Hormontherapie in der Frauenheilkunde : Grundlagen und Praxis [5. Aufl. Reprint 2019.] 9783110837131, 3110837137

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Hormontherapie in der Frauenheilkunde : Grundlagen und Praxis [5. Aufl. Reprint 2019.]
 9783110837131, 3110837137

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Ufer • Hormontherapie in der Frauenheilkunde

Joachim Ufer

Hormontherapie in der Frauenheilkunde Grundlagen und Praxis 5. Auflage

W DE

G Walter de Gruyter • Berlin • New York 1978

Dr. med. Joachim Ufer D - 1 0 0 0 Berlin

Das Buch enthält zahlreiche Abbildungen und Tabellen. 1. 2. 3. 4.

deutsche deutsche deutsche deutsche

Auflage Auflage Auflage Auflage

1958 1960 1966 1972

1. englische Auflage 1968 1. 2. 3. 4.

französische Auflage 1967 französische Auflage 1968 französische Auflage 1 9 6 9 französisch-holländische Auflage 1973

1. 2. 3. 4.

spanische spanische spanische spanische

Auflage Auflage Auflage Auflage

CIP-Kurztitelaufnahme

1960 1965 1971 1977

der Deutschen

Bibliothek

Ufer, Joachim Hormontherapie in der Frauenheilkunde : Grundlagen u. Praxis. - 5. Aufl. - Berlin, New York : de Gruyter, 1978. ISBN 3 - 1 1 - 0 0 6 6 6 4 - 5

© Copyright 1 9 7 7 by Walter de Gruyter Sc Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit Sc Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Einbandgestaltung: Thomas Bonnie, Hamburg. Satz: Walter de Gruyter, Berlin. Druck: Karl Gerike, Berlin. Bindung: Dieter Mikolai, Berlin.

Vorwort zur 5. Auflage

Eine große Anzahl neuartiger Befunde veranlaßten den Verfasser, eine Neufassung des schon in vier Auflagen erschienenen Buches zu schreiben. Besondere Berücksichtigung fanden hierbei neue Erkenntnisse über die ReleaserFaktoren und über das Prolaktin. Diese Hormone haben in den letzten Jahren starke Beachtung gefunden, sowohl in theoretischer als auch besonders in praktischer Hinsicht. Ihre diagnostischen und therapeutischen Bedeutungen wurden umrissen. Eine erhebliche Erweiterung erfuhr das Kapitel „Hormonale Kontrazeptiva". Den Anlaß dazu gaben Befunde bei gesunden und kranken Frauen, die Kontrazeptiva, teils oral, teils injiziert, über lange Zeiträume hinweg erhalten hatten. Zahlreiche Abbildungen wurden durch Darstellungen aus neuerer und neuester Literatur ersetzt, wobei die „Bestimmung der Hormone im Plasma" im Vordergrund stand. Auch für die 5. Auflage des Buches gelten die gleichen Hinweise und Einschränkungen wie für die früheren Auflagen. Die umfangreichen Manuskriptarbeiten erledigte auch diesmal Frau Katharina Grave. Ganz besonderer Dank gebührt Frau Dr. med. Christine Mothes für die mühevollen Korrekturarbeiten. Berlin, November 1977

Joachim

Ufer

Vorwort zur 4. Auflage

Die 3. Auflage des Buches erschien 1965 in deutscher Sprache und anschließend in zahlreichen Fremdsprachen (englisch, französisch, spanisch, italienisch, japanisch, türkisch). Seitdem haben zahlreiche Arbeitskreise von Biochemikern, Medizinern und Zoologen dazu beigetragen, daß auf dem Hormongebiet viele bedeutsame Entdeckungen gemacht und neue Erkenntnisse gesammelt werden konnten. Besondere Beachtung verdienen die detaillierten Studien über Physiologie und Pathologie des komplizierten Reproduktionsvorganges sowie die Erkenntnisse über den Wirkungsmechanismus der Sexualsteroide am Erfolgsorgan. Ferner gelang es, Methoden zu entwickeln, mit deren Hilfe gonadotrope Hormone radioimmunologisch im Plasma bestimmt werden können. Auch für Steroide konnten mit Hilfe der Proteinbindungsmethoden Tests ausgearbeitet werden, die eine Bestimmung im Plasma ermöglichen und das Sammeln von 24-Stunden-Urin überflüssig machen. Die gynäkologische Therapie wurde durch Einführung von Ovulationsauslösern wesentlich erweitert. Das Studium von Nebenwirkungen der Hormontherapie war ein weiteres wichtiges Gebiet. Wir lernten das mit jeglicher Behandlung verbundene Risiko besser abschätzen. Besonders eingehend beschäftigte man sich mit den Nebenwirkungen der hormonalen Kontrazeptiva, die, von gesunden Frauen in der Geschlechtsreife über lange Zeit eingenommen, eine Sonderstellung einnehmen. Alle diese Erkenntnisse hofft der Verfasser in der 4. Auflage, die weitgehend neu gestaltet wurde, berücksichtigt zu haben. Das Buch soll in kurzgefaßter Form Studierenden und Ärzten die wesentlichen Aspekte vermitteln. Hierzu dienen ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und ein entsprechendes Sachregister. Der wissenschaftlich arbeitende Fachkollege muß auf die zahlreichen umfangreicheren Werke verwiesen werden, die ausführliche Verzeichnisse des kaum übersehbaren Schrifttums enthalten. Diese Gesichtspunkte veranlaßten den Verfasser, auf Literaturangaben — im Gegensatz zu den früheren Auflagen — ganz zu verzichten. Die im therapeutischen Abschnitt genannten Behandlungshinweise enthalten keine Präparatenamen, sondern die entsprechenden chemischen Kurzbezeichnungen. Die vom Verfasser verwendeten Präparate sind in Fußnoten angegeben. Der Verfasser ist Mitglied des „Fachbereiches Klinische Forschung" der Schering AG Berlin/Bergkamen, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert. Aus diesem Anlaß sei es gestattet, einige wichtige Daten aus der Geschichte der Hormonforschung herauszugreifen, die bei Schering erarbeitet wurden oder mit Schering eng

Vorwort

VII

verbunden sind. Sie konnten nur unter der Leitung profilierter und weitblickender Forscher entstehen, zu denen wir die beiden unvergessenen Direktoren der ScheringLaboratorien, Walter Schoeller und Karl Junkmann, zählen. 1928 Progynon-Dragees werden eingeführt. Sie enthalten 250 ME „natürliche Östrogene" pro Dragee, nach Allen-Doisy biologisch getestet, gewonnen aus Schwangerenurin. 1929 Butenandt gelingt es, kristallines „Follikelhormon" aus Rohölen, die ihm die Firma Schering zur Verfügung stellt, mit der Formel C18H22O2 herzustellen. Diese Substanz wurde „Progynon" genannt. 1932 Schwenk und Hildebrandt finden in den Schering-Laboratorien, daß das „diol" Ci 8 H240 2 mehrfach wirksamer ist als die obengenannte Substanz (triol). Durch Veresterung mit Benzoesäure (Butenandt) entsteht eine Verbindung mit einer Wirkungsdauer von etwa 5 Tagen, die Progynon B oleosum genannt wird. 1932 Kaufmann imitiert bei kastrierten Frauen mit erhaltenem Uterus einen physio- 3 3 logischen Zyklus. Er verwendet Progynon und später Progynon B oleosum. 1932 Hohlweg und Junkmann entdecken im Zwischenhirn das Sexualzentrum. 1932 Butenandt synthetisiert als erstes androgen wirksames Steroid Androsteron, das er vorher aus Harn isoliert hatte. 1933 Schering führt Androsteron unter dem Handelsnamen „Proviron" ein. 1933 Butenandt isoliert Progesteron aus Schweineovarien (C2iH30C>2). Anschließend wird Progesteron synthetisiert. 1934 Schering führt Progesteron unter dem Namen „Proluton" als Handelspräparat ein. 1938 Inhoffen und Hohlweg entdecken in den Schering-Laboratorien, daß oral wirksame Sexualsteroide entstehen, wenn man an C17 eine Äthinylgruppe anlagert. Als erste Verbindungen werden von ihnen Äthinylöstradiol und Äthinyltestosteron (Pregneninolon) hergestellt. 1954 Von Junkmann wird ein Steroid mit progestativer Depotwirkung (17aHydroxyprogesteroncapronat) beschrieben. Außerdem werden in den Schering-Laboratorien weitere Ester des östradiols und des Testosterons mit unterschiedlich langer Depotwirkung entwickelt. 1956 Junkmann, Schenck und Mitarbeiter synthetisieren das oral wirksame Norethisteronacetat. 1961 Schering führt das erste europäische orale Kontrazeptivum unter dem Namen „Anovlar" ein. Es wurde von Ufer entwickelt. Das Präparat enthielt nur 50 [ig Äthinylöstradiol. 1963 Hamada, Neumann und Junkmann beschreiben die antiandrogene Wirkung von Cyproteron und Cyproteronacetat, Steroiden, die Wiechert in den Schering-Laboratorien synthetisiert hat. 1965 Kerb, Wiechert und Hocks synthetisieren das Insektenhäutungshormon Ekdyson zusammen mit einer Arbeitsgruppe der Fa. Hoffmann-La Roche.

VIII

Vorwort

Frau Katharina Grave erledigte die Manuskriptarbeiten und Herr Miethke und Mitarbeiter bemühten sich um die Wiedergabe der Abbildungen. Ihnen gebührt mein herzlicher Dank für ihre Mitarbeit. Besonders dankbar bin ich Herrn Prof. Dr. Boschann, welcher mir freundlicherweise das Umschlagbild (Endometrium im Stadium der Sekretion) zur Verfügung stellte. Joachim Ufer

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Einteilung der Hormone I. Einführung II. Steroidhormone a) Einteilung b) Gewinnung

XVII

l 1 1 1 3

III. Proteohormone a) Hypophysenhormone b) Gonadotrope Hormone aus der Plazenta

3 3 4

IV. Releasing factors

5

V. Synthetische Östrogene ohne Steroidcharakter

B. Chemie und Charakterisierung der Hormone I. Steroidhormone a) Östrogene b) Gestagene c) Androgene d) Anabolika e) Nebennierenrinden-Hormone II. Proteohormone III. Hormonantagonisten IV. Releasing factors — Releaser-Hormone V. Synthetische Östrogene ohne Steroidcharakter VI. Prostaglandine

C. Herkunft, Aufbau und Abbau der Hormone I. Sexualsteroide a) Bildungsort b) Biosynthese c) Transport, Abbau und Ausscheidung — Peripheres Regulationssystem II. Gonadotrope Hormone a) Herkunft und Biosynthese b) Abbau und Ausscheidung c) Bildung von Proteohormonen in anderen Organen III. NNR-Steroide

6

6 6 6 9 10 11 12 13 14 15 16 17

18 18 18 20 23 27 27 28 29 29

D. Steuerung und zentraler Regulationsmechanismus

30

E. Wirkung der Hormone

37

X

Inhaltsverzeichnis I. Sexualhormone — Allgemeines II. Sexualhormone — Das Erfolgsorgan als aktiver Rezeptor - Speicherungseffekt III. Sexualhormone — Abschwächung einer hormonalen Wirkung IV. Prinzip der metabolischen Konkurrenz V. Elementarwirkungen der Steroidhormone VI. Die Wirkung der Steroide auf extragenitale Erfolgsorgane VII. Wirkungen der Sexualsteroide auf die weiblichen Genitalorgane a) Allgemeines b) Östrogene c) Gestagene d) Androgene e) Synergistische und antagonistische Wirkungen f) Nebennierenrinden-Hormone VIII. Wirkung der übergeordneten Hormone a) Gonadotrope Hormone b) Wirkung von Releaser-Faktoren IX. Ovulationsauslöser ohne Steroidstruktur (synthetische Östrogene) X. Wirkungen der Prostaglandine

F. Die hormonale Steuerung des Befruchtungsvorganges I. Spermatransport II. Spermakapazitation

37 . . . .

