Klassisches Altertum und antikes Christentum
 3-11-015543-5

Table of contents :
Vorwort
Karl-Ulrich Meyn, Begrüßungsansprache zur ersten „Hans-
Lietzmann-Vorlesung" l
Christoph Markschies, Laudatio Walter Burkert 5
Walter Burkert, Klassisches Altertum und antikes Christentum:
Probleme einer übergreifenden Religionswissenschaft
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Walter Burker t Klassisches Altertu m un d antikes Christentu m

W DE

G

Hans-Lietzmann-Vorlesungen Herausgegeben vo n Christoph Markschie s

Heft l

Walter d e Gruyte r · Berlin · New Yor k 1996

Walter Burker t

Klassisches Altertu m und antike s Christentu m Probleme eine r übergreifende n Religionswissenschaft

Walter d e Gruyte r · Berlin · New Yor k

1996

2) Gedruckt au f säurefreie m Papier , da s di e US-ANSI-Norm übe r Haltbarkei t erfüllt .

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Burkert, Walter : Klassisches Altertu m un d antike s Christentu m : Problem e eine r übergreifenden Religionswissenschaf t / Walte r Burkert . — Berlin ; New Yor k : de Gruyter , 199 6 (Hans-Lietzmann-Vorlesungen ; H. 1 ) ISBN 3-11-015543- 5 NE: G T

© Copyrigh t 199 6 b y Walter d e Gruyter & Co. , D-1078 5 Berli n Dieses Wer k einschließlic h aller seine r Teil e is t urheberrechtlic h geschützt . Jede Verwertung außerhal b de r enge n Grenze n de s Urheberrechtsgesetze s is t ohn e Zustimmung de s Verlage s unzulässi g un d strafbar . Da s gil t insbesonder e fü r Vervielfältigungen, Übersetzungen , Mikroverfilmunge n un d di e Einspeicherun g und Verarbeitun g in elektronische n Systemen . Printed i n German y Einbandgestaltung: Raine r Engel , Berli n Datenkonvertierung un d Satz : Arthu r Colligno n GmbH , Berlin Druck un d buchbinderisch e Verarbeitung : Werne r Hildebrand , Berli n

Vorwort Mit de n vorliegende n Seite n is t die erste „Hans-Lietzmann-Vor lesung" dokumentiert , di e a m 5.12.199 5 de r klassisch e Philo loge un d Religionswissenschaftle r Prof . Dr. Dr. Walter Burker t aus Züric h a n de r Friedrich-Schiller-Universitä t Jena gehalte n hat. Ein e solch e Veranstaltun g wird dan k de r großzügige n Un terstützung diese r Institutio n un d de s Verlage s Walte r d e Gruy ter künfti g jährlic h stattfinde n können. Di e theologisch e Fakul tät de r Universitä t un d da s Institu t fü r Altertumswissenschaft an ihre r philosophische n Fakultä t erinner n mi t diese r Vorle sungsreihe nich t nu r a n de n ehemalige n Jenae r Professo r Han s Lietzmann, sonder n veröffentliche n ei n Dokumen t ihre r auc h sonst i m akademische n Allta g selbstverständlic h praktizierte n und höchs t anregende n interdisziplinäre n Gemeinschaft . Di e „Hans-Lietzmann-Vorlesungen" sollen außerdem zeigen , wie das Arbeitsprogramm de s namensgebende n Gelehrte n auc h heut e noch umgesetzt wir d un d z u wissenschaftlichen Ergebnissen von Rang z u führe n vermag . Dabei fügt e e s sic h glücklich , da ß de r emeritiert e Züriche r Ordinarius Walte r Burker t fü r di e erst e Vorlesun g gewonne n werden konnte . E r integriert i n einer Hans Lietzmann vergleichbaren Weis e mi t seine m CEuvr e Disziplinen , die fü r gewöhnlic h getrennt betriebe n werden . Sei n Vortra g „Klassische s Altertum und antike s Christentum : Problem e eine r übergreifende n Reli gionswissenschaft", de r hie r lediglic h um knapp e Anmerkunge n und ei n Literaturverzeichni s vermehr t zu m Abdruc k kommt , zeichnet nich t nu r Han s Lietzman n i n di e Wissenschaftsge schichte de r Religionswissenschaf t un d Klassische n Philologi e seiner Zei t ein . E r formulier t au f de r Basi s de r i m Wer k Lietz -

VI Christop

h Markschies

manns angeschlagene n Theme n auc h Arbeitsergebniss e z u gro ßen Forschungsfelder n de r antike n Religionsgeschicht e (wi e dem de r Gnosi s resp . de s Gnostizismus ) un d benenn t künftig e Aufgaben (vgl . beispielsweis e de n Hinwei s au f di e notwendige n Untersuchungen zu r Religionsgeschicht e de s pagane n Ägypte n in de r Spätantike 1 ). Insofer n kan n e r auc h al s ein e Ar t Pro gramm de r ganze n Reih e gelese n werden : Knap p is t skizziert , vor welche m wissenschaftliche n Traditionshintergrund ein e sol che spätantik e Religionsgeschicht e al s Tei l eine r — modern ge sprochen — „histoire totale" 2 begriffe n werde n kan n un d au f welchen Detailfelder n sic h letzter e besonder s bewähre n sollte , wenn si e Anregungen Han s Lietzmann s aufgreife n will . Burkerts angesprochen e Desiderata-List e könnt e mühelo s er weitert werden : Den n nebe n de r Religionsgeschichte , mi t de r er sic h beschäftig t hat , wär e hie r dan n zunächs t di e klassisch e Philologie z u nennen : Zahllos e un d wichtig e Text e de r christli chen Antik e bzw . Spätantik e sin d noc h nich t i n befriedigende n kritischen Ausgabe n ediert , wi e jüngs t für de n griechische n Bereich gezeig t wurde 3 . Ma n dar f übrigen s vermuten , da ß sic h ein ähnlicher Befun d be i eine r Übersich t übe r di e Text e i n christ 1 2

S.u . S. 41.

Diese r Begrif f is t hie r nac h de m Verständni s be i Fernan d Braude l gebraucht; vgl . desse n Wer k „Da s Mittelmee r un d di e mediterran e Wel t in de r Epoch e Philipp s II. " (Bd . III , Frankfur t 199 0 = Pari s 1979 4, 453-460). 3 Ein e von P D Dr . Marku s Vinzen t (Berlin ) fü r di e Arbeitsstelle „Griechische Christlich e Schriftsteller " de r Berlin-Brandenburgische n Akademie der Wissenschafte n erstellt e Liste zählt au f de r Basi s der „Clavi s Patrum Graecorum" vo n M . Geerar d ( 4 Bde. , Turnhou t 1974—1983 ) fü r de n griechischen Bereic h knap p dreihunder t Inedit a (darunte r wei t übe r zweihundert Pseudochrysostomic a un d viel e dubi a bzw . spuria) . Unte r der Überschrif t „Autore n un d Werk e i n nichtkritische n Editionen" ver bucht Vinzen t fas t achtzi g (z . T. möglicherweise ) vornizänisch e bzw . über vierhunder t nachnizänische Texte so wichtiger Autore n wi e Basilius von Caesarea , Grego r vo n Nazianz , Eusebiu s von Caesare a un d Johan nes Chrysostomus .

Vorwort VI

I

lich-orientalischen Sprache n ergäbe . Auc h di e immen s wichti gen lateinische n Übersetzunge n griechische r christliche r Litera tur sin d nu r i n Anfänge n ediert 4 . Weite r wär e de r Bereic h de r klassischen bzw . sogenannte n „christlichen " Archäologi e anzu sprechen: Fü r di e Geschicht e de s Christentum s wichtig e Ort e wie Kolossa e ode r Laodicae a (u m nu r zwe i Städt e i m Mäan derdreieck Kleinasien s z u nennen ) harre n eine r gründliche n Ausgrabung, da s Projek t eine r Dokumentatio n de r vielen , i n den letzte n Jahrzehnte n i m Rahme n vo n Ausgrabunge n un d Surveys entdeckte n griechische n christliche n Inschrifte n steh t erst a m Anfang 5 . Ic h übergehe dringende n Forschungsbedar f i m Bereich de r Alte n Kirchengeschicht e und komm e z u den schein bar „kleineren " Fächer n Liturgiewissenschaft , Hagiographie , Frömmigkeits- un d Mentalitätengeschicht e usf. : Un s fehle n gründliche Studie n zu r antike n christliche n Gottesdienstge schichte i n der Ar t vo n jüngere n Beiträgen zu m Wort - un d Tauf gottesdienst6; die Datierun g vo n fü r dies e Fragen immen s wich tigen Quelle n wi e beispielsweis e de r sogenannte n traditi o apo stolica is t vollkomme n unklar 7 . Da s au f Papyru s vorliegend e 4

Vgl . di e Bemerkunge n und Literaturhinweis e be i Ch . Markschies , Am brosius vo n Mailan d und di e Trinitätstheologie. Kirchen- un d theologiegeschichtliche Studie n z u Antiarianismu s un d Neunizänismu s be i Am brosius un d i m lateinische n Weste n (364-381 ) (BHT h 90) , Tübinge n 1995, Vllf . Ein e wichtig e Lücke schließt jetzt B . Gain, Traductions lati nes des Peres Grecs. La collection du manuscri t Laurentianus San Marco 584. Editio n des lettre s de Basil e de Cesaree , Publications Universitaire s Europeenes. Seri e XV , Philologi e e t litteratur e classiques , Ber n u . a. 1994. 5 Vgl . dafür di e Literaturhinweis e bei: F. Berard/D. Feissel/P. Petitmengin/ M. Seve , Guid e de Pepigraphiste , Paris 1986 . 6 J . Ch. Salzmann, Lehren und Ermahnen. Zur Geschicht e des Wortgottesdienstes i n de n erste n dre i Jahrhunderte n (WUN T 2.R . 59 ) Tübinge n 1994 sowi e G. Kretschmar : Die Geschichte des Taufgottesdienstes in der Alten Kirche , in: K . F. Müller/W. Blankenburg (Hgg.) Leiturgia V , Kassel 1970, 1-348 . 7 Daz u vgl. Ch. Markschies, Wer schrieb die sogenannte „Traditio Apostolica"? Neu e Beobachtunge n un d Hypothese n z u eine r kau m lösbare n

VIII Christop

h Markschies

Material z u eine r Gottesdienst - bzw . Ritengeschichte is t kau m aufgearbeitet 8 . Wi r wisse n bishe r seh r weni g übe r di e qualitati ven Prozess e un d quantitative n Dimensione n de r Ausbreitun g des Christentums , übe r di e Motiv e vo n Bekehrunge n i n de r Spätantike 9 . Ic h brech e di e List e hie r ab , e s is t deutlich , da ß eine einzeln e Diszipli n mi t ihre r Abarbeitun g völli g überforder t wäre un d kläglic h scheiter n müßte . Angesicht s eine r solchen , natürlich vollkomme n unvollständige n Aufzählun g von „Aufga ben de r Erforschun g de s antike n Christentums" 10 erweis t sic h der allei n durc h di e gegenwärtig e wirtschaftlich e Situatio n vorgegebene un d zunächs t of t belastend e Druc k zu r Zusammenar beit vo n Fächern , j a zu r Zusammenarbei t i n Europ a un d darüberhinaus al s eine zugleic h verheißungsvoll e Chance , die ange deutete Desiderata-List e anzugehen . Ma n sollt e sic h zugleic h Frage au s de r altkirchliche n Literaturgeschichte , in : W . Kinzig/Ch. Markschies/M. Vinzent, Studie n zu m apostolische n Glaubensbekennt nis? (erschein t 1997 in AKG , Berlin/Ne w York). 8 Abe r vgl . jetz t J . Henner , Fragment a Liturgic a Coptica . Editione n un d Kommentare liturgische r Texte de r koptische n Kirch e de s erste n Jahr tausends (Di e älteste Handschrif t de r Gregoriosanaphor a sowi e Hand schriften au s de m weiße n Kloster) , Diss.theol. (masch.) , Wie n 1996 . — Vgl. H . Lietzmann , Sahidische Bruchstücke der Gregorios - un d Kyrillos liturgie, OrCh r 9 (1920 ) 1-19 = ders. , Klein e Schriften III. Studien zur Liturgie- un d Symbolgeschichte , zu r Wissenschaftsgeschichte , hg . vo n der Kommissio n fü r spätantik e Religionsgeschicht e [T U 74 ] Berli n 1962, 99-117) . 9 Ramsa y MacMulle n ha t hie r de n Blic k au f di e „Macht " gelenkt , di e christliche Wundertäter ausweislic h ihrer Heilunge n für antike s Empfinden übe r dämonisch e Mächt e ausübten : Christianizin g the Roma n Em pire A . D. 100-400 , Ne w Haven/Londo n 1984 , passim (bes . 28-35) . Diese Erklärun g ergänz t di e traditionellen : D . Praet, Explainin g th e Christianization o f th e Roma n Empire . Olde r Theorie s an d Recen t De velopments (SE3 3 [1992/1993 ] 5-119) . 10 Si e berühren sic h z . T. mi t de n „Aufgabe n der neutestamentliche n Wissenschaft", di e Martin Henge l i n seiner „Presidenta l Adress " auf de r 48 . Jahrestagung de r SNT S (Chicago , 15 . —18. 8 . 1993 ) angemahnt hat: NTS 40 (1994 ) 321-357.

Vorwort I

X

daran erinnern , wi e Han s Lietzman n i n Zeite n eine r ungleic h schwereren wirtschaftliche n Depression Qualitä t vo n Forschun g zu sicher n wußte 11 . Ein Wor t z u de n legitime n Eigeninteressen de r a n solche r in terdisziplinärer Forschun g beteiligte n Disziplinen , dere n angeb licher Verlus t be i solche r Weitun g de r Perspektive n leide r ger n lautstark beklag t wird : Theologe n befürchte n de n Verlus t de s ihrem Fac h eigene n Erkenntnisinteresses , Philologen sorge n sic h um di e spezifische n sprachliche n Standard s un d Archäologe n mutmaßen schließlic h di e ideologisch e Überfrachtun g der Be fund-Deutung. Da s ma g e s j a alle s i m Einzelfal l geben , un d trotzdem sin d solch e Sorge n fü r gewöhnlic h meh r Ausdruc k ängstlicher Abgrenzun g al s gründlicher Wissenschaft . Natürlich kann un d mu ß ma n übe r Urteil e und Einsichte n vo n de r jeweils eigenen Perspektiv e au s streiten , übe r Methode n diskutiere n und sollt e di e beteiligte n Fäche r imme r wiede r auc h ander s zu einander i n Beziehun g setzen . Auc h hierfü r biete t di e erst e „Hans-Lietzmann-Vorlesung" vo n Walte r Burker t Stoff : Wi e „Theologisierung" un d „Humanisierung " aufeinande r bezoge n sind, wir d de r evangelisch e Kirchenhistoriker ander s definieren als de r Referent 12 . Welch e Fäde n Manichäismu s un d iranisch e Religion verbinden , dürft e zwische n eine m klassische n Philolo gen un d eine m Experte n fü r Zoroastrismu s umstritte n sein . Aber e s wär e doc h jammerschade , wen n dies e Gespräch e nich t geführt würden . Frage n wi e diese , di e Burkert aufgeworfe n hat , und ander e werde n i n de n kommende n Jahre n deo volente i n 11

H . Lietzmann , Petrus un d Paulu s i n Rom . Liturgisch e und archäologi sche Studie n (AK G 1) , Berlin un d Leipzi g 19272, V. 12 Ic h habe an zwe i Stelle n zur Methodik des Faches „evangelische Kirchen geschichte" Stellun g genommen : Ch. Markschies , Di e eine Reformation und di e viele n Reforme n oder : Brauch t evangelische Kirchengeschichts schreibung Dekadenzmodelle ? ZK G 10 6 (1995), 18-4 5 bzw . ders., Ar beitsbuch Kirchengeschicht e (UT B 1857) , Tübinge n 1995 , 150-15 3 („Das Zie l kirchengeschichtliche r Arbeit" [i m Rahme n evangelischer Theologie]).

X Christop

h Markschie s

charakteristisch verschiedene r Weis e durc h di e künftige n Refe rentinnen un d Referente n au s de n genannte n Diszipline n aufgegriffen un d beantworte t werden . Die hie r begonnen e Reih e de r „Hans-Lietzmann-Vorlesun gen" reih t sic h ei n i n die Meng e de r Projekte , di e sic h bi s heut e seiner Anregun g ode r Förderun g verdanke n un d di e Erfor schung de s antike n Christentum s befruchten : di e „Zeitschrif t für di e neutestamentlich e Wissenschaf t un d Kund e de r ältere n Kirche", di e „Arbeite n zu r Kirchengeschichte" , di e „Kleine n Texte fü r Vorlesunge n un d Übungen" , di e „Tabula e i n usu m scholarum", da s „Handbuc h zu m Neue n Testament" , di e „Stu dien zu r spätantike n Kunstgeschichte" , di e Ausgabe n vo n Tex ten de s Athanasius von Alexandria , de s Apolinarius von Laodi caea un d ander e Kateneneditionen . Da s Wer k Lietzmann s leb t auch for t i m „Reallexiko n fü r Antik e un d Christentum" , eine m monumentalen „Sachwörterbuc h zu r Auseinandersetzun g de s Christentums mi t de r antike n Welt" . Siebzeh n Bänd e z u Lem mata de r Buchstabe n A- I sin d bi s heut e erschienen , de r Nam e Hans Lietzmann s wir d heut e au f de r Rückseit e de s Innentitel s unter de n Begründer n nebe n Fran z Josep h Dölger , Theodo r Klauser, Helmu t Krus e un d Ja n Hendri k Waszin k geführt 13 . In de r Überzeugung , da ß di e beste Erinnerun g an Han s Lietzmann di e Pfleg e diese s seine s Wissenschaftsverständnisse s ist , haben sic h verschieden e Institutione n z u anregende r gemeinsa mer Arbei t verbunden : Z u allerers t is t z u nenne n de r De-Gruy ter-Verlag, de r di e meiste n Schrifte n Lietzmann s veröffentlicht hat un d be i de r Gestaltun g seine s theologische n Verlagspro gramms vo n ih m berate n wurde . Her r Dr . Hasko vo n Bass i ha t die Ide e vo n „Hans-Lietzmann-Vorlesungen " begeister t aufge griffen un d energisc h be i ihrer Umsetzun g mitgeholfen . Di e Un terstützung de r Universitä t Jen a dokumentier t di e hie r abge druckte Ansprach e ihre s Prorektors Prof . Dr. Karl-Ulrich Meyn, 13

E . Dassmann (Hg.) , Da s Reallexiko n für Antik e un d Christentu m un d das F . J. Dölger-Institu t in Bon n (...) , Stuttgar t 1994 , bes . 5 5 — 62.

