien in Linz auf. Selbstverständlich wurden gleich wie in den übrigen Münzstätten auch die in Linz geschlagenen Sorten durch das Landeswappen kenntlich gemacht. Es pflegte entweder als Bestandteil des Hauptwappens oder in einem eigenen Schildchen in der Umschrift angebracht zu werden. Die Linzer Münze war bis 1562 tätig, als die Gebrüder Puellacher, die zuletzt die Münze infolge der UnZuverlässigkeit Stengls innehatten, von der Einführung der dritten Reichsmünzordnung Verluste befürchteten. Die Landschaft aber hatte es abgelehnt, den Verlag für die ihr angebotene Münze zu übernehmen. Auch ein 1579/80 gemachter Versuch der Eisenkommission, „durch die Wiederaufrichtung der Münze eine Stelle zu schaffen, wo die Umprägung des anläßlich der bedeutenden Linzer Märkte in Umlauf gebrachten Geldes durchgeführt werden konnte" (420), schlug fehl, obwohl die Durchführung dieser Idee sehr nützlich gewesen wäre. In Linz war übrigens die Talerprägung besonders seit 1542 relativ umfangreich, „weil man damals infolge des hohen Silberpreises die Ausmünzung von Talern, bei denen allein durch ein Aufgeld (Agio) die Metallverteuerung wettzumachen war, für vorteilhafter finden mußte". Die um diese Zeit schon allgemein Taler (Joachims-Taler), nicht mehr Guldiner oder GuldenGoschen genannten Großsilbermünzen waren übrigens gleich den Dukaten keine eigentliche Währungsmünze, weshalb sie auch einen stets schwankenden Kurs besaßen. Die Wirkung der Silberverteuerung auf das Münzsystem war nämlich sehr beträchtlich. Die Kreuzerprägung wurde spätestens 1527, die der Groschen (Dreier) 1537 und die der halben und ganzen Pfundner 1541 eingestellt. Bei ihnen allen konnte sich, solange man den Feingehalt nicht verschlechterte, wegen des zu kleinen Nominales der steigernde Silberpreis nicht auswirken. Auch auf sie ein Aufgeld zu zahlen war schon aus verkehrstechnischen Gründen undurchführbar. Daher nahm man 1542 die Talerprägung auf, wodurch das längst leidend gewordene System der Talerwährung von 1524 — mit seinem durchgängig gleichen Feingehalt für alle Silbersorten bis zum Kreuzer herab — endgültig fallengelassen und während der nächsten zwei Jahrhunderte durch die beweglicheren Systeme gleitender Währungen — mit schrittweiser Anpassung des Fußes der Teilungsmünzen an den jeweiligen Talerkurs und dadurch an den Silberpreis — ersetzt wurde. Diese Bewegung fand erst in der Theresianischen Münzreform ihren Ab400

156. Böhmen, Ferdinand I. % Taler 1561, Kuttenberg

157. Böhmen, Ferdinand I. % Taler 1560, Joachimsthal

158. Steiermark, Ferdinand I. Pfundner 1535, Graz

159. Steiermark, Ferdinand I. Pfennig 1532 (eins.), Graz

160. Oberösterreich, Ferdinand I. Pfundner 1527, Linz

161. Oberösterreich, Ferdinand I. Pfennig 1532 (eins.), Linz

162. Oberösterreich, Ferdinand I. % Taler 1543, Linz

Schluß, da man wieder alle Sorten vom Taler bis zum Groschen als vollwertiges Währungsgeld ausbrachte und damit im wesentlichen zu dem starren System von 1524 zurückkehrte, ohne jedoch — so können wir hier vorwegnehmen — gleichzeitig auch die seinerzeitigen Schwierigkeiten neuerlich heraufzubeschwören. Die Linzer Episode ist demnach ein lehrreiches Beispiel für die Probleme der damaligen Münzpolitik. Diese mußte wendig sein, um in einem Staate von der Größe der damaligen habsburgischen Länder, von denen jedes seine durch geographische Lage und Nachbarschaft bedingten eigenen Probleme besaß, allen Erfordernissen nach Möglichkeit gerecht werden zu können. Wie schwierig dies war und wie man sich bemühte, dieser oft jäh und unvermittelt auftretenden verschiedenartigen Schwierigkeiten Herr zu werden, zeigen die Akten und die einander jagenden Erlässe, Gebote und Verbote mit voller Deutlichkeit. Sie alle hier darzustellen und zu erläutern würde den Umfang dieses Bandes sprengen. Es sei jedoch hier die knappe und klare Definition wiedergegeben, die Werner SOMBART in seinem Werke über den modernen Kapitalismus formuliert hat, wonach es nämlich ein Kennzeichen der frühkapitalistischen Epoche sei, „daß die Umlaufsmittel ein stark internationales Gepräge trugen. Und es ist der ewige Kampf zwischen Staat und Verkehr um die Reinheit der Landeswährung, der die Jahrhunderte erfüllt. Ein ewiges Einerlei von Hunderten von Verordnungen und Gesetzen: Klagen über das Überhandnehmen fremder Münzen, Verbot ihrer Benützung, das offenbar in den meisten Fällen wirkungslos geblieben ist, wie wir aus den häufigen Wiederholungen schließen dürfen, teilweise auch Gestattung fremder Münzen". Eine besondere, auch volkswirtschaftlich bemerkenswerte Note erhielt das Ferdinandeische Münzwesen nicht zuletzt dadurch, daß die Kärntner Münzstätte nicht wie sonst üblich an private Unternehmer verpachtet wurde, die ja letzten Endes nur spekulative Zwecke verfolgten, sondern an die Landstände. Kaiser Maximilian I. hatte ihnen die Stadt Klagenfurt geschenkt, die dadurch an Stelle von St. Veit Landeshauptstadt 402

165. Kärnten, Ferdinand I. Zwölfer 1557, Klagenfurt 166. Kärnten, Ferdinand I. Sechser 1557, Klagenfurt 167. Kärnten, Ferdinand I. Dreier (Groschen) 1537, Klagenfurt 168. Kärnten, Ferdinand I. Halbbatzen 1523, St. Veit 169. Kärnten, Ferdinand I. Dreier (Groschen) 1563, Klagenfurt 170. Kärnten, Ferdinand I. Zweier (2 Kreuzer) 1561, Klagenfurt

geworden war. In sie wurde nunmehr aus der alten Herzogsstadt an der Glan auch die Münzstätte übertragen, die bis zur Kündigung des Pachtvertrages 1622/23 hier eine höchst ersprießliche Tätigkeit entfaltete. Sie glänzte insbesondere durch eine fast ununterbrochene Jahresfolge von Dukaten, einer Münze von hervorragender Güte, eine Emission, die natürlich ohne die gleichzeitige namhafte Goldproduktion der Kärntner Bergwerke undenkbar gewesen wäre. Die Kärntner Landschaft hat viel für diese ihre Münze getan und ihre Oberleitung stets nur besonders gewissenhaften Männern aus den Reihen der Stände anvertraut. Innerhalb der habsburgischen Lande kann der Klagenfurter Münzbetrieb in jeder Hinsicht als vorbildlich bezeichnet werden, selbst wenn man von der außerordentlichen Begünstigung durch die Metallproduktion absieht. Eine — glücklicherweise kann man sagen — nur ganz kurze Episode bildet während des Geltungsbereiches der Münzordnung von 1524 schließlich die Ausgabe von Notgeld während der ersten Belagerung Wiens durch die Türken im Jahre 1529. Schon die unregelmäßige Klippenform der Gepräge zeigt, daß man in aller Hast für Besatzung und Bevölkerung Geld schaffen mußte: in Gold vom halben bis zum vierfachen Dukaten, in Silber 6 Kreuzer, viertel Taler sowie halbe und einfache Dicktaler. Sie trugen alle die Inschrift TVRCK/BLEGERT/WIEN/1529. Hauptsächlich wurden, wie die verschiedenen Stempel beweisen, die Sechskreuzerklippen ausgeprägt. Die andere Seite zeigt bei ihnen ein Krückenkreuz, in dessen Winkeln wie bei den normalen Sechsern die Wappenschilde von Österreich, Kastilien, Ungarn und Böhmen stehen. Dukaten und diese Sechser waren als Umlaufgeld bestimmt, die Taler und ihre Teilstücke sowie die Dukatenvielfachen sind ihrer sorgfältigeren Ausstattung wegen als „Gedenkpfennige" anzusehen. Die Nürnberger Münzordnung von 1524 hielt sich ein Vierteljahrhundert lang und wirkte sich schon wegen des außerhalb der eigentlichen Währung stehenden Talers vorteilhaft aus. Aber gleichzeitig waren er und die Dukaten immer wieder das Objekt variabler Kursbildung, was für den reellen Handel, der vorschriftsmäßig vorgehen wollte, 403

171. Kärnten, Ferdinand I. Pfennig 1529 (eins.), Klagenfurt oder St. Veit 171

172. Kärnten, Ferdinand I. Dukaten 1529, Klagenfurt oder St. Veit 173. Wien, erste Türkenbelagerung. Dukaten 1529, Wien

172

174. Österreich, Ferdinand I. Dukaten 1548, Wien 175. Elsaß, Ferdinand I. Zehner o. J., Thann 176. Österreich, Ferdinand I. Zehner 1560, Wien

begreiflicherweise eine Erschwerung bedeutete. Es gab ja wohl von Zeit zu Zeit Valvationen, aber keine täglichen Kurszettel. Die Kurse dieser beiden groben Münzsorten waren zudem weit weniger von inneren, als von äußeren Faktoren abhängig. Wohl hatte sich in allen größeren Städten, die an frequentierten Straßen lagen, schon längst ein beachtlicher Handelsstand gebildet, dessen Vertreter auch im Ausland überall sehr geachtet waren. Dennoch konnten sie sich — wenn man die steirische und kärntnerische Eisenproduktion ausnimmt — mit den „großen Hansen" oder den oberdeutschen Handelsgesellschaften, etwa den Fuggern, in keiner Hinsicht vergleichen. Nur zwei Märkte waren es, wo auch der österreichische Kaufmann zum vollen Einsatz kam : Bozen und Linz. Andere Städte wie etwa Salzburg und Wien, das als Handelsstadt stark an Bedeutung verloren hatte, dienten als Umschlagplatz, ebenso Villach, dessen Kaufleute als die reichsten Innerösterreichs galten. Aber für sie alle ergab sich, wenn man mit P . J E A N N I N das Europa des 16. Jahrhunderts als „combinaison des trois façades maritimes et d'un secteur central" betrachtet, „daß dem österreichischen Kaufmann, entsprechend der geographischen Lage des Landes, nur zwei von den vier Sektoren Jeannins offenstanden und selbst diese beiden wurden ihm im Zuge der Verlagerung der Handelswege mehr und mehr eingeschränkt" (489). Die ostalpinen Städte waren ganz auf den Weg nach Venedig abgestimmt. Doch auch dessen wirtschaftliche Lage wies seit dem 16. Jahrhundert bereits deutliche Spuren des Niedergangs auf. Insbesondere durch den Aufstieg Lissabons und Antwerpens als Zentren des Großhandels mit Kolonialwaren, begann die handelspolitische Vormacht der Lagunenstadt im östlichen Mittelmeer langsam abzubröckeln, während die Türken der Serenissima Stück für Stück ihres Inselreiches entrissen. In Österreich, das in steter Fehde mit den Osmanen lag, gab es keine Stadt an der Adria, die an Venedigs Stelle hätte aufrücken können. Nur das viel später der Monarchie einverleibte, damals aber auf seine Selbständigkeit mit Recht stolze Ragusa war im 16. und 17. Jahrhundert eine mächtige Konkurrenz für Venedig. Sich hier ein404

177. Österreich, Ferdinand I. Sechser o. J., Wien

178. Österreich, Ferdinand I. Dreier (Groschen) 1556, Wien

179. Österreich, Ferdinand I. Zweier (2 Kreuzer) 1562, Wien

180. Österreich, Ferdinand I. Kreuzer o. J., Wien

schalten zu können, war mangels einer Flotte unmöglich; und auch Triest, das seit 1382 österreichisch war, bildete in diesen beiden Jahrhunderten keine ernsthafte merkantile Gefahr für Venedig. So war der österreichische Kaufmann, wenn er Fernhandel mit den Nachbarländern betrieb, in erster Linie auf die beiden erwähnten Märkte angewiesen, auf denen aber nicht er, sondern der Fremde diktierte. Diese ausländischen Käufer aber wollten beim Einkauf die Münzen ihres Landes an den Mann bringen, beim Verkauf jedoch mit gutem österreichischen Geld, aber zu einem billigen Kurs bezahlt werden. Da die groben Sorten, Gold und Großsilber, keinen festen Wert innerhalb des Währungssystems besaßen, sondern ebenfalls als Ware behandelt und gehandelt wurden, ist leicht zu ermessen, wer bei Geschäftsabschlüssen schließlich der Stärkere blieb. Diesen und anderen Erwägungen ist die zweite Reichsmünzordnung von 1551 entsprungen, die insbesondere für die Talermünzen wieder einen festen Wert vorschrieb. Beratungen der Reichstage waren dem vorangegangen; sie hatten sich auch mit der Bildung des Silberpreises beschäftigt. „Hier waren es die Bergwerke besitzenden Stände, die einen möglichst hohen, die anderen, die einen möglichst niedern Silberpreis für die neu zu errichtende Reichsmünzordnung wünschten" (1084). Auf dem Speyrer Reichstag von 1549 hatte man sich schließlich auf eine Ausbringung der Taler zu 10 fl. 12% Kr. auf die Kölner oder 12 fl. 15 Kr. auf die Wiener feine Mark geeinigt. Dieser Ausbringung entsprach für den österreichischen Taler ein Kurs von bloß 67 % Kr.; er besaß aber schon einen Kurs von 70 Kr. Das Entgegenkommen in dieser Frage war ebenso generös wie auf die Dauer unhaltbar. Aber auf dieser Grundlage kam schließlich zu Augsburg doch die Reichsmünzordnung von 1551 zustande. Der neue Fuß des neuen Keichstalers sollte dem rheinischen Goldgulden, also 72 Kr. gleich sein, was ein Feingewicht von 27,49 Gramm ergab, demnach unmerklich mehr als der Keichsguldiner von 1524. Diesem neuen Reichstaler gegen405

über sollten alle älteren Taler, auch die österreichischen, 68 Kr. gelten; das entsprach der Ausbringung von 12 fl. 21 Kr. aus der feinen Wiener Mark. In Österreich beeilte man sich durchaus nicht, die neue Reichsmünzordnung durchzuführen. Erst als der Reichstag von 1555 die säumigen Münzherren ernstlich mahnte, begann 1556 auch hier die Ausmünzung nach der neuen Norm, bei gleichzeitiger Herabsetzung der alten Taler auf 68 Kr. Dies wurde aber bereits nach einem Monat widerrufen: der alte Kurs von 70 Kr. galt weiter. Begründet wurde diese im Grunde ungesetzliche Maßnahme damit, daß viele Reichsstände den neuen Kurs von 68 Kr. noch nicht angenommen hätten, weshalb die österreichischen Taler billig über die Grenze gingen und teuer von dort wieder zurückkämen. Diese Wiederherstellung des alten Talerkurses aber bewirkte in Österreich auch die Rückkehr zur Ausbringung des Talers von 12 fl. 43 Kr. aus der feinen Wiener Mark. Daneben aber konnte der neue Reichstaler nicht bestehen, wenn er nicht, um die Differenz auszugleichen, über den offiziellen Nennwert von 72 Kr. stieg; also ein unhaltbarer Zustand. Der Linzer Münzmeister meldete damals, daß er angesichts des gestiegenen Silberpreises bei jedem Stück einen Verlust von 2 y 2 Kr. hätte, wenn er seine Taler bloß zu 72 Kr. ausgäbe. Man sieht aus diesem krassen Beispiel die Wahrheit des alten Sprichwortes, daß allzuviel Köche die Suppe verderben. Solange die Reichsgewalt nicht fähig war, sich durchzusetzen, konnte es auch zu keinem Reichsmünzwesen kommen. Da es aber eine Utopie war, in Deutschland eine Reichsmünzstätte mit den entsprechenden Filialen einzurichten und jede Sondermünzung durch die Münzstände rigoros zu ahnden (daß dies möglich war, zeigt das Beispiel Frankreichs, weil es ein Erb-, nicht ein Wahlkönigtum war), blieben nur zwei Lösungen dieser verwickelten Angelegenheit übrig: „Entweder mußte der Preis des Rohsilbers entsprechend dem wirklichen Silbergehalt der Münze, mit der es bezahlt wurde, gesenkt oder eine dem höhern Silberpreis entsprechende Kurssteigerung erlaubt werden" (1084). Keine dieser beiden Lösungen war ideal, zumal jede von ihnen Auswüchsen Tür und Tor offenließ. Auf den Münz- und Reichstagen wurde weiter beratschlagt, aber eine allseits befriedigende Lösung ließ sich nicht finden, wenn sich auch Ferdinand I., nunmehr nach dem Tode seines Bruders Kaiser, mit allen Kräften bemühte, eine solche zu finden. Er wußte nur zu genau, was seine exponierten Grenzländer und Grenzbezirke infolge der Unzulänglichkeit der Reichsgesetze auf monetärem Gebiete zu erdulden hatten. 1559 kam unter seiner Ägide die dritte und zugleich letzte Reichsmünzordnung heraus. Sie war im allgemeinen nur eine Wiederholung der von 1551. In der Ausbringung hatte sich nichts geändert, dafür aber in der Form. Hatte man in der zweiten Reichsmünzordnung, an eine Art Doppelwährung denkend, den 72-Kreuzer-Reichstaler als Äquivalent des rheinischen Goldguldens festgesetzt, so sollte der neue Guldentaler zu 60 Kr. einen metallenen Rechengulden, die allgemeine Recheneinheit, effektiv darstellen. Rechnungs- und Münzsystem fielen wieder zusammen, an sich ein vernünftiger Gedanke. Ansonsten versprach man sich von der Neuerung „vermutlich größere Stabilität und erhöhte Widerstandskraft gegen das weitere Ansteigen" (1084). Auch diesmal wurde der Kurswert der alten Taler mit 68 Kr. bemessen; trotz der Herabsetzung aber setzte sich dieser Kurs auch wirklich durch; man kann dies als den wesentlichsten Erfolg der neuen Reichsmünzordnung ansehen. Die Taler der zweiten Reichsmünzordnung blieben bei ihrem Wert von 72 Kr.; sie waren, da sie ja die gleiche Ausbringung hatten, „eigentlich ein höheres Nominale zu dem neuen 60-KreuzerGulden-Taler" (1084). Die neue Ordnung hatte auch versucht, das' Grundübel, nämlich die Tendenz zu 406

Steigerungen, einzudämmen. Für die bisher freigelassene Möglichkeit, die Kleinmünzen zu verschlechtern, wurde eine obere Grenze festgesetzt; es durfte — auf dem Papier — nur der für den Verkehr nötige Bedarf hergestellt werden; niemand war verpflichtet, mehr als 25 fl. an Münzen im Wert unter 5 Kreuzer anzunehmen. Damit war endlich, wenn auch nicht expressis verbis, der Begriff der Scheide- oder, wie man sie damals nannte „Schied-Münze" amtlich eingeführt worden. Unnötig zu sagen, daß die Praxis auch diesmal der wohlausgeklügelten Theorie widersprach. Ferdinand hatte sicherlich sein Möglichstes getan, um in dieser Reichsmünzordnung die einander widersprechenden Meinungen und Ansprüche auszugleichen und auf einen Nenner zubringen; aber was vermochte selbst das Reichsoberhaupt über die deutsche Klein- und Vielstaaterei. Insbesondere die kleinsten Kläffer, die sich nicht unterordnen wollten, stellten in ihrer Gesamtheit einen nicht zu unterschätzenden Gegner dar. Gegen eine solche Vielzahl zentrifugaler Kräfte vermochte die ohnehin dürftige Reichsgewalt nichts auszurichten. Das Reich in seiner damaligen Form und Verfassung war eben nur eine stehengebliebene prächtige Fassade vor einem demolierten Haus. Der Kaiser sollte den Zusammenbruch seiner ehrlichen Bemühungen um ein geregeltes Reichsmünzwesen nicht mehr erleben. In Österreich trat die Ordnung 1560 in Kraft und Wirksamkeit. Aber sie überdauerte, wie wir noch hören werden, kaum ein Jahrzehnt. Die Prägung der mittleren Nominale war schon in den vierziger Jahren wieder aufgenommen worden; nun folgte ihr Münzfuß dem steigenden Talerkurs. Seit 1544 wurden wieder Groschen im Werte von drei Kreuzern gemünzt. Sie wurden später zur wichtigsten Sorte des Kleinverkehrs. Seit dem Inkrafttreten der zweiten Reichsmünzordnung im Jahre 1556 erscheinen auch die Zwölfer und Sechser wieder, also Groschenvielfache; vier Jahre später traten an ihre Stelle die neuen Zehner, alle nach dem Fuß der neuen Talersorte. Eine strenge Kurspolizei sorgte diesmal für die richtige Handhabung. Ungarn gehörte bekanntlich nicht dem Reichsverbande an, war daher weder der Reichsmünzordnung noch sonstigen Reformen im Reichsmünzwesen unterworfen. Es prägte ziemlich schwere Taler, die aber nicht in 60 Kreuzer, sondern in 100 Denare geteilt wurden. Diese alte Münzsorte bildet auch weiterhin die eigentliche ungarische Münze; sie wird von Ferdinand zunächst achtlötig geprägt, dann infolge der Türkennot jedoch langsam verschlechtert. Überdies gehören die niederungarischen Bergstädte zum Wittum von Ferdinands Schwester Maria, die mit dem Bruder wegen dessen Ansprüche erhebliche Differenzen hatte, die erst 1548 zu Augsburg durch eine „Concordia" beigelegt werden konnten. Daß Ferdinand wegen seines Zweifrontenkrieges gegen Zäpolyai und die Türken aus den Bergstädten alles herausholte, was angesichts ihrer Verpachtung an die Fugger irgendwie möglich war, wird man ohneweiters begreiflich finden. Maria warf Ferdinand allerdings vor, daß sie nach Mohäcs ihr ganzes Kredenzgeschirr einschmelzen und daraus zu Preßburg Münzen habe schlagen lassen, damit die Ungarn treu auf der Seite ihres Bruders ausharrten. Ob Ferdinand in den zwei Jahren 1527—1529, da er im Besitze Ofens war, dort auch Münzen prägen ließ, ist zweifelhaft, daß er aber seit 1527 in Kremnitz, Kaschau, Hermannstadt, Nagybanya und wahrscheinlich durch die Fugger auch in Neusohl geprägt hat, ist erwiesen. Die Denare wuchsen sich alsbald in den Nachbarländern zu einer wahren Landplage aus, wohin sie wahrscheinlich durch den Viehhandel einströmten. (Daher wohl die in den innerösterreichischen Ländern gebräuchliche Bezeichnung „Schaftreiber".) Man wird mit Recht fragen, wieso ein unter dem Zepter des gleichen Herrschers wie Österreich 407

181. Österreich, Ferdinand I. Denar (sog. „Schaftreiber") 1530, Nagybänya

182. Ungarn, Ferdinand I. Oboi 1557, Kremnitz

stehendes Land Münzen schlagen durfte, die sich in kein deutsches Münzsystem einordnen ließen, dieses vielmehr störten? Die Erklärung gibt ein Mandat Ferdinands I. vom 30. Mai 1556, wonach auf Grund eines mit seinem Bruder abgeschlossenen Vergleiches die in Ungarn und Böhmen geschlagenen Münzen nur in den Nominalen vom Kreuzer aufwärts den Bestimmungen der Reichsmünzordnung entsprechen mußten. Daher war es auch möglich, daß Ferdinand als Erzherzog von Österreich in seinen Landen diesseits der Leitha Münzen verbot, die er jenseits dieses Grenzflusses als König von Ungarn zu prägen befohlen hatte. Dazu kommt noch, daß eine zielbewußt betriebene Münzfälschung sich gerade dieser Sorte bemächtigt hatte. Im Jahre 1535 hatte eine von Ferdinand in die niederungarischen Bergstädte entsandte Untersuchungskommission in ihrem Bericht an den König auch die Sache der Privatoder richtiger der Falschmünzung aufs Tapet gebracht. Unter den ihr von den Vertretern der Bergstädte vorgebrachten Beschwerden war das minderwertige und meist falsche Geld sicherlich die vordringlichste Angelegenheit; war doch von der Entlohnung der Arbeiter auch der Ertrag der Bergwerke abhängig. Diese schlechte Münze wurde daher mit Recht als die Quelle alles Übels angesehen. Es waren hauptsächlich Magnaten, die auf ihren Burgen Falschmünzerei betrieben. Es ist wohl damals in den Bergstädten niemand so gehaßt und zugleich so gefürchtet gewesen wie die Dóczy (die schlimmsten von allen), die Révay, Nyäry, Lipcsey, Podmaniczky und wie sie alle heißen, die sich unbedenklich mit den deutschen Raubrittern vergleichen lassen. Vermutlich machte sich ebenso der Fuggerfaktor Lorenz Fleischer neben anderen Unregelmäßigkeiten auch der Münzfälschung schuldig. Es scheint, daß er unter dem Namen seiner Herren schlechtes oder falsches Geld zu Kremnitz oder anderwärts geprägt hatte, wie denn überhaupt immer wieder das Gerücht auftauchte, daß die Fugger ebenfalls Falschmünzerei betrieben oder doch wenigstens an der moneta nova beträchtlich verdient hätten. Die Namen einiger dieser Münzfälscher sind bekannt. Einer von ihnen, der ehemalige Weißenburger Propst Emmerich Bebek, später der vertraute Ratgeber von Zäpolyais Witwe Isabella von Polen, und seine Familie haben auf ihrer Burg Csorbakö im Komitat Borsod zwischen 1536 und 1553 aus verzinnten Kupfer- oder Bronzeplättchen unter dem Namen Ferdinands Denare geprägt. Aber den Löwenanteil an den falschen Geprägen lieferte das heutige Karpatorußland. Wir haben darüber einen sehr genauen Bericht, nämlich das Geständnis des durch Gewalt zum Verbrecher gemachten Goldschmiedes Meister Nikolaus, der zwar in Hermannstadt in Siebenbürgen geboren war, dessen Vater jedoch aus Kremnitz stammte. Aber noch etwas bedrückte die Bergstädte im höchsten Maße, daß infolge dieser 408

183. Ungarn, Ferdinand I. Breiter Groschen 1551, Kremnitz

184. Ungarn, Ferdinand I. Kleiner Groschen 1560, Kremnitz

Falschmünzerei auch die gute Kremnitzer Münze „verachtet" wurde. Denn um ein Übergreifen des Falschgeldes auf die benachbarten österreichischen Lande zu verhindern, war die ungarische Münze dort überhaupt verboten worden. Schon 1529 hatte König Ferdinand seine österreichischen Untertanen vor den Münzen seines Gegenkönigs gewarnt und gleichzeitig erwähnt, daß man in Ungarn seine Münzen fälsche und daß bereits auf frischer Tat Ertappte ins Gefängnis geworfen worden seien. Die Furcht vor den ungarischen Münzen ging dann so weit, daß man nicht einmal die in Kremnitz geprägten vollgewichtigen Dukaten mehr annehmen wollte, die doch früher das Zahlungsmittel par excellence gewesen waren. Aber die Angst war nicht unbegründet, denn es wurden auch die weltberühmten ungarischen Dukaten gefälscht! Daß sich dies auf den ungarischen Handel höchst ungünstig auswirkte, ist begreiflich. Trotzdem aber wies Ferdinand den Wunsch der 1535 zu Tyrnau versammelten Stände zurück, seine Verordnung von 1529 wieder zurückzuziehen. Er gab in seiner Antwort die Schäden unumwunden zu, aber er meinte mit Recht, daß sie von selbst aufhören würden, wenn — und dies ist der Hauptpunkt ! — die Stände an der Ausarbeitung eines Gesetzes mithelfen wollten, wonach dem König allein die Ausübung des Münzrechtes zustünde. Aber die Stände wollten hiervon nichts hören, denn es hätte ja ihre zu einem Großteil angemaßten Rechte beschnitten. So merkwürdig es klingt, herrschte allgemein die Ansicht, daß auch Private zur Münzprägung berechtigt seien, wenn sie zum rechten Schrot und Korn geschehe. Wohl bezeichnete das Tripartitum Stephan Werböczys im I. Buch, Kapitel 14, § 5 die Münzfälschung als ein Verbrechen der Untreue; wohl setzte es die Todesstrafe und die Güterkonfiskation als Sühne dafür fest, aber in den früheren Gesetzen war es nirgends festgehalten, daß nur der gekrönte König zur Münzprägung gesetzlich berechtigt sei (1210). Dieser schon Jahrhunderte währende Zustand hatte stillschweigend Gewohnheitsrecht erlangt. Niemand dachte daran, daß dadurch einst der Falschmünzerei im großen Tür und Tor geöffnet werde, die schließlich solche Dimensionen annahm, daß der von Zäpolyai 1530 zu Ofen abgehaltene Reichstag verordnete, in jedem Komitat ein mit Sonderrechten ausgestattetes Gericht aufzustellen und alle, die „temeritate propria et non de consensu regiae majestatis" münzten oder gemünzt hatten, zum Tode und zur Güterkonfiskation zu verurteilen. Acht Jahre später beschlossen auf dem Preßburger Reichstag die Parteigänger Ferdinands dasselbe. Aber der Strafvollzug blieb auf dem Papier, keiner der beiden Könige konnte gegen seine eigenen Getreuen vorgehen, denn gerade die mächtigsten unter den Magnaten hatten sich ja dieses todeswürdigen Verbrechens schuldig gemacht. So fing man nur ein paar kleine Fische, während die großen dem weitmaschigen Netz des Gesetzes entschlüpften und auf ihren Raubburgen veritable Fälscherbanden unterhielten, ihre Münzmeister an Freunde ausliehen oder weitergaben oder einander sogar raubten! 409

185. Siebenbürgen, Ferdinand I. TalerFeldklippe o. J. (1552, eins.), Hermannstadt 186. Siebenbürgen, Ferdinand I. %-TalerFeldklippe o. J. (eins.), Hermannstadt

185

186

187

187. Ungarn, Ferdinand I. Dukaten 1557, Kremnitz

Aus dem oben erwähnten Geständnis des Meisters Nikolaus sind wir über dieses Unwesen eingehend unterrichtet. Die primäre Frage war natürlich die der Metallbeschaffung, denn nicht alles Falschgeld war an sich wertlos, zumal ja auch Goldstücke nachgeahmt wurden. Es war nur der Feingehalt so gering als möglich, oft nur eine Silberhaut oder dünne Vergoldung vorhanden. Aber für die ungeheuren Massen von Falschgeld, die geprägt wurden, benötigte man doch auch bedeutende Mengen von Edelmetall, die, wie wir wissen, auf legalem Wege nicht beschafft werden konnten. Es stammte aus der Einschmelzung der umlaufenden Münzen, aber auch der prachtvollen Werke der Gold- und Silberschmiedekunst, nämlich alten Kirchengutes, das angesichts der Türkengefahr von den Eigentümern vertrauensvoll den Magnaten auf ihre uneinnehmbaren Burgen zu treuen Händen übergeben worden war. Diese sahen darin papistisches Blendwerk — sie hatten sich ja größtenteils der Reformation angeschlossen —, das sie nun bedenkenlos vermünzten. An fast jedem Magnatenhof gab es einen Goldschmied, der aus freien Stücken oder durch Bedrohung an Leib und Leben den Willen seines Herrn durchführte. Nur im Stempelschnitt und bei der Herstellung der dazu nötigen Formen traten mitunter Mängel auf; doch schließlich ließ sich das des Lesens meist unkundige Volk leicht mit diesem Falschgeld beschwatzen. Aus dem Geständnis von Meister Nikolaus geht hervor, daß sich solche Falschmünzerwerkstätten, wo das Gewerbe im großen betrieben wurde, in den Burgen von Munkacs, Szerednye, die dem Franz Dobö gehörte, Homonna (Besitzer Georg Homonnai), Jeszenö (Gabriel Homonnai), Csicsva (Johann Räköczi, Vater des siebenbürgischen Fürsten Sigmund R.), Ecsed (Georg Bäthory), Kövär, Ungvär und Zemplin (Anton Homonnai) befanden. Für den letzteren stellte Meister Nikolaus ganze Wagenladungen von Falschgeld her. Die geschilderten Unregelmäßigkeiten des mittelalterlichen ungarischen Münzwesens, zuerst die alljährliche Münzerneuerung, später dann der sprunghafte Wechsel von der moneta durabilis zur abermaligen renovatio monetae und die verschiedenen Münzfüße sind natürlich an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Bergstädte keineswegs spurlos vorübergegangen. Diese Massen falscher Dreier oder Denare konnten natürlich im Lande selbst nicht verkraftet werden. Sie nahmen daher (schon damit der Schwindel nicht vorzeitig auffliege) ihren Weg in die westlichen Länder, insbesondere in das exponierte Innerösterreich, und hier vor allem in die Steiermark. Man war machtlos gegen sie. Dafür verblieben die ungarischen Dukaten in ihrer alten Güte. Sie waren ja die eigentliche Währungsmünze Ungarns seit eh und je. Auch sie wanderten den Gesetzen des 410

Handels folgend massenhaft außer Landes. Aber die größeren Mengen gingen ostwärts, nach Konstantinopel als Tribut an den Sultan, durch den von Mal zu Mal ein ohnehin kümmerlicher Frieden erkauft werden mußte. 1553 wurde dann in Ungarn endlich auch zur Prägung von Großsilbermünzen geschritten und die Prägung von Talern nach der Reichsmünzordnung von 1551 angeordnet. Die Stücke mit den Jahreszahlen 1553—1557 wurden bis 1573 ausgeprägt, da erst in diesem Jahre Taler mit dem Brustbild Maximilians II. auftreten. Nebenbei wurden bis 1557 auch Taler nach der österreichischen Ordnung von 1524 geschlagen. Man ersieht daraus, daß sich das ungarische Münzwesen mit Ausnahme seiner Denare sonst an die österreichischen bzw. an die Reichsordnungen anlehnte. Seit 1557 wurden auch Silberstücke mittlerer Kategorie geprägt, nämlich große und kleine Groschen zu 8 und 4 Denaren, was, in die österreichische Kreuzerwährung umgerechnet, 6 bzw. 3 Kreuzern entspricht. Der kleine ungarische war daher dem österreichischen Groschen gleichwertig. Das Ferdinandeische Münzwesen zeigt demnach, rückschauend betrachtet, ein ununterbrochenes Ringen mit Problemen, die zwar auch für andere, große wie kleine, Münzstände im Reiche in ähnlicher Weise bestanden, aber im österreichischen Raum doch ein wesentlich anderes Antlitz trugen als jenseits der Grenzen. Gleich war überall der Kampf gegen die Abwanderung der guten und das Einströmen der schlechten Münze. Es war ein ungleicher Kampf, der hier geführt werden mußte. Denn der unredliche Münzstand war, solange man ihm nicht wie etwa dem Herzog Friedrich von Liegnitz die Münzprägung einstellte (1546) und ihre Wiederaufnahme verhinderte, „solange es dem böhmischen König belieben mochte", materiell stets im Vorteil vor jenen, die sich an Recht und Gesetz hielten. Für Österreich war es sicherlich ein gewisser Vorteil, daß es nicht bunt von Enklaven anderer Münzberechtigter durchsetzt war wie das Reich. Trotz aller Negativa, die aber nicht in der Person des Kaisers, sondern weitaus mehr in der Natur der Sache liegen, sind die Bemühungen Ferdinands I. um die Vereinheitlichung der Münze eine große Tat gewesen, die auch auf die eigenen Länder zurückwirkten. Hier bestand nunmehr tatsächlich, wenn man von gewissen landesüblichen Nominalen, wie z. B. den Prager Groschen oder den ungarischen Denaren und Obolen absieht, ein einheitliches Münzsystem. Man hat die Reichsmünzordnung von 1559 sogar den größten Erfolg Ferdinands in der Innenpolitik genannt. „Er war der letzte, der im Reichsmünzwesen errungen wurde, denn die Reichsverhandlungen von 1737 und 1738 blieben resultatlos. Das Reichsgesetz von 1559 mit der Novelle von 1566 hatte aber den Erfolg, daß dadurch der Fuß der Gold- und groben Silbermünzen auf 1 y 2 Jahrhunderte festgesetzt und dieser Fuß außer in Österreich überall befolgt wurde. Seitdem ist der deutsche Taler in fast allen Kulturstaaten der Welt bis zum heutigen Tage nachgemünzt worden, mag er nun Daalder, Talaro, Dollar, Krone, Kübel, Louis blanc, Piaster, Peso oder Fünfmarkstück heißen" (1084). Vergessen wir auch nicht, daß die beiden Reichsmünzordnungen auch eine Probierordnung festlegten, die ein treffliches Werk war. Daß aber nicht der Reichsguidiner von 1559 Deutschlands Hauptwährungsmünze wurde, sondern der 1566 legalisierte Reichs taler, ist nicht ein Verdammungsurteil über die Reichsmünzordnung, die ihn nach zähen Verhandlungen eingeführt hatte, sondern ein unter dem Zwang der Verhältnisse rechtzeitiges Einbekenntnis eines Irrtums. So fügt sich die Teilnahme am Reichsmünzwesen und die damit eng zusammenhängende Erlangung des Privilegiums des Quentchens in das große Reformwerk der Verwaltung, das von Maximilian I. begonnen, von Ferdinand im Sinne der neuen, durch den 411

188. Böhmen, Maximilian II. Weißgroschen 1573, Prag 189. Böhmen, Maximilian II. 2 Kreuzer 1566, Kuttenberg 190. Schlesien, Maximilian II. Kreuzer 1567, Breslau

188

189

190

191

191. Ungarn, Maximilian II. Dukaten 1576, Kaschau

unerwarteten Anfall Böhmens und Ungarns geschaffenen politischen Lage in jahrzehntelanger Arbeit vollendet wurde. Er „errichtete einen Geheimen Rat, Hofrat, Hofkanzlei und Hofkammer, um mit den Behörden als Stellvertreter seines Bruders das deutsche Reich und seine Königreiche Ungarn und Böhmen und die habsburgischen Stammlande zu regieren. Er legte damit den Grund zu einem Behördensystem, das Jahrhunderte überdauern sollte und in seiner Wesenheit bis zur Auflösung des patrimonialen absolutistischen Staates im Jahre 1848 beibehalten wurde" (235). 2. Maximilian II. und seine Brüder — Rudolf II., Matthias Ferdinand I. hatte in seinem Testamente die Teilung seiner Hausmacht zwischen seinen drei Söhnen angeordnet. Der älteste, Maximilian II., der ihm auch in der Kaiserwürde folgte, erhielt Österreich ob der Enns und unter der Enns, Böhmen und Ungarn; der mittlere, Ferdinand, Tirol und die Vorlande; der jüngste, Karl, die seit etwa 1600 unter der Bezeichnung „Innerösterreich" zusammengefaßte Ländergruppe: Steiermark, Kärnten, Krain, Görz und das Küstenland. In bezug auf das Münzwesen ihrer Anteile mußten die drei Fürsten natürlich die letzte Reichsmünzordnung von 1559 — mit der durch das Privilegium des Quentchens gestatteten Erleichterung — einhalten. Es ist schwer zu beurteilen, ob diese Länderteilung für das Münzwesen vorteilhaft war oder nicht. Vom Standpunkt des Reiches aus gesehen, war das ohnehin bis ins Unerträgliche zersplitterte Münzwesen um zwei neue Münzstände vermehrt worden; wobei die Tiroler ohnehin gern eigene Wege gingen, weil sie glaubten, sie im Interesse des Landes gehen zu müssen. Das gleiche gilt auch für Innerösterreich. Dafür konnten besondere Einzelheiten von den Regenten dieser beiden Ländergruppen schon des kurzen Dienstweges halber, viel leichter entschieden werden, als wenn man sich wegen jeder monetären Kleinigkeit an das Reichsoberhaupt hätte wenden müssen. Zudem waren die nunmehr in Innsbruck und Graz errichteten neuen Regierungsbehörden infolge ihrer intimeren Kenntnis von Land und Leuten weitaus besser imstande, die Lage zu überblicken und zu entscheiden, als der Kaiser und die Zentralbehörden in Wien. Hier hatte man nur wenig Verständnis für die Verhältnisse dieser beiden Vorposten des Reiches gegenüber Italien und insbesondere Venedig. Auch führten gerade jene Straßen durch Tirol, denen man einen guten Teil des Wohlstandes verdankte, die Brenner- und die Eisenstraße. Und gerade die Sicherung des Handels dorthin erforderte auf monetärem Gebiet vorsichtige, wohldurchdachte, zuweilen auch schnelle und energische Maßnahmen. Freilich: auch die Zentral412

192. Ungarn, Maximilian II. Taler 1578, Kremnitz (postume Prägung)

behörden der beiden Ländergruppen arbeiteten nicht immer so prompt, wie es wünschenswert gewesen wäre, dafür aber waren sie um so mehr auf die Wahrung der Interessen der Bevölkerung in bezug auf das Geldwesen bedacht. Dies zeigt sich deutlich in den Reaktionen gegen die dritte Reichsmünzordnung. Sie erregte von vornherein einen starken Widerspruch; als aber Erzherzog Ferdinand die Regierung in Tirol antrat, sah er gleich, welches Unheil die Silberverbilligung dieser Ordnung gerade für die Bergwerke seines Landes bringen mußte. Es ist klar, daß eine Reichsverordnung nicht auf alles und jedes Rücksicht nehmen konnte, daß man gewisse Einwände der Deputierten als irrelevantes Querulantentum abtat und infolgedessen alles über einen Kamm schor. In diesem Falle aber hätte der billige Silberpreis den Gewinn der oberdeutschen Kaufleute noch um etliches erhöht, dem Tiroler Bergbau aber wäre auch unermeßlicher Schaden zugefügt worden, der sich letzten Endes dann wieder auf diese Kaufleute auswirken mußte. Regierung und Kammer hatten schon bald nach Ferdinands Regierungsantritt große Bedenken gegen die Reichsmünzordnung erhoben, zumal auch der Bergsegen abzunehmen begann, auf dem bekanntlich ein Großteil der Tiroler Wirtschaft beruhte. Man dachte sogar schon an einen „Fall der Münze", also an eine Münzverschlechterung. „Doch erschien noch für jetzt (1568) ein solcher Fall ,gegen gott und alles recht' und erst möglich nach einer Vereinbarung mit den Reichsständen" (401/1). In seiner Aktion gegen die Guldentalcr hatte Ferdinand merkwürdigerweise von seinem Bruder Karl nur geringe Unterstützung erfahren. Karl war viel zu sehr in die Religionsstreitigkeiten verstrickt und zudem in die Sorgen um den Schutz der Ostgrenze gegen die Türken, als daß er sich in seinen ersten Regierungsjähren mit monetären Problemen hätte befassen können. Zudem bestand in Innerösterreich damals nur eine einzige Münzstätte, die in Klagenfurt, und diese war an die Landstände verpachtet. Mochten daher diese ihre monetären Schwierigkeiten selbst austragen, zumal ja der „Ständestaat", der gerade in Innerösterreich im Lauf der letzten Jahrzehnte zu einer überragenden Macht gelangt war, die eigentliche Regierungsgewalt ausübte und nicht Karl, der am wenigsten begabte der drei Brüder. Seine Regierung erhielt erst nach seiner Vermählung mit der energischen Maria von Bayern einen festeren Zug. Aber Ferdinand war auch ohne eine brüderliche Unterstützung imstande, schließlich seinen eigenen Willen durchzusetzen, obwohl es dem Kaiser sicherlich nicht leicht fiel, in diesem Falle nachzugeben, denn auf eine Ausnahme pflegten in der Regel auch noch andere zu folgen. Es ließ sich auch nicht vermeiden, daß man Verstöße gegen die Reichsmünzordnung im Ausland und im Reich alsbald erkannte. Dazu waren ja die Kreisprobationstage da, um die Einhaltung der Norm zu überwachen. Sie waren durch die Eß413

193. Ungarn, Maximilian II. % Taler 1578, Kremnitz (postume Prägung)

linger Ordnung zwar eingeführt, aber dann doch nur hie und da und noch dazu ganz unregelmäßig abgehalten worden; nach 1551 und 1559 wurden sie etwas häufiger. Erst dem Reichstage von Speyer von 1570 und dem Reichsdeputationstage von 1571 gelang es, sie überall durchzusetzen, so daß man die deutsche Münzgeschichte von 1571 bis zu Kipperzeit eigentlich die der Kreisdeputationstage nennen könnte. Aber auch ohne Probationstage gab es Möglichkeiten, neu ausgeprägte Münzen zu erproben; dafür sorgten Händler und Wechsler schon in ihrem eigenen Interesse. Im übrigen hatte die Reichsmünzordnung von 1559 außer Tirol auch andere Münzstände erregt. Der Kurfürst von Sachsen hatte sie von vornherein abgelehnt und sich auch nicht an sie gehalten. Auch er regierte ähnlich wie Ferdinand von Tirol, ein silberreiches Land, und er konnte es daher nicht dulden, daß man seine Einkünfte und den Bergwerksbetrieb, von dem viele Menschen abhängig waren, schmälerte und schädigte. Ähnliche Gefahren drohten auch dem bedeutenden Bergbau im Lüneburger Gebiet, dem Harz. Schon 1557 war zu Speyer ein Münztag abgehalten worden, also noch vor Erlassung der dritten Reichsmünzordnung; es war dabei, wie üblich, viel disputiert worden. Sie gipfelte in der alten nie befolgten Erkenntnis, „was sollte wohl Kaiser, König und Ständen lieber sein, als daß wieder ein Zustand wie zu der Zeit herrsche, als Kaiser und Könige allein prägten" (1085). Also, daß die Münzprägung nur einer kleinen Zahl von Kronenträgern vorbehalten war, aber nicht ungezählten kleinen und kleinsten Münzständen ohne Verantwortungsgefühl. Dem Speyrer Münztag folgte 1570 ein zweiter. In dem „Abschied" wurde grundsätzlich festgestellt, welch großer Schaden durch Nichtbefolgung der dritten Reichsmünzordnung entstanden war; ferner wurden Pfennige und Heller verboten, da mit diesen beiden Sorten ein ganz besonders betrügerischer Mißbrauch getrieben wurde. Der wichtigste Punkt aber war § 133: das Unwesen der Heckenmünzen. Nur jene Stände, die eigene Bergwerke hatten, sollten eigene Münzstätten unterhalten und hier nach den Reichsgesetzen münzen dürfen. Sonst aber sollte nur mehr in besonderen Kreismünzstätten geprägt werden. Denn die Münzgerechtigkeit sei keine „Mercantzy", sondern kaiserliches Regal, und jeder, der es „untreulich mißbraucht", mache sich dadurch unwürdig. Man hatte also sichtlich alles wohl bedacht, aber insgeheim wußte doch jedermann, daß es nur schöne Worte waren, die ohne eine Exekutive nicht verwirklicht werden konnten. Aber die auf diesen beiden Münztagen immerhin gewonnenen Erkenntnisse und nicht zuletzt auch die unausgesetzten Bemühungen des wohlberatenen Tiroler Landesfürsten bewirkten, daß der Kaiser schließlich 1573 die Guldentalerprägung aufgab und zur Talerprägung nach dem alten österreichischen Fuß vom Februar 1524 zurückkehrte. „Diese Taler blieben nun bis zur Kipperzeit das Währungsgeld in den österreichischen und böhmischen Ländern" (307). 414

Mit der Lockerung und der gänzlichen Abkehr von der dritten Reichsmünzordnung im Jahre 1573 entstand dann die gleiche Lage wie 1542: „der Taler steigt, die Prägung des Zehners, also der Mittelsorte, die nicht mitsteigen kann, wird eingestellt. Von da bis zur Kipperzeit gibt es nur (ganze, halbe und viertel) Taler einerseits, Scheidemünze vom Groschen abwärts andererseits ; ein mittleres Nominale kann in der dauernden Aufwärtsverschiebung der Silberpreise nicht mehr Fuß fassen" (307). Die Preissteigerung des Münzmetalls hatte verschiedene Ursachen. Einmal die große allgemeine Preisrevolution des 16. Jahrhunderts in ganz Mittel- und Westeuropa, zweitens die Massenausprägung unterwertiger kleiner oder Scheidemünzen und letztens, daß man für diese Kleinmünze noch immer Silber verwendete. Aber gegen dieses Vorurteil war nicht anzukämpfen. Gewaltige Silbermengen wären erspart worden, wenn man wie in der Antike auch das Kupfer zu Münzen ausgeprägt hätte. Statt dessen gestattete man die Unterwertigkeit in allen Reichsmünzordnungen, die darin sogar gesetzlich verankert wurde, „denn man kannte damals keine andere Möglichkeit, die verhältnismäßig höheren Herstellungskosten der Kleinmünzen hereinzubringen, als auf dem Wege schlechterer Ausprägung. Die Gefahren einer solchen Ausnahmsstellung übersah man natürlich nicht, besonders die Reichsmünzordnung von 1559 hat formell genügende Sicherungen gegen einen Mißbrauch getroffen. Daß es trotzdem dazu kam, lag an dem Mangel einer wirksamen Vollzugsgewalt" (307). Österreich hatte im Gegensatz zu vielen deutschen Münzständen den großen Vorzug, ein erzreiches Land zu sein. Wenn es trotzdem zu Schwierigkeiten in der Metallversorgung der Münzstätten kam, lag das nicht zuletzt in dem höchst geringen Geschäftssinn der Mehrzahl seiner Herrscher. Männer wie Julius von Braunschweig (1568—1589), der von seinem Vorgänger eine drückende Schuldenlast übernommen hatte, aber bei seinem Tode dank kluger Gebarung einen beachtlichen Staatsschatz hinterlassen konnte, oder Kurfürst August von Sachsen (1550—1586), der eine energische Bergbaupolitik betrieb und daher die Preisbewegung des Silbers zugunsten seiner Münze beeinflußte, fehlten in Österreich. Aber bei der Beurteilung der Schwächen der damaligen österreichischen Wirtschaft muß man auch die großen Schwierigkeiten der finanzpolitischen Aufgaben berücksichtigen und „die Bemühungen um die Finanzgebarung an der Größe der gestellten Aufgabe und den politischen Gegebenheiten messen" (42). Nur so wird L U S C H I N S Ausspruch verständlich, wenn er sagt: „Was für eine Lebenskraft hatte Österreich, daß es trotz der Mißwirtschaft langjährige Kriege überstehen konnte, und was wären seine Erfolge gewesen, wenn es in der Zeit dieser Verwicklungen geordnete Finanzen besessen hätte!" (689). Die öffentliche Verschuldung des Camerale hatte seit Friedrich III. immer mehr zugenommen; die Aufwendungen für den Hof, für Prachtbauten und glänzendes Auftreten des Herrschers und schließlich auch die ungeheuren Summen, die die Kriege verschlangen und die aus dem Contributionale zu decken waren, hatten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Höhe von etwa 600 Millionen erreicht. Diese Schuldenlast konnte im 16. Jahrhundert auch durch die Sparsamkeit Ferdinands I. kaum verringert, geschweige denn behoben werden, da die Finanzverwaltung trotz aller Reformen ihrer Aufgabe nicht gewachsen war. Immerhin mußte man bei der habsburgischen Münzprägung keineswegs zu jenen Mitteln greifen, wie sie von den metallarmen Münzstätten auf Geheiß ihrer Herren immer wieder praktiziert wurden. Sie beschafften sich ihr Material bekanntlich durch Umprägung der guten Münzen ihrer bergwerksbesitzenden Nachbarn. Aber auch aus diesen eingeschmolzenen Münzen entstanden beileibe keine gleichwertigen Sorten, sondern 415

weitaus schlechtere. Es war dies eine Kette ohne Ende. Seit etwa 1570 mehrten sich im Reiche die Klagen über diese Zustände, alle Reichs- und Münztagsverhandlungen sind voll davon. Die riesigen Mengen Papiers, auf das die Gebote und Verbote gedruckt oder geschrieben wurden, waren an eine aussichtslose Sache verschwendet. Dabei fehlte es nicht an mahnenden Denkschriften einsichtsvoller und sachkundiger Männer, die in diese Mißwirtschaft tief hineinleuchteten. Aber man hat scheints bei allen diesen Verhandlungen mehr auf die gelehrten Juristen, als auf die wirklich Sachverständigen gehört. Österreich verfügte gerade in dieser kritischen Zeit, um die Wende zum 17. Jahrhundert, über zwei Fachleute ganz besonderer Art. Der eine, Hans S t e i n b e r g e r , war ein Montanist, den schon die Zeitgenossen seiner großen Begabung und Erfahrung wegen rühmten, ein Urteil, das auch die Geschichte bestätigt hat. Er hatte seine Laufbahn in Tirol um die Mitte des 16. Jahrhunderts im Dienste eines der markantesten Vertreter der Augsburger Hochfinanz, des Bankiers Matthias Manlich, begonnen und später auch in dem für die österreichischen Finanzen so wichtigen „Neusohler Kupferkauf" eine bedeutsame Rolle gespielt. Leider hatte man ihn viel zu spät berufen, um noch Wesentliches für das Land herausschlagen zu können. Es ging dabei um große Summen, die durch die günstige Verwertung des durch seinen Silbergehalt berühmten Neusohler Kupfers erzielt wurden, die aber viel höher hätten sein können, wenn man rechtzeitig einen Sachverständigen beigezogen hätte. Das „zu spät" ist im gewissen Sinne auch das Los des Reichspfennigmeisters Zacharias G e i z k o f i er gewesen, als er 1607 sein „Müntz-Bedenkhen" dem Kaiser vorlegte. Seine Gegner hatten nämlich den hochverdienten Mann, weil er ihnen in seiner sachlichen Wahrheitsliebe unbequem und überdies Protestant war, auf das schmählichste verleumdet, daß er Münzgewinne verschwiegen, d. h. selbst eingesteckt habe. Erst durch den kaiserlichen Ausspruch in seinem Todesjahr 1617 stand er wieder glänzend gerechtfertigt da. Liest man sein „Müntz-Bedenkhen", so ist man erschüttert, wie tief das Reichsmünzwesen um diese Zeit herabgesunken war und wie unverantwortlich ein guter Teil der Münzstände seine Pflichten gegenüber dem Reich vernachlässigt hatte. Kaiser Rudolf II. aber war alles eher als ein Mann der Tatkraft und des Handelns. Auf dem Hradschin zu Prag gab er sich lieber mit den Rätseln einer transzendenten Welt ab, als mit den Händeln und Sorgen dieser Erde. Bei solcher Einstellung dem irdischen Dasein gegenüber, das nur durch die Liebe zur Kunst erhellt war, konnte das allermateriellste Bedürfnis, das nach Geld, nicht jenes Verständnis finden, das es erheischt hätte. So befand sich eben schon um die Jahrhundertwende das deutsche Münzwesen in äußerster Zerrüttung. Geizkofler hat sie in einen gewissen Zusammenhang mit dem Reichsmatrikenwesen gebracht, jener Institution, der die Evidenthaltung aller Reichsstände und ihrer Leistungen zu den Reichsanstalten oblag. Geizkofler machte nun darauf aufmerksam, „daß gerade von denjenigen Gebieten des Reichs, den westdeutschen Kreisen, die in der Entrichtung der Reichskontributionen die saumseligsten waren, die Verfälschung und Verschlechterung der Münze ins Reich hineindrang, was neben schweren Verlusten das Steigen aller Preise zur Folge hatte" (774). Die Verschlechterung hatte, wie der Reichspfennigmeister, also der oberste Verwalter der Reichsfinanzen, richtig feststellte, bald nach dem Erlaß der dritten Reichsmünzordnung begonnen, und zwar damit, daß etliche Stände im Rheinland die guten groben Silbersorten in Halbbatzen und sonstige verbotene Sorten ummünzten, „die anfangs in 6—7% an Schrot und Korn zu gering waren, mit der zunehmenden Steigerung der Preise der groben Sorten aber einen Abgang von 20, 30, 40 und mehr pro cento aufweisen. Wie die groben goldenen und silbernen Sorten je länger je mehr gebrochen und in verbotene böse Sorten umgemünzt wurden, so wur416

den sie von eigennützigen Handelsleuten nach Italien, Polen, der Schweiz und dergleichen Orte in solchen Mengen verführt, daß sich diese im Reich fast ganz verloren, dafür aber fremde geringfügige Münzen, wie zu Ende des Jahrhunderts der besonders minderwertige (4 Kreuzer) polnische Groschen, im Reich eingeführt wurden" (774). Nach Ansicht Geizkoflers mußten solche Zustände bei noch längerer Duldung zur gänzlichen Ausbeutung Deutschlands führen, wie es ja nach kaum mehr als einem Dutzend Jahren während der Kipperzeit auch wirklich geschah. Dem Reichspfennigmeister war diese Mißwirtschaft insbesondere beim Empfang der Reichskontribution aus den westdeutschen Kreisen drastisch vor Augen geführt worden, denn ein erheblicher Teil der Türkensteuer wurde in solch schlechter Währung, wie etwa der Frankfurter und Straßburger, entrichtet und der Reichskasse dadurch ein beträchtlicher Schaden zugefügt, der sich zugleich auch auf Österreich auswirkte, das ja die ständig bedrohte Ostgrenze sichern und verteidigen mußte. Schon dieser Umstand allein mußte bei Geizkofler Erwägungen auslösen, wie dieser Unordnung gesteuert werden könnte. Schon 1597 hatte er beim Geheimen Rat ein „Bedenken" angeregt, damit bei einem demnächst stattfindenden allgemeinen Kreistag auch von einer Revision der Münzordnung gesprochen werde. Die heimliche Ausfuhr guter Münzen durch eigennützige Kaufleute sollte verhindert werden, indem man bei den Faktoren in Olmütz, Teschen, Breslau und Neiße Erkundigungen einziehe. „Als in den Jahren 1598, 1599 und 1600 durch etliche Handelsleute in Augsburg und Nürnberg aus guten deutschen Silbermünzen schwere Gerätschaften, als ganze Badewannen, gemacht und nach Polen verführt wurden, um dort wieder vermünzt zu werden", forderte Geizkofler wiederholt die Bestrafung der Schuldigen, drang aber damit nicht durch. Es wurde nur wieder beratschlagt, wozu „Wiener und Prager Kaufleute, Komplizen der Augsburger und Nürnberger, herangezogen wurden, vor denen sich die letzteren selbstverständlich reinzuwaschen verstanden" (774). Geizkofler war keineswegs der einzige, der seine Stimme gegen das zeitgenössische Reichsmünzwesen erhob. 1601 schon hatte Paul W e l s e r , der Bruder von Geizkoflers Amtsnachfolger Matthäus, ungefähr gleichzeitig mit Zacharias ebenfalls „Bedenken" erhoben. Aber alle diese Anregungen blieben bei der Lässigkeit der kaiserlichen Regierung und ihrer Abhängigkeit von den deutschen Geldmächten erfolglos. Es würde zu weit führen, dies hier im einzelnen zu verfolgen. Es sei daher nur ganz kurz gesagt, daß Geizkofler den Hauptfehler der Reichsmünzordnung von 1559 in dem von ihr aufgestellten Grundsatz erblickte, daß im Reich auch fremde goldene und silbere Münzen als gangbare Währung galten. Um aber die durch sie geförderte Ausfuhr der besseren Reichssorten ins Ausland zu verhüten, gab es seiner Ansicht nach kein besseres Mittel, „als im Reich keine Münze für wahrhaft gelten zu lassen, als die des Reiches Schrot und Korn halten und im Reich gemünzt sind" (774). Sollte man sie jedoch nicht verbieten wollen, müsse man sie geringer valvieren als die Reichsmünzen. Die geringer valvierten fremden Münzen aber sollten dann in die öffentlichen Münzhäuser gebracht und dort „zertrennt" und umgemünzt werden. Jeder aber, der solch fremdes Geld besitze, aber verheimliche, sollte außer mit dem Verlust dieses Geldes auch noch mit einer besonderen Buße belegt werden. Dieser Modus habe sich z. B. im obersächsischen Kreise bereits bewährt, der mit seiner Währung nur eigene Münzen dulde. Was die Reichsmünzordnung von 1559 belange, meint Geizkofler, daß sie zu mildern sei. Er hielt entgegen der Meinung der meisten Münzverständigen, „die wegen der Wahrung des kaiserlichen Ansehens, das alte Schrot und Korn erhalten, jedoch die Valvation, also beim Reichsgulden von 60 Kreuzer auf 64 Kreuzer gesteigert wissen wollten", ein Fallen in Schrot 417

194. Tirol, Ehg. Ferdinand. % Taler 1566, Hall

195. Tirol, Ehg. Ferdinand. Vierer 1571, Hall

und Korn deshalb für empfehlenswert, weil nur dadurch die erstrebte Senkung der Warenpreise zu erzielen sei. Wie ernst es der unschuldigerweise angefeindete ehemalige Reichspfennigmeister mit seinen Warnungen und Vorschlägen meinte, zeigt nichts deutlicher als die Einleitung zu seinem Münzbedenken von 1607: „Ich will aber verhoffen, es werde die große Zerrüttung die Leut dermalen eins aus dem gar zu tiefen Schlaf und Veterno ( = Lethargie) der lang heimlich, jedoch hart verzehrenden Sucht erwecken, die unziemliche Personal-Respekt beiseite gesetzt, und dahin getrachtet werden, daß wir nit mit höchstem Spott und Schaden von frembden Nationen umb das noch wenig vorrätige Gold und Silber kommen, und durch längere Toleranz eingerissener Unordnung zusehen müssen, daß fast lauter fremdes ringhaltiges Geld im Reich gemeine Währung in Zahlung, und nunmehr viel ein größere Kaufmannschaft und Gewerb mit dem münzen als mit den Waren sei" (774). In der Tat: die guten Münzen waren längst zur Ware geworden, die man verhandelte, als wäre es ein Ballen Tuch oder spanischer Pfeffer. Aber die Mahnung vor der drohenden Gefahr kam zu spät. Große Umwälzungen, ein schier endloser Krieg, standen vor der Tür, und in dieser drangvollen Zeit zeigt es sich dann in besonders krasser Weise, daß das Wort eines Propheten ungehört verhallt war: Cura monetarum vos et defensio summa / Imperii Proceres sit penes atque status! Mit diesen Worten schließt des Tirolers Geizkofler Münzbedenken, das im Druck in Großfolio des Hirschschen Münzarchivs nicht weniger als 23 Seiten umfaßt und durch seine wohldurchdachte Eindringlichkeit zeigt, wie sehr die Angelegenheit dem Verfasser am Herzen lag. Der erbitterte Gegner Geizkoflers, Matthäus Wels er, hatte zu seinem „Bedenken" nur fünf Folioseiten benötigt. Er hielt übrigens eine Restriktion der Freiheiten und Privilegien für das Beste, wobei er jedoch nur zu gut wußte, daß die Stände freiwillig nie darauf verzichten würden. Wenn er aber in diesem Zusammenhange an die Bestimmungen des Speyrer Münztages von 1570 erinnert, wonach Münzstände ohne eigene Bergwerke nur in den Kreismünzstädten, also unter Kontrolle münzen durften, zeigt dies, daß diese Vorschrift entweder bereits in Vergessenheit geraten oder (was anzunehmen ist) überhaupt nie befolgt worden war. Diese unheilvolle Entwicklung führte zwangsläufig zur großen metallenen Inflation der „Kipperzeit". Ob sie aber durch ein rechtzeitiges Herumwerfen des Steuers in der Münzpolitik noch hätte verhindert werden können, ist eine Frage, die nicht beantwortet werden kann. Aber nicht nur auf diesem primär währungstheoretischen Gebiete des Münzwesens, 418

196. Tirol, Hoch- und Deutschmeister Ehg. Maximilian. Taler o. J., Hall

sondern auch auf dem der Münztechnik kündigt sich zu dieser Zeit bereits ein Umschwung an. Man wollte eine beschleunigte Ausmünzung ohne Schädigung des Gepräges erzielen. Wie zur Zeit des Erzherzogs Sigmund war es auch diesmal wieder Tirol, von wo die Reform ihren Ausgang nahm. Die Münzstätte in Hall war nicht umsonst seit der Gründung stets die best eingerichtete und best geführte der Erblande gewesen. 1567 war sie aus Sparberegg in die Burg Hasegg verlegt worden, weil dort auch die erforderliche Wasserkraft vorhanden war, um das neue „Münzkunstwerk" der Walzenprägung mit Erfolg betreiben zu können. Ursprünglich waren die hiezu nötigen Maschinen von Rudolf von Rosdorff und Hanns Vogler dem Jüngern, beide aus Zürich, in Mühlau aufgestellt und für gut befunden worden, nicht zuletzt deshalb, weil „dadurch gegen den Hallerischen Münzwerch im Münzerion wol erspart werden kann". Aber nicht nur diese sehr ins Gewicht fallende Einsparung ließ die Umstellung auf die neue Technik angezeigt erscheinen, sondern auch der von Jahr zu Jahr steigende Mangel an Münzpersonal. Infolge des Sinkens der Edelmetallproduktion und der zunehmenden Teuerung war ja in zahlreichen Münzstätten eine erhebliche Einschränkung des Betriebes eingetreten. Zahlreiche Hammermünzer hatten entweder ein neues Handwerk ergriffen oder waren ausgewandert. Diesem Mangel stand nur mehr ein geringes Angebot verläßlicher und geschickter Arbeitskräfte gegenüber, was allein schon zu einer Mechanisierung des Münzbetriebes drängte. Die Maschine mußte die menschliche Arbeitskraft ersetzen. Aber über allem standen doch die außerordentlichen Vorteile, die die neue Münztechnik an sich bot: Sie leistete präzise Arbeit, und nicht zuletzt fiel auch die Schnelligkeit, mit der diese vor sich ging, ins Gewicht. Im Zeitalter zunehmenden Geldumsatzes ein nicht zu unterschätzender Vorteil! Merkwürdigerweise folgten die anderen österreichischen Münzstätten nur langsam nach, obwohl Kaiser Maximilian II. 1569 den beiden genannten „Münzkünstlern" für die Zeit von 20 Jahren ein Privileg zur Errichtung von Münzprägewerken erteilt und sich das neue Verfahren zu Hall bestens bewährt hatte. In Graz etwa kam es erst um 1593, in Wien sogar erst 1622 zur Einrichtung eines Münzpräge Werkes. Dagegen hat Philipp von Spanien, zu dem die Kunde von den Erfolgen der neuen Prägetechnik gedrungen war, von Erzherzog Ferdinand, der auf sein Haller Münzhaus mit Recht sehr stolz war, auf sein Ersuchen nicht nur zwei Münzmaschinen, sondern auch das dazugehörige Fachpersonal erhalten und mit ihrer Hilfe 1585 zu Segovia jene massenhafte Kupferprägung in Gang gesetzt, die nach dem Tode des Königs in die große „Velloninfktion in Kastilien" ausartete. Sie trieb von 1599 bis 1660 das spanische Münzwesen und damit das Wirtschaftsleben eines Landes, das in seinen amerikanischen Kolonien über die reichsten Silberschätze der Welt verfügte, in eine finanzielle Katastrophe größten 419

und zeitlich längsten Ausmaßes hinein. Hier hatte die Haller Walzenprägung, weil in schlechtem Sinne angewendet, nicht Segen, sondern größtes Unheil angestiftet. Zwar nicht im gleichen Ausmaße, aber immerhin so, daß die wirtschaftlichen Folgen noch lange zu spüren waren, vollzog sich auch der Zusammenbruch des österreichischen Münzwesens in den auf den Tod des Kaisers Matthias (1619) folgenden vier Jahren. Allerdings nicht infolge einer Münzmaschine, sondern aus ganz anderen Ursachen. Wenn ein Land vom Reichtum Spaniens, das durch seine Edelmetallschätze in Amerika die Gesamtproduktion Europas weitaus übertrumpfte — im Zeitraum von 1581 bis 1600 stand einer europäischen Silberproduktion von 41.000 kg ein Ertrag von 374.000 kg in Mexiko, Peru und Potosi gegenüber —, zum nackten Kupfer greifen mußte, was sollte dann Österreich machen, das im genannten Zeitraum allein 17.000 kg erzeugte, mithin den übrigen europäischen Ländern noch überlegen war? Gewiß, von der amerikanischen Produktion hat nicht alles das europäische Mutterland erreicht. Dafür sorgten schon die fremden Kaperschiffe, die sich nicht selten einer spanischen Silberflotte bemächtigten, nicht gerechnet, was Stürme und Schiffbruch auf den Meeresboden versinken ließen. Aber die numerische Überlegenheit bestand auf alle Fälle. Wenn man das Feingewicht eines Talers gemäß der Ordnung von 1524 mit durchschnittlich 26 Gramm annimmt, ergeben 17.000 kg insgesamt rund 65.400 Stück, somit ein Ausstoß von bloß 32.700 Talern pro Jahr für ein Gebiet von rund 198.250 km2. Beim damaligen Stand der Bevölkerung wäre auf einen Menschen nur ein verschwindend kleiner Bruchteil dieser Ausmünzung gekommen. Trotzdem gab es um diese Zeit schon längst einen regen Münzumlauf, der — wenn man nur die in Münzstätten des österreichisch-ungarischen Raumes geprägten Silbernominale einbezieht — allerdings nicht nur von den Münzen eines einzigen Jahrganges herrührte, sondern von allen zur Zeit gültigen (und ungültigen) Sorten. Um nur ein Beispiel anzuführen, sei hier die Münzstätte Graz genannt, die keineswegs zu den betriebsamsten gehörte, weil gerade ihr das Problem der Metallbeschaffung stets schwer zu schaffen machte. In den Jahren 1574 bis 1604 wurden hier in Gold und Silber Münzen im runden Werte von 641.306 fl. ausgemünzt, in Klagenfurt (wo für mehrere Jahre die Abrechnung fehlt) zwischen 1581 und 1605 aber rund für 816.470 fl. Die Kärntner Edelmetallproduktion betrug 1561—1580 im Jahresdurchschnitt rund 6897 Mark in Silber und 678 Mark in Gold; 1581—1600 1050 Mark Silber, 271 Mark Gold; von 1601—1620 nur mehr 163 Mark Silber und 29 Mark Gold. Man merkt aus diesen Zahlen deutlich die Abnahme der Erträgnisse, eine Tatsache, die indessen für sämtliche europäische Bergwerke zutrifft und als wichtigste Ursache des gesamtdeutschen monetären Zusammenbruches in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges anzusehen ist. Zur Abnahme des Bergsegens als natürliche Ursache kam noch die unersättliche Gewinnsucht gewisser deutscher Münzstände als mitentscheidender Faktor hinzu. Diese Beispiele genügen wohl, um zu zeigen, daß es in metallarmen Gebieten, wenngleich gewisse Bergwerke bis zur Jahrhundertwende ziemlich leistungsfähig waren, oft genug recht schwierig war, das für den Münzbetrieb erforderliche Metall zu beschaffen. Der allerorten zunehmenden Teuerung aber stand keine ausreichende kontinuierliche Neuprägung gegenüber, zum mindesten keine von vorschriftsmäßig ausgebrachten, also guten Sorten. Die Abnahme des Bergsegens mußte daher anderweitig wettgemacht werden. So entsteht ein neues Gewerbe, das des Erzkäufers. Der erste, von dem wir wissen, daß er es in ganz großem Stile öffentlich betrieb, war der Nürnberger Bürger Bartholomäus A l b r e c h t (1543—1609/10), eine zwielichtige Persönlichkeit, über die Zacharias Geizkofler in seinem Münzbedenken von 1607 eine sicherlich zutreffende Charak420

197. Böhmen, Rudolf II. Maleygroschen 1589, Prag

198. Schlesien, Rudolf II. Heller 1584, Breslau

teristik gibt: „. . . weil bei jeziger Zerrüttung im Münz-Wesen, an einer Sort die Mark fein höher ausgebracht wird, als an der andern, so schmelzen etliche vorteilhaftige Leut die Sorten, darinnen die Mark ringer ausgebracht wird, und münzen durch sich selbst oder andere diejenigen Sorten daraus, so höher ausgebracht werden. Inmassen der Bartolome Albrecht mit seinen Ducaten und Talern getan hat; nachdem er sich aber an vielen Orten zu entschuldigen, und seinen Sachen ein applausum und Beifall zu machen versteht, zu welchem End von ihme, ganze, von Juristen, Universitäten, Doctorn und Handelsleuten unterschriebene Libell spargirt werden, so hab ich für ein Notdurft erachtet, solchen Betrug und gebrauchten Finanzen etwas deutlicher an den Tag zu bringen" (402/III). Der betriebsame Mann war aber keineswegs nur als Erzkäufer und Münzer tätig, wofür ihm sogar von Rudolf II. 1588 ein besonderer kaiserlicher Schutz gegen Anfeindungen zugesagt worden war. Albrecht war auch Lieferant von Waffen und Tuch für das kaiserliche Heer und nicht zuletzt Geldlieferant für den Kaiser selbst. Auf den Messen soll er der Bankier gewesen sein und den Dukatenkurs bestimmt haben. Wenn auch persönliche Rankünen gegen den allzu reich Gewordenen mitgespielt haben dürften, wird ihn doch der Rat der Stadt Nürnberg nicht grundlos verhaftet und seine Habe konfisziert haben, was eben davon greifbar war (allein 70.000 fl. Bargeld!). Ferner wurde er aus dem Rat ausgestoßen und ihm das Prädikat „Ehrbar" aberkannt. Für Geschäfte-, oder wie sie damals genannt wurden, „Partidenmacher" (Partita = Schelmenstreich) war in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts eine gute Zeit gekommen. Rudolf II. stand Verhältnissen gegenüber, „denen er nicht gewachsen war, die ihn erdrückten und aus der Bahn warfen" (362/1). Der höchst schleppende Geschäftsgang verzögerte wichtigste Entscheidungen; zudem zertrümmerte ein dreizehnjähriger Türkenkrieg beinahe das Gefüge Österreichs. Kein Wunder, daß sich dies alles im negativen Sinne auch auf das Münzwesen auswirkte. Diese Verhältnisse kamen auch Albrecht zugute. In Wien war dem Münzmeister Adam H a r t m a n n wegen verschiedener Beschwerden gegen seine Amtsführung 1579 gekündigt, der Dienstplatz aber mehrere Jahre lang nicht besetzt worden. Dafür war der Wiener Prägebetrieb seit 1578 dem Albrecht und seinen Nürnberger „Mitverwandten" (Kompagnons) überlassen worden. Sie prägten bis 1580 vornehmlich Dukaten und Taler, später auch noch in Prag und Kuttenberg. Man konstatierte zwar, daß die in Wien geprägten Dukaten und Taler geringhaltig waren, entschuldigte dies aber damit, daß damals weder ein Münzmeister noch ein Wardein bestellt war. Die Taler waren übrigens nach den Entwürfen des berühmten Trientiner Medailleurs Antonio Abondio angefertigt, die Stempel indessen leider von einem wenig geübten Eisenschneider hergestellt worden. 421

Albrecht hatte es überdies übernommen, die in großen Mengen in den Erbländern umlaufenden leichten Münzen einzulösen und in gute Sorten umzuprägen. Ob dies von ihm ernst gemeint war, dürfen wir schon nach dem schlechten Ruf, den der Unternehmer in seiner Heimatstadt besaß, wohl bezweifeln und eher annehmen, daß er das Gegenteil beabsichtigte. Wir wissen sogar aus dem Jahre 1581 aus Nürnberg, daß er, „wo er Gelegenheit haben könne, die gut güldene und silberne Reichs- und andere Münz hin und wider aufgewechselt, dieselbig an andere ort verschickt und nicht für Waren oder zu Bezahlung einiger seiner Schulden wieder ausgeben, sondern seinen eigennützigen Gewinn und Finanz damit gesucht, welches aber ganz sträflich und des heiligen Reichs Ordnungen und Abschied zuwider ist" (291). Und das ist nicht das einzige Mal, daß Albrecht solcher Taten beschuldigt wurde. Als man ihn aber 1595 verhaftete und ihm vor dem Nürnberger Rat den Prozeß machte, verwenden sich der Kaiser, eine Anzahl deutscher Fürsten und die angesehensten Kaufleute Nürnbergs für ihn. Ein Vierteljahrhundert lang hatte weder die böhmische oder die niederösterreichische Kammer, noch die Hofkammer die Gebarung des Nürnbergers beanstandet. Erst 1593 fand man endlich das gewisse Haar in der Suppe, als sich die niederösterreichische Kammer darüber beschwerte, daß Albrecht „bis jetzt die besten ungarischen Münzen, Gold und Silber in Österreich aufkaufe und selbe wieder in Kuttenberg vermünze, hiedurch ein großer Mangel an Münze in Österreich entsteht". Man fand nunmehr, wenn Albrecht wohl „vorgibt, daß er die schlechteste, geringste Münze aufgekauft, so ist doch unglaubwürdig, daß er aus der schlechten Münze gute gerechte Münzen ohne Schaden vermünzen kann" (291). Es müsse etwas dahinterstecken, und es wäre daher gut, durch die böhmische Kammer beim Obristmünzmeister und bei den Kuttenberger Münzamtleuten eine „gründliche Erkundigung zu holen" (291). Eine Zeitlang schien dann das bisherige Vertrauen in Mißtrauen umgeschlagen zu haben, aber schon 1604 war Albrecht von seinem alten Gönner, dem Kaiser, wieder in Gnaden aufgenommen worden; ja er erhielt sogar 1607 die ihm entzogene Münzbefugnis wieder zurück. Aber zu seinem Unheile hatte der „Bruderzwist in Habsburg" mit einem Siege von Rudolfs jüngeren und tatkräftigen Bruder Matthias geendet. Für einen Günstling des hilflos gewordenen Kaisers war kein Platz mehr. Bartholomäus Albrecht war natürlich nicht der einzige, der in dieser Zeit durch Erzkauf und Prägetätigkeit ein vermögender Mann geworden war. Aber er gehörte zur Prominenz dieser Gilde, die ansonsten ihr Unwesen meist im Verborgenen trieb. Er wurde hier als Beispiel für viele angeführt. Zugleich aber sollte auch die Leichtfertigkeit der für das Münzwesen verantwortlichen Behörden angeprangert werden, weil sie die ihnen unterstellten Münzhäuser nicht genügend beaufsichtigten, sich von Geschäftemachern mit schönen Worten übertölpeln ließen, während die mahnenden Worte eines Geizkofler ungehört verhallten. Das Münzwesen der drei Kaiser Maximilian II., Rudolf II. und Matthias litt entschieden unter der Dreiteilung der habsburgischen Lande. Einerseits war es für die geographisch exponierten Ländergruppen wie Innerösterreich und Tirol samt den Vorlanden nicht ohne Vorteil, daß hier die Regierungen einen weitaus besseren Kontakt mit den ihnen unterstehenden Gebieten hatten als der Kaiserhof, der sich ja seit Maximilian II. auf dem Hradschin zu Prag befand und schon durch seine Lage hoch über der Stadt auch äußerlich unnahbar wurde. Diese relative Unabhängigkeit hat den beiden anderen Ländergruppen einen ziemlichen Spielraum in der Erledigung ihrer oft schwierigen monetären Belange gelassen. Gemünzt wurde in einer ganzen Reihe von Münzhäusern, jedoch nicht in jeder Münzstätte durchlaufend und auch nicht überall mit gleicher Intensität. Nach dem Tode Erzherzog Ferdinands II. von Tirol prägte Kaiser Rudolf bis zu seinem Tode 1612 auch in Hall und in Ensisheim. Dann wurde unter seinem Bruder 422

199. Steiermark, Ehg. Ferdinand. Taler 1614, Graz

200. Steiermark, Ehg. Ferdinand. 15 Kreuzer 1615

201. Steiermark, Ehg. Ferdinand. Groschen 1605, Klagenfurt

202. Tirol, Rudolf II. Doppeltaler 1604, Hall

203. Tirol, Rudolf II. Groschen 1603, Hall

204. Elsaß, Ehg. Ferdinand von Tirol. Rappen o. J., (eins.), Ensisheim

205. Elsaß, Rudolf II. Taler 1609, Ensisheim

206. Elsaß, Rudolf II. 6 Rappen o. J., Ensisheim

207. Elsaß, Rudolf II. Groschen 1604, Ensisheim

207

208. Elsaß, Rudolf II. Vierer o. J., Ensisheim

205

Erzherzog Maximilian, Hoch- und Deutschmeister, als Gubernator bis 1619, zum Teil auch noch nach seinem Tode postum, weitergemünzt. 1619 trat dann hier Erzherzog Leopold von der steirischen Linie des Herrscherhauses die Regierung Tirols und der Vorlande an. Die von ihm durch seine Heirat mit Claudia von Medici begründete Nebenlinie ging nach seinem Tode 1632 an seine beiden Söhne Ferdinand Karl und dann Sigmund Franz über. Nach dessen Tod 1665 fiel Tirol (Elsaß war im Westfälischen Frieden an Frankreich verlorengegangen) an Kaiser Leopold I. Die Oberelsässer Münzstätte Ensisheim hatte 1634 mit einem postumen Duplex (Doppelbatzen) Erzherzog Leopolds ihren Betrieb eingestellt. Zur vorländischen Münzung sei hier noch folgendes nachgetragen. Kaiser Ferdinand I. hatte 1564 in Thann prägen lassen. Die Münzen tragen jedoch keine Jahreszahl, was übrigens bei den Elsässer Münzen sehr häufig ist. Die Stadt aber verzichtete wegen der zu hohen Kosten auf dieses Recht, weshalb in Ensisheim eine eigene Münzstätte errichtet wurde, die aber nur Silber ausprägte. Zu erwähnen ist auch, daß Kardinal Andreas von Österreich, Sohn Erzherzog Ferdinands von Tirol und der Philippine Welser, als Abt des Reichsstiftes Murbach und Lüders, in Gebweiler unterwertige Groschen prägen ließ, während Erzherzog Leopold, als er noch Bischof von Passau und Straßburg und gleichfalls Abt dieses Stiftes war, in dieser Münzstätte Silberstücke vom Halbbatzen bis zum ganzen Taler ausprägen ließ, von denen einige die Jahreszahl 1624 tragen. Inzwischen hatte aber auch der Rappenmünzbund sein Ende gefunden, das mit der Errichtung der Ensisheimer Münzstätte in Zusammenhang steht. Die Entscheidung fiel am 16. August 1580, als in Ensisheim eine Resolution Erzherzog Ferdinands verlesen wurde, die die alte Genossenschaft auflöste, indem den früheren Münzgenossen der Silberkauf endgültig gekündigt und eine eigene landesfürstliche Münzstätte eingerichtet wurde. Die Ensisheimer Münzstätte wurde der Innsbrucker Regierung unterstellt. 424