38 39 40 40 43 44 44 45 45 47 48 49 49 49 50 50 51

52 52 52

III. Eitransport

52

IV. Implantation

53

V. Die geschlechtsbestimmenden Faktoren

G. Fetale Endokrinologie I. Fetoplazentare Einheit II. Beeinflussung der fetalen Entwicklung durch Steroide

H. Endokrinologie in den verschiedenen Lebensaltern

54

57 57 58

60

I. Kindheit

60

II. Pubertät

61

III. Geschlechtsreife

63

IV. Schwangerschaft

70

V. Geburt und Laktation VI. Klimakterium a) Prämenopause b) Menopause c) Postmenopause VII. Postklimakterium und Senium

I. Biologische Wertigkeit und Testierung der Hormone I. Östrogene

78 81 81 82 82 85

87 87

Inhaltsverzeichnis II. Gestagene

XI 89

III. Androgene

90

IV. Gonadotrope Hormone

90

K. Zur therapeutischen Anwendung der Hormone I. Vorbemerkungen a) Steroide b) Substanzen ohne Steroidcharakter c) Gonadotrope Hormone II. Allgemeine therapeutische Richtlinien a) Substitutionstherapie b) Stimulationstherapie c) Bremstherapie d) Behandlung mit Hormonantagonisten e) Lokalbehandlung f) Anwendung der Sexualhormone bei extragenitalen Störungen

93 93 93 93 94 94 95 95 96 98 98 99

III. Applikationsformen a) Steroidhormone 1. Implantationstherapie 2. Injektionstherapie 3. Orale Therapie 4. Lokale Behandlung 5. Vaginale Applikation 6. Rektale Applikation 7. Intranasale Applikation b) Keimdrüsenextrakte c) Substanzen ohne Steroidcharakter d) Gonadotrope Hormone

99 99 99 100 101 102 102 102 102 103 103 103

IV. Nebenerscheinungen der Hormontherapie und ihre Verhütung a) Allgemeines b) Toxikologische Prüfung c) Pharmakokinetik d) Unspezifische Nebenerscheinungen e) Nebenwirkungen der Östrogene f) Östrogene und Tumorentstehung g) Nebenwirkungen der Gestagene h) Androgene — Anabole Hormone i) Gonadotropine k) Ovulationsauslöser 1) Corticoide

104 104 104 104 105 106 106 108 109 109 109 110

V. Zur Auswahl der Präparate bei den verschiedenen Indikationen a) Sexualsteroide b) Präparate mit gonadotroper Wirkung c) Schwache Östrogene als Ovulationsauslöser

110 110 111 112

VI. Kontraindikationen a) Sexualsteroide b) Gonadotropine c) Corticoide

112 112 113 113

L. Zur Diagnostik hormonaler Störungen

114

I. Einfache Maßnahmen (ohne Labor) a) Anamnese

114 114

XII

Inhaltsverzeichnis b) Allgemeine und spezielle gynäkologische Untersuchung c) Morgentemperaturmessung d) Diagnostik mit Hilfe von Hormoninjektionen a) Progesterontest ß) östrogentest bei negativem Gestagentest y) Test mit LH-Releaser-Faktor (LH-RF) e) Zervixsekretuntersuchung f) Probebiopsie g) Salpingographie h) Röntgenaufnahme der Sella turcica i) Immunologische Schwangerschaftsreaktionen II. Maßnahmen, die mit kleinem Labor durchführbar sind a) Biologische Schwangerschaftsreaktionen b) Vaginalzytologie c) Diagnostik des HVL-Zwischenhirnsystems d) Geschlechtschromatinbestimmung

116 118 119 119 120 121 121 123 123 123 124 124 124 125 128 129

III. Klinische Maßnahmen a) Vollkürettage b) Zölioskopie — Laparoskopie — Pelviskopie — Hysteroskopie c) Probelaparotomie

130 130 131 131

IV. Untersuchungen mit größerem Laboraufwand — Quantitative Hormonbestimmungen a) Vorbemerkungen b) Östrogene im Harn c) Östrogene im Plasma d) Pregnandiol im Harn e) Progesteron im Plasma f) 17-Ketosteroide,im Harn g) Testosteron h) Corticoide i) Gonadotrope Hormone k) Quantitative Bestimmung von choriongonadotropem Hormon 1) Quantitative Bestimmung von Plazentalaktogen (HPL)

132 132 133 135 135 135 136 138 138 139 141 141

M . Störungen in der Pubertät und ihre Behandlung I. Pubertas praecox II. Pubertas tarda a) Ovarialagenesie, Ovarialdysgenesie b) Zwergwuchs c) Pubertätsfettsucht d) Verspätete Menarche

142 142 144 144 144 145 145

III. Hochwuchs

145

IV. Zyklusstörungen in der Pubertät a) Tempoanomalien b) Hypermenorrhoe c) Juvenile Blutungen

146 146 146 146

N. Störungen in der Geschlechtsreife und ihre Behandlung I. Zyklusstörungen a) Einteilung b) Vorbemerkungen zur hormonalen Blutungsauslösung und -Stillung c) Amenorrhoe 1. Definition 2. Einteilung und Ätiologie

148 148 148 149 151 151 151

Inhaltsverzeichnis

d)

e) f) g)

h)

i) k)

3. Besondere Hinweise 4. Primäre Amenorrhoe 5. Sekundäre Amenorrhoe 6. Amenorrhoe nach Behandlung mit hormonalen Kontrazeptiva Krankheitsbilder mit „Amenorrhoe" als Begleitsymptom 1. Amenorrhoe bei Hypoplasia uteri - Ätiologie 2. Stumme Amenorrhoe (Zyklus ohne Menstruation) 3. Amenorrhoe bei polyzystischem Ovar (Stein-Leventhal-Syndrom) 4. Amenorrhoe bei adrenogenitalem Syndrom (AGS) 5. Amenorrhoe nach Geburten 6. Amenorrhoe mit persistierender Laktation 7. Sekundäre Amenorrhoe aufgrund einer Hyperprolaktinämie ohne Galaktorrhoe 8. Amenorrhoe bei Anorexia nervosa 9. Amenorrhoe bei Gonadendysgenesie Dysfunktionelle Blutungen durch Follikelpersistenz oder -atresie (glandulär-zystische Hyperplasie) Anovulatorischer Zyklus Tempoanomalien 1. Vorbemerkungen 2. Oligomenorrhoe 3. Polymenorrhoe (zu häufige Periodenblutung) a) Polymenorrhoe durch verkürzte Follikelreifungszeit ß) Polymenorrhoe durch verkürzte Corpus-luteum-Phase Blutungsanomalien bei erhaltenem regelmäßigem Zyklus 1. Ovulationsblutung 2. Prämenstruelle Vorblutung 3. Postmenstruelle Nachblutung 4. Hypermenorrhoe 5. Hypomenorrhoe Funktionelle Dysmenorrhoe Prämenstruelles Syndrom

II. Hypogenitalismus — Hypoplasia uteri

XIII 154 155 163 165 166 166 167 167 169 171 172 173 173 174 176 181 182 182 183 184 184 184 186 186 186 187 188 188 188 189 190

III. Intersexualität

192

IV. Hirsutismus, idiopathischer

195

V. Transsexualität

196

VI. Fertilitätsförderung bei endokrin bedingter Sterilität a) Sterilität durch fehlende Ovulation b) Sterilität durch Gelbkörperinsuffizienz (verkürzter Zyklus) c) Sterilität durch Frühabort d) Relative Sterilität bei Hypoplasia uteri e) Relative Sterilität bei vermindertem Zervixsekret f) Relative Sterilität durch Antikörper im Zervixsekret

196 202 204 205 207 207 207

VII. Störungen in der Schwangerschaft und im Wochenbett a) Abort b) Zur Hormontherapie .' c) Nebenerscheinungen der Hormontherapie in der Gravidität d) Toxikose in der Frühschwangerschaft (Hyperemesis) e) Spätschwangerschaft — Hormontests f) Toxikose in der Spätschwangerschaft (Präeklampsie-Aufpfropfgestose) g) Schwangerschaftstoxikose bei Diabetes h) Erythroblastose i) Extrauteringravidität k) Blasenmole 1) Chorionepitheliom

208 208 212 214 215 216 217 219 220 220 221 221

XIV

Inhaltsverzeichnis m) n) 0) p)

Beeinflussung der Wehentätigkeit durch Sexualhormone Abortauslösung durch Prostaglandine Beeinflussung der Laktation Endometritis post partum und post abortum

VIII. Organische Erkrankungen a) Myom b) Endometriose c) Mastodynie d) Mastopathia chronica cystica e) Mammahypoplasie und -hyperplasie f) Entzündliche Adnexerkrankungen IX. Fertilitätshemmung durch Sexualsteroide a) Einführung b) Die verschiedenen Anwendungsformen — Wirkungsmechanismus 1. Pincus-Pille 2. Sequentialtherapie 3. Variationen (abgestufte Sequentialbehandlung) 4. Mini-Pille 5. Postkoital-Pille 6. Kontrazeption durch Blutungsauslösung 7. Einmonatsspritze 8. Depotgestagene als Kontrazeptiva 9. Gestagene in Silikonkapseln 10. Gestagene in Vaginal-Kunststoffringen 11. Immunisierung gegen HCG 12. Kontrazeption durch Prostaglandine c) Zur Sicherheit des Konzeptionsschutzes durch Sexualsteroide d) Nebenwirkungen e) Behandlungsdauer 1. Geschlechtsreife 2. Anwendung in den ersten Jahren nach der Pubertät 3. Anwendung in der Prämenopause f) Fertilitätssteigerung und -hemmung im Anschluß an eine Behandlung mit Kontrazeptiva g) Beeinflussung der kontrazeptiven Wirkung durch andere Medikamente h) Kontraindikationen 1) Zur Beachtung k) Präparateauswahl 1) Anwendung von Kontrazeptiva zu therapeutischen Zwecken

O. Störungen im Klimakterium I. Allgemeines

222 223 224 225 226 226 227 228 228 229 229 230 230 231 231 236 237 237 237 238 238 239 239 239 240 240 240 240 244 244 244 244 244 245 245 245 245 246

249 249

II. Störungen in der Prämenopause

249

III. Störungen in der Postmenopause

250

P. Störungen nach Kastration

254

Q. Störungen im Postklimakterium sowie in der Involutionsphase und ihre Behandlung I. Scheidenveränderungen bei älteren Frauen II. Pruritus und Kraurosis vulvae III. Pyometra

255 255 256 256

Inhaltsverzeichnis

XV

IV. Klimakterische Reizblase

257

V. Funktionelle Harninkontinenz

257

258

R. Hormontherapie bei Karzinomen I. Mammakarzinom a) Kurze Vorbemerkungen b) Zum Wirkungsprinzip der endokrinen Therapie c) Auswahl der Patientinnen d) Die verschiedenen Formen der Hormontherapie und ihre Bewertung e) Kastration f) Adrenalektomie g) Hypophysektomie h) Behandlung mit Testosteronestern oder Anabolika i) Östrogenbehandlung k) Corticoidtherapie 1) Behandlung mit Gestagenen m) Durchführung der Behandlung bei jüngeren Frauen bis zum 5.Jahr nach Eintritt der Menopause n) Durchführung der Behandlung bei älteren Frauen (von 5 Jahren nach der Menopause an)

258 258 259 259 260 260 261 261 262 262 263 263

II. Genitalkarzinom a) Endometriumkarzinom b) Zervixkarzinom c) Ovarialkarzinom

265 265 265 266

S. Hormonbildende Geschwülste

267

I. Tumoren des Eierstocks II. Nebennierenrindentumoren III. Tumoren des Hypophysenvorderlappens

T. Hormontherapie bei gynäkologischen Operationen I. Behandlung von Schockzuständen nach schweren Operationen II. Hormonale Vorbehandlung vor schweren Operationen

263 264

267 269 270

271 271 271

III. Operationen bei Schwangeren

272

IV. östrogentherapie bei Scheidenplastiken

272

U. Tabellen der gebräuchlichsten Präparate

273

I. Östrogene II. Gestagene III. Orale Kontrazeptiva a) Kombinationspräparate nach Pincus b) Sequential-Präparate c) Mini-Pillen IV. Gestagen-Östrogen-Kombinationen für andere Indikationen a) Zur Injektion (i. m.) b) Tabletten, Dragees

273 273 • • • 274 274 274 274 275 275 275

XVI

Inhaltsverzeichnis V. Gestagen-Östrogen-Androgen-Kombination zur Injektion (i.m.) VI. Östrogen-Androgen-Kombinationen VII. Ovulationsauslöser

Sachregister

276 276 276 277

Abkürzungsverzeichnis

ACTH AGS AMP, zyklisches BBT CRH, CRF DA DNS DOCA E FSH FSH-RF FSH-RH, FRH, FRF GH-RH, GRH, GRF GIH, GIF Gn-RH ( = L H - R H und FSH-RH) GTH, GH HCG HHL HMG HML HPL ( = H C S )

HVL ICSH ( = L H ) ICSH-RF I.B.E. I.E. I.U. LD 50 LH ( = I C S H )

adrenocorticotropes Hormon = Kortikotropin adrenogenitales Syndrom Adenosinmonophosphat Basaltemperatur corticotropinfreisetzendes Hormon Dehydroepiandrosteronsulfat Desoxyribonucleinsäure Desoxycorticosteronacetat Einheiten Follikelreifungshormon = follikelstimulierendes Hormon Freigabefaktor für FSH = releasing factor Hormon, welches das follikelstimulierende Hormon freisetzt freisetzendes Hormon für das Wachstumshormon Somatostatin = Hormon, welches die Freisetzung von Wachstumshormon hemmt gonadotropinfreisetzendes Hormon gonadotrope Hormone human chorionic gonadotrophin = choriongonadotropes Hormon = Choriongonadotropin Hypophysenhinterlappen human menopausal gonadotrophin = castration gonadotrophin = Menopausengonadotropin Hypophysenmittellappen human chorionic lactogen = Plazentalaktogen = human placental lactogen = human chorionic somatomammotrophin Hypophysenvorderlappen interstitielles Hormon ICSH releasing factor internationale Benzoateinheiten (in Zusammenhang mit östradiolbenzoat) internationale Einheiten international units Letaldosis bei 5 0 % der Tierkollektive luteinisierendes Hormon