Vorwort X

I

weiterhin is t ihre m Kanzler , Dr . Klau s Kübel , hie r öffentlic h und nachdrücklic h z u danken . Zugleic h auc h i m Name n de r Kolleginnen Angelik a Geye r (Klassisch e Archäologie) un d Ger linde Huber-Rebenic h (Mittellateinisch e Philologie ) sowi e de r Kollegen Walte r Amelin g (Alt e Geschichte) , Jürge n Dumme r (Gräzistik) un d Meinol f Vielber g (Latinistik): Jena, i m Augus t 199 6 Christop

h Markschie s

Inhaltsverzeichnis Vorwort Karl-Ulrich Meyn, Begrüßungsansprache zur ersten „Hans Lietzmann-Vorlesung" l Christoph Markschies , Laudati o Walte r Burker t 5 Walter Burkert , Klassische s Altertu m un d antike s Chri stentum: Problem e eine r übergreifende n Religionswissenschaft 1

3

Hans Liet/man n (1875-1942 )

Begrüßungsansprache zur erste n „Hans-Lietzmann-Vorlesung " von Karl-Ulric h Meyn , Prorektor de r Friedrich-Schiller-Universitä t Wenn de r Lehrstuh l fü r Kirchengeschicht e un d da s Institu t fü r Altertumswissenschaften sic h vorgenomme n haben , jährlic h zu einer Han s Lietzmann-Vorlesun g einzuladen , s o nehme n di e Veranstalter ein e alt e Traditio n auf . Ein e Tradition , di e dari n besteht, groß e Forsche r un d Lehre r dadurc h z u ehren , da ß i n kongenialer Absich t gearbeite t un d gelehr t wird . Wori n besteh t diese Kongenialität ? Sie besteht unte r andere m woh l darin , da ß wir mi t Han s Lietzman n eine n Wissenschaftle r ehre n können , der ein e modern e Forderun g scho n frü h — oder sollt e ma n sa gen noc h — erfüllte , nämlic h Interdisziplinarität . Da ß sic h Theologie un d Altertumswissenschaf t z u diese m Vorhabe n zu sammengefunden haben , ha t hieri n sein e Ursache . Han s Lietz mann wa r nämlic h nich t nu r al s Kirchenhistorike r ei n überra gender Gelehrter , e r fühlt e sic h ebensoseh r al s Sprachforscher , Archäologe un d — wenn ic h s o sage n dar f — als Allgemeinhi storiker. Da s umfangreich e Wer k vo n Han s Lietzman n verbin det i n hervorragende r Weis e di e jedenfall s heut e weitgehen d streng getrennte n Diszipline n der klassische n Philologie , de r Archäologie un d de r Kirchengeschichte . Sein e Arbei t bleib t des halb auc h durc h di e ungewöhnlic h breit e Berücksichtigun g sozial-, mentalitäts - un d religionsgeschichtliche r Fragestellunge n bis heut e vorbildlich . So wie Lietzmann Schüle r geprägt hat , s o wurde e r seinerseit s in diese r interdisziplinäre n Ausrichtung durc h sein e Studienzei t

2 Karl-Ulric

h Mey n

beeinflußt. Al s e r nac h seine r Kindhei t i n Wittenber g — e r wurde 187 5 geboren 1 — und vo n seine m erste n Studienor t Jen a zum Wintersemeste r 1893/9 4 nac h Bon n wechselte , hört e e r dort nich t nu r i n de r Theologische n Fakultät , sonder n auc h be i dem bedeutende n klassische n Philologe n un d Religionshisto riker Herman n Usener . Desse n Perso n nich t nur , sonder n vo r allen Dinge n Usener s Method e un d interdisziplinär e Weit e ha ben Lietzman n zutiefs t beeinflußt . Al s e r 190 8 wiederu m nac h Jena wechselte , ha t e r auc h hie r i n außerordentlic h fruchtbare r Weise mi t Philologe n un d Orientaliste n zusammengearbeitet . Dies ließ e sic h anhand seine s Lebenswerke s ohn e weiteres nach weisen, ic h möcht e da s abe r Berufenere n überlassen . Immerhi n darf ic h al s ei n Beispie l darau f verweisen , da ß Lietzman n mi t dem Orientaliste n Heinric h Hilgenfel d al s „Gratulationsschrift " zum Jenae r Universitätsjubiläu m 1908 di e Lebensbeschreibun g eines berühmte n syrische n Säulenheilige n namen s Simeo n her ausgab. I m selbe n Jah r entdeckt e er , da ß ei n Papyru s de r be kannten Jenae r Papyrussammlun g aus eine m griechische n Tex t eines wichtige n Theologe n de s 2 . Jahrhundert s stammte , näm lich au s de m Wer k de s Bischofs Irenäus von Lyo n mi t de m Tite l „Gegen di e Häresien". 2 Sein e wissenschaftlich e Breite erlaubt e es ih m dan n sogar , währen d eine r Lehrstuhlvakan z im Philolo gischen Semina r z u vertrete n un d dor t Papyrologi e z u lesen . Hans Lietzman n is t i n diese r Breit e un d — modern gespro chen — in seine r Interdisziplinarität für un s Heutig e ei n Vorbild. Es is t nämlic h communis opinio, da ß de r Fortschrit t de r heuti 1

Zu r Biographi e vgl. jetz t W . Schneemelcher, Art. Hans Lietzmann , TRE XXI, Berlin/Ne w York 1991 , 191-196 . 2 H . L./H . H. , Das Leben des hl. Symeon Stylite s (T U 32/4), Leipzi g 1908 ; H. L., De r Jenae r Irenaeus-Papyrus , NGWG.PH 1912 , 292-32 0 = ders., Klein e Schrifte n I . Studie n zu r spätantike n Religionsgeschichte , hg. v . K. Aland (T U 67), Berli n 1958 , 370-409 . - Zu m Papyru s jetzt K. Aland/H.-U . Rosenbaum , Repertoriu m der griechische n christlichen Papyri, Bd . 2 Kirchenväter-Papyr i (PTS 42) Berlin/Ne w Yor k 1995 , 321-327 ( = K V 47).

Begrüßungsansprache 3

gen Wissenschafte n i n de n Felder n zwische n de n Diszipline n liegt. Auc h deshal b kan n ic h de r wiederaufgenommene n Zu sammenarbeit zwische n Kirchengeschicht e un d Altertumswis senschaft nu r mein e herzliche n Glückwünsch e aussprechen . Möge si e fruchtbar sein . In einem dürft e die heutige Wissenschaft allerding s angesicht s ihrer fortgeschrittene n Spezialisierun g Han s Lietzman n nich t mehr nacheifer n können . Sein e privat e Lieblingsbeschäftigun g galt nämlic h de r Astronomie , de r e r nich t nu r nac h Abschlu ß der Tagesarbei t au f de r Universitätssternwart e nachging , son dern di e e r auc h i n eine r Publikatio n niedergeleg t hat : „Anleitung zu r Himmelsbeobachtun g mi t kleine n Fernrohren" (1922) . Hier wa r Lietzman n i n eine m weitere n Sinn e seh r modern : E r bemühte sic h erfolgreic h u m Drittmittel-Finanzierung , un d s o schenkte di e Firm a Zeis s Lietzman n fü r sein e Beobachtunge n ein Fernrohr . Als jemand, der gegenwärti g auc h universitätspolitisch e Aufgaben z u erfülle n hat , möcht e ic h nich t enden , ohn e au f di e Umstände eingegange n z u sein , unte r dene n Han s Lietzman n seinerzeit a n di e Fakultä t berufe n wurde. 3 Di e Universitä t Jen a verdankt nämlic h möglicherweise da s Wirken Han s Lietzmann s in Jen a eine m berufungspolitische n Strei t i n de r Theologische n Fakultät. Lietzmann s Vorgänge r Friedric h Nippol d hatt e i n seiner Gegnerschaf t gege n di e Ritschlsch e Schule in eine r — wie es i n eine r universitätshistorische n Veröffentlichun g heißt 4 — schon an s Pathologisch e grenzende n Verfolgungswu t mehrfac h versucht, Berufunge n z u verhindern , di e seine r Lini e nich t ent3

Vgl . dafü r E . H. Pältz , Art. Jena, TR E XVI (1987 -1993 ) 559-563; K. Heussi, Geschicht e de r Theologische n Fakultä t z u Jena , Weima r 1954 , 331 f (Nippold ) bzw. 389 f (Lietzmann) ; im LJniversitätsarchi v Bestan d J Nr. 11 3 sowie 120 . 4 H . Drechsler , Geschicht e de r Universität Jena (1548/58-1958) . Festgab e zum vierhundertjährige n Universitätsjubiläu m ( . . . ) Bd. I, Jen a 1958 , 493.

4 Karl-Ulric

h Mey n

sprachen. Di e Erfolglosigkei t seine r Bemühunge n bedrückte n ihn s o sehr , da ß e r imme r unfähige r wurde , sei n Am t auszufüh ren. E r ba t schließlic h u m Versetzun g i n de n Ruhestand . Di e Fakultät konnt e daraufhin , wi e e s heut e heiße n würde , ein e Einerliste präsentieren , z u de r si e sic h veranlaß t sah , d a si e schon zwe i Jahr e gut e Erfahrunge n mi t Lietzman n gemacht e hatte. E r wa r nämlic h bereit s zu r Entlastun g Nippold s i n Jen a tätig. Dami t ware n abe r noc h nich t all e Hürde n ausgeräumt . Der Berufungsvorschla g fand nämlic h zwa r di e einstimmig e Befürwortung de s Senat s un d di e wärmst e Empfehlun g des Kura tors, abe r da s Altenburge r Ministeriu m — Altenburg wa r eine r der sogenannte n Erhalterstaate n de r Universitä t — wollte mi t Rücksicht au f i n bestimmte r Weis e kirchenpolitisc h ausgerich tete Kreis e de s Herzogtum s de n Fakultätsvorschla g zu m Schei tern bringen . Ers t länger e Kämpf e führte n dazu , da ß Altenbur g seinen Widerstan d aufgebe n mußte . Hätt e sic h als o Nippol d nicht aufgeriebe n i n seine r vielleich t auc h etwa s egozentrische n Berufungspolitik, möglicherweis e könnte n wi r Lietzman n nich t in de n Annale n de r Universitä t verbuchen . Daß ic h dami t nich t de m j a auc h de r Gegenwar t nich t gan z unbekannten Strei t i n Berufungsdingen das Wor t rede n will , da s werden Si e mir siche r abnehmen . Hie r Linie n in die Moderne zu ziehen, verbiete t di e akademisch e Höflichkeit . Lasse n Si e mich stattdessen noc h einma l Institu t un d Lehrstuh l herzlic h dafü r danken un d ihne n Glüc k wünsche n fü r da s Vorhaben , alljähr lich ein e Han s Lietzmann-Vorlesun g z u veranstalten .

Laudatio Walte r Burkert von Christop h Markschies Eine i n derartige n einführende n Ansprache n un d Texte n ger n verwandte Floskel is t hier einmal ganz erns t gemeint : Eigentlich ist e s vollkomme n überflüssig , Walter Burker t i n eine m alter tumswissenschaftlich gebildete n Auditoriu m eigen s einzuführen oder vorzustellen . Abe r d a ic h mi r wede r gan z siche r bin , da ß alle Theologinne n un d Theologe n mi t de m Gesamtwer k Bur kerts noc h all e klassische n Altertumswissenschaftlerinne n und Altertumswissenschaftler mi t de n oper a omni a Lietzmann s vertraut sind , möcht e ic h wenigsten s kur z de n eine n i m Licht e des anderen vorstellen . Man ha t da s bisherig e Wer k vo n Walte r Burker t zusammen gefaßt unte r zwe i Stichworte n „Mytho s un d Ritual " — un d darin seh e ic h eine erste Analogi e zwischen ihm un d Han s Lietzmann. Doc h zunächs t z u Burkert : De r Heidelberge r Gräzis t Glenn W . Most ha t einma l zusammenfassen d gesagt , da ß Bur kerts Arbeite n de r Schließun g de r Kluf t zwische n Mytho s un d Ritual gewidme t seien 1 , de m funktioneile n Zusammenhan g zwischen erzählende m Mytho s un d de n rituelle n Kulthandlungen verpflichtet. Mit de m Opferritua l wir d vo m Züriche r Grae zisten ein e gern i m Bild vo m „klassische n Griechenland" überse hene dunkl e Komponent e de r Tötun g vo n Lebe n in s Lich t ge rückt, di e gleichwoh l Gemeinschaf t stiftet . Da s Opfe r is t ein e 1

Glen n W . Most, Streng e Erforschung wilder Ursprünge. Walter Burker t über Mytho s un d Ritus , in : W . Burkert, Wilder Ursprung . Opferritua l und Mytho s be i den Griechen , Berli n 1990 , (7-12 ) 10 .

6 Christop

h Markschies

soziale Institution, und de r Mythos berichte t davon . Burker t hat in verschiedene n Detailstudie n gezeigt, d a de r Mytho s „Bedeu tung .. . f r di e Rekonstruktio n un d Interpretatio n de s Ritual s und dami t f r di e Religionswissenschaf t berhaupt " hat , umge kehrt abe r auc h da s Ritua l f r da s Vers t ndni s de s Mytho s be deutsam ist . „De r Mythos , al s plot , kan n Verbindunge n zwi schen Rite n anzeigen , di e i n unsere r berlieferun g vereinzel t auftauchen; e r kan n di e verzweifelte n L cke n unsere s Wissen s erg nzen ; e r kan n entscheidend e Hinweis e zu r Datierun g ge ben"2. Al s 197 2 Burkert s „Hom o Necans . Interpretatione n alt griechischer Opferrite n un d Mythen " erschien 3 , dominiert e weitgehend noc h ei n philologisch-historischer Positivismus ; der Autor ha t selbs t a n zwe i Stelle n nachgezeichnet , inwiefer n die ses Werk di e seitherig e Diskussio n revolutionier t hat . De r Kir chenhistoriker registrier t brigen s — wenn di e klein e Seitenbe merkung gestatte t is t — mit Freude , d a diese s Wer k be r Zei ten, di e ihm eher fernstehen , mit einem ihm wohlvertrauten Kir chenv terzita t eingeleite t ist : „Un d daru m handel t e s sich , u m es ei n f r all e ma l z u sagen , be i alle n Mysterien : u m To d un d Begr bnis" , ode r wi e e s i m Protreptiko s de s Clemen s vo n Ale xandrien w rtlic h hei t : και ταΰτ ' εστ ί τ α μυστήρια, συνελόντι φάναι· φόνοι και τάφοι 4. Un d s o erschein t e s konsequent , d a Burkert sic h auc h de n antike n Mysterie n i m spezifische n Sinne zuwendete. 199 0 erschie n sei n Buc h „Antik e Mysterien . Funk tionen un d Gehalt" , in der i n sensibler Weise alles das behandel t wird, wa s auc h Neutestamentle r un d Kirchenhistorike r interes2

Neue s Feue r au f Lemnos . be r Mytho s un d Ritual , in : W . B., Wilde r Ursprung, (6 0 — 76) 70 ; vgl . auc h W . Burkert, Structur e an d Histor y i n Greek Mytholog y an d Ritual , Sathe r Classica l Lectures . Vol . 47 , Ber keley 1979 . 3 W . B., Hom o Necan s (RG W 32) , Berlin/Ne w Yor k 1972 ; i n engli scher bersetzun g 1983 : Hom o Necans . Th e Anthropolog y o f Ancien t Greek Sacrificia l Ritua l an d Myth , transl . b y P . Bing, Berkele y u . a . 1983. 4 Clem.ΑΙ. , protr . 2,19, 2 (GC S Clemen s Alexandrinu s I, 15,4 f S t hlin) .

