Die linke Hand: Wahrnehmung und Bewertung in der griechischen und römischen Antike 3515094490, 9783515094498

Zur menschlichen Wahrnehmung gehört die Einteilung des Raumes in links und rechts. Dabei ist links in der Regel negativ

123 19 5MB

German Pages 278 [286] Year 2010

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die linke Hand: Wahrnehmung und Bewertung in der griechischen und römischen Antike
 3515094490, 9783515094498

Table of contents :
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
1. EINLEITUNG
2. LINKS IM GRIECHISCHEN UND LATEINISCHEN SPRACHGEBRAUCH
3. LINKS UND RECHTS IN DER GEDANKENWELT DER GRIECHEN UND RÖMER
4. DIE BEDEUTUNG DER LINKEN UND DER RECHTEN HAND
5. LINKSHÄNDER –WAHRNEHMUNG UND BEWERTUNG
6. SCHLUSS
7. ANHANG

Citation preview

Henning Wirth Die linke Hand

HABES Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien ––––––––––––––––––

Herausgegeben von Géza Alföldy, Angelos Chaniotis und Christian Witschel

BAND 47

Henning Wirth

Die linke Hand Wahrnehmung und Bewertung in der griechischen und römischen Antike

Franz Steiner Verlag Stuttgart 2010

Coverabbildung Gladiatorenkampfszene mit einem linkshändigen Thraex (links) und einem Murmillo (rechts), Mosaik, Römische Villa, Römerhalle Bad Kreuznach

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-515-09449-8 Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. © 2010 Franz Steiner Verlag, Stuttgart Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Druck: Offsetdruck Bokor, Bad Tölz Printed in Germany

INHALTSVERZEICHNIS VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.

EINLEITUNG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.

LINKS IM GRIECHISCHEN UND LATEINISCHEN SPRACHGEBRAUCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Die griechischen Bezeichnungen für links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Die lateinischen Bezeichnungen für links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

2.1. 2.2. 2.3. 3. 3.1. 3.2. 3.3. 3.4.

LINKS UND RECHTS IN DER GEDANKENWELT DER GRIECHEN UND RÖMER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Biologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Religion und Aberglaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Divination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Heerwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

4. 4.1. 4.2. 4.2.1. 4.2.2. 4.2.3. 4.2.4. 4.2.5. 4.2.6. 4.2.7. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.3.3. 4.3.4. 4.3.5. 4.3.6. 4.4.

DIE BEDEUTUNG DER LINKEN UND DER RECHTEN HAND . . . 113 Die Hand in der griechischen und römischen Welt – eine Einführung . . 113 Die rechte Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Die rechte Hand der Gottheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Die rechte Hand der Fides . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Handschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Eid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Die Hand des Siegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Die abgeschlagene rechte Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Die linke Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Die Rolle der linken Hand in der Kleidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 Die linke Hand als Diebeshand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Die linke Hand in der Sexualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 Die linke Hand und ihre Beziehung zur Unterwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Die linke Hand in der Magie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Die linke Hand beim Essen und Trinken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern . 197

6

Inhaltsverzeichnis

5. 5.1. 5.2. 5.3. 5.4.

LINKSHÄNDER – WAHRNEHMUNG UND BEWERTUNG . . . . . . . 209 Linkshänder in der griechischen und römischen Welt . . . . . . . . . . . . . . . 209 Linkshändige Gladiatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tiberius’ Linkshändigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Caesar – ein Linkshänder?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235

6.

SCHLUSS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241

7. 7.1. 7.2. 7.2.1. 7.2.2. 7.2.3. 7.2.4.

ANHANG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Wörterbücher, Grammatiken, Sprachwissenschaftliche Lexika . . . . . . . 250 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

VORWORT Das hier vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die ich an der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg im Juli 2008 verteidigt habe. Berücksichtigt ist die bis Ende 2008 erschienene Literatur, sofern sie mir rechtzeitig bekannt wurde. Angeregt hat diese Arbeit in erster Linie Herr Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Géza Alföldy (Heidelberg). Ihm gebührt mein aufrichtiger Dank für seine Förderung und sein Vertrauen in meine Studien, die ein in der althistorischen Forschung nicht unbedingt konventionelles Thema zum Gegenstand hatten. Zu tiefem Dank bin ich nicht weniger meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Angelos Chaniotis (Oxford/Princeton), verpflichtet, der mein Vorhaben unermüdlich unterstützte. Seine bereichernden Anregungen und konstruktiven Ratschläge waren für die Entstehung meiner Arbeit von unschätzbarem Wert. Mein Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Gabriele Wesch-Klein (Heidelberg), die mir jederzeit als Diskussionspartnerin und kritische Leserin zur Verfügung stand und sich bereit erklärte, das Zweitgutachten zu übernehmen. Bei meinen sprachwissenschaftlichen Studien stand mir Frau Prof. Dr. Catherine Trümpy (Heidelberg/Neuchâtel) mit ihrer konstruktiven Kritik stets tatkräftig zur Seite. Wertvolle Hinweise erhielt ich auch von Herrn Prof. Dr. Jon E. Lendon (Charlottesville, Virginia), der großen Anteil an der Entstehung meines Kapitels über die Bedeutung von links und rechts im Heerwesen hatte. Beiden sei herzlich für ihre hilfreiche Begleitung der Genese meiner Doktorarbeit gedankt. Ferner ist Herrn Prof. Dr. Michael R. McKinnon (Winnipeg) für die Ermöglichung einer Einblicknahme in unveröffentlichtes Material seiner Forschungen in Nemea zu danken. Frau Dr. Francisca Feraudi-Gruénais (Epigraphische Datenbank Heidelberg) verdanke ich die kritische Durchsicht aller Kapitel meines Manuskripts. Mit ihrer wohlwollenden Kritik und ihren bereichernden Ideen trug sie erheblich dazu bei, dass meine „linken“ Geschichten inhaltlich und sprachlich stets auf den „rechten“ Weg gebracht wurden. Meine Schwester Helga Krausnick und Nadin Barth M.A. haben viel Zeit und Mühe verwendet, die Arbeit sprachlich zu prüfen. Ihnen gebührt mein besonderer Dank. Herrn Prof. Dr. Christian Witschel (Heidelberg) sowie Herrn Prof. Dr. Angelos Chaniotis (Princeton/Oxford) bin ich ferner für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien“ (HABES) dankbar. Für die redaktionelle Betreuung im Franz Steiner Verlag bedanke ich mich herzlich bei Frau Katharina Stüdemann. Gewidmet ist dieses Buch meinen Eltern, die mich bei meinem Vorhaben begleitet und unterstützt haben. Heidelberg, im Sommer 2009

1. EINLEITUNG Wer sich Gedanken über die Bedeutung von links und rechts macht, bemerkt rasch die Dominanz der rechten Seite im alltäglichen Leben: der Vorzug der rechten Hand beim Handschlag und Eid ist bekannt, ebenso wie die Redewendung „den rechten Weg gehen“ oder die Regel „rechts vor links“ im Straßenverkehr.1 Im Gegensatz dazu wird links in der Regel mit negativen Assoziationen verknüpft: links gilt beispielsweise als Vorbote von Unglück. Linkisch findet Verwendung als Synonym für ungeschickt. Die Negativfärbung der linken Seite bestimmte auch über lange Zeit das Bild über Linkshänder. Zwar begegnet man Linkshändern heute nahezu vorurteilsfrei, erlaubt ihnen zum Beispiel, mit der linken Hand zu schreiben, doch handelt es sich dabei um eine noch relativ neue Entwicklung. Dass Linkshänder noch bis vor kurzer Zeit Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt waren, führt ein Artikel der FAZ vor Augen. Noch im Jahr 1991 brachte der Bericht die Situation der Linkshänder mit dem Titel „Die Linkshänder fühlen sich links liegengelassen“ treffend auf den Punkt.2 Das Ziel dieser Arbeit ist, eine Analyse der Wahrnehmung und Bewertung von links, der linken Hand und Linkshändern in der griechischen und römischen Antike vorzulegen. Dazu ist es erforderlich, die Assoziationen und Bewertungen, die Griechen und Römer mit links verbanden, zu beleuchten. In Bezug auf die linke Hand stellt sich die Frage, welche Rolle in einer Welt, die mehrheitlich aus Rechtshändern besteht, für die linke Hand vorgesehen war. Ferner ist klärungsbedürftig, wie man sich vor dem Hintergrund der Vorstellungen von links sowie der linken Hand das Phänomen der Linkshändigkeit erklärte und Menschen, die vorwiegend mit ihrer Linken agierten, bewertete. Die aufgeworfenen Fragen führen zu der folgenden Vorgehensweise: Im ersten Teil werden die von Griechen und Römern verwendeten Wörter für links vorgestellt und auf ihren semantischen Gehalt untersucht. Eine Analyse des Wortfeldes von links setzt auch eine Erfassung und Auswertung der griechischen und lateinischen Begriffe für rechts voraus, denn erst im Kontrast zum rechten Gegenpart lassen sich sämtliche sprachlichen Konnotationen der Wörter für links vollständig erfassen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen widmet sich der zweite Teil der Be1

2

Elze, Rechts und Links. Bemerkungen zu einem banalen Problem, in: Kintzinger/Stürner/Zahlten (Hrsg.), Beiträge zur europäischen Geschichte. August Nitschke zum 65. Geburtstag gewidmet, Köln/Weimar/Wien 1991, 75; allgemeine Bemerkungen zur Zitierweise: Bei der aufgeführten Sekundärliteratur erfolgt die erste Nennung mit Ausnahme des Vornamens in vollständiger bibliographischer Angabe. Wird ein betreffendes Werk erneut zitiert, wird ein Kurztitel verwendet. Zeitschriften werden nach dem System der L’Année Philologique abgekürzt. Für die Abkürzungen von Lexika, Corpora und Reihen sei auf das Abkürzungsverzeichnis verwiesen. Weimer, Die Linkshänder fühlen sich links liegengelassen, in: FAZ, 2. 3. 1991, 3.

10

Einleitung

deutung von links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer. Untersucht werden die Vorstellungen und Assoziationen von links und rechts in der Biologie, im religiösen und abergläubischen Kult, in der Divination sowie im Heerwesen. Der dritte Teil konzentriert sich auf die Rolle der linken Hand. Zuvor ist allerdings zum besseren Verständnis einerseits auf die Bedeutung der Hand in der griechischen und römischen Antike im Allgemeinen einzugehen, andererseits erschließen sich die Charakteristika der Linken wiederum nur im Spiegel zu ihrem Gegenpart: der rechten Hand. Daher stehen zunächst die Bedeutung der Rechten als göttlicher Hand sowie ihre Rolle im alltäglichen Leben beim Handschlag, als Eides-, Gebets-, Siegeshand sowie als Hand, die zur Bestrafung abgeschlagen wurde, im Fokus des Interesses. Auf dieser Grundlage wird die Funktion der linken Hand im öffentlichen Leben exemplarisch anhand ihrer Rolle in der Kleidung bestimmt. Anschließend werden die Bereiche Diebstahl, Sexualität, Unterwelt und Magie analysiert, in denen die linke Hand in Aktion tritt. Nach einer Bestimmung der Aufgabe der Linken beim Essen und Trinken werden die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst, wobei auch ein Vergleich zwischen Griechen und Römern hinsichtlich ihrer Wahrnehmung und Bewertung von links und rechts Berücksichtigung finden wird. Die Resultate dieser drei Teile bilden die Grundlage, auf der im vierten Teil die griechischen und römischen Zeugnisse über Linkshändigkeit und Linkshänder interpretiert werden. Das erste Kapitel konzentriert sich dabei auf die Wahrnehmung und Interpretation der Linkshändigkeit und versucht zu klären, welchen Stellenwert Linkshänder in der griechischen und römischen Gesellschaft hatten. Zur Auswertung der Quellen sind die heute aus der Biologie, Medizin und Psychologie bekannten Forschungsergebnisse über Linkshändigkeit und Linkshänder unverzichtbar.3 Nur im Vergleich mit den Erkenntnissen der modernen Linkshänderforschung lässt sich der Informationsgehalt der antiken Definitionen und Theorien zu den Ursachen der Linkshändigkeit vollständig ergründen. Im Anschluss daran wird die Untersuchung der Linkshänder noch in drei weiteren Kapitel vertieft: die Existenz linkshändiger Gladiatoren führt zu der Frage, wie die Linkshändigkeit von den Gladiatoren selbst, von ihren Gegnern sowie vom Publikum empfunden wurde. Da Studien zur Linkshändigkeit in ihrer Auflistung von berühmten Linkshändern auch antike Persönlichkeiten erwähnen, soll die Linkshändigkeit des Tiberius untersucht und gleichfalls geklärt werden, inwieweit Caesar womöglich auch linkshändig war. Angemerkt sei, dass auf ein eigenes Kapitel über die Bedeutung von links im Christentum verzichtet wurde, da einerseits bereits Studien zu Einzelaspekten dieser Thematik vorliegen4, andererseits die christliche Religion in ihrer Wertung von links und rechts auf die in der griechischen und römischen Religion bestehenden 3

4

Siehe beispielsweise Smits, Linkshänder. Geschichte. Geschick. Begabung, Düsseldorf2 2002; McManus, Right Hand, Left Hand. The Origins of Asymmetry in Brains, Bodies, Atoms and Cultures, London 2002; Olsson/Rett, Linkshändigkeit, Bern/Stuttgart/Toronto 1989; Springer/ Deutsch, Linkes – Rechtes Gehirn, Heidelberg/Berlin4 1998, 99–117. Siehe beispielsweise Nussbaum, Die Bewertung von rechts und links in der römischen Liturgie, in: JbAC 5, 1962, 158–171; Deitmaring, Die Bedeutung von Rechts und links in theolo-

Einleitung

11

Vorstellungen zurückgreift, was auch in einzelnen Kapiteln zur Sprache gebracht wird. Innerhalb der althistorischen Forschung ist der linken Seite, der linken Hand sowie der Linkshändigkeit lange Zeit keine Beachtung geschenkt worden.5 Einen ersten Zugang zur Thematik erschloss Anthony Pelzer Wagener mit seiner im Jahr 1912 erschienen Dissertation „Popular Associations of Right and Left in Roman Literature.“6 Die 57 Seiten umfassende Studie liefert zwar eine für die damalige Zeit bemerkenswerte Zusammenstellung der schriftlichen Zeugnisse, wird jedoch aus heutiger Sicht dem weiten Spektrum der Thematik nicht zuletzt auch aufgrund ihrer nur teilweise erfolgten Materialauswertung nicht vollends gerecht. Innerhalb der deutschsprachigen Forschung leistete Alois Gornatowski im Jahr 1936 mit seiner Dissertation „Rechts und links im antiken Aberglauben“ Pionierarbeit.7 Gornatowski erstellte für den Bereich des Aberglaubens auf 63 Seiten eine äußerst hilfreiche Sammlung der zentralen Textstellen. Ähnlich wie Wagener wertete Gornatowski das Material jedoch nicht in seiner ganzen Bandbreite aus: Interpretationen, sofern vorhanden, erfolgten nur in Ansätzen und können gemessen an heutigen Ansprüchen nicht überzeugen. Im Jahr 1962 steuerte G. E. R. Lloyd mit seinem im Journal of Hellenistic Studies veröffentlichten Aufsatz „Right and Left in Greek Philosophy“ die erste grundlegende Bearbeitung eines wichtigen Teilaspekts der Thematik bei, der zum ersten Mal die erhebliche Bedeutung der beiden Seiten für den Menschen der griechischen Antike erkennen ließ.8 Obgleich Wagener, Gornatowski und Lloyd mit ihren Arbeiten erste Grundsteine legten, erschienen bis zum Jahr 2006 weder zur linken Hand noch zur Linkshändigkeit in der griechischen und römischen Welt weitere umfassende Studien. Parallel zur vorliegenden Arbeit behandelte auch Edith Humer die Thematik: Im Juli 2006 wurde die überarbeitete Fassung ihrer 2004 an der Universität Salzburg eingereichten Diplomarbeit „Linkshändigkeit im Altertum. Zur Wertigkeit von links, der linken Hand und Linkshändern in der Antike“ veröffentlicht.9 Studiert man Humers Arbeit, so fällt auf, dass Humer zwar eine an vielen Stellen überzeugende Zusammenfassung und Auswer-

5

6 7 8 9

gischen und literarischen Texten bis um 1200, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 98, 1969, 265–292. Dies trifft auch auf die Mittlere und Neuere Geschichte zu. Versuche, die Thematik historisch aufzuarbeiten, stammten bis jetzt in der Regel von Linkshänderforschern, die allerdings oftmals nur ein unzureichendes Bild der historischen Wirklichkeit skizzierten, wie auch die Linkshänderforscherin Sattler eingestehen muss. Siehe Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen. Zur Geschichte der Linkshändigkeit, Donauwörth 2000, 228: „(…) eine ausführliche Geschichte der Linkshändigkeit ist bis heute nicht geschrieben worden.“ Zur Vakanz von Studien aus dem Mittelalter vgl. Elze, Rechts und Links. Bemerkungen zu einem banalen Problem, 76f.; weitere Studien: Fincher, Lefties. The Origins and Consequences of being left-handed, New York2 1980; Barsley, Left-handed People. An Investigation into the History of Left-handedness, Hollywood 1977. Wagener, Popular Associations of Right and Left in Roman Literature, Baltimore 1912. Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, Breslau 1936. Lloyd, Right and Left in Greek Philosophy, in: JHS 82, 1962, 56–66. Humer, Linkshändigkeit im Altertum. Zur Wertigkeit von links, der linken Hand und Linkshändern in der Antike, Lübeck/Marburg 2006.

12

Einleitung

tung des Materials10 gelang, das Potential des Materials jedoch nicht vollends ausgeschöpft wurde. So blieben Aspekte wie etwa die Bedeutung von links und rechts im griechischen und römischen Heerwesen, die Rolle der linken Hand in der Kleidung, ihre Aufgabe beim Essen und Trinken sowie ihre Funktion im chthonischen Kontext entweder unbearbeitet oder werden nur marginal gestreift; auch lassen es Humers Auswertungen vereinzelt an Tiefenschärfe fehlen: die Kapitel über die Verwendung der Begriffe für „links“ im antiken Sprachgebrauch, die Rolle der Linken beim Diebstahl, der Magie und der Sexualität präsentieren lediglich bereits vorherrschende Interpretationen. Da eine stärke Einbeziehung des Kontextes sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den bisherigen Auslegungen oftmals ausblieb, führt Humers Untersuchung in vielen Bereichen zu keinen grundlegend neuen Einsichten und Erkenntnissen. Die Quellenlage kann als günstig angesehen werden, bedarf aber insbesondere bei der Erfassung der literarischen Zeugnisse, die den größten Anteil des Materials ausmachen, einer systematischen Recherche mit Hilfe der internetgestützten Volltextdatenbanken Bibliotheca Teubneriana Latina und Thesaurus Linguae Graecae.11 Ergänzt und erweitert werden die literarischen Textstellen durch epigraphisches und archäologisches Material, allen voran Abbildungen und Darstellungen von einzelnen Händen sowie aktiv handelnden Menschen auf Vasen, Reliefs, Münzen und Graffitizeichnungen.

10 Hervorzuheben sind beispielsweise Humers Studien über den Gebrauch der linken Hand beim Dreiecksspiel (Trigon) und über die Verwendung der linken Hand in der wissenschaftlichen Medizin: siehe Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 165–167 (Dreiecksspiel), 171–175 (wissenschaftliche Medizin); beide Aspekte bleiben daher in der vorliegenden Arbeit unbehandelt. 11 Bibliotheca Teubneriana Latina. Für Angehörige der Universität Heidelberg zu erreichen über: http://rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?bib_id=ubhe&colors=&ocolors=&titel_ id=152; Thesaurus Linguae Graecae. Für Angehörige der Universität Heidelberg zu erreichen über: http://rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?bib_id=ubhe&colors=&ocolors=&tit el_id=1019.

2. LINKS IM GRIECHISCHEN UND LATEINISCHEN SPRACHGEBRAUCH 2.1. EINFÜHRUNG Wollen wir eine Vorstellung über die kulturelle Bedeutung von „links“ in der griechischen und römischen Antike gewinnen, so bietet die Untersuchung der Sprache einen wichtigen Ansatzpunkt.1 Die enge Beziehung zwischen Sprache und Mentalität zeigt sich darin, dass mit dem Erlernen einer Sprache auch gleichzeitig die Weltauslegung, die sie in sich trägt, übernommen wird.2 Zu den Merkmalen einer Sprache gehört es ferner, dass sie die Ansicht der Welt mit einer je eigenen Semantik belegt und diese für die jeweilige Sprachgemeinschaft verbal verfügbar macht. Da das semantische Netz einer Sprache nie kongruent mit demjenigen einer anderen ist, vermittelt jede Sprache eine andere Weltsicht. Um die Spezifika des Wortfeldes von links in der griechischen und lateinischen Sprache besser ausleuchten zu können, bietet sich die Methode des kulturellen Sprachvergleichs an.3 Daher soll im Folgenden auf das semantische Wortfeld von „links“ in der deutschen Sprache näher eingegangen werden.4 Vergleicht, kontrastiert und kombiniert man dieses mit demjenigen der griechischen und lateinischen Sprache, lassen sich die spezifischen Merkmale und Besonderheiten vor dem Hintergrund der Unterschiede und Gemeinsamkeiten deutlicher herausarbeiten. Im deutschen Sprachgebrauch ist festzustellen, dass das semantische Wortfeld „links“ nicht nur zur Bezeichnung der Gegenseite von „rechts“ dient, sondern auch im übertragenen Sinn pejorativ Verwendung findet, etwa wenn jemand „links liegen gelassen“, d. h. nicht beachtet wird.5 Der pejorative Charakter zeigt sich noch deutlicher bei dem Adjektiv „link“, das als Synonym für „falsch, verkehrt, anrüchig, fragwürdig, nicht vertrauenswürdig, hinterhältig“ gilt.6 Auch beim Verb wird klar: Wer eine Person „gelinkt“ hat, hat diese betrogen. Neben dem „Rechtsanwalt“ fin1

2 3

4

5 6

Über den Nutzen der Sprachwissenschaft für den Historiker vgl. de Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin2 1967, 8. 268f. 273; Trümpy/Schmitt (Hrsg.), Fritz Gschnitzer. Kleine Schriften zum griechischen und römischen Altertum. Bd 1. Frühes Griechentum. Historische und sprachwissenschaftliche Beiträge, Stuttgart 2001, XI. Vgl. Sellin, Mentalität und Mentalitätsgeschichte, in: HZ 241, 1985, 567. Der kulturvergleichende Ansatz ist gut erklärt bei Krause, Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. 1, Stuttgart 1994, IX; vgl. auch Rieß, Apuleius und die Räuber. Ein althistorischer Beitrag zur Kriminalitätsforschung, Stuttgart 2001, 19–24. Einen sprachgeschichtlichen Überblick über den Terminus „links“ in der deutschen Sprache bietet Hoops, Right and Left in the germanic Languages, in: Études Germaniques 5, 1950, 87–96. Vgl. s.v. links, Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, Mannheim/Wien/ Zürich 1978, 1684. Vgl. s.v. link, Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, 1684.

14

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

det sich im Deutschen auch der Ausdruck „Linksanwalt“, zu dem Jacob und Wilhelm Grimm in ihrem Deutschen Wörterbuch bemerkten: „Spottende Bezeichnung eines trügerischen oder winkeladvocaten, der das recht verdreht; als gegensatz zu dem neuern titel der advocaten rechtsanwalt gebildet.“7 Eine weitere abwertende Bedeutung liegt dem Adjektiv „linkisch“ zugrunde, das einen unbeholfenen und im Benehmen ungeschickten Menschen bezeichnet.8 In diesem Zusammenhang empfiehlt das Grimmsche Wörterbuch, ein neugeborenes Kind nicht erst auf die linke Seite zu legen, die Unglück verheiße, da das Kind „wird und bleibet sein lebtage linkisch.“9 Die Erschließung des Wortfeldes verdeutlicht, dass der Terminus „links“ im Deutschen nicht nur zur Seiten- und Richtungsangabe, sondern auch metaphorisch verwendet wird, um einen Menschen zu diffamieren. Links steht für „verkehrt, schlecht, vertrauensunwürdig oder ungeschickt.“ Auch in anderen Sprachen lässt sich Ähnliches beobachten: Das italienische Wort für Linkshänder „mancino, mancina“ hat beispielsweise als Nebenbedeutung „schelmisch, schurkisch, unehrlich, falsch, trübsinnig.“10 Im Französischen steht „gauche“ auch für „ungeschickt.“ 2.2 DIE GRIECHISCHEN BEZEICHNUNGEN FÜR LINKS Im Griechischen fällt zunächst auf, dass mit skaiov~, laiov~, ajristerov~ und eujwvnumo~ gleich vier Begriffe für links zur Verfügung standen. Basierend auf dieser Beobachtung sind die Fragen zu stellen, warum zur Bezeichnung von links vier Ausdrücke Verwendung fanden und welche Bedeutungen mit den einzelnen Wörtern verbunden werden. Bei einer Untersuchung der griechischen Ausdrücke für links fällt das Augenmerk zunächst auf die beiden ältesten Wörter für links, laiov~, und skaiov~.11 Dass es sich bei laiov~ und skaiov~ aufgrund ihrer indoeuropäischen Wurzeln um alte 7

Vgl. s.v. Linksanwalt, Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, bearb. von Heine, Leipzig 1885 ND 1984, Sp. 1051. 8 Vgl. s.v. linkisch, Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, 1684; daher gilt ein Mensch, der „zwei linke Hände hat“, als ungeschickt; selbst die Redensart „mit links etwas machen“, d. h. etwas mit Leichtigkeit verrichten, impliziert nur, dass die Person im allgemeinen über eine so hohe Geschicklichkeit und Begabung verfügt, um Aufgaben sogar mit der eigentlich ungeübteren und daher ungeschickteren Hand zu meistern. Vgl. s.v. links, Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, 1684. 9 Vgl. s.v. linkisch, Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, Sp. 1045. 10 Vgl. hierzu die nützliche Übersicht über die unterschiedlichen Bezeichnungen für „links“ und „Linkshänder“ bei Smits, Linkshänder, 229; im Portugiesischen bedeutet das Wort „canhoto“ nicht nur „Linkshänder“, sondern auch „ungeschickt“ oder „ der Teufel, das Böse“; das spanische Wort für links „zurdo“, kommt in der Phrase „non ser zurdo“ vor, die „gescheit sein“ bedeutet, wortwörtlich übersetzt bedeutet sie aber „nicht linkshändig sein.“ Vgl. dazu auch Fincher, Lefties, 37. 11 Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, in: Kronasser (Hrsg.), Mnemes Charin. Gedenkschrift Paul Kretschmer, Wien 1956, 61f.; zur Etymologie von skaiov~ vgl. Frisk, Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, Heidelberg 1970, 714; Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque. Histoire des mots, Paris 1968, 1009; zur Ety-

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

15

Begriffe handelt, wird beispielsweise auch an ihren identischen lateinischen Formen laevus und scaevus ersichtlich. Bei einer Analyse von laiov~ fällt auf, dass der Begriff im Vergleich zu den drei anderen Begriffen sowohl weniger Verwendung fand12 als auch keinem Bedeutungswandel unterlag.13 Das erste bisher bekannte Beispiel stammt nicht aus Homer, sondern findet sich in einem dorischen Embaterion.14 Neben der Bezeichnung der linken Seite (vereinzelte Belege sind etwa in der attischen Tragödie bezeugt15) wird der Terminus vorwiegend von griechischen Historikern bevorzugt im militärischen Kontext als Ausdruck für den linken Heeresflügel, kevra~ to; laiovn, gebraucht.16 Angesichts dieser Situation erscheint laiov~ folglich wenig geeignet, um erste Hinweise über die Bewertung der linken Seite anhand sprachlicher Prozesse erhalten zu können. Aufschlussreicher erscheint dagegen eine Untersuchung von skaiov~.17 Der Ausdruck wird von Homer und Hesiod zur Bezeichnung der linken Hand, skaiav oder hJ ceivr skaiav, verwendet.18 Sowohl bei den drei in der Ilias vorliegenden Textstellen als auch bei dem einen Beleg in Hesiods Theogonie ist auffallend, dass beide Autoren skaiov~ in Verbindung mit der Hand nicht mit einer negativen Konnotation belegen, d. h. die linke Hand nicht mit einem negativen Tätigkeitsbereich in Verbindung bringen wie etwa dem Diebstahl19, sondern die linke Hand „wertneutral“ erwähnen; beispielsweise im ersten Gesang der Ilias, als Thetis sich Zeus gegenüber setzte, „berührte die Knie jetzt mit der Linken ihm, fasste ihn unter dem Kinn mit der Rechten und begann mit Bitten zu Zeus, Kronion, dem Herrscher.“20 Des Weiteren fungiert skaiov~ bei Homer als geographischer Ausdruck im dritten Buch der Odyssee, in dem an besagter Stelle „der Südwind mächtige Wogen zum linken Vorgebirge hinbringt.“21 Da an dieser Stelle links im Westen liegt, interpretierte man skaiov~ auch im Sinne von „westlich.“22 Ausgehend von dieser Interpretation ver-

12 13

14 15 16 17

18 19 20

mologie von laiov~ vgl. Frisk, Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, 73; Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 614. Die seltene Verwendung manifestiert sich beispielsweise bei Pausanias, der 110mal ajristerov~ gegenüber 8mal laiov~ verwendet. Vgl. s.v. laiov~, Liddell-Scott, 1024; vgl. s.v. laiov~, Pape, Bd. 2, 7; Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 614; Frisk, Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, 73; Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 62. Anthologia Lyrica Graeca, Vol. 2. Carmina popularia, 197, Nr. 18; vgl. dazu Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 62. Aisch. Prom. 716. Polyb. Hist. 1, 34, 4, 2; Polyb. Hist. 1, 40, 10, 2; Polyb. Hist. 3, 113, 4, 2; Diod. Sic. 13, 99; Beispiele auch bei Euripides: Eur. Herc. 159; Eur. Suppl. 705. Vgl. s.v. skaiov~, Liddell-Scott, 1603; s.v. skaiov~, Pape, Bd. 2, 887f.; zur Etymologie vgl. Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 1009; Frisk, Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, 714. Hom. Il. 1, 501; Hom. Il. 16, 734; Hom. Il. 21, 490; vgl. dazu Cuillandre, La droite et la gauche dans les poèmes homériques, Paris 1944, 1–14; Hes. Th. 179. Zur linken Hand als Diebeshand siehe allgemein Smits, Linkshänder, 163; siehe Kapitel 4.3.2. Hom. Il. 1, 500–502: (…) lavbe gouvnwn skaih/`, dexiterh/` d∆ a[r∆ ujp ∆ajnqerew`no~ eJlou`sa lissomevnh proseveipe Diva Kronivwna a[nakta.

21 Hom. Od. 3, 295. 22 Vgl. Heubeck/West/Hainsworth, A Commentary on Homer’s Odyssey. Volume I. Introduction

16

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

mutete Pierre Chantraine, dass das in der Ilias erwähnte Skaiische Tor, Skaiai; puvlai23, wahrscheinlich ein Tor im Westen gewesen war.24 Verwendeten Homer und Hesiod skaiov~ als geographischen Begriff für die linke und damit im Westen liegende Seite oder zur Bezeichnung der linken Hand25, so wird das Wort beispielsweise bei Pindar im Sinn von „ungünstig“ und bei Euripides als Bezeichnung für „dumm“ eingesetzt.26 Die Verwendung als Begriff für „ungünstig“ resultiert aus einer offenbar als anthropologische Konstante zu deutenden negativen Bewertung der linken Seite, die in der griechischen Welt insbesondere in der Religion ihre Ausprägung fand.27 Beispielsweise führte die Assoziation von skaiov~ im Sinne von „Unglück bringend“ oder „ungünstig“ dazu, dass in der griechischen Mantik von links herbeifliegende Vögel Unglück bedeuteten.28 Der Gebrauch von skaiov~ in der Bedeutung „dumm, ungeschickt, unbeholfen“ findet sich sowohl in Prosa als auch in Poesie und ist teilweise mit dem deutschen Wort „linkisch“ vergleichbar. 29 Zahlreiche Beispiele sind bei den griechischen Tragikern bezeugt, etwa bei Euripides’ Heraclidae, wo Demophon zu Herakles sagt: „Du bist ein Tor, wenn du den Gott betrügst.“30 Welche Aussagen lassen sich jedoch über die hier vorliegende Semantik treffen? Zur näheren Bestimmung des semantischen Gehalts von skaiov~ erweist sich Sophokles als aufschlussreich. Bei Sophokles ist skaiov~ direktes Antonym zu sofov~.31 Das Antonymenpaar findet sich beispielsweise in Fragment 921: „Gegen eine Überzahl von Dummen vermag auch ein einzelner Kluger nichts.“32 Der Typ des geistig beweglichen Menschen, der allen Dingen auf den Grund geht, wird dem Typ des geistig Schwerfälligen, skaiov~, gegenübergestellt, der keine tieferen Gedanken verarbeiten kann. skaiov~ bezeichnet also bei Sophokles eine geistige Schwerfälligkeit und Unbeweglichkeit, die sich in ihrer Borniertheit geradezu als Böswilligkeit erweisen kann.33 In dieser Be-

23 24

25 26 27 28

29 30 31 32 33

and Books I–VIII, Oxford 1988, 179; zur Gleichsetzung mit „westlich“ siehe auch Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 1009; s.v. skaiov~, Pape, Bd. 2, 887. Hom. Il. 3, 145; Hom. Il. 6, 237; Hom. Il. 9, 354; Hom. Il. 11, 170. Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 61; dagegen Kirk, The Iliad. A Commentary. Volume I. Books 1–4, Cambridge 1985, 282: „It’s name presumably means „on the left“ but reveals nothing further.“ Geographische Seitenangabe: Hom. Od. 3, 295; linke Hand: Hom. Il. 16, 734; Hes. Th. 179. Pi. O. 9, 104: ouj skaiovteron crh`m∆ e{kaston; Eur. El. 972. Siehe dazu Kapitel 3.2. Hom. Od. 20, 241–246; von rechts kommende Himmelserscheinungen bedeuteten Glück. Siehe beispielsweise Hom. Il. 9, 236f.; zur griechischen Divination siehe ausführlich Kapitel 3.3. Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 62; s.v. skaiov~, Pape, Bd. 2, 888. Eur. Heraclid. 258: Skaio;~ pevvfuka~ tou` qeou` pleivw fronw`n; vgl. auch Eur. Med. 190: Skaiou;~ dej levgwn koujdevn ti sofouj~ (…); Eur. Med. 298; Eur. El. 972; Eur. Heraclid. 458. Vgl. Coray, Wissen und Erkennen bei Sophokles, Basel/Berlin 1993, 112f. 136. Soph. Fr. 921: Skaioi`si polloi`~ ei`~ sofo;~ diovllutai; weitere Belege: Soph. Fr. 771, 2; Soph. Ai. 1225. Vgl. Coray, Wissen und Erkennen bei Sophokles, 113.

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

17

zeichnung wird der Terminus von Herodot, sehr häufig von Plutarch und Lukian verwendet.34 Die dominierend negative Konnotation manifestiert sich auch in den Ableitungen von skaiov~: Das Substantiv skaiovth~ in der Bedeutung „linkisches Wesen“, „Ungeschicklichkeit“ wird beispielsweise von Herodot gebraucht in der Rede des Persers Mardonios, der davon berichtet, dass die Griechen ihre Kriege ganz unüberlegt beginnen, „aus Unverstand und Ungeschick“, uJpov te ajgnwmosuvnhj kai; skaiovthto`.35 „Linkisch handeln, sich ungeschickt betragen“ drückt Aristophanes mit dem Begriff skaiourgevw aus: peri; tou;~ sautou` goneva~ skaiourgei`n.36 Die Verwendung von skaiov~ hat gezeigt, dass in der griechischen Gedankenwelt „links“ offenbar ähnlich wie bei vielen modernen Sprachen negativ behaftet war und die Assoziationen „Unglück bringend“, „dumm“, „ungeschickt“ hervorrufen konnte. Wie lässt sich aber diese Spannbreite an Bedeutungen für skaiov~ erklären und inwieweit ist die zeitliche Abfolge des semantischen Wandels bestimmbar? Das bisher älteste bekannte Beispiel für skaiov~ in der Bedeutung „dumm“ findet sich bei dem Chorlyriker Alkman von Sparta, der in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. lebte.37 In einem fragmentarisch erhaltenen Chorlied liest man folgende Verse: „(…) kein Mann vom Lande war’s, kein Unbeholfener (…) kam von Sardes’ höchster Höh!“38 Obwohl dieser erste Beleg in die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts fällt, ist davon auszugehen, dass skaiov~ in der vorliegenden negativen Konnotation bereits vor Alkman Verwendung fand und wahrscheinlich sogar schon zur Zeit Homers in der Umgangssprache kursierte.39 Dafür spricht folgendes Indiz: Wenn Alkman behauptet, dass kein Unbeholfener von Sardeis gekommen sei oder später im 5. Jahrhundert v. Chr. die Amme in Euripides’ Medea feststellt, dass man diejenigen, die damals herrliche Gastmähler erfanden, eher als Toren, skaiov~, denn als Weise, sofouv~, bezeichnen sollte40, dann muss die Assoziation von skaiov~ als Terminus für „unbeholfen“ bzw. „dumm“ im allgemeinen Sprachgebrauch üblich gewesen sein, denn sonst hätte das Publikum die metaphorische Verwendung von skaiov~ nicht richtig interpretieren können.41 Der hier vorliegende metaphorische Prozess erweist sich noch aus einem weiteren Grund als aufschlussreich. Die Bedeutungsentwicklung von skaiov~ lässt sich 34 Vgl. exemplarisch Plut. Aem. 1, 4, 4; Plut. Crass. 22, 2, 10; Plut. Cat. Mi. 39, 2, 2; Her. 1, 129; Lukian. Tim. 35. 46. 35 Her. 7, 9, 2; vgl. auch Soph. Ant. 1028; Plat. Rep. 411e. 36 Aristoph. Nub. 994; vgl. s.v. skaiourgevw, Liddell-Scott, 1603; Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 1009. 37 Zu Alkman vgl. Calame, Alkman, DNP 1, Sp. 512–515; Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, Bern/München3 1971, 178f. 38 Alkman 16 PMG = 8 Calame: oujk h\~ ajnh;r ajrgei`o~ oujdev skaio;~ (…) Sardivwn ajp∆ ajkra`n. Ob die Textstelle autobiographisch zu interpretieren ist und folglich Alkman aus Sardeis stammen würde, ist umstritten. Zur Frage der Herkunft vgl. Lesky, Geschichte der griechischen Literatur, 178. 39 Zur großen Nähe der Chorlyrik zur Umgangssprache, die dagegen im Epos vermieden wird, vgl. Trümpy, Vergleich des Mykenischen mit der Sprache der Chorlyrik, Bern 1986, 52–54. 40 Soph. Med. 190. 41 Vgl. Keller/Kirschbaum, Bedeutungswandel, in: Der Deutschunterricht 52, 2000/3, 48.

18

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

mit einer Reihe von Adjektiven der deutschen Sprache vergleichen, die ebenfalls zur Bewertung von geistigen Fähigkeiten benutzt werden, aber ursprünglich körperliche Eigenschaften bezeichneten.42 Das Wort „dumm“ bedeutete eigentlich „stumm“ und bis ins 17. Jahrhundert auch „taub.“ „Doof“ war die ursprüngliche Bezeichnung für „taub.“ Das Adjektiv „blöd“ fand vor 300 Jahren im Sinne von „schwach“ Verwendung. Bei skaiov~ ist davon auszugehen, dass in einer von Rechtshändern dominierten Welt die linke Hand im Vergleich zur oft benutzten Rechten als untrainierter und daher als schwach wahrgenommen wurde. Sowohl bei skaiov~ als auch den aufgeführten deutschen Adjektiven wurden Bezeichnungen für körperliche Schwächen auf geistige Eigenschaften übertragen, wobei die eigentliche Bedeutung allmählich verloren gegangen ist. Derartige Bedeutungsentwicklungen von Wörtern sowie die damit verbundenen Assoziationsleistungen brauchen Zeit, bis sie im alltäglichen Sprachgebrauch etabliert sind. Im Hinblick auf das alte Wort skaiov~ liegt daher die Vermutung nahe, dass die Assoziation von skaiov~ als Ausdruck für „dumm“ zur Zeit Homers bereits in der Umgangssprache kursierte, skaiov~ jedoch ausgehend von dem vorliegenden Quellenmaterial in der epischen Sprache vorwiegend als Terminus für links bzw. westlich fungierte. Ob der Gebrauch des Begriffs als Synonym für „dumm“ in der Tragödie und Komödie des 5. Jahrhunderts lediglich die Folge einer besseren Überlieferungslage ist oder zu dieser Zeit vielleicht in Mode war, kann aufgrund der vergleichsweise schlechteren Quellenlage der archaischen Periode nicht eindeutig beantwortet werden.43 Lassen sich für diesen Aspekt nur Vermutungen anstellen, so gilt dagegen als gesicherte Tatsache, dass skaiov~ als Bezeichnung für links allmählich von ajristerov~ verdrängt wurde.44 Bevor die Ursache für diesen Verdrängungsprozess bestimmt werden soll, erscheint es zum besseren Verständnis erforderlich, sich mit den linguistischen Charakteristika von ajristerov~ vertraut zu machen.45 An der Wortbildung lässt sich der Bezug zu links und rechts deutlich manifestieren, da in ajristerov~ das Kontrastsuffix -terov~ enthalten ist, das wie dexiterov~, abgeleitet von dexiov~, zur Angabe der entsprechenden Seite Verwendung fand.46 Zugleich wurde das Wort sekundär als Komparativ des Adjektivs a[risto~ gedeutet und kann daher wörtlich mit „besser“ übersetzt werden.47 ∆Aristerov~ taucht bereits bei Homer auf, 42 Vgl. Keller/Kirschbaum, Bedeutungswandel, 48f. 43 Ein Vergleich mit anderen Textfragmenten von Dichtern aus der archaischen Zeit erwies sich infolge der lückenhaften Überlieferung als wenig aussagekräftig. Die Erkenntnis basiert auf einer Untersuchung mit der TLG-Datenbank, zugänglich für Angehörige der Universität Heidelberg unter: http://rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?bib_id=ubhe&colors=&ocol ors=&titel_id=1019. Folgende Dichter wurden untersucht: Kallinos von Ephesos, Tyrtaios von Sparta, Mimnermos von Kolophon, Archilochos von Paros, Semonides von Amorgos, Stesichoros von Himera, Alkaios von Mytilene, Sappho aus Lesbos. Resultat: Nur zwei Belege für dexiov~. Keine Belege für Ausdrücke mit der Bedeutung „links.“ 44 Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 63. 45 Vgl. s.v. ajristerov~, Liddell-Scott, 240; s.v. ajristerov~, Pape, Bd. 1, 351f. 46 Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 63; Schwyzer, Griechische Grammatik, Bd. 1. Allgemeiner Teil. Lautlehre. Wortbildung. Flexion, München 1939, 533f. 47 Vgl. s.v. ajristerov~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd. 1, Göttingen 1979, Sp. 1281f.; Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 63; vgl. s.v. ajristerov~, Pape,

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

19

der den Begriff häufig zur Angabe der linken Seite benutzt.48 Warum war jedoch die Bildung eines weiteren Begriffs für links neben den bereits vorhandenen zwei Ausdrücken skaiov~ und laiov~ erforderlich? Die Antwort auf diese Frage ist im Kontext der griechischen Religion zu suchen. Nach der Vorstellung der Griechen galt die linke Seite als Unglück bringend.49 Belege für diese Kategorisierung finden sich bereits bei Homer: Als ein Adler links über den Freiern der Penelope flog, sagte Amphinomos zu den anderen: „Unser Plan, der Mord an Telemachos, wird nicht zum guten Ende gelangen, ihr Freunde.“50 Angesichts dieser Sichtweise scheint ajristerov~ als Euphemismus zur Bezeichnung der linken unheilvollen Seite kreiert worden zu sein, um als stellvertretendes Wort die Heraufbeschwörung von Unglück innerhalb der religiösen Sphäre zu verhindern, da auf diese Weise der Rückgriff auf das ursprüngliche Wort für links mit Hilfe des euphemistischen Ausdrucks vermieden wurde.51 ∆Aristerov~ fand allerdings auch immer häufiger außerhalb der religiösen Sphäre Verwendung und avancierte zum gewöhnlichen Begriff für links im Ionisch-Attischen.52 Erste Anzeichen für die Verdrängung von skaiov~ zugunsten von ajristerov~ lassen sich bei Homer lokalisieren. Bei Homer findet sich der Begriff bereits im nichtreligiösen Kontext einerseits zur Richtungsangabe in dem Sinne, dass etwas nach links hin bewegt wird, andererseits zur Seitenangabe, etwa wenn zur Linken der Schiffe die Anhänger Hektors fallen oder sich der eine Heeresflügel auf der linken Seite befindet.53 Um zu verstehen, warum skaiov~ verdrängt wurde, erscheint ein Vergleich der Wortfelder der beiden Begriffe bei Homer hilfreich. ∆Aristerov~ ist bei Homer 25mal, skaiov~ 16mal belegt. Betrachtet man das Wortfeld von ajristerov~, so fällt Bd. 1, 351; dagegen vertritt Georgacas die These, dass ajristerov~ nicht von a[risto~ abgeleitet werden kann. Seiner Ansicht nach besteht ajristerov~ aus dem Kontrastsuffix –tero, eine genauere Bestimmung des Wortstammes bleibt Georgacas jedoch schuldig. Siehe Georgacas, A Contribution to Greek Word History. Derivation and Etymology, in: Glotta 36, 1958, 114. 48 Vgl. zum Beispiel Hom. Il. 2, 526; Hom. Il. 5, 355; Hom. Il. 11, 498. 49 Siehe dazu ausführlich Kapitel 3.3. 50 Hom. Od. 20, 242–246: aujtajr oJ toi`sin ajristero;~ h[luqen o[rni~, aijeto;~ uJfyipevthj, e[ce de; trhvrwna pevleian. Toi`sin d∆ ∆Amfivnomo~ ajgorhvsato kai; meteveipen: w\ fivloi, oujc h{min sunqeuvsetai h{de ge boulhv, Thlemavcoio fovno~.

