Erinnerungen an Elsa Gindler: Berichte - Briefe - Gespräche mit Schülern
 3931428079, 9783931428075

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Erinnerungen an

ELSA GINDLER Berichte Briefe Gespräche mit Schülern

P. Zeider Verlag

Dieses Buch basiert auf den Bulletinsder Senso,y Awarenessfoundation: ,,EisaGindler 1885-1961" Nr. 10, Band I und II; ,,The Work afcer Eisa Gindler" Nr. 11; ,,Elfriede Hengstenberg, Her Life and Work" Nr. 12; Caldwell, New Jersey 1978-1985. Übersetzungen besorgten Anna von Cramer-Klett, Ioana Cisek, Claudia Felkau und Peggy Zeicler in Zusammenarbeit mit den Autoren. Die Fotos auf den ersten drei Seiten des Bildteils sind eine Leihgabe von Dieter und Gertrud Bliersbach, und von Dieter BliersbachsMutter Hella. Das Foto von Eisa Gindler mit der Katze (gegenüber von Seite 65) stammt von Sophie Ludwig.

Zweite Auflage 2000 Alle Rechte vorbehalten © 1991 P. Zeitler Verlag Herausgeber: Peggy Zeitler Redaktion: Peggy Zeitler und Anna von Cramer-Klett Herstellung: Uni-Druck, München ISBN 3-931428-07-9

Inhalt

Vorwort 7 Eisa Gindlers Arbeitsblatt 1958/ 59 12 Elsa Gindler an Lily Pincus 13 Teilnehmerliste des Gindler-Treffens auf Burg Rothenfels 14 Willy Tappolet 16 Dr. med. Rudolf Wilhelm 18 Clare N athansohn Fenichel 29 Hanna Salomon 32 Dr. med. Lily Ehrenfried 34 Heten Elkisch 37 Alice Aginski 39 Else Henschke Durham 42 Elsa Gindler 48 Carola H. Speads 58 Ruth Nörenberg 65 Charlotte Selver 69 Gertrud Falke Heller 80 Lily Pincus 87 Elfriede Hengstenberg 91 Johanna Kulbach 95 Theodolinda Aldenhoven 103 Dr. Heinrich Gold 114 Mieke Monjau 116 Erna Löhrke 119 Elsa Gindler an Erna Löhrke 129 Ruth Veselko 132 Franz Hilker 133 Elsa Gindler an S.W 140 Anekdoten 142 Gerda Lehmann an S.W 143 Literaturhinweise

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VORWORT

„ Die Arbeit von bzw. nach Eisa Gindler kann in verblüffender Weise zeigen, wie die gütige Natur in unglaublichem Maße bereit ist, die Folgen unserer Fehler wiedergutzumachen, wenn wir es ihr - erlauben. " Dr.med. Rudolf Wilhelm

Selbst habe ich Elsa Gindler nicht gekannt. Seit ich mit dem, was in den USA als Sensory Awareness bekannt wurde, Anfang der 70er Jahre in Berührung kam, ist sie mir ein Begriff. Charlotte Selver, wie auch ihr Schüler Seymour Carter, durch den ich die Arbeit kennenlernte, versäumten nie zu betonen, daß der Ursprung dessen, was sie tun, bei Elsa Gindler liege. Über die Jahre bin ich seitdem immer wieder Menschen begegnet, die mit Elsa Gindler gearbeitet hatten, oder mit Schülern von ihr. Auch in der Literatur stieß ich auf ihren Namen bis weit außerhalb des gymnastischen Fachbereiches; so bezieht sich z.B. Ruth Cohn in „Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion" (5. Auflage, 1981) auf Elsa Gindler. So oft aber Elsa Gindler erwähnt wird, so unterschiedlich sind die Praktiken, die aus der Arbeit mit ihr gewachsen sind. Das hat seinen Grund. Wie bei ihren Schülern wiederholt zu erfahren ist: ,,Sie wollte keine Methode erfinden" (Alice Aginski). Und sie lehnte es ab, eine Schule zu führen: ,,Ich habe ein Laboratorium. Ich möchte niemanden ausbilden. Ich möchte forschen - wer dabei mitforschen möchte, ist sehr willkommen" (Eisa Gindler nach Carola Speads). Dr. Rudolf Wilhelm: ,,S~ehat es zeitlebens abgelehnt, ihrer Arbeit einen Namen zu geben. Jede Fixierung hat die Gefahr der Erstarrung hinter sich stehen, und Erstarrung war ihr zutiefst zuwider." Keine Methode, keine Schule, kein Name - es kann also nicht im Sinne Elsa Gindlers sein, ihre Arbeit auf eine Form zu bringen: ,Jedes Jahr nach den Sommerferien kam ich nach Hause und stellte fest, daß ich nicht meh.r unterrichten kann, da Elsa Gindler ,etwas völlig anderes macht'. Und das hielt uns in der ,Versuchssituation'" (Heten Elkisch). 7