209. Österreich, Matthias. Doppeldukaten 1616, Wien

210. Ungarn, Matthias. Taler 1614, Kremnitz

211. Ungarn, Matthias, Groschen 1615, Kremnitz

Im Vertrag von Lieben (Juni 1608) mußte Kaiser Rudolf seinem Bruder Matthias Ungarn, Österreich und Mähren abtreten. Dieser begann schon im gleichen Jahr in Wien, Kremnitz und Nagybänya zu prägen. Dessenungeachtet prägte der Kaiser bis 1612 in Wien weiter, daneben auch in Hall und Ensisheim sowie in den böhmischen Münzstätten. Bis auf Tirol und die Vorlande ging dann nach Rudolfs Tod 1612 alles an Matthias über. Als ihm 1619 sein Neffe Ferdinand von Innerösterreich auch in der Kaiserwürde als Ferdinand II. nachfolgte und seine Regierung von Graz nach Wien verlegte, waren bis auf Tirol und die Vorlande de iure alle Lande wieder in der Hand des Kaisers. Die Tatsachen sahen jedoch anders aus, da im selben Jahr, von den protestantischen Ständen gerufen, Kurfürst Friedrich von der Pfalz nach Böhmen gekommen war, wo er in den Jahren 1619 und 1620 in Böhmen zu Prag, Kuttenberg und Joachimsthal sowie in Schlesien in Troppau und Oels münzte. Neben ihm prägten auch die böhmischen Stände zu Prag, Kuttenberg, Joachimsthal und Olmütz ihre eigenen Münzen. Nach der siegreichen Schlacht auf dem Weißen Berge bei Prag am 8. November 1620 sah sich der Kaiser — wenn man vom Herrschaftsgebiet seines Bruders Leopold V. in Tirol und den Vorlanden absieht — wieder im Vollbesitz der habsburgischen Erblande und ihrer Münzstätten. Die Münzund Geldgeschichte seiner ersten Regierungsjähre aber gehört bereits in die Zeit der „Kipper und Wipper", also eine Periode monetären Zusammenbruches, die im folgenden Kapitel zusammenhängend zu behandeln ist. 3. Die Kipperzeit Kaum eine andere Periode der deutschen und somit auch der österreichischen Münzgeschichte hat so weite Kreise des geschichtsbeflissenen Publikums erregt wie die Zeit der sogenannten „Kipper und Wipper", nicht zuletzt durch die klassisch zu nennende Dar425

Stellung, die sie in Gustav F R E Y T A G S , B ü d e r aus der deutschen Vergangenheit' gefunden hat. Denn Freytag hat sich in diesem Kapitel seines Werkes keineswegs mit einer bloßen Schilderung der rein historischen Fakten von Ursache und Wirkung zufrieden gegeben, sondern die öffentliche Meinung dieser Zeit beschworen und dadurch den Hintergrund geschaffen, von dem sich der geschichtliche Ablauf dann plastisch abheben kann. Hier müssen wir uns freilich auf die Auswirkung dieser weit verbreiteten „Seuche" in den österreichischen Landen beschränken. Über den Ursprung und die unmittelbaren Ursachen der Kipperzeit ist bereits viel und dabei auch manch Unrichtiges geschrieben worden, nicht zuletzt auch, daß sie von Böhmen ausgegangen sei, ein Standpunkt, den auch Richard G A E T T E N S in seinem Vorwort zum Versteigerungskatalog der Sammlung Kraaz über Kippermünzen (576) noch vertreten hat. Diese Ansicht ist nur eingeschränkt richtig, ganz abgesehen davon, daß es sich aktenmäßig kaum mehr feststellen läßt, wer 1619 tatsächlich die ersten Münzen dieser Art geschlagen hat. Eines steht jedoch fest: begonnen wurde damit bereits 1584 mit der Verschlechterung der Münzen der kleinen deutschen Münzstände, die Taler und andere grobe Sorten unter starkem Kupferzusatz in Kleinmünzen umprägten und dies unbekümmert um die unzähligen Abmahnungen und sogar Drohungen des Reiches und der Kreise weiter fortsetzten. Schon 1611 war infolgedessen der gute Taler von 68 Kreuzern im Jahre 1570 (Speyrer Münztag) auf 90 gestiegen. Vielleicht hätte man dem noch Einhalt gebieten können, wenn nicht zu Beginn des 17. Jahrhunderts die drohende Kriegsgefahr große Rüstungsausgaben und damit einen ungeheuren Geldbedarf, insbesondere an kleinen Sorten, erfordert hätte. Mit dem schließlichen Ausbruch des Krieges wurden dann auch die großen Fürsten in den Strudel mit hineingezogen, allein deshalb, weil sonst ihre guthaltigen Münzen sofort in die Schmelztiegel der kleinen Nachbarn gewandert wären. Schon zogen Aufwechsler, meist Juden, kreuz und quer durch die deutschen Lande und kauften die guten Sorten mit schlechten auf. „Das Auflegen der Münze auf die Waage, das Wippen der Schale, das Kippen nach der einen Seite, wo das gute schwere Geld lag, verschaffte diesen Leuten den Namen der Kipper und Wipper" (1088). Das ist aber nur eine von verschiedenen Erklärungen dieser Bezeichnung. Bis zum Herbst 1622 war der Reichstaler von 180 Kreuzern im Jahre 1620 bis auf 1000 Kreuzer gestiegen! Dies bedeutet ungefähr, daß in dieser Zahl von Kreuzern so viel Silber enthalten war, wie in einem einzigen Taler. Aus den Jahren 1619 bis 1623 kennt man unzählige deutsche Münzstätten, die dieses Schandgeld ausprägten, wovon einige sogar nur einige Wochen oder Monate in Betrieb waren und damit auch auf ihre Kosten kamen. Ganz besonders blühte das Unwesen im Lande des jungen Herzogs Friedrich Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel. In einem späteren Prozeß gegen gewinnsüchtige Landdroste ist von nicht weniger als 40 Münzstätten die Rede. Der Herzog stand nicht allein; überall prägte man Kippermünzen, weil dies in der Tat die einzige Möglichkeit war, den durch den Krieg verursachten Geldschwierigkeiten zu entgehen. Daß auch das einst so geldmächtige Geschlecht der Fugger in dieses üble Geschäft der Münzverschlechterung einstieg, kennzeichnet die Lage zur Genüge. Sie gaben unter anderem Kreuzer und Vierpfennigstücke in reinem Kupfer heraus; wäre dieser Vorgang allgemein angenommen worden und die Silbervaluta stark mit Kupfer legiert gewesen, hätte er der Münzverschlechterung viel von ihrem Stachel genommen. Diese fortschreitende Verschlechterung wurde schnell zu einer geradezu typischen Zeiterscheinung; auch die großen Münzherren, selbst jene, die über ergiebige Silberbergwerke verfügten, konnten sich ihr nicht entziehen, weil ja die gute Münze im Verkehr 426

212. Böhmen, Kg. Friedrich von der Pfalz. Taler 1621, Prag

213. Böhmen, Kg. Friedrich von der Pfalz. Kipper-24er 1620, Kuttenberg

nicht als Geldstück, sondern als Münzmetall für minderwertige Prägungen angesehen wurde. Sogar Kaiser Ferdinand II. mußte sich schließlich dieser allgemeinen Entwicklung anschließen, da er nur auf diese Weise die Kriegskosten halbwegs bestreiten konnte. Die Staatsschuld betrug schon ca. 18 Millionen fl., als er die Regierung antrat. Zwar hatte der Hof kammerpräsident Seyfried Christoph von Breuner 1620 ein Gutachten verfaßt, das „als einzigen Ausweg aus dem Wirrsal der Verschuldung neben der Errichtung von ,Monti' nach Art der in Italien und anderwärts bestehenden die Gründung einer Bank empfahl, die für jede Bargeldzahlung in dem ihr obligatorisch zuzuweisenden Wechselverkehr 2% erhalten sollte". Der Vorschlag wurde jedoch abgelehnt, zumal in Österreich damals noch kein Bedürfnis nach einer „Bank" bestand, der Handel aber eine 2%ige Belastung unter den gegebenen Umständen auch gar nicht ertragen hätte. Die „Monti di pietà" waren Anstalten, in denen Geld ohne Zins, nur gegen Deckung der Verwaltungskosten oder gegen Pfand verliehen wurde, also grob gesprochen Leihhäuser. Solche schnell zu organisieren wäre unter den unsicheren Zeitumständen wohl gar nicht möglich gewesen. So blieben für den Staat nur die üblichen Verpfändungen von Einkünften aus Gefällen und ähnliches übrig und eben die Münzverschlechterung. Es wurden schon in den Jahren 1619—1621 Kippermünzen geschlagen, 1619 durch die Stände von Böhmen und Mähren, 1620 durch den Winterkönig Friedrich von der Pfalz. Das ständische Direktorium und der Pfälzer waren also die eigentlichen Urheber des Kipperunwesens, und der Beginn der Kipperei fällt also in die Zeit vor der Schlacht auf dem Weißen Berge. Alles was nachher kam, ist nur die zwangsläufige Folge, die logische Weiterentwicklung einer nicht mehr aufzuhaltenden Lawine. Auch der Kaiser mußte sich alsbald in den böhmischen und schlesischen Münzstätten diesem Zwange fügen. 1621 begannen dann auch Wien, Graz, Klagenfurt und Hall Kippersorten zu prägen neben hochwertigen, die es übrigens in allen kaiserlichen Münzstätten auch weiterhin gab. 427

W A ' i

214. Österreich, Ferdinand II. Kippertaler-Klippe 1622, Wien

215. Österreich, Ferdinand II. KipperZwölfer 1621, Wien

Der entscheidende Schritt wurde allerdings erst am 22. Januar 1622 getan. An diesen} Tage wurden nämlich die Unterschriften unter einen Vertrag gesetzt, den die kaiserliche Hofkammer einerseits und auf der anderen Seite der Finanzmann Wallensteins, der seit 1603 in Prag ansässige Niederländer Hans de W i t t e für sich und seine „Mitkonsorten" unterfertigte. Es war ein unheilvoller Vertrag, nicht minder unheilvoll als das durch ihn legalisierte „Münzkonsortium". Interessant ist vor allem dessen Zusammensetzung: An der Spitze standen Fürst Karl von Liechtenstein, Statthalter in Böhmen, und Wallenstein, dann folgten dem Range nach die anderen, unter ihnen Hans de Witte und „Jakob Bassevy, Jud", Handelsmann und Vorstand der Prager Judengemeinde, den Liechtenstein beauftragte, wöchentlich bis zu 2000 Mark Pagamentsilber aufzukaufen und in die Münze zu liefern. Bassevi gab bei Verhandlungen in Neiße bekannt, daß seine „Partei" 15 „Principaln" zähle. Sie gehörten wohl zum größten Teile den „unbekannten Parteien" an, die in einem „Extrakt" aufscheinen, der zu den Akten der sogenannten „Münz-Laesions-Commission" gehört, die später die im Jahre 1622 vorgekommenen „Defraudationen" untersuchen sollte. Nach diesem Extrakt wurden von den Münzbestandleuten (Pächtern) vom 1. Feber 1622 bis Ende März 1623 insgesamt rund 561.584 Mark Pagament in die Münze geliefert, wofür rund 42,022.225 fl. bezahlt wurden. In Betracht kamen nur die böhmischen Münzstätten Prag, Kuttenberg und Joachimsthal, neben denen noch zu Wien, Brünn, Olmütz und Neisse Bestandsmünzstätten existierten. Der „Münzschwindel" griff immer weiter um sich; der Liechtensteiner galt den Zeitgenossen als „Principal der Partisanen". Im übrigen stand auch des Kaisers Günstling Fürst Johann Ulrich von Eggenberg dem Konsortium nahe, ebenso die beiden Hofkammerräte Vinzenz Muschinger Freiherr von Gumpendorf und Hans Unterholzer von Kranichsberg. Der Münz- und Pachtvertrag wurde vorläufig auf ein Jahr abgeschlossen und enthielt folgende Hauptpunkte: 428

„1. Verpachtung aller Münzstätten in Böhmen, Mähren und Niederösterreich. 2. Unbedingtes Verbot, Münzen zu prägen, für jeden andern außer für de Witte und seine Gesellschafter. 3. Verbot jeder Ausfuhr älterer Münzen, Pflicht zur Ablieferung in der nächsten Schmelzhütte zu festgesetztem Preis. 4. Verbot aller ausländischen Münzen. 5. Alleiniges Recht der Pächter auf das gesamte böhmische Bergsilber zum Preis von 32 fl. für die feine Mark. 6. 400 Zentner Kupfer unentgeltlich; alles übrige Kupfer zu ,leidlichem Wert'. 7. Holz und Kohle zu angemessenem Preis. 8. Prägepflicht für Doppelgulden (zu 150 Kreuzern), Gulden (zu 75 Kreuzern), halbe Gulden (zu 37% Kreuzern) und Groschen nach dem bisherigen landesüblichen Feingehalt in Böhmen und Mähren die Mark Silber sechzehnlötig fein auf 79 Gulden. 9. Alleiniges Recht der Münzpächter zum Einkauf von Bruchsilber (Pagament) in Böhmen, Mähren, Niederösterreich und Oberpfalz. 10. Schutzgeleit für alle Transporte der Pächter bei einer ,allgemeinen Landesgefahr'. 11. Vorbehalt einer Vertragsänderung durch den Kaiser gegen vollen Schadenersatz für die Pächter; Pachtschilling für das eine Jahr Pacht auf sechs Millionen Gulden (zu sechzig Kreuzern), davon in Böhmen drei Millionen, in Mähren 1,800.000, in Niederösterreich 1,200.000 Gulden zu erlegen, in laufenden Wochenleistungen, angefangen fünf Wochen nach dem 16. Februar 1622. Eine solche Wochenleistung mußte sich auf rund 115.384 Gulden belaufen." Der Vertrag trat für Böhmen und Mähren am 1. Februar, für Niederösterreich am 16. Februar in Kraft und sollte für alle Münzhäuser gleichmäßig am 16. Februar 1623 enden. Von diesen Münzhäusern gab es zwei in Prag und je eines in Kuttenberg, Joachimsthal, Brünn, Olmütz und Wien. Im Laufe des Jahres 1622 kam noch die bischöfliche Münze Schlesiens in Neiße dazu, die sowohl für den Kaiser als auch für den Breslauer Bischof Erzherzog Karl von Österreich, einen nachgeborenen Bruder Ferdinands II., münzte. Schließlich war in Wien auch noch eine „Spanische" Münzstätte in Betrieb. Der Gesandte Philipps III., Don Inigo Velez de Guevara, hatte nämlich um die Genehmigung angesucht, die aus Spanien zur Bezahlung der dortigen Kriegsvölker nach Österreich geschickten Realen in der Wiener oder in einer auf seine Kosten in Wiener Neustadt zu errichtenden Münze in kaiserliche Taler umprägen lassen zu dürfen. Der Kaiser genehmigte den Antrag unter gewissen Bedingungen, die in der Hauptsache besagten, daß nur das spanische Silber, und zwar nach dem Schrot und Korn der kaiserlichen Münzstätte zu dieser Umprägung verwendet werden dürfe. In der Tat wurden 1622 in dieser kurzlebigen Münzstätte zu Wien Kippermünzen zu 150 Kr., 48er und Groschen mit dem Hahne des Münzmeisters Andreas Händl oder mit der Rose des Wardeins Martin Turba ausgeprägt. Die Stückelung der österreichischen Kippermünzen ist viel mannigfaltiger, als es der Vertrag des Münzkonsortiums vorsieht; wahrscheinlich geschah es unter dem Zwang der Verhältnisse. Denn schon 1620 und 1621 wird in Böhmen und Mähren, Wien, Graz und Klagenfurt sowie zu Hall Kippergeld geprägt. Es gibt, um alles zusammenzufassen, gan^e und halbe Kippergulden zu 120 und 150 bzw. 60 und 75 Kreuzer, 48er, 37er, 30er, 24er, 15er, 12er und 3-Kreu^er-Stücke sowie den Kreuzer selbst. Ebenso schwankt der Münzfuß, oder besser gesagt, er wird immer schlechter, so daß man von einem „Fuß" bald gar nicht mehr sprechen kann. 429

In Tirol entstanden Kipper-60er, -30er, -6er, -3er und -2er, im Erzstift Salzburg gan^e und halbe Kipper taler zu 120 und 60 Kreuzer, 48er, 24er, 12er, 6er, Groschen (3), Pfennige und Heller. Prägeherren waren: der Winterkönig, die Stände von Böhmen und Mähren, der Kaiser, Erzherzog Leopold und Erzbischof Paris Graf Lodron. In Schlesien prägte zu Neiße, wie erwähnt, der Breslauer Bischof Erzherzog Karl, der zugleich Bischof von Brixen und Hochmeister des Deutschen Ordens war, 24er- und 12er-Groschen, 3er- und 2er-Heller. Von den weltlichen Fürsten machten sich Liegnitz-Brieg, Münsterberg-Oels und der siebenbürgische Fürst Gabriel Bethlen als Herzog von Ratibor und Oppeln die Kipperei zunutze. Merkwürdigerweise fehlt in dieser Reihe Karl von Liechtenstein, das Haupt des Konsortiums, der in den kritischen Jahren 1620 und 1622 als Herzog von Troppau nur 3-Kreu^er-Stücke schlagen ließ, während seine Standesgenossen in Schlesien das Land insbesondere mit 24ern überschwemmten, welches Nominale nach einem Worte FRIEDENSBURGS „für die Kipperzeit geradezu kennzeichnend" ist. Auch 48er und 12er wurden geprägt. Die Liegnitzer Herzoge hatten schon 1619 auf dem Reichenstein mit der Prägung fast reiner Kupfermünzen begonnen, die in den Verhandlungen der Stände als ein nachzuahmendes Vorbild anerkannt werden. Immer wieder wird der Mangel an Kleingeld als Grund angegeben, wenn eine schlesische Stadt sich um das Prägerecht bewirbt oder es sich einfach anmaßt. Diese Städte, insbesondere Breslau, Glogau, Goldberg, Liegnitz, Schweidnitz und Striegau, von denen einige auch 24er herausbringen, prägen vor allem Kupfergeld, so daß die „Masse des Kleingeldes lawinengleich" anschwoll, was übrigens auch für die 24er gilt. Eine solche Lawine war es auch, die die Bildung des Münzkonsortiums ausgelöst hatte. Zwar zeigte sich de Witte „von Anfang an der Riesenaufgabe gewachsen". Ihm ist es auch zu verdanken, daß er verläßliche und erprobte Aufsichtsorgane für die Münzstätten bestellte. Was er aber nicht meistern konnte, war, auf die Dauer den Durchstechereien zu wehren, die sich — man kann sagen zwangsläufig — aus den vielfältigen Gelegenheiten ergaben, um auf krummen Wegen schnell zu Reichtum zu gelangen. Es gelang ihm wohl, wenigstens im Anfang solche Versuche noch rechtzeitig aufzufangen, indem er die Hofkanzlei und die Hofkammer alarmierte, die auch sofort energisch durchgriffen; so gegen keinen Geringeren als den damaligen Reichspfennigmeister Stephan von Schmidt, der im Gegensatz zu seinem lauteren Vorgänger Zacharias G e i z k o f l e r , dessen warnende Stimme diese Entwicklung vorausgesagt hatte, bald nach Beginn der Ausgabe der schlechten neuen Münzen gute alte in großen Mengen aufzukaufen und zu horten begann, oder gegen die Umtriebe der Wiener Judenschaft, die man beschuldigte, gutes Silbergeld hinaus und schlechtes, insbesondere die schlechten Neisser Groschen, hereinzuschmuggeln. Ansonsten war de Witte rastlos tätig, sämtliche in- wie ausländische Bezugsquellen auf der Suche nach Silber auszuschöpfen. Der Punkt 9 des Münzvertrages genügte ihm nicht. Wenn auch Böhmen und Mähren noch immer ergiebige Silberbergwerke besaßen, für den kriegsbedingten Geldbedarf genügten sie trotz des verschlechterten Münzfußes keineswegs. Der Versuch, die ungarischen Bergwerke, soweit sie nicht gerade in den Händen der siebenbürgischen Fürsten waren, in den unbeschränkten Silbereinkauf einzubeziehen, scheiterte. Es wurde de Witte bloß der Einkauf von Bruchsilber zugestanden, während das Bergsilber auch weiterhin ungeschmälert zur Verfügung der Hauptmünzstätte Kremnitz stand, da dieses königliche Regal nicht angetastet werden durfte. Ferdinand II. selbst mußte zuletzt als König von Ungarn dieser Ablehnung zustimmen. Ungarn hat ja, da nicht der Reichsmünzordnung oder im Falle der Kipperei den Anordnungen des Kaisers unterworfen, an dieser Münzverschlechterung gar nicht 430

216. Böhmen, Ferdinand II. Kippery 2 Taler (60 Kreuzer) 1621, Prag

217. Böhmen, Ferdinand II. Kipper30er 1621, Prag

218. Böhmen, Ferdinand II. Kippergroschen 1622, Prag

219. Böhmen, Ferdinand II. Kipper48er 1621, Kuttenberg

220. Böhmen, Ferdinand II. KipperHeller 1622 (eins.), Kuttenberg

221. Böhmen, Ferdinand II. Kippergroschen 1622, Joachimsthal

431

222. Schlesien, Ferdinand II. Kipper15er 1623. Troppau

teilgenommen. Und die zweite Münzstätte des Landes, Nagybänya, hat von 1620 bis 1630 überhaupt nicht gemünzt. N u r in Schlesien hatte de Witte Erfolg; allerdings waren vorher noch einige Unstimmigkeiten mit dem Breslauer Bischof und Kaiserbruder Erzherzog Karl zu beheben gewesen, die nicht zuletzt durch Bassevis Beredsamkeit überbrückt werden konnten. In Neiße wurden auf Grund eines Übereinkommens sowohl bischöfliche als kaiserliche Münzen geprägt, die man als Zwölfgroschenstücke bezeichnete, da 2 Kreuzer einem schlesischen Weißgroschen gleichkamen. Trotz dieses Erfolges begnügte sich de Witte nicht mit dem Erreichten. E r forderte und erhielt auch vom Kaiser einen „Paß- und Geleitbrief zu Einkauf von Silber überall, im ganzen Reich, in ganz Europa. Und so erschienen seine Aufkäufer zwischen Mittelmeer und Nord- und Ostsee auf allen Markt- und Handelsplätzen, wo es f ü r ihn etwas zu erhoffen gab, von Genua bis Stettin". Sein Name hatte bald europäischen Ruf. Kaiser und Hofkammer taten alles, um dem Konsortium alle Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die sich nicht zuletzt auf dem Boden der Bürokratie erhoben. Ohne diese Rückendeckung, die es dem Konsortium erlaubte, die vertraglichen allwöchentlichen Teilzahlungen auf die Pachtsumme zu leisten, wäre keine Deckung für die täglich zunehmenden Kriegskosten vorhanden gewesen und damit kein Sold für die unter Waffen stehenden Regimenter. Stets war es einer der Grundsätze von Wallensteins Kriegsführung gewesen, „die Truppen nicht nur gut, sondern auch pünktlich zu bezahlen, ein Grundsatz, der sich mit seinem Namen verband und darin ein Gutteil der magnetischen Zauberwirkung dies Namens auf die ihm zuströmenden Söldnermassen lag". Ein volles Jahr ging alles den vorgesehenen Gang, aber nicht ohne Sand in der Maschinerie. Dem Münzverfall entsprach eine ebenso katastrophale Preissteigerung. Schon wurden Anschuldigungen und Anwürfe laut, aber der Kaiser wollte die geforderte Abhilfe nicht schaffen, denn er brauchte die Hilfe des Münzkonsortiums, vor allem die von diesem zugesagten 6 Millionen Gulden. Man dachte sogar schon an eine Erneuerung des Münzvertrages, aber von den vorgebrachten Vorschlägen blieb nur der eine übrig, die Münzprägung wieder in kaiserlichen Eigenbetrieb zu nehmen. Ende März 1623 erlosch der Pachtvertrag, dem sofort üble Nachrede folgte. Ob sie berechtigt war, läßt sich kaum entscheiden. Jedenfalls hatte das Münzkonsortium die Volksstimmung gegen sich aufgebracht. Wallenstein hatte 1622 etwa fünfzig der konfiszierten land- und lehentäflichen Herrschaften und Güter in Nordböhmen an sich gebracht und in „langer" Münze bezahlt; das gleiche tat Hans Ulrich von Eggenberg, der zu der ihm vom Kaiser geschenkten südböhmischen Großherrschaft Krumau unter anderen noch 432

223. Steiermark, Ferdinand II. Kipper48er 1622, Graz

die Herrschaften Chynov, Klingenberg und Worlik dazukaufte, natürlich gleichfalls in langer Münze. Ebenso hielten es de Witte und Bassevi, nur entsprechend ihrem kaufmännisch-bürgerlichen Stande, der von Rechts wegen den Erwerb landtäflicher, nur dem Adel vorbehaltener Güter ausschloß, in bescheidenerem Maße. Solange Ferdinand II. lebte, wagte man es nicht, gegen die führenden Männer des Konsortiums vorzugehen, wenn auch der Reichshofrat und die Hofkammer in Wien nur zu gerne ihr Mütchen an ihnen gekühlt hätten. Doch die Männer, die dazugehörten, waren dem Kaiser notwendiger als jeder andere und daher unantastbar. Erst nach seinem Tode (f 1637) griff man die Sache wieder auf. Aber damals waren die Personen, gegen die sich inzwischen Klagen und Anschuldigungen nur so gehäuft hatten, schon alle tot: Liechtenstein, Wallenstein, Bassevi und auch der „Hauptangeklagte" de Witte, der sich 1630 selbst entleibt hatte, als die Schuldenlast, die ihm der Krieg aufgebürdet hatte, nicht mehr zu tragen war. Auf Befehl Kaiser Ferdinands III. wurde trotzdem von der Böhmischen Kammer in Prag die „Königlich Böhmische Generalmünz- und Konfiskationsläsions-, Ausund Verrichtungskommission" eingesetzt. Ein fast vierzigjähriger Papierkrieg entbrannte. Die Hauptschuld wurde Liechtenstein zugemessen und nicht de Witte, weil man sich wohl an dessen, dem Konkurs verfallenen Vermögen nicht schadlos halten konnte. Von den Erben des Fürsten aber verlangte man einen Schadenersatz von nicht weniger als 31 Millionen Gulden, womit jedoch gute Münze gemeint war! Schließlich begnügte man sich mit rund dem hundertzwölften Teil, mit den von den Liechtensteinern angebotenen 275.000 fl. „ E s war nur ein Anerkennungszins, keine Strafe mehr. Am 15. Mai 1665 erteilte Kaiser Leopold I. an Karl Ludwig Eusebius Fürst von Liechtenstein das befreiende ,Absolutorium'. Der Liechtensteinprozeß war zu Ende und damit auch der Prozeß gegen das Münzkonsortium" (226). In diesem Zusammenhang muß noch eine ganz besonders zwielichtige Gestalt erwähnt werden, nämlich der Münzmeister Balthasar Zwirner. Dieser hatte die Kipperei in ganz besonders schamloser Weise für seine eigene Tasche ausgebeutet. Er war 1620 Münzmeister der mährischen Stände, dann Pächter zu Oels, Oppeln, Ratibor und Neiße. Mitte 1623 übernahm er die kaiserlichen Münzen zu Breslau, Glogau, Sagan, Oppeln, Ratibor und Neiße. Noch in diesem Jahr mußte er flüchten, 1626 betrieb er in Wien und dann in Troppau Falschmünzerei und entkam schließlich nach Dänemark, wo er in königliche Dienste trat. Er ist wohl unter allen Münzbeflissenen dieser makabren Zeit im altösterreichischen Raum die übelste Erscheinung; er vor allen anderen gehörte in die Schar der „ungehangenen, diebischen, eidvergessenen, ehrlosen" Kipper und Wipper, wie ein zeitgenössisches Flugblatt sie nannte. Die Flugblätter gegen die Kipperei 433

224. Steiermark, Ferdinand II. Kipper12er 1622, Graz

schössen übrigens damals wie die Pilze aus dem Boden. Anderswo suchte man nach einem Sündenbock, hier in Schlesien aber, wo ein notorischer Münzverbrecher amtete, erließ man wohl einen Haftbefehl, doch der Schelm war längst über alle Berge. Ähnlich wie in den vom Münzkonsortium beherrschten Gebieten entwickelte sich die Kipperei auch in den beiden innerösterreichischen Ländern Steiermark und Kärnten. Münzherr war hier der Kaiser in seiner Münzstätte Graz und in der seit Ferdinand I. Landständen verpachteten zu Klagenfurt. Auch hier waren die unmittelbaren Auswirkungen der Münzverschlechterung schwerste Teuerung und drohende Hungersnot. In der Bevölkerung regte sich sofort Mißtrauen über die ungewohnten neuen Sorten, von denen jede folgende Emission noch schlechter war als die vorhergehende, was man unschwer am Aussehen feststellen konnte. Denn je größer der Kupferzusatz, desto rötlicher wurden die Gepräge schon nach kurzer Abnützung. Auch der Umstand, daß gewisse Kärntner Kippermünzen anstatt des Kaiserbildes nur ein Wappen zeigten, erregte Befremdung. In Wien und Graz verweigerten Handels- und Gewerbsleute deren Annahme. Im August 1622 mußte die innerösterreichische Regierung zu Graz mit einem scharfen Dekret gegen dieses namentlich bei den Fleischhackern und Bäckern und noch mehr beim Bauernvolk eingerissene Mißtrauen energisch einschreiten und erklären, daß alle in den Erblanden mit dem kaiserlichen Bild oder Wappen geprägte Münzen als gültig unweigerlich anzunehmen seien. Aber das half nur wenig. In einer Kundmachung, die der Kaiser am 15. November 1622 aus Schär ding erließ, suchte er das Gerücht, daß alle diese verschiedenen Gepräge in Kürze devalviert und verboten werden sollten, zu entkräften. Dies sei nie seine Absicht gewesen und auch „auf ander Zeit fürzunemben nit gemeint". Gleichzeitig befahl er die Annahme aller unter seinem Namen, Wappen und Bildnis geschlagener Münzen. Allerdings folgte dieser Erklärung noch ein Nachsatz, daß er, falls es dennoch zu Beratschlagungen über „Abschlag und Ringerung" dieser Münzen kommen sollte, es nicht unterlassen würde, zuvor den Rat und das Gutachten seiner getreuen Landschaften einzuholen, „damit niemand wider die Gebühr und Billigkeit sich zu beschweren habe". Doch kurz vor Weihnachten 1622 ließ der Herzog von Bayern als damaliger Pfandinhaber des Landes ob der Enns ein Patent herausgeben und von allen Kanzeln verlesen, daß das lange Geld auf die Hälfte des bisherigen Werts „herabfallen solle". Wie auch sonst bei solchen Anlässen mußte der Stadtbürger die wertvollsten Gegenstände seiner Habe zu den Bauern für Getreide aufs Land hinausbringen, da es keinen Wochenmarkt mehr gab und kein Bauer mit Lebensmitteln in die Stadt fuhr. In Steiermark sah man die Ursache der rapid verschlechterten Lebensmittelversorgung in den von der Regierung trotz Not und Teuerung noch immer ausgestellten Paß434

225. Kärnten, Ferdinand II. Kipper48er 1622, Klagenfurt oder St. Veit

briefen für die Ausfuhr von Vieh und Getreide. Man suchte mit hinhaltenden Erklärungen die Landstände und das Volk zu vertrösten. Aber die Verhältnisse waren stärker. Denn nach Ablauf des Vertrags mit de Witte war die Regierung in größte Verlegenheit geraten. An eine Umkehr auf dem nun einmal eingeschlagenen Wege aber war jetzt nicht mehr zu denken, obwohl die Anzeichen des herannahenden wirtschaftlichen Zusammenbruches immer drohender wurden. Aber auch die Bevölkerung machte sich selbst in ihrer Habgier immer ärmer und zugleich ihre Ausbeuter reicher. Sie selbst beschleunigte ihren Ruin, indem sie die durch den berufsmäßigen Schmuggel geförderte heimliche Ausfuhr der noch im Lande vorhandenen guten Münze nicht nur zuließ, sondern selbst emsig förderte. Jeder, der noch gutes Geld hatte, erlag dem Lockruf des Agios, das den Verkäufern versprochen wurde. Sie verschacherten es gegen einen Scheingewinn, der ihnen in entwerteter Münze ausgezahlt wurde. Es war eben die Magie der größeren Zahl. Die Bevölkerung beteiligte sich furchtlos öffentlich an der Aufwechslung der guten alten Reichsmünze, goß sie „ganz und gar wider Ordnung und observierte Gewohnheit unter andern ihren Kaufmannsgütern in Zinn, Blei und waxzelten" und schwärzte sie „folgends in ihren Ballen, Stübich, Truhen, Weinstein, Zwespenfässer und Felleisen aus diesem unserem Land in fremde und ausländische Örter hin und wider hindurch" (672). Es war wie eine Seuche, von der kaum jemand verschont blieb, heute würde man sagen, eine Psychose. Man staunt über das Raffinement, mit dem sich schon damals alt und jung, arm und reich über die Gesetze hinwegsetzte. Die Folgen zeigten sich nur zu bald. Schon am 19. März 1622 erreichte Klagenfurt die Nachricht, daß die Knappen des Hüttenberger Eisenbergwerkes bewaffnet in das Krappfeld eingefallen seien, den Markt Althofen geplündert, den Einwohnern Getreide und sonstige Viktualien weggenommen und „andere hochverbotne Ungebühren mehr verübt" hätten. Der Aufstand blieb nicht auf den alten Bergort beschränkt, wo ein dem steirischen Erzberg verwandtes hochwertiges Eisen gefördert wurde. Auch die Arbeiter- und Knappenschaft von Bleiberg, vermehrt um eine Anzahl herrenlosen Gesindels und windischer Bauern, verlegten sich auf den Straßenraub, der infolge der Nähe der bedeutenden „Eisenstraße", die aus der Steiermark über Villach nach Tarvis und von dort nach Venedig führte, großen Gewinn versprach. Die in der Dietrichsteinischen Herrschaft Hollenburg im Drautale ansässigen Büchsenmacher, Fischer und Feuerarbeiter machten dagegen in der gleichen Absicht den Loiblpaß unsicher. Das Land Kärnten schien am Vorabend „völligen Aufruhrs und landsverderblicher Rebellion" zu stehen. Diese wenigen Beispiele zeigen die Reaktion der Bevölkerung auf das ihr zugemutete Schandgeld. Mutatis mutandis gilt dies natürlich ebenso für die andern Länder. 435

Der Schmuggel von guten Münzen ins Ausland entwickelte sich insbesondere in Innerösterreich zu einer wohlorganisierten Landplage, weil ein erheblicher Teil seiner Grenzen an die Terraferma Venedigs stieß, das allzeit ein gut zahlender Abnehmer für Edelmetall war. Wie in Österreich zur Zeit der Inflation nach dem Ersten Weltkriege eine wilde Börsenspekulation die Gemüter in Atem hielt, so waren auch dieser Metallschmuggel und andere Durchstechereien geeignet, die Not im Lande noch um einiges zu vermehren. Beide Male gab es für die Spekulanten ein böses Erwachen, als die Währung wieder stabilisiert wurde. Die Münz-Calada ( = Münzfall), die Devalierung der Kippermünzen, lag schon lange in der L u f t ; doch mit Ausnahme von Oberösterreich, wo bereits zu den Pfingstfeiertagen des Jahres 1623 ein kaiserliches Patent erschien, welches das Kippergeld auf ein Viertel des bisherigen und auf ein Achtel des Nennwertes herabsetzte, zögerte der Kaiser noch monatelang mit gleichen Maßnahmen für seine übrigen Erblande. Erst als sich infolge des schlechten Geldes Übelstände und Schwierigkeiten mehrten und kein anderer Ausweg mehr übrig blieb, entschloß man sich zu Maßnahmen, die das Übel mit der Wurzel ausrotten sollten. Schon am 1. August waren die Statthalter von Böhmen und Mähren, die Fürsten Karl von Liechtenstein und Franz von Dietrichstein, der Olmützer Kardinal, verständigt worden, „daß von nun an in allen Erbkönigreichen und Ländern keine anderen Münzen als Reichstaler nach altem Reichsschrot, 9 % auf die Wiener Mark von 14/4 Lot fein auszubringen seien, wie solches bereits in der Wiener Münze angeordnet worden sei. Das war der erste Schritt zur Besserung. Nun stand man aber vor der viel größeren Schwierigkeit, die in ungeheurer Menge ausgegebenen Kippermünzen aus dem Verkehr zu bringen". Die entscheidende Lösung brachte das kaiserliche Patent vom 11. Dezember 1623 zu Wien, worin die Kippermünzen auf ein Achtel ihres Nennwertes herabgesetzt wurden, was einem 87%igen Staatsbankrott gleichkam. Wie sich dies auswirkte, zeigt eine Tagebuchnotiz des Abtes des Benediktinerstiftes St. Paul in Kärnten, Hieronymus Marchstaller. Er schildert die Zustände nach der MünzCalada mit folgenden charakteristischen Worten: „ D a hebt sich allererst an das Purgatorium der Wechsler, Partidamacher, Wipper und Kipper, Münzler, indem die langen Summen nicht länger wehren in fraudem creditorum, welche Herrschaften, liegende Güter kauft und verkauft; von denen viele, welche vermeinten, sie wären die Reichsten in der langen Währung, jetzt die Flügel hängen lassen. Omnes viri divitiarum nihil invenerunt in manibus suis. Da läuft mäniglich ad tribunalia, praetendirt die laesiones. Ihre kaiserliche Mejestät erlassen viele unterschiedliche Befehle, Generalia und Decreta, wie es mit dem Gelde und den Laesions-Sachen gehalten werden solle. Aber des ungeachtet sind die Tribunalia bis dato ganz umgeben und kommen nicht zum dezidieren, sondern verschieben von Zeit zu Zeit die Dezision zur großen Lamentation der Lädierten." Diese Notiz enthält im wesentlichen alles, was sich nach der Calada überall in den betroffenen österreichischen Ländern abgespielt hat. Doch gab es auch besondere Erscheinungen. In der Steiermark etwa hatten die Leute knapp vorher noch ihre Schulden und Steuern zahlen wollen. Einige wollten — natürlich in schlechtem Gelde — ihre Steuern sogar auf Jahre voraus erlegen, was man ihnen jedoch nicht gestattete, obwohl die Schuldenlast des Landes selbst Ende 1623 über 1 Million fl. betrug. Als dann die Calada Wirklichkeit geworden war, stellte es sich sofort heraus, daß der erste dreimonatige Termin zur Einlösung viel zu kurz bemessen war. Aber auch jetzt noch war Gewinnsucht am Werke. Die sogenannten „Landfischer" drückten der Bevölkerung zu Schleu436

derpreisen ihre alten Geldvorräte ab. Es war eine offene Beschwerde im ganzen Land, „daß durch den Eigennutz Einzelner fast männigüch umb das Seinige gebracht werde, kurz es herrsche im Münzwesen grosse finanzerei" (672). Während man sich im klassischen Lande der Kipperei, in Böhmen, nicht getraute, die dem Kaiser nahestehenden Persönlichkeiten zur Verantwortung zu ziehen, suchte und fand man in Österreich einen Sündenbock in der Person des Kärntner Münzmeisters Hans Christoph Prem, dem auch der Prozeß gemacht wurde. Aber die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen, er habe den dem Kaiser gebührenden Münzvorteil unterschlagen und auch in Beschickung und Stückelung große Unredlichkeiten begangen, konnten nicht erwiesen werden. Aber da ihn das Volk für den Hauptschuldigen hielt (weshalb er nach der Calada wiederholt in Lebensgefahr schwebte) und weil die Regierung auf diese Weise die Aufmerksamkeit von sich selbst ablenken konnte, nahm man die Gelegenheit wahr, gegen ihn vorzugehen. Er starb noch bevor man imstande gewesen war, die durch seine Unerfahrenheit verschuldete Schmälerung des kaiserlichen Kammergutes von ihm hereinzubringen. Wahrscheinlich wäre alles anders gekommen, wenn nicht im Status der Kärtner Münzstätte eine einschneidende Änderung eingetreten wäre. Seit 1528 war der Klagenfurter Münzbetrieb bekanntlich an die Landstände verpachtet gewesen, die ihn zu großer Blüte gebracht hatten, weil ihnen von oben keine Vorschriften gemacht wurden. Die von Ferdinand II. zielbewußt verfolgte Politik, die Vorherrschaft der Landstände in seinen Ländern zu brechen, wirkte sich in Kärnten durch Aufhebung ihrer bisherigen Münzprivilegien besonders aus. Am 23. September 1621 befahl die Grazer Hofkammer den Kärntner Verordneten, die der Landschaft bisher verpfändete Münze gegen Rückstellung der Pfandsumme von 21.500 fl. wieder dem Kaiser abzutreten, denn er habe sich entschlossen, wie es schon im Reiche, dann in Böhmen und Österreich bereits geschehen sei, auch in den Münzhäusern in Kärnten und Steiermark eine einheitliche Ordnung einzuführen. Wenige Tage darauf befahl man der Landschaft allerdings, sich bis zur endgültigen Übergabe auch weiterhin an die alte Reichsmünzordnung zu halten. Deshalb wurden sowohl 1621 als auch 1622 noch harte Taler und ihre Teilstücke geprägt, und zwar — nach den zahlreichen Stempelverschiedenheiten zu schließen — offenbar in größerer Anzahl. Die Übergabe der Münzstätte zog sich noch ziemlich lange hin, da die alte Herzogstadt St. Veit dem Kaiser ein Münzhaus geschenkt hatte und man daher eine Zeitlang in beiden Münzhäusern münzte. Ende März 1623 wurde dann der Klagenfurter Betrieb endgültig aufgelassen. In St. Veit prägte man noch bis zum Oktober des Jahres „Interims"- oder Kipper münden, daneben auch gute Taler, als schließlich der längst gefürchtete Umsturz der Währung eintrat. Die Prozesse, die nach dem Dezemberpatent wegen der Rückzahlung privater Schulden geführt wurden, haben die Gerichte noch jahrelang beschäftigt. Noch ein paar Worte über die Kipperzeit in Tirol und Salzburg. Die Innsbrucker Regierung hatte sich lange gegen die Münzverschlechterung gewehrt, aber die minderwertigen Münzen fanden auch hier ihren Weg ins Land. Neben schlechten Münzen der Grafen von Mirandola und anderer italienischer Herren, die insbesondere Welschtirol beunruhigten, war es „die Flut von deutschen Kippern, die für den Export geschlagen waren, verschiedene Arten Bramschweiger Dreibät^ner, solche von Moriz dem Gelehrten von Hessen-Kassel, von den Grafen Bentheim und Lippe und dem bayerischen Herzog. Der Paderborner Bischof Ferdinand von Bayern ließ unterwertige 21-Kreuzer-Stücke schlagen, die in seinem Lande gar nicht ausgegeben werden durften, sondern in Fässern über die Grenze wanderten" (210). Auch gegen die Salzburger ganzen und halben Kipper437

226. Titol, Ehg. Leopold V. Kipper-60er 1621, Hall

taler mußte eingeschritten werden. Tirol hatte eben als typisches Durchzugsland an seinen sämtlichen Grenzen einen aussichtslosen Kampf gegen Fremdmünzen zu bestehen. Wenn man auch gegen die Besitzer fremden Kippergeldes strenge vorging, konnte man schließlich gegen die einströmenden Mengen doch nicht aufkommen, da es nicht möglich war, die Grenzen hermetisch abzusperren. Die Regierung sah daher auch hier keinen anderen Ausweg, 'als mit den Wölfen zu heulen und ebenfalls Kipperei zu treiben. Anfänglich ließen viele Parteien ihre alten Speziessorten willig in neues Geld umprägen, weil sie vorerst einen rechnungsmäßigen Gewinn vor sich sahen, der jedoch bei der ansteigenden Teuerung rasch in nichts zerfloß. Später zeigte sich eher das Bestreben, die fremden Sorten, an deren innerem Wert man immer von neuem Enttäuschungen erleben mußte, loszuwerden und wenigstens in landesübliche Kipper umzutauschen, für deren Existenz und Wert die Regierung doch ein gewisses Maß von Verantwortung trug (210). Als die Kipperwährung in Hall nach zweijähriger Dauer im Juli 1623 ein Ende fand, hatte sie auch in Tirol eine weitgehende Vermögenszerstörung bewirkt. Man begann — anders wie in den Landen des kaiserlichen Bruders — in Tirol sogleich mit der Ummünzung ungeachtet der vorauszusehenden namhaften Einbußen. Alsbald erfolgte auch der Talerabfall. Als sich die drei korrespondierenden Kreise auf dem Münztage zu Augsburg bereits am 10. April 1623 für die Talervaluta von 1% Gulden entschlossen, mußte man sich — wenn auch widerwillig — auch in Tirol dazu bequemen. Leopold blieb dabei, mit den Nachbarländern gleichen Schritt zu halten. In einem Münzmandat vom 26. Juni valvierte er die groben Sorten nach dem Taler zu 1 % A- u n d illustrierte mit aller Deutlichkeit den Münzbankrott, der hiemit eingetreten war. Im übrigen aber bediente sich der Erzherzog als einer von wenigen der Scheidemünze, indem zur Behebung des Kleingeldmangels einstweilen die mit dem Tiroler Adler gekennzeichneten Landmünzen, worunter wohl als kleinste Münzsorte der Vierer zu verstehen ist, „zur Bezahlung zugelassen wurde, doch nicht im Betrage von über 20 bis 30 Gulden, aber nur bis Bartlmä". Diese Annahmebeschränkung ist bekanntlich das wichtigste Charakteristikum der Scheidemünze. Das Mandat galt zunächst nur für Tirol; für die Vorlande zögerte man noch mit seiner Einführung wegen der dort anwesenden „Soldateska". Aber nach einigen Wochen wurde es dann auch auf dieses Gebiet ausgedehnt, als die Reichsorte des schwäbischen Kreises in den Vorlanden bereits zu der Talerwährung übergetreten waren. Damit erreichte man eine gewisse Stabilität, weshalb man auch lange bei dieser Valuta blieb. Doch hier waren betrügerische Kräfte am Werk, die um geringes Geld den Unwissenden ihre guten Groschen abzuschwatzen suchten. Auch hier gab es als un438

mittelbare Folge der Calada eine Fülle von Prozessen, wobei von einer „festen und gleichmäßigen Judikatur" keine Rede sein konnte, sondern nur Zufall, Willkür und persönliche Beziehung den Ausschlag gaben. Die Münzkatastrophe war eben mit erschreckender Plötzlichkeit hereingebrochen. In Salzburg hatte Erzbischof Paris Graf Lodron das Erzstift selbst zwar vor den unmittelbaren Leiden des großen Krieges zu bewahren gewußt, aber auch er war dem Beispiele vieler deutscher Fürsten gefolgt, die in der Verschlechterung der Münze ihren Vorteil zu finden hofften. 1621 und 1622 prägte er ebenfalls Kippergeld. Salzburg schloß sich dann dem Augsburger Abschied vom 10. April 1623 an, der im Erzstift mit Mandat vom 1. Mai kundgemacht wurde, worin der Dukaten auf 2 fl. 20 Kr., der Taler auf 90 Kr., d. s. 1 y 2 fl., herabgesetzt wurde. Da aber die Dukaten inzwischen im freien Handel auf 20 fl., die Taler auf 10 fl. gestiegen waren, erlitt die Bevölkerung bei der Einlösung des Kippergeldes schwere Verluste. Immerhin schlug man hier wieder vollwertige Münzen, deren Prägung bei Dukaten (sogar mehrfachen) und Talern auch in den kritischen Jahren nicht ausgesetzt hatte. Von den Talern des Jahres 1623 wurden nicht weniger als 18 verschiedene Stempel festgestellt — ein Zeichen, daß man gewillt war, schnell wieder zu geordneten Zuständen zu gelangen. Es erhebt sich schließlich die Frage, warum das Kipperunwesen „wie eine geistige Epidemie mit elementarer Gewalt" über Deutschland hereinbrach und hier durch mehrere Jahre andauern konnte. LUSCHIN hat diese Frage nicht nur gestellt, sondern auch selbst zu beantworten versucht (672). Er fand die Ursache in den unklaren Vorstellungen, die über das Wesen des Geldes verbreitet waren: „Vom Mittelalter her war man darüber, was das Wichtigere an dem Geldstück sei, der Nennwert oder das Feingewicht an Edelmetall, noch nicht ins Klare gekommen. Da man den Ausgangspunkt von der Berechtigung des Münzherrn nahm, Münzen zu schlagen und als Zahlungsmittel auszugeben, so erschien an der Ausübung des Münzrechts die Wertbeilegung, der valor impositus, als das weitaus Wichtigste. Nun fühlte man zwar, daß mit dem bloßen Nennwert ungeachtet des Zwangskurses, den der Münzherr seinen Geprägen beilegen konnte, auf die Dauer nicht auszulangen war, wofern die Stücke nicht eine gewisse innere Güte (bonitas intrinseca) hatten. Allein für diese zu sorgen, bestand nur Gewissenspflicht und keine erzwingbaren Rechtsvorschriften. Schon Innocenz III. erachtete eine mäßige Verschlechterung der Münze aus Not oder einer anderen gerechten Ursache für zulässig, namentlich um ihre Verschleppung außer Landes zu hindern, gleicher Ansicht war auch der berühmte Kanonist Johann Andreae, und dies entschied für lange Zeit." Noch bis ins 17. Jahrhundert hinein war die Vorstellung vom valor impositus nicht zu überwinden. „Der Wert des Geldes beruhte auf der Autorität der höchsten Gewalt, nicht auf der Wertschätzung des Verkehrs, dies war der leitende Gedanke." Damit war auch „die juristische Formel für die Erlaubtheit des Kipperwesens gefunden, die Zeitlage tat das übrige. Diese Theorie wurde am weitesten durch den römischen Juristen Sigismund S c a c c i a zu Beginn des 17. Jahrhunderts entwickelt; seine Lehrsätze wurden schon 1619 durch das Prager Direktorium „in die Praxis übertragen". Die Kipperei scheiterte schließlich daran, daß man ungleich der heutigen Zeit den Begriff eines aus wertlosen Stoffen hergestellten Geldes nicht kannte. Der valor intrinsecus, der Realwert, war der Allgemeinheit wesentlicher als der valor impositus, der Nennwert. Hätte sich die Kipperei innerhalb mäßiger Grenzen bewegt, indem man anstatt den Kupferzusatz ständig zu vermehren, das Kupfer als allgemein zulässiges Münzmetall anerkannt und damit den Begriff der Scheidemünze wirklich eingeführt hätte, wären vielleicht solche schwerwiegende wirtschaftliche und soziale Folgen zu vermeiden ge439

227. Österreich, Ferdinand II. Taler 1624, St. Pölten

wesen, die beinahe den Fortbestand des Staates in Frage stellten. Als wichtigste Voraussetzung dafür hätten allerdings auch die Nachbarländer sich diese Erkenntnis zu eigen machen müssen. Dies war aber nicht der Fall, und so nahm das Unheil seinen Lauf. 4. Ferdinand II. und Ferdinand III. Das Jahr 1623 endete nicht nur mit einem Staatsbankrott, sondern auch mit einer unmittelbaren Bedrohung der kaiserlichen Residenzstadt Wien durch den siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen, der über Oberungarn (wo er zu Kremnitz und Kaschau auch gemünzt hatte) bis an die March vorgedrungen war. Im Mai 1624 konnte mit ihm dann ein Friede geschlossen werden, durch den der Nikolsburger Vertrag von 1621 in einer für Bethlen in manchen Punkten weniger günstigen Form erneuert wurde. Trotzdem blieb die Gefahr von dieser Seite auch weiterhin bestehen, da nach dem Tode Bethlens 1629 auch die ihm folgenden siebenbürgischen Fürsten eine kaiserfeindliche Haltung einnahmen. Im e : genen Lande hatten der oberösterreichische Bauernkrieg des Jahres 1625/26, der im Grunde nichts anderes war als ein Teil des Dreißigjährigen Krieges, nicht minder auch die rigoros durchgeführte Gegenreformation Ferdinands II. und das überaus harte böhmische Strafgericht nach dem Sieg über den „Winterkönig" und nicht zuletzt auch die Kipperzeit am Wohlstand der Länder erbarmungslos gezehrt. Der große Krieg aber ging mit wechselndem Erfolg weiter. Unter diesen höchst bedrohlichen Umständen das total zerrüttete Münzwesen wieder in Ordnung zu bringen, mochte damals so manchem als Utopie erscheinen. Doch das Unwahrscheinliche gelang, wenngleich es auch keine restitutio in integrum war, auch keine sein konnte. Während die Gerichte vollauf zu tun hatten, um über die Ersatzansprüche aus der Kipperzeit zu entscheiden, war man in den verschiedenen Münzstätten eifrig bemüht, mit dem Elend der Kipperei ein baldiges Ende zu machen und in erster Linie dem Kleingeldmangel abzuhelfen. Zu diesem Behufe wurden auch neue Münzstätten zu Preßburg und St. Pölten eingerichtet, die allerdings nur kurze Zeit in Betrieb waren. Bedauerlicherweise übertrug man die Oberaufsicht über den Betrieb zu Wien, Preßburg, Mähren und Schlesien dem uns bereits übel bekannten Brünner Münzmeister Balthasar Zwirner, wodurch der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wurde. In Graz und St. Veit prägte man, wie aus den auffallend vielen Stempel Varianten hervorgeht, im Jahre 1624 hauptsächlich Groschen in großen Mengen; in Wien schlug der Münzmeister Matthias Fellner gute Taler, auf denen das Bildnis des Kaisers ebenso 440

228. Österreich, Ferdinand II. Groschen 1626, St. Pölten

229. Steiermark, Ferdinand II. Groschen 1628, Graz

230. Steiermark, Ferdinand II. Kreuzer 1635, Graz

231. Kärnten, Ferdinand II. Doppeldukaten 1632, St. Veit

232. Kärnten, Ferdinand II. Taler 1624, St. Veit

233. Kärnten, Ferdinand. II. Zehner 1637, St. Veit

234. Karten, Ferdinand II. Groschen 1624, St. Veit

wie auf den abgeschafften Kippertalern eine große Halskrause zeigte. Fellner wurde daraufhin Ende 1624 angewiesen, „er möge, weil der gemeine Mann die neugemünzten Taler, auf welchen das Brustbild dem auf den alten schlechten Talern gleich ist, nicht annehmen will, auf ein neues taugliches gepräg oder bildnus, dadurch dergleichen münzsorten bei mäniglich allerortens annemblich gemacht werden, allsogleich gedenken" (812). Diese Reaktion der Bevölkerung wirft ein interessantes Licht auf die Verwirrung und die Notlage, wie auf das Mißtrauen, das die Münzverschlechterung hinterlassen hatte, an die man um keinen Preis mehr erinnert werden wollte. Das Mißtrauen erwachte aber von neuem, als sich herausstellte, welchen Mißgriff man mit der Bestellung Zwirners zum Münzunternehmer begangen hatte. Er floh, wie bereits erwähnt (s. o. S. 433), nach Dänemark, wo er sein übles Geschäft weiter betrieb. Auf Münzen König Christians vom Jahre 1627 kommt dann sein Zeichen BZ vor. Er war jedoch nicht der einzige, der sich die auch nach offizieller Beendigung der Kipperzeit noch jahrelang andauernde Verwirrung des Münzwesens zunutze machte. Diese Verwirrung beruhte hauptsächlich darauf, daß die Regierung nicht in der Lage war, die Münzprägung überall in eigener Regie durchzuführen. Ihre Verpachtung an private Unternehmer, deren Gebarung bestenfalls durch einen geschworenen Münzwardein kontrolliert werden konnte, öffnete dem Betrug von vornherein die Tür. Man wußte dies sogar und so kam es vor, daß auch Unschuldige denunziert wurden, wie der Subunternehmer der von Fellner geleiteten St. Pöltner Münzstätte Johann Joachim Edling. Er hatte vorher als Münzmeister in Klagenfurt gewirkt und war später als Münzmeister Wallensteins zu Gitschin tätig, nachdem er aus der Untersuchung ehrenvoll hervorgegangen war. Auch Fellner, der später mit dem Prädikat „von Feldegg" geadelt wurde, gehörte zu den wenigen, die reine Hände bewahrt hatten. Diese Beispiele zeigen, wie schwierig sich die Rückkehr zu normalen Münzverhältnissen gestaltete. Neben dem Personal, unter dem sich noch mancher unsichere Kantonist befunden haben mochte, bestand das Hauptproblem jetzt mehr denn je in der Metallbeschaffung, denn ohne ausreichende Belieferung konnte weder die ersehnte Münzverbesserung erzielt, geschweige denn die für den Umlauf nötigen Münzmengen hergestellt werden. Und gerade darauf kam es ja jetzt vor allem an. Aber Preßburg wie St. Pölten mußten den Betrieb bald wieder einstellen: dieses 1626, während Preßburg überhaupt nur 1623/24 tätig gewesen war. Wien aber, das eigentlich die Hauptmünzstätte der österreichischen Erbländer hätte sein müssen, fristete während des Großen Krieges nur notdürftig sein Dasein, „ein trauriges Bild unaufhaltsamen Verfalls", wie N E W A L D sagte. Hier fiel außer den Metallschwierigkeiten auch noch das veraltete Prägeverfahren schwer ins Gewicht. Fellner hatte sich zwar während der Kipperzeit ebenfalls der Walzenprägung bedient, aber offenbar waren die Maschinen 1624 nach St. Pölten abgegeben worden. Das gleiche scheint übrigens auch in Prag der Fall gewesen zu sein, wo das neue Verfahren 1621 eingeführt worden war, jedoch bald wieder außer Gebrauch kam. Die Prager Walzenprägung war bei den „Reichsmünzgesellen" zuerst auf Widerstand gestoßen. Erst die Zusicherung, daß durch diese Neueinführung, die „zu vermünzung des kleinen geldes einrichtung des ziehwerk und durchschneidt, dardurch das münzen vil geschwinder als durch die hammer-arbeit befördert werden kann" ihren Privilegien kein Abbruch erfolgen solle, beschwichtigte ihn. Es darf angenommen werden, daß sich Ähnliches auch in Wien ereignete. Auch die seit 1624 infolge Metallmangels nur schwache Prägetätigkeit dürfte vielleicht die Rückkehr zur altgewohnten und für die Münzer einträglicheren Hammerprägung veranlaßt haben, obwohl sich der Kaiser selbst über die „getruckten unterschiedlichen Münz-Sorten" anerkennend geäußert hatte. Aber man scheute infolge des bedeu442

235. Böhmen, Ferdinand II. Groschen 1633, Prag

236. Mittelfranken, Ferdinand II. Taler 1630, Fürth(?)

237. Mittelfranken, Ferdinand II. Sechser 1630, Fürth(?)

238. Ungarn, Ferdinand II. Taler 1620, Kremnitz

239. Glatz, Ehg. Ferdinand (III.) Taler 1629, Glatz

240. Glatz, Ehg. Ferdinand (III.) Groschen 1629

tenden Rückgangs des Ertrages wohl in Prag wie in Wien die Kosten der Walzmaschinen. Nur in Graz und St. Veit behielt man sie bei, was die leicht gewölbte Form der dort geprägten Münzen erweist. Aber auch die Hammermünzung konnte Wien nicht mehr in die Höhe bringen. In der Zeit vom 12. August 1623 bis 6. Mai 1624 hatte sie noch einen Schlagschatz von fast 19.270 fl. abgeworfen. Für das Jahr 1625 betrug er noch insgesamt 28.766 fl. Dann sank er so rapid, daß er 1634 nur mehr rund 1526 fl. betrug. Wenn auch keine statistischen Angaben vorliegen, dürfte es um die beiden innerösterreichischen Münzstätten ein wenig besser bestellt gewesen sein, da sie beide über eigenes Bergsilber verfügten, das ja in Wien fehlte, wo man daher gänzlich von der Belieferung mit Pagament abhängig war. Insbesondere münzte man damals in Wien Groschen zu 3 Kr., Kreuzer, Zweier und einfache Pfennige-, auch der alte Halbbat%en zu 2 Kr. lebte hier und in Innerösterreich wieder auf. Belehrt durch die bitteren Erfahrungen der Kipperzeit brachte man 1624 überall diese Scheidemünzsorten kaum merklich unter dem Talerfuß aus; die Differenz betrug je Taler nicht einmal einen halben Kreuzer. Dieser Taler hatte jedoch selbst schon einen etwas leichteren Fuß als vor der Inflation; er wurde zu 16,42 fl. ( = 16 fl. 25% Kr.) auf die feine Wiener Mark ausgebracht; somit gegenüber dem alten Taler, dieser jetzt zu 90 Kr. gerechnet, nur um 4 % Kr. schlechter. Wohl um diese Verschlechterung zu verschleiern, behielt man für den neuen Talertyp das Rauhgewicht bei und setzte bloß den Feingehalt herunter. Auch in Böhmen kehrte man 1623 zum alten Talerfuß zurück; seit 1624 fand überdies in den böhmischen Münzämtern die Wiener Mark statt der Prager Mark Verwendung. In Schlesien nimmt die Ordnung für Oppeln 1624 noch einen geringen Münzfuß an, während jene für Glatz von 1624 (wo des Kaisers gleichnamiger Sohn — später als Kaiser Ferdinand III. — das Münzrecht unter seinem Namen und mit seinem Bildnis ausübte) und die von 1640 und 1643 für Teschen den Fuß von 1524 beibehielten. In Ungarn war 1607 und 1619 der Münzfuß zwar herabgesetzt worden, Kippermünzen hat es in diesem edelmetallreichen Lande jedoch keine gegeben. Seinen eigenen Weg war Tirol gegangen. Wie früher erwähnt hatte, Kaiser Ferdinand I. in seinem Testament dieses Land und die Vorlande seinem mittleren Sohn, dem Erzherzog Ferdinand II. (1564—1595) zugeteilt. Nach dessen Tod wurde Erzherzog Maximilian III., ein Bruder des Kaisers Matthias zum Gubernator Tirols und der Vorlande eingesetzt (1595—1618). Als dessen Nachfolger hatte Kaiser Matthias im Einverständnis mit den jüngeren Mitgliedern des Erzhauses bekanntlich dem jüngsten Bruder Ferdinands von Innerösterreich (als Kaiser Ferdinand II.), Erzherzog Leopold V. das „Gubernement" der ober- und vorderösterreichischen Länder übertragen, das damals noch Bischof von 444

241. Tirol, Ehg. Ferdinand Karl. Doppeldukaten 1642, Hall

Passau und Straßburg und Administrator der Abteien von Murbach und Lüders war. Leopold hatte dieses „Gubernement" für den Statthalter der Niederlande Erzherzog Albrecht VII., einen jüngeren Bruder von Kaiser Matthias und Erzherzog Maximilian III., zu führen. Albrecht starb 1621 ohne männliche Nachkommen, der ihm gebührende Anteil an Tirol und den Vorlanden fiel nun an Kaiser Ferdinand II. und dessen beide Brüder, Erzherzog Leopold und Erzherzog Karl, Bischof von Breslau und Brixen sowie Hochund Deutschmeister. Leopold strebte eine gänzliche Länderteilung an, aber der Kaiser machte seine alleinigen Souveränitätsrechte geltend und ließ von 1621 bis 1623 als Mitbesitzer von Tirol gleichzeitig mit Leopold zu Hall wie auch zu Ensisheim Taler mit seinem Brustbild prägen. Aber seine Brüder beharrten auf vollständiger Teilung. Der Kaiser lehnte zunächst ab. Als er sich schließlich doch dazu bereit erklärte, erachteten Leopold und Karl die Teilung nunmehr für gefährlich; die Administration dieser Länder sollte in einer Hand verbleiben und nur die Einkünfte geteilt werden. Ferdinand vermochte zunächst Karl durch einen Separatvertrag vom Oktober 1623 gegen eine Entschädigung zum Verzicht auf alle Ansprüche zu bewegen. Leopold schlug er ein „Gubernement" über Tirol und die Vorlande vor, in der Art wie Maximilian III. es innegehabt hatte. Nach langen Verhandlungen wurde am 15. November 1623 vereinbart, daß Leopold zwei Drittel der besagten Länder als Eigentum mit dem Erbrecht für seine Nachkommen erhalten sollte. Der Erzherzog trat dann 1625 in den weltlichen Stand zurück und vermählte sich im gleichen Jahre mit Claudia von Medici, die ihm zwei Söhne schenkte, mit denen jedoch schon 1655 die Tiroler Seitenlinie ausstarb. Der Tod Karls 1624 brachte neue Störungen, die aber schließlich am 24. September 1625 durch einen Erbvergleich zwischen dem Kaiser und Leopold aus dem Wege geräumt wurden. Leopold fielen dadurch Tirol samt dem Arlberg, die schwäbischen Erbschaften und Städte, die Markgrafschaft Burgau, die Landgrafschaft Nellenburg, die Grafschaft Hohenberg und die Landvogtei in Schwaben zu. Dem Kaiser verblieb der Breisgau, der Sundgau, Elsaß samt den vier Waldstädten am Rhein sowie die beiden Landvogteien zu Hagenau und Ortenau. Die Administration der dem Kaiser zugefallenen Gebiete übernahm der Erzherzog auf Lebensdauer. Der Vertrag schloß die Teilungsverhandlungen endgültig ab, auf die sich offenbar die achteckige Klippe von 1624 bezieht, die auf der Vorderseite das Hüftbild des Kaisers, auf der Rückseite die einander zugewendeten Hüftbilder seiner beiden Brüder und ihren Wappen zeigt. Das Stück kommt im Gewichte von 42 und 24 Gramm vor. Die endgültige Länderteilung spiegelt sich natürlich auch in den Legenden wider. Die Haller Taler aus den Jahren 1620 und zum Teil auch 1621 tragen 1. die hier ausgeschriebene, sonst abgekürzte Umschrift: LEOPOLDUS NEC NON CAETERI DEI GRATIA A R C H I DUCES AUSTRIAE usw.; 2. die Mehrzahl von 1621 und dann auch von 1622/23: LEOPOLDUS 445

242. Tirol, Ehg. Ferdinand Karl. y 2 Taler 1654, Hall

DEI GRATIA ARCHIDUX

AUSTRIAE DUX BURGUNDIAE

SACRAE CAESAREAE MAIESTATIS

RELIQUORUM ARCHIDUCUM GUBERNATOR PLENARIUS COMES TIROLIS UND 3 . d i e VOI1

ET

1626

bis zu Leopolds Tod: ARCHIDUX AUSTRIAE DUX BURGUNDI COMES TIROLIS. In diesen wechselnden Titulaturen sind alle Peripetien des Kampfes um die Selbständigkeit Tirols und der Vorlande enthalten. So kommt es dann, daß auch Leopolds Nachfolger, seine beiden Söhne, die Erzherzoge Ferdinand Karl (1632—1662) und Sigmund Franz (1662—1665) nur mehr den letzten Titel ihres Vaters als Erzherzoge, Herzoge von Burgund und Grafen von Tirol führen. Mit Sigismund Franz stirbt 1665 die leopoldinische Seitenlinie aus. Seither gehören Tirol und die Vorlande, ohne das 1648 an Frankreich gefallene Elsaß, dem jeweiligen Kaiser. Einen Unterschied gegenüber dem Haller Taler weisen jene aus der Münzstätte Ensisheim auf. Hier nennt sich der Erzherzog auf den Talern von 1620 wie auf Umschrift 1, nur daß nach Comitum Tirolis noch LANDGRAVIUM ALSATIAE steht. Die Taler von 1621—1624 haben die Umschrift 2 und am Ende dieselbe Ergänzung wie vorher. Interessant ist, daß die Taler von 1626 sich nur im Wappen, aber nicht in der Umschrift von den Haller Talern unterscheiden, während die von 1627—1630 auf der Rückseite die Umschrift SACRAE CAESAREAE MAJESTATIS PLENARIUS GUBERNATOR aufweisen, was auf den oben erwähnten Anteil des Kaisers an den vorderösterreichischen Gebieten hinweist. Die Taler von 1631 und 1632 dagegen nennen den Erzherzog noch DUX BURGUNDIAE, LANDGRAVII ALSATIAE, COMITIS F E R R E T T I (Pfirt). Es war nämlich das „unklare, wiederholt zu Schwierigkeiten führende Verhältnis, in welchem der Erzherzog zu den dem Kaiser vorbehaltenen Ländern stand, endlich durch den Vertrag vom 24. September 1630 vollständig geordnet" worden. „Kaiser Ferdinand II. trat mit demselben auch die genannten Länder an den Erzherzog Leopold V. als erbliches Eigentum ab . . ." (811). Dieser war also hier nicht mehr Gubernator, sondern Landesfürst. Da, wie erwähnt, Kaiser Ferdinand II. im Westfälischen Frieden für sich und das ganze Haus Österreich alle bisherigen Rechte über die Stadt Breisach, über die Landgrafschaften Ober- und Unterelsaß usw. der Krone Frankreichs übertragen mußte, erlosch dadurch automatisch auch die habsburgische Münze in Ensisheim. Von Ferdinand Karl sind keine Gepräge aus dieser Münzstätte bekannt. Da er aber beim Tode seines Vaters noch minderjährig war, dürften sowohl Hall als auch Ensisheim mit den Stempeln Leopolds vom Jahre 1632 weitergeprägt haben, was auch die Häufigkeit des Vorkommens und die zahlreichen Stempelverschiedenheiten dieses Jahrgangs, insbesondere der Tiroler, erklären würde. Ferdinand Karl hat erst 1646 bei Eintritt der Großjährigkeit seine ersten Taler und Groschen prägen lassen. Im übrigen wurde damals, um dies hier ein für allemal festzu446

243. Tirol, Ehg. Sigmund Franz. Taler 1662, Hall

halten, nicht nur in deutschen, sondern auch in den österreichischen Münzstätten die Prägung hochwertiger grober Münzsorten stark eingeschränkt. Dafür prägte man um so größere Mengen von Scheidemünzen, insbesondere Groschen, weil dadurch der Kleingeldbedarf nicht nur mit dem ununterbrochen einströmenden fremden Geld gedeckt werden konnte, sondern damit überdies der den Silberbestand bedrohenden Ausfuhr großer Mengen grober Sorten ein Riegel vorgeschoben wurde. Überdies konnte man aus der Prägung von geringhaltigeren Land- und Scheidemünzen auch einen weitaus größeren Münzgewinn erzielen. Als 1665 die Tiroler Linie ausstarb, ging die Haller Münzstätte naturgemäß in den Besitz des Kaisers über. Im Grunde war die lange andauernde Selbständigkeit Tirols und der Vorlande nur eine Fortsetzung des durch das Testament Kaiser Ferdinands I. 1564 geschaffenen Zustandes gewesen. Hätte sein in Innsbruck residierender zweitgeborener Sohn Ferdinand nachfolgeberechtigte und daher ebenbürtige Söhne gehabt, wäre dieser Linie des Erzhauses auch weiterhin die Regierung über diese Länder erhalten geblieben. So aber mußte schon 1595, nach dem Tode Erzherzog Ferdinands, ein Regierungsprovisorium eingesetzt werden, bis endlich durch den Erbvertrag von 1625 auch in Tirol die steirische Linie zum Zuge kam. Die Reichsmünzordnungen des 16. Jahrhunderts hatten versagt, waren durch die sich überstürzenden politischen Ereignisse hinfällig geworden. Die Durchführung ihrer guten und richtigen Absicht, vollwertige Währungs- und unterwertige Scheidemünzen auseinanderzuhalten und den Umlauf der Scheidemünze auf das eigene Land zu beschränken, hatte sich als unmöglich erwiesen. Die Beständigkeit der Währung konnte nur bei der gesicherten Existenz eines in sich geschlossenen Münzgebietes und gleichzeitig einer funktionierenden Vollzugsgewalt erhalten bleiben. Da die österreichischen Lande fast überall an Klein- und Kleinststaaten grenzten, die in der Erzeugung unterwertiger Münzen eine willkommene Einnahmequelle sahen, konnte der Traum eines geordneten Münzwesens nicht zur Wirklichkeit werden. Erst die Münzvereinigungen von 1617 und 1690 im Norden und 1753 im Süden des Reiches legten den Grund zu einer dauernden Ordnung. Durch diese späte Einsicht aber konnten die österreichischen Geldverhältnisse erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts halbwegs konsolidiert werden. Die mehr als anderthalb Jahrhunderte, die bis dahin verfließen mußten, brachten für das Münz- und Geldwesen der habsburgischen Länder kaum je eine Entspannung, sondern, bedingt durch die politischen Ereignisse in Ost und West, den Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und die Türkei nur immer und immer wieder krisenhafte Zustände. Kaiser Ferdinand III. trat 1637 die Regierung an. Zwei Jahre vorher hatte sein Vater in einem Kodizill zum Testament von 1621 noch einmal den Wunsch ausgedrückt, „daß alle seine Besitzungen eine unteilbare Erbmonarchie bilden mögen, die nach dem Erst447

geburtsrecht wie ein großes Majorat oder Fideikommiß vererbt werden soll" (362/1). Im gleichen Jahre schloß auch der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen unter dem Eindruck des Sieges von Nördlingen, den der römische und ungarische König Ferdinand III. 1634 errungen hatte, 2u Prag Frieden. Damit ging zwar der Bruderkrieg unter den Deutschen zu Ende, dafür trat Frankreich auf den Plan. Der große Krieg aber löste sich jetzt in Einzelunternehmungen auf, die auch das Innere der Erbmonarchie gefährdeten, wie der Zug Torstensons, der 1645 plündernd und brennend durch Niederösterreich nördlich der Donau zog. Zum Glück gelang den Schweden die geplante Verbindung mit Bethlens Nachfolger in Siebenbürgen Georg I. Räköczi nicht, der seinen Herrschaftsbesitz auf Kosten des königlichen Ungarn ausdehnen wollte. Erst der Friede von Münster und Osnabrück machte den Kriegsgreueln im Herzen Europas ein Ende. Unter solchen Umständen konnte auch Ferdinand III. im Münzwesen keinen grundlegenden Wandel zum Besseren schaffen. Man mußte froh sein, wenn sich die Verhältnisse nicht noch mehr verschlechterten. Wenn auch kein Feind mehr im Lande stand, so zogen auch jetzt noch wie schon früher abgedankte Soldaten „als Bettler, Landstörzer und Faulenzer" umher und machten die Landstraßen unsicher. Denn sie hatten am Frieden keine Freude. Für sie hatte „das Kriegshandwerk einen goldenen Boden gehabt". Man muß nur nachlesen, wie während des unersättlichen Krieges die Geldvorräte dezimiert wurden: „Die Kontributionen, welche die Obersten so reichlich ausschrieben, wurden nur zum Teil für das Heer verwendet, das meiste floß in ihre Taschen. Die italienischen Offiziere schickten ihre Ersparnisse nach Italien, die Soldaten trugen die geraubten Goldstücke in ihrem Gürtel oder als Platten geschlagen auf ihrer Brust. Die schwedischen Obersten und Generale trieben es ebenso arg wie die Kaiserlichen. General Baner hinterließ eine Million Taler an geraubtem Gute" (718/11). Trotz des eben geschilderten fast tödlichen Aderlasses und des daraus folgenden katastrophalen Mangels an Münzmetall, konnte — es hört sich fast wie ein Wunder an — eine neuerliche metallene Inflation wie zur Kipperzeit vermieden werden. Es wurde schon gesagt, daß man den Talerfuß ein wenig gesenkt hatte; dabei blieb es auch unter dem neuen Kaiser. Dagegen dürfte aber der Umlauf an landeseigenen Münzen sehr eingeschränkt gewesen sein. Man griff daher unter Ferdinand III. zum erstenmal zu der typischen Form einer Nationalanleihe. Eine Handschrift des Stiftes Melk berichtet, „es seien 1643 1,800.000 fl. in Teilobligationen zu 100, 50, 30, 15 und 10 fl. öffentlicher Subskription — allerdings ohne nennenswertes Ergebnis — angeboten worden" (1162). „Denn", heißt es weiter, „dieses Mittel ist sehr violent, und weilen man mit der Zahlung den Leuten nicht zuhaltet, schwerlich zu praktizieren", ganz abgesehen davon, daß auch der Zeitpunkt infolge der kriegsbedingten Entvölkerung schlecht gewählt war. Der Schätzwert aller Liegenschaften und Gewerbe von 522.779 Pfund im Jahre 1560 war nunmehr auf bloß 201.201 gesunken. Man versuchte es daher mit der schon früher geübten „Kavaliersanleihe", die aber keinen besonderen Erfolg zeitigte. Sie wurde durchgeführt, indem man die Großwürdenträger des Reiches verzeichnete und ihnen dann durch einen Kammerbeamten ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers überreichen ließ, in dem „die politische und Finanzlage dargestellt und die Forderung erhoben wurde, die auf den Adressaten entfallende, von der Hofkammer berechnete Teilquote des Geldbedarfs leihweise vorzustrecken" (1162). Ein sanfter Zwang, dem sich aber bereits unter Leopold I. die Herren mit irgendeiner Ausrede entzogen, wohl wissend, daß ein Darlehen in solchen Zeiten nie zurückgezahlt werden würde. Immerhin zeigen diese Versuche, daß man sich langsam moderneren Finanzmethoden zuzuwenden begann, die bereits unter Leopold I. konkretere Formen annahmen. 448

244. Kärnten, Ferdinand III. Groschen 1652, St. Veit

245. Kärnten, Ferdinand III. Kreuzer 1639, St. Veit

Es hatte sich also im Geldwesen unter Ferdinand III. kaum etwas geändert; die alten Probleme waren erhalten geblieben. Dies zeigen vor allem die wenigen Münzpatente Ferdinands III., die stets nur neue Variationen eines bereits bekannten Themas darstellen. So ist auch vom Münzwesen dieses Kaisers nur wenig zu vermelden, nicht zuletzt deshalb, weil die Archivbestände dieses Zeitraumes höchst spärlich sind. Es ist daher nur ein kurzer Überblick möglich. Zunächst sei wiederholt, daß Ferdinand III. von seinem Vater schon 1626 die Wiedererrichtung einer Münzstätte in Glatz gestattet wurde (s. o. S. 187), die im 16. Jahrhundert einige Jahre lang durch die Grafen zu Hardegg, Glatz und im Machlande betrieben worden war. Die Glatzer Ferdinands-Münzen aber wurden trotz ihres vorschriftsmäßigen Schrots und Korns im Verkehr nicht gern genommen. Dennoch wurde ihre Ausprägung bis in die letzten Lebensjahre des Kaisers fortgesetzt. Als dieser 1637 seine Regierung antrat, bekam er gleich von Anfang an die alten Klagen über schlechte ausländische und ungenügende einheimische Ausprägung zu hören. Interessant und zugleich typisch ist da eine Beschwerde des Salzamtes in Gmunden, daß hier die Tiroler Groschen große Verwirrung und Not angerichtet hätten. Die Arbeiter wurden in diesen Münzen entlohnt, die dann auf den Wochenmärkten von den Bauern nicht angenommen wurden — offenbar, weil die Groschen ein ihnen unbekanntes Porträt zeigten. Die Hofkammer war zwar bestrebt, den dem Münzwesen drohenden weiteren Niedergang aufzuhalten, aber es fand sich keine durchschlagend wirksame Abwehrmaßnahme. Man dachte sogar daran, die Münzstätten an Juden zu verpachten, weil diese schon damals den Silberhandel in ihren Händen hatten, doch hätte dann ein Nichtjude f ü r diese Verpachtung seinen Namen hergeben müssen. Schließlich mußte meist dieser und nicht der Münzpächter die Zeche bezahlen, wie es etwa dem Pächter der Wiener Münzstätte Virgilius Constant von Vestenburg 1635—1637 widerfuhr, für den Christoph Ziegenhorn den Betrieb führte. „Auch hier griff man zu dem Mittel der Münzverschlechterung, um den Pachtzins hereinzubringen." Die hervorragende Rolle der Juden im Münzwesen als Aufkäufer und Lieferanten des Münzmaterials hatte sie übrigens dem Volke auch als die Haupturheber der Kipperei und Wipperei erscheinen lassen. Ein Zeichen der Nervosität und des Mißtrauens und zugleich des Bestrebens, für die unleugbaren Mißstände einen Sündenbock zu finden, ist nicht nur die Verhaftung Prems in St. Veit, sondern auch die des Wiener Münzverlegers Isais Jessensky von Jessen. Man hatte ihn 1619 eingekerkert, nach 31 Wochen wieder auf freien Fuß gesetzt, aber erst 1637 wurde der gegen ihn angestrengte Prozeß zu seinen Gunsten entschieden. Zwei Jahre später übertrug man ihm das Amt des Münzmeisters in Wien, wo er bis 1643 tätig war. 449