51 Vgl. Opelt, Euphemismus, RAC 6, Sp. 948f.; Flury, Euphemismus, DNP 4, Sp. 264; Chantraine, Les mots designants la gauche en grec ancien, 63; dass ajristerov~ ein speziell für die linke Seite konzipierter Euphemismus war und nicht als allgemeingültiger Euphemismus für die Bedeutung „Unglück bringend“ gebraucht wurde, veranschaulichen mehrere Belege aus der Ilias, in denen ajristerov~ als Gegenpart zur rechten Seite genannt wird: Hom. Il. 7, 234; Hom. Il. 22, 335–337. 52 Vgl. Chantraine, Les mots designants la gauche en grec ancien, 62–64; beispielsweise greift Herodot auf das Wort oftmals zur Angabe der Richtung zurück: Her. 1, 51, 5; Her. 2, 36, 19–21; Her. 7, 31, 3; Her. 7, 39, 18. Ferner fungiert der Begriff bei Herodot zur Benennung von Körperteilen, beispielsweise, wenn er berichtet, dass die Skythen sich nach dem Tod ihres Königs Pfeile durch die linke Hand, diaj th`/~ ajristerh`~ ceiroj~, stoßen: Her. 4, 71, 2; weitere Belege bei Xen. Cyr. 1, 3, 9, 13; Xen. Cyr. 2, 1, 9, 6; Xen. Cyr. 8, 4, 3, 3; Xen. Anab. 2, 3, 11, 2; Plat. Phaedr. 228 d6. 53 Richtungsangabe: Hom. Il. 7, 238; Seitenangabe: Hom. Il. 2, 526; Hom. Il. 5, 355; Hom. Il. 13, 675.

20

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

zuerst auf, dass Homer den ursprünglichen Euphemismus zur Bezeichnung von bestimmten Körperpartien (20%), beispielsweise der linken Schulter, jedoch hauptsächlich zur Seiten- und Richtungsangabe benutzt (80%). Im Unterschied zu der bei Homer ausschließlichen Verwendung von skaiov~ zur Bezeichnung von geographischen Orientierungspunkten, erscheint ajristerov~ an bestimmten Stellen auch ganz seinem euphemistischen Charakter entsprechend im religiösen Kontext der Mantik.54 Da die Kreation euphemistischer Begriffe normalerweise für zu vermeidende Wörter in einem Tabubereich wie der Sexualität oder der Religion erfolgt, kann im Fall von ajristerov~ angenommen werden, dass der Begriff in seiner euphemistischen Funktion ursprünglich auf den religiösen Bereich beschränkt war.55 Wie lässt sich diese Verwendung von ajristerov~ außerhalb der religiösen Sphäre erklären? Die Frage, warum der Ausdruck, der zunächst als Euphemismus fungierte, zur Bezeichnung der linken Seite oder Richtung gebraucht werden konnte anstelle von (dem infolge seiner geographischen Funktion prädestinierten) skaiov~ kann mit Hilfe des auf Euphemismen basierenden Bedeutungswandels beantwortet werden.56 Wird ein euphemistischer Ausdruck häufig verwendet, verliert das Wort im Lauf der Zeit seinen euphemistischen Charakter und avanciert zum „Normalbegriff.“ Ein illustratives Beispiel für diesen Prozess ist im Deutschen das Wort Dirne, das ursprünglich eine unverheiratete junge Frau und später im Mittelhochdeutschen Dienerin, Magd bedeutete.57 Diese Bezeichnung wurde als Euphemismus für Hure (Tabubereich Sexualität) verwendet und entwickelte sich infolge des zahlreichen Gebrauchs mit der Zeit zu einer enttabuisierten Bezeichnung für Prostituierte. Sowohl bei diesem Beispiel als auch bei ajristerov~ stellt sich jedoch die Frage, warum der euphemistische Ausdruck immer häufiger in Gebrauch kam. Tabuwörter aus dem Bereich der Religion oder der Sexualität sind expressive Ausdrücke und daher prädestiniert, um Aufmerksamkeit zu erregen.58 Verwendet man tabuisierte Wörter außerhalb ihres Tabubereichs, liegt zunächst ein Verstoß gegen gesellschaftliche Konventionen vor. Der Reiz, derartige Wörter zu verwenden, bestand unter anderem gerade darin, einen Tabubruch zu begehen und damit aufzufallen. Stößt die enttabuisierte Verwendung in der Sprachgemeinschaft auf Akzeptanz, wird das Tabuwort häufig verwendet und verliert dadurch seinen Tabugehalt. ∆Aristerov~ scheint offenbar diese Akzeptanz besessen zu haben, auf deren Grundlage das Wort schließlich zum meist gebrauchten Wort für links in der griechischen Sprache wurde. Ein deutliches Anzeichen für die Akzeptanz von ajristerov~ zeigt sich bei der Verwendung des Begriffs, um Körperteile zu bezeichnen. Vergleicht man beispielsweise Homer mit Autoren aus der klassischen Zeit, ergibt sich folgender Befund: Während Homer ajristerov~ zunächst zur Angabe der linken Schulter, linken Brust 54 Hom. Il. 12, 201. 219. 240; Hom. Od. 20, 242. 55 Opelt, Euphemismus, Sp. 947–950; vgl. s.v. ajristerov~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd. 1, Sp. 1281. 56 Vgl. Keller/Kirschbaum, Bedeutungswandel, 50. 57 Vgl. s.v. Dirne, Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 2, Mannheim/Wien/ Zürich 1976, 542; s.v. Dirne, Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, München3 1995, 229. 58 Vgl. Keller/Kirschbaum, Bedeutungswandel, 41f.

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

21

und dem linken Schenkel gebraucht59, skaiov~ jedoch zur Bezeichnung der linken Hand60, wird dagegen in der Folgezeit auch auf ajristerov~ zur Bezeichnung der linken Hand bevorzugt zurückgegriffen.61Aristoteles spricht beispielsweise ausschließlich von hJ ajristerav, wenn er die linke Hand erwähnt.62 In diesem Fall setzt die Ausweitung von ajristerov~ auf Körperteile die Auffassung voraus, dass der Euphemismus die mit links assoziierten Vorstellungen semantisch ausfüllt. Da ajristerov~ in seiner ursprünglichen euphemistischen Bedeutung „Unglück bringend“ bedeutet, demnach negativ konnotiert ist, eignet sich der Ausdruck bestens, um die negativen Aspekte der linken Seite sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Für die Übernahme des Begriffs auf Körperteile muss allerdings eine negative Bewertung der linken Körperhälfte die Bedingung sein. Geht man von einer von Rechtshändern dominierten Welt aus, was uns beispielsweise Platon in seinen Gesetzen suggeriert63, hat dies zur Konsequenz, dass aus einer solchen Perspektive die linke Körperhälfte, besonders Arm, Hand und Bein, untrainierter, ungeschickter und schwächer als ihr jeweiliger Gegenpart erscheinen. Dass diese Sichtweise offenbar im Gedankengut der griechischen Welt tief verwurzelt war, beweist Aristoteles, der stets betont, dass die linke Körperseite von Natur aus schwächer als die rechte Körperseite sei.64 Insofern kann vermutet werden, dass in erster Linie die negative Assoziation von links zur Akzeptanz und Verbreitung des Euphemismus beitrug, da der euphemistische Ausdruck gerade dieser Assoziation bestens entsprach. In diesem Zusammenhang steht auch die Verwendung von ajristerov~ im übertragenen Sinn für „ungeschickt“, „linkisch.“65 Eines der ersten Beispiele findet sich in Sophokles’ Tragödie Ajax: Der Chor kommentiert Telamons Viehdiebstahl mit der Feststellung, dieser habe sich nie so weit vom Verstand weg ins Törichte, ejp ∆ajristerav, verirrt wie mit dieser Aktion.66 Telamon wich folglich vom rechten Weg seiner Gedanken, von seiner rechten Seite, nach links ab, der falschen und Unheil bringenden Seite, verhielt sich dumm bzw. ungeschickt. Ein weiteres Beispiel findet sich bei Aristophanes. In den Vögeln lässt Aristophanes Poseidon über den Triballen lästern: „Nein, wirft der den Mantel linkisch um.“67 Wörtlich übersetzt wirft der Triballe den Mantel „nach links“ um. Dass diese Drapierungsart als falsch und daher ungeschickt angesehen wurde, erfährt man in 59 60 61 62 63 64 65

Schulter: Hom. Il. 5, 16; Brust: Hom. Il. 11, 321; Schenkel: Hom. Il. 5, 660. Hom. Il. 1, 501; Hom. Il. 16, 734; Hom. Il. 21, 490. Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancient, 63f. Arist. MM 1194b30–41. Plat. Leg. 795a; Arist. Pol. 1274b12; Arist. IA 705b14. Arist. HA 493b18; Arist. Probl. 958b17 u. b22; Arist. PA 648a12–14; Arist. PA 665a25f. Vgl. s.v. ajristerov~, Liddell-Scott, 240; Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 64. 66 Soph. Aj. 182; vgl. dazu auch den Kommentar von Garvie, Sophocles. Ajax, Warminster 1998, 143. 67 Aristoph. Av. 1567: ∆eparivster∆ ou{tw~ ajmpevcei; ein weiteres illustratives Beispiel liefert Plut. Cat. Ma. 19, 6: Cato behauptet, dass man Leute, die manche seiner Handlungen auf ungeschickte Weise nachzumachen versuchten, ejparistevrou~ (…) Kavtwna~ nennt. Die deutsche Übersetzung von Ziegler lautet „missratene Catos“. Perrin übersetzt die Stelle mit „left-handed Catos.“

22

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

der folgenden Empfehlung, den Umhang traditionsgemäß nach rechts umzuwerfen.68 Eine Drapierung nach links erwies sich insofern als ungeschickt, weil dadurch die Bewegungsfreiheit des rechten Arms und insbesondere der rechten Hand infolge der Stofffülle auf der rechten Körperpartie unvorteilhaft eingeschränkt waren. Ein uneingeschränktes Agieren der rechten Hand war jedoch in einer von Rechtshändern dominierten Welt unentbehrlich, um den gesellschaftlichen Konventionen gerecht zu werden. Eine Drapierung nach links erschien folglich nicht nur allein aufgrund der negativen Assoziation mit der linken Seite, sondern vor allem aus rein pragmatischen und gesellschaftlich motivierten Gründen als unhaltbar und erklärt die Verwendung von ejparisterov~ als Synonym für „ungeschickt.“ Als Substantiv ejparisterovth~ in der Bedeutung „Ungeschicklichkeit“ verwendet Aristoteles den Begriff in seinem Werk „Tugenden und Laster“: „Dummheit wird begleitet von Unbesonnenheit, Unwissenheit, Unkenntnis, Unmäßigkeit, Ungeschicklichkeit und Vergessenheit.“69 Aristoteles illustriert zugleich, dass im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. ajristerov~ als Bezeichnung für links vollständig etabliert war: Aristoteles benutzt 183mal ajristerov~, dagegen nur 4mal laiov~ und 3mal eujwvnumo~.70 Bereits zuvor hatten etwa Sophokles, Euripides und Aristophanes die Tendenz der Verdrängung von skaiov~ als Begriff für links bestätigt, indem sie skaiov~ ausschließlich im Sinne von „dumm“ verwendeten.71 Der häufige Gebrauch von ajristerov~ außerhalb seines religiösen Tabubereichs führte bekanntlich zur Abnutzung des ursprünglichen Euphemismus.72 Ein neuer Euphemismus musste gefunden werden. Man griff auf einen Terminus zurück, dessen Glück bringende Bedeutung deutlich aus seiner Etymologie erkennbar war: eujwvnumo~.73 In seiner ursprünglichen Bedeutung „mit gutem Namen“ ist der Begriff zum ersten Mal bei Hesiod belegt. Die Gottheit Asteria trägt eujwvnumo~ als Epiteton.74 Weitere Belege für den Gebrauch im Sinn von „mit gutem Namen, Glück verheißend“ finden sich bei Pindar oder bei Platon.75 Aufgrund seiner positiven Bedeutung erwies sich eujwvnumo~ als ideal, um als Euphemismus ajristerov~ zu ersetzen. Analog zu ajristerov~ sind die ersten Zeugnisse von eujwvnumo~ als eu68 Aristoph. Av. 1568; zur üblichen Drapierungsart vgl. den Kommentar bei Sommerstein, Birds, Warminster3 1991, 302. 69 Arist. VV 1251a: prakolouqei` deJ th/` ajfposuvh/ ajpeiriva, ajmaqiva, ajkrasiva, ejparisterovth~, ajmnhmosuvnh.

70 Diese Zahlenverhältnisse ergeben sich aus der Recherchei in der TLG-Volltextdatenbank (siehe Anm. 44); dass es sich um keinen Einzelfall handelt, unterstreicht Platon, der sich bei seinem Spektrum an Begriffen für links in 80% der Fälle für ajristerov~ entscheidet. Von insgesamt 50 Belegen für links entfallen 40 auf ajristerov~, 4 auf skaiov~ (davon 2 im Sinne von „dumm“ gebraucht), jeweils 3 auf laiov~ und eujwvnumo~. 71 Siehe dazu Seite 8f. 72 Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 64; vgl. s.v. ajristerov~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd.1, 1281. 73 Vgl. s.v. eujwvnumo~, Liddell-Scott, 740; vgl. s.v. eujwvnumo~, Pape Bd. 1, 1111; Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 64. 74 Hes. Th. 409; vgl. s.v. eujwvnumo~, Snell, Lexikon des frügriechischen Epos, Bd. 2, Göttingen 1991, Sp. 825; Asteria war eine Titanin, Tochter des Koios und der Phoibe sowie Mutter der Hekate. Vgl. dazu Graf, Asteria (Nr. 2), DNP 2, Sp. 118. 75 Belege bei Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 64.

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

23

phemistischer Ausdruck für links im religiösen Bereich anzutreffen: Der älteste bekannte Text, in dem zum Zweck der Seitenangabe eujwvnumo~ verwendet wird, ist eine Inschrift aus Ephesos, datiert gegen Ende des 6., Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr.76 Die Inschrift bezieht sich auf ein nachgewiesenes Vorzeichen für den Vogelflug. Falls der Vogel von rechts nach links fliegt, erscheint dies als Glück bringend, dexiov~, deutbar. Falls der Vogel jedoch den linken Flügel emporhebt, handelt es sich um ein Unglück bringendes Zeichen, eujwvnumo~. Dass in diesem Text eujwvnumo~ als religiöser Terminus mit euphemistischer Bedeutung benutzt wurde, zeigt sich auch darin, dass der Verfasser des Texts zur Richtungsangabe des Vogelflugs das Wort ajristerov~ verwendet. Damit liegt zugleich ein weiterer Beweis vor, dass ajristerov~ seinen ursprünglichen Charakter als Euphemismus verlor und hier rein zur Richtungsangabe gebraucht wurde. Dagegen verweist eujwvnumo~ auf die linke Seite, von der Gefahr bzw. Unglück zu erwarten ist. Angesichts des Bedeutungswandels von skaiov~ und ajristerov~ muss auch für eujwvnumo~ die Frage gestellt werden, was aus diesem neuen Euphemismus geworden ist. Auch bei diesem Terminus zeigt sich, dass der ursprünglich euphemistische Begriff nicht nur im Bereich der Mantik Verwendung fand. Exemplarisch wird dieses Phänomen bei Aischylos in ersten Ansätzen greifbar. Neben der euphemistischen Verwendung in Aischylos’ Prometheus, wo Prometheus behauptet, über die Bedeutung der rechten und linken Seite beim Vogelflug unterrichtet worden zu sein77, wird eujwvnumo~ nun auch zur Bezeichnung der linken Hand und der linken Körperseite gebraucht.78 Während eujwvnumo~ bei den anderen Bühnenautoren mit Ausnahme von einem Beispiel bei Sophokles nicht mehr belegt ist, erfreute sich der Begriff dagegen in der Sprache der Historiker zunehmender Beliebtheit und entwickelte sich allmählich zu einem Synonym von ajristerov~.79 Besonders häufig liegt der Gebrauch im militärischen Kontext vor, um den linken Heeresflügel, toJ eujwvnumon kevra~, zu bezeichnen.80 Außerhalb der Sprache der Historiker wurde das Adjektiv allerdings in der Prosa relativ selten verwendet.81 Beispielsweise griffen Aristoteles und Platon gewöhnlich auf ajristerov~ zurück.82 Im Hinblick auf die Wahrnehmung der linken Seite erscheint auch eine Untersuchung der griechischen Onomastik aufschlussreich. Personennamen können unter anderem aus Namen von Körperteilen oder anhand von sichtbaren Eigenschaften 76 CIG 2953 = SIG 1167 = LSAM 30 = I. Ephesos 1678 A; vgl. dazu Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 64f. 77 Aisch. Prom. 490. 78 Linke Hand: Aisch. Suppl. 193: semnw`~ e[cousai diaJ cerw`n eujwvnumwn; linke Körperseite: Aisch. Th. 889. 79 Herodot verwendet 20mal ajristerov~ und 6mal eujwvnumo~. Thukydides 9mal ajristerov~ und bereits 20mal eujwvnumo~. Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 66; Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 390. 80 Vgl. zum Beispiel Her. 6, 111, 7; Her. 9, 28, 30; Her. 9, 46, 13; Her. 9, 47, 8; Thuk. 4, 96; Thuk. 5, 67; Thuk. 7, 6; Xen. Hell. 4, 3, 16, 6; Xen. Hell. 4, 4, 9, 13; Xen. Hell. 6, 4, 14, 5; Xen. Anab. 1, 2, 15, 4; Xen. Anab. 1, 9, 31, 4; Xen. Anab. 1, 10, 9, 2. 81 Vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancien, 67. 82 Für eujwvnumo~ finden sich bei Aristoteles lediglich zwei Belege: Arist. HA 498a11; Arist. PA 666b7; bei Platon nur einen Beleg: Plat. Leg. 760d.

24

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

der betreffenden Person gebildet werden.83 Dabei geben die Namen die Bezeichnung des Körperteils unverändert oder durch besondere Suffixe erweitert wieder. Die Namen identifizieren das Individuum mit dem Teil seines Körpers oder seiner sichtbaren Eigenschaft, mit der es seinen Mitmenschen auffällt. Beispielsweise sind Namen wie Kevfalo~, Kopf 84, ∆Agkuvlo~, krummbeinig85 oder Favlakro~, kahlköpfig bezeugt.86 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit auch die Verwendung der Gliedmaßen, d.h. besonders ein verstärkter Einsatz der linken Hand, bei der Namensgebung Berücksichtigung gefunden hat. Wer die vier griechischen Wörter für links mit der griechischen Onomastik in Verbindung bringt, neigt in der Regel dazu, zuerst an den zahlreich belegten Personennamen Lavi˘o~ zu denken.87 Allerdings lässt sich der Name Lavi˘o~, dessen bekanntester Träger der König von Theben und Vater von Oidipous war, nicht so ohne weiteres von der Bedeutung links ableiten.88 Nach Bechtel stammt der Name von attisch leiva, was „Beute, erbeutetes Tier“ bedeutet.89 Die ebenfalls bezeugte Schreibweise La`/o~ führte Pape dagegen auf la`/o~, das Volk, zurück und interpretierte den Namen mit „Sohn des Volkes.“90 Beide Deutungen berücksichtigen allerdings nicht, dass bei aus Adjektiven gebildeten Personenamen eine Akzentverschiebung wie im Fall von laiov~ in der griechischen Namensbildung durchaus üblich ist. Eine solche Akzentverschiebung findet sich beispielsweise auch bei dem griechischen Wort für weiß, leukov~ 91, das substantiviert in der Form Leu`ko~ eine weiße Fischart bezeichnet und auch als Eigenname belegt ist.92 Auch vor dem Hintergrund der negativen Konnotation von links ist eine auf dem Adjektiv basierende Namensschöpfung womöglich doch nicht ganz auszuschließen, denn die Assoziation von König Laios als „der Unglücksbringende“ würde gut zum Inhalt des Mythos passen.93 Obwohl eujwvnumo~ als Personenname belegt ist94, lässt sich eine Namensgebung basierend auf der Assoziation von eujwvnumo~ als Ausdruck für „links“ nur schwer verifizieren. Vielmehr ist wohl davon auszugehen, dass die wörtliche Bedeutung „mit gutem Namen“ als Benennungsmotiv maßgebend gewesen sein muss. 83 Vgl. Bechtel, Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, Halle 1917, 479; zu den unterschiedlichen Benennungsmotiven vgl. García-Ramón, Personennamen. II. Griechenland, DNP 9, Sp. 624f. 84 Vgl. s.v. Kevfalo~, LGPN I, 254; LGPN II, 258; LGPN IIIA, 240f.; LGPN IIIB, 230. 85 Vgl. s.v. ∆Agkuvlo~, LGPN II, 7. 86 Vgl. s.v. favlakro~, LGPN I, 453; LGPN II, 440; LGPN IIIA, 443; LGPN IIIB, 416. 87 Vgl. s.v. Lavi˘o~, LGPN I, 281; LGPN II, 278; LGPN IIIA, 265; Pape, Bd. 3, 762. 88 Vgl. s.v. Lavi˘o~, Pape, Bd. 3, 762; s.v. Lavio~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd. 2, Sp. 1619. 89 Vgl. Bechtel, Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, 273. 90 Vgl. s.v. La`/o~, Pape, Bd. 3, 762. 91 Vgl. s.v. leukov~, Liddell-Scott, 1024; zur Fischart siehe Arist. HA 567a20. 92 Vgl. s.v. Leu`ko~, Liddell-Scott, 1024; s.v. Leu`ko~, Pape, Bd. 3, 791. 93 Mit König Laios beginnt das sich fortsetzende Unheil in dem Geschlecht der Labdakiden. Vgl. zum Mythos Höfer, Laios, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Bd. 2, 2, Sp. 1800–1802. 94 Vgl. s.v. eujwvnumo~, LGPN I, 191; LGPN IIIA 183, LGPN IIIB, 171.

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

25

Ferner scheint auch eine Benennung nach dem Heros Euonumos denkbar, der zugleich Namensspender des attischen Demos Euonymon der Phyle Erechtheis war.95 Lässt sich eujwvnumo~ als Name für eine Person, die aufgrund ihres Verhaltens mit der linken Seite in Verbindung gebracht wurde, nicht eindeutig bestimmen, so fand der Ausdruck offenbar in seiner Funktion als Seitenangabe zur Benennung einer Insel Verwendung. In seiner Beschreibung der äolischen Inseln schreibt Strabon folgendes: „Die siebente ist Euonymos („die Linke“), die am meisten im offenen Meer liegt und unbewohnt ist; sie heißt so, weil sie denen, die von Lipara nach Sizilien schiffen, am meisten zur Linken liegt.“96 Da Strabons Interpretation nicht korrekt wäre, falls man von Lipari den kürzesten Weg nach Sizilien segeln würde, geht der Geograph offenbar von einer Reiseroute aus, die von der Stadt Lipara, an der Ostküste Liparis gelegen, nach Pelorus geführt haben muss, das sich an der nordöstlichen Spitze Siziliens befindet.97 Doch welche weiteren Indizien sprechen dafür, dass mit Euonymos tatsächlich die „Linke“ gemeint ist? Falls die Insel als „Linke“ bezeichnet wurde, setzt dies zunächst eine Perspektive voraus, nach der die Insel zur Linken des Namensgebers gelegen hat. Geht man von der Perspektive der Stadt Lipara aus, ist diese Bedingung gegeben. Eine Benennung von Seiten der Bewohner von Euonymos kann zudem ausgeschlossen werden, da Strabon Euonymos als unbewohnt beschreibt.98 Freilich kann das Benennungsmotiv nicht eindeutig rekonstruiert werden, doch hat der Exkurs verdeutlicht, dass zumindest die Voraussetzungen für eine Benennung infolge der geographischen Lage durchaus vorhanden waren. Die Erklärung von Strabon zeigt zudem, dass eine Assoziation von eujwvnumo~ als geographische Bezeichnung für eine Insel durchaus vorstellbar erschien. Ein ähnlicher Fall findet sich auch in Verbindung mit ajristerov~.99 Auch hier scheint ein Ausdruck für links als Bezeichnung für eine Insel benutzt worden zu sein. Pausanias und Plinius der Ältere berichteten von der am östlichen Ausläufer der Bucht der Argolis gelegenen Insel Aristera.100 Segelt man aus der Bucht der Argolis heraus, liegt Aristera aus der Sichtweise des Segelnden auf der linken Seite.101 Für eine Benennung nach geographischen Kriterien spricht auch, dass es sich bei Aristera um eine Felseninsel handelt. Die Insel war demnach unbewohnt und besaß keine Bewohner, die ihr einen eigenen Namen hätten verleihen können. 95 Vgl. Waser, Euonymos (Nr. 1), RE 6, 1, Sp. 1158. 96 Strab. 6, 2, 11: eJbdovmh d∆ ejsti;n Eujwvh/umo~, pelagi;a mavlista kai; e[rhmo~: wjnovmastai d∆ o{tim avlista toi`~ ejk Lipavraj eij~ Sikelivan plevousin eujwvnumov~ ejsti; vgl. auch Diod. Sic. 5, 7, 1. Euonymos heißt heute Panaria; weitere Belege bei Hülsen, Euonymos (Nr. 2), RE 6, 1, Sp. 1158; zur geographischen Lage vgl. Barrington, Atlas of the Greek and Roman World, Princeton/Oxford 2000, 47 B4. 97 Zur besseren Orientierung vgl. Barrington, Atlas of the Greek and Roman World, 47 H2. 98 Strab. 6, 2, 11. 99 Vgl. s.v. ∆Aristeraiv, Pape, Bd. 3, 130. 100 Paus. 2, 34, 8; vgl. dazu den Kommentar von Musti/Torelli, Guida della Grecia. Libro II. La corinzia e l’Argolide, Milano 1986, 329; Plin. Nat. Hist. 4, 56: In Argolico Pityusa, Arine, Ephyre, contra Hermionium agrum Tricarenus, Aperopia, Colonis, Aristera (…); der heutige Name der Insel lautet Spetsopula. 101 Vgl. Barrington, Atlas of the Greek and Roman World, 58 E3.

26

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

Als Personenname fand ajristerov~ dagegen keine Verwendung.102 Lediglich der in einer Inschrift des 4. Jahrhunderts v. Chr. bezeugte Name ∆Aristeri`no~ Korivnqio~ wurde von Bechtel als Bezeichnung für eine offenbar linkshändig agierende Person interpretiert.103 Da es sich hierbei jedoch um einen Einzelfall handelt, verbleibt Bechtels Annahme im Bereich der Spekulation. Eindeutigere Anhaltspunkte liefert skaiov~.104 In seiner geographischen Bedeutung „westlich“ war der Begriff Namen gebend für einen Fluß in Thrakien sowie für einen thrakischen Stamm, den Strabon als Skaioiv bezeichnete.105 Dass der Ausdruck als Personenname Verwendung fand, illustriert beispielsweise Herodot. Ein Dreifuß aus dem Tempel des Apollon Ismenios im böotischen Theben soll mit folgenden Hexametern versehen sein: „Faustkämpfer Skaios hat mich geweiht dem Treffer Apollon, nach seinem Siege dir mit dem prächtigen Kunstwerke dankend.“106 Ferner ist Skaihv bekannt, die Tochter des Danaos und der Europe.107 Trotz dieser zwei Beispiele aus dem mythologischen Bereich kann ausgehend von einer ergebnislosen Recherche im Lexicon of Greek Personal Names angenommen werden, dass skaiov~ als Personenname nur selten Verwendung fand. Dennoch dokumentieren die beiden Beispiele, dass ein verstärkter Einsatz der linken Hand als eine Auffälligkeit wahrgenommen wurde und diese Besonderheit schließlich zum Namenskriterium avancieren konnte. Welche Assoziationen mit dem Namen Skaiov~ angesichts des breiten Bedeutungsspektrums konkret verbunden wurden, beispielsweise skaiov~ im Sinne von „ungeschickt“, lässt sich nicht mehr eindeutig rekonstruieren und fiel sicherlich von Fall zu Fall unterschiedlich aus. Dabei spielten zwei Faktoren eine Rolle: Zum einen hing die Assoziation von dem Verhalten der betreffenden Person ab, zum anderen auch davon, wie die einzelnen Mitmenschen die Person wahrgenommen haben. Je nach Bewertung der mit dem Namen Skaiov~ bezeichneten Person fiel auch die mit diesem Namen verbundene Vorstellung aus. Angesichts dieser Überlegungen wäre im Fall des Faustkämpfers möglich, dass dieser vorwiegend seine linke Hand im Faustkampf einsetzte und aufgrund dieser 102 Keine Belege im Lexicon of Greek Personal Names. Siehe unter http://www.lgpp.ox.ac.uk; keine Belege bei Pape, Bd. 3. 103 IG IV, 12081; vgl. dazu Bechtel, Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, 498. 104 Vgl. s.v. skaiov~, Pape, Bd. 3, 1403; ein epigraphischer Beleg eines aus skaiov~ gebildeten Personennamens: IG II 105532: Skavwn Aijxwneuv~; vgl. dazu Bechtel, Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, 498. 105 Strab. 13, 1, 20; der Stamm der Skaier war wahrscheinlich zwischen Troja und Thrakien ansässig. Vgl. dazu Bürchner, Skaioiv, RE 3 A, 1, Sp. 424. 106 Her. 5, 60: Skai`o~ pugmacevwn me eJkhbovlw/ ∆Apovllwni nikhvsaj ajnevqhke tei˘n perikalle;~ a[galma; bei Skaios handelt es sich laut Herodot entweder um den Sohn des Hippokoon oder um einen Thebaner, der ein Zeitgenosse des Ödipus gewesen sein soll; vgl. dazu den Kommentar von How/Wells, A Commentary on Herodotus with Introduction and Appendixes. Vol. 2 (Books V–IX), Oxford3 1936, 27f.; ferner findet sich ein weiterer Faustkämpfer Skaios, Sohn des Duris aus Samos, mit einer Statue in Olympia bei Paus. 6, 13, 5. Der Name ist jedoch nicht eindeutig gesichert, sondern wurde in der Ausgabe von Schubart-Walz als Konjektur eingesetzt. Vgl. Zwicker, Skai`o~ (Nr. 2), RE 3 A, 1, Sp. 424. 107 Paus. 7, 6, 1; vgl. s.v. Skaihv, Pape, Bd. 3, 1403.

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

27

Eigenschaft als Skai`o~ bezeichnet wurde, in Ansätzen etwa vergleichbar mit der lateinischen Bezeichnung für linkshändige Gladiatoren Scaeva.108 Versucht man ein Fazit zu ziehen, so bleibt festzuhalten, dass „links“ im griechischen Sprachgebrauch mit „Unglück bringend“, „ungeschickt“ und „dumm“ assoziiert wurde. Die Angst, dass Unglück von links durch die bloße Nennung eines Ausdrucks für links wie skaiov~ heraufbeschworen werden konnte, führte schließlich zur Bildung des euphemistischen Begriffs ajristerov~, der zunächst als Ersatz für die eigentliche Nennung von links im Bereich der Mantik fungierte, bald aber auch außerhalb der religiösen Sphäre zur Bezeichnung von Körperteilen, wie etwa der linken Hand, oder zur Richtungs- und Seitenangabe für Historiker herangezogen wurde. Dass die Vorstellung von links als unheilvoller Seite offenbar in der griechischen Gedankenwelt tief verwurzelt und weit verbreitet war, zeigt auch die Kreation von eujwvnumo~ als neuen Euphemismus, da ajristerov~ durch seine allgemeine Verwendung seinen euphemistischen Charakter zunehmend verloren hatte und Bedarf bestand, mit Hilfe eines neuen euphemistischen Begriffs von links nahendes Unglück zu verhindern. Ferner bleibt bemerkenswert, dass skaiov~ und ajristerov~ auch als Synonyme für „ungeschickt“ und „dumm“ verwendet wurden. Die Untersuchung hat erneut gezeigt, dass Sprache immer auch eine Facette ihrer jeweiligen Kultur zum Ausdruck bringt und der erste Schlüssel ist, mit dessen Hilfe man Einblicke in die Denkweisen und Verhaltensmuster des Menschen der griechisch-römischen Antike erhält. Wer die mit links und rechts verbundenen Assoziationen verstehen will, muss sich dieser Gedankenwelt zunächst auf dieser Weise nähern. Dies impliziert aber auch eine Untersuchung des Ausdrucks für „rechts“, denn erst durch diese kontrastierende Methode kann die Bewertung von links in ihrem ganzen Spektrum erschlossen werden. Als ein erstes Charakteristikum lässt sich bestimmen, dass mit dexiov~ im Vergleich zu den vier Begriffen für links im Altgriechischen nur ein einziges Wort zur Bezeichnung von rechts bzw. der rechten Seite existiert109 und bis heute sogar Verwendung findet.110 Ein weiteres Merkmal ist die durchweg positive Konnotation, die sich deutlich in der Mehrdeutigkeit des Begriffs widerspiegelt: dexiov~ fungierte neben seiner Grundbedeutung auch als Synonym für „Glück bringend“, „geschickt“ und „schlau.“ Die ersten Belege finden sich bei Homer.111 Homer gebraucht dexiov~ mit der Präposition ejpiv häufig als Orts- und Richtungsangabe, ejpi; dexiav, und außer dexiov~ auch die Form dexiterov~ zur Angabe von Körperteilen, wie der rechten Schulter oder der rechten Hand.112 Dass in der Sphäre der griechischen Religion die rechte Seite aufgrund 108 Siehe dazu Kapitel 5.2. 109 Vgl. Chantraine, Les mots designants la gauche en grec ancien, 61. 69; vgl. s.v. dexiov~, LiddellScott, 379; s.v. dexiov~, Pape, Bd. 1, 546f.; dexiov~ ist etymologisch verwandt mit devcomai. Zur Etymologie siehe Chantraine, Dictionaire étymologique de la langue grecque, 263f.; Frisk, Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Bd. 1, 373f. 110 Vgl. s.v. dexiov~, Langenscheidts Eurowörterbuch Griechisch, 97. 111 Vgl. s.v. dexiov~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd. 2, Sp. 248. 112 Orts- und Richtungsangabe: Hom. Il. 7, 238; Hom. Od. 15, 164; rechte Schulter: Hom. Il. 5, 46; Hom. Il. 11, 507; Hom. Od. 17, 504; rechte Hand: Hom. Il. 1, 501; Hom. Il. 7, 108; Hom. Il. 10, 542; Hom. Il. 24, 284; Hom. Od. 1, 121; Hom. Od. 20, 197; in dexiterov~ findet sich analog zu

28

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

der negativen Konnotation der linken Seite positiv assoziiert wurde, klingt ebenfalls bei Homer an: Als während der Rede des Ajax ein Adler hohen Fluges, ein so genannter dexio;~ o[rni~, kam, „jauchzte das Volk der Achaier, durch das Zeichen gestärkt.“113 Die Bezeichnung bringt an dieser Textstelle nicht nur zum Ausdruck, dass der Vogel von rechts geflogen kam, sondern auch aufgrund der positiven Bedeutung der rechten Seite als Glück verheißendes Zeichen gedeutet werden konnte.114 Deutlich wird die Vorstellung von rechts als Glück verheißender Seite auch im 9. Buch der Illias, wenn sich Zeus Kronion über ejndevxia shvmata erfreute, über zur Rechten liegende Zeichen, also über günstige Zeichen.115 Die positive Bewertung der rechten Seite kommt auch in ihrem Gebrauch zur Bezeichnung der rechten Hand, hJ dexiav, zum Vorschein; zum einen, wenn die rechte Hand bei der Begrüßung und beim Handschlag im Gegensatz zur heutigen deutschen Sprache explizit genannt, dexia;n didovnai116, zum anderen, wenn bei ihrer Erwähnung ihr Symbolgehalt als Zeichen für Vertrauen und Treue hervorgehoben wird: „ (…) dem Handschlag, dem wir vertrauen.“117 Die Vorstellung, dass der Handschlag mit der rechten Hand zu erfolgen habe, führte schließlich zur Bildung des Verbs dexiovomai mit der Bedeutung „begrüßen, die (rechte) Hand reichen.“118 Von diesem Verb leiteten sich die Substantive dexivwsi~ und dexivwma ab, die „Handschlag“ bzw. „Begrüßung“ bedeuten.119 Die Pluralform von dexivwma fand zudem im übertragenen Sinn als Wort für „Bündnis“, „Vertrag“ Gebrauch.120 Die rechte Hand wurde aber nicht nur in Verbindung mit Treue gebracht. Wer als Rechtshänder in einer von Rechtshändern dominierten Welt seine Rechte einsetzt, agiert im Vergleich zur untrainierten Linken geschickter, so dass dexiov~ nicht nur „Glück verheißend“, sondern auch „geschickt“ bedeuten konnte. Der erste bisher bekannte Beleg für diese Bedeutung liegt bei Pindar vor. In der 5. Isthmischen Ode lobt Pindar den Allkämpfer Pytheas, der „geschickt mit der Hand, gewichtig gleich mit Verstand“ im Pankration agierte.121 Obwohl keine früheren Zeugnisse für dexiov~ in der Bedeutung „geschickt“ vorliegen – beispielsweise verwenden weder Homer ajristerov~ das Suffix –tero/a für Kontrastbegriffe. Vgl. dazu Schwyzer, Griechische Grammatik, Bd. 1, München 1939, 533f.; vgl. s.v. dexiterov~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd. 2, Sp. 247f. 113 Hom. Il. 13, 821-823: w;~ a[ra oiJ eijpovnti ejpevptato dexio;~ o[rni~, aijetov~ uJyipevth~: ejpi; d∆ i[ace lao;~ ∆Acaiw`n qavrsuno~ oijwnw`/.

114 Weitere Belege günstigen Vorzeichen aufgrund von rechtsfliegenden Vögeln: Hom. Il. 10, 274; Hom. Il. 24, 294; Hom. Od. 2, 154; Hom. Od. 15, 160.164; Hom. Od. 24, 312. Auch nach rechts zuckende Blitze galten als glücksbringende Zeichen: Hom. Il. 2, 353. 115 Hom. Il. 9, 236; vgl. auch Her. 7, 180, 5: diadevxion (…) to;n ei`lon. 116 Aristoph. Nub. 81; vgl. s.v. dexiav, Liddell-Scott, 378f.; erster bekannter Beleg für die Verbalform in den Hom. Hym. 6,16. 117 Hom. Il. 4, 159: (…) dexiai;, vh/`~ ejpevpiqmen. 118 Vgl. s.v. dexiovmai, Liddell-Scott, 379. 119 Diod. Sic. 37, 30, 2, 6; Plut. Pomp. 79; vgl. s.v. dexivwma, Liddell-Scott, 379; vgl. s.v. dexivwsi~, Pape, Bd. 1, 547. 120 Cass. Dio 58, 5, 3, 2; Cass. Dio 147, 8; Ios. Ant. Iud. 16, 56, 3; Soph. OC 619. 121 Pi. I. 5, 61: cersi; dexiovn, novw ajntivpalon; vgl. dazu Farnell, Critical Commentary to the Works of Pindar, Amsterdam 1961, 369f.; vgl. s.v. dexiov~, Slater, Lexicon to Pindar, Berlin 1969, 126.