XVIII

LH-RH, LH-RF LTH (=LGH) MAO MCR MRIH, MRIF, MIF MSH-RH, MRH, MRF NNR ng Pg PG PGE 2 1 PG F 2 a | PIF, PRIH PMS PRH, PRF PU = HCG RNS SGOT SGFT STH ITH TS-RH, TRH, TRF ZH

Abkürzungsverzeichnis

Hormon, welches das luteinisierende Hormon freisetzt Freigabefaktor = releasing factor für LH Prolaktin (= HPr) = luteotropes Hormon = Luteotropin laktogenes Hormon = Galaktin = Mammotropin Monoaminooxydase metabolische clearance rate Hormon, welches die Freisetzung des melanozytenstimulierenden Hormons hemmt Hormon, welches das melanozytenstimulierende Hormon freisetzt Nebennierenrinde(n) Nanogramm Picogramm Prostaglandine Bezeichnung einzelner Prostaglandine Hormon, welches die Freisetzung von Prolaktin hemmt pregnant mare serum = Serumgonadotropin von trächtigen Stuten prolaktinfreisetzendes Hormon pregnancy urine hormone Ribonucleinsäure Serum-Glutamat-Oxalacetat-Transaminase Serum-Glutamat-Pyruvat-Transaminase somatotropes Hormon = Wachstumshormon thyreotropes Hormon =Thyreotropin thyreotropinfreisetzendes Hormon Zwischenhirn

A. Einteilung der Hormone

I. Einführung Der Begriff der inneren Sekretion wurde von Claude Bernard geprägt. Er verstand hierunter die Abgabe bestimmter organischer Stoffe seitens der Zellen in den Saftstrom, die physiologische Wirkungen an anderer Stelle des Organismus auslösen und die Lebensvorgänge unterstützen. Bayliss und Starling nannten später diese Stoffe Hormone. Aus der Geschichte der Hormonforschung ist besonders das klassische Experiment von Berthold (1848) zu erwähnen, der Hähne kastrierte und die Rückbildung der sexualspezifischen Merkmale beobachtete. Das Einpflanzen der Hoden verhinderte diese Rückbildung. Wir können verschiedene Gruppen von Hormonen unterscheiden: 1. Klassische glanduläre Hormone. Sie werden als Inkrete in drüsigen Organen gebildet, ohne daß Ausführungsgänge vorhanden sind, mit dem Saftstrom ausgeschüttet und wirken nur in bestimmten Endorganen, die über die entsprechenden Rezeptoren verfügen. 2. Eine andere Gruppe von Hormonen, z. B. Somatotropin, wird in gleicher Weise gebildet und abtransportiert; sie besitzt aber kein spezifisches Endorgan. 3. Aglanduläre Hormone, die nicht in endokrinen, drüsigen Organen gebildet werden, sind ebenfalls bekannt geworden. Hierzu kann man die Releaser-Hormone oder -Faktoren rechnen. Immer handelt es sich um hochwirksame Substanzen, die in relativ kleiner Menge nach Art von Biokatalysatoren viele physiologische Vorgänge im Organismus regeln. Ohne Hormone ist das Leben von Insekten, Fischen und erst recht von höher entwickelten Tieren nicht denkbar.

II. Steroidhormone a) Einteilung Unter Steroidhormonen werden Substanzen verstanden, deren Grundskelett Steran ist und die mehr oder weniger gut fettlöslich sind. Sie werden in den Keimdrüsen, Nebennierenrinden (NNR) und in der Plazenta gebildet. Ihre Einteilung erfolgt in: Östrogene, Gestagene, Androgene, Glucocorticoide und Mineralocorticoide.

2

A. Einteilung der Hormone

Tab. 1. Bildungsstätten für Steroidhormone Ovar

Testes

NNR

++ +

+ ++

+ ++ + ++ ++

++

-

-

-

-

-

Östrogene Androgene Gestagene Glucocorticoide Mineralocorticoide

Außer den natürlichen Hormonen aus der Steroidreihe, also den Substanzen, die in den endokrinen Drüsen gebildet werden, haben wir im Laufe der letzten 30 Jahre eine große Anzahl ähnlicher Verbindungen kennengelernt. Sie wurden entweder als Abbauprodukte der Hormone analysiert oder als Derivate mit hormonaler Wirkung synthetisiert. Hieraus ergibt sich eine zweite Einteilung: 1. Natürliche Hormone mit Steroidcharakter, die in Keimdrüsen, NNR und Plazenta gebildet werden. 2. Auf- und Abbauprodukte dieser Steroide, die in den hormonbildenden Drüsen sowie im Blut, in der Leber, im Urin, in der Galle oder in den Faeces gefunden wurden. 3. Steroide, die durch chemische Eingriffe entstehen. Zu diesen Eingriffen zählen: Veresterung, Einführung einer Methyl- bzw. Äthylgruppe oder eines Halogens usw. an einem oder mehreren Kohlenstoffatomen. Diese Steroidverbindungen sind mit den unter 1 und 2 aufgeführten Hormonen durch ihren Grundaufbau und ihre Wirkungsweise verwandt, kommen aber im Organismus selbst nicht vor. Die Anzahl dieser herstellbaren und bereits hergestellten Derivate ist entsprechend der chemischen Zusammensetzung des Cholesterins als Muttersubstanz außerordentlich groß. Sie finden Anwendung in der Therapie. Da nach der eingangs gegebenen Definition diese Steroidklasse nicht zu den echten Hormonen gehört, ist ihre Anwendung streng genommen nicht als „Hormontherapie" zu bezeichnen. Die Namengebung der synthetisch hergestellten Steroide ist entsprechend ihrer chemischen Struktur recht kompliziert und für den Mediziner schwer verständlich. Aus diesen Gründen ist das Bestreben, möglichst für alle neueren Steroide, die in die Therapie eingeführt werden, Kurznamen, sogenannte generic names, bekanntzugeben, wünschenswert. Beispiele: 17a-Äthinylöstradiol-3-methyläther wird als Mestranol bezeichnet. 17aÄthinyl-19-nortestosteronacetat hat den Kurznamen Norethisteronacetat. Verwirrung entsteht allerdings, wenn zwei Kurznamen existieren: Statt Norethisteronacetat wird auch Norethindronacetat geschrieben. Viele Substanzen lösen nicht nur die klassischen hormonalen Wirkungen aus, sondern können andere, therapeutisch durchaus interessante Effekte hervorrufen.

III. Proteohormone

3

Beispiele: Cyproteronacetat ist ein Gestagen. Es wirkt gleichzeitig antiandrogen und antigonadotrop. Clomiphen, selbst ein schwaches Östrogen, wirkt hauptsächlich als Antiöstrogen.

b) Gewinnung Früher erfolgte die Herstellung von Steroidhormonen aiis Cholesterin oder z. T. auch aus Gallensäuren. Gegenwärtig gilt als hauptsächliche Rohstoffquelle die in Mexiko, China und Südafrika vorkommende Pflanze Dioscorea. Aus der Wurzel (im mexikanischen Sprachgebrauch als Barbasco-Wurzel bekannt) wird Diosgenin gewonnen, ein Verfahren, das der amerikanische Chemiker Marker entwickelte. Nur durch seine aufsehenerregende Entdeckung war es möglich, den nach dem 2. Weltkrieg steil ansteigenden Rohstoffbedarf zu decken. In neuerer Zeit ist es außerdem gelungen, Steroide totalsynthetisch über viele Stufen herzustellen. Die große Anzahl der Stufen, die zu durchlaufen sind, und die relativ geringe Ausbeute bezüglich des Endprodukts, das therapeutisch angewandt wird, bestimmen den ziemlich hohen Preis der Substanzen.

III. Proteohormone Proteohormone sind Wirkstoffe mit Eiweißcharakter, die im Gegensatz zu den Steroidhormonen wasserlöslich sind. Ihre Synthese und besonders ihre Reindarstellung stoßen wegen der großmolekularen Struktur auf Schwierigkeiten. Sie sind bisher nur bei den Hypophysenhinterlappen-Präparaten sowie für ACTH und STH gelungen.

a) Hypophysenhormone In den drei Abschnitten der Hypophyse werden vermutlich 10 verschiedene Hormone gebildet, die sich sowohl im chemischen Aufbau als auch in der Wirkung unterscheiden. Die in der Tabelle 2 unter 1, 2, 4 und 5 aufgeführten Hormone sind glandotrop, d. h., sie steuern in der Peripherie liegende inkretorische Drüsen. Das Wachstumshormon sowie die Inkrete des Mittel- und Hinterlappens entfalten dagegen ohne Zwischenschaltung eines weiteren inkretorischen Organs eine direkte periphere Wirkung. Prolaktin (LTH) wirkt in erster Linie auf die Brustdrüse in der Postpartalphase. Ob dieses Hormon bei der Nichtschwangeren als glandotropes Hormon auf die Keimdrüsen wirkt (Erhaltung des Corpus luteum), ist nicht bewiesen. Außer diesen Hormonen, deren Vorhandensein gesichert ist, wurden noch einige andere trope Inkrete beschrieben, so z. B. diabetogenes, kontrainsulinäres, erythropoetisches, fettmobilisierendes Hormon und ein exophthalmotroper Faktor. Die gegenwärtig vorliegenden Veröffentlichungen, die zum Teil hypothetischen Charak-

4

A. Einteilung der Hormone

Tab. 2. Hypophysenhormone Vorderlappen HVL

Mittellappen HML

Hinterlappen HHL

A. Gonadotrope Hormone 1. Follikelstimulierendes Hormon (FSH) 2. Luteinisierendes Hormon (LH) = interstitielles Hormon (ICSH) 3. Luteotropes Hormon (LTH) = Prolaktin

Melanophorenhormon (Intermedin)

1. Adiuretin 2. Oxytocin 3. Vasopressin

B.

Stoffwechselhormone 4. Corticotropes Hormon (ACTH) 5. Thyreotropes Hormon (TTH) 6. Wachstumshormon (STH)

ter haben, reichen nicht aus, um ihnen eine allgemeine Anerkennung zu verschaffen. Die für die Gynäkologie besonders wichtigen gonadotropen Hormone FSH und LH verdanken ihren Namen der Tatsache, daß sie die Keimdrüsenfunktion steuern. Ihre Gewinnung zu therapeutischen Zwecken erfolgt meist aus dem Urin postmenopausischer Frauen. Hypophysen kommen wegen der schwierigen Beschaffung weniger in Frage. Die vom Hinterlappen der Hypophyse abgegebenen Hormone Adiuretin, Oxytocin und Vasopressin werden im Hypothalamus gebildet, gelangen von dort in den HHL und werden bei Bedarf in den Blutstrom ausgeschüttet.

b) Gonadotrope Hormone aus der Plazenta Zu den Proteohormonen gehört weiterhin das im Harn und Serum der Schwangeren reichlich vorkommende Choriongonadotropin = human chorionic gonadotrophin (HCG). Die Bildungsorte sind anfangs der junge Trophoblast und im späteren Verlauf der Gravidität die Plazenta. Ursprünglich wurde das HCG als Prolan bezeichnet und angenommen, daß der HVL sein Bildungsort wäre. Ein zweites, nur bei der schwangeren Stute im Serum gefundenes Hormon, Stutenserumgonadotropin = pregnant mare's serum (PMS), ist mit HCG weder chemisch noch biologisch identisch. Es wird außerdem ein weiteres hochmolekulares Proteohormon, das sich aus der menschlichen Plazenta und aus dem Serum schwangerer Frauen gewinnen läßt, in vielen Publikationen erwähnt. Die Substanz hat mammotrope, luteotrope und somatotrope Eigenschaften. Sie wird als HPL = human placental lactogen oder HCS = human chorionic lactogen bezeichnet. HPL hat sowohl biologisch als auch immunologisch erhebliche Ähnlichkeit mit dem Wachstumshormon. Es wird deswegen von einigen Autoren auch als human chorionic somatomammotrophin (HCS) bezeichnet.

IV. Releasing factors

5

Die gonadotropen Hormone aus der Plazenta lassen sich im Gegensatz zu den hypophysären Gonadotropinen relativ leicht in größerem Umfang gewinnen. In der gynäkologischen Endokrinologie wird HCG in Kombination mit FSH oder einem Präparat mit ähnlicher Wirkung als Ersatz für das schwer rein darstellbare LH therapeutisch angewandt.