246. Österreich, Ferdinand III. Vi Taler 1641, Wien

In den letzten Regierungsjahren Ferdinands III. und in den ersten seines Sohnes Leopold I. hielt man endlich Zeit und Gelegenheit für gekommen, gegen die minderwertigen Münzen mit aller Energie vorgehen zu können. Beschwerden, Anfragen und Gutachten häufen sich auf den Schreibtischen der Ämter. „Es konnten natürlich verschiedene Wege gegangen werden, um der unterwertigen Münzen Herr zu werden. Einige davon waren: Außerkurssetzung der schlechten Münzen und Einlösung zu einem Kurs, der durch den Metallwert bestimmt wurde; Kurssetzung und spätere Einziehung, Kurssetzung ohne Einziehung. Dies sind die großen Hauptgruppen, doch gibt es natürlich noch viele Varianten für die Durchführung. Diese gehen dann meist auf lokale Eigenheiten zurück, die die Behörden berücksichtigen wollten. So z. B. ein vor der Tür stehender großer Markt, wo man viele minderwertige Münzen anzubringen hoffte, um dadurch den Schaden der Leute zu verkleinern" (504 a). Es war bekanntlich seit jeher eines der Hauptprobleme der österreichischen Münzpolitik gewesen, den Sonderwünschen der einzelnen Landschaften gerecht zu werden, wobei im Grunde aber das monetäre Chaos eher vermehrt als vermindert wurde. Und dies allen Bestrebungen zur Vereinheitlichung zum Trotz! Dabei wurde durch die Bevorzugung einer Landschaft eine andere oft schwer getroffen. Man dachte daran, in St. Pölten, Linz oder Steyr neue Münzämter zu schaffen, um die Umwechslung der minderwertigen Sorten zu erleichtern und ihre Umprägung in gute zu bewerkstelligen. Zur Durchführung dieser Umwechslung boten auch größere Geschäftsleute ihre Dienste an, die dabei natürlich einen Vorteil herauswirtschaften wollten, wie etwa 1637 die „Pestoluzi, Julini und Wertemannischen Handelsleute", die minderwertige Stücke in ihrer Wiener Niederlassung einzuwechseln gedachten. Aber dieses Angebot fand nicht die Billigung der Hofkammer. Vergeblich versuchte man um 1637/38 das Problem der ungleichen Ausmünzung im eigenen Lande zu lösen. In Tirol, Steiermark und Kärnten prägte man die Groschen zwar aus siebenlötigem Silber, aber dafür um 12 Stück weniger auf die rauhe Mark, wogegen die Ausbringung auf die feine Mark um 48 Kr. höher war als in den übrigen Ländern. In.Tirol war die Lage schwieriger als in den beiden innerösterreichischen Ländern, denn in Innsbruck führte die Witwe Leopolds V., Claudia von Medici, die Regentschaft über ihren minderjährigen Sohn Ferdinand Karl und reagierte nicht im mindesten auf die wiederholten Aufforderungen, in rechtem Korn und Schrot münzen zu lassen. Im übrigen ging auch die Grazer Hofkammer, obwohl eine kaiserliche Behörde, keineswegs auf die ihr aus Wien zukommenden Schreiben ein. Es war auch nicht leicht, in dieser Zeit geeignete Münzbeamte zu finden, weil man sie schlecht bezahlte und ihnen überdies eine große Verantwortung aufbürdete. Noch unter Ferdinand II. war eine neue Münzsorte eingeführt worden, die Zehner 450

(10 Kr.), die hauptsächlich in Hall ausgeprägt wurden. Die leopoldinischen galten 9, die der anderen Münzstätten nur mehr 8 Kr. Sie fielen daher unter die minderwertigen Sorten und sollten schließlich nach einer vierzehntägigen Umlauffrist nur noch mit 15 fl. je Mark eingelöst werden. Dem zum Münzmeister in Wien bestellten Jessensky wurde am 17. April 1639 eine Instruktion erteilt, die auch Schrot und Korn der von ihm auszuprägenden Münzsorten festsetzte. Zur Ausprägung waren vorgesehen, Dukaten zu 802/s Stück je Mark, gan^e, halbe und viertel Reichstaler zu 93/4 Stück auf die Wiener Mark, Groschen 165 Stück, Halbhatten 247V2 Stück, Kreuzer 3093/g Stück, Halbkreu^er oder Zweier 495 Stück und Pfennige 742V2 Stück je Mark. Im übrigen scheint es schließlich doch gelungen zu sein, in den Erbländern, wie auch in Tirol, überall eine einheitliche Ausbringung durchzusetzen. Mit Metallschwierigkeiten hatte in dieser Zeit hauptsächlich Breslau zu kämpfen, da die Juden alles Edelmetall, dessen sie habhaft werden konnten, nach Polen ausführten. Dieses überschwemmte dann die angrenzenden Länder Schlesien, Böhmen und Oberungarn sowie auch Siebenbürgen mit seinen aus diesem Silber hergestellten, besonders schlechten Münzen. Aber auch in anderen Ländern herrschte andauernder Metallmangel. Verschiedene Münzmeister suchten einander offenbar das Münzmaterial wegzunehmen, um damit den eigenen Bedarf zu decken. Die Juden aber, die dieses lukrative Geschäft hochgespielt hatten, bedienten sich meist landfremder Gewichte, um „die unwissenden Leute" leichter täuschen zu können und ihren Gewinn noch mehr zu vergrößern. Nicht genug an dem, verkauften viele ihr Bruchsilber auf den Jahrmärkten und nicht im Münzamt, wie es vorgeschrieben war, wodurch nicht nur die so notwendige Ausprägung besonders von Kleingeld gehemmt, sondern überdies auch der Umlauf von Fremdgeld im Lande vermehrt wurde. Ferner gab es noch Schwierigkeiten mit der Annahme bestimmter Landmün^en außerhalb jenes begrenzten Gebietes, in dem sie umlauffähig sein sollten. Dazu gehörten vor allem des Kaisers schlesische Drejerl oder Gröschel mit dem Reichsadler und dem Reichsapfel, die gewöhnlich mit 1 Kr. oder 4,3) angenommen wurden. Sie traten 1643 in Niederund Oberösterreich so häufig auf, daß sie zuerst auf 3 herabgesetzt und nach 14 Tagen gänzlich verboten werden mußten. Diese Landmünzen waren natürlich für das Ursprungsland insofern notwendig, als die konservativ-schwerfällige Bevölkerung seit alters an sie gewohnt war und sich teils aus reinem Mißtrauen und teils nicht mit Unrecht gegen landfremde Nominale ablehnend verhielt, selbst wenn sie aus einheimischen Münzstätten stammten. Diese Landmünzen abzuschaffen war daher nicht opportun, obwohl sie gegen das angestrebte Prinzip der Einheitlichkeit verstießen. 451

249. Steiermark, Ferdinand III. Dukaten 1643, Graz

250. Mähren, Ferdinand III. Dukaten 1647, Brünn

Die Schwierigkeiten des Münzbetriebes mehrten sich, als der Feinsilberpreis und auch die Kosten der verschiedenen Utensilien für den Münzbetrieb, wie Salz und Buchenholz und das Villacher Blei anstiegen. Alles dies und noch anderes mehr, das hier weniger interessiert, entfesselte natürlich einen Papierkrieg. Der Oberstmünzmeister von Böhmen Ulrich Adam Poppl von Lobkowitz warnte in einem Gutachten von 1644 ausdrücklich vor einer Verpachtung der Münzstätten, die offenbar für die ratlose Hofkammer in Wien der Weisheit letzter Schluß war, denn sie konnte dadurch die Verantwortung zum Teil auf andere abwälzen. Interessant ist es, daß es nur wenige Katholiken, dafür aber genug Nichtkatholiken gab, die für vakante Posten an der Wiener Münze in Betracht gezogen wurden. Wollte man vielleicht die Angehörigen der herrschenden Religion nicht in ungute Prozesse verwickelt wissen? Im Zuge dieser Neubesetzung mußte der neuernannte Wiener Münzmeister Jakob Stadler, der das Amt schon 1637—1639 betreut hatte, dem Kaiser im Jahre 1645 neugeprägte Münzen übersenden. Das entsprach im Grunde einer alten Übung; interessant ist es aber, daß sich unter diesen Münzen auch Goldabschläge von Kleinmünzen befanden, nämlich 20 Zweier und 20 Pfennige. Damit ist die alte Mutmaßung urkundlich bestätigt, daß Goldabschläge von Silbermünzen zur Vorlage an den Kaiser dienten, während solche von großen Silbersorten (Taler und seine Teilstücke) sicherlich zu Geschenkzwecken bestimmt waren, wie dies vor mehr als einem Jahrhundert schon Kaiser Maximilian I. mit den Schaumünzen seiner Haller und St. Veiter Münzstätte gehandhabt hatte. Man muß der Wiener Hofkammer übrigens das Zeugnis ausstellen, daß sie emsig bemüht war, Übelstände im Münzwesen aufzudecken und nach Möglichkeit abzustellen. Dies beweist unter anderem ein von ihr 1646 erstelltes Gutachten, worin die Dukatenund Talerkurse in den Erbländern und den benachbarten Ländern untersucht wurden. Dabei stellte es sich heraus, daß es da beachtliche Kursunterschiede gab. So galt der Dukaten in Kärnten, Krain und Friaul 3 fl. 33 Kr., in Böhmen, Österreich, Steiermark, Schlesien und Mähren aber bloß 3 fl., der Taler 1 fl. 47 Kr. bzw. bloß 1 fl. 30 Kr. Im Ausland, etwa in Italien aber waren die Kurse weit höher, was, so berichtete die Hofkammer, die großen Sorten dorthin abziehe, so daß in den Erbländern kaum noch grobe Sorten zu finden seien, dafür aber um so mehr schlechtes Geld. Die Händler, die ihre Waren im Inland verkaufen, ihr Geld aber dann ins Ausland bringen, hätten allein durch diese Kursunterschiede einen Profit von 16—17%. Diese Händler kaufen aber nichts im Inland; infolgedessen haben die Untertanen des Kaisers keinen Verdienst, während dem Kaiser die Mauten und Taxen entgehen. Man müßte zur Vermeidung aller dieser Schäden nichts anderes tun, als den Kurs der groben Sorten nach dem Metallwert zu den Kleinmünzen einheitlich festsetzen. So die Meinung eines ungenannten „Memorialisten", mit dem 452

251. Mähren, Ferdinand III. Taler 1647, Brünn

jedoch die Hofkammer keineswegs übereinstimmte. Es erübrigt sich, hier weiter darauf einzugehen, da ja doch nichts Einschneidendes geschah. Wie schlecht es aber um das Münzwesen bestellt war, ergibt eine „Raitung" des Jessensky, nach der dem Kaiser für die Zeit vom 1. September 1639 bis 30. September 1643 bloß ein Münznutzen von rund 2267 fl. verblieb. Es waren verschiedene Münzsorten vom Dukaten bis zum Zweier im Gesamtwerte von rund 278.181 fl. ausgeprägt worden. Die reinen Münzunkosten beliefen sich auf rund 9130^4 fl., sämtliche Ausgaben einschließlich der für Gold und Silber aber fast auf 275.914 fl. Das war für die einst so hochangesehene Wiener Münze eine höchst traurige Bilanz. Leider können wir ihr keine Abrechnung einer der übrigen Münzstätten gegenüberstellen, da nichts erhalten zu sein scheint. Veraltete Abrechnungen sind leider fast immer der Skartierwut späterer Zeiten zum Opfer gefallen. Ebenso bedenklich war die andauernde Schwierigkeit, für den Betrieb in den Münzstätten wirklich geeignete und verläßliche Männer zu finden. Der Dienst in den Münzhäusern war alles andere als verlockend; wenn aber ein Bewerber ein gutes Angebot machte, wie z. B. der später zum Freiherrn von Chaos erhobene Johann Konrad Richthausen, wurde er von der Behörde gleich mit Mißtrauen betrachtet. Aber Richthausen bewährte sich; er wurde nicht nur Münzmeister in Brünn und seit 1648 auch in Wien, sondern 1659 sogar Oberstkammergraf in den niederungarischen Bergstädten. Er war aber nicht nur ein guter und tüchtiger Beamter, er war auch ein Wohltäter der Stadt Wien, insbesondere durch seine Chaos'sche Stiftung; das in der Kärntnerstraße erbaute Stiftungshaus für Waisenknaben wurde 1875 leider demoliert. Im übrigen war Richthausen, der 1663 zu Schemnitz in Ungarn verstarb, auch noch einer der namhaftesten Alchimisten seiner Zeit, obwohl diese uralte Kunst der „Goldmacherei" langsam vor der exakten Wissenschaft der Chemie zu verblassen begann. In der Münzgeschichte aber machte er sich dadurch einen Namen, daß höchstwahrscheinlich auf seinen Antrag der Feingehalt des Talers und seiner Teilstücke von 14 Lot 1 Quentel auf 14 Lot herabgesetzt wurde, wodurch das alte Privilegium des Quentchens in Anspruch genommen wurde. Diese scheinbar minimale Verminderung des Korns ergab in der Masse nicht nur eine bedeutende Ersparung an Silber, sondern sie verhinderte auch die von der Mehrzahl der deutschen Münzstände bisher vorgenommene, sehr gewinnreiche Umprägung der habsburgischen Taler in mindere Scheidemünzen oder schränkte sie zumindest ein. Wenn man das Münzwesen Ferdinands III. überblickt, so ist eigentlich trotz aller Bemühungen nirgends ein wirklicher Fortschritt, sondern fast überall das Gegenteil festzustellen. Die Zeit arbeitete dagegen. Das durch den großen Krieg ausgelöste Chaos konnte nicht entschärft, die durch ihn entfesselten subversiven Kräfte nicht zur Räson gebracht werden. Wie zur Kipperzeit suchten auch jetzt gewisse Kreise durch Metallschie453

bungen groß zu verdienen; einzelne Münzstätten, wie etwa Breslau um die Jahrhundertmitte, standen vor der Schließung. Im Jahre 1653 wurde der schlesische Kammerrat Michael Welly von Sallhausen (Saalhausen) beauftragt, für die Hofkammer in Regensburg, die im Gefolge des Kaisers dort beim „Ewigen Reichstag" anwesend war, ein Gutachten über die Beschaffenheit der Gold- und Silbermünzen und ihren Wert auszuarbeiten. Er konnte feststellen, daß die in Wien, Prag, Breslau und Kremnitz geprägten Sorten die besten von allen seien. Man könnte fast sagen, leider, denn wegen ihres hohen Goldgehaltes wanderten alle Dukaten jenseits der Grenzen sofort in den Schmelztiegel. Infolge der Kriegswirren, heißt es weiter, sei die Achtung vor dem Golde, als dem edelsten Metalle hoch gestiegen, da es sich leicht verwerten lasse. Dadurch sei auch der Dukatenkurs im Vergleich zum Talerkurs so hoch hinaufgeschnellt. Bisher aber sei seit hundert Jahren das Verhältnis des Dukaten zum Taler nie höher als das anderthalbfache gewesen. Vielleicht sollte man den Dukaten herabsetzen, meinte Welly. Bei dem Taler dagegen sei der Wert sehr verschieden, bei den kleinen Sorten aber sei diese Verschiedenheit am größten. Die Münzpatente würden überhaupt nicht eingehalten. „Die Goldschmiede werfen die kaiserlichen Taler, weil sie die besten sind, in den Tiegel und machen Silbergeschirr daraus, die Dukaten aber verwenden sie zum Vergolden. Die Goldschlager treiben es aber noch ärger, weil sie Silber und Blattgold für Altäre, Chöre und Orgeln brauchen. Großen Nutzen haben auch die Gold- und Silberwirker." Wir wissen ja, daß die damalige Herren- wie Frauenmode sehr aufwendig war, nicht nur durch ihre Kosten, sondern durch das Edelmetall, das in Stoffe verwebt oder auf sie appliziert wurde, vom Goldschmuck und kostbarem Tafelgerät ganz zu schweigen. Welly schlug vor, neunlötige Zehnkreuzerstücke zu prägen, weil sie im Verkehr gerne genommen, dagegen aber von Goldschmieden und Goldschlagern nicht so leicht verwendet werden würden. Die Ausfuhr von guten Reichsmünzen und Dukaten wie auch das „Brechen" von Münzen müßte verboten werden, die Goldschmiede sollten nur Bruchund Brandsilber verwenden dürfen. Auf Gold- und Silber-Wirkwaren und die entsprechenden Schnüre sollte ein Aufschlag kommen. Dies alles war im Prinzip sicherlich richtig, aber bekanntlich sind Verbote nur ein Anreiz, sie zu umgehen. Richthausen bestätigte in seiner Stellungnahme zu diesem Gutachten dessen Inhalt, meinte aber, daß die darin aufgeworfenen Probleme für das ganze Reich von Interesse seien; sie könnten daher nur auf einem Probations tag gelöst werden. Die (in Regensburg) „anwesende" Hofkammer forderte die in Wien „hinterlassene" auf, weitere Stellungnahmen zu Wellys Gutachten einzuholen, was auch geschah. In ihrer Antwort führte die „hinterlassene" Hofkammer aus, daß die aufgeworfenen Probleme schon wiederholt besprochen, indessen nie entschieden worden seien. Für das Reich solle der Reichstag entscheiden, für die Erblande aber möge man die Angelegenheit nicht aufschieben, sondern einen Partikularprobationstag ansetzen, zu dem alle Wardeine geladen werden sollten, um für alle Münzsorten eine durchgehende Gleichheit in Wert und Güte festzusetzen. Inzwischen solle man von den erbländischen Münzstätten eine Mark von sämtlichen dort geprägten Sorten anfordern, um davon eine richtige Probe machen zu können. Ob es dazu kam, ist unbekannt. Der Reichstag aber entschied in seinem Reichs-Abschied „der Münz wegen" am 17. Mai 1654: „Damit aber auch die hinterbliebene und auf nächstkünftige gemeine ReichsVersamblung verschobene Materien, sonderlich aber die, zu welcher Erledigung ein mehrere Information aus den Kreisen vonnöten, bei künftigem Reichs-Tag desto besser und geschwinder richtig gemachet werden möge, so wollen wir inmittels, wie wir uns mit 454

252. Ungarn, Ferdinand III. Dukaten 1658, Kremnitz

Chur-Fürsten und Ständen deshalb verglichen, an alle kreisausschreibende Kur- und Fürsten und Ständen gnädigste Erinnerungsschreiben ausfertigen und abgehen lassen, damit in puncto moderationis matriculae bei jeden Kreis gebührende Information eingezogen und hiebei dem Reichs-Abschied d. a. 1582 nachgangen, nicht weniger der Münz halben notwendige Probations-Tag angestellt und gehalten, auch in diesen beiden Punkten von jedem Kreis verfaßten Bericht Uns und Unsers lieben Neffen des Kurfürsten von Mainz Liebden bei Zeiten und so bald als möglich . . . nach Frankfurt zu obgemeldten Ordinari-Reichs-Deputation fürderlich überschickt werde . . ." (402 /IV). Also wieder einmal das beliebte Spiel des Verschiebens, weil man infolge der Schwerfälligkeit der Verwaltung zu keiner echten Lösung der Probleme kam. Noch einige Worte über das M ü n z w e s e n i n U n g a r n , dessen Entwicklung kein Ewiger Reichstag Fesseln anlegen konnte. Hier wurden außer in Kremnitz in den Jahren 1631 bis 1645 auch in Nagybänya Münzen im Namen des Kaisers geprägt. In den übrigen Jahren war diese Münzstätte aber im Besitz des siebenbürgischen Fürsten Georg I. Räköczi. Hier galt es ja eigentlich nur, durch die Münzung das kaiserliche Anrecht auf Nagybänya zu erweisen. Denn im Wiener Frieden von 1624 zwischen Ferdinand II. und Gabriel Bethlen war bestimmt worden, daß die von diesem besetzten Bergorte nach seinem Tode wieder an den Kaiser zurückfallen, während die Familie Bethlen im erblichen Besitz der Herrschaft Nagybänya verbleiben sollte. Nach dem Tode Georgs II. Räköczi (1660) fiel die Münzstätte wieder vertragsmäßig an Ungarn zurück, ohne indessen eine ins Gewicht fallende Tätigkeit zu entfalten, was nicht zuletzt — außer natürlich mit der jeweiligen politischen Lage — auch mit der relativ geringen Edelmetallproduktion zusammenhängt. Trotzdem konnte sich die Münzstätte bis 1828 halten. Ungleich günstiger war die Lage in Kremnitz. Zwar hatte auch in den niederungarischen Bergstädten die Produktion nachgelassen, nicht zuletzt infolge der Besetzung und Ausplünderung durch Gabriel Bethlen und Georg I. Räköczi. Aber die in den Bergen ruhenden Gold- und Silberreserven waren noch immer reich genug, um in ruhigen Zeiten eine ausgiebige Prägung zu garantieren, was jedoch nicht hinderte, daß die Münzprägung hier dann und wann stockte, wenn die Bergwerksarbeit in unruhigen Zeiten aus Geldmangel feiern mußte. Diese ungarischen Bergstädte hatten auch im 17. Jahrhundert keineswegs ihr altes Ansehen eingebüßt. Demgemäß hatte auch die Kremnitzer Münzstätte — außer in Zeiten feindlicher Besetzung — kaum je unter Materialmangel zu leiden gehabt. Interessant ist es in diesem Zusammenhange zu beobachten, wie sich im Jahre 1641 eine Münzreduktion in der Türkei auf Ungarn auswirkte. Zu Ende dieses Jahres forderte die Wiener Hofkammer von der niederösterreichischen Buchhalterei ein Gutachten an, 455

wieviel zu Kremnitz innerhalb einer Woche ausgebracht werden könne und welcher Gewinn davon zu erwarten sei. Der „Großtürke" habe nämlich verlangt, in seinem Lande Silber und Gold zusammenzubringen, wodurch es zu der erwähnten Reduktion gekommen sei. Infolgedessen hätten sich bei den Kontributionen große „Konfusionen" ereignet. Früher habe dort der Taler 36 Groschen gegolten, jetzt aber gelte er nur mehr 24, während der Dukaten von 3 fl. auf 1 fl. 18 Groschen gefallen sei. „Die Untertanen", heißt es weiter, „entrichten die Kontributionen und treiben ihren Handel mit Hungerlein, die im alten Wert belassen worden sind. Die Leute haben Taler, können aber kein Brot kaufen, da kein Kleingeld mehr vorhanden ist." Unter Hungerlein sind höchstwahrscheinlich die ungarischen Denare zu verstehen. Etwa eine Woche nach der Anfrage der Hofkammer erstattete die Buchhaltung bereits ihr Gutachten: Man sollte zuerst nur fünfzehnlötiges Bergsilber, die Mark zu 7 % flverwenden. Da es aber mit diesem Bergsilber derzeit nicht klappen wird (wohl wegen der Verhandlungen zwischen Torstenson und dem siebenbürgischen Fürsten), möge man auf Pagamentsilber kalkulieren, das am leichtesten bei den Juden in Mähren zu beschaffen sei. Diese waren zwar mit der Zeit zu einer Landplage und überdies zu erbitterten Konkurrenten der Münzmeister und Münzpächter im Kampfe um das Münzmetall geworden, aber diesmal brauchte man sie eben. Auch rechnete man damals noch nicht mit einem Einfall der Schweden in Nordmähren und Niederösterreich. Die Buchhalterei errechnete bei einer Verwendung von 1000 Mark Feinsilber einen Gewinn von 60—70% bei den Talern; bei den Dukaten dagegen würde dieser sogar mehr als 100% betragen. Die Hofkammer war der Ansicht, daß mit der türkischen Münzreduktion ein Geschäft zu machen sei. Der Mangel an Kleinmünzen habe zu einer verstärkten Ausfuhr der Hungerlein in die Türkei geführt. Dafür wurden Taler und Dukaten aus den von den Osmanen besetzten Gebieten nach Restungarn gebracht, um hier gegen Kleinmünzen umgewechselt zu werden. „Sie verrichten mit 24 Groschen in Hungerlein so viel wie mit einem Reichstaler, weil dieser von 36 auf 24 Groschen valviert worden ist. Mit 38 Groschen in Hungerlein zahlen sie aber so viel, wie mit einem Dukaten", da dieser bekanntlich von 3% fl. auf 1 fl. 18 Groschen valviert worden ist. Umgerechnet war also der Taler in der Türkei nur 72 der Dukaten 114 wert. Von den über diese Angelegenheit eingeholten Gutachten schlägt daher eines vor, große Mengen Hungerlein zu prägen, an die Grenzen zu schaffen und dort gegen Dukaten und Taler einzutauschen. Die Hofkammer pflichtete dem zwar bei, wollte die Probe aber nur mit 500 Mark machen, wobei ein Gewinn von 40% zu erhoffen sei, der aber noch größer wäre, wenn man statt Pagament Bergsilber verwenden könnte, da dieses nur die Hälfte koste. Die eingetauschten Taler und Dukaten aber könnte man nach Kremnitz bringen und aus den Talern neue Hungerlein prägen und damit die Münzkosten decken. Der Kaiser stimmte nicht nur zu, sondern wollte die ganze Angelegenheit rasch in Gang gebracht wissen. Vor allem solle man sich mit der Prägung von Kleinmünzen beeilen und größere Mengen von ihnen herstellen, wozu wenigstens 1500 Mark verarbeitet werden sollten. Der Hofkammer aber wurde ihre Langsamkeit vorgehalten: „ain italienischer Fürst solt dise gelegenhait haben, der würde ihms änderst wissen zu nuzen zu machen". Im November 1643 gab es neue Vorschläge: man solle wegen des Kleingeldmangels die polnischen Volturen, die jetzt 3 Hungerlein gelten, mit 2% ^ publizieren und im Umlauf zulassen. 1646 — die Kriegsgefahr im Osten war durch den Abschluß des Friedens mit Georg I. Rdkoczi so ziemlich gebannt — gingen die Untersuchungen über das ungarische Münzwesen weiter. Am wichtigsten erschien das Verhältnis der groben zu den kleinen Münzen. Da stellte es sich heraus, daß die ungarischen Pfennige (Denare) zu gut aus456

gemünzt wurden. Statt 150 Stück gingen nur 145 auf den Reichstaler; dies sei eine der Ursachen, sie außer Landes zu bringen und umzuprägen. Man mußte daher den Feingehalt verringern. Überdies wurden in Ungarn inoffiziell und heimlich unterwertige Dukaten mit Namen und Bild des Kaisers geprägt. Erwähnenswert ist schließlich noch eine Meinungsverschiedenheit wegen der ungarischen Taler, die sehr „breit", also mit einem größeren Durchmesser als sonst in den Erblanden üblich, geprägt zu werden pflegten. Der Kremnitzer Unterkammergraf Hermann Roth von Rothenfels hatte nun vorgeschlagen, den äußeren unbeprägten Rand fortzulassen, was zugleich eine schnellere Herstellung ermöglichen würde. Auch könnten die kleineren Taler sauberer geprägt werden. Überdies würde man Stempelmaterial ersparen, da dann die Prägeeisen länger aushalten würden. Das Gewicht müßte freilich das gleiche sein wie bisher. Auch möge man der Münzstätte ein Bildnis des Kaisers übermitteln, damit das Münzporträt verbessert werden könnte. Die niederösterreichische Buchhalterei war jedoch dagegen. Die Bevölkerung sei an die breiten Taler gewöhnt und die Einsparung keineswegs bedeutend. In Ungarn hänge man übrigens sehr an alten Gepflogenheiten und Gewohnheiten. Überdies würde man die kleineren Taler auch für geringhaltiger ansehen. Zur Verbesserung des Porträts könne man ein Abbild aus Kupfer oder Wachs nach Kremnitz schicken. Die „hinterlassene" Hofkammer meinte dazu, daß das Größerwerden der Taler seit der Zeit Kaiser Rudolfs II. mit der Nachlässigkeit der Stempelschneider zusammenhänge. Sie war daher anderer Meinung als die Buchhalterei, wenn auch deren Ansicht, daß die Ungarn sehr konservativ seien, zutreffe. Um die breiten Taler pflege man auch Vieh in der Türkei zu kaufen. Die geheimen und deputierten Räte hinwiederum schlugen vor, mit der Angelegenheit bis zum nächsten ungarischen Landtag zu warten. Würde dieser die Verkleinerung annehmen, so könnte das Bild geändert werden. Der Kaiser resolvierte demgemäß am 18. Juli 1653 aus Regensburg, daß man mit der Änderung, wie vorgeschlagen, bis zum Landtag warten solle. Schließlich wurde auch noch über die Härte der ungarischen Dukaten debattiert. Der Kaiser selbst habe ein Stück in vier Teile zerbrochen. In der Folge stellte sich dann heraus, es werde dem Gold, wenn es am besten im Fluß ist, ein aus % Schwefel und 2/3 Kupferstaub gemischtes graues Pulver beigesetzt, wodurch es außen die „hohe" (schöne gelbe) Farbe und die große Härte erhalte. Diese, meint das Gutachten, sei eher zu tadeln als zu loben. Wenn man mit geschiedenem Gold beim Schmelzen ebenso verfahre, erhalte es eine rote Farbe, die aber nur äußerlich sei und im Verkehr bald verschwinde. Man hat sich also unter der Regierung Ferdinands III. des Münzwesens sehr angenommen. Doch auch diesmal waren die äußeren Verhältnisse eben stärker. Ihr von außen kommender Druck aber wirkte sich erst unter Ferdinands Nachfolger Leopold in Form einer neuerlichen Münzkrise nachhaltig aus. Gleichsam am Rande sei noch vermerkt, daß einzelne Münzstätten im Gegensatz zu Kremnitz, dessen Taler um diese Zeit in der Zeichnung sehr roh, ja mitunter barbarisch gestaltet waren, auf ein besonders schönes Gepräge Wert legten. Insbesondere St. Veit zeichnet sich da aus. Das Münzhaus beschäftigte allerdings in Hans Seel, einem Sohn der berühmten salzburgischen Stempelschneiderfamilie, einen der damals selten gewordenen Meister dieses Faches. Schließlich sei noch eine erst unter Ferdinand III. auf den groben Münzen in einzelnen Münzstätten aufgekommene heraldische Neuheit erwähnt. Während es früher bekanntlich üblich war, das Wappen des Landes, in dem sich die Münzstätte befand, 457

entweder im Brustschild des Doppeladlers oder auch unterhalb von ihm in der Umschrift, diese trennend, anzubringen, steht es jetzt meist an der „Oberstelle", das heißt unmittelbar unter der Krone in einer eigenen Umrahmung oder auch in der Mitte der obersten Wappenreihe eines vielfeldigen Schildes. Auch die beiden Nachfolger Ferdinands III., Leopold I. und Joseph I., behalten diesen Modus zum Teil noch bei. Zusammenfassend ist über das Münzwesen Ferdinands III. zu sagen, daß es zwar trotz der Not der Zeit keinen Rückfall in die Katastrophe der Kipperzeit erlitt, aber noch keineswegs gesund und geordnet war. Metallmangel, eigennütziges Münzpersonal und die minderwertigen ausländischen Münzen, gegen die man jetzt ebensowenig aufkommen konnte als vorher und nachher, machten alle ernsten Bemühungen um eine Besserung vergeblich. Die Behebung der zahlreichen Schäden und Übelstände hätte in Friedenszeiten einige Zeit beansprucht, in Kriegszeiten aber war eine Neuordnung des Münzwesens kaum durchführbar. Die Mittel aber, durch die man Abhilfe zu schaffen versuchte, waren von der gleichen Naivität wie früher. Trotzdem gab es auch Verbesserungen, doch nicht in der Methode der Münzpolitik, sondern bloß auf technischem Gebiet durch eine zeitgemäße Modernisierung der Einrichtungen der Münzämter. Dann begann man langsam, wenn auch noch nicht allgemein, die bisher allzuviel geübte Verpachtung der Münzstätten entschieden abzulehnen, da man sie als eines der Grundübel, als Ausgangspunkt der chronischen Verwirrung im Münzwesen erkannte. Die Pächter dachten nur an ihre eigenen Taschen; nebenbei machten sie auch noch dunkle Geschäfte und ließen überdies die kostspieligen technischen Einrichtungen verkommen. Das war endlich einmal eine richtige Erkenntnis, aber sie konnte sich unter Ferdinand III. doch noch nicht durchsetzen. Während etwa der Oberstmünzmeister in Böhmen Ulrich Adam Poppl von Lobkowitz gegen die Verpachtung Stellung nahm und für seine Ansicht auch handfeste Gründe anführen konnte, hielt der Kaiser noch am alten System fest und verursachte durch seine auch von anderen geteilte Ansicht, daß man den Pachtzins nicht entbehren könne, schweren Schaden. Man steckte aber den Kopf in den Sand und stemmte sich gegen alle Neuerungen, weil sie mit mehr Arbeit verbunden waren, und nicht zuletzt auch gegen die Verantwortung, die mit der Eigenregie untrennbar verbunden war. Dieses Argument entbehrte nicht einer gewissen Berechtigung, denn das Odium der schlechten Münzen haftete ja an den Pächtern, nicht aber an der Regierung. Andererseits wurde aber gerade durch das starre Festhalten an dem alten System eine grundlegende Gesundung des Münzwesens erschwert. Solange man überdies an der Theorie festhielt, daß Metall- und Nennwert einander zu entsprechen hätten, mußte bei einer ordnungsgemäßen Ausbringung der Münzen jede Münzstätte passiv arbeiten. Leider gab es für den Metallhandel in den Erbländern keine einheitliche Regelung, auch ließen sich die Vorschriften verschieden interpretieren. Der Metallkauf war für die Münzmeister in den Erblanden zwar frei, doch sollte einer den andern dabei nicht behindern oder gar schädigen. Zum Teil waren auch bestimmte Gebiete oder Städte für diesen oder jenen Münzmeister ausgenommen. So z. B. Wien für Richthausen, der während seiner Tätigkeit in Brünn gegen dieses Verbot verstieß und überdies das aufgekaufte Silber dann nicht verarbeitete, sondern ins Ausland weiter verkaufte. Daher opponierte man in Wien eine Zeitlang heftig gegen seine Bestellung als Wiener Münzmeister. Aber Richthausen war ein Günstling des Kaisers. Er wurde also nicht nur Münzmeister in der Residenzstadt, sondern erhielt sein Amt sogar zu den besten Bedingungen. Als Münzmeister in Wien aber sah er selbst nur zu bald mit eigenen Augen, was die früher von ihm selbst praktizierte Verschiebung des Silbers für seinen eigenen Betrieb bedeutete. Im 458

Jahre 1649 hatte der Augsburger Bürger Martin Seitz zwecks Anfertigung von Geschenken an die Türken einen Paßbrief auf 1200 Mark Silber erhalten. Richthausen war der Ansicht, daß Seitz die nötige Menge beachtlich überschritten habe und nahm ihm das ganze Silber wieder ab. Es wurde allerdings sogleich die Rückgabe angeordnet und Richthausen angedroht, man werde ihn zur Verantwortung ziehen, wenn die Präsente nicht rechtzeitig fertig würden. In diesem Punkte verstanden die Osmanen nämlich keinen Spaß. Schuld an dem häufigen Metallmangel war aber zum Teil auch die Überalterung der technischen Einrichtung mancher Münzstätte. Solche Betriebe arbeiteten langsam und mit weit größeren Kosten als die modernisierten, die ihrerseits auch höhere Metallpreise bezahlen konnten. Es kam aber auch vor, daß ein Münzhaus nicht über genügendes Bargeld verfügte, um den Lieferanten prompt auszuzahlen, der daraufhin begreiflicherweise sein Metall an ein zahlungsfähiges Münzamt verkaufte. Liquidität und höhere Leistungsfähigkeit bedingten daher einander. Dies alles hing nicht zuletzt auch von der Erfahrung und Geschicklichkeit des Münzmeisters ab, der ja am Ertrag der Münze beteiligt war beziehungsweise eine feste Besoldung erhielt. Beide Systeme besaßen ihre Schattenseiten. Bei der festen Besoldung konnte es vorkommen, daß der Münzmeister an dem Florieren seines Betriebs kein Interesse hatte, weil es auch eine größere Arbeitsleistung voraussetzte, für die ihm seine Besoldung zu gering erschien. Auf der andern Seite mußte der Münzpächter, um seinen Gewinn konstant zu erhalten oder zu vermehren, beim Metallankauf seine Konkurrenten meist überbieten und infolgedessen zur Verschlechterung von Schrot und Korn seine Zuflucht nehmen. Das Ende war dann meist unrühmlich. Ein klassisches Beispiel dieser Sorte von Münzpersonal waren die Pächter der Breslauer Münze Maximilian von Gersdorf und Georg Reichart, deren Amtsführung eine ununterbrochene Kette von Zänkereien und Widerwärtigkeiten war. Einer nannte den anderen einen Verbrecher, doch beide arbeiteten für die eigene Tasche. Bei der Abwanderung der Dukaten und Taler spielte ihr Feingehalt natürlich eine ausschlaggebende Rolle. Beide konnten von Gold- und Silberschmieden eingeschmolzen und gleich wieder verarbeitet werden, während dies bei den Kleinmünzen unmöglich war, weil ihr Korn unterhalb der für dieses Gewerbe gültigen Mindestfeinheit lag. Man dachte daher oft daran, sich nur auf die Prägung von Kleinmünzen zu beschränken, aber dies erwies sich insbesondere während des Großen Krieges als undurchführbar, zu dessen Führung man gerade der Gold- und der groben Silbermünzen bedurfte. So konnte man etwa Schlachtvieh aus Türkisch-Ungarn nur gegen Taler beziehen; diese Taler aber mußten in Aussehen, Schrot und Korn gleichbleiben, durften keineswegs geändert werden. Deshalb wurde ja auch, wie erinnerlich, der Vorschlag des Kremnitzer Oberkammergrafen, ihren Durchmesser zu verringern, verworfen, damit das Mißtrauen der Handelspartner nicht erregt werde. Was die Prägekosten anlangt, kam die Herstellung von Dukaten und Talern am billigsten. Zwar stellten sich ihre Stempel teurer als die der Groschen und der anderen Kleinmünzen, doch konnte dafür bei der Herstellung des Schrötlings und bei der Ausprägung selbst viel erspart werden. Die Eisenschneider waren entweder festangestellt oder sie erhielten einen nach der Leistung berechneten Lohn. Da der Stempelverbrauch meist sehr groß war, belastete er dadurch die Prägekosten bedeutend. Dies erklärt auch die Existenz vieler Stücke, deren Jahreszahl im Stempel „umgeschnitten", also auf das folgende Jahr abgeändert wurde; auch die zahlreichen mit gesprungenen oder sonstwie verdorbenen Stempeln geprägten Münzen sind darauf zurückzuführen, da ja die Pächter die Stempelschneider aus eigener Tasche bezahlen mußten. 459

Die allgemeine Unehrlichkeit des Münzpersonals beschränkte sich nicht nur auf die leitenden Beamten; sie ist ein trauriges Kapitel der Münzgeschichte Österreichs und anderer Länder dieser Zeit. Alle diese Betrügereien kosteten nicht nur den Fiskus große Summen, sondern brachten auch der Bevölkerung und der Wirtschaft erheblichen Schaden. „So wurden z. B. Pachtzinse nicht gezahlt, bei der Ausschrotung wurde die Stückzahl erhöht, Metall wurde abgeknappt, angekauftes Material wurde nicht in der Münze verarbeitet, sondern mit größerem Gewinn weiter abgegeben usw." (504a). Das war ein Symptom des ganzen Zeitalters, nicht nur eine Eigenschaft der Münzämter. So hatten sich die Hoffnungen, die man an die Person des Siegers von Nördlingen bei seinem Regierungsantritt geknüpft hatte, auch im Münzwesen nicht erfüllt. Keineswegs durch eigenes Verschulden oder Unfähigkeit, sondern einfach durch die erdrückende Übermacht unberechenbarer oder nicht vorauszuahnender Umstände. Die Flut der Erlässe und Edikte war groß, ein Zeichen, daß man die Hände nicht in den Schoß legte; noch größer aber war die Not im Lande, weil man sich über alle diese papierenen Gebote und Verbote gleichgültig hinwegsetzte und der Regierung die Möglichkeit fehlte, deren Einhaltung durchzusetzen. Die Salinen-Arbeiter des Salzkammergutes z. B. erhielten ihren Lohn in minderwertigen Münzen, für die die Bauern auf den Wochenmärkten nichts verkauften; die Weinbauern wiederum bekamen von den deutschen Weinhändlern für ihren Wein gleichfalls nur geringhaltiges Geld. Auf den großen Märkten pflegte man zwar für gutes Geld einzukaufen, die fremden Händler aber bezahlten in Österreich mit schlechtem ausländischen Geld und brachten die guten für ihre Waren empfangenen Münzen in ihre Heimat zurück. Es war ein Circulus vitiosus, aus dem es keinen Ausweg gab. Es wurde alles mögliche gegen die Sturmflut des schlechten fremden Geldes versucht, aber alles war vergeblich. Schon im November 1637 hatten sich Handelsleute bereit erklärt, in ihren Wiener Niederlassungen das schlechte Geld zu einem etwas geringeren Kurs gegen gutes einzutauschen. Die Hofkammer aber nahm dieses Angebot auf Grund eines wohldurchdachten Gutachtens der niederösterreichischen Buchhaltern nicht an, denn man hatte erfahren, welch gutes Geschäft diese Händler bei der Umwechslung gemacht hätten. Sie wollten nämlich die Münzen in Gegenden bringen, wo sie noch den vollen Kurs dafür erzielt hätten. Überdies bezweifelte man die Ehrlichkeit dieses auf den ersten Blick so verlockend erscheinenden Angebotes. Aber nicht nur die ausländischen, sondern auch die eigenen Münzen machten der Hofkammer zu schaffen. Vor allem waren die Groschen der einzelnen Münzstätten nicht gleichhaltig, da sie in Graz, St. Veit und Hall schlechter ausgebracht würden als sonst im Lande. Die Münzstätten im ehemaligen Innerösterreich unterstanden zwar der innerösterreichischen Hofkammer in Graz, doch hätte man trotzdem von Wien aus Ordnung schaffen können. Nicht so in Tirol, wo die Witwe Leopolds V. bis 1638 die Groschen ihres verstorbenen Gatten weiterprägen ließ. Diese Groschen aber waren an Schrot und Korn verschieden und trugen zu allem Überfluß keine Jahreszahl. Wie sollte man also dieser Münze angesichts der aus diesem Grund nur schwer feststellbaren Unterschiede administrativ beikommen? Auch bei den schon erwähnten Taler- und Dukatenkursen gab es Differenzen. Diese Unterschiede aber hatten insofern keine größere Bedeutung, weil sie als Schutz gegen die Abwanderung gedacht waren und auch auf die Handelspartner Rücksicht nahmen. Die im Verhältnis zum Silber wertmäßig außerordentlich reiche Goldprägung des 17. Jahrhunderts erreichte unter Ferdinand III. ihren Höhepunkt. Insbesondere schlug man große Goldstücke, meist in Talergröße in verschiedener Gewichtsabstufung vom 460

15-Dukaten-Stück abwärts. Meist wurden Talerstempel auch f ü r diese Goldabschläge verwendet; in Wien und Prag gibt es auch eigene Stempel für diese großen Goldstücke. Diese Prägungen wurden sowohl zu repräsentativen Zwecken und zu Geschenkzwecken als auch als Kurantmünzen verwendet. Vor allem in Ungarn spielten die Zehndukatenstücke vom Talerstempel im Geldumlauf dieses Jahrhunderts eine bedeutende Rolle. Daneben gab es, wie schon oben angeführt, auch Goldabschläge von kleinen Norminalen, sogar von Pfennigen. Sie wurden teils für besondere Anlässe, wie Geburt, Taufe, Hochzeit, als Schützenpreise und ähnliches verwendet. Aber auch als Anerkennung für Offiziere und Mannschaftspersonen für ihre Leistungen im Großen Kriege. Hierfür spricht auch die Staffelung vom fünfzehnfachen bis zum Achteldukaten. 5. Leopold I. — Die „kleine Kipperzeit" Zum Nachfolger Kaiser Ferdinands III. war ursprünglich sein ältester Sohn Ferdinand IV. bestimmt gewesen, der 1647 zum König von Böhmen, im Jahre darauf zu dem von Ungarn gekrönt wurde, 1653 auch die Krone des Heiligen Römischen Reiches zu Regensburg empfing. Er war die Hoffnung seines Vaters gewesen, starb jedoch schon 1654 an den Blattern. Wir besitzen von ihm außer den goldenen und silbernen Denkmünzen auf diese drei Krönungen nur Kleinmünzen für das Herzogtum Teschen aus seinen beiden letzten Lebensjahren. Der Zweitälteste Sohn Leopold Ignatius, ursprünglich für den geistlichen Stand bestimmt, war beim Tode seines Vaters erst 17 Jahre alt. Er besaß zwar keine besonderen geistigen Fähigkeiten, dafür wurden ihm hervorragende Charaktereigenschaften nachgerühmt, die ihm über die sich immer mehr anhäufenden Schwierigkeiten seiner fast ein halbes Jahrhundert währenden Regierung immer wieder hinweghalfen. Im Juli 1658 wurde er trotz vielfacher Gegnerschaft gegen das Erzhaus bereits zum Kaiser gewählt. Der einzige Lichtblick und auch eine gewisse Erleichterung für seine Regierung war der Heimfall Tirols im Jahre 1665 nach dem Aussterben der leopoldinischen Linie. Nunmehr waren alle Länder der deutschen Habsburger in einer Hand vereinigt. Aber es ging nicht um diesen Machtzuwachs allein, sondern der T o d des Erzherzogs Sigmund Franz befreite den Kaiser auch von vielen Schwierigkeiten, welche die intransigente Haltung dieser letzten Seitenlinie den Zentralbehörden auf monetärem Gebiet immer wieder bereitet hatte. Tirol bildete also im Gefüge des habsburgischen Imperiums keinen Fremdkörper mehr, der sich hemmend und störend den monetären Erfordernissen und Maßnahmen immer wieder in den Weg stellte. Dieses, wenn auch administrativ auf 461

255. Tirol, Leopold I. % Taler o. J., Hall

256. Tirol, Leopold I. Groschen 1667, Hall

viele Länderkammern aufgeteilte, habsburgische Machtgebiet bedurfte beim Regierungsantritt Leopolds mehr denn je nicht zuletzt im Münzwesen einer straffen Einheitlichkeit. In Frankreich hatte der um zwei Jahre ältere Ludwig XIV., der „Sonnenkönig", schon im Jahre 1643, zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter Anna von Österreich, die Regierung angetreten. Kardinal Mazarin war es gelungen, im Lande die feudalen und partikularistischen Gewalten zu bändigen und die zentrale Machtstellung der französischen Krone endgültig zu sichern. Dazu kamen dynastische Verbindungen mit Spanien und auch mit Österreich. Die drei Höfe waren miteinander verwandt. Ludwig und Leopold waren beide Enkel Philipps III. von Spanien, beide waren Schwiegersöhne Philipps IV., also gleichzeitig Vettern und Schwäger. Um Spanien, dessen Herrscherhaus aus dem Blute Kaiser Karls V. dem Ende zueilte, mußte es daher trotz aller vertraglichen Vorrechte der österreichischen Habsburger, früher oder später zu einem blutigen Konflikt kommen, denn Frankreich war nicht gewillt, sich ständig von den beiden Reichen des Hauses Habsburg in die Zange nehmen zu lassen. Nicht minder bedrohlich sah die Lage der Monarchie im Nordosten aus, wo der Schwedenkönig Karl Gustav X., nachdem er sich der Hilfe des brandenburgischen Kurfürsten versichert hatte, in Polen einfiel. Dieser nördliche Nachbar aber war für die kaiserliche Politik ein „wichtiger Teil jener Sicherungen, die im Zusammenhang mit Ungarn und Siebenbürgen gegen die Türken notwendig waren". An beiden Fronten entzündete sich der Krieg, im Westen wie im Osten. Es ging da um die Erhaltung der Großmachtstellung des Habsburgerreiches und zugleich auch der Kaiserkrone, mehr aber noch um den Schutz des Abendlandes vor dem Erbfeind der Christenheit. Die Wirkung dieser nun gegen Österreich gerichteten furchtbaren Zange aber verschärfte sich dadurch, daß Frankreich sich nicht entblödete, wie schon zu den Zeiten König Franz' I. in seinem Kampfe gegen Karl V., mit der Pforte zu sympathisieren, ja sie geradezu als einen wertvollen Kampfgenossen gegen Kaiser und Reich zu empfinden. Der riesige Aufwand für diese Kriege führte sehr bald nicht nur zu einer riesigen Staatsschuld, sondern auch zu einem sich ständig weiter verschlechternden Münzwesen. Zu allem Überfluß stand in dieser mehr als kritischen Zeit an der Spitze der österreichischen Finanzverwaltung ein Mann, der zwar das besondere Vertrauen des Kaisers genoß, jedoch seinem verantwortungsvollen und schwierigen Amte weder gewachsen noch dessen würdig war: Ludwig Graf S i n z e n d o r f . „In barocker Maßlosigkeit" hat dieser „alle Möglichkeiten persönlicher Bereicherung ausgeschöpft und dadurch dem Staate, wie später nachgerechnet wurde, rund 2 Millionen Gulden Schaden zugefügt. Im Jahre 1680 wurde ihm wegen Mißbrauch der Amtsgewalt, Meineid, Diebstahl, Unterschleif

257. Schlesien, Leopold I. y 4 Taler 1664, Breslau

258. Schlesien, Leopold I. Gröschel 1705, Breslau

und Erpressung der Prozeß gemacht, von dessen wirtschaftlichen und diffamierenden Folgen ihn noch im selben Jahre der Tod befreite" (415). Sinzendorf stand auch an der Spitze des auf Rat des großen Merkantilisten Johann Joachim B e c k e r ins Leben gerufenen Kommerzkollegiums, das als Zentralbehörde seinen Wirkungskreis über die gesamten nichtungarischen Erblande erstrecken sollte, dessen Tätigkeit jedoch niemals richtig zum Tragen kam. Erst das Universalkommerzdirektorium unter Maria Theresia konnte Beckers Gedanken in hohem Maße verwirklichen. Die Mißwirtschaft in den kaiserlichen Finanzen war aber keineswegs allein die Schuld des verbrecherischen Hofkammerpräsidenten. Man hatte schon vorher in Wien kein richtiges Verständnis für die Fragen und Probleme des Geldes besessen. Auch fehlte es schon seit langem am ernstlichen Willen, Ordnung in das Kammerwesen zu bringen. Man „wurstelte" eben auf dem gewohnten Wege weiter. Auch das Münzwesen hatte sich ja seit der Kipperzeit bekanntlich nicht mehr so recht erholen können. Nun setzten zwar gleich zu Beginn der Regierung Leopolds I. Reichsmünz-Reformbestrebungen ein, doch war ihnen ebensowenig ein Erfolg beschieden wie jenen des 16. Jahrhunderts. Nicht zuletzt war auch das kaiserliche sogenannte ,Münzeinrichtungswerk' von 1659 kaum geeignet, diese Bestrebungen zu unterstützen und ihre Durchführung zu ermöglichen. Wir erinnern uns, daß es seit der Einstellung der Kipperwährung wohl wieder gute Taler und dessen Teilstücke (y 2 und %) gab, aber von ihnen zu den Kleinmünzen gab es keine Verbindung, da diese nur im Werte vom Groschen (3 Kr.) abwärts geprägt wurden. „Mittelwerte, also höhere Kreuzerwerte als den Groschen gab es nicht, weil ihre Herstellung in der Güte der Taler, zu der man sich in der Befangenheit des metallistischen Denkens dieser Zeit verpflichtet fühlte, zu teuer gekommen wäre" (419 a). Den Gedanken der „von Rechts wegen unterwertigen Scheidemünze" (419 a) hatte man theoretisch noch nicht erfaßt; man prägte daher die Kleinmünzen auch weiterhin in Silber aus und vergeudete hier dieses Edelmetall, anstatt es dem Feingehalt der groben Sorten zugute kommen zu lassen. Schon der Taler des ,Münzeinrichtungswerkes' von 1659 war gegenüber dem Reichsfuß geringer; er entsprach nämlich der bisher in Tirol üblichen leichteren Ausprägungsnorm. Dieser leichtere Taler wurde nunmehr in den habsburgischen Ländern einschließlich Ungarns einheitlich ausgebracht und blieb „die verpflichtende Norm für die großen Währungsmünzen Österreichs" bis zur Einführung des Konventionsfußes durch Maria Theresia. Wenn aber schon die Hauptmünze leichter geprägt wurde, mußte natürlich bei den 463

kleinen Geldsorten der nämliche Weg eingeschlagen werden. Am 28. März 1659 erging ein Kaiserliches „HandbriefFel" an den Grafen Wolf von Wagensperg, wonach unter anderem zwei neue Münzsorten zu prägen waren, nämlich Fünf^ehner und Sechser (15 und 6 Kreuzer, gleich einem Viertel- und einem Zehntelgulden), eine Einführung, die nicht nur dem leopoldinischen Münzwesen ein ganz besonderes Gepräge gab, sondern sich auch über die Landesgrenzen hinüber folgenschwer auswirkte, denn die beiden Sorten wurden in riesigen Mengen ausgebracht, die sogar der berühmte Prediger A b r a h a m a S a n t a C l a r a in seinem ,Merks Wien' öffentlich anprangerte. Obwohl sie als Mittelwerte gedacht waren, hätten sie eigentlich in der Güte der Talermünze ausgeprägt werden müssen; sie folgten aber unlogischerweise dem Fuße der Kleinmünzen. Und als auch andere Münzstände, so die schlesischen Herzoge und die Erzbischöfe von Olmütz und Salzburg diese Neuerung mit Begierde aufgriffen, war sogleich eine Scheidemünzkrise da, die nicht weniger als ein Vierteljahrhundert andauerte. Gewiß, die neuen Sorten waren ursprünglich mehr als Schutzmittel gegen die fremden schlechten Münzen gedacht. Aber die Mengen, die insbesondere während des Türkenkrieges von 1663/64 hergestellt werden mußten, legen leider den Gedanken nahe, daß ihre Prägung endlich den gesuchten Weg wies, auf dem man sich rasch und billig vermehrte Einnahmen in barem Geld verschaffen konnte. In der Tat verursachte die Prägung der Fünfzehner und Sechser unter allen Scheidemünzen die geringsten Kosten und auch geringere Arbeit, zumal für ihre Prägung fast überall „Druckwerke" zur Verfügung standen. Wo diese noch nicht vorhanden waren, sollten sie auf kaiserlichen Befehl sofort eingerichtet werden. Der Profit des Staates war evident. „Während man in Talern aus einer Gewichtsmark Feinsilber nur 16 Gulden und 42 Kreuzer im Geldwert ausmünzen konnte, waren aus demselben Silberquantum 18 Gulden 30 Kreuzer in Fünfzehnern und Sechsern zu erzielen, also ein Gewinn von fast 3 fl. Das ergab angesichts der Massenerzeugung ganz beträchtliche Summen. Alle Produktionsstätten wurden herangezogen, die sieben alten Münzstätten in den österreichischen Erblanden, in Böhmen und Ungarn und als achte die eigens zu diesem Zwecke errichtete Münzstätte Neuburg am Inn, mit dem Standort in dem gegenüberliegenden österreichischen Orte Wernstein. Diese Münzstätte verdankte ihre Entstehung nicht zuletzt dem Umstände, daß die von Prag und Breslau zu entlegen waren, „undclas dort gemünzte Geld nicht ohne Gefahren und große Kosten zur Armee gebracht werden" (419 a) konnte. Wien allein vermochte den Riesenbedarf nämlich nicht zu bestreiten. Neuburg bestand nur zwei Jahre (1664/65) und prägte nur Fiinf^ehner und Sechser. Der Ort wurde später die Münzstätte der Grafen von Sinzendorf, sowohl des berüchtigten Georg Ludwig als auch seines Sohnes Philipp Ludwig und später seines Enkels Johann Ludwig. Leider fließen die archivalischen Quellen über das Münzwesen unter Leopold I. nur recht spärlich. Immerhin ließ sich feststellen, daß in der Hauptmünzstätte Wien in den entscheidenden Jahren von 1659—1665 nicht weniger als 28% Millionen Stück Fünf^ehner geprägt worden waren, was einem Geldwerte von 7 Millionen fl. entsprach. Dem Kaiser brachte diese Prägung einen um rund 1 y 2 Millionen höheren Gewinn, als es bei Talern möglich gewesen wäre. Dagegen „haben sich z. B. die Kontributionen in den ersten zwei Jahrzehnten der Regierung Leopolds I. um einen durchschnittlichen Betrag von 4 Millionen Gulden bewegt, sind aber für die zwei ersten Jahre mit einer noch geringeren Höhe anzusetzen" (419 a). Wie richtig gesagt wurde, sind die Fünf^ehner und Sechser ein „richtiges Kriegsgeld". Sie wurden wohl in erster Linie für den Truppensold verwendet, und in dieser Sicht war ihre „Erfindung" (der eigentliche Urheber ist unbekannt) eine geradezu geniale Idee. Mit der Moral mußte man es in dieser Zeit höchster Gefahr nicht so genau nehmen, und es konnte 464

259. Kärnten, Leopold I. Taler 1682, St. Veit

260. Kärnten, Leopold I. y 4 Taler 1704, St. Veit

261. Neuburg am Inn, Leopold I. Groschen 1665, Neuburg am Inn

262. Österreich, Leopold I. XVer 1661, Wien

263. Schlesien, Leopold I. XVer 1677, Brieg

264. Kärnten, Leopold I. 6er 1670, St. Veit

265. Steiermark, Leopoldi. Xer 1682, Graz

späterhin der Wiener Münzmeister Matthias Mittermayer von Waffenburg mit ruhigem Gewissen sagen, „daß der gemeine Mann nicht zu erkennen oder zu wissen von nöthen hat, daß gewisse Münzsorten schlechter als vorhin gemacht werden". Dies entsprach wohl der Auffassung der Zeit, trotzdem bat er als vorsichtiger Mann 1693, daß man die neuen Groschen nicht mit seinem Münzzeichen, dem liegenden Doppel-M, versehe. Es wird angenommen, „daß die erste Fünfzehner-Prägung vor 1665 vorzugsweise der Finanzierung des sogenannten kleinen Türkenkrieges gedient habe" (419 a), der mit dem großen, aber nicht entscheidenden Sieg des Feldmarschalls Raimund Grafen Montecuccoli bei St. Gotthard (Ungarn)-Mogersdorf (Steiermark) an der Raab am 31. Juli 1664 endete. Formal fand dieser Feldzug durch den im September desselben Jahres verkündeten Frieden von Vasvär seinen Abschluß. Die Spitze der oben erwähnten „inflationistischen Emission mit einer Kapazität von 9% Millionen Stück oder rund 2% Millionen Gulden" wurde nämlich gerade in dem Entscheidungsjähre 1664 erreicht. In Zukunft zog man jedoch das Münzwesen nie mehr in diesem Umfange zur Deckung der Kriegskosten heran, nicht einmal in den Tagen höchster Not des Jahres 1683. „Vielleicht ist die ein Jahr nach dem Kriege erfolgte Einstellung der neuen Münzsorten nicht nur auf die zunehmenden Klagen über die Überschwemmung mit kaiserlichen Fünfzehnern zurückzuf ühren, sondern auch dadurch mitbegründet gewesen, daß die Beendigung des Krieges eben wieder ein finanzielles Aufatmen und eine Revision der monetären Notstandsmaßnahmen gestattete" (419 a). Aber auch die Klagen der deutschen Münzstände mußten berücksichtigt werden, denn diesmal revanchierte sich Österreich bei den Nachbarn mit geringen Münzen. Vor allem in Süddeutschland, dessen Kreuzerwährung der Verbreitung sehr günstig war, machten sich die Fünfzehner breit. Doch auch in die norddeutschen Talerländer waren sie eingedrungen, wo sie 1/6 Taler, 1/4 Gulden oder 4 Groschen galten. Ihr massenhaftes Auftreten führte daher 1665 auch zu einer Devalvierung. Es gab aber auch in Österreich selbst gewichtige Bedenken gegen eine Fortsetzung der Ausmünzung dieser Sorten. Ihr billiger Münzfuß konnte nur beibehalten werden, wenn der Talerwert, der in dem Zeitraum von 1626 bis 1659 von 90 auf 93 Kreuzer gestiegen war, durch die Weiterprägung nicht beeinflußt wurde. Das heißt mit anderen Worten, daß dieser Kurs gegenüber den verschlechterten Kleinmünzen nicht anstieg, was jedoch bei dem fortdauernden metallistischen Denken unmöglich war, das jede Münze ungeachtet ihres Nennwertes nach dem Metallwert einstufte. Da man aber offiziell am alten Talerkurs festhielt, war naturgemäß die Ausprägung von besseren Sorten schon deshalb unmöglich geworden, weil sie sonst durch schlechtere wieder aufgekauft worden wären. Dies erklärt, weshalb es auf lange Zeit hinaus nur wenige Jahre gibt, in denen noch 466

266. Kärnten, Leopold I. Groschen 1666, St. Veit 267. Böhmen, Leopold I. Groschen 1703, Prag

266

267

268. Böhmen, Leopold I. y 4 Taler 1663, Joachimsthal

Taler geprägt wurden, während in der Hauptsache Groschen und noch kleinere Nominale zur Befriedigung des täglichen Handels und Wandels zur Ausgabe kamen. Auch die Goldprägung ist, wenn man von den üblichen Abschlägen von Silbernominalen absieht, kaum nennenswert. So hat Breslau zwischen 1667 und 1698 die Dukaten von V2 bis V12 unterteilt. Die Gründe für diesen auffallenden Rückgang sind nicht klar erkennbar. Als der Fünf^ebner wieder eingeführt wurde, hat man 1693 endlich durch Erhöhung des Talerkurses auf 105 Kreuzer einen den schon seit 1659 bestehenden Verhältnissen entsprechenden Wertausgleich geschaffen. Die österreichische Maßnahme, neuerlich geringhaltige Mittelwerte einzuführen, war durch eine süddeutsche Münzverschlechterung ausgelöst worden. Es war eine Art Notwehr, um die Verdrängung der guten durch diese schlechten Sorten zu verhindern, von denen schon seit mehreren Jahren eine Welle nach der andern die österreichischen Lande überschwemmte. Dabei hatte die Wiener Regierung, wie sich aus den Münzverhandlungen der Reichsdeputation am Kai serhof zu Wien im Sommer und Herbst 1670 ergibt, ihrerseits alles getan, um die Reichswährung durch eine reiche Talerprägung und guthaltige Scheidemünzen aufrechtzuerhalten. In den Jahren 1647—1658 sollen nach ihrer Darstellung allein in Wien und Kremnitz 5,505.720 Stück Reichstaler geprägt worden sein. Der Fuß der kaiserlichen Groschen, sei, so heißt es weiter, dem eines Reichstalers sehr nahegekommen, was allerdings von den drei korrespondierenden Kreisen 1666 angefochten worden war. Groschen und Taler aber wurden nur allzubald wieder das Opfer der angrenzenden fremden Münzstätten; insbesondere sollen sie als Material für die süddeutschen Halbbatzen gedient haben. In den Westen der Monarchie drangen aus süddeutschen und schweizerischen Münzstätten kleinere Scheidemünzen und größere Landmünzen ein, also Stücke, die nur für den internen Umlauf bestimmt und daher der Reichsmünzordnung nicht unterworfen waren. Böhmen, Mähren, Schlesien und Ungarn wurden von polnischen Dreigröschern (Düttchen) und Dreipölkern (1% polnische Groschen, Poltorake) und schlechten kurbrandenburgischen Sorten überflutet. Polens nie sehr hochstehendes Münzwesen war nunmehr durch den unglücklichen Schwedenkrieg von 1655 bis 1660 restlos zerrüttet worden. Diese polnische Münzinvasion bildete späterhin auch ein Motiv für die Wiener Regierung, sich von der Reichsmünzreform auszuschließen. Der große Kurfürst, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, aber prägte zwischen 1662 und 1666 geringe 1/6 und V3 Taler, womit er es im Grunde dem Kaiser, Württemberg und Kurpfalz gleichtat. Aber schon 1667 einigte er sich mit Kursachsen, dem sich alsbald auch Braunschweig-Lüneburg anschloß, in einem Vertrag von Kloster Zinna in Sachsen auf einen eigenen, gegenüber dem Reichsfuß um 1/6 geringeren Taler im Werte von 90 Kreu467

%ern. Der Taler selbst blieb auf dem Papier bestehen; faktisch ausgeprägt wurden nur Sechstel-, Drittel-, und Zweidritteltaler, die ursprünglich als Scheidemünze gedacht gewesen waren. „DerZweidritteltaler dieses Systems, der das bedeutendste Nominale des neuen Münzfußes geworden ist und mit seinem Wert von 60 Kreuzern auch wieder einmal den alten Rechnungsguldenveikätptite, entsprach aber weitgehend der Wirtschaftslage und vor allem der Silberpreisgestaltung, so daß sich die Währungsgrundlage zu ihm hin zu verschieben begann. Damit war aber die geplante isolierte Behandlung des Reichstalers unmöglich geworden" (419 a). Dieser wurde immer seltener und von dem nicht effektiv geprägten Taler von Zinna als Spe^iestaler deutlich unterschieden, wurde er nunmehr seinem höheren Silbergehalt entsprechend auch besser bewertet. Der Zinnasche Münzfuß wurde einmal als „der erste Schritt zur deutschen Münzeinheit" bezeichnet, da es durch ihn „einen großen von der Oder bis zur Weser, von der Ostsee bis nach Böhmen reichenden Landkomplex" gab, dessen Fürsten sich auf die Münzen ihrer Vertragspartner verlassen konnten. Doch die Einheit war nur von kurzer Dauer, denn die kleineren Münzstände prägten ihre Sorten nach einem viel schlechteren Fuß. Man war, um nicht wieder vom schlechten Geld überschwemmt zu werden, daher ebenfalls zu einem noch leichteren Fuße gezwungen, den 1690 in Leipzig zunächst Kursachsen, dann auch Braunschweig-Lüneburg einführte. Gleichviel ob Reichsmünzordnung, ob Zinna, ob Leipzig, eine einheitliche Reichsmünze war abermals nicht erreicht worden, sondern das gerade Gegenteil. Die theoretischen Voraussetzungen erwiesen sich als durchaus unrealistisch. Die alte, hier immer wieder betonte Unfähigkeit, die Existenzberechtigung einer echten Scheidemünze zu erkennen, erwies sich auch jetzt als ein nicht einkalkuliertes Hindernis. Die Koexistenz einer geringhaltigen Kreditmünze (vgl. o. S. 20ff.) und einer vollwertigen Scheidemünze war in dieser Zeit eben noch nicht möglich. Sowohl der Kaiser als auch die Partner im Vertrag von Zinna hatten versucht, die Kreditmünze vom vollwertigen Taler unabhängig zu machen. Es geschah genau das Umgekehrte von dem, was man gewollt und gedacht hatte: der Talerkurs wurde erhöht, ohne daß er dabei fix stabilisiert werden konnte; der Taler entsprach daher infolge dieser Labilität nicht mehr dem Begriff einer Währungsmünze, dessen Stellung nunmehr der eigentlich als Scheidemünze gedachte Gulden einnahm. Im übrigen hatte auch Kurpfalz lange vor Abschluß des Paktes von Zinna schon leichte Gulden als Kreditmünze neben dem unveränderten Reichstaler geprägt. Dieser Gulden war ursprünglich als Währungsmünze gedacht, konnte sich aber in dieser Position nicht behaupten und wurde im Verkehr nach seinem Substanzwert gegenüber dem Reichstaler bewertet. Durch die noch unzeitgemäße Kreditmünze wurde aber der erhoffte und anfänglich auch erzielte Zweck einer billigen Münze doch auf die Dauer nicht erreicht. Die norddeutsche Währung wurde, vom Kaiser angefangen, von einer Reihe süddeutscher Münzstände, aber auch von Hamburg und Köln abgelehnt. Trotzdem drangen die norddeutschen Gulden auch in Österreich ein, vielleicht weil 4 kaiserliche Fünfoehner ( = 60 Kreuzer) weniger Silber enthielten. Im übrigen verwendete man sie übrigens gar nicht ungern bei dem wichtigen Import von Fischen und Fleisch aus dem Osten. Die entscheidende Gefahr war dem Münzfuß von Zinna jedoch aus einer neuen deutschen Münzkrise erwachsen, die in die Jahre 1675 bis 1695 fällt und die Zeit der französischen Raubkriege und des zweiten großen Türkenkrieges umfaßt. Das ist die sogenannte zweite oder k l e i n e K i p p e r z e i t , eine Krise, die das ihr beigelegte Prädikat „klein" sehr zu Unrecht trägt. Sie dauerte nämlich 20 Jähre gegenüber den lumpigen vier der „großen" und stand dieser in keiner Hinsicht nach. 468

Schuld an dieser neuerlichen Münzverwirrung in einer an sich schon katastrophenreichen Zeit trugen aber nicht die äußeren Umstände, sondern vor allem die inneren, die absolute Unmoral. Es handelte sich hier aber keineswegs um eine durch einen dreißigjährigen Krieg und immer wieder neue Belastungen zermürbte Schicht, sondern einer Reihe von Landesfürsten und großen Herren, denen das eigene Ich hoch über Gott und den Mitmenschen stand. Es kam zu einer neuerlichen Hochblüte des Heckenmünzwesens in jenen Münzstätten — wir wiederholen es —, die reichsgesetzlich nicht zugelassen waren, weil sie über kein eigenes Bergsilber verfügten und daher ihr Geld nur unter Kontrolle der Kreismünzstätten hätten schlagen dürfen. Ferner aber gehörten zu dieser Gilde auch jene, „die um des Gewinnes willen nach einem schlechteren als dem Reichs-, Zinnaer und Leipziger Fuß arbeiteten" (1087). Es ist dabei irrelevant, ob sie das Münzrecht des Reiches besaßen oder nicht. „So hatten die Grafen von Sayn-Wittgenstein in Berleburg Silbergruben, durften also in eigener Münzstätte prägen, aber ihre Münzstätten waren Heckenmünzen, weil in ihnen unterwertiges Geld hergestellt wurde" (1087). Ein Sproß dieses Hauses, Graf Gustav, erhielt später den wenig ehrenvollen Beinamen eines „Vaters der Heckenmünzen''. Der Kaiser, Süddeutschland, Hamburg und Köln hatten bekanntlich die neuen Gulden verboten. Um der kaiserlichen Ahndung zu entgehen — das Verbot war 1676 erlassen worden —, setzten die kleinen Münzstände meist diese Jahreszahl auf ihre Münzen, um den Kredit ihrer Gulden zu halten, obwohl sie sie immer weiter verschlechterten. Infolge der Kriege und nicht minder der politischen Uneinigkeit konnten weder Kaiser noch Kurfürsten wirkungsvoll einschreiten, ja sie mußten, da der Silberpreis stieg, selbst ihre eigenen Münzen verschlechtern, um überhaupt Geld für den Truppensold aufzutreiben. Erst als Brandenburg 1687 zu einem 12-Taler-Fuß überging, der 1680 vom Kaiser wie auch von Sachsen, Braunschweig und Hannover und nach und nach auch vom übrigen Deutschland angenommen wurde, kam die große Wende. Seit 1688 gingen der Kaiser und die größeren Fürsten so energisch gegen die Heckenmünzen vor, daß diesem Unwesen zwischen 1690 und 1695 ein Ende bereitet werden konnte. Neben den Sayn-Wittgenstein haben sich auch unter anderen die vorarlbergischen Grafen von Montfort schamlos von ihrer Gewinnsucht leiten lassen. Sie alle, wie sie auch heißen mögen, haben sich auf die neuen Münzsorten des Zinnaer Fußes und später dann auf die wiedereingeführten Fünfcehner gestürzt und sie in zahllosen, meist geheimen Werkstätten um- und nachgemünzt. Jede Emission war schlechter als die vorhergegangene, da das ältere Gepräge immer wieder den Rohstoff für die jüngeren Emissionen abgab, wobei bei jeder noch etwas mehr vom Feingehalt abgezwackt wurde. In einer während der kleinen Kipperzeit entstandenen Flugschrift sagt der Münzpächter in zynischer Weise ungefähr: Laß sie nur alle Heckenmünzen zerstören, wir werden doch einen kleinen Ort finden; solange der Krieg währt, kann man alles loswerden, und dann hat man sein Schäfchen ins Trockene gebracht. Er sei, meint der Verleger dazu, für gutes Leben, des Künftigen trösten sich dann die Armen. Aber diesmal gelang es nicht, wie sie gehofft hatten. Denn „die kaiserlichen Kommissar im Verein mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und dem Lüneburger Herzog ließen nicht lange mehr mit sich spaßen. Seit 1688 wurden die Heckenmünzen . . . niedergelegt und deren Herren zur Rechenschaft gezogen: eine Buße von 7 oder 10.000 Gulden ließ sich doch nicht leicht wieder einbringen" (1087). Auch war die Bevölkerung nicht mehr so leicht hineinzulegen. Und wenn man die kaiserlichen Patente und Münzmandate dieser Zeit ansieht, so merkt man, wie wenig Kraft sie auch dieses Mal wie früher und später im allgemeinen besaßen. Nur eine Exekutive, zu der man 469

sich endlich aufgerafft hatte und die das Übel ohne Scheu vor hoher Geburt kräftig an der Wurzel packte und daher allenthalben Furcht vor dieser ungewohnten Energie erregte, konnte durch die rücksichtslos, aber gerechterweise statuierten Exempel das Übel ausrotten. Gewissermaßen kurz vor Torschluß, 1685, suchte auch noch Graf Ludwig Gustav zu Hohenlohe im trüben zufischen,und zwar — weil man damals nicht hinter die Kulissen geblickt hatte — mit ausdrücklicher kaiserlicher Erlaubnis. Diese Genehmigung scheint nämlich erschlichen worden zu sein. Wie immer dem auch sei, dem Grafen wurde am 15. Januar 1685 von der kaiserlichen Kanzlei „die Berechtigung zur Ausprägung von Münzen unter kaiserlichem Stempel" notifiziert. Hohenlohe hatte um das ihm ohne Schwierigkeiten erteilte Privileg gleich vielen anderen seiner Standesgenossen aus purer Gewinnsucht angesucht. Unmittelbar nach Empfang der Urkunde begann er in mehreren Münzstätten, sicher in Mainz, Würzburg, Neustadt und Breuberg unter Rödelheim, vielleicht auch noch in Schillingfürst, Friedberg in der Wetterau und Schwabach in Franken, sofort mit der Prägung von Fünf^ehnern mit dem Brustbild Leopolds I. und dem kaiserlichen Doppeladler. Sie unterscheiden sich von den Originalen nur durch ein dem Grafen eigens vorgeschriebenes Kennzeichen. Das sind die berüchtigten „Hohenlohe'schen Ortsgulden kaiserlichen Gepräges", die sich der kaiserliche Gesandte beim fränkischen Kreise zum allgemeinen Schaden zu schlagen getraute. Daneben ließ dieser gewissenlose Mann in nicht weniger als 14 Münzstätten auch noch süddeutsche Zwölftel (V12 Taler) prägen. Die Hauptmünzstätte hiefür befand sich zu Burgfriedberg in Hessen. Nicht weniger als 66 Stempel verschiedener Jahrgänge zwischen 1685 und 1691 sind bekannt. Die uns hier in erster Linie interessierenden FünfMehner überschwemmten nicht nur einen großen Teil von Deutschland, sondern auch der kaiserlichen Erblande. Die Klagen darüber waren so vehement, daß der Kaiser bereits am 2. November 1685, also kaum zehn Monate nach der Prägegenehmigung das Privileg wieder aufhob, was indessen den weitern Umlauf dieser „Ortsgulden" nicht verhinderte. In Österreich und insbesondere in Wien traf man sie noch 1695 an. Ob das vom Wiener Münzmeister Matthias Mittermayer von Waffenburg in einem Gutachten geforderte Verbot in allen Erbländern „bei höchster Straf" erlassen wurde, ist unbekannt. Als der Kaiser befahl, die Heckenmünzen am Rhein, worunter insbesondere die Hohenlohischen gemeint waren, zu zerstören, hatte der Graf seine betrügerische Münzung bereits eingestellt. Wieviel er daran verdient hatte, wissen wir leider nicht. Der Höhepunkt in dieser Angelegenheit war jedoch, daß Hohenlohe in seiner Eigenschaft als Gesandter beim fränkischen Kreise im Oktober 1690 in Nürnberg einen Vortrag hielt „über die Art, wie dem heruntergekommenen Reichsmünzwesen aufzuhelfen sei", obwohl er selbst einer der prominentesten Totengräber gewesen war. Die Heckenmünzen aber hatten dem Vertrag von Zinna den Todesstoß versetzt. Die 1690 zu Leipzig festgesetzte neue Norm war ebenfalls nur interimistisch, gleichsam als Brückenschlag gedacht. Sie statuierte einen gegenüber dem Reichsfuß um Yz schlechteren Taler. Auch die Nominalausbringung anderer Sorten mußte infolgedessen seit April 1693 erhöht werden. Der Fünfcehner galt von nun an 18, der Sechser 7 Kreuzer, während die kleinen Nominale durch Feingewichtsverminderung in die entsprechende Proportion gebracht wurden. Die Fünf^ehner wurden 1695 wieder auf 17 Kr. herabgesetzt, weil sie im Talerfuß einen Wert von 17,14 Kr. besaßen. Der Wert eines Talers war von ursprünglich 90 Kr. durch den Vertrag von Zinna auf 105 und dann durch Leipzig sogar auf 120 Kr. ( = 2 fl.) gestiegen, ein Kurs, den auch Leopold 1693 anerkannte. 470

269. Ungarn, Leopold I. XVer 1675, Preßburg 270. Ungarn, Leopold I. Vier 1668, Kremnitz

Die neue Leipziger Ordnung aber konnte nur nach restloser Austilgung der Heckenmünzen bestehen. Dies geschah, indem man „die Strafen für unterwertige Nachprägung so hoch ansetzte, daß der mögliche Gewinn das Risiko nicht mehr aufwog. Allenthalben wurden nun die unter dem Fuß von Leipzig im Umlauf befindlichen Sorten verrufen". 1696 wurden in Österreich, trotz der Ausscheidung der besseren Gepräge, rund 4,700.000 Stück unterwertige Gulden oder Siebenschillinger ( = 62,5 anstatt 60 Kr.) eingeschmolzen, ein sichtbares Zeichen, wie stark sich die Heckenmünzen hierzulande verbreitet hatten. Diese Einziehung der schlechten Sorten war in Österreich „noch mit der lokalen Erscheinung von sogenannten Landkreuzern verbunden, die nur im Gebiete des Landesherrn Umlauf hatten". Diese~Landkreu%erboten die einzige Möglichkeit, wenn auch nur in beschränktem Ausmaß, doch noch zu einer „billigen" Münze zu gelangen. In gewisser Beziehung gehörten ja auch die Fünfi(ehner und Sechser zu dieser Kategorie, aber die Landkreuzer von 1695 nannten sich auf dem Gepräge ausdrücklich „Landmünz" und besaßen, um den ihnen zugedachten Zweck zu erfüllen, auch einen entsprechend niedrigen Silbergehalt. Wir kennen solche Landkreuzer aus den Münzstätten Wien, Graz, St. Veit, Prag, Kuttenberg und Oppeln (oder Breslau?). Daneben prägte zur Entlastung der Wiener Hauptmünzstätte, die zu dieser Zeit mit der Verarbeitung der schlechten Gulden überbeschäftigt war, auch der Augsburger Münzmeister Johann Christian Holeisen aus dem ihm von Wien überschickten Feinsilber 2,892.000 Stück solcher Kreuzer mit den zwei Hufeisen als Kennzeichen des Augsburgers. Ihr Rauhgewicht betrug 0,922 Gramm, ihr Feingewicht 0,094 Gramm; die Feinheit betrug also 1019/i6°/oo- Die Wiener Münzstätte münzte in zwei Monaten des gleichen Jahres 575.000 solcher Landkreuzer. Die Prägezahlen der anderen Münzstätten sind nicht bekannt. Man sieht aus dieser kurzen Übersicht, welch schwierige, im Verordnungswege kaum zu bewältigende Probleme einer ruhigen und gleichmäßigen Entwicklung des Silbermünzwesens zu schaffen machten. Dabei war in dieser Zeit die Metallbeschaffung mehr denn je der kritischeste Punkt. Der Ertrag der Bergwerke hatte bekanntlich aus natürlichen Gründen schon lange nachgelassen; sie waren eben nicht unerschöpflich, zudem war auch die Technik des Bergbaues noch nicht so fortgeschritten, daß man in größere Tiefen hätte vordringen können, ohne durch gewaltige Wasser- und Gesteinseinbrüche gefährdet zu sein. Abgesehen von der Gefahr, konnte bei hohen Kosten der ganze Ertrag in Frage gestellt sein. Auch der Entwässerung stellte sich technische Unzulänglichkeit in den Weg. Wie wir bereits erwähnten, stand zu Beginn des 16. Jahrhunderts noch eine riesige Silberausbeute aus Tiroler wie aus ungarischen Bergwerken nicht den Münz471

271. Ungarn, Leopold I. Groschen 1661, Kremnitz 272. Ungarn, Leopold I. Duarius 1703, Kremnitz 273. Ungarn, Leopold I. Vier 1681, Nagybänya

Stätten zur Verfügung, sondern kam den kaiserlichen Bankiers, den Fuggern zu Augsburg und anderen zugute. Im Laufe der Zeit wurde die Silberbeschaffung immer schwieriger, insbesondere in Krisen- und Kriegszeiten, in denen man Riesenmengen dieses raren Metalls bedurft hätte, vor allem für die Löhnung der Soldaten. Die Bezeichnung „Soldat" wurde 1641 zum erstenmal angewendet; sie steht in engstem Zusammenhang mit der Entlohnung, dem „Solde", der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts 4 fl. monatlich betrug. Das sind 240 Kreuzer, für die man 16 FünfMehner benötigte, da ja das Nominale des Guldens zu dieser Zeit nicht effektiv ausgeprägt wurde. 1699 wurde eine neue Ordnung erlassen, wonach der gemeine Dragoner außer seiner „Mundportion" im Sommer täglich 6, im Winter 9 Kr. auf die Hand erhielt, der Infanterist aber bloß 6 % bzw. 5 34 Kr. Vervielfacht man aber diese Zahl mit der wechselnden Mannschaftsstärke des kaiserlichen Heeres, so wird man staunen, welche Quantitäten von Silber für Sechser und Fünf^ehner allein aufgebracht werden mußten. Und das war bloß eine, wenn auch wohl die krasseste Seite des Silberproblems. Nicht unerwähnt soll hier bleiben, daß die Ungunst der Verhältnisse den Staat zwang, sich bei der Geldbeschaffung verschiedenen Bankiers, Lieferanten und Zwischenhändlern anzuvertrauen, welche ihn durch immer gewagtere Finanzoperationen schließlich zu einem völligen Ruin im Geldwesen führten. Namentlich der Tod des Hofjuden und Oberfaktors Samuel Oppenheimer hatte 1703 in Deutschland und in den Erbländern eine förmliche Handelskrise zur Folge, welche die Finanzen des kaiserlichen Staatswesens gänzlich lahmlegte. In den „silbernen" Kleinmünzen der Jahrhundertwende, insbesondere vom Groschen abwärts, die nach längerem Gebrauch ins Rötliche schimmerten, äußerte sich dieses monetäre Debakel auch optisch. Bei den Goldmünzen hatte man bei weitem nicht mit solchen Schwierigkeiten zu kämpfen; hier lag alles viel einfacher. Der frühere rheinische Goldgulden, der im österreichischen Münzsystem zuletzt nur mehr eine ganz untergeordnete Rolle gespielt hatte, war um die Wende zum 17. Jahrhundert ganz aus dem Verkehr verschwunden. Dagegen erhielt der im Gegensatz zu ihm aus fast reinem Golde geprägte österreichischungarische Dukaten „das Monopol einer goldenen Währungsmünze. Er zirkulierte in einer besseren ungarischen und einer etwas weniger feinen österreichischen Type, die seit 1559 auch Reichsgoldmünze war" (419 a). Nur zu begreiflich, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen der leopoldinischen Ära eine starke Nachfrage nach Goldmünzen auslöste und damit ein stärkeres Ansteigen des Kurses als beim Taler hervorrief. Das Jahr 1680 brachte dann unter Leopold I. „einen Höhepunkt in der Entwicklung der bevorzugten Bewertung des Goldes gegenüber dem Silber. Unter diesem Kaiser ist daher der Kurs der österreichischen Dukaten von 183 auf 249 Kreuzer gestiegen" (419a). 472

274. Ungarn, Leopold I. Poltura 1699, Nagybänva

275. Steiermark, Leopold I. Dukaten 1661, Graz

Der Massenerzeugung von Münzen zur Zeit Leopolds entspricht auch die meist große Flüchtigkeit des Bildes der Kleinmünzen. Auch sonst verraten die Münzen oft die Hast ihrer Herstellung. Als dann die Annahme des Leipziger Fußes die Talerprägung wieder ermöglichte, wurde auf deren Ausprägung sowohl in künstlerischer als technischer Hinsicht größere Sorgfalt verwendet. Ihren Höhepunkt erreichte die Münzgestaltung dann, um es vorwegzunehmen, unter den Söhnen Leopolds, Joseph I. und Karl VI. Die Gepräge dieser beiden Kaiser sind oft kleine barocke Kunstwerke. Das Münzamt Wien war jetzt wirklich das Haupt-Münzamt, es hatte die übrigen Münzstätten des habsburgischen Reiches mit Stempeln zu versorgen und wird zu diesem Behufe mit einer Graveurschule und künstlerisch geschultem Personal ausgestattet. Nur das alte Kremnitz bleibt in der Herstellung seiner Stempel noch lange konservativ, bis auch es von den Erfordernissen eines, das ganze Reich und weit darüber hinaus, beherrschenden Kunststiles mitgerissen wird. Das Zeitalter Leopolds I. stand ganz im Zeichen des Merkantilismus. Seine Theoretiker sahen im „Edelmetall und Geld mit Recht Vertreter des nationalen Vermögens, das erst im Sinne des nationalen Wohlstandes zu verwerten war, nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Dieser Zweck aber ist die Erweckung aller produktiven Kräfte des Staates" (1039). Einer der Leitsätze war auch, daß das Geld nicht fruchtlos aufgespeichert werden, sondern im Lande zirkulieren sollte, um einer zahlreichen Bevölkerung Nahrung und Arbeit zu geben. Nun, unter Leopold I. ist das Geld in der Tat „umgelaufen", aber wie die Kriegsgeschichte zeigt, notgedrungen für letzten Endes unproduktive Zwecke. Montecuccolis bekannter Ausspruch, für die Kriegführung benötige man Geld, Geld und noch einmal Geld, hat unter Leopold I. und seinen Söhnen eine erschütternde Bestätigung erfahren. Je weiter Leopolds Regierung fortschritt, desto weniger Ertrag warf das Münzwesen für die Staatsfinanzen ab. Die Wiener Münzstätte erbrachte zwischen 1678—1687 nur mehr den winzigen Gewinn von 60.000 fl., das sind durchschnittlich 3000 fl. pro anno. Und noch viel weniger haben wohl die Provinzmünzstätten abgeworfen. Schuld daran trugen nicht zuletzt die Angleichung des Talerkurses an den inneren Wert der Scheidemünzen und die Silberverteuerung. Der geringe Ertrag wäre vom Standpunkt eines gesunden Münzwesens aus gesehen nur zu begrüßen gewesen; unter den obwaltenden Umständen aber mit dem enormen Geldbedarf des Staates war jeder Groschen mehr von Bedeutung. Im Jahre 1703 hat Prinz Eugen von Savoyen, der die Verhältnisse klar durchschaute, den Ausspruch getan, „daß die Existenz Österreichs in einer bestimmten Lage von bloß 50.000 Gulden abhängen könne, die man aufzubringen imstande wäre oder nicht". 473

276. Steiermark, Josef I. y 2 Kreuzer 1711 (eins.), Graz

277. Kärnten, Josef I. Vi Taler 1707, St. Veit

278. Tirol, Josef I. % Taler o. J., Hall

Die Staatseinnahmen aber waren keineswegs so beschaffen, daß man wie heutzutage ein „Wahrscheinlichkeits-Budget" hätte aufstellen können. Sie flössen aus zwei Hauptquellen, dem „Camerale", dem die landesfürstlichen Güter, Regale und Gefälle angehörten und die in Kriegszeiten nie mit Sicherheit kalkuliert werden konnten, weil ein unerwarteter feindlicher Einbruch in die Erbländer sogleich alle Überlegungen und Berechnungen über den Haufen werfen konnte; weiter kam noch das „Contributionale" mit den eigentlichen Landes- und Kriegssteuern dazu; für diese gilt der Unsicherheitsfaktor natürlich ganz besonders. Das Fehlende wurde durch Anleihen im In- und noch häufiger im Auslande, für die man bis zu 20% und mehr Zinsen zu zahlen hatte, zu decken versucht. Die ausländischen Anleihen waren hauptsächlich auf dem staatlichen Exporthandel fundiert, auf dem Quecksilber von Idria und auf dem ungarischen Kupfer. Für die Kriegskosten standen überdies auch noch die Mittel aus der Reichshilfe und die Subsidien auswärtiger Mächte, vor allem Spaniens und der Kurie, zur Verfügung. Aber dies alles konnte die ungeheuren Kosten eines an zwei Fronten geführten langjährigen Krieges nicht decken, denn sie gingen in die Millionen. 1701 wurde das Erfordernis für den italienischen Feldzug und die gleichzeitige Ausrüstung der Reichsfestungen mit 14 Millionen fl. beziffert, wovon jedoch nur 11% Millionen gedeckt waren. Dieses Defizit von 21/,, Millionen würde sich jedoch bei Aufstellung einer Hauptarmee im Reiche auf mindestens 3 Millionen erhöhen. In den folgenden Kriegsjahren in Spanien gegen Ludwig XIV., in Ungarn gegen Franz II. Rákóczi und seine „Malkontenten" sank der jährliche Militäretat niemals unter 20 Millionen herab. Meist erforderten die militärischen Bedürfnisse sogar 25 Millionen und mehr. Erst der Tatkraft und Befähigung des zum Präsidenten der Hofkammer erhobenen Gundaker Thomas Grafen von S t a r h e m b e r g gelang es gleichsam in zwölfter Stunde eine entschiedene Wendung zum Besseren herbeizuführen. Das Gleichgewicht im Staatshaushalt herzustellen, ist jedoch auch er nicht imstande gewesen. 474

279. Böhmen, Josef I. Groschen 1711, Kuttenberg

280. Ungarn, Josef I. Dukaten 1705, Preßburg

281. Ungarn, Josef I. Poltura 1710, Mzst.?

282. Siebenbürgen, Josef I. Poltura 1707, Hermannstadt

Dies ist nur ein Beispiel für die Systemlosigkeit der Staatsverwaltung. Zwei Jahre später folgte der Zusammenbruch des kaiserlichen Kriegslieferanten und Hauptgläubigers Samuel Oppenheimer. Er zeigte „die katastrophale Abhängigkeit der Staatsfinanzen von den Interessen privater Geldgeber . . . und gleichzeitig die unfaßliche Unzulänglichkeit der Finanzverwaltung . . . Erst nach 20jähriger Prozeßführung stellte man fest, daß der Staat beim Konkurs Oppenheimers gar nicht mehr Schuldner gewesen, sondern durch dessen Bewucherung bereits zum Gläubiger geworden war" (339). Denn der größte Teil der Staatseinnahmen war ihm unter so wucherischen Bedingungen verpfändet worden, daß der Konkurs von Oppenheimers stark verschuldetem Nachlaß dem Staatskredit fast den Todesstoß versetzte. Dieser Konkurs löste 1703 auch die Gründung des Banco del Giro aus, „der aber weniger als richtige Girobank, sondern vielmehr als Institut für die Tilgung der Staatsschulden (meist Oppenheimischer Provenienz) und wohl auch zur Aufnahme neuer Anleihen gedacht war, aber noch im Todesjahr des Kaisers aus Mangel an Vertrauen wieder eingegangen ist". An seine Stelle trat der im Jahre 1705 gegründete Wiener „Stadtbanco", der im März 1706 seine Tätigkeit begann, nachdem er mit dem Banco del Giro vereinigt worden war. Diese „neue städtische Bank sollte den Staat mit ihrem Kredit unterstützen und dessen bisherige und künftige Schulden in fünfzehnjährigen Fristen abzahlen" (235). Da man ihr von privater Seite großes Interesse entgegenbrachte und ihren Kassen gerne Geld gegen die übliche Verzinsung hinterlegt wurde, war sie alsbald in der Lage, „dem Ärar mit bedeutenden Barmitteln auszuhelfen" (235). Die öffentliche Meinung stand durchaus auf ihrer Seite. Die oberste Leitung führte die kaiserliche „Ministerialbancodeputation", an deren Spitze der niederösterreichische Statthalter Graf W e l t z und der Hofkammerpräsident Graf S t a r h e m b e r g gestellt wurde. Der Stadtmagistrat, der die Bank und die von der Hof kammer überwiesenen Gefälle verwaltete, wurde dieser Deputation unterstellt.