2.2. Die griechischen Bezeichnungen für links

29

noch Hesiod dexiov~ in dieser Bedeutung122 – liegt wie bei skaiov~ die Vermutung nahe, dass die Assoziation von „rechts“ gleich „geschickt“ bereits zuvor im Sprachgebrauch verankert gewesen sein muss, denn nur unter dieser Bedingung erscheint eine korrekte Interpretation des Begriffs von Seiten der Zeitgenossen Pindars denkbar. Dafür spricht auch, dass dexiov~ als Personenname bereits in mykenischen Linear B-Texten in der Form Dexiwos bezeugt ist und angesichts einer sich nach menschlichen Eigenschaften orientierenden Namensvergabe wahrscheinlich „geschickt“ bedeutete.123 Des Weiteren findet sich die von dexiov~ abgeleiteten Namensform Dexiavdh~ bei Homer.124 Dass der Personenname Dexiov~ sowie seine zahlreichen daraus gebildeten Formen infolge seiner positiven Konnotation Anklang fand, dokumentieren auch zahlreiche Inschriften aus der griechischen Welt.125 Wie weit verbreitet jedoch der Gebrauch von dexiov~ als Wort für „geschickt“ vor und zur Zeit Pindars gewesen war, lässt sich aufgrund der schlechten Quellenüberlieferung in der archaischen Periode nicht eindeutig bestimmen. Aus einer Suche nach weiteren Belegen resultiert jedenfalls, dass dexiov~ als Ausdruck für „geschickt“ hauptsächlich im 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. bezeugt ist. In Plutarchs Hipparchos spricht beispielsweise Sokrates von denjenigen, „die im Reden vor Gericht geschickt sind“, oiJ dexioi; peri; tav~ divka~.126 Daneben kann auch die Form ejpidevxio~, in ihrer Grundbedeutung „nach rechts hin“ zur Bezeichnung von menschlicher Geschicklichkeit herangezogen werden.127 Aristoteles spricht in seiner Ars Rhetorica von oiJ ejpidevxioi, denjenigen, „die in der Lage sind, zu necken und sich eine Neckerei gefallen zu lassen.“128 Laut Plutarch zeigt derjenige Essmanieren, der Becher und Schüssel „geschickt“, ejpidexivw~, benutzt.“129 Als Gegenpart von skaiovth~ dient das von dexiov~ abgeleitete Substantiv dexiovth~: Themistokles erhält bei seiner Ehrung in Sparta den Preis für Klugheit und Gewandtheit, sofivh~ de; kai; dexiovthto~.130 Neben der Bedeutung „geschickt“ wird dexiov~ ab dem 6. Jahrhundert noch mit einer weiteren positiven Assoziation verbunden: Dexiov~ findet auch als Synonym für „klug, gescheit, gebildet“ Verwendung. Da im Griechischen für das Wort „klug“ 122 Vgl. s.v. dexiov~, Snell, Lexikon des frühgriechischen Epos, Bd. 2, Sp. 248. 123 Vgl. Neumann, Die homerischen Personennamen. Ihre Position im Rahmen der Entwicklung des griechischen Namensschatzes, in: Latacz (Hrsg.), Zweihundert Jahre Homer-Forschung. Rückblick und Ausblick, Stuttgart/Leipzig 1991, 322; zu den Benennungsmotiven bei griechischen Personennamen vgl. García-Ramón, Personennamen. II. Griechenland, Sp. 623–626. 124 Dexiavdh~: Hom. Il. 7, 15; vgl. dazu von Kamptz, Homerische Personennamen. Sprachwissenschaftliche und historische Klassifikation, Göttingen 1982, 120f., § 40b. 234, § 67b, 3; zu dexiov~ als Personenname s.v. dexiov~, Pape, Bd. 3, 282; Morpugo Davies, Greek Personal Names and Linguistic Continuity, in: Hornblower/Matthews (Hrsg.), Greek Personal Names. Their Value as Evidence, Oxford/New York 2000, 22. 125 Vgl. s.v. Devxio~, LGPN I, 122; LGPN II, 102; LGPN II, 102; LGPN IIIA, 121; LGPN, IIIB, 109. Einen Gesamtüberblick über alle Belege unter http://www.lgpn.ox.ac.uk. 126 Plut. Hipp. 225c7; vgl. auch Pi. I. 4, 61; Pi. N. 3, 8; Thuk. 3, 82, 7. 127 Vgl. s.v. ejpidevxio~, Liddell-Scott, 629. 128 Arist. Rhet. 1381a33: oiJ ejpidevxioi kai; tw`/ twqavsai kai; tw`/ uJpomei`nai. 129 Plut. Mor. 439E2. 130 Her. 8, 124, 9.

30

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

jedoch mehrere Adjektive mit jeweils unterschiedlichen Nuancen existieren, wie zum Beispiel sofov~ und xunetov~, stellt sich die Frage nach der semantischen Bedeutung von dexiov~. Einen ersten Anhaltspunkt bietet Thukydides, der das Adjektiv in seiner Analyse über die Entartung der Menschen im Bürgerkrieg verwendet. Laut Thukydides werden in Zeiten des Krieges negative menschliche Eigenschaften populär, positive dagegen unbedeutend. Daher kommt er auch zu dem Urteil: „Die meisten Menschen wollen lieber schlaue Bösewichte, als einfältige Ehemänner sein.“131 Der Begriff dexiov~ dient an dieser Stelle zur Angabe einer geistigen Begabung, die sich als besondere Raffiniertheit, als eine Art Cleverness, zeigt.132 Für den Gebrauch im Sinne von „gescheit“ und „gebildet“ finden sich in erster Linie bei Aristophanes illustrative Beispiele. Aristophanes gebraucht das Wort als Gegenstück zu skaiov~: Hat es Aristophanes mit einem ungebildeten Publikum zu tun, ärgert er sich über „dumme Gaffer“, skaiw`n qeatw`n133, weiß dafür jedoch „die Gescheiten unter dem Publikum“, tw`n qeatw`n o{sti~ evsti; dexiov~134, umso mehr zu schätzen. In Aristophanes’ Wespen bemerkt der Chorführer: „Oft schon kam mir’s vor meinen Sinn, ich sei doch grundgescheit, dexiov~, und der Dümmste gerade nicht, skaio;~ oujdepwvpote.“135 Der Überblick über das Wortfeld von dexiov~ hat die positive Konnotation von der rechten Seite in der griechischen Sprache vor Augen geführt. Dabei zeigte sich, dass dexiov~ nicht nur in seiner Grundbedeutung den Gegenpart von links bildete, sondern zugleich auch im übertragenen Sinn den griechischen Begriffen für links diametral gegenüberstand. Dexiov~ wurde im religiösen Kontext in der Bedeutung „Glück bringend“ als Kontrastbegriff zu ajristerov~ verwendet, fungierte aber auch mit seinen Bedeutungen „geschickt“ und „schlau“ als Gegenstück zu skaiov~. 2.3. DIE LATEINISCHEN BEZEICHNUNGEN FÜR LINKS Die lateinische Sprache besitzt mit laevus, scaevus und sinister drei Bezeichnungen für links.136 Dabei ist bemerkenswert, dass im Lateinischen gegenüber den drei Wörtern für „links“ zur Bezeichnung von „rechts“ mit dexter wie im Griechischen nur ein Ausdruck existiert.137 Der Gebrauch von drei Ausdrücken zeugt von der Größe und Bedeutung des Wortfeldes für die Sprecher und ihrem Bedürfnis, differenzieren zu können. Da es Synonyme im Sinn völlig bedeutungsgleicher Ausdrü131 Thuk. 3, 82, 7: ∆Ra`/on d∆ oiJ polloi; kakou`rgoi [o[nte~] dexioi; kevklhntai h[ ajmaqei`~ ajgaqoiv (…); vgl. Thuk. 3, 37, 3. 132 Vgl. Coray, Wissen und Erkennen bei Sophokles, 400. 406; Coray interpretiert dexiov~ im Vergleich zu sofov~ als eine Bezeichnung für eine negativ konnotierte Klugheit mit moralischer Anrüchigkeit, wobei sie dies allerdings nur auf die Verwendung des Begriffs bei Thukydides bezieht. 133 Aristoph. Vesp. 1013; vgl. dazu den Kommentar von MacDowell, Aristophanes. Wesps, Oxford2 1978, 138. 134 Aristoph. Eq. 228. 233. 135 Aristoph. Vesp. 1266a; vgl. auch Aristoph. Vesp. 65. 1175. 1314; Aristoph. Nub. 418. 136 Vgl. Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik, München 1965, 785f. 137 Vgl. s.v. rechts, Georges, Kleines Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch, Sp. 1930.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

31

cke nicht gibt, ist das Nebeneinander mehrerer Wörter, die unterschiedliche Aspekte des Begriffs abdecken, unter anderem auf soziale und psychologische Einflüsse zurückzuführen.138 Eine der Grundlagen für das Aufkommen synonymer Ausdrücke ist neben der Umschreibung infolge von Tabu die affektische Attraktion, die Wörter mit einem Affekt behaftet:139 Dort, wo bestimmte Affekte mit dem verwendeten Wort nicht vollständig ausgedrückt werden können, kommt es zu Wortneubildungen. Gerade in der religiösen Sprache lässt sich dieses Phänomen für die Bezeichnung von „links“ beobachten. Da die linke Seite im Rahmen religiöser Handlungen je nach Religion sowohl positive als auch negative Assoziationen hervorrief, sollten Neubildungen des Wortes das affektische Potential besser zum Ausdruck bringen. Bekanntlich wurden in der griechischen Sprache die mit einer negativen Konnotation behafteten Ausdrücke skaiov~ und laiov~ durch die Euphemismen ajristerov~ sowie eujwvnumo~ ersetzt.140 Aufgrund dieser Überlegungen stellt sich die Frage, ob eine derartige Erklärung auch für das Lateinische mit seinen drei Bezeichnungen für links seine Gültigkeit besitzt. Konzentrieren wir uns zunächst auf die Bezeichnung scaevus.141 Der Terminus ist wahrscheinlich in früher Zeit aus dem Griechischen von dem Wort skaiov~ entlehnt worden.142 Der negativ konnotierte Charakter von skaiov~ klingt auch bei der Verwendung von scaevus deutlich an: scaevus wird auch in der lateinischen Sprache fast ausschließlich abwertend gebraucht. Eine einzige Ausnahme findet sich bei Plautus, der den Begriff im auguralen Kontext diametral zum Griechischen im Sinne von „günstig“, „Glück bringend“ benutzt, weil in der römischen Divination im Gegensatz zur griechischen ein göttliches Zeichen von der linken Seite positiv gedeutet wurde.143 Daher spricht der Sklave Sagarinus in Bezug auf seine glückliche Heimkehr nach Athen von einem günstigen Omen, bona scaeva strenaque obviam occessit mihi.144 Die Verwendung von scaevus war wohl zur Zeit des Plautus auf die Auguralsprache beschränkt, denn nur so ist es verständlich, dass der Begriff, je mehr die Römer Griechisch konnten145, in diesem Bereich allmählich außer Gebrauch geriet, weil die negative Konnotation von links im Griechischen gerade dort als störend empfunden werden musste. Als „Ersatz“ für scaevus gab man daher dem neutralen Wort laevus mit seiner Grundbedeutung „link“ sowie der Be-

138 Vgl. Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik, Allgemeiner Teil, 83. 139 Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik, 785f.; vgl. auch Hofmann, Altitalische Dialekte, in: Friedrich u. a., Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Festschrift für Wilhelm Streitberg, Heidelberg 1924, 385; zum Tabu und Euphemismus im Lateinischen vgl. Varela, Tabú y Eufemiso en Latín, Amsterdam 1997. 140 Vgl. Opelt, Euphemismus, RAC 6, Sp. 948–950; siehe auch Kapitel 2.2. 141 Vgl. s.v. scaevus, OLD, 1698. 142 Vgl. Ernout/Meillet, Dictionaire étymologique de la langue latine, Paris4 1979, 597f.; Walde/ Hofmann, Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, Heidelberg3 1954, 485f. 143 Vgl. Menge, Lateinische Synonymik, Heidelberg7 1988, 204; zur Bedeutung der linken Seite im römischen Auguralwesen siehe beispielsweise Cic. Div. 2, 82 sowie Kapitel 3.3. 144 Plaut. Stichus 672; vgl. auch Plaut. Pseud. 1138. 145 Zur immer ausgeprägteren Verwendung des griechischen Bedeutungsfeldes „links“ durch römischen Autoren vgl. Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, 58.

32

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

zeichnung sinister innerhalb der Auguralsprache den Vorzug.146 Bereits Ennius berichtet von laeva volavit avis laevum signum.147 Dass ursprünglich in der religiösen Sprache der Römer zwischen scaevus und sinister eine Kohärenz vorhanden war, markiert Varro in seiner Lingua Latina, in der er über scaevus schrieb: Ea dicta ab scaeva, id est sinistra, quod quae sinistra sunt bona auspicia existimantur.148 Weiterhin ist auffällig, dass scaevus im Vergleich zu sinister und laevus auch außerhalb des sakralen Bereichs nur relativ selten bei römischen Autoren zu finden ist. Erst zur Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. häufen sich die Zeugnisse. In Apuleius’ Metamorphosen wird dem Chaldäer Diophanes fortunam scaevam, „trauriges Pech“ in Geldgeschäften nachgesagt.149 An anderer Stelle erfährt man, dass ein „Fehlschlag“, scaevus eventus, einen gut durchdachten Einbruch zum Scheitern verurteilte.150 Lucius beschreibt die Frau des Müllers als ein lasterhaftes Weibsluder, das nicht nur „verhurt und versoffen, stur und starrköpfig, habgierig im schnöden Wegnehmen, hemmungslos im liederlichen Ausgeben, dem Anstand nicht freund, der Sittsamkeit feind“, sondern auch „herrisch und närrisch“, saeva scaeva gewesen sei.151 Ferner gebraucht Apuleius das Wort scaevitas im Sinn von „Unglück“, „Pech“, „Verkehrtheit.“152 Auch Gellius greift den Begriff scaevitas in der Praefatio seiner Noctes Atticae pejorativ auf, um sich herablassend über die Verkehrtheit und den Neid seiner ungebildeten Kritiker, male doctorum scaevitas et invidentia, zu äußern.153 Bei der Aufzählung der negativen Charaktereigenschaften des Menschen vergisst Gellius auch nicht, auf die „Ungefügigkeit“, scaevitas, hinzuweisen.154 In den Texten der Kirchenväter taucht scaevus wieder verstärkt auf, etwa bei Ambrosius, der in seinem Kommentar zum Lukasevangelium mehrmals auf die scaeva interpretatio aufmerksam macht.155 Die zweite Bezeichnung laevus geht wohl wie das griechische Wort laiov~ auf einen gemeinsamen indogermanischen Ursprung zurück und wird im Lateinischen vorwiegend poetisch für „links“ gebraucht.156 Auch hier finden sich wie bei scaevus Belege mit positiver Konnotation im römischen Auguralwesen, beispielsweise bei Ennius157 oder Vergil158, jedoch überwiegt die Verwendung im übertragenen 146 Auch das griechische Wort laiov~ wird ausschließlich neutral gebraucht. Vgl. Chantraine, Dictionnaire étymologique de la langue grecque, 614; zu sinister siehe ausführlich S. 34–36. 147 Enn. Ann. 1, 92; siehe dazu Skutsch, The Annals of Q. Ennius, edited with Introduction and Commentary, Oxford 1985, 234. 148 Varro L. L. 7, 97. 149 Apul. Met. 2, 13, 2. 150 Apul. Met. 4, 19, 1. 151 Apul. Met. 9, 14, 4: saeva scaeva, virosa ebriosa, pervicax pertinax, in rapinis turpibus avara, in sumptibus foedis profusa, inimica fidei, hostis pudicitiae. 152 Apul. Met. 3, 14, 3: fortunae scaevitas; Apul. Met. 4, 2, 4: fortunae meae scaevitatem; Apul. Met. 7, 3, 5: fortunae scaevitate. 153 Gell. praef. 20. 154 Gell. 7, 2, 8. 155 Ambr. Expositio evangeli secundum Lucan 4, 31, 12f. 156 Vgl. Ernout/Meillet, Dictionaire étymologique de la langue latine, 338; Walde/Hofmann, Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, 750f. 157 Enn. Ann. 3, 146: de caelo laevum dedit inclytus signum. 158 Verg. Aen. 2, 693: intonuit laevum.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

33

Sinn, um sich abwertend über Personen oder Ereignisse zu äußern.159 Martial klagt in seinem Nachruf auf seinen in Kappadokien gefallenen Freund Rufus Camonus über das unmenschliche kappadokische Land, das sich unter einer „verhängnisvollen Gottheit“, numine laevo, zeigte.160 Horaz bezeichnet eine ungünstige Zeit, um einen Freund zu stören, als tempore laevo.161 In seiner Ars Poetica nennt sich Horaz einen Dummkopf, o ego laevus, da er anstatt selbst carmina zu schreiben, ein Werk über die Kunst der Poesie verfasst.162 Auch Vergil gebraucht laevus: Aeneas berichtet Dido, dass die Troer auf die Warnung Laokoons gehört hätten, „wenn nicht göttliche Fügung, verblendeter Sinn“ sie bezwungen hätte, si fata deum, si mens non laeva fuisset (…).163 Außer der Feststellung, dass bei den beiden Begriffen scaevus und laevus im übertragenen Sinn der pejorative Charakter dominant ist, sei noch auf eine weitere Gemeinsamkeit hingewiesen: Beide gehören genauso wie ihre griechischen Entsprechungen skaiov~ und laiov~ zu der Gruppe der indogermanischen Adjektive mit einem Diphtong, die wie kaikov~/caecus, „blind“, einen menschlichen Fehler beschreiben.164 Zu dieser Gruppe zählen unter anderem die Wörter für „lispelnd“, blaesus, „hässlich“, taeter oder „leicht schielend“, paetus, so dass angenommen werden kann, dass auch eine übermäßige Benutzung der linken Hand ursprünglich als fehlerhaft betrachtet wurde.165 Die Wahrnehmung der körperlichen „Verkehrtheit“ findet sich auch in der römischen Onomastik, wo die Cognomina Laevus und Scaeva bzw. Scaevus belegt sind.166 Während das Cognomen Dexter für „geschickt, klug, erfahren“ steht, folglich positive geistige Eigenschaft suggeriert167, dienen Laevus, Scaevus oder Scaeva nach Ansicht von Kajanto dazu, körperliche Besonderheiten im pejorativen Sinn anzuzeigen.168 Kajantos Kategorisierung muss allerdings mit Vorsicht genossen werden und bedarf einer präziseren Auslegung, denn allein vom Namen her ist es unmöglich, auf irgendeine Form körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung seines Trägers oder seiner Trä-

159 160 161 162 163 164

165 166 167 168

Vgl. s.v. laevus, OLD, 997. Mart. 6, 85, 3. Hor. Sat. 2, 4, 4. Hor. Ars 301. Verg. Aen. 2, 52; vgl. auch Verg. Ecl. 1, 16. Vgl. de Saussure, Adjectifs indo-européens du type caecus « avuegle », in: de Saussure (Hrsg.), Recueil des Publications scientifiques, Heidelberg 1922, 595–599; Leumann, Lateinische Lautund Formenlehre, Neuausg. München 1977, 60; Varela, Tabú y Eufemiso en Latín, 511: „Ciertamente, aparte de las críticas puntuales que se le puedan hacer a Saussure, parece que, dentro de un estadio indoeuropeo, los adjetivos del ámbito semántico descrito tendían a caracterizarse por elementos morfológicos concretos: vocal radical -a- o diphtongos -ai-, -au-, y sufijo -ko-; pensar, como Saussure, que la frecuencia de tales formantes en esos adjetivos se deba a una analogía, a una extensión a partir de un modelo más antiguo, no parece descabellado.“ Zur linken Körperseite des Menschen siehe ausführlich Kapitel 3.1. Beispielsweise Laevus: CIL 3, 4996; Scaeva: CIL 12, 459; Scaevus: CIL 2, 396; vgl. Kajanto, The Latin Cognomina, Helsinki 1965, 242f. Kajanto, The Latin Cognomina, 250. Kajanto, The Latin Cognomina, 242f.; die pejorative Konnotation sieht Kajanto auch in der Suffixendung –a bei Scaeva mitschwingen. Kajanto, The Latin Cognomina, 106: „Like many loan-suffices, this suffix had a pejorativ connotation in Latin.“

34

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

gerin zu schließen.169 Deshalb erscheint es eher plausibel, dass Beinamen, die wie moderne Spitznamen körperliche Defizite hervorheben, in ihrer „Entstehungszeit“ ihren ersten Trägern mit dieser pejorativen Intension beigelegt worden sind, aber später, wenn diese es zu Ruhm und Ansehen brachten, von ihren Nachfahren beibehalten wurden und ihren ursprünglich negativen Charakter verloren. In unserem Kontext bietet dafür C. Mucius Cordus Scaevola ein illustratives Beispiel, dessen Beiname Scaevola, zu Deutsch etwa „Linkshänderchen“, zu der Bezeichnung schlechthin seiner berühmten Familie werden sollte.170 Auch wenn daher Cognomina wie Scaevus oder Laevus sich anscheinend als normale Beinamen etablierten und mit der Zeit gewiss ihren ursprünglichen pejorativen Charakter einbüßten, so verrät allein schon ihre Existenz neben dem Beinamen Dexter, dass körperliche Unterschiede oder Besonderheiten wahrgenommen wurden.171 Unabhängig davon, inwieweit diese Wahrnehmung auch die Bewertung von Linkshändern beeinflusste, wurde das Phänomen offenbar als körperliche Eigenart betrachtet im Vergleich zum Rechtshänder, der wohl eher der normalen Vorstellung entsprach. Vor dem Hintergrund des semantischen Wortfeldes von scaevus erscheint es bezeichnend, wenn ein „Linkshänder“ in der lateinischen Sprache scaeva genannt wurde.172 Das Wort sinister, ein alter Auguralterminus mit der Bedeutung „Glück bringend“173, wurde erst sekundär um das auch im Gegenpart dexter enthaltene Kontrastsuffix –tero erweitert.174 Von da an bedeutete sinister „links“.175 Dass jedoch außerhalb der religiösen Fachsprache sinister überwiegend negativ konnotiert war176, illustrieren exemplarisch zwei römische Grabinschriften aus der Provinz

169 Gerade Cognomina mit pejorativer Bedeutung finden sich in der Regel bei freien Bürgern, in republikanischer Zeit vor allem bei Angehörigen der Nobilität. Vgl. Rösger, Der Umgang mit Behinderten im römischen Reich, in: Liedtke (Hrsg.), Behinderung als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte, Bad Heilbrunn 1996, 140f. 170 Zu C. Mucius Cordus Scaevola vgl. Münzer, Mucius (Nr. 10), RE 16, 1, Sp. 416–423; bekannt sind ferner zum Beispiel der Jurist Q. Mucius Scaevola. Vgl. Münzer, Mucius (Nr. 22), Sp. 437–446; Kajanto, The Latin Cognomina, 105. 243; siehe auch Kapitel 5.1. 171 Vgl. Rösger, Der Umgang mit Behinderten im römischen Reich, 141. 172 Das Wort scaeva zur Bezeichnung eines Linkshänders begegnet auf Gladiatoreninschriften. Beispielsweise CIL 6, 10180. Literarisch zuerst belegt bei Sen. Contr. 3 pr. 10. Vgl. s.v. scaeva, OLD, 1698. 173 Fest. (Lindsay), p. 454, s.v. sinistrae aves; Engels, Das römische Vorzeichenwesen (753–27 v. Chr.). Quellen, Terminologie, Kommentar, historische Entwicklung, Stuttgart 2007, 285. 174 Zum Kontrastsuffix –tero bei sinister vgl. Leumann, Lateinische Laut- und Formenlehre, 316– 318. 175 Vgl. Ernout/Meillet, Dictionaire étymologique de la langue latine, 628; Walde/Hofmann, Etymologisches Wörterbuch, Bd. 2, 544f.; der Gebrauch im Auguralwesen zeigt sich beispielsweise bei Fest. (Lindsay), p. 476, s.v. sinistrum: sinistrum in auspicando significare ait Ateius Capito laetum et prosperum auspicium; Ov. Trist. 1, 9, 49: haec mihi non ovium fibrae tonitrusve sinistri; weitere Theorien über die Etymologie von sinister bei Pisani, Lat. sinister, in: AGI 65, 1980, 104f., der sinister als eine von sinus abgeleitete Form interpretiert; Bonfante, L’etimo del lat. sinister (it. Sinistro), in: RAL 36, 1981, 187f. Bonfante sieht bei sinister eine etymologische Verwandtschaft zur Wurzel von senex vorliegen, da die linke Hand genauso schwach wie ein alter Mann sei. 176 Vgl. s.v. sinister, OLD, 1769f.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

35

Mauretania Caesariensis.177 Zu Beginn des ersten Grabepigramms weist die Verstorbene darauf hin, dass sie infolge eines „unglücklichen Schicksals“ aus ihrem Leben gerissen wurde: ego quae iaceo fatis sum rapta sinistris / secta meis semper dulcis ubique fui.178 Die gleiche Thematik greift auch die zweite Inschrift auf, in welcher der Tod als „Unglück“ beklagt wird: (…) quis obitus noster est sinister.179 Zugleich lässt sich die Wahrnehmung von „links“ als der im Vergleich zu rechts „verkehrten, falschen“ Seite den Quellen entnehmen: „Überdies ist die Welt nicht so verkehrt eingerichtet“, stellt Plinius in seinem Panegyricus auf Kaiser Traian fest, „dass wir nicht nur einen schlechten, aber keinesfalls einen guten Princeps nachahmen können.“180 In diesen Kontext lassen sich auch die Konstruktionen natura sinistra181 und lege sinistra182 einordnen. Plinius prägt für „ungeschicktes, unangebrachtes Verhalten“ den Begriff sinisteritas. Er macht beispielsweise seinen Freund Tiro darauf aufmerksam, dass viele Statthalter befürchten, in den „Ruf der Ungeschicktheit oder gar Böswilligkeit“, sinisteritatis atque etiam malignitatis famam, zu geraten, wenn sie die Gunst der lokalen Eliten und Bevölkerung für sich gewinnen wollen.183 An anderer Stelle macht er seinem Ärger über scheinbar bedeutende Literaten Luft, denen er außer pigritia, adrogantia noch den Vorwurf der „Unbeholfenheit“, sinisteritas, macht.184 Über sinistra fama, einen „schlechten Ruf“, konnten aber auch schon Staatsmänner vor Antritt ihrer Statthalterschaft in einer Provinz verfügen, wie etwa Tacitus an mehreren Stellen angibt.185 Das Verbleiben im politischen Bereich lohnt, denn besonders in der Politik tritt der Widerstreit der Interessen, der sich im Schimpfwort entlädt, nirgends deutlicher zutage als in der politischen Sprache.186 Zu Beginn des vorherigen Kapitels wurde festgestellt, dass das Wortfeld „links“ unter anderem in der deutschen Sprache verwendet wird, um Personen zu diskreditieren. Diese Überlegung wirft die Frage auf, ob nicht auch in der politischen Polemik der Römer Schimpfwörter aus diesem Wortfeld existieren, zumal die vorwiegend negative Konnotation reichlichen Spielraum bieten würde. Ein Bereich in den verbalen Auseinandersetzungen feindlicher Staatsmänner konzentriert sich auf die 177 AE 1985, 956 (= EDH HD002876); AE 1985, 958 (= EDH HD002882); zu beiden Inschriften vgl. Leveau, Nouvelles inscriptions de Cherchel (3. serie), in: BAA 7, 1977–1979 (1985), 149f. 178 AE 1985, 958; vgl. auch Iuv. Sat. 10, 129: dis ille adversis genitus fatoque sinistro. 179 AE 1985, 956. 180 Plin. Paneg. 45, 5: porro non tam sinistre constitutum est, ut, qui malum principem possumus, bonum non possimus imitari. 181 Phaedr. Fab. 2 ep. 16. 182 Stat. Sil. 3, 4, 76; vgl. Verg. Aen. 11, 346, wo Drances Turnus „verkehrtes Benehmen“, mores sinistros, vorwirft. 183 Plin. Epist. 9, 5, 2. 184 Plin. Epist. 6, 17, 3. 185 Tac. Ann. 6, 32, 5: et cunctis quae apud Orientem parabantur L. Vitellium praefecit. Eo de homine haud sum ignarus sinistram in urbe famam, pleraque foeda memorari; Tac. Ann. 11, 19, 3; Tac. Agr. 5,3. 186 Vgl. Opelt, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte Erscheinungen. Eine Typologie, Heidelberg 1965, 125.

36

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

Kritik am Privatleben des Politikers.187 Die Kritik arbeitet unter anderem mit dem Vorwurf der unerlaubten Bereicherung.188 In diesem Zusammenhang beschreibt Catull Porcius und Socration, die Piso in seine Provinz begleiten wollen, natürlich, um sich zu bereichern, als die beiden „Linken des Piso, Räude und Hunger der Welt“, Porci et Socration duae sinistrae Pisonis scabies famesque mundi.189 Wenn Catull die beiden als „Pisos Linke“ bezeichnet, so meint er damit „Diebeshände“, galt die linke Hand doch als die Hand des Diebstahls.190 Zur politischen Polemik gehört ferner, dass selbstherrliche Machtausübung schon früh als königsgleiche Herrschaft denunziert wurde.191 Hierfür bot sich die Anrede als Romulus an. Romulus war ursprünglich ein Ehrenname, mit dem etwa Camillus als Retter der Stadt gepriesen wurde192, aber schon Sullas Benennung als scaevus iste Romulus in einem Historienfragment Sallusts prangerte eine schlimme Herrschaft an.193 Angesichts der nahezu durchweg negativen Bewertung der lateinischen Begriffe für „links“ erscheint es naheliegend, für das lateinische Wort „rechts“, dexter, eher eine positive Konnotation zu vermuten. Walde-Hofmann bestätigt diese Annahme, denn dexter kann außer „rechts“ auch „Glück bringend“, „günstig“ oder „gewandt“ bedeuten.194 Aus dem breiten Spektrum an Zeugnissen195 seien zwei Beispiele genannt: Das Gegenteil zum ungünstigen Zeitpunkt, tempore laevo196, bezeichnet Horaz als dextro tempore.197 Um der Liebe Dauer zu verleihen, erteilt Ovid in dem zweiten Buch seiner Ars Amatoria den Ratschlag: „Geschickte Nachgiebigkeit vor allem gewinnt die Herzen.“198 In den gleichen Kontext lässt sich auch der Begriff dexteritas einordnen, der somit das Gegenstück zur „Ungeschicklichkeit“, sinisteritas oder scaevitas, markiert.199 Als positive Charaktereigenschaft eines römischen Feldherren führt Livius unter anderem dexteritas auf, die beispiels187 Opelt, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte Erscheinungen, 129. 149–152. 188 Opelt, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte Erscheinungen, 145–148. 189 Cat. 47, 1f.; vgl. dazu Opelt, Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte Erscheinungen, 151f.; Syndikus, Catull. Eine Interpretation. Erster Teil. Die kleinen Gedichte (1–160), Darmstadt 2001, 243f.; zu Catull und die Politik vgl. Syndikus, Catull und die Politik, in: Gymnasium 93, 1986, 34–47. 190 Vgl. Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Hildesheim 1965, 43, 111; zur linken Hand als Hand des Diebstahls siehe ausführlich Kapitel 4.3.2. 191 Vgl. Syndikus, Catull und die Politik, 42. 192 Liv. 5, 49, 7. 193 Sall. Hist. Frg. 1, 4, 45 M. 194 Vgl. Walde/Hofmann, Etymologisches Wörterbuch, Bd. 1, 346f.; Ernout-Meillet, Dictionaire étymologique de la langue latine, 171; der Begriff „rechts“ ist auch im Deutschen positiv konnotiert, beispielsweise in den Redewendungen „nach dem Rechten sehen“ oder „recht und billig“. Vgl. s.v. recht, Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 5, Mannheim/ Wien/Zürich 1980, 2111. 195 Vgl. s.v. dexter, OLD, 535; erwähnt sei, dass bereits in der römischen Literatur ein unentbehrlicher Helfer als „rechte Hand“ bezeichnet wird. Siehe Cic. Att. 14, 20, 5: Quintus filius (…) Antoni est dextella. Vgl. dazu Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 72f. 196 Hor. Sat. 2, 4, 4. 197 Hor. Sat. 2, 1, 18. 198 Ov. Ars 2, 145: Dextra praecipue capit indulgentia mentes. 199 Vgl. s.v. dexteritas, OLD, 535.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

37

weise zu Scipios Verhandlungsgeschick entscheidend beitrug: „Scipio besaß aber so viel Freundlichkeit und natürliche Gewandtheit für jede Lage, dass er nicht nur Syphax, einen Barbaren, der mit der römischen Sitte nicht vertraut war, sondern auch seinen grimmigsten Feind durch seine gefällige Art des Umgangs für sich einnahm.“200 Erinnert sei ferner an den Gebrauch von Dexter als Cognomen, das Kajanto als Synonym für „skilful, prudent, experienced“ deutet.201 Zusammenfassend bleibt für das lateinische Bedeutungsfeld von „links“ folgendes festzuhalten: Scaevus, laevus und sinister können neben ihrer Grundbedeutung auch im übertragenen Sinn für „unglücklich, ungünstig, ungeschickt, verkehrt“ und „dumm“ stehen. Obwohl die Gemeinsamkeiten mit dem ebenfalls negativ ausgerichteten Wortfeld der griechischen Ausdrücke für links mehr als deutlich erkennbar sind, bringt das lateinische Bedeutungsspektrum von links dennoch einen eindeutigen Unterschied zutage, der zugleich ein Spezifikum der lateinischen Sprache bzw. der römischen Religion darstellt: Innerhalb der römischen Auguralsphäre bedeuten alle drei Begriffe „Glück bringend“, sind folglich positiv konnotiert und stehen damit der griechischen Auffassung von links diametral gegenüber. Auch im Hinblick auf die Frage, warum die lateinische Sprache über mehrere Begriffe für links verfügt, kommt im Vergleich zum Griechischen eine andere Entwicklung zum Vorschein. Eine Erklärung, die analog zum Griechischen das Phänomen der drei lateinischen Begriffe als Euphemismus bzw. Tabu deutet202, trifft nämlich nicht den Kern der Wahrheit, da alle drei Wörter mehr oder weniger koexistieren.203 Gerade die Bandbreite an koexistierenden Ausdrücken veranschaulicht das Interesse der Römer zur Differenzierung, die sich beispielsweise in der positiven Bewertung der drei Begriffe als Terminus Technicus der Auguralsprache niederschlug. Der aus dem Griechischen übernommene Ausdruck scaevus war zur Zeit des Plautus in der Sakralsprache vorhanden gewesen, geriet aber nach Plautus außer Gebrauch, weil sich die im Griechischen bezeugte negative Konnotation nicht mit der römischen positiven Bewertung von links vereinbaren ließ. Stattdessen griff man neben der Bezeichnung sinister auf das ererbte und ursprünglich neutrale Wort laevus zurück, das sich im Vergleich zu scaevus als geeigneter zur Verwendung im sakralen Kontext erwies. Das Wiederaufkommen von scaevus gegen Mitte des 2. Jahrhunderts steht nicht nur im Zeichen der allgemeinen archaistischen Mode, sondern sein pejorativer Gebrauch unterstreicht ebenfalls, dass die Vorstellung von links als Unheil bringende Seite innerhalb der römischen Welt dominierend war.204 Diese Dominanz sollte sich auch im Bereich der römischen Religion immer ausgeprägter bemerkbar machen. 200 Liv. 28, 18, 6: Tanta autem inierat comitas Scipioni atque ad omnia naturalis ingenii dexteritas, ut non Syphacem modo, barbarum insuetumque moribus Romanis, sed hostem etiam infestissimum facunde adloquendo sibi conciliarit ; vgl. Liv. 37, 7, 15; Gell. 13, 17, 1. 201 Kajanto, The Latin Cognomina, 249f.; siehe auch Seite 33f. 202 Vgl. Hofmann/Szantyr, Lateinische Syntax und Stilistik, 785f. 203 Vgl. Varela, Tabú y Eufemiso en Latín, 168. 204 Kurz und prägnant formuliert bei Isid. Orig. 10, 253: Scaevus, sinister atque perversus, ajpo; tou` skaiou`. Est enim pessimi et crudelis animi.

38

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

Untersucht man Quellen aus der späten Republik und der frühen Kaiserzeit, kann man beobachten, dass die im auguralen Kontext vorherrschende positive Konnotation der lateinischen Ausdrücke für links allmählich abnimmt und schließlich sogar gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. ganz verschwindet.205 Inwieweit sinister Verwendung fand, um schlimme Vorzeichen zu benennen, manifestiert sich beispielsweise in einem Gebet aus Ovids 13. Heroidenbrief, in dem Laodamia die Götter anfleht: Di, precor, a nobis omen removete sinistrum.206 Auch von links kommende Vögel galten jetzt als schlechte Vorzeichen, was zum Beispiel Phyllis gegenüber Demophon bemerkt: „Und dir gab ich mich hin trotz unheilbringender Zeichen (avibus sinistris), als du den keuschen Gurt löstest mit tückischer Hand.“207 Horaz hofft für Galatea: „Mögest du glücklich denn sein, wo immer du vorziehst zu verweilen (…) dir möge nicht zur Linken verwehren den Weg ein Specht (laevus picus) noch eine schweifende Krähe.“208 Vor allem an dieser Stelle tritt der Bedeutungswandel deutlich vor Augen, denn nach alter Auguralauffassung galten ein von links herbei fliegender Specht und eine Krähe als Boten des Glücks: „Wohin nur die Vögel günstigen Erfolg versprechen, der Specht und die Krähe geben von links, der Rabe und die Eule von rechts günstige Vorzeichen.“209 Bei den aufgeführten Beispielen zeigt sich der griechische Einfluss auf dem Gebiet der römischen Literatur: Links wird im Bereich der Divination mit „ungünstig“ assoziiert. Dafür mag freilich auch der griechische Kontext, in dem die Szenen situiert sind, eine Rolle gespielt haben; vergleicht man ferner die Stellen von Ovid und Horaz mit entsprechenden Szenen des Plautus, der trotz griechischen Milieus an den römischen Auguralpraktiken festhielt210, so wird erkennbar, dass die negative Sichtweise von links sich allmählich auch in der römischen Vorstellung von der Zeichendeutung etablieren konnte. Diese Entwicklung klingt bei Valerius Maximus an, der sogar in einem rein römischen Kontext bemerkt, dass bestimmte 205 206 207 208

Vgl. Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, 57. Ov. Her. 13, 49. Ov. Her. 2, 115: cui mea virginitas avibus libata sinistris. Hor. Carm. 3, 27, 14–16: Galatea, vivas, teque nec laevus vetet ire picus, nec vaga cornix; vgl. zur Stelle den Kommentar von West, Horace Odes III. Dulce Periculum. Text, Translation and Commentary, Oxford 2002, 228. 209 Plaut. Asin. 259–261: quovis admittunt aves, picus et cornix ab laeva, corvos, parra ab dextera consuadent; das Verb admittere ist ein Terminus technicus der Auguralsprache im Sinne von „günstige Zeichen versprechen.“ Vgl. Liv. 1, 55, 3: aves rite admittunt; zu Plaut. Asin. 259–261 siehe ferner den Kommentar von Bertini, Asinaria cum commentario exegetico, Genova, 1968, 200; vgl. zur komplizierten Deutung verschiedener Vogelarten im Auguralwesen Linderski, The Augural Law, ANRW II, 16, 3, 1986, 2284f.; zum Specht im antiken Mythos, im Volksglauben und in der Divination vgl. Steier, Specht, RE 3A, 2, Sp. 1549–1551. Steier interpretierte jedoch die Textstelle aus Plautus’ Asinaria falsch, da er den Specht hier wie bei Hor. Carm. 3, 27, 15 als Unglück bringenden Vogel deutete; von links fliegende Krähe als Glück verheißendes Zeichen: Cic. Div. 1, 85. 210 Ein avis sinistra bescherte bei Plautus ein auspicium liquidum, ein günstiges Zeichen. Plaut. Pseud. 761f.: Omnis ordine sub signis ducam legiones meas, avi sinistra, auspicio liquido atque ex sententia; siehe auch Plaut. Epid. 184; laut Engels weisen nur Beispiele aus der Traumdeutung bei Plautus bereits auf das Eindringen hellenistischer deterministischer Vorstellungen hin. Siehe Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 247.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

39

Menschen auch unter „schlechten Vorzeichen“ (sinistris quidem auspiciis) ihre Freunde nicht im Stich lassen.211 Im Zuge dieser Entwicklung wird ein weiteres Phänomen greifbar: In demselben Maße, wie sich links in der Bedeutung „ungünstig“ nach und nach auf literarischer Ebene etablierte, setzte sich auch die Verwendung von dexter im Sinne von dexiov~ gleich „günstig“ immer stärker durch. Erkennbar wird dies beispielsweise in der römischen Gebetssprache. Vergil benutzt als erster lateinischer Autor anstelle des geläufigen Terminus propitius im Sinne von „günstig, geneigt“ die Bezeichnung dexter, um die Gunst der Gottheit zu erbeten: et nos et tua dexter adi pede sacra secundo.212 Auch außerhalb des Gebetskontextes greift Vergil auf das Adjektiv zurück, beispielsweise wenn er die Göttin Fortuna beschreibt.213 Es ist bezeichnend, wenn Servius in seinem Kommentar zu Fortuna dextra schreibt: favens: propitia ut laeva contraria. Weitere Autoren sollten Vergils Beispiel folgen.214 Quintilian gebraucht anstelle der in der römischen Gebetssprache üblichen Formel volens ac propitius bei seiner Anrufung an Kaiser Domitian die Variation dexterque ac volens adsit.215 Vermutlich trug auch eine Adaption orientalischer Riten in Rom, beispielsweise das laut Plutarch nach Brauch der Perser vollzogene Abschlagen der rechten Hand als Bestrafung von Feinden oder die gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. einsetzende Verbreitung rechter Votivhände orientalischer Gottheiten216, dazu bei, die Wahrnehmung und positive Bedeutung der rechten Hand inklusive der rechten Seite weiter zu intensivieren.217 Als Folge dieses Bedeutungswandels konnten auch von rechts kommende Vögel von römischen Poeten wie etwa Properz als Glück bringende Vögel interpretiert werden: „Rom sei mir günstig gestimmt, für dich entsteht ein Werk: Bürger, spendet Vorzeichen, und ein Glück verheißender Vogel (dextera avis) soll zu meinem Beginnen singen.“218

211 Val. Max. 4, 7, 2: (…) sinistris quidem auspiciis amicitiae condicionem secuti (…). 212 Verg. Aen. 8, 302; vgl. Hickson, Roman Prayer Language. Livy and the Aneid of Vergil, Stuttgart 1993, 57. 213 Verg. Aen. 2, 387f.: (…) Fortuna salutis monstrat iter, quaque ostendit se dextra, sequamur. 214 Weitere Belege bei Böhmer, P. Ovidius Naso. Die Fasten, Bd. 2. Kommentar, Heidelberg 1958, 14 . 215 Quint. Inst. 4, praef. 5. 216 Siehe dazu Kapitel 4.2.1. 217 Plut. Artaxerxes 13, 2, 3f.: kata; dhv tina novmon Persw`n hJ dexia; cei;r ajpekovph; M. Antonius ließ Ciceros rechte Hand abschlagen und öffentlich ausstellen. Vgl. Plut. Antonius 20, 2, 2f.; Cass. Dio 47, 8; das Abschlagen der rechten Hand als persischer Brauch: Xen. Anab. 1, 10, 1, 2; zum orientalischen Einfluss auf die römische Kultur vgl. Flaig, Über die Grenzen der Akkulturation. Wider die Verdinglichung des Kulturbegriffs, in: Vogt-Spira/Rommel (Hrsg.), Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit Griechenland als europäisches Paradigma, Stuttgart 1999, 84. 95; Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 780. 788. 218 Properz 4, 1, 67f.: Roma, fave,tibi surgit opus, date candida cives, omina, et inceptis dextera cantet avis; vgl. dazu Richardson, Propertius. Elegies I–IV, Oklahoma 1977, 419; dagegen verwendet Properz sinister als Bedeutung für „unglücklich.“ Vgl. Properz 3, 25, 12; dazu Richardson, Propertius. Elegies I–IV, 412; Properz 4, 1, 150; zur Haltung des Properz zur Divination vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 256.