IV. Releasing factors Im Zwischenhirn werden spezifische Substanzen gebildet, die die Aufgabe haben, im HVL die Synthese und Ausschüttung der gonadotropen Hormone zu steuern. Wir kennen sowohl fördernde als auch hemmende Faktoren. Sie gelangen über die Portalgefäße in den HVL. Sowohl im Hypothalamus als auch im HVL besitzen sie ein Endkapillarnetz. Diese Substanzen, die von ähnlichem Aufbau und ähnlicher Molekulargröße wie die HHL-Hormone Adiuretin und Vasopressin sind, werden als releasing factors — zu deutsch Freigabefaktoren — (FSH-RF und LH-RF) oder Releaser-Hormone bezeichnet. Die Synthese und Reindarstellung von LH-RF ist vor einigen Jahren gelungen, so daß eine Anwendung, die besprochen werden wird, möglich ist. Tab. 3. Bekannte oder postulierte freisetzende Hormone (Faktoren) des Hypothalamus (Releaser-Hormone) Name

Abkürzungen

1. 2. 3. 4. 5. 6.

TSH-RH, TRH, TRF LH-RH, LRH, LRF FSH-RH, FRH, FRF CRH, CRF PRH, PRF MSH-RH, MRH, MRF

Thyreotropinfreisetzendes Hormon Hormon*, welches das luteinisierende Hormon freisetzt Hormon*, welches das follikelstimulierende Hormon freisetzt Corticotropinfreisetzendes Hormon Prolaktinfreisetzendes Hormon Hormon, welches das melanocytenstimulierende Hormon freisetzt 7. Freisetzendes Hormon für das Wachstumshormon

GH-RH, GRH, GRF

* LH-RH und FSH-RH werden gelegentlich als identisch angenommen und als gonadotropinfreisetzendes Hormon (Gn-RH) bezeichnet.

Tab. 4. Bekannte oder postulierte, die Freisetzung hemmende Hormone (Faktoren) (release-inhibiting hormones) Name

Abkürzungen

1. Hormon, welches die Freisetzung von Wachstumshormon hemmt (Somatostatin) 2. Hormon, welches die Freisetzung des melanocytenstimulierenden Hormons hemmt 3. Hormon, welches die Freisetzung von Prolaktin hemmt

GIH, GIF

(Studer, R. O.: Wien. Klin. Wschr. 86, 57 [1974])

MRIH, MRIF, MIF PRIH, PIF

6

A. Einteilung der Hormone

V. Synthetische Östrogene ohne Steroidcharakter Einige Substanzen, die keinerlei chemische Verwandtschaft mit den in der Natur vorkommenden Steroiden haben, sind östrogenwirksam. Man kann die Gruppe der Östrogene ohne Steroidcharakter in zwei Untergruppen einteilen: 1. Substanzen mit stärkerer östrogener Wirkung. Hierzu gehören Stilböstrol, Dienöstrol, Hexöstrol, Benzöstrol und Allenolsäure. 2. Substanzen mit extrem schwacher östrogener Wirkung, die einen stimulierenden Einfluß auf das HVL-Zwischenhirn ausüben. Hierzu gehören Clomiphen und Cyclofenil. Sie dienen zur Auslösung von Ovulationen. Substanzen mit nennenswerter androgener oder gestagener Wirkung ohne Steroidcharakter sind nicht bekannt.

B. Chemie und Charakterisierung der Hormone

I. Steroidhormone Alle Steroidhormone (Steran).

5a-Gonan

besitzen

ein

Zyklopentanoperhydrophenanthren-Gerüst

5ß-Gonan

Von den vier miteinander verbundenen Ringen enthalten A, B und C je 6 und D 5 Kohlenstoffatome, die fortlaufend numeriert werden. Aus der abgebildeten Formel für Cholesterin, der Muttersubstanz für die Steroidhormone, ist die Numerierung der C-Atome zu ersehen. 22

Charakteristisch sind zwei Methylgruppen (CH3) an den C-Atomen 10 und 13, die bis auf die Östrogene und das Aldosteron alle natürlichen Steroidhormone besitzen. Um die Schreibweise zu vereinfachen, werden die beiden Methylgruppen nicht ausgeschrieben, sondern durch je einen senkrechten Strich angedeutet. Entsprechend ihrer Kohlenstoffatomzahl werden die Steroide in C 18 -Steroide (östranderivate), Ci9-Steroide (Androstan- und Testanderivate) und C2i-Steroide (Pregnan- und Allopregnanderivate) eingeteilt. Steroide sind in Wasser schlecht und im Plasma nur begrenzt löslich.

a) Östrogene Die Östrogene gehören zu den Östranderivaten (Qg). Sie sind durch das Fehlen der Methylgruppe am C-Atom 10, durch einen aromatischen A-Ring und durch eine Hydroxylgruppe am C 3 charakterisiert.

B. Chemie und Charakterisierung der H o r m o n e

8

Die Östrogene sind die eigentlichen Aktivatoren der weiblichen Genitalorgane. Ohne Östrogene gibt es kein Wachstum von Uterus, Scheide, Eileitern und Mammae bis zur Geschlechtsreife. Es entsteht kein proliferativer Effekt am Endometrium. Progesteron bleibt ohne Anwesenheit von Östrogenen unwirksam. Die aktivsten Verbindungen der drei im Organismus vorkommenden Östrogene sind Östradiol und Östron. Östriol, das hauptsächlich im Harn als wasserlösliche Ausscheidungsform (Glucuronid, Sulfat) vorkommt, ist weniger wirksam. Für die parenterale Therapie werden vorwiegend östradiolbenzoat und das Depotöstrogen östradiolvalerianat verwendet. Große Bedeutung hat das oral wirksame Äthinylöstradiol, synthetisiert von Hohlweg u. Inhoffen in den Laboratorien der Schering A.G., und sein Methyläther, das Mestranol. Beide Substanzen gehören zum obligaten Bestandteil vieler oral wirksamer Östrogen-Gestagen-Kombinationen und insbesondere der oralen Kontrazeptiva. Die Wirksamkeit per os beruht auf dem unterschiedlichen Verhalten im Stoffwechsel: Äthinylöstradiol wird vermutlich nicht in Ci6-Stellung hydroxyliert, wie dies beim östradiol der Fall ist. O

OH

Östron

östradiol

OH

OH

Östriol

Östradiol-3-benzoat

östradiol-17-valerianat

Äthinylöstradiol OH —C=CH

Mestranol

I.

9

Steroidhormone OH

»••O

O

HC HC OH

I

HOCH I HC COO-Na+ östriolglucuronosid (Natriumsalz)

ö s t r o n s u l f a t (Natriumsalz)

b) Gestagene Progesteron, das im Corpus luteum gebildete physiologische Gestagen, hat die Aufgabe, das Endometrium in den prägraviden Zustand zu transformieren. Ohne Progesteron ist eine physiologische Nidation nicht möglich. In der Schwangerschaft ist die pharmakodynamische Ruhigstellung des Myometriums Hauptaufgabe des Progesterons. Das natürliche Lutealhormon Progesteron gehört zu der großen Gruppe der C21Steroide, die auch die NNR-Hormone umfaßt. Diese chemische Verwandtschaft ist nicht überraschend, da Progesteron nicht nur im Corpus luteum, sondern als Zwischenprodukt auch in der N N R gebildet wird. CH3

CH:

H-C-OH

H Progesteron

Pregnandiol

Durch Reduktion entsteht im Organismus aus Progesteron das biologisch inaktive Pregnandiol, dessen Bestimmung im Harn von klinischem Interesse ist. Progesteron ist oral unwirksam, in ö l begrenzt löslich, wird schnell abgebaut und hat keine nennenswerte Depotwirkung. Es erfüllt daher die Forderungen einer modernen Hormontherapie nicht. Bei östradiol und Testosteron fand man, daß durch Veresterung oder Einführung von Alkylgruppen (Methyl-, Äthinyl-Gruppe) wirksamere Verbindungen entstehen. Ein analoges Vorgehen war beim Progesteron nicht möglich, so daß schon relativ frühzeitig die Suche nach anderen Steroiden mit gestagener Wirkung begann. Diese Suche führte zunächst nur zum Pregneninolon, einer oral schwach wirksamen Substanz. In den letzten 20 Jahren ist eine große Anzahl weiterer Gestagene entdeckt worden, die sich entsprechend ihrer chemischen Struktur in 6 Körperklassen einteilen lassen:

10

B. Chemie und Charakterisierung der Hormone

I. Progesteron, Retroprogesteron II. Derivate der 17a-Hydroxyprogesteronester III. Derivate der Norhydroxyprogesteronester IV. Derivate des Testosterons V. Derivate des Nortestosterons VI. Derivate des Desoxonortestosterons. Die einzelnen Derivate unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer progestionalen Wirkung, sondern auch bezüglich ihrer übrigen Effekte. Als für die Therapie besonders geeignete Stoffe seien hier genannt: 17a-Hydroxyprogesteroncapronat aus Gruppe II (Depotgestagen), Norethisteronacetat und Norgestrel aus Gruppe V (Tabletten), Chlormadinonacetat aus Gruppe II (Tabletten). Durch Einbau von einem oder zwei Chlor- oder Fluoratomen ist es den Chemikern gelungen, die Zahl der hochwirksamen Gestagene erheblich zu vermehren. C = CH

d-Norgestrel

Norethisteronacetat

o-c-ioy.-cHj h o

17a-Hydroxyprogesteroncapronat

C-0-C-CH3

Chlormadinonacetat

c) Androgene Die Androgene gehören zu den Ci9-Steroiden. Testosteron, das natürliche männliche Sexualhormon, ist charakterisiert durch eine Hydroxylgruppe in C ]7 -Stellung. OH

Testosteron

Testosteron ist, wie schon in der Einleitung erwähnt wurde, eng mit der Geschichte der Hormonforschung verbunden, zumal die Ausfallserscheinungen des männlichen Kastraten lange bekannt waren. Brown-Sequard injizierte sich im 72. Lebensjahr Stierhodenextrakt mit dem Erfolg einer geistigen und körperlichen Leistungssteigerung.

11

I. Steroidhormone

Testosteron dient als Ausgangsbasis für die Synthese einiger wichtiger Verbindungen von unterschiedlicher Wirkung: 1. Durch Veresterung mit Propionsäure bzw. mit önanthsäure (Pfeil I) entstehen hochwirksame Androgene von verschieden langer Wirkungsdauer. 2. Durch Anlagerung einer Methylgruppe in Ci 7 (Pfeil II) entsteht das oral wirksame Androgen Methyltestosteron. 3. Durch Anlagerung einer Äthinylgruppe an derselben Stelle und gleichzeitige Entfernung der Methylgruppe in C 19 erhält man das oral wirksame Gestagen Norethisteron (Pfeil III). in

Sowohl die Ovarien als auch die Testes bilden Testosteron. Ein weiteres Steroid, das außerdem noch in N N R und Plazenta gebildet wird, ist A 4 -Androsten-3,17-dion. o

Bemerkenswert ist die Erkenntnis, daß das im Organismus gebildete Testosteron in der Peripherie in 5a-Dehydrotestosteron umgewandelt werden muß, damit eine androgene Wirkung entsteht.

d) Anabolika Androgene mit schwacher androgener und stärker ausgeprägter anaboler Wirkung (= stickstoffretinierende Wirkung) werden als sogenannte Anabolika bezeichnet und vielfach bei konsumierenden Krankheiten therapeutisch angewandt. O-C-(CH 2 ) 5 -CH 3 pII

l-Methyl-A'-5a-androstenolonönanthat Methenolonönanthat

l-Methyl-A'-5a-androstenolonacetat Methenolonacetat

12

B. Chemie und Charakterisierung der Hormone

e) Nebennierenrinden-Hormone Entsprechend ihrer Funktion werden die NNR-Hormone in Mineralocorticoide, Glucocorticoide und in die bereits erwähnten NNR-Androgene eingeteilt. Der chemische Aufbau von Glucocorticoiden und Mineralocorticoiden, die zu den Cn-Steroiden gehören, ist durch eine zusätzliche Hydroxylgruppe am C-Atom 21 gekennzeichnet. Es entsteht eine sogenannte a-Ketol-Seitenkette. Aldosteron dient als Mineralocorticoid zur Aufrechterhaltung des KaliumNatrium-Gleichgewichts. Corticosteron, das früher als das natürliche Mineralocorticosteroid galt, wird gegenwärtig als Zwischenprodukt beim Aufbau des Aldosterons angesehen.

O

ch2oh OH I | C=0 CHI

Aldosteron (Halbacetalform)

Corticosteron

Vor der Ära der Glucocorticoide galt das Mineralocorticoid Desoxycorticosteronacetat als lebensrettend bei Morbus Addison. Glucocorticoide, die dank ihrer hemmenden Beeinflussung mesenchymaler Reaktionen, ihrer antiallergischen und antiinflammatorischen Wirkung eine große therapeutische Verbreitung gefunden haben, enthalten neben der a-Ketol-Seitenkette eine 17a-OH-Gruppe sowie eine Sauerstoffunktion am C-Atom. Als natürliches Steroid und Hauptvertreter dieser Gruppe ist Hydrocortison anzusehen. ch2oh

I c=o

Von diagnostischer Bedeutung ist die Erkenntnis, daß Glucocorticoide teils als 17-Ketosteroide ausgeschieden werden, teils in reduzierter Form (17-Hydroxycorticoide, 11-Oxycorticoide) im Harn vorkommen. Die Suche nach möglichst wirksamen Glucocorticoiden, die ohne Nebenerscheinungen gegeben werden können, hat zum Auffinden weiterer Verbindungen geführt, die in der inneren

II. Proteohormone

13

CH 2 OH

CH 2 OH

c=o

o

o

Prednison

Prednisolon CH 2 OH

CH 2 OH

c=o

c=o

-OH T"-CH 3

-OH

o

o

Fluorhydrocortison

Dexamethason

Medizin und Dermatologie sowohl systemisch* als auch lokal in großem Umfang therapeutisch benutzt werden. Dehydroepiandrosteron wird als Hauptvertreter der NNR-Androgene angesehen. Die Ausscheidung erfolgt in Form der 17-Ketosteroide. Eine enzymatische Störung der Cortisolbiosynthese führt zu einer vermehrten Bildung von NNR-Androgenen.