Und trotzdem, so eigen es bei den einzelnen ausgedrückt wird, aus den Berichten ihrer Schüler klingt etwas durch, das im Wesen überall das gleiche ist. Hanna Salomon beschreibt das so: ,,Im ,Gindler-Geist' arbeiten, heißt für mich zu versuchen, Reaktionsfähigkeit und Entwicklungsmöglichkeit im Menschen zu wecken und aufrechtzuerhalten." Gertrud Heller: ,,Mit der Zeit entdeckte ich, daß dieses Sich-selbst-Spüren keine Technik ist und auch nichts Dramatisches. Es ist sehr einfach und darin liegt die Schwierigkeit. Ich mußte lernen, meine Bemühungen auf das Einfachste zu reduzieren - was das Schwierigste auf der Welt ist." Und Dr. Rudolf Wilhelm: ,,Lebendig und wach sein, in Finger- und Zehenspitzen genauso wie im Herzen und im Verstand. Aus ganzer Seele wach sein und bereit zu reagieren, das war ihr Wesen und das wollte sie lehren." Elsa Gindler war Gymnastiklehrerin und von Beginn an Vorstandsmitglied des Deutschen Gymnastikbundes. Sie war Schülerin von Hedwig Kallmeyer, die ihre Aufgabe „nicht in der Ausbildung eines exklusiven kleinen Kreises von Gymnastiklehrerinnen (sah) ... Sie wandte sich an die werktätige Frau, die im 1. Weltkrieg in Fabriken und Büros vor ungewohnten, schweren Aufgaben stand ... Woraus sich eine ganz neue Richtung entwickelte, nämlich die pflegerische Gymnastik, deren bekannteste Vertreterin - wenigstens hier in Berlin - Elsa Gindler war." 1 Ruth Nörenberg sieht in Elsa Gindler die Erbin von Genevieve Stebbins2 und Francois Delsarte, und führt (mit Franz Hilker) den Leitfaden ihrer Arbeit zurück zu keinen Geringeren als Lessing, Kant und Kleist, die alle „auf Zusammenhänge zwischen Körperhaltung, körperliche Funktionen und geistiger Leistung" verweisen. 1926 schrieb Elsa Gindler in „Die Gymnastik des Berufsmenschen": „Es wird uns allen immer mehr fühlbar, daß wir mit unserem Leben nicht mitkommen, daß das Gleichgewicht der körperlichen, seelischen und geistigen Kräfte gestört ist .... Die Unzulänglichkeit beherrscht uns im ganzen und im einzelnen. Täglich gibt es dieselben kleinen, unendlich wichtigen Malheure. ... Man findet es nun gewiß etwas anmaßend, dem ... mit Gymnastik nahezukommen zu wollen." Aber dann ,, ... die Gymnastik tut's freilich nicht, sondern der Geist, der mit uns bei der Sache ist." 1. Ruth Nörenberg, s. Literaturhinweise. 2. Genevieve Stebbins, s. Literaturhinweise.