40

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

Wie bereits erwähnt, trug zu dieser Entwicklung sicherlich die Übernahme der griechischen Sichtweise auf dem Gebiet der römischen Literatur bei. Zu dieser Schlussfolgerung kam bereits Alois Gornatowski im Rahmen seiner 1936 verfassten Dissertation „Rechts und links im antiken Aberglauben“: „Gegen Ende der Republik macht sich im römischen Sprachgebrauch eine immer stärker werdende Bevorzugung der Worte dexter und sinister in der übertragenen Bedeutung günstig bzw. ungünstig bemerkbar, die im stetig wachsenden kulturellen (besonders literarischen) Einfluss der Griechen in Rom ihre Erklärung findet.“219 Der griechische Einfluss kann nicht von der Hand gewiesen werden, doch müssen zwei weitere Faktoren ebenfalls gebührend berücksichtigt werden: Erstens die Bedeutung des Volksglaubens außerhalb der auguralen Sphäre220 und zweitens die Entwicklung des Auguralwesens selbst, denn die positive Assoziation der linken Seite leitete sich ausschließlich aus diesem Bereich der römischen Divination ab, konkret aus der Vorstellung von links erscheinenden Vögeln, Blitzen oder Donner. Im antiken Volksglauben kann von einer rechts als positiv und links als negativ bewertenden Sichtweise ausgegangen werden.221 Auch für Rom galt, dass außerhalb der Auguralsphäre die breite Masse die rechte Seite als Glück bringend empfand.222 Gerade im Aberglauben der Römer war die genaue Kenntnis von links und rechts in einer Fülle von Vorsichtsmaßregeln und konventionellen Gesten entscheidend, um sich vor Gefahren zu schützen, die ein unbedachtes Wort oder eine falsche Bewegung heraufbeschwören konnte.223 Die stark reglementierten Verhaltensregeln im Bereich des Aberglaubens boten dem antiken Menschen Orientierung sowie ein bestimmtes Gefühl von Sicherheit in einer Welt voller unerklärlicher Phänomene, von denen man glaubte, sie mit Hilfe von richtigen Maßnahmen in den Griff bekommen zu können. Dass die im Aberglauben vorherrschende Vorstellung von rechts und links auch im Bewusstsein der Aristokratie ihren Platz hatte, illustriert Augustus: Sueton berichtet, dass der Princeps, wenn er früh morgens die Schuhe verkehrt angezogen bekam, statt des rechten den linken Schuh, darin ein unglückliches Vorzeichen sah.224 Da die meisten solcher Beispiele aus der Kaiserzeit stammen, vermutete Gornatowski, dass die im römischen Aberglauben kursierende Vorstellung von links gleich ungünstig in erster Linie auf den griechischen

219 Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, 59; Ernout/Meillet, Dictionaire étymologique de la langue latine, 628: „C’est le terme usuel pour „gauche“, (…) c’est à dire „favorable“, ou, au contraire, „sinister, défavorable“ (selon qu’on interprète le présage d’après le rite étrusco-romain, c’est à dire la face tournée vers le Sud, avec l’Est à sa gauche, ou suivant le rite grec, c’est à dire la face tournée vers le Nord, avec l’Est à sa droite. (…) c’est le dernier sens qui est le plus fréquent (…).“ 220 Zum ersten Mal untersucht von Liou-Gille, Dexter et sinster et leurs équivalents, in: Glotta 69, 1991, 198. 221 Vgl. Stemplinger, Antiker Volksglaube, Stuttgart 1948, 63. 74. 99. 222 Vgl. Liou-Gille, Dexter et sinster et leurs équivalents, 199f. 223 Siehe dazu Kapitel 3.2. 224 Suet. Div. Aug. 92, 1; Tiberius Gracchus verunsicherten zwei Raben, die am Morgen seines Todestages auf der Straße zu seiner Linken auf einem Dach kämpften: Plut. Tiberius Gracchus 17, 1.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

41

Einfluss zurückzuführen sei.225 Folglich wäre die konträre Konzeption nicht auf den auguralen Bereich beschränkt, sondern allgemein verbreitet gewesen. Gegen diese These sprechen folgende Indizien: Zunächst bleibt zu berücksichtigen, dass die Quellen aus der späten Republik und vor allem aus der Kaiserzeit viel zahlreicher als diejenigen der vorherigen Zeit überliefert worden sind.226 Aussagen bezüglich der Frequenz derartiger Phänomene sind folglich äußerst schwierig zu treffen. Ferner ist anhand des allgemeinen Quellenbefundes von einer Dominanz an Rechtshändern auszugehen, die es eher unwahrscheinlich erscheinen lässt, dass die linke Seite gegenüber der rechten generell favorisiert worden wäre. Außerdem findet sich die positive Bewertung der rechten Seite sowohl in anderen antiken Kulturen, beispielsweise in Persien oder Ägypten, als auch in nahezu sämtlichen Völkern und Kulturkreisen der heutigen Zeit.227 Daher liegt die Vermutung nahe, in diesem Zusammenhang von einer anthropologischen Konstante zu sprechen, deren Ursachen und Hintergründe jedoch im Hinblick auf die Zielsetzung dieses Kapitels an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden können. Des Weiteren sind durchaus Quellen vorhanden, die zeigen, dass die linke Seite bereits vor der Kaiserzeit von der Masse der römischen Bevölkerung eher negativ bewertet wurde. Beispielsweise spricht Plautus negativ über die linke Hand, die er als diebische Hand, furtifica laeva, bezeichnet.228 Da es sich bei den Werken des Plautus um vor Publikum aufgeführte Bühnenstücke handelt, ist davon auszugehen, dass eine derartige Aussage allgemein verständlich war und der in der breiten Masse kursierenden Grundhaltung gegenüber der linken Seite entsprochen haben muss, denn ansonsten hätten die Zuschauer Plautus’ Vers nicht verstehen können. Ein weiteres Indiz liefert Plutarch, der über die religiösen Kulthandlungen der Römer folgendes berichtet: „Indes pflegten die Römer Opfer, Prozessionen oder Schauspiele nicht nur aus so gewichtiger Ursache zu wiederholen, es genügte schon eine Kleinigkeit. Wenn eines der Pferde vor dem Götterwagen müde wurde oder der Wagenlenker mit der Linken nach den Zügeln griff, beschlossen sie die Prozession noch einmal abzuhalten.“229 Infolge des in der öffentlichen römischen Reli225 Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, 60–62; genauso auch Stemplinger, Antiker Volksglaube, 70: „Als aber das Hellenentum das ganze römische Wesen durchsäuerte, wurde auch die griechische Auffassung: links d.i. Ungünstiges übernommen.“ 226 Exemplarisch greifbar bei der Untersuchung der römischen Religion. Vgl. Beard/North/Price, Religions of Rome. Volume I. A History, Cambridge 1998, 8; Scheid, An Introduction to Roman Religion, Edinburgh 2003, 9f. 227 Für Ägypten siehe Fischer, Rechts und Links, LÄ 5, Sp. 187–191; für den Iran und den Alten Orient siehe Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände.“ Rechtssymbolische Akte in zwischenstaatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum, Stuttgart 2002, 16–29. 55–59; Kötzsche, Hand II (ikonographisch), RAC 13, Sp. 407–417; vgl. zur heutigen Zeit McManus, Right Hand, Left Hand, 16–40. 228 Plaut. Pers. 226. 229 Plut. Gaius Marcius 25, 3: qusiva~ de; kai; pompa;~ kai; qeva~ ouj movnon ejx aijtiva~ thlikauvth~, ajlla; kai; dia; mikra;~ ÔRwmaivoi~ e[qo~ ejsti;n ajnalamba;nein. i{ppou te ga;r eJno;~ tw`n ajgovntwn ta;~ kaloumevna~ qhvssa~ ajtonhvsanto~, kai; pavlin tou` hJniovcou th`/ ajristera`/ ceiri; ta;~ hJniva~ sullabovnto~, au\qi~ ejyhfivsanto th;n pomph;n ejpitelei`n; außerhalb der religiösen Sphäre hielt normalerweise

die linke Hand den Zügel, damit die rechte Hand zum Angriff frei war. Siehe Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 148–150.

42

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

gion stark ausgeprägten Traditionalismus bei Kulthandlungen kann davon ausgegangen werden, dass derartige Verhaltensweisen relativ alt gewesen sein müssen.230 Zugleich hat das vorherige Beispiel des Plautus die negative Bewertung der linken Hand eindeutig veranschaulicht. Dies bedeutet, dass die linke Hand und daher auch die linke Seite innerhalb der römischen Bevölkerung anscheinend schon seit geraumer Zeit als Unglück bringend angesehen wurden und daher eher keine positiven Assoziationen hervorriefen.231 Insofern scheint sich folgendes Bild abzuzeichnen: Eine wesentliche Voraussetzung für die Akzeptanz der griechischen Sichtweise von links und rechts war sicherlich, dass diese Vorstellung der römischen Auffassung entsprach und diese römische Auffassung aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten mit dem griechischen System zugleich ihre Bestätigung fand. Basierend auf dieser Deckungsgleichheit konnte der griechische Einfluss offenbar zu einer Intensivierung dieser Sichtweise beitragen. Ein Indikator dieser Intensivierung scheint die zunehmende Verwendung des lateinischen Adjektivs dexter im Sinne von „gut“, „geschickt“ und „günstig“ gewesen zu sein. Für den allmählichen Niedergang der auf den auguralen Bereich beschränkten positiven Bewertung der linken Seite muss neben den bereits genannten Faktoren auch das Auguralwesen selbst im Rahmen der Untersuchung Berücksichtigung finden.232 Die augurale Divination nahm innerhalb des religiösen Systems der Römer eine besondere Stellung ein.233 Auguren waren laut Cicero interpretes Iovi optumi maximi und „sollen Priester, Weinpflanzungen und Weidengebüsche und das Heil des Volkes weihen, und denjenigen, die Krieg führen und eine Aufgabe im Namen des Volkes erledigen werden, sollen sie vorher die Vogelschau ans Herz legen, und

230 Zum Traditionalismus der Römer bei Kulthandlungen vgl. Cic. Harusp. 13: Nego umquam post sacra constituto, quorum eadem est antiquitas quae ipsius urbis (…); Cic. Harusp. 14: (…) ad pontifices reicietur, quorum auctoritati fidei prudentiae maiores nostri sacra religionesque et privates et publicas commendarunt; Cic. Leg. 2, 27: Iam ritus familiae patrumque servare, id est, quoniam antiquitus proxume accedit ad deos, a dis quasi traditam religionem tueri; Dion. Hal. Ant. 7, 72, 5 verweist in seiner Beschreibung der bei den ludi Romani aufgeführten Prozession, dass die als barbita bezeichneten Musikinstrumente bei den Griechen, obwohl traditionell, nicht mehr verwendet werden, jedoch bei den Römern immer noch im Gebrauch sind; vgl. zum traditionellen Ritualismus in der römischen Religion Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, in: Graf (Hrsg.), Einleitung in die lateinische Philologie, Stuttgart/Leipzig 1997, 471. 482; Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v. Chr.-260 n. Chr. Bd. 1. Die Struktur des Reiches, Stuttgart/Leipzig 1998, 123; Muth, Einführung in die griechische und römische Religion, Darmstadt 1988, 305. 231 Siehe dazu Kapitel 3.2. 232 Zum Römischen Auguralwesen vgl. die Studie von Linderski, The Augural Law, 2146–2312; zu den Auspizien vgl. Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik. Zweiter Abschnitt. Die Magistratur, München 1995, 28–37. 233 Exemplarisch bei Cic. Leg. 2, 31; Romulus gründete die Stadt Rom nach Empfang der Auspizien: Cic. Div. 2, 70, 10; Cic. Rep 2, 9; Liv. 1, 6, 4–1, 7, 2; Val. Max. 1, 4, 2 Nep; siehe dazu ausführlich Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 307–311.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

43

jene sollen gehorchen.“234 Kurz darauf betont Cicero die magna auctoritas235 des Kollegiums: „Und was ein Augur als ungerecht, ruchlos, fehlerhaft und unheilvoll bestimmt hat, soll unwirksam und undurchführbar sein, und wer nicht Folge leistet, dem soll dies als todeswürdiges Verbrechen gelten.“236 Der Augur besaß folglich das Recht, eine Volksversammlung aufzulösen, Verhandlungen zu vertagen oder Amtsträger zur Abdikation zu zwingen.237 Auspizien konnten demnach als politische Waffe fungieren, mit deren Hilfe die Möglichkeit bestand, maßgeblich Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse zu nehmen.238 Grundvoraussetzung dafür waren die Kontrolle und die damit mögliche Manipulation der Auspizien zu den eigenen Gunsten. Bei wichtigen politischen Entscheidungen deutete man neben den signa ex caelo (Blitz und Donner) insbesondere die signa ex avibus, den Flug von bestimmten Vögeln innerhalb eines himmlischen templum, das von den Auguren definiert wurde.239 Dieses Verfahren erwies sich jedoch als äußerst aufwendig und hatte besonders in Krisenzeiten einen entscheidenden Nachteil: der Ausgang der Auspizien war relativ ungewiss, folglich nur schwer beeinflussbar und entsprach daher nicht dem pragmatischen Kalkül politisch ambitionierter Römer.240 Infolge dieser Problematik begann man zunächst die Konstatierung von Blitzzeichen zu bevorzugen.241 Obwohl Blitze als besonders günstig und wirksam eingestuft wurden242, war auch diese Auspizienart für Magistrate ein nur begrenzt nutzbares politisches Instrument, denn Blitze traten vergleichsweise selten auf und darüber hinaus nicht immer zum erwünschten Zeitpunkt.243 Zwar reichte es aus, wenn 234 Cic. Leg. 2, 20f.: Interpretes autem Iovi optumi maxumi, publici augures (…) sacerdotesque vineta virgetaque et salutem populi auguranto, quique agent rem duelli quique popularem, auspicium praemonento ollique obtemperanto; siehe dazu Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 129f. 235 Cic. Nat. deorum 2, 12. 236 Cic. Leg. 2, 21: Quaeque augur iniusta nefasta vitiosa dira defixerit, inrita infectaque sunto, quique non paruerit, capital esto. 237 Cic. Leg. 2, 31; vgl. Linderski, The Augural Law, 2151f. 238 Beispielsweise konnte der Rücktritt von Konsuln infolge falscher Abhaltung der Auspizien bei Wahlversammlungen erzwungen werden: Cic. Nat. deorum 2, 11; Cic. Div. 2, 74; die Gesetze des Livius Drusus wurden unter anderem wegen Nichtbeachtung von Oblativauspizien vom Senat für nichtig erklärt: Cic. Leg. 2, 31; weitere Belege siehe Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 254 Anm. 10; zu den politischen Einflussmöglichkeiten der Auguren vgl. Linderski, The Augural Law, 2162; eine gute Zusammenstellung über die Obstruktionsarten der Auguren bietet Liebeschuetz, Continuity and Change in Roman Religion, Oxford 1979, 14. 239 Vgl. Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 486; zum auguralen templum siehe Linderski, The Augural Law, 2256–2297. 240 Vgl. Linderski, The Augural Law, 2285f. 241 Vgl. Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 30f.; Linderski, The Augural Law, 2169. 2229. 242 Cic. Div. 2, 73; zur Bedeutung von Blitzprodigien siehe Rosenberger, Gezähmte Götter. Das Prodigienwesen der römischen Republik, Stuttgart 1998, 115–117; Belege für politische Bereiche, in denen auch die Deutung von Blitzzeichen praktiziert wurde, bei Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 30 Anm. 81. 243 Vgl. Eisenhut, Augures, DKP 1, Sp. 735f.; Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 31.

44

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

eine Person bezeugte, einen Blitz gesehen zu haben, doch trotz dieser Maßnahme blieb die Nutzung von Blitzen auf die auspicia oblativa beschränkt.244 Für die tägliche Praxis der Auspizien erwies sich die komplizierte und auch zeitraubende Deutung von Blitzen folglich als ungeeignet. Deshalb griff man mindestens seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. bei der Auspicatio mit Vögeln verstärkt auf die Beobachtung von Hühnern zurück. Bei den sogenannten signa ex tripudiis galt das gierige Fressen der Hühner als positives göttliches Zeichen.245 Der bevorzugte Rückgriff auf eine derartige Divinationspraxis erwies sich praktischer als die umständliche Beobachtung des Vogelfluges und konnte außerdem auch außerhalb von Rom, beispielsweise auf einem Feldzug angewendet werden, da der Hühnerwärter, pullarius, im Gegensatz zu den Auguren überall zur Stelle sein konnte.246 Zugleich war die Manipulation dieses divinatorischen Verfahrens viel einfacher praktizierbar.247 Zum Beispiel konnte ein Feldherr die Auspicatio vor der Schlacht stets zu seinen Gunsten ausfallen lassen.248 Ein positiver Ausgang, also das gierige Fressen der Hühner, besaß den Vorteil, das Heer zusätzlich anzuheizen; ein zögernder Konsul war aber dagegen in der Lage, die Schlacht mit Hinweis auf ein negatives Ergebnis zu verschieben. Aufgrund der Vorteile, die das tripudium bot, rückte die Deutung der aus dem Vogelflug gewonnenen Zeichen immer stärker in den Hintergrund249 und in diesem Zusammenhang auch die Vorstellung, dass die linke Seite innerhalb des templum beim Vogelflug die Glück bringende Seite war. Dass die Auspicatio mit Hilfe der Hühner unglaubwürdig erschien, hob Cicero hervor, der von einem auspicium coactum et expressum sprach.250 Der Verlust der Glaubwürdigkeit ist auch im Hinblick auf die Wahrnehmung der linken Seite bedeutsam, denn laut eines Vergil-Kommentars bezeichnete man ein geglücktes tri244 Vgl. Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 31; zu den auspicia oblativa siehe Linderski, The Augural Law, 2195–2198. 245 Cic. Div. 2, 72f.; Plut. Tiberius Gracchus 17, 1; vgl. Marbach, Tripudium (Nr. 1), RE 7A1, Sp. 229–232. 246 Vgl. Marbach, Tripudium (Nr.1), 230; die Aktivitäten der Auguren waren in der Regel auf den Bereich domi beschränkt. Zu den auguralen Aktionen, die domi für das Militär stattfanden, gehörten die Durchführung der auspicia beim dilectus oder die Deutung der signa vor dem Auszug des Heeres in einen Krieg. Nur die Auguren, die im Heer dienten, konnten auch bei militärischen Operationen präsent sein. Vgl. Linderski, The Augural Law, 2198. Auf dem Feldzug wurden normalerweise signa ex tripudiis gedeutet. Vgl. Linderski, The Augural Law, 2276; Wissowa, Auspicium, RE 2, 2, Sp. 2584; Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 32f.; teilweise wurden die Auspizien sogar auf dem Feldzug vernachlässigt: Cic. Div. 2, 77; zum Ursprung und zur Funktion der pullarii siehe Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 31. 247 Vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 781f.; Rosenberger, Gezähmte Götter, 77. 248 Vgl. Rüpke, Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, in: Wissmann (Hrsg.), Krieg und Religion, Würzburg 1994, 71; vgl. Rüpke, Domi militiae. Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, Stuttgart 1990, 129; Liebeschuetz, Continuity and Change in Roman Religion, 11. 249 Vgl. Eisenhut, Augures, Sp. 735f.; zum verstärkten Einsatz von pullarii als Assistenten der Magistrate bei der Deutung der auspicia siehe Linderski, The Augural Law, 2191. 250 Cic. Div. 2, 73; Cic. Div. 1, 27.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

45

pudium als augurium bonum sinisterum solistimum.251 Wer aber nicht mehr an dieses augurium glaubte, glaubte auch nicht mehr daran, dass das augurium bonum bzw. sinisterum im Sinne von „Glück bringend“ ist, zumal bekannt war, dass der Magistrat die Zeichen selbst nicht beobachtet haben müsse, sondern der Meldung des pullarius vertrauen dürfe, auch dann, wenn sie der Wahrheit nicht entsprach.252 Im Zuge des Niedergangs der Auspizien bemerkt Cicero in De Divinatione ferner: „Und dann verstricken wir uns in Unheil und Fehler, während wir Linkes (Günstiges), nicht erfahren wollen.“ 253 Der Bedeutungsverlust des tripudium kommt auch darin zum Ausdruck, dass besonders im Militär neben der Deutung der Hühner immer öfter auch auf das Spezialwissen der etruskischen Haruspices zurückgegriffen wurde, um der Divination gerade in der Späten Republik mit Hilfe der etruskischen Spezialisten wieder mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen.254 Die Deutung der exta der Opfertiere durch externe Experten erschien seriöser, professioneller und auch einfacher praktizierbar als das Füttern hungriger Hühner, die stets in Käfigen auf den Feldzügen mitgeführt werden mussten. Im Zuge der negativen Entwicklung des tripudium verstärkte sich allgemein die Ungläubigkeit gegenüber der Interpretation der auspicia: „Und so gingen die Auspizien jeder Art in großer Zahl gänzlich verloren – worüber Cato der Weise klagt – und wurden aufgegeben: schuld daran war der mangelnde Ernst des Kollegiums.“255 Das Desinteresse an der Auspikation spiegelt sich auch im privaten Bereich wider. Die in der Frühzeit bei fast allen wichtigen Handlungen vollzogenen auspicia privata fanden zur Zeit der späten Republik nur noch im Rahmen der Hochzeitszeremonie Anwendung. Allerdings selbst dort ohne grundlegende Bedeutung. Die Auspikation beschränkte sich offenbar auf die pure Präsenz der nuptiarum augures, „die freilich, da es den Brauch nicht mehr gibt, nur gerade den Namen beibehalten haben.“256 Wenn zur Zeit Ciceros von auspicia gesprochen wird, waren da251 Schol. Verg. Veron. Aen. 10, 241; vgl. dazu Marbach, Tripudium (Nr.1), 231. 252 Cic. Div. 2, 73; Liv. 10, 40, 11. 253 Cic. Div. 1, 29: Itaque, sinistra dum non exquirimus, in dira et vitiosa incurrimus; vgl. dazu den Kommentar von Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Primus, Illinois 1920, 135; zum Wissensverlust im Auguralwesen vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 782: „Im Zuge dieser Verengung des Bereichs der Vogelschau und somit der Konzentration auf einige wenige Grundtechniken, die nur noch zum Zwecke etwaiger Beeinflussung von politischen Entscheidungsprozessen weiter ausgeübt wurden, ging auch ein Großteil der ursprünglich recht komplizierten Auguralwissenschaft verloren.“ 254 Vgl. Liebeschuetz, Continuity and Change in Roman Religion, 22f.; Rüpke, Die religiöse Konstruktion des Krieges, 71; Cic. Div. 1, 28; zu den Haruspices siehe den Artikel von Thulin, Haruspices, RE 7, 2, Sp. 2431–2468. 255 Cic. Div. 1, 28: Itaque multa auguria, multa auspicia, quod Cato ille sapiens queritur, neglegentia collegii amissa plane et deserta sunt; die Vernachlässigung der Auguralpraxis zeigt sich auch darin, dass die Auguren sich zur Zeit Ciceros nicht mehr wie früher regelmäßig an den Nonen eines jeden Monats trafen. Vgl. Linderski, The Augural Law, 2155. 256 Cic. Div. 1, 28: (…) qui re omissa nomen tantum tenent; vgl. den Kommentar von Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Primus, 134; im privaten Bereich wurden anscheinend in der römischen Frühzeit auch signa ex avibus gedeutet. Daneben war die Anrufung der Tellus als auch Donner von auguraler Bedeutung. Vgl. Wissowa, Auspicium, Sp. 2581f. Ob im Rahmen der Hochzeitsfeier die Einholung der auspicia auch in späterer Zeit mit Hilfe der signa ex

46

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

mit die auspicia populi Romani gemeint; Zeichen, deren Deutung für die res publica wichtig war.257 Angesichts der Manipulierbarkeit und der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten waren die Auspizien besonders in den letzten Jahrzehnten der Republik hart umkämpft.258 Verschiedene Gesetze versuchten, die Rolle der Auspizien zurückzudrängen.259 Am Schluss galten für die gegnerischen Parteien des Bürgerkriegs nur noch die eigenen Auspizien. Man glaubte an das, woran man glauben wollte. So verlor der Ritus, der ursprünglich zur Kontrolle der Machtausübung aufgebaut worden war, im politischen Spiel nach und nach seine zentrale Stellung innerhalb der Divination. „Doch seitdem durch die Gleichgültigkeit des Adels die Auguralwissenschaft immer mehr in Vergessenheit geraten war, setzte man sich über die Wahrheit der Auspizien hinweg und hielt sich nur noch an die äußere Form“, kommentiert Cicero die Lage am Ende der Republik und fährt folgendermaßen fort: „Dabei werden die wichtigsten Bereiche der Staatsführung (…) ohne Auspizien verwaltet.“260 Auch die religiöse Restaurationspolitik des Augustus vermochte diesen Bedeutungsverlust nicht aufzuhalten.261 Im Gegenteil: Augustus war sich der potentiellen Gefahren, die von dem Auguralsystem machtpolitisch ausgehen konnten, durchaus bewusst.262 Daher bestand eine der großen Veränderungen der religiösen Strukturen in der „Neutralisierung des Auspizienwesens.“263 Zusammen mit seinem imperium proconsulare hatte Augustus das Recht erhalten, Auspizien einzuholen.264

257 258

259

260 261

262

263 264

avibus erfolgte, kann aufgrund des mangelnden Quellenmaterials nicht eindeutig beantwortet werden. Allerdings scheint ein kontinuierlich betriebener Rückgriff auf die komplizierten signa ex avibus vor dem Hintergrund der Entwicklung im staatlichen Bereich zu immer unkomplizierteren auspicia publica eher unwahrscheinlich. Vgl. Wissowa, Auspicium, Sp. 2582. Vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 780–784; Scheid, Die Römische Religion. Republikanische Zeit, 486; Linderski, The Augural Law, 2207: „In Rome the fight for political power was also the fight for control of the gods.“; Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 417f. Beispielsweise führte Sulla für das Augurenkollegium das Kooptationsverfahren ein, mit dem gewährleistet werden sollte, dass nur seine Anhänger in das Kollegium der Auguren gewählt wurden, um dem Missbrauch des Rechts zur Feststellung entgegen gesetzter Oblativauspizien auf ein Minimum zu reduzieren. Vgl. dazu Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 709; die lex Clodia des Jahres 58 v. Chr. verbot das wohl im 153 v. Chr. durch die lex Aelia et Fufia geregelte caelo servare durch die Magistrate. Die Geltendmachung eingetretener Oblativauspizien durch Magistrate blieb jedoch weiterhin möglich: Cass. Dio 38, 13, 6; Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 783f. Cic. Nat. deorum 2, 9; siehe auch Cic. Div. 2, 76f.; Cic. Leg. 2, 33. Zur Restaurationspolitik des Augustus im religiösen Bereich vgl. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt3 1999, 220–227; Liebeschuetz, Continuity and Change in Roman Religion, 56–90; Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, 126–134. Vgl. dazu Ciceros Kommentar über die Funktion der Augurallehre im römischen Staat. Cic. Leg. 2, 33: Quae mihi videtur apud maiores fuisse duplex, ut ad rei publicae tempus non numquam, ad agendi consilium saepissime pertineret. Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, 130; Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 795–797. Res Gestae Div. Aug. 7.

2.3. Die lateinischen Bezeichnungen für links

47

Aufgrund der Überlegenheit des kaiserlichen imperium kam dem Auspizienrecht des Augustus solches Gewicht zu, dass wir seit Augustus nicht mehr davon hören, dass Magistrate Auspizien vornehmen.265 Das Verfahren wird fortbestanden haben, war aber wohl nur noch zweitrangig, da letztendlich nur die Auspizien des Kaisers zählten. Die Auspizien hatten ihre vorherige Rolle als politische Waffe verloren. Von nun an besaß diese Waffe der Princeps. Die Konsequenz war, dass das Auspizienritual banal wurde. Da es nicht länger Objekt von Diskussionen und Kämpfen war, kam es bald zu seiner Erstarrung. Insofern verwundert es nicht, wenn Plinius der Jüngere die Verleihung des Augurenamtes mit den Worten kommentiert: „Du beglückwünscht mich, dass ich das Augurat bekommen habe; mit Recht, einmal, weil es schön ist, des erhabenen Princeps Ansprüche auch in minder bedeutenden Dingen (in minoribus etiam rebus) zu befriedigen (…).“266 Wie unattraktiv die Übernahme von ehemals prestigeträchtigen und politisch bedeutenden Priesterämtern in der frühen Kaiserzeit geworden war, dokumentiert der unter Tiberius gefasste Senatsbeschluss für die neu gewählte Vestalin Cornelia, die für ihre Wahl zwei Millionen Sesterzen erhielt und das Privileg genoss, im Theater neben der Augusta Platz nehmen zu dürfen.267 Maßnahmen dieser Art geschahen laut Tacitus, damit sich das Ansehen der Priester hebe und sie selbst eher bereit wären, Priesterämter zu übernehmen. Infolge der Erfahrung, dass sowohl die signa ex avibus zu umständlich als auch das zunächst dafür als praktischen Ersatz gedachte tripudium schließlich unglaubwürdig geworden waren, und des politischen Bedeutungsverlusts der Divination in der Kaiserzeit verschwanden sowohl die Kenntnis über die Augurallehre268 als auch das Interesse an den Auspizien; damit aber auch deren Wahrnehmung.269 Diese Wahrnehmung bildete jedoch die Grundlage, um sich des Unterschiedes in der Bewertung der linken Seite im divinatorischen Bereich im Vergleich zu anderen Völkern bewusst zu werden und zugleich ausgehend von dieser Selbstreflektion diese spezielle Sichtweise im eigenen Gedankengut zu erhalten.270 Als substituierende Sekundärfaktoren hatten auch der griechische Einfluss sowie die im Volk verbrei265 Vgl. Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, 41. 131; die wenigen Belege für die Auspikation in der Kaiserzeit sind zusammengestellt bei Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 30 Anm. 30. 266 Plin. Epist. 4, 8, 1: Gratularis mihi, quod acceperim auguratum; iure gratularis, primum quod gravissimi principis iudicium in minoribus etiam rebus consequi pulchrum est (…); zum Augurenamt des Plinius vgl. Sherwin-White, The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary, Oxford 1966, 79f. 272. 267 Tac. Ann. 4, 16, 3. 268 Vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 782. 269 Zur Zeit des älteren Plinius waren beispielsweise die Vogelarten sanqualis und inmusulus seit der Zeit des Auguren Quintus Mucius Scaevola, der 87 v. Chr. starb, nicht mehr in Rom gesichtet worden. Siehe Plin. Nat. Hist. 10, 20. Auch der in Prodigienlisten mehrfach belegte avis incendaria konnte von niemandem mehr laut Plinius identifiziert werden. Siehe Plin. Nat. Hist. 7, 36. Vgl. zu beiden Stellen Rosenberger, Gezähmte Götter, 210f. 270 Cic. Div. 2, 82: Ita nobis sinistra videntur, Graiis et barbaris dextra meliora. (…) sed certe nostri sinistrum nominaverunt externique dextrum, quia plerumque id melius videbatur. Zum Unterschied zwischen Griechen und Römern in der Divination siehe Kapitel 3.3.

48

2. Links im griechischen und lateinischen Sprachgebrauch

tete Vorstellung von rechts und links ihren Anteil an diesem Entwicklungsprozess. Angesichts dieser Tendenzen erscheint es verständlich, dass sich die ursprüngliche positive Bezeichnung von laevus, scaevus und sinister im religiösen Sprachrepertoire auf die Dauer nicht halten konnte. In Bezug auf die signa ex avibus sind in der Kaiserzeit keine weiteren Belege bekannt, die von günstigen Zeichen von links berichten. Lediglich Vergil, Ovid, Petron und Statius erinnern noch an die alte positive Konnotation der linken Seite im auguralen Sprachgebrauch, wenn sie die von links kommenden signa ex caelo, Blitz und Donner, als Glück bringend interpretieren.271 Danach verliert sich die Spur. Der Niedergang des Auguralwesens markiert gleichzeitig den Verlust eines Spezifikums der lateinischen Sprache: Die „linken“ Vorstellungen der Römer im Bereich der Auguralsprache wurden im Laufe der Zeit auf den „rechten“ Weg gebracht.

271 Verg. Aen. 2, 693; Verg. Aen. 9, 631; Ov. Fast. 4, 833; Ov. Trist. 1, 9, 49; Petron. Sat. 122, 177–180; Stat. Theb. 3, 493.

3. LINKS UND RECHTS IN DER GEDANKENWELT DER GRIECHEN UND RÖMER 3.1. BIOLOGIE Angesichts der negativen Bewertung von links und der positiven Bewertung von rechts in der griechischen und lateinischen Sprache stellt sich die Frage, welche Assoziationen die Griechen und Römer in ihrer Gedankenwelt mit rechts und links verbinden. Ferner muss überlegt werden, in welchen Lebensbereichen die Wahrnehmung und Bewertung von links und rechts im Rahmen dieser Assoziationen eine zentrale Rolle spielte und welche Funktion der Rückgriff auf links und rechts innerhalb der einzelnen Bereiche überhaupt erfüllte. Wer sich mit der Wahrnehmung und Bewertung von links und rechts befasst, muss sich zunächst mit den Grundzügen der menschlichen Wahrnehmung vertraut machen. Zur menschlichen Raumwahrnehmung gehört neben der Einteilung in oben und unten sowie vorne und hinten die Unterscheidung von links und rechts.1 Ein derartiges Konzept offenbart zugleich, dass der Mensch in seinem Versuch, seine komplexe Umwelt zu erfassen, zur Zweiteilung, Dualismus, neigt.2 Mit der Einteilung der Welt in gut und böse, schwarz und weiß, unten und oben, aber auch links und rechts zeigt sich zum einen die menschliche Vorliebe zur extremen und absoluten Dichotomie, zum anderen, dass jede Zweiteilung gleichzeitig als Gegensatz aufgefasst wird. Die Tendenz, die komplexe Realität auf einfache, klar definierte und daher nachvollziehbare Gegensatzpaare zu reduzieren, um Ordnung und Orientierung in der Welt mit ihren zahlreichen und oftmals unerklärbaren Naturphänomenen zu schaffen, findet sich vor allem in der antiken Welt.3 Der Mensch der Antike sah sich unzähligen Naturphänomenen wie beispielsweise Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Unwettern ausgesetzt, die nach einer Erklärung verlangten, um Ordnung in die vermeintliche Unordnung zu bringen. Dualistische Denkkonzepte, die auf klar festgelegten Gegensatzpaaren beruhten, besaßen dabei den Vorteil, komplexe Sachverhalte auf einfache Prinzipien zu reduzieren und dadurch erklärbar und verständlich zu machen. Ein wesentlicher Grund für diese Neigung ergibt sich aus der Tatsache, dass viele Naturphänomene eine Dualität aufweisen: Tag und Nacht, Mann 1 2

3

Vgl. Rüpke, Die Religion der Römer, München 2001, 172f. Zur dualistischen Weltsicht des Menschen vgl. Smits, Linkshänder, 12f. 15–20; Hannover, Dualität, Dualismus und Bipolarität. Ein philosophischer Essay, Frankfurt am Main 1991; McManus, Right Hand, Left Hand, 24–40 Vgl. Lloyd, Polarity and Analogy. Two Types of Argumentation in Early Greek Thought, Cambridge 1966, 15–171; Lloyd, Right and Left, 56–66; Duchesne-Guillemin/Dörrie, Dualismus, RAC 4, Sp. 334–350; Cartledge, The Greeks. A Portrait of Self and Others, Oxford2 2002, 11– 16.

50

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

und Frau oder beispielsweise das bilaterale System des menschlichen Körpers führen uns die Dualität der Welt stets aufs Neue vor Augen. Die Bilateralität bildet auch in der naturwissenschaftlichen Theorie des Aristoteles über die Körperdimensionen einen zentralen Bestandteil.4 Nach Aristoteles existieren sechs Körperdimensionen, oben und unten, vorne und hinten sowie rechts und links, die in unterschiedlichen Ausprägungen den Aufbau aller Lebewesen konstituieren.5 Sieht Aristoteles die Differenzierung in oben und unten bei allen lebenden Wesen als gegeben an, so besteht die Differenzierung in vorn und hinten nur bei Menschen und Tieren, denn sie sind mit Sinneswahrnehmung begabt, welche das entscheidende Kriterium für die Bildung und Bestimmung des vorn darstellt.6 Einen besonderen Stellenwert misst Aristoteles der Differenzierung in rechts und links bei. Rechts und links finde sich nur bei Lebewesen mit Eigenbewegung.7 In der Bewegung ist zugleich eine erste qualitative Unterscheidung zwischen den beiden Körperseiten enthalten. Der rechten Seite fällt die aktive Rolle zu: von ihr gehen alle Bewegungen aus, während die linke Seite den passiven Part übernimmt und dadurch auf die Funktion beschränkt ist, der von rechts initiierten Bewegung zu folgen.8 Die Theorie, dass die rechte Seite bewegt, die linke bewegt wird, hat zudem Konsequenzen für die Bewertung der beiden Körperseiten: Die drei Dimensionen oben, vorn und rechts hält Aristoteles für wertvoller als ihre entsprechenden Gegenparte, da in ihnen die Ausgangspunkte, ajrcaiv, für alle Bewegungen situiert sind.9 Oben ist der Ausgangspunkt der Länge und des Wachstums, vorn derjenige 4

5 6 7 8

9

Zur naturwissenschaftlichen Lehre des Aristoteles vgl. Kullmann, Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Stuttgart 1998; Kullmann, Die Voraussetzungen für das Studium der Biologie nach Aristoteles, in: Kullmann/Föllinger (Hrsg.), Aristotelische Biologie. Intention, Methoden, Ergebnisse, Stuttgart 1997, 41–62; Preus, Science and Philosophy in Aristotle’s Biological Works, Hildesheim/New York 1975. Arist. HA 493b17–20; Arist. IA 704b20–22; Arist. IA 705a26–29; Arist. Cael. 284b-285b30. Arist. IA 705a29–IA 705b13. Arist. IA 705b14–19. Arist. IA 705b19–21; Arist. HA 498b7; Arist. IA 705b30–706a13: Als Beweis für seine Theorie, nach der die rechte Seite bewegt, die linke Seite bewegt wird, führt Aristoteles drei praktische Beispiele an: Erstens würden alle Menschen ihre Lasten auf der linken Schulter tragen. Zweitens hätte man beim Beinhüpfen weniger Mühe, wenn man dazu das linke Bein benutzen würde. Drittens würden alle Menschen zum Schutz ihre linke Körperseite hervorstrecken, wohingegen sie sich mit ihrer rechten Seite verteidigen würden. Die letzte Beobachtung mag zwar richtig sein, da sich die Mehrzahl der Menschen bei Angriffen mit der linken Seite schützt, doch liegt der Grund dafür eher in der Tatsache begründet, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind und daher den schwachen linken Arm zum Schutz und den rechten dagegen zur Verteidigung nutzen. Was das Tragen von Lasten auf der linken Seite und das Hüpfen auf dem linken Bein betrifft, dürften die aristotelischen Beispiele in dieser Generalisierung kaum der Realität entsprochen haben. Infolge der stärkeren Beanspruchung der rechten Seite, die aus ihrer aktiven Rolle bei der Bewegung resultiert, ist diese Körperhälfte als die kräftigere anzusehen. Aus diesem Grund wurde die rechte Seite auch zur Zeit des Aristoteles zum Tragen von Lasten oder beim Hüpfen auf einem Bein wohl häufiger in Anspruch genommen als die linke Seite; die Annahme, dass Bewegungen von der rechten Seite ihren Anfang nehmen würden, ist auch für Rom bezeugt. Plin. Hist. Nat. 11, 253: Omnia animalia a dextris partibus incedunt, sinistris incubant. Arist. IA 706b11–14; Arist. PA 665a23–27; vgl. Lloyd, Right and Left, 61.

3.1. Biologie

51

der Tiefe und der Sinneswahrnehmung und rechts gilt als derjenige der Breite und Ortsveränderung. Basierend auf dieser Annahme ist für Aristoteles die rechte Körperseite von Natur aus besser und gilt bei den Menschen als besonders geschickt10, während die linke Seite, obwohl gleich gebaut und in ihrer Bewegungsfähigkeit weitestgehend unabhängig, als unbeweglicher und schwächer eingestuft wird.11 Zur Untermauerung seiner Theorie von der Überlegenheit der rechten Körperseite führt Aristoteles zahlreiche Beispiele aus der Tierwelt an; beispielsweise betont er, dass bei Krabben die rechte Zange größer und kräftiger wäre, da alle Lebewesen bei ihren Aktivitäten naturbedingt die rechte Seite mehr nutzen würden.12 Dass die rechte Seite des menschlichen Körpers und aller organischer Lebewesen allgemein für kräftiger als die linke Seite gehalten wurde, scheint angesichts der Dominanz an Rechtshändern keinesfalls verwunderlich.13 Trotz dieser Stärke haftet der rechten Seite eine Schwäche an. „Die rechte Körperhälfte ist stärker“, verkündet Apuleius in seiner Apologie und fügt hinzu „und lässt deshalb weniger Hoffnung auf Gesundung, sobald auch sie dem Leiden erliegt.“14 Unterstützung für diese auf den ersten Blick paradox anmutende Aussage findet Apuleius von medizinischer Seite, denn auch Hippokrates attestiert der kräftigeren rechten Körperhälfte schlechtere Heilungschancen.15 Des Weiteren kann die Feststellung, dass die rechte Seite bei Krankheiten schwerer zu heilen sei, ihre Berechtigung haben, wenn man voraussetzt, dass die rechte Seite, beispielsweise die rechte Hand, häufiger benutzt wird und folglich einer größeren Belastung ausgesetzt ist als die linke Hand. Durch die einseitige Beanspruchung wird die rechte Hand zugleich anfälliger für Verletzungen und Krankheiten, die schwerer zu kurieren sind als die von Abnutzungen verschonte linke.16 Ohnehin wird bei Krankheiten oder Verletzungen zuerst die Beeinträchtigung der häufig gebrauchten Gliedmaßen wahrgenommen: Wer infolge einer Krankheit oder Verletzung zum Beispiel in der Tätigkeit seiner Hände eingeschränkt ist, spürt die Beeinträchtigung in erster Linie an der Hand, die er am meisten benutzt: in diesem Fall die rechte Hand. Gerade die Hände führen beispielhaft vor Augen, wie sehr die Kategorisierung von rechts gleich stark und links gleich 10 Arist. IA 706a20–22; Arist. Probl. 985b17–23; für Aristoteles’ Theorie von der Überlegenheit der rechten Körperhälfte ist auch sein Wortspiel mit dexiov~ in der Bedeutung „geschickt“ in IA 706a21f. bezeichnend: dio; kai; ta; dexia; ejn toi\ ajnqrwvpoi~ mavlista dexiav ejstin. 11 Arist. IA 706a22–24; Arist. HA 493b17–20; Hippokrates zufolge waren das rechte Auge und die rechte Brust stärker als ihre linken Gegenparte. Hippokr. Epid. 2, 6, 15. 12 Arist. PA 684a25–28; Arist. HA 527b6f.; Arist. IA 714b16–19; Plin. Nat. Hist. 9, 97f; als anderes Beispiel erwähnt Aristoteles, dass das rechte Auge des Thunfisches schärfer als das linke sei. Dies sei der Grund, warum Thunfische auf der rechten Uferseite hineinschwimmen und auf der linken Seite hinausschwimmen würden. Vgl. dazu Arist. HA 598b16–19; die Annahme ist auch bei Plin. Nat. Hist. 9, 50 belegt. 13 Vgl. dazu die Belege bei Riess, Aberglaube, RE 1, Sp. 83; beim Weinstock würden die Triebe der rechten Seite angeblich kräftiger wachsen. Vgl. Plin. Nat. Hist. 17, 153; zur Dominanz an Rechtshändern vgl. Smits, Linkshänder, 19; McManus, Right Hand, Left Hand, 151–155. 14 Apul. Apol. 51, 2: Nam dextera corporis validiora sunt eoque minus spei ad sanitatem relinquunt, cum et ipsa aegritudini succumbunt. 15 Hippokr. (Kühn) 22, 319; vgl. auch Cels. 2, 4. 16 Man denke beispielsweise an den heute durch einseitige sportliche Belastung hervorgerufenen Tennisarm.