Laudatio Walte r Burkert 7

siert ode r mindesten s interessiere n sollte : di e Mysterie n vo n Eleusis, die des Dionysos , de r Mate r Magna , des Isi s und Osiri s und schließlic h die de s Mithras . Da s letzt e Kapite l dieses Büch leins is t unte r de r Überschrif t „Verwandelnd e Erfahrung" de m Erleben de r Mysterie n gewidmet 5 — und ic h fragt e mich, als ic h es nochmal s las , ob wi r den n auc h fü r ander e Kult e der Spät antike, beispielsweis e fü r di e christliche n Gottesdienste , scho n ähnliche au f di e Erfahrunge n der Teilnehme r zielend e Darstel lungen besitze n ode r da s Kapite l nich t vielmeh r au f schmerzliche Desiderat e weist . Nebe n de m Buc h stehe n allerle i Aufsätz e zum Thema ; s o ha t Burker t sic h beispielsweis e jüngs t z u de r (alle Zeite n interessierenden ) Frag e geäußert , wi e e s eigentlich um di e Geheimhaltun g diese r Kult e stand 6 . Di e dabe i ange spielte These des Religionswissenschaftlers Hans Georg Kippenberg, daß nebe n de m Geheimni s („Secrecy") , das mindesten s als Tatsache des Geheimnisses , da s freilic h nu r wenig e de m Inhalte nach kennen , auc h breitere n Kreise n öffentlic h bekann t ist , das vollständige Verschweige n („concealment" ) selbst de r Tatsach e „Geheimnis" steht , verdient e eine ausführlich e Anwendung auf die antik e Christentumsgeschichte : Ma n könnt e dan n etw a di e Apologeten al s Schriftstelle r interpretieren , die bewuß t Intern a des christliche n Kulte s i n di e Öffentlichkei t stellten, dami t di e neue Religio n nich t unte r de n Verdach t eine s staatsgefährden den Verschweigen s geriet 7 , ode r abe r di e Forschungsbeiträg e zum Begrif f /mysteriu m resp . sacramentu m präzisie ren: Wa s sage n di e christliche n Autoren, wa s halte n si e geheim bzw. wa s läß t sic h ihre r Ansich t nach ga r nich t ausdrücken? 8 5

Antik e Mysterien. Funktione n und Gehalt , Münche n 1990 , 7 5 — 97. W . B., De r geheim e Rei z de s Verborgenen : Antik e Mysterienkulte , in : H. G . Kippenberg/G . G . Stroums a (Hgg.) , Secrec y an d Concealment . Studies i n th e Histor y o f Mediterranea n an d Nea r Easter n Religion s (SHR 65) , Leiden 1995 , 79-100. 7 Vgl . di e Passage n be i lust. , lApo l 65—6 7 (neu e Editio n mi t reiche m Kommentar i n PT S 38, 125-13 0 Marcovich) . 6

8 Christop

h Markschie s

Mit diese r Mytho s un d Ritua l verbindende n Grundintentio n der Arbeite n von Walte r Burkert , so scheint mi r jedenfalls , kan n man i n Vergleic h bringen , wi e Han s Lietzman n di e Liturgiege schichte, als o di e Geschicht e christliche r öffentliche r Rituale , selbstverständlich i n sein e kirchenhistorisch e Arbei t integrier t hat. Übe r da s letzt e Abendmah l Jes u handel t Lietzman n i n sei nem Buc h „Mess e un d Herrenmahl " (1926) 9 erst , nachde m e r äußerst sorgfälti g die verschiedenen liturgische n Traditionen de r Alten Kirch e analysier t un d vergliche n hat . Auc h di e gewöhn lich nu r kirchenhistorisc h un d archäologisc h traktiert e Frage , ob di e Aposte l Petru s un d Paulu s i n Ro m gewese n seien , ha t Lietzmann selbstverständlic h auc h liturgiegeschichtlic h behan delt, u m sein e eigen e Antwor t z u fundamentieren 10 . Walter Burker t ha t ni e eine n Zweife l dara n gelassen , da ß auch di e Orientali a zu m Arbeitsbereic h de r klassische n Philolo gie gehören — und hie r scheint mi r ei n weitere r Vergleichspunk t zwischen ih m un d Lietzman n vorzuliegen : Burkert s Heidelber ger Abhandlun g „Di e orientalisierend e Epoch e i n de r griechi schen Religio n und Literatur " (1984 11) beschäftig t sic h zwar mi t dem sogenannte n homerische n Zeitalter , de m Jahrhundert etw a zwischen 75 0 un d 65 0 v . Chr., abe r stell t natürlich auc h Aufga ben fü r di e Betrachtun g de r folgende n hellenistische n un d kai serzeitlichen Epochen . Aufgabe n auch gan z schlich t für die Aus8

Vgl . dafü r di e be i H . J . Siebe n (Voces . Ein e Bibliographi e z u Wörter n und Begriffe n au s de r Patristi k [191 8 — 1978], Bibliographi a Patristica . Suppl. l , Berlin/Ne w Yor k 1980 , 142 f bzw . 339 ) genannte n Beiträge . 9 H . L. , Mess e un d Herrenmahl . Ein e Studi e zu r Geschicht e de r Liturgi e (AKG 8) , Bon n 192 6 = Berli n 31955; erweitert e englisch e Übersetzun g von H . G . Reev e u . R . D. Richardson , Mas s an d th e Lord' s Supper . A Study i n th e Histor y o f Liturgy , Leide n 1979 . 10 Petru s un d Paulu s i n Rom . Liturgisch e un d archäologisch e Studie n (AKG 1) , Berlin un d Leipzi g 1927 2 (1915 1). 11 SHAW . P H 1/1984 , Heidelber g 1984 ; bearbeitet e Fassun g i n englische r Sprache: Th e Orientalizin g Revolution. Nea r Eastern Influenc e o n Greek Culture i n the Earl y Archaic Age , transl. b y M. E . Finder an d W . Burkert (Revealing Antiquit y 5), Cambridge/M , un d Londo n 1995 2.

Laudatio Walte r Burker t 9

Bildung vo n Altertumswissenschaftler n un d Theologen , di e i n der Forschun g t ti g sei n wolle n — eine scheinbar klein e Anmerkung jene r gewichtige n Abhandlun g wil l ic h zitieren : „Verfas ser] is t zwa r Graezist , nich t Orientalist , ha t abe r di e zitierte n semitischen Quelle n auc h i m Urtex t studiert" 12 . Wi r sollte n auch unser e eigene n jeweilige n Studierenden wiede r meh r daz u ermuntern, Heb r isch , Ara m isch , Syrisch , Koptisc h ode r Ar menisch z u lernen , un d s o de m zunehmende n Tren d z u eine r „second-hand-Wissenschaft" wehren . Ic h stell e nebe n dies e Di mension de r Arbei t de s E r ffnungsredner s Burkert Han s Lietz manns Be m he n u m di e syrische n Quelle n un d di e andere n christlich-orientalischen Sprachen . Au f di e Gratulationsschrift zum Jenae r Universi t tsjubi l u m vo n 190 8 ist scho n hingewie sen worden 13 — wer de n S ulenheilige n Simeon, τ ομέγ α θαύμα της οικουμένης (s o nenn t ih n ei n Freun d un d Biograph 14 ; de r sagenhafte Pilgerstro m z u de m woh l g r te n christliche n Wallfahrtsheiligtum de r Antik e rechtfertigte j a schlie lic h auch dies e enthusiastische Charakterisierung ) — wer als o Simeo n studiere n will, de r is t au f di e syrische n Quelle n ebens o angewiese n wi e auf di e griechischen Texte und di e Ausgrabungsbefunde des groen Pilgerzentrum s i n Qal'a t Sim'an , de m Ort , w o di e S ul e stand un d i m Lauf e de r Jahr e i n di e H h e wuchs . Lietzmann hat „sahidisch e Bruchs t ck e de r Gregorios - un d Kyrilloslitur -

12

Di e orientalisierend e Epoch e i n de r griechische n Religion un d Literatur, SHAW. PH 1/1984 , Heidelber g 1984 , 14 Anm. 32 = Th e Orientalizing Revolution, 15 7 n. 32 . 13 H . Lietzmann/H . Hilgenfeld , Da s Lebe n des hl. Symeon Stylite s (T U 327 4), Leipzi g 1908 ; vgl . auc h H . L. , Art . Simeo n Stylites , PR E I I 5 (1927 ) 140-142. 14 Thdt. , h.rel . 26, 1 Συμεώνη ν τονπάνυ , τ ομέγ α θαύμα τη ς οικουμένης, ϊσασι μεν άπαντε ς οϊ τη ς 'Ρωμαίων ηγεμονία ς υπήκοοι, έγνωσαν δ ε καϊ Πέρσα ι και Μηδο ϊ (ander e Hss.: Ίνδοϊ) και Αιθίοπες , και προς Σκύθας δε τους νομάδα ς ή φήμη δραμοΰσ α τη ν τούδ ε φιλοπονίαν και φιλοσοφίαν έδίδαξε ν (S C 257, 158,1-5 Canivet/Leroy-Molinghen) .

10 Christop

h Markschie s

gie" ediert 15 ; „jüdisch-griechisch e Inschrifte n au s Tei l ei l Yehu dieh" 16 un d — kaum daß i n de n Woodbrooke-Studie s di e Taufkatechesen de s spätantike n antiochenische n Theologen Theo dor vo n Mopsuesti a erstmal s ediert worden ware n — daraus die in desse n Gemeind e verwendet e syrisch e Liturgi e extrahier t und übersetzt 17 . Walter Burker t ergreift i n de r erste n „Hans-Lietzmann-Vorle sung" da s Wor t zu m Them a „Problem e eine r übergreifenden Religionswissenschaft". Han s Lietzman n wa r ei n Theolog e — und da s Verhältni s zwischen Theologi e un d Religionswissen schaft ist , warum sollt e da s a n diese r Stelle auch verschwiegen werden, i n de n vergangene n Jahrzehnte n nich t imme r einfac h gewesen; Vorurteil e und scharf e Abgrenzunge n waren z u beob achten 18 . Han s Lietzman n ist, trotz alle r Offenhei t gegenübe r der Religionswissenschaf t seine r Zeit un d trot z alle r nu n scho n 15

Vgl . dafü r di e bibliographische n Angabe n i m Vorwort , Anm . 8. Jüdisch-griechisch e Inschrifte n au s Tel l el l Yehudieh , ZN W 2 2 (1923 ) 280 — 286 = ders. , Klein e Schriften I . Studien zu r spätantike n Religions geschichte, hg . v . K . Aland (T U 67), Berli n 1958 , 437-445. 17 A . Mingana, Commentar y o f Theodor e o f Mopsuesti a o n th e Niceen e Creed (Woodbrook e Studie s V) , Cambridg e 1932 ; ders., Commentar y of Theodor e o f Mopsuesti a o n th e Lord' s Praye r an d o n th e Sacrament s of Baptis m an d th e Eucharis t (Woodbrook e Studie s VI) , Cambridge 1933; H . Lietzmann , Di e Liturgi e de s Theodo r vo n Mopsuestia , SPAW. PH 2 3 (1933 ) 915-93 6 = ders. , Klein e Schriften III, 71-97. Eine verbesserte kritisch e Editio n de s Texte s gabe n R . Tonneau un d R . Dev resse heraus : Le s homelie s catechetique s d e Theodor e d e Mopsueste . Reproduction phototypiqu e d u Ms . Mingan a Syr . 561 (Sell y Oa k Colle ges' Library , Birmingham) , traduction , introduction , inde x pa r R . T. en collaboration ave c R . D . (Se T 145), Moden a 198 1 (= Citt ä de l Vatican o 1949); di e lan g vermißt e deutsch e Übersetzun g vo n P . Bruns (Theodo r von Mopsuestia . Katechetisch e Homilie n [FCh r 17/1—2] , Freibur g u . a . 1994/1995 [dor t pp . 274-283 zu r Liturgie]) . 18 Vgl . z . B. die Aufsätz e i n de n Sammelbände n vo n C . Colpe , Theologie , Ideologie, Religionswissenschaft . Demonstratione n ihre r Unterschei dung (Th B 68 ) Münche n 1980 ; B. Gladigow/H. G. Kippenber g (Hgg.) , Neue Ansätz e i n der Religionswissenschaft , München 1983. 16

Laudatio Walte r Burker t 1

1

mehrfach beschriebene n Interdisziplinarität , mit Lei b und Seel e ein evangelische r Theologe gewesen. Da s is t nicht immer wahr genommen worde n un d hat , wen n e s wahrgenomme n wurde , überrascht, wi e ei n Brie f Kar l Barths vo n 192 4 dokumentiert 19 . Aber scho n de r Hinwei s au f Lietzmann s Aktivitäte n be i de r Gründung de r Thüringe r Evangelisch-Lutherische n Kirch e müßte hie r eigentlic h ausreichen ; we r j e seine n knappe n Be richt übe r da s zufällig e Zusammentreffe n mi t de m damalige n Dekan de r Jenae r theologische n Fakultät , Hans-Hinric h Wendt, a m 10 . November 191 8 gelese n hat , wir d da s sofor t bestätigen können . Lietzman n setzt e Wend t damal s au f de r Straße auseinander , da ß di e Jenae r theologisch e Fakultä t di e Initiative bei m Zusammenschlu ß de r neu n verschiedene n thü ringischen Landeskirche n übernehme n müsse . S o gescha h e s — un d s o dürfe n wi r Han s Lietzman n mi t gewisse m Rech t als de n Gründungsvate r de r Thüringe r Evangelische n Kirche bezeichnen, de r auc h ihr e Verfassun g un d theologisch e Grund legung au f de n erste n Synode n de r Jahr e 1919/192 0 tie f ge prägt hat 20 . Ic h erwähn e dies e Zusammenhänge , wei l wirkli 19

Rundbrie f vo m 26.11.1924 : „Römerbrie f be i Lietzmann . Hie r groß e Überraschung un d Revisio n meine s Urteil s übe r de n Mann . L . is t gan z anders al s au s seine n Kommentare n ersichtlich . I m Kolle g durchau s nicht ledern , nich t polyhistorisch , nich t „unbeteiligt" , sondern : ei n ju gendlich quecksilbrige s Männche n mi t eine m Haifisch-Gesicht , träg t fas t frei vo r un d zwa r — ic h wa r wirklic h star r — de n wirkliche n Versuc h einer Erklärun g (fas t ohn e philologisch-historische s Beiwerk) " (Kar l Barth. Eduar d Thurneysen . Ein Briefwechsel aus de r Frühzei t der dialek tischen Theologi e [GTB S 71 ] München un d Hambur g 1966 , 17 2 = Kar l Barth-Eduard Thurneyse n Briefwechsel , Bd . 2 192 1 —1930, bearb . un d hg. v . E . Thurneysen [Kar l Barth-Gesamtausgab e V . Briefe], Züric h 1974, 288) . E s folg t di e Beschreibun g eine s amüsante n Zusammentref fens nac h de m Besuc h de r Vorlesung . 20 Tex t un d Bemerkunge n be i K . Aland (Hg.) , Glan z un d Niedergan g de r deutschen Universität . 5 0 Jahr e deutsche r Wissenschaftsgeschicht e i n Briefen a n un d vo n Han s Lietzman n (1892—1942) , Berlin/Ne w York , 75 f.

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h Markschie s

ehe Interdisziplinaritä t m. E. voraussetzt , da ß di e Unterschied e und charakteristische n Eigenheite n de r jeweil s beteiligte n Dis ziplinen auc h nich t verwisch t werde n — nu r s o wir d ihr e wechselseitige Angewiesenhei t aufeinande r deutlic h un d ihr e Kooperation erfolgversprechend . Hans Lietzman n ehr t ma n woh l a m treffendste n und besten , indem ma n i n seine m Sinn e gemeinsam a n de r Erforschun g de r Antike weiterarbeite t — abe r natürlic h nich t nu r au s diese m Grunde freue n wi r uns , da ß Walte r Burker t di e Reih e de r „Hans-Lietzmann-Vorlesungen" i n Jen a eröffnet .

Klassisches Altertu m und antike s Christentu m Probleme eine r übergreifende n Religionswissenschaf t

von Walte r Burkert Christentum un d Kirchengeschicht e habe n ihre n Anfan g i m so genannten Klassische n Altertum . Wa s imme r damal s geschah , es ereignet e sic h i m hellenisierte n Palästin a z u de r Zeit , al s di e Römerherrschaft sic h definiti v etablierte , dan n i m griechische n Kleinasien un d i n Griechenlan d selbst , wohi n de r griechisc h sprechende und schreibend e Man n aus Tarsos reiste, und führte , dem zentripetale n Machtgefäll e folgend , alsbal d nac h Rom . Di e Folge is t ein e sei t j e bestehende , unlösbar e Partnerschaf t vo n Altertumswissenschaft un d Theologie , jedenfalls sowei t Theolo gie sich al s historisch versteht . Da ß da s Christentu m ein e Buchreligion ist , di e sic h au f de n griechische n Tex t de s Neuen Testa ments beruft , mach t di e Verbindun g mi t de r Klassische n Philo logie noc h inniger . Und doc h ha t dies e Partnerschaf t sei t j e ihre Spannungen un d Probleme. Da ß di e Altertumswissenschaf t ihrerseit s sic h i n Philologie, Archäologi e un d Histori c i m engere n Sin n aufspaltet , macht di e Verhältnisse nicht einfacher . Das Grundproble m lieg t aber darin , da ß di e Theologie ihre n Anspruch , ihr e Existenzbe rechtigung darau s bezieht , da ß si e meh r is t al s ein e erklärend e Philologie, meh r al s ein e Literatur - un d Übersetzungswissen schaft, meh r auc h al s antik e Sozial - un d Geistesgeschichte . Di e Philologie de s Altertum s ihrerseits nennt sic h un d ihre n Gegen stand ,klassisch ' un d beanspruch t dami t ein e Dignitä t eigene r Art, di e au f ei n humanistisches , nich t theologische s Menschen -

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bild hi n tendiert . Wen n schließlic h noch ein e Allgemein e Religionswissenschaft auftritt , di e Völke r un d Geschicht e weltwei t übergreifen möchte , frag t e s sich erst recht , o b e s noch z u einer Synthese oder nu r z u begrenzte n Zufallsbegegnungen , zu eine m Spiel willkürlic h gewählte r Perspektive n innerhal b allgemeiner Orientierunslosigkeit komme n kann . Die altchristlich e Kirche hat au s de r griechische n Bildungswelt nicht nu r di e Rhetorik , sonder n auc h di e Philologi e übernom men, di e Interpretationsmethoden un d auc h die Textkritik.1 Die christliche Philologi e hat soga r entscheidend e Schritt e über di e pagane Philologie hinaus getan — leider ha t Rudol f Pfeiffe r de n zweiten Ban d seine r ,Geschicht e de r Philologie' , de r die s hätt e behandeln müssen , nich t geschriebe n — . Ers t di e Philologi e der Christen führt e da s genaue Zitieren eines Textes durch Paragraphen-Einteilung ein , wi e si e Origene s für s Neu e Testamen t durchgeführt ha t — die Klassikerausgabe n habe n die s ers t sei t den Renaissancedrucke n nachvollzogen — , un d si e brachte, al s ganz neu e Dimensio n vo n Philologie , di e mehrsprachig e Text ausgabe, sam t ausdrückliche n Reflexione n übe r di e Überset zungsproblematik. 2 Danebe n is t al s großartig e philologisch-hi storische Leistun g innerhal b de r alte n Christenhei t auc h di e Weltchronik z u nennen , di e di e Weltgeschicht e i n ihre n paralle len Verläufe n sichtbar macht. 3 Dennoch leb t da s Selbstverständni s der Klassische n Philologie sei t lange m vo n de r Distanzierun g zu r Theologie . Si e weiß sich gepräg t vo m Humanismu s un d Neuhumanismu s mit de m Konstrukt de s ,Klassischen' . De r Humanismu s ha t sic h konsti tuiert, inde m e r di e humaniora de m divinum entgegenstellte , und e r ha t dabe i mi t Entschiedenhei t au f di e paganen Klassike r (Zu de n Kurztitel n vgl. da s Literaturverzeichnis) Vgl . Neuschäfer 1987 . 2 Vgl . Marti 1974 . 3 Vgl . Mosshamme r 1979 . 1