So war beim Tode des Kaisers im Jahre 1705 das Münz- und Geldwesen endlich in leidliche Ordnung und jedenfalls in ein der Zeit entsprechendes System gebracht worden. Es ermöglichte den Söhnen, auch die neue Belastung durch den Spanischen Erbfolgekrieg und das Wiederaufflammen des Kampfes gegen die Türken unter der Führung des Prinzen Eugen ruhmvoll und ohne wesentliche Einbußen zu überstehen. 6. Joseph I. und Karl VI. An dem System des Münzwesens hat sich unter den beiden Söhnen Leopolds I., Joseph I. (1705—1711) und Karl VI. (1711—1740), im Grunde nichts geändert. Die im Gefolge des Leipziger Fußes notwendig gewordenen Einführungen der Jahre 1693 und 1695 blieben sogar noch bis ins erste Regierungsjahrzehnt Maria Theresias gültig. Die kurze Regierungszeit Josephs I. — er starb schon 1711 an den Blattern — hat indessen infolge der wechselnden politischen Konstellationen dennoch zwei erwähnenswerte Besonderheiten im Münzwesen aufzuweisen. Wenn auch der Ursprung der beiden zu schildernden Vorfälle noch in die allerletzten Jahre Leopolds I. zurückreicht, so sind sie doch erst unter Joseph I. so recht in Erscheinung getreten. Im August 1704 wurde bei Höchstädt in Bayern Kurfürst Max Emanuel und eine mit dessen bayrischen Truppen vereinigte französische Armee durch Prinz Eugen und Marlborough vernichtend geschlagen und Bayern von den kaiserlichen Truppen besetzt, wo man eine kaiserliche Administration einrichtete. Da nach einem Bericht des kaiserlichen Statthalters Grafen Maximilian Karl von L ö w e n s t e i n - W e r t h e i m R o c h e f o r t infolge der geringhaltigen einheimischen Münzen im Handel und Wandel des Landes große Unordnung herrschte, wurde auf seinen Antrag die Einrichtung einer kaiserlichen Münze in München angeordnet. Das Münchner Münzhaus wurde schon im Juni 1705 besetzt und dort Gold und Silber im Werte von ca. 140.000 fl. und weitere 15.000 fl. in geprägtem Gelde vorgefunden. Löwensteins Vorschlag, daraus Münzen nach kaiserlichem Fuß und Gepräge in Dukaten, Fünf^ehnern, Groschen und Pfennigen schlagen zu lassen, wurde gutgeheißen und dem Statthalter gleichzeitig die „Fortsetzung des Gold- und Silberhandels bei der Münze", also der Einkauf von Pagament aufgetragen. Von den vorgeschlagenen Nominalen wurden nur Dukaten, Groschen und einseitige Pfennige, aber keine Fünf^ehner geprägt, dagegen aber noch Taler, Kreuzer und einseitige Halbkreu^er. Alle diese Münzen tragen als Münzzeichen unter den Schwanzfedern des Doppeladlers einen sechsstrahligen Stern. Die Münzen vom Groschen aufwärts weisen auch das Brustbild des Herrschers auf. Joseph prägte in München von 1705 bis 1711, Karl VI. 1712 und 1713. Von beiden Herrschern gibt es Dukaten-, Taler aber nur von Joseph I. aus dem Jahre 1705 von zwei verschiedenen Stempeln, was auf eine größere Anzahl ausgegebener Stücke schließen läßt. Die Stempel dieses Talers dürften übrigens von dem geschickten, auch als Medailleur sehr fruchtbaren Philipp Heinrich Müller in Augsburg stammen, der zuweilen mit dem Stern signierte. Parallel zu dieser Münchner Prägung ließ Karl VI. 1713 und 1714 zu Augsburg Taler und 1713 einen Halbtaler prägen, die ein Buchstabe A zwischen den Hufeisen des Münzmeisters Holeisen unterhalb der Adler-Schwanzfeder kennzeichnet. Für diese Prägung wurden von Mailand über den Splügen und das spätere Vorarlberg 81.663 Filippi (Pezzi di otto), 200.000 Genueser Kronen sowie 1970 Pistolen gesandt, was dem Betrag von 753.249 fl. entsprach. Die Taler wurden nach österreichischem Fuß ausgebracht, doch sind nur wenige Exemplare davon auf uns gekommen. 476

283. Bayern, Josef I. Taler 1705, München 284. Bayern, Josef I. Groschen 1711, München 285. Bayern, Josef I. Pfennig 1705 (eins.), München 286. Bayern, Karl VI. Taler 1713, Augsburg

Ursprünglich gedachte man in Wien 1706 die Kleinmün2enprägung ganz einzustellen und nur gan^e und halbe Taler auszugeben. Interessant ist hiebei, daß ein Valvationstag in Augsburg bei den Münchner Talern Josephs — da ja Bayern nicht zu dessen Erbländern gehörte — den Zuschlag des privilegierten Quentchens beantragte, damit diese Stücke den sonst in Bayern gebräuchlichen gleichwertig seien. Da aber dadurch bei jedem Taler ein Verlust von 4 Kr. entstanden wäre, sistierte man sofort die geplante Ausprägung von Halb- und Ganztalern und ordnete dafür die Fortsetzung der Ausmünzung der Kleinmünzen nach kaiserlichem Fuß an. Das Erlöschen der spanischen Linie des Hauses Habsburg im Jahre 1700 und der Versuch Leopolds I., das Erbrecht seines Hauses gegenüber dem von Ludwig XIV. erzwungenen Testament Karls II. geltend zu machen, der den zweiten Sohn des französischen Dauphins zum ersten Erben eingesetzt hatte, führte zum Spanischen Erbfolgekrieg. Die gemeinsame Abwehrfront mit Kurbrandenburg, Hannover und den Seemächten England und Holland wurde empfindlich geschwächt, als sich der bayrische Kurfürst Max Emanuel und sein Bruder Joseph Klemens, Kurfürst von Köln, in der Hoffnung auf territorialen Gewinn ebenfalls Frankreich anschlössen. Nicht genug an dem, erhob sich in Ungarn Franz II. Räkoczi gegen den Kaiser, der mit allen Feinden Österreichs, namentlich mit Ludwig XIV., zusammenzuarbeiten suchte. Die neue Bewegung der Kuruzzen — wie sich die Rebellen nach dem großen Bauernaufstand des Jahres 1514 nannten — oder auch Malkontenten, also der Unzufriedenen, verbreitete alsbald weit über die Grenzen von Niederösterreich und Mähren Schrecken und Not; sogar Wien wurde von ihnen bedroht, wo man zur Sicherung seiner Vorstädte den sogenannten „Linienwall" errichtete. Es war ein von äußerstem Fanatismus getragener ungezügelter Partisanenkrieg, der auch von den Anhängern des Kaisers, den Labanczen, mit unerbittlicher Grausamkeit geführt wurde. Er band ansehnliche Teile des kaiserlichen Heeres, 477

287. Ungarn, Josef I. Poltura 1706, Krem-

288. Ungarn, Leopold I. Notpoltura der Stadt Schemnitz 1695

die mit wechselndem Erfolge in Oberungarn operierten, aber lange Jahre hindurch nichts Entscheidendes ausrichten konnten. Die Rebellen hatten 1707 sogar den Kaiser der Krone für verlustig erklärt und bald darauf auch das Haus Habsburg abgesetzt. Erst durch einen entscheidenden Sieg des Feldmarschalls Grafen Sieghart Heister bei Trentschin, dem die Flucht Rákóczis und schließlich nach langwierigen Verhandlungen im Jahre 1711 der Friede von Szatmár folgte, konnte in Ungarn und dem seit einigen Jahren an den Kaiser gefallenen Siebenbürgen die Ordnung wiederhergestellt werden. Es versteht sich von selbst, daß ein Regime, das sich nicht nur fast ein Jahrzehnt behauptete, sondern sich auch zeitweise in den Bergwerken von Kremnitz und Nagybánya festgesetzt hatte, aus den dort gewonnenen Metallen eigene Münzen für die Besoldung seiner Truppen und für die Fortführung dieses Guerillakrieges schlug. Die Malkontenten haben in den Jahren 1703—1707 — je nach dem Fortgang des Krieges — abwechselnd in Nagybánya, Kremnitz, Kaschau und Munkács, einmal sogar in Klausenburg geprägt. Der Ort einer Münzstätte ist noch nicht restlos geklärt, weil ihre Erzeugnisse kein Münzzeichen aufweisen. Auf Grund stilistischer Vergleiche ist man jedoch auf ungarischer Seite geneigt, diese Stücke einer der genannten Münzstätten zuzuteilen. Leopold I. hatte in den letzten Jahrzehnten seiner Regierung als neues Nominale in Ungarn die Voltura eingeführt. Die Bezeichnung ist polnischen Ursprungs und vom Worte Pultrojak = % Dreier abgeleitet. Sie sollte den schlechten polnischen Eindringlingen Paroli bieten. Ihr Wert ist y 2 Groschen oder 1% Kreuzer, 10 Polturen sind daher 15 Kreuzer oder ein Fünfzehner. Schon vor der Jahrhundertwende war eifrig über die Ausprägung von Kupfer-Scheidemünzen verhandelt worden, ohne daß es zu einem positiven Ergebnis gekommen wäre. Diesem Resultat vorgreifend, hatte der Oberkammergraf in den niederungarischen Bergstädten Ludwig Freiherr von T h a v o n a t schon 1695 zu Schemnitz und angeblich auch zu Neusohl Kupfermarken prägen lassen, um den Kleinverkehr zwischen den Bergarbeitern und den Ämtern zu erleichtern. Die Menge dieser Stücke soll so groß gewesen sein, daß sie unter der Bezeichnung Voltura in den allgemeinen Geldumlauf gelangten. Der Kaiser, der dieses selbstherrliche Vorgehen sehr mißfällig aufnahm, inhibierte 1703 die weitere Ausprägung dieser Marken. Es existieren indessen solche Polturen in Kupfer (Schemnitz) und aus wahrscheinlich schlechtem Silber schon aus dem Jahre 1695. Das sind aber richtiggehende Umlaufmünzen mit dem Namen Poltura, dem Brustbild Leopolds I. und der Wertbezeichnung, während die Marken auf der Vorderseite ein gekröntes L über Palmzweigen, auf der Rückseite aber CS (Civitas Schemnicia) und die geteilte Jahreszahl aufweisen. In diesem Zusammenhange sei auch noch erwähnt, daß der Kommandant der Festung 478

289. Ungarn, Leopold I. X Notpolturen der Stadt Leopoldstadt 1705

290. Ungarn, Leopold I. Notmünze der Stadt Eperies 1704

291. Ungarn, Malkontenten unter Franz II. Räköczi. Dukaten 1704, Kremnitz

292. Ungarn, Malkontenten unter Franz II. Räköczi. Gulden 1705, Kremnitz

293. Ungarn, Malkontenten unter Franz II. Räköczi. XX Polturen 1705, Mzst.?

294. Ungarn, Malkontenten unter Franz II. Räköczi. X Polturen 1706, Kaschau

295. Lombardei, Karl III. 7 s Filippo 1707, Mailand

296. Lombardei, Karl VI. Scudo d'oro 1723, Mailand

Leopoldstadt nordöstlich von Tyrnau während der Belagerung durch die Aufständischen 1705 kupferne Notmünzen im Werte von 10 Polturen prägen ließ, die auf der einen Seite verschlungen die Buchstaben LS (Leopoldstadt), auf der Rückseite die Schrift E x NECESSITATE (aus Not) über der Wertzahl X in einer Kartusche aufweisen. 1704 gab das belagerte ( = blockierte) Eperies gleichfalls kupferne Notmünzen mit dem gekrönten L über der Jahreszahl und der Rückseiten-Inschrift EPER./BLOC aus. Sie wurden aus Braukesseln und Kupfersärgen hergestellt und von den Einwohnern als „Plagmünze" geschmäht. Aus zwei Särgen, die der P. Superior der Jesuiten zur Verfügung stellte, sollen Münzen im Werte von 8000 fl. geprägt worden sein. Überdies habe der Stadtkommandant Vilson Kupfermünzen der Malkontenten mit einem kleinen, kaum wahrnehmbaren Doppeladler gegengestempelt, um den Sold zahlen zu können. Es ist indessen bis jetzt davon kein Stück bekannt geworden. Dieses vor kurzem und noch dazu unter recht unerfreulichen Zuständen eingeführte Nominale der Poltura wurde nun gewissermaßen die Währungsmünze der ungarischen Insurgenten. Sie prägten aber auch goldene Dukaten, die sich noch über die Revolution hinaus lange im Umlauf erhielten. Noch nach dem Friedensschluß erlegte die Stadt Wien 6000 Stück dieser Räkoc^i-Dukaten, die zur Ummünzung mit dem Porträt Karls VI. nach Kremnitz gesandt wurden, als Darlehen an die Regierung. Auch Silbergulden und Silberpolturen gaben die Kuruzzen aus. Besonders große Mengen aber schlugen sie aus dem Kupfer der ungarischen Bergstädte: 20 und 10 Polturen mit der Aufschrift P R O L I B E R T A T E und der Wertzahl in Kartusche auf der einen, dem gekrönten ungarischen Wappen auf der anderen Seite nebst der Jahreszahl und eventuell auch mit einem Münzzeichen. Neben diesen beiden höheren Werten gab es noch solche zu 4 und 1 Poltura. Die Münze in Munkäcs wurde vom Fürsten selbst in dieser seiner Festung eingerichtet, wozu Prägewerkzeuge und Handwerker aus Nagybänya geholt worden waren. Es wurde hier eine Großmünzung entfaltet, die aber 1707 eingestellt wurde, was übrigens auch für die Tätigkeit der von den Malkontenten okkupierten kaiserlichen Münzstätten gilt, denn seit 1708 finden sich keine datierten Malkontenten-Münzen mehr. Von diesem Jahr existiert bloß eine kaiserliche Notmünze von Groß wardein, die 1706 und 1707 bereits ihre Vorläufer hatte. Zu erwähnen ist schließlich, daß die ungarischen Insurgentenmünzen auch mit einem kleinen ovalen Gegenstempel mit der Madonna vorkommen, was wohl die Zulassung dieser Münzen zum Umlauf im kaiserlichen Gebiete bedeutete. Der plötzliche Tod seines kaiserlichen Bruders hatte den in einem Teile Spaniens 480

297. Lombardei, Karl VI. Filippo 1728, Mailand

als Karl III. anerkannten Habsburger in eine zwiespältige Lage versetzt. Berufen, Joseph in der Kaiserwürde nachzufolgen, mußten ihn die Geschäfte im Reich in der weiteren Verfolgung seiner spanischen Pläne hindern. England hingegen sah durch diese Entwicklung seine Gleichgewichtspolitik am Kontinent bedroht und schloß mit Frankreich einen Separatfrieden. Dieses wurde militärisch um so mehr entlastet, als sich diesem Frieden auch Holland, Preußen, Portugal und Savoyen anschlössen. Karl mußte seine berechtigten Ansprüche auf den spanischen Königsthron, deren Realisierung ihm eine strategische Überlegenheit über Frankreich verschafft hätte, unter dem Druck dieses Utrechter Friedensschlusses von 1713 aufgeben. Immerhin erhielt er ein Jahr später im Frieden von Rastatt, der den spanischen Erbfolgekrieg beendete, einen recht bedeutenden Machtzuwachs: die Spanischen (jetzt Österreichischen) Niederlande, Mailand, Neapel, Sardinien, die spanischen Plätze an der Küste von Toskana und schließlich Mantua, dessen Herzog wegen seiner Verbindung mit Frankreich vom nunmehrigen Kaiser Karl VI. geächtet wurde und 1708 starb. Als der neue Bourbonenkönig Philipp V. von Spanien 1717 versuchte, einen Teil dieser vom Kaiser neuerworbenen italienischen Besitzungen zurückzuerobern und der Herzog Viktor Amadeus von Savoyen diese Bestrebungen heimlich unterstützte, trat der Kaiser 1718 der von England, Frankreich und Holland abgeschlossenen Verbindung bei, die jetzt den Namen „Quadrupelallianz" erhielt. Der Herzog von Savoyen wurde dadurch gezwungen, dem Kaiser Sizilien zu überlassen, wofür er mit Sardinien und dem Königstitel abgefunden wurde. Allerdings ging der größere Teil der italienischen Besitzungen Karls bald wieder verloren; immerhin aber verblieben ihm und seinen Nachfolgern noch Mailand und Mantua. Dieser neue Besitzstand zeichnet sich natürlich auch im Münzwesen ab. Wenn aber die Neuerwerbungen nunmehr Münzen mit dem Namen und den Insignien des neuen Herrschers erhielten, so mußten diese neuen Gepräge doch auch weiterhin dem bisherigen Münzsystem des betreffenden Gebietes angepaßt bleiben. Man kann daher diese Sorten auch nicht dem österreichischen Münzwesen im engeren Sinne zuzählen, das doch noch auf längere Zeit mit dem des Reichs zusammenhing, wenn es auch langsam einen eigenen ständigen Charakter anzunehmen begann. Während seines Aufenthaltes in Spanien hat Karl, den man im Lande wohl auch bloß den „Prätendenten" nannte, während er sich auf seinen Münzen König Karl III. nennen ließ, eine nur geringe Prägetätigkeit entfaltet. Seine Lage war trotz gelegentlicher Erfolge unsicher, sein Geldmangel chronisch, die spanischen Münzverhältnisse schon unter seinen Vorgängern schier verzweifelt. Denn die Folgen der Velloninflation Philipps IV. (1621—1665) in Kastilien, die das Agio für Silber und Gold auf 170 bis 200% 481

298. Lombardei, Karl VI. Lira (20 Soldi) 1725, Mailand

299. Lombardei, Karl VI. Lira (20 Soldi) 1735, Mantua

hinaufgetrieben hatten, waren keineswegs bewältigt worden. Somit war Spanien in der Münzgeschichte Karls III. nur eine an Enttäuschung und Vernachlässigung reiche Episode. Anders präsentiert sich unter diesem Herrscher die Münzgeschichte in den im Verlauf des Erbfolgekrieges von ihm besetzten italienischen und niederländischen Provinzen Spaniens. Schon 1706 besetzte Karl Mailand, Neapel und Sizilien, 1706 bzw. 1708 Belgien, welche Gebiete ihm bekanntlich in den Friedensschlüssen von Utrecht und Rastatt auch verblieben. Mailand prägte seit 1707 nach seinen alten Vorschriften weiter in Gold 2 und 1 Scudo d'oro, in Silber 1, Va,1U und Filippo, 60, 20, 10 und 5 Saldi und in Kupfer Quattrini, von denen 1725 ein Typus noch die Bezeichnung Karl III. trägt. Der doppelte Scudo d'oro schwankt im Werte zwischen 23 Lire 17 Soldi bis 24 Lire 15 Soldi; der Filippo von 7 Lire bis 7 Lire 6 Soldi. 1 Lira = 20 Soldi oder 24 (nicht ausgeprägte) Denari; 1 (nicht ausgeprägter) Soldo = 1 2 Denari; 1 (nicht ausgeprägter) Sesino = 6 Denari; 1 Quattrino = 4 Denari. Während der Besetzungszeit gibt es mailändische Münzen Karls nur aus dem Jahre 1707; seine Prägung als Kaiser und rechtmäßiger Herrscher beginnt erst 1713 mit einem \0-Soldi-Stück, aber die Prägung bleibt sehr sporadisch, weshalb es viele Jahre gibt, aus denen keine mailändische Münze existiert. Mantua, das mit Mailand zusammen „Lombardei" genannt wurde, beginnt 1731 mit einem Kupfersoldo. Die Prägung hatte hier schon ein paar Tage vor der kaiserlichen Entscheidung vom 28. November 1731 begonnen, welche die Ausgabe von Kupfermünzen, Soldo und Sesino, gestattete. Der Erlaß vom 7. Jänner 1732 bestimmte dann endgültig die Eröffnung einer Münzstätte in der alten Herzogsstadt. Eine Verordnung über den Münzfuß ist jedoch nicht vorhanden. Der Taler wird 1732 und 1736 mit 16 Lire bewertet, aber zunächst nicht effektiv ausgeprägt. Die Lira galt auch hier 20 Soldi, die Halblira (oder Trairo) 10 Soldi. Der Soldone entsprach 2 Soldi, der Soldo 2 Sesini. Eine Goldprägung war nicht vorgesehen. An Großmünzen wurde 1732 zum erstenmal ein halber Tallero geprägt, 1736 der ganze. Es gibt auch Stücke zu 20, 10, und 5 Soldi. Vom August 1734 bis 1750 wurde die Münzstätte wieder stillgelegt. In der Lombardei stand Österreich auf wirtschaftlichem Gebiete eine große Aufgabe bevor. Karl VI. lag die Förderung des Handels sehr am Herzen. Allerdings begegneten viele seiner klugen Verfügungen dem Widerstand des Patriziats. Wie in den Erblanden rief der Kaiser „durch Verleihung von Privilegien Fabriken ins Leben". Der Schweizer Tieffen errichtete die erste Wollmanufaktur der Lombardei. Im Mailändischen wurde die Seidenspinnerei mit Wasserantrieb eingeführt. Das größte Unternehmen betrieben die Brüder Bianchi. Eine Seidenmanufaktur wurde gegründet. Die Zwischenzölle der Pro482

vinzen schaffte der Kaiser ab und ordnete 1739 die freie Einfuhr von Wolle, Öl und Farbstoffen an. „Die in dieser Zeit verfügte Herabsetzung von Steuern und Abgaben ließ Pietro Verri in den ,Considerazioni sul commercio dello stato di Milano' schreiben: ,Diese Maßnahme, seit über einem Jahrhundert vergeblich versucht, und wäre sie seine einzige, müßte jedem guten Bürger genügen, den Namen Karls VI. zu segnen" (49). Überhaupt genoß die Lombardei trotz allen Umtrieben radikaler Unruhestifter bis zum europäischen Revolutionsjahr 1848 eine glückliche Zeit. „Unter der österreichischen Herrschaft wuchs und blühte Mailand wie kein anderer Staat Italiens." Leiter des Governo generale in Mailand war Graf Karl Joseph von F i r m i a n , zugleich ein großer Münzensammler. Der k. k. Architekt Giuseppe Piermarini entwarf dann einige Jahrzehnte später die Pläne für das von Maria Theresia errichtete neue Münzamt, wo nach der Meinung Stendhals die schönsten Goldstücke Europas geprägt wurden. Kurz, die Lombardei war alles eher als ein „unterdrücktes" Land. Das gleiche gilt auch für Neapel und Sardinien, welche beide eigentlich nur ein Außenposten waren, weil ja Österreich trotz Adria und Triest um diese Zeit noch so gut wie über keine Kriegsflotte gebot. Trotzdem kamen von dort eine Reihe befruchtender Impulse für das österreichische Münzwesen und die Numismatik. Zum ersten Male waren schon 1707 österreichische Truppen in Neapel eingezogen. Am 31. Juli fand der feierliche Einzug des Vizekönigs, des Grafen Georg Adam Martinitz, statt. Neben ihm ritten zwei Adjutanten, die aus silbernen Becken Silbermünzen unter das Volk streuten. „Zu diesem Zwecke wurden Carlini im Gesamtbetrage von 3050 Dukaten geprägt. 2000 entfielen auf die beim Umzug ausgestreuten, 500 auf die an die Truppe verteilten Münzen; der Rest wurde an verschiedene Persönlichkeiten verschenkt" (49). Dem Vizekönig Grafen Alois Raimund Harrach war die Errichtung des nach dem kaiserlichen Namenspatron benannten B a n c o S. C a r l o zu verdanken. Es war „die bedeutendste finanzpolitische Maßnahme der österreichischen Zeit" (49). Ihr geistiger Urheber war der Priester Pietro Contegna, der sich in Wien beim Spanischen Rat niedergelassen hatte. Unter Harrach wurde auch nach längerem Stillstand die Münze wieder in Betrieb gesetzt. Viele Neapolitaner aber sandten ihr Silber nach Sizilien, weil die dortige Münze nur 3 % als Münzlohn für die Ausprägung berechnete. Auch die kaiserliche Münzsammlung wurde damals durch Erwerbungen aus Neapel bereichert. Seit 1727 war ein Neapolitaner, der Abbate Giovanni Battista Banaglia (f 1730) „Medaillen- und Antiquitäten-Inspektor" der kaiserlichen Sammlung in Wien. Er war der Nachfolger des beim Kaiser in Ungnade gefallenen Schweden Karl Gustav Heraeus. Ein anderer Neapolitaner, Mario Antonio de Gennaro, ein Neffe des Stempelschneiders der Münze zu Neapel, Antonio de Gennaro, von dem er auch ausgebildet worden war, wurde 1713 zum kaiserlichen Münzeisenschneider in Wien ernannt. Hier erhielt er 1729 den Auftrag, beim Münzamt eine Graveurakademie zu errichten. 1733 wurde er zum „kaiserlichen Metalien- und Münz-Graveur-Instructions-Director" ernannt und damit gleichsam zum Vater einer bodenständigen Wiener Medaillenkunst, die in der Folge eine Stufe hoher künstlerischer Vollendung erreichte, die sie bis zum heutigen Tage bewahrt hat. Der bald nach dem Einzug in Neapel 1719 verstorbene Gouverneur Wenzel Graf von Gallas, Duca di Lucera, früher Botschafter in Rom, der zu den reichsten Männern Europas gehörte, trug den größten Teil der Druckkosten des prächtigen Werkes über die Münzen Neapels, die Cesare Antonio Vergara 1715 in Rom herausgab. Auf Initiative des früheren Residenten in Konstantinopel, Anselm Franz von Fleischmann, der in Neapel Handel und Zollwesen reorganisieren sollte, nahm man den Bergbau 483

in Kalabrien wieder auf, wo etwas Silber, Kupfer und auch etwas Blei gefördert wurde. Ob man mit dieser geringen Ausbeute auch die Münze belieferte, ist nicht bekannt, wie wir überhaupt über die Metallversorgung der italienischen Münzstätten unter österreichischer Herrschaft kaum etwas wissen. Ihr Bedarf dürfte wohl durch Ankauf von Pagament gedeckt worden sein. In Neapel, das von 1714 bis 1734 im Besitz Karls VI. war, ließ er nur in Silber und Kupfer prägen: der Piaster sowie der Ducato und deren Halbstücke, Tari, der Carlino (auch als Doppelstück) und endlich in Kupfer der Grano. 1716 erschien hier auch ein T W auf die Geburt des bald wieder verstorbenen Thronerben Leopold mit den Brustbildern des Elternpaares. Interessant ist auch der Carlino von 1707, der, wie wir schon hörten, anläßlich der Besetzung Neapels unter das Volk geworfen wurde. Es ist nämlich die einzige Münze Karls VI., die ihm in der Legende den Titel eines Königs von Spanien und Neapel gibt. Die nach dem Frieden von Rastatt geschlagenen Stücke bezeichnen ihn dann alle als Kaiser Karl VI., König beider Sizilien und von Jerusalem. In Sardinien gibt es Kupfermünzen zu 3 Cagliaresi und silberne zu 2% Rea/i; sie wurden in der Hauptstadt Cagliari geprägt. Ungleich reichhaltiger ist die Prägung Karls VI. in Sizilien, die hauptsächlich zu Palermo stattfand. Eine geringe Prägung von Kupferstücken zu 1 Baiocco (= 2 Grani) und 1 Grano fand 1734/35 während der Belagerung von Syrakus durch die Spanier innerhalb der Mauern dieser Stadt statt. Es waren ausgesprochene Notmünzen von je zwei verschiedenen Stempeln, die schon durch ihre ziemlich ungefüge äußere Form als solche erkennbar sind. Die palermitanischen Prägungen lassen sich in drei Perioden einteilen. Die erste von 1720 bis 1727 zeigt zunächst 1720 eine Folge von drei Stücken auf Karls Inthronisation im Lande, die 2 - und 3 - T W - S t ü c k e mit der Rückseiten-Umschrift AUGUSTISSIMAE DOMU RESTITUTA, das zu 1 Tari bloß mit UTRIUSQUE SICILIAE R E X . Die genannten Stücke waren mehr Gedächtnis- als Kurantmünzen. Daher beginnt die eigentliche Ausmünzung 1720 mit Kupferstücken zu 2 und 1 Grani und 3 Piccioli. 1722 folgen dann 5 Stücke im Werte zwischen 4 und x/2 Tari und eine Cinquina in Silber, 1723 kommen in Gold ein Doppio Ducato mit der von der Sonne beschienenen Insel sowie ein Zecchino oder Trionfo, 1727 ebenfalls in Gold eine Quadrupla und ein Doppio Ducato dazu. 1730/31 gibt es in Silber eine Folge von sieben Werten zwischen 12 und % Tari. Die letzte Emission von 1732 bis 1734 bringt eine Onciad'oro zu 30 Tari mit dem aus den Flammen emporsteigenden Phönix und in Silber ein gleiches Stück in der Größe eines breiten Doppeltalers. Dann folgen wieder sieben Tari-Werte wie vorher und eine Cinquina ( = 5 Grani). Auf die abwechslungsreichen Münzbilder der Rückseite kann hier nicht näher eingegangen werden; die Vorderseite trägt stets den belorbeerten Herrscherkopf. Karl 111.(1) nennt sich auf den Münzen meist R E X UTRIUSQUE SICILIAE ET H I S P A N I A E ; auf einigen Stücken konnte auch noch der REX HIEROSOLYMAE dazu, welcher Titel, wie wir noch an einem anderen Orte hören werden, mit der Erwerbung Siziliens und Neapels zusammenhängt. Die Kaiserwürde scheint nur auf den Kupfermünzen von 1720 auf. Schließlich gibt es noch Ausbeutemünzen, die aus sizilianischem Silber und Kupfer geschlagen wurden, deren Fundstelle aber abweichend von den sonstigen Ausbeutemünzen leider nicht angegeben ist. Das Silberstück hat einen Wert von 6 Tari, das kupferne von 3 Grani. Zum sizilianischen Münzwesen wäre folgendes zu bemerken. Im Jahre 1730 war hier eine Junta zur Beratung einer Münzreform eingesetzt worden. Es fehlte nämlich an aus484

reichenden Silbermengen für die Prägung der Großmünze des Scudos oder 12-TWStückes. Der Nennwert hatte sich auch hier ursprünglich mit dem Metallwert gedeckt, der jedoch im Laufe der Zeit infolge der Erhöhung des Silberpreises gestiegen war. Es ergab sich nun die Frage, ob man den Nennwert erhöhen oder den Feingehalt verringern sollte. Die Hochwertigkeit der Münze hatte selbstverständlich dazu geführt, daß sie in großen Mengen exportiert oder im Lande selbst gehortet wurde. „Die Handelsbilanz war passiv. Nur Getreide, Öl, Wein und Seide wurden ausgeführt und mit fremdem Geld bezahlt, das in Sizilien zirkulierte, während die sizilianische Münze vor allem nach Neapel und nach Genua ging" (49). Um eine Gleichwertigkeit mit den neapolitanischen Münzen herzustellen, wurde beschlossen, die alten Scudi einzuziehen und für 100 alte 105 neue zu geben. Der Umlauf fremder Münzen auf der Insel war beträchtlich, vor allem erfreuten sich die portugiesischen Cru^ados de ouro, auch Lisbonitias genannt, großer Beliebtheit. Nach ihrem Gewicht wurden 1733 in Palermo die Oncia d'oro mit dem Phönix geprägt. Das oben erwähnte neue Kupfergeld aber wurde aus der Ausbeute eines kurz vorher eröffneten Bergwerkes hergestellt. Der ursprüngliche Plan, dazu die von Don Gaetano Ungaro aus dem Hafengrunde in Messina gehobenen Kanonen zu verwenden, wurde fallengelassen. Unweit von Messina war eine Silber- und Kupfermine entdeckt worden, die unter der Leitung des Grafen Otto Ferdinand von Abensberg und Traun (f 1748) ausgebeutet wurde. Das Erz brachte man anfänglich nach Ungarn zur Raffinierung. Als sich dieser Vorgang jedoch als zu kostspielig erwies, wurde in der Zitadelle von Messina eine eigene Schmelzhütte eingerichtet, die aber infolge von Verlusten beim Bergwerksbetriebe alsbald wieder eingestellt werden mußte. Als die Österreicher bald darauf gezwungen waren Sizilien zu verlassen, zerstörten sie vorher Stollen und die sonstigen Einrichtungen. Die oben genannten Ausbeutemünzen sind höchstwahrscheinlich aus den Metallen dieses Bergwerks geprägt worden. Ansonsten dürfte die Münze von Palermo auf den Metalleinkauf angewiesen gewesen sein, da mit der oben erwähnten Ausnahme sonst nichts über einheimische Silberminen zu dieser Zeit bekannt ist. Von ungleich größerer Wichtigkeit als die zum Teil ephemeren italienischen Besitzungen war die Angliederung der südlichen Teile der Niederlande, die jetzt das Königreich Belgien bilden. Diese „Österreichischen Niederlande", wie sie nunmehr hießen, bestanden nach der Wiedervereinigung aller Provinzen aus den Herzogtümern Brabant mit dem Marquisat Antwerpen, Limburg und Luxemburg, den Grafschaften Flandern, Namur und Hennegau sowie den Seigneurien Tournai, Tournaisis und Mecheln. Die elfte Provinz, Westflandern, hatte nach dem Frieden von Nymwegen (1678/79), in dem sie zu Frankreich gekommen war, ihre alten Privilegien verloren. Die Einkünfte des Herrschers, deren Verwaltung die Chambre des comptes besorgte und zu denen auch der Ertrag aus der Münze gehörten, waren beträchtlich. Trotzdem waren die Einkünfte Belgiens in dieser Zeit so gering, daß sie kaum zur Erhaltung der Garnisonen im Lande und zur Bestreitung der Beamtengehälter ausreichten. Mit der österreichischen Besitzergreifung begann eine ruhigere Zeit, in der das unter spanischem, zum Teil auch unter französischem Regime schwer getroffene Volk sich langsam erholen konnte. Zwischen 1601 und 1713 zählte man 40 Jahre Frieden und 72 Jahre Krieg. Von 1713 bis 1789 gab es 4 Jahre Krieg und 72 Jahre Frieden. Antwerpen war zur Zeit Karls VI. — trotz der schweren Konkurrenz Amsterdams — noch immer ein bedeutender Umschlagplatz. Seine Börse beherrschte den Kaffee-, Teeund Gewürzhandel, so daß die Stadt auch der ständige Wohnort großer Kapitalisten, Bankiers und Reeder geworden war. 485

Vom Hafen in Antwerpen aus fuhren die Schiffe nach Ostindien. Die Fahrt war abgesehen von den Stürmen, die bei der Umsegelung des Kaps der guten Hoffnung drohten, nicht ohne Gefahr. Kaperschiffe waren unterwegs auf der Lauer nach Beute. Aber trotz alledem brachte die Schiffahrt namhaften Gewinn. So erzielten die „Espérance" und die „Paix" auf ihrer Rückfahrt von Bengalen (1726/27) einen Reingewinn von 122.000 fl. Drei Chinareisen erbrachten 2,370.000 fl., die vierte 4 Millionen; alle vier zusammen also fast 7 Millionen, die in die Kassen der Ostindischen Kompanie flössen. Deren indische Güter brachten in ungefähr derselben Zeit den bisher größten Gewinn von 907.000 fl. und an Zolleinnahmen 135.000 fl. Das waren Erfolge, die den Aktionären der Kompanie fette Dividenden brachten: 1741 nicht weniger als 45.000 fl. Zu diesen Aktionären gehörte übrigens auch Prinz Eugen, der von 1714 bis 1724 Generalstatthalter der Niederlande gewesen war. Er erzielte beim Verkauf seiner Ostende-Aktien einen Gewinn von 41.145 fl. Seit ihrer Errichtung hatte die Kompanie, die 1731 mit einem Stammkapital von 6 Millionen gegründet worden war, die enorme Summe von 11,790.000 fl. ausgeschüttet, an Zöllen hatte sie 2 Millionen eingebracht. Diese wenigen Beispiele mögen genügen, um die wirtschaftliche Bedeutung der Niederlande für Österreich an Hand einiger konkreter Daten zu unterstreichen. Dies ließ zu einem gewissen Grade auch die Tatsache in den Hintergrund treten, daß die Österreichischen Niederlande in Frankreich an ihrer Südwestgrenze einen unangenehmen Nachbarn besaß, der es nicht verwinden konnte, daß dieses reiche Land aus der spanischen Erbmasse nicht ebenfalls unter das Zepter der Bourbonen gekommen war. Aber nicht nur diese ständige Bedrohung beeinflußte das Leben in den Niederlanden, auch die andauernde Verschlechterung des französischen Louisdor, welcher die französische Staatsschuld verringern sollte, löste Besorgnis und Verwirrung aus. Frankreich hatte nach den Friedensschlüssen von Utrecht und Rastatt gerade das völlig mißglückte Finanzexperiment des Schotten John Law über sich ergehen lassen müssen. Es hatte im Jahre 1721 nach einer riesigen Papiergeldinflation — der ersten in der Geschichte überhaupt — mit einer Finanzkatastrophe größten Ausmaßes geendet. Am 10. Oktober dieses Jahres war die von Law begründete Banque Royale endgültig liquidiert worden. Der Notenumlauf hatte zu dieser Zeit den Stand von fast 2 Milliarden Livres erreicht. Dieser finanzielle Niederbruch und vor allem die Verschlechterung der Münzen, insbesondere eben des Louisdor, die ihr vorausgegangen war, löste schon im August 1718 eine an den Vizegouverneur in den Österreichischen Niederlanden, Ercole Turinetti Marquis de Prié, gerichtete Denkschrift aus, welche die Bitte enthielt, französisches Geld schlagen zu dürfen. Der Regierung, die auf strengste Verschwiegenheit bauen durfte, wurde der halbe Gewinn zugesichert. Der Gedanke hätte von Law stammen können. Prié holte Rechtsgutachten ein, die günstig ausfielen. Es war alsbald ein offenes Geheimnis, daß im Auftrag des Vizegouverneurs in einer Werkstätte zu Lüttich Louisdore ausgeprägt wurden. Bald darauf bemächtigte sich die Spekulation in Amsterdam, dem Haupthandelsplatz dieser Zeit, dieser imitierten französischen Goldstücke, die übrigens nun auch Holland zu fabrizieren begann. In den Österreichischen Niederlanden gab es schließlich mehrere solche Fälscherwerkstätten, so z. B. die des Jean le Gendarme zu Antwerpen. 1725 wurden zwar einige dieser Imitatoren verurteilt, aber bald zu Geldbußen begnadigt. Prié konnte diese Strafverfolgung, die jedoch nur zum Schein geführt wurde, mit Rücksicht auf seine guten Beziehungen zu Frankreich nicht verhindern. Andrerseits aber durfte er auch den Belgiern dieses eigentlich von ihm initiierte Geschäft nicht verderben. Es wurde übrigens in Amsterdam, Frankfurt a. M., Basel, Genf usw. überall von den Re486

300. Belgien, Karl VI. 2 Souverains d'or 1720, Antwerpen

gierungen unterstützt und daher mit großem Erfolg betrieben. Der Kaiser hatte zwar im September 1719 ein Edikt gegen die Falschmünzer erlassen, aber es wurde in Belgien erst im Jänner 1726 kundgemacht; die darin angedrohte Strafe des Galgens stand also nur auf dem Papier. Ende dieses Jahres traf Österreich dann eine Vereinbarung mit Frankreich wegen einer Umprägung der kaiserlichen Goldstücke, die sie den französischen gleichstellte. In den Niederlanden prägten für Karl VI. drei Münzstätten: Antwerpen 1708 bis 1729, Brügge 1709, 1712/13 und Brüssel 1712—1729 (?). Das letzte Regierungsjahrzehnt des Kaisers kennt keine niederländischen Prägungen, dagegen münzte er in den Niederlanden noch zu Lebzeiten seines Bruders. Der Grund der langen Prägungspause liegt wohl am Mangel von Edelmetall. Die Niederlande verfügten über keine eigenen Bergwerke, mußten sich daher das Metall im Handkauf verschaffen. Solange die von England und Holland angefeindete und schließlich auch zu Fall gebrachte Ostindische Kompanie von Ostende (1723—1727) bestand, haben deren Schiffe außer Gewürzen, Baumwollwebwaren und Sandelholz wohl auch Metalle von ihren weiten Fahrten in die Heimat gebracht, um damit daselbst eine ausgiebige Prägung zu gewährleisten. Das Münzsystem hatte Karl VI. von den einstigen Statthaltern der Niederlande, dem Erzherzogspaar Albert und Isabella übernommen, das diese in den Jahren 1612—1618 neu eingerichtet hatten. Die Grundlage war ursprünglich der englische Sovereign gewesen (in Belgien als Doppelstück unter dem Namen Souverain d'or geprägt), dazu gab es noch den Souverain d'argent und den Ducaton. Unter Karl VI. wurden demgemäß folgende Typen geprägt: in Gold der doppelte Souverain d'or zu 12 und der einfache zu 6 florins. In Silber der Ducaton zu 3 fl. und der halbe zu 30 Sols, der Patagon zu 48 Sols und der halbe zu 24 sowie der Escalin zu 6 Sols. Schließlich in Kupfer der Liard zu % Sol. Zwar war 1714 auch Luxemburg an Österreich gefallen, es erhielt aber erst unter Maria Theresia eigene Münzen. Der Ducaton war das Silberäquivalent für den Dukaten, daher stammt auch sein Name; als Vatagon bezeichnete man den früheren Albertus- oder Kreuztaler; die Bezeichnung Escalin steht mit dem Schilling in sprachlichem Zusammenhang. Das belgische Münzsystem ist übrigens, wie an seinem Orte noch ausgeführt werden soll, in der Folge auf das österreichische nicht ohne Einfluß geblieben ( K u p f e r l i a r d , Silberkronentaler, Goldsouverain). Die erwähnten Kupferliards, die in den Jahren 1709—1712 sowohl in Brabant zu Antwerpen und Brüssel, als auch in Flandern zu Brügge geprägt wurden, verdanken ihre Entstehung den Anforderungen der letzten Phase des spanischen Erbfolgekrieges. In den österreichischen Erblanden und in Ungarn änderte sich unter der Regierung 487

301. Belgien, Karl III. Patagón 1709, Antwerpen

Karls V I . im Münzsystem ebensowenig wie unter Joseph I. Es sind daher in diesem Abschnitt eigentlich nur zwei Sonderprägungen zu erwähnen, die im Grunde genommen, wenn auch nicht dem allgemeinen Sinne nach, als „Not-Münzen" anzusprechen sind. Es handelt sich da um die ersten Kupfermünzen im österreichischen Raum, jenem Metall, das die Geldtheorie noch immer als „unstandesgemäß" empfand. Der Einfluß des venezianischen Marchetto im Werte eines Soldo (V20 Lira), hatte sich seit etwa 1733 an den italienischen Grenzen äußerst unangenehm bemerkbar gemacht. Um ihn zu verdrängen und der Bevölkerung gleichzeitig ein Mittel an die Hand zu geben, sich dieser fremden Mittel zu erwehren, wurden in Graz seit ebendiesem Jahre 2-, 1- und 1l2-SoIdi-Stücke in Kupfer (1 Soldo = 3/5 Kr.) mit dem Wappen der Grafschaft Görz und 1739, ebenfalls in Graz Stücke zu 1 und 1/2 Soldo mit dem Tiroler Adler für das Trentino ausgeprägt. Die Kupferprägung für Görz wurde unter den folgenden Herrschern in verschiedenen Münzstätten bis zum Jahre 1802 fortgesetzt. In diesem Jahre wurden auch noch 15-Saldi-Stücke (8V2 Kr. oder Sieben^ehner) in Silber ausgeprägt. Eine ähnlich geographisch und monetär exponierte Lage hatten auch die Länder Krain und Kroatien. In Laibach war 1687 und dann in 2. Auflage 1701 aus der Feder von Hans Jakob von Kärnburg ein Büchlein erschienen, das den Titel ,Teutsch- und Cränerische Wehrungsveränderung" trägt. Es sollte die schon lange bestehende sogenannte „Krainerische" Währung für jedermann verständlich machen. Es handelte sich hier um nichts anderes, als um die schon seit den Tagen Erzherzog Karls von Innerösterreich in den italienischen Gebieten Österreichs notgedrungen geduldete „venetianische oder welsche" Währung. Die ziemlich komplizierte Umrechnung in „deutsche" Münzen also die der österreichischen Erblande, war in dem Büchlein Kärnburgs in einem umfangreichen Umrechnungsschlüssel klargemacht. 1701 galt in Krain der Kreuzer 33/8 deutsche Pfennige; 32 krain. Kr. oder fl. = 27 dt. K r . (fl.); 1 krain. fl. = 50 dt. K r . 2V2 d; oder umgekehrt 1 dt. Kr. = 1 krain. Kr. 5/8 d; dt. fl. = 1 krain. fl. 11 Kr. V3 d oder 71 krain. Kr. 1/3 d. Wie lange diese „krainerische Währung" in Übung und Gültigkeit blieb, konnte nicht ermittelt werden. Sie besitzt übrigens eine etwas später entstandene Parallele in dem sogenannten denarius croaticus. Auch er erforderte ein ähnliches Umrechnungsbuch wie die „krainerische Währung". Das ist der ,Computus pro rebus emendis et solvendis, in certo pondere et mensura per denarios hungaricos, quorum 5 faciunt unum Grossum, per denarios Croaticos, quorum 4 aequi sunt uno Grosso dein per crucigeros usque ad finem. Zagrabiae, Typis Joannis Weitz, anno 1737'. Kroatien nahm ja infolge seiner besonders exponierten Lage gegenüber den Türken 488

302. Belgien, Karl VI. Liard 1714, Antwerpen 303. Görz, Karl VI. 3 Soldi 1734, Graz

303

im Geldwesen eine ähnliche Stellung ein wie das benachbarte Krain. Nur daß es sich nicht wie jenes gegen die Münzen Venedigs wendete, sondern gegen eine einzige Münzsorte, den ungarischen Denar, den wir schon unter dem Spottnamen „Schaftreiber" kennengelernt haben. Von diesem Denar gingen 100 Stück auf einen Gulden. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts war dann sein Wert gegenüber dem österreichischen Groschen zu 3 Kr. herabgesetzt worden, indem nur 5 Denare einem solchen Groschen gleichkamen. Kroatien nahm jedoch diese Neuerung nicht an, sondern behielt die alte Relation 4 Denare = 1 Groschen bei und akzeptierte den neuen Denar nur als Kurs-, aber nicht als Rechnungsmünze. Für die Rechnung nach alten Pfennigen war gegen Ende des 17. Jahrhunderts ebenfalls die Bezeichnung „ad computum Croaticum" angeordnet worden. Die Rechnungseinheit des „Computus Croaticus" war der denarins croaticus oder nummus croaticus, also der alte Denar zu 3 Wiener Pfennigen. In der Landessprache hieß er horvacki novac, auf deutsch kroatischer Dreier und auf ungarisch kispen% (Kleingeld). „Trotz der Einwände, die dagegen auf den ungarischen Reichstagen oder vom König selbst erhoben wurden, ließ sich der denarius croaticus weder aus dem täglichen Verkehr noch aus der Anwendung durch die Behörden verdrängen. Auf ihn lauteten die Landtagsvoranschläge dieser Zeit, insbesondere die Verrechnung der Einnahmen, dann die Mauttarife usw. Dies führte allerdings dazu, daß die königlichen Zölle zuungunsten der kroatischen Kaufleute auch nach dem Werte des kroatischen Denars zu leisten waren. Im Zeitraum der Jahre von 1768 bis 1775 tritt der denarius croaticus gegenüber der aufgekommenen Kupfermünze allmählich in den Hintergrund, um schon gegen das Ende des 18. Jahrhunderts vollkommen vergessen zu werden" (391). Dieser Denarius, der den Wert eines Gröscbels oder von 3 Pfennigen hatte, ist nach dem Zeugnis der Quellen von 1694 bis 1770 auch tatsächlich ausgeprägt worden. Bisher aber konnte er noch nicht mit Sicherheit mit einem der vorhandenen Gepräge identifiziert werden. Vielleicht ist es das 1714 in Nagybänya geprägte Stück in Denargröße, das auffallenderweise die Wertzahl 3 unter dem Brustbild des Kaisers aufweist. Ein direkter Hinweis auf Kroatien fehlt indessen, vielleicht weil man die ohnehin schwierigen ungarischen Stände nicht vor den Kopf stoßen wollte. Jedenfalls aber macht die Existenz eines denarius croaticus, gleich ob er nur auf dem Papier oder als Rechnungsmünze in Metall vorhanden war, den „Computus" ebenso notwendig wie der Umrechnungsschlüssel des Herrn von Kärnburg für Krain. Kaiser Karl VI. hat auch an Reformen im Münzwesen gedacht, wohlgemerkt nicht an eine Münzreform. Denn die neuen Vorschriften bezogen sich mehr auf technische, administrative und personelle Angelegenheiten, jedoch keineswegs auf eine Änderung 489

304. Österreich, Karl VI. y 2 Dukaten 1738, Wien

305. Österreich, Karl VI. Groschen 1716, Wien

des Münzfußes oder der hergebrachten Nominale. Einen wesentlichen Einfluß auf diese Neuerungen hat der kaiserliche Antiquitäteninspektor Carl Gustav Heraeus genommen. Die wichtigste war wohl eine Uniformierung der Prägung, die bereits 1712 angeordnet wurde. Diese Reform betraf vor allem das Münzbild, das kaiserliche Porträt, die Wappengestaltung und die Umschrift. Dies hatte stets auf das Land hinzudeuten, in dem sich die betreffende Münzstätte befand. Um die großen Silbermünzen vor Beschneidung und Befeilung zu schützen, wurde auf ihnen eine Randschrift mit der kaiserlichen Devise CONSTANTER CONTINET ORBEM angebracht; zu diesem Zwecke wurde der Schröding kleiner und dicker gestaltet. Die individuelle Devise in der Randschrift begegnet uns auch auf den Münzen der folgenden Kaiser. Diese treffliche Neuerung erforderte auch erfahrene Stempelschneider; 1712, beim Regierungsantritt Karls VI., gab es deren nur zwei: Johann Michael Hoffmann in Wien und den Schweden Daniel Warou in Kremnitz. In einem Vortrag an den Kaiser wurde daher die Notwendigkeit betont, in dieser Kunst „virtuose und excellente subiecta herbei zu ziglen". Schon im folgenden Jahre wurde der schon erwähnte Antonio Maria de Gennaro zum kaiserlichen Münzeisenschneider bestellt, der durch seine Tätigkeit die Entwicklung der Münzprägung in Österreich, besonders in bezug auf die Ausstattung der Speziesmünzen mit dem wohlgelungenen Bildnis des Monarchen entscheidend beeinflußt hat. Seine späteren Nachfolger, wie besonders Matthäus Donner, Joseph Anton Toda, Anton Franz Wiedemann und Franz Xaver Wirth stehen künstlerisch sichtlich unter diesem Einfluß, der sich nicht nur in ihren Münzen, sondern noch deutlicher in ihren Medaillen ausdrückt. Der Ruhm der Wiener Medaillenkunst geht letzten Endes auf den Neapolitaner zurück. 1767 wurde dann eine „Erzverschneider-Schule" oder „Possier-, Verschneid- und Graveur-Akademie" geschaffen, die unter der Direktion des trefflichen Bildhauers und Graveurs Anton Domanöck stand, der ein Schüler Matthäus Donners gewesen war. Gefördert, ja überhaupt erst ermöglicht wurde die besonders gefällige und sorgfaltige Ausstattung der Münzen nicht zuletzt auch durch die Aufstellung von Spindelwerken in den Münzhäusern von Wien und Kremnitz, also der Hauptmünzstätten diesund jenseits der Leitha. Dadurch konnte auf die Taschenwerke, die den Walzenwerken nachgefolgt waren und als eine Abart von ihnen betrachtet werden können, verzichtet werden (s. o. S. 25). Zum Münzprägeinspektor ernannte Karl VI. den gleich Heraeus und Warou aus Schweden stammenden Benedikt Richter, der indessen für die technischen Belange der Münzprägung nicht das nötige Verständnis besaß. Dafür war er ein trefflicher Medail490

306. Kärnten, Karl VI. Taler 1713, St. Veit

leur, der die ihm 1715 gestellte Aufgabe, „nach und nach ein Seminarium in hoc genere artis allhier einzuführen und dergleichen Künstler aus aigenem Gewächs, sozusagen, nachzuziglen", durchaus gewachsen war. Der Kaiser gab sein Placet zu diesem Vorschlag; da aber Richter Protestant war, ordnete er an, „einig katholisch und hiesig landesgeborrne subiecta in dieser Kunst [zu] unterweisen, umb dass sie derselben auch fähig werden können". Diese Resolution darf wohl als der erste Anstoß zur Gründung der kaiserlichen Graveurakademie gelten. Wenn es im Artikel LXIX der am 30. Dezember 1717 erlassenen neuen HofkammerInstruktion heißt, daß „von guter Bestellung des Münzwesens der Wohlstand eines Landes hauptsächlich dependiret", so zeigt sich schon in diesem Einleitungssatz die Sorge des Monarchen um ein auf der Höhe der Zeit stehendes und auch den jeweiligen Gefahren gewachsenes Münzwesen. Im Artikel LXX „Die Correction des Münzwesens betreffend", heißt es weiter, daß es der Kaiser bei der väterlichen Resolution von 1693 bewenden lasse, „daß bis auf anderwärtige Verordnung die Ausmünzung deren 17 und 7 Kr. sowohl in unseren erblanden privilegirter münzstände ihren Officinen eingestellet, die Groschen, Kreuzer und halbe Kreuzer aber denen Münzbeambten änderst nicht nur aus dem zur Einlösung kommenden ringhaltigen Silber, als welches ohnedem ohne mörkliche Kosten nicht in die Feine abzutreiben, auszuprägen verstattet sein solle" (235/III). Damit war die silberne Scheidemünze voll anerkannt. Die allgemeinen Verhältnisse und auch die sichtlichen Konzentrationsbestrebungen brachten es mit sich, daß unter der Regierung Karls VI. mehrere Münzstätten ihrer geringen Rentabilität halber dauernd eingestellt wurden. Den Anfang machte Schlesien mit Brieg, das 1713 das letzte Mal prägte, 1717 St. Veit, 1721 Preßburg, das ohnehin nur eine Nebenmünzstätte war, und auch Kuttenberg. Im Todesjahre des Kaisers, 1740, waren nur mehr Wien, Graz, Hall, Prag, Kremnitz, Nagybänya und Siebenbürgen (Karlsburg?) aktiv. Am 3. Januar 1741 zog der Preußenkönig Friedrich II. in Breslau ein; zwei Tage später schon wurde die Münzstätte revidiert und versiegelt, am 30. ganz geschlossen und auf längere Zeit stillgelegt. Die ersten preußischen Gepräge mit dem Münzbuchstaben B(reslau) stammen aus dem Jahre 1743. Als Kuriosum mag gelten, daß sich darunter auch Sechser und Fünf^ehner befanden, die im Verkehr wie bisher 7 bzw. 17 Kr. galten. In dem bei Österreich verbleibenden Rest Schlesiens wurde keine Münzstätte mehr eingerichtet. Die erfolgversprechenden ersten Ansätze einer expandierenden Außenhandelspolitik Karls VI. riefen bald die um ihre Vormachtstellung besorgten Seemächte England und Holland auf den Plan, die im Verein mit Frankreich den aufstrebenden Konkur491

renten in die Schranken wiesen. Die Sorge um die gesicherte Nachfolge seiner Tochter Maria Theresia bestimmte den Kaiser Reibungspunkte auszuschalten und den ultimativen Forderungen seiner Gegner nachzugeben. Es ist hier nicht der Raum, ausführlich auf die Wirtschaftspolitik Karl VI. einzugehen. Immerhin konnten die für eine expansive Handelspolitik erforderlichen Mittel von spekulativen Unternehmern gegen Zinsen entliehen werden. Trotzdem sah die Finanzlage Österreichs nach dem Tode des Kaisers wesentlich günstiger aus als bei dessen Regierungsantritt. „Die unmittelbare Staatsschuld betrug im Jahre 1711 rund 49 Millionen, 1740 gegen 47 Millionen. Freilich muß man auch die Schulden der Staatsbank, deren Dotation ausschließlich aus Staatseinnahmen floß, hinzufügen, die 1711 etwa ll1/^, 1740 aber rund 54 Millionen betrugen. Für die Gesamtschuld ergibt sich also eine Erhöhung von über 40 Millionen Gulden, das ist eine Zunahme um ungefähr zwei Drittel. Nachdem die Staatseinnahmen von 1711 bis 1740 in weit geringerem Maße gestiegen sind, erscheint jene Vermehrung der Schuldenlast gewiß relativ sehr bedeutend. Wenn wir aber berücksichtigen, daß Österreich in der gedachten Periode vier, durchwegs mehrjährige, zum Teile unglückliche Kriege zu führen hatte, so läßt sich nicht verkennen, daß jenes Wachstum im großen und ganzen unvermeidbar war" (731). Trotz ihrer ziffernmäßigen Erhöhung wirkte sich die öffentliche Schuld doch weniger drückend aus, nicht zuletzt deshalb, weil die Wiener Stadtbank, auf die mehr als die Hälfte der Gesamtschuld entfiel, nach Überwindung der Anfangsschwierigkeiten ihre Zahlungsverbindlichkeiten stets prompt einhielt. Auch der Zinsfuß war gesunken, die Anleihebedingungen hatten sich gebessert. Alles in allem war der Staatskredit im Laufe der Regierung Karls VI. entschieden gestiegen, was nicht zuletzt der umsichtigen Tätigkeit des Hofkammerpräsidenten Grafen Starhemberg zuzuschreiben war, der es verstand, auch das Privatkapital infolge von günstigen Bedingungen in steigendem Maße „zur Deckung des Staatsbedarfes heranzuziehen. Auch die durch die Errichtung der Bancalität bewirkte Zentralisierung des Staatskassenwesens und die hieran geknüpfte planmäßige Tilgung der älteren Staatsschuld" (731) hat zu dieser günstigen Wendung beigetragen. Ebenso hatte sich das Verhältnis zwischen Staatseinnahmen und -ausgaben gebessert, wenngleich die Einnahmen keineswegs zur Deckung der Verbindlichkeiten ausreichten. Ungeachtet gewisser positiver Momente aber kann von einer durchgreifenden Reform des Finanzwesens in keiner Weise gesprochen werden. Aber eine Reihe zweckmäßiger Maßregeln, insbesondere durch die Förderung von Handel und Gewerbe und die daraus resultierende Erhöhung der Steuerkraft der Bevölkerung war immerhin durch eine Reform vorgearbeitet worden. Allerdings noch lange nicht genug, um Karls Erbin Maria Theresia von den Sorgen um die Zukunft zu befreien. 7. Maria Theresia und ihre Söhne a) Maria Theresia. Die in Österreich nach den Siegen über Franzosen und Türken zeitweise gehegten Hoffnungen, zur Vormacht des Kontinents aufzusteigen, hatten sich nicht erfüllt. Vor allem hatte der unglückliche zweite Türkenkrieg Karls VI. im Frieden von Belgrad 1739 Österreich schwere Wunden geschlagen. Alle zu Passarowitz 1718 gemachten Erwerbungen mit Ausnahme des Banats gingen wieder verloren, Belgrad mußte den Türken zurückgegeben werden. Die schwere Verstimmung Friedrich Wilhelms I. von Preußen gegen den Wiener Hof, der ihm treue Anhänglichkeit mit Undank 492

307. Österreich, Maria Theresia. Dukaten 1756, Wien

308. Österreich, Maria Theresia. 30er 1742, Wien

309. Steiermark, Maria Theresia. XVer 1742, Graz

gelohnt hatte, war in Erbitterung umgeschlagen. All dies und eine Reihe anderer Faktoren hatte dem Ansehen Österreichs schweren Schaden zugefügt. Als nun mit Karl VI. der letzte männliche Habsburger in die Kapuzinergruft zu Wien getragen wurde, schien die Großmachtstellung seines Reichs in Frage gestellt, denn seine dreiundzwanzigjährige Tochter, der er dieses immer noch ansehnliche aber ausgeblutete Erbe hinterließ, diese junge Frau, die bisher an der Seite ihres regierenden Gemahls Franz Stephan von Lothringen Großherzogin von Toskana gewesen war, konnte doch wohl kaum ihrer neuen Stellung gewachsen sein. Als kaum zwei Monate nach dem Tode ihres Vaters Friedrich II. von Preußen in Schlesien einfiel und damit einen mehrjährigen Krieg entfesselte, an dem sich auch Frankreich und Bayern als Feinde der jungen Herrscherin beteiligten, ging es um nichts weniger als um den Bestand Österreichs. Wir wissen, wie es um die Staatsfinanzen zur Zeit von Maria Theresias Regierungsantritt bestellt war; wir wissen auch, mit welchen Opfern die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion, die ihr das Nachfolgerecht sichern sollte, erkauft werden mußte. Die österreichischen Erbländer, Ungarn und Siebenbürgen, dann die Seemächte, dann Rußland, das Reich, eine Anzahl der größeren Reichsfürsten und schließlich auch Frankreich hatten sie anerkannt; die Sanktion statuierte neben der weiblichen Erbfolge auch die untrennbare Einheit der nichtungarischen wie der ungarischen Länder. Es war dies, wie richtig gesagt wurde, die „erste Kodifizierung der österreichischen Reichsidee" (362/11). Was Karl VI. weiter angestrebt hatte, die völkerrechtliche Sicherung dieses Grundgesetzes und damit der österreichischen Gesamtmonarchie, ist ihm zum größten Teil gelungen. Aber der Kaiser hatte der Festigkeit seiner Verträge allzu sehr vertraut und dadurch seiner Tochter sein Reich in einem gefährlichen, unfertigen Zustand der Unklarheit und Unsicherheit nach außen und innen hinterlassen. Aber vielleicht war es gerade diese Bedrohung, die der Erbin die moralische Kraft verlieh, sich dem Kampf gegen ihre Feinde zu stellen, den sie schließlich in Ehren be493

310. Ungarn, Maria Theresia. Taler 1747, Kremnitz

stand, wenn auch nicht gewann. Und dies, wie sie selbst einmal schrieb, „ohne Geld, ohne Credit, ohne Armée, ohne eigene Experienz und Wissenschaft, endlich auch ohne Rath" (1202), habe sie in den Kampf um ihr Erbe eintreten müssen. Der ihr von Preußen aufgezwungene Krieg stellte an die Staatsfinanzen Anforderungen, denen sie kaum gewachsen sein konnten. Als erschwerender Umstand kam noch dazu, daß nach Deutschland reichlich Geld abfloß, dagegen aber die Silbermünze, „die infolge der höheren Gold-Silber-Relation hier billiger zu haben war als anderswo" (307), aufgekauft und ausgeführt wurde, was natürlich auch für Österreich gilt. Maria Theresia hielt sich zu Beginn ihrer Regierung zunächst noch an die Regelungen, die ihr Großvater Leopold I. und ihr Vater getroffen hatten, welch letzter bekanntlich 1717 in einer Hofkammerinstruktion auch eine ausführliche Münzordnung mit detaillierten Prägevorschriften erlassen hatte. Erst langsam begann sie dann den überalterten Münzfuß zu reformieren. 1742 wurde der Silbergehalt der kleinen Sorten vermehrt, 1747 die Ausprägung der großen Nominale gedrosselt und in der Hauptsache nur Scheidemünzen vom Sieb^ehner abwärts geprägt, „die mit ihrer höheren Ausbringung (22,75 fl. gegen 22,28 fl. im Taler) die Relation zum Goldgulden auf 14,88 herabdrückte. Dies genügte aber nicht, ganz abgesehen davon, daß der Dukaten mit einer Kurssteigerung von 249 auf 250 Kr. reagierte, was das Ausbringungsverhältnis wieder auf 14,93 erhöhte. 1748, in welchem Jahre durch den Frieden von Aachen die Kämpfe gegen Frankreich in Oberitalien und in den Niederlanden ein Ende fanden und dem Preußenkönig der Besitz Schlesiens von den Mächten zugesichert wurde, kam es abermals zu einer — geheimen — Herabsetzung des Talerfußes, der auch für die anderen groben Sorten galt. An dem offiziellen Dukatenkurs von 249 Kr. gemessen bedeutete dies eine Senkung der Relation auf 14,79, gegenüber dem tatsächlichen Marktkurs von 250 Kr. auf 14,85. Auch dies blieb also hinter den Verhältnissen des Weltmarktes um gut einen halben Punkt zurück" (307). Das alles war aber nur Stückwerk. Von der Alternative, den Wert der Goldmünze herabzusetzen oder den Feingehalt der Silbermünzen zu verringern, wählte man die zweite. Der jungen tatkräftigen Kaiserin aber war es längst klar geworden, daß das überkommene schwerfällige Verwaltungssystem außerstande war, den von allen Seiten drohenden Gefahren standzuhalten. Es gab sozusagen nichts in ihrem Staate, was nicht morsch und völlig unzeitgemäß war; vor allem aber galt es, ein schlagfertiges Heer zu schaffen für den unausbleiblichen nächsten Waffengang, um das verlorene Schlesien zurückzugewinnen. Eine solche Armee bedurfte wiederum solcher Geldmittel, welche die gegenwärtige Finanzverfassung unmöglich aufbringen konnte. Das Unglück wollte es, daß ihr erfahrener Berater in den Finanznöten der Anfangsjahre, der alte Hofkammer494

311. Ungarn, Maria Theresia. 10 Denare 1743, Mzst.? 312. Ungarn, Maria Theresia. Poltura 1752, Wien

311

312

313. Siebenbürgen, Maria Theresia. Viler 1764, Karlsburg

Präsident Gundaker Graf Starhemberg fast ein Jahr vor dem Friedensschluß von Dresden, der den zweiten Schlesischen Krieg beendet hatte, gestorben war. Dafür aber bot ihr das Schicksal als Ersatz jenen Mann, der — wie sie in ihrer „Denkschrift" sich ausdrückte — ihr durch die Providenz Gottes zum Heil ihrer Länder bekanntgeworden sei, den Grafen Friedrich Wilhelm von Haugwitz. Es ist hier nicht der Ort, dieses oft genug gewürdigte und kommentierte Reformwerk eingehend zu untersuchen, das von vielen Zeitgenossen als Vergrößerung der österreichischen Verwaltung angefeindet wurde, weil der Reformator in der Tat sein Werk außer auf der Lehre der großen Kameralisten B E C H E R , HÖRNIGK und SCHRÖDER auch auf die von F R I E D R I C H W I L H E L M I. von Preußen eingeführte „klar gegliederte, ausgezeichnete und von ständischen Einflüssen völlig freie Verwaltung" aufgebaut und auch durchgesetzt hatte. Hier interessiert uns nur die auch das Münzwesen einschließende Finanzreform. Gerade sie wurde am heftigsten bekämpft, weil sie — im Gegensatz zu Preußen — den Landständen höchst unbequem war. Indirekt negierte sie alte verliehene oder angemaßte Rechte und damit die Position der Stände als einen zweiten, oft übermächtigen Staat im Staate. Aber Haugwitz wußte sich, des Vertrauens seiner Monarchin gewiß, gegen Minister und Stände zu behaupten und durchzusetzen. Um den Unterhalt des erhöhten Truppenstandes sicherzustellen, mußten die Staatseinkünfte erhöht und neue staatliche Behörden bestellt werden. Es kam daher zur Regelung des Steuerwesens bei gleichzeitiger Zurückdrängung des ständischen Einflusses. Um nicht den Ungarn die in der Pragmatischen Sanktion verbriefte, auch für die Nachfolger Karls VI. bindende Anerkennung der althergebrachten Rechte anzutasten, blieb die Reform auf die deutschen und böhmischen Erblande beschränkt. Schon 1749 wurde dann das „Directorium in pubücis et cameralibus" geschaffen, in dem der geplante neue Behördentypus als erster voll ausgeprägt war, das heißt, daß die Besetzung der Finanzen und des Politici von nun an e i n e r Behörde anvertraut war. Es mußte aber 1761 nach einem förmlichen Sturz des Direktoriums wieder aufgehoben und die Finanzverwaltung unter drei Zentralbehörden aufgeteilt werden: die Hofkammer, die Caisse générale und die Rechenkammer, während die politische Administration der k. k. vereinigten böhmischösterreichischen Hofkanzlei übertragen wurde. Die Hofkammer aber hatte jetzt die Oberaufsicht über das gesamte Finanzwesen, also auch über die Münze. Das Münzwesen trat als eines der reformbedürftigsten Probleme schon im Oktober 1750 in ein ganz neues Stadium. Die am 7. dieses Monates eingeführte neue Währung bewährte sich so gut, daß sie bis 1858 in Geltung bleiben konnte. Die kurzlebigen Eingriffe, welche die napoleonische Zeit mit sich brachte, änderte nichts an ihrer wahrhaft grundlegenden Struktur, wobei das Wort „grundlegend" hier gleichzeitig für „gründlich" steht. 495