52

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

schwach zum Tragen kam. Bei Ovid stellt Achill nach seinem Sieg gegen Cygnus fest: „Hier auch, wo ich so viele gefällt, die zu Haufen am Strand von mir geschichtet ich seh, war stark meine Rechte und ist es.“17 Obwohl die linke Hand in der Regel mit Schwäche assoziiert wurde18, weist Aristoteles darauf hin, dass der Mensch als einziges Lebewesen beidhändig werden kann, wobei er allerdings hinzufügt, dass die rechte Hand selbst einer trainierten Linken von Natur aus stets überlegen ist.19 Der Rückgriff auf rechts und links begegnet auch in einem anderen naturwissenschaftlichen Kontext, in dem die Polarität der Natur aufs Neue evident wird: in den naturwissenschaftlichen Theorien zur Frage nach der Entstehung des Geschlechts.20 Die Theorien des Parmenides und Anaxagoras zur Bestimmung des Geschlechts basieren auf der Idee einer Korrelation zwischen männlich und rechts und zwischen weiblich und links.21 Nach Parmenides entscheidet die Position des Kindes in der Gebärmutter über das Geschlecht: Jungen liegen auf der rechten, Mädchen auf der linken Seite des Uterus.22 Im Gegensatz dazu ist bei Anaxagoras nicht die Seitenlage bei der Frau für das Geschlecht ausschlaggebend, sondern die Seite des Mannes, von der der Samen kommt.23 Die rechte Seite führt hier ebenfalls zur Entwicklung eines männlichen Embryos. Dass Anaxgoras sich dabei wohl auf die Hoden des Mannes bezog, kann aus der hippokratischen Schrift Peri epikyesios entnommen werden: die aus dem rechten Hoden stammenden Samen sind für männliche Kinder verantwortlich, während die Samen aus dem linken Hoden zur Geburt von weiblichen Kindern beitragen.24 Obwohl Aristoteles die oben vorgestellten Theorien zur Bestimmung des Geschlechts ablehnt 25, scheint die Auffassung, dass alles, was auf der rechten Seite war, als männlich, was sich links befand, 17 Ov. Met. 12, 113f.: Hic quoque tot caesis, quorum per litus acervos et feci et video, valuit mea dextra valetque. 18 Verwiesen sei exemplarisch auf Ov. Fast. 3, 869f.: (…) dicitur infirma cornu tenuisse sinistra femina, cum de se nomina fecit aquae. 19 Arist. MM 1194b; Arist. EN 1134b33–35; siehe zur Hand und zur Beidhändigkeit Kapitel 5.1. 20 Zu den Theorien über die Entstehung des Geschlechts siehe Föllinger, Geschlecht, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 339–342; Lloyd, Science, Folklore and Ideology. Studies in the Life Science in Ancient Greece, Cambridge 1983, 58–111. 21 Vgl. Lloyd, Right and Left, 60f. 22 Gal. In Epid. 6, 48 (Kühn 17, 1, 1002); Diels/Kranz, 28, B 17; vgl. Arist. GA 763b36–764a1, wo allerdings kein bestimmter Autor erwähnt wird; dagegen vertritt Empedokles die Theorie, dass Hitze und Kälte im Uterus die geschlechtsbestimmenden Faktoren sind. Hitze führe zur Entwicklung des männlichen Geschlechts, Kälte zur Entwicklung des weiblichen Geschlechts. Vgl. zur Theorie des Empedokles Arist. GA 764a1–7. 23 Arist. GA 765b30–37; Diels/Kranz 59, A 107; diese Theorie wurde auch von Laktanz aufgegriffen. Siehe Lact. Opif. 12, 12. Vgl. dazu Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 82. 24 Hippokr. Superf. 50, 8, 500, 8f.; vgl. Lloyd, Right and Left, 60; vgl. auch Arist. GA 765a23–25, wo Aristoteles diese von ihm kritisierte Theorie Leophanes zuschreibt. 25 Arist. GA 765a4–765b7; vgl. dazu auch Lloyd, Right and Left, 61; Lloyd, Science, 94–105; für Aristoteles ist der Mangel an Wärme der Grund dafür, dass der weibliche Körper die Nahrung nur bis zur vorletzten Stufe, dem (Menstruations-)Blut, nicht aber wie der männliche Körper, bis zum Samen verkochen kann, weswegen das Weibchen wie ein „verstümmeltes Männchen“ sei. Siehe Arist. GA 737a27f.

3.1. Biologie

53

als weiblich galt, innerhalb der griechischen und römischen Welt eine große Akzeptanz genossen zu haben. Dass diese Theorien auch in der Naturwissenschaft der römischen Kaiserzeit weiterhin von Bestand waren, illustriert Plinius. Nach Plinius bewegen sich zum Beispiel bei Zwillingen die Knaben öfter im Mutterleib und liegen mehr auf der rechten, die Mädchen auf der linken Seite.26 Wie tief diese Vorstellung generell im Gedankengut der Menschen der griechischen und römischen Welt verwurzelt war, führt die im Volk verbreitete Praktik der Traumdeutung vor Augen, die es uns beispielsweise anhand der Traumbücher des Artemidor erlaubt, ein Licht auf die Bedürfnisse und Wünsche der Gesellschaft zu werfen.27 Außer der dominanten wirtschaftlichen Problematik bilden die biologischen Fragen von Gesundheit, Krankheit und Familie bei Artemidor die größten Themengebiete.28 Um bei den Träumen eine möglichst präzise Aussage treffen zu können, war im Rahmen der Deutung eine Differenzierung von links und rechts notwendig. Wenn im Traum etwa paarige Körperteile erschienen waren, bedeutete dies bezüglich familiärer Angelegenheiten, dass die rechten Körperteile, beispielsweise das rechte Auge oder die rechte Hand, den Vater, Sohn oder Bruder symbolisierten, während die linken Körperteile mit der Frau, Tochter oder Schwester in Verbindung gebracht wurden.29 Doch welchen Zweck erfüllte die Verwendung von rechts und links bei den Spekulationen medizinischer Autoren über die Frage nach der Festlegung des Geschlechts? Erklärungsmodelle dieser Art dienten dazu, das gesellschaftliche und kulturelle Verständnis von Mann und Frau zu verfestigen.30 Mann und Frau erscheinen als Gegensätze, denen bestimmte, analoge Assoziationen hervorrufende Begriffsoppositionen zugeordnet wurden. War in anderen medizinischen Theorien der klassischen Zeit der Samen ein Privileg des Mannes, während die Frau lediglich den Stoff und den Ort beisteuere, an dem der Samen aufgehen könne, so wurde die Überlegenheit des Mannes in den vorgestellten Theorien durch seine Verbindung zur rechten Seite zum Ausdruck gebracht.31 Rechts ist positiv, gilt als stark und erscheint daher für eine Assoziation mit dem Männlichen prädestiniert. Vor diesem Hintergrund erscheint es naturgegeben, wenn das bessere Geschlecht auch auf der besseren rechten Körperseite lokalisiert wird und dies bereits in der Entstehungsphase des Menschen der Fall ist. Die Ansicht, die männlichen Nachkommen mit der rechten Seite in Bezug zu setzen, unterstreicht zugleich die Bedeutung der gesellschaftlichen Rolle des Mannes als Ernährer und Stammhalter der Familie. Die Geburt eines Jungen nahm in der griechischen und römischen Gesellschaft ei-

26 Plin. Nat. Hist. 7, 37; weitere Beispiele bei Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 85–88. 27 Vgl. Hahn, Traumdeutung und gesellschaftliche Wirklichkeit. Artemidor Daldianus als sozialgeschichtliche Quelle, Konstanz 1992, 7–11. 28 Vgl. Hahn, Traumdeutung und gesellschaftliche Wirklichkeit, 8f. 29 Artem. 1, 2; Artem. 1, 26; Artem. 1, 42. 30 Vgl. King, Geschlecht (Nr 2). Medizinisch, DNP 4, Sp. 1005–1008; Föllinger, Geschlecht, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 339–342. 31 Zum Samen als Privileg des Mannes vgl. beispielsweise Arist. GA 727b7–12.

54

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

nen besonderen Stellenwert ein, denn sie bedeutete die Garantie für den Fortbestand der Familie.32 Gegensatzpaare kommen auch in den naturwissenschaftlichen Untersuchungen zur Anatomie vor.33 Die Ansicht des Aristoteles, dass oben, vorne und rechts Träger eines Ausgangspunktes und deshalb wertvoller als ihre jeweiligen Gegenstücke sind, bildet auch das theoretische Fundament für seine Darstellung und Erklärung anatomischer Sachverhalte.34 Die Überlegenheit von oben und rechts tritt beispielsweise deutlich in Aristoteles’ Beschreibung über die Nieren hervor, wenn Aristoteles seine Beobachtung, dass die rechte Niere höher als die linke liege mit dem von ihm auf der rechten Körperseite lokalisierten Bewegungsursprung in Verbindung bringt.35 Die Teile auf der rechten Seite seien stärker und würden daher schneller nach oben streben als ihre Entsprechungen auf der linken Seite. Laut Aristoteles sei infolgedessen die rechte Niere im Vergleich zur linken auch weniger fett und trockener.36 Wie hartnäckig sich diese Vorstellung hielt, führen Galen und Plinius Maior vor Augen, die gleichfalls der rechten Niere eine höhere Lage, weniger Fett und mehr Trockenheit attestieren.37 Die allgemeingültige Überlegenheit der rechten Seite zeigt sich auch bei Aristoteles’ Beschreibung der Lage des Herzens.38 Die Bedeutung dieses Organs, das generell als Quelle der Lebenskraft, der Bewegung und der Gefühle angesehen wurde39, zeigt sich bereits an seiner Lage, denn „es befindet sich in zentraler Position und eher im oberen Teil des Körpers als im unteren, und mehr vorne als hinten. Die Natur hat nämlich die wertvolleren Teile in einer wertvolleren Lage platziert, außer wenn etwas Bedeutenderes dies verhindert.“40 Die Lage des Herzens hat allerdings für die Konzeption des Aristoteles ein entscheidendes Problem: das Organ 32 Vgl. Pomeroy, Families in Classical and Hellenistic Greece. Representations and Realities, Oxford 1997, 25. 194. 201; Deißmann-Merten, Zur Sozialgeschichte des Kindes im antiken Griechenland, in: Martin/Nitschke (Hrsg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, Freiburg/München 1986, 278. 33 Zur Entwicklung der griechischen Anatomie vgl. Lloyd, Science, 149–167. 34 Zahlreiche Beispiele, bei denen Aristoteles die Überlegenheit von oben, vorne und rechts anhand der Position einzelner Organe und anderer Phänomene erklärt, bei Lloyd, Right and Left, 62; Lloyd, Polarity, 52–55. 72f.; vgl. allgemein zu den anatomischen Studien des Aristoteles Kollesch, Die Anatomischen Untersuchungen des Aristoteles und ihr Stellenwert als Forschungsmethode in der aristotelischen Biologie, in: Kullmann/Föllinger (Hrsg.), Aristotelische Biologie, 367–373. 35 Arist. PA 671b28–36; Aristoteles’ Generalisierung ist fehlerhaft. Beispielsweise liegt beim Menschen die linke Niere generell leicht höher als die rechte. Vgl. dazu Lloyd, Right and Left, 64; McManus, Right Hand, Left Hand, 84. 36 Arist. PA 672a24–28. 37 Plin. Hist. Nat. 11, 206; Gal. Us. Part. 5, 6 (Kühn 3, 367). 38 Vgl. allgemein zur aristotelischen Beschreibung des Herzens Harris, The Heart and the Vascular System in Ancient Greek Medicine. From Alcmaeon to Galen, Oxford 1973, 122–134. 39 Zur Wahrnehmung und Bedeutung des Herzens in der griechischen und römischen Antike vgl. Bauer/Felber, Herz, RAC 14, Sp. 1099–1103; zu den wissenschaftlichen Theorien über das Herz vgl. Stamatu, Herz, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 410–412. 40 Arist. PA 665b18–21: peri; mevson gavr, ma`llon d j ejn tw`/ a[nw h[ kavtw kai; e[mprosqen h[ o[pisqen: ejn toi`~ ga;r timiwtevroi~ to; timiwvteron kaqivdruken hJ fuvsij, ou` mhv ti kwluvei mei`zon.

3.1. Biologie

55

befindet sich auf der linken Seite und passt deshalb nicht in das Konzept der stets überlegenen rechten Seite.41 Um diese anormal anmutende Position zu erklären, greift Aristoteles auf die Theorie über den Temperaturunterschied zwischen den beiden Körperhälften zurück, nach der die rechte Seite für warm und die linke Seite dagegen für kalt gehalten wurde.42 Das Herz liege daher auf der linken Seite, um die Kälte auf dieser Körperhälfte auszugleichen. Dass sich Aristoteles beim Versuch, die nicht ins Bild passende Lage des Herzens zu erklären, in Widersprüche verstrickt, verdeutlicht eine andere Stelle über das Herz. Nach Aristoteles besteht das Herz aus drei Kammern, von denen die rechte die größte ist und über das meiste und wärmste Blut verfügt.43 Dies sei auch der Grund, warum die rechte Körperseite wärmer als die linke sei. Dagegen besitze die linke Kammer weniger Blut und sei kälter. Das bedeutet, dass das Herz selbst der Faktor ist, der die Temperatur im Körper bestimmt. Vergleicht man die beiden Stellen, tritt der Widerspruch deutlich hervor: Wenn nämlich einerseits das Herz beim Menschen auf der linken Seite sitzt, um die Kälte dieser Körperhälfte auszugleichen, aber andererseits der Unterschied in der Temperatur der beiden Seiten selbst als das Ergebnis des Temperaturunterschieds des Blutes von der linken und rechten Herzkammer betrachtet wird. Eher wäre zu erwarten, dass das Herz auf der linken Seite den Effekt hat, die linke Seite zu wärmen, was Aristoteles tatsächlich auch beschreibt, aber dann gäbe es keinen Grund, warum die linke Seite beim Menschen trotzdem besonders kalt sein sollte. Der Erklärungsversuch des Aristoteles zeigt, welche Ausmaße die Theorie der Dominanz der rechten Seite in seinem naturwissenschaftlichen System angenommen hat. Bezeichnend für diese Sichtweise ist auch seine falsche Annahme, dass das Herz ausschließlich beim Menschen auf der linken Seite liege, nicht aber bei anderen Lebewesen.44 Dieser Fehler erscheint erstaunlich, weil Aristoteles unzweifelhaft ein detailliertes Wissen über die inneren Organe einzelner Arten besaß.45 Wie vehement er seine These verteidigt, dass die Gliedmaßen der rechten Seite stärker als die der linken seien, zeigen auch seine Erklärungsversuche bei Ausnahmefällen. Zu den Ausnahmen gehören beispielsweise die Hummer. Im Gegensatz zu den Krabben entscheide bei Hummern der Zufall, welche Zange die größere werde.46 Die Ursache hierfür sei, dass die Hummer missgebildet seien, denn sie verfügen zwar über Zangen, würden diese aber nicht ihrem natürlichen Zweck entsprechend einsetzen, sondern nur für die Fortbewegung verwenden.47 41 Zur Position des Herzens auf der linken Seite beim Menschen und den medizinischen Theorien über den Grund für diese Lage vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 288–290. 42 Arist. PA 670b19f.; vgl. auch Lloyd, Right and Left, 62f.; für Empedokles ist die Temperatur für das Geschlecht ausschlaggebend. Siehe Arist. GA 764a1–7. 43 Arist. PA 667a1–6. 44 Arist. PA 666b7–10; Arist. HA 496a14–19. 506b32–507a2. 45 Vgl. Lloyd, Right and Left, 64. 46 Arist. PA 684a32–34 47 Arist. PA 684a34–684b2: Tou`to d∆ ajtavkw~ e[cousin o{ti pephvrwntai kai; ouj crw`ntai ejf∆ o{ pefuvkasin, ajlla; poreiva~ cavrin; zum Hummer allgemein vgl. Arist. HA 526a12–526b18; die Argumentation begegnet auch bei Aristoteles’ Beschreibung der Meeresschneckenart Testacea, bei der er ebenfalls das Fehlen einer Differenzierung der rechten und linken Gliedmaßen feststellt, obwohl er eine funktionale Unterscheidung im Hinblick auf ihre Fortbewegung zu kons-

56

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Gibt Aristoteles trotz seiner widersprüchlichen Erklärungsversuche wenigstens zu, dass sich das Herz eher auf der linken Körperseite befindet, so bestreitet Galen diesen Sachverhalt und vertritt stattdessen eine Theorie, die das Herz in der Mitte des Thorax lokalisiert. Nach Galen beruht die weit verbreitete Annahme von einem links liegenden Herzen auf einer Täuschung: Der Herzschlag werde in der Nähe der linken Brustwarze eher wahrgenommen, da die linke Herzkammer der Ausgangspunkt aller Arterien sei.48 Dabei sei aber auch zu bedenken, dass auch eine rechte Herzkammer existiere, die für Galen als Beweis dient, dass das Herz nicht links, sondern vielmehr in der Mitte des Thorax schlage. In seinem Werk De anatomicis administrationibus verficht er erneut seine These und macht für die in seinen Augen irrtümliche Wahrnehmung des Herzens auf der linken Seite zwei Gründe verantwortlich. Zunächst sei die Herzdruckkammer bei Lebewesen auf der linken Körperhälfte angesiedelt.49 Die folgende Begründung von Galen erscheint gemessen an seiner eigenen These allerdings widersprüchlich, denn Galen räumt ein, dass das ganze Organ eher nach links gerichtet sei, da seine Spitze im Gegensatz zum Hauptbestandteil nicht präzise in der Mitte des Thorax liegen, sondern sich leicht nach links neigen würde. Galen versucht folglich mit fadenscheinigen Argumenten die von der Natur vorgegebene Position des menschlichen Herzens zu korrigieren. Inwieweit dieser Fehler auf falsche Analysen zurückzuführen ist, bei denen Galen möglicherweise die anatomischen Befunde von Säugetieren, von denen eine Vielzahl das Herz in der Thoraxmitte hat, auf den Menschen übertrug, oder eventuell sogar von dem links negativ und rechts positiv deutenden Weltbild beeinflusst wurde, lässt sich nicht mehr eindeutig beantworten. Jedenfalls ist bei der Behandlung des Herzens ein Aspekt ersichtlich geworden: Die Tatsache, dass ein lebenswichtiges und somit positiv konnotiertes Organ wie das Herz von Natur aus auf der vermeintlich schlechten linken Körperhälfte liegt, bereitete sowohl einem Aristoteles als auch einem Galen Probleme, da dies nicht der geläufigen Vorstellung entsprach, in der rechts von Natur aus den Part des Guten und links den Part des Schlechten übernahm. Abweichungen von diesem Bild ließen sich, wie gezeigt werden konnte, nur äußerst schwer, in der Regel auf der Grundlage von Fehlern und Widersprüchen, darlegen. Im Vergleich zu den ideologisch getrübten Herzbeschreibungen des Aristoteles und Galen zeichnet Plinius erstaunlicherweise ein erfrischend realistisches Bild von der Position des menschlichen Herzens: Plinius zufolge befinde sich das Herz truieren versucht. Grund für die fehlende Differenzierung sei, dass die Testacea zu einer missgebildeten Art gehören würde. Siehe Arist. IA 714b7–16; vgl. dazu Lloyd, Right and Left, 64. 48 Gal. Us. Part. 6, 2 (Kühn 3, 415f.): Nomivxousi d∆ oiJ polloi; mh; mevshn ajkribw`~ ajll∆ ejn toi`~ ajristeroi`~ ma`llovn pw~ tetavcqai th;n kardivan, ajpatwvmenoi tw`/ diashmaivnonti kata; to;n ajristero;n titqo;n sfugmw`/, th`~ ejntau`qa tetagmevnh~ koiliva~ ou[sh~ th`~ aJpasw`n tw`n ajrthriw`n ajrch`~. ajll∆ e[stin eJtevra koiliva, prov~ te th;n koivlhn ejstrammevnh flevba kai; to; h|par ejn toi`~ dexioi`~ mevresin aujtou`, di∆ hjn oujk ejn toi`~ ajristeroi`~ to; suvmpan hJ kardiva tetavcqai levgetai, mevsh d∆ ajkribw`~ uJpavrcei, ouj tauvth~ movnh~ th`~ diastavsew~ th`~ kata; to; plavto~, ajlla; kai; tw`n eJtevrwn duoi`n tw`n eij~ to; bavqo~ te kai; mhko~ tou qwvrako~ dihkousw`n; vgl. dazu ausführlich Harris, The Heart and

the Vascular System in Ancient Greek Medicine, 268–270. 49 Gal. Anat. Admin. 7, 7 (Kühn 2, 605f.).

3.2. Religion und Aberglaube

57

bei den übrigen Tieren mitten in der Brust, nur beim Menschen jedoch liege es mit einer nach vorne ragenden kegelförmigen Spitze unter der linken Brustwarze. 50 Die Beispiele aus dem naturwissenschaftlichen Bereich haben die positive Bewertung der rechten Seite klar vor Augen geführt. Rechts ist der linken Seite von Natur aus überlegen. Diese naturbedingte Überlegenheit kommt nach der Auffassung des Aristoteles am deutlichsten beim Menschen zum Vorschein, der als das der Natur am meisten entsprechende Lebewesen die Norm darstellt, von der aus der Rest der Lebewesen bewertet wird.51 Der Mensch avanciert zum Ideal und damit auch die Überlegenheit der rechten Körperseite. Abweichungen von dieser idealisierten Norm erscheinen als Abweichungen von der Natur und sind nur als Missbildungen erklärbar. In dieser Kategorisierung der Natur anhand von rechts und links spiegelt sich eine dualistische Denkweise wider, die versucht, die Phänomene der Natur in einem aus Gegensatzpaaren bestehendem Modell erfassbar zu machen. Da die dafür verwendeten Gegensatzpaare aber auch kulturell bedingte Assoziationen hervorrufen, erscheint die Natur als kulturelles Konstrukt. Im Rahmen dieses Modells wird links konsequent mit den negativen Eigenschaften schwach, weiblich, kalt, unten und dem Ende in Verbindung gebracht, während rechts die Assoziationen des entsprechenden Gegenstücks hervorruft. 3.2. RELIGION UND ABERGLAUBE Der Versuch, unerklärliche Phänomene mit Hilfe von Gegensatzpaaren wie links und rechts erklärbar zu machen, begegnet uns bei den Griechen und Römern vor allem in den Bereichen der Religion und des Aberglaubens.52 Gegensatzpaare werden innerhalb der Religion und des Aberglaubens oft als Symbole für bestehende im religiösen Glauben verankerte Antithesen wie beispielsweise rein und unrein, Zustimmung oder Ablehnung der Gottheit in Form von positiven oder negativen Zeichen verwendet.53 Abstrakte religiöse Konzepte werden klarer erfassbar, indem sie mit Gegensatzpaaren im Rahmen von Kulthandlungen verknüpft werden. Diese dualistische Sichtweise spiegelt sich bereits im religiösen Symbolsystem bei Homer und Hesiod wider.54 Erinnert sei an die Assoziation der rechten Seite als der Seite, aus der Gottheiten den Menschen positive Zeichen senden.55 Neben den innerhalb der Religion bestehenden Symbolsystemen nutzen auch die ersten anti-

50 Plin. Nat. Hist. 11, 181: Cor animalium ceteris medio pectore est, homini tantum infra laevam papillam turbinato mucrone in priora eminens; bei einigen Tieren liegt das Herz allerdings wie beim Menschen auch auf der linken Brustseite. Siehe dazu McManus, Right Hand, Left Hand, 82–84. 51 Arist. IA 706a18–20; Arist. PA 656a8–14. 52 Vgl. Lloyd, Polarity, 37. 53 Vgl. Lloyd, Polarity, 38. 54 Vgl. Lloyd, Polarity, 62; Lloyd, Right and Left, 58f. 55 Beispielsweise Hom. Il. 13, 821–823.

58

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

ken Naturphilosophen wie Alkmaion dualistische Denkkonzepte, um die Phänomene der Natur und des Menschen zu deuten.56 Eines der ältesten uns bekannten und zugleich umfassendsten Systeme dieser dualistischen Sichtweise stammt aus der Schule des Pythagoras, das Aristoteles im ersten Buch der Metaphysik vorstellt: „Andere Mitglieder derselben Schule sagen wiederum, es gebe zehn Prinzipien, die sie in ihren Entsprechungen anführen: Grenze und Unbegrenztes, Ungerades und Gerades, Eines und Menge, Rechtes und Linkes, Männliches und Weibliches, Ruhendes und Bewegtes, Gerades und Gekrümmtes, Licht und Dunkel, Gutes und Schlechtes, Quadrat und Rechteck.“57 In dieser Einteilung fällt nicht nur auf, dass Männliches von Pythagoras ganz selbstverständlich mit gut assoziiert wird, sondern vielmehr, dass bereits in diesem System rechts zur Gruppe des Guten gehört, wohingegen links gleichbedeutend für Weibliches, Gerades, Dunkel und Schlechtes steht. Die Kategorisierung sollte ihren Einzug auch in die Lebensregeln der Pythagoreer, die so genannten Akusmata, finden.58 Dass ein großer Teil dieser Vorschriften dem volkstümlichen Aberglauben entnommen war, sich folglich nicht auf die Pythagoreer allein beschränkte, spiegelt sich auch anhand der Privilegierung der rechten Seite im Rahmen von zahlreichen ritualisierten Kulthandlungen wider.59 Die Vorstellung von rechts im Sinne von gut begegnet beispielsweise in der pythagoreischen Vorschrift, den rechten Schuh zuerst anzuziehen.60 Dass diese Verhaltensregel in der griechischen und römischen Welt weit verbreitet war und in Rom sogar bis an die Spitze der res publica vordrang, dokumentiert eindrucksvoll der Begründer des Prinzipats. Sueton berichtet, dass Augustus, wenn er früh morgens die Schuhe verkehrt angezogen bekam, statt des rechten den linken Schuh, darin ein unglückliches Vorzeichen sah.61 Dass Versäumnisse dieser Art in der Tat verhängnisvolle Folgen haben konnten, musste der Princeps am eigenen Leib erfahren. Augustus hatte unter einem Soldatenaufstand zu leiden, als ihm einmal der linke Schuh verkehrt angezogen wurde.62 Auch wenn solche Beispiele wahrscheinlich nicht der Realität entsprachen, so zeigt ihre Er56 Alkmaions dualistisches System umfasste die Gegensatzpaare weiß und schwarz, süß und bitter, gut und schlecht sowie groß und klein. Vgl. dazu Arist. Met. 986a30–986b8; einen Überblick über die Denkkonzepte weiterer vorsokratischer Philosophen bietet Lloyd, Polarity, 16– 19. 57 Arist. Met. 986a24–27: e{teroi de; tw`n aujtw`n touvtwn ta;~ ajrca;~ devka levgousin ei\nai ta;~ kata; sustoicivan legomevna~, pevra~ [kai;] a[peiron, peritto;n [kai;] a[rtion, e|n [kai;] plh`qo~, dexio;n [kai;] ajristerovn, a[rren [kai;] qh`lu, hjremou`n [kai;] kinouvmenon, eujqu [kai;] kavmpuvlon, fw`~ [kai;] skovto~, ajgaqo;n [kai;] kakovn, tetravgwnon [kai;] eJterovmhke~; zum Pythagoreismus vgl. Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 1, München3 1967, 699–708; zu den Gegensatzpaaren vgl. Riedweg, Pythagoras. Leben. Lehre. Nachwirkung, München 2002, 114; Lloyd, Polarity, 63: „(…) it seems possible, or indeed quite probable, that this Table represents the first major attempt to define and systematise such beliefs in a single schema.“ Vgl. auch Lloyd, Polarity, 94–96. 58 Vgl. Lloyd, Polarity, 49; Riedweg, Pythagoras, 89–93. 59 Vgl. Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 1, 705f. 60 Iambl. Vita Pyth. 83. 61 Suet. Div. Aug. 92, 1: Auspicia et omnia quedam pro certissimis observabat: si mane sibi calceus perperam ac sinister pro dextro induceretur, ut dirum. 62 Plin. Nat. Hist. 2, 24.

3.2. Religion und Aberglaube

59

wähnung dennoch, dass die im römischen Aberglauben vorherrschende Vorstellung von links und rechts auch im Bewusstsein der römischen Aristokratie kursierte und ihre Einhaltung offenbar zum guten Ton gehörte. Die Einhaltung einer weiteren pythagoreischen Vorschrift erscheint ebenfalls untersuchungswert: Im Kult wurde darauf geachtet, ein Heiligtum rechts zu betreten und es links wieder zu verlassen.63 Der Übergang von der profanen Welt in die göttliche Sphäre des Heiligtums wurde folglich mit Hilfe einer ritualisierten und korrekt auszuführenden Kulthandlung markiert.64 Korrekt bedeutet im vorliegenden Fall, den Kontakt mit der Gottheit auf der rechten Seite zu beginnen. Wie bereits beim Schuhanziehen wird auch hier der korrekte Beginn einer Handlung mit der rechten Seite assoziiert. Durch den Rückgriff auf den positiven Symbolgehalt der rechten Seite erfährt die Gottheit von Seiten des Kultausübenden gleich zu Beginn der Kontaktaufnahme eine erste Ehrung, denn nach Aristoteles sind oben, vorne und rechts als Ausgangspunkte für Bewegungen wertvoller als ihre jeweiligen Gegenparte.65 Des Weiteren erscheint die Kultvorschrift infolge der Dominanz an Rechtshändern und der damit zusammenhängenden positiven Konnotation von rechts auch für den Kultausübenden nachvollziehbar und somit auch verständlich. Wie hat man sich jedoch die Ausführung dieser Kulthandlung in der Praxis vorzustellen? Die Vorstellung, ein Heiligtum von der rechten Seite zu betreten, beispielsweise den Eingang eines heiligen Bezirkes oder den Eingang eines einzelnen Tempels, bereitet noch keine Schwierigkeiten, was jedoch bedeutet konkret das Heiligtum von links zu verlassen? Auf der Suche nach einer Antwort muss zunächst festgehalten werden, dass viele pythagoreische Kultvorschriften generell keine präzise Begründung oder Anleitung bieten und daher oftmals für uns dunkel bleiben.66 Auch die angefügte Erläuterung von Iamblichos, Pythagoras habe die rechte Seite als den Ursprung des so genannten Ungeraden in der Welt und als etwas Göttliches verstanden und die linke Seite dagegen als Sinnbild des Geraden und dessen, was sich auflöse, zeigt nur Iamblichos’ Versuch, die Bedeutung der rechten und linken Seite mit Hilfe des pythagoreischen Modells der Gegensatzpaare zu erklären, liefert jedoch in Bezug auf die eigentliche Kultausübung keine konkreten Angaben.67 Da Iamblichos Angaben sehr allgemein formuliert sind, beispielsweise spricht der Pythagorasbiograph stets im Plural von ta; iJera und vom Betreten kata; tou;~ dexiou;~ tovpou~ sowie kata; tou;~ ajristerouv~, also „Orten, die sich rechts bzw. links befinden“, liegt die Vermutung nahe, dass eine solche knapp gehaltene Formulierung sowohl zur Zeit des Pythagoras als auch der Zeit des Iamblichos offenbar ausreichte, um von der breiten Masse verstanden zu werden. Folglich war eine derartige 63 Iambl. Vita Pyth. 156: eijsevnai de; eij~ ta; iJera; kata; tou;~ dexiou;~ tovpou~ paraggevllei, ejxievnai kata; tou;~ ajristerouv~ (…).

64 Vgl. Burkert, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 1977, 132. 143. 65 Arist. IA 706b12–16; vgl. zur Theorie des Aristoteles Lloyd, Polarity, 52; siehe auch Kapitel 3.1. 66 Vgl. Riedweg, Pythagoras, 91. 67 Iambl. Vita Pyth. 156: to; me;n decio;n ajrch;n tou` perittou` legomevnou tw`n ajriqmw`n kai; qei`on tiqevmeno~, to; de; ajristero;n tou` ajrtivou kai; dialuomevnou suvmbolon tiqevmeno~.

60

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Regel bekannt und bedurfte offenbar keiner weiteren Erläuterung. Doch zurück zur Beantwortung der Frage. Zwei Möglichkeiten sind denkbar. Wenn man die Perspektive des Kultausübenden sowohl beim Betreten als auch beim Verlassen eines Heiligtums, beispielsweise eines Tempels, einnimmt, hat dies zur Konsequenz, dass der Kultausübende den Tempel an derselben Stelle verlässt, an der er ihn betreten hat, da beim Hinausgehen links vom Kultausübenden der rechten Seite beim vorherigen Betreten entspricht. Anstelle der selbstbezogenen Perspektive erscheint auch eine konstant bestehende Außenperspektive vorstellbar, nach der der Kultausübende diesmal aus der Sichtweise eines (quasi beobachtenden) Außenstehenden den Tempel links verlässt. Bei dieser Konstellation verlässt der Kultausübende aus seiner Perspektive das Heiligtum wie zu Beginn erneut auf einer von ihm aus rechts liegenden Seite. In Bezug auf die Frage, welche der beiden Möglichkeiten eher in Betracht zu ziehen ist, erweisen sich Votivinschriften mit dem Bild zweier Fußpaare als aufschlussreich, von denen das linke nach unten und das rechte nach oben gerichtet ist.68 Obwohl neben dieser speziellen Inschriftenart auch zahlreiche Votivinschriften mit nur einem Fußpaar oder sogar drei Paaren existieren69, weisen alle Votivinschriften mit Fußabdrücken zwei Gemeinsamkeiten auf: Auf der einen Seite dokumentieren die Inschriften durch die Fußabdrücke die Anwesenheit des Dedikanten oder der geehrten Gottheit, auf der anderen Seite wurde ein großer Teil der Votivplatten im Eingangsbereich von Heiligtümern gefunden.70 Im Fokus des Interesses soll der spezielle Typus mit zwei entgegengesetzten Fußpaaren stehen.71 Zwei illustrative Beispiele, die zudem den Vorteil haben, in situ gefunden worden zu sein, stammen aus dem Amphitheater von Italica in Hispanien, in dem noch 13 weitere Votivinschriften mit Fußabdrücken verschiedener Art zum Vorschein kamen.72 Die der Göttin Nemesis geweihte Inschrift des Zosimos wurde am Eingang eines als Heiligtum genutzten Raumes eingesetzt im Pflaster des Bodens gefunden (siehe Abb. 1).73 Am Eingang zum nächsten Raum war eine

68 Vgl. allgemein zu Votivinschriften mit Fußabdrücken Kötting, Fuß, RAC 8, Sp. 729–733; speziell zu den Votivinschriften mit zwei Fußpaaren vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia…Footprints divine and human on Graeco-Roman Monuments, in: JRA 3, 1990, 90f.; Canto, Les plaques votives avec plantae pedum d’Italica un essai d’interpretation, in: ZPE 54, 1984, 184; Schulten, Die Tyrsener in Spanien, in: Klio 33, 1940, 73–81; Guarducci, Le impronte del Quo Vadis e monumenti affini, figurati ed epigrafici, in: RendPontAcc 19, 1942–43, 318–320; Manganaro, Ricerche di epigrafia siceliota I. Per la storia del culto delle divinita’ orientali in Sicilia, in: Siculorum Gymnasium n.s. 14, 1961, 182–190. 69 Zur großen Spannbreite der Votivinschriften mit Fußabdrücken und der Schwierigkeit einer eindeutigen Kategorisierung vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 85.90; Kötting, Fuß, Sp. 729; eine Inschrift mit drei Fußpaaren wurde in Italica, Hispanien gefunden. Siehe dazu Canto, Les plaques votives, 184, Nr. 3; Taf. VIII, 3. 70 Vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 86. 71 Zahlreiche Beispiele aufgeführt bei Castiglione, Inverted Footprints. A Contribution to the ancient popular Religion, in: Acta Ethnographica Academiae Scientarum Hungaricae 17, 1968, 122–127. 72 Alle Inschriften aufgeführt bei Canto, Les plaques votives, 184–186. 73 AE 1941, 91; Guarducci, Le impronte del Quo Vadis, 319; Castiglione, Inverted Footprints,

3.2. Religion und Aberglaube

61

der Göttin Caelestis geweihte Inschrift am Fußboden eingelassen (siehe Abb. 2).74 Da auf beiden Inschriften die Namen der Dedikanten angegeben sind, die Füße auch nicht, wie bei vielen Fußdarstellungen von Gottheiten üblich, überlebensgroß oder mit klar erkennbaren göttlichen Attributen dargestellt worden sind, kann angenommen werden, dass es sich bei den Fußabdrücken um diejenigen der Dedikanten und nicht der verehrten Gottheiten handelt.75 Ausgehend von dieser Interpretation lässt sich eine erste Funktion der abgebildeten Fußabdrücke auf den Votivplatten bestimmen: Mit Hilfe der Fußabdrücke wollen die Dedikanten an ihre persönliche Präsenz im Heiligtum und an die Verrichtung des geleisteten Gelübdes erinnern.76 Doch warum sind dafür gleich zwei Fußpaare notwendig und welche Funktion erfüllt die entgegengesetzte Anordnung der Fußpaare? Nach der Ansicht von Guarducci soll das Vorhandensein von zwei Paaren sowohl den Dank für eine glückliche Hinreise als auch die Bitte um eine gefahrenlose Rückreise unter der Protektion der Gottheit symbolisch zum Ausdruck bringen.77 Scharfe Einwände gegen diese Theorie kamen von Castiglione, der sich als einer der ersten intensiv mit der Bedeutung der invertierten Fußpaare auseinandersetzte. Gegen die als pro itu et reditu bezeichnete Interpretation von Guarducci spräche, dass die in den Inschriften erwähnten Dedikanten sich nicht explizit als von weit herreisende Pilger bezeichnen.78 Vielmehr konnte der Dedikant in einigen Fällen als Bewohner der Stadt, in der sich das Heiligtum befand, identifiziert werden. Ferner gibt Castiglione zu bedenken, dass typische pro itu et reditu Inschriften keine Fußabdrücke als spezifische Symbolsprache aufweisen. Ausgehend von diesen Überlegungen interpretiert Castiglione die invertierten Fußpaare als Mittel, um den Dedikanten vor schädlichen Einflüssen zu schützen, basierend auf dem weit verbreiteten Glauben, dass das Hinterlassen von Fußabdrücken die betreffende Person Schadenszauber aussetzt, die durch den Effekt eines verkehrten Fußpaares wieder aufgehoben werden können.79 Die Interpretation von Castiglione erscheint auf den ersten Blick durchaus interessant, kann jedoch nicht vollständig überzeugen, zumal Castiglione selbst zugibt, dass seine These nicht durch einen Beleg aus der antiken Welt gestützt werden kann, sondern auf dem in europäischen Volksglauben belegten Ritual basiert, zur Abwehr von bösen Geistern die Schuhe entgegengesetzt vor das Haus zu stellen.80 Inwieweit sich jedoch diese für das Haus geltende apotropäische Schutzwirkung auf die Vo-

74

75 76 77 78 79 80

124f.; Fig. 8; Canto, Les plaques votives, 184, Nr. 2; Taf. VIII, 2 mit ausführlicher Bibliographie; zum Fundort vgl. Schulten, Die Tyrsener in Spanien, 75f. Canto, Les plaques votives, 184, Nr. 1; Taf. VIII, 1 mit ausführlicher Bibliographie; Guarducci, Le impronte del Quo Vadis, 319; Castiglione, Inverted Footprints, 126; Fig. 9; zum Fundort vgl. Schulten, Die Tyrsener in Spanien, 75f. Zur Bestimmung der Fußabdrücke und der typischen Merkmale für göttliche Fußabdrücke und Fußabdrücke der Dedikanten vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 86–90. Vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 90f.; Schulten, Die Tyrsener in Spanien, 73; Guarducci, Le impronte del Quo Vadis, 308; Manganaro, Ricerche di epigrafia siceliota, 185. Vgl. Kötting, Sp. 732; Schulten, Die Tyrsener in Spanien, 73. Vgl. Castiglione, Inverted Footprints, 127f. Vgl. Castiglione, Inverted Footprints, 133–137; siehe zu dieser Theorie auch Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 91. Vgl. Castiglione, Inverted Footprints, 134f.

62

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

tivplatten in Heiligtümern analog anwenden lässt, bleibt fraglich. Vor allem stellt sich die Frage, warum überhaupt Votivplatten mit Fußabdrücken Verwendung fanden, wenn die Angst, Fußabdrücke zu hinterlassen, angeblich weit verbreitet gewesen sei.81 Folglich muss ein anderer Interpretationsansatz gefunden werden, der insbesondere einen Aspekt berücksichtigt, der bisher vernachlässigt worden ist. Für eine Deutung der invertierten Fußplatten ist nämlich nicht nur der archäologische Kontext von Bedeutung, sondern vor allem die Positionierung der Fußpaare entscheidend: Auf allen Votivinschriften mit zwei Fußpaaren weist das Fußpaar auf der rechten Seite in den als Heiligtum genutzten Raum hinein, wohingegen das linke Paar aus dem Heiligtum hinausweist. Daher ist die Frage nach dem Grund für diese stereotype Positionierung zu stellen. Die Vermutung liegt nahe, dass sich die Dedikanten wie in der pythagoreischen Kultvorschrift ihrer Gottheit ehrenvoll und korrekt nähern wollten, indem sie das jeweilige Heiligtum von rechts betraten und anschließend – aus der Perspektive eines Außenstehenden – auf der linken Seite wieder verließen. Die Ehrfurcht vor der Gottheit sowie der Beweis, die Kulthandlungen korrekt vollzogen zu haben, wird mit Hilfe der zwei entgegengesetzten Fußpaare symbolhaft zum Ausdruck gebracht. Dass die am Eingangsbereich zum Kultraum im Fußboden eingelassenen Inschriften mit Fußpaaren womöglich auch die eintretenden Personen darauf aufmerksam machten, wie sie den Raum der Gottheit ordnungsgemäß zu betreten hatten, kann eine weitere in situ gefundene Fußbodenplatte mit zwei entgegengesetzten Fußpaaren veranschaulichen. Die Platte wurde in der auf dem Caelius-Hügel errichteten Basilica Hilariana an der Eingangsschwelle zu einem Kultraum der Gottheit Cybele entdeckt.82 Ihre Funktion lässt sich anhand der direkt darunter angebrachten Inschrift in dem Vorraum näher bestimmen: Intrantibus hic deos propitios et Basilic[ae] Hilarianae. Die an der Schwelle zum Kultraum eingelassene Platte mit den beiden Fußpaaren ist folglich an die eintretenden Personen adressiert und zeigt offenbar diesen an, wie der Kultraum gewissenhaft zu betreten und zu verlassen ist, um die Götter propitii zu stimmen. Dem Kultausübenden wird mit Hilfe der am Eingang sichtbaren Fußpaare die Bedeutung des Überschreitens von der profanen in die göttliche Welt der Cybele bewusst vor Augen geführt. In diesem Fall liegt also eine rein praktische Funktion vor: die Fußpaare stellen im Vergleich zu den Beispielen aus Hispanien kein Votiv dar, sondern demonstrieren, auf welche Weise eine glückliche Hin- und Rückkehr zu und von der Gottheit zu erfolgen habe.83

81 Vgl. Castiglione, Inverted Footprints, 133f. 82 Gatti, Regione I. (Latium et Campania). IX. Roma. Nuove scoperte nella città e nel suburbia, in: NSA 1889, 399; Hülsen, Jahresbericht über die Topographie der Stadt Rom, in: MDAIR 6, 1891, 109f.; Visconti, Trovamenti di ogetti d’arte e di antichità figurate, in: BCAR 18, 1890, 19f. 23. 83 Der Wunsch nach sicherer Hin- und Rückkehr wird auch von Dunbabin erkannt, die ihre Interpretation zum einen darauf aufbaut, dass es sich bei der Platte um kein Votiv handle, zum anderen ein Mosaik im Fußboden vor der an die Eintretenden adressierten Inschrift eine apotropäische Funktion habe. Vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 101f. Inwieweit dieses Mosaik tatsächlich apotropäisch ist, erscheint allerdings fraglich.