II. Proteohormone Unsere Kenntnisse über die chemische Struktur der großmolekularen Proteohormone sind noch lückenhaft. Sie lassen sich — wie folgt — charakterisieren: 1. Allen Proteohormonen gemeinsam sind der Eiweißcharakter und die Wasserlöslichkeit. 2. Entsprechend der Molekülgröße setzen sie sich aus einer verschieden großen Zahl von Aminosäuren zusammen. Die Zahl dieser Aminosäuren ist bekannt, ihre Verkettung aber vielfach noch nicht aufgeklärt. 3. Die Molekülgröße schwankt zwischen 1000 (Oxytocin und Vasopressin) und etwa 4 0 0 0 0 (FSH, LH, H C G , HPL). 4. FSH, LH, T T H und H C G enthalten außer den Aminosäuren einen verschieden hohen Anteil an Kohlehydraten in Form von Mannosen, Fruktosen und Galaktosen. Diese Gruppe bezeichnet man daher besser als Glykoproteide. 5. Die Zufuhr dieser großmolekularen Glykoproteide kann zu einer verschieden stark ausgeprägten Bildung von Antikörpern Anlaß geben. Zu dieser kommt es besonders dann, wenn es sich um die Anwendung von artfremden Präparaten, also um trope Hormone, gewonnen aus tierischen Ausgangsprodukten, handelt. * systemisch: Bezeichnung für nichtlokale Wirkungen oder Anwendungsformen eines Präparates.

14

B. Chemie und Charakterisierung der Hormone

6. Weitere Unterschiede zwischen den tropen Hormonen lassen sich durch Chromatographie, durch Verlust an biologischer Wirkung bei Einwirkung von bestimmten Fermenten, Bestimmung der Halbwertszeiten und durch Analyse der verschiedenartigen Antikörperbildung erkennen. 7. Zwischen LH und H C G fällt eine besonders ausgeprägte Ähnlichkeit auf. Diese Ähnlichkeit erstreckt sich sogar auf die Fähigkeit, die gleichen Antikörper zu bilden. Bis jetzt wurden deutliche Unterschiede nur hinsichtlich des Gehalts an Sialinsäure entdeckt. Der Gehalt an Aminosäuren und Kohlehydraten ist dagegen nahezu identisch. 8. Die humanen Proteohormone entsprechen in ihrer chemischen Struktur nicht den aus tierischen Hypophysen gewonnenen Verbindungen. 9. Die im Harn gefundenen Proteohormone sind nicht mit den aus der Hypophyse extrahierten Verbindungen identisch. Tab. 5. Einige chemische und biologische Eigenschaften von menschlichem FSH, gewonnen aus Hypophysen und Urin von Frauen nach der Menopause (Gemzell, C.: Act. Obstet. Gynec. Scand. 48, Suppl. 1, 17 [1969])

Molekulargewicht Zahl der Aminosäuren Gehalt per Mol an: Hexose Glucoseamin Sialinsäure Biologische Aktivität I.E./mg

Hypophysäres FSH

FSH aus Urin

41000

28000

254

208

39 30 8

14 8 2

14000

780

III. Hormonantagonisten AntiÖstrogene, Antiandrogene, Antigestagene, Antigonadotropine Unter den zahlreichen Steroidderivaten sind einige Substanzen bekannt geworden, die die sexualspezifische Wirkung einer Steroidgruppe abschwächen oder aufheben können. Im Kapitel „Wirkung der Hormone" wird näher auf antagonistische Wirkungsabläufe hingewiesen. Eine antiÖstrogene Wirkung besitzen die Gestagene. Sie reduzieren die unter dem Einfluß der Östrogene entstehende drüsige Proliferation des Endometriums (S. 45). Außerdem hemmen sie die durch Östrogene am Zervixsekret hervorgerufenen Veränderungen. Ferner wurde beschrieben, daß einige schwache Östrogene, so z. B. Östriol und auch Clomiphen und Cyclofenil, in der Lage sind, die Wirkung eines stärkeren Östrogens abzuschwächen.

IV. Releasing factors — Releaser-Hormone

15

Eine antiandrogene Wirkung besitzen mehrere Gestagene, von denen Cyproteronacetat am gründlichsten studiert worden ist. Der antiandrogene Effekt entsteht durch kompetitive Hemmung der androgenen Wirkung am Erfolgsorgan. Sowohl endogen gebildete als auch exogen applizierte Androgene werden durch Cyproteronacetat unwirksam.

ci

Cyproteronacetat

Östrogene haben keine echte antiandrogene Wirkung, obwohl das häufig behauptet wurde. Sie heben die peripheren Effekte von Androgenen am Erfolgsorgan nicht auf. Nur via HVL-Zwischenhirn erfolgt als negativer feed-back eine Bremswirkung auf die Androgenbildung beim Mann. Eine antigestagene Wirkung ist im Rahmen der Steroidforschung bisher nicht beschrieben worden. Weder Östrogene noch Androgene sind in der Lage, einen progestionalen Effekt aufzuheben oder wesentlich abzuschwächen. Eine antigonadotrope Wirkung scheinen einige Steroide zu besitzen, die keine sexualspezifischen Wirkungen haben. Beispiel: Danazol in großen Dosen verursacht einen monophasischen Zyklus in einer Dosis, in der keine androgenen Wirkungen entstehen, obwohl das Steroid aus der Androgenreihe stammt. Eine andere Möglichkeit, eine antigonadotrope Wirkung auszulösen, besteht durch aktive oder passive Immunisierung. Sie wird an anderer Stelle abgehandelt.

IV. Releasing factors — Releaser-Hormone Im Gegensatz zu den im HVL gebildeten tropen Hormonen sind die im Hypothalamus gebildeten releasing factors oder Releaser-Hormone Polypeptide einfacher Bauart mit einem Molekulargewicht von 1—3000. Sie besitzen keinen Zuckeranteil. Da die chemische Zusammensetzung der verschiedenen Releaser-Hormone einander sehr ähnlich ist, stieß die spezifische Analytik auf große Schwierigkeiten. Die genaue chemische Zusammensetzung von LH-RF konnte von Shally und Mitarbeitern aufgeklärt werden. Eine exakte Trennung von LH-RF und FSH-RF gelang nicht. Das aus Hypothalamin gewonnene LH-RF unterscheidet sich hinsichtlich seiner biologischen Wirkung nicht von dem synthetischen LH-RF, das chemisch als Decapeptid bezeichnet wird. Ein wesentlicher Unterschied muß außerdem berücksichtigt werden: Releasing

16

B. Chemie und Charakterisierung der H o r m o n e

factors sind dank ihrer relativ geringen Molekülgröße im Gegensatz zu den tropen Hormonen des HVL weitgehend artunspezifisch. Ein weiteres wesentliches Merkmal dieser Gruppe ist ihre kurze Halbwertszeit von 4—9 Minuten. Releaser-Hormone führen nicht oder nur in geringem Umfang zur Antikörperbildung im Organismus, ein Faktor, der bei der Verwendung zu therapeutischen Zwecken berücksichtigt werden muß. Substanzen ähnlicher Zusammensetzung, die ebenfalls in der Lage sind, Gonadotropine im HVL freizusetzen, werden als LH-trigger bezeichnet. Möglicherweise sind im Organismus auch Antagonisten zu den Releaser-Hormonen vorhanden. Eine Synthese solcher Substanzen in Form von Polypeptiden ist jedenfalls beschrieben worden.

V. Synthetische Östrogene ohne Steroidcharakter Die gebräuchlichsten Substanzen mit östrogener Wirkung, die nicht zu den Steroiden gehören, leiten sich vom Stilben ab. Sie lassen eine Symmetrie in ihrem chemischen Aufbau erkennen. —^ Ort C2H5 ^—^ HO-^iH-C^^J-OH

C2H5 C2H5 HO- 1200 [ig Östriol 20 2 0 - 3 0 0 0 0 \ig Einige Untersuchungen haben ergeben, daß eine extrem hohe Östrogenausscheidung im letzten Teil der Gravidität für eine Mehrlingsschwangerschaft und niedrige Werte für einen Anenzephalus oder für eine Gefährdung des Kindes sprechen. Auch bei NNR-Insuffizienz der Mutter ist die Östrogenausscheidung relativ niedrig. Die Biosynthese von Progesteron und Östrogenen in der Gravidität wurde bereits in den Kapiteln „Biosynthese" und „Fetoplazentare Einheit" abgehandelt.

IV. Schwangerschaft

I ' i

1

3

1

73

—'—i—1—i—1—i—'—i—1—i—1—i—1—i—*—i—i—i—1—i—1—i—1—i—1—i—1—r-

5

7

9

11

13

15

17

19

21

23

25

27

29

31

33

Tage nach der letzten Menstruation

—I—1—I—1—i—i—i—1—I—1—I—1—i—1—I—'—I—1—i—1—I—1—I—1—i—i—I—'—I—1—1—1—I— -14

-12

-10

-8

-6

-4

-2

0

+2

+4

+6

+8

+10 +12 +14 +16 +18 Tage nach dem LH-Peak

Abb. 32. Verhalten von Basaltemperatur (BBT), LH, Progesteron und Östrogenen im Zyklus und in der Frühschwangerschaft (Thomas, K„ et al.: Int. J. Fertil. 18, 65 [19731)

Neben dem HCG wird in der Gravidität als zweites Proteohormon in ansteigender Menge human placental lactogen (HPL) im mütterlichen Plasma ab 7. Schwangerschaftswoche gefunden. Ausführliche Untersuchungen haben ergeben, daß zwischen der HPL-Menge und dem Gewicht der Plazenta im Verlaufe der Schwangerschaft eine enge Korrelation vorhanden ist. Weniger deutliche Parallelen bestehen zwischen HPL und den physiologischen und pathologischen Stoffwechselvorgängen in der Gravidität. Demnach verhält sich HPL mengenmäßig ganz anders als HCG, das nur im ersten Trimester reichlich gefunden wird.

74

H. Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

5 10 15 2 0 2 5 T a g d e s Zyklus

5 15 25 35 45 T a g e nach der letzten P e r i o d e

Abb. 3 3 . östrogenausscheidung bei einer 28jährigen Zweitgravida vor und während des Beginns der Schwangerschaft {Brown, J.-B.: Lancet 6 9 2 5 , 7 0 4 [ 1 9 5 6 ] )

Östriol (mg) im 24-Stunden-Urin

18

22

26

30

34

38

42

46

Abb. 3 4 . östriolausscheidung während der Gravidität bei 2 0 Frauen und bei einer Frau mit Zwillingsschwangerschaft (Beischer, N. A., und Brown, J.-B.: J. Obstet. Gynec. B n t . Comm. 7 5 , 6 2 2 [ 1 9 6 8 ] )

Zwischenhirn-HVL-System: Vermutlich als Folge der zunehmenden Steroidbildung wird im Sinne des negativen feed-back über das Sexualzentrum die Produktion von FSH und LH gehemmt. Auf diese Weise werden Follikelreifung und Eisprung unterbunden. Trotz dieser Inaktivität vergrößert sich der HVL im Laufe der Schwangerschaft auf etwa das Doppelte. Vermutlich entsteht diese Vergrößerung durch die zunehmende ACTH- und Prolaktinausschüttung. Aus einigen wenigen Beobach-

IV.