Klassisches Altertu m un d antike s Christentu m 1

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zurückgegriffen. De r antikirchlich e Impuls konnt e sic h i m For malen verstecken : Ma n entdeckt e da s ,gute ' Latei n un d blickt e stolz vo n de r Höhe der ,klassischen ' Sprach e auf s Mönchslatei n herab — das immerhi n eine Sprach e lebendige r Kommunikatio n geblieben war . I n welche m Sin n e s überhaup t ,gute ' ode r ,schlechte' Sprach e gebe n kann , ha t ma n nich t diskutiert ; de r Stolz de s Humaniste n gin g bruchlo s übe r i n di e Hybris de s No ten verteilende n Gymnasiallehrers. 4 Die Griechischstudie n i m Abendlan d setzte n ei n i m Schatte n der türkische n Eroberun g de s Rhomäerreichs . Vermittle r un d Lehrer ware n zunächs t Flüchtling e aus de m Osten ; al s der Zu strom dan n austrocknete , blie b ein e ,reine ' Wissenschaft , ei n Griechisch ohn e Griechen , da s mi t de r erasmianische n Aus sprache dan n vollend s di e Verbindun g zu de n imme r noc h ge genwärtigen Grieche n gekapp t hat . Nich t da s christlich e Kon stantinopel, da s heidnisch e Athe n wurd e di e ,klassische' Metropole. Da ß Griechisc h j e zu m Schulfac h wurde , verdank t e s freilich allei n de m Neue n Testament . E s stan d mi t diese r Aus zeichnung nebe n de m Hebräischen ; ware n doc h di e dre i Spra chen Hebräisch , Griechisc h un d Lateinisc h auch durc h di e drei sprachige Aufschrif t au f de m Kreu z erhöh t un d fixiert . Aller dings hatt e ma n vo n de n byzantinische n Rhetoriklehrer n di e ,klassische' griechisch e Grammati k übernommen , vo n de r da s Neue Testamen t i n peinliche r Weis e abweicht ; e s hat , horribile dictu, die Verb a au f -mi verlernt . Mit der Aufklärung , di e die Autonomie vo m Kirchenregiment anstrebte, wurd e di e Distan z de r Alte n Sprache n un d de r a n ihnen hängende n klassische n Bildung vom Klerikale n anders ak zentuiert, abe r ums o deutliche r entfaltet , i m Sin n eine s neuen , aufgeklärten Humanismus . Wi r Philologe n pflege n di e Erinne-

4

Di e Inhumanitä t eine s Humanistische n Gymnasium s wir d vo n A . Andersch, De r Vate r eine s Mörders , Züric h 1980 , i m Bil d de s Rektor s Himmler vorgeführt.

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r Burker t

rung daran , da ß Friedrich August Wolf, de r nachmal s durc h seine Homerstudie n berühmte , sic h a n de r Universitä t Göttin gen dezidier t al s Studiosus philologiae, ohne theologiae, immatrikulierte. Ers t neuerding s ha t ma n freilic h wiede r darau f hingewiesen, da ß Wolf s Homeranalys e wesentlich e Impuls e de r eben begonnene n Pentateuch-Analys e verdankte.5 Da s eigentliche Problem der Klassischen Philologi e hatte sich allerding s daraus ergeben , da ß de r Fortschrit t de r Kultu r und de s Geistes sic h nunmehr eindeuti g im Gewan d de r gesprochene n Nationalspra chen Europa s vollzog , nachde m Naturwissenschafte n un d Me dizin übe r di e griechischen Klassiker definitiv hinausgekomme n waren — die letzt e vollständige Galen-Ausgabe wurd e 182 1 bis 1833 gedruck t — ; auch di e Philosophie hatte das Latei n im Lauf des 18 . Jh.s endgülti g abgestreift . Di e Philologi e bedurft e einer neuen Legitimatio n un d fan d si e i n eine m ne u betonte n Begrif f des Klassischen. Im Geschichtsbil d tauche n bal d einma l Begriff e vo n Auf stieg' un d ,Niedergang ' auf . Über Decline and Fall schrie b Edward Gibbon scho n u m 1780. 6 Zu m Begrif f de s Klassischen gehört di e Vorstellun g eine s einma l erreichte n Gipfels ; z u ih m führt ei n aufsteigende r Weg, danac h kan n e s nur noc h abwärt s gehen. Al s Höhepunkt e erscheine n einerseit s da s Athe n de s 5. Jh.s, andererseit s da s augusteisch e Rom . Wa s dan n folgt , is t Niedergang; un d hie r is t das Christentu m angesiedelt . Ein e an nehmbare Verbindun g zu m Christentu m gelan g allerding s mi t der These , da ß di e antik e Welt gerad e i n ihre m Verfal l rei f für s Christentum geworde n sei . Mit de r Romanti k tra t ein e ander e Perspektive i n de n Vordergrund , di e vo m glückliche n ,Ur sprung'. The original genius of Homer is t ein charakteristischer

5

Z u Wol f vgl . Pfeiffe r 1976 , 173. Beziehung zu r Pentateuch-Forschung: Einleitung z u Wolf 1985 . 18-26; 227-231 . 6 E . Gibbon, Histor y o f th e Declin e an d Fal l o f th e Roma n Empir e I —VI, London 1776-1788 .

Klassisches Altertu m un d antike s Christentu m 1

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Titel scho n au s de m 18 . Jh.7 Zugleic h mi t de r Bewunderun g für ei n ,Originalgenie ' konnt e durchau s auc h de r Zaube r de r ,Kindheit de s Menschengeschlechts ' zu r Wirkun g kommen . Nun, Ursprun g oder Höhepunkt, am beste n beide s zugleich , damit konnt e di e Klasssisch e Philologie , i n de r nunmeh r di e griechische Philologi e da s Übergewich t gewann , ihre n Anspruc h fe stigen, etwa s andere s als , sage n wir , Turkologi e z u sein . S o wurde da s bürgerlich e ,Humanistisch e Gymnasium ' mi t de n klassischen Kernfächer n als di e europäisch e Standardschul e de s 19. Jh.s organisiert. 8 Dabei ka m ei n zusätzliche r antitheologische r Impul s mi t neuer Kraf t sei t dem End e des 18 . Jh.s ins Spiel, der a m einfachsten mi t de m Name n Winckelmann anzuspreche n ist: 9 Mi t Winckelmann begeister n wi r un s a n de r diesseitige n Körperlich keit de r griechische n Plastik , i m Kontras t z u de r auf s Überwelt liche zielende n christliche n Kunst , einschließlic h de r zum ' Him mel weisende n Gotik . Ic h erinner e mic h selbst , wi e stören d fremdartig mi r be i meiner erste n Griechenlandreis e di e byzantinischen Ikone n erschienen . Di e klassisch e Nackthei t wurd e al s Ideal de r Schönhei t un d de r Natürlichkei t ne u gesehen ; si e wa r freilich scho n sei t de r Renaissanc e ein e Herausforderun g gewe sen, de r sic h di e Künstle r stellten, Michelangel o vo r allem . Mi t reinem, ,interesselose n Wohlgefallen ' tu n sic h d a freilic h selbs t die Moderne n noc h schwer . Da s sexuell e Moment , da s mit schwingt, is t nu n einma l nich t auszuschließen , auc h wen n es , was klassisch e Kuns t anlangt , ad usum Delphini meis t explizi t abgestritten wurde . Da s homosexuell e Momen t i n Winckel manns Griechen-Begeisterun g is t ers t neuerding s in s Zentru m 7

R . Wood, A n essa y on th e origina l genius and writing s o f Homer , Lon don 1769 ; Versuc h übe r da s Originalgeni e Homers, dt . v . Michaelis, Frankfurt 1773 . 8 Vgl . hierz u Bolga r 1980 . 9 Z u Winckelman n vgl . H . Sichtermann , Kulturgeschichte de r Klassische n Archäologie, Münche n 1996 .

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des Interesses gerückt ; e s wurde seinerzei t nich t diskutiert. Aber der Kontras t eine r heidnische n Diesseitsbejahun g gegenübe r christlicher Weltfluch t macht e un d mach t imme r wiede r Ein druck; e r is t scho n z u jene r Zeit besonder s eindringlic h in Goe thes Ballad e vo n de r Braut von Korinth festgehalten . Die Distanzierun g de r Philologi e vo n de r Theologi e gewan n eine weiter e Dimensio n durc h di e sprachwissenschaftlich e Ent deckung, di e z u Begin n de s vorige n Jahrhundert s erfolgte , di e Rekonstruktion de s ,Indogermanischen'. Das ,Indogermanische ' war zuma l au s gymnasiale r Sich t seh r woh l z u gebrauchen, da s Band zwische n Griechisc h un d Deutsc h enge r al s zuvo r z u knüpfen; auc h Latei n gehört e zu m Bunde , doc h wa r e s i m Deutschland de r nachnapoleonische n Epoch e durc h di e Aver sion gege n da s Französisch e belastet . Definiti v ausgegrenzt abe r wurde dami t da s Alt e Testament , da s zuvo r — noch be i Johann Gottfried Herder — s o selbstverständlic h nebe n de n griechi schen un d lateinische n Texte n gestande n hatte . De m ,Indoger manischen' gegenübe r erschein t nu n da s ,Semitische ' al s da s ganz Fremde. 10 Wi r sin d heutzutag e seh r hellhöri g geworde n für Ansätz e des Antisemitismus, die hier einfließen konnten . Di e bedeutenden Vertrete r de r Klassische n Philologi e i m vorige n Jahrhundert ware n vo n bewußte m Antisemitismu s wei t ent fernt. Abe r da ß Kultu r i m Sin n de r Distanzierun g z u fasse n ist , griechische Kultu r zumal i m Kontrast zu m ,Orientalischen' , da s wurde fas t selbstverständlic h hingenomme n un d weite r ausge führt. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, de r bedeutendst e Gräzist u m di e Jahrhundertwende, ha t al s Gymnasiast in Schulpforta mi t Selbstverständlichkei t noc h Hebräisc h gelernt; " e r hat sic h das späte r nich t meh r anmerke n lassen , wohl abe r sein e Distanzierung zu m ,Semitischen ' un d ,Orientalischen ' wieder -

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Vgl . L . Poliakov, L e myth e arien , Pari s 1971 ; M . Ölender , Le s langue s du Paradis , Pari s 1989 ; Burker t 1992 , 2 f. 11 Wilamowit z 1974 , 11 6 f.

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holt betont. 12 Ein e Konsequen z de r Abgrenzun g war , da ß ein e der gan z große n Leistunge n de r Geisteswissenschaf t de s 19 . Jh. , nämlich die Wiederentdeckung de s Alten Orient s mi t der Entzif ferung vo n Hieroglyphe n un d Keilschrift , vo n de r Klassische n Philologie nich t zu r Kenntni s genomme n wurde. 13 Dabe i wa r diese Entdeckun g angetan , de n Grieche n fü r imme r de n Nimbu s vom Ursprun g der Menschheitskultu r z u entreißen . Die s freilic h hat unser e Bildungswel t bis heut e nich t rezipiert . Zur beherrschende n Bildungsmach t de s 19 . Jahhunderts wurd e die Geschichtswissenschaft . Si e mußte al s die große umfassend e Geisteswissenschaft auc h di e Theologi e de s Neue n Testament s und di e Geschicht e de s frühe n Christentum s mi t de r Profange schichte i m allgemeine n un d de r 'klassischen ' Philologi e i m be sonderen wiede r zusammenführen . Hinzu trat , al s die auf s Ma terielle gestützt e Geisteswissenschaft , di e Archäologie , di e sic h in de r zweite n Jahrhunderthälft e glänzen d entfaltete . Freilic h mußten di e Partner i n de r neue n Zusammenarbei t ihr e Sonder ansprüche zurücknehme n ode r zumindes t zurückstellen : Da s Überzeitlich-Absolute der Theologi e ha t ebens o weni g Rau m i n der Histori c wi e das Klassisch e der Philologie . Gerad e Wilamo witz ha t die s wiederhol t al s de n wesentliche n Wande l bezeich net, da ß „di e Philologi e selbs t zu r Geschichtswissenschaf t ge worden ist." 14 Daß Wilamowit z mi t de m ih m eigene n persönli chen Temperamen t au f Wertunge n i n keine r Weis e verzichtet e und eine r gan z bestimmte n ,klassischen, ' auc h traditionell-na tional geprägte n Vorstellun g vo m ,Hellenentum ' al s eine m ein maligen Höhepunk t anhing , brauch t nich t z u erstaunen . Die Theologi e ihrerseit s hatt e sei t lange m ihr e Müh e un d Plage damit gehabt , Philologi e und Histori c zuzulassen. Es wäre 12

Vgl . Burker t 1992 , 15 4 Anm. 9. Vgl . Burkert 1991 . 14 U . v . Wilamowitz-Moellendorff , Homerisch e Untersuchungen , Berli n 1884, 41 7 f.; vgl . Euripide s Herakle s I , Berli n 188 9 = Einleitun g in di e 13

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vermessen, di e ,Geschicht e de r Leben-Jesu-Forschung ' hie r aufzurollen. 15 Es sei nur ebe n an de n berühmte n Streit um di e ,Wolfenbütteler Fragmente ' erinnert , die Lessing herausgab , un d au s Zürcher Sich t erwähnt, welch e Schwierigkeiten David Friedrich Strauß de r löbliche n Stad t Züric h un d ihre r neugegründete n Universität mi t dem sogenannten ,Straußenhandel ' bescher t hat ; man wa r froh , ih n wiede r lo s z u werden . E s ga b vie l gereizt e Apologetik i m vorige n Jahrhundert , e s gab freilic h auc h laten t oder offe n antichristlich e Offensiven mi t de m deutliche n Ziel , der christliche n Kirch e ihren Anspruc h de s einmalige n überna türlichen Wunder s zunicht e z u machen . In der Praxi s von Universität , Schule und Kirch e entwickelten sich i m Rahme n de s aufblühende n Kulturbetrieb s Philologi e und Theologi e ehe r nebeneinander , ohn e vie l Berührung : Wäh rend di e Klassisch e Philologie di e Method e de r Textkriti k ent wickelte un d erfolgreic h anwendete, 16 bracht e de r Abbe Migne seine ungeheur e Sammlun g de r griechische n un d lateinische n Kirchenschriftsteller praktisc h ohn e Textkriti k zu m Drucker ; i n den sic h dan n bildende n klassisch-philologische n Seminarie n hinwiederum wa r ,de r Migne ' nich t z u finde n un d wurd e nich t vermißt. Allerdings , die Theologie ha t di e Methode de r Textkri tik übernommen : Di e Ausgabe n de s Neue n Testament s un d di e noch nich t abgeschlossen e Neuausgab e de r Septuaginta 17 sin d schlechthin musterhaft ; sie werden abe r vo n de n Philologe n we nig zu r Kenntni s genommen . Auc h di e Evangelien-Synopse n griechische Tragödie , Berli n 1907 , 25 4 f. Bemühunge n u m eine n neue n Begriff de s ,Klassischen ' setzte n nac h de m erste n Weltkrie g ein , vgl . Jae ger 1933 ; zu r Situatio n nac h de m zweite n Weltkrie g Reinhard t 1960 ; Hölscher 196 5 sowi e Fuhrmann-Tränkl e 1970 . 15 Z u nenne n bleib t honori s caus a A . Schweitzer, Geschicht e de r Leben Jesu-Forschung, Tübinge n 1906 , 1926 4 ( = UT B 1302 , Tübinge n 9 1984). 16 S . Timpanaro, L a genesi de l metod o d i Lachmann , Padov a 1963 , 198l 2. 17 Septuaginta . Vetu s Testamentu m Graecu m auctoritat e Academia e Scien tiarum Gottingensi s editum , Göttinge n 193 1 ff.