3.2. Religion und Aberglaube

63

Hinweise in Form von Fußbodenplatten mit dem Zweck, der Person das richtige Verhalten beim Betreten eines Raumes bildhaft näher zu bringen, sind keine Seltenheit und finden sich auch im profanen Kontext. In Thermenanlagen sind beispielsweise zahlreiche Mosaike von Sandalenpaaren bekannt, die dem Thermenbesucher signalisieren, im nächsten Raum infolge des beheizten Bodens Sandalen zu tragen.84 Im Fall der beiden Votivinschriften aus Italica sollte wohl auch die Darstellung von nackten Füßen zusätzlich dokumentieren, dass man sich Nemesis und Caelestis in Reinheit genähert hat bzw. nähern soll, da das Tragen von Schuhen beim Betreten von zahlreichen Heiligtümern in der griechisch-römischen Welt per sakralem Gesetz verboten war.85 Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Interpretation der pythagoreischen Kultvorschrift durchaus vorstellbar, eine Außenperspektive in Betracht zu ziehen. Der Dedikant würde demnach aus der Perspektive eines Außenstehenden das Heiligtum auf der linken Seite verlassen. Obwohl sich die Frage infolge des spärlichen Quellenmaterials nicht eindeutig beantworten lässt, bleiben zumindest zwei Schlussfolgerungen festzuhalten: beim Betreten von sakralen Räumen fand eine erste Orientierung zur rechten Seite bevorzugt Verwendung. Einen weiteren Beleg liefert eine Inschrift aus dem antiken Portus. In seiner Grabinschrift erwähnt Caius Calpenius Hermes nicht nur die Errichtung einer Grabkammer für sich und seine Angehörigen, sondern verweist auch auf deren Innenausstattung. Dabei nennt er zuerst die aus der Perspektive der Eintretenden auf der rechten Seite befindliche Schlafstätte der Toten: (…) cubiculum intrantibus ad dextram.86 Mit Hilfe der Grabinschrift am Eingang zum Grabmal wird die eintretende Person folglich zu einer ersten Orientierung nach rechts ani84 Vgl. Dunbabin, Ipsa deae vestigia, 99–101. 85 Vgl. Manganaro, Ricerche di epigrafia siceliota, 185; neben der Darstellung von nackten Füßen sind auch Votivplatten mit beschuhten Füßen oder sowohl einem Paar nackter als auch einem Paar beschuhter Fußpaare belegt. Zu den Schwierigkeiten bei der Interpretation dieses Phänomens vgl. Castiglione, Inverted Footprints, 136: „It would therefore be better to regard these representations as efforts to further emphasize the inverted position, rather than looking for their meaning in their ritual removal of shoes.“ Zur Vorschrift, ein griechisches Heiligtum ohne Schuhe zu betreten vgl. Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 1, 90; auch eine pythagoreische Reinheitsvorschrift sah vor, unbeschuht zu opfern. Vgl. Iambl. Vita Pyth. 85. 100; Iambl. Protr. 21; zur allgemeinen Bedeutung der Reinheit in der griechische Religion siehe Burkert, Griechische Religion, 129–142; Chaniotis, Reinheit des Körpers: Reinheit des Sinnes in den griechischen Kultgesetzen, in: Assmann/Sundermeier/Wrogemann (Hrsg.), Schuld, Gewissen und Person. Studien zur Geschichte des inneren Menschen, Gütersloh 1997, 142–179; Bendlin, Purity and Pollution, in: Ogden (Hrsg.), A Companion to Greek Religion, Oxford 2007, 178–189; zur Bedeutung der Reinigungsrituale in der römischen Religion vgl. Rüpke, Die Religion der Römer, 115–118; vgl. Suet. Div. Aug. 100, 4; zu den biologischen Wurzeln der Reinheit vgl. Burkert, Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion, München 1998, 149–155. 86 AE 1981, 163 (= EDH HD005356): D(is) M(anibus) / C(aius) Calpenius Hermes fecit sibi et suis / et libertis libertabusq(ue) posterisq(ue) eorum / et Antistiae Coetonidi coniugi suae / h(oc) m(onumentum) h(eredem) e(xternum) n(on) s(equetur) / cubiculum intrantibus ad dextram et / foras in pavimento sarcophagae(!) et con/ tra et laeva parietibus duobus aedicu/ las cum ollis et sarcophagis fecit.

64

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

miert. Erst danach erfolgt der Hinweis auf die vor dem Grabmal aufgestellten Sarkophage. Die Beschreibung endet schließlich auf der linken Seite, in der Hermes eine von zwei Nischenwänden mit Tonbehältnissen für die Asche der Verstorbenen sowie mit Sarkophagen erwähnt. Auch in diesem Beispiel liegt eine Außenperspektive vor, die den Eintretenden auffordert, seinen Blick zunächst nach rechts und erst am Ende nach links zu wenden. Die anscheinend bewusst gewählte Anordnung der Fußpaare auf den Votivplatten sowie die Kultvorschrift der Pythagoreer hat zugleich vor Augen geführt, welche Bedeutung der genauen Kenntnis der mit rechts und links verbundenen Assoziationen insbesondere im religiösen Kontext zukam. Mit den daraus abgeleiteten Kulthandlungen konnte die Bedeutung des Kontakts zur Gottheit zum Ausdruck gebracht werden. Gerade der Rückgriff auf Gegensatzpaare wie richtig und falsch symbolisiert in Form der rechten (richtigen) oder linken (falschen) Seitenwahl schafft nicht nur Orientierung innerhalb der göttlichen Sphäre, sondern fördert zugleich die Aufmerksamkeit, Konzentration und Disziplin des Kultausübenden. Für den Bereich der Religion und des Aberglaubens war allerdings nicht nur bedeutsam, von welcher Seite ein Raum betreten wurde, sondern auch, mit welchen Fuß.87 Vor allem im Aberglauben der Griechen und Römer war die genaue Kenntnis von links und rechts in einer Fülle von Vorsichtsmaßregeln und konventionellen Gesten entscheidend, um sich vor Gefahren zu schützen, die ein unbedachtes Wort oder eine unvorsichtige Bewegung heraufbeschwören könnte.88 In Petrons Satyricon sorgt Trimalchios Sklave dafür, dass die Gäste den Speisesaal mit dem rechten Fuß zuerst betreten.89 Da nach römischer Vorstellung durch die Tür nicht nur Menschen, sondern auch Götter und Dämonen eintreten konnten, musste das Betreten der Türschwelle unter einem günstigen Vorzeichen erfolgen, das nur garantiert war, indem man den Raum zuerst mit dem rechten Fuß betrat.90 Durch das vorschriftsgemäße Eintreten in das Triclinium erhoffte man sich ein glückliches Abendessen.91 Die Anweisung von Trimalchios Sklave, mit dem rechten Fuß zuerst einzutreten, bedarf an dieser Stelle einer kurzen Erläuterung, die uns zugleich mit einem weiteren Aspekt der Vorstellung von rechts und links vertraut macht. Sie lässt sich 87 Zur Bedeutung des Fußes in der Religion und im Aberglauben vgl. Kötting, Fuß, Sp. 722– 727. 88 Vgl. Riess, Aberglaube, Sp. 83–85; allgemein zum antiken Aberglauben vgl. Martin, Inventing Superstition. From the Hippocratics to the Christians, Cambridge (Mass.)/London 2004, 10– 139; zur Bedeutung von rechts und links siehe Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben; Smits, Linkshänder, 33–43. 89 Petron. Sat. 30, 5: His repleti voluptatibus cum conaremur in triclinium intrare, exclamavit unus ex pueris, qui supra hoc officium erat positus: dextro pede; weitere Belege: Verg. Aen. 8, 302; Hor. Epist. 2, 2, 37; Stat. Silv. 7, 172; Ov. Am. 1, 12, 3–6; Ov. Her. 21, 69f.; Iuv. Sat. 10, 5; mit dem rechten Fuß soll man heute noch zuerst aufstehen, da der linke Fuß Unglück hervorruft. Vgl. Gerlach, Das neue Lexikon des Aberglaubens, Frankfurt am Main 1998, 141. 90 König, Der römische Festkalender der Republik. Feste, Organisation und Priesterschaften, Stuttgart 1991, 31; dagegen brachte das Betreten mit dem linken Fuß Unglück. Vgl. Apul. Met. 1, 5, 5: Sinistro pede profectum me spes compendii frustrata est. 91 Vgl. Grondona, La religione e la superstizione nella Cena Trimalchionis, Brüssel 1980, 78f.

3.2. Religion und Aberglaube

65

nämlich mit Hilfe des pythagoreischen Modells der Gegensatzpaare erklären, nach dem rechts mit ungeraden Zahlen, links mit geraden Zahlen gleichgesetzt wird.92 Zudem werden die ungeraden Zahlen mit dem Göttlichen in Verbindung gebracht, so dass der erste Schritt beim Betreten eines Raumes mit dem rechten Fuß erfolgen muss, um im Einklang mit dem göttlichen Willen zu stehen.93 Der Glaube hinterließ seine sichtbaren Spuren sogar in der Tempelarchitektur. Um zu garantieren, dass der rechte Fuß die oberste Stufe eines Tempels betrat, half Vitruv bewusst nach, indem er vorschrieb, dass die Anzahl der Stufen immer ungerade zu sein habe: „Die Stufen an der Stirnseite sind so anzulegen, dass ihre Zahl immer ungleich ist. Denn wenn man auf die erste Stufe mit dem rechten Fuß hinaufsteigt, wird dann ebenso der erste (rechte) Fuß auf die oberste Stufe gesetzt werden müssen.“94 In diesem Zusammenhang verwundert es auch nicht, wenn Plinius den ungeraden Zahlen im Vergleich zu den geraden eine größere Wirksamkeit zuschreibt.95 Eine weitere Auseinandersetzung mit der Aussage des Vitruvs führt zwangsläufig zu der Frage, ob Vitruvs Anweisung auch in der Praxis ihre Anwendung fand. Beim Versuch, die architektonische Vorschrift anhand von Tempelbauten zu überprüfen, sieht man sich zunächst jedoch mit gleich mehreren Problemen konfrontiert. Neben der Fülle an vorhandenen Tempeln, die eine systematische Analyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit ohnehin nicht zulässt, erschwert die Untersuchung vor allem die Tatsache, dass viele Tempeltreppen nicht mehr oder nur noch in rekonstruierter Form vorhanden sind.96 Daher kann eine Überprüfung nur anhand von ausgewählten Beispielen mit noch original erhaltenem Stufenaufgang erfolgen. Als repräsentative griechische Tempel mit vollständig erhaltenem Stufenbau können die Tempel aus dem unteritalischen Paestum herangezogen werden. Alle Tempel weisen einen dreistufigen Unterbau auf, der ganz der vitruvschen Anordnung folgend das Betreten der obersten Stufe mit dem rechten Fuß gewährleisten würde.97 Sucht man nach römischen Tempeln mit original erhaltenem Stufenbau und ungerade Stufenanzahl, wird man beispielsweise in Ostia fündig: Sowohl das 92 Arist. Met. 986a24–27; Plat. Leg. 717a; Plut. Isis 26A; Lloyd, Polarity, 95f.; Riedweg, Pythagoras, 113–119. 93 Exemplarisch greifbar bei Verg. Buc. 8, 75: (…) numero deus impare gaudet. 94 Vitr. 3, 4, 4: Gradus in fronte constituendi ita sunt, uti sint semper inpares, namque cum dextro pede primis gradus ascendatur, item in summo templo primus erit ponendus; siehe dazu den Kommentar von Gros, Vitruve de l’ architecture. Livre III, Paris 1990, 136. 95 Plin. Nat. Hist. 28, 23; vor allem die Zahlen 3 und 7 spielen in der Astrologie und der Mystik eine große Rolle. Vgl. Najock, Zahlenmystik, DKP 5, Sp. 1447–1449; Riedweg, Zahl. III. Klassische Antike. D. Zahlenmystik, DNP 12, 2, Sp. 679–681. 96 Zur problematischen Rekonstruktion des Stufenbaus sei exemplarisch auf die Rekonstruktionsdiskussionen beim Rundtempel am Tiber in Rom verwiesen. Vgl. dazu Rakob/Heilmeyer, Der Rundtempel am Tiber in Rom, Mainz 1973, 33f.; zum Rundtempel am Tiber allgemein siehe Stamper, The Architecture of Roman Temples. The Republic to the Middle Empire, Cambridge 2005, 68–75; Coarelli, Rom. Ein archäologischer Führer, erw. u. überarb. Neuaufl. Mainz 2000, 308–310. 97 Zum dreistufigen Stufenbau des Athena Tempels in Paestum vgl. Gruben, Griechische Tempel und Heiligtümer, 5. völlig überarb. und erw. Neuaufl. München 2001, 269f. und 273; Poseidon Tempel: Gruben, Griechische Tempel und Heiligtümer, 275; Hera Tempel I: Gruben, Grie-

66

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Capitolium mit seinen 21 Stufen als auch der mit einer neunstufigen Treppe versehene Herkules Tempel würden der Regel des Vitruv entsprechen.98 Aus dem Kreis der Tempel mit rekonstruierten Tempelstufen seien noch zwei prominente Beispiele vorgestellt: Die Treppe des Portunus Tempels in Rom konnte auf der Grundlage der Arbeiten von Isabella Ruggiero mit insgesamt 13 Stufen wiederhergestellt werden.99 Auf ungerade Stufen trifft man auch in der Provinz Gallia Narbonensis. Die Rekonstruktion des Maison Carrée in Nîmes basiert auf 15 Stufen.100 Freilich lassen sich anhand der behandelten Beispiele noch keine eindeutigen Aussagen treffen, inwieweit ein Unterbau mit ungerader Stufenanzahl in der griechischen und römischen Tempelarchitektur ein allgemein verbindliches Kriterium war oder inwieweit die ungerade Stufenanzahl tatsächlich auf Vitruvs Anweisung zurückging und daher den mit rechts und links verbundenen Assoziationen im Kult Folge geleistet hätte. Angesichts des hohen Stellenwertes der Religion bei Griechen und Römern, die nahezu alle Bereiche des privaten und öffentlichen Lebens durchdrang und insbesondere durch die korrekte Ausübung der Kulthandlungen geprägt war101, erscheint es jedoch denkbar, dass die bei Vitruv belegte Anweisung, mit Hilfe einer ungeraden Anzahl an Stufen das vorschriftsgemäße Tempelbetreten zu erleichtern, beim Tempelbau in den meisten Fällen ihre Berücksichtigung fand. Für eine Realisierung könnte ferner sprechen, dass auch andere architektonische Regeln des Vitruvs in Tempelbauten realisiert worden sind.102 Bei der positiven Bewertung des rechten Fußes verwundert es nicht, wenn diesem eine besondere Heilkraft attestiert wurde.103 König Pyrrhus heilte angeblich Milzkranke, indem er ihnen mit dem rechten Fuß sanft auf den Körper trat.104 Im

98

99

100

101

102 103 104

chische Tempel und Heiligtümer, 198; Athena Nike Tempel: Gruben, Griechische Tempel und Heiligtümer, 202. Zum Capitolium vgl. Calza/Nash, Ostia, Firenze 1959, 41f. 86; Tav. 52 u. 121; zum Tempel des Herkules vgl. Calsza/Nash, Ostia, 88–90; Tav. 122 u. 123; Meiggs, Roman Ostia, Oxford 1960, 347; Becatti, Il culto di Ercole ad Ostia ed un nuovo rilievo votivo, in: BCAR 67, 1939, 38f. zählte fälschlicherweise nur 8 Stufen. Die 9 Stufen wurden nachgewiesen in dem in Kürze publizierten Aufsatz von Boos, Der Tempel des Hercules in Ostia. Ruggiero, Richerche sul tempio di Portuno, in: BCAR 94, 1991, 253. 255; Fig. 1; 266; Stamper, The Architecture of Roman Temples, 64; Fig. 43 u. Fig. 44; vgl. auch Fiechter, Der Ionische Tempel am Ponte Rotto in Rom, in: MDAIR 21, 1906, 228. 230; Taf. 8. Vgl. Amy/Gros, La Maisson Carrée de Nîmes. XXXVIIIe supplement à Gallia. I. Texte, Paris 1979, 87–90; Grundrisspläne und Rekonstruktionszeichnungen der Treppe bei Amy/Gros, La Maison Carrée de Nîmes. XXXVIIIe supplement à Gallia. II. Planches, Paris 1979, Pl. 1; Pl. 4; Pl. 8. Zur Bedeutung der korrekten Kultausübung vgl. Plat. Leg. 716d-e; Muth, Vom Wesen römischer religio, ANRW II, 16, 1, 1978, 338f.; Scheid, Romulus et ses frères. Le collège des frères arvales. Modèle du culte public dans la Rome des empereurs, Roma 1990, 753. Beispiele für die Umsetzung einzelner vitruvschen Vorgaben bei Stamper, The Architecture of Roman Temples, 64–66.71.75. Vgl. Weinreich, Antike Heilungswunder. Untersuchungen zum Wunderglauben der Griechen und Römer, Gießen 1909 ND Berlin 1969, 67–73; Kötting, Fuß, Sp. 725. Plut. Pyrrhus 3, 4f.; laut Plin. Nat. Hist. 7, 20 ging vor allem von Pyrrhus’ rechter Zehe eine besondere Heilkraft aus; vgl. zu beiden Stellen Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, 13–15.

3.2. Religion und Aberglaube

67

Gegensatz dazu haftet dem linken Fuß ganz dem dualistischen Denkprinzip entsprechend eine diametrale Wahrnehmung an, die sich exemplarisch an einer pythagoreischen Vorschrift illustrieren lässt. Der rechte Fuß soll zuerst beschuht, der linke Fuß dagegen zuerst gewaschen werden.105 Obgleich die Fußwaschung bei den Griechen und Römern ein alltägliches Phänomen war106, zeigt die Vorschrift, dass auch in diesem Lebensbereich eine differenzierte Bewertung von rechts und links existierte, auf deren Grundlage sich ein klar reglementiertes Verhalten zur Erlangung der Reinheit konstituieren ließ. Die Reinigung des linken Fußes bedeutet die Reinigung von dem Schlechten. Wer sich den linken und damit den im Vergleich zum rechten vermeintlich unsaubereren Fuß zuerst wäscht, demonstriert für alle sichtbar die Einhaltung und Respektierung der in der Kultgemeinschaft fest verankerten Reinigungskonventionen. Dass diese Reinigungsvorschrift offensichtlich in der griechischen und römischen Welt verbreitet war, verdeutlicht zum einen ihre Erwähnung als Merkspruch in der Suda107, zum anderen die bei Iamblichos angeführte Begründung selbst. Mit einem Appell an die „praktische Vernunft“, eij~ th;n praktikh;n frovnhsin, wird die Schuhanzieh- und Fußwaschungsregel auf der Grundlage des aus der rechten und linken Seite abgeleiteten Symbolgehalts erklärt.108 Die Vorschrift soll daran erinnern, die ehrenwerten Taten sich als die rechten anzueignen – symbolisch mit dem Anziehen des rechten Schuhes vor Augen geführt – und im Gegenzug die schlechten Taten, ta;~ de; fauvla~ – verkörpert durch den linken Fuß – als ajristera;~ völlig abzulegen und abzuwaschen. Wie erniedrigend eine Berührung des unreinen linken Fußes empfunden werden konnte, klingt in Senecas Schrift De beneficiis an. Als sich der von Caligula begnadigte Konsular Pompeius Poenus beim Princeps für seinen Freispruch bedanken wollte, habe Caligula ihm zum Kuß den linken Fuß hingehalten.109 Seneca übt anschließend nicht nur Kritik an der Fußküssung als Mittel zur Demütigung des Poenus, sondern tadelt auch, dass Poenus von Caligula sozusagen als Gipfel der Demütigung gezwungen wurde, den linken Fuß zu küssen. Für Senecas Sichtweise ist zunächst auch seine Wortwahl bezeichnend. Seneca spricht vom sinistrum pedem und verwendet damit eine Bezeichnung für links, die er an anderer Stelle ganz dem Bedeutungsspektrum von sinister entsprechend als Synonym für „unheilvoll“ einsetzt.110 Die Demütigung, den linken und damit auch unheilvollen Fuß küssen zu 105 Iambl. Protr. 107P: Eij~ me;n uJpovdhsin to;n dexio;n povda propavrece, eij~ de; podovniptron to;n eujwvnumon.

106 Zur Fußwaschung im Alten Orient, in Griechenland und in Rom vgl. Kötting, Fußwaschung, RAC 8, Sp. 743–753. 107 Suda s.v. dexiovn (2, 22 Adler). 108 Iamb. Protr. 114P: To; de; eij~ me;n uJpovdhsin to;n dexio;n povda pavrece, eij~ de; podovniptron to;n eujwvnumon eij~ th;n praktikh;n frovnhsin parakalei`, ta;~ me;n spoudaiva~ pravcei~ wJ~ dexia;~ peritivqesqai paraggevllon [to; suvmbolon], ta;~ de; fauvla~ wJ~ ajristera;~ ajpotivqesqai pantavpasi kai; ajporruvptesqai.

109 Sen. Benef. 2, 12, 1: G. Caesar dedit vitam Pompeio Poeno, si dat, qui non aufert; deinde absoluto et argenti gratias porrexit osculandum sinistrum pedem. 110 Sen. Ira 3, 3, 4: Caducae sinstraeque sunt vires et in malum suum validae, in quas aegrum morbus et acessio erexit.

68

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

müssen, hebt Seneca aber auch in seinem Kommentar explizit hervor: „Nicht heißt das, den Staat mit Füßen zu treten, und zwar, mag einer auch denken, das tue nichts zur Sache, mit dem linken Fuß?“111 Auch bei Caligulas Nachfolger Claudius besaß der linke Fuß einen besonderen Stellenwert. Im Gegensatz zur diffamierenden Funktion bei Caligula erfüllte der linke Fuß des Claudius jedoch einen lebensnotwendigen Zweck. Da Claudius aufgrund seiner körperlichen Behinderung Seneca zufolge sein rechtes Bein nachzog112, hatte dies zwangsläufig zur Konsequenz, dass der Kaiser zur Fortbewegung in erster Linie auf sein linkes Bein angewiesen war. Der linke Fuß übernahm folglich beim Gehen die aktive Rolle, indem er einerseits maßgeblich zur Stabilisierung beitrug und andererseits stets die Fortbewegung initiierte. Der nachgezogene rechte Fuß war nur von sekundärer Bedeutung. Diese Rollenverteilung entsprach allerdings nicht der aristotelischen Theorie zur Fortbewegung der Lebewesen, nach der alle Bewegungen von der rechten Körperseite ihren Anfang nehmen und die rechte Seite deshalb auch wertvoller als ihr linker Gegenpart bewertet wurde.113 Dagegen verhielt es sich bei Claudius genau umgekehrt. Die Beeinträchtigung hatte für Claudius auch praktische Nachteile im Bereich des Aberglaubens und der Religion, denn das Betreten eines Raumes mit dem rechten Fuß zuerst erschien zumindest schwieriger als im Normalfall. Zudem erinnert Martial daran, dass man sich vor einem Menschen, der am rechten Fuß hinkt, hüten soll.114 Ausgehend von diesen Überlegungen kann angenommen werden, dass Claudius nicht nur durch das Hinken allein Grund zum Spott lieferte, sondern auch deswegen negativ auffiel, weil er dabei auch seinen linken Fuß unausweichlich exponierte. Daher erklärt sich auch, warum Seneca in seiner Spottschrift Apocolocyntosis explizit den Leser darauf aufmerksam macht, dass Claudius seinen rechten Fuß nachzog. Ein Leser der damaligen Zeit wusste, welche Folgen dies hatte: die Abhängigkeit und Beanspruchung von dem Fuß, der als unrein und unehrenhaft galt und einen Raum nicht zuerst betreten sollte.

111 Sen. Benef. 2, 12, 2: Non hoc est rem publicam calcare, et quidem, licet id aliquis non putet, ad rem pertinere, sinistro pede? 112 Sen. Apocol. 5, 2: pedem dextrum trahere; zur Instabilität von Claudius’ Beinen siehe Suet. Claud. 30; Cass. Dio 60, 12; zur Behinderung des Claudius vgl. Levick, Claudius, London 1990, 14. Die Schwäche der rechten Körperseite führt Levick auf Spasmatismus oder Steifheit der Gelenke zurück. Ihre Theorie, dass Claudius infolge der Beeinträchtigung seiner rechten Körperhälfte eher zur Benutzung der linken Hand tendiert hätte oder eine Linkshändigkeit womöglich durch seinen linkshändigen Onkel Tiberius (Suet. Tib. 68, 1. Siehe dazu Kapitel 5.3.) vererbt worden wäre, entbehrt jeglicher Quellengrundlage. Belegen läßt sich nur die in den Quellen erwähnte Schwäche der Beine, deren Symptome offenbar hauptsächlich auf dem rechten Bein auftraten. Auch Claudius’ Sprachprobleme müssen nicht auf eine mögliche Umerziehung zur Rechtshändigkeit zurückzuführen sein. Theorien hierzu verbleiben daher ebenfalls auf dem Feld der Spekulation. 113 Arist. IA 705b30–32; Arist. IA 706a10–26; Arist. IA 706b12–14; Plin. Nat. Hist. 11, 253; vgl. zur Theorie des Aristoteles Lloyd, Right and Left, 61f. 114 Mart. 12, 59, 9; Plin. Nat. Hist. 28, 35 empfiehlt, sich davor durch Ausspucken zu schützen.

3.2. Religion und Aberglaube

69

Die mit links und rechts verbundenen Assoziationen flossen auch in die orphisch-pythagoreischen Jenseitsvorstellungen ein.115 In der griechischen Welt begegnet die Verwendung von rechts und links in der Welt der Toten zum ersten Mal bei den dem Kreis der Orphiker zugeschriebenen Goldblättchen.116 Diese aus dem Zeitraum vom 4. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. stammenden Blättchen, die man in Grabanlagen von Süditalien bis nach Kreta den Verstorbenen auf den Mund, auf die Brust oder in die Hand legte, sollten ähnlich den ägyptischen Totenbüchern den Verstorbenen mit Hilfe einer genauen Wegbeschreibung und Verhaltensregeln zu den Gefilden der Seligen führen.117 Um sein Ziel zu erreichen, erfährt der in der Unterwelt Wandelnde beispielsweise aus den Goldlamellen von Hipponion und Pharsalus, dass er die rechts vom Haus des Hades liegende Quelle meiden soll.118 Stattdessen muss weiter vorne das kalte Wasser aufgesucht werden, das aus dem See der Mnemosyne strömt.119 Für die Verwendung der rechten Seite an dieser Stelle ergeben sich zwei Interpretationsmöglichkeiten: entweder erscheint hier rechts in einer ungewohnt negativ gefärbten Rolle, da die zu meidende Quelle sich auf dieser Seite befindet oder der rechten Seite liegt womöglich kein tieferer Bedeutungsgehalt zugrunde und ihre Erwähnung dient ausschließlich zur geographischen Orientierung. Deutlicher tritt der Symbolgehalt von links und rechts in einem Goldblättchen aus Petelia hervor, in dem es sich verglichen zu den vorherigen genau umgekehrt verhält: In dieser Reiseanleitung wird der Tote vor der linken Seite des Totenreiches gewarnt, denn dort befinde sich eine Quelle, die der Verstorbene meiden muss.120 Anschließend wird der Reisende aufgefordert, eine „andere Quelle“, eJtevran, aufzusuchen, die wahrscheinlich auf der rechten Seite zu lokalisieren ist.121 Der Gegen115 Allgemein zu den in der griechischen Religion verbreiteten Jenseitsvorstellungen und deren Entwicklung siehe Habermehl, Jenseits IV. Griechenland, RAC 17, Sp. 258–288; zu den Jenseitsvorstellungen der Orphiker und Pythagoreer vgl. Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 1, 691–696. 701–703; Burkert, Griechische Religion, 432–452. 116 Vgl. Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche. Istruzioni per il viaggio oltremondando degli iniziati greci, Mailand 2001; Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, Mailand 1993; Riedweg, Initiation – Tod – Unterwelt. Beobachtungen zur Kommunikationssituation und narrativen Technik der orphisch-bakchischen Goldblättchen, in: Graf (Hrsg.), Ansichten griechischer Rituale, Stuttgart/Leipzig 1998, 359–398; Forschungsüberblick zu den Goldblättchen bei Burkert, Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern, München 2003, 83f. 117 Zum Vergleich mit den ägyptischen Totenbüchern siehe Burkert, Die Griechen und der Orient, 94–96; Riedweg, Initiation, 389; Graf, Eleusis und die orphische Dichtung Athens in vorhellenistischer Zeit, Berlin 1974, 125f.; Habermehl, Jenseits, Sp. 270 und Sp. 252. 118 Hipponion: Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, I A 1, 39–66; Pharsalos: Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, I A 3, 73–75. 119 Da der im Totenreich Wandelnde aufgefordert wird, die Quelle aufzusuchen, aus der Wasser aus dem See der Mnemosyne strömt, liegt die Vermutung nahe, die Quelle auf der anderen Seite mit derjenigen des Lethe-Flusses zu identifizieren. Vgl. dazu Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, 51–55; Habermehl, Jenseits, Sp. 270; zur unterschiedlichen Bedeutung der beiden Quellen vgl. Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 2, München2 1961, 237–241. 120 Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, I A 2, 67–72. 121 Vgl. West, Zum neuen Goldblättchen aus Hipponion, in: ZPE 18, 1975, 229f.; eine weitere im

70

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

satz zwischen der zu vermeidenden Quelle und der heilbringenden Quelle manifestiert sich an der bei den Texten aus Hipponion und Pharsalus fehlenden Verwendung des Adjektivs eJtevran, wobei der Kontrast zwischen richtiger und falscher Wahl darüber hinaus durch den Rückgriff auf den mit links und rechts verbundenen Symbolgehalt zusätzlich akzentuiert wird.122 Dadurch wird es für den Verstorbenen leichter, den in der Unterwelt geltenden Regeln zu vertrauen, da sich die Assoziationskette „links gleich negativ gleich falscher Weg“ mit seiner eigenen Vorstellungswelt von links und rechts in Einklang erweist. Die Reiseanleitungen erscheinen ihm somit verständlich und glaubwürdig. Mit Hilfe des Bedeutungsgehalts von links und rechts gelingt es dem Verfasser des Textes also, nicht nur zusätzliche Orientierungshilfen für den Weg im Jenseits zu schaffen, sondern zugleich auch das Vertrauen in seine Reiseanleitung zu stärken.123 Dieses Motiv könnte zugleich erklären, warum bei dem Blättchen aus Petelia im Gegensatz zu den anderen Goldlamellen die zu vermeidende Quelle von der rechten auf die linke Seite gewandert ist. Die Funktion der positiven Konnotation der rechten Seite klingt noch deutlicher in einem Goldblättchen aus Thurioi an, dessen Anleitung vorschreibt, den Weg nach rechts einzuschlagen, um zu den heiligen Wiesen und Hainen der Persephone zu gelangen.124 Der Rückgriff auf den Symbolgehalt von rechts und links innerhalb der Jenseitsvorstellung, hier anhand der Idee der zwei Wege illustriert125, scheint wohl in erster Linie auf ägyptische Quellen zurückzugehen, in denen bereits um 1200 v. Chr. Amun in einem Totengericht die Frevler nach links und die Gerechten nach rechts stellt.126 In der griechischen Welt begegnet die Idee von einem jenseitigen Gericht unter anderem bei Platons Unterweltbeschreibung. Der von den Toten auferstandene Er, Sohn des Armenios, berichtet über seinen Aufenthalt im Totenreich, seine Seele und viele andere „seien zu einem wunderbaren Orte

122 123

124

125

126

Zusammenhang mit der rechten Seite positiv konnotierte Quelle findet sich in den kretischen Goldblättchen, in denen der Verstorbene verlangt, von dem ewigfließenden Wasser aus der Quelle auf der rechten Seite zu trinken. Siehe Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, I B 1–6, 78–93. Vgl. Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, 56f. Die Hauptfunktion der orphisch-bakchischen Weihen bestand darin, den Initianden auf den Ernstfall vorzubereiten. Die Angst vor dem Tod soll genommen werden, indem die Weihen den Mysten mit dem großen Unbekannten vertraut machen, das Jenseits vermessen und Weisungen an die Hand geben, die dem, der sie befolgt, ein besseres Los garantieren. Vgl. Riedweg, Initiation, 366. Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, II B 2, 112f.: Cai`r> cai`re, dexia;n oJdoipo leimw`nav~ te iJerou;~ kai; a[lsea Fersefoneia~; vgl. dazu Burkert, Die Griechen und der Orient, 89; Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 2, 236f. Die Idee, dass im Jenseits zwei Wege existieren, einen nach rechts zum Wohnsitz der Seligen und einen nach links, der zum Ort der Strafe führt, findet in den Lehren der Orphiker und Pythagoreer oftmals Erwähnung. Belege bei Brinkmann, Ein Denkmal des Neupythagorismus, in: RhMus 66, 1911, 619. Vgl. Morenz, Rechts und links im Totengericht, in: ZÄS 82, 1957, 63–68; Habermehl, Jenseits, Sp. 272; zum ägyptischen Einfluss auf die Orphiker vgl. Burkert, Die Griechen und der Orient, 94–97. 105f.; zum ägyptischen Totengericht vgl. Assmann, Ma’at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München2 1995, 126–159.

3.2. Religion und Aberglaube

71

gelangt, wo sich unmittelbar nebeneinander zwei Öffnungen in der Erde befanden, und gegenüber, am Himmel oben, zwei andere. Zwischen ihnen aber seien Richter gesessen. Wenn diese ihr Urteil gefällt hatten, so ließen sie die Gerechten den Weg einschlagen, der rechts hinauf durch den Himmel führt, nachdem sie ihnen Zeichen des Urteilsspruches an die Brust geheftet hatten. Die Ungerechten aber wiesen sie nach links und nach unten; auch diese trugen die Zeichen für ihre Taten auf dem Rücken.“127 Außer der bekannten Assoziation von links im Sinne von ungerecht fällt bei dieser Passage vielmehr die bereits im vorherigen Kapitel thematisierte Verknüpfung von links mit den Adjektiven „unten“ und „hinten“ (in Gestalt des Rückens) auf, die entsprechend dem dualistischen Prinzip mit ihren jeweiligen Gegensatzpaaren rechts, oben und vorne kontrastiert werden.128 Basierend auf dieser Vorstellung lässt sich auch die Intention dieser Assoziationskette bestimmen: Durch die Verwendung von nicht nur jeweils einer positiven und negativen Komponente, sondern gleich drei Komponenten wird der Kontrast zwischen dem Ort der Belohnung und dem Ort der Strafe verstärkt, insbesondere die Intensität der Bestrafung im Jenseits tritt dem Leser der Schrift Platons um so deutlicher vor Augen. Ob Platons Vorstellungen von einem Jenseitsgericht ursprünglich von pythagoreisch-orphischen Kreisen beeinflusst war, also indirekt von ägyptischen Unterweltkonzeptionen beeinflusst wurde, oder gar direkt auf ägyptische Vorbilder Bezug nahm, lässt sich nicht eindeutig bestimmen.129 Als gesichert gilt dagegen die weite und lang anhaltende Verbreitung zahlreicher Aspekte der pythagoreisch-orphischen Jenseitsvorstellung.130 Wie sehr auch in Rom Jenseitsvorstellungen von orphisch-pythagoreischen Elementen geprägt wurden, beweist am eindrucksvollsten Vergil in seiner Beschreibung der Katabasis des Aeneas. Angesprochen auf den Grund für die Zweiteilung des Unterweltweges antwortet die Seherin Sybille Aeneas: „Hier ist der Ort, wo die Straße sich teilt in verschiedene Wege. Rechts, da zieht sie sich hin zum Palast des mächtigen Pluto, führt auch zum Elysium hin; doch jene zur Linken straft die Bösen mit Qual und führt zu Tartarus Schrecken.“131 127 Plat. Rep. 614c: (…) ejpeidh; ou| ejkbh`nai, th;n yuch;n poreuvesqai meta; pollw`n, kai; ajfiknei`sqai sfa`~ eij~ tovpon tina; daimovnion, ejn w|/ th`~ te gh`~ duv jei\nai cavsmata ejxomevnw ajllhvloin kai; tou` oujranou` au\ ejn tw`/ a[nw a[lla katantikruv. Dikasta;~ de; metaxu; touvtwn kaqh`sqai, ou{~, ejpeidh; diadikavseian, tou;~ me;n dikaivou~ keleuvein popeuvesqai th;n eij~ dexiavn te kai; a[nw dia; tou` oujranou`, shmei`a periavyantaj tw`n dedikasmevnwn ejn tw`/ provsqen, touv~ de; ajdivkouj th;n eij~ ajristera;n te kai; kavtw, e[conta~ kai; touvtou~ ejn tw`/ o[pisqen shmei`a pavntwn w|n e[praxan; zu Platons Mythos

128 129

130 131

des Er vgl. Bernstein, The Formation of Hell. Death and Retribution in the ancient and early christian Worlds, London 1993, 58f. Arist. PA 665a25; Arist. IA 706b12–14. Vgl. Morenz, Rechts und links im Totengericht, 68f.; Habermehl, Jenseits, Sp. 272; Riedweg, Initiation, 389; Graf, Eleusis und die orphische Dichtung, 88; Bernstein, The Formation of Hell, 50–52. Beispielsweise wurde in Rom ein orphisches Goldblättchen gefunden, das auf das 2. Jhd. n. Chr. datiert wurde. Siehe Pugliese Carratelli, Le lamine d’oro orfiche, 2001, I C 1, 96f. Verg. Aen. 6, 540–543: hic locus est, partis ubi se via findit in ambas: dextera quae Ditis magni sub moenia tendit, hac iter Elysium nobis; at laeva malorum exercet poenas et ad impia Tartara mittit; vgl. dazu auch Norden, P. Verglius Maro. Aeneis Buch VI, Tübingen2 1915, 271; Paratore, Virgilio. Eneide. Volume III (Libri V–VI), Lorenzo Valla 1979, 294; allgemein zum

72

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Eine weitere Parallele, die auch in der heutigen Zeit noch geläufig ist, findet sich im Neuen Testament. Das Jenseitsgericht des Matthäus Evangeliums lässt eindeutige Bezüge auf die zuvor behandelten orphisch-pythagoreischen Elemente erkennen.132 Die für das Jenseitsgericht geltende Vorstellung, nach der rechts mit den himmlischen Göttern, links hingegen mit den Mächten der Unterwelt assoziiert wurde, verblieb jedoch nicht auf dem Feld der Theorie, sondern fand auch in der Praxis im Rahmen von Opferhandlungen ihre Anwendung. Platon berichtet, dass derjenige den chthonischen Gottheiten Ehre erweise, der ihnen Opfer in gerader Anzahl, von zweitbestem Rang und die linken Körperteile der Opfertiere darbringt. 133 Im Gegensatz dazu sollen die olympischen Götter und die Schutzgötter der Stadt Opfer in ungerader Anzahl, von erstem Rang und die rechten Körperteile der geopferten Tiere erhalten. Dass die bei Platon geschilderte Differenzierung von rechten und linken Körperteilen im Opferritus tatsächlich befolgt wurde, beweisen Funde von Tierknochen aus Nemea.134 Bei den archäologischen Untersuchungen im Heroon des Opheltes fiel unter den für die Opfer bevorzugt verwendeten Schafs- und Ziegenknochen eine Dominanz von linken Knochen auf. Die Bevorzugung von linken Körperteilen beim Kult des Opheltes in Nemea lässt vor dem Hintergrund der bei Platon überlieferten Informationen auf einen Bezug des Heros zur Unterwelt schließen.135 Dass der Heros eine Beziehung zu den chthonischen Mächten besaß, markiert nicht nur sein Tod, sondern wird bereits bei den Umständen seines Todes erkennbar. Der junge Knabe stirbt durch den tödlichen Biss einer Schlange, ein mit der Unterwelt in Verbindung gebrachtes Tier.136 Der Seher Amphiaros erkennt in dem Vorfall ein böses Omen für die Sieben gegen Theben und nennt das Kind Archemenos, „Anfang des Untergangs.“ Um das unheilvolle Schicksal abzuwenden, richten die Sieben gegen Theben ein prächtiges Leichenbegräbnis für Archemenos aus, an dem zum ersten Mal die Nemeischen Spiele gefeiert werden. Die Spiele und der damit verbundene Kult für Opheltes haben folglich ihren Ursprung in dem Tod des Heros, der den Sieben trotz ihrer Maßnahmen Unglück brachte. Bis auf Adrastos sterben alle im Kampf um Theben. An den Tod des Heros, der sich zugleich als Unglück bringendes Zeichen für die Sieben gegen Theben erwies, erinnert demnach die aufgrund ihrer negativ gefärbten Epitheta dafür prädestinierte linke Seite, im Opferkult vergegenwärtigt in Form von linken Opfertierknochen.

132

133

134

135 136

pythagoreischen Einfluss sowie anderer philosophischer Strömungen in Vergils Aeneis vgl. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Bd. 1, München2 1997, 550–552. Vgl. MtEv. 25, 31–46: Am Tag des Jüngsten Gerichts teilt Gott die Menschen in zwei Gruppen: Die Sünder, die die ewige Strafe erwartet, werden auf die linke Seite gestellt. Die rechts stehenden Seligen erwartet das ewige Leben. Plat. Leg. 717a; Plut. Isis 26A; wahrscheinlich bezieht sich Platon auf ein pythagoreisches Vorbild. Vgl. Porphyrios Vita Pyth. 38; zum Opfern von einer ungeraden Anzahl an Tieren für die himmlischen Götter nach Vorbild des Pythagoras vgl. Plut. Numa 14. Die folgenden Aspekte stützen sich auf einen noch nicht publizierten Aufsatz von MacKinnon, Feeding Gods, Heroes and Mortals: Interdisciplinary Investigation of Animal Sacrifice at Ancient Nemea, Greece. Zu Opheltes vgl. von Geisau, Opheltes, DKP 4, Sp. 311. Zur Schlange und ihrer Beziehung zur Unterwelt siehe Kapitel 4.3.4.