314. Siebenbürgen, Franz I. von Lothringen. Dukaten 1765, Karlsburg

315. Ungarn, Franz I. von Lothringen. XVIIer 1758, Kremnitz

Schon im April 1746 war das Münz- und Bergwerksdirektions-Kollegium errichtet und zu einer unmittelbaren Hofstelle erklärt worden. Unter Starhemberg hatte das Berg- und Münzwesen noch eine „Kameralhauptkommission" der Hofkammer gebildet. Ihre Herausschälung aus diesem Verbände und die Heranziehung an die Person der Kaiserin zeigt die Beachtung, die sie dieser den nervus rerum ihres Handelns bildenden Institution schenkte. Die neue Währung bestand aus einem 20-Gulden-Fuß, es waren also aus der feinen Kölner Mark 20 Gulden = 1 0 Taler zu prägen bzw. aus der feinen Wiener Mark, die sich zur Kölner ungefähr wie 5:6 verhielt, 24 fl. oder 12 Taler. Die Reform schloß vorläufig die Goldstücke aus. Um die bisher unausrottbaren Schwierigkeiten, die sich aus der unterwertigen Silberscheidemünze zwangsläufig ergaben, endgültig zu beheben, wurden bis hinab zum Groschen nunmehr alle Silbersorten nach dem neuen Münzfuß ausgebracht; nur die kleinen Sorten wurden noch geringer ausgeprägt, da sie ja für das System selbst unwichtig waren. Österreich aber durfte sich mit dieser fundamentalen Neuerung nicht isolieren, denn der Erfolg der Münzreform war nur dann gesichert, wenn sie auch im Reiche entsprechend angenommen und befolgt wurde. Vor allem Süddeutschland mußte wegen der zersplitterten vorderösterreichischen Gebiete zum Anschluß bewogen werden. Als erster Partner wurde Bayern gewonnen, das allerdings schon ein Jahr später, wie der Kurfürst der Kaiserin schrieb, wegen „der zwischen meinen und denen benachbarten Kreislanden in dem Münzfuß obwaltenden großen Ungleichheit" der Konvention entsagte. Wobei gleich hier bemerkt werden soll, daß trotz dieser Kündigung Bayern dennoch nach dem neuen Münzfuß weiterprägte. „Nur wurde der äußere Wert um 20 Prozent erhöht, so daß der Taler statt 2 Gulden gleich 120 Kreuzer, 2 Gulden 24 Kreuzer gleich 144 Kreuzer galt" (637). Dieser Fuß wurde seit 1760 innerhalb von etwa zwei Jahrzehnten von den meisten süd- und westdeutschen Territorien als 24-Gulden-Fuß (auch Reichs- oder rheinischer Fuß), 1765 auch von dem unter kursächsischer Herrschaft stehenden Polen angenommen. Nur Schwedisch-Pommern, Hannover und Preußen schlössen sich aus. Die österreichisch-bayrische Münzkonvention wurde am 21. November 1753 zu Wien abgeschlossen. Sie wurde damit begründet, daß der 1737 „zu einem allgemeinen Reichsfuß bestimmte Leipzigerfuß um so weniger durchgehends ad effectum hat gelangen können, als solcher (wegen dabei obwaltender allzugroßer Disproportion zwischen Silber und Gold) nicht aufrechtzuerhalten, auch ohne namhaften Schaden und gänzlicher Verschwindung des Silbers in Exekution zu bringen nicht möglich sein würde" (41 /II). Überdies sei bei den derzeitigen Umständen „ein allgemeiner Reichsschluß im Münz496

316. Österreich, Franz I. von Lothringen. Kreuzer 1760, Wien 317. Österreich, Franz I. von Lothringen. Pfennig 1749, Wien

wesen noch lange nicht abzusehen" (41/11). Der Vertrag wurde österreichischerseits vom Präsidenten des k. k. Münz- und Bergwesens-Direktions-Hofkollegiums Karl Ferdinand Grafen zu Königsegg-Erps und bayrischerseits dem bevollmächtigten Minister am Wiener Hofe Johann Joseph Grafen von Baumgarten abgeschlossen. Beide Vertragspartner sicherten den nach diesem Konventionsfuß geprägten Münzen gegenseitige Umlauffähigkeit in ihren Territorien zu. Aus den stipulierten Punkten, die genaue Präge- und sonstige Vorschriften enthalten, sei nur noch der 9. herausgehoben, in dem sich beide Partner verpflichteten, keine Achteltaler oder Fünf^ehner und auch keine 12- und 6-KreuzerStücke mehr zu prägen. Dagegen durften die erbländischen Münzämter und auch Ungarn Sieb^ehner und Siebener ausgeben, wobei zu bemerken ist, daß diese Stücke jetzt tatsächlich auch diesen Wert aufwiesen. Bisher war dies nicht der Fall gewesen; die Fünj\ehner und Sechser besaßen nun ein gesetzliches Agio, das auf den Geprägen selbst nicht aufschien. Zugleich mit der Ausprägung des Konventionsgeldes wurde auch die 1750 eingestellte Ausprägung für Mantua wieder aufgenommen, die bis 1758 dauerte. Als Maria Theresias Gemahl, Großherzog Franz Stephan von Lothringen-Toskana, nach der kurzen Kaiserzeit des Bayern Karl VII. im Jahre 1745 zu Frankfurt a. M. gekrönt worden war, wurde fortan sowohl mit dem Bilde der Kaiserin als mit dem des Kaisers gemünzt. Während aber die Gepräge der Kaiserin in ihrer überwiegenden Mehrzahl im Brustschild des Doppeladlers das Landeswappen der betreffenden Münzstätte zeigen (in Ungarn erschien statt des Adlers die Patrona Hungariae), hat in den Münzen des Kaisers der Doppeladler einen von den Wappen Lothringens und Toskanas gespaltenen Brustschild, während die Münzstätte durch die Anfangsbuchstaben des Ortsnamens, z. B. W-I für Wien, angedeutet ist. Die Hauptmünze des Konventionsfußes war der Taler; das berühmteste und auch am weitesten verbreitete jedoch der Zwanziger (20 Kr.), dem der Zehner als Halbstück zur Seite stand. Sämtliche nach dem neuen Fuß geprägten Werte vom Taler bis einschließlich des Groschens wurden von 1751 bis 1804 durch das burgundische, einem x gleichende Andreaskreuz (Astkreuz) auf der Rückseite hinter der Jahreszahl gekennzeichnet. Schon 1748 waren in Wien zum erstenmal Kupferpfennige geprägt worden. 1768 begann in Wien, Hall, Prag und Kremnitz eine umfangreiche Ausmünzung von Kupferkreuzern, die den wegen seines kleinen Formats unpraktischen Silberkreuzer ersetzten. Die ersten Jahrgänge dieser Kupferkreuzer gerieten zu schwer und unhandlich; 1779 wurde ihr Gewicht daher bedeutend herabgesetzt. Mit dieser Prägung war — wenn wir von Görz und dem Trentino absehen — in der Monarchie das Kupfer endlich gesetzlich als Münzmetall anerkannt und damit dem Münzwesen neue Bahnen gewiesen worden. Mit seiner Einführung hatte die „Übersättigung des kursierenden Geldes mit ausländischer 497

318. Österreich, Maria Theresia. 20er 1764, Wien 319. Tirol, Maria Theresia. 10er 1764, Hall

Scheidemünze ihr Ende erreicht, und damit war eine der schlimmsten Kalamitäten des Münzwesens beseitigt" (637). Eine neu errichtete Münzstätte zu Schmöllnitz, einer der oberungarischen Bergstädte, prägte überhaupt nur in diesem Metall, das ihr in diesem Montanbezirk reichlich zur Verfügung stand. Als im Jahre 1779, nach dem Frieden von Teschen, das bisher bayrische Innviertel an Österreich kam und es dort hauptsächlich an Kleinmünzen mangelte, wurden für dieses Gebiet sofort in der vorderösterreichischen Münzstätte Günzburg Kupferkreuzer mit dem Münzbuchstaben G(ünzburg) geschlagen. Innerhalb von sechs Wochen wurden 1,200.000 solcher Kreuzer geprägt und ein Teil von ihnen auf das „Ordinari Ulmer Schuff verladen und donauabwärts geführt. Gleichzeitig mit Österreich hatte auch Preußen sein Münzwesen zu regeln versucht. Aber der von Friedrichs II. Generalmünzdirektor Johann Philipp von Graumann ausgearbeitete und nach ihm auch benannte Münzfuß ließ die Reform zunächst scheitern. Der Konventionsfuß aber, der eine monetäre Einigung Deutschlands unter Österreichs Führung in den Bereich der Möglichkeit rückte, erschien Preußen geradezu als eine Gefährdung seiner Interessen. Seine Vertreter beim „Immerwährenden Reichstag in Regensburg" setzten alle Hebel in Bewegung, um ihn zu diskreditieren. Graumanns Wunsch, „das Reich so lange in der bisherigen Konfusion zu halten, bis Preußen durch Verbesserung seiner Finanzen seinen auswärtigen Handel auf den gleichen Fuß gesetzt haben würde" (637), war zeitweilig sogar in Erfüllung gegangen. Aber eben nur teilweise, denn infolge „der bequemen Umrechnungsmöglichkeit des richtigen Wertansatzes von Gold und Silber, der glücklichen Durchführung der Silberscheidemünzen im gleichen Münzfuß", hat sich der Konventionsfuß im Westen und Süden des Reiches doch durchgesetzt. Damit blieben die österreichischen Münzen hinfort so ziemlich vor dem Umprägen bewahrt, und die zersplitterten Vorlande bildeten nicht mehr Enklaven inmitten anderweitiger Münzsysteme und schließlich war auch den Bedürfnissen des Handelsverkehrs Rechnung getragen. Für diese Vorlande war 1763 in Günzburg eine eigene Münzstätte errichtet worden, die mit besonderen Aufgaben betraut wurde. Sonst waren unter Maria Theresia in den Erblanden noch die Münzhäuser in Wien, Graz (1772 geschlossen), Hall, Prag, Kremnitz, Nagybdnya, Schmöllnitz und Karlsburg tätig. Als infolge der ersten Teilung Polens 1772 die 1412 vom deutschen König Sigmund an Polen verpfändeten 13 Zipser Städte an Ungarn zurückfielen, Österreich auch Rotrußland (der südliche Teil Galiziens zwischen Dnjestr und San), die Herzogtümer Auschwitz und Zator sowie Teile Podoliens erhielt, die dann zum Königreiche Galizien und Lodomerien vereinigt wurden, stattete man dieses zwar mit keiner eigenen Münzstätte aus, sondern nur mit eigenen Münzen: in Silber 498

320. Tirol, Maria Theresia. Ser 1779, Hall

321. Ungarn, Maria Theresia. Denar 1766, Mzst.?

322. Burgau, Maria Theresia. Taler 1764, Günzburg

323. Burgau, Maria Theresia. Kreuzer 1772, Günzburg

324. Burgau, Maria Theresia. Heller 1772, Günzburg

325. Luxemburg, Maria Theresia. V. Sol 1775, Brüssel

326. Mantua, Maria Theresia. 60 Soldi 1757, Mantua

Dreißiger und Fünf^ehner (1775—1777), die in Wien, sowie Kupfer-Schillinge (1774), die in Schmöllnitz hergestellt wurden. Späterhin aber waren in Galizien die Münzen der Monarchie in Umlauf. In den Niederlanden waren die Münzstätten in Antwerpen (bis 1758), Brügge (bis 1754) und Brüssel tätig; die belgische Hauptstadt prägte auch in der Zeit von 1775 bis 1777 für Luxemburg eigene Münzen in 7 Werten von Zwölf- bis Achtelsols in Silber und Kupfer. Die vierjährige Okkupation der Österreichischen Niederlande durch die Franzosen 1745 bi s 1749 brachte dort das Münzwesen inziemliche Verwirrung, weshalb es nach der Rückgewinnung neu geordnet werden mußte. 1755 erfolgte dann eine Revision auf Grund der in den Erblanden gemachten Erfahrungen. Von den schon unter Erzherzog Albrecht 1611 geschaffenen Münzsorten erlangte eine, der ehemalige Souverain d'argent, nunmehr Kronentaler wegen der Kronen in den Winkeln eines großen Andreaskreuzes, weit über das Versorgungsgebiet hinaus große Bedeutung. Sowohl in Mailand als auch in den erbländischen Münzstätten wurde er in größeren Mengen ausgeprägt und überragte die anderen Taler im Umlauf sehr bald an Beliebtheit. In Mailand und Mantua wurde zunächst im bisherigen Sinne gearbeitet; Mantua wurde bekanntlich 1758 geschlossen, die Münzstätte in der lombardischen Hauptstadt aber 1778 ganz neu hergerichtet und ein neuer Münzfuß eingeführt, der sich dem österreichischen näherte. Für Parma und Piacenza wurden in Piacenza eigene Kupfero. J. geprägt. Hand in Hand mit dieser Währungsreform ging auch eine Neuordnung des Münzgewichts, der Wiener Mark, und des technischen Betriebes durch die Einführung der besser und schneller arbeitenden Spindelpresse. Auch die Münzhäuser von Wien und Brüssel wurden neu eingerichtet und wie schon unter Karl VI. auf einen guten Schnitt der Medaillen- und Münzstempel großer Wert gelegt. Vortreffliche Künstler schufen insbesondere auf dem Gebiete der Medaille ausgezeichnete Werke: Matthäus Donner, Anton Wiedeman, Johann Baptist Wurschbauer d. Ä., Anton Moll, Franz Würth, Giovanni Toda, Peter Kayserswerth, Johann Martin Krafft in den österreichischen Erblanden, Anton Guillemard in Mailand und Theodor van Berkel in Brüssel; aber auch die Münzen lassen überall eine Künstlerhand erkennen. Maria Theresia hatte angeordnet, daß nur die eine Hälfte der ausgeprägten Münze mit ihrem eigenen Bild ausgestattet werden sollte; die andere Hälfte blieb dem Porträt ihres Gatten vorbehalten; nach dessen Tod 1765 verfügte sie dann, daß ein Drittel mit ihrem, das zweite mit dem des verstorbenen Kaisers, das letzte mit dem ihres Sohnes und Mitregenten, Joseph II., auszustatten sei. Ihr Bildnis trug fortab den Witwenschleier. Die postumen Gepräge des Kaisers trugen alle das Todesjahr 1765 und zur Bestimmung des wirklichen Prägejahres die fortlaufenden Buchstaben des Alphabets (A = 1766 bis P = 1780, das Todesjahr der Kaiserin). Kurz sei hier auch noch einiger Notmünzen gedacht, die unter der Regierung der Kaiserin-Königin in verschiedenen belagerten Städten geschlagen wurden. Den Anfang machten 1743 Braunau am Inn und die alte Reichsstadt Eger. Das damals noch bayrische Braunau wurde vom Herzog Ludwig Friedrich zu Sachsen-Hildburghausen gegen die Österreicher verteidigt. Um die über 4000 Mann starke Besatzung zu entlohnen, ließ er aus seinem silbernen Tafelservice, aus Zinn und auch aus Gold, achteckige einseitige Klippen im Werte von 2 Dukaten bis 1 Kreuzer schlagen. Die Stücke tragen alle das prinzliche Wappen über gekreuzten Palmzweigen. Die Stadt mußte schließlich kapitulieren. Ähnlich erging es Eger, das von einem auf preußischer Seite kämpfenden französischen 500

327. Burgau, Maria Theresia. 2 Souverains d'or 1772, Günzburg

328. Braunau am Inn, Hzg. L. F. zu SachsenHildburghausen. Silberklippe 1743 (eins.), Belagerung durch die Österreicher

Korps besetzt war. Wer die Groschen, Kreuzer und die einseitige Klippe, alle aus Zinn, herausgegeben hat, der französische Kommandant, der die Stadt gegen die Österreicher verteidigte, oder die Stadt selbst als Ersatz für die ihr seinerzeit von Kaiser Karl VI. auferlegte Kontribution, ist ungewiß. Das Stadtwappen ließe eher auf die Stadt schließen. In den Siebenjährigen Krieg versetzt uns die österreichische Zinn-Prägung aus Prag zu 20, 10 und 1 Kreuzer mit der Jahreszahl 1757, Gulden und Groschen vom Stempel des Jahres 1754. Die böhmische Hauptstadt war nach einer für Österreich verlorenen Schlacht von den Preußen eingeschlossen und erst nach dem Siege des Feldmarschalls Grafen Daun bei Kolin wieder befreit worden. Im Laufe dieses Krieges war auch die Festung Kosel an der Oder im schlesischen Herzogtum Oppeln von dem späteren Feldmarschall Laudon zweimal vergeblich belagert worden. Die Festung gab 1761 ein Notgeld aus Messing zu 1 guten Groschen, 1 Kreuzer und 1 Gröschl heraus. Der Siebenjährige Krieg konfrontiert uns mit einer ganzen Reihe von geldgeschichtlichen Problemen. Sie kommen auch in dem völligen Umschwung in der traditionellen Bündnispolitik zum Ausdruck. Das Bündnis mit den Seemächten wurde gelöst, aus dem ehemaligen „Hauptfeind" Frankreich wurde jetzt ein Bundesgenosse gegen den neuen „Hauptfeind" Preußen. Gegen Friedrich II. hegte auch die Zarin Elisabeth schon längst einen erbitterten Haß. Das Defensivbündnis mit Rußland bestand schon ein paar Jahre; ein neues wurde jetzt mit Frankreich geschlossen. Der 1756 neu entbrannte Krieg fiel in eine Zeit wichtiger wirtschaftlicher Entwicklung. „Ideengeschichtlich stand diese Zeit für den Westen Europas im Übergang aus dem im Staate wurzelnden Merkantilismus zu den freien Richtungen des Physiokratismus und Liberalismus. Im Osten der deutschen Länder jedoch waren die Kameralisten maßgebend mit Anschauungen, welche von der Einzelstaatswirtschaft ausgingen. Das öffentliche Kreditwesen war wohl in Westeuropa in Entwicklung, stand aber in Österreich und noch viel mehr in Preußen in den allerersten Anfängen. Preußen hatte um diese Zeit gar keine Staatsschulden, Österreich verhältnismäßig nicht viele" (639). Es hieße den Rahmen dieses Buches völlig sprengen, wollte man den sehr interessanten Gang dieser Entwicklung hier im einzelnen verfolgen. Daß sich Österreich trotz des Friedensschlusses von Aachen mit Preußen, wenn auch nicht militärisch, so doch ideologisch noch immer im Kriegszustand befand, zeigt der Auftrag Friedrichs II. an seinen Gesandten in Regensburg wegen des 20-Gulden-Fußes. Dieser erhielt die Order, „diese Sache so weitläufig und so vague, als es nur möglich" zu traktieren (1750) und „sich nicht mit solchen Lumpereien aufzuhalten und höchstwichtige Sachen liegen zu lassen" (1752); ein Gutachten sei abzugeben, „in denen gewöhnlich und mehrenteils ganz unverständlichen 501

Münzterminis, daß niemand oder wenige den eigentlichen Sinn daraus begreifen, noch dadurch den hiesigen Münzverfassungen ein Präjudiz gezogen werden könne". Und als die Verhandlungen sich für Österreicher aussichtsreicher gestalteten, befahl der König sogar, „wo es nötig, möge man brav dagegen schreien". Friedrich befürchtete von einem einheitlichen Münzfuß, der für ein dem Reiche angehöriges Land die ultima ratio gewesen wäre, eine Beeinträchtigung, ja Verhinderung seiner eigenen finanziellen Pläne. Das Geldwesen seines Staates war hinter dem der westlichen Kulturländer weit zurückgeblieben. Deren großen Vorsprung einzuholen, schien ihm eine höchst dringende Aufgabe. In Preußen wurde in der Zeitspanne von zwanzig Jahren überhaupt kein Taler mehr geprägt. Das Land war daher von seinen Nachbarn, insbesondere von Holland abhängig. Ähnlich wie Sigmund von Tirol im Guldiner ein Silberäquivalent für den Goldgulden geschaffen hatte, sollte nunmehr durch den preußischen Reichstaler, wie er sich auf den Geprägen nannte, der holländische Dukaten verdrängt werden. Dieser Reichstaler sollte sich indessen gestützt auf den Export Schlesiens an Leinwand und Tuchen im internationalen Handelsverkehr, wie der König und sein Münzdirektor Graumann hofften, durchsetzen. Ferner hoffte Graumann auch, durch einen hohen Schlagschatz hohe Einnahmen im Werte von 100.000 bis 200.000 Taler jährlich erzielen zu können, was natürlich nur auf Kosten des Feingehaltes geschehen konnte. Das Projekt scheiterte vorläufig; man gab auch den Eigenbetrieb der preußischen Münzstätten auf und verpachtete sie an die Konsortien des Veitel Ephraim, Isaak Itzig und Moses Gomperz (Gumperts), die den vom König verlangten Schlagschatz gleich im vorhinein ruhig auf den Tisch legten. Sie wußten nur zu gut, wie sie ihn, vermehrt um den eigenen Gewinn, wieder hereinbringen konnten. In diesem Stadium trat Preußen abermals in den Krieg gegen Maria Theresia ein. Die Angaben über dessen Kosten schwanken zwischen 125 und 140 Millionen Reichstaler. Die 125 Millionen, auf die Friedrich die Ausgaben schätzt, dürften der richtigen Zahlen entsprechen. Der König hatte übrigens eine Abneigung gegen Anleihen; er machte daher während des ganzen Krieges nur 4 Millionen Schulden bei der kurmärkischen Landschaft und anderen Ständen. „Die große Masse der Erfordernisse für den Krieg deckten die Einnahmsposten, Münzüberschuß, englische Subsidien und Kontributionsgelder mit 78% Millionen Reichstaler" (639). Einen wichtigen Posten der preußischen Finanzen bildeten die englischen Subsidien in den Jahren 1758—1761 mit viermal je 670.000 Pfund Sterling, aus denen mindestens 27 Millionen Taler anstatt der dem 14-TalerFuß (Graumannscher Fuß) entsprechenden 16 Millionen geschlagen wurden. Demnach sind diese Einnahmen einem Münzgewinn zu verdanken, der durch massenhafte Fabrikation minderwertigen Geldes entstanden ist. Ungefähr ein Drittel der Kriegskosten, also ungefähr 40 Millionen, sind — mindestens provisorisch — durch Ausgabe schlechter Münzen gedeckt worden. Den größten Teil der Kontributionen hatte das von Friedrich erbarmungslos behandelte Sachsen zu tragen, dessen Kurfürst zu Österreich hielt. Seine Armee hatte schon anderthalb Monate nach Kriegsbeginn bei Pirna kapitulieren müssen. Der Preußenkönig war der Ansicht, daß aus dem Münzregal durch einen hohen Schlagschatz Einkünfte gezogen werden müßten, und zwar sollten diese Einnahmen im Kriege noch weiter erhöht werden. Dafür mußte auch das von ihm besetzte Sachsen besonders herhalten. In Leipzig war kein anderer als Veitel Ephraim der Pächter und zugleich ein williges Vollzugsorgan für die königlich preußischen Befehle. Nach ihm wurden die in Leipzig und dann auch in anderen Münzstätten (z. B. Dresden) geschlagenen Dritteltaler mit kursächsischem und die Tjmpfe (Acht^ehngröscher) mit sächsisch-polnischem Gepräge Epbraimiten genannt; späterhin bezeichnete man auch die preußischen Drittel- und 502

Secbsteltaler, Tympfe und S^ostake (Sechsgröscher), gleichgültig ob sie von Ephraim oder von einem andern Münzpächter stammten, ebenfalls so, denn sie waren alle minderwertig. Die Dritteltaler wurden von einem Feingewicht von 5,4 auf 1—2, die Tympfe von 3 bis auf 1,5 reduziert. Sogar der König selbst nannte dieses Schandgeld in Selbsterkenntnis „infame Münzen". Das bedeutete, daß man den noch halbwegs soliden 14-Taler-Fuß auf einen 18—19-Taler-Fuß heruntergewirtschaftet hatte. Ja es gab sogar zeitweilig einen 40—54Taler-Fuß. Die preußischen Prägungen, die auch den Friedrichsdor nicht verschonten, waren jedoch keineswegs die schlechtesten; dafür hauste man in Feindesland, also in Sachsen, um so schlimmer. Hier wurde der Augustdor schließlich von 21 Karat lOGrän bis auf 7 Karat verfälscht. Aber auch die Münzstempel anderer Fürsten wurden von Preußen für seine Zwecke beansprucht, so z. B. jene von Anhalt-Bernburg, Mecklenburg-Schwerin. Ja auch österreichische 20-, 17-, 10-, 7- und l-X/w^r-Stücke sollten nachgeahmt werden, ein für Österreich höchst gefährliches Unterfangen, das indessen durch Friedrichs schwere Niederlage bei Kolin glücklicherweise vereitelt wurde. Doch sogar im Frieden setzte der König seine Falschmünzerei fort; hier vergriff er sich u. a. am Maria-Theresiert- oder Levantetaler, dann auch am polnischen Kleingeld und sogar an russischen Silberstücken und Goldimperialen (10 Rubel). Man wird hier nicht nach dem Standpunkt der Moral urteilen dürfen, sondern nur nach dem des Selbsterhaltungstriebes, dem bei Friedrich allerdings ein Schuß erbitterten Hasses gegen Österreich beigemengt war. Von seinen Ländern suchte er, wie erwähnt, die unausbleiblichen Folgen einer solchen Münzverschlechterung abzuhalten, indem er sie auf das feindliche und auch auf das neutrale Ausland abwälzte. Er hat auch in seinem Lande die auf seine Veranlassung verfälschten schlechten Münzen zu verbieten versucht und verwendete sie daher zu Zahlungen an das Ausland, vor allem an Polen, dessen Herrscher zugleich auch Kurfürst von Sachsen war. Die ganze Aktion wurde bald ruchbar. So verbot man in Österreich zugleich mit anderen preußischen Münzsorten schon wenige Monate nach ihrer Ausgabe die preußischen Friedrichsdore, die um 2 fl. weniger wert waren als vorgeschrieben. Aber auch in Preußen selbst mehrten sich die Klagen. Selbst Graumann ließ von sich hören, daß Gebrauch und Kurs des Geldes von der Willkür des Landesherrn abhänge. Der preußische Wechselkurs begann gegenüber dem Ausland zu sinken, und zwar etwa in bezug auf Hamburg um 140—230%. Selbst im Inland gab es große Schwierigkeiten wegen des entwerteten Geldes, Preissteigerungen bei Getreide und Pferden, beides für die Kriegsführung von großer Wichtigkeit. Seit 1761 folgten die Preise wenn auch langsam zwangsläufig der Münzentwertung. Es wurde immer schwieriger, die Massen von Münzen dem Auslande anzuhängen. Sie blieben also im Lande, wenn auch nicht auf lange, denn mit der gleichen Energie, mit der Friedrich das schlechte Geld hervorgezaubert hatte, entledigte er sich dessen wieder. Die Anleihe bei den kurmärkischen Ständen wurde mit minderwertigen Sorten zurückgezahlt, und zwar „ganz im Gegensatz zu der auch im 17. Jahrhundert allgemein etwa vom Reichskammergericht eingehaltenen Ansicht über Schuldenrückzahlung". Dann folgten etappenweise Verruf und Einschmelzung der fragwürdigen Münzen, zunächst aus den Beständen der öffentlichen Kassen, ungeachtet der unvermeidlichen hohen Verluste. Bis 1771 war das Kriegsgeld durch Ummünzung im wesentlichen beseitigt. Der Leidtragende war infolge dieser radikalen Maßnahmen natürlich die Bevölkerung. Diese als nahezu einziger Ausweg verwendete Untermünzung war demnach „ein äußerst rohes und schädliches Mittel". Der König urteilte selbst darüber, es sei ein „Remède 503

aussi violent que préjudiciable, mais unique dans les conjonctures pour que l'état pût se soutenir" (639). Ein ganz anderes Bild ergibt die Finanzierung des Krieges durch Österreich. Vielleicht wurde der Krieg und damit auch das dem Herzen Maria Theresias so nahestehende Schlesien für immer verloren, weil man in Österreich ungleich dem Feinde nicht hasardierte, sondern auf ehrliche und faire Weise operierte und sich auf kein Vabanquespiel einließ. Die „extraordinären" Kosten des Krieges werden mit 260 Millionen Gulden angegeben. Dabei wurden aus dem Münzwesen nicht mehr als 2 Millionen gezogen, „also nicht einmal ein Hundertstel der Kriegsausgaben, gegenüber einem Viertel bis zu einem Drittel in Preußen" (639). Auch die Ausgabe minderwertiger Sorten nach preußischem Muster hat Österreich verschmäht. Die Kupfermünzen waren schon im Einführungspatent von 1760 ausdrücklich als Scheidemünzen bezeichnet worden, was ihre Verwendung zu größeren Zahlungen von vornherein ausschloß. Abgesehen davon kann ihre Ausmünzung in den Jahren 1760—1763 im Verhältnis zum Bedarf keineswegs „übermäßig" genannt werden. Denn in diesem Zeitraum wurden an 1-, und %-Kreuzern, Gröschel (3/4 Kr.), ungarischen Denaren (2/s Kr.) und Görzer Saldi im ganzen bloß für etwa 3,2 Millionen fl. Kupfer ausgeprägt, was ungefähr 1/8 der Gesamtkosten ausmacht. In einer ,unvorgreiflichen Gedanken, was bei Einführung der Kupfermünzen zu observieren sei' betitelten Denkschrift, wird darauf hingewiesen, daß sich England, Frankreich und die meisten italienischen Staaten der Kupfermünzen bedienen, jedoch nur für den „minuto commercio", d. h. den Kleinhandel. Schon aus manipulativen Gründen hätten sich die Kupferstücke und die kleinen Silbermünzen nicht für den Großhandel, wie ihn die Kriegserfordernisse erheischten, verwenden lassen. Für Österreich blieb also, nachdem man auf eine dreiste Münzverfälschung, als auf eine vom Staat inszenierte metallene Inflation verzichtet hatte, nur eine bis zum Äußersten gehende Ausschöpfung der Kreditmöglichkeiten übrig. Von den vorerwähnten 260 Millionen wurden 93 in Gratisbeiträgen, davon 92 in Bargeld und ca. 800.000 fl. in Naturalien aufgebracht. Davon stammten bloß y 2 Million aus den ungarischen, dagegen 25 Millionen aus den deutschen und böhmischen Erbländern, 27 aus den Niederlanden, 7 aus dem Reich und 21 vom Wiener Stadtbanko. 165 Millionen mußten daher durch Kredit aufgebracht werden, und zwar 157 in Bargeld und 18 durch Naturallieferungen ; 51 Millionen entstammten Zwangsanleihen, 48 freiwilligen Anleihen ; 47 kamen in Papier. Von diesem Kredit brachten die ungarischen Länder wieder nur 7 Millionen; auf die böhmischen entfielen 90, auf die Niederlande 26 Millionen, auf den Wiener Stadtbanko 32 und auf private Darlehensgelder 11 Millionen. Das jährliche Budget betrug etwa 60 Millionen mit einem Fehlbetrag von ca. 5 Millionen Gulden. Bemerkenswert sind hier die Leistungen der Wiener Stadtbank, die immer wieder zur Tilgung von Staatsschulden herangezogen wird, Schulden, die zwischen 1756 und 1763 von 56 auf 84 Millionen anstiegen, weshalb der Zinsfuß von 4 auf 5—6% erhöht werden mußte. Während des Krieges hatte die Bank der Kaiserin ca. 60 Millionen „Aushülf" gegeben. Es gab damals schon Bankozettel, während für Naturallieferungen sogenannte „Pamatken" ausgestellt wurden. Der ungemein tüchtige Graf Ludwig von Zinzendorf (nicht zu verwechseln mit dem betrügerischen Hofkammerpräsidenten Sinzendorf unter Leopold I.) hatte auf Grund seiner Kenntnis der viel weiter fortgeschrittenen westeuropäischen Länder 1759 eine Reihe von neuen Vorschlägen unterbreitet, um an Stelle der früher üblichen Zwangs504

anleihen u. dgl. zeitgemäße Formen staatlicher Kreditbeschaffung anzuwenden. Erst ein Jahr später wurde sein Vorschlag durchgeführt, „indem zunächst unter Solidarhaftung der böhmischen und österreichischen Stände für 18 Millionen Zahlungsobligationen ausgegeben wurden, die bei Zahlungen an Staatskassen verwendet werden konnten" (639). 1762 — ein Jahr vorher war Zinzendorf Präsident der ständischen Kreditdeputation geworden — wurden nach Überwindung einiger Bedenken seine Ideen endlich durchgeführt, die letztlich zum Erfolg führten; die Wiener Stadtbank gab um 12 Millionen fl. Zettel im Werte zwischen 5 fl. (900.000 Stück) und 100 fl. (5000 Stück), insgesamt 1,365.000 Stück heraus, die durch Gefälle gedeckt waren und dem Banko zugewiesen wurden. Diese Zettel mußten bei allen öffentlichen Kassen bis zur Hälfte der zu leistenden Zahlung an Stelle von barer Münze angenommen werden. Bei Zahlungen an den Banko selbst mußte ein Drittel in diesen Zetteln geleistet werden. Private waren jedoch nicht gezwungen, sie anzunehmen. Es war dies also eine Zahlungsform, die weder die Bevölkerung noch den normalen Geldumlauf belastete. Diese Banknotenemission von 1762 war das Werk Zinzendorfs gewesen. Für 1763 schlug Graf Karl Friedrich von Hatzfeld, der spätere Hofkammerpräsident, vor, diese Bankozettel zu einer Staatsmünze zu erheben und ihre Zahl zu vermehren. Man behalf sich aber auch diesmal mit Zahlungsobligationen. Zinzendorf arbeitete nun auf Befehl der Kaiserin ein vollständiges System für die Gestaltung des Finanzwesens aus, das jedoch trotz der warmen Befürwortung durch den Hof- und Staatskanzler Fürsten Wenzel Kaunitz nicht durchgeführt wurde. An seiner Stelle wurden 1769 die von Hatzfeld erstattenen Vorschläge akzeptiert, die indessen viel Zinzendorfsches Gedankengut enthielten. Hatzfeld, der früher als Anhänger Zinzendorfs galt, trat nun als dessen Gegner auf. Unter anderem wurde nunmehr auch die Wiedereinführung der Banknoten genehmigt. Das Patent vom 1. August 1771 regelte genau diese zweite Papiergeldemission in Österreich. Kurz gesagt, es wurden für 12 Millionen fl. 876.000 Bankozettel in Stücken zwischen 5 und 100 Gulden und als Neuerung auch zu 500 und 1000 Gulden ausgegeben. Sie konnten jedoch nicht wie bei der ersten Emission gegen Bankobligationen umgetauscht werden, sondern wurden nur gegen Bargeld ausgegeben und angenommen, besaßen weder Zwangskurs noch Umlaufzwang im Privatverkehr (639). „Damit ist in Österreich und in dieser Art wohl überhaupt in Mitteleuropa die Banknote zum ersten Male in Verkehr gesetzt worden, allerdings noch in einer Form, die die Herkunft vom Wechsel und von der Staatsobligation deutlich erkennen ließ. Doch hat sich diese Einrichtung völlig bewährt. Die Noten wurden pünktlich eingelöst und öffentlich verbrannt" (639). 1769 wurden sie, wie erwähnt, von der Hofkammer übernommen; sie besaßen von nun an mehr oder weniger den Charakter von Staatsnoten und behielten ihn, bis das ganze Notenbankgeschäft auf die 1816 neu gegründete Österreichische Nationalbank, die Vorläuferin der Österreichisch-ungarischen Bank überging. Im Gegensatz zu Preußen fühlte sich die Kaiserin nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges verpflichtet, die eingegangenen Schuldverpflichtungen zu erfüllen. Die Staatsschuld war ja im Kriege bedeutend gestiegen, ihre Rückzahlung daher kein leichtes Problem. Vor allem forderte die Höhe des Zinsfußes eine einschneidende Entlastung. 1765 war Kaiser Franz I. Stephan zu Innsbruck plötzlich verschieden. Aus dem von ihm hinterlassenen Vermögen wurde der habsburg-lothringische Familienfonds gegründet. In der Stiftungsurkunde vom 16. Oktober dieses Jahres heißt es in § 6, daß der Betrag der sogenannten „kleinen Schulden-Cassa, so beiläufig in 5,059.401 fl. an baarem Geld und Obligationen besteht, zur Verminderung der Staatsschulden, hauptsächlich aber die baaren Gelder zur Heruntersetzung der Banco-Interessen angewendet werden 505

sollen" (737). Dies sollte sich auch auf das Bargeld in der sogenannten Titelbachischen Kasse erstrecken. Diese Kasse führte ihren Namen von dem Verwalter, einem Rat und Sekretär des verstorbenen Monarchen; sie enthielt 8,561.728 fl. Während die Kaiserin den Überrest für die Etablierung ihrer zahlreichen Kinder, insbesondere der Töchter, zurückbehielt, überließen sie und Joseph II. 2,700.000 fl. leihweise dem Staat. Der Betrag wurde beim Stadtbanco zu 4% jährlicher Interessen angelegt. Die Summe war dem Banko oder der Schuldenkasse dergestalt zu übergeben, „daß die Banco oder Ständischen Obligationen, so die erwähnte Summe ausmachen, nicht weiter verinteressiert werden, sondern zur Verminderung der Schulden-Last des Staats gänzlich cassiret und getilget werden un verbleiben sollen" (737). So handelte die Kaiserin, indem sie selbst in die Bresche sprang, ohne freilich gänzlich erfolgreich zu sein. Überdies schritt man auch zu einer Konversion der Obligationen von 6,5 und 4 % % auf bloß 4%. Dadurch sank der Passivsaldo des Banko 1765 bis 1766 von 110 auf 108 Millionen, der Zinsendienst von 5 y 2 auf 4,3 Millionen und bei den übrigen Staatsschulden im Kapital von 165 auf 134 und der Zinsendienst von 8 auf 5% Millionen fl. Dieses Bestreben ist auch in den nächsten Jahren fortgesetzt worden und hat bei den B a n k schulden gewisse Erfolge gezeitigt, bei den übrigen Staatsschulden aber nicht in nennenswerter Weise, zum Teil wegen äußerer Schwierigkeiten, zum Teil wegen der zu geringen Energie, die vor allem an den Reibungen erlahmte, welche sich aus der ungleichmäßigen Struktur der österreichischen Länder ergaben (737). Obwohl sich Österreich durch die erstmalige und zweckgemäße Einführung des Papiergeldes als wesentlich moderner (und weniger brutal) erwies als Preußen, wurde durch die Kreditinflation und den Mangel an Energie, diese zu beseitigen, dennoch der Keim zu künftigem Verfall gelegt: die Staatsschulden wurden immer größer, und während der Franzosenkriege ist dann um die Jahrhundertwende aus den anfänglich so bewährten Bankozetteln durch Massenemission (ca. 1 Milliarde fl.!) wertloses Papier geworden, was zum Staatsbankrott von 1811 führte. Im Jahre 1764 wurde in Günzburg, wie schon kurz erwähnt, für die Markgrafschaft Burgau eine eigene Münzstätte begründet. Da sich bekanntlich nach Aufkündigung des Konventionsfußes durch Bayern 1754 ganz Süddeutschland dem „rheinischen" oder Reichsfuß (24-Gulden-Fuß) anschloß, waren die österreichischen Vorlande ganz von dessen Geltungsgebiet umgeben. Sie konnten daher den in den übrigen Erblanden gültigen 20-Gulden-Fuß nicht länger behaupten; somit wurde 1761 für die Vorlande der 24-GuldenFuß offiziell anerkannt und demgemäß in der neuen Münzstätte auch gemünzt. Außer den sonst üblichen Nominalen gab es hierauch 5-Kreuzer- und 1I ^-Kopfstücke (1/48-Taler) oder in Reichsmünze 5 und 3 Kreuzer. Erst 1785 wurde dann unter Joseph II. durch Ausgabe eigener 6 und 3 Kreuzer Reichsmünze ( = 5- und 2%-Kr. Konventionsmün^e) dem 24-Gulden-Fuß Rechnung getragen. Gleichwie aber Günzburg an der Kupferprägung für Görz beteiligt war, prägten Hall und Wien seit 1785 mitunter auch für Burgau. 1805 hörte diese Münzstätte zu bestehen auf, da Burgau an Bayern gefallen war, das die Münzstätte nicht weiter benützte. Diesem Münzhaus, das eine besondere Aufgabe innerhalb eines kleinen Territoriums zu erfüllen hatte, entstammt nun eine Handelsmünze, die ihresgleichen in der gesamten Münzgeschichte nicht besitzt: den Maria-Theresien- oder Levante- (Levantiner-)Taler. Er hat begreiflicherweise eine eigene Literatur hervorgebracht, die keineswegs rein numismatisch-geldgeschichtlicher, sondern ebenso auch ethnographischer und geographischer Natur ist. Und ebenso legt eine ansehnliche Reihe von Reisebeschreibungen Zeugnis von der weiten Verbreitung dieses Talers ab, von dem nachweisbar rund 320 Millionen Stück zu Recht oder zu Unrecht in verschiedenen Münzstätten geprägt wurden. 506

329. Burgau, Maria Theresia. Sog. Levante-Taler 1780, Günzburg

Er ist jedoch keineswegs die einzige Talersorte, die aus Günzburg hervorgegangen ist. Es gibt normale Taler mit und ohne Witwenschleier entsprechend dem Ausprägungsjahr, die sich von den sonst üblichen nur dadurch unterscheiden, daß im Brustschild des Doppeladlers auch das Wappen von Burgau aufscheint, während unterhalb der Schwanzfedern meist ein (G) auf die Münzstätte hinweist. Ferner existieren aus den Jahren 1766/67 auch Taler mit dem von zwei Greifen gehaltenen Wappenschild, gespalten aus Österreich und Burgau. Auf der Rückseite steht in einem Lorbeerkranze die Umschrift A D NORMAM CONVENTIONIS und die Jahreszahl. Nach dem Tode ihres Gemahls hatte die Kaiserin befohlen, daß für den Levantehandel die Taler mit der Jahreszahl 1765 ohne Witwenschleier weiter auszuprägen seien, wohl darum, weil man in der Levante an diesen Typus gewöhnt war. Das war jedoch ein Irrtum, der durch die Tatsache erhärtet wurde, daß man diesen Talertypus in der Levante nunmehr ablehnte. Die Augsburger Silberhändler Carli und Liebert schlugen im Gegenteil vor, Taler ohne Bildnis und Adler zu prägen. Sie begründeten dies damit, daß „der Esito der kaiserlich königlichen Taler nicht zu allen Zeiten und manchmal gar nicht gehet". Es sei daher zweckmäßiger, Taler zu prägen, die keine Ähnlichkeit mit den bisherigen kaiserlich-königlichen haben sollten. Der wirkliche Levantetaler aber trug den Witwenschleier und die Jahreszahl 1780 nebst dem Münzbuchstaben SF unter dem Brustbild. Die New Yorker Zeitschrift,Crown and Taler' stellte im Jahre 1956 fest, daß von allen Handelsmünzen dieser Taler bei weitem die längste Lebensdauer aufzuweisen habe. Der kolonialspanische Carolus-Taler sowie der mexikanische Silberdollar waren zwar durch eineinhalb Jahrhunderte das Lebensblut des Außenhandels von China; heute sind sie längst verschwunden. Der französische Piastre de commerce (Indochina) und der in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts geprägte amerikanische Handelsdollar haben sich nicht länger als eine oder zwei Generationen behauptet. Schließlich haben auch die sogenannten Albertus-Taler, die erstmals in den Niederlanden um das Jahr 1612 gemünzt wurden, niemals eine wirkliche Verbreitung aufzuweisen gehabt. Von ganz besonderem Interesse ist hier Entstehung und Werdegang des MariaTheresien-Talers. Die sonstigen Taler mit dem Brustbild der Kaiserin ohne und dann mit dem Witwenschleier haben sämtliche Münzstätten geprägt, ohne daß ein Typus Aufsehen erregt hätte. Auch die Ausfuhr in den Orient war eine von Staats wegen beabsichtigte Selbstverständlichkeit. Das Endresultat dieses gewinnbringenden Exportes aber war schließlich der eigentliche Levantetaler vom Jahre 1780, dem Todesjahr der Kaiserin. Schon zur Zeit Karls VI. waren durch die von ihm und sodann auch durch seine Tochter sehr begünstigten Handelsniederlassungen der österreichische Taler in den Nahen 507

Osten eingeführt worden, denn „ a u f dem Balkan und in den afrikanischen und asiatischen Mittelmeergehieten und ihren Hinterländern bestand damals zum Teile noch Warengeld, zum andern Teile trieben die staatlichen Gebilde der Türkei, Ägyptens usw. durch eine unaufhörliche Verschlechterung und einen viel zu hohen Zwangskurs ihrer Münzen einen derart maßlosen Mißbrauch ihrer Münzhoheit, daß der Handel, soweit nur möglich, sich fremder unveränderter Münzen bediente" (639). Die erwähnten spanischen Säulentaler (Piaster, Carolustaler), so genannt nach den „Säulen des Herkules" zu Seiten des Wappens auf seiner Rückseite, und auch die holländischen böwentaler mit einem Geharnischten mit dem Wappen der betreffenden Provinz auf der einen und einem großen aufrechten Löwen auf der anderen Seite waren ganz besonders beliebt. Sie wurden v o n den Arabern Abukelb {— Vater des Hundes) genannt, weil sie das Münzbild falsch deuteten. Diese beiden Münzsorten aber besaßen noch keine Randschrift und waren daher stets der Gefahr einer betrügerischen Befeilung oder Beschneidung ausgesetzt. Aus diesem Grunde erfreuten sich die mit Randschriften versehenen Stücke und auch sonst besonders sorgfaltig geprägten österreichischen Taler, wie sie z. B. die „Orientalische K o m p a n i e " und andere Handelsunternehmungen in der Levante in Umlauf brachten, ganz besonderer Beliebtheit. N o c h wirksamer aber erwies sich der Umstand, daß ein beträchtlicher Teil — angeblich ein Drittel — des österreichischen Exports in den Orient aus Lyoner Seidenwaren bestand, „die mangels eines Gegenwertes in Silbertalern bezahlt werden mußten. Die Franzosen, speziell Marseille, hatten damals den Orienthandel in der Hand; da man gerade damals einen zu starken Abfluß französischen Silbers fürchtete, führte man diese österreichischen Prägungen aus, zumal sich damit in Konstantinopel ein sehr beträchtliches Arbitragegeschäft machen ließ. Die Marseiller Kaufleute besorgten sich die nötigen Münzen auf dem Augsburger Geldmarkt; gerade zur Versorgung dieses Marktes war neben Befriedigung des Münzbedarfes der Vorlande die neue Münzstätte Günzburg errichtet worden, deren eine Hauptaufgabe also in Silberprägung für den Orient bestand. Die Münzstätte Hall hingegen bediente den italienischen Geldmarkt für den Orienthandel mit den nötigen Talern" (639). N o c h einträglicher aber war das Geschäft auf dem Handelsweg über Ungarn. Hier betrug das A g i o bis zu 10—15 Kreuzer per Taler, das trotz aller Verbote und Strafen einen sehr umfangreichen Taler-Schleichhandel noch lohnend machte. Diesen Gewinn nunmehr dem Fiskus nutzbar zu machen und nicht unerwünschten Einzelpersonen, forderte ein Antrag an das Kommerzdirektorium von 1752. Der Handel mit den Türken, hieß es darin, „sei mit etwa 2 Millionen Gulden p a s s i v " (639). Der türkische Export in die k. k. Erbländer, der in erster Linie in der Hand griechischer Kaufleute lag, war dagegen recht beträchtlich. 1752 berichtete der Kommerz-Direktor Graf Rudolf Chotek, daß diese Exporteure „ f ü r Baum- und Schafwolle, Reis, Kaffee, Tee, Saffian, Wachs, Wein und dergleichen andere Waren, ein Jahr um das andere gegen zwei Millionen Gulden an sich und dargegen gar wenige erbländische Feilschaften [Waren], folglich den größten Teil des Wertes in barem Gelde hinausbringen" (859). Die türkischen Händler hingegen waren bestrebt, wie der Antrag weiter ausführt, für ihre Waren besonders österreichische Taler zu erhalten, da sie in ihrer Heimat sehr gesucht seien; das von ihnen bezahlte A g i o mache mehr als 100.000 Gulden aus, es sei also die Ausfuhr besonders für diese Zwecke geprägter Stücke zu gestatten. Der Vorschlag wurde angenommen, „ d a das Geld in dem Verstände des Antrags nur als eine Feilschaft anzusehen sei" (859). 1752 wurde dann ein Vertrag mit dem einer Schweizer Patrizierfamilie entstammenden Commerzienrat Johann Fries über die Durchführung dieses Talerhandels geschlossen. „ I n den Jahren 1752 bis 1763 wurden so über 8 Millionen Taler 508

geliefert, die einen Münzgewinn von etwa 1% Millionen Gulden brachten, von dem 800.000 Gulden dem Ärar und 400.000 dem Baron Fries zufielen." Das war allerdings der einmalige Höhepunkt dieses geschickt eingefädelten Geschäftes, denn der Gewinn begann langsam zu sinken. Vor allem deshalb, weil das von den staatlichen Bergwerken zur Verfügung gestellte Silberquantum abnahm und das von Fries aus dem Handel selbst gelieferte Münzmetall dem Lieferanten höher berechnet werden mußte; dann aber auch, weil bereits mehrere andere Staaten ebenfalls diese Möglichkeiten erkannt hatten und Konkurrenz zu machen versuchten. Zur Wiederbelebung des Handels, der sich so erfolgreich angelassen hatte, wurden verschiedene Vorschläge erstattet. Von diesen sei der besonders interessante des Internuntius in Konstantinopel, Franz Anton de Brognard, angeführt: „Die türkische Münze, die die Umprägung ihrer geringwertigen Münzen vornahm, wäre bereit, eine große Zahl österreichischer Taler zu kaufen, die aber in türkischen Münzen bezahlt worden wären; die Verwertung dieser letzteren sollte nun so erfolgen, daß man Kaufleuten des Inlandes und besonders des Auslandes, die Zahlungen in die Levante zu leisten hatten, den Betrag in Wien zu zahlen ermöglichte und ihnen dafür eine Art Wechsel auf diese türkischen Münzen einhändigte" (639). Der Plan, über den längere Zeit beraten wurde, mußte schließlich weniger wegen der Schwierigkeiten seiner Durchführung als wegen des bald darauf erfolgten Todes des Internuntius aufgegeben werden. „An Stelle der Vermittlung des Talerhandels durch die Friessche Kompanie wurde freie Ausprägung der Taler eingeführt" (639). Der eigentliche Theresien- oder Levantinertaler ist der von 1780, auf dem sich die beiden Günzburger Münzbeamten, der Münzmeister Tobias Schöbl und der Wardein Joseph Faby durch ihre Initialen verewigt haben. Er war und ist auch heute noch eine ungemein beliebte Handelsmünze. Auch der Versuch Italiens, ihn durch einen ähnlich gestalteten silbernen Tallero zu ersetzen, der in der Kolonie Eritrea den Levantiner verdrängen sollte, konnte ihren guten Ruf nicht erschüttern. „Neben seiner gleichförmigen, technisch vollkommenen Ausprägung scheint dem Bild der Kaiserin dieser Erfolg zu danken sein" (359). Durch die „Italia" auf dem Tallero, ließ sich die eingeborene Bevölkerung ebensowenig bluffen, wie durch das Kreuz im Wappenschild auf der Brust des einköpfigen savoyischen Adlers. Das war nicht der „rial Kebir" (großer Taler) oder der „rial namsawi" (österreichischer Taler) oder der „rial-abu-taur (Vogeltaler), wie die Araber den ihnen bekannten Talertypus von 1780 nannten. Wie groß der Bedarf an diesem Taler noch in unseren Tagen ist, bezeugt die Tatsache, daß er vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg außer in Wien auch zu Rom (hier mit Bewilligung Österreichs), London, Paris, Brüssel und Bombay in großen Mengen geprägt bzw. nachgeprägt wurde. Auch die Rijks Munt zu Utrecht hat 1939 über privaten Auftrag über 100.000 Stück Levantiner geprägt, die aber, weil sie infolge des Krieges nicht mehr verschifft werden konnten, wieder eingeschmolzen wurden. Und schließlich die Umlaufgebiete: vor allem war der Taler in Arabien beheimatet, wie die eben angeführten Namen beweisen. Er war dort trotz energischer Gegenmaßnahmen einfach nicht auszurotten, weil die Beduinenstämme in ihrem Vertrauen über die konstante Güte dieser Münze nie enttäuscht worden waren. In Äthiopien war der Taler seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts bis zu seiner Demonetisierung während der italienischen Besetzung des Landes (1936—1941) sogar die offizielle Landeswährung. In Ostafrika entbrannte seit 1889 ein fünfzigjähriger Kampf zwischen Taler und Lira, wobei aber diese zuletzt siegte. Für Ostafrika ließ Großbritannien während des Zweiten Weltkrieges in London und Bombay Levantetaler nachprägen, um die sogenannte „Patriotenbewegung" zu unterstützen, was die britischen Silberbestände stark reduzierte. 509

Da Äthiopien den Theresientaler 1945 endgültig demonetisierte, besitzt er in Arabien nur mehr kleine Reservatgebiete, insbesondere im Gebiet von Aden, in Kuweit und endlich im Jemen. Aber auch dies wird kaum von längerer Dauer sein. Der Taler ist keine „Exportdevise" mehr. Dafür ist er im In- und Ausland ein beliebter Schmuckgegenstand geworden. Kleine Haussa-Mädchen tragen ihn gerne als Halsschmuck; im Tschad wird er noch als Brautpreis verwendet. Sic transit gloria mundi! Der Theresientaler ist und bleibt aber trotzdem „die merkwürdigste Gelderscheinung unserer Zeit" (Hamburger Beiträge zur Numismatik 1951) und verdient als „münzund wirtschaftsgeschichtliches Phänomen" (Schweizer Münzblätter 1951) hervorgehoben zu werden. Es sind schließlich noch einige kleinere Neuerungen im theresianischen Münzwesen anzuführen, die nach dem Tode Franz I. unter der Mitregentschaft Josephs II. vorgenommen wurden. Mit Resolution vom 16. Juni 1766 hatten von nun an Münzmeister und Wardein ausnahmslos die Anfangsbuchstaben ihrer Namen auf die Münzen zu setzen. Nur die Kupfermünzen behielten bloß die den einzelnen Münzstätten zugewiesenen Buchstaben bei (etwa G zuerst für Graz, dann für Günzburg). Im Laufe der Zeit traten dann gewisse Änderungen ein. Als Günzburg errichtet wurde, erhielt Graz das Zeichen GR und etwas später, als man die Münzstätten gewissermaßen in eine Rangordnung einstufte, das Zeichen D. Nach Auflassung der Grazer Münze 1772 wurde zu Beginn des folgenden Jahrhunderts das Zeichen D der kurzlebigen österreichischen Münzstätte Salzburg zugewiesen. Nach dem Tode der Kaiserin gab es nur noch Buchstaben nach dem Range der Münzstätten : für Wien als Hauptmünzstätte des ganzen Reiches A (früher WI), B für Kremnitz (früher K—B), C Prag (PR), E Karlsburg, F Hall (HA), G Nagybänya (NB), H Günzburg (G), S Schmöllnitz, M Mailand und schließlich später V für Venedig. Von den niederländischen Münzstätten führte Antwerpen eine Hand, Brüssel einen Engelskopf und Brügge einen kleinen Löwen. Diese Münzbuchstaben blieben, solange die einzelnen Münzstätten bestanden, bis zum österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 in Gebrauch. Aus welchem Grunde die Kaiserin das „besondere Beizeichen eines Münzmeisters", das Karl VI. 1712 für überflüssig erklärt hatte, wieder einführte, ist nicht bekannt. Vielleicht wollte sie dadurch das Verantwortungsgefühl der Münzbeamten erhöhen und gleichzeitig bei einem Münzvergehen die Schuldigen auf Grund der Beamten-Buchstaben sofort herausfinden. Im Jahre 1767 war es, wie oben schon angedeutet, auch zu einer Neuordnung der Wiener Mark gekommen, was nicht zuletzt durch die Einführung des Konventionsfußes notwendig geworden war. Der große Münzprobationstag der drei korrespondierenden Kreise, der 1760/61 zu Augsburg stattfand, beschloß, „zur neuen conventionsmäßigen Ausmünzung könne, soll und müsse der hiesigen Stadt Cölner Richt-Pfenning samt dem dazugehörigen Mark-Gewicht von Jahr 1694 als das ohntadelhafteste, egaleste und in der Vergleichung wie 5 zu 6 dem Wiener am nächsten kommende Cölner-Gewicht um so ohnbedenklicher genommen werden, je gewisser nach einem, von denen Craiß-GeneralWardeinen hierüber abgefaßten pflicht-mäßigen Gutachten, und der von ihnen angestellten legalen Probe nichts erhebliches auszustellen, derselben auch in Vergleichung wie 5 zu 6 dem Wiener am nächsten kommet, und bei der genauesten mathematischen Ausrechnung zwischen beiden . . . sich nicht mehr als ohngefehr 1 /i 9 per Cento Differenz, mithin kein . . . attentions-würdiger Unterscheid ergiebt. . ." (402/VIII). Dieser Beschluß 510

330. Lombardei, Maria Theresia. Filippo 1741, Mailand

war für das deutsche und auch für das österreichische Münzwesen insofern von Bedeutung, als die rechtliche Tragweite der Aufstellung eines genau bestimmten Münzgewichts zu diesem Zeitpunkt bereits ziemlich gewachsen war. Die Wiener Mark wurde daher im angegebenen Sinne reduziert und die entsprechenden Gewichtseinsätze und Waagen an alle acht k. k. Münzämter überwiesen. Das Gewicht dieser neuen Wiener Mark beträgt 180,644 Gramm, gegenüber der früheren Mark von 280,821 Gramm. Im Jahre 1857 wiegt das Vereinspfund 500 g ; seit 1871 bildet das Kilogramm das Münzgewicht. Daß auch Einflüsse von außen Änderungen des Münzbildes bewirken konnten, sei an zwei Beispielen aus dieser Zeit dargetan. Um den Schmuggel der Kremnitzer Talersorten in die Türkei zu unterbinden, trat 1767 bei den ganzen, halben und Vierteltalern an Stelle des Brustbildes der Kaiserin das mit der Stephanskrone bedeckte, von zwei Engeln gehaltene Landeswappen, während auf der Rückseite die Madonna nicht mehr stehend, sondern auf Wolken thronend dargestellt wurde, ein Bild, das noch bis in die Zeiten Franz II. beibehalten wurde. Der zweite Fall betrifft die Günzburger Taler, auf denen wie bei allen Geprägen der Kaiserin nach dem Tode ihres Gemahls ihr Brustbild mit dem Witwenschleier versehen wurde. Nun unterhielten die Augsburger Bankhäuser v. Liebert und Carli & Co. schon seit mehreren Jahren einen lebhaften Exporthandel mit Maria-Theresien-Talern über Marseille, Genua, Livorno und Venedig nach der Levante und belieferten zu diesem Zwecke die Münzstätte Günzburg mit großen Silbermengen. Die Türken aber wollten damals diese Taler mit dem Schleier noch nicht annehmen, sondern nur jene, auf denen die Kaiserin mit Lockenfrisur und einem Diadem dargestellt war. Die Augsburger Bankiers sahen daher ihr umfangreiches Talergeschäft ernstlich bedroht; sie baten daher, ihr nach Günzburg geliefertes Silber in Talern des früheren Gepräges ausmünzen lassen zu dürfen. Da auch der Hauptexporteur der österreichischen Taler, der uns schon bekannte Bankier und Wechsler Freiherr von Fries das gleiche Ansuchen stellte, wurde das Gesuch genehmigt; die Ausprägung erfolgte also ohne Witwenschleier, nur trugen die Taler die 1766 eingeführten Beamteninitialen S (Münzmeister Tobias Schöbl) und C (Wardein Joseph Hubert v. Clotz). Zum Münzwesen in der Lombardei ist aus der Zeit Maria Theresias noch zu erwähnen, daß der berühmte Schöpfer des modernen Strafrechtes, der Marchese Cesare di Beccaria 1762 eine Abhandlung über die Mängel und die Verbesserung des Münzwesens in der Lombardei schrieb. Es ist indessen nicht bekannt, ob diese Schrift irgendeine Wirkung ausübte, da eine Neuordnung erst 1776 erfolgte. Bis dahin galt noch immer der alte Münzfuß wie zur Zeit Karls VI., nur daß bis zur Neuordnung keine Goldmünzen geprägt 511

331. Lombardei, Maria Theresia. y 2 Filippo 1741 Mailand 332. Lombardei, Maria Theresia. 5 Soldi 1779, Mailand

333. Lombardei, Maria Theresia. Sestino 1777, Mailand

332

333

wurden. Dafür wurde ein Varpagliola genanntes 2%-Soldi-Stück und ein Kupferquattrino eingeführt, während es vom Filippo jetzt doppelte Dickstücke gab. Die Neuordnung von 1778 sah in Gold doppelte und einfache Doppien (48 bzw. 24 Lire) und den Zecbino (14 Lire, 10 Soldi), in Silber den ganzen und halben Scudo (6 bzw. 3 Lire), die Lira (20 Soldi), die halbe Lira (10 Soldi) und 5 Soldi, schließlich in Kupfer Münzen zu 1 und l / 2 Soldo, einen Quattrino und einen Sesino vor. In erbländischer Währung entsprach die Doppia 7 fl. 6 Kr., der Zechino 4 fl. 18 Kr. und der Scudo 1 fl. 6 Kr. Im übrigen war der Besitz der italienischen und belgischen Provinzen auch für das Münzwesen insofern von großer Bedeutung, weil sie sehr fortschrittliche Einrichtungen besaßen. „Hervorragende Beamte kamen von dort; die österreichische Administration jener Zeit verdankte ihnen einen Teil des hohen Ansehens, das sie (berechtigterweise) genoß" (49). Zum Münzwesen der alten Erblande ist noch kurz auf die unter Joseph I., Karl VI. und unter Maria Theresia geprägten sogenannten Ausbeute münden zu verweisen. Mit diesem Ausdruck werden jene Münzen bezeichnet, die aus der Ausbeute, das heißt „aus dem Reingewinn der Bergwerke geprägt sind; man nennt so aber auch alle Münzen, die aus Bergsilber geprägt, diese Herkunft durch Bild und Schrift zum Ausdruck bringen". Auch Österreich hat bei besonderen Anlässen diesem alten Brauch gehuldigt. Joseph I. und sein Bruder haben aus dem Gold von Eule ein- und mehrfache Dukaten zu Prag prägen lassen, Karl VI. und Maria Theresia ließen aus dem Silber von Joachimsthal ebenfalls zu Prag Ausbeutetaler schlagen und die Kaiserin selbst aus dem kurzlebigen Bergwerk zu Annaberg in Niederösterreich. Unter Karl VI. wurde zu Brieg in Schlesien ein heute ungemein seltener Taler aus Reichensteiner Silber geprägt. Seine sizilianischen Ausbeutemünzen wurden bereits erwähnt. Aber nicht nur das Kaiserhaus, sondern auch fürstliche Bergwerksbesitzer auf dem Territorium der alten Monarchie prägten solche Stücke. So die Bischöfe von Bamberg aus Kärntner Gold, die von Breslau aus ihren Bergwerken im Altvatergebirge, namentlich bei Zuckmantel, die Herzoge von Münsterberg, die von Schlesien-Liegnitz-Brieg sowie insbesondere die böhmischen Herren von Rosenberg aus dem Gold des schier unerschöpflichen schlesischen Reichensteins. Und schließlich hat Fürst Adam Franz von Schwarzenberg im Jahre 1729 aus dem Silber von Ratiboritz (Bergstadtl) bei Tabor in Südböhmen Taler schlagen lassen, während Fürst Joseph Wilhelm Ernst von Fürstenberg aus dem Gold des Kotzauer Erzganges im Euler Revier Dukaten schlug. Im übrigen waren auch die Silberprägungen des Grafen Niklas III. Zrinyi aus seinem Bergwerk Gvozdansko (Kostainica) in Kroatien, an der Una unmittelbar an der bosnischen 512

334. Mantua, Maria Theresia. 3 Lire 1779, Mailand

335. Böhmen, Karl VI. Joachimsthaler-Ausbeutetaler 1718, Prag

336. Belgien, Maria Theresia. Ducaton 1752, Antwerpen

337. Belgien, Maria Theresia. Vs Ducaton 1749, Antwerpen

338. Belgien, Maria Theresia. Escalin 1751, Antwerpen

513

339. Belgien, Maria Theresia. X I V Liards 1755, Antwerpen 340. Belgien, Maria Theresia. 5 Sois 1751, Antwerpen 341. Belgien, Maria Theresia. Liard 1749, Antwerpen

Grenze, die zwischen 1529—1534 entstanden, Ausbeutemünzen, da sie ihren Ursprung im Grunde nur einer sehr kurzlebigen Bergbautätigkeit verdankten. Was die Österreichischen Niederlande anlangt, so ist bereits im Zusammenhange mit dem großen Reformwerk hervorgehoben worden, wie sehr die belgischen Einrichtungen dabei zum Muster genommen wurden. Zur Zeit der großen Kaiserin kamen in dieser Provinz insbesondere zwei Gewerbe in Blüte, die Leinenweberei und die Spitzenklöppelei. Schon unter ihrem Vater waren in den Städten Klöppelschulen zur Bekämpfung der Armut eingerichtet worden. Land und Stadt wetteiferten da miteinander. Abnehmer waren insbesondere die Höfe Frankreichs und Englands, aber auch Adel und der gehobene Bürgerstand. Da aber der Verdienst meist ein Hungerlohn war, floß der Gewinn in die Taschen der Kaufleute, nicht der Bevölkerung. Auf einem Gemälde Maria Theresias im Thronsaal des Rathauses von Gent trägt die Kaiserin ein reiches Spitzenkleid, das ihr die Staaten Flanderns geschenkt hatten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt sich Gent übrigens zur Baumwollstadt der Zukunft. Für die Gobelinweberei und das Seidengewerbe befand sich der Markt in Antwerpen. Obwohl die Scheide gesperrt war und der Hafen so gut wie keine Bedeutung mehr besaß, befand sich das Zentrum des belgischen Geldverkehrs noch immer in dieser Stadt. Infolgedessen konnte Belgien im Siebenjährigen Kriege der Kaiserin auch namhafte Subsidien gewähren, nämlich 7,150.000 fl. Als don gratuit bewilligten die Stände im ersten Kriegsjahr 3,6 Millionen Brabanter Courant ( = 2,600.000 fl.), 1758 3 Millionen (2,150.000 fl.) und im folgenden Jahr 2 Millionen (1,400.000 fl.), insgesamt also 11,500.000 fl. Aus den Österreichischen Niederlanden flössen 53,4 Millionen nach Wien, von denen allerdings die in den Ausweisen über die niederländischen Kredite enthaltenen französischen Hilfsgelder von 20 Millionen abgezogen werden müssen. Diese Überweisungen gingen über das Brüsseler Haus der Witwe Nettine, ferner Frankfurter und Amsterdamer Bankiers an Johann Fries in Wien. Das viel größere und auch nicht gerade arme Ungarn brachte dagegen während des ganzen Krieges bloß armselige 7,8 Millionen auf. Auch am Kaffeegenuß läßt sich eine Steigerung des Wohlstandes ermessen: 1762 wurden 196.000 Pfund, 1785 bereits 4,700.000 Pfund eingeführt. Die Börse von Antwerpen beherrschte nicht nur Tee und Gewürz, sondern auch den Kaffeehandel. Ein halbes Kilogramm kostete damals 1 % fl. Als 1749 mit Verordnung vom 19. September auch in Belgien eine neue Münzordnung eingeführt wurde, nahm sie die Bevölkerung dankbar auf. „Auf die Aufforderung, die alten Goldstücke, Gold- und Silbergerät zur Münzprägung abzuliefern, herrschte ein 514

342. Belgien, Franz I. von Lothringen. y 2 Kronentaler 1757, Antwerpen

solcher Andrang, daß die Schalter auf zwei Wochen geschlossen werden mußten. Bei der Wiedereröffnung wurde in wenigen Tagen Edelmetall im Werte von 120.000 fl. eingeliefert" (51). Als Münzdirektor wirkte in Antwerpen damals J. B. Melchior Buyssens, in Brügge Lambert Millé. Als Graveur fungierte in beiden Münzstätten der als Künstler sehr bewunderte Jacques Roëttiers. Die neue Münzordnung sah in Gold Stücke zu 2 und 1 Souverain d'or, in Silber vier Werte von 1—V8- Ducaton, dann 1 Escalin, 5 Sois und 10 Liards und 1 und 2 Liards ( = Heller) in Kupfer vor. Der Double- und Simple-Souverain d'or wurde in Osterreich meist als ganzer oder doppelter bzw. halber oder einfacher Souverain bezeichnet. Die Zolleinnahmen und die Staatseinkünfte stiegen während der österreichischen Herrschaft beträchtlich. Die letzteren wurden auch durch das 1757 durch die Brüder Calzabigi eingeführte Lotto, das einen großen Reingewinn erzielte, subventioniert. Das oben erwähnte Bankhaus Nettine hat insbesondere für Kaiser Franz I. große Bedeutung besessen. Der in Brüssel etablierte Bankier Matthias Nettine „war schon im Jahre 1725 der ,receveur des ouvrages de la Cour'. Seine Firma nimmt unter der Regentin Maria Elisabeth (f 1741) und dann unter der sie 1740 ablösenden Herrschaft Karl Alexanders [von Lothringen, Bruder des Kaisers] an allen Geldgeschäften des .Gouvernement général des Pays-Bas' teil, wobei der Chef von seiner Gattin (Barbe) Louise tatkräftig unterstützt wird, die seit 1744 die Vollmacht besitzt, die finanziellen Transaktionen ihres Gatten zu erledigen. Matthias Nettine muß vor dem 6. September 1748 gestorben sein" (51). Seine Witwe, die 1758 mit ihren Kindern und ihrem verstorbenen Gemahl in den Adelsstand erhoben wird, hat sein Geschäft fortgeführt. Der zweite Sohn André war jedenfalls die rechte Hand seiner Mutter. Die Witwe wird 1764 einmal „Banquière de la Cour de Bruxelles", ein anderes Mal „Tresorière de leurs Majestés Imperiales" genannt; sie ist Anfang Dezember 1775 gestorben. Das von ihr lange Jahre geleitete Haus hieß nach dem Tod seines Gründers einfach „Veuve Nettine" und seit 1765 „Veuve de Nettine et fils" ; es führt auch weiterhin das Hofbankinstitut. Es garantiert auch das Glückspiel der „Losanleihen", einer Art Lotterie, in den Österreichischen Niederlanden. Das Bankhaus war nicht nur einflußreich, es stellte auch Ansprüche und stand mit Johann Fries in enger Verbindung. Die Geldexporte aus Belgien gingen mit militärischer Bedeckung auf dem Landweg nach Ulm, dann auf der Donau nach Wien. Die Münzen waren in plombierten Fässern verpackt (51). Auch der Antwerpener Bankier Chevalier Ertbon war in Wien gut angeschrieben, da es ihm gelungen war, Aktien der Wiener Stadtbank im Werte von fast 3 Millionen fl. anzubringen, dadurch eine Senkung des Bankzinsfußes zu ermöglichen und den Kredit 515

343. Belgische Insurrektion. Lion d'argent 1790, Brüssel

des Instituts zu heben. Auch während des Siebenjährigen Krieges bewährte er sich als guter Helfer, der oft aus eigenen Mitteln Geld vorstreckte. Obwohl er dabei Verluste erlitt, steckte er, wiederum aus eigenen Mitteln, Geld in die „Compagnie Impériale et Royale de Trieste et Fiume" und gewährte überdies der österreichischen Regierung 1778 ein Darlehen von 1 Million fl. auf ein Jahr. Das Brüsseler Münzamt, eines der schönsten Europas, war schon unter der Statthalterschaft Max Emanuels von Bayern im Jahre 1700 errichtet worden. Später wurde es in die Grand Opéra ou Theâtre de la Monnaie umgewandelt. Diese Tage eines offenkundigen Wohlstands aber waren gezählt. Ende der achtziger Jahre brachen in Nordamerika ungefähr 200 Handelshäuser zusammen und rissen die große Antwerpener Firma Heder & Co. mit sich. Auch das Haus Proli wurde das Opfer seiner Beteiligung am Indienhandel. Und zu guter Letzt brachte der Reformeifer Kaiser Josephs II. die österreichische Herrschaft in den Niederlanden zum Wanken. Nicht nur daß er bereit war, diese Provinz, die für ihn ja doch nur ein weit entlegener Außenposten war, gegen Bayern und Salzburg einzutauschen, verstieß er auch in so manchem gegen altverbriefte Gerechtsame, wenn sie ihm rückständig erschienen. Es kam 1790 zu einem offenen Aufstand und zu einer Vereinigung der belgischen Staaten. A D USUM FOEDERATI B E L G I I steht auf den von der Insurrektion 1790 ausgegebenen Kupfermünzen; I N UNIONE SALUS auf dem halben und ganzen Florin mit dem Pfeilbündel über verschlungenen Händen, dem alten Symbol der gegen Spanien kämpfenden nördlichen Niederlande zur Zeit Philipps II.; und endlich L I B E R T A S (Freiheit) auf dem talerförmigen Lion d'argent und auf dem Lion d'or ( = 14 fl. courants). Die Stempel dieser schönen Gepräge hat Theodor van Berkel geschnitten, der wenige Jahre später beim Einzüge der Franzosen mit vielen anderen nach Österreich emigrierte. Leopold II. führte nach dem Tode seines Bruders Joseph 1790 wieder die alte Verfassung ein. Sie hielt sich bis 1794, als die Franzosen das Land zum zweiten Male und diesmal bis zum Sturze Napoleons endgültig eroberten. Die letzte Schlacht gegen diesen wurde auf belgischem Boden, bei Waterloo, geschlagen. Beim ersten Einmarsch der Franzosen 1792 hatten die Jakobiner die 1775 errichtete Statue des sehr tüchtigen und beliebten Statthalters Karl Alexander von Lothringen von ihrem Sockel gestürzt, die aber nach dem Abzug des Feindes neu aufgerichtet wurde. 1794 wurde sie abermals umgestürzt, nach Maubeuge gebracht und zu Kleingeld verschmolzen. Damit hatte die österreichische Herrschaft in Belgien auch symbolisch ihr Ende erreicht. Weitergeprägt wurden bis 1800 in Mailand noch der doppelte und einfache Souverain d'or, jetzt Sovrano genannt, sowie die Kronentaler und ihre Teilstücke (%und %). Diese Kronentaler sind 1755 zum erstenmal in Antwerpen geprägt worden und ersetzten die bis516

344. Belgische Insurrektion. Florin 1790, Antwerpen 345. Belgische Insurrektion. 2 Liards 1790, Brüssel

herige Großsilbermünze des Ducaton, der auf der einen Seite das Herrscherbrustbild und auf der anderen das gekrönte vielfeldige, bei Karl von zwei Löwen gehaltene Wappen aufwies. Die ersten Kronentaler zeigten das burgundische Andreaskreuz und in seinen Winkeln bei Maria Theresia vier, bei ihren Nachfolgern drei Kronen. Auch diese Talerspezies avancierte bald zu einer Art Handelsmünze, sie wurde daher auch nach dem Verlust Belgiens in den erbländischen, in den ungarischen Münzstätten sowie in Mailand weitergeprägt. Der Kronentaler mit seinem Feingewicht von 25,9 Gramm entsprach mit seinem Bilde dem alten Albertustaler, der als erster die Kronen und das Andreaskreuz aufweist. Sie verdrängten während der Koalitionskriege sowohl die Konventionstaler als auch die französischen Laubtaler, schwankten zuerst stark im Werte, befestigten sich aber gegen 1800 auf 2 fl. 42 Kr.). In den Freiheitskriegen, als schon längst keine österreichischen Kronentaler mehr geprägt wurden, waren sie im Prinzip eine „heimatlose Münze" geworden, die sich insbesondere in Süddeutschland ansammelte. Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt prägten diese Sorte — jedoch mit eigenen Münzbildern, die an das alte nicht mehr erinnerten — bis zur Gründung des Deutschen Münzvereins 1857 mit verschiedenem Münzfuß weiter. b) Joseph II. „Die Kaiserin ist nicht mehr, eine neue Ordnung der Dinge beginnt", sagte der Preußenkönig Friedrich II., als er die Nachricht vom Ableben seiner großen Gegnerin erhielt (689). Und er behielt recht. Aber ebenso hatte die Mutter des neuen Herrschers Joseph II. gef ürchtet, daß seine Ungeduld den Staat gefährden könnte. Trotzdem hätte ohne dessen drastische Modernisierung, die aber schon unter der Kaiserin angebahnt worden war, das habsburgische Reich kaum die Stürme der Napoleonischen Kriege überdauert. Als Joseph die Regierung seines Erbes antrat, gliederten sich die Länder der Monarchie in drei größere Ländergruppen und die zerstreuten schwäbischen Vorlande. Dem Kaiser schien die Abrundung dieses Staatsgebietes als eine seiner wichtigsten und dringendsten Aufgaben. Vor allem auf sein Betreiben wurden die Bukowina besetzt und Galizien und das Innviertel dem Reich einverleibt. Man sprach auch von mannigfachen Tauschabsichten des Kaisers, um dieses Ziel zu erreichen: von der möglichen Hingabe Mailands für Württemberg, um die vorderösterreichischen Lande zu schließen, von der Abtretung Luxemburgs, um Salzburg zu gewinnen. „Greifbare Gestalt gewannen jedoch nur die Versuche, Bayern gegen die Österreichischen Niederlande einzutauschen, ein Plan, der 1785 an dem Widerspruch des Königs von Preußen scheiterte" (689). Ebensowenig Glück hatte der Kaiser mit seinen finanziellen Reformen. Es kam daher zu einem fühlbaren Rückschlag gegenüber dem unter seiner Mutter allen Schwierigkeiten 517

346. Österreich, Josef II. (Mitregent). Taler 1766, Wien

und Widerwärtigkeiten zum Trotz erzielten Aufschwung. Denn „die auf Vereinheitlichung der Staatseinrichtungen abzielenden Pläne führten durch Vermehrung der landesfürstlichen Behörden zur Erhöhung der Verwaltungskosten von 18 auf 28 Millionen" (689); die seit 1787 eingeschlagene kriegerische Politik, in deren Verfolgung es zu einem neuen, zwar dem letzten, aber unglücklichen Türkenkriege kam, brachte eine Verdoppelung der Heeresauslagen von 33 auf 66 Millionen fl. Josephs dreifaches Ideal war ein Einheitsstaat, ein Rechtsstaat und ein Wohlfahrtsstaat (322). Was sich aber im Sinne eines aufgeklärten dynastischen Absolutismus auf dem Papier so schön ausnahm, war im Lichte der harten Realität undurchführbar. Daß die Politik die Kunst des Möglichen ist, sah dieser edle Idealist erst am Ende seines Lebens ein. Mit Ausnahme des Toleranzedikts, der Regelung der Pfarreien und der Vorschriften in Untertanensachen, die vor allem auf die Bauernbefreiung abzielten, indem sie die Leibeigenschaft in den österreichischen Erblanden, Böhmen und Mähren aufhoben, mußte er fast alle seine Reformen widerrufen. Sein Leben endete zu Beginn des Jahres 1790, inmitten chaotischer Zustände, noch ehe sein von ihm zur Mitregentschaft berufener Bruder Peter Leopold seine Angelegenheiten in Toskana hatte regeln und nach Wien abreisen können. Die von Joseph im Sinne der von dem französischen Nationalökonomen François Quesnay beabsichtigte Einführung des „impôt unique", der „einzigen Steuer", und zwar einer Grundsteuer, entfesselte einen wahren Orkan des Widerspruchs nicht nur in den Ländern, sondern auch im Staatsrat. Die Bevölkerung von Böhmen, Mähren und Innerösterreich verweigerte die Zahlung. Belgien schien verloren, auch in Ungarn loderten die Flammen der Empörung empor, da Joseph die in der Pragmatischen Sanktion garantierten Gerechtsame des Landes in seiner Selbstherrlichkeit verletzt hatte. Die Reformtätigkeit Josephs II. hatte sich so ziemlich auf sämtliche Zweige des geistigen und des öffentlichen Lebens erstreckt. Zum Glück jedoch nicht auf das Münzund Geldwesen, das ja unter seiner Mutter schon einer zeitgemäßen und dauernden Neuordnung unterzogen worden war, an der kaum mehr etwas verbessert werden konnte. Es sind daher nur einige wenige, gleichsam ergänzende Verordnungen zu erwähnen, die am Hauptwerk nicht das mindeste änderten. Nach 1760 setzte eine Mehrproduktion an Silber ein, die nach etwa zwei Jahrzehnten der Silberverteuerung eine Silberverbilligung auslöste, so daß zum Jahrhundertende der Wertquotient oder die Relation Gold zu Silber wieder den alten Stand von 1:15% erreichte. Das bewirkte in Österreich nur eine Erhöhung des Dukaten-Nennwertes, „da ja eine Münzfußverschlechterung des Talers, die ja praktisch den gleichen Erfolg gehabt hätte, wegen der mit den Nachbarstaaten bestehenden Münzkonvention nicht gut möglich 518

347. Österreich, Josef II. Y2 Kronentaler 1790, A (Wien)

war". Diese Erhöhung erfolgte in drei Etappen, 1771, 1783 und 1786, bei den österreichischen Dukaten von 250 auf 256, 266, 270 Kr., bei den ungarischen von 252 auf 258, 262, 272. Infolgedessen stieg die Relation der österreichischen Dukaten von 14,35 auf 14,49, 14,72, 15,29. Der Kremnitzer, dessen Münzfuß 1750 stark erleichtert worden war, ist mit seiner stetigen Preisdifferenz von 2 Kr. gegenüber dem österreichischen jedoch zu gut gestellt; er wird daher im Jänner 1786 und dann endgültig 1790 als reine Handelsmünze erklärt und seither offiziell nicht mehr bewertet. Zu bemerken ist noch, daß in der erwähnten Verordnung von 1786 das für alle fremden Goldsorten das bisher streng geübte Agio-Verbot aufgehoben wurde. „Damit wurde die Geltung der starren Gold-Silber-Relation auf die eigenen Währungsmünzen und den Bereich des staatlichen Zahlungsverkehrs beschränkt, im übrigen aber der Edelmetallmarkt aus der Fessel der Zwangsbewirtschaftung gelöst und ihm eine legale Betätigung ermöglicht. Diese Freigabe der Goldpreisbildung, die dem einen der beiden Währungsmetalle seine Wareneigenschaften teilweise zurückgibt, ist deutlich eine Wendung in der Richtung der einmetalligen Währung" (307), die allerdings infolge der Franzosenkriege und ihrer finanziellen Folgen erst nach 70 Jahren in Angriff genommen werden konnte. Mit dem Patent vom 1. Juni 1795 wurden die alten Bankozettel eingezogen und die Ausgabe von neuen durch den Wiener Standtbanko dadurch begründet, daß sie auch in Galizien und Lodomerien, Ungarn und Siebenbürgen umlaufberechtigt sein sollten, wobei sie auf die Gesamtsumme von 20 Millionen erhöht wurden. Am 10. November desselben Jahres wurden in Günzburg, um sich dem schlechten Münzfuß der umliegenden Reichsstände anzupassen, 6- und 3-Kreuzer-Stücke mit einem gegen früher verringerten Feingehalt ausgegeben. Damit war der süddeutsche 24-GuldenFuß für die Vorlande förmlich anerkannt: 6 Kreuzer Reichsmünze waren gleich 5 Kreuzer Konventionsmünze. Schließlich ist auch noch zu erwähnen, daß bei Franz I. und Joseph II., bei diesem aber nur bis zu seiner Krönung zum ungarischen König, ihre in diesem Lande geprägten Münzen nicht mit den traditionellen ungarischen Symbolen, sondern mit ihren eigenen Wappen ausgestattet waren. „Dies ist der Anlaß zu Variationen, der teilweise durch Verlust der Tradition entsteht, teilweise infolge der politischen Gegensätze zu zentralistischer Gleichförmigkeit der Gepräge oder zu nationalistischen Besonderheiten führt." Bei der Abänderung der Talergepräge zwischen 1767—1806 mußte auf den Talerhandel mit der Levante Rücksicht genommen werden. Über die Tätigkeit der Münzämter der josephinischen Zeit berichtet ein ,Von den kk. Münzstädten' betitelter anonymer Aufsatz in der Zeitschrift ,Provinzialnachricht 519

iu, VI Kreuzer 1787, H (Günzburg)