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sind philologisch e Meisterwerke 18 - si e sind , fürcht e ich , nich t in alle n Klassisch-philologische n Seminarie n z u finden . Immer hin is t das Kitteisch e Wörterbuch doc h woh l inzwische n als unser umfangreichste s bedeutungsgeschichtliche s Lexiko n auc h für pagane s Griechisc h i n rege m Gebrauch. 19 Sons t pfleg t di e Gräzistik da s Neu e Testamen t beiseit e z u lasse n ode r allenfall s als ein Beispiel der unklassische n Koine mit eine m Blic k z u strei fen. Ers t rech t gal t weithi n das Byzantinisch e als unsympathisch und da s Neugriechisch e al s nicht vorhanden . Hie r is t erst durc h den Tourismu s ein e Wend e eingetreten . Im übrige n wa r i m Bereic h eine s aufgeklärte n bürgerlichen Humanismus freisinnige ' Distanzierun g zur Kirch e in der Klas sischen Philologi e durchaus verbreitet . S o wir d vo n de m Basle r Peter von der Mühll, de r al s ausgezeichnete r Graezis t meh r al s 50 Jahr e lan g a n de r Basle r Universitä t gelehr t hat , berichtet , daß e r i n seinem Semina r vo n eine r nicht s wissen wollte. Be i Nietzsche, de m Pfarrerssoh n un d Klassische n Philologen, wurd e di e Ablehnung des Christentums zu r Leidenschaft. In seine m un d i n Goethe s Geis t schrie b Walter F. Otto da s ein drucksvollste Buc h übe r di e Götte r Griechenlands , nachde m e r dem Christentu m ausdrücklic h abgesagt hatte. 20 Mit de m Fortgan g de s 19 . Jahrhunderts, mi t de m Aufblühe n der Universitäte n un d mi t de r Großorganisatio n de r Wissen schaft ka m nu n allerding s ein e scheinba r konfliktlos e Zusam menarbeit vo n Philologi e un d Theologi e unte r de m Mante l de r Historic schließlic h zu r volle n Entfaltung . Theodor Mommsen brachte Friedrich Leo dazu , wide r Lus t un d Wille n auc h Venan18

K . Aland, ed. , Synopsi s quattuo r Evangeliorum , Stuttgar t 1963 , 1985 13. 19 H . Kittel , G . Friedrich (Hgg.) , Theologische s Wörterbuc h zu m Neue n Testament (1 1 Bde.), Stuttgart 1933-1979 . 20 W . F. Otto, De r Geis t de r Antik e un d di e christlich e Welt, Bon n 192 3 — ein e Wiederveröffentlichun g dieser Schrif t ha t Ott o späte r nich t ge wünscht. — Die Götte r Griechenlands , Bon n 192 9 (of t nachgedruckt). Otto wa r i n Bon n zusamme n mi t Lietzman n Teilnehme r a n Usener s Seminar gewesen .

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tius Fortunatus z u edieren.21 Eduard Schwartz fan d im Fortgan g seiner Studie n fas t organisc h vo n de r griechische n Geschichts schreibung übe r di e Vorformen de r Weltchroni k zu r Editio n de r Konzilsakten. 22 I m übrige n ma g e s genügen, a n da s Nebenein ander vo n Wilamowit z un d Adol f vo n Harnac k a n de r Berliner Akademie z u erinnern . Ei n bleibende s Monumen t is t di e Aus gabe de r ,Griechische n christliche n Schriftsteller' durc h di e Berliner Akademie ; da s Unternehmen ha t di e DDR überdauer t un d findet mi t de r erste n kritische n Ausgab e de r Kirchengeschicht e des Sokrate s durc h G . C. Hanse n sein e bedeutend e Fortset zung.23 Übrigen s war Wilamowit z al s Graezis t sic h desse n vol l bewußt, wi e gro ß de r Antei l de r christliche n Autore n a n de r griechischen Literatu r insgesamt ist ; er hat si e entsprechend einbezogen i n sein e ,Geschicht e de r griechische n Literatur'. 24 Mi t dem monumentale n Wer k vo n Eduard Meyer, Geschichte des Altertums, wurd e nich t nu r Israel , sonder n de r gesamt e Alt e Orient i n die Geschichte der nich t meh r klassische n Antike integriert.25 Eine allgemeine , vergleichend e Religionswissenschaf t ha t sic h im Lau f de s 19 . Jh.s entwickelt . Religionswissenschaft , di e nu r teilweise eine historische Wissenschaft ist , verdankte eine n Gutteil ihre r Informatione n de r Arbei t christliche r Missionare , 21

Sieh e E . Fraenkel in : F . Leo, Ausgewählte Klein e Schrifte n I , Ro m 1960 . XVI f . 22 Z u E . Schwartz A. Momigliano, Premesso per una discussion e su Eduard Schwartz, in : VI I Contributo ali a stori a degl i stud i classic i e de l mond o antico, Rom a 1984 , 233-244; W . M. Calde r III , R. L. Fowler, Th e Preserved Letter s o f Ulric h vo n Wilamowitz-Moellendorf f t o Eduar d Schwartz, SBAW.P H 1986,1 . 23 G . C . Hanse n (Hg.) , Sokrate s Kirchengeschicht e (GGS.N F 1) , Berli n 1995. 24 Wilamowit z 1905/1912 . 25 Meye r 188 4 ff.; z u Meye r vgl . W . M. Calde r III , A. Demandt, Eduar d Meyer. Lebe n un d Leistun g eine s Universalhistoriker s (Mnemosyne . Suppl. 112) , Leiden 1990 .

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konnte aber ihr e Eigenständigkeit nur i n der Distan z zu r Kirche gewinnen. Si e akzentuierte sic h mi t de m Fortschrittsgedanken , vom Primitive n zum Vollendeten . Dabe i konnt e da s Christen tum durchau s ein e Spitzenroll e gewinnen ode r vielmeh r behalten al s di e a m höchste n entwickelt e Religio n — sofern ma n de n Islam al s nachchristlich e Religion großzügi g übersa h — . Reli gionswissenschaft konnt e abe r auc h i m romantische n Impul s nach de m ,Ursprünglichen ' al s de m Eigentliche n fragen . Unte r dem eine n ode r andere n Gesichtspunk t wurde n di e alten , vor christlichen Religionen von neue m interessant . Was die Ethnologie zutage förderte , wa r zumindes t teilweise allerdings so krau s und fremdartig , da ß e s geeignet war , da s Selbstverständni s des Menschen überhaup t i n Frage zu stellen ist. Doch gelang es vorerst, dergleiche n durch di e Markierun g al s ,primitiv ' i n wohlig e Distanz z u rücken . Bestimmend i n de r Entwicklun g de r Religionswissenschaf t waren einerseit s deutsch e Volkskunde , andererseit s englisch e Ethnologie. Di e deutsch e Lini e führ t vo n Wilhelm Mannhardt und Hermann Usenet z u Albrecht Dieterich, die englisch e von E. B. Tylor z u James George Frazer un d Jane Harrison.26 Nich t zufällig spielt e dabe i de r mi t de r englische n Kirche i n Konflik t geratene Robertso n Smit h ein e zentral e Rolle , mi t grundlegen den Einsichte n zum Opferritua l un d zu m Zusammenhan g vo n Mythos un d Ritus. 27 Besonder e Aufmerksamkei t fand vorüber gehend Max Müller, de r au f Grun d seine r Sanskrit-Studien eine auf zweifelhafte n Etymologie n aufbauend e Sonnen-Mythologi e errichtet hatte. 28 Die s lie ß sic h relati v problemlos rezipieren . Mit de r Theologi e hatt e sic h di e Religionswissenschaf t vo n Anfang a n auseinanderzusetzen ; die Theologi e ihrerseit s geriet 26

Vgl . Schlesie r 199 4 mi t reiche n Literaturangaben , bes.auc h (19 3 — 241) zur Usener-Schule ; zu r Mythologi e Burker t 1980 . 27 W . R. Smit h 1889/1894 ; vgl . Beidelma n 1974 ; M.Smit h i n Calde r 1989, 251-261 . 28 Vgl . z u Ma x Mülle r H . J . Klimkei t in : Encyclopedi a o f Religio n X (1987) 15 3 f.

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in Schwierigkeiten , insofer n di e Einzigartigkei t de r jüdisch christlichen Offenbarun g i n Frag e gestell t wurde . Ernest Renan betrachtete di e Mithras-Mysterie n al s eine möglich e Alternative zum Christentum. 29 Mannhard t fan d Rite n vo m ,getötete n Vegetationsgott'; be i Fraze r wurd e darau s da s allgemeiner e My thologem vo m ,sterbende n un d auferstehende n Gott' , Adonis Attis-Osiris — hier schiene n Parallelen , j a Konkurrenzentwürf e zum Christentu m mi t seine r Botschaf t vo n To d un d Auferste hung i n den Blic k z u treten . Inwiewei t eben da s christlich e Vor verständnis de r religionsgeschichtliche n Interprete n dabe i de n Blick lenkte , ha t ma n damal s nich t gefragt ; ers t i n unsere m Jahrhundert wurd e darübe r grundsätzlic h reflektier t — wobe i man mi t Frazer s Mythologe m nich t gu t gefahre n ist. 30 Robertson Smith, de r i n seine m s o wirkungsvolle n Buc h ,Religio n o f the Semites ' da s Alt e Testamen t i n eine n allgemeine n Kontex t ,primitiver' Ritual e rückte , wurd e vo n de r englische n Kirch e ausgeschlossen; doc h wurd e sei n Buc h von Theologen in s Deut sche übersetzt . Denn i n de r protestantische n deutsche n Theologie , de r ,libe ralen' Theologi e zumindest , wurd e gege n End e de s 19 . Jh.s di e Religionswissenschaft meh r un d meh r akzeptiert . Ei n Monu ment diese r Rezeptio n is t die Enzyklopädi e Die Religion in Geschichte und Gegenwart, die erstmals 1909—191 3 von Hermann Gunkel herausgegebe n wurde. 31 Di e radikale Distanzierung der Theologie vo n de r Religionswissenschaf t is t dann , al s Gegen schlag, durc h Karl Barth formulier t worden, mi t der paradoxe n These, da s Christentu m se i überhaup t kein e Religion , insofer n Religion da s tastend e Suche n irregeleitete r Mensche n nac h Got t 29

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E . Renan, Mar c Aurel e e t l a fi n du mond e antique , Pari s 1882 , 579, vgl. Burkert 1994 , 11.

Vgl . Colpe 1969 .

H . Gunkel/L . Zscharnack, Hg. , Di e Religio n i n Geschicht e un d Gegen wart, 1909/13 ; 1927/32 2; K. Galling, Hg. , 1957-1965 3; eine viert e Auflage is t i m Entstehen .

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oder Götter n bedeute , da s Christentu m abe r vo n de r Offenba rung zeuge , di e vo n Got t de n Mensche n zukam . Religionswis senschaft, vergleichend e Religionswissenschaft , wi e si e sic h sei t dem 19 . Jh. konstituier t hatte , wär e demnac h fü r christlich e Theologie i m Prinzi p belanglos . Auch di e Altertumswissenschaf t hatt e mi t de r Religionswis senschaft ihr e Schwierigkeiten, schien doch a n Stell e des ,Klassi schen' nunmeh r da s ,Primitive ' a n di e Oberfläch e z u kommen . So blie b e s generationenlan g kontrovers , inwiewei t ma n sic h den religionswissenschaftliche n Perspektiven öffne n ode r davo n abgrenzen solle , o b ma n vergleichen d vorgehe n dürf e ode r sic h auf da s ,rei n Philologische ' z u beschränke n habe . Dabei wa r e s doch i n erste r Lini e Herman n Usene r gewesen , ein unbestreitbare r Meiste r de r Philologie , de r i n de r Klassi schen Philologi e Deutschland s di e Religionswissenschaf t eta blierte un d zugleic h di e Brück e zu r Theologi e schlug . Danebe n steht, al s philologisch e Glanzleistun g vo n große r religionswis senschaftlicher Relevanz , Erwin Rohdes Psyche.32 Usener s Schwiegersohn Albrech t Dieteric h ha t dan n de r Religionswis senschaft i m Bun d mi t de r Altertumswissenschaf t eine n eigene n Status gegeben , vo r alle m durc h di e Gründun g de s Archivs für Religionswissenschaft un d de r Reih e de r Religionswissenschaftlichen Versuche und Vorarbeiten, di e religionsgeschichtliche s Material i m Detai l z u dokumentiere n bestimm t war . Usene r hatte auch di e Verlagerung des Interesses vo n Dogme n un d My then au f di e ,heilig e Handlung' , au f da s Ritua l inauguriert . Martin P. Nilsson, de m wi r da s bedeutendst e Handbuc h zu r griechischen Religio n verdanken , ha t sic h diese r Richtun g em phatisch zugerechnet. 33 Usene r schrie b abe r auc h übe r ,Sintflut sagen', übe r ,da s Weihnachtsfest ' un d übe r de n ,Heilige n Ty chon'.34 E s ging ih m dabe i ebens o u m heidnisch e Vorgabe n fü r 32

Rohd e 1894 , 1898 2 (of t nachgedruckt) . Nilsso n 1967,10 . 34 Usene r 1889 , 1899 , 1907 . 33

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Christliches wi e u m heidnisch e Relikt e i m Christlichen . Auc h Albrecht Dieterich s bedeutendst e Leistunge n konzentrieren sich auf spätantik e Texte aus de m Umfel d de s Christentums: Nekyia (1893) gin g vo n de r neuentdeckte n Petrus-Apokalyps e aus, Abraxas un d Eine Mithrasliturgie machte n Zauberpapyr i zu m Gegenstand de r Religionswissenschaft ; dabei bracht e di e Mithrasliturgie vo r alle m vielbeachtet e Materialie n zu m ,Hiero s Ga mos', zu r Sexualitä t i m Mysteriengeschehen. 35 Useners Schüler in Bonn wa r auc h Hans Lietzmann.36 E r ging dementsprechend al s strenge r Philolog e vo m Studiu m de r Handschriften aus , behandelte abe r mi t de m neugeweckte n In teresse vornehmlic h das Ritual , di e christlich e Liturgi e in ihre r variantenreichen Entwickung . Die s führt e z u de m Buc h Messe und Herrenmahl, abe r auc h z u wichtige n Editione n i n de r vo n ihm geschaffene n Reihe vo n de n ,Kleine n Texte n fü r Vorlesun gen un d Übungen'. 37 Die innig e Berührun g von Altertumswissenschaf t und Theo logie i n de r Religionswissenschaft , die vo n Usene r ausging , is t auch i m Wer k Eduard Nordens fortgeführt . Norde n veröffent lichte 190 3 den große n Kommenta r zu m 6 . Buc h de r Aeneis , der i n viele m an Albrech t Dieterich s Nekyia anknüpft ; Norde n rühmt sic h dort, die jüdisch-christlichen Apokalypsen ,vollstän 35

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Dieteric h 1891 , 1893, 1901. Text un d Kommenta r de r ,Mithrasliturgie' , jetzt Pschai-Aion-Liturgi e genannt , in : R . Merkelbach, Abrasax . Ausge wählte Papyr i religiöse n un d magische n Inhalt s II I (ARWA . Pap . Col. 17) Oplade n 1992 , 155-183, 233-249, vgl . R . Merkelbach, Isi s regin a — Zeu s Sarapis . Di e Religio n u m Isi s un d Serapi s i n griechisch-römi scher Zeit . Stuttgar t un d Leipzi g 1995 , 178-181. Han s Lietzmann, 2.3.1875-25.6.1942 ; vgl . Lietzmann 1926 ; Bornkam m 1942, mi t de r Bibliographi e vo n K . Aland, ib . 1 2 — 33 ( = revidier t i n H. L. , Klein e Schrifte n III , 377-405) un d Bornkam m 1943 ; Raderma cher 1943 . Lietzman n wa r Professo r i n Jen a 1905—1924 , danac h al s Nachfolger Harnack s i n Berlin , Mitglie d de r Berline r Akademi e sei t 1927. Klein e Text e fü r Vorlesunge n un d Übungen , hg . v . H. Lietzmann , Bon n 1902 ff .

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dig' z u kennen . 191 3 folgt e Agnostos Theos, ei n Buch , da s schon i m Titel da s Neu e Testamen t zitiert . Es gab de r Theologi schen Fakultä t der Universitä t Bonn de n Anlaß , Eduar d Norde n 1917 da s Ehrendoktora t i n Theologie z u verleihen. Mit danken der Widmun g publiziert e Norde n dan n 192 4 Die Geburt des Kindes, eine große Synthese von Vergil s Vierter Eklog e mi t Hel lenistisch-Ägyptischem un d Neutestamentlichem , da s i n sein e Umwelt bruchlo s eingefüg t erscheint. 38 Parallel daz u entwickelt e sich , mi t Zentru m Göttingen , ein e eigentliche ,religionsgeschichtlich e Schule' , be i de r länge r z u verweilen ist ; handel t e s sic h doc h woh l u m di e bedeutendst e Symbiose vo n Altertumswissenschaf t und Theologi e in unserem Jahrhundert i m Zeiche n eine r übergreifende n Religionswissen schaft, di e zentral e Botschafte n de s Christentum s au s Frühere m abzuleiten unternah m — ein Weg , de r dan n doc h wiede r aufzu geben war. 39 Die ,religionsgeschichtlich e Schule' ha t sic h i m Bereich de s Altertum s au f de n sogenannte n Synkretismu s konzentriert, au f Mysterien, Gnosis , Hermetik . Hie r als o wa r da s Prinzip überwunden , Kultu r vo r alle m al s Abgrenzun g z u sehen ; Kulturbegegnung, Kulturvermischun g rückte in s Zentru m de r Aufmerksamkeit. Die ,religionsgeschichtlich e Schule' 40 ha t sic h i n Göttinge n konstituiert. Hermann Gunkel wa r e s vo r allem , de r e s unter nommen hatte , Religionswissenschaf t und insbesonder e Mytho logie konsequen t zu r Interpretatio n de s Alte n Testament s un d dann auc h de s Neue n Testament s heranzuziehen, 41 währen d Wilhelm Bousset vo n seine n Studie n über s Judentu m z u irani 38

Norde n 1906 , 1913 , 1924 ; vgl . zu Norden Kytzler-Rudolph-Rüpk e 1994 . Au f Colp e 196 1 se i von Anfan g a n verwiesen . 40 Zu m Name n Colp e 1961 , 8,1 ; Itte l 1956 ; vgl . auc h Paulse n 1958 , Troeltsch 1962 , Sänge r 1980 , Rollman n 1982 . 41 H . Gunkel , Schöpfun g un d Chao s in Urzeit und Endzeit , Göttinge n 189 5 (192l 2 ); Zu m religionsgeschichtliche n Verständni s de s Neue n Testa ments (FRLAN T 1) , Göttinge n 190 3 = 1910 ; Da s Märche n i m Alte n Testament, Tübinge n 191 7 = Meisenheim/Gla n 1987 .

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sehen Traditione n geführ t wurde. 42 Mi t de r Erforschun g de r iranischen Überlieferun g i n religionsgeschichtliche r Sich t hatt e eben damal s Nathan Söderblom begonnen , irritier t vo n Nietz sches Zarathustra, 43 wa s Wilhel m Bousse t nu n aufgriff . De r Alleinvertretungsanspruch de s Hebräischen wurd e dami t relati viert. Dami t begegnete n sic h di e Forschunge n de s klassische n Philologen Richard Reitzenstein. Reitzenstei n lehrt e zuers t i n Straßburg, dan n i n Freiburg , sei t 191 4 aber i n Göttingen. 44 E r war vo n seine n grundlegende n Untersuchunge n z u de n Grie chischen Etymologic a — ein wichtiges , abe r weni g anregende s Thema45 — durch di e Arbeit a n eine m Straßburger Papyru s kosmologischen Inhalt s zur Spätantike , besonder s zu r ägyptisieren den Geistesgeschicht e geführ t worden; 46 so legte e r wenig späte r eine umfassend e Studi e zu r erste n Schrif t de s Corpus Hermeticum vor, Poimandres (1904) . Ihn fasziniert e da s Ineinande r von Griechischem un d Nichtgriechischem , angeblic h Ägyptischem , in diese m un d i n verwandte n Texten . E r nannt e die s ,helleni stisch', zunächst im Sinn der Kulturbegegnung, insofern orienta lische Spiritualität sich hie r im Gewan d griechische r Mythologi e und griechische r Philosophi e Ausdruc k verschaffe ; dan n abe r nahm er ,hellenistisch ' auc h im historischen Sin n einer Epochen bestimmung: ,Hellenistisch ' kennzeichne t dan n de n Zeitrau m zwischen Alexande r de m Große n un d Augustus ; mi t andere n Worten: Di e These entstand, da ß dies e Art vo n synkretistischen 42

Bousse t 1907 ; zu Bousse t sieh e Verbeul e 1973. Vgl . J . Bergma n in : Facult y o f Theolog y a t Uppsal a University , Uppsal a 1976, 4-8 . 44 Richar d Reitzenstein , 4.4.1861-23.3.1931 . Vgl . die Festschrif t Reitzen stein 1931 ; W. Fauth in : Classe n 1989 , 178 ff. — Reitzensteins erst e selb ständige Publikatione n ware n Verrianisch e Forschungen , Bresla u 1887; Epigramm un d Skolion , Gieße n 1893 . 45 Geschicht e de r griechische n Etymologika , Leipzi g 1897. 46 Reitzenstei n 1901 ; der Papyrustex t is t ne u edier t be i E . Heitsch (Hg.) , Die griechische n Dichterfragment e de r römische n Kaiserzei t (AAWG . PH 49) , Göttingen 19632 , nr . XXI V (p . 82-85). 43

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Texten, vo n religiöse n Lehre n ihre n Ursprun g scho n i n de r hel lenistischen Epoche , als o lang e vo r de r römische n Kaiserzei t und vo r de m Neue n Testamen t habe , i n de r Begegnun g de r Griechen mi t de n östliche n Kulturen , der persischen , babyloni schen, syrischen , ägyptischen Kultur . In diesem Zusammenhan g zog Reitzenstein gnostisch e Text e heran , vo r alle m di e von ih m so genannt e ,Naassenerpredigt' , di e de r Bischo f Hippolyto s überliefert; e r versuchte , de n Tex t al s i m Ker n vorchristlic h zu erweisen, inde m er durc h Textanalys e ein e nicht-christliche Fassung rekonstruierte. 47 Was er au f dies e Weis e zu fasse n glaubte , war ei n Mytho s vo n Anthropos de m ,Menschen' , seine m Fal l und seine r Erlösung . Natürlic h stan d di e Bezeichnun g ,Men schensohn' au s Daniel un d Neue m Testamen t i m Hintergrund ; es eröffnete n sic h abe r wei t zurückreichend e Perspektiven, wo nach di e jüdisch-christlich e Erlösungsbotschaf t i n vie l Ältere m zu verorte n wäre . Reitzensteins Publikatio n tra f sic h mi t de n Forschunge n vo n Wilhelm Bousse t zu m bar änash, de r auc h Bousse t al s nicht jüdisch erschien ; Bousse t wie s au f di e iranische n Gestalte n vo n ,Urmenschen' hin , Yim a un d Gayomart . Bousse t zo g ferne r di e Mandäer heran , dere n Text e eben damal s zugänglic h wurden, 48 ebenso manichäisch e Texte , di e alsbal d durc h neu e Zeugniss e aus de n Turfan-Funde n erweiter t wurden . Bousset s Synthes e liegt i n de m Buc h Hauptprobleme der Gnosis vo n 190 7 vor . Reitzenstein un d ander e ginge n weite r au f de n dami t gewiese nen Wegen . Di e Gnosis , di e bislan g als christliche Häresie gese -

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Zu r ,Naassener-Predigt ' Reitzenstei n 1904 , 81-102 ; Reitzenstein-Schae der 1926 , 161 — 173; vgl. auc h Lietzman n Geschicht e de r Alte n Kirch e I , 289-291. Kritische Neubehandlun g durch Fricke l 1984 , der zwei Schich ten christliche r Gnosi s i n dem Tex t z u scheide n versucht ; Vorchristliches bleibt unbestimmbar . 48 Vgl . Rudolp h 1960 . Hingewiesen se i auf di e kritische Stellungnahme vo n H. Lietzmann , Ei n Beitra g zu r Mandäerfrage , SPAW.P H 1930 , 596-608 = ders. , Klein e Schrifte n I , 124-140.

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hen worde n war, 49 wurd e dami t z u eine m wei t umfassenderen und auc h wei t ältere n Phänomen : Gnosis als Weltreligion, u m den Tite l vo n Gille s Quispe l (1951 ) vorwegzunehmen . 1910 veröffentlicht e Reitzenstei n dan n sei n einflußreiche s Buch Hellenistische Mysterienreligionen, da s dre i Auflage n er fuhr un d vo r alle m durc h seine n Tite l Epoch e gemach t hat. 50 Sehr wichti g wurde n dabe i di e Werk e Philon s von Alexandreia , der i n de n erste n Jahrzehnte n unsere r Zeitrechnun g schrieb . I n der Folgezei t abe r began n Reitzenstein , sein e Aufmerksamkeit mehr un d meh r au f da s iranisch e Schrifttu m z u richten , au f manichäische Fragment e un d au f Büche r de r Zarathustra-Reli gion, Bücher , di e ers t i m 9 . Jh. n . Chr. in de r Pahlavi-Sprach e geschrieben sind ; sie geben allerding s ohne Zweife l älter e Tradi tionen wieder . Reitzenstei n ha t anscheinen d wede r Ägyptisc h noch iranisch e Sprachen j e selbständig gelernt; 51 er fand in Göttingen eine n sprachkundige n Mitarbeite r i n dem Iraniste n Hans Heinrich Schaeder . Das iranische Erlösungsmysterium heiß t Reitzensteins Buc h vo n 1921 , das de m umfassende n Anspruch des Titel s freilic h kau m gerech t wird , vielmeh r einzeln e Texte bespricht; Studien zum antiken Synkretismus aus Iran und Griechenland erschie n dan n al s di e gemeinsam e Publikatio n vo n Reitzenstein un d Schaede r 1926 . Die antik e Geisteswel t wir d damit i n kühne r Weis e ausgeweitet , vo n Griechenlan d bi s Baktrien, un d vo n de n Sassanide n gelangt ma n i n ein e vorzarathustrische ,iranisch e Geisteswelt' . De r Mytho s vo m Urmenschen , dem ,erlöste n Erlöser ' wir d imme r wiede r umkreis t un d ent49

Vgl . A . v. Harnack, Lehrbuc h der Dogmengeschicht e I , Tübingen 1909 4, 250:"acute Verweltlichung , resp. Hellenisirun g de s Christenthums" . 50 Reitzenstei n 191 0 / 1927 . 51 E r arbeitet e i n Straßbur g mi t Spiegelber g zusammen.Vgl . da s Urtei l von Richard Heinze , „da ß Reitzenstei n infolg e seine r Hinwendun g zu m ori entalischen religiöse n Schrifttum , da s e r meis t nu r au s Übersetzunge n kenne, di e Präzisio n de s Interpretieren s verlore n habe, " E . Burck in : EI KASMOS. Festgabe fü r Erns t Vogt , (Quadern i Bolognes i d i Filologi a Classica 4 ) Bolog a 1993 , 65 .

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deckt, ei n Menschheitsmythos , de r offenba r vie l späte r da s Christentum mitgestalte t hat. Der Kritike r kann anmerken , da ß di e ,religionsgeschichtlich e Schule' Religio n i m wesentliche n al s ein e Traditio n vo n Idee n sah, di e i n kontinuierliche r Kett e weitergegebe n un d weiterent wickelt wurden, 52 Ideen , di e sic h schriftlic h ausformuliere n las sen, di e auc h i n verlorene n Texte n enthalte n waren , welch e zu rekonstruieren dan n philologisch e Aufgab e bleibt . Philologi e qua Traditionswissenschaf t ha t groß e Affinitä t un d durchau s Sympathie mi t eine m solche n Zugang . Trotzde m fehlt , worau f doch di e ,primitivistische ' Religionswissenschaf t scho n z u Be ginn de s Jahrhundert s aufmerksa m gemach t hatte , di e Praxi s der Ritual e sam t de m soziale n Umfeld . Insbesonder e de r sozio logische Zugang , de n Emile Durkheim begründe t hat, 53 lie ß sich nich t mi t diese m Paradigm a de r Texte-Entwicklun g un d Ideen-Sukzessionen verbinden . Man wir d auc h festhalten , da ß di e iranischen Rekonstruktio nen ei n halsbrecherische s Unterfange n sind , inde m si e kühnlich fast zwe i Jahrtausend e überspringen , u m vo n de n Pahlavi-Bü chern de s 9 . Jh. n . Chr. bis zum Vor-Zarathustrische n z u gelangen. Di e große n Leistunge n de r Schul e vo n Uppsala , besonder s Geo Widengrens solle n dami t nich t geschmäler t sein. 54 Doc h Vorsicht is t a m Platze . Nachträglich ma g sic h ei n weitere s Bedenke n regen : Da s Christentum erschein t i n de r ,religionsgeschichtliche n Schule ' nicht meh r al s wesenhaf t jüdisch , di e Gnosi s is t nich t meh r christliche Verirrung. Das Mysterienhaft e wir d i m Synkretismus entdeckt; di e Unsterblichkeit, die Zeitenspekulation, de r Seelen mythos, de r ,Got t Mensch' , al l die s erschein t i m Altiranischen 52

53 54

Di e Näh e z u Erns t Troeltsch , de m glänzende n Vertrete r de r ,Geistesge schichte', is t insofer n kei n Zufall . Durkhei m 1912 , i n Deutschlan d freilic h damal s kau m rezipiert . Widengre n 198 3 ha t di e Grundlage n de r Rekonstruktio n nochmal s dar gestellt.

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verwurzelt. I m gleiche n Maß e versink t di e Bedeutun g de r he bräischen Tradition , de s ,Semitischen' . Di e Irane r sin d schließ lich Indogermanen . Kei n Zweifel , ,unsterblich ' — amrtos, avestisch amesha, in de r griechische n For m — is t ein e indogermanische Wortprägung , di e i m Semitische n nich t ihres gleichen hat . Doc h dar f ein e solch e Feststellun g nich t al s Argument de r Diffamierun g verwende t werden . Ohne Zweife l wa r e s eine gewiss e zeitgenössisch e Aktualität , was de r ,religionsgeschichtliche n Schule ' z u ihre m Erfol g ver half. Scho n vo r de m erste n Weltkrieg , ers t rech t i n seine m Ge folge wa r di e gleichmäßig-leidenschaftslose Rekonstruktion de r Weltgeschichte unattrakti v geworden ; überhistorische , aktuali sierenden Vereinnahmunge n drängte n vor , Bewegungen ' de s Traditionsbruchs fande n Widerhall : Expressionismus , Neuro mantik, Sin n für alle s Irrationale, Mythische , ,Kosmische' ; auc h eine neu e Ar t vo n ,Klassik ' al s elitär e Aneignun g wurd e mög lich, wi e si e im Stefan-George-Krei s zutag e trat . Zugleic h hatt e mit de r Psychoanalys e ei n neues , antirationale s Menschenver ständnis eingesetzt . Alternativ e un d exotisch e Spielarte n vo n Frömmigkeit fande n ih r Publikum . A n Stell e freisinniger ' Ra tionalität tra t ein e neu e Intensitä t de r Beschäftigun g mi t My then, Menschheitsmythen , Erlösungsmythen . D a hatt e unverse hens di e ,Gnosis ' Chancen , al s uralte , östlich e Alternativ e zu m Christentum ihr e Faszinatio n z u zeigen . Zwe i Zentre n fü r ein e neuartige Geisteswissenschaf t trate n damal s hervor , di e vo n Aby Warburg gegründet e ,Bibliothe k Warburg' in Hamburg, w o Reitzenstein un d Schaefe r i n den Zwanzigerjahre n wichtige Vor träge hielten, 55 und di e Casa Eranos be i Ascona, w o C . G. Jung bestimmenden Einflu ß gewann. 56

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Sieh e Reitzenstei n 1924/5 , Schäde r 1924/5 , Reitzenstein-Schaede r 1926 , Reitzenstein 1963 ; auc h Norde n 1924 . 56 Publikatio n de r Eranos-Jahrbüche r sei t 1933 ; vgl . da s Literaturverzeich nis.

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In dreifache r Weise ha t ,Gnosis ' i n de r Sich t de r religionsge schichtlichen Schul e ins Weite gewirkt , i n der Philosophi e durc h Hans Jonas, i n de r Theologi e durc h Rudolf Bultmann, un d i n der Jungsche n Psychologie . Da s Unternehme n vo n Hans Jonas, die Gnosi s al s ein e besonder e For m de r Welterfahrun g existen tialphilosophisch z u erschließe n — das Weltgefüh l des ,Gewor fenseins' stellt e eine Brück e z u Heidegge r he r — , is t freilic h als bald erstick t worden ; de r erst e un d fü r lang e Zei t einzig e Band von Gnosis und spätantiker Geist erschie n 1934. 57 Rudolf Bultmann58 hatt e scho n frühe r de n religionshistori schen Ansat z adaptiert. Fü r sein e Theologie ist die These funda mental, daß di e Gnosis vorchristlic h sei, also ein e geistig-mythologische Richtung , dere n Auswirkun g da s christlich e Kerygma überlagert hat ; si e bleib t prinzipiel l abtrennbar . Bultman n ak zeptierte, da ß da s Christentu m historisc h au s de m Bereic h de s späthellenistischen Synkretismu s herausgewachse n sei , sucht e aber di e Besonderhei t de s Christentum s z u gewinnen , inde m e r das zeitlos e Kerygma de s Christentums vo n de r mitgeschleppte n mythologischen Begrifflichkei t de r synkretistische n Religione n wieder befreie n möchte ; dies sein Programm de r ,Entmythologi sierung'. Inde m als o Bultman n die Religionswissenschaft akzeptiert un d i n sei n Interpretationssyste m integriert , dient si e doc h zugleich wiederu m zu r Abgrenzung : Ihr is t zuzurechnen, was a n mythischen Aussage n i n de r urchristliche n Literatu r sic h brei t macht, de m Moderne n abe r nich t meh r entspreche n kann . Ma n akzeptiert als o de n Synkretismu s als das ,andere' , vo n de m da s Eigene abzugrenze n ist. Anders wa r di e Aneignun g durch Carl Gustav Jung, di e gerade de m Mythische n ein e neu e Dignitä t z u gebe n versprach . Ihn interessierte n di e Bilder , di e di e irrational e Seel e hervor 57

Jona s 1934/1964 ; di e dritt e Auflag e (1964 ) enthäl t p . 377-418 ei n Kapitel „Neu e Text e de r Gnosis" . 58 Da s folgend e orientier t sic h a n Bultman n 1949 ; doc h vgl . z u seine r Posi tion bereit s Bultman n 192 3 un d 1925 .

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bringt. S o hatt e e r ei n Interess e fü r Alchimi e entwickelt, wa s sich mi t Untersuchunge n Reitzenstein s traf. 59 Sei t 193 3 veröffentlichte da s Eranos-Zentru m di e Eranos-Jahrbücher , di e ostwestliche Meditatio n un d Erlösungsforme n zu m Gegenstan d hatten: Erlösungsidee in Ost und West, Symbolik der Wiedergeburt in der religiösen Vorstellung der Zeiten und Völker. Trinität, christliche Symbole und Gnosis, Das Hermetische Prinzip, Mythos, Gnosis und Alchemie — die Tite l spreche n fü r sich . Es kam s o weit , da ß ma n Car l Gusta v Jun g jene s Bruchstüc k de r Nag Hammadi-Bibliothe k al s Geschen k überreichte , da s au f den graue n Mark t gelang t war . Er nah m da s Buc h gerühr t i n Empfang, al s wär e e s di e Erfüllun g seine s Leben s — lese n konnte e r e s nicht . Inzwische n is t da s voreili g ,Code x Jung ' genannte Fragmen t i n aller Stille nach Kair o zurückgegeben un d der Nag-Hammadi-Bibliothe k wiede r einverleib t worden.60 Jung stan d u m 195 0 auf de m Höhepunk t seine s Ruhms. Seltsam, wi e fern un s die s heute anmutet. Di e Zusammenarbeit vo n ,Antike un d Christentum ' is t zwa r nac h 194 5 i n de r Abkeh r vom braune n Ungeis t mi t neue r Intensitä t i n di e Weg e geleite t worden, jetz t aber unte r de m Motto des Christlichen Abendlandes' un d unte r katholische r Führung ; da s Reallexikon für Antike und Christentum, das a n di e Vorarbeite n vo n Fran z Josef Dölge r anknüpft , is t i n Bon n beheimatet. 61 Di e ,religionsge schichtliche Schule ' abe r is t verschwunden. 62 Han s Jona s ha t

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Vgl . Reitzenstei n 1904 , 102-10 8 z u Zosimos ; Reitzenstei n 1923 . Zu r Na g Hammadi-Bibliothe k unte n Anm . 65. 61 Reallexiko n fü r Antik e un d Christentum , begründe t vo n Th . Klauser , Stuttgart 195 0 ff. — Als religionsgeschichtlich e Handbüche r z u nenne n sind vo n katholische r Seit e Prüm m 1954 , vo n protestantische r Schnei der 1954 . 62 Si e fan d ein e gewiss e Fortsetzun g durc h Johanne s Leipold t i n Leipzig , danach durc h Kur t Rudolp h ebendort , vgl . Rudolp h 1960 , 1980 , 1987 . Spezialarbeit a n koptisch-gnostische n Texte n wurd e i n Berli n weiterge führt, vgl . Schenk e 1962 . — Eine gewiss e Fortführun g de s Paradigma s 60

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sein Wer k nich t z u End e geführt . Neu e methodisch e Verfeine rungen un d Komplizierunge n sind aufgetreten , neu e hermeneu tische Methode n wi e Strukturalismu s und Semiotik , daz u auc h außertextliche Interessen , Soziologie , Kulturanthropologie ; ma n konstruiert Modelle , Systeme. Wen n ic h recht sehe , is t dabei di e Theologie wei t ehe r bereit , sic h neue n Methode n zuzwenden , als die imme r noc h a n de r ,Klassik ' laborierend e Philologie. Aus de n neue n Ansätze n de r Kulturwissenschaf t haben sic h allerdings auc h neu e Abgrenzunge n ergeben . Inde m System e sich modellhaf t a m eheste n al s geschlossen e System e konstruie ren lassen , faß t ma n de n Begrif f de r Kultu r ode r Gesellschaf t wieder gan z eng , etw a ,di e Kultu r de r griechische n Poli s i m 5. Jh.'.63 ,Einflüsse ' vo n Nachbarbereiche n ode r Vorgängerkul turen läß t ma n a m liebste n gar nich t meh r gelten ; Innovatione n sind allenfall s systematische r Systemumbruch , nich t abe r Im port. S o scheine n di e ,Systeme ' de r Kulture n z u fensterlose n Monaden z u werden ; ein e übergreifend e Religionsgeschicht e wäre dan n ga r nich t meh r möglich . Merkwürdigerweise abe r häng t de r Wandel i n der Einstellung zur Religionswissenschaft , di e Unmöglichkei t eine r neue n ,Schule' auc h mi t eine m gan z unvorhersehbare n Fortschrit t zu sammen, de m sensationelle n Zuwach s neue r Zeugniss e gerad e in de r Epoch e u m 1950 : Di e Schrifte n vo n Qumran , di e ein e Richtung des Judentums bi s ins 1. Jh. n . Chr . hinei n authentisch dokumentieren, 64 un d di e Bibliothe k vo n Na g Hammadi , jen e erfolgte i n Italie n durch Ug o Bianchi , mit Akzen t au f de m Proble m de s Dualismus: Zama n i Ohrmazd, Torin o 1958 ; Selecte d Essay s on Gnosti cism, Dualis m an d Mysteriosophy , Leide n 1978 ; daz u de r Kongres s vo n Messina, sieh e Bianchi 1967 . 63 Bedeutend e Wirkun g is t von de m Krei s um Jean-Pierr e Vernan t i n Pari s ausgegangen; sieh e J.-P . Vernant, Myth e e t societ e e n Grec e ancienne , Paris 1974 ; Pass e e t Presen t l / U , Rom 199 5 (mi t Bibliographie). 64 Di e vollständig e Veröffentlichun g is t jetz t ers t i n Gan g gekommen : E. (Ed.) , The Dea d Se a Scrolls on Microfiche , Leide n 1993 ; F . Garcia Martinez, G . E. Watson, Th e Dea d Se a Scrolls Translated , Leide n 1994 .

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gnostische Bibliothe k i n mindesten s 1 3 Bänden , di e i m 4 . Jh . in eine m christliche n Kloste r hergestellt , dan n abe r vergrabe n worden war , wohl unte r de m Druc k orthodoxe r Kontrolle. 65 Während bislan g die Gnosis fas t ausschließlic h au s der Polemi k christlicher Schriftstelle r bekann t war , hat ma n jetz t übe r 4 0 Originalschriften, leide r — sag t de r Graezis t — i n koptische r Übersetzung, nich t i n de r griechische n Urfassung . Dazu gekom men is t 1969, nicht wenige r sensationell , die griechisch verfaßt e Biographie de s Religionsstifter s Mani , ei n Papyruscodex , de r von de r Papyrus-Sammlun g Köl n angekauf t wurde . Auc h weitere Dokument e de s Manichäismu s werde n laufen d ne u ediert , aus Turfan-Texten , au s koptische n Codices , au s chinesische n Quellen. Freilic h sin d di e Manichaic a scho n i n ihre n sprachli chen Fassunge n s o vielgestaltig , da ß kau m eine m Spezialiste n alles zugänglic h ist. 66 Die Erforschun g de s Christentum s de s zweite n bi s vierte n Jahrhunderts — eines Christentums , da s durchau s de r ,Antike ' angehört — steht dami t i n de r zweite n Hälft e unsere s Jahrhun derts au f eine r gan z andere n Basi s al s i n de r erste n Hälfte . Da s Eigentümliche ist , daß dies e Entdeckunge n dennoc h nich t wirk lich Epoch e gemach t haben . Gnosi s erregt e Begeisterung , al s man weni g vo n ih r wußte ; jetzt, wo ma n Genaue s übe r si e wissen kann , is t da s Interess e erlahmt , noc h eh e di e definitive n Editionen un d eingehend e Kommentar e vorliegen . Siche r hat di e verzögerte Erschließun g de r neue n Text e z u Ermüdungserschei nungen geführt ; di e Nag-Hammadi-Schrifte n liege n i n Überset zung seit 197 7 vor, der Kölne r Mani-Codex seit 1988 , di e Qum65

Th e Facsimil e Editio n o f th e Na g Hammad i Codices , Leide n 1972-1984; J. M. Robinso n (Ed.) , The Na g Hammad i Librar y i n Eng lish, Leide n 1977 , 19964. 66 Kölne r Mani-Codex: Koenen-Röme r 1988 . Vgl. M. Tardieu , Etude s Ma nicheennes. Bibliographi e critiqu e 1977-1986 , Pari s 1988 ; G. Wießner, H. J. Klimkeit , ed., Studia Manichaica : II . Internationaler Kongre ß zu m Manichäismus, Wiesbade n 1992 ; Böhlig-Markschies 1994 .

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ran-Texte vollständig erst sei t 1994. Die Sensation is t nach Jahrzehnten abgeklungen . Das tiefere Problem is t wohl, daß de r Zu griff de s Christentum s au f di e allgemein e Kultu r sich gelocker t hat, j a da ß i m Flimmer n de r moderne n Medie n ein e geistig e Bewegung ga r nich t meh r auszumache n ist. Es wir d steti g un d intensiv auf dem Gebiet de r Gnosis un d de s Manichäismus gearbeitet — aber e s bleib t Spezialistenarbeit. 67 Die Klassisch e Philologie, di e sic h au f Griechisc h un d Latei nisch z u beschränke n pflegte , sieh t sic h durc h di e neue n Be funde marginalisiert . Der ,abendländische ' Blic k erweist sic h als zu eng. Für di e Erweiterung wenigstens i n Richtun g auf di e an deren mediterran-christliche n Sprachen, Aramäisch-Syrisc h und Koptisch, sin d unser e Seminarie n nicht i m mindeste n eingerichtet. Vo n interdisziplinärer Zusammenarbeit is t viel di e Rede , si e zu verwirkliche n gelingt nich t häufige r un d nich t besse r al s i n der erste n Hälft e diese s Jahrhunderts . Un d is t e s den n über haupt noc h menschenmöglich , au f mehrere n Gebiete n beschla gen z u sein , w o doc h scho n au f kleinste m Fachgebie t di e Produktion i n ihre r weltweite n Vernetzun g kaum meh r z u bewältigen is t — ander s al s z u Eduar d Norden s Zeite n — , währen d zugleich di e Problematisierung , die methodische n Zweife l un d Neuansätze un s immer wiede r de n Bode n unte r de n Füßen wegziehen? Beim Versuch , au s eingeschränkte m Blickwinke l trotzde m etwas wi e ein e Bilan z z u ziehen , schein t mir , daß di e Eigen ständigkeit un d Besonderhei t de s Jüdische n einerseits , zugleich aber auc h di e christliche n Grundlage n vo n Gnosi s un d Mani chäismus i n unerwarte t deutliche r Weise ins Licht gerück t sind . Das Altiranisch e verblaß t gegenübe r de n neue n Evidenzen. 68 67

68

Vgl . z . B. Markschies 1992 , Holzhause n 1994 . Zu m literarische n Erfolg wurde Filoram o 1983 .

Di e Kriti k an de r religionsgeschichtliche n Schul e un d de m Bil d vo m iranischen Erlösungsmysteriu m hatte n Quispe l 1954 , Colpe 1961 , Schenk e 1962 eingeleitet .

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Die angeblic h vorchristlich e Gnosi s entzieh t sic h meh r un d mehr, 69 währen d früher e ,kritische ' Spätdatierunge n de r christ lichen Text e sic h al s irri g herausgestell t haben . Di e Frühdatie rung eine s Evangelienfragment s durc h C . P. Thiede, 70 mögli cherweise vo r 7 0 n . Chr. , ha t Aufsehe n erregt , bleib t allerding s unter Spezialiste n durchaus kontrovers . Doc h da ß di e neutesta mentlichen Schrifte n im wesentliche n noc h dem 1. Jh. n. Chr . angehören, un d da ß si e viel historisch e Realitä t transportieren , ist nich t ernsthaf t z u bezweifeln . ! Die Bibliothek vo n Na g Hammad i is t nicht nu r de n Fundum ständen nac h ein e christlich e Bibliothek ; ma n kan n auc h nich t wohl behaupten , da ß si e nur sekundär e un d tertiär e Zeugniss e zur Gnosi s enthält , di e a n de n frühere n Rekonstruktione n z u messen wären . Al s ei n Hauptwer k kenne n wi r jetz t da s , kryphon de s Johannes' , da s i n eine r kürzere n un d eine r sekun dären längere n Fassun g überliefer t ist. Zumindes t sei n wesentlicher Inhal t wa r de m Ketzerbestreite r Irenaeu s bereit s i n de r Mitte de s 2. Jh.s. n. Chr . bekannt . Diese s Wer k ende t mi t Jesus Christus. Amen ' un d gib t sic h mi t de m Titel , 6 0 deutlich al s Ergänzung des Johannesevangeliums 71 zu erkennen. E s nac h Reitzenstein s Method e i n eine n vor christlichen Tex t umzuarbeiten , hieß e ein e Rekonstruktio n a n Stelle de r Überlieferun g z u setzen . A m bedeutendste n is t di e Sammlung vo n Jesus-Logien , da s sogenannt e Thomas-Evange lium, vo n de m griechisch e Bruchstück e scho n vorhe r bekann t waren. 72 Diese s Logion-Evangeliu m ist de n kanonische n Evan gelien nich t einfac h nachgeordnet . Neutestamentle r möge n un willig sein , e s erns t z u nehmen ; doc h scheine n einig e ,Sprüche ' 69

Vgl.Yamauch i 1983 . C . P. Thiede, ZP E 105 , 1995 , 13-20 . 71 Waldstein-Wiss e 1995 ; dor t auc h di e Irenaeus-Texte . Holzhause n 1994 , 198 f un d Waldstein-Wiss e l nehme n ein e gemeinsam e Quell e vo n Ire naeus un d de m Apokrypho n an . 72 Fliege r 1991 .

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hier authentische r al s i n de r kanonische n Fassun g vorzuliegen , und ander e sin d originel l und herausfordern d genug . Auch ei n ,geheime s Markus-Evangelium ' is t aufgetaucht , ge funden un d herausgegebe n vo n Morto n Smith . E s ergänz t da s kanonische Markus-Evangeliu m in verblüffende r Weise : Es setzt den Jüngling , de r be i Jes u Gefangennahm e nack t vo n danne n floh, mi t dem reiche n Jüngling , den Jesus liebte , gleich un d deu tet ei n homosexuelle s Verhältni s an . De r Herausgebe r meinte , der Tex t se i primä r gegenübe r unsere m Johannes-Evangelium , ja gegenübe r unsere r Fassun g de s Markus . Kau m jeman d ha t dies akzeptiert , zuma l die kuriose Lag e de r Überlieferun g imme r auch di e Vermutun g sehr vie l spätere r Entstehun g zuläßt. 73 Die Authentizitä t de r griechische n Mani-Biographi e unter liegt Einschränkungen , is t de r Tex t doc h woh l meh r al s 10 0 Jahre nac h Mani s To d zusammengestellt , mi t Berufun g au f mehrere Mani-Schüler . Trotzde m is t di e Schilderung , di e hie r von der Entwicklun g eines Religionsstifters gegeben wird , etwa s Einzigartiges: Wi e e r i n eine r Täufer-Gemeind e aufwächst , wi e er sein e Berufun g durc h de n göttliche n ,Zwilling ' erlebt , wi e e r schließlich i n traumatische r Weis e mi t seine r Heimatgemeind e bricht un d sein e Missio n beginnt , da s is t psychologisc h einseh bar un d tie f ergreifend. 74 E s besteht kei n Anlaß , di e prinzipiell e Richtigkeit diese s Bilde s z u bestreiten , s o weni g wi e da s hie r gegebene genaue Geburtsdatum , 21 6 n . Chr., un d ander e histo rische Angaben . Man i is t demnac h scho n vo n Kin d a n i n eine r christlichen Gemeind e aufgewachsen , de r Elchasaiten-Ge meinde syrische r Obervanz , i n de r auc h di e Gnosi s — in syri scher Sprach e — mit ihre n Mythe n un d ihre r Begrifflichkei t be reits ihren festen Platz hatte. Zu r Enttäuschun g mancher Spezialisten enthäl t der neu e Text s o gut wi e nicht s speziel l Iranisches, wohl abe r zeig t er deutlich den Hintergrun d de s bereits entfalteten syrische n Christentum s un d seine r Sekten . Man i beginn t — 73 74

M . Smit h 1973 , vgl . Smit h 1982 , Levi n 1988 . Kölne r Mani-Code x p . 89-104.

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was ma n scho n wußte , hie r abe r mehrfac h bestätig t finde t — seine Brief e mi t de r Forme l „Ich , Manichaios , ei n Aposte l Jes u Christi," i n wörtliche r Nachahmun g de r Brief e de s Apostel s Paulus. Inwieweit der Manichäismus nicht so sehr al s prinzipieller Dualismus auf iranische r Basis, vielmehr als ein Entwurf des absoluten Gewaltverzicht s und gerad e hieri n al s radikal e Fort setzung vo n Jesu s un d Paulu s z u verstehe n wäre , bleib t ers t noch aufzuarbeiten . Neu z u untersuche n is t auch da s hermetisch e Schrifttum , das auch i n Nag Hammad i inmitte n der gnostische n Bibliothe k auftritt. 75 Reitzenstei n hatt e di e Hermeti k sei t seine m Poimandres ins Zentru m gestellt , hatt e fü r ,hellenistischen ' Ursprun g vo tiert. Die s wa r vo n Anfan g a n umstritten. 76 Mehrfac h wurd e seither aufmerksa m gemacht au f Indizien , die fü r ein e Spätda tierung de s Corpu s wi e seine r Teil e sprechen : E s gibt eindeuti g Jüdisches i m angeblic h Ägyptische n diese r Texte, wahrschein lich abe r auc h direk t Christliches , da s freilic h zurückgedräng t wird. Dies gilt besonders vo n der namengebenden erste n Schrift , dem Poimandres ; ei n begriffsgeschichtliche r Kommenta r führ t mit viele n Indizie n au f ein e nachchristliche , nachjohanneisch e Datierung. 77 Dann lieg t eine absichtliche Paganisierung vor: Die sogenannte Hermeti k is t ein e For m de r Gnosis , di e sich , mi t dem Christentu m konkurrierend , vo n diese m wiede r distanzieren will ; sie ist i m wesentliche n woh l an s End e de s dritten un d ins viert e nachchristlich e Jahrhundert z u setzen . Si e dürfte mi t der Spaltung de r Platoniker i n Christen un d Heide n zusammen 75

Code x V I 8 enthäl t de n i n lateinische r Übersetzun g sei t j e bekannte n Asclepius, Kap . 21-29 . 76 Vgl . etw a Prüm m 1954 , 544-546. 77 Büchl i 1987 . Das Genesis-Zita t i n Poimandre s 1 8 mußt e imme r auffal len. Corpu s Hermeticu m 2 4 zitiert Ploti n 4,8,8 . Au f eine n ,hellenistisch jüdischen' Anthropos-Mytho s rekurrier t wiede r Holzhause n 1994 , indem e r ein e gemeinsam e Quell e vo n Valentine s un d Poimandre s rekon struiert; Paulu s Philipp. 2,6—1 1 setze diese n Mytho s voraus. Selbst wen n man die s zugäbe , müßt e di e ,Quelle ' nich t vorchristlic h sein .

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hängen, vo n de r Porphyrie s i n seine r Plotinbiographie , Ploti n selbst i n seine r antignostische n — antichristliche n — Schrif t Kunde gibt. 78 Di e hermetische n Text e leiste n dan n allerding s nichts meh r fü r de n sogenannte n Ursprun g de s Christentums , wohl abe r sin d si e ein e Stimm e i m vielstimmige n Konzer t de r religiösen Auseinandersetzungen , di e mit dem Sie g des Christen tums äußerlic h ih r End e fanden. Noc h kau m untersuch t ist , in wieweit wirklic h echt Ägyptische s dari n zu m Ausdruc k kommt . Das spät e pagan e Ägypte n ist , sowei t ic h sehe, imme r noc h we nig erforscht. Rechte n Ägyptologe n lieg t diese Spätzeit fern ; un d doch kan n ma n de r spätägyptische n ode r pseudoägyptische n Spiritualität nich t mi t de n alten , sei t lange m edierte n Texte n wie Pyramidensprüch e un d Totenbuc h beikommen . Ga b e s ,heidnische Reaktion ' i m Ägypte n de s 4./5. Jh.s? 79 Auch vo n de m durc h Reitzenstei n geschaffene n Begrif f de r ,Hellenistischen Mysterienreligionen ' ha t ma n abzurücken. 80 Neuere Aspekt e religionsvergleichender , psychologischer, sozio logischer Ar t habe n di e rech t ,heidnische ' Eigentümlichkei t der real existierenden Mysterienkult e in s Licht gerückt. Da s christli che Modell ist hier nicht das geeignete Referenzsystem ; der Hia t zwischen Mysterienkulte n un d Christentu m erweiter t sich . Da s angebliche Mythologe m vo m sterbende n un d wiederauferste henden Gott , da s ma n au f Frazer s Spure n al s grundlegen d fü r Mysterien nahm , is t aus de r Sich t der Spezialiste n wieder zerfal len. Di e vollständiger e Editio n de s Keilschrifttexte s vo n ,Inan nas We g in die Unterwelt ' ha t ei n groteskes Mißverständni s de r älteren Religionsgeschicht e entlarvt : E s geh t i n diese m sumeri schen Tex t nich t u m di e Wiederauferstehun g des Dumuzi-Tam muz, sonder n i m Gegenteil u m seine n To d al s Ersatzopfer nac h 78

Z u diese r Schrif t Elsa s 1975 . E s gab mehrer e Ägypte r unte r de n Mitglieder n de r heidnische n Akade mie vo n Athen . Vgl . auc h Anm . 85/86. 80 Burker t 1994 ; vgl . auc h di e zurückhaltend e Zusammenfassung vo n Kö ster 1980 , 182-211 .

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dem Wille n Inannas. 81 E s gibt be i den Grieche n auc h kein e Mysterientaufe. Z u beachten , doc h mi t Vorsich t z u betrachte n is t im griechische n Bereich die rhetorisch-philosophische, durchaus literarische Tradition , di e vo n Plato n ausgehen d di e Mysterien metaphorik i n philosophisch-religiöse Text e getragen hat , insbe sondere z u Philon : Ma n dar f hinte r Philon s Metapher n keines wegs real e jüdisch-hellenistische Mysterienkult e suche n un d re konstruieren, wi e e s doch , Reitzenstei n übertrumpfend , einig e Gelehrte unternomme n haben. 82 Auch i m Bereich der pagane n mysteria ha t e s in jüngster Zeit sensationelle Entdeckunge n gegeben : De r Bestan d de r soge nannten ,orphische n Goldblättchen ' ha t sic h entscheiden d ver mehrt, jene r Texte , die den Toten in s Grab mitgegebe n wurden , um ihne n de n rechte n We g i m Jenseit s z u weisen . Sei t 197 4 wissen wir , da ß e s sic h u m Text e ,bakchischer ' Mysterie n han delt. „Sa g der Persephone , da ß Bakchio s selbst dic h freigelasse n hat," steh t au f eine m Tex t au s Thessalien. 83 Zugleic h steh t nu n fest, da ß dies e Text e bi s in s 5 . Jh. v . Chr. zurückgehe n un d vo r allem i m 4 . Jh. v . Chr. verbreite t sind . Dionysos-Mysterie n sin d damit i n de r klassische n Zei t wei t besse r un d direkte r bezeug t als i n de r hellenistische n und i n de r kaiserzeitliche n Epoche. E s ist nicht s mi t eine r eingleisige n Religions - un d Geistesge schichte, di e auf s Christentu m zuläuft . Der Zuwach s a n neue n Quelle n ha t als o paradoxerweis e vo r allem z u negative n Ergebnisse n geführt : Groß e religions - un d geistesgeschichtliche Rekonstruktione n sin d wiede r zerfallen . Man kan n da s Christentu m nich t meh r al s ein e unte r verschie denen ,hellenistische n Mysterienreligionen ' betrachten , scho n 81

Vgl . Colp e 1969 ; de r Inanna-Tex t is t zugänglic h be i J . Bottero , S . N. Kramer, Lorsqu e le s dieu x faisaien t l'homme , Pari s 1989 , 27 6 — 295. 82 Sieh e Riedwe g 1987 . 83 Burker t 1994 , 28 ; vgl . F . Graf, Dionysia n an d Orphi c Eschatology , in : Th.H. Carpenter, Mask s o f Dionysus , Ithac a 1993 , 239-258 .

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gar nich t al s Spielar t eine s ,iranische n Erlösungsmysteriums' . Für de n un s so vertrauten un d doc h unerhörte n Tex t de r christ lichen Kommunion , ,da s is t mei n Leib , da s is t mei n Blut' , gib t es übrigen s bislan g kei n pagane s Gegenstück , auße r de m seh r allgemeinen, wen n auc h menschheitsgeschichtlic h relevante n Kontext de s blutigen Opfer s überhaupt . Fü r di e konkrete Situa tion de r frühe n Kaiserzei t wird ma n da s Jüdisch e un d da s dar auf aufbauend e Christlich e i n seiner Besonderheit , i n seiner Ori ginalität anerkenne n müssen . Di e vorchristliche Gnosi s verdäm mert, währen d di e christliche Gnosis Aufmerksamkei t erzwing t und auc h de r Manichäismus als christliche oder eher nachchrist liche Religion , zwische n Christentu m un d Islam , z u fasse n ist . Ausgrenzungen habe n dami t wenige r Berechtigun g den n je . Die Klassisch-griechisch e Philologi e kan n i n de r multikulturellen Umwel t da s ,Klassische ' kau m festhalten ; si e kan n sic h je denfalls vo m Semitische n un d ,Orientalischen ' nich t meh r ab koppeln — nicht einmal , wa s di e vorhellenistisch e Phas e be trifft, is t doc h scho n di e Archai k vo n eine r ,orientalisierende n Epoche' geprägt.84 Sie kann auc h nich t be i Konstantin un d Kon stantinopel Hal t machen : Wan n un d wi e da s ,Mittelalter ' be ginnt, läß t sic h i m Oste n noc h wei t schwere r angebe n al s i m lateinischen Westen . Dabe i kan n di e griechische Philologi e sic h der Aufgab e nich t entziehen , auc h di e spätantike n Religione n zumindest i n ihren griechischen Texten z u erfassen un d z u interpretieren, insbesonder e da s früh e Christentum , da s fundamental griechischsprachig gewese n ist . Gewiß , di e Herausforderung be deutet zugleic h Frustration. Di e Klassische Philologie muß zuge ben, da ß i n de r Kaiserzei t di e erregenden , zukunftsweisende n Impulse fü r Kultu r un d Religio n nich t i n de r Pfleg e de r ,klassi schen' Sprache un d Literatu r bestanden , als o auc h nich t be i den attizistischen Rhetorenschule n z u finde n sin d — die Rhetori k freilich bestan d weite r un d gewan n dan n i n der christliche n Pre 84

Burker t 1992 .

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digt soga r ei n neues , besonder s reiche s Betätigungsfel d — ; de r Klassische Philolog e al s Religionswissenschaftle r abe r steh t vo r sprachübergreifenden Bewegungen , di e ih n rasc h a n di e Gren zen seine r Kompeten z komme n lassen . Wi r freue n uns , da ß de r Kölner Mani-Code x griechisc h geschriebe n ist ; abe r Man i ka m vom Syrische n her, un d de r recht e Erforsche r des Manichäismu s sollte dan n auße r Syrisc h un d natürlic h Latei n auc h Koptisch , Arabisch, Mittelpersisch , j a Uigurisc h un d Chinesisc h lese n können — alles Sprachen manichäische r Texte. Un d auc h scho n für da s früh e Christentu m gilt : S o gewi ß e s i n eine r hellenistischen, i n einer gründlich hellenisierten Umwelt heranwuchs, da s Hebräische is t al s Hintergrund s o weni g z u eliminiere n wie da s Aramäisch-Syrische, dem di e anderen vo m Christentu m gepfleg ten Volkssprachen dann gefolg t sind. Ohne interdisziplinäre Zusammenarbeit wir d ma n nich t wei t kommen . Wenn ic h rech t sehe , kan n auc h di e Theologi e nich t mehr , wie e s seinerzei t Karl Barth proklamier t hat , ,Religion ' über haupt un d Religionswissenschaf t vo n sic h weisen . Theologi e kann heut e kau m a n de r Tatsach e vorbeigehen , da ß si e ,Reli gion' vertrit t Seit e a n Seit e mi t anderen , konkurrierende n Reli gionen — de m Isla m zuvorderst ; abe r auc h indisch e ode r pseudoindische Trends , Ostasiatisches , daz u selbsternannt e ,neue' Religione n dränge n sic h vor. Zude m erheisch t da s Juden tum al s Partne r wei t ernster e Aufmerksamkei t al s früher . Mi r scheint darum , e s bleib t gerad e hie r religionswissenschaftlic h geforderte Altertumswissenschaf t mi t eine r historisch-religions wissenschaftlich ausgerichtete n Theologi e i m zeitgenössische n Umfeld gan z en g verbunden . Dabei bleib t e s ein e faszinierend e Aufgab e fü r di e Religions wissenschaft i m Bund e mi t Philologi e un d Theologie , di e Wel t der Spätantik e mi t ihre n Variante n un d Konflikten , mi t ihre n Konstanten un d Übergänge n gemeinsa m z u erforschen . E s gib t noch ein e Unmeng e editorische r Aufgaben ; si e sin d noc h nich t einmal fü r di e wichtigste n griechische n Patres an s End e gekom men, geschweig e den n fü r das krause Materia l de r Heiligenviten

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und -legenden . Doc h sollt e die ungeheur e noc h z u leistend e Ar beit nich t zu r Trauerarbei t werden . E s bleibt ei n einzigarti g faszinierendes Phänomen , wa s sic h damal s ereigne t hat , jen e Kulturrevolution, di e da s Pagan e unwiderruflic h versinke n ließ , s o daß di e ,klassisch e Welt ' de r Klassische n Philologi e etwa s No stalgisch-Irreales geworde n ist . Di e Widerstände , di e Chance n des Nebeneinanders sin d noc h kau m endgülti g erforscht ; gab es doch generationenlang ei n Schwanken zwische n Koexisten z un d Konfrontation. W o un d wi e wir d da s Ineinande r vo n Staats macht un d Widerstand , geistige r Diskussio n un d Verstumme n im einzelne n faßbar? Is t e s möglich , da ß Nonnos , de r Verfasse r des riesige n mythologische n Epo s vo n Dionysos , zugleic h Bi schof vo n Edess a war? 85 Wi e komme n di e mythologische n Sze nen, z . B. ei n prachtvolle r Dionysos-Behang , i n di e christliche n Gräber Ägyptens? 86 Es langweilt, von Krise n z u sprechen ; abe r si e sind fühlbar . Da s Dach de r Geschichtswissenschaf t jedenfall s is t schütte r gewor den. Di e bloß e Sicherun g un d Anhäufun g vo n Faktenwissen , von Informatione n rück t i n di e elektronische n Speiche r un d kommt un s al s Glied lebendige n Geistesleben s dami t abhanden . Man ha t woh l etwa s voreili g das ,End e de r Geschichte ' prokla miert; ic h fürchte , si e könnte un s wiede r packen . Da s Altertu m jedoch rück t imme r weite r weg , un d ma n gewinn t nicht s meh r damit, e s ,klassisch' zu nennen . I m Konglomera t de s Weltdorfe s kann kei n solche s Zentru m existieren . O b di e Theologi e da s Postulat eine r religiöse n Urzeugun g i n Palästin a braucht , mu ß ich ih r überlassen . Jedenfall s kommen wi r wede r mi t de m Be griff de s Klassische n noc h mi t de m Fortschrittsgedanke n we sentlich weiter , auc h nich t mi t de m Fortschrit t bi s zur Christia nisierung un d durc h di e Christianisierun g der Wel t — von dere n Abschluß wi r heut e weite r entfern t sin d al s vo r 5 0 Jahren . De r 85 86

S o Livrea 1991 . Vgl . Willer s 1992 .

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,Sieg de s Christentums ' wa r kei n eindeutige r »Fortschritt 1 ; doch müssen di e Klassische n Philologen ihrerseit s zugeben, wi e hoh l der Klassizismu s schon i n de r Spätantik e klingt . Di e Faktizität der Geschicht e is t jedenfall s nich t abzustreiten . Di e islamisch e Welt is t ein e Tatsache , di e di e größt e Niederlag e de s Christen tums un d auc h de s Griechentum s i n sic h schließt ; kan n ma n sich noc h vorstellen , da ß di e gesamte Türkei , Syrien , Palästina , Ägypten, Libyen, Nordafrika bi s Marokko einmal christlich waren, dabe i griechisch-sprachi g bi s nach Libyen ? Als Erb e de s Historismus , al s Erb e auc h vo n Han s Lietz mann, sollt e au f jede n Fal l de r Respek t vo r de n Fakte n bleiben , der Respek t vo r de r Überlieferung , die Verpflichtung zu r sachli chen Richtigkei t au f Grun d genaue n Studium s der Quellen , da s nicht i m Sin n postmoderne r Beliebigkei t aufgegebe n werde n kann. Zugleic h bleib t die Humanisierung einer multikulturellen Welt — nicht dere n fundamentalistisch e Theologisierung — al s gemeinsame Herausforderun g i m weitere n Rahmen . Di e Philo logie steh t dabei , schein t mir , meh r al s frühe r auc h a n de r Seit e der Theologie , inde m wi r un s gemeinsa m de n Frage n eine r gemeinsamen Wel t z u stelle n haben . Ma n lern t nich t einfac h au s der Geschichte . Dies e zeig t un s di e Mythe n un d Ideologie n de r jeweiligen Epoche n — un d dami t gleichsa m i m Spiege l doc h eben human e un d inhuman e Chancen , Aspekt e de r Wirklich keit, di e au f dies e Weis e a n Tief e un d Lebendigkei t gewinnt . Daß di e historische , altertumswissenschaftlich e Forschung be i diesem allgemeine n Lernproze ß mithelfe n kann , wag e ic h z u hoffen.

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LITERATURVERZEICHNIS Eine zulängliche Bibliographie der viele n angesprochenen Problem e is t hier nicht z u erwarten . Di e folgend e List e dien t vo r alle m de r Entlastun g de r Anmerkungen. C. Andresen, Die Kirchen der alten Christenheit (R M 29/1-2), Stuttgart 1971. O. Beidelman , W. Robertson Smith , Chicag o 1974. U. Bianchi (Ed.) , L e origin i dello gnosticismo/Th e Origin s o f Gnosticism . Colloquio d i Messin a 13-1 8 April e 196 6 (SHR 12), Leiden 1967, 19702. A. Böhlig , Chr . Markschies, Gnosi s un d Manichäismu s (BZN W 72) , Ber lin/New Yor k 1994. R. R . Bolgar , Lati n Literature : A Centur y o f Interpretation , in : Le s Etude s classiques a u XIX e e t XX e siecles . Entretien s sur antiquit e classique XXVI, Vandoeuvres-Genev e 1980, 91-117. H. Bornkamm, Han s Lietzman n un d sei n Werk , ZN W 4 1 (1942 ) l-12 . —, Han s Lietzman n zu m Gedächtnis , Antik e 1 9 (1943 ) 8 1 — 85. D. W. Bousset , Hauptproblem e de r Gnosi s (FRLAN T 10) , Göttinge n 1907 (1973 2). —, Religionsgeschichtlich e Studien . Aufsätz e zu r Religionsgeschicht e de s hellenistischen Zeitalters , hg . v . A. F . Verheule (NT. S 50), Leide n 1979. J. Büchli , Der Poimandres . Ei n paganisierte s Evangelium . Sprachliche un d begriffliche Untersuchunge n zu m erste n Trakta t de s Corpu s Hermeti cum (WUN T 2 . R . 27) , Tübinge n 1987. R. Bultmann , De r religionsgeschichtlich e Hintergrun d de s Prolog s zu m Johannes-Evangelium, in : Eucharisterion . Herman n Gunke l zu m 60 . Geburtstag, Göttinge n 1923 , 3— 26 = Ders. , Exegetica . Aufsätz e zu r Erforschung de s Neue n Testaments , (... ) hg . v . E . Dinkier , Tübinge n 1967, 10-35 . — , Di e Bedeutun g de r neuerschlossene n mandäische n un d manichäische n Quellen fü r da s Verständni s de s Johannes-Evangeliums , ZN W 2 4 (1925) 100-14 7 = Ders. , Exegetica , 55-104 . —, Da s Urchristentu m i m Rahme n de r antike n Religionen , Züric h 1949 (19695). W. Burkert, Griechisch e Mythologi e un d di e Geistesgeschicht e de r Mo derne, in : Le s Etude s classique s a u XIX e e t XX e siecles . Entretiens su r l' antiquit e classiqu e XXVI , Vandoeuvres-Genev e 1980 , 159-199 . — , Homerstudie n un d Orient , in : J. Latac z (Hg.) , Zweihunder t Jahr e Ho mer-Forschung (Colloquiu m Rauricu m 2) , Stuttgar t 1991 , 155—181. —, Th e Orientalizin g Revolution. Near Eastern Influenc e o n Greek Cultur e in th e Earl y Archai c Age , Cambridge , Mass . 1992.

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Vorankündigung Hans-Lietzmann-Vorlesung 1996

Hans-Lietzmann-Vorlesungen Herausgegeben vo n Christoph Markschie s Heft 2

Hugo Brandenburg

Die Kirch e S . Stefano Rotond o in Ro m Bautypologie un d Architektursymboli k in de r spätantike n un d frühchristliche n Architektu r