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Ich glaube, daß jedem von uns die ästhetischen Idealvorstellungen vom menschlichen Körper bekannt sind, die in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts prägend waren. In einem Brief an Charlotte Selver Anfang der SOerJahre schrieb Elsa Gindler:,, ... ich schickte Ihnen vor Weihnachten auch einen Kofler 3 und das neue Buch von Frau Andersen 4 ... weil es Ihnen vielleicht auch Spaß macht, etwas über die Anfänge zu erfahren, mit denen wir uns herumschlagen mußten. Schon damals war es schwierig für mich, mit den seltsamen Einordnungen der Damen fertig zu werden, und als bei ihnen - lange vor Hitler - die bedenklichen Rassenvorurteile eine bedeutende Rolle in ihrem System zu spielen begannen, trennten sich etwa 1921 unsere Wege. Es war für mich seltsam, in diesen Büchern zu blättern und dadurch auch wieder einmal eine Ahnung von dem Weg zu bekommen, den wir mit der Arbeit zurückgelegt haben." Was für einen Weg sie zurückgelegt hatte, wie sich die Vorstellungen geändert hatten, können wir aus dem Bericht von Theodolinda Aldenhoven nachempfinden. ,, ... als dann die Schwangere ins Bild kam (in der ich mich nicht erkannte), herrschte atemlose Stille. Jeder sah, daß sie ihre Füße anders setzte, als prüfe sie intuitiv den Boden, ... ähnlich der Art in der ein Elefant seine Füße setzt, als träte er auf Eierschalen ... der Gang der Schwangeren vermittelte den Eindruck von Natürlichkeit, trotz ihres Umfangs und ihrer Schwere, und als denke sie bei jedem Schritt an das Kind in ihrem Leib." Im Hinblick darauf, daß Elsa Gindler so grundlegend Einfluß ausgeübt hat, und gleichzeitig so zurückhaltend im Hintergrund geblieben ist, war es ein großes Verdienst Dr. Friedrich Everlings im Jahre 1976 fünfzehn Jahre nach ihrem Tod - ein Treffen ihrer Schüler auf Burg Rothenfels bei Würzburg zu initiieren. Zweiundzwanzig Schüler und Schülerinnen aus Europa, USA und Israel kamen hier zusammen, und noch einmal die gleiche Zahl von Schüler-Schülern. Die „Gindler-Lehrer" unter ihnen unterrichteten tagsüber in kleinen Gruppen in ihrer jeweiligen Arbeitsweise. ,,Some offered the work as a way of personal growth, others as a way of helping the ill, the handicapped, the elderly and disturbed:' 5 Abends trafen sich alle, um ihre Erinne3. Leo Kofler, ,,Die Kunst des Atmens". 4. Clare Fcnichel und Lily Ehrenfried berichten vom Stimm-Unterricht mit Hedwig Andcrscn im ersten Ausbildungsseminar bei Eisa Gindlcr. 5. Alice Smith in „Eisa Gindler 1885-1991 ", SAF Bulletin Nr. 10, Val. 1, 1978.

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rungen auszutauschen, Fotos und Filme anzuschauen und was immer für Material der eine oder andere anzubieten hatte. Gegen Ende des Burg Rothenfels Treffens wurde der Wunsch laut nach einer schriftlichen Dokumentation dieses reichen Austausches an Erinnerungen und Erfahrungen. Diese Dokumentation ist in den USA entstanden. Zwischen 1978 und 1983 sind drei Bulletins der Sensory Awareness Foundation Elsa Gindler gewidmet worden, die von Mary Alice Roche erarbeitet wurden. Im Bulletin von 1978 erschienen die ersten aus dem Gindler Treffen resultierenden Berichte und zwei Interviews mit den Gindler Schülerinnen in New York, Johanna Kulbach und Carola Speads. Nachdem immer neue Berichte über Elsa Gindler eintrafen, wurde 1981 ein zweiter Band herausgegeben, und 1983 der Band „The Work after Elsa Gindler", in dem einige Arbeitsweisen, die auf Elsa Gindler zurückgehen, dargestellt werden. Obwohl es keinen Zweifel daran geben kann, daß die Botschaft Elsa Gindlers in das Bewußtsein von uns, die nach ihr gekommen sind, eingegangen ist, bedeutet jede Begegnung mit denen, die sie gekannt haben, etwas Besonderes; sie ist eine Stück unmittelbare Erfahrung, das sich wie ein Samen in uns pflanzt, und immer wieder von neuem aufgeht. Es war darum naheliegend, daß in dieser deutschen Ausgabe der Elsa Gindler Veröffentlichungen eine Auswahl getroffen wurde, die fürs erste all die zu Wort kommen läßt, die Elsa Gindler noch selbst erlebt haben. Einige Abweichungen von den englischen Bulletins - neue Beiträge, wie auch Kürzungen - sind zu erwähnen. Neu dazugekommen sind der Nachruf auf Elsa Gindler von Franz Hilker, dem Leiter des Deutschen Gymnastikbundes und Gründer der Zeitschrift „Bildung und Erziehung"; der Bericht von Theodolinda Aldenhoven, einer Schülerin aus den späten 30er und frühen 40er Jahren; der Bericht über den GindlerHain in Israel von Willy Tappolet, einem Schüler Heinrich Jacobys; der Abdruck eines handschriftlichen Briefes von Elsa Gindler an Lily Pincus (ein Geschenk von Else Schieschke Suhr); der Abdruck einer Arbeitsankündigung Elsa Gindlers aus dem Jahr 1958/ 59 (aus dem Besitz von Dr. Rudolf Wilhelm) und die Liste der Teilnehmer des Rothenfels Treffens (aus dem Besitz Dr. Friedrich Everlings). · Auslassen mußten wir leider auf Grund von fehlendem Originalmaterial die Beiträge von Marei Hörr Holscher und Lotte Kristeller. Marei 10