349. Mailand, Josef II. Scudo 1783

aus den kaiserlich-königlichen Staaten', Nr. XXXII vom 23. Oktober 1782, S. 493. Verleger dieser Zeitschrift war die „Edle von Trattnerische Buchhandlung im alten Freyhofe am Graben" zu Wien. Daraus sei einiges mitgeteilt: Zunächst die Feststellung, daß die Münzämter zu Florenz, Brüssel und Mailand nicht wie die andern k. k. Münzämter dem Hauptmünzamt in Wien unterstanden. Interessant ist die Metallbeschaffung: „In denjenigen Ländern und Staaten, wo kein Münzamt ist, befinden sich Münzprobierer, welche zugleich die Einlösung von Gold und Silber besorgen. Dergleichen sind in den Städten Linz, Brünn, Laibach, Klagenfurt und Lemberg. Von allen diesen Städten wird das eingelöste Geld nach dem Hauptmünzamt in Wien geliefert. In den Städten Siebenbürgens gibt es k. k. Geldeinlöser, die sämtlich vereidet sind, eine eigene Instruktion über dieses Geschäft haben und ihre Lieferung besteht meistens in alten Münzen, in Silbergeschmeide oder Gefäßen. Graz hat nur mehr die k. k. Einlösung." Daß die meisten Kupfermünzen in Schmöllnitz geprägt und zugleich auch große Mengen von Kupferplättchen (Schrötlinge) angefertigt wurden, weil hier die notwendigen Kupferhämmer und sonstigen Vorrichtungen vorhanden sind, ist bekannt. Die Ausbeute sei hier so stark, daß man mit der Schrötlingerzeugung kaum fertig werde. Diese Schrötlinge gingen auch in jene Münzstätten, die wohl Kupfer prägten, aber kein Kupferbergwerk in der Nähe hatten. Solche Plättchen wurden auch in Annaberg in Niederösterreich erzeugt und dann nach Wien „zum Gepräge geliefert". In Neusohl, wo bekanntlich besonders reiche, wenn auch schon stark dezimierte Kupfervorkommen waren, die schon die Gesellschaft der Fugger und Thurzö im 16. Jahrhundert zu spekulativen Zwecken ausgebeutet hatten, wurden Schrötlinge für Kremnitz hergestellt. Aus dieser Gegend stammt übrigens das meiste Material in allen drei Metallen des Wiener Hauptmünzamtes. Kremnitz vermünzte seinerseits ebenfalls viel Gold und Silber aus diesen niederungarischen Bergstädten; überdies erhielt es eine „starke Einlösung aus Lemberg. Prag hat nur eine mittelmäßige Ausmünzung, die außer von der Einlösung bloß von den Landesprodukten bestritten" wird. Karlsburg prägte Gold und Silber in Menge aus, jedoch kein Kupfer, eine Angabe, die indessen nur auf die Zeit Josephs II. und nicht auf die Maria Theresias und Franz I. zutrifft. Am meisten wurde in Siebenbürgen Gold vermünzt, monatlich oft 150 bis 200 Mark. „Vorher hat man dort bisweilen 12-, 10-, 8-, 6-, 4- und 3fache, dann halbe, viertel, achtel Dukaten, ja noch geringere Abteilungen davon auf Bestellung gemünzt. Es war aber seit vielen Jahren ein Teil der Ausbeute aus den siebenbürgischen Bergwerkswesen nach Schmöllnitz geliefert, um die dortige ungemein starke Kupfereinlösung zu befördern." Von Hall in Tirol heißt es, daß es nur einmal jährlich in Gold und Silber auspräge, doch 520

350. Ungarn, Josef II. Ein Hungrisch 1788 A (Wien)

mehr von Silber, auch viel Kupfermünze werde geprägt. Früher hat es auch eine Menge Taler für die Handlung in der Levante hergestellt. In Nagybänya, „eine ungarische Freistadt im Szathmarer Komitat", wird alle Monate in den drei Metallen geprägt. „Diese Arbeit geht seit einigen Jahren doppelt so stark als ehedem." Von Günzburg endlich wird gesagt, daß es eines der berühmtesten Münzämter war, „indem es Millionen harte Taler prägte; allein durch den russischen und türkischen Krieg hat dieser Handel mit k. k. Talern gänzlich aufgehört. Gegenwärtig wird nur wenig Silber und Kupfer vermünzt". Der Verfasser dieses Artikels zeigt sich auffallend gut informiert; da er seinen Namen nicht preisgab, dürfte es sich um einen Beamten der Finanzbehörden handeln. c) Leopold II. Die bloß zweijährige Regierung von Josephs jüngerem Bruder hat dem Münzwesen keine Änderungen gebracht, obwohl auch Leopold reformeifrig war. Doch bei ihm wirkten sich die Reformen meist zum Guten aus, denn im Gegensatz zu Joseph wußte er Maß zu halten und vermied es vor allem, etwas zu überstürzen. Dies vermochte er während seiner ein Vierteljahrhundert währenden Regierung als Großherzog von Toskana zu beweisen, das er geradezu als ein „Muster österreichischer Regierungskunst" zurückließ (120). Leopolds plötzlicher Tod im Alter von bloß 45 Jahren war ein Unglück für sein Land. In der Geschichte Österreichs bezeichnet er eine wichtige Zäsur: „Ein halbes Jahrhundert staatlicher Reformarbeit im Geist des aufgeklärten Absolutismus österreichischer Prägung, wenngleich zunächst unter einer dem Ideengut der Aufklärung fremd oder ablehnend gebliebenen Monarchin" (1260), war damit zu Ende gegangen. Da es weitläufiger Unterhandlungen bedurft hatte, um Leopold die deutsche Kaiserwürde zu sichern, trat im Münzwesen insofern ein Novum ein (das sich übrigens auch bei seinem Nachfolger Franz II. wiederholte), daß er zunächst auf seinen Münzen nur den Titel eines Königs von Ungarn und Böhmen führte; anstatt des Reichs-Doppeladlers aber erschien auf seinen ersten Münzen unter einer Krone ein von zwei Greifen gehaltener gevierter Schild mit dem vom Herzogshut bedeckten Bindenschild als Herzschild. Das ganze war überdies von den Kronen Ungarns und Böhmens bedeckt. Diese Änderung betraf indessen nur die in Wien geprägten österreichischen Dukaten und Taler, während die in Ungarn geschlagenen das übliche Münzbild aufweisen. Kleinmünzen wurden in der „Königsperiode" nur in Günzburg für Luxemburg geprägt. Die Kaisermünzen folgen — abgesehen vom Porträt Leopolds — in Typus und Nominale den Prägungen Josephs II. Zu erwähnen ist noch, daß in den Jahren 1789—1791 in Günzburg für die in Luxemburg stehende Armee % Kronentaler vom Stempel des Jahres 1788 mit dem Bildnis Josephs II. geschlagen wurden. 521

8. Franz II. und Ferdinand I. a) Fran% II. Nach dem plötzlichen Tode Leopolds II. trat sein ältester Sohn als Franz II. die Regierung des väterlichen Erbes an. Als ein erst vierundzwanzigjähriger unerfahrener junger Mann, trat er in schwerster Zeit an eine Stelle, die auch einen gewiegten Politiker und Staatsmann vor ganz ungeahnte Probleme gestellt hätte. Man wird ihm aber trotzdem „Willenskraft, Ausdauer und nüchternes Pflichtbewußtsein nicht absprechen können, als geistige Persönlichkeit hatte er aber weit geringeres Format als Onkel und Vater" (1260). Man wird ihm wohl auch die ganz besonders verwirrten Verhältnisse zugute halten müssen, die im Gefolge der Französischen Revolution und später der Franzosenkriege die politische Szenerie grundlegend verändert hatten und während der ersten Hälfte von Franzens Regierung ganz Europa in Unruhe versetzten. Wenn auch an der von seiner Großmutter Maria Theresia eingeführten Münzordnung im Grunde nichts geändert wurde, so haben doch eine ganze Reihe von Kriegen und Not in das Geldwesen rücksichtslos eingegriffen und dessen Gang bestimmt. Diesen durch die Politik ausgelösten Veränderungen hier im einzelnen nachzugehen, würde zu weit führen (siehe darüber in der Literaturübersicht unten S. 599). Es genügt daher hier zu sagen, daß die Zeit vor 1815 die Mehrzahl der gesetzten Maßnahmen gewissermaßen provoziert hat. Wenn man aber die davon nicht betroffenen, die traditionell-konservativen Münztypen, also die groben Sorten aus Gold und Silber betrachtet, wie sie schon unter Joseph II. und Leopold II. geprägt wurden, so unterscheiden sich die acht Perioden, in die man das franziszeische Münzwesen einteilen kann, durch die wechselnde Formulierung der Umschriften voneinander und z. T. auch durch die Gestaltung der Wappen. Die wichtigste dieser Titel- und Wappenänderungen ist natürlich der Übergang vom römischen Kaiser zum Kaiser von Österreich, die 1806 nach Ablegung der römischen Kaiserwürde erfolgte, während in den Jahren 1804—1806 noch diese beiden Titel gleichzeitig geführt wurden. Auch der wechselnde Besitzstand zeigt sich in den Legenden; so nannte sich, um das Ephemere dieser Erscheinung zu beleuchten, der Kaiser z. B. zwischen 1806—1810 auch Herzog von Salzburg und Würzburg und von 1811—1815 bloß Herzog von Würzburg in Franken. Außer diesem Titelwechsel, der diese Periodisierung begründet, gibt es aber auch noch Perioden, die vom Münzbild und schließlich auch von der Prägetechnik her bestimmt sind; 1831 wurde nämlich die Ringprägung eingeführt. Als Franz die Regierung antrat, gab es insgesamt noch acht Münzstätten: Wien, Hall, Günzburg, Kremnitz, Nagybänya, Karlsburg, Mailand und Brüssel. Diese letzte fiel für Österreich 1794 endgültig aus, dafür war 1793 Venedig (V) dazugekommen; jedoch vorläufig nur für dieses eine Jahr. Mantua gab 1796 Belagerungsmünzen z. T. mit Stempeln Maria Theresias (Kronentaler 1765) und Josephs II. (Sovrano o. J.) aus; im folgenden Jahre entsteht — vielleicht hier geprägt — eine Lira; 1799 wird in Mantua neuerlich eine ganze Serie silberner und kupferner Belagerungsmünzen herausgebracht. Dieses letzte Mal aber war die von Franzosen verteidigte Stadt von Österreichern und Russen belagert worden. 1797 erhielt Österreich Venezien an Stelle des im Frieden von Campo Formio abgetretenen Belgien, des linken Rheinufers und der Lombardei. Von Mailand existieren trotzdem auch noch aus den Jahren 1799 und 1800 Münzen von Stempeln aus der Zeit der österreichischen Herrschaft. Sie werden einesteils für Nachprägungen durch die Cisalpinische Republik, andernteils für Erzeugnisse der kurzen österreichisch-russischen Restauration bis 1800 gehalten (April 1799 bis März 1800). Ab 1800 wird für Venezien teils in Venedig, teils in Wien und Hall geprägt. Im übrigen gibt es auch noch undatierte Zechinen Franz I. 522

352. Mantua, Franz II. Belagerungs-X-Soldi anno VII (1799)

353. Luxemburg, Belagerungs-LXXIIAsses 1795

354. Luxemburg, Belagerungs-I-Sol 1795 (Guß)

355. Lombardei, Franzi. 6 Lire 1816, M (Mailand)

.asm

357. Tirol, Andreas Hofer. 20 Kreuzer 1809, Hall

358. Galizien, Franz II. Armeegeld. VI polnische Groschen 1794, Wien

nach dem durch Jahrhunderte unverändert gebliebenen Typus, wie er unter dem Dogen Giovanni Dandolo 1284 zum ersten Male, byzantinischen Vorbildern folgend, geprägt worden war. Das Erzstift Salzburg war 1803 säkularisiert und im folgenden Jahr zu einem Kurfürstentum erhoben worden, das ein jüngerer Bruder, Erzherzog Ferdinand, bis 1806 innehatte, der bisher als Nachfolger seines Vaters Großherzog von Toskana gewesen war. Im Frieden von Preßburg, der 1805 die Niederlage von Austerlitz besiegelte, waren Salzburg und Berchtesgaden an Österreich gefallen, das dafür aber Tirol und Venedig verlor. Kurfürst Ferdinand mußte zunächst in das säkularisierte Fürstentum Würzburg wandern, erhielt aber dann 1814 sein toskanisches Großherzogtum wieder zurück, wo seine Nachkommen noch bis zur Errichtung des italienischen Königtums im Jahre 1860 regierten. Salzburg war nun von 1807 bis 1809 mit dem Münzbuchstaben D (früher Graz) eine kaiserlich österreichische Münzstätte, in der Dukaten, Zwanziger und Kupfermünzen geprägt wurden. Diese letztgenannten jedoch von Stempeln des Jahres 1800, aber mit dem Buchstaben D. Wie 1806 noch eine Zeitlang mit kurfürstlichen Stempeln weitergeprägt worden war, prägte nunmehr die bayrisch-französische Verwaltung in Salzburg, das seit dem Wiener Frieden von 1809 nicht mehr zu Österreich gehörte, zwischen 1809 und 1810 noch mit österreichischen, teilweise sogar auch noch mit kurfürstlichen Stempeln 1805 weiter. Salzburg kam 1816 endgültig an Österreich, blieb aber ohne eigene Münzstätte. 1809 erhoben sich die Tiroler gegen die bayrisch-französischen Usurpatoren; in Hall läßt der Führer dieses heroischen Freiheitskampfes Andreas Hofer Silber%wan%iger und Kupferkreu^er mit dem Tiroler Adler prägen. König Max I. Joseph von Bayern ließ in Hall dann noch bis 1814 weitermünzen. Nach dem Heimfall des Landes an Österreich wird diese altberühmte Münzstätte, der wir das Urbild des Talers verdanken, jedoch nicht mehr reaktiviert, wie denn überhaupt alles nach möglichster Vereinfachung und Konzentration drängt. Wenn auch 1812 und 1816 im südostungarischen Komitat KrassöSzöreny eine eigene neue Münzstätte eröffnet wird, so geschah dies nur, um das reiche Kupfervorkommen des Krassöer Erzgebirges an Ort und Stelle ausprägen zu können. Offiziell wurde durch den Buchstaben O Oravicza als Münzstätte bezeichnet; diese befand sich indessen in dem zum Amtsbezirk Oravicza(-Bänya) gehörigen Orte Sziklova. Da aber das S schon an das 1812 und 1816 ebenfalls tätige Schmöllnitz vergeben war, wählte man eben das O des Amtsbezirkes. Auch Nagybänya wurde 1829 aufgelassen; es feierte nur während der ungarischen Revolution 1849 eine kurze Wiederauferstehung. So waren unter Franz und seinem Sohne Ferdinand I. bis zum Eintritt Österreichs in den Deutschen Bund nur mehr Wien, Prag, Kremnitz, Karlsburg, Mailand und Venedig tätig. 524

359. Österreich, Franz II. 12 Kreuzer 1795, A (Wien) 360. Österreich, Franz II. 7 Kreuzer 1802, A (Wien)

Wenn wir die für Österreich und Ungarn bestimmten Gepräge kurz betrachten, so hat sich in diesem Gebiet gegenüber Leopold in den ersten Regierungsjahren seines Sohnes nichts verändert. Die alten Nominale wurden nach dem bisherigen Fuße weitergeprägt. 1794 findet in Brüssel dieletzte Prägung für die Niederlande statt. Dagegen gibt es im Norden einen Landzuwachs; für die in Galizien und der Bukowina aufmarschierte Armee wurden daher in Wien Kupferstücke im Werte von 3 und 1 polnischen Groschen und 6 Groschen (Grosze) in Billon

mit

der

Umschrift

MONET(a) AER(ea) EXERCi(tus)

CAEs(aris)

REG(is) u m

den

Doppeladler über Fahnen geprägt; sie sind 1% bzw. % österreichischen Kreuzer wert. Nach der dritten Teilung Polens im folgenden Jahre 1795 erhält Österreich dann auch Westgalizien und Krakau; dieses kam dann jedoch zum Herzogtum Warschau unter sächsische Oberhoheit, wurde 1815 Freistaat, verlor 1846 dann seine Selbständigkeit und kam an Österreich zurück. Als Republik hatte die Stadt 1838 5-Grosny in Kupfer, 10-Grosny in Billon und 1 -Zloty in Silber geprägt. Im Jahre 1795 hat man in Österreich mit der Ausgabe minderwertiger Münzen begonnen; die Ausmünzung der alten lief aber daneben weiter. Es wurden Silberstücke im Werte von 12 und 6 Kreuzern geprägt, die in der Umschrift ausdrücklich als „erbländische Scheidemünze" gekennzeichnet sind. 1800 vervollständigt ein 24-Kreuzer-Stück diese Serie. 1801 folgte ein stark kupferhältiges 1-Kreuzer-Stück, das aus den „eingerufenen" 24- und 6-Kreuzer-Stücken zu prägen war; 1802 wurde auch das 12-Kreuzer-Stück wieder eingezogen. Die Siebener wurden bis 1803 gemünzt, 1807 auf 6 Kreuzer herabgesetzt und 1809 gänzlich verrufen. In ähnlicher Weise wurden für das Küstenland und Görz 15-Soldioder 8 yrKreuzer-S tücke und für Venedig ein 1 y2-Ura-Stück ausgegeben. Alle diese Notmaßnahmen zeigen nur zu deutlich die rasch zunehmende Verschlechterung des Münzwesens. Infolge Hortung des auch weiterhin geprägten guten Geldes war der Kleingeldmangel so drückend geworden, daß nichts anderes übrig blieb, als diesem Mangel durch Herstellung geringhaltigen Geldes abzuhelfen. Die vorerwähnten Stücke zu 6, 12 und 24 Kr. enthielten nur mehr 25% Silber, sie waren also Billonmünzen geworden. Das wäre nach dem modernen Scheidemünzenbegriff, der damals leider noch immer nicht existierte, an sich kein Unglück gewesen, wenn nicht Gold und Silber aus dem Verkehr verschwunden wären und, was das Schlimmste ist, sich die nunmehr für große Zahlungen unentbehrlichen Bankozettel in so verheerendem Ausmaße vermehrt hätten, daß für sie keine ausreichende Deckung mehr vorhanden war. Um dem Metallmangel abzuhelfen und überdies die Kriegsentschädigung an Frankreich aufbringen zu können, wurde am 19. Dezember 1809 mit dem sogenannten „Silberpatent" angeordnet, „daß alles Silber mit Ausnahme von Löffeln, Uhren, Petschaften, chirurgischen Instrumenten und antiken Medaillen [!] an die Münzämter abzuliefern sei. Da das Patent 525

361. Österreich, Franz II. 6 Kreuzer 1800, D (Salzburg)

362. Österreich, Franz II. 1 Kreuzer 1800, A (Wien)

nicht für Ungarn galt, wurden große Mengen Silbers dorthin gebracht", oder sagen wir richtig, geschwärzt. Die ersten Bankozettel waren bekanntlich 1762 ausgegeben worden; 1771 folgte die zweite, 1784 die dritte Emission. Die Zettel konnten damals bei den Staatskassen ohne Schwierigkeiten in klingende Münze umgewechselt werden. Schwierigkeiten beginnen erst bei der vierten Emission 1796 und steigern sich in der Folgezeit immer mehr und mehr, zumal wegen des Silbermangels 1800 auch Appointszu. 1 und 2 fl. ausgegeben werden mußten, wobei gleichzeitig die unbedingte Annahme dekretiert, mithin ein Zwangskurs eingeführt wurde. Ähnlich ungünstig wirkten sich auf das ohnehin schon zerrüttete österreichische Geldwesen auch die italienisch-französischen Bankozettel-Fälschungen aus, die zu Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf französischem und italienischem Boden (hier in der Cisalpinischen Republik) stattfanden. Feindschaft und Haß gegen Österreich auf der einen — Habsucht sehr bedeutender Personen auf der anderen Seite — alles zusammen bewog die italienische wie die französische Regierung, diese Verbrecher auch noch zu unterstützen. Das Drängen Österreichs, die Fälscher zu verfolgen und zu bestrafen wurde einfach ignoriert. Die Fälschungen gingen in großem Stile weiter. Die ausgegebene Menge der echten Bankozettel wuchs von Emission zu Emission. Ende 1796 waren 46 Millionen fl. im Umlauf; ihr Kurs betrug gegen klingende Münze 100%%, stand somit fast auf pari. 1806 liefen bereits 450 Millionen um, der Kurswert des Hartgeldes war auf 175% gestiegen; im März des schicksalsschweren Jahres 1811 wurde der Höchststand mit einem Umlauf von 1061 Millionen und ein Kurswert von 833% erreicht! Dies bedeutete nicht weniger als den Staatsbankrott, für den außer der geldhortenden Bevölkerung vor allem die napoleonische Ära, die Niederlagen von Austerlitz und Wagram und die ihnen folgenden katastrophalen Friedensschlüsse von Preßburg (1805) und Schönbrunn bei Wien (1809) verantwortlich zu machen sind. Man war sich darüber klar, daß eine Einlösung dieser Papiergeldmassen nicht mehr erfolgen könne. 1811 hätte man ja einen Silbergulden mit 8% Gulden in Bankozetteln bezahlen müssen. Es gab überdies auch einen Scheidemünzenmangel. Dies hatte bereits 1807 zur Ausgabe von kupfernen Banko-Teilmünzen im Werte von 15 und 30 Kr. geführt, die 1811 gleich den Bankozetteln auf 1/5 ihres Nennwertes reduziert worden. Diese Stücke tragen um den Doppeladler der Rückseite die Umschrift: WIENER ST(adt) BANCO ZETT(el) TEILUNGSMÜNZ.

Der einzige Ausweg aus dieser Misere war schließlich ein unverhüllter Staatsbankrott, der mit dem berüchtigten „Februarpatent" vom 20. Februar 1811 verkündet wurde. Die Bankozettel wurden durch neu zu emittierende papierene 'Einlösungsscheine mit 526

363. Österreich, Franz I. 30 Kreuzer Bankozettel-Teilungsmünze 1807

1/5

ihres Nominalwertes eingelöst. In der Kipperzeit hatte die Reduktion bekanntlich 1/8 betragen. Bis 31. Jänner 1812 bildeten diese Einlösungsscheine und auch die abgewerteten Bankozettel als „Wiener Währung" die einzige Valuta für das Inland. Die Kupferscheidemünzen zu 30, 15, 3 und 1 Kreuzer wurden auf Vs abgewertet, die kupfernen 6-, und ^-Kreuzer überhaupt außer Kurs gesetzt. Steuern und sonstige Abgaben waren ab 15. März 1811 entweder in Einlösungsscheinen oder in Bankozetteln im fünffachen Betrag zu entrichten; alle Besoldungen und Staatsauslagen wurden von diesem Tage an in gleicher Weise ausgezahlt; die Zinsen der Staatsschulden wurden auf die Hälfte herabgesetzt. Den Umfang der Katastrophe, die in Österreich zahlreiche Menschen an den Bettelstab brachte, beleuchtet die Tatsache, daß in der Zeit vom 15. Juli 1811 bis zum 18. Februar 1815 1.043,207.665 fl. Bankozettel gegen 208,641.553 fl. Einlösungsscheine umgetauscht wurden, die jedoch nicht gedeckt waren. Das war der wunde Punkt, die Hauptschwäche des Februarpatents. Zwar war darin feierlich zugesichert worden, daß die ungefähr eine Viertelmillion Gulden betragenden Einlösungsscheine nie vermehrt werden sollten, eine Zusicherung, die sicherlich in gutem Glauben gegeben worden war, aber die Verhältnisse waren eben doch stärker als dieses kaiserliche Versprechen. Denn der Krieg ging zwar einem siegreichen Ende entgegen, aber noch immer weiter und seine Kosten erforderten die Ausgabe eines neuen Papiergelds, das, „Antizipationsscheine" genannt, angeblich Steuern antizipieren sollte. „Schon die Einlösungsscheine hatten abermals ein Disagio gehabt, das sich durch das Anschwellen des Papiergeldumlaufes auf neuerlich bis über 600 Millionen Gulden verschärfte und fast ein Drittel erreichte" (652). Die im Staatsbankrott von 1811 gipfelnde Finanzreform des Grafen Joseph W a l l i s , des Oberstburggrafen von Böhmen und Hofkammerpräsidenten, ist — nicht ganz mit Unrecht — mehr als ein Jahrhundert lang meist sehr ungünstig beurteilt worden. „Vom innenpolitischen, staatserhaltenden Standpunkte aus gesehen, kann man sagen, daß die Lage der Finanzen und die Notwendigkeit der Erhaltung der Zahlungsfähigkeit Österreichs nicht unbedingt zum ,Bankerottpatent' gedrängt hat. Wohl war die Lage der Rentner, der Militärs und der Beamten sehr schlecht. Doch hätte man ihnen — mit Ausnahme der Rentner, die kaum erfaßbar waren — zeitweilig mit Steigerung der Entlohnung in Bankozetteln helfen können. Doch war die Ordnung der Finanzen eine dringende Notwendigkeit gewesen und Graf Wallis hatte sie mit seltener Kraft durchgeführt. Vielleicht ist diese ordnende Tätigkeit noch höher zu werten als seine Währungsreform. Nur hat leider eine lange Zwischenzeit, in der seine Stelle nicht besetzt werden konnte, den Wert seiner ordnenden Tätigkeit stark vermindert" (577). Aber schon während seiner Amts527

zeit wurde, wie aus den Polizeiberichten hervorgeht, in der Bevölkerung „seine Strenge in den Finanzgeschäften geschätzt und seine Uneigennützigkeit, Arbeitsamkeit und Energie anerkannt und bewundert. So haben viele auch seinen Abgang bedauert. Wie immer man über die Notwendigkeit, die Angemessenheit des Zeitpunktes und die Richtigkeit solcher Maßnahmen, wie es das Finanzpatent war, denken mag, jedenfalls stellt die Devalvierung des Grafen Wallis den ersten Versuch dar, auf Grund der Quantitätstheorie die Finanzen und die Wirtschaft eines Staates mit Papiergeld zu versorgen und den Kurs ohne jede staatliche Interventionstätigkeit zu erhalten" (577). Ein anderer Kritiker meint im Jahre 1912, daß es selbst „bei dem heutigen Wissensstande schwer halten müßte, für die Verhältnisse des Jahres 1811 etwas Klügeres zu ersinnen als eben dieses Patent. Am historischen, nicht am fingierten Erfolg des Patentes gemessen, muß die Tat des Grafen als durchaus gelungen bezeichnet werden" (1131). Interessant sind die rechtlichen Folgen des Februarpatentes. Im Jahre 1857 tauchte nämlich der wirtschaftlichen Entwicklung folgend, ein ganz neues Problem auf. „Das Finanzpatent von 1811 hatte gar keinen andern Zweck gehabt, als mit dem Papierumlauf ein Ende zu machen und die schwebende Schuld zu verringern. An die Wirkungen für die Zivilbevölkerung hatte man gar nicht ausreichend gedacht, da die Reduktion ohnehin dem wirklichen Kurse entsprach." Man konnte also, wie zu Inflationszeiten die Regel, auch ältere Schulden in entwertetem Gelde abzahlen und bediente sich noch Jahrzehnte hindurch, z. B. bei Stiftungsrenten, der Wiener Währung, das ist der Einlösungs- und Antizipationsscheine. Nach definitiver Ordnung der Verhältnisse und Ersetzung sowohl der Konventionsmünze wie der Wiener Währung durch die österreichische Währung im Jahre 1857, tauchte nun die Frage auf, in welcher Höhe Verpflichtungen von 1811 zu bezahlen seien. „Zunächst entschieden die Gerichte, daß Konventionsmünze gemeint und daher unter Zugrundelegung des offiziellen Umrechnungsschlüssels von 1 fl. Konv. M. = 1 fl/Österr. Währung die Schulden abzutragen wären, also das Patent von 1811 als eine nicht weiter wirkende Episode betrachtet werden müsse, da die Münzveränderungen privatrechtliche Obligationen nicht betreffen könnten. In den neunziger Jahren trat in Österreich, ebenso wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ein völliger Umschwung ein, indem sich eine etatistische Anschauung durchsetzte. Das Geld ist ein Geschöpf des Staates und unterliegt seiner Regelung. Das staatliche Währungsgesetz bestimmt das Zahlungsmittel und die Berechnungsart. Die österreichischen Gerichte verkündeten Urteile, wonach die alten Stiftungen den Staatsbankrott von 1811 durchzumachen und die Schuldigkeiten in gemischter Form abzutragen seien, ein deutliches Zeichen für den völlig organischen Zusammenhang von Zivilrecht, Staatsgeld und Geldzeichen" (652). Wer fühlt sich da nicht an die rechtlichen Folgen erinnert, die in den Jahren nach der großen Münzcalada vom Dezember 1623 in ähnlicher Weise auftauchten und die Gerichtshöfe Jahrzehnte hindurch beschäftigten. Nach den Einlösungsscheinen wurden 1813 die erwähnten Antizipationsscheine zunächst für den Betrag von 45 Millionen fl. in den Verkehr gebracht und bis zum Jahre 1815 durch die Ausgabe sogenannter „geheimer Anticipationsscheine" bis zur Höhe von 470 Millionen fl. vermehrt. Mit Patent vom 30. März 1812 wurden neue Kupfermünzen zu 3, 1, y 2 und % Kreuzer W. W. ( = Wiener Währung) ausgegeben; für ihre Prägung nahm man, wie schon erwähnt, die alte Münzstätte Schmöllnitz wieder in Betrieb und eröffnete die zu Sziklova (Oravicza). Erst die endgültige Niederwerfung des Korsen sowie die Neuordnung der Grenzen des österreichischen Kaiserstaates durch den Wiener Kongreß ermöglichte eine Neu528

regelung der wirtschaftlichen und zugleich auch der monetären Verhältnisse. Der Kongreß hatte dem Staate Tirol, Salzburg, das Innviertel, Ostgalizien, die Lombardei und Venezien sowie die 1809 abgetretenen illyrischen Provinzen zurückgebracht und damit einen einheitlichen, wenn auch unter Schonung gewisser nationaler Belange regierten Staat konstituiert. Auch der Einfluß Österreichs auf die apenninische Halbinsel war gewachsen. Nach Toskana kehrte Erzherzog Ferdinand III., der frühere Kurfürst von Salzburg, zurück, Modena fiel an Erzherzog Franz IV. d'Este, während die Kaisertochter Maria Louise, die frühere Gemahlin Napoleons I., die Herzogtümer Parma, Piacenza und Guastalla erhielt, jedoch ohne das Recht, sie auf ihren vom Korsen stammenden Sohn Napoleon Franz Joseph, den Herzog von Reichstadt, zu vererben. Doch besaß sie für die genannten Gebiete das Münzrecht. Aus ihrer Ehe mit dem Grafen Adam Albert von Neipperg ging Fürst Wilhelm von Montenuovo (f 1895) hervor, der eine der schönsten Münzensammlungen besaß, die jedoch noch zu seinen Lebzeiten in alle Winde zerstreut wurde. Ein kurzer Rückblick auf die Finanzen während der eben beendeten Kriegszeit möge die Rückwirkungen auf die monetären Verhältnisse schärfer beleuchten. Neben England war Österreich „am häufigsten und längsten an den Napoleonischen Kriegen beteiligt, fast ausschließlich als Gegner, nur vorübergehend im Kriege gegen Rußland 1812 an der Seite Frankreichs" (418). Die schweren Niederlagen bei Austerlitz und Wagram und die durch die Friedensschlüsse auferlegten Landeinbußen und geldlichen Belastungen hatten 1811 zwangsläufig zum Zusammenbruch geführt, denn „Österreich hat weder die Steuerkraft einer leistungsfähigen Wirtschaft noch die Ressourcen aus fremden Ländern, über die der Staat Napoleons so lange verfügen konnte, besessen" (418). Es hatte zwar von England als einzige finanzielle Hilfe von außen Subsidien erhalten, aber sie waren sowohl 1805 als 1809 infolge der rasch gefallenen Entscheidungen unausgenützt geblieben. Auf Grund einer im Jahre 1823 geschlossenen Übereinkunft wurden die mit rund 103 Millionen Gulden berechneten englischen Forderungen mit einer Pauschalsumme von 2 % Millionen Pfund oder 25 Millionen Gulden durch Österreich zurückgezahlt. Die günstige Entwicklung der Staatsfinanzen nach dem Siebenjährigen Krieg begann schon unter Joseph II. rückläufig zu werden, vor allem infolge seines Türkenkrieges, der über 220 Millionen fl. verschlang. „Trotzdem schloß der Staatshaushalt zwischen 1781 und 1787 mit einem Ausgabeposten von weniger als 90 Millionen jährlich ohne Fehlbetrag ab und hatte erst im Jahre 1793 bei 120 Millionen Ausgaben zum erstenmal ein Defizit von 10 Millionen. Dieses Defizit ist in den folgenden Jahren im Zusammenhang mit den dauernd steigenden Kosten der Kriegsführung immer größer geworden und selbst nach den die Staatsfinanzen entlastenden Bankrotten von 1811 und 1816 nicht ganz geschwunden; waren doch die jährlichen Gesamtausgaben, die von 1794 bis 1801 rund 150 Millionen betragen haben, nach einer vorübergehenden Verminderung zwischen 1805—1809 (Austerlitz, Wagram) infolge der hohen Kontributionen bis auf 355 Millionen Gulden angestiegen" (418). Das enorme Anwachsen der Ausgaben und das ständige Defizit waren durch den seit Ausbruch der Französischen Revolution dauernd gestiegenen Militärbedarf bedingt (418). „Von 1787—1794 hat Österreich 784 Millionen für Kriegszwecke ausgegeben, im Jahre 1800 war bereits die Milliarde überschritten." Der unglückliche Krieg von 1809 hatte 262 Millionen gekostet, die Befreiungskriege weitere 580 Millionen, darunter das Jahr 1815 allein 236. Noch im Jahre 1817 überstieg der Armeebedarf die ordentlichen Einnahmen um mehrere Millionen. Die steigende Papiergeldentwertung aber machte den finanziellen Effekt der Steuererhöhungen und anderer Eingänge wieder zunichte. „In wechselnder Weise und mit ver529

364. Österreich, Franz I. Taler 1831, A (Wien)

schiedenem Erfolg hat die österreichische Finanzverwaltung das Kriegsdefizit durch Erhöhung der direkten und indirekten Steuern, innere und äußere Anleihen, durch Gewinne auf dem Gebiete der Münzprägung und vor allem durch die vermehrte Ausgabe von Papiergeld zu decken versucht" (418). Aber die Mehrzahl der neuen Steuern blieb in ihren Erträgnissen weit hinter den Erwartungen zurück. Inländische Anleihen brachten nie wesentliche Erträge ein, Lotterieanleihen waren sogar meist Verlustgeschäfte. „Der ausländische Kredit aber ist nach günstigen Anfängen immer geringer geworden, weil Osterreich für den Zinsendienst der Anleihen nicht die nötigen Mittel aufbringen konnte" (418). Die Hauptgläubiger waren England, Holland und auch verschiedene Reichsstände. Dagegen hatte erstaunlicherweise das Münzwesen sehr ergiebige zusätzliche Einnahmen gebracht. Vom Regierungsantritt des Kaisers 1792 bis 1815 sind rund 33 Millionen £. in Gold, 364 Millionen in Silber und 175 in Kupfer ausgemünzt worden. „Diese Mengen sind teils durch die Kriegskassen oder spekulative Versendungen ins Ausland gegangen, teils als Rohmaterial für neue Münzung verwendet oder im Inland gehortet worden" (418). 1795 war, wie erwähnt, zuerst das Silbergeld verschlechtert worden, indem die Landmün^e mit bis zu 5 0 % wechselndem Wert gegenüber der Konventionsmün^e ausgebracht wurde. Aus den mehr als 120 Millionen, die 1803 im Umlauf waren, konnte von 1795 bis 1803 ein Münzgewinn von 70 Millionen fl. gezogen werden. Der Gewinn aus der von 10 Millionen im Jahre 1801 auf mehr als 140 Millionen im Jahre 1811 gestiegenen Ausgabe von Kupfergeld wurde für die Zeit von 1800 bis 1810 mit 40 Millionen fl. berechnet. Aber weder Steuern noch Anleihen, noch Münzgewinn konnten die gesteigerten Erfordernisse restlos befriedigen. Für die Differenz mußte immer wieder das geduldige Papier in Form von Bankozetteln herhalten. 1805 mußten sich die Österreicher deshalb von den Franzosen als „papierene Soldaten" verspotten lassen. Eine Stabilisierung der Währung nach dem Staatsbankrott wäre jedoch trotzdem möglich gewesen, hätte der Feldzug gegen Rußland und die auf ihn folgenden Befreiungskriege das Staatssäckel nicht neuerdings bis zur Neige geleert. Erst der Untergang Napoleons I. hat auch den österreichischen Staatskassen wieder außerordentliche Einnahmen gebracht. „Von 1815—1822 hat man dafür einen Betrag von 12234 Millionen Gulden berechnet. Das österreichische Volk hat aber durch die Franzosenkriege den Vermögensverfall breitester Schichten erdulden müssen, was bei den anderen kriegführenden Großmächten nicht annähernd der Fall gewesen ist" (418). Das österreichische „Biedermeier", das den strengen, aber doch aufwendigen Klassizismus der josephinischen und z. T . auch noch der franziszeischen Zeit ablöste, war nicht 530

365. Österreich, Ferdinand I. Taler 1847, A (Wien)

zuletzt der Stil eines durch diese Verarmung zur Bescheidenheit gezwungenen Zeitalters. Die Konsolidierung der politischen Lage begünstigte die Absicht, die Ordnung im Münzund Geldwesen wiederherzustellen, die von der allmählichen Wiederbelebung des metallenen Geldumlaufes abhing. Demselben Gedanken eine dauernde Ordnung der Geldverhältnisse zu schaffen entsprach auch die Gründung der „Privilegierten österreichischen Nationalbank". Sie wurde mit Patent vom 1. Juni 1816 als eine „vom Staat unabhängige, auf Aktien gegründete Zettelbank errichtet, und zugleich leitete man die freiwillige Einlösung des Papiergeldes Wiener Währung ein" (800). In § 1 des Bankpatentes wurde feierlich erklärt, daß von „nun an nie mehr die Ausfertigung eines neuen Papiergeldes mit Zwangswert und Zwangsumlauf oder irgendeine Vermehrung des gegenwärtig im Umlauf befindlichen statthaben" solle. Die Bank öffnete am 1. Juli 1816 ihre Schalter und begann sogleich mit der Einlösung des entwerteten Papiergeldes gegen Banknoten von 6 Werten in einer Stückelung zwischen 5 und 1000 fl. Konventionsmünze (C. M.). 250 fl. W. W. galten 100 fl. C. M. Gleichzeitig mit den Banknoten wurden neue, dem alten Konventionsfuß entsprechende Münzen, und zwar 20,10, 5 und 3 Kr. in Silber, 1, % und % Kr. in Kupfer ausgegeben. Für die Prägung der Kupfermünzen mußten 1816, ebenso wie bereits vier Jahre vorher, eingestellte Münzstätten wieder in Betrieb genommen werden. Mit den Stempeln von 1816 wurde dann bis zum Jahre 1851 weitergeprägt, also auch während der ganzen Regierungszeit Kaiser Ferdinands I. und die ersten drei Regierungsjähre Kaiser Franz Josephs I. In diesem Jahre erschienen dann die ersten kupfernen Kreuzernominale dieses Monarchen. Eine einzige Ausnahme bildet unter Ferdinand I. das 2-Kreu^er-Stück von 1848, das 1851/52 gleich den ungarischen Revolutions-Kupfermünzen eingezogen wurde. Neben den Kupfermünzen C. M. zirkulierte aber auch das abgewertete Kupfergeld W. W. noch weiter. Die Hauptsorge der jungen Bank galt natürlich der möglichst raschen Einlösung des gesamten früheren Staatspapiergeldes. Mit dem Ende des Jahres 1847 war dessen Umlauf von 682 Millionen Gulden W. W. (davon Einlösungsscheine für 212 Millionen fl., offizielle Anticipationsscheine für 45 Millionen fl. und nicht verlautbarte Anticipationsscheine für 425 Millionen fl.) auf 7,519.000 Gulden W. W. ( = 3 Millionen fl. in C. M.) gesunken und praktisch bedeutungslos geworden" (800). Eine großartige Leistung also; die Nationalbank hatte während knapp zwei Dezennien ihres Bestandes die ihr in erster Linie gestellte riesige Aufgabe nahezu restlos erfüllt. Nach fast einem Vierteljahrhundert der Stagnation wurde die nur ganz unwesentliche, ja zeitweilig sogar völlig eingestellte Prägung vollwertiger Silber- und Goldmünzen wieder aufgenommen und sogar die Ausfuhr dieser beiden Metalle wieder freigegeben. 531

366. Österreich, Ferdinand I. Gulden 1848, A (Wien)

367. Österreich, Ferdinand I. 3er (3 Kreuzer) 1843, A (Wien)

Mit der Sättigung des Umlaufes kehrte langsam auch das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des Staates wieder zurück. Ende 1847 waren die Finanzen des Kaiserstaates so ziemlich wieder geordnet, als die Revolution in Italien und Ungarn (1848/49) sie neuerlich in schwere Verwirrung stürzte. b) FerdinandI. und die Revolution von 1848. Unter Franzens ältestem Sohne Ferdinand I. (in Ungarn V.) lief das Münzwesen in der gleichen Form weiter wie in den beiden letzten Münzperioden seines Vaters, die durch das Aufkommen der Ringprägung gekennzeichnet sind. Sie unterscheiden sich voneinander nur dadurch, daß der Lorbeerkranz auf dem Haupte des Kaisers zuletzt flatternde Bänder aufweist. Die Münzen Ferdinands sind seit 1837 auch dadurch ein wenig verändert worden, daß im Titel nun das Königreich Dalmatien mit angeführt wird. Dank der eingetretenen Silberspekulation hatte sich auch der Staatskredit zusehends gebessert; es bestand daher für den österreichischen Kaiserstaat kein Anlaß, sich an den Münzberatungen der deutschen Staaten, denen 1837 auch eine Münzvereinigung süddeutscher Staaten folgte, wie an den Beratungen über das Zollbündnis zu beteiligen. Ende 1847 waren, wie schon ausgeführt, die Finanzen Österreichs so ziemlich geordnet, da die Nationalbank fast den ganzen alten Notenvorrat eingelöst hatte, als die Revolution von 1848/49 alle Errungenschaften auf diesem Gebiete wieder ernstlich in Frage stellte. Die kaum zum Stillstand gekommene Notenpresse mußte wieder in Bewegung gesetzt werden. Abermals wurden ungeheure Mengen nicht fundierten Papiergeldes ausgegeben; das gesamte Hartgeld, sogar die kaum einen realen Wert darstellenden Kupfermünzen verschwanden aus dem Verkehr. „Um die Nationalbank nicht in Anspruch nehmen zu müssen, gab der Staat wieder teils verzinsliche, teils unverzinsliche Staatsnoten aus. Die herrschende Geldnot führte zu den merkwürdigsten Entscheidungen: die Banknoten zu 1 fl. C. M. wurden in zwei Hälften und vier Viertel geteilt und jeder Teil lief für sich als Note zu 30 Kreuzer oder 15 Kreuzer um. Daneben setzten Kaufleute, Fabrikanten und Gewerbetreibende Scheine zu 20, 10, 6, 5, 3, 2 und 1 Kreuzer sowie Wertzeichen aus Messing, Blei, Zinn, Kupfer, Glas, Leder, Holz und Pappe in Zirkulation" (800). Das dadurch angerichtete Chaos dauerte indessen nicht lange, denn noch vor der Thronbesteigung Kaiser Franz Josephs I. am 2. Dezember 1848 begann der k. k. Finanzminister, damals Philipp Freiherr von Krauß — ein ausgezeichneter Fachmann, der dann auch in das erste Kabinett des jungen Kaisers übernommen wurde —, durch energische Maßnahmen Ordnung zu schaffen. „Er verbot die Annahme der Privatwertzeichen und ließ ausreichende Mengen von Scheidemünzen in Umlauf setzen" (800). Zunächst wurden mit kaiserlichem Erlaß vom 19. August 1848 silberne Sechser (0,438 fein, 532

288 Stück aus der feinen Wiener Mark) und die schon erwähnten kupfernen 2-Kreu^erStücke ausgegeben. Als jedoch das Agio des Silbers auf über 20% stieg und die Münzen abermals aus dem Verkehr zu verschwinden begannen, gab man mit Erlaß vom 1. Juni 1849 neue Sechser heraus, die um Vs leichter waren (0,438 fein, jedoch 336 Stück aus der feinen Wiener Mark). Das unausgesetzte Steigen des Silberpreises führte jedoch neuerdings zum Aufkauf und Export, so daß man sich, um diesen abermaligen Silberschwund zu ersetzen, am 1. August 1849 zur Ausgabe papierener „Münzscheine" im Werte von 10 und 6 Kr. entschließen mußte. Diese Nebeneinanderstellung von 6 und 10 Kreuzer wird im ersten Augenblick frappieren und die Frage aufwerfen, weshalb nicht 5 Kreuzer anstatt der 6 gewählt wurden? Nun sind 6 Kreuzer aber Vio des damaligen Silberguldens, der, obwohl das Dezimalsystem bereits seit 1800 bestand, in Österreich und auch in Deutschland noch immer in 60 Kreuzer unterteilt wurde. Der Zehner aber war ein halber Zwanziger, eine Münzgattung, die sich bekanntlich seit Maria Theresia einer großen Beliebtheit erfreute und im Österreich Kaiser Franz Josephs, wenn auch mit Unterbrechungen, als Ganz- und Halbstück zum letzten Male 1872 ausgeprägt wurde. Ungleich schwieriger als in Österreich waren die Verhältnisse im revolutionären U n g a r n . War in der österreichischen Reichshälfte der Aufstand mit der Erstürmung Wiens durch die Truppen des Fürsten Alfred Windisch-Graetz am 31. Oktober 1848 so gut wie niedergeschlagen, so ging er in Ungarn noch immer weiter — auch auf monetärem Gebiet. Zu den ersten Taten des Finanzministers im nationalungarischen Kabinett des Grafen Ludwig Batthyäny, dem späteren Führer des Aufstandes Ludwig Kossuth, gehörte nämlich das am 19. April 1848 erlassene Verbot, Kleingeld im Werte von über 100 fl. in die österreichischen Lande auszuführen. Er hoffte dadurch dem katastrophalen Mangel an metallener Scheidemünze in Ungarn abhelfen zu können. Gleichzeitig aber traf er auch Maßnahmen zur Vermehrung des Metallgeldes im eigenen Lande. Im niederungarischen Bergwerksbezirk, zu dem bekanntlich auch Kremnitz gehört, wurden die Edelmetallvorräte registriert und gleichzeitig eine Steigerung der Kremnitzer Prägetätigkeit verfügt. Überdies hatten die Montanreviere von Nagybänya, Oravicza und Schmöllnitz ihr gesamtes Edelmetall zu Münzzwecken abzuliefern. Um Verzögerungen zu vermeiden, sollten die neuen ungarischen Münzen vorläufig noch mit der seit alters üblichen Umschrift in lateinischer Sprache geprägt werden; daneben aber wurde auch verfügt, daß so schnell als möglich Stempel mit magyarischer Umschrift geschnitten werden sollten. Diese nationale Prägung, die am 1. Februar 1849 anbefohlen worden war, kam jedoch nur sehr langsam in Schwung. Abgesehen davon deckte sie keineswegs den tatsächlichen Bedarf. So wurden von den kupfernen l-Kreu^er-Stnckcn 1848 214.549, im Jahre 1849 aber bloß 84.000 Stück geprägt. Folgende Nominale wurden ausgemünzt: 1848 in Kremnitz 1 Krajc^dr (Kreuzer, Kupfer) mit dem ungarischen Wappen; 10 und 20 Krajc^dr (Silber) mit dem Kopf Ferdinands V. und der Madonna, Münzzeichen K. B. = Körmöcz-Bänya; Dukaten (Gold) mit dem stehenden König und der Madonna; 1849 in der wiedererrichteten Münzstätte Nagybänya 1 und 3 Krajc^ar (Kupfer) und 6 Krajc^är (Silber), sämtlich mit dem ungarischen Wappen und allen Um- und Inschriften ungarisch. Auf sämtlichen Revolutionsprägungen aber findet sich noch die Bezeichnung „magyar kiralyi" = königlich ungarisch, sofern nicht der König selbst dargestellt ist. Diese ungenügende und noch dazu schleppende Ausmünzung ließ Kossuth nur 533

368. Ungarn, Ferdinand I. 1 Krajczär (Kreuzer) 1848, Kremnitz

369. Ungarn, Revolution. Arad Belagerungsnotgeld zu 3 Kreuzer (1849, Eisen, eins.)

jenes Mittel übrig, das in Notzeiten unfehlbar mit einem Zusammenbruch endet, nämlich eine immer größere Umfänge annehmende Vermehrung eines natürlich nicht mehr gedeckten Papiergeldumlaufes: die ungarische Revolution wurde also auf papierenem Wege finanziert. Ein eigenes ungarisches Papiergeld begann sogleich nach dem Amtsantritt Kossuths als Finanzminister (11. April 1848); kaum installiert, geriet er auch schon in Schwierigkeiten, da sich in der Staatskasse nur etwa eine halbe Million Gulden befand. Das Metallgeld — auch das neugeprägte — verschwand alsbald aus dem Verkehr. Im übrigen war das österreichische Metallgeld (das natürlich gleichfalls heimlich gehortet und versteckt wurde) und die von der k. k. Nationalbank ausgegebenen Noten als g e m e i n s a m e s Geld auch in Ungarn weiterhin umlauffähig. Aber das bisherige Vertrauen in die Wiener Banknoten schwand bald dahin; dies und das rapide Verschwinden des Hartgeldes bewog den Finanzminister Ende April 1848 in nähere Beziehungen zu Pester Bankiers zu treten, um mit ihnen zu beraten, wie diesem Übel abgeholfen werden könnte. Auf einer Konferenz "wurde schließlich beschlossen, 12% Millionen fl. in Banknoten zu emittieren, um davon einen Fonds von 40%, d. i. 5 Millionen fl. in Silber zu bilden. Zur Beschaffung dieses Silbers sollten 5%ige Kassenanweisungen im Betrag von 2 Millionen fl. ausgegeben werden. Aus Staatseinkünften und Bergwerken erwartete man sich 1 Million, aus Schenkungen und Darlehen die restlichen 2 Millionen. Aber diese Hoffnungen wurden sofort enttäuscht. Bald nach Beginn der Revolution hatte der Reichstag nämlich beschlossen, alle Robote, Neuntel und Zehnte für alle Zeiten abzuschaffen. Der dadurch in seiner Existenz ernstlich bedrohte ungarische Großgrundbesitz ging darauf sofort in Opposition. Kossuth hatte zur Begebung dieser Kassenanweisungen nämlich die vier reichsten Großgrundbesitzer aufgefordert, je ein Viertel davon zu übernehmen; er erhielt jedoch eine glatte Absage. Die Bergwerke aber stagnierten, da viele Bergleute zu den Fahnen geeilt waren. Und so blieb es bei der Post „Schenkungen und Darlehen". Sie ergaben bis zum 31. Januar 1849 rund 1,686.719 fl., gegenüber einem gleichzeitigen Banknotenumlauf von 3,642.848 fl. Als die österreichischen Truppen unter dem Kommando des Fürsten WindischGraetz in Ungarn einmarschierten, machten ihnen diese ungarischen Banknoten sehr zu schaffen, denn sie waren im Lande geradezu wertlos geworden. Der Fürst hatte zunächst ihre Annahme in sämtlichen ärarischen, militärischen wie zivilen Kassen verboten, mußte diese Verfügung aber für eine Zeit suspendieren. Erst am 8. März 1849 ordnete das k. k. Armeeoberkommando in Ofen ihr gänzliches Verbot an, mit der Begründung, daß sie die Hauptursache der Rebellion seien; nur die fundierten Noten zu 1 und 2 Gulden wurden angenommen und durch österreichische Banknoten nicht nur im noch revolutio534

370.Venezien, 371.Venezien, Ferdinand I. Ferdinand I. Scudo 1846, Lira 1840, V (Venedig) V (Venedig)

näieti Pest, sondern auch an verschiedenen anderen Stellen des Landes eingelöst. Trotzdem blieb das verbotene ungarische Papiergeld weiter im Umlauf, bis die Österreicher am 19. Juli 1849 endlich auch Pest besetzen konnten. Sowohl hier als auch in den Komitaten wurden nunmehr bei Strafandrohung das ungarische Papiergeld konfisziert und sodann verbrannt. Die Einziehung aber löste überall große Schwierigkeiten aus : es gab kein Geld mehr, aber dafür größte Unruhe unter der Bevölkerung. Diese prekäre Lage aber war nicht zuletzt durch den Starrsinn des Fürsten Windisch-Graetz verschuldet worden. Wir können die Einzelheiten hier nicht verfolgen ; es sei nur noch erwähnt, daß auch die österreichischen Truppen darunter zu leiden hatten, da sie ihren Sold zum Teil in ungarischem Papiergeld empfangen mußten. Der Fürst verdankte schließlich neben seinen militärischen Mißerfolgen auch dem ungeschickten Verhalten in der Frage der Kossuthbanknoten seine Enthebung vom Oberkommando. Der „Freiheitskampf" hatte für Ungarn mit einer Tragödie geendet, der, wie im griechischen Drama, auch hier ein Satyrspiel folgte. Kossuth war nach der Niederlage in die Türkei geflohen, aber dort verhaftet und interniert worden. Erst 1851 wurde er entlassen und lebte seither als Haupt der ungarischen Emigranten zunächst in New York, später in London und Turin. Um den Kampf erneuern zu können, ließ er 1852 in Amerika für einen Fonds Noten im Werte zwischen 1 und 100 Gulden mit englischem Text drucken. Sie sollen in den Vereinigten Staaten tatsächlich zirkuliert haben. In London beauftragte er dann William Days Druckerei im Jahre 1860 mit der Herstellung von Papiergeld in Stückelungen zu 1, 2 und 5 Forint ( = fl.) mit ungarischem Text. Trotz äußerster Geheimhaltung erfuhr die österreichische Botschaft und durch sie die englische Polizei von diesen Noten. Der darauf 1861 gegen Kossuth eingeleitete Prozeß kostete ihn mehr als 30.000 fl. Zur Zahlung dieser Summe steuerte Prinz Napoleon 10.000 fl., der italienische Minister Graf Cavour 20.000 fl. bei. „Im Sinne des Urteils wurde der gesamte Banknotenvorrat in dem Verbrennungshof der englischen Bank verbrannt. Das falsche Papiergeld wog 17 Tonnen, das mit Wasserzeichen versehene noch unbedruckte 3 Tonnen, somit insgeamt 200 Meterzentner" (990). Auch in Italien hatte man die österreichische Herrschaft abzuschütteln versucht, war aber an der überraschenden Strategie Radetzkys schließlich bald gescheitert. Die für kurze Zeit von der berühmten italienischen Armee des Feldmarschalls für kurze Zeit aufgegebene Lombardei war dann in einem Hundert-Stunden-Feldzug von den Italienern zurückgewonnen worden. Auch das belagerte Venedig mußte sich schließlich ergeben. Während der Zeit der Erhebung waren die und 1-L/nz-Stücke, der % Scudo oder Fiorino und der Scudo in Silber sowie der halbe und gan^e Sovrano in Gold, die in Wien (A), Mailand 535

372. Governo provisorio di Lombardia. 5 Lire 1848, M (Mailand)

373. Alleanza dei popoli liberi Venezia. 5 Lire 1848, Venedig

(M) und Venedig (V) geprägt worden waren, sowie die Centesimi-Werte in Kupfer (1, 3, 5 und 10) z. T. durch Prägungen der Aufständischen ersetzt worden. Venedig gab 1848 15 Centesimi sowie 5 Lire in Silber und 20 Lire in Gold heraus, 1849 1, 2 und 3 Centesimi in Kupfer, alle mit dem Markuslöwen und dem Münzzeichen ZV (zecca veneta). Außer diesen eigenständigen Geprägen waren noch verstümmelte^) Münzen des österreichischen Typus im Umlauf. Mailand prägte 1848 5 Lire in Silber und 20- sowie 40-_L/r«-Stücke in Gold. Alle Werte zeigten die stehende Italia. Als die Aufständischen von Anfang April bis gegen Ende Mai 1848 auch Mantua belagerten, ließ der Festungskommandant General der Kavallerie Karl von Gorczkowski in der zernierten Stadt 2 und 20 Kreuzer sowie Gulden aus Silber mit dem Kopfe Kaiser Ferdinands von ziemlich roher Ausführung prägen und oberhalb des Münzzeichens GM (Garnison oder Gorczkowski Mantua) das Wahrzeichen der Stadt, einen Schwan anbringen. Um das zu dieser Notmünzung nötige Metall zu erhalten, wurde bei Androhung schwerer Strafen die Ablieferung aller Silbergeräte angeordnet. Als „Silber zum persönlichen oder Familiengebrauch" wurde nur je ein Besteck pro Person belassen. Im ganzen wurden 3947 Stück zu 1 fl., 7799 Zwanziger und 631 Dreier ausgeprägt und mit ihnen die Gehälter der Offiziere und die Löhnung der Mannschaft ausgezahlt. Die Aufständischen gaben neben den Metallprägungen auch Papiergeld heraus. Sie hatten sogar eine Nationalbank gegründet und unter der Garantie kapitalkräftiger Bürger 1848 eine papierene „Moneta patriótica" mit den Wappen der Lombardei und Venedigs in 6 Werten zwischen 1 und 100 Lire corrente drucken lassen. Bald hierauf gab die Municipalität von Venedig eine „Moneta del Commune di Venezia" heraus, die durch die Zollabgaben garantiert wurde, in 7 Werten von 50 Centesimi bis 100 Lire heraus. Sie wurden später zu 50% eingelöst. Zugunsten des Krieges erschien 1848 noch ein „Dono patriotico" im Werte von 5, 25 und 50 Lire corrente mit der eigenhändigen Unterschrift des venezianischen Diktators, des Advokaten Daniele Manin, das jedoch nie eingelöst wurde. 536

Österreich gab im April 1849 noch Biglietti del Tesoro, also Schatzscheine mit Datum vom 1. April heraus; die Serie war in Nominalwerten zwischen 30 und 2400 Lire austriache gestückelt und wurde mit 3% verzinst, die Werte zu 5 und 10 Lire, die später dazukamen, waren jedoch unverzinslich. 9. Franz Joseph I. a) Das Ende der Konventionsmün^e. Es ist begreiflich, daß erst nach Beendigung der Wirren der Revolutionszeit an eine Reform des österreichischen Münzwesens gedacht werden konnte. Bis zum Jahre 1851 blieben daher die Prägungen Ferdinands I. weiter im Umlauf. Nur Mailand hatte schon 1849 mit der Prägung neuer Kupfermünzen begonnen; im Kaiserstaate selbst wurden — ebenfalls in Kupfer — erst 1851 die ersten Münzen unter der Regierung des jungen Kaisers herausgegeben. Der aus dem letzten Kabinett Kaiser Ferdinands I. in das erste seines Neffen übernommene Finanzminister Philipp Freiherr von Krauß sah sich vor keine leichte Aufgabe gestellt, nicht zuletzt wegen seines Gegensatzes zu seinem Vorgänger Karl Friedrich Freiherrn von Kübeck, der nämlich den jungen Monarchen zu einem Neo-Absolutismus zu inspirieren suchte. Krauß blieb daher nur bis Ende 1851 auf seinem Posten. In seine Amtsperiode fällt die erwähnte Einführung neuer Kupfersorten in der Stückelung von 3, 2, 1, y 2 und /4 Kreuzer mit dem österreichischen Doppeladler, die laut kaiserlicher Verordnung vom 7. Juni 1851 geprägt, die noch von früheren Herrschern stammenden Kupfermünzen ersetzen sollten. Bekanntlich waren die Kupfersorten von 1816, immer wieder nachgeprägt, auch unter Ferdinand I. im Umlauf geblieben und unter Franz Joseph noch weitergeprägt worden. Diese Stücke von 1816 und das 2-iCm/^er-Stück von 1848 wurden gleichzeitig mit den Silbersechsern von 1848 und 1849 eingezogen. Erst 1852 wurden dann auch die ersten Gold- und Silbermünzen mit dem Kopfe des jungen Kaisers von links ausgegeben. Das Porträt fand jedoch nicht die Billigung des Monarchen, weshalb auf den nächsten Emissionen sein Kopf von rechts zu sehen ist. Bis zum Jahre 1872 zeigt übrigens keine Münze des Kaisers volle Porträtähnlichkeit. Sein etwas unsymmetrisches Gesicht wurde daher ein wenig idealisiert. Krauß' Nachfolger als Finanzminister Andreas Freiherr von Baumgartner ließ eine nicht für den Umlauf bestimmte Anzahl von Linkskopf-Talern und -Gulden herstellen; sie tragen die Jahreszahlen 1848—1851 und gehören heute zu den größten numismatischen Seltenheiten. Sie wurden noch nach dem bisherigen Münzfuß ausgebracht, während die seit 1852 mit dem Kopfe von rechts ausgestatteten Stücke ( T a l e r , Gulden = Halbtaler, Zwanziger und Zehner) einen Feingehalt von 900/1000 besitzen. Auch einfache und vierfache Dukaten erschienen in diesem Jahre nach dem herkömmlichen Typus; an dem jugendlichen Kopf bzw. Brustbild wurde bis 1859 festgehalten. Für die Lombardei und Venezien wurden Münzen in allen drei Metallen ausgegeben (1 bis 15 Centesimi\ y2 und 1 Lira, ]/2 Scudo oder Fiorino; y, und 1 Sovrano). Das letzte Stück dieser Serie, eine Lira, wurde 1858 zu Mailand geprägt. Die neuen Silbermünzen hielten sich nicht lange im Verkehr; infolge des hohen Silberagios verschwanden sie analog den Prägungen Kaiser Ferdinands alsbald von der Bildfläche. Um der Entwertung der Landeswährung entgegenzuwirken und sie wieder auf die Metallwährung zurückzuführen, wurde 1854 zu einem „freiwilligen NationalAnlehen" aufgerufen. Unter Beteiligung aller Schichten der Bevölkerung wurde ein Betrag von 506 Millionen Gulden aufgebracht, der zur Bezahlung der inzwischen auf 268 537

374. Österreich, Franz Joseph I. Dukaten 1851/1898 (Jubiläumsnachprägung), A (Wien) 375. Österreich, Franz Joseph I. Yi Gulden 1864, A (Wien)

374

376. Österreich, Franz Joseph I. 20er 1852, A (Wien) 375

376

Millionen Gulden angewachsenen Staatsschuld bei der Nationalbank verwendet werden sollte. Doch die militärische Intervention im Krimkrieg (Rußland — Türkei 1853—1856) vereitelte dieses Vorhaben. Zu geordneten Währungsverhältnissen konnte man erst nach Klärung der politischen Verhältnisse zurückkehren. „Man glaubte, die Ordnung durch eine Änderung des Münzsystems wieder herstellen zu können. Gerade um diese Zeit stieg als Folge der Auffindung ausgedehnter Goldfelder in Kalifornien und Australien die Goldgewinnung sprunghaft an" (800). Gleichzeitig mit dem Zustrom großer Mengen Goldes nahm die Ausfuhr von Silber nach Ostasien und Übersee Ausmaße an, so daß allen europäischen Ländern ein großer Teil ihrer Zahlungsmittel entzogen wurde. Es lag daher nahe, den Übergang von der Silber- zur Goldwährung zu erwägen. Dazu sollte es indessen nicht kommen. Nur am Rande soll hier noch erwähnt werden, daß allein die Brüsseler Münze etwa 22 Millionen österreichische Silberzwanziger einschmolz. b) Die Vereinsmün^e. Seit Jahrhunderten schon war in Deutschland für das Münzwesen die Herstellung einer Einheit versucht worden; aber verschiedene Ursachen wirtschaftlicher wie politischer Natur hatten diese Ansätze einer vernunftgemäßen Regelung immer wieder im Keime erstickt. So hatten bekanntlich auch Österreich und sein Gegner Preußen schon 1750 — jedes in seiner Weise — eine durchgreifende Reorganisation des Münzund Geldwesens im Reiche geplant, um nicht bloß die Verhältnisse im eigenen Territorium zu regeln, sondern darüber hinaus auch für den internationalen Zahlungsverkehr vorzusorgen. Der damals von Österreich und im Anschluß daran auch von Bayern, Südwest- und Mitteldeutschland angenommene, allerdings bald wieder veränderte „Konventionsfuß" Maria Theresias hatte — es sei dies noch ein letztes Mal hervorgehoben — sogar die Napoleonischen Kriege überdauert. Es war ein genau hundertjähriges Kapitel der österreichischen Münzgeschichte, das nur durch die beiden Staatsbankrotte von 1811 und 1816 — und auch dies nur vorübergehend — erschüttert werden konnte. Doch hatten sich in Süddeutschland monetäre Mißstände besonders stark fühlbar gemacht, so daß 1837 die Staaten dieses Gebietes auf Veranlassung Bayerns zu München eine Münzkonvention schlössen. Im folgenden Jahre kam dann auf Initiative Preußens zwischen ihnen und dem Zollverein die Dresdener Münzkonvention zustande, die zum ersten Male Vereinsmünzen im Werte von 2 Talern = 3% süddeutschen Gulden ins Leben rief. Es war ein bescheidener Anfang, doch immerhin der erste Schritt zu einer umfassenderen Neuordnung. Das Jahr 1848 brachte nicht nur Sturm, sondern auch eine deutsche Einheitsbewegung nicht zuletzt auf wirtschaftlichem Gebiete. Aber erst im Gefolge des österreichisch538

377. Österreich, Franz Joseph I. Vereinskrone 1858, A (Wien) 378. Österreich, Franz Joseph I. Vereinstaler 1857, A (Wien)

preußischen Zollvertrages (die Vereinigung Österreichs mit dem Deutschen Zollverein war nicht zustande gekommen) vom Jahre 1853 wurde auch über die Münzeinheit verhandelt. Dieser Zollvertrag war den geschickten Bemühungen des österreichischen Handelsministers Karl Ludwig Freiherrn von Bruck zu verdanken, der die von Baron Krauß in Angriff genommene Handels- und Finanzpolitik erfolgreich weiterführte. Bereits dieser Vertrag, der auch die Zollverbündeten Preußens mit einschloß, sah den Beginn von Verhandlungen über die Gestaltung des Münzwesens vor, die noch im selben Jahre 1853 in Wien beginnen und den Münzumlauf vereinheitlichen sollten. Für diese Münzeinheit traten weite Kreise ein. Österreich selbst war besonders an zwei Problemen interessiert: an der Einführung einer Goldwährung und an der Wiederherstellung des durch den erwähnten Export schwer geschädigten metallenen Münzumlaufes. Übrigens hatte auch Preußen um diese Zeit mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Vertreter der größeren Staaten traten jedoch erst im November 1854 zusammen, wobei insbesondere von Preußen die von dem am fortschrittlichsten denkenden Österreich vorgeschlagene Goldwährung energisch abgelehnt wurde. Da der österreichische Finanzminister Freiherr von Baumgartner sich mit der geforderten reinen Silberwährung nicht einverstanden erklärte, wurden die Verhandlungen abgebrochen. Dies hatte einen Wechsel des Finanzministers zur Folge: an Stelle Baumgartners erhielt abermals Bruck das Portefeuille. Bruck, dem an der Goldwährung nicht viel lag, der dafür aber die wirtschaftliche Einigung der deutschen Staaten anstrebte, ordnete diesem Gedanken alles andere unter. Er einigte sich daher wie schon beim Abschluß des Handelsvertrages zunächst mit Berlin, worauf zu Beginn des Jahres 1856 die Beratungen wieder aufgenommen und so weit geführt werden konnten, daß am 24. Jänner der Münzvertrag von allen Staaten ratifiziert wurde. Nur die beiden Mecklenburg, Holstein, Hamburg, Lübeck und Bremen schlössen sich dem Vertrag nicht an, die drei Hansestädte übten übrigens auch im Kaiserreich nach 1871 ihr altes Münzrecht, wenngleich im Rahmen der neuen Markwährung aus. Das wesentliche Ergebnis der Wiener Münzkonferenz war die Schaffung einer Vereinsmünze: Taler in Silber und Kronen in Gold, wobei die noch weiter zugelassenen Landesmünzen zurückgedrängt werden sollten. Der Münzvertrag fand Opposition aus politischen und Kritik aus wirtschaftlichen Gründen. Insbesondere der Versuch einer Zurückdrängung des Goldes wurde scharf angegriffen. Denn die neugeschaffene goldene Vereinskrone war kein Währungsgeld, sondern gleich den von Österreich auf Grund des Vertrages auch weiterhin fortlaufend weitergeprägten einfachen und vierjachen Dukaten sowie den Lsvantetalern nur eine Handelsmünze. Die Vereinskrone konnte sich indessen auch in dieser Funktion nicht durchsetzen; ihr Umlauf stieß auf große Schwierigkeiten. 539

Die Landmünzen durften nur nach einem der anerkannten Münzfüße ausgeprägt werden: entweder 30 Taler oder 45 österreichische Gulden oder 52% süddeutsche Gulden auf die neue Münzeinheit des metrischen Pfundes an Stelle der Kölner Mark. Diese Umstellung des Gewichts sowie die Dezimalteilung waren die einzigen dauernden, ja den Vertrag selbst überdauernden Errungenschaften des Deutschen Münzvereins. Dessen „Gemeinsamkeit" wurde ja durch die Dreigeleisigkeit der Landesmünzen und ihrer infolgedessen uneinheitlichen Münzbezeichnungen von vornherein durchlöchert. Erst die Markwährung von 1871 beseitigte im Rahmen des Deutschen Reiches endlich diesen Übelstand. Österreich fand hingegen 1866 nach seinem Austritt aus dem „Deutschen Bund" auf Grund der Dezimalteilung des Guldens in 100 Kreuzer nunmehr eine neue Währungseinheit. Es ist hier nicht der Ort, den Münzvertrag von 1857 in allen Einzelheiten zu untersuchen. Er war ja, wenn auch in gewisser Hinsicht ein Fortschritt, an sich doch nur eine Episode geblieben. Vertragsgemäß prägte Österreich doppelte und einfache Vereinstaler, ganye und einfache Goldkronen in seinen noch existierenden Münzstätten; auch Mailand (M) und Venedig (V) waren noch für wenige Jahre daran beteiligt. Im Kaiserstaate selbst prägten nur mehr Wien (A), Kremnitz (B) und Karlsburg (E). Das kaiserliche Patent vom 19. September 1857 ordnete aber überdies auch die Ausprägung von Landesmünzen an: doppelte, einfache und Viertelgulden, 10 und 5 Neukreu^er in Silber, 3, 1 und V2 (s/io) Neukreuqyr in Kupfer. Vom 3-Kreu^er-Stück, dem ehemaligen Groschen, existieren nur ganz wenige Exemplare, da es nur zur Probe geprägt worden war. Dagegen ordnete eine kaiserliche Verordnung aus dem Jahre 1860 die Ausmünzung von A-Kreu^er-Stücken an, die im Wiener Volksmund „Schustertaler" genannt wurden. Sie sollten den durch das hohe Silberagio entstandenen Mangel an Scheidemünzen mildern. Ganz ungewöhnlich, weil sie auf den Münzen selbst nicht aufscheint, ist die Bezeichnung Neukreu^er. Sie hat eine kleine Vorgeschichte. 1857 wollte man ursprünglich, um die alten Kupfermünzen von den neuen deutlich zu unterscheiden, für die letztgenannten den altholländischen Münznamen Deut {duit) übernehmen, eine Bezeichnung, die in den Niederlanden selbst keine Geltung mehr hatte. Der neue Gulden war im Werte etwas geringer als der alte Konventionsgulden; ebenso blieb bei der nunmehrigen Stückelung in 100 anstatt wie bisher 60 Kreuzer auch der Metallwert der neuen Kupfereinheit und der kleinen Silbernominale hinter den alten Emissionen zurück. Um Irrtümer und Verwechslungen zu vermeiden, suchte man nach einem neuen Namen. Im Patent vom 19. September 1857 wurde nur ganz allgemein vom „Hundertteil" des Guldens ö(sterreichischer) W ä h rung) gesprochen. Die endgültige Entscheidung über den neuen Namen ließ aber noch monatelang auf sich warten. Erst am 27. April 1858 ordnete der Kaiser an, „daß die Hundertteile, in welche der Gulden österreichischer Währung geteilt wird, . . . die Benennung Neukreuzer . . . zu erhalten habe". Übrigens war außer dem Deut auch die Bezeichnung Cent in der gemeinsamen Ministerkoriferenz vom 10. Dezember 1857 vorgeschlagen worden, „weil diese dem vorgestellten Teilbetrag (Hundertteil) wörtlich entspreche, sich an die in anderen Staaten übliche Benennung der kleinsten Scheidemünze anschließe und geeignet sei, die Gleichförmigkeit der Benennung in der ganzen Monarchie mit Einschluß des Lombardo-venezianischen Königreiches herzustellen" (419). Der Vorschlag wurde indessen von der Mehrheit überstimmt. Diese plädierte „für den dann auch vom Kaiser sanktionierten Namen Neukreu^er, weil die Bezeichnung Kreuzer der überwiegend größeren Mehrzahl des Volkes mundgerechter und geläufiger sein werde als das ganz fremde Wort Cent. Nach dem Verschwinden der alten Kreuzer könne der Beisatz Neu wieder vernachlässigt und die gewohnte 540

Benennung Kreuzer schlechthin wieder fortgeführt werden, wie es bei dem Kupfergeld der Wiener Währung der Fall gewesen ist. Und so ist es dann auch gekommen. Der Kreuzer behauptete sich durch Tradition und Volkstümlichkeit" (419). Es muß noch erwähnt werden, daß mit dem kaiserlichen Patent vom 27. April 1858, das die auf dem 45-Gulden-Fuß aufgebaute „österreichische Währung" als alleinige gesetzliche Landeswährung einführte, auch die Zahlung von Verbindlichkeiten, die vor dem 1. November 1858 entstanden, aber erst nach diesem Termin fällig waren, nach folgender Relation geregelt wurde: 100 fl. C. M. = 105 fl. ö. W., 100 fl. W. W. = 42 fl. ö. W. Die von Österreich ausgeprägten Vereinstaler waren nicht im binnenländischen Umlauf geblieben, sondern unmittelbar und fast vollständig nach Deutschland abgeströmt. Bei Auflösung des Deutschen Münzvereines 1867 waren keinerlei Vorkehrungen für das weitere Schicksal der österreichischen Vereinstaler getroffen worden, so daß diese außerhalb ihres Ursprungslandes gesetzliche Umlaufsmünzen blieben. Merkwürdigerweise hat Karlsburg noch Vereinstaler mit der Jahreszahl 1868 geprägt. Infolge des österreichischungarischen Ausgleiches von 1867, der auch das Münzwesen und den Geldfuß regelte, hatte die ungarische Regierung die siebenjährige Münzstätte übernommen. Obgleich der Ausgleich im Dezember 1867 abgeschlossen und der Vertrag mit dem Deutschen Münzverein mit Ablauf desselben Jahres gekündigt worden war, prägte man in Karlsburg offenbar „mechanisch mit der üblichen Jahrzahländerung weiter, bis endlich eine neue Instruktion kam". Es ist indessen von diesem Jahrgang allem Anschein nach kein Stück mehr vorhanden, so daß die Annahme, daß entweder die 80.000 (nach anderen rund 168.300) Stück sofort wieder eingeschmolzen oder überhaupt von einem älteren Stempel geprägt worden seien, gerechtfertigt sein dürfte. Im übrigen hat Österreich im ganzen nur 31 Millionen Vereinstaler geprägt; das sind bloß rund 7 % der Gesamtprägung von ca. 490 Millionen. Abgesehen von der von Preußen und den süddeutschen Staaten durchgesetzten Ablehnung der Goldwährung, hatte die Konferenz noch einen weiteren Schönheitsfehler: man hatte nämlich gar nicht an die Regelung des Papiergeldes gedacht. Bei der Einführung von Garantien für die Silberwährung wollte man zwar die schädlichen Wirkungen des Papiergeldumlaufes mit Zwangskurs beseitigen. Es wurde ein entsprechender Artikel beschlossen, der sich wohl gegen Österreichs Papiergeldumlauf richtete. Insbesondere Preußen und die Mittelstaaten benützten diese Frage als politisches Kampfmittel gegen den Kaiserstaat. Die Politik hatte also auch diesmal auf ein wirtschaftliches Gebiet übergegriffen. Preußen suchte zwar seinen Papiergeldumlauf zu regeln, aber nicht wie vorgesehen im Verein mit Österreich, sondern nur mit seinen eigenen Zollverbündeten. Der bayrischen Regierung, deren Beispiel später auch andere folgten, gelang es dann die preußischen Absichten zu verhindern. Übrigens hatte die Übermenge des österreichischen Papiergelds doch auch einen recht gewichtigen Vorteil, daß nämlich in Österreich nie Noten von Privatbanken auftraten, die in Deutschland gerade in dieser Zeit ernste Schwierigkeiten hervorriefen. Sie waren eine Folge des unerhörten wirtschaftlichen Aufschwungs der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts, der einen steigenden Bedarf an Zahlungsmitteln hervorrief, den nur Privatbanken zu decken vermochten. Somit hatte die Wiener Münzkonvention von 1857 nur für eine kurze Zeit eine Art von Einheit — allerdings nur im Geldwesen, nicht in der Münze selbst — zu schaffen vermocht. Ihr einziges Verdienst sind infolgedessen nur die von ihr in die Wege geleiteten technischen Verbesserungen. Das neugeregelte österreichische Münzwesen wurde im Kriegsjahr 1859 wieder empfindlich gestört. Das Silberagio stieg auf 53%, sogar die kleinen 10- und 5-Kreu^er541

379. Lombardei, Franz Joseph I. 5 Centesimi 1852, M (Mailand) 380. Österreich, Franz Joseph I. 8 fl. (Florin-Gulden) = 20 Fr. (Francs) 1870, A (Wien) 381. Österreich, Franz Joseph I. Kreuzer 1891, Wien

Stücke verschwanden aus dem Verkehr und mußten wieder durch Mün^scheine zu 10 Kreuzern für 12 Millionen fl. ersetzt werden. Auch die Teilung der Guldenwerte mußte man wieder gestatten, um Kleingeld zu erhalten. Mailand mit der ganzen Lombardei gingen in diesem Krieg verloren; sieben Jahre später, 1866, traf das venezianische Gebiet trotz der entscheidenden Siege von Custozza und Lissa das gleiche Schicksal. Die Niederlage gegen Preußen bei Königgrätz aber bedeutete auch das Ende der Münzkonvention von 1857. Österreich und das Fürstentum Liechtenstein, das 1862 einen Vereinstaler herausgegeben hatte, schieden mit 1. Jänner 1868 aus dem Münzvertrag aus, verpflichteten sich jedoch, die bis zum Ende des Jahres 1867 geprägten Vereinstaler auch weiterhin als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen. Dies wurde mit der Einführung der Markwährung nach dem deutsch-französischen Kriege natürlich hinfällig. c) Die Zeit der österreichischen Währung. Was dem Münzverein nicht gelungen war, im gesamtdeutschen Raum eine Einheitswährung zu schaffen — die Vereinsmünze überdachte ja nur die Landeswährungen —, wurde nun vom Westen her versucht. Belgien, Italien und die Schweiz hatten zwischen 1832 und 1862 die französische Doppelwährung und deren Frankensystem übernommen. Napoleon III. trachtete auf dem Gipfel seiner Macht „seinen Einfluß im Lande weiter zu stärken und ergriff die Gelegenheit, im Geldwesen eine führende Rolle zu erringen, indem er das bimetallistische System und die Frankenwährung zum Weltsystem und zur Weltwährung zu machen suchte" (1088). Ende 1863 schlössen die erwähnten Länder, zu denen 1869 auch noch Griechenland stieß, einen Münzvertrag, der zwar nicht von den Urhebern, dafür aber von der Welt von allem Anfang an „Union Latine" genannt wurde. An den Vorberatungen hatte auch Österreich teilgenommen und sich dann für die Ausprägung von Goldstückenin Frankenwährung zu 8 fl. = 20,4 fl. = 10 Francs entschieden. Sie wurden in beiden Reichshälften bis einschließlich 1892 ausgeprägt. Es war dies ein Schritt zur Goldwährung hin, allerdings nur ein halber. Auch diese zwei verschiedenen Währungen angehörenden Goldstücke waren nur als Handelsmünzen gedacht; sie hatten gegenüber dem Dukaten den besonderen Vorzug, daß sie keiner umständlichen Kursberechnung unterlagen. Österreich gedachte der Union seinerseits beizutreten und 1870 auch die Goldwährung einzuführen. Seine ungeordneten Währungsverhältnisse verhinderten jedoch die Vollziehung des im Juli 1867 abgeschlossenen Präliminarvertrages. In diesem Jahre war auch der Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn zustande gekommen. Auf dem Gebiete des Münzwesens bedeutete er die Ausprägung der Münzsorten mit deutscher oder (meist) lateinischer bzw. magyarischer Legende, bzw. dem 542