75

Schwangerschaft

Cortisol-Produktion in m g / T a g

Mittelwerte

Mittelwerte

Ii"' Abb. 3 5 . Cortisolsekretionsraten

bei nicht-

schwangeren

Frauen

ähnlicher o nichtschwanger

17,5-1

schwangeren

Altersgruppe

Fundamentals

• schwanger

und

{Hall,

of E n d o c r i n o l o g y ,

in al.:

London,

175

150

125

12,5-

d: 10

ci

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1 9 6 9 , S. 1 9 6 )

-o P - A 17 P --• E 1 E 2 - • E3

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10

12

14

16

18

20

22

24

26

28

30

32

34 3 6 3 8 4 0 42 Schwangerschaftswochen

A b b . 3 6 . Mittlere Plasmawerte ( 3 0 8 Frauen) für Progesteron = P, 1 7 a - H y d r o x y p r o g e s t e r o n •= 1 7 P , unkonjugiertes ö s t r a d i o l = E , , Ö s t r o n = E 2 und Östriol = E i in der Gravidität ( T u l c b i n s k y , D., et al.: A m . J . Obstet. Gynecol. 1 1 2 , 1 0 9 5 [ 1 9 7 2 1 )

tungen geht hervor, daß bei Frauen nach Hypophysektomie eine Konzeption (durch Substitution von gonadotropen Hormonen) und eine ungestörte Schwangerschaft möglich sind. NNR: Die Schwangerschaft ist für die Mutter eine Phase des erhöhten Leistungsanspruchs. Es ist nicht verwunderlich, daß besonders die NNR als Adaptationsorgan an dieser Mehrarbeit teilnimmt. Als äußeres Zeichen entsteht eine Vergrößerung dieser Drüse, die sich vorwiegend auf die Zona fasciculata erstreckt. Die Werte für die Corticoidmetaboliten im Harn sind nicht so leicht zu deuten:

76

H . Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

Die Ausscheidung von Aldosteron ist etwa um das lOfache erhöht. Außerdem findet ein Anstieg der 17-Ketosteroide und der 17-Hydroxycorticoide statt, während merkwürdigerweise die 17-ketogenen Steroide nicht vermehrt sind. Mit der erhöhten Produktion von Corticoiden im Organismus soll das Auftreten der Striae zusammenhängen. Schilddrüse: Die Schilddrüse nimmt in der Schwangerschaft deutlich an Gewicht zu. Eine echte Steigerung der Aktivität ist nicht bewiesen. Unter dem Einfluß der Östrogene kommt es in der Gravidität zu einer erhöhten Proteinbindungskapazität für Jod. Stoffwechsel: Der gesamte Stoffwechsel wird im Laufe der Gravidität aktiviert. Hier seien folgende Veränderungen erwähnt: — Zunahme des Grundumsatzes um 10—20%, — positive Stickstoffbilanz, — Ansteigen der Gesamtlipide und des Cholesterins im Serum, — Neigung des Gewebes zu Wasser- und Kochsalzretention, — Zunahme des Blutplasmavolumens bei relativer Verminderung der Erythrozyten und des Hämatokritwertes, — Zunahme der Leukozytenzahl im Blut, — Abnahme der Thrombozyten, — Veränderungen am Blutgerinnungssystem. Es kommt zur Zunahme der Gerinnungstendenz, getestet am Thrombelastogramm und an einzelnen Gerinnungsfaktoren. Die fibrinolytische Aktivität ist vermindert. Uterus: Im Mittelpunkt der Schwangerschaftsveränderungen steht das außerordentliche Größenwachstum der Gebärmutter. Im Verlauf der 9 Monate wird ihr Gewicht verzwanzigfacht. Es steigt von 50 auf 1000 g an. Die Muskelfasern im Uterus wachsen um das Mehrfache. Eine Neubildung von Strukturelementen wird bezweifelt. Das Wachstum des Uterus erfolgt in erster Linie durch Östrogene. Es wird durch den Innendruck der sich stetig vergrößernden Frucht unterstützt. Vermutlich wirken die Östrogene auf die Muskelzelle, indem sie die „kontraktilen Proteine" Aktin und Myosin vermehren und neben der Größenzunahme des Uterus das Membranpotential erhöhen. Auf diese Weise sind sie an der Vorbereitung des Uterusmuskels auf den späteren Eintritt der Geburtswehen beteiligt. Die Ruhigstellung der Gebärmutter ist Aufgabe des Progesterons. Eine zweite Sicherung erfolgt durch die Oxytocinase, die bis zum Geburtsbeginn laufend das Wehenhormon Oxytocin inaktiviert. In der Gravidität dürften auch die Corticoide als Stoffwechselhormone an der Vergrößerung der Gebärmutter nicht unbeteiligt sein. Unsere Kenntnisse über die Art der hormonalen Einwirkung auf die Uterusmuskulatur sind mangelhaft. Wahrscheinlich geschieht dies über den Elektrolyt-, Wasser- und Proteinstoffwechsel. Im Gegensatz zu dem Wachstum des Uterusmuskels kommt es am Endometrium schon im ersten Trimester der Schwangerschaft zu Rückbildungserscheinungen. Im

IV. Schwangerschaft

77

Bereich der kompakten Schicht finden sich mit fortschreitender Gravidität Abflachung, Rückbildung der Drüsenepithelien und Verminderung der mitotischen Zellteilungen. Weitere Veränderungen: Von diagnostischer Bedeutung ist das Verhalten des Vaginalepithels in der Schwangerschaft. Unter der Wirkung von Östrogenen und Progesteron entwickelt sich ein typisches Zellbild, ähnlich wie im Prämenstruum. Die basophilen Epithelien sind aber etwas kleiner, sie haben einen bläschenförmigen Kern und einen kahnförmigen Zelleib (Navikularzellen). Durch Applikation von großen Östrogenmengen, die bei der Nichtschwangeren eine Östrogene Proliferation erzeugen, läßt sich bei ungestörter Gravidität das Zellbild nicht beeinflussen. Progesteron dominiert in der Gravidität. Ein analoges Verhalten wurde am Zervixschleim festgestellt. Im Trockenpräparat tritt während der ungestörten Schwangerschaft ähnlich wie in der prämenstruellen Phase keine farnkrautähnliche Kristallisation auf. Auch hier gelingt es nicht, durch östrogenzufuhr eine Farnkrautkristallbildung zu erzeugen. Die Weiterstellung des Beckenringes und speziell der Symphyse sind typische Schwangerschaftsveränderungen, die sich experimentell durch Sexualhormone erzeugen lassen. Eine besondere auflockernde Wirkung auf Knorpelgewebe soll das wasserlösliche hochmolekulare Polypeptid Relaxin haben, das in der Schwangerschaft vom Corpus luteum graviditatis gebildet wird. Eine andere Begleiterscheinung der Schwangerschaft sind die Striae gravidarum. Sie beruhen auf der gemeinsamen Wirkung von Relaxin, Östrogenen und Corticoiden in ansteigenden Mengen auf die Mucopolysaccharide des kollagenen Bindegewebes in der Subkutis. Von besonderem Interesse ist das Verhalten der Morgentemperatur in der Gravidität. Nach erfolgter Konzeption bleiben die Temperaturwerte auf der gleichen Höhe wie in der Corpus-luteum-Phase. Im 3. bis 4. Monat erfolgt ein langsames Absinken um etwa 0,5°. Das Temperaturzentrum wird gegen Progesteron zu dieser Zeit unempfindlich. Nur mit sehr hohen Dosen von Gestagenen ist es nach dem 3. Monat noch möglich, eine Temperaturerhöhung zu erzielen. Im Laufe der Schwangerschaft entsteht durch Einwirkung der Sexualhormone zusammen mit dem Prolaktin eine erhebliche Größenzunahme der Brustdrüsen. Der Drüsenkörper wächst durch Bildung von zahlreichen Sprossen. • Sehr bald werden die Drüsenepithelien höher und lassen in ihrem Protoplasma Fettköxnchen erkennen. Im weiteren Verlauf kann man die proliferierten Drüsen als radiär angeordnete Stränge fühlen. Eine zunehmende Pigmentierung der Warze und des Warzenhofes ist die Folge einer direkten östrogeneinwirkung. Sie läßt sich experimentell durch Auftragen von östrogenhaltigen Salben hervorrufen.

78

H. Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

V. Geburt und Laktation AF.

DB. Laktation

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Menstruation

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40

60 Ovulation

Abb. 3 7 . Plasmawerte für Prolaktin, FSH, L H (HCG), östradiol und Progesteron bei 2 stillenden Frauen. Tag 0 = Tag der Entbindung. Bei der 2. Patientin kommt es nach Beendigung des Stillaktes zur Ovulation, gekennzeichnet durch Anstieg von östradiol und Progesteron, und danach zur Menstruationsblutung. (Reyes, F. ]., et al.: Amer. J . Obstet. Gynecol. 1 1 4 , 5 8 9 [ 1 9 7 2 ] )

V. Geburt und Laktation

79

Der Wehenbeginn ist durch eine plötzlich auftretende muskuläre Empfindlichkeit des Uterus gegen Oxytocin charakterisiert, das vom HHL abgegeben wird. Welche Kräfte bei der Auslösung der Geburt außerdem beteiligt sind, ist nicht bekannt. Aus einigen Studien ist zu entnehmen, daß in den letzten Wochen vor Wehenbeginn die Progesteronwerte im Plasma angeblich abfallen und die Östrogenwerte zunehmen sollen. Mit Geburt der Plazenta fällt die Produktionsquelle für die in der Schwangerschaft gebildeten Steroidhormonmengen sowie für Choriongonadotropine und HPL fort. Infolgedessen sinkt binnen weniger Tage die Östrogen- und Pregnandiolausscheidung auf Werte ab, die kaum erfaßbar sind. Ein vorübergehender Anstieg von Östriol kurz nach dem Partus kommt vermutlich durch die Kontraktion des vorher mit östrogenhaltigem Blut gefüllten Uterusmuskels zustande. Da die Ovarien die Hormonbildung nicht sogleich wieder aufnehmen, entsteht im Wochenbett eine Phase der relativen Steroidverarmung. Vom Zwischenhirn wird in den letzten Wochen vor dem Partus die Abgabe von Prolaktin veranlaßt. Diese Abgabe ist vermutlich als positiver feed-back die Folge der hohen Östrogenbildung. Nach der Entbindung kommt es zum Abfall des Prolaktinspiegels. Der Laktationsvorgang kann in verschiedene Phasen eingeteilt werden: 1. Vorbereitung der Milchdrüse in der Gravidität im Sinne einer erheblichen Sprossung der Alveolen unter dem Einfluß der Sexualsteroide und später auch des Prolaktins. 2. Einschießen der Milch nach Unterbrechung der Sexualsteroidbildung in der Plazenta. 3. Die Milchbildung wird aufrechterhalten durch den Saugreiz. Dieser führt zur kurzfristigen Ausschüttung von Oxytocin und Prolaktin. TJ OJ o> E

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Abb. 38. Die östrogenausscheidung während der Laktationsperiode und in den folgenden ersten Zyklen bei einer 28jährigen Frau (Brown, J. B.: Lancet 6925, 704 fl 956])

80

H. Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

4. Bei Frauen mit schon länger bestehender Laktationsphase ist die Milchproduktion weitgehend autonom. Die Rückwirkungen des Saugreizes auf Prolaktinund Oxytocinbildung sind gering. Der Menstruationszyklus verhält sich unterschiedlich. Er kann in Gang kommen, in anderen Fällen bei längerdauernder Laktation aber auch unterbleiben. Die N N R beantwortet den Geburtsakt wie jede körperliche Arbeit mit kurzdauernder vermehrter Bildung von NNR-Hormonen. Im Wochenbett verschwindet die

Stillakt





300-1

Prolaktin 8 - 4 1 Tage post partum Prolaktin 63-194 Tage post partum

250°

Prolaktin o bei nicht stillenden Kontrollen

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Zeit in Minuten

Abb. 39. Wirkung des Stillaktes auf die Prolaktinkonzentration im Serum bei 4 Frühwöchnerinnen (8—41 Tage post partum) und bei 4 Spätwöchnerinnen (63 — 194 Tage post partum). (Noël, G. L., et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 38, 3, 413 [19741) Geburt

Progesteron

Östroge

LTH (Prolaktin)

Abb. 40. Schematische Darstellung der endokrinen Situation vor und nach der Entbindung

VI. Klimakterium

81

während der Schwangerschaft bestehende Hypertrophie ebensobald wie die vermehrte Ausschüttung von Corticoiden. Das erste Auftreten des Zyklus nach dem Partus ist von der Wiederaufnahme der gegenseitigen Wechselbeziehungen von HVL-Zwischenhirnsystem und Keimdrüsen abhängig. Dies geschieht meist gegen Ende der Stilltätigkeit. Ähnlich wie die ersten Zyklen bei jungen Mädchen in der Pubertät, so ist auch die erste Blutung nach dem Wochenbett häufig eine Östrogene Abbruchblutung und keine echte Menstruation, da noch keine Ovulation erfolgt ist. In Abbildung 38 sind zwei kleine Blutungen vermerkt, bevor die erste Ovulation eintritt. Bei Frauen, die nur kurze Zeit oder gar nicht stillen, kommt es durchschnittlich früher zur Wiederaufnahme des Zyklus als bei Frauen mit einer langen Laktationsperiode.