Hörr Holschers Tagebücher, die sie während ihrer Zeit mit Elsa Gindler geführt hatte, sind nicht mehr auffindbar. Lotte Kristeller, die älteste anwesende Schülerin Gindlers auf Burg Rothenfels, war mit ihrer Arbeit eine wichtige Vertreterin des Gindler-Geistes in Israel. Ein ausführlicher Briefwechsel mit Mary Alice Roche ist während eines Poststreiks in Israel unglücklicherweise verlorengegangen. Der Vollständigkeit halber sind für diejenigen, die der englischen Sprache mächtig sind, die englischen Bulletins nach wir vor sehr zu empfehlen. Das Zustandekommen dieser Veröffentlichung wäre nicht ohne die Hilfe von guten Freunden möglich gewesen. Ich möchte meinen Dank aussprechen: Mary Alice Roche (von der Sensory Awareness Foundation) für die großartige Arbeit, die sie mit der Herausgabe der Bulletins vollbracht hat, ohne die dieses Büchlein nicht denkbar wäre; ebenso für ihre stets unverzügliche Unterstützung und Hilfe; Ioana Cisek und Claudia Felkau für ihren Einsatz beim Übersetzen - loana war überdies der treibende Impuls, endlich die Gindler-Berichte im Lande und in der Sprache ihres Ursprungs erscheinen zu lassen; Anna von Cramer-Klett, ohne die ich mir diese Arbeit des letzten Jahres nicht mehr vorstellen kann. Es ist stets eine besondere Freude, sich zusammen mit Anna der Auseinandersetzung mit der Sprache auszusetzen. Und an letzter, doch vorrangigster Stelle meinen tiefen Dank an Charlotte Selver - hier einmal darauf beschränkt, daß sie auf Burg Rothenfels alle dazu aufgerufen hat, niederzuschreiben, was ihnen Eisa Gindler bedeutet hat. Und das hatte all diese so wertvollen Berichte zur Folge. Peggy Zeitler

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ELSA GINDLER

BERLIN-DAHLEM, 1.9.58 Ehrenbergstraße 21 Tel.: 76 49 o2

A r b e i t s g e m e i n s c h a f t e n Die Arbeit

des •Win:terhalbjahres Montag,

1 9 5 8 / 5 9

beginnt

am

dem 6. Oktober.

In diesem Winte:i:- möchte ic:>h noch einmal mit den Teilnehmern de:i:-letzt jährigen Arbeitsgemeinschaften an der selbständigen Auseinandersetzung mit den Erlebnissen und Erfahrungen, die Ihnen durch die Arbeit begegnet sind, arbeiten. - Ich bitte um möglichst umgehende Nachricht, ob Sie wieder mitarbeiten -wollen. Ferienadresse bis 12.9,: Poenitz/Holstein, postlagernd. Mit der Anmeldung erbitte ich eine Stellungnahme zu folgenden Fragen: 1. Sind Ihnen unsere Arbeitsfragen als Alltagsprobleme begegnet? 2. ~it welchem unserer Arbeitsohänomene haben Sie sich "bewußt" auseinandergesetzt? 3. Was haben Sie unternommen,um sich mehr Beziehung zu einem ungestörteren Ablauf d-er Lebensprozesse in den Forderungen des Alltags zu erarbeiten? 4, Was hat sich bei diesen Auseinande~setzungen bestätigt, 5. und bei welchen Versuchen einer "bewußten" Auseinandersetzung finden Sie noch keinen Zugang? Unterrichtsbedingungen: Kursdauer:

Die Kurse dauern bis Anmeldung verpflichtet dauer.

Ende Mai 1959, und die für die ganze Kurs-

Arbeitszeit:

Im Quartal finden 1o zwei- bis stündige Arbeitsgemeinschaften

Honorar:

Das Honorar beträgt für ein Quartal DM 60,-. Es ist im voraus zahlbar und kann auf Wunsch in drei Raten in der jeweils ersten Woche des Monats gezahlt werden.

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