382. Ungarn, Franz Joseph I. Engeldukaten 1869, K. B. (Körmöcbänya = Kremnitz) 383. Ungarn, Franz Joseph I. Engelgulden (Forint) 1869, K. B. (Körmöcbänya)

Doppeladler oder dem ungarischen Wappen, an dessen Stelle bei einigen kleineren Silbersorten die Stephanskrone allein trat. Unter den Stipulationen des „Ausgleichs" befand sich auch eine über die gemeinsame „Feststellung des Münzwesens und des Geldfußes". Im übrigen hat Österreich-Ungarn im wesentlichen an den 1857 geschaffenen monetären Grundlagen festgehalten. Nur die Scheidemünzen wurden neu geordnet. Auf Grund des Zoll- und Handelsbündnisses zwischen den beiden Reichshälften wurde 1868 die Einziehung der noch im Umlaufe befindlichen 6-Kreu^er-Stückc Konventionsmünze von 1848 und 1849 sowie der Münzscheine von 1859 angeordnet. Letztere wurden durch eine neue Silberscheidemünze ersetzt, die in Stücken zu 20 und 10 Kreuzer österreichischer Währung auszuprägen war. Da die silberne Scheidemünze durch das Silberagio ständig gefährdet war, wurde deren Münzfuß soweit gesenkt {Zwanziger = 500/1000 fein, Zehner400/1000 fein), daß er bis zu einem Agio von 66%% gesichert erschien. Die ungarischen Zwanziger und Zehner, von denen zwei verschiedene Typen existieren, tragen auf der Rückseite die Aufschrift Váltó pénz und qualifizieren sich dadurch als ausgesprochene Scheidemünze. Außer den Handelsmünzen in Gold zu 1 und 4 Dukaten, 4 und 8 Gulden wurden geprägt in Silber Vi A- und 2 fl. (Florin), 20 und 10 Kreuzer (krajelar); in Kupfer 5/io und 1 Kreuzer. Die Werte des Viertel- und Doppeltalers wurden bald wieder eingestellt. Es blieben daher nur der einfache Silbergulden sowie die ganzen und halben Kreuzer übrig. Ungarn hat seit dem Ausgleich keine Viertelgulden mehr geprägt, Doppeltaler und vierfache Dukaten überhaupt nie. Auf den österreichischen Münzen verschwindet mit dem Jahre 1873 das Münzzeichen überhaupt (die letzten damit versehenen Stücke waren Gulden und Doppelgulden 1872 A). Das ungarische ist jetzt nicht mehr B, sondern K. B. (Körmöczbänya = Kremnitz). Eine Zeitlang prägte auch jetzt Gyulafehérvár (Karlsburg) noch weiter; die letzten Stücke dieser Münzstätte (Münzzeichen GY. F.) stammen aus dem Jahre 1869. Einige der ersten ungarischen Prägungen nach dem Ausgleich, Dukaten, Gulden und Kreuzer, zeigen das von zwei Engeln gehaltene Landeswappen, die späteren den Wappenschild unter der Stephanskrone. Im Gegensatz zur rapiden Aufwärtsbewegung des Silberpreises in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war um dessen Mitte ein Verfall eingetreten. Während die Silberausfuhr nach Asien sank, erhöhte sich gleichzeitig die Weltsilberproduktion. Die GoldSilber-Relation stieg von 15,7:1 im Jahre 1873 auf 2 4 : 1 im Jahre 1892. Diese Steigerung war eine Folge des Überganges Deutschlands und der skandinavischen Staaten zur Goldwährung; als Folgeerscheinung wurden nunmehr große Silbermengen auf den Markt geworfen. Die Länder der effektiven Goldwährung, vor allem Frankreich und Belgien, weigerten sich jedoch, die freie Silberprägung wieder zu gestatten. 543

384. Ungarn, Franz Joseph I. Forint (Gulden) 1890, K. B. (Körmöcbanya)

„In Österreich führte das ständige Sinken des Wertes des Silbers dazu, daß auch das Agio des Silbergeldes gegenüber dem Papiergeld verschwand, sich seit 1878 in ein dauernd ansteigendes Disagio umkehrte. Damit aber hatte das österreichische Silbergeld seine Eigenschaft als Währungsgrundlage verloren. Währungsträger wurde das Papiergeld, und dem Silbergeld kam nur mehr die allerdings sehr wichtige Rolle einer metallischen Deckung der Banknoten zu" (800). In Europa war Österreich nun fast die „einzige Insel der Silberwährung". Trotzdem hatte die nunmehrige Doppelmonarchie nicht nur die „Gründerkrise" von 1873, die sich zu Wien in einem gigantischen „Börsenkrach" entlud, sondern dessenungeachtet „eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwunges mitgemacht, der sich auf die technischen Neuerungen gründete, auf die bessere Erschließung des Landes, auf Reformen und Neuschöpfungen auf dem Gebiet der Industrie und des Handels; Wien war Sitz von hervorragenden Bankiers: auf Fries und Geymüller waren die Rothschilds gefolgt, die Eisenbahnen bauten und die einflußreiche Kreditanstalt errichteten. Börse, Banken, Aktiengesellschaften und Fabriken blühten. Sie bedurften für den Geldumsatz eines Apparates, der an Kapazität die Bargeldmanipulation weit übertraf. Im Jahre 1913 setzte die Postsparkasse in ihrem für viele Länder vorbildlichen Scheck- und Clearingverkehr siebzehn Milliarden um, der Saldierungsverein über 9 Milliarden, die Österreichisch-Ungarische Bank in ihrem Saldierungsverkehr über 100, sie diskontierte über 7 Milliarden Wechsel. Hundert Banken mit über 2 Milliarden an Aktiven und Passiven besaßen ein Aktienkapital von über 4 Milliarden, die Genossenschaften von über % Milliarden, die Spareinlagen betrugen 6 Milliarden, Banknoten liefen 2 % Milliarden um und nur 2 Milliarden betrug der Münzumlauf, von dem überdies die Hälfte im Metallschatz dem Verkehr entzogen war, ein Zeichen, wie sehr die Münze im Geldverkehr in den Hintergrund getreten war" (652). Fünf Jahre nach dem Börsenkrach wurde die „Nationalbank" in die „Österreichisch-ungarische Bank" umgewandelt. Sie war eine private Aktiengesellschaft mit vom Staat ernannten Gouverneuren, der man das Recht der Notenausgabe übertragen hatte, und zwar mit der Bestimmung, daß die den Wert von 200 Millionen Gulden (400 Millionen Kronen) übersteigende Summe des Notenumlaufes in Silber und Gold, gemünzt oder in Barren, vorhanden sein müsse. d) Die Kronenwäkrung. Mit der Schilderung von Österreichs kurzer Blütezeit sind wir in die letzte Phase seiner monetären Entwicklung zur Zeit der Monarchie eingetreten. Die schon seit langem geplante Währungsreform war gegen Ende des 19. Jahrhunderts dringend geworden; die Disparität der österreichischen Valuta zu jener der Goldwährungsländer hatte der österreichischen Wirtschaft empfindliche Verluste zugefügt, so daß man nunmehr zu einer Reform geradezu gezwungen wurde. 544

385. Österreich, Franz Joseph I. 5 Kronen 1907, Wien

Es wurde daher am 2. August 1892 mit Wirkung vom 11. August an Stelle der österreichischen Währung die Kronenwährung mit der Goldkrone als Rechnungseinheit eingeführt. Die neue Münzeinheit wurde in 100 Heller unterteilt. Das Münzgrundgewicht wurde das Kilogramm mit seiner Dezimaleinteilung. Dieses Gesetz wurde mit einer kaiserlichen Verordnung vom 21. September 1899 dahin ergänzt, daß nunmehr die Kronenwährung mit Wirkung von Neujahr 1900 „endgültig zur alleinigen Landeswährung erklärt und in die bestehenden Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse eingegliedert wurde". Die Handelsgoldmünzen (Dukaten und 4 und 8 Goldgulden sowie die weitergeprägten Levantinertaler) besaßen „keine gesetzliche Zahlkraft an Stelle der Münzen der Kronenwährung". Die Münzen der beiden Reichshälften waren selbstverständlich in der gesamten Monarchie gültig, ebenso im Okkupationsgebiet Bosnien und der Herzegowina. Der Übergang von der österreichischen zur neuen Kronenwährung geschah auf Grundlage der Wertrelation zwischen Papiergeld und Goldstück. „1879—1891 entsprachen 100 fl. in Noten österreichischer Währung etwa 83% fl. in Gold. Im Gesetz wurde diese Zahl auf 84 aufgerundet." Der alte Silbergulden ö. W., wurde rechnungsmäßig 2 Kronen gleichgesetzt, also 84 fl. ö. W. in Gold = 100 fl. ö. W. in Noten = 200 Kronen in Gold. Österreich war mit seiner neuen Krone endlich ebenfalls zur schon seit Jahrzehnten von der Wirtschaft geforderten Goldwährung übergegangen. Zunächst gab es nur ein silbernes Kronen-Stück (Korona). Dazu kam 1900 das Nominale zu 5 Kronen; 1912 und 1913 wurden auch Stücke zu 2-Kronen ausgeprägt, was wertmäßig dem alten Gulden entsprach. An die Stelle der früheren Silber Scheidemünzen zu 10 und 20 Kreuzern traten jetzt Nickelmünzen zu 10 und 20 Heller (filier) und schließlich 1 und 2 Heller aus Bronze. In Gold gab es zunächst Stücke zu 10 und 20 Kronen-, mit Gesetz vom 11. August 1907 wurde zusätzlich auch die Prägung von 100 Kronen angeordnet. Wie in der Zeit der Konventions- und der österreichischen Währung wurden auch während der Kronenwährung zu Regierungsjubiläen des Kaisers, auf seine Vermählung 1854 und seine silberne Hochzeit wie nicht minder auch auf andere denkwürdige Ereignisse Gedenkstücke mit Zahlungskraft in Silber und Gold in beiden Reichshälften geschlagen. Zu erwähnen ist noch, daß infolge Änderung des Wappens im Jahre 1916 die seither ausgegebenen österreichischen Münzen nicht mehr das bisher übliche Wappen (HabsburgBindenschild-Lothringen), sondern nur den Bindenschild im Doppeladler aufweisen. Unter dem letzten Kaiser und König Karl I. (IV.) gab es außer Ersatzgeld in Eisen oder Kupfernickel auch ein 20-Kronen-Stück in Gold mit seinem Bildnis. Die Auflage von 2000 Stück wurde bis auf ein einziges Exemplar in der Wiener Bundessammlung durch die Republik zur Gänze wieder eingeschmolzen. 545

386. Österreich, Franz Joseph I. 20 Heller 1892, Wien

387. Österreich, Franz Joseph I. 1 Heller 1913, Wien

388. Ungarn, Franz Joseph I. 5 Korona 1908, K. B. (Körmöcbänya)

389. Ungarn, Franz Joseph I. 1 Korona 1915, (Körmöcbänya)

390. Kriegsgefangenenlager Freistadt (Oberösterreich). 20 Heller 1915

391. Kriegsgefangenenlager Katzenau bei Linz. 10 Heller 1916

546

Die neuen Münznamen K r o n e und Heller bürgerten sich nur sehr langsam und widerstrebend ein. Insbesondere große Teile der Landbevölkerung rechnete bis zur Einführung der Schillingwährung noch immer in Gulden und Kreuzern. Diese alten Geldsorten der ö. W., und zwar die Landessilbermünzen zu 2 und Vi Gulden sowie die 1857—1867/68(?) geprägten einfachen und doppelten Vereinstaler, die einen Wert von 1 fl. 50 und 3 fl. ö. W. repräsentierten, wurden 1893 eingezogen; nur der Silbergulden als Hauptmünzsorte der ö. W. blieb noch bis 1899 im Verkehr. Daß aber die durch die Einführung der Kronenwährung bewirkte Münzreform sich bewährte, davon zeugt der wirtschaftliche Aufschwung, den die Doppelmonarchie insbesondere nach der Jahrhundertwende erlebte; begonnen hatte er allerdings bald nach dem Ausscheiden aus dem Deutschen Bunde 1867. Der Erste Weltkrieg hat diese Wirtschaftsblüte brüsk beendet. Schon während des Krieges, der naturgemäß riesige Geldmittel erforderte, weil insbesondere die Artillerie vermehrt und zum Teil mit ganz modernen Geschützen bewaffnet werden mußte, verschwanden die Münzsorten der Kronenwährung, zuerst die Gold- und Silbermünzen, dann auch die aus Nickel und Kupfer, weil diese beiden Metalle zu Rüstungszwecken benötigt wurden. Eisen, Kupfernickel und Papier traten an ihre Stelle. „ D i e Inflation der Nachkriegszeit, welche im Jahre 1922 als höchsten Wert eine Banknote zu 500.000 Kronen hervorbrachte, entwertete die Kronenwährung vollständig. Im September dieses Jahres gelang es, die Papierkrone im Werte des 14.400. Teiles der Goldkrone zu stabilisieren." Die erste Republik gab 1923/24 Stücke zu 100 und 200 Kronen in Kupfer, zugleich aber als Handelsmünze auch 20- und 100-Kronen-Stücke in G o l d heraus. In Kupfernickel erschien 1924 auch ein 1000-Kronen-Stück. Dann aber verschwindet die Bezeichnung „ K r o n e " aus der österreichischen Münzund Geldgeschichte. Österreich führte darauf eine Schillingwährung ein. N u r die Tschechoslowakei führt die Bezeichnungen Koruna und Halif bis zum heutigen T a g e in ihrem Münzsystem weiter.

C. Das außerstaatliche Münzwesen 1. Die Geistlichkeit Im Gegensatz zum Reich, wo die drei großen geistlichen Kurfürstentümer Mainz, K ö l n und Trier allein schon eine bedeutende politische Macht darstellten und auch im Münzwesen mitbestimmend wirkten — man denke nur an den v o n ihnen gemeinsam mit dem Kurpfälzer geschaffenen rheinischen Goldgulden —, hat Österreich nur eine verschwindend kleine Anzahl münzberechtigter geistlicher Fürsten innerhalb der Grenzen der ehemaligen Monarchie besessen. E s waren dies Breslau, Brixen, Gurk, Olmütz, Salzburg, Trient und Wien. Und von diesen wiederum waren nur drei, die von ihrem Münzrecht in der Neuzeit ausgiebigen Gebrauch machten: Salzburg, Olmütz und Breslau. a) Salzburg. Die schöpferische Bedeutung des Erzstiftes auf monetärem Gebiet liegt, wie wir wissen, vor allem im Mittelalter, als der von ihm geschaffene Friesacher Pfennig sich eine weit über den Heimatboden hinausreichende Geltung erobert hatte. Aber auch als Landesfürsten besaßen die Erzbischöfe eine außergewöhnliche Bedeutung. Denn sie „geboten als Landesherren über die Grenzen des heutigen Kronlandes Salzburg hinaus 547

auf tirolischem Boden im angreifenden Zillertal und im Defereggental, ferner in Kärnten im Möll- und Maltatal" (689). Zudem waren über die niederösterreichischen Lande verschiedene Besitzungen zerstreut, deren landesfürstliche Obrigkeit im Jahre 1531 Erzbischof Matthäus Lang von Wellenburg dem König Ferdinand I. überließ. Trotz dieser Schmälerung des landesfürstlichen Einflusses aber war das Territorium, mit dem das Erzstift in die neue Zeit eintrat, noch immer groß genug, um eine sehr intensive Ausmünzung zu rechtfertigen, die sich — mit geringen Ausnahmen — durch ihre Güte und nicht zuletzt auch durch ihr kultiviertes Münzbild auszeichnete. Salzburgs Münzen standen daher unter den geistlichen Münzherren auf dem Boden der alten Monarchie stets an erster Stelle. Zwischen Bayern und Österreich gelegen, hatte das Stammland natürlich sowohl die monetären Vorteile als auch die Nachteile der beiden Nachbarn mitzutragen. Vor allem begünstigte die Eigenschaft als Durchzugsland das Einströmen schlechter Münzen auf Straßen und noch mehr auf den über das Gebirge führenden Schleichwegen. Durch salzburgisches Gebiet führte nämlich die neben dem Brenner wichtigste Alpenstraße über den Radstädter Tauern nach Venedig. Eine Parallelstraße dazu über den Heiligenbluter Tauern hieß im Buch der Handelsbräuche der Augsburger Baumgartner ausdrücklich „Die rod von Venezia aus gen Saltzpurg". Dieser Weg führte dann über den Katschberg, Villach und das Kanaltal, jener über den Plöcken nach Gemona. Der auf diesen Straßen abgewickelte Handel wurde hauptsächlich durch Säumer betrieben. Ihr Leumund, insbesondere der windischen aus dem unteren Gailtal in Kärnten, war keineswegs gut; sie drückten sich nämlich, wo sie nur konnten, um die Zahlung des „Un"- oder „Umgeldes", eine Verzehrungssteuer für den von ihnen aus dem Süden eingeführten Wein. Nicht zuletzt werden wohl sie es gewesen sein, die bei dieser Gelegenheit auch schlechte Münzen auf ihrem langen Wege auf meist noch nicht fahrbar gemachten Straßen durch österreichisches und salzburgisches Land an den Mann brachten, während sie gutes Geld mit ihren Saumlasten von Salz für Italien hinausschmuggelten. Dies bezeugt unter anderem das „Bedenken und Gutachten" eines nicht genannten kaiserlichen Rates aus dem Jahre 1596. Da die meiste gute Reichsmünze „auch blancken und rohe Gold und Silber" nach Italien und die Schweiz geführt werde, sollten Bayern und Tirol gegen Italien, Salzburg gegen Kärnten und der Schwäbische Kreis gegen die Schweiz verordnen, daß man „kein Packgüter noch Boten" durchpassieren lassen solle, es wäre denn, daß der Fuhrmann oder Bote ein „Vehde" oder eine Urkunde ihrer Obrigkeit vorlegen, „daß dergleichen verbotene Reichsmünz, auch rohe Gold und Silber bei solchen Personen und Waren nicht zu befinden" (402/III). Salzburg war ein Münzstand des bayrischen, nicht des österreichischen Kreises und zugleich auch Reichsstand. Trotzdem hat es Erzbischöfe gegeben, die sich den Reichsmünzordnungen gar nicht fügen oder sie nur „cum protestatione und auf Wohlgefallen" annehmen wollten. Diese Proteste aber waren, scheint es, mehr eine reservatio mentalis, denn mit Ausnahme der auch dem salzburgischen Münzwesen nicht ersparten Kipperzeit hat das Erzstift, wie seine überaus stattlichen Münzreihen zeigen, das Licht nicht zu scheuen gehabt. Wir können hier nur einen ganz kurzen Überblick geben, da es sich ja hier nicht um Gepräge des regierenden Kaiserhauses oder seiner Mitglieder handelt, sondern um solche eines selbständigen Landesherren auf später österreichisch gewordenem Boden. Wir wollen daher nur einige Besonderheiten herausheben. In das unter seinen Vorgängern verrottete Münzwesen des Erzstiftes hat erst der energiegeladene Erzbischof Leonhard von Keutschach (1495—1519) Ordnung gebracht. Er darf also mit Recht als der Begründer des neuzeitlichen Münzwesens in seinem Lande angesprochen werden. Denn seine Reform des Münz- und Geldwesens „ist eine Tat, die nicht oft genug rühmend hervorgehoben werden kann. Man vergegenwärtige sich nur, 548

392. Erzbistum Salzburg, Leonhard von Keutschach. Rübenbatzen 1500, Salzburg

daß Salzburg um 1500 alle Selbständigkeit im Münzwesen verloren hatte und seit Jahrzehnten auch nicht einmal mehr eigene Pfennige schlug" (413), obwohl das Erzstift über Bergwerke mit reichlichem Gold- und Silbervorkommen verfügte. Die Reform begann mit dem Jahre 1500. Zunächst holte sich der Erzbischof aus Schwabach in Franken den tüchtigen Münzmeister Hans Thenn, dessen Familie durch drei Generationen hindurch — 71% Jahre lang — das Münzmeisteramt in Salzburg „nützlich und rühmlich" besorgte. Nach dem mit Hans Thenn aufgerichteten Vertrag waren zu schlagen: in Gold rheinische und ungarische Gulden (Dukaten); in Silber Batten (4 Kr.), Pfennige und Heller. Die nach dem Wappenbild des Keutschachers im Volksmund Rübenbat^en genannte Sorte wurde in großen Mengen herausgebracht. Bisher sind 118 verschiedene Stempel beschrieben. Die immer wieder auftauchenden unbekannten Varianten aber zeigen, daß um die Jahrhundertwende ein riesiger Bedarf gerade nach dieser Münzsorte bestanden haben muß. Mit ihrem Wert von 16 Pfennigen war sie sehr wohl imstande, im täglichen Handel und Wandel gute Dienste bei Zahlungen zu leisten, für die der rheinische Gulden zu 288 und erst recht der ungarische zu 420 Pfennig schon zu hochwertig waren. Die Rübenbatzen wurden sogar noch zwei Jahre nach dem Tode des Erzbischofs bis 1521 weitergeprägt. Mit der Jahreszahl 1500 wurden sie in den Jahren 1506/07 außer in Salzburg auch in der zu diesem Zweck eigens reaktivierten Münzstätte Friesach geprägt. Offenbar konnte Salzburg allein die Nachfrage nicht befriedigen. Später kamen dann zu den angeführten Sorten noch der Zehner (10 Kr.) und der Zweier (2 hinzu. Leonhard hat aber 1513 auch Porträtstücke in Silber und Gold, rund und in Klippenform und von verschiedenem Gewicht prägen lassen: analog zu den ähnlichen Prägungen Maximilians I. waren auch sie sicherlich nur zu Geschenk- und Belohnungszwecken ausgegeben worden. Mit der Jahreszahl 1504 aber wurden auch Stücke in Talergröße von drei verschiedenen Stempeln als Doppel- und einfache Taler in Silber und auch in Gold ausgeprägt, die auf der Rückseite das von den beiden Salzburger Kirchenpatronen St. Rupert und St. Virgil gehaltene Modell einer mehrtürmigen Kirche über dem Stiftwappen zeigen. Es ist dies der geheimnisumwitterte Salzburger Kübentaler. Das Stück fällt schon infolge seiner Jahreszahl ganz aus dem Rahmen der Münzreform Leonhards, aber auch des gleichzeitigen Münzwesens überhaupt. Es steht zeitlich zwischen den Reiterguldinern Sigmunds von Tirol und den Joachimstaler Großsilbermünzen; dafür ist es ungefähr gleichzeitig mit den kursächsischen Klappmützen talern. Um die Rübentaler rankt sich begreiflicherweise eine eigene Spezialüteratur, die indessen mangels quellenmäßiger Anhaltspunkte 549

über bloße Vermutungen nicht hinausgekommen ist. Am nächsten scheint die in dem großen Werke von B E R N H A R T - R O L L geäußerte Ansicht der Wahrheit nahezukommen, daß dieses Stück in Hall geprägt worden sei, da die Salzburger Münzstätte damals noch nicht die für diese Art von Geprägen nötige Einrichtung besessen hätte. Es handelt sich also wohl bloß um einen Versuch, auch im Erzstift eine Großsilbermünze einzuführen, ein Versuch, der jedoch erst unter Leonhards Nachfolger Matthäus Lang in die Praxis umgesetzt wurde. Unter Matthäus (1519—1540) wurden 1527 die letzten Batten geprägt, dafür aber seit 1526 Halbbat^en zu 2 Kreuzer. Der Zehner verschwand 1534, wofür zwei neue Münzsorten, Sechser und Groschen (6 und 3 Kr.) auftauchen. Ihre Einführung ist auf die Bemühungen Ferdinands I. um die Verbreitung seiner Kreu^erwährung zurückzuführen. Der König hatte nämlich am 1. Februar 1535 mit Bayern, Augsburg und Ulm einen Vertrag geschlossen, der ganz auf der dem Wiener Münzmeister im Jahre 1534 erteilten Instruktion beruhte. Auch Salzburg trat diesem Abkommen bei. Matthäus hatte übrigens 1524 gegen die Eßünger Reichsmünzordnung Einspruch erhoben. Dasselbe Schicksal erlitt im bayrischen Kreise auch die zweite Reichsmünzordnung von 1551. Unter Matthäus und ebenso unter seinem Nachfolger Ernst von Bayern (1540—1554) tritt dann auch im Salzburgischen die Großsilbermünze des Guidiners die Herrschaft an. Sie behauptete sich in verschiedenen Formen als Guldiner, Reichs- und Konventionstaler bis zum Ende der Prägetätigkeit des Erzstiftes bei seiner Säkularisierung im Jahre 1803. Diese Vorherrschaft ist zugleich ein Beweis dafür, wie sehr die Edelmetallschätze der Neuen Welt, wie nicht minder die in ihrem Gefolge auftretende Preisrevolution des 16. Jahrhunderts in Europa die bis dahin allmächtige Kleinsilbermünze, die Pfennigwährung, endgültig als überholt erscheinen ließ. Gerade, daß noch der „arme, gemeine Mann" sich ihrer für seine bescheidenen Bedürfnisse bediente; im Großhandel spielte sie kaum mehr eine Rolle. Mit Ernst von Bayern beginnt auch eine Stabilisierung und Vereinfachung des Salzburger Münzwesens. Der Reichstaler von 1551 zu 72 Kr. tritt mit seinen Stückelungen ungefähr gleichzeitig mit dem Guldentaler von 1559 zum ersten Male unter Erzbischof Johann Jakob Khuen von Belasi (1560—1586) auf. Dieser brach auch mit dem bisher üblichen üblen System der Verpachtung der Münze und betrieb seit etwa 1572 die Prägung auf Rechnung des Erzstiftes. Bemerkenswert ist, daß er seine nach der dritten Reichsmünzordnung ausgebrachten Münzen bis einschließlich des Zehners durch die (verschieden gekürzte) RückseitenUmschrift MAXIMILIANI bzw. RUDOLPHI IMPERATORIS AUGUSTI PII FELICIS DECRETO ausdrücklich kenntlich macht, während die gleichzeitigen österreichischen Münzen ihre Zugehörigkeit zu dieser Münzordnung durch einen die Wertzahlen 60 — 5 (Kr.) enthaltenden Reichsapfel kennzeichnen. Unter den Geprägen des streitbaren Erzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau (1587— 1611), der das alte Münster niederreißen und an seine Stelle den jetzigen Dom erbauen ließ, befindet sich eine recht merkwürdige Serie, die Turmtaler (1590,1593 und 1594). Der Raitenauer hat sie wohl als Protest gegen die Anfeindung seiner Person herstellen lassen : der den heranbrandenden Meereswogen und dem Brausen der Stürme auf einsamer Klippe trotzende Turm legt gewissermaßen ein Bekenntnis seines Stolzes ab, aber auch gleichzeitig das seines Gottvertrauens, welches die Umschrift: IN DOMINO SPERANS NON INFIRMABOR — auf Gott vertrauend werde ich nicht schwach werden — bevorzugt. Auch die Umschrift der zweiten Gruppe dieser Turmtaler: (Turris) RESISTIT IMMOTA — der Turm, d. h. der Erzbischof, blieb unbewegt in allen Stürmen — soll seine feste Haltung 550

393. Erzbistum Salzburg, Wolf Dietrich von Raitenau. Turmtaler 1594, Salzburg

in politischen Fragen anzeigen, hauptsächlich in der des Türkenkrieges, zu dem Ende 1592 ein Truppenkontingent ausgezogen war. Die Expedition endigte übrigens nach siebenmonatiger Dauer mit einem Mißerfolg, da die Hilfsaktion scheiterte und die Truppe trotz Bitte des Grazer Hofkriegsrats vom Erzbischof zurückberufen wurde. Als sie um Fronleichnam 1593 aus dem Felde heimkehrte, erhielten Offiziere und Soldaten außer ihrem Solde, dem Range nach abgestuft, Goldstücke zu 3 bis 5 Dukaten bzw. Silbertaler mit dem Turm. Die ganze Aktion hatte Wolf Dietrich die beträchtliche Summe von 100.000 fl. gekostet. Der Turm hat jedoch nicht bis zum Ende den Stürmen getrotzt. Wolf Dietrich hatte sich in seinem Konflikt mit dem bayrischen Herzog Maximilian zu einem Handstreich auf Berchtesgaden hinreißen lassen. Der Erzbischof mußte vor einem kurbayrischen Heere flüchten, wurde jedoch gefangengenommen und zur Abdankung gezwungen. Sein Neffe und Nachfolger Markus Sittikus von Hohenems hielt ihn auf der Hohensalzburg bis zu seinem Tode 1611 in strenger Haft. Wolf Dietrich war aber nicht nur der Neugestalter von Salzburg, dessen heutiges Stadtbild ihm jene heitere Freundlichkeit verdankt, der sich keine andere Stadt diesseits der Alpen zu rühmen vermag. Er hat auch für den Bergbau in seinem Lande, der sich nicht nur auf die beiden Edelmetalle, sondern auch auf jenes Mineral erstreckte, dem Stadt und Land ihren Namen verdanken — das Salz —, viel getan. Der Salzburger Bergbau, insbesondere der für das Münzwesen unentbehrliche auf Gold und Silber, ist unter dem Keutschacher zu besonderer Blüte gelangt. Er sorgte auch dafür, daß „zum Besten der gemeinen Bergarbeiter die ,Pfennwerte', zumal die unentbehrlichen Eß- und Trinkwaren stets im wohlfeilen, gleichen Preise erhalten wurden" (933). Dieser Fürsorge, die ungefähr der Idee der modernen Konsumgenossenschaften entsprach, sind etwa ein Jahrhundert später auch die Wahrzeichengelder entsprossen, um die Berg- und die anderen Arbeiter der landesfürstlichen Betriebe durch sie zum verbilligten Einkauf zu legitimieren, der natürlich nur ihnen allein vorbehalten sein sollte. Solche Bergwerksmarken kennen wir nicht nur aus dem Salzburgischen; sie tauchen früher oder später fast überall in Bergwerksbetrieben auf, und zwar meist dort, wo die karge Umgebung die Belegschaft nicht selbst ernähren konnte. Dort mußten also die „Pfennwerte" — Waren, insbesondere Lebensmittel, die um ein billiges Geld, den „Pfennig", zu haben waren, deren also die Armen bedurften, erst eingeführt werden. Wenn man aber den Verkauf dem Zwischenhandel überlassen hätte, wäre es sicherlich zu argen Übervorteilungen gekommen und damit Unruhen oder gar Revolten unter der stets sprungbereiten Knappenschaft Tür und Tor geöffnet worden. Solche Marken aber prägten im Salzburgischen nicht nur der Landesfürst, der 551

394. Erzbistum Salzburg, Paris Graf Lodron. Kostmarke zu VIII Kreuzer der landesfürstlichen Verwaltung Böckstein 1641, Salzburg

damit allerdings den Anfang gemacht hat, sondern späterhin auch private Gewerken, also Bergbauunternehmer. Die erzbischöflichen bezeugen in ihrer Differenzierung nach verschiedenartigen Betrieben deutlich die wohldurchdachte Organisation des erzstiftlichen Bergbaues. Wir finden sie vor allem in Gastein, Großarl, Rauris, Lend (wo eine Schmelzhütte stand) als „Kostmarken" für Fleisch (Münzbild: Rind), dann als Weinhandelsmarken (Traube) in Gastein, Mühlbach im Pinzgau, Lend. Bei einigen Marken ist die Deutung unsicher. Die mit einem Widder bezeichneten Marken dürften keine Fleischmarken sein, sondern Tuchhandel-Wahrzeichen, da ja „im Gebirgslande mit ,Tuch' die Gewebe aus Schafwolle, im Gegensatz zum ,Zeug', den Geweben aus Baumwolle, bezeichnet werden und der Gebirgsloden aus Schafwolle hergestellt wird, also Tuch ist" (933). Das Wahrzeichengeld ist durchwegs aus Kupfer hergestellt. Für den wichtigsten landesfürstlichen Betrieb, den Salzbergbau auf dem Dürrnberg bei Hallein, wurden keine solchen Marken geprägt. Das dürfte wohl damit zusammenhängen, daß Hallein ja in unmittelbarer Nähe der Landeshauptstadt inmitten einer leidlich fruchtbaren Landschaft liegt. Hier war also ein solcher „Konsumverein" nicht so notwendig, wie in den ganz entlegenen Gegenden der Tauernbergwerke. Der Wein aber, für den eigene Marken ausgegeben wurden, ist jener Südwein, der durch die übel beleumdeten Säumer aus Italien für den hochfürstlichen Weinhandel beschafft wurde, da im Lande selbst kein Wein wuchs. Mißbrauch des Wahrzeichengeldes und nicht zuletzt auch Beschwerden der bürgerlichen Handelsleute gegen diesen verstaatlichten Handel machten unter Leopold Anton Freiherrn von Firmian (1727—1744) dieser sehr nützlichen Einrichtung ein für allemal ein Ende. 1734 wurde die Verwendung des Wahrzeichengeldes als Verkehrsmünze eingestellt und seine Annahme sowohl bei den staatlichen Kassen als auch im sonstigen Münzumlauf verboten. Unter Firmian gab es übrigens nach Aussage der Wahrzeichen überhaupt nur mehr den Weinhandel des landesfürstlichen Betriebes Gastein und der Faktorei Lend. Bereits unter der Regierung des unglücklichen Raitenauers machten sich die Vorboten einer allgemeinen Teuerung und der Kurssteigerung der groben Münzsorten und in den Warenpreisen bemerkbar. Der Taler, der 1602 noch mit 70 Kreuzern berechnet wurde, war 1607 schon auf 80 gestiegen. Die dadurch angekündigte Kipperzeit verschonte auch das Erzstift nicht. Sogar der vielleicht tüchtigste aller Salzburger Landesfürsten der Neuzeit, Paris Graf Lodron (1619—1653) hatte dieses Unheil nicht abwenden können. Aber dafür gelang es ihm durch kluge und energische Politik, die Greuel des Krieges selbst von Salzburg fernzuhalten. Da war wohl das „lange Geld", das im Salzburgischen überhaupt nur in den zwei Jahren 1621/22 geprägt wurde, wohl das kleinere Übel. Infolge 552

395. Erzbistum Salzburg, Paris Graf Lodron. DomweiheTaler 1628, Salzburg

seiner bedeutenden Reserven konnte sich das Erzstift auch viel schneller wieder erholen als die anderen Länder. Während der Kipperzeit war im Erzstift der Dukaten allerdings auf 20, der Taler auf 10 fl. gestiegen. Aber schon am 1. April 1623 wurde der Dukaten auf 2 fl. 20 Kr., der Goldgulden auf 1 fl. 44 Kr., der Taler auf 90 Kr. = 1 y 2 fl. herabgesetzt, was aber doch immer noch ein sehr hoher Kurs war. Die Bevölkerung, die ohnehin durch außerordentliche Kriegssteuern, mit denen die Neutralität erkauft werden mußte, stark bedrückt war, erlitt wohl bei Einwechslung der verrufenen Kippermünzen neuerlich schwere Verluste, aber dafür blieb man vom Kriegsübel verschont. Seine Marienverehrung brachte Paris Lodron auch bei den Münzen zum Ausdruck, indem er einen neuen Typus einführte, der auf der Vorderseite die Madonna mit dem Kinde über dem Familienwappen und die Umschrift SVB T W M PRAESIDIVM coNFVG(imus) — unter Deinen Schutz sind wir geflüchtet — in zweiter Zeile zeigt. Der Typus wurde bis zum Jahre 1711, also bis in die Regierungszeit der Fürsten Franz Anton von Harrach bei Talern und deren Teilstücken mit Vorliebe angewendet. Man kann sagen, daß dies der ganz spezifische Salzburger Münztypus ist, der sonst nirgends mehr seinesgleichen hat. In das Jahr 1628 fällt die Einweihung des von Wolf Dietrich begonnenen neuen Domes, die auch numismatisch in großen und kleinen Gold- und Silberstücken rund und klippenförmig, die aber sämtlich Verkehrswert besaßen, gebührend gefeiert wurde. Die fremden Priester erhielten für die erste Messe, die sie im neuen Dome lasen, einen solchen Domweihe- Taler. Mit der Wiedereinführung der groben Sorten nach der Kipperzeit waren aber die Kalamitäten im deutschen Münzwesen auch für Salzburg noch lange nicht abgeschlossen. Die ungeheuren finanziellen Anstrengungen des dreißig Jahre währenden Krieges, die schrecklichen Verwüstungen, die er angerichtet hatte, mußten sich folgerichtig auch im Münzwesen auswirken. 1677 beschloß der in Regensburg tagende „immerwährende" Reichstag, die Taler mit 96, die Dukaten mit 3 fl. und die Goldgulden mit 2 fl. 10 Kr. zu tarifieren, wodurch sich das Verhältnis zwischen Gold und Silber auf das alarmierende Verhältnis von 1: M'/s stellte. Die Einführung des Zinnaischen Fußes brachte auch für jene Länder, die sich wie Salzburg diesem Vertrage nicht angeschlossen hatten, eine neuerliche Erhöhung des Talerkurses auf 1 fl. 45 Kr. mit sich. Lodron prägte den ersten Kreuzer, sein Vorgänger, der Hohenemser aber den letzten Heller. Für so kleine Nominale war kein Bedarf mehr. Lodrons Nachfolger Guidobald Graf von Thun und Hohenstein (1654—1668), unter dem verhältnismäßig wenig gemünzt wurde, setzte sich durch die Schaumünzen anläßlich der Aufstellung der Salvatorstatue auf dem Giebel der Domfassade 1654 ein hübsches numismatisches Denkmal. Unter seinem Nachfolger Max Gandolph Grafen Küenburg 553

396. Erzbistum Salzburg, Max Gandolf Graf Küenburg. Kontermarke 1681 des Erzstiftes auf einem Tiroler Taler Leopolds I. 1668, Hall

(1668—1687) hatte sich die Verwirrung im deutschen Münzwesen weiter verschärft. Die „Kleine Kipperzeit" ging infolgedessen auch an Salzburg nicht spurlos vorüber. Um sein Land vor größeren Schaden zu bewahren, ordnete der Erzbischof 1681 an, daß alle zur Zeit im Erzstifte umlaufenden Taler und Halbtaler (Gulden) gegen Erlag einer Taxe von 1 Kreuzer bzw. einem Zweier mit dem Stiftswappen und der Jahreszahl 1681 gegengestempelt und dadurch als umlauffähig gekennzeichnet werden sollten. Durch diese kluge Maßnahme wurden zwar die im Erzstift unbefugterweise umlaufenden fremden Münzen festgestellt, aber der erhoffte Erfolg blieb dennoch aus. Die Bevölkerung, mißtrauisch wie immer gegen jede noch so gut gemeinte Neuerung, sparte am falschen Platze, weil sie die Taxe nicht erlegen wollte, und reichte ihre guten Münzen nur in geringem Umfang zur „Münzmerkung" ein. Im übrigen fühlten sich die Nachbarländer, insbesondere Bayern, aber auch Österreich durch die Abstempelung benachteiligt, so daß die Aktion bereits 1682 wieder eingestellt werden mußte. Auch später kamen noch mehrfach Verrufungen fremder Geldsorten oder Wertminderungen solcher vor (1692, 1708). Obwohl in Salzburg selbst gute und vollwertige Münzen geschlagen wurden, zeigen diese Maßnahmen, daß das kleine Land unter den verworrenen Verhältnissen des Reiches ebenso litt, wie die anderen Glieder des auseinanderfallenden Staatskörpers (1216/III). Im Jahre 1682 hatte Max Gandolph das elf hundertjährige Bestehen des Erzstiftes durch besonders schöne, nach Münzfuß geschlagene Gedenkstücke feiern lassen, deren Stempel der berühmte Salzburger Eisenschneider Paul Seel (durch seine schönen Weihemünzen bekannt) mit vollendeter Meisterschaft geschnitten hatte. Die andauernden Münzwirren im Reiche veranlaßten Max Gandolphs Nachfolger Johann Ernst Graf von Thun und Hohenstein mannigfache Verordnungen zu treffen. So führte er die sogenannte Landmün^e (% Landbatt^en, die ersten Salzburger Münzen mit deutscher Legende) ein, die im Gegensatz zu den y> Reichsbat^en von geringerem Gehalt und nur im Lande selbst umlauffähig waren. Auch Firmian schlug diese Münzen in ganzen und halben Stücken. Dies war so ziemlich die einzige Abweichung von den bisherigen Gepflogenheiten. Eine ziemlich einschneidende Veränderung trat erst unter Sigmund III. Grafen von Schrattenbach (1753—1771) ein. Durch die geographische Lage des Erzbistums gezwungen, schloß er sich dem Konventionsmünzfuß Maria Theresias an. Sigmund, in Finanzsachen wenig glücklich, sah sich veranlaßt, auch den Feingehalt der Scheidemünzen, insbesondere der halben Landbatzen zu verringern. Die Überflutung des Salzburger Geldumlaufes mit dieser im Volksmund Haffner- Halbbat^en genannten Münze (angeblich hat der Erzbischof dem Großhändler Siegmund Haffner von Imbachhausen, dem Gönner Mozarts, die Bewilligung zur Ausprägung dieser Münzgattung auf eigene Kosten erteilt) traf begreiflicherweise in erster Linie den „kleinen Mann". Im benachbarten 554

397. Erzbistum Salzburg, Sigmund Graf Schrattenbach. Salzburger Landmünz]1753 ( % Landbatzen), Salzburg

Bayern wurde diese Münze 1760 verrufen und ihr Kurs mit 1 Kreuzer 1 Pfennig ( = 5 Pfennig) festgesetzt, wogegen der offizielle Kurs 8 Pfennige betrug. Zwischen 1754 und 1760 sollen diese Halbbatzen zu 40 Gulden aus der feinen Wiener Mark und im Gesamtbetrage von 80.000 fl. geprägt worden sein. Von dem letzten reichsunmittelbaren Erzbischof Hieronymus Grafen von ColloredoWallsee (1772—1803), der Mozarts Genie in tragischer Weise verkannt hatte, ist als besondere Seltenheit der berühmte, gleich dem Rübentaler nur in ganz wenigen Exemplaren geprägte Lömntaler von 1790zu verzeichnen. Er trägt seinen Namen von den beiden Löwen als Schildhalter auf der Rückseite und durfte deshalb nicht in Umlauf gesetzt werden, weil Bayern und andere deutsche Fürstentümer der Ähnlichkeit mit ihren eigenen Talern wegen gegen dieses Stück Einspruch erhoben. Auch hatte der Hofkanzler des Erzbischofs — offenbar zu spät — darauf aufmerksam gemacht, daß es dem Erzstift überhaupt nicht zukomme, Löwen als Wappenschildhalter zu führen. Wie der Stempelschneider dieses Stückes, Franz Xaver Matzenkopf, angab, sollen im ganzen 200 Stück ausgegeben, aber bis auf 7 wieder eingezogen und wohl eingeschmolzen worden sein. Schließlich sei noch vermerkt, daß unter Hieronymus die ersten Kupfermünzen im Salzburgischen in Umlauf gesetzt wurden. Die weiteren Schicksale der Münzstätte Salzburg unter Österreich und unter dem Kurfürsten Erzherzog Ferdinand wurden oben (S. 524) unter Kaiser Franz I. bereits geschildert. b) Brixen und Trient. Die beiden Südtiroler Bistümer haben in der Neuzeit von dem ihnen von Kaiser Friedrich I. Barbarossa verliehenen Münzrecht nur höchst spärlichen Gebrauch gemacht. Was zunächst Brixen anlangt, so sind wohl im CNI (Corpus Numorum Italicorum) die ziemlich zahlreichen Prägungen des Bischofs Erzherzog Karl verzeichnet; jedoch sind diese in Neiße ausgeführt worden, da Karl auch Bischof von Breslau und seit 1619 zudem Hoch- und Deutschmeister war. Sie werden daher bei Breslau (u. S. 566) besprochen werden. Wirkliche Kurantmünzen für Brixen gibt es eigentlich nicht; was sich auf das Bistum bezieht, sind Geschenk- oder reine Repräsentationsmünzen. In Brixen selbst gab es überhaupt keine Münzstätte, sondern die Münzen wurden auswärts in Auftrag gegeben. Dies beweist als erster der Taler des Fürstbischofs Kaspar Ignaz Grafen von Künigl (1702 bis 1747) von 1710, der als Münzzeichen einen Stern zwischen zwei Hufeisen zeigt. Der Stern gehört dem tüchtigen Augsburger Stempelschneider Philipp Heinrich Müller (f 1718), die beiden Hufeisen aber dem uns schon von den Landkreuzern Kaiser Leopolds I. her bekannten Augsburger Münzmeister Johann Christian Holeisen an. Auf dem Dukaten 555

von 1717 findet sich nur mehr der Stern Müllers; doch ist anzunehmen, daß auch dieses Stück wie das folgende ebenfalls in Augsburg geprägt wurde; der Dukaten von 1745 ist unsigniert. Künigls Nachfolger Leopold Maria Graf von Spaur (1747—1778) hat nur einen Dukaten mit der Jahreszahl 1768 prägen lassen; er trägt das Münzzeichen M des Salzburger Stempelschneiders Franz Matzenkopf (f 1784). Auch dieses, wohl zu Salzburg geprägte Stück, ist eine reine Repräsentationsmünze, während der wappenreiche Doppeltaler, den das Domkapitel während der Sedisvakanz nach dem Tode Spaurs prägen ließ, eher als Gedenkstück zu werten sein dürfte. Ob er infolge seiner Wertangabe: v EINE FEINE MARK auch für den Verkehr gedacht war, ist unwahrscheinlich, denn die Haller Münze sorgte ja seit mehreren Jahrhunderten in reichlichem Maße auch für den Münzumlauf in den beiden Südtiroler Bistümern. Ähnlich verhält es sich mit Trient. Hier hatte zwischen 1520 und 1531 der Fürstbischof später Kardinal, Bernhard von Cles, zugleich eine Zeitlang auch Präsident des geheimen Rates und Oberster Kanzler FerdinandsI., Dick-und Doppeltaler prägen lassen, die zwar nach Münzfuß ausgebracht wurden, trotzdem aber als Schau- und Geschenkmünzen im Sinne der Haller Prägungen Kaiser Maximilians I. anzusehen sind. In Hall sind sie sicher auch geprägt worden, denn ihr Stempelschneider war niemand anderer als der hervorragende Haller Wardein und Stempelschneider Ulrich Ursenthaler, der ähnlich gedachte Stücke auch für den Salzburger Matthäus Lang geschaffen hatte. Außerhalb dieser erwähnten Stücke steht ein im italienischen Münz-Corpus als Testone bezeichnetes Stück von 1530. Es ist jedoch trotz dieser Bezeichnung kaum anzunehmen, daß dieses Stück Geldfunktion besessen habe, abgesehen davon, daß die in Oberitalien gebräuchliche Bezeichnung nördlich der Alpen nicht verwendet wurde. BERGMANN nannte das Stück seinem Gewicht nach richtiger einen halben Guldiner. Die Seltenheit seines Vorkommens spricht ebenfalls gegen die Annahme, daß diese Münze für den Umlauf bestimmt war. Erst nach einer Pause von mehr als zwei Jahrhunderten tritt Trient monetär wieder in Erscheinung, und zwar zum letzten Male. Es handelt sich um einen Dukaten, geprägt anläßlich der Wahl Peter Vigilius Grafen Thun (1776—1800) zum Bischof; von diesem durch seine Umschrift ELECTUS DIE XXIX MAII 1776 eindeutig als Gedenk- und Geschenkstück deklarierten Dukaten existiert auch ein Silberabschlag. Der Stempel stammt von Franz Matzenkopfs Sohn (f 1808), was abermals auf Salzburg als Münzstätte schließen läßt. Wahrscheinlich waren die beiden Stücke als Geschenk- und Auswurfmünzen bestimmt, wie dies seit mehreren Jahrhunderten bei Wahl, Huldigung und Krönung üblich war. Goethe hat diesen Teil des Krönungsaktes Josephs II. vom Jahre 1764 in „Dichtung und Wahrheit" anschaulich beschrieben. Das CNI nennt diese beiden Dukaten ausdrücklich „Donario", was eigentlich „Weihegeschenk" heißt, und fügt hinzu: „Questa medaglia d'occasione ebbe perö corso nel Trentino per molti anni confusa con le altre monete." c) Gurk. Das angebliche Münzrecht der Gurker Bischöfe ist Jahrhunderte lang wissenschaftlich heiß umstritten gewesen, bis es dem hochverdienten Landesarchivar von Kärnten August v. J A K S C H um die Jahrhundertwende gelang, die Urkunde, auf die sich das Bistum stützte, als eine Fälschung zu entlarven. Jedenfalls hat sich Gurk diese Fälschung im Mittelalter sicherlich auch praktisch zunutze gemacht und, wie L U S C H I N vermutet, wahrscheinlich in der Bischofresidenz Straßburg im Kärntner Gurktale Pfennige Friesacher Schlages nachgeahmt, um damit Salzburg Konkurrenz zu machen und sich für die zwischen ihm und dem Erzstifte entstandenen erbitterten Rechtsstreitigkeiten empfindlich 556

398. Bistum Gurk, Johann VI. von Schönburg. Taler 1553, Mzst.?

zu rächen. Diese Beischläge konnten jedoch bisher noch nicht mit Sicherheit aus der großen Zahl der nicht näher lokalisierten Friesacher ausgesondert werden. Das angebliche Privileg Kaiser Heinrichs II. von 1016 war zwischen 1177 und 1184 in der Gurker Kanzlei hergestellt worden und galt seither als unumstößlicher Beweis für den Besitz des Münzregals. So kam es, daß sich auch Fürstbischof Jakob Maximilian aus dem gräflichen Hause Thun-Hohenstein (1709—1741) auf diese unechte Urkunde berief, als er 1726 an die innerösterreichische Hofkammer in Graz das Ansuchen richtete, unter seinem Namen und Wappen große Gold- oder Silberstücke prägen zu dürfen. In diesem Gesuch heißt es auch, daß dieses Münzrecht von vielen Kaisern, als letztem von Karl VI. 1715, bestätigt worden sei. Als Beweis dafür, daß dieses Recht auch wirklich ausgeübt worden sei, legte Thun „Abdrücke von in seinen Händen befindlichen Stempeln vor, so den des Talers vom Jahre 1552 und eines fünffachen Speziesdukaten Fürstbischofs Johann VII. Jakob, Freiherrn v. Lamberg (1603—1630)" (485). Der Taler von 1552 hat, wie wir noch hören werden, tatsächlich existiert; das dicke fünffache Goldstück ist jedoch kein Speziesdukaten, sondern eine undatierte Medaille des Grazer Stempelschneiders Hans Zwigott. Lamberg war nämlich 1611—1614 geheimer Rat und Statt halter bei der Grazer Regierung gewesen. Dagegen ist der Taler von 1552, den Bischof Johann VI. von Schönburg schlagen ließ, als echte Kurantmünze anzusprechen. Da davon zwei Stempel vorhanden waren, dürfte er, obwohl heute von größter Seltenheit, seinerzeit in größeren Mengen ausgeprägt, aber dann aus unbekannten Gründen wieder eingezogen und bis auf wenige Stücke eingeschmolzen worden sein. Der Taler zeigt bemerkenswerterweise auf der Vorderseite nicht das Porträt des Bischofs, sondern das geharnischte und gekrönte Hüftbild König Ferdinands I. mit geschultertem Zepter, auf der Rückseite das infulierte vierfeldige Wappen des Bischofs, in der Umschrift dessen Namen und Titel. Das waren also die beiden Belegstücke der Eingabe von 1726. Da sie aber unbeantwortet liegen blieb, entschloß sich der Fürstbischof zwei Jahre später zu einem Majestätsgesuch. Er bat den Kaiser, „ihm aus Gnade, wenn nicht aus Gerechtigkeit zu gestatten", daß er bei einer nächstgelegenen Münzstätte (die Kärntner existierte schon seit mehreren Jahren nicht mehr), „durch den kaiserlichen Münzmeister unter seinem Namen, Wappen und Bildnis, ohne daß dadurch dem kaiserlichen Münzwesen das Geringste entzogen werde, gewisse große Gold- oder Silberstücke (jedoch keine Kurrent- oder Scheidemünzen) zu seinem Gedächtnis oder zur Erweisung wohlverdienter Gnaden prägen lasse. Er betont, daß, obschon einige seiner Vorgänger dieses Regal auszuüben aus ein oder andern Ursachen unterlassen haben, ihm das keinen Nachteil bringen möge" (485). Die Kärntner Landschaft bestätigte, daß durch diese Medaillen kein öffentlicher Schaden angerichtet werden könne, doch sei ihr von einem Gurker Münzprivileg nichts bekannt. 557

A m 18. Mai 1729 erteilte Karl VI. zu Laxenburg auf Grund des dem Bistum Gurk vor langen Zeiten verliehenen Münzrechts die Erlaubnis, einige goldene und silberne Gedenkmedaillen, jedoch keine Scheide- oder andere Kurantmünzen mit Thuns Namen, Wappen und Bildnis in einem der kaiserlichen Münzämter gegen Erlag des Schlagschatzes prägen zu lassen. Als Resultat dieser Prägung liegen zwei Silbermedaillen vor, deren Stempel der ehemalige St. Veiter Eisenschneider Marx Dionys Hamerliz geschaffen hatte. Das kleinere Stück war dukatenförmig, scheint aber in G o l d nicht ausgebracht worden zu sein. Geprägt wurden die beiden Stücke wohl in Graz. Die beiden Stücke bildeten ungeachtet dessen, daß sie kein Kurantgeld waren, 60 Jahre später ein nicht unwesentliches Glied in der geglückten Beweisführung Gurks, daß das Bistum einst das Münzrecht besessen und auch ausgeübt habe. A m 10. Oktober 1795 hatte nämlich Fürstbischof Franz Xaver Altgraf zu Salm-Reifferscheidt (1783—1822) bei gleichzeitiger Vorlage der Schoenburg-Taler um die Erlaubnis angesucht, „in Ausübung des den Bischöfen von G u r k seit den ältesten Zeiten zustehenden Münzrechts Dukaten, Taler und anderes Kurantgeld nach dem Münzfuß der k. k. Erblande prägen zu dürfen" (901). Die Hofkammer in Münz- und Bergwesen in Wien forderte nun den Fürstbischof auf, dieses Münzrecht auch urkundlich zu beweisen, da sie aus dem Ausdruck „ m o n e t i s " in der Bulle Heinrichs IV. von 1072, auf die sich Salm stützte, nicht die Verleihung des Münzrechtes an das Bistum folgern könne, zumal auch in den Allerhöchsten Bestätigungen dieser Urkunde anläßlich eines Regierungswechsels stets ausdrücklich betont sei, „daß sich zwar die Fürsten und Bischöfe von Gurk der ihren Vorfahren erteilten Privilegien jederzeit ruhig freuen und gebrauchen, jedoch Uns und Unseren Erben und Nachkommen an landesfürstlicher Hoheit, desgleichen andern an ihren Rechten ganz ohnvergriffen und unschädlich sein solle". Unter der „landesfürstlichen Hoheit" sei aber auch das Münzregal zu verstehen. Salm legte hierauf eine vidimierte Abschrift der Bulle vor und führte aus, daß das der Gräfin Hemma verliehene Münzrecht von den späteren Kaisern stets erneuert worden sei. Das ist insofern ein Irrtum, als das Münzrecht nicht der Hemma, sondern deren Mutter, der Witwe Imma, 975 von Otto II. für Lieding bei Gurk verliehen worden war, von wo es dann nach A u f l ö s u n g des damit beliehenen Klosters, und zwar des in Gurk (denn das in Lieding war nicht zustande gekommen) im Jahre 1071 auf Erzbischof Gebhard v o n Salzburg übergegangen war. Zum Beweis der tatsächlichen Ausübung berief sich Salm auf die Schönburg-Taler, überdies legte er noch Goldstücke des Bischofs Christoph Andreas von Spaur (1574—1601) bei. Der daraufhin einsetzende weitläufige Schriftwechsel Straßburg — Wien und die verzopften Ansichten der Wiener Zentralbehörden, welche die Angelegenheit immer mehr komplizierten und verwirrten, können hier nicht weiter verfolgt werden. Nur ein Punkt aus dem von Wien abgeforderten Gutachten der k. k. Landesstelle in Kärnten sei erwähnt. Hier hieß es nämlich, daß aus dem alten Privileg die Münzgattung nicht zu ersehen sei, zu deren Prägung die Bischöfe berechtigt seien. D a ein Privileg als Ausnahme v o n den Gesetzen, also im engsten Sinne ausgelegt werden müsse, dürfe der Bittsteller keine anderen Sorten schlagen als seine Vorfahren. Demgemäß hätte also Salm am Ende des 18. Jahrhunderts nur Pfennige nach Friesacher Schlag prägen lassen dürfen! Nach langem Hin und Her fand endlich auf Grund von Salms Beweisführung die Landesstelle kein Bedenken mehr, dem Kaiser die Bewilligung zur Ausprägung von Dukaten und Talern nach österreichischem Münzfuß, aber auf bischöfliche Kosten zu 558

399. Bistum Gurk, Franz Xaver Graf Salm-Reifferscheidt. Taler 1801, Wien

empfehlen. Franz II. genehmigte zwar diesen Vorschlag, stellte aber noch weitere Bedingungen. Die Angelegenheit ruhte daraufhin mehr als drei Jahre, bis im März 1800 Salm sein Gesuch wiederholte und an die Gnade und Großmut des Kaisers appellierte. Dies verfehlte nicht seine Wirkung; die an Spitzfindigkeiten und Haarspaltereien der Behörden reichen Unterhandlungen wurden endlich zugunsten Gurks beendigt. Am 9. September 1800 wurde der Kärntner Landschaft „intimiert", daß Salm gegen Entrichtung der rückständigen Taxen „für die vorgehenden diesfälligen Privilegien" Dukaten und Taler mit seinem Brustbild in einer erbländischen „Münzbank" nach österreichischem Münzfuß auf eigene Kosten prägen lassen dürfe. Da der Fürstbischof die Taxen sofort sicherstellte, wurde das Privileg am 18. November 1801 ausgefertigt. Am 5. Juni 1804 berichtete schließlich die Kärntner Landesstelle an den Kaiser, daß der Fürstbischof von Gurk laut Anzeige des Kärntner Haupttaxamtes vom 29. Mai „die Taxstempel und Portogebühren, mit Inbegriff der Hoftaxe per 3000 fl. und der Landtaxe per 300 fl. vollständig berichtigt habe" (901), womit der Form endgültig Genüge getan war. Im Jahre 1801 prägte das Wiener Münzamt als erstes einen Taler mit Stempeln von Ignaz Donner und dann 1806 schließlich auch Dukaten und Zwanziger mit solchen von Johann Baptist Harnisch; Salm nannte sich auf ihnen noch immer Fürst des Heiligen Römischen Reichs! Es gibt jedoch schon aus dem Jahre 1783 einen Dukatenabschlag in Silber und einen Zehner. Welchem Umstände diese frühen Stücke ihre Existenz zu verdanken haben, konnte mangels urkundlicher Unterlagen nicht geklärt werden. Vermutlich aber hat Salm gleich nach seiner Inthronisation ein Gesuch an Kaiser Joseph II. gerichtet und in der sicheren Erwartung einer positiven Erledigung voreilig schon Stempel schneiden lassen, von denen aber dann nur Probeabschläge gemacht werden konnten. Der Autor der Stempel dürfte wohl Donner gewesen sein. Weshalb sich Salm zu so später Stunde, als bereits allerorten die Münzprivilegien von weltlichen und geistlichen Fürsten zugunsten der Staatsgewalt zu erlöschen drohten, sich noch um eine Erneuerung bzw. Anerkennung eines uralten, noch dazu mehr als fraglichen Rechtes bemühte, ist schwer zu ergründen. Schon 1787 war das adelige Domkapitel säkularisiert worden, worauf Salm seine Residenz von dem entlegenen Straßburg in die Landeshauptstadt Klagenfurt verlegte. Hier versammelte er einen erlesenen Kreis von Künstlern und Wissenschaftlern um sich. In seinem Palais, der ehemaligen Residenz von Maria Theresias Tochter Erzherzogin Maria Anna, der wir die Beschreibung der Medaillen ihrer Mutter verdanken, legte er große und bedeutsame Sammlungen an. Auf alle Fälle aber ist die Erlangung der Münzerlaubnis dem zuletzt mit dem Kardinalspurpur geschmückten Kirchenfürsten schwerer gefallen, als die von ihm persönlich 559

im Jahre 1799 durchgeführte Erstbesteigung des Großglockners. Diese alpinistische Großtat wurde von Johann Baptist Harnisch in einer Medaille verewigt, die auch die von Salm erbaute Schutzhütte zeigt. In diesem Zusammenhang wären auch die Prägungen des Kardinals Christoph Grafen von Widmann-Ortenburg zu erwähnen, die nach Stempeln von Hans Seel in der Kärntner Münzstätte St. Veit geprägt wurden (Taler 1656, doppelter und einfacher Dukaten 1657). Sie wurden von Christoph als Haupt der Familie auf Grund der dem Geschlechte von Kaiser Ferdinand III. im Jahre 1655 verliehenen Münzfreiheit ausgegeben. Es sind reine Repräsentationsmünzen, die kaum in den Verkehr gekommen sind. Die beiden von dem St. Veiter Stempelschneider Hans Georg Perro geschnittenen Porträtstücke o. J. und 1631 auf Christophs Vater, den berühmten Villacher Handelsherrn Hans Widmann, die noch immer Taler und Halbtaler genannt zu werden pflegen, sind reine Medaillen; sie können schon deshalb nicht mit Münznamen bezeichnet werden, weil der erst 1614 von Kaiser Matthias Geadelte kein Münzrecht und auch keine Münzerlaubnis besaß. Das Gewicht des oben erwähnten Fünfdukatenstücks des Bischofs Johann Jakob v. Lamberg, dessen gegenwärtiger Aufbewahrungsort unbekannt ist, beträgt 17,3 Gramm, entspricht also genau einem Fünfdukatenstück. Es war sicherlich eine Geschenkmünze, nie Kurantgeld, denn dann hätte es auch kleinere Nominale geben müssen. J A K S C H (1208) meint auf Grund des Versteigerungsverzeichnisses der Sammlung Welzl v. Wellenheim vom Jahre 1844 (II, 1, Nr. 9940/43), daß auch Matthäus Lang, der vor seiner Erwählung zum Salzburger Oberhirten 1505—1519 Bischof von Gurk gewesen war und dann auch noch als Salzburger Erzbischof den Gurker Titel weiterführte, die erwähnten Stücke dem Gurker Bistum zuzuteilen seien. Da sie aber auch den Titel von Salzburg und überdies die Jahreszahlen 1521 und 1522 aufweisen, kann davon keine Rede sein; sie gehören ohne jeden Zweifel nach Salzburg. Den Titel hatte Matthäus, obwohl 1519 Hieronymus Balbi sein Nachfolger in Gurk wurde, bis zu seiner Resignation auf das Bistum bis 1522 noch beibehalten. Das gevierte Wappen, das Lang auf seinen Münzen größeren Formates meist führt, weist neben dem seiner Familie auch zweimal einen rechtsgewendeten Löwen neben dem Bindenschilde auf. Die Tinkturen sind nicht kenntlich gemacht; es kann sich daher zweimal um Salzburg oder je einmal um dieses und Gurk handeln. Denn die beiden Wappen gleichen einander bis auf die Farben; Salzburg hat einen schwarzen Löwen in Gold, Gurk umgekehrt einen goldenen Löwen in Schwarz. Es ist anzunehmen, daß bis einschließlich 1522 im ersten Quartier das Salzburger, im vierten das Gurker Wappen gemeint war. In bezug auf die Taler Schönburgs wird in einem Gutachten der Landesstelle gesagt, daß auf ihnen das Porträt Ferdinands I. und nicht das des Bischofs angebracht ist. Dies sei wohl ein Zeichen, daß die Bischöfe von Gurk wohl nicht iure proprio, sondern nur iure privilegii gemünzt hätten (901). — Einem der Gesuche wurde ein Doppeldukaten des Bischofs Christoph Andreas von Spaur (1574—1603), der 1601 Bischof von Brixen wurde, beigelegt. Es existieren von ihm zwei solcher Stücke, die zwar dem Gewichte nach Doppeldukaten, aber nicht für den Umlauf bestimmt waren; der eine von 1576 ist wohl in Kärnten (Klagenfurt) entstanden (1156), trägt den Titel eines Bischofs von Gurk; ein zweites ähnliches Stück vom Jahre 1604, das wohl ebenfalls in Kärnten entstand, zeigt den Titel von Brixen (935). Das erste Stück hat im Wappen auch das von Gurk, das zweite sowohl Gurk als Brixen.

560

400. Erzbistum Wien, Christoph G r a f Migazzi. Taler 1 7 8 1 , Wien

d) Wien. Am 23. April 1778 hatte Maria Theresia dem Erzbischof Christoph Grafen Migazzi die Erlaubnis zur Ausprägung von Dukaten und Talern erteilt. In seiner Eingabe hatte der Kardinal unter anderem darauf hingewiesen, „daß die ,uralte Erzkirche' auf die gleichen Gnaden Anspruch hätte wie die gefürsteten Bistümer", worunter vor allem Brixen und Gurk gemeint gewesen sein dürften. Nach zweieinhalbjähriger Pause, über deren Ursache nichts bekannt ist, „erbittet der Erzbischof von der Kaiserin die Münzbewilligung für 500 Dukaten und 2000 Taler, die ihm nach dem inzwischen eingetretenen Ableben Maria Theresias von Joseph II. am 10. 12.1780 auch erteilt wird. Da die ohne Befragung der Hofkammer 1778 gegebene grundsätzliche Prägeerlaubnis unverständlicherweise auf eine Münzung nach Leipziger Fuß gelautet hatte, ergab sich infolge der dadurch notwendig gewordenen Abänderung auf den Konventionsfuß eine neuerliche Verzögerung, bis endlich auf Grund der kaiserlichen Resolution vom 16. März 1781 die Ausprägung der gestatteten Dukaten und Taler von 1781, zu denen J. N. Wirt die Stempel geschnitten hat, im Wiener Hauptmünzamt zustande kam" (180). Der einer Südtiroler Familie entstammende Kardinal hatte das besondere Vertrauen der Kaiserin genossen. Den erzbischöflichen Stuhl von Wien hat er von 1757 bis 1803, also durch 46 Jahre innegehabt. „Seiner Bedeutung als Kirchenfürst und Staatsmann scheint die Erlaubnis einer eigenen Münzprägung durchaus angepaßt, da sie ihm auch rechtlich nur als Inhaber des seit 1631 mit der Reichsfürstenwürde ausgestatteten Bischofssitzes erteilt werden konnte" (180). Nur am Rande sei an dieser Stelle vermerkt, daß im Jahre 1679 zum fünfzigjährigen Priesterjubiläum des Abtes des Benediktinerstiftes Garsten bei Steyr (OÖ.) Romanus Rauscher (f 1689) ein gewalzter Gedächtnistaler im kaiserlichen Münzamt in Wien geprägt wurde. Das Stück trägt das Münzzeichen MM des Münzmeisters Matthias Mittermayer. Garsten besaß ebensowenig ein Münzrecht wie Wien. Es ist urkundlich leider nicht nachweisbar, mit welcher Begründung die Prägung eines Gedächtnisstückes nach Münzfuß gestattet wurde. e) OlmütAls erste Nachricht über die Verleihung des Münzrechtes an die Olmützer Bischöfe wird eine undatierte Urkunde des Herzogs Wladislavs II. von Böhmen angesehen. Durch sie wird dem Bischof Heinrich II. und der Olmützer Kirche die schon durch eine lange Reihe von Jahren umstrittene Feste Podivin mit allen früheren Rechten, darunter auch dem der Münzprägung, endlich zurückgestellt. Es dürfte sich hier um ein altes mit der Burg verbundenes Münzrecht gehandelt haben, das von den Bischöfen bis ins 13. Jahrhundert hinein auch ausgeübt wurde. Aber 1221 schenkte König Ottokar I. Przemysl von Böhmen die Feste mit ihren Rechten abermals der Prager Kirche. 561

401. Bistum Olmütz, Kardinal Franz Fürst von Dietrichstein. Groschen 1616, Kremsier

Erst der 1624 gefürstete Kardinal Franz von Dietrichstein (1599—1636), der später als kaiserlicher Statthalter von Mähren ein erbitterter Gegner Wallensteins wurde, erinnerte sich wieder an dieses verlorengegangene Münzrecht und erwirkte 1608 von seinem kaiserlichen Gönner Rudolf II. ein Privileg, worin der König von Böhmen mit ausdrücklicher Berufung auf die erwähnte Urkunde und deren kaiserliche Bestätigung das damals den Olmützer Bischöfen erteilte Münzrecht bestätigte und dieses Recht von der Burg Podivin, die schon längst vom Bistume weggekommen war, in die bischöfliche Residenzstadt Kremsier übertrug. Jedoch sollten „die bischöflichen Münzen — bei Verlust des Privilegiums für die Bischöfe — der landesfürstlichen an Schrott und Korn gleich sein" (79). Dietrichstein machte von diesem Rechte sogleich Gebrauch. Er prägte in Gold und Silber, vom Dukaten angefangen bis hinunter zum Heller. Ein Teil dieser Gepräge ist undatiert; die erste Jahreszahl auf den Münzen ist 1614. In der datierten Münzreihe klafft eine auffallende Lücke: die Jahrgänge 1620 und 1621 sind unter den Geprägen Dietrichsteins nicht vertreten. Die revoltierenden Landstände Mährens hatten nämlich den Kardinal als Statthalter des von ihnen bekämpften Kaisers Ferdinand II. des Landes verwiesen, womit die bisher sehr rege Tätigkeit der Kremsierer Münzstätte ein jähes Ende fand. „Der bischöfliche Münzmeister Peter Hema ging, ob mit oder ohne Wissen des nach Wien geflüchteten Kardinals ist unbekannt, nach Olmütz und nahm dorthin anscheinend auch die Prägegerätschaften und die Vorräte an Münzmetall mit. Im Oktober 1619 weilte er in Olmütz, beschäftigt mit der Einrichtung einer Münzstätte, wie aus zwei an den Olmützer Magistrat gerichteten Schreiben der ständischen Direktoren hervorgeht. Daraus ergibt sich aber auch, daß die Direktoren von ihrer ursprünglichen Absicht, durch Hema eine Münzstätte in Brünn errichten zu lassen, abgekommen sind und dem Kremsierer Münzmeister die ohne Auftrag begonnene Einrichtung der Münzstätte in Olmütz genehmigt haben. Hema wirkte zunächst als Münzmeister der mährischen Stände und nach Wiederkehr der kaiserlichen Regierung an der nunmehr kaiserlichen Münze bis 1622. Dietrichstein, in dessen Amtsbereich als Gubernator in Mähren auch die Wiederherstellung des kaiserlichen Münzwesens fiel, scheint seinem ehemaligen Münzmeister den Weggang von Kremsier nicht nachgetragen zu haben, da er ihn im Amte beließ. Es darf mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß der Kardinal durch seinen Vertrauensmann Hema in der nunmehr kaiserlichen Münze mit den ihm ohnehin gehörigen Gerätschaften neben den kaiserlichen auch bischöfliche Münzen schlagen ließ" (1242), wahrscheinlich undatierte Groschen. Diese Groschenprägung scheint indessen nicht umfangreich gewesen zu sein und „kann nicht über die ersten Monate des Jahres 1621 hinaus stattgefunden 562

haben". Als nämlich zu Beginn dieses Jahres Fürst Karl von Liechtenstein Anstalten traf, seine eigene Münzprägung auf den ihm gehörenden Gütern in Mähren wahrzunehmen, erging an den Gubemator die kaiserliche Weisung, „weilen Ihr Mt. das Münz-Regal vorbehalten, daß Er alles andere münzen in Mähren einstellen wolle". Dieser Auftrag richtete sich unverkennbar auch gegen den Kardinal als Olmützer Bischof. Auf Liechtensteins unter dem 24. Mai 1621 eingebrachte Beschwerde wegen der Einstellung seines „Münzwesens" durch den Kardinal, resolvierte der Kaiser anfangs Juni, daß sich Liechtenstein des Münzens derzeit enthalten solle, „weil Herr Cardinal von Dietrichstein solches gethan" (1242). Infolge dieses persönlichen Gegensatzes beantragte Liechtenstein als Statthalter von Böhmen die Einstellung der Kremsierer Münzstätte; offenbar stand hinter diesem Antrag die Absicht, das Olmützer Münzwesen für immer stillzulegen. Doch schon 1625 ließ Dietrichstein zwei vollwertige Taler prägen, von denen der eine in Brünn entstand, was die Münzzeichen eindeutig beweisen. Wo das andere Stück geprägt wurde, ist jedoch fraglich. Im Juni 1627 gab der Kardinal dann bekannt, daß er die seit einigen Jahren ruhende bischöfliche Münze nunmehr im Schlosse von Nikolsburg wieder aufzurichten gedenke. Der Geheime Rat aber versuchte auf mündlichem Wege, Dietrichstein von dieser Absicht abzubringen. Darauf berichtete der Kardinal zu Beginn des Jahres 1628, daß er den in Olmütz durch die dort eingelagerte Friedländische Soldateska unmöglich gemachten Münzbetrieb im Interesse des Kaisers in die sichere Stadt Nikolsburg übertragen habe, wo unter kaiserlichem Gepräge gemünzt werde, und stellte schließlich die Bitte, es möge ihm gestattet werden, einige Reichstaler und Dukaten, sonst keine anderen Sorten, unter seinem Gepräge zu münzen, „damit ich hiedurch nit ganz und gar meiner habenden Münzfreiheit verlustig werde" (1242). Die Entscheidung des Kaisers ist nicht bekannt; es ist jedoch sicher, daß infolge der militärischen Behinderungen die Olmützer Münze erst 1629 wieder ihren vollen Betrieb aufnahm. Die Dukaten und Taler von 1628 wurden sicherlich in Nikolsburg geschlagen, während die recht spärliche Ausmünzung bis zum Tode des Kardinals wahrscheinlich in Olmütz stattfand, da die Brünner Münze seit 1628 stillgelegt war. Nach dem unerwarteten Ableben Dietrichsteins ruhte die Münzprägung zunächst. Sein Nachfolger Johann Ernst Platejs von Pkttenstein starb noch vor dem Einlangen der päpstlichen Bestätigung; es existieren keine Gepräge von ihm. Der nunmehrige Bischof Erzherzog Leopold Wilhelm war zunächst als Feldherr seines kaiserlichen Bruders und dann als Statthalter der Niederlande anderweitig gebunden und bestellte daher für die Verwaltung des Bistums Administratoren. Er hatte wahrlich andere Sorgen, als an die Wiederherstellung der seit Jahren ohnehin nur mehr nominellen Münzhoheit zu denken. Zudem war 1643 bei einem Einbruch der Schweden mit dem größten Teile der Stadt Kremsier auch das ehemalige bischöfliche Münzhaus vollständig zerstört worden. Erst 1650 wurde in Kremsier wieder mit der Ausmünzung begonnen, die bis 1659 dauerte. In diesem Jahre wurde die Prägung und zugleich die Verlegung der Münzstätte nach Wischau (auf halbem Weg zwischen Kremsier und Brünn) angeordnet. Der Grund für diese Verlegung ist nicht klar ersichtlich; jedenfalls aber bot sie einen Stein des Anstoßes, da ja das Münzprivileg ausdrücklich an Kremsier gebunden war. Die Stellung des Bischofs war jedoch durch sein Verwandtschaftsverhältnis zu Kaiser Leopold I., der sein Neffe war, natürlich unangreifbar. Die Hofkammer erlaubte sich daher nur dagegen zu remonstrieren, daß dem Pächter der Münze gestattet worden war, „die Ausmünzung in dem Schrot und Korn vorzunehmen, wie sie der Kaiser in damaligen schweren Umständen selbst introduciert hatte", was sich wohl auf die Ausmünzung von Fünfeehnern 563

und Sechsern bezieht, die auch von Leopold Wilhelm geschlagen wurden. Die Hofkammer befürchtete offenbar eine Schädigung des kaiserlichen Münzgefälles. Hatte es schon unliebsames Aufsehen erregt, daß einer der Pächter als Münzmeister einen Juden namens Asher Rosi als Münzmeister angestellt hatte, der gleichzeitig auch als Geldgeber fungierte und seine Gepräge mit einem Davidstern signierte, so steigerte sich diese Beunruhigung, als einen Tag vor dem Tod des Erzherzogs Karl Joseph (f 1663), eines jüngeren Bruders des Kaisers, die Münze an den Olmützer Domherrn Laurenz Johann Rudawsky, den bischöflichen Rat und Notar Mathias Tengelott von Valtelin und den bischöflichen Administrations-Sekretär Georg Hauspersky auf zwei Jahre verpachtet wurde. Man hatte sich also augenscheinlich die jugendliche Unerfahrenheit von Leopold Wilhelms Nachfolger und ebenso seine Todeskrankheit zunutze gemacht. Es ist übrigens ein besonderes Charakteristikum des Olmützer Münzwesens, daß sich die verschiedenen Inhaber des Olmützer Bischofssitzes „mit seltener Einmütigkeit der Auffassung in ihrer Münzbefugnis vor allem ein finanziell auszuwertendes Recht gesehen und zur Erreichung dieses Zweckes nichts unterlassen" haben, „was auf dem Gebiete der Münzrechtsausübung verboten war" (415). Der Kaiser verfügte wenige Tage nach dem Tode seines Bruders, daß die Kremsierer Münzstätte „eingeratenermaßen" zu kassieren sei. Der Bericht der Hofkammer, der diese Anordnung auslöste, aber wußte noch gar nichts von der erwähnten skandalösen Verpachtung, sondern nur von der vorhergehenden an einen ehemaligen kaiserlichen Offizier. Ihr genügte zu ihrem Antrag die Tatsache der unerlaubten (I) Prägung von neuen Fünf^ehnern mit Namen und Bildnis Karl Josephs und die eben erwähnte neuerliche Verpachtung an den Italiener Pietro Buoncompagni. Trotz des erlassenen Verbots wurde von dem Pächtertrifolium sede vacante weitergeprägt, und zwar Fünf^ehner Karl Josephs mit der Jahreszahl 1664. Diese Ausprägung in Wischau (deren Bestand von den Behörden übrigens mit Stillschweigen übergangen wurde, solange Erzherzoge den Bischofssitz innehatten) wurde ohne behördliche Intervention durch den neu gewählten Bischof Karl II. Graf von Lichtenstein-Castelcorno (1664—1695) für eine Zeit unterbrochen, aber bald wieder in Betrieb genommen. Lichtenstein ließ zunächst für eigene Rechnung prägen. Als aber die Ruinen des Kremsierer Münzhauses notdürftig wiederhergestellt worden waren, wurde hier der Betrieb Anfang 1665 wieder aufgenommen, diesmal aber durch neue Pächter. Mit der Repatriierung der Münze war jedenfalls der dem Privilegium gemäße Zustand wiederhergestellt. Diese Gebundenheit einer Münzstätte an einen bestimmten Ort ist juristisch sehr merkwürdig und steht jedenfalls im Gebiete der alten Monarchie einzig da. Von nun an herrschte in Kremsier ein reger Münzbetrieb. Gemünzt wurde in Gold und Silber. Lichtenstein hat sogar Prunkstücke im Gewichte von 30 Dukaten prägen lassen, aber das Haupterzeugnis seiner Zeit waren doch Fünfaehner, Sechser und Groschen. Unter seinem Nachfolger, dem Herzog Karl von Lothringen (1695—1710) wurde das Münzrecht durch die Behörden wieder angezweifelt, ebenso auch unter Wolfgang Grafen von Schrattenbach (1711—1738). Insbesondere war ihre extensive Prägung von Scheidemünzen den staatlichen Ämtern ein Dorn im Auge, und zwar berechtigterweise, denn das Territorium des Olmützer Episkopates war ja keineswegs so umfangreich, daß es überhaupt eigener Münzen bedurft hätte; zumal ja diese Prägung nur des Münzgewinnes halber geschah und nicht zur Erleichterung von Handel und Verkehr. Die Reaktion auf diese — natürlich geringhaltigen — Münzen blieb auch nicht aus. Im Jahre 1667 werden die Olmützer Fünf^ehner, Sechser und Groschen der Jahrgänge 1664—1666 im Münzproba564

402. Bistum Olmütz, Karl II. Graf von Lichtens tein-Castelcorno. Vier 1665, Kremsier

403. Bistum Olmütz, Anton Theodor Graf von Colloredo. 10er 1779, Wien

tions-Rezeß der drei korrespondierenden Kreise verrufen. Und noch 1737 werden Olmützer Sorten für minderwertig erklärt. Auch die Landesbehörden erklärten diese Münzen für „äußerst anstößig", und Lothringen stellte ihre Ausprägung daher gänzlich ein. Als aber noch weiter unablässig Beschwerden einliefen, untersagte Karl VI. den Olmützer Bischöfen im Jahre 1726 die Ausprägung von Scheidemünzen überhaupt. Diese Minderwertigkeit erklärt sich — abgesehen von der Gewinnsucht — nicht zuletzt auch aus der höchst mangelhaften Metallversorgung der bischöflichen Münzstätte. Es gibt darüber eine interessante Notiz in einer Zeitschrift aus dem Jahre 1780: „Ein jeder Bischof von Olmütz mußte gleich nach Antritt seiner Regierung von seiner neu geprägten Münze an den Wiener Hof eine Probe senden, welche auf 1000 (Kaiser-) Gulden festgesetzt war. Weil aber diese Bischöfe keine Bergwerke haben, sondern das rohe Metall kaufen mußten, so brachte ihnen das Münzrecht keinen Vorteil, vornehmlich deswegen, weil sie den österreichischen Münzfuß beobachten mußten. Bischof Leopold Friedrich von Eck, welcher 1758 erwählt wurde und 1780 starb, wurde des Geldprägens überdrüssig und verkaufte alle dazugehörigen Gerätschaften dem Erzhause für eine gewisse Summe Geldes" (778). Aber nicht nur die Kleinmünze gab zu Beanstandungen Anlaß. Unter Fürstbischof Jakob Ernst Graf von Lichtenstein (1738—1745), der von 1745 bis 1747 Erzbischof von Salzburg war, wurden selbst seine Dukaten, ganze und halbe Taler geringer als die landesfürstlichen ausgeprägt. Ihm wurde daher vom Kaiser 1740 „sub ammissione privilegii" anbefohlen, seine Sorten nach dem „universaliter stabilirten Reichsfuss" auszuprägen; von den schon früher ausgegebenen Talern aber dürfe er keine mehr in Umlauf setzen. Wenige Jahre später wurde ihm das Münzrecht trotz allen Vorstellungen wieder abgenommen. Sein Nachfolger Kardinal Ferdinand Julius Graf von Troyer (1745—1758) erwirkte 1747 wieder die Bewilligung, fernerhin Dukaten, Taler und Gulden und die Stückelungen bis einschließlich des Zehners, jedoch mit Ausschluß von Viertelgulden und Fünfoehnern zu prägen. Die Scheidemünze blieb ausdrücklich verboten. Es sind jedoch von Troyer nur grobe Sorten, also Dukaten, Taler, Gulden und Dreißiger bekannt. Von Troyers beiden Nachfolgern, dem schon erwähnten Leopold II. Grafen von Egkh und Hungersbach (1758—1760) und Maximilian Grafen von Hamilton (1761—1776) existieren nur Medaillen und Jetons auf Inthronisation und Tod. Erst Anton Theodor Graf von Colloredo (1777—1811), in dessen erstem Regierungsjahre Olmütz zum Erzbistum erhoben wurde, hat die Prägetädgkeit wieder aufgenommen, aber nur in einem einzigen Jahre, 1779, und zwar nicht mehr in Kremsier, sondern in Wien. Zu den bei 565

Troyer erwähnten Sorten kommen noch Zwanziger und Zehner. Alle seine Sorten tragen den ihm verliehenen Titel PRIMUS ARCHIEPISCOPUS. Colloredos Nachfolger Graf Trauttmansdorf hat nicht gemünzt. So ist Kaiser Franzens Bruder Erzherzog Rudolf (1819—1830), Gönner und Förderer Beethovens, der letzte Olmützer Kirchenfürst, der im Jahre 1820 noch münzen ließ, und zwar Dukaten, Taler, Gulden und Zwanziger-, geprägt wurden sie in Wien. Sowohl die Münzung des Erzherzogs als auch die einmalige Colloredos sind im Grund nichts anderes als Erinnerungsmünzen auf ihren Regierungsantritt. Denn das Münzrecht war mit dem Tode Troyers faktisch erloschen, ihm hatte ja Maria Theresia 1747 die Beibehaltung der Münzstätte Kremsier nur auf Lebensdauer bewilligt. Und in einem „Hofrescript" an Egkh vom 15. September 1759 heißt es ausdrücklich, daß die Kaiserin „keinem Particulari in den Erblanden eine eigene Münzstätte zu erlauben gedenken, mithin auch die zu Kremsier von da an aufgehoben und eingestellt wissen wollen, wo hingegen die zur Münzprägung berechtigten Stände, wenn sie ihr Recht auszuüben Willens wären, an die k. k. Münzstätte angewiesen werden sollen, auch wollten Ihre Majestät die Veranlassung treffen lassen, daß die Kremsierer Münz-Instrumente abgelöst werden" (79). Mithin waren die Prägungen Colloredos und Erzherzog Rudolfs nicht mehr auf dem einstigen Münzrecht begründet, sondern nur die Folge kaiserlicher Gnadenakte. Das Olmützer Münzrecht aber war als nicht mehr zeitgemäß als erloschen zu betrachten. f ) Breslau. Das Fürstentum Neiße war schon 1199 an das Bistum Breslau gekommen; die Stadt selbst wie ganz Oberschlesien stand damals unter der Oberhoheit des Böhmenkönigs. Als das Land nach dem Aussterben der Jagellonen (1526, Mohäcs) mit den anderen Ländern der Wenzelskrone an das Haus Habsburg überging, gründete König Ferdinand I. in Breslau auch eine eigene Münzstätte. In der Landeshauptstadt befanden sich nunmehr die österreichischen Behörden, seit 1558 auch eine Kammer als ständige Finanzbehörde. Die Bischöfe zogen es daher vor, ihre Prägetätigkeit in Neiße als ihrer eigentlichen Hauptstadt auszuüben. Die neuzeitliche Münzgeschichte des Bistums beginnt mit einer in Innsbruck ausgestellten Urkunde Kaiser Maximilians I. vom 31. August 1515, mit der den Bischöfen das Recht verliehen wurde, Goldmünzen zu prägen. Der Empfänger dieses Privilegs war Bischof Johannes V. Thurzö de Bethlenfalva, einer der Söhne des berühmten Montanisten Johann, der gemeinsam mit Jakob Fugger das Kupfer der im niederungarischen Montanbezirk gelegenen Bergstadt Neusohl ausbeutete. Der Bischof hatte bisher nur Groschen prägen lassen und auch eine talerförmige Medaille, daneben aber auch schon zwei Jahre vor Empfang des kaiserlichen Privilegs einen Goldgulden. Von seinem nunmehrigen Rechte aber machte Thurzo allem Anschein nach nur ein einziges Mal, und zwar in seinem Todesjahre 1520, Gebrauch. Den Breslauer Kirchenfürsten war von Maximilian auch die äußere Ausstattung ihrer Dukaten vorgeschrieben worden. Sie sollten auf der einen Seite das Bild des Kirchenpatrons, des Hl. Johannes des Täufers, auf der anderen das Bistumswappen mit den sechs Lilien und neben dem Namen des jeweiligen Bischofs auch die Umschrift MUNUS CAESARXS MAXIMILIANI (Begnadung durch Kaiser M.) aufweisen. Mit der regelmäßigen Ausprägung dieser Dukaten beginnt dann im Jahre 1524 Thurzös Nachfolger Jakob von Salza (1524—1539). Diese Dukatenreihe „reicht mit kleinen Unterbrechungen, die wohl nicht auf Aussetzung der Prägung, sondern vielmehr auf das Verschwinden der geprägten Stücke zurückzuführen ist, bis 1577, dann haben Andreas von Jerin und Johannes VI. von Sitsch noch in vereinzelten Jahren bis 1603 566

404. Bistum Breslau, Balthasar von Promnitz. Reichensteiner Ausbeutedukaten 1544, Neiße

gemünzt. Das Gepräge ist stets das in dem Privileg von 1515 vorgeschriebene, die Anordnung des Wappens auf der Rückseite, welches regelmäßig auch das Familienwappen des Bischofs enthält, wechselt mehrfach. Das Material zu dieser Prägung entnahmen die Bischöfe aus ihren, seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts wieder lebhafter betriebenen Bergwerken im Altvatergebirge, namentlich bei Zuckmantel, wo sich zeitweise auch eine Münze neben der in der Hauptstadt Neiße befunden hat. Ein Stollen daselbst hieß der Münzmeisterstollen, wohl weil sein Ertrag einen Teil der Besoldung dieses Beamten bildete". Als die Ausbeute zu Ende der siebziger Jahre des 16. Jahrhunderts zu versiegen begann, ging auch diese Prägung ihrem Ende zu. Wohl hat jeder der Bischöfe noch eine oder mehrere goldene Medaillen, meist mit seinem Brustbild, seiner Devise und seinem Wappen, hinterlassen. Sie sind durchgehends als mehrfache Dukaten geprägt und fast immer ohne besonderen Kunstwert (267). Man könnte diese ausschließliche Goldprägung, die zudem sicherlich der Goldproduktion eines einzigen Bergwerkskomplexes zu danken war, mit gutem Gewissen als eine „Ausbeutemünzung" ansprechen. Mit dem Brixener Bischof Erzherzog Karl (1608—1624), Kaiser Ferdinands II. jüngstem Bruder, beginnt nicht nur in der Geschichte des Bistums, sondern auch in der seines Münzwesens eine neue Ära. Die Beschränkung des Maximilianischen Privilegs auf das Gold wird als nicht mehr zeitgemäß betrachtet und infolgedessen nunmehr auch das nötige Silbergeld geschlagen. Wir nähern uns ja der Kipperzeit! Und auch die Gepräge selbst ändern ihr Bild, denn es erscheint von nun an auch das Porträt des Münzherrn auf ihnen und dessen Wappen. An Stelle des Hinweises auf das „munus Maximiliani" wird jetzt oft auch der Wahlspruch der Bischöfe aufgenommen, so z. B. bei Erzherzog Karl: DESIDERAT ANIMA MEA AD TE DEUS (ps. 42). Karls erste Münze ist ein Dukat von 1611, der aber noch nicht in Neiße geschlagen wurde, denn diese Münzstätte wird erst 1614 neu eingerichtet. Seit 1620 erscheint auf den Münzen auch das Kreuz des Deutschen Ritterordens, dessen Hochmeister der Erzherzog 1619 geworden war. Das Kreuz teilt das Wappen in vier Quartiere, in denen die wichtigsten Wappen des Erzhauses untergebracht sind. Auf einigen Vierund^wan^igern steht es allein im Schilde. Zwar befindet sich Karl nicht auf der Liste des ominösen „Münzkonsortiums" von Hans de Witte, aber auch er war dem allgemeinen Zug der Zeit, durch Neuverpachtungen der Münzstätten größere Münzgewinne herauszuwirtschaften, gefolgt. In Olmütz hatte der Kardinal Franz von Dietrichstein als Landesstatthalter ähnlich wie Lichtenstein in Böhmen mit Bassevi, mit mährischen Juden wegen der Übernahme der kaiserlichen Münzstätten in Brünn und Olmütz verhandelt und sie ihnen ohne Befragung der Hofkammer um 15.000 fl. verpachtet. Und ähnlich hielt es Erzherzog Karl mit der bischöflichen 567

Münze in Neiße" (267). Er verpachtete sie im August 1621 auf drei Jahre an Andreas Reber, Adam und Friedrich Schäfer. Die Pächter remonstrierten übrigens sofort gegen den Pagamenteinkauf durch das Konsortium (s. o. S. 428). Es war überall das gleiche: Not an Zahlungsmitteln. So ist es begreiflich, daß das Beispiel Lichtensteins überall zur Nachahmung aneiferte.Es blieben die Verwahrungen ohne Erfolg; gerade in Schlesien war dem unbeschränkten Silberkauf des Konsortiums ein voller Erfolg beschieden. Hier hatte de Witte zunächst durch Vertrauensleute, vor allem durch Bassevi, über den Kopf des Erzherzogs „und dessen Münzrecht hinweg alles erreichbar Bruchsilber aufkaufen lassen, in der sicheren Annahme, daß der Bischof Erzherzog Karl, ein Bruder des Kaisers, sich im Interesse des kaiserlichen Dienstes den Kriegsnotwendigkeiten widerspruchslos fügen würde. Als das nicht geschah, drängte de Witte auf Verhandlungen in Wien. Im Namen des Prager Konsortiums erschien dort Jakob Bassevi im Namen des Breslauer Bischofs dessen Beichtvater Pater Christopherus Schreiner. Der Vorstand der Prager Judengemeinde und der katholische Mönch, miteinander feilschend und handelnd, waren seltsame Gegensätze, zusammengebracht und überbrückt durch die Not der Stunde, der beide gehorchten. Man einigte sich bald. Auch das schlesische Silber und die Neißer Münze gelangten in die Hände de Wittes und des Konsortiums" (226). Der neue Vertrag wurde sowohl vom Kaiser als auch von seinem Bruder ratifiziert. Die durch de W I T T E eingesetzten Afterpächter münzten die mit Bildnis und Wappen des Erzherzogs ausgestatteten Münzen besonders schlecht; sie wurden infolgedessen im Verkehr zurückgewiesen. Da auch der berüchtigte Balthasar Zwirner im Fürstentum Neiße seine Hände mit im Spiel hatte, kann man sich über den Unwert dieser Gepräge leicht ein Bild machen. Die Gepräge der Jahre 1621/22: Vierund^wan^iger, Zwölfer, Dreier und 4 und 3 Heller (diese beiden in Kupfer) waren daher typische Kippermünzen. Der Erzherzog beschwerte sich darüber sofort bei seinem Bruder und bat um die Publikation des Münzvertrags, wonach das kaiserliche und das bischöfliche Geld „in den angrenzenden Ländern im gleichen Valor angenommen werde". Das Patent vom 3. Februar 1623 entsprach diesem Wunsche. Die vereinigten Gesellschaften hatten in Neisse bis zum Zusammenbruch des ganzen Unternehmens im März 1623 bischöfliche wie kaiserliche Münzen, hauptsächlich aber Vierund^wan^iger geprägt, die als Zwölfgroschenstücke bezeichnet zu werden pflegten. Der Bischof selbst hielt es nicht unter seiner Würde, dem Breslauer Rate ihre Güte zu rühmen, daß sie besser seien in Schrot und Korn als die schlesischen Vierund%wan%iger und ebensoviel Silber enthielten als die böhmischen Groschen, „allein daß in den Zwölfern ein Mehreres Kupfer zum Besten bleibt" (267). Karl überließ übrigens bald nach dem erwähnten Patent seine Münzstätte zur Gänze dem Kaiser, so daß Zwirner sie gleich den anderen schlesischen Münzstätten pachten und in ihnen sein Unwesen treiben konnte. Als letzte Jahreszahl erscheint auf den Münzen des Erzherzogs 1622. Zwei Jahre später, am 28. Dezember 1624 starb er in Madrid, wohin ihn der spanische König berufen hatte, um die Regierung von Portugal zu übernehmen. Nach seinem Tode wurde das Neißer Münzhaus Ende 1625 „an etliche Beamte, Diener und Untertanen anstatt ihrer Besoldungen zu völlig freier Verfügung abgetreten" (267). Aus politischen Gründen wurde nun der jugendliche Prinz Karl Ferdinand (1625 bis 1655), ein Bruder König Sigmunds III. von Polen aus dem Hause Wasa, zum Nachfolger Karls berufen und — obwohl er nie die Weihen empfangen hatte — 1640 auch noch zum Bischof von Plock gemacht. Er hat während der 30 Jahre seiner Regierung Schlesien nur viermal für kurze Zeit besucht. Die Verwaltung des Bistums lag daher in den Händen der 568

405. Bistum Breslau, Friedrich Landgraf von Hessen. X V e r 1679, Neiße(?)

dazu bestellten Regenten. Von einer eigenen Münzprägung Karl Ferdinands im Bistum kann man wohl kaum sprechen, da die mit seinem Bildnis und Wappen geprägten hochwertigen Gold- und Silbersorten (dabei viele Silberklippen) schon ihres Gewichtes halber (Dukaten bis zum fünfzehnfachen, Taler vom Viertel bis zum vierfachen) eindeutig auf „Donative" (polnisch Donatywa), also auf Geschenk- und Belohnungsmünzen hinweisen, wie sie auch im gleichzeitigen polnischen Münzwesen vorkommen. Der Anlaß zu diesen Prägungen ist unsicher; für die Jahre 1632 und 1642 „möchte man ihn in der Befreiung der Hauptstadt von der Besatzung durch Dänen und Sachsen bzw. Schweden suchen" (267). Im Jahre 1645 hatte der Kaiser die schlesischen Fürstentümer Oppeln und Ratibor an König Wladislav IV. von Polen, den Bruder des Breslauer Bischofs, verpfändet. Dieser starb jedoch schon 1648 und hinterließ sie seinem Bruder, der hier in den Jahren 1653/54 ähnlich wie in Neiße ebenfalls in den schwersten Gold- und Silbernominalen schwelgte, daneben aber auch ein Dreikreu^erstück und ein Gröschel prägen ließ. Nach seinem Tode war dann der Polenkönig Johann Kasimir bis 1658 Inhaber der beiden Fürstentümer, wo bekanntlich schon Gabriel Bethlen von Siebenbürgen in den Jahren 1622/23 auch die übelberüchtigten Vierund^wan^iger geprägt hatte. Nachfolger Karl Ferdinands auf dem Breslauer Bischofsstuhl war der spätere Bischof von Olmütz Erzherzog Leopold Wilhelm, der wohl die Wiederaufrichtung der Neißer Münze plante, deren Gebäude unter seinem Vorgänger in ein Unterkunftshaus für alte Priester verwandelt worden war. Zu einer Prägung aber kam es unter ihm ebensowenig wie unter Karl Joseph von Österreich. Beide haben nur in ihrer Eigenschaft als Bischöfe von Olmütz geprägt. Erst unter Sebastian von Rostock (1664—1671) kam es zur Prägung von Probemünzen in Gold und Silber, die das alte MUNUS CAESARIS MAXIMILIANI mitsamt der Abbildung des Täufers wieder zu Ehren brachten. Kardinal Landgraf Friedrich von Hessen (1671—1682) hat es dann endlich wieder zu einer ansehnlichen Reihe von Verkehrsmünzen gebracht. Seit 1647 Großprior des Johanniterordens, steht dessen Kreuz (allerdings nicht in der geläufigen, geschweiften Form des „Malteserkreuzes") stets über dem Wappen. Friedrichs Prägungen reichen vom Doppeldukaten bis zum Halbkreu^er. Auch Fünf^ehner und Sechser waren darunter; 1680 hat ihm dann der Kaiser die Ausprägung dieser beiden Nominale wie auch der Groschen (3 Kr.) untersagt. In den letzten Regierungsjähren dieses Bischofs entstanden daher nur mehr wenige Goldstücke, dafür aber große Mengen von Halbkreu^ern und Gröscheln. Sein Nachfolger Franz Ludwig Pfalzgraf von Neuburg (1683—1732) zeichnet sich ebenso durch eine stattliche Münzreihe wie eine ungewöhnliche Fülle geistlicher Würden aus. Sein ellenlanger Titel hatte auf den Münzen daher nur in ganz komprimierter Form 569

und auch das nur auf den größeren Nominalen Platz. Franz L u d w i g war seit 1694 Bischof von Worms, Hoch- und Deutschmeister, Propst v o n Elwangen und Prüm. 1716—1729 war er auch Erzbischof und Kurfürst v o n Trier, nach Aufgabe von Trier dann Erzbischof von Mainz. Dazu kamen bei ihm als Pfalzgraf auch noch die weltlichen Titel von Bayern, Jülich, Kleve und Berg. Seine Münzreihe, die mit 1686 beginnt, war stattlich, insbesondere im Jahre 1693, w o sie v o m Doppeldukaten bis zum Halbkreu^er hinabreichte. 1694 kamen auch noch Taler dazu. „ O b w o h l sich gegen die Güte dieser Münzen nichts einwenden ließ", war sie „nicht nach dem Geschmack der kaiserlichen K a m m e r . " Anfang 1695 erging daher ähnlich wie in Olmütz ein kaiserliches Reskript an den Bischof, daß er „die jura et titulos, vermög welcher E r bishero als Bischof zu Breslau und Fürst zu Grottgau Sich des Münzens gebrauchet und woher solches exercitium monetandi rühre, ordentlich deduciren" solle. „ I n seiner Erwiderung v o m 15. März 1695 berief sich Franz L u d w i g zum Erweis ,sothaner antiquissima possesio vel quasi, quae de jure alio vim tituli et privilegii habet', auf die alten und neuen Historici. . . " (267). O b der Bischof damit etwas erreichte, wissen wir nicht; jedenfalls ruhte die Münze einige Jahre. In den Jahren 1699—1701 kamen aber neben den vorerwähnten Geldsorten zahllose gan^e und halbe Kreuzer sowie Gröschel heraus, die auf einer im März 1702 zu Wien abgehaltenen Konferenz österreichischer Münzbeamten deren lebhafte Mißbilligung erregten. Urkundliche Nachrichten über den A u s g a n g dieser Angelegenheit liegen zwar nicht vor, er läßt sich aber unschwer aus der Tatsache erkennen, daß in Neiße fortan keine Kleinmünzen mehr geprägt wurden, sondern nur mehr Dukaten, Taler und Gulden und auch diese nur vereinzelt, also nur wenn Bedarf bestand. Weshalb die kaiserliche K a m m e r gerade gegen die doch v o n Leopold I. selbst eingeführten Fünf^ehner und Sechser außerhalb der eigenen Münzstätten so scharf vorging, ist nicht ganz klar. Sie hatte zwar auch in den kaiserlichen Münzstätten die Prägung untersagt, diese hielten sich jedoch nicht an das Verbot, mit der Ausrede, „daß sie nur noch bereits zu Fünfzehnkreuzerstücken zurecht gemachtes Silber vermünzen müßten" (267). Auch aus Breslau existieren noch Fünf^ehner von 1694 und 1696. E s scheint also wohl die allgemeine Furcht vor einer neuen „Kipperzeit" gewesen zu sein, weswegen man die Ausprägung dieser anrüchig gewordenen beiden Münzsorten im eigenen Wirkungskreis möglichst einschränkte und den Fürsten sogar gänzlich verbot, um deren Mengen nicht weiter zu vermehren. Der Oberste Landeshauptmann in Schlesien trat dem sich hartnäckig erhaltenen „ G e s c h r e i " mit Patent v o m 5. Januar 1702 mit der ausdrücklichen Feststellung entgegen, „daß der Zeit keine Devalvation des Geldes zu befürchten, sondern ein Jeder schuldig sein solle, alle die bisher gangbar geweste Geld-Sorten an Speciebus und Münze dem ausgesetzten Valor gemäss unweigerlich anzunehmen" (267). Schon Pfalzgraf Franz L u d w i g hatte in seinem letzten Regierungsjahrzehnt Medaillenund Münzstempel in Wien durch Philipp Christian v. Becker schneiden lassen. Sein Nachfolger Philipp Graf von Sinzendorf (1732—1747), dessen Regierungszeit bereits in die preußische Ära hineinreicht, beschäftigte in den Jahren 1732 und 1735, in denen er Münzen schlug (Dukaten, Halbtaler, Fünf^ehner!) außer Becker auch noch Maria Antonio de Gennaro. Auch Bischof Philipp Gotthard Fürst Schaffgotsch (1747—1795), der wieder eine etwas lebhaftere Prägetätigkeit entfaltete, blieb Wien treu; f ü r ihn arbeitete Matthäus Donner. Nach der Einverleibung Schlesiens in Preußen war von einem Münzrecht des Bischofs für den preußischen Teil des Landes natürlich keine Rede mehr. In einem Brief von 1751 teilte Schaffgotsch seinen Räten mit, „er habe erfahren, der Kaiser wolle ihm 570

seine Münzgerechtsame nicht nehmen, sondern sie solle nur soweit eingeschränkt werden, daß er gleich dem Bischof von Olmütz in den kaiserlichen Münzbänken zu Prag oder Wien prägen lassen müsse". Auch befinden sich im Prager Münzarchiv Aktenstücke, wonach der Bischof im Jahre 1777 von der Kaiserin die Erlaubnis erhielt, „aus seiner Zuckmanteler Ausbeute je 100 Stück Dukaten, Taler und Gulden zu prägen". So ist es denn erklärlich, daß wir „aus der Zeit, wo der Bischof, bei König Friedrich II. in Ungnade, flüchtig in Österreich weilte, noch Münzen von ihm besitzen, auf denen — eine seltsame Ironie des Schicksals — das Wappen mit der Kette des Ordens vom Schwarzen Adler geschmückt erscheint" (267). 2. Neufürsten Im Reich wurden seinerzeit „Fürsten" nur jene Stände genannt, die im Kollegium des Reichsfürstenrates saßen. Erst im 16. Jahrhundert wurde endgültig festgelegt, welche Häuser dazu gehörten. Seit 1582 war die Reichstagsstimme an das Territorium geknüpft. Alle später ernannten und zum Reichstage zugelassenen Fürstenhäuser hießen zur Unterscheidung von den bisherigen altfürstlichen Häusern „neufürstliche". Als „österreichische Neufürsten" gelten alle Münzherren, die innerhalb der geographischen Grenzen des österreichischen Kaiserstaates 1804 (einschließlich Böhmen und Mähren) ihren Sitz gehabt haben. Die Reichsstandschaft wurde den Neufürsten nur dann zugänglich gemacht, wenn sie sich in den Besitz eines reichsunmittelbaren Territoriums setzen konnten. „Die Neufürsten ohne Reichsstandschaft waren auf diese Weise nur Titularfürsten und standen im Range hinter den reichsständischen Grafen, zu denen alte Geschlechter wie Mansfeld oder Montfort gehörten. Die fürstlichen Münzherren Österreichs, dessen Landesherr sozusagen der einzige österreichische Altfürst war, zählen alle zu den Neufürsten, sind aber nur zum Teil bloße Titularfürsten gewesen. Mit reichsunmittelbarem Besitz ausgestattet und Inhaber von Virilstimmen waren die Auersperg, Dietrichstein, Liechtenstein, Lobkowitz, Schwarzenberg, seit 1804 auch die Esterhäzy und Windisch-Graetz, während die Colloredo, Khevenhüller und Orsini-Rosenberg auch nach ihrer Fürstung weiterhin dem Reichsgrafenkollegium angehörten. Von den gräflichen Geschlechtern gründeten die Nostitz und Sinzendorf ihre Reichsstandschaft auf reichsunmittelbarem Besitz. Bloße Titularfürsten bzw. Titulargrafen blieben die Batthyäny, Paar, Sprinzenstein und Trautson" (415). Der Erfolg der Gegenreformation bedeutete zugleich das Erstarken der landesfürstlichen Macht. Gleichzeitig damit setzen auch die Fürstungen österreichischer Münzherren ein. Der Anlaß dieser Standeserhöhung war verschieden. Unter Ferdinand II. war es die Unterstützung seines Kampfes gegen das aufständische Böhmen und den Protestantismus. Später kommt zu den Verdiensten um Staat und Dynastie auch noch der eigentliche Hofdienst in hohen und lang innegehabten Stellungen dazu. „So wird es üblich, die Erzieher der kaiserlichen Thronfolger nach dem erfolgreichen Abschluß ihrer Aufgabe in den Reichsfürstenstand aufzunehmen, wie es bei Johann Weikard Auersperg, Karl Batthyäny, Franz Orsini-Rosenberg und Johann Ferdinand Porcia der Fall war. Gerne nahm man auch die Krönungen als äußeren Anlaß zur Kreierung von neuen Reichsfürsten" (415), wie z. B. bei Paul Esterhäzy (Joseph I.) sowie Karl Batthyäny, Rudolf Colloredo und Johann Joseph Khevenhüller (Joseph II.). Der verfassungsgeschichtliche Begriff der Neufürsten ist jedoch keineswegs inhaltsgleich mit dem numismatischen. Nach dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches 571

406. Eggenberg, Hans Ulrich Fürst von, Herzog von Krumau. Taler 1629, Mzst.?

Deutscher Nation verschmolzen nämlich die eigentlichen Neufürsten allmählich mit den Grafen und Herren „zu einer Gruppe nicht mehr regierender Münzherren, die man den souverän gebliebenen Altfürsten gegenüberstellte" (415). Nun haben auch diese im Jahre 1918 ihre Souveränität eingebüßt, nur das neufürstliche Liechtenstein hat sie bewahren können. Man beginnt daher in der Numismatik den altgewohnten Begriff der „Neufürsten" langsam aufzugeben und dafür Alt- wie Neufürsten unter dem Sammelbegriff „Weltliche Herren" zusammenzufassen, dem nur mehr die „Geistlichen Fürsten" oder kürzer „Die Geistlichkeit" gegenübersteht. Was die Münzrechtsverleihung an die „Neufürsten" anlangt, so ist diese gegenüber früheren Auffassungen keineswegs eine „gleichsam automatische Folge der Fürstung" (415). Denn de jure ist das Münzrecht „immer ein kaiserliches Reservatrecht. . . gewesen und im speziellen Falle für die vom Kaiser kreierten Neufürsten, die in Österreich außerdem seiner Landeshoheit unterstanden, sicher nicht als ein aus der Fürstung erfließendes selbstverständliches Recht, sondern mehr als kaiserlicher Gunstbeweis anzusehen" (415). Es hat ja auch Reichsfürsten, wie z. B. die Kinsky, gegeben, die nie ein Münzrecht besessen haben. Andere wiederum, wie z. B. der Olmützer Kardinal Franz von Dietrichstein und die Schwarzenberg haben es erst „in einem zeitlichen Abstand von der Verleihung der Fürstenwürde erhalten" (415). Auch die Tatsache, daß das Recht an verhältnismäßig zahlreiche Grafengeschlechter verliehen worden war, zeigt, „daß darin auch in der Zeit klarer verfassungsrechtlicher Scheidungen jedenfalls kein ausschließlich fürstliches Standesrecht erblickt worden ist" (415). Als Reichsglieder waren die österreichischen Neufürsten selbstverständlich auf eine Münzung nach dem Reichsmünzfuß verpflichtet, wobei aber das Privilegium des Quentchens (s. o. S. 395f.) für sie nicht in Betracht kam, da dieses nur dem Erzhause zustand. Nach der Einführung des Konventionsfußes konnte auch die neufürstliche Münzung Österreichs nach Schrot und Korn nur in Übereinstimmung mit der kaiserlichen durchgeführt werden. Von den 29 österreichischen Neufürsten hat die überwiegende Mehrzahl, insbesondere die im 18. Jahrhundert kreierten, ihr Münzrecht nur dazu benützt, um reine Repräsentationsmünzen, kein Kurantgeld zu schlagen. Wirklich ausgenützt haben es nur die Dietrichstein, Eggenberg, Liechtenstein, Montfort, Rosenberg, Schlik, Trautson und natürlich allen voran Wallenstein. Mit Ausnahme der Rosenberg, die zwar das Recht zur Prägung kleiner Silbermünzen besaßen, es aber allen Anschein nach nicht ausgenützt haben, sondern nur seit 1582 vom Gold des Reichensteins in Schlesien Ausbeutedukaten schlagen ließen, haben die anderen der vorgenannten Gruppe auch kurantes Kleinsilbergeld geprägt. Zwei von ihnen, die Montfort und die Trautson, haben auf diesem Gebiete des Guten zu viel getan. Die Mont572

407. Rosenberg, Peter Wok, Herr von Rosenberg. Reichensteiner Ausbeutedukaten 1594

408. Montfort, Ernst Graf von Montfort. 3 Kreuzer 1747, Langenargen am Bodensee

fort gehörten überhaupt zu den Sorgenkindern der österreichischen Münzpolitik. Denn diese vorarlbergischen Grafen haben ihr Münzrecht finanziell bis zum Extrem ausgeschöpft. Nicht nur, daß sie zu Langenargen (Württemberg) minderwertige eigene Sorten schlugen, haben sie in schamloser Weise eine ganze Reihe fremder Gepräge nachgeahmt, darunter auch die kaiserlichen Fünf^ehner. Die in der Württembergischen Münz- und Medaillenkunde von B I N D E R - E B N E R beschriebenen 371 Gepräge „zeigen deutlich das Mißverhältnis auf, das zwischen der politischen Bedeutung dieses klein gewordenen Grafengeschlechtes und seiner Prägetätigkeit bestanden hat. Die Unterschiede gegenüber den neufürstlichen Münzungen in Österreich sind in die Augen springend. Bei den Montforts ist alles auf Gewinn und nicht auf Repräsentation gestellt. Die bedeutende, wenn auch unheilvolle Rolle, die sie in der deutschen und im besonderen süddeutschen Münzgeschichte noch im 18. Jahrhundert gespielt haben, trägt eindeutig geldwirtschaftlichen Charakter. Die Praktiken ihrer Münzgeschäfte wären unter österreichischer Landeshoheit um diese Zeit nicht mehr möglich gewesen und unterscheidet ihre Prägetätigkeit auch von dieser Seite her wesentlich von der ihrer österreichischen Standesgenossen" (415). Von den aus Tiroler Uradel stammenden Trautson war es der 1598 von seinem besonderen Gönner Kaiser Rudolf II. zum Reichsgrafen erhobene Freiherr Paul Sixtus, der 1615 das Münzrecht für seine Herrschaft Falkenstein erhielt und es in ähnlicher Weise geldwirtschaftlich ausnützte wie die Montfort. Auf seinem Schlosse zu Falkenstein, das an der niederösterreichisch-mährischen Grenze liegt, richtete er ein eigenes Münzhaus ein, das er, als 1619 in dieser Gegend Unruhen ausbrachen, mit kaiserlicher Erlaubnis nach Wien in sein Haus „Zum roten Rosenkranz" verlegte, auf dessen Grund sich später das Winterpalais des Prinzen Eugen in der Himmelpforte erhob. Wie „alle kleinen Münzherren ohne Land", betrieb auch er das Prägen nur als ein einträgliches Geschäft, das er ungeachtet aller Ermahnungen und Drohungen der Wiener Hofkammer bis zu seinem Tode (1621) unbekümmert fortsetzte. Er nimmt daher in der österreichischen Münzgeschichte alles eher als eine ehrenvolle Stelle ein. Seine Nachkommen haben das Münzrecht nur mehr zu Repräsentationszwecken verwendet. Ihre Prägetätigkeit besitzt wie die der meisten anderen Neufürsten des 18. Jahrhunderts keinen geldwirtschaftlichen Charakter mehr. Die Liechtenstein sind bekanntlich mit den Prägungen des böhmischen Statthalters Karl (1569—1627) in die Münzgeschichte eingetreten; obwohl er das Münzrecht bereits 1607 erhalten hatte, wurde es erst 1614 f ü r das ihm verpfändete Fürstentum Troppau ausgenützt. Die Liechtenstein sind bekanntlich „die einzigen ehemals münzberechtigten österreichischen Standesherren, die über das Ende des Römisch-Deutschen Reiches hinaus und dann als Souveräne eines bis heute selbständig gebliebenen Staats 573

409. Trautson, Paul Sixtus, Gtaf von Falkenstein. Groschen 1619, Wien

410. Wallenstein, Albrecht Eusebius Wenzel, Herzog von Friedland. Groschen 1629, Sagan

gemünzt haben" (415). Die Münzprägung der auf Karl zurückgehenden Karolinischen Linie trägt alle Merkmale der v o r Leopold I. liegenden neufürstlichen Münzung. Sie geht in der hauseigenen Münzstätte vor sich, ist von namhaftem Ausmaße und bevorzugt die gewinnbringende Prägung kleiner Münzsorten. Sie steht damit in striktem Gegensatze zu der im engeren Sinne österreichisch-neufürstlich zu nennenden Münzung, der auf Karls Bruder Gundacker (1585—1658) zurückgehenden Gundackerschen Linie, die charakteristischerweise durch eine Zäsur von 100 Jahren von der ersteren getrennt ist, nach Umfang und Sorten ein anderes Bild zeigt und nicht mehr in der eigenen Münzstätte, sondern in der kaiserlichen in Wien vor sich gegangen ist. In neuerer Zeit prägten die Liechtenstein bis einschließlich 1915 in Wien, 1862 Vereinstaler, 1898—1915 die Silber- und Goldstücke der österreichischen Kronenwährung. Seit 1924 lassen sie ihre Münzen in diesen beiden Metallen in der Berner Münze nach dem Fuße der Schweizer Frankenwährung herstellen. Das Münzrecht des kaiserlichen Generalissimus, Reichsfürsten und Herzogs von Mecklenburg Albrecht von Wallenstein (1583—1634) gründet sich auf die 1622 vom Fiskus erkaufte, 1624 zum Fürstentum erhobene und 1625 mit dem Herzogstitel ausgestattete Herrschaft Friedland in Nordböhmen und das 1627 erworbene schlesische Herzogtum Sagan. In beiden hat der „immer geldbedürftige Herzog — um mit Schiller zu reden — ,Geld wie der Ferdinand' geschlagen". Seine Münzstätten waren Jicin (Gitschin), die Hauptstadt der Herrschaft Friedland, und Sagan. Möglicherweise hat er auch in Eisleben geprägt. Die Münzung entsprach der politischen Bedeutung des Münzherrn: vom Zehnfachen Dukaten (als Talerabschlag) bis zum einseitigen halben Kreuzer sind alle für den Umlauf wichtigen Nominale vertreten, darunter auch Klippen-, auch Raitpfennige gibt es — bei dem Umfange der Wallensteinischen Herrschaften und Güter für die Beamten eine Notwendigkeit. Daß der Friedländer gleich Liechtenstein auch dem „Münzkonsortium" angehört hat und dessen Initiator, Hans de Witte, sein Bankier war, gehört mit zum Bilde dieser komplexen Persönlichkeit (s. o. S. 428). Keine der vorgenannten Familien hat den Rahmen des üblichen Münzwesens der vorleopoldinischen Zeit gesprengt, sondern alle sind von der umwälzenden Tat ausgegangen, die eine aus ihren Reihen gesetzt hat: die Grafen von Schlik mit ihrer TalerprägungÜber die — man kann sagen — weltweiten Folgen dieser Großsilbermünze ist in diesem Buche bereits eingehend gehandelt worden (s. o. S. 399f.). Dagegen haben neuere Forschungen von Karel CASTELIN über ihre Entstehung unbekanntes archivalisches Material ans Tageslicht gebracht, das einer kurzen Erwähnung wert ist. In einer Urkunde vom 25. Januar 1520 haben sich die Brüder Stephan, Burian, Hieronymus, Heinrich, Wolf und Laurenz Schlik verpflichtet, den Herren Zdenko Lev von Rozmital, Ladslo von 574

411. Schlik, Graf Stefan und seine Brüder. Taler o. J. Joachimsthal

Sternberg und Hans Pflug von Rabstein sowie deren Nachkommenschaft „von allem Silber, welches zu Joachimsthal oder auf den angrenzenden Gründen gegraben oder vermünzt werden würde, von jeder Mark gewöhnlichen Gewichtes sieben böhmische Groschen zu geben, falls es beim König Ludwig erreicht werde, daß man bei diesen Bergwerken böhmische Groschen und solche Münzen, wie sie im Sachsenlande gemünzt werden, prägen dürfe. Dabei wünschten die Herren Schlik, man möge ihnen gestatten, ein Drittel ihres Silbers auf böhmische Groschen, zwei Drittel nach sächsischem Fuße vermünzen zu dürfen" (238). Diese Urkunde hat schon Eduard F I A L A gekannt, der in einer größeren Abhandlung das Münzwesen der Grafen auf Grund archivalischer Quellen bearbeitete. König von Böhmen war damals der erst vierzehnjährige Ludwig II. aus dem Hause Jagello, ebenso wie sein schwacher Vater Wachs in den Händen eigennütziger Ratgeber. Die Schlik hatten daher von der feudalen Mehrheit des böhmischen Landtags keine Ablehnung zu befürchten. Die erwähnte Urkunde war aber nur der Schlußpunkt einer schon früher eingeleiteten Angelegenheit und gewissermaßen deren formale Beendigung. Der Landtag hatte nämlich dem Ansuchen der Joachimsthaler Grafen schon am 9. Januar 1520 zugestimmt. Der König aber, der sich weitab zu Ofen aufhielt und dem die Entscheidung rechtlich zustand, war nicht einmal befragt worden. Die politische Lage war um diese Zeit für das Ansuchen der Schlik ungemein günstig. Böhmen stand damals am Rande eines Bürgerkrieges zwischen Adel und Städten. Das Joachimsthaler Silber war eine neue Einkommensquelle für ein Geschlecht aus dem Kreis der „Herren"; aus einer Unterstützung des Ansuchens konnten „auch andere einflußreiche Landherren Nutzen ziehen, der ganze Landadel gewann dadurch, wenn einer der ihrigen aus einer neuen Einkunftsquelle weitere Truppen gegen die verhaßten Städte werben und ins Feld schicken konnte" (110). Diese Spekulation war richtig: bei den sozialen Kämpfen des Jahres 1525 hatten die Schlik und ihre Parteigänger bereits eine beträchtliche Streitmacht von 2500 Söldnern zu ihrer Verfügung. Dafür aber ging die Voraussetzung für die dem Landeshauptmann Zdenko Lev von Rozmital und seinen Freunden zugesagte Provision nicht in Erfüllung: aus nicht bekannten Gründen konnte der junge König nicht zur Bestätigung des Landtagsbeschlusses bewogen werden. Ludwig entließ sogar 1522 den Landeshauptmann aus seinem hohen Amte; damit aber „schwand die letzte Gelegenheit zu einer schriftlichen Bestätigung der Münzprägung der Schlik, die bloß stillschweigend geduldet wurde. Dies hinderte die Schlik jedoch keineswegs, in den Jahren 1520 bis 1526 Millionen ihrer berühmten Taler mit dem Heiligen Joachim prägen zu lassen" (110). Als Ferdinand I. von Österreich nach dem Tode seines Schwagers Ludwig II. von Ungarn-Böhmen in den Besitz dieser beiden Länder gelangte, bestritt er die Rechtmäßigkeit des erwähnten Landtagsbeschlusses über 575

die Münzprägung der Grafen Schlik in Joachimsthal, da er darin einen Eingriff in die Rechte der Krone erblickte. Die Stände mußten die den Schlik erteilte Prägeerlaubnis widerrufen. „Schließlich kam es zu einem Vergleich, der die Fortführung der Münzung weiterhin wenigstens im Namen des Königs möglich machte. Da sich die Familie Schlik aber während des Schmalkaldischen Krieges auf die Seite der Gegner Ferdinands I. stellte, wurde sie nach dem Siege bei Mühldorf (1547) abgeurteilt und verlor den Großteil ihrer Besitzungen einschließlich der Bergwerke und Münze von Joachimsthal, das nun für immer landesfürstliche Münzstätte wurde" (415). Achtzig Jahre lang gab es keine Münzen dieses Geschlechtes. Erst Ende 1627 erschienen sie wieder. Es war der „berühmte Kriegsmann und kaiserliche Feldmarschall Heinrich von Schlik (f 1650), der als tatkräftiger Parteigänger der Gegenreformation die hohe Gunst Ferdinands II. und von diesem 1626 die später von Ferdinand III. wiederholte Bestätigung verschiedener Familienprivilegien, unter denen sich auch das gefälschte Münzrecht von 1438 befand, erlangte" (415). In der von Stephan schon 1517 erworbenen Herrschaft Plan entfaltete er eine sehr lebhafte Prägetätigkeit. Der von ihm „inaugurierte zweite Typus der Schlik'schen Münzprägung unterscheidet sich darstellungsmäßig von der ersten selbständigen der Jahre 1520—1528 im wesentlichen nur dadurch, daß an Stelle des nicht mehr aktuellen Hl. Joachim nunmehr die Hl. Anna selbdritt und an Stelle des böhmischen Löwen der kaiserliche Doppeladler tritt. Dabei ist es dann bis zum Ende der Schlik'schen Münzprägung überhaupt geblieben" (415). Seit 1677 wurde von Heinrichs Enkel Franz Joseph (1656—1746) in Prag geprägt. Es gab aber nunmehr keine regelmäßigen Emissionen mehr; die Prägetätigkeit dieser dritten und letzten Periode „weist daher alle Kennzeichen auf, die der neufürstlichen Repräsentationsprägung zukommen". Mit dem Grafen Leopold Heinrich (1729—1770), Geheimen Rat und Ministerialbancodeputations-Vizepräsidenten endet im Jahre 1767 die Münzung der Grafen Schlik mit einem Dukaten und Taler dieses Jahres aus der Münzstätte Prag. Zum Schlüsse sei noch kurz einer Besonderheit im Titel der aus Italien stammenden Grafen von Sprinzenstein gedacht: auf den Münzen des Grafen Franz Ignaz (1639—1705) und seines Neffen Johann Ehrenreich (1667—1729) aus den Jahren 1705 und 1717 findet sich nämlich der Titel ARCHIMONETARIUS HAEREDITARIUS UTRIUSQUE (ARCHIDUCATUS) AUSTRIAE oder Oberst-Erblandmünzmeister im Erzherzogtum unter und ob der Enns, das unter allen historischen Ländern Österreichs allein zu einem Münzmeister-Erbamte gelangt ist. Der erste, der dieses von Ferdinand III. geschaffene Hofamt bekleidete, war der uns schon bekannte besondere Günstling dieses Kaisers Johann Konrad Richthausen von Chaos, der zuletzt Oberstkammergraf in den niederungarischen Bergstädten war. Es scheint aber damals nur eine ad hoc geschaffene Würde gewesen zu sein, deren Verleihungspatent übrigens nicht erhalten ist. Die zweite Verleihung erfolgte dann fast gleichzeitig mit der Verleihung des Münzrechts an die Sprinzenstein im Jahre 1672 durch Leopold I. Das neue Erbamt wurde nur bei den Erbhuldigungen ausgeübt: es waren die fünf der Jahre 1705 (Joseph I.),.1712 und 1732 (Karl VI.) sowie 1743 (Maria Theresia, Wien und Linz). Da ein verspätetes Ansuchen um Belehnung den Verlust des Amtes nach sich zog, fiel es 1788 an die Grafen von Pergen, die es bis zum Tode des Grafen Johann Anton (1902) als Lehensträger behaupteten. Nur in Böhmen hatte es etwas Ähnliches im „Obersten Münzmeister" gegeben, nur daß diese Würde kein Hof- und Erbamt, sondern eine tatsächlich ausgeübte Funktion war. Der Amtssitz war der „Wälsche Hof" in Kuttenberg. 576

3. Siebenbürgen Es wurde schon im Kapitel über die Entwicklung der Numismatik (s. o. S. 107) angedeutet, wie stiefmütterlich die Münzkunde und Geldgeschichte dieses Landes in der numismatischen Literatur behandelt wurde. Wir haben wohl zwei, sogar ausgezeichnete deskriptive Werke über die Münzen und Medaillen Siebenbürgens: den Katalog der großartigen Sammlung des Fürsten M o n t e n u o v o und dann — diese berücksichtigend — die Beschreibung von Adolf RESCH. Beiden verdienstvollen Werken fehlt jedoch die wissenschaftliche Untermauerung; es sind bloß Kataloge, dem Sammler unentbehrlich, dem Geldhistoriker hingegen ungeformtes Material. Ähnlich ist es auch um die Geschichtsschreibung des Landes bestellt: wir besitzen keine Landesgeschichte, sondern nur eine Geschichte der Siebenbürger Sachsen von ihrem Bischof Georg Daniel TEUTSCH. Die Fürsten aber — und gerade um diese als Regenten und Prägeherren geht es ja in der Numismatik — sind nur insoweit erwähnt, als mit ihnen das sächsische Schicksal verbunden war. Das war natürlich während der ganzen Dauer dieses Fürstentums von des Sultans Gnaden der Fall. Doch außer den Sachsen, die allerdings eine kulturell am höchsten entwickelte und sogar mit einem Eigen-Landrecht (1583) bewidmete „Nation" bildeten, gab es noch die ungarische Nation und die Szekler. Mithin kann man durch die Geschichte der Sachsen keineswegs eine Geschichte des Landes Siebenbürgen ersetzen. Wir erinnern uns, daß Johann Zäpolyai nach dem Friedensschluß von Groß wardein im Jahre 1538 auf Lebenszeit als König von Ungarn und Dalmatien anerkannt worden war. Sein Gegner und rechtmäßiger Beherrscher Ungarns Ferdinand I. erhielt vorerst nur die Gebiete westlich der Theiß sowie Kroatien und Slawonien. Nach dem Tode des Gegenkönigs sollte der Habsburger Restungarn nebst Siebenbürgen erhalten, während Zäpolyais Sohn Johann Sigmund mit dem Herzogtum Zips abgefunden werden sollte. Die Gegenpartei Ferdinands hielt sich indessen nicht an den Vertrag: als Johann Zäpolyai 1540 starb, entbrannte ein siebenjähriger Kampf, der mit der Zerreißung Ungarns in drei Teile endete: im Osten herrschte Zäpolyais Witwe Isabella von Polen mit ihrem minderjährigen Sohne, im Westen Ferdinand I., die Mitte aber stand unter der Gewalt des Sultans, an den Ferdinand ein jährliches Geschenk von 30.000 Dukaten senden mußte, die von der Kremnitzer Münze bestritten wurden. Der Kampf Habsburgs um Siebenbürgen aber war damit noch lange nicht zu Ende; er dauerte, wenn auch von längeren Perioden des Friedens unterbrochen, im Grunde bis zur endgültigen Abtretung des Landes an Kaiser Leopold I. im Jahre 1690. Der Verlauf dieser Kämpfe, in denen die Kaiser, wenn auch nur für wenige Jahre, immer wieder in den Besitz Siebenbürgens gelangten, sind nicht Gegenstand dieses Buches. Es sei nur soviel erwähnt, daß infolge dieser immer wieder aufflackernden Kriege die Grenzen Siebenbürgens ebenso unbeständig waren wie das Kriegsglück. Es wurde übrigens schon da und dort angedeutet, daß siebenbürgische Fürsten mitunter in Kremnitz und Nagybänya und anderen kaiserlichen Städten münzten: das zeigt klar und deutlich, daß die Fürsten von Siebenbürgen, die sich ihrer Abstammung nach als Ungarn fühlten, insgeheim oder offen nach der Krone des hl. Stephan strebten. Gabriel Bethlen hat sich auf seinen Münzen als ELECTUS REX HUNGARIAE bezeichnet, die Krone aber hat er nie erhalten. Und gleich ihm haben insbesondere die Räkoczi als Parteigänger feindlicher Mächte die Habsburger in Ungarn zu entthronen versucht. Im Jahre 1542, zwei Jahre nach dem Tode Johann Zäpolyais, hielten die siebenbürgischen Stände zu Torenburg einen Landtag ab, „um die Verfassung festzustellen und den 5 77

412. Siebenbürgen, Johann Sigismund Zäpolyai. Nottaler 1565 (eins.), Mzst.?

Staat zu organisieren" (1048). Siebenbürgen wurde nunmehr als selbständiges Fürstentum eingerichtet. Zwischen 1551 und 1556 kam das Land unter die Herrschaft Ferdinandsl. Er prägte in diesen Jahren, wie das Stadtwappen zeigt, zu Hermannstadt in Gold Dukaten ; in Silber aber 1552, in Klippenform und rund einseitige Nottaler von verschiedenem Gewicht. Sie zeigen bloß den einköpfigen Königsadler. Auch Denare wurden ausgegeben. Nach dem erzwungenen Abzug der königlichen Truppen wählten die Landstände neuerlich Johann Sigmund Zäpolyai zu ihrem Fürsten. Auf einem Landtage zu Klausenburg 1556 wurde dann endgültig die neue Staatsform Siebenbürgens festgesetzt: es war bis 1690 ein selbständiges Wahl-Fürstentum, vom ungarischen König völlig unabhängig, das dagegen unter der obersten Schutzherrschaft des türkischen Sultans stand. „Geregelt wurde dieses Verhältnis durch den von Sultan Sulejman den Großen 1566 dem Johann Sigmund ausgestellten Schutzbrief (Athnamé), worin der Sultan gelobte, die Freiheit des Fürsten und Siebenbürgens zu achten und zu schützen, die freie Fürstenwahl zu garantieren. Dafür sollte Siebenbürgen den Sultanen einen jährlichen Tribut von 10.000 (später 15.000) Goldstücken zu entrichten haben" (1048). Wie es um diese „Freiheit" bestellt war, gehört allerdings auf ein anderes Blatt. Der Wahlfürst sollte konstitutionell regieren ; aber auch das war meist nur eine schöne Phrase. Insbesondere die Siebenbürger Sachsen wußten von der fürstlichen Auslegung dieser Bestimmung ein Lied zu singen, vor allem unter der Schreckensherrschaft des grausamen Gabriel Bäthory (1607—1613). Dieses Geschlecht hat dem Lande eine ganze Reihe von Fürsten gegeben: Stephan, Christoph, Sigmund und den Tyrannen Gabriel, der dann auf der Flucht von seinen eigenen Leibwächtern erschlagen wurde. Auch eine Frau hat während der Herrschaft dieser Familie im Jahre 1577 in Gold und Silber geprägt: Elisabeth Bocskai, die Gattin Christoph Bäthorys. Die vier Männer dieser Familie waren nach dem Tode des letzten Zäpolyai, Johann II. Sigmund, zu Fürsten gewählt worden. Ihr Stammsitz war jenes Szilägy-Somlyö, wo im Jahre 1797 der berühmte Goldschatz mit spätrömischen Goldmedaillons und Goldgeräten gefunden worden war. Von dem vielköpfigen Drachen, welcher der Sage nach im sogenannten „Drachenloch" hauste und von einem Bäthory erlegt worden sein soll, stammen der Überlieferung nach die drei Drachenzähne im Wappen dieses unbändigen Geschlechts. Der erste siebenbürgische Fürst dieser Familie, Stephan (1571—1576), wurde zum König von Polen gewählt (1576—1586); er hat daher in Siebenbürgen selbst nur wenig gemünzt, obwohl er während der Regierung seines Bruders Christoph (1576—1581), sich eine gewisse Ingerenz auf sein Stammland vorbehielt, weshalb sich sein Bruder auf den Münzen nur „Woiwode" (Statthalter), aber nicht „Fürst" nannte. Dagegen gibt es 1585/86 polnische Dukaten und Taler aus der kaiserlichen Münzstätte Nagybänya, die der Admini578

413. Siebenbürgen, K. Rudolf II. Dukaten 1598, Klausenburg

414. Siebenbürgen, K.Rudolf II. Dukaten 1605, Hermanns tadt

strator Felizian Freiherr von Herberstein hier aus Gefälligkeit für den Polenkönig prägen Heß. Die Taler haben polnischen Charakter, die Dukaten hingegen den altungarischen mit Madonna und St. Ladislaus. HUSZÄR hat in der Einleitung zu seiner kleinen, aber inhaltsreichen Schrift über die Münzen der Bathorys mit Recht hervorgehoben, daß die Eigenheit der siebenbürgischen Münzen, durch die sie sich auf den ersten Blick von denen anderer europäischer Fürsten unterscheiden, der Münzstil sei. Besonders in den Fürstenbildnissen. Im Westen, sagt er, seien die Stempelschneider im allgemeinen in ihrem Fach erfahrene und geübte Künstler gewesen; in Siebenbürgen schnitten die an eine andere Formensprache gewöhnten Goldschmiede die Stempel und mußten als Porträtisten naturgemäß versagen, dagegen waren sie beflissen in der Darstellung der Harnische der Fürsten die Details mit minuziöser Sorgfalt herauszubringen. Auch die Stempelschneider Erzherzog Ferdinands von Tirol haben insbesondere auf den Talern die künstlerische Meisterschaft der Innsbrucker Plattnerschule wiederzugeben versucht. Doch wenn auch infolge des riesigen Umfanges der damaligen Talerproduktion der eine oder andere Stempel etwas daneben geraten ist, bleibt selbst auf den nicht ganz gelungenen Stücken ein himmelweiter Unterschied zu den Porträts der Taler der Bäthory und zum Teil auch ihrer Nachfolger bestehen: in Tirol manifestiert sich eine ganz große westliche Kultur, in Siebenbürgen ein exotischorientalischer, fast barbarischer Prunk. Dieser Unterschied zwischen Ost und West wird besonders deutlich, wenn man z. B. die in ungarischen Münzstätten, z. B. in Kremnitz geschlagenen Taler Gabriel Bethlens mit jenen aus Kaschau und vor allem mit jenen der Bathorys vergleicht. Der Darstellungsmodus der geharnischten Brustbilder ist überall der gleiche, es fehlt auch nicht die charakteristische ungarische Haartracht mit dem emporstehenden Schopf über der Stirne, falls das Haupt nicht mit Kaipak samt Reiherbusch bedeckt ist. Vielleicht ist an dieser Vernachlässigung der künstlerischen Ausstattung der Gepräge auch der Umstand mit schuld, daß die Fürsten in den Jahren von 1538 bis 1690 einmal da, einmal dort — wie es eben die Ereignisse mit sich brachten — insgesamt an mehr als zehn Städten prägten: darunter Nagybänya, Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg, Weißenburg, Kaschau, Schäßburg, Fogarasch, Bistritz, Kremnitz etc. Auch die vielen Verschiedenheiten der Bdthorj-Taler zeigen diese Unruhe. Es gibt neben den normalen runden viele Klippen und Zainbänder, darunter eines von Sigesmund Bathory, worauf sich gleich drei Taler des Jahrganges 1593 anscheinend von verschiedenen Stempeln befinden (ich kenne nur die Lithographie bei Resch, Tafel 9, aber leider keine photographische Wiedergabe). Dieses und andere Gepräge aber beweisen, daß an Stelle der alten Hammerprägung nunmehr auch in Siebenbürgen mit Hilfe eines Druckwerkes geprägt wurde. 579

Die Bäthory haben eine ansehnliche Münzreihe hinterlassen, darunter sehr viel Gold vom einfachen bis zum zehnfachen Dukaten (Abschläge von Stempeln der Silbernominale, die eigens für besondere Zwecke hergestellt wurden). Aber auch viel Kleingeld wurde geprägt, seit Sigmund nach polnischem Muster vor allem Dreigröscher (Dutka) und Solidi (Schillinge). Die unmittelbare Nachbarschaft Polens und seine minderwertigen Münzen aber hatten nicht erst seit den Tagen, da Stephan Bäthory dort König war, auf den Münzumlauf in Ungarn und Siebenbürgen oft verheerend eingewirkt. Sigmund Bäthory hatte 1595 mit Kaiser Rudolf II. ein Bündnis gegen die Türken geschlossen und diese in der Walachei besiegt. Infolgedessen nennt er sich seit 1596 auf den Münzen Reichsfürst, Fürst von Siebenbürgen, Moldau und der Walachei. 1598 trat dann der ewig Rastlose sein Land an den Kaiser ab, kehrte.aber bald wieder zurück und übergab Siebenbürgen dann ein zweitesmal an Rudolf, der 1598 und 1602—1605 in Siebenbürgen prägte, jedoch nur in Gold. Auch die Stadt Hermannstadt gab 1605 eigene Gold- und Silbermünzen heraus. Der kaiserliche Statthalter Georg Basta aber brachte das Land durch seine Grausamkeit in Aufruhr und mußte es, von Stephan Bocskay besiegt, wieder aufgeben. Dieser, ein Oheim Sigmund Bäthorys, wurde von den Aufständischen zum Fürsten ausgerufen und erhob mit militärischer Unterstützung durch den Großwesir, der Gran und andere ungarische Städte eroberte, die Waffen gegen den Kaiser. Zuerst wurde nach blutigen Kämpfen mit Bocskay zu Wien und 1606 zu Zsitvatorok mit den Türken ein Frieden geschlossen; in diesem wurde zum ersten Male die Gleichberechtigung des Kaisers vom Sultan anerkannt und statt des früher ausbedungenen jährlichen Tributes ein einmaliges Geldgeschenk vereinbart. Bocskay, der in den Jahren 1604—1606 als Fürst von Siebenbürgen und Graf der Szekler reichlich geprägt hatte, starb knapp nach dem Wiener Friedensschlüsse. Seine Dreigröscher nach polnischem Typus wurden noch bis einschließlich 1609 weitergeschlagen. Sein Nachfolger Sigmund Räköczi, von dem nur ganz wenige Gepräge aus den Jahren 1607 und 1608 existieren, trat infolge seines hohen Alters zurück, worauf der grausame Gabriel Bäthory gewählt wurde, der reichlich münzte. Im Kampfe gegen ihn hat auch die Stadt Kronstadt unter ihrem wackern Richter Michael Weiß in den Jahren 1612—1614 eigene Münzen in Gold, Silber und auch (wohl notgedrungen) in Kupfer prägen lassen, die alle das Stadtwappen (eine auf einem wurzelreichen Baumstumpf aufsitzende Krone) tragen. Gabriel Bäthory wurde 1613 erschlagen. Im selben Jahre war vom Sultan Gabriel Bethlen zu seinem Gegenfürsten erhoben und bald darauf auch von den Ständen gewählt worden. Mit ihm betritt der vielleicht profilierteste aller siebenbürgischen Fürsten den Schauplatz der Geschichte. Schwer wiegt das Urteil eines sächsischen Chronisten über ihn, als er schon 1629, kaum fünfzig Jahre alt, verstarb: „Er ließ das Land besser erbaut, als er es funden." Er war für die Protestanten gegen die gegenreformatorischen Bestrebungen Ferdinands II. in den Kampf gezogen, hatte dabei fast ganz Ungarn, soweit es nicht unter dem Türkenjoch schmachtete, erobert und stand 1619 bei Schwechat schon knapp vor den Toren Wiens, als er zum Rückzug gezwungen wurde. In Preßburg wurde er dann zum Fürsten von Ungarn erwählt, dessen Krone er auf dem Reichstag in Neusohl inmitten der niederungarischen Bergstädte im Jahre 1620 annahm. Er begnügte sich aber, ohne gekrönt zu werden, mit dem Titel eines erwählten Königs, den er auch auf seine Münzen setzte. In den Jahren 1613—1620 hat Bethlen in Hermannstadt, Klausenburg und Karlsburg als PRINCEPS TRANSILVANIAE geprägt; 1620—1625 als ELECTUS HUNGARIE, DALMATIAE, CROATIAE, SCLAVONIAE REX, TRANSILVANIAE PRINCEPS ET SICULORUM COMES in Karls580

415. Siebenbürgen, IC Rudolf II. Taler 1605, Hermannstadt

416. Siebenbürgen, Gabriel Báthory. Taler 1609, Nagybánya

^ÍNÍL**;

417. Siebenbürgen, Gabriel Bethlen. Dukaten 1614, Mzst.?

418. Siebenbürgen, Gabrile Bethlen. Schautaler 1619, Hermannstadt

419. Siebenbürgen, Georg II. Räköczi. Taler 1649, N. B. (Nagybänya)

bürg, Kremnitz, Nagybänya, Schlesien, Kaschau und Munkäcs; 1625—1629 als IMPERII ET TRANSILVANIAE PRINCEPS, PARTIUM REGNI HUNGARIAE DOMINUS,

SACRI

SICULORUM

COMES AC OPULIAE ET RATIBORIS DUX in Nagybänya, Kaschau und an unbekannten Orten. Der Fürst hatte bekanntlich in den beiden schlesischen Fürstentümern, die ihm im Nikolsdorfer Frieden von 1621 zugesprochen worden waren, 1622/23 ebenfalls gemünzt. Merkwürdigerweise führte er den Herzogstitel erst in der erwähnten dritten Münzperiode, als er im Wiener Frieden von 1624 den Besitz von Oppeln und Ratibor bis auf den Titel schon preisgegeben hatte. Diese Machtfülle — besaß er doch außer Siebenbürgen auch noch „partes Hungariae", das heißt sieben ungarische Komitate und als Pfandbesitz Munkäcs und Ecsed — erklärt auch Bethlens umfangreiche Prägetätigkeit; R E S C H verzeichnet in seinem Hauptwerk 520 Nummern, wozu im Nachtrag noch fast ebenso viele Ergänzungsnummern kommen. Dementsprechend war auch eine erkleckliche Anzahl von Münzstätten, wenn auch nicht dauernd, in Betrieb: außer Schlesien waren es Hermannstadt, Kaschau, Karlsburg, Klausenburg, Kremnitz, Nagybänya, Munkäcs, vielleicht auch Trentschin; dazu kommt noch ein Taler mit dem Münzzeichen H-L des Teschner Münzmeisters Hans Lorenz, dessen Vorkommen auf einer Münze Bethlens allerdings ungeklärt ist. Bei der engen Verzahnung seiner Politik mit der des Westens ist es erklärlich, daß Bethlen nicht umhin konnte, auch die Kipperei sowohl in Schlesien als auch in seinem Stammlande mitzumachen. Sie zeigt sich vor allem in den breiten Groschen mit dem ungarischen Wappen mit Bethlenschem Herzschild und der Madonna, deren Gewicht von 2,21 Gramm im Jahre 1620 auf 1,42 Gramm im Jahre 1624 in Nagybänya und 1,79 Gramm in Kaschau gesunken war. Die schlechten Münzen und ihre wiederholte Wertverminderung brachten dem Lande große Verluste. Nach Bethlens Tod schlug seine Witwe Katharina von Brandenburg und Gabriels Bruder Stephan im Jahre 1630 Dukaten. Obwohl zum Fürsten gewählt, mußte Stephan noch im selben Jahre zugunsten Georgs I. Räköczi (1630—1648) abdanken. Dieser setzte den von Bethlen begonnenen Kampf gegen das Kaiserhaus fort und verband sich mit Frankreich und Schweden gegen Ferdinand III., den er im Frieden von Linz zur Abtretung ungarischer Gebietsteile zwang, was sich im Titel der Münzen von Vater und Sohn wie schon bei Bethlen äußert. Georg I. hatte in diesem Frieden auch für sich die sieben ungarischen Komitate gefordert, die sein Vorgänger erhalten hatte, wobei nach seinem Tode die diesseits der Theiß gelegenen wieder an den Kaiser zurückfallen, während Szatmär und Szabolcs seinem Sohne Georg II. bleiben sollten. Die Feldzüge gegen den Kaiser wurden zum Teil auch mit jenem Golde geführt, das die Räköczi in der kaiserlichen Münzstätte Nagybänya prägen ließen. Die Münzstätte

420. Siebenbürgen, Achatius Barcsay. Taler 1659, Mzst.?

fiel erst nach dem Tode Georgs II. (1660) vertragsmäßig an Ungarn zurück. Ihre Lage aber blieb auch weiterhin unsicher, „da die Wogen der siebenbürgischen Kämpfe wiederholt über die Bergorte schlugen". Übrigens hatten auch die Malkontenten Franz II. Räköczis 1703 diese Montangegend besetzt, wo sie bis zum Frieden von Szatmär im Jahre 1712 ebenfalls münzten. Georg II. (1638—1640) richtete seine Politik gegen Polen, dessen Krone er anstrebte, weshalb er sich mit Schweden verbündete. Er erlitt jedoch eine so vernichtende Niederlage, daß er, nach Siebenbürgen zurückgekehrt, zugunsten Franz Redeys für kurze Zeit abdanken mußte, der jedoch bald zurücktrat. Münzen gibt es keine von ihm. 1658 wurde er dann von der Pforte zum Fürsten ernannt, der von 1658 bis 1660 zu Hermannstadt (wo Belagerungsmünzen entstanden), Klausenburg, Kronstadt und Schäßburg münzte. Gleichzeitig mit ihm setzte auch Georg II. seine Prägetätigkeit fort, bis er 1660 an den im Kampf gegen die Türken erlittenen Wunden starb. Für Siebenbürgen waren diese Jahre ein „Schrecken ohne Ende"; der türkische Einfluß hatte damals seinen Höhepunkt erreicht. „Der Sultan sprach es offen aus, es sei sein Erbland; ebenso unverhohlen erklärten die Stände, daß sein Bestand nächst Gott von der Bewerbung um die Gunst der Türken abhänge" (1152). Achatius Barcsay (1658—1660) wurde auf Betreiben seines Nachfolgers Johann Kemeny (1661/62) ermordet. Kemeny (1661/62) wurde zwar gewählt, aber vom Sultan nicht bestätigt. Er kämpfte gegen diesen mit Hilfe kaiserlicher Truppen, fiel aber schon 1662. Es gibt nur ganz wenige Gepräge von ihm, die in Klausenburg und Schäßburg entstanden. Natürlich fehlen auch unter ihm die hohen Dukaterrwci&c nicht, die ja überhaupt ein Spezificum der fürstlichen Münzung in Siebenbürgen darstellen. Ohne sie ist die Diplomatie jener Zeiten gar nicht denkbar; aber auch für die bestellten Meuchelmörder brauchte man sie. Den Höhepunkt dieser Goldverschwendung erzielte aber der letzte Wahlfürst Michael Apaffy (1661—1690), der vier verschiedene Stücke zu 100 Dukaten und 1677 eines zu 50 Dukaten prägen ließ, das vom gleichen Stempel stammt wie das 100-DukatenStück der Wiener Bundessammlung. Von den bisher bekannten 100 Dukaten von 1674, 1675 und 1677 zeigt das von 1674 in der Mitte einen Talerabschlag, der von 10 Dukatenabschlägen umgeben ist; die beiden anderen haben eigene, das ganze Rund ausfüllende Stempel. Nun ist jüngst ein viertes Exemplar aus dem Jahre 1683 aufgetaucht, das die gleiche Anordnung von einem Taler im Dukatenkranz zeigt wie das Stück von 1674. Der Fürst gefiel sich überhaupt in merkwürdigen Münzformen; so gibt es von ihm stern- und halbmondförmige Goldstücke, was deutlich auf die nahen Beziehungen zu Konstantinopel hinweist. Die Türken und Tataren, die neben der Pest im Lande hausten, dürften nicht wenige dieser seltsam geformten Goldstücke erhalten haben. 583

421. Siebenbürgen, Johann Kemény. Sechseckiger Dukaten 1661, Mzst.?

Es gibt aber auch eine sechsfache viereckige Talerklippe in Silber vom Jahre 1668, daneben aber auch Belagerungsmünzen von Hermannstadt. Geprägt wurde hier unter anderen zu Fogaras, Klausenburg und Kronstadt. Auch zu Marosväsarhely soll unter Apaffy gemünzt worden sein. Neben dieser protzigen Zurschaustellung des Reichtums gibt es auch kleineres Kurantgeld in der Form von Zwölfern und Sechsern (= Groschen 6 ungarischen Denaren). Es waren dies die kleinsten Nominale. Ihre zahlreichen Stempelvarianten zeigen, daß sie in großen Mengen ausgegeben wurden. Dieser letzte und dabei wohl prachtliebendste Fürst ist zugleich der schwächste unter den Herrschern Siebenbürgens gewesen. „Sein Schatz war stets in Not! Das Silber für neu zu verfertigendes Geschirr mußte er den Schäßburger Goldschmieden auf die neue Steuer anweisen. Zum Zins nach Konstantinopel borgte er Geld von den Türken. Aus Mangel an Futter bewog er die Sachsen zur Überwinterung seiner Hofpferde, selbst das Münzrecht überließ er an Hermannstadt, Kronstadt, Broos und Enyed, an Bistritz und Neumarkt" (1152). In Siebenbürgen selbst begann man allmählich zu erkennen, „daß auf diesem Weg der Untergang unvermeidlich sei. In Wien wieder erkannte man, daß Ungarn unmöglich zu gewinnen sei, wenn nicht Siebenbürgen gewonnen werde. So knüpften Apaffy und die Stände Verbindungen mit Leopold I. an, der einen Vertrauten mit Vorschlägen nach Siebenbürgen schickte, doch fürchtete das Land die Türken ebenso wie von Leopold Gefahr für die protestantischen Kirchen. Die Frage kam ins Rollen, als 1683 der weltgeschichtlich bedeutsame Niedergang der Türken vor den Mauern Wiens begann." Die siegreiche Abwehr der Belagerer bedeutete nichts weniger als den Anfang der Befreiung Ungarns und Siebenbürgens von fast anderthalb Jahrhunderten Türkenjoch, die in den Siegen des Prinzen Eugen von Savoyen gipfelte. Der alte Apaffy, der „türkische Paschagewohnheiten nachahmend im Zorn mit dem Streitkolben nach seiner Umgebung schlug", war 1690 gestorben. Als Haupt der aufständischen Ungarn wurde Emmerich Thököly von der Pforte zum Fürsten ernannt und vom Landtag auch dazu erwählt, jedoch noch im selben Jahre von den siegreichen kaiserlichen Truppen samt den Türken aus dem Lande verjagt. Thökölys Goldstücke mit seinem Brustbild und Wappen von 1683 und 1690 sind die letzten Münzen des selbständigen Siebenbürgen; wo sie geschlagen wurden, ist unbekannt. Schon nach der diesmal siegreichen zweiten Schlacht bei Mohäcs im Jahre 1687 hatte der gewandte kaiserliche General Johann Graf Caraffa die Stände Siebenbürgens dazu 584

422. Siebenbürgen, Michael Apaffy. Taler 1666, Mzst.?

gebracht, dem Bündnis mit der Türkei zu entsagen und den Kaiser als ihren Schutzherren anzunehmen (9. Mai 1688). Am Wiener Hofe bestand seit 1691 eine eigene siebenbürgische Hofkanzlei. Als der junge Fürst Michael II. Apaffy das Land im Jahre 1696 an Kaiser Leopold I. gegen ein Jahresgehalt abtrat, wurde das Land „auf dem Fuße eines altösterreichischen Kronlandes eingerichtet"; die Selbständigkeit des siebenbürgischen Wahlfürstentums und infolgedessen auch seine Münzprägung waren damit zu Ende. Die Einverleibung des Landes in den Kaiserstaat wurde von Maria Antonio Gennaro durch eine große undatierte Medaille gefeiert, die auf der Rückseite Kaiser Leopold I. als römischen Krieger zwischen Pannonia und dem Genius Illyriens und der gefesselten Dacia zeigt, wie ihn eine heranfliegende Victoria krönt.

585

Weiterführende Literatur

Die angeführten Ziffern verweisen auf das

Literaturverzeichnis

Erster Teil: Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte 1. A . 1. DIE BEGRENZUNG DES STOFFES: 677, 691. 2. MÜNZE -

GELD: 38, 149, 294, 301, 3 3 2 , 387, 492, 649, 651, 652, 1238.

3. FACHAUSDRÜCKE: 38, 351, 677, 1088. 4. THEORETISCHE GRUNDLAGEN: 677, 839, 1088.

5. MÜNZTECHNIK: 215, 302, 437, 522 (eine ungemein wichtige Quelle für die Wiener Prägung im Mittelalter das sog. Münzbuch Albrechts von Eberstorf mit Kommentar von Th. v. Karajan), 597 (Hammerprägung, Prägemaschinen), 379 (moderne Prägetechnik), 932 (Metallversorgung). Alte Abbildungen zur Münztechnik : 357,437, 750, 1051, 1165, 1220, 1232. 6. MÜNZPERSONAL: 198, 491, 495, 529, 685, 879, 913, 1088.

1. B . 1. POLITISCHE GESCHICHTE: 169, 3 6 2 , 369, 584, 718, 719, 760, 1260. 2. WIRTSCHAFTS- UND VERKEHRSGESCHICHTE: 38, 68, 1 5 6 - 1 5 9 , 161, 168, 170, 492, 561, 673, 677.

3. KUNST- UND KULTURGESCHICHTE: 239, 240, 268, 271 (wobei angemerkt werden soll, daß die Deutung des T [I. S. 73] als Kreuz auf einem Wiener Pfennig nicht ein religiöses Symbol, sondern den Schild des Landschreibers Konrad von Tulln [1275/76] darstellt. Man ersieht daraus, wie schwierig die Deutung mittelalterlicher Münzbilder ist und wie behutsam man dabei vorgehen muß.) 286, 417, 462, 491, 496, 514, 519, 559, 647, 724, 726, 740, 759, 822, 940, 969, 1063, 1064, 1066, 1067, 1089, 1163. 4. HERALDIK UND SPHRAGISTIK -

a l l g e m e i n : 38, 228, 288, 329, 345, 377, 470, 555, 677, 704, 863, 907, 1006, 1 0 1 5 ,

1088, 1095 — Kärnten: 15 - Niederösterreich: 619 — Oberösterreich: 406 - Salzburg: 620, 710 - Steiermark: 14,16, 34 - Tirol: 98, 756,1226 - Wien: 483 - österr.-ungar. Monarchie: 1180 - Kronen: 25, 26, 249, 416, 1100 — Stephanskrone: 25 — Eiserne Krone: 26 — Wenzelskrone: 1100 — Titel: 427 — Wappen-und Titeländerung: 938 — Hüte: 321, 327 a — Schatzkammer: 248 — Krönungs- und Huldigungspfennige: 421. 5. MÜNZE und RECHT: 677 (Münzrecht, -hoheit, -regal; finanzielle Ausnützung des Münzregals; Münze als gesetzliches Zahlungsmittel; Münzverträge, -Vereinigungen, -verbände), 235, 237, 402, 550, 654, 673, 674, 761, 936, 1088. 6. MÜNZE, SPRACHE UND SCHRIFT: 38, 135, 138, 150, 260, 271, 344, 984 (in Ungarn nur eine einzige, recht merkwürdige Abkehr vom Lateinischen auf den Kupfermünzen, die früher Stephan IV. [1162/63], jetzt aber Bela III. [1173—1196] zugeschrieben werden: sie ahmen nämlich arabische Schriftzeichen nach. Vgl. dazu 984, Nr. 101/3), 677, 687. Die ersten Jahreszahlen: 268 (Görz Vierer von 1478, Tirol 1484 mit einem ganzen und halben Gudiner; Salzburg 1500 mit Goldgulden und Rübenbatzen. Ungarn prägt zuerst 1499 eine Münze mit Jahreszahl, u. zw. einen Schautaler), 678, 679, 693, 929, 969, 984, 1161. 7. HISTORISCHE GEOGRAPHIE — allgemein: 38 — Handelsstraßen: 673, 674, 693, 721, 896 — Schiffahrt: 815 — Brenner: 1136, 1217 - Eisen- (Italien-) Straße: 1169 (mit Karte), 1170, 1204 - Gebirgsstraßen: 407, 552, 553 Währungsgeographie : 561 (mit Karten), 933 — Kartenwerk : Historischer Atlas der österr. Alpenländer 18 — Münzfunde: 450, 494, 797, 798 (mit Kartenbeilage) - Handelsbücher: 36, 171, 867,1023, 1027, 1093,1171. 8. MÜNZE UND ARCHÄOLOGIE — allgemein: 33, 68, 853 — Münzdatiert: 1120—1125,1211. Als Einführungen in die Geschichte der drei größten Völker seien genannt — Kelten: 606, 768 — Griechen: 52 — Römer: 512, 572, 760, 1000 - Byzanz: 839 - Kontinuität: 159. 9. MÜNZE UND CHRONOLOGIE: 38, 68 (unterscheidet zwischen theoretischer [mathematischer, astronomischer] und angewandter [technischer, historischer] Chronologie). Für uns kommt hier nur diese in Betracht. 222 (daß die im

587

Text erwähnten Salzburger Kupferstücke die Jahreszahl 1800 und nicht 1806 trugen, ist wohl darauf zurückzuführen, daß man sie nur durch den Münzbuchstaben D [Salzburg] von den gleichförmigen Serien der übrigen österr. Münzstätten unterscheiden wollte), 336, 337, 717. 10. MÜNZE UND GENEALOGIE: 11, 68, 255, 3 3 1 , 3 3 4 , 446, 4 7 9 , 677, 941.

11. METROLOGIE: 434, 486, 677, 786, 787, 788, 789, 791, 792, 818, 1088 (s. Mark, Metrologie, Pfund), 1212. 12. MÜNZE UND VOLKSKUNDE: 56, 271/III, 358, 442, 451, 493, 571, 779, 912, 929, 1075, 1088, 1223 -

Schatz-

aberglaube: 903, 1075 — Hecktaler: 1088 — Grenzsteinsetzen: 903, 1076; vgl. dazu Goethe, Wilhelm Meisters Lehrjahre, I. Teil, 4. Buch, 18. Kap.; 442. I. C. QUELLEN UND LITERATUR ZUR MÜNZ- UND GELDGESCHICHTE — a l l g e m e i n : 38, 68, 4 9 0 , 547, 548, 651, 6 5 2 ,

662, 677 — österr. Münzgesetze usw.: 23, 41/11, 402, 654 — Numismatische Bibliographie, allgemein: 907, 961 — Böhmen und Mähren: 823, 886 - Ungarn: 431, 447, 448 - Polen: 347, 518, 1034, 1042 - Jugoslawien: 970. Die w i c h t i g s t e n n u m i s m a t i s c h e n Z e i t s c h r i f t e n : 1. Österreich: Numismatische Zeitschrift, hg. von der Wiener (seit 1947: österreichischen) Numismatischen Gesellschaft, seit 1869. Bd. 39/40 (ausführl. Register zu Bd. 1 - 3 8 ) ; als Beilage zu Bd. 70 (1937) Inhaltsverz. zu Bd. 41 - 7 0 . — Monatsblatt der Numismat. Ges. in Wien 1883 — 1918. — Mitt. des Clubs der MünzMedaillen Freunde in Wien. 1890—1904. — Mitteilungen der Numismat. Gesellschaft in Wien (bzw. österr. NG.) seit 1918. — Wiener Numismat. Monatshefte 1865 — 1869. — Zeitschrift für MünzMedaillenkunde, hg. von der österr. Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde, 2 Bde. 1905-1907 und 1908-1913. 2. Ungarn : Numizmatikai közlöny, hg. von der Magyar numizmatikai tärsulat (ung. Num. Ges.) bzw. jetzt Magyar régészeti, mtìvésszettortenéti és éremtani tärsulat éremtani szakosztàlya (num. Fachabt. der ungar. Altertums-, Kunstgeschichtl. u. numismatisch. Ges.) seit 1901. — Az èrem, Kozkemények az érem gyujtés korébol (Die Münze. Mitteilung aus dem Kreise der Münzsammler) seit 1922, beides Budapest. 3. Tschechoslowakei: Numismatici