VI. Klimakterium Definition: Unter Klimakterium ist der Lebensabschnitt zu verstehen, in dem die weiblichen Gonaden ihre Funktion einstellen. Der Zeitpunkt, zu dem die letzte zyklische Blutung erfolgt, wird als Menopause bezeichnet. Die Phase vor diesem Zeitpunkt mit bereits unregelmäßigem Blutungsablauf nennt man Prämenopause und die Zeit nach der Menopause, in der Ausfallserscheinungen dominieren, die Postmenopause. Das Klimakterium beginnt also mit dem Erlöschen der generativen Funktion und endet mit der Anpassung des Organismus an die fast völlig erloschene Keimdrüsenfunktion. Wenn der Vorrat an Follikeln aller Reifestadien in den Ovarien erschöpft ist, erlischt ihre Funktion allmählich. Dies ist durchschnittlich in der 2. Hälfte des 4. Lebensjahrzehnts der Fall. Bei Frauen mit früher Menarche soll das Klimakterium relativ spät einsetzen. Die Dauer dieser Lebensphase ist sehr unterschiedlich. Sie kann wenige Wochen, aber auch 10 bis 20 Jahre betragen. Die einzelnen Abschnitte des Klimakteriums sind durch das verschiedenartige Verhalten der endokrinen Drüsen gekennzeichnet.

a) Prämenopause Die generative Funktion kommt zum Stillstand. Regelmäßige Ovulationen und Corpus-luteum-Bildung unterbleiben, da der Vorrat an reifefähigen Follikeln erschöpft ist. Östrogene werden weiter in wechselnden Mengen gebildet (polyfollikuline Phase). Die vegetative Ovarialfunktion ist also noch vorhanden. Menstruationsähnliche Blutungen erfolgen nicht aus einem sekretorisch umgewandelten Endometrium, sondern als Entzugsblutungen immer dann, wenn die östrogenbildung nachläßt. Sie sind oft unregelmäßig stark und langdauernd. Es besteht in diesem Stadium ein ähnlicher Zustand wie zur Zeit der Pubertät im Anschluß an die Menarche, in der ebenfalls keine zyklische Follikelreifung stattfindet.

82

H. Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

b) Menopause Es kommt zur Verminderung der Östrogenbildung in den Ovarien bis auf eine geringe weiter anhaltende Restfunktion, die rhythmisch schwanken kann. Diese reicht nicht zur physiologischen Stimulierung des Endometriums aus. Der Ausfall der Menstruationsblutungen ist die Folge (Menopause). Menopause

mit

Geschlechtsreife .6 36,1 3 5 , 0 3 2 , 9 3 0 . 8 2 9 , 2 2 7 , 7 26.1 Jahre

U-15 13 Menarche

mit

14

^ 1 2

Mittelwerte a u s 2 2 6 6 Fällen

Abb. 41. Zeitliche Abhängigkeit der Menopause von der Menarche (Goecke, H.: Arch. Gynäk. 193, 33 [19591)

c) Postmenopause Das HVL-Zwischenhirnsystem reagiert auf den verminderten Sexualhormonspiegel sehr rasch mit Überfunktion (hypergonadotrope Phase). Die im Zwischenhirn auftretende Dysfunktion führt zur vermehrten Ausschüttung von Follikelreifungshormon (FSH) und Luteinisierungshormon (LH) aus dem HVL. Die Vermutung, daß es sich hier um ein besonderes Inkret (Menopausengonadotropin) handeln müsse, konnte bisher nicht bewiesen werden. Nicht selten kommt es gleichzeitig zur vermehrten Ausschüttung von thyreotropem Hormon. Das alternde Ovar besteht vorwiegend aus Stromazellen. Der Follikelvorrat ist aufgebraucht. Die hiermit zusammenhängende östrogenbiosynthese geht immer mehr zurück, bis später vermutlich nur noch A 4 -Androstendion gebildet wird. Die mit dem Urin ausgeschiedenen Östrogene (im Durchschnitt 8 —10 ng im 24-Stunden-Urin) stammen zum Teil aus der N N R . Metabolische Untersuchungen sprechen aber auch für eine extraovarielle Umwandlung von A 4 -Androstendion zu Östrogenen. Im ganzen dürften etwa 20—40[ig Östrogene pro Tag im postmenopausischen Organismus gebildet werden. Die Hyperaktivität des HVL in der Postmenopause, die sich in einer meist über viele Jahre andauernden vermehrten Gonadotropinausschüttung äußert, führt zur Vergrößerung und zur Bildung eines bestimmten Zelltyps, ähnlich wie nach Kastration. Das Klimakterium wird durch Eintritt einer neuen hormonalen Gleichgewichtslage abgeschlossen (Ruhestadium). Die Anpassung des Organismus, insbesondere des vegetativen Nervensystems und der Psyche an die altersbedingte Situation ist erfolgt.

VI. Klimakterium

83

Bei Betrachtung dieser verschiedenen Phasen, die nicht alle deutlich in Erscheinung zu treten brauchen, fällt auf, daß die auslösende Ursache der Eierstock selbst ist. Der Vorrat des Ovars an reifefähigen Follikeln ist in den vierziger Jahren erschöpft. In Mitleidenschaft gezogen ist häufig die Schilddrüse, die weitgehend von der Thyreotropinbildung im HVL und vom vegetativen Nervensystem abhängig ist. Sie neigt im Klimakterium zu Überfunktionszuständen, die wohl meist vegetativer Genese sind und seltener durch eine Stimulierung von Seiten des HVL zustande kommen dürften. B. M., P a r a 6 4- 0

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Tag der Untersuchung

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51-55

56-65

6 6 - 7 0 Jahre

Abb. 4 2 . Wechselnde Ausscheidung von LH, Pregnandiol und Östrogenen bei einer 50jährigen Frau in der Postmenopause (Papanicolaou, A. D., et al.: J . Obstet. Gynaec. Brit. Cwlth. 76, 3 1 7 [1969])

Abb. 4 3 . Durchschnittliche östrogenausscheidung nach dem 40. Lebensjahr (Kaiser, R., und Gördes, W.: Med. Klin. 6 3 , 1 1 9 7 [1968])

84

H. Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

Normal- 4 1 - 4 5 Zyklen (Maxima)

56-50

51-55

56-65

66-75Jahre

Abb. 44. Durchschnittliche Gonadotropinausscheidung nach dem 40. Lebensjahr (HMG = human menopausal gonadotrophin) (Kaiser, R., und Cordes, W.: Med. Klin. 63, 1197 [1968])

Abb. 45. Konzentrationskurven von Östrogenen und Gonadotropinen während des Klimakteriums in bezug auf die Menopause (Kaiser, R., und Cordes, W.: Med. Klin. 63, 1197 [1968])

Die Dysregulation im Zwischenhirnsystem wirkt sich nicht nur auf den HVL und die peripheren Drüsen aus, sondern kann auch zu Stoffwechselstörungen führen. Häufig entsteht Fettsucht als Folge einer neurovegetativen Störung, wobei weitere Faktoren wie Konstitution, Art und Menge der aufgenommenen Nahrung von ausschlaggebender Bedeutung sind. Typisch für die polygonadotrope Phase sind mannigfaltige vegetative und psychische Störungen, die vorübergehend bei etwa 60% aller Klimakterikerinnen auftreten. Der hohe Prozentsatz zeigt, wie außerordentlich schwierig die Anpassung des weiblichen Organismus und der Psyche an diese neue Situation ist. Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Herz-Kreislauf-Beschwerden und Schlaflosigkeit sowie Depressionen werden am häufigsten bemerkt. Die Annahme, daß die Heftigkeit der Beschwerden von der Menge der gebildeten Gonadotropine direkt abhängig sei, wurde nicht bestätigt. Wahrscheinlich sind konstitutionelle Faktoren ausschlaggebend. Frauen, die schon während der Geschlechtsreife zu vegetativen Störungen neigen, sollen stärker betroffen sein. Bei Klimakterikerinnen mit schweren Ausfallserscheinungen führt die Funktionsprüfung des Zwischenhirns {Staub-Traugott, Adrenalinbelastung, Wasserversuch) zu abnormen Resultaten. Die Auswirkungen der physiologischen Keimdrüsenalterung auf die peripheren Organe sind unterschiedlich. Sie sind um so ausgeprägter, je stärker die Einflußnahme der Sexualsteroide auf die entsprechenden Gewebe gewesen ist. Am meisten betroffen ist die Uterusschleimhaut, die in der Prämenopause zur Überproliferation (zystisch-glanduläre Hyperplasie) neigt (S. 176), während die Transformation in das

VII. Postklimakterium und Senium

85

Sekretationsstadium fehlt. Nach Eintritt der Menopause verharrt die Schleimhaut meist noch längere Zeit im Stadium einer mäßigen Proliferation. Ihre Ansprechbarkeit auf hormonale Impulse ist nicht erloschen. Durch Östrogene und Gestagene lassen sich in geeigneter Dosierung alle Stadien erzielen, die bei der jüngeren kastrierten Frau durch Sexualhormone erzielbar sind. Ein Indikator für die hormonale Situation im Klimakterium ist ferner das Vaginalepithel. Vor der Menopause findet sich ein wechselndes Bild der hohen Proliferation, das nicht immer mit dem Verhalten des Endometriums übereinstimmt. Nach der Menopause ist meist ein mittelhoher Proliferationsgrad vorhanden, der verschiedene Deutungen zuläßt. Er wird durch die kleinen, im Organismus weiterhin gebildeten östrogendosen hervorgerufen und ist gleichzeitig die Folge einer Androgeneinwirkung der entsprechenden NNR-Steroide. Nach Eintritt der Menopause beobachtet man eine deutliche Zunahme von arteriosklerotischen Veränderungen und Herzinfarkten. Bei Frühkastratinnen kommt es entsprechend früher zu Gefäßerkrankungen. Diese Befunde haben dazu geführt, daß den Östrogenen eine antiarteriosklerotische Schutzwirkung zugesprochen wurde. Aufgrund von Untersuchungen an Männern mit Prostatakarzinom, die Östrogene über eine lange Zeit erhalten, läßt sich eine generelle Schutzwirkung dieser Steroidgruppe nicht aufrechterhalten.

VII. Postklimakterium und Senium Mit dem Aufhören der typischen klimakterischen Beschwerden beginnt für die Frau eine Lebensphase, die als Postklimakterium bezeichnet werden kann. Ihre Dauer ist ebenso individuell verschieden wie das Klimakterium selbst. Sie ist gekennzeichnet durch die abgeschlossene Anpassung des Zwischenhirns und des Neurovegetativums an die durch Ausfall der Keimdrüsen entstandene Situation, wobei wesentliche Alterserscheinungen an den übrigen Drüsen nicht bemerkbar sind. Der HVL pflegt auch weiterhin relativ große Mengen an Gonadotropinen auszuschütten. Die Steroidhormonbildung im weiblichen Organismus, gemessen an der Ausscheidung der verschiedenen Metaboliten, ist im Alter durch die starke Verminderung der Östrogene gekennzeichnet. Auf diese Weise entsteht ein ähnliches Hormonspektrum wie beim Mann. Allmählich geht das Postklimakterium in das Senium über, dessen Hauptmerkmal die allgemeine Atrophie der Organe und Gewebe ist. Die Schrumpfungstendenz ist sehr verschieden. Diese Abbauvorgänge sind besonders an den Organen ausgeprägt, deren Funktion und Stoffwechsel von den Sexualhormonen abhängig ist. Hierzu gehören nicht nur die Sexualorgane und die Brustdrüsen, sondern auch das Knochengewebe. Am Skelett kann ein Substanzverlust entstehen, der klinisch als Osteoporose in Erscheinung tritt. Die häufig geäußerte Anschauung, daß die präsenile Osteoporose die unmittelbare Folge eines Östrogenmangels sei, wird von den meisten Fachleuten bestritten. Der Mangel an Östrogenen scheint nur eine von

86

H. Endokrinologie in verschiedenen Lebensaltern

vielen auslösenden Ursachen zu sein. Von den endokrinen Drüsen sind es hauptsächlich die Ovarien, die eine Gewichtsverminderung von etwa 50% erkennen lassen. NNR, Schilddrüse und HVL unterliegen nicht in gleichem Maße einer Alterung. Es tritt zwar im Senium eine geringe Gewichtsverminderung dieser Organe, aber keine Altersatrophie ein. In besonderem Maße neigen die von den Östrogenen abhängigen Genitalorgane, Gebärmutter und Scheide sowie die Brustdrüsen, zur Schrumpfung. Oft beginnen diese Vorgänge schon kurze Zeit nach der Menopause, bevor ähnliches an anderen Organen zu bemerken ist. Im Greisenalter kommt es durch mannigfaltige Veränderungen des Stoffwechsels und der Lebensbedingungen für jede einzelne Zelle zum Umbau des Gesamtorganismus. Alle Aufbauvorgänge werden verlangsamt, während die Abbauvorgänge weiterlaufen. In anderen Geweben entsteht durch Einlagerung und Verdichtung von Gewebskolloiden eine allgemeine Verschlackung, die eine Erhöhung des Trockengewichts zur Folge hat. Das Funktionsvermögen wird hierdurch vermindert. Neben der allgemeinen Altersatrophie bedürfen die häufig auftretenden Virilisierungserscheinungen der Erwähnung. Die Angleichung des weiblichen Hormonstoffwechsels an den männlichen, der durch die Dominanz der Androgene gekennzeichnet ist, muß zweifellos für die oft im Alter zu beobachtende Vermännlichung verantwortlich gemacht werden. Am deutlichsten finden sich derartige Erscheinungen bei Frauen, deren Behaarung schon zur Zeit der Geschlechtsreife dem männlichen Typ ähnlich gewesen ist.