3.2. Religion und Aberglaube

73

Markieren die linken Knochen Opheltes’ Zugehörigkeit zur chthonischen Sphäre, so wird mit Hilfe von rechten Opfertierknochen der Bezug der Gottheit zur himmlischen Sphäre zum Ausdruck gebracht. Die Bevorzugung rechter Körperteile von Opfertieren für die himmlischen Gottheiten lässt sich in der griechischen Welt für den Apollo-Kult belegen137 und kommt auch in der römischen Welt vor, wenn beispielsweise Mars das rechts außen laufende Pferd des siegreichen Viergespanns bei dem Wettrennen für das Oktoberpferd geopfert wurde.138 Dass die Opferung von rechten Gliedmaßen sich nicht allein auf die griechisch-römische Welt erstreckte, sondern wahrscheinlich ein weit verbreitetes Phänomen darstellte, geht aus den Opferpraktiken der Juden139 und der Skythen hervor, bei denen bevorzugt der rechte Arm und die Schulter verwendet wurden.140 Welch positiver Bedeutung der rechten Seite auch bei anderen Kultpraktiken zukam, veranschaulicht auch ihre Rolle zu Beginn von Opferhandlungen. Hier stand vor allem die Frage nach der Bewegungsrichtung bei der Kultausübung im Mittelpunkt. Bevor mit der eigentlichen Opferung begonnen werden konnte, wurden beispielsweise der Korb mit der Opfergerste und das Wasserbecken von links nach rechts um den Altar getragen.141 Innerhalb der römischen Religion ist die Bewegungsrichtung von links nach rechts auch im Ritus der Arvalbrüder belegt.142 Die Priester empfangen ihre Ähren mit der Linken und geben sie mit der Rechten weiter. Die bevorzugte Wendung nach rechts schafft auf der einen Seite für den Kultpraktizierenden Orientierung, auf der anderen Seite steht vor allem die Möglichkeit im Vordergrund, den Gottheiten Ehre zu erweisen, indem man sich zur rechten und somit positiven Seite hinwendet: der Seite, auf der die himmlischen Götter ihren Wohnsitz haben sollen und von der aus sie ihre Glück bringenden Zeichen senden. Eine Bewegung von links nach rechts findet sich auch in der Gebetspraktik der Römer.143 Der Betende orientiert sich zu Beginn nach Osten, der in zahlreichen Religionen Hauptgebetsrichtung, und wendet sich nach Beendigung des Gebets im Gegensatz zu den im Gebet vorwiegend nach Osten ausgerichteten Griechen nach rechts, vollzieht folglich eine Drehung, die dem Sonnenlauf entspricht.144 Die im 137 Die Dominanz an rechten Tierknochen findet sich beispielsweise im Apollo Hylates Heiligtum bei Kourion. Vgl. dazu Davis, Animal Sacrifices, in: Buitron-Oliver (Hrsg.), The Sanctuary of Apollo Hylates at Kourion: Excavations in the Archaic Precint, Jonsered 1996, 181f. 138 Plut. Quaest. Rom. 287; Fest. (Lindsay), p. 190, s.v. October equus. 139 Ios. Ant. Iud. 3, 229: Laut Flavius Josephus erhalten bei Dankopfern die Priester die Brust und den rechten Schenkel des Opfertieres. 140 Her. 4, 62, 21. 141 Eur. Iph. A. 1471f. 1568; Eur. Herc. 926; Aristoph. Pax 957; sich rechtsrum zu einem Kreis zu wenden, war auch Bestandteil im römischen Hochzeitsritus. Vgl. Val. Flacc. 8, 243–246. 142 Vgl. Wissowa, Arvales fratres, RE 2, 2, Sp. 1476. 143 Plaut. Curc. 70: Si deos salutas, dextrovorsum censeo; Plut. Marc. 6, 6; Plut. Cam. 5, 7; Plin. Nat. Hist. 28, 25; vgl. auch zu der im Gebet vollzogenen Drehung Lucr. 5, 1199; Suet. Vit. 2, 5; Liv. 5, 21, 16; siehe zur Drehung im Gebet der Römer auch Brakmann, Körperdrehung, RAC 21, Sp. 222f. 144 Vgl. Podossinov, Himmelsrichtung (kultisch), RAC 15, Sp. 268f.; Zeugnisse für die Ostorientierung im Gebet bei den Römern: Verg. Aen. 8, 67f.; Verg. Aen. 12, 172f.; dass die von links

74

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

römischen Gebet vollzogene Wendung nach rechts steht wahrscheinlich im Einklang mit dem Lauf der Sonne und daher zugleich im Einklang mit der von den Göttern geschaffenen Ordnung der Natur, deren Respektierung im Kult für alle sichtbar demonstriert wird. Die Vorliebe, sich nach rechts zu wenden, findet sich auch außerhalb des religiösen Bereichs der Griechen und Römer, beispielsweise, wenn Wein immer rechtsherum eingeschenkt wurde145, Lose in einer Versammlung den Anwesenden rechtsherum gezeigt wurden146 oder Platon in den Gesetzen vorschlägt, dass die Wächter in ihrem ersten Jahr ihre Bezirke jeden Monat nach rechts im Kreis wechseln sollten.147 Auch in der heutigen Zeit wird uns der Vorzug der nach rechts führenden Bewegungsrichtung durch den Uhrzeigersinn ständig vor Augen geführt. Scheint eine von links nach rechts vollzogene Bewegung innerhalb der griechischen und römischen Welt in zahlreichen Lebensbereichen den gesellschaftlichen Konventionen entsprochen zu haben, zumal man sich dabei nach rechts zur Glück verheißenden Seite orientierte, so stellt sich die Frage, ob die entgegengesetzte Richtung von rechts nach links als eine Hinwendung zu den Unterweltgottheiten bzw. zur Seite des Unglücks wahrgenommen wurde. Einen ersten Anhaltspunkt bietet Statius’ Schilderung der Leichenfeier des bereits bekannten Heros Archemoros, bei der sieben Reiterscharen mit gesenkten Standarten herantraben und der Sitte gemäß um den Holzstoß linkswärts ziehen.148 Was bei dieser Stelle auffällt, ist Statius’ Angabe, dass es sich um ein ex more vollzogenes Ritual handelt. Das Ritual hatte demnach im Rahmen der beschriebenen Begräbniszeremonie seinen festen Platz und war anscheinend in der römischen Welt allgemein bekannt.149 Dennoch erscheint die Wendung der Reiter nach links im Vergleich mit der als herkömmlich einzustufenden Wendung nach rechts für den uneingeweihten Betrachter zunächst unkonventionell und verlangt offenbar Statius’ Hinweis, dass dies ex more geschehe. Die ungewohnte Orientierung nach links führt ferner dazu, die Wahrnehmung des Kultvollzugs infolge dieser besonderen Praktik zusätzlich zu schärfen sowie den Bezug zum Tod und der Unterwelt mit diesem Zeichen der Trauer für

145 146 147 148 149

nach rechts wandernde Sonne in der römischen Divination als positives Zeichen galt, klingt bei der Deutung eines Traumes von Tarquinius Superbus an. Cic. Div. 1, 45: Nam quod ad dexteram cepit cursum ab laeva signum praepotens, pulcherrume auguratum est rem Romanam publicam summan fore; Plut. Numa 14, 4 spricht ebenfalls die bei den Römern praktizierte Drehung an, geht aber als einziger davon aus, dass der Betende nicht nach Osten, sondern in die entgegengesetzte Richtung blickt, also vom Sonnenaufgang abgekehrt ist, und eine Wendung vom Westen über den Norden nach Osten vollzieht und sich dann wieder dem Gott zuwendet, so dass ein Kreis beschrieben wurde; die Ostorientierung im Gebet liegt auch in vielen Fällen bei den Griechen vor. Vgl. Plat. Leg. 887e. Weitere Belege bei Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 258; vgl. auch Pulleyn, Prayer in Greek Religion, Oxford 1997, 157f. Hom. Il. 1, 597; Hom. Od. 21, 141; Plat. Symp. 223c. Hom. Il. 7, 184. Plat. Leg. 760d. Stat. Theb. 6, 213–216: Tunc septem numero turmae (…) lustrantque ex more sinistro orbe rogum et stantis inclinant pulvere flammas. Ein Beleg für das Umkreisen des Leichnams bei römischen Beerdigungen findet sich bei Cass. Dio 59, 11, 2; zur Decursio vgl. Fiebiger, Decursio, RE 4, 2, Sp. 2354.

3.2. Religion und Aberglaube

75

alle sichtbar zu machen. Bezeichnenderweise ziehen die Reiter am Ende der Beerdigung, nachdem die Seher ihre Trauer rituell beseitigt haben, wieder nach rechts im Kreis um den Scheiterhaufen.150 Das Bewusstsein, mit Hilfe einer unkonventionellen Hinwendung von rechts nach links bestimmten Handlungen eine individuelle und somit spezifische Note zu verleihen, mag womöglich auch in einzelnen magischen Praktiken eine Rolle gespielt haben. Zwar sind auch in der komplexen Welt der Magie wie auch in allen anderen Bereichen keinesfalls Verallgemeinerungen möglich, doch erscheint ein bewusster Rückgriff auf die mit der Hinwendung nach links verbundenen Funktion beispielsweise bei der Herstellung eines Mittels zum Unsichtbarwerden vorstellbar: Das Mittel muss dabei von rechts nach links zerrieben werden, um die magische Wirkung zu aktivieren.151 In diesem Kontext ließe sich die Abweichung von der Norm auf das in der Magie weit verbreitete Phänomen der Inversion zurückführen, das im Zusammenhang mit den Untersuchungen zur linken Hand noch ausführlich behandelt werden wird.152 Zusammengefasst ergibt sich folgendes Bild: Die in diesem Kapitel aufgeführten Beispiele haben gezeigt, dass im Kult eine aus der dualistischen Sichtweise hervorgehende Kategorisierung von links und rechts in ausgeprägter Form präsent gewesen ist. In diesem Kontext erscheint es bemerkenswert, wie fest die mit links und rechts verbundenen Assoziationen in der griechischen und römischen Gedankenwelt verhaftet gewesen sind. Zusammengefasst fanden diese ihren ersten Niederschlag in dem pythagoreischen Modell der Gegensatzpaare. Entsprechend dieses offenbar allgemein im Gedankengut der Menschen verhafteten Systems lässt sich links folgendermaßen einordnen: links steht für weiblich, schwach, gerade und Unglück bringend. Dagegen übernimmt rechts den jeweiligen Gegenpart. Wer die Frage nach dem Grund für die in religiösen Bereich so häufige Verwendung von links und rechts stellt, hat die damit verbundene Funktion zu bestimmen. Klar festgelegte Kategorisierungen wie links und rechts boten im Rahmen eines komplexen Kultsystems Orientierung. Sich mit Hilfe von links und rechts sowie den daraus abgeleiteten Assoziationen im Kult zurechtzufinden, war vor allem in der griechischen und römischen Religion von besonderer Notwendigkeit, in denen Rituale falsch und richtig ausgeführt werden konnten und eine falsche Ausführung negative Folgen für den Einzelnen oder die Gemeinde hatte. Links und rechts avancierten folglich zu Kriterien, die dem Kultausübenden und den Anwesenden signalisierten, ob richtig oder falsch gehandelt wurde. Zudem erschienen die mit den links und rechts verbundenen Rituale für den Praktizierenden glaubwürdig, schufen Akzeptanz, Vertrauen und gaben Sicherheit beim Ritualvollzug, da sie in einer von Rechtshändern dominierten Welt den eigenen Vorstellungen des Kultausübenden entsprachen. Dass trotz der etablierten Kategorisierung von links und rechts im religiösen Bereich auch Ausnahmen die Regel bestätigen, deren Ursachen, Bedeutung und 150 Stat. Theb. 6, 221–224: (…) hic luctus abolere novique funeris auspicium vates, quamquam omnia sentit vera, iubet: Dextri gyro et vibrantibus hastis hac redeunt (…). 151 PGM, Bd. 1, 14, Z. 250. 152 Siehe dazu Kapitel 4.3.5.

76

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Funktion es zu bestimmen gilt, soll das folgende Kapitel über die Divination der Griechen und Römer zeigen. 3.3. DIVINATION Der Mensch wird im Laufe seines Lebens mit unvorhersehbaren und unerklärlichen Phänomenen konfrontiert. Immer wieder sind Entscheidungen zu treffen, deren Ausgang ungewiss ist. Um die Furcht vor dem Unerklärlichen und Zukünftigen zu verlieren, sucht der Mensch nach Entscheidungshilfen. Dazu tritt er in Kontakt mit den Göttern, denn diese sind infolge ihres Wissens als einzige imstande, Aussagen über Unerklärliches oder Zukünftiges zu treffen. Mit diesem Wissen in Kontakt zu treten, ist Anliegen der Divination.153 Die Götter vermitteln ihr Wissen den Menschen mit Hilfe von Zeichen, die die Menschen auf der Grundlage von divinatorischen Regeln zu deuten haben. In der griechischen Religion erfolgte die Divination meist durch die Deutung von Vogelzeichen, Opfern, Orakelsprüchen, Träumen und Omen oder zufälligen Äußerungen in bedeutungsvollen Momenten.154 Eine bedeutende Divinationsart, die bereits bei Homer vorkommt, ist die Interpretation des Vogelfluges.155 Für die Deutung dieser Zeichen war entscheidend, aus welcher Richtung der Vogel geflogen kam. Vögel, die von rechts herbeiflogen, stellten in der griechischen Divination ein günstiges Zeichen dar.156 Kamen die Vögel von links, galt dies als ungünstiges Zeichen.157 Für die Bestimmung der Seiten war immer die Perspektive des jeweiligen Sehers ausschlaggebend.158 In den meisten Fällen bevorzugten die Vogelschauer eine 153 Zur Divination allgemein vgl. Bloch, La Divination dans l’Antiquité, Paris 1984; Vernant, Divination et rationalité, Paris 1974; Burkert, Signs, Commands, and Knowledge: Ancient Divination between Enigma and Epiphany, in: Johnston/Struck (Hrsg.), Mantikê. Studies in Ancient Divination, Leiden/Boston 2005, 29–49. 154 Einen Überblick über die griechischen Divinationsarten bietet Bonnechere, Divination, in: Ogden (Hrsg.), A Companion to Greek Religion, 145–159; Burkert/Suárez de la Torre/Graf, 6a Divination, Gr., ThesCRA III, 1–51. 155 Vgl. Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, in: Dillon (Hrsg.), Religion in the Ancient World. New Themes and Approaches, Amsterdam 1996, 99–121; Pollard, Birds in Greek Life and Myth, London 1977, 116–129; Halliday, Greek Divination, London 1913, 246–248. 268–270; Bloch, La Divination dans l’Antiquité, 9–18; Burkert, Griechische Religion, 180–182; daneben konnte für die Bedeutung auch das Geschrei der Vögel sowie deren Anzahl für die Auslegung bedeutend sein. Vgl. dazu Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, 110; Pollard, Birds in Greek Life and Myth, 119. 125f.; Halliday, Greek Divination, 246f. 156 Hom. Il. 9, 236f.; Hom. Il. 10, 274f.; Hom. Il. 13, 821–823; Hom. Il. 24, 311–313; Hom. Od. 15, 160–164; Hom. Od. 15, 525–534; Hom. Od. 24, 310–314; weitere Belege finden sich bei Xenophon: Xen. Anab. 6, 1, 24–27; Xen. Cyr. 2, 2, 1, 1–5; Plut. Themistocles 12, 1; siehe dazu Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, 108–112; Blitze von rechts galten gleichfalls als günstiges Zeichen. Siehe Paus. 4, 21, 7. 157 Hom. Od. 20, 242; Pollard, Birds in Greek Life and Myth, 120; Lloyd, Polarity, 42. 158 Arist. Cael. 285a3; Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, 107f.; Pollard, Birds in Greek Life and Myth, 121.

3.3. Divination

77

Nordausrichtung,159 so dass die rechte Seite im Osten lag, sich folglich auf der Seite der aufgehenden Sonne befand, die in zahlreichen Kulthandlungen einen besonderen Stellenwert innehatte.160 Aufgrund der Nordausrichtung befand sich die linke Seite im Westen. Vögel, die von links herbeiflogen, kamen demnach von der Sonnenuntergangsseite, die mit Dunkelheit sowie dem Reich der Toten assoziiert wurde.161 Wählte der Vogeldeuter eine nördliche Kultausrichtung, so war seine Entscheidung wahrscheinlich von der griechischen Vorstellung beeinflusst, den Wohnsitz der olympischen Götter auf dem Berg Olymp im Norden Thessaliens anzusiedeln.162 Dass sich der Vogeldeuter bei seiner Beobachtung der Vogelzeichen in Richtung Norden zum Sitz der olympischen Götter wandte, zeigt sich auch darin, dass die bei 159 Belege für die Nordausrichtung in der griechischen Divination finden sich bei Hom. Il. 12, 239f.; Plat. Leg. 760d, wo hjwv~ als Seite des Sonnenaufgangs mit rechts gleichgesetzt wird. Ferner lässt auch Hom. Od. 3, 295 eine Nordausrichtung erkennen, da der aus Süden wehende Notos die Wellen nach links ans gebirgige Ufer drängt, so dass links mit Westen identifiziert werden kann; vgl. zur Nordausrichtung in der griechischen Vogeldeutung Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 253f.; Burkert, Griechische Religion, 182; Halliday, Greek Divination, 270; Lloyd, Polarity, 47 Anm. 2; Pollard, Birds in Greek Life and Myth, 121 sieht dagegen keine Hauptausrichtung in der griechischen Vogeldeutung vorliegen: „The conclusion seems inevitable that it was often a pure matter of chance in which direction the augur faced.“ Allerdings liefert Pollard mehr Beispiele mit Nordausrichtungen als Zeugnisse, die das Gegenteil beweisen würden. Auch sein Beleg für eine Südausrichtung, Hom. Il. 10, 274 lässt keinesfalls eine eindeutige Südausrichtung erkennen; Cuillandre ging in seiner Interpretation von Hom. Il. 12, 239f. von einer Ostorientierung in der griechischen Divination aus: Aufgrund zahlreicher Texte sei bewiesen, dass hjwv~ bei den homerischen Griechen nicht bloß den Osten, sondern die ganze Tageszeit bedeutete und damit den Horizontbogen vom Osten durch den Süden bis zum Westen, wie auch die Bezeichnung zovfo~ für Westen zugleich auch den nördlichen Bogen symbolisierte. Cuillandre, La droite et la gauche dans les poèmes homériques, 186–228. Bei einer Untersuchung der Verwendung von hjwv~ bei Homer fällt allerdings auf, dass Homer den Ausdruck in den meisten Fällen in der Bedeutung „Morgen“ verwendet, der basierend auf dem Lauf der Sonne im Osten zu lokalisieren ist. Vgl. exemplarisch Hom. Il. 21, 111. Homer benutzt zwar hjwv~ auch als Begriff für „Tag“, aber die Textstellen lassen keine Rückschlüsse auf eine Assoziation zu einem von Osten bis nach Westen reichenden Horizontbogen erkennen. Vgl. s.v. hjwv~, Liddell-Scott, 781; die Nordorientierung findet sich zudem auch im nicht religiösen Bereich. In der Navigation diente den griechischen Seeleuten in der Nacht der im Norden leuchtende Polarstern zur Orientierung. Vgl. dazu Warnecke, Navigation, in: Sonnabend (Hrsg.), Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der Historischen Geographie, Stuttgart/Weimar 1999, 377. 160 Die Ostorientierung spielte vor allem in der Ausrichtung der Tempel und im Gebet eine zentrale Rolle. Vgl. dazu Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 256–258; Lloyd, Polarity, 42. 47. 161 Zur Gleichsetzung des Westens mit der Dunkelheit vgl. Hom. Il. 12, 240; zur Lokalisierung des Totenreiches im Westen vgl. die Belege bei Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 259. 162 Vgl. Nilson, Geschichte der griechischen Religion, Bd. 1, 353; Burkert, Griechische Religion, 201; zur griechischen und römischen Vorstellung, ihre himmlischen Götter auf Bergen anzusiedeln vgl. Sonnabend, Gebirge, in: Sonnabend (Hrsg.), Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der Historischen Geographie, Stuttgart/Weimar 1999, 161; die Lokalisierung der Götter in nördlichen Gebirgen liegt beispielsweise auch in der indischen und jüdischen Religion vor, in der der Norden als Wohnort Jahwes galt. Vgl. dazu Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 247f.;

78

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Homer belegten Vögel immer von olympischen Gottheiten gesandt worden waren wie beispielsweise der auf der rechten Seite fliegende Adler des Zeus oder der von Pallas Athene geschickte Reiher.163 Obgleich von der griechischen Fachliteratur über die Interpretation der Vogelzeichen fast nichts mehr erhalten ist164, ermöglicht eine auf das Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. datierte Inschrift aus Ephesos einen Einblick in weitere Spezifikationen bei der Deutung des Vogelfluges.165 Neben der bekannten Regel, dass es sich um ein günstiges Zeichen handelt, wenn ein Vogel von rechts nach links fliegt und aus dem Blickwinkel des Betrachters verschwindet, waren auch die Flügelbewegungen des Vogels ausschlaggebend: Hebt der von rechts nach links fliegende Vogel nämlich seinen linken Flügel empor, ist dies ein schlechtes Zeichen. Ein ungünstiges Zeichen liegt auch im Falle eines von links nach rechts fliegenden Vogels vor. Falls dieser Vogel jedoch im Flug seinen rechten Flügel emporhebt, wird dies als dexiov~, günstig, angesehen. Welche Funktion erfüllte die Einbeziehung des linken und rechten Flügels in der Vogelzeichendeutung? Die Einführung dieser zusätzlichen Regel ergibt sich aus einem Nachteil bei einer Divinationstechnik, die sich ausschließlich an der Flugrichtung eines Vogels orientiert: da die Flugrichtung des Vogels nicht von Menschen festgelegt werden kann, ist bei dieser Divinationsart der Spielraum für Manipulationen äußert gering, um beispielsweise bedeutende Entscheidungen mit Hilfe von göttlichen Vogelzeichen für die eigenen Zwecke religiös zu legitimieren.166 Durch die Spezifikation, dass auch die Bewegungen der Flügel die Zeichendeutung beeinflussen können, ist die Kontrolle und Manipulierbarkeit der Zeichen stets gewährleistet. Auf den ersten Blick negativ erscheinende Zeichen sind noch zu positiven Zeichen umkehrbar: beispielsweise muss ein von links kommender Vogel nicht zwangsläufig Unglück bringen, sofern er nur im Flug seinen rechten Flügel 163 Von Zeus gesandter Adler: Hom. Il. 24, 311–313; Pallas Athene: Hom. Il. 10, 274f.; Apollon sendet einen Habicht: Hom, Od. 15, 524f. Siehe dazu Pollard, Birds in Greek Life and Myth, 116f. 164 Vgl. Burkert, 6a Divination, Gr., ThesCRA III, 5; Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, 104; Halliday, Greek Divination, 269. 165 CIG 2953 = SIG 1167 = LSAM 30 = I. Ephesos 1678 A: [... ejg mevn dexih`~ ej~ th;n ajristerh`n petovmen]o~ h;m me;n ajpokruvfe[i, de]xiov~, hjn de; ejpavrei th[n ej]uwvnumon ptevruga ka[n [diav]rei ka[n ajpokruvfei e[uwv]numo~, ejg de; th`~ ajriste[r]h`~ ej~ th;n dexih;n petov[me]no~ hjm me;n i[qu~ ajpokr[uv]fei eujwvnumo~ hjn de; th;n [dex]ih;n ptevruga ejpavra~ [diavrei hj ajpokruvfei, dexiov~; zur Inschrift vgl. Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, 104–107; zu den sprachwissenschaftlichen Aspekten der Inschrift vgl. Chantraine, Les mots designant la gauche en grec ancient, 64f. 166 Zu den praktisch kaum manipulierbaren Vogelzeichen vgl. Burkert, 6a Divination, Gr., ThesCRA III, 5; Dillon, The Importance of Oionomateia in Greek Divination, 116 sieht in der schwierigen Manipulationsmöglichkeit der Vogelzeichen auch den Grund, warum zur Zeit der Klassik im militärischen Bereich verstärkt auf die Leberschau als Divinationsart zurückgegriffen wurde; Belege für den Versuch, die Divination für politische Ziele zu instrumentalisieren, sind beispielsweise für Athen zur Zeit der Peisistratiden bezeugt und liegen auch in der Zeit der Demokratie vor, in der private Seher im Dienst von Politikern standen. Vgl. Bremmer, The Status and Symbolic Capital of the Seer, in: Hägg (Hrsg.), The Role of Religion in the Early Greek Polis, Stockholm 1996, 104f.

3.3. Divination

79

sichtbar emporhebt. Insbesondere die Einbeziehung der Flügelbewegungen führt das große Manipulationspotential deutlich vor Augen. Zwar wurden in der Vogeldivination normalerweise große Vögel wie Adler oder Habicht verwendet167, aber auch eine Beobachtung dieser Vögel, vor allem wenn es sich dabei um ein Detail in ihrer Flugbewegung handelt, kann sich als durchaus schwierig erweisen, da der Vogel seine Flügel im Flug ständig auf und ab bewegen muss, die für die Divination relevante Bewegung daher sich schnell und nur in einem sehr kurzem Zeitraum ereignet und der Vogel bei einer bestimmten Höhe oder Entfernung ohnehin schwer zu beobachten ist. Die flexibel gestaltbare Auslegung der Vogelzeichen ermöglichte, diese auch ohne Spezialwissen zu deuten. Kein spezialisierter Vogelzeichendeuter, oijwnopovloj, wie er bei Homer erwähnt wird, war dafür notwendig.168 Vielmehr konnte jeder Bewohner der Stadt die ehrenvolle Aufgabe der Auslegung der von den Göttern gesandten Zeichen übernehmen und somit sein Sozialprestige erhöhen.169 Ein Indiz dafür stellt die öffentliche Aufstellung der Hauptregeln in Ephesos am so genannten Tor der Verfolgung dar.170 Die Untersuchung der Bedeutung von links und rechts in der griechischen Divination führt zu folgendem Ergebnis: Die linke Seite galt als Unglück bringend, wohingegen von der rechten Seite positive Zeichen zu erwarten waren. Entschied sich der Zeichendeuter für die oftmals bezeugte Nordausrichtung, hatte diese Konstellation ferner für die beiden Seiten zur Konsequenz, dass links im Westen und rechts im Osten lagen. Die Wahl der Nordausrichtung mag zum einen lokal-geographisch motiviert gewesen sein, da sich der mit dem Wohnsitz der Götter identifizierte Olymp im Norden von Griechenland befindet, zum anderen mögen auch die verbreiteten Assoziationen von rechts und links als sozial-psychologische Faktoren eine Rolle gespielt haben, denn in diesem System wurde die positive Konnotation der rechten Seite mit der ebenfalls positiv bewerteten Seite des Sonnenaufgangs kombiniert.171 Dadurch erschien die Deutung der von rechts kommenden Vogelzeichen als Glück bringende Zeichen, die von der Seite der Leben spendenden Sonne gesandt wurden, für den Beteiligten einleuchtend und glaubhaft. Trotz der inschrift167 Hom. Il. 2, 859; Hom. Od. 1, 202; Hom. Od. 2, 158; Hom. Od. 2, 182. 168 Hom. Il. 1, 69; Hom. Il. 6, 76; auch Xenophon konsultiert zur Auslegung der Vogelzeichen einen Spezialisten. Siehe Xen. Anab. 6, 1, 23; Xen. Anab. 6, 5, 2. Dennoch betont Xenophon an anderer Stelle, dass der Seher ihn nicht täuschen kann, da er selbst über genug Kenntnis für die Interpretation von göttlichen Zeichen verfügt. Siehe Xen. Anab. 5, 6, 29. Vgl. dazu Bremmer, The Status and Symbolic Capital of the Seer, 98; bereits bei Homer konnten auch Laien wie Helena die Vogelzeichen deuten: Hom. Od. 15, 160–181; Dillon, The Importance of Oionomanteia in Greek Divination, 109. 169 Vgl. Ziehen, Mantis, RE 14, 2, Sp. 1348. 170 Zum Fundort vgl. LSMA 30; I. Ephesos 1678 A; Ziehen, Mantis, Sp. 1348. 171 Welcher der beiden Faktoren maßgeblich für die Nordorientierung war, ob entweder die Assoziation der beiden Seiten mit Westen und Osten nur die logische Konsequenz einer sich von geographischen Gegebenheiten beeinflussten Wahl war oder die Nordausrichtung sich aus den Kombinationen von rechts und links mit zwei jeweils gleichwertig konnotierten Himmelsrichtungen ergab, lässt sich aufgrund des spärlichen Quellenmaterials nicht mehr eindeutig klären. Vgl. zu der Problematik bei der Bestimmung der maßgeblichen Faktoren für die Kultrichtung Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 236–239.

80

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

lich nachgewiesenen Möglichkeit der Manipulation der Vogelzeichen lässt das im Vergleich zu anderen griechischen Divinationspraktiken eher bescheiden ausfallende Quellenmaterial die Schlussfolgerung zu, dass die Vogelzeichendeutung innerhalb der griechischen Divination zwar durchaus bedeutsam war, allerdings infolge ihres nur geringen Beeinflussungspotentials langfristig nicht den gleichen Stellenwert sowie die gleiche Popularität erlangte wie etwa die gerade im Heer favorisierte Hieroskopie oder die Orakelbefragung.172 Eine besondere Methodik erlangte dagegen die Deutung der Himmelszeichen im römischen Auguralwesen.173 Die augurale Divination war ein zentraler Bestandteil im politischen Leben Roms: Keine Priester- und Magistratenwahl und kein Auszug in einen Krieg konnte ohne vorherige Einholung der Auspizien durch die Auguren als interpretes Iovi optumi maximi vollzogen werden.174 Die damit verbundene Möglichkeit der Auguren, auf politische Entscheidungen gezielt Einfluss nehmen zu können, wurde bereits ausgehend thematisiert.175 Im vorliegenden Kapitel soll vielmehr die Bedeutung von links und rechts für die Auslegung bestimmter auguraler Zeichen eingehender untersucht werden. Bei der Deutung der Auspizien stützten sich die Auguren hauptsächlich auf die signa ex caelo, die die Deutung von Blitz und Donner betrafen, und die signa ex avibus, bei denen der Flug bestimmter Vögel gedeutet wurde.176 Dass die Interpretation dieser Himmelszeichen in Bezug auf die Bewertung von links und rechts erheblich Unterschiede zur griechischen Divination aufwies, bezeugt Cicero: „Uns scheint also, was sich links, den Griechen und Barbaren, was sich rechts ereignet, besser zu sein.“177 Im Gegensatz zu der in der griechischen Divination vorherrschenden Nordorientierung richteten die Auguren ihr als templum bezeichnetes Beobachtungsfeld nach Süden aus, so dass die im Osten aufgehende Sonne links von ihnen aufging.178 Die Ausrichtung nach Sü172 Vgl. Dillon, The Importance of Oionomanteia in Greek Divination, 116; Halliday, Greek Divination, 248f. 269–271; die größere Bedeutung der Leberschau gegenüber der Deutung von Vogelzeichen betont auch Plat. Phaidr. 244c; bezeichnenderweise fehlen die Griechen in Ciceros Auflistung von einzelnen Völkern, die als Spezialisten in der Vogelfluginterpretation angesehen wurden. Vgl. Cic. Div. 1, 92. 173 Zum römischen Auguralwesen vgl. Linderski, The Augural Law, 2146–2312. 174 Cic. Leg. 2, 20f.: Interpretes autem Iovi optumi maxumi, publici augure, signis et auspiciis postera vidento, disciplinam tenento, sacerdotesque vineta virgetaque et salutem populi auguranto, quique agent rem duelli quique popularem, auspicium praemonento ollique obtemperanto; die Bedeutung des Auguralwesen zeigt sich bereits bei der Gründung Roms, die erst nach Empfang der Auspizien erfolgte: Cic. Div. 2, 70, 10; Cic. Rep 2, 9; Liv. 1, 6, 4–7, 2. Siehe dazu Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 307–311; auch die Inauguration Numas beruhte auf der Einholung von Auspizien: Liv. 1, 18, 5–10; Plut. Numa 7, 1–3. Vgl. ausführlich Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 311–314; zu den Kompetenzen der Auguren bei politischen Entscheidungsprozessen vgl. Cic. Leg. 2, 30; Linderski, The Augural Law, 2151f. 175 Siehe dazu Kapitel 2.3. 176 Zu den signa ex caelo und den signa ex avibus vgl. Linderski, The Augural Law, 2229. 177 Cic. Div. 2, 82: ita nobis sinistra videntur, Graiis et barbaris dextra meliora; vgl. dazu Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Secundus, Illinois 1923, 484. 178 Varro L. L. 7, 7: eius templi partes quattuor dicuntur, sinistra ab oriente, dextra ab occasu, antica ad meridiem, postica ad septemtrionem; die Südausrichtung ist auch belegt bei Fest. (Lindsay), p. 244, s.v. posticum; Fest. (Lindsay), p. 262, s.v. posticam lineam; Fest. (Lindsay),

3.3. Divination

81

den stammte wahrscheinlich von den Etruskern, über deren Blitzlehre Plinius folgendes berichtet: „Blitze von links gelten als Glück bringend, weil der Sonnenaufgang auf der linken Seite der Welt liegt.“179 Blitze und Donner spielten auch im römischen Auguralsystem eine tragende Rolle und konnten folglich auch auf Staatsangelegenheiten ihre Auswirkung haben. Mit Ausnahme von Versammlungen, bei denen Blitze und Donner als unheilvolles Zeichen galten180, wurden wie bei den Etruskern von links kommende Blitze sowie Donner von den Auguren als Glück verheißende Zeichen gedeutet.181 Das gleiche Bild begegnet auch bei der Deutung der signa ex avibus. Beispielsweise wurden bei der Ernennung von Diktatoren von links kommende Vögel als Zeichen göttlicher Zustimmung ausgelegt.182 Ob die bei den signa ex avibus praktizierte Südausrichtung ebenfalls auf etruskisches Erbe zurückgeht oder von den Umbrern, die als Spezialisten für die Vogelzeichendeutung galten, übernommen wurde, ist aufgrund mangelnder Zeugnisse nicht mehr eindeutig bestimmbar.183 Festzuhalten bleibt an dieser Stelle, dass die linke Seite in der römischen Auguralsphäre dank der Südausrichtung eine positive Konnotation hervorrief. Wie komplex allerdings die römische Augurallehre war, verdeutlicht eine weitere Aussage Ciceros, die sich unmittelbar an sein vorheriges Zitat anschließt: „Allerdings weiß ich wohl, dass wir, was gut ist, als links bezeichnen, auch wenn es sich rechts ereignet.“184 Folglich konnten auch von rechts herbeifliegende Vögel günstige Zeichen bedeuten.

179

180

181

182

183

184

p. 453, s.v. sinistrae aves; vgl. zur auguralen Himmelsausrichtung Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 261–265; zum auguralen templum siehe Linderski, The Augural Law, 2256–2297. Plin. Nat. Hist. 2, 142: laeva prospera existimantur, quoniam laeva parte mundi ortus est; bei den Etruskern befanden sich infolge der Südausrichtung die Gottheiten des Himmels im Nordosten, die Gottheiten der Natur im Südosten, wohingegen die Götter der Erde und der Unterwelt im Westen und somit auf der rechten Seite lokalisiert wurden. Blitze aus dem linken, nordöstlichen Sektor galten bei den Etruskern als Zeichen für summa felicitas, während die Blitze aus der rechten, nordwestlichen Seite zu den unheilvollsten gezählt wurden. Vgl. Plin. Nat. Hist. 2, 143f. Zur etruskischen und römischen Blitzlehre vgl. Thulin, Die etruskische Disciplin, Göteborg 1906–1909 ND Darmstadt 1968, 15–22; zur besseren Illustration vgl. Pfiffig, Religo Etrusca, Graz 1975, 112–114; Prayon, Die Etrusker. Geschichte, Religion, Kunst, München 1996, 69, Abb. 4; zur Deutung von Blitz und Donner im römischen Auguralwesen vgl. Linderski, The Augural Law, 2169f. Cic. Div. 2, 42: Iove tonante, fulgurante comitia populi habere nefas; Cic. Phil. 2, 99; vgl. dazu Linderski, The Augural Law, 2170; die Angst vor Blitzen war allgemein verbreitet. Vgl. Plin. Nat. Hist. 17, 124. Cic. Div. 2, 43: Itaque comitiorum solum vitium est fulmen, quod idem omnibus rebus optumum auspicium habemus, si sinistrum fuit; Verg. Aen. 2, 693; Enn. Ann. 3, 146; Cic. Div. 2, 82; weitere Belege für Glück bringenden Blitz und Donner von links bei Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Secundus, 482. Cic. Leg. 3, 9: Ast quando duellum gravius, discordiae civium escunt, oenus ne amplius sex menses, si senatus creverit, idem iuris, quod duo consules, teneto, is que ave sinistra dictus populi magister esto. Vgl. zu den Umbrern als Spezialisten bei der Vogelzeichendeutung Cic. Div. 1, 92. 94; weitere Zeugnisse für umbrische Spezialisten bei Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Primus, 261; zur Frage des Verhältnisses zwischen römischer Augurallehre und etruskischer Disziplin siehe Thulin, Die etruskische Disciplin, 106–115. Cic. Div. 2, 82: Quamquam haud ignoro, quae bona sint, sinistra nos dicere, etiamsi dextra

82

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Wie lässt sich dies jedoch mit den bisherigen Ergebnissen in Einklang bringen? Den Schlüssel zum Verständnis dieser auf den ersten Blick paradox anmutenden Bemerkung liefert Livius’ Beschreibung der Inauguration Numas. Numa blickt bei seiner Königsweihe nach Süden, während der Augur, der zur Linken Numas steht, sich nach Osten orientiert und die Osthälfte in einen linken, d. h. nordöstlichen, und in einen rechten, d. h. südöstlichen Abschnitt einteilt.185 Dadurch konnten auch von rechts kommende Vögel, die sich infolge der primär grundlegenden Südausrichtung zugleich auf der linken Seite befanden, auch Glück bringende auspicia bedeuten.186 Aber auch innerhalb der vom Augur gewählten Ostorientierung existierten Qualitätsunterschiede in Bezug auf die Seiten. Die aus Nordosten und somit von links stammenden Zeichen galten nach auguraler Auffassung als die besten auspicia, da der Norden höher und dem in den nördlichen Regionen lokalisierten Wohnsitz von Jupiter näher sei.187 Ebenfalls Glück verheißende Zeichen, jedoch im Vergleich zum Nordosten von geringerer Qualität, waren aus der südöstlichen Region zu erwarten. Im höchsten Grad unheilvoll waren dagegen Himmelszeichen aus dem Nordwesten.188 Das römische Auguralsystem beruhte also im Gegensatz zum griechischen System auf einer Kombination von einer Süd- und einer Ostausrichtung. Die Wendung des Augurs nach Osten lässt sich vor dem Hintergrund des in zahlreichen Kultpraktiken positiv bewerteten Ostens als Seite des Heil spendenden Sonnenaufgangs durchaus nachvollziehen.189 Auffällig ist jedoch, dass in beiden Himmelsausrichtungen die linke Seite positiv konnotiert wurde. Im Fall der Ostorientierung lässt sich zwar erklären, warum die linke Seite der rechten qualitativ überlegen war, denn hier lag links im Norden, der als Wohnsitz Jupiters positive Assoziationen hervorrief. Dennoch erscheint eine derartige Auguralkonzeption angesichts des all-

185

186

187

188 189

sunt; vgl. auch Cic. Div. 2, 80: Cur autem aliis a laeva, aliis a dextra datum est avibus ratum auspicium facere possint? Liv. 1, 18, 6f.: Inde ab augure, cui deinde honoris ergo publicum id perpetuumque sacerdotium fuit, deductus in arcem in lapide ad meridiem versus consedit. Augur ad laevam eius capite velato sedem cepit dextra manu baculum sine nodo aduncum tenens, quem lituum appellarunt. Inde ubi prospectu in urbem agrumque capto deos precatus regiones ab oriente ad occasum determinavit, dextras ad meridiem partes, laevas ad septentrionem esse dixit; vgl. zur Stelle und deren Interpretation Linderski, The Augural Law, 2280–2289; Belege für die Ostausrichtung der Auguren: Dion. Hal. Ant. 2, 5, 2; Hor. Carm. 3, 27, 11; Plut. Quaest. Rom. 78; Fest. (Lindsay), p. 276, s.v. praetor; die Orientierung nach Osten wurde auch beim Gebet in den meisten Fällen gewählt. Belege bei Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 268. Dies erklärt auch, warum ein Rabe von rechts, aber eine Krähe von links ein günstiges Zeichen bedeutete. Vgl. Cic. Div. 1, 85; Cic. Div. 1, 12; vgl. dazu den Kommentar von Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Primus, 75–77. Serv. Aen. 2, 693: Sinistras autem partes septentrionales esse augurum disciplina consentit, et ideo ex ipsa parte significatoria esse fulmina, quoniam alteriora et viciniora domicilio Iovis; Dion. Hal. Ant. 2, 5, 2–4; Fest. (Lindsay), p. 454, s.v. sinistrae aves; Plin. Nat. Hist. 2,144. Vgl. dazu Linderski, The Augural Law, 2282f.; Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 264f.; die augurale Auffassung des Nordostens als besten Himmelssektor deckt sich mit der etruskischen Bewertung der einzelnen Himmelsregionen. Siehe Thulin, Die etruskische Disciplin, 16–18. Plin. Nat. Hist. 2, 143: Ex iis maxime dirae quae septemtriones ab occasu attingunt. Eine Lobpreisung der Sonne findet sich beispielsweise bei Plat. Rep. 508a-c; Artem. 2, 36.

3.3. Divination

83

gemein negativ gefärbten Bildes von links sowie der positiven Sichtweise zunächst seltsam. Vor allem wenn man bedenkt, dass die rechte Seite gleich in beiden Ausrichtungen als minderwertige angesehen wurde, was insbesondere für die Südausrichtung zutraf: die rechte Seite lag im Westen, der sowohl nach etruskischer als auch römischer Divinationsauffassung unheilvolle Zeichen hervorbrachte.190 Geht man von der auch in anderen Kultpraktiken weit verbreiteten positiven Vorstellung von rechts aus, wäre eher ein Auguralsystem zu erwarten, in dem rechts mit einer ebenfalls positiv assoziierten Seite in Verbindung gebracht worden wäre. Infolge der übergeordneten Südausrichtung war eine solche Konstruktion allerdings nicht realisierbar. Daher stellt sich die Frage, warum die Römer eine Südausrichtung präferierten, die zur Folge hatte, dass in diesem System die vermeintlich schlechte linke Seite zur Seite für Glück bringende Zeichen mutierte. Auf der Suche nach ersten Anhaltszeichen geht man zunächst davon aus, die Antwort in den römischen Quellen zur Divination zu finden, doch selbst dort tritt der Mangel an Wissen deutlich hervor, denn sogar Cicero muss konstatieren, „dass es schwierig erscheint aufzuzeigen, wie sich jede Form erklären und begründen lässt. Was nämlich weiß der Eingeweideschauer darüber, warum der Einschnitt in der Lunge, auch wenn die Eingeweide sonst in Ordnung sind, einen Einschnitt in der Zeit bedeutet und einen Termin hinausschiebt? Was der Augur, weswegen von rechts ein Rabe, von links eine Krähe ein gültiges Zeichen bewirken?“191 An anderer Stelle gibt Cicero ganz offen zu, dass er die Gründe für bestimmte divinatorische Praktiken nicht kennt und weist darauf hin, dass diese Frage ohnehin nicht relevant erscheint: „Warum dies alles so ist, willst Du wissen. Ganz recht; aber darum geht es jetzt nicht. Ob es so ist oder nicht, darin liegt unser Problem.“192 Darüber hinaus handelte es sich bei der Augurallehre um eine sehr alte Disziplin, deren Wissen man von den Vorvätern empfangen hatte.193 Deshalb ließ sich die Ausübung der auguralen Praktiken stets als Einhaltung des mos maiorum begründen. Da sich die römischen Quellen über die Gründe für die Südausrichtung in Schweigen hüllen, beschränkten sich die meisten Ansätze der althistorischen Forschung darauf, die Südausrichtung als Erbe der Etrusker oder anderer antiker Kul190 Plin. Nat. Hist. 2, 143. 191 Cic. Div. 1, 85: (…) nisi quod difficile dictu videtur, quae cuiusque divinationis ratio, quae causa sit. Quid enim habet haruspex, cur pulmo incisus etiam in bonis extis dirimat tempus et proferat diem? Quid augur, cur a dextra corvus, a sinistra cornix faciat ratum? 192 Cic. Div. 1, 86: Cur fiat quidque, quaeris. Recte omnino; sed non nunc id agitur; fiat necne fiat, id quaeritur; der pragmatische Nutzen ist vielmehr von Bedeutung, denn laut Cicero will die Gottheit auch gar nicht, dass man die einzelnen divinatorischen Praktiken logisch nachvollziehen kann, sondern verlangt lediglich, dass man sich dieser Erscheinungen bedient. Siehe Cic. Div. 1, 35; zum Eingeständnis des eigenen Unwissens vgl. Cic. Div. 1, 23; ähnlich verhält es sich auch bei Plin. Nat. Hist. 2, 142: Plinius Maior begründet zwar, dass links aufgrund der Südausrichtung bei den Etruskern positiv bewertet wurde, liefert aber keine Erklärung für den Grund der Südausrichtung. 193 Cic. Div. 1, 86: Quod idem facis in divinatione, quam (…) a patribus accepimus; die Vorstellung, dass das Auguralwesen eine alte und traditionsreiche divinatorische Praktik darstelle, wird vor allem evident, wenn bereits Romulus und später Numa sich dieser Praktik zur Legitimierung ihrer Herrschaft bedienten. Exemplarisch greifbar bei Liv. 1, 7; Liv. 1, 18, 6–10.

84

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

turen mit gleicher Kultausrichtung zu erklären, stießen damit aber nicht bis zum eigentlichen Kern des Problems vor.194 Eine Suche nach anderen antiken Kulturen mit Südausrichtung, die sich als aufschlussreich erweisen könnten, führt beispielsweise nach Ägypten. Die Südausrichtung in Ägypten beruhte auf dem Nil, der von Süden nach Norden floss, folglich auch der vom Nil mitgeführte fruchtbare Schlamm aus dem Süden stammte.195 Die hier für die Südausrichtung verantwortlichen geographischen Begebenheiten führen zur Frage, inwieweit vielleicht auch in Italien lokale geographische Faktoren Einfluss auf die Südorientierung hatten. Im Vergleich zum Süden in Ägypten scheint die Spur in Italien eher in den hohen Norden zu führen, wo bekanntlich die etruskischen und römischen Hauptgottheiten ihren Wohnsitz hatten. Dieser Ansatz wurde von Linderski im Rahmen seiner Interpretation der bei Livius geschilderten Inauguration Numas aufgegriffen.196 Linderski kann sich die von Numa eingenommene Südausrichtung nur als Nachahmung des Perspektive Jupiters erklären, da Numa genauso wie der im Norden wohnende Jupiter seinen Blick nach Süden richtet. Wenn Numa dieselbe Position und Perspektive wie Jupiter einnimmt, setzt dies eine spezielle Beziehung zwischen König und Gott voraus.197 Der König wird in eine gottgleiche Sphäre gerückt. Wie stark Numa mit Jupiter identifiziert wurde, klingt bei Livius an. Bevor Numa die priesterlichen Pflichten für Jupiter an den von ihm ernannten Flamen Dialis übergab, nahm er dessen Aufgaben selbst wahr.198 Neben Opfern oder rituellen Verrichtungen bestand dieser Dienst vor allem aus Reinheits- und Verhaltensregeln, die in erster Linie einen Zweck erfüllten: die Darstellung der eigentlichen Gottheit.199 Numas Nähe als König zu Jupiter zu demonstrieren, entsprach auch der Intention des in der Frühzeit nur aus Patriziern bestehenden Kollegiums der Auguren.200 Wie Cornell 194 Neben der weit verbreiteten Ansicht, dass die südliche Kultrichtung auf etruskischen Einfluss zurückzuführen sei, hält beispielsweise Rose, The Inauguration of Numa, in: JRS 13, 1923, 89f. die Südausrichtung für die ursprüngliche italische „Terramare“-Kultrichtung und sieht in der Ostausrichtung ein Erbe der von den Kelten beeinflussten Villanova-Kultur; vgl. zu den unterschiedlichen Theorien den Überblick bei Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 262f. 195 Die Südrichtung in Ägypten wird auch dadurch evident, dass die Wörter für Westen und Osten mit denen von rechts und links synonym sind. Vgl. Grieshammer, Rechts und Links (Symbolik), LÄ 5, Sp. 192; allerdings ist der mit der linken Seite gleichgesetzte Osten im Gegensatz zur römischen Sichtweise negativ konnotiert. Vgl. zur Südausrichtung der Ägypter Keßler, Himmelsrichtung, LÄ 2, Sp. 1213f.; ferner ist die Südausrichtung auch im alten Iran bezeugt: Der iranische Hauptpriester richtete sich im Kult nach Süden, wo sich das Lichtreich bzw. Paradies befand. Dagegen galt der Norden als Ort böser Dämonen. Vgl. dazu Podossinov, Himmelsrichtung, Sp. 247; Frothingham, Ancient Orientation unveiled, in: AJA 21, 1917, 73–76. 196 Vgl. Linderski, The Augural Law, 2281. 197 Vgl. Fears, Gottesgnadentum, RAC 11, Sp. 1118f. 198 Vgl. Liv. 1, 20, 1f.; vgl. zur Stelle Ogilvie, A Commentary on Livy. Books 1–5, Oxford, 1965, 97. 199 Vgl. Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 473. 200 Die Öffnung des ursprünglich nur aus Patriziern bestehenden Kollegiums der Auguren für Plebejer erfolgte mit der lex Ogulnia im Jahr 300 v. Chr. Vgl. Liv. 10, 6, 4–6; Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 754f.; Kunkel, Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik, 609f.; zur Entwicklung der Zusammensetzung des Kollegiums vgl. Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 475.

3.3. Divination

85

überzeugend darlegt, stellten die patrizischen Auguren nämlich keine Könige aus den eigenen Reihen, sondern waren lediglich imstande, die Könige zu ernennen.201 Da einige Könige wie beispielsweise der Sabiner Numa zudem nicht ursprünglich aus Rom kamen, bestand ein erheblicher Bedarf an Herrschaftslegitimation. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht verwunderlich, den Kandidaten für den Königsthron mit Hilfe von den Göttern gesandter Auspizien zu legitimieren. Allem Anschein nach zählte dazu aber auch das Bestreben, den potentiellen König gottgleich erscheinen zu lassen bzw. ihn so nahe wie möglich mit der göttlichen Sphäre in Verbindung zu bringen. Offenbar wurde dies neben den eigentlichen Auspizien durch die von Norden nach Süden gewählte Perspektive des Königs für alle Beteiligten sichtbar gemacht. Zwar erscheint der von Linderski gewählte Ansatz durchaus plausibel, befriedigt allerdings nicht ganz, zumal das Quellenmaterial noch andere Optionen zulässt. Ein möglicher Lösungsversuch findet sich bei einer von Servius kommentierten Stelle aus Vergils Aeneis, in der Glück verheißender Donner links losbrach.202 Servius erklärt, dass der von den Menschen links wahrgenommene Donner eigentlich von den Göttern rechts gesandt werde, da die rechte Seite der Götter für die Menschen infolge des Perspektivenwechsels auf der linken Seite sei.203 Der Erklärungsversuch mag zwar auf den ersten Blick wenig Angriffsfläche zur Kritik bieten, wirkt aber dennoch äußerst konstruiert, zumal eine Unterscheidung zwischen menschlichem und göttlichem Blickwinkel recht kompliziert erscheint und zudem in den Zeugnissen zur römischen Augurallehre nirgendwo zu finden ist. Beispielsweise berichten weder Cicero noch Varro über eine solche perspektivische Unterscheidung.204 Auch in Livius’ Beschreibung des auguralen templum für die Inauguration des Numa wird nicht zwischen einer göttlichen und einer menschlichen Perspektive geschieden.205 Insofern liefert Servius keine probate Lösung. Seine Erklärung erweist sich lediglich als hilfreich, um in Erinnerung zu rufen, dass die Bestimmung von links und rechts stets auch von der jeweiligen Sichtweise abhängt. Mit der Besonderheit der römischen Zeichendeutung setzten sich auch griechische Autoren auseinander. Der Unterschied zwischen der römischen Auguralpraxis und der griechischen Divinationslehre fiel Plutarch auf, der sich in seinen 201 Vgl. Cornell, The Beginnings of Rome. Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars (c. 1000–264 BC), London/New York 1995, 142f. 202 Verg. Aen. 2, 693. 203 Serv. Aen. 2, 693: Intonuit laevum sinistrum, quia caeleste est; quae enim nobis laeva sunt (caelestibus) dextra sunt (…); Servius gibt bereits zuvor zu verstehen, dass links in der Bedeutung „Glück bringend“ nur auf den sakralen Kontext zutrifft, außerhalb der religiösen Sphäre aber das Gegenteil bedeutet. Siehe Serv. Aen. 2, 54. Servius trennt folglich klar zwischen sakralem (auguralem) und profanem Bereich. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 284 bezieht diese Unterscheidung fälschlicherweise auch auf die Vorzeichen und übersieht folglich, dass Servius seine Unterscheidung nur auf die Bedeutung der linken Seite beschränkt und keinesfalls zwischen Vorzeichen differenziert, die entweder für die menschliche oder für die göttliche Sphäre gelten würden. 204 Vgl. den Überblick zu Ciceros und Varros Zeugnissen über die Divination bei Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 129–172. 205 Liv. 1, 18, 6f.

86

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Quaestiones Romanae die Frage stellte, warum die Römer von links kommende Zeichen als günstige auspicia auslegten.206 Plutarchs Theorien resultieren aus stereotypischen Vorstellungen über die linke Seite als der von der Natur aus schwächeren Seite, die von den Auguren gestärkt wurde, um dadurch einen Ausgleich zu der vermeintlich stärkeren rechten Seite zu schaffen207, gehen wie Servius von dem antithetischen Konzept aus, nach dem die von den Göttern von rechts geschickten Zeichen bei den Menschen links erscheinen208, erklären die positive Deutung von links mit Hilfe der Ostorientierung durch die Gleichsetzung mit dem positiv bewerteten Norden209 oder versuchen das Phänomen etymologisch in den Griff zu bekommen. Nach Plutarch sei sinister von sinere mit seiner Bedeutung „zulassen, erlauben“ abzuleiten, so dass ein avis sinistra ein von den Göttern erlaubtes Zeichen bedeuten würde.210 Damit liefert Plutarch zwar einen Erklärungsversuch der Etymologie des Wortes, erklärt aber nicht, warum der nach seiner Auffassung ursprünglich von sinere stammende Begriff zum Synonym von links wurde. Viel versprechender ist dagegen sein Ansatz, der von einem bei Dionysios von Halicarnassos tradierten Präzedenzfall ausgeht. Kurz vor der Schlacht gegen Mezentius sei Askanius oder Aeneas ein Blitz von links erschienen, der als Zeichen des Sieges gedeutet wurde.211 Da der anschließende Sieg die Gültigkeit des Zeichens unter Beweis gestellt habe, habe man an dieser Deutungsart festgehalten. Anschließend argumentiert Plutarch zur Untermauerung seiner Theorie historisch, indem er an den Sieg der Thebaner in der Schlacht bei Leuktra erinnert, den der linke Flügel erringen konnte. Seitdem hätten die Thebaner das Oberkommando immer dem linken Flügel übertragen. In beiden Fällen führte die vermeintlich Unglück bringende linke Seite zu unerwartetem Erfolg. Unerwartet war insbesondere der Sieg des linken Flügels.212 Da sich das Oberkommando normalerweise auf der rechten prestigeträchtigeren Seite befand, hatte dies in vielen Fällen zur Folge, dass die Seite des Oberbefehlshabers auch mit den besten Truppen besetzt war. Ein Sieg des linken Flügels, der zu Schlachtbeginn gewöhnlich auf den gegnerischen rechten Flügel traf und den Sieg errang, konnte vor diesem Hintergrund ungewöhnlich und daher als äußerst wertvoll eingestuft werden. Wer diesen Ansatz verfolgt, stößt auf einen weiteren Präzedenzfall aus dem römischen Auguralwesen. Vorzeichen von der linken Seite werden nämlich auch

206 207 208 209

Plut. Quaest. Rom. 78. Plut. Quaest. Rom. 78, 23–26. Plut. Quaest. Rom. 78, 27–29. Plut. Quaest. Rom. 78, 19–22; von einer Orientierung der Etrusker und Römer nach Osten geht auch Dion. Hal. Ant. 2, 5, 2–5 aus. 210 Plut. Quaest. Rom. 78, 3–9; auch Servius leitet sinistrum von sinere ab. Siehe Serv. Aen. 2, 693: sinistrum autem a sinendo dictum, quantum ad auguria pertinet, quod nos agere aliquid sinat (…). 211 Plut. Quaest. Rom. 78, 10–18; Dion. Hal. Ant. 2, 5, 5; Dion. Hal. Ant. 2, 5, 1f. und 2, 6, 1 überliefert ferner, auch Romulus sei ein Blitz von links als günstiges Vorzeichen zur Legitimierung seiner Herrschaft gesandt worden. 212 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.4.

3.3. Divination

87

bei der Stadtgründung Roms erwähnt.213 Laut Ennius seien Romulus zwölf Vögel auf der linken Seite erschienen und hätten sich genau zur Zeit des Sonnenaufgangs an Glück verheißenden Orten niedergelassen.214 Im Streit zwischen Romulus und Remus spielte die Frage, aus welcher Seite die Vögel kamen, keine Rolle. Vielmehr stützte Romulus seine Legitimation auf die Anzahl, Remulus dagegen auf den Zeitpunkt, an dem die Vögel erschienen.215 Dennoch wurde auch an dieser Stelle erneut der Versuch unternommen, den Grund für die positive Deutung der linken Seite im Auguralwesen auf einen Präzedenzfall zurückzuführen. In Erinnerung blieb die erfolgreiche Auslegung des Romulus, zu der eben auch gehörte, dass die ihm Glück bringenden Vögel von links gekommen waren. Dass Romulus’ Kompetenz zur korrekten Zeichenauslegung außer Frage stand, unterstreicht Cicero, der Romulus als ausgezeichneten Augur bezeichnet.216 Die Präzedenzfalltheorie tritt noch deutlicher in den Legenden über die Herrschaftsvorzeichen zur Legitimation des Romulus hervor: Am Tag, an dem Romulus durch Auspizien seine Königwürde bestätigen ließ, sei ein Blitzschlag von links nach rechts quer über den Himmel niedergegangen. Der von links kommende Blitz habe Dionysios von Halicarnassos zufolge eine günstige Antwort gegeben und wäre auch für künftige Königswahlen als entscheidendes Legitimationskriterium herangezogen worden.217 Dass man die Interpretation der linken Seite als günstiges Auguralzeichen stets auf die Entscheidung einer kompetenten Person zurückführte, verdeutlicht auch Festus in seiner Bedeutungserklärung von sinistrum: „Ateius Capito sagt, dass bei der Auslegung der Auspizien sinistrum ein glückliches und günstiges Auspizium bedeutet.“218 Festus nennt als Gewährsmann für die spezielle Regel den 22 n. Chr. verstorbenen Juristen Ateius Capito, der insbesondere im Privatrecht als Verfechter alter Traditionen galt. Aufschlussreich ist auch eine Anekdote aus Ciceros De Divinatione. In der von Cicero überlieferten Geschichte über Attus Navius klingt die linke Seite zwar nur indirekt an, dafür liegt jedoch ein Beleg für die von den Auguren praktizierte Südausrichtung vor, auch wenn Linderski zu bedenken gibt, dass Attus Navius bei der von ihm praktizierten Auguralart keine Vogelauspizien deutet, sondern ein auspicium stativum vornimmt, bei dem es darum geht, durch Auspizien einen Platz oder

213 Einen Überblick bietet Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 307–311. 214 Cic. Div. 1, 108: (…) et simul ex alto longe pulcherruma praepes laeva volavit avis. Simul aureus exoritur sol, cedunt de caelo ter quattuor corpora sancta avium, praepetibus sese pulchrisque locis dant. Conspicit inde sibi data Romulus ess propritim auspicio regni stabilita scamna solumque; siehe dazu auch Pease, M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Primus, 295–297; weitere Belege: Cic. Div. 1, 3; Cic. Nat. deorum 3, 5; Cic. Leg. 2, 33; eine Auflistung sämtlicher Quellenstellen bei Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 307 Anm. 158. 215 Liv. 1, 7, 1–3. 216 Cic. Div. 1, 3: (…) Romulus non solum auspicato urbem condidisse, sed ipse etiam optumus augur fuisse traditur. 217 Dion. Hal. Ant. 2, 5, 1f.; Dion. Hal. Ant. 2, 6, 1; Ov. Fast. 4, 827–834; vgl. dazu auch Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 309f. 218 Fest. (Lindsay) p. 454, s.v. sinistrum: Sinistrum in auspicando significare ait Ateius Capito laetum et prosperum auspicium; siehe dazu auch Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 285.

88

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

eine Sache auszuwählen.219 Der Grund für die Einholung der Auspizien war Navius’ Gelübde, dass er dem Gott die größte Traube aus seinem Weinberg spenden würde, falls Navius von dem Gott sein entlaufenes Schwein wiederbekommen werde. Nachdem er das Schwein gefunden hatte, nahm er das auspicium stativum vor, um die größte Traube in seinem Weinberg zu finden. Dafür wählte er eine Südausrichtung aus und fand schließlich die erwünschte Traube.220 Der Erfolg führte Navius zu König Priscus, der von dessen auguralen Fähigkeiten gehört hatte.221 Nachdem Navius in einem Test seine Gabe erneut unter Beweis gestellt hatte, bediente sich Priscus in der folgenden Zeit weiterhin der Augurendienste des Navius, die auch beim römischen Volk geschätzt waren. Ruft man sich die Geschichte der mit Auspizien erfolgten Stadtgründung Roms vor Augen, dann weist die Legende vom Auguren Attus Navius Parallelen zu der Geschichte des Augur Romulus auf. Beide Geschichten haben gemeinsam, dass sie bestimmte Grundprinzipien des Auguralwesens mit einem bedeutenden Ereignis aus der römischen Frühzeit in Verbindung bringen, um die im Dunkeln liegenden Anfänge dieser Divinationsdisziplin zumindest ansatzweise in helleres Licht zu rücken. Dienten die Legenden über Askanius oder Romulus dazu, die positive Bewertung der linken Seite im Auguralwesen zu erklären, so scheint der Fall des Attus Navius womöglich auch eine Erklärung für die speziell römische Südausrichtung gewesen zu sein, denn Cicero erwähnt in seiner Darstellung explizit, dass Navius gen Süden blickte und dieses System zum erwünschten Erfolg führte. Zwar wird die linke Seite an dieser Stelle kein einziges Mal erwähnt; wenn man allerdings nach diesem Präzedenzfall weiterhin an der Südausrichtung festhielt, hatte dies zwangsläufig zur Konsequenz, dass sich links im positiv konnotierten Osten befand. Die Präzedenzfalltheorie scheint auf der Basis der vorgestellten Quellen sowie einer Aussage Ciceros, nach der das Wahrsagevermögen als bewiesen gilt, wenn ein einziges Mal so wahrgesagt worden ist, dass eine zufällige Erscheinung nicht in Frage kommt, durchaus plausibel.222 Obwohl ein für spätere Auslegungen verbindlicher Präzedenzfall auch ganz dem auf mos maiorum basierenden Traditionsbewusstsein der Römer entsprechen würde, kann dieser Ansatz trotzdem noch keine ausreichende Erklärung bieten.223 Festzuhalten bleibt, dass die Südausrichtung offenbar auf breite Akzeptanz stieß trotz der Tatsache, dass die linke Seite, in fast allen Lebensbereichen als unheilvoll angesehen, im römischen Auguralsystem die Glück bringende Seite war. Diese merkwürdig anmutende Konstellation animiert zu weiteren Fragen: Warum konnte sich dieses Konzept durchsetzen? Was machte dieses System so at219 Cic. Div. 1, 31; Linderski, The Augural Law, 2281 Anm. 536; zu Attus Navius vgl. ausführlich Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 319–322. 220 Cic. Div. 1, 31, 7–12: itaque, sue inventa, ad meridiem spectans, in vinea media dicitur constitisse (…) mirabili magnitudine uvam, ut scriptum videmus, invenit. 221 Cic. Div. 1, 32; nach Cic. Nat. deorum 2, 9 war Attus Augur des Königs Tullus Hostilius. 222 Cic. Div. 1, 71: (…) satis est ad confirmandam divinationem semel aliquid esse ita divinatum, ut nihil fortuito cecidisse videatur. 223 Zum Traditionalismus im religiösen Bereich vgl. beispielsweise Cic. Leg. 2, 23.

3.3. Divination

89

traktiv, bei dem Zeichen von links positiv gedeutet wurden, wenn im Volksglauben normalerweise eine genau entgegengesetzte Vorstellung vorhanden war? Wer verfügte über dieses Wissen und inwieweit profitierten die Inhaber dieses Wissens von dieser Auspizienauslegung? Das sakrale Wissen befand sich in der römischen Frühzeit bekanntlich in den Händen der Patrizier.224 Daher waren ursprünglich ausschließlich Patrizier als Auguren für die Einholung der Auspizien zuständig.225 Nur Patrizier verfügten über das augurale Wissen zur Deutung der göttlichen Zeichen: Wissen, das nicht nur Spezialwissen, sondern in erster Linie exklusives Wissen der aristokratischen Führungsschicht war. Um die Exklusivität der Augurallehre zu bewahren, sollte das Wissen stets auf diesen kleinen Kreis beschränkt bleiben und auf keinem Fall mit der breiten Masse geteilt werden, „denn die Tatsache, dass das Volk auf das überlegte Handeln und die Überzeugungskraft der Optimaten, der Führungselite stets angewiesen ist, bildet die Grundlage der öffentlichen Ordnung, und die Aufgabenverteilung der Priester lässt keinen Bereich gesetzmäßiger religiöser Betätigung unberücksichtigt. Denn die einen, die für die heiligen Opfer zuständig sind, bekamen die Aufgabe die Götter zu besänftigen; die anderen wurden mit der Deutung der Weissagung der Seher betraut, deren Zahl jedoch beschränkt blieb, damit die Angelegenheit nicht ausuferte und niemand außerhalb des Kollegiums von eben diesen Auskünften, die man im Interesse des Staates erhalten hatte, erfuhr.“226 Die Anzahl der Priester zu beschränken, war eine Möglichkeit, um das Wissen weiterhin exklusiv zu erhalten. Eine andere Möglichkeit bestand darin, dieses Wissen so zu konzipieren, dass es von Außenstehenden auf den ersten Blick als unverständlich und somit zugleich auch als geheimnisvoll und als besonders wertvoll wahrgenommen wurde. Ein probates Mittel dafür, das vor allem im Bereich der Magie zur Anwendung kam, ist die Inversion.227 Konventionelle Handlungen werden bewusst „verkehrt“ praktiziert, um sie aus der breiten Masse zu exponieren und dadurch ihre besondere Bedeutung zu unterstreichen. Der erfolgten Abweichung von bestehenden Konventionen kann zugleich ein Identität stiftender Effekt einhergehen. Für das Auguralwesen würde dies bedeuten, dass die ungewöhnlich erscheinende Interpretation der auspicia sinistra als bona auspicia für die Patrizier eine Besonderheit darstellte. Man war sich bewusst, sich hier von der im Volksglauben vorherrschenden Vorstellung von links abheben zu können. Das augurale Wissen 224 Vgl. Beard, Priesthood in the Roman Republic, in: Beard/North (Hrsg.), Pagan Priests. Religion and Power in the Ancient World, London 1990, 19. 225 Cic. Div. 1, 89: Omnino apud veteres, qui rerum potiebantur, iidem auguria tenebant; ut enim sapere sic divinare regale ducebant: [ut] testis est nostra civitas, in qua et reges augures et postea privati eodem sacerdotio praediti rem publicam religionum auctoritate rexerunt; Liv. 6, 41, 1–12; vgl. dazu auch Cornell, The Beginnings of Rome, 142f. 226 Cic. Leg. 2, 30: Continet enim rem publicam consilio et auctoritate optimatium semper populum indigere, discriptioque sacerdotum nullum iustae religionis genus praetermittit. Nam sunt ad placandos deos alii constituti, qui sacris praesint sollemnibus, ad interpretanda alii praedicta vatium, neque multorum, ne esset infinitum, neque ut ea ipsa, quae suscepta publice essent, quisquam extra collegium nosset. 227 Zur Inversion, die auf den Gegensatzpaaren links und rechts basiert, vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 27–29; Lloyd, Polarity, 37–41; Smits, Linkshänder, 39–41.

90

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

erschien exklusiv, einzigartig, von einer Aura des Geheimnisvollen umweht und konnte, da unkonventionell und für Laien unverständlich, nur mit Hilfe von Spezialisten korrekt interpretiert werden.228 Vor allem die Einzigartigkeit dringt besonders stark hervor: Die links positiv bewertende Sichtweise blieb genauso wie die Südrichtung auf den auguralen Bereich beschränkt.229 Zugleich wurde diese einzigartige Stellung ein konstitutives Element der eigenen patrizischen Identität. Wie stark die Patrizier sich als alleinige Träger des auguralen Wissens sahen, beweist die Reaktion des Patriziers Appius Claudius Crassus im Jahr 368 v. Chr. auf den Antrag der Volkstribunen, auch zwei Konsuln aus den Reihen der Plebs zur Wahl zuzulassen: „Zu uns gehören die Auspizien so eng, dass das Volk nicht nur die patrizischen Beamten, die es wählt, nur nach Auspizien wählt, sondern dass auch wir selbst ohne Abstimmung des Volkes nach einem Auspizium den Interex bestellen und auch privat Auspizien durchführen, was die (Plebejer) da nicht einmal im Amt können.“230 Plebejer waren demnach unfähig, Auspizien durchzuführen. Insofern ist auch der Ärger der Patrizier über die lex Ogulnia aus dem Jahr 300 v. Chr. verständlich, nach der die Patrizier das Augurenkollegium auch für Plebejer zugänglich machen mussten.231 Selbst wenn auch Auguren, wie Cicero berichtet hat, nicht mehr die Gründe für die einzelnen auguralen Rituale kannten, erweckte die nach außen zur Schau gestellte augurale Praxis zumindest für die breiten Massen den Anschein, als ob die Auguren im Besitz dieses Wissens noch sein könnten. Die augurale Auffassung, links positiv einzustufen, besaß aber auch für die Römer selbst eine Identität stiftende Wirkung. Cicero war sich der römischen Sonderstellung im Vergleich zum Rest der Welt bewusst, wenn er in De Divinatione feststellte, dass nur bei den Römern Zeichen von links Glück verheißende Zeichen bedeuten, jedoch bei den Griechen und Barbaren eine diametral entgegengesetzte Divinationsauffassung praktiziert wird.232 Wer sich dieses Unterschiedes bewusst wurde, konnte diesen Aspekt als Baustein für die Konstruktion der eigenen Identität benutzen. Die augurale Sonderstellung der Römer erscheint in diesem Fall als 228 Vgl. zu den geheimnisvollen Büchern der Auguren Linderski, The Augural Law, 2241–2256; zur Bedeutung des nur für die Priester zugänglichen Sakralwissens vgl. Rosenberger, Gezähmte Götter, 56–59. 229 Beispielsweise orientierten sich römische Feldvermesser bei der Limitation nach Westen. Vgl. Frontin Limit. 10f.; die Einzigartigkeit der Südausrichtung bei der Deutung von Himmelszeichen kommt auch in der etruskischen Disziplin zum Ausdruck, denn die Haruspizes praktizierten ihre Leberschau auf der Grundlage einer Westausrichtung. Vgl. Pfiffig, Religio Etrusca, 113f. 230 Liv. 6, 41, 6: Nobis adeo propria sunt auspicia, ut non solum, quos populus creat patricios magistratus, non aliter quam auspicato creet, sed nos quoque ipsi sine suffragio populi auspicato interregem prodamus et privatim auspicia habeamus, quae isti ne in magistratibus quidem habent. 231 Liv. 10, 6, 9f.: Ceterum, quia de plebe adlegebantur, iuxta eam rem aegre passi patres, quam cum consulatum vulgari viderent. Simulabant ad deos id magis quam ad se pertinere: ipsos visuros, ne sacra sua polluantur; vgl. Beard/North/Price, Religions of Rome. Volume 1. A History, 64. 232 Cic. Div. 2, 82.

3.4. Heerwesen

91

ein weiterer Ausdruck ihrer herausragenden Stellung im Bereich der Religion, die an zahlreichen Stellen als Legitimationshilfe für die Herrschaft über die restlichen Völker der bekannten Welt Verwendung fand.233 Die Analyse der auguralen Ausnahmestellung hat das Potential und die damit verbundene Funktion der linken Seite vor Augen geführt. Inwieweit die Erkenntnis dieses Potentials die Wahl der Südausrichtung beeinflussen konnte oder nur ein Reflex auf eine bereits zuvor installierte Südausrichtung darstellte, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Jedenfalls ist evident geworden, welche Funktion die linke Seite innerhalb eines solchen Auguralsystems erfüllte. Invers genutzt erwies sich die vermeintlich schlechte linke Seite als vorteilhaft. Indem die Auguren Zeichen von links positiv interpretierten, hoben sie sich bewusst von den bestehenden gesellschaftlichen Konventionen ab, befanden sich dadurch im Besitz eines speziellen Wissens, das dazu beitrug, die auguralen Auslegungen mit der Aura des Geheimnisvollen zu versehen. Dieses Spezialwissen galt im Kollegium der Auguren als Indiz für ihre exklusive Stellung, verlieh den Auguren folglich eine eigene Identität. Insofern bestätigt der Blick auf das römische Auguralwesen, dass Ausnahmen die Regel bestätigten und diese Ausnahmen auch dazu führen konnten, die linke Seite infolge der sich daraus ergebenden Möglichkeiten in einem positiven Licht zu bewerten. 3.4. HEERWESEN Ähnlich wie die Religion kann auch das Militär als ein ständiger Begleiter des Lebens der Griechen und Römer angesehen werden: konfrontiert mit zahlreichen kriegerischen Konflikten nahm der Mensch der griechisch-römischen Antike das Kriegswesen viel intensiver wahr als dies beispielsweise heute in Westeuropa der Fall ist. Das Heer war von essentieller Bedeutung für den Fortbestand des Gemeinwesens, militärischer Ruhm galt sowohl bei Griechen als auch bei Römern als höchste Auszeichnung, der Eintritt in das Militär war angesichts der damit verbundenen sozialen Aufstiegsmöglichkeiten vor allem in der Kaiserzeit für die Unterschichten des Imperium Romanum von besonderer Anziehungskraft und keine Polis, kein König oder Kaiser konnte ohne ein loyales Heerwesen die errungene Herrschaft langfristig stabilisieren.234 Das Militär war folglich ein integraler Bestandteil im Bewusstsein der Griechen und Römer. Angesichts dieser Bedeutung stellt sich die Frage, wie rechts und links im griechischen und römischen Heer wahrgenom233 Cic. Harusp. 19; Verg. Aen. 6, 581–583. 234 Vgl. zur Bedeutung des Heerwesens in Griechenland van Wees, Greek Warfare. Myths and Realities, London 2004, 34–40; Rich/Shipley (Hrsg.), War and Society in the Greek World, London 1993; Chaniotis, War in the Hellenistic World, Oxford/Malden (Mass.) 2005, 1–26; zur Stellung des römischen Heerwesens in der Gesellschaft vgl. Alföldy, Das Heer in der Sozialstruktur des Römischen Kaiserreiches, in: Acta Antiqua Academiae Scientarum Hungaricae 32, 1989, 169–186; Rich/Shipley (Hrsg.), War and Society in the Roman World, London 1993; Campbell, War and Society in Imperial Rome 31 BC-AD 284, London 2002, 77– 150.

92

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

men und insbesondere vor dem Hintergrund der bisher in den anderen Bereichen gewonnen Ergebnisse bewertet wurden. Einen ersten Einblick in die Bewertung von links und rechts bietet die als Phalanx bezeichnete Aufstellung der griechischen Fußsoldaten (Hopliten) in einer offenen Feldschlacht.235 Diese Schlachtreihe, deren Anfänge bis in das 7. Jahrhundert v. Chr. zurückreichten und deren Ausbildung gegen Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. ihren Abschluss fand, bestand in der Regel aus einem Zentrum sowie aus einem linken und rechten Flügel.236 Bevor näher auf die beiden Flügel eingegangen wird, erscheint es zunächst zum besseren Verständnis sinnvoll, die Kampfweise und die Aufstellung der Soldaten in der Phalanx kurz zu skizzieren. Das Hauptmerkmal einer Phalanx ist die Geschlossenheit ihrer Formation.237 In den dicht gestaffelten Reihen standen die Hopliten zu Schlachtbeginn Schulter an Schulter nebeneinander.238 Dadurch bot der Schild des Nebenmannes zugleich Schutz.239 Der Hoplit hielt seinen Schild in der Linken, während er seine Waffe in der Rechten führte.240 Da die Phalanx ihre Stärke in erster Linie ihrer Uniformität zu verdanken hat, ist davon auszugehen, dass die Schlachtreihen ausschließlich mit Rechtshändern besetzt waren, denn rechtshändige Soldaten können nur dann eine geschlossene Einheit bilden, wenn kein Linkshänder zwischen ihnen steht, der den Schild rechts hält. Ansonsten würde nicht nur eine gefährliche Lücke in der Deckung entstehen, sondern der Linkshänder würde auch seinen Nachbarn zur Rechten behindern. Im Gefecht begann der Hoplit den Angriff mit der linken Schildseite voran, so dass bei einer Kollision mit den feindlichen Linien zunächst Schild gegen Schild prallte.241 Bei dieser Kampfweise stand der Hoplit nicht frontal seinem Gegner ge235 Vgl. van Wees, Greek Warfare, 184–197; Pritchett, The Greek State at War. Part IV, Berkeley/ Los Angeles/London 1985, 7–93. 236 Zur Bedeutung der Flügel siehe Pritchett, The Greek State at War. Part II, Berkeley/Los Angeles/London 1974, 190–207; beispielsweise Her. 6, 111; Xen. Hell. 4, 3, 16; Xen. Hell. 4, 4, 9; zu den Anfängen der Phalanx vgl. van Wees, Greek Warfare, 166–183; Lendon, Soldiers and Ghosts. A History of Battle in Classical Antiquity, New Haven/London 2005, 39–57. 237 Polyb. 29, 2–6; van Wees, Greek Warfare, 185–187; Lendon, Soldiers and Ghosts, 41–43. 238 Vgl. zur Kampfweise der Hopliten in der Phalanx Goldsworthy, The Othismos, Myths and Heresis: The Nature of Hoplite Battle, in: War in History 4, 1997, 1–26. Goldsworthy geht davon aus, dass die Hopliten nur zu Beginn einer Schlacht in einer geschlossenen Formation kämpften, im Laufe der Schlacht jedoch auch zum Kampf Mann gegen Mann tendierten. Eine dichte und tiefe Aufstellung der Kampflinien war Goldsworthy zufolge vornehmlich in der Anfangsphase von entscheidendem Vorteil. 239 Vgl. van Wees, The Development of the Hoplite Phalanx. Iconography and Reality in the seventh Century, in: van Wees (Hrsg.), War and Violence in Ancient Greece, London 2000, 126f.; Goldsworthy, The Othismos, 16; zahlreiche Belege zur rechten Hand als Angriffshand sowie zur Schild tragenden linken Hand bei Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 136–146. 240 Vgl. van Wees, Greek Warfare, 48–52; Goldsworthy, The Othismos, 6f.; vgl. auch die Abbildungen von Hopliten bei van Wees, Greek Warfare, 168, Fig. 14 u. 15; 176, Fig. 19; 178f., Fig. 21 u. 22; literarische Belege bei Thuk. 5, 71; Soph. Ph. 1254. 1291; Eur. Herc. 268; auch die Perser trugen ihren Schild in der Linken und ihr Schwert in der Rechten. Siehe Xen. Cyr. 2, 1, 9; Xen. Cyr. 2, 1, 15f. 241 Vgl. van Wees, Greek Warfare, 167f.; van Wees, The Development of the Hoplite Phalanx,

3.4. Heerwesen

93

genüber, sondern seitlich hinter seinem Schild geschützt, den linken Fuß nach vorne und den rechten Fuß zur Balance zurück gesetzt. Eine Kampfformation, in der alle Soldaten den Schild links und die Waffe rechts führten, bot zwar ein hohes Maß an Uniformität, brachte aber auch einem bestimmten Abschnitt der Phalanx ein Problem: Die rechte Flanke war weitestgehend ungeschützt, da die jeweils ganz außen stehenden Hopliten in ihrer Grundaufstellung mit ihrer nach außen zeigenden Waffenseite einem über die Flügel agierenden Gegner eine offene Blöße boten.242 Wie anfällig die rechte offene Seite gerade in der Schlacht sein konnte, demonstriert die Taktik der Lakedaimonier in der Schlacht von Nemea aus dem Jahr 394 v. Chr.243 Nachdem die Lakedaimonier auf dem linken Flügel der Bundesgenossen durchgebrochen waren und sich von dort in die Mitte vorkämpften hatten, stand dort der Kampf mit den Argeiern bevor. Da sich die Argeier auf dem Rückmarsch befanden, wandten sie infolge der Kehrtwendung ihre offene rechte Flanke den heranrückenden Lakedaimoniern zu. Die Lakedaimonier vermieden daher einen frontalen Zusammenstoß und zogen es vor, die Argeier an ihrer ungedeckten rechten Flanke zu attackieren.244 Die Gefahren für die äußere rechte Seite lauerten allerdings bereits zu Beginn der Schlacht. Das Wissen der offenen Flanke veranlasste die auf dieser Seite stationierten Soldaten dazu, sich in eine günstigere Position zu bringen, die den bestmöglichsten Schutz vor einer möglichen Überflügelung von Seiten des gegnerischen Flügels versprach. Um einer Überflügelung zuvorzukommen, neigte der rechte Flügel dazu, beim Aufmarsch vor Schlachtbeginn nach rechts zu ziehen mit dem Ziel, den gegenüberstehenden linken Flügel des Gegners nicht mehr frontal, sondern links von sich zu haben.245 Folglich manövrierte man sich in eine Position, die es erlaubte, den linken Flügel des Gegners selbst zu umfassen. Die Tendenz, sich nach rechts auszurichten, hatte weiter zur Konsequenz, dass nicht nur der rechte Flügel, sondern die ganze Schlachtreihe sich nach rechts verschob, denn „aus Furcht drängt jeder Soldat seine ungedeckte Seite so nahe als möglich an den Schild des rechts anschließenden heran und hält den engsten Zusammenschluss für die sicherste Deckung. Den ersten Anstoß dazu gibt der rechte Flügelmann, der das Bestreben hat, dem Gegner jeweils seine eigene Blöße zu entziehen.“246 Infolge der verbesserten Position erschien der nach rechts verschobene rechte Flügel auch für den Beginn des Angriffs prädestiniert, zumal ein Angriff auf den gegnerischen lin128–131. 242 Vgl. van Wees, Greek Warfare, 168; Pritchett, The Greek State at War. Part II, 192. 243 Xen. Hell. 4, 2, 14–23; vgl. zur Schlacht von Nemea Lazenby, The Spartan Army, Warminster 1985, 135–143. 244 Xen. Hell. 4, 2, 22, 2; siehe dazu Lazenby, The Spartan Army, 140–143; weitere Belege für den bevorzugten Angriff der rechten offenen Flanke bei Xen. Hell. 4, 4, 11; Xen. Hell. 4, 5, 13. 245 Thuk. 3, 107, 3; Xen. Hell. 4, 2, 18; Xen. Hell. 4, 2, 20f.; vgl. zum Drift nach rechts van Wees, Greek Warfare, 196; Lendon, Soldiers and Ghosts, 69; Goldsworthy, The Othismos, 10f. 246 Thuk. 5, 71, 1: (…) dia; to; foboumevnouj prosstevllein ta; gumna; e{kaston wJ~ mavlista th/` tou` ejn dexia/` paratetagmevnou ajspivdi kai; nomivzein th;n puknovthta th`~ cxugklhv/sew~ eujskepastovtaton ei\nai. Kai; hJgei`tai me;n th`~ aijtivaj tauvthj oJ prwtostavthj tou` dexiou` kevrwj, proqumouvmenoj ejcallavssein aijei; tw`n ejnantivwn th;n eJautou` guvmnwsin, e{pontai de; dia; to;n aujto;n fo/bon kai; oiJ a[lloi; der

Rechts-Drift der Schlachtreihe liegt auch bei Xen. Hell. 4, 2, 18 vor.

94

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

ken Flügel nun den Vorteil hatte, sich dem Gegner von rechts nach links nähern zu können, also eine Annäherung mit der Schildseite erfolgte, die den besten Schutz gewährleistete. Dennoch barg ein Angriff stets Gefahren und Risiken, verlange Mut und Entschlossenheit, so dass insbesondere die rechte Seite als eher offensiv agierende Seite, die die Schlacht eröffnete, in der Phalanx als prestigeträchtigste Seite angesehen wurde.247 Daher verwundert es auch nicht, dass der Oberbefehlshaber der Truppen gewöhnlich auf dem rechten Flügel positioniert war.248 Zur Zeit, als in Sparta nur noch ein König der Lakedaimonier ins Feld zog, führte folglich der in den Krieg ziehende König das Kommando auf dem rechten Flügel, exemplarisch greifbar im Jahr 403 v. Chr., als in der Schlacht gegen Athen der spartanische König Pausanias den rechten Flügel befehligte, während der linke Flügel von dem Flottenkommandanten Lysandros kommandiert wurde.249 Die Vergabe des ehrenvollen rechten Flügels erfolgte außerhalb Spartas nach anderen Prinzipien: In einem Bundesheer kam diejenige Polis in den Besitz des rechten Flügels, die die Hegemonie innehatte250 oder auf deren Gebiet der Krieg stattfand: In der Schlacht bei Magnesia im Jahr 418 v. Chr. nahmen die Athener den äußersten linken Flügel ein, wohingegen die Mantineer den rechten Flügel innehatten, da laut Thukydides „der Kampf sich in ihrem Land abspielte.“251 Dies war zuvor sogar vertraglich unter den verbündeten Kriegsparteien festgelegt worden.252 Die gewöhnliche Positionierung des Oberbefehlshabers auf dem rechten Flügel führte in vielen Fällen dazu, auch die besten Truppen auf dem rechten Flügel aufzustellen.253 Angesichts einer solchen Konstellation, bei der der rechte Flügel nicht nur über die besseren Truppen verfügte, sondern sich auch infolge des Rechts-Driftens eine günstigere Ausgangslage schaffen konnten, erscheint es nahe liegend, dass in der Regel auf beiden Seiten die rechten Flügel den Sieg errangen und eine endgültige Entscheidung erst erfolgte, nachdem die beiden siegreichen Flügel aufeinandergestoßen waren.254 247 Vgl. Pritchett, The Greek State at War. Part II, 190–192; Lendon, Soldiers and Ghosts, 69. 248 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung der Griechen und Römer, München 1928, 85. 249 Xen. Hell. 2, 4, 31, 1; vgl. Xen. Hell. 4, 3, 16, 6; ursprünglich übten in Sparta beide Könige gemeinsam den Oberbefehl aus. Vgl. Her. 6, 56, 1. Als nach einem Feldzug gegen die Athener ein Streit zwischen beiden Seiten ausbrach, traf man gegen das Jahr 507 v. Chr. die Regelung, künftig nur noch einem der Könige das Kommando anzuvertrauen. Vgl. Her. 5, 75, 8; vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 30f. 250 Her. 6, 111, 1: Athen hatte als Hegemon den Oberbefehl auf dem rechten Flügel, während die Plataier den linken Flügel kommandierten. In der Schlacht von Plataiai haben die Spartaner aufgrund ihrer Führungsrolle den rechten Flügel, die Athener dagegen den linken. Vgl. Her. 9, 