I. Biologische Wertigkeit und Testierung der Hormone

Die Höhe, in der die Hormone dosiert werden, ist nicht nur von dem Ziel abhängig, das erreicht werden soll, sondern auch von der sehr verschiedenen Wirkungsintensität der einzelnen Verbindungen. Steroide, die durch chemische Eingriffe verändert worden sind, haben sich in zahlreichen Fällen als außerordentlich stark wirksam erwiesen, so daß Überdosierungen leicht möglich sind, wenn die biologische Wertigkeit nicht berücksichtigt wird (S. 93). Ihre Bestimmung muß zuerst am Tier und dann am Menschen stattfinden. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß die Ergebnisse der Tierexperimente nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden können. Resorptionsgrad, Halbwertszeit, Metabolisierung sowie Ausscheidungsart und -menge sind oft recht unterschiedlich und müssen sorgfältig geklärt werden. Für diese Untersuchungen wird die betreffende Substanz radioaktiv markiert und ihr Schicksal im Organismus verfolgt. Die Befunde werden unter dem Begriff Pharmakokinetik zusammengefaßt. Außerdem müssen Steroidverbindungen nach verschiedenen Richtungen hin geprüft werden, damit weitere sexualspezifische oder allgemeine Wirkungen nicht übersehen werden. Die nachfolgend unter I. bis IV. aufgeführten Testmethoden sind nur eine kleine Auswahl der Prüfungen, denen gegenwärtig ein neu entwickeltes Steroid unterzogen wird, bevor es Aussicht hat, in die Pharmazie als Therapeutikum eingeführt zu werden. Steroidhormone werden als chemisch rein darstellbare Substanzen gewichtsmäßig in Milligramm angegeben und dosiert. Gonadotrope Hormone werden nach biologischen Einheiten deklariert, da ihre chemische Synthese bisher nicht erfolgt ist.

I. Östrogene Testierung an den Erfolgsorganen: Die biologische Auswertung der Östrogene erfolgt am kastrierten weiblichen Tier (Ratte oder Maus) und an der Frau mit erhaltenem Uterus ohne eigene Ovarialfunktion. Patientinnen mit langdauernder Amenorrhoe können ebenfalls für klinische Testierungen herangezogen werden. Als Kriterium für eine Östrogene Wirkung beim Nager gilt das Auftreten des Schollenstadiums im Vaginalabstrich (Allen-Doisy-Test). Auf der Basis dieses Tests wurden 1933 bis 1935 Östron nach I. E. und Östradiolbenzoat nach I. B. E. standardisiert. Als internationale Einheit (I. E.) wurde 0,1 ¡ig Östron bezeichnet. Es ist die Menge, die subkutan injiziert bei 50% von kastrierten Mäuseweibchen

1. Biologische Wertigkeit und Testierung der H o r m o n e

88

gerade noch zu einem positiven Schollenstadium führt; 0,1 [ig östradiolbenzoat wurde als 1 I. B. E. bezeichnet. Wenn man Östron oder Östradiolbenzoat oral gibt oder implantiert, sind andere Mengen für einen positiven Test erforderlich. Die Deklaration in Einheiten war unter diesen Umständen nicht mehr aufrechtzuerhalten. Sie gilt heute nicht mehr. Die zahlreichen Östrogene, die in den folgenden Jahren entdeckt wurden, sind nicht mehr nach Einheiten standardisiert worden, sondern es wurde lediglich festgestellt, wieviel Gamma bzw. Milligramm bei verschiedener Applikationsweise und Unterteilung zur Auslösung eines Schollenstadiums erforderlich sind. Die Auswertung der Östrogene an der kastrierten Frau mit erhaltenem Uterus geschieht im Kaufmannseben Versuch, bei dem die zyklisch erfolgende Hormonbildung der Eierstöcke imitiert wird. Der klassische Modellversuch bestand in der Injektion von je 5 mg Östradiolbenzoat jeden 4. Tag (5 Injektionen) und anschließend an 5 aufeinanderfolgenden Tagen von je 5 mg Progesteron. Das Gestagen war in diesem Versuch stark unterdosiert (s. Gestagene). Die verabreichte Östrogenmenge ruft, vorausgesetzt, daß sie in den richtigen Zeitabständen gegeben wird, eine Proliferation am Endometrium hervor, wie sie normalerweise während des Zyklus erfolgt. Durch Abrasio läßt sich der histologische Beweis für den hormonalen Effekt erbringen. Ein sehr empfindlicher Indikator für die östrogenwirkung ist das Vaginalepithel der Frau. Schon kleine östrogenmengen rufen bei Frauen mit atrophischem Vaginalepithel (nach der Menopause) eine Karyopyknose hervor, so daß eine Testierung bezüglich Wirkungsintensität und -dauer auch in dieser Weise möglich ist (Abb. 46). Der Abstrichtest ist besonders geeignet, die Wirkungsdauer eines Östrogens zu bestimmen. Die einzelnen Östrogene haben eine sehr verschiedene Aufbaudosis, deren Kenntnis für ihre klinische Anwendung notwendig ist. Diese ist nicht nur abhängig von der biologischen Aktivität der Substanz, sondern auch von der Resorption und dem Grad der Inaktivierung bei der Leberpassage, besonders wenn das Präparat per os verabreicht wird (S. 25).

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Ol

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0

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10 14 0 10 Tage der Beobachtungszeit

Abb. 4 6 . W i r k u n g v o n je , 1 0 rag Östradiolbenzoat

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auf

das

atrophische Vaginalepithel einer 55jährigen Frau

(Wied, G. L.:

14, 45 [1954])

Geburtsh. und Frauenhk.

89

II. Gestagene

Testierung auf antigonadotrope Wirkung: Es ist erforderlich, Östrogene auf ihre antigonadotrope Wirkung hin an weiblichen (Beeinflussung des Zyklus) und männlichen Tieren (Hodenhemmwirkung) zu prüfen. Andere Versuchsanordnungen (Parabioseversuch, Implantation des Östrogens in die Milz) werden außerdem verwandt. Am Menschen gelten als Tests für die zentrale antigonadotrope Wirkung die quantitative Bestimmung der Gonadotropine (S. 33) bei postmenopausischen Frauen und der Ovulationshemmtest (S. 234) bei geschlechtsreifen Frauen.

II. Gestagene Die biologische Testierung von Gestagenen erfolgt im Tierexperiment am Endometrium des Kaninchens (Clauberg-Test, Corner-Alien-Test). Juvenile oder ausgewachsene kastrierte Weibchen erhalten zuerst ein Östrogen und anschließend die gestagene Substanz. Der Transformationsgrad des Endometriums dient als Maßstab für die luteale Wirkung. Die entsprechende Auswertung am Menschen erfolgt im Kaufmannschen Versuch. Die in der ursprünglichen Versuchsanordnung injizierte Totaldosis von 25 mg Progesteron ist nicht ausreichend, um ein prämenstruelles Stadium an der Gebärmutterschleimhaut zu erzielen. Aufgrund von zahlreichen Untersuchungen, die sich sowohl mit der morphologischen und funktionellen Veränderung des Endometriums als auch mit der quantitativen Progesteronbildung im Corpus luteum beschäftigen, werden gegenwärtig 200 mg Progesteron — verteilt auf 10 bis 14 Tage — für notwendig befunden. Weitere Tests, die die Gestagene hinsichtlich ihrer verschiedenen Partialwirkungen charakterisieren, sind folgende: Amenorrhoe-Test: Frauen mit kurzfristiger Amenorrhoe erhalten 5 Tage lang das Gestagen in gleichbleibender Dosierung. Der Test ist positiv, wenn einige Tage nach dieser Behandlung eine Blutung erfolgt.

Gesamtdosis

Gestagen freies Progesteron i. m.

Östrogen

20 mg-|

200 mg

17a-Hydroxyprogesteroncapronat i. m.

Östrogen

17a-Äthinyl19-nor-testosteron oral

Östrogen

10mg-|

120-140 mg

17a-Äthinylnortes toste ronace tat oral

Östrogen

5 mg-|

40—60 mg

D-Norgestrel oral

Östrogen

125 mg-| 125 mg-j • •

250 ijg

1. 3. 5. 7. 9.

13.

250 mg

3—5 mg

17.

21.

25. Tag

Tab. 12. Transformationsdosen verschiedener Gestagene, getestet an der Kastratin

90

I. Biologische Wertigkeit und Testierung der Hormone

Tierexperiment

Klinische Versuche

Clauberg-Test Deciduom-Test

Kaufmann-Versuch Abbruchblutung bei sekundärer Amenorrhoe Verschiebung der Menstruation Testierung am Vaginalepithel

Prüfung auf lokale Wirksamkeit (McGinty, HookerForbes) Antizyklustest Anti-ICSH-Test (Abnahme des Hodengewichtes)

quantitative Bestimmung der Gonadotropine im Harn und Plasma Bestimmung der Ovulationshemmdosis (Pincus)

Tab. 13. Experimentelle und klinische Gestagentestmethoden. Wichtige klinische Testmethoden sind eingerahmt

Menstruationsverschiebungs-Test: Vom 20.—40. Tag nach Blutungsbeginn erhalten geschlechtsreife Frauen entweder das Testgestagen in gleichbleibender Menge oder ein Östrogen-Gestagen-Gemisch. Der Test ist positiv, wenn die Menstruationsblutung nicht vor dem 40. Tag beginnt. Ovulationshemm-Test: Vom 5 . - 2 5 . Zyklustag werden gleichbleibende Mengen von Gestagenen eingenommen. Durch Progesteron- oder Pregnandiolbestimmungen und Endometriumbiopsien in der zweiten Zyklushälfte wird die Frage geklärt, ob die Ovulation tatsächlich gehemmt wurde.

III. Androgene Die Testierung von Androgenen erfolgt tierexperimentell durch Feststellung des Samenblasengewichts am kastrierten Rattenmännchen oder am Hahnenkamm (Vergrößerung). Bezüglich der anabolen Wirkung findet die Prüfung im Levatorani-Test statt, der am kastrierten Rattenmännchen durchgeführt wird. Am Menschen (hypogenitaler oder kastrierter Mann) ist die Auswertung relativ schwierig, da man auf allgemeine Beobachtungen, wie z. B. Zunahme der Muskelkraft, der Potenz, des Leistungsvermögens usw. angewiesen ist.

IV. Gonadotrope Hormone Die Standardisierung der gonadotropen und choriongonadotropen Hormone erfolgt nach biologischen Einheiten. Hauptsächlich sind es die Gonaden der Laboratoriumstiere, die zur Testierung benutzt werden. Durch Verwendung von jugendlichen oder hypophysektomierten Tieren ist man bestrebt, die Empfindlichkeit zu steigern bzw. die Wirkung der körpereigenen Gonadotropine auszuschalten. Da die

IV. Gonadotrope Hormone

91

biologische Streuung sehr groß ist, muß die Testierung an größeren Kollektiven erfolgen (Tab. 14). Follikelreifungshormon (FSH) wirkt nur in Gegenwart ausreichender Mengen von LH oder HCG. Es kommt zu einer Vergrößerung von Ovar und Hoden am intakten jugendlichen und jugendlichen hypophysektomierten Tier. FSH fördert die Follikelreifung und die Spermiogenese. Die quantitative Bestimmung erfolgt am einfachsten mit dem sogenannten Augmentationstest nach Steelman und Pohley: Juvenile weibliche Ratten werden mit HCG vorbehandelt und erhalten dann eine Injektion des gereinigten Urinextrakts. Das Wirkungskriterium ist die dosisabhängige Gewichtszunahme der Ovarien.

Tab. 14. Bezeichnung der Gonadotropine und ihre charakteristische Wirkungsweise bei hypophysektomierten, infantilen Ratten. Die Bezeichnung „infantil" besagt das gleiche wie „immature" oder „unreif" (Diczfalusy, E., und Heinrichs, H. D.: Arch. Gynäk. 187, 556 [1956]) Abkürzung

Bezeichnung

Synonym

Bildungsstätte

Morphologischer Effekt bei hypophysektomierten infantilen Ratten

FSH

follicle stimulating hormone (Follikelstimulierendes Hormon)

Thylakentrin Prolan A Epithelfaktor (Ge)

Hypophysenvorderlappen

9:

luteinizing hormone (Luteinisierungshormon)

ICSH (Interstitialzellenstimulierendes Hormon)

Hypophysenvorderlappen

luteotrophic hormone (Luteotropes Hormon)

Prolaktin Mammotropin Galaktin Laktogenes Hormon (LGH)

Hypophysenvorderlappen

human menopausal gonadotrophin (Menopausengonadotropin)

castration gonadotrophin

Hypophysenvorderlappen

9 S

- wie FSH + LH

human chorionic gonadotrophin (Choriongonadotropin)

pregnancy urine hormone (PU) Plazentagonadotropin

choriales Gewebe der Plazenta

9 d

ähnlich wie LH

pregnant mare serum (Serumgonadotropin von trächtigen Stuten)

equine gonadotrophin Serumgonadotropin

„endometrial cups"

LH

LTH

HMG

HCG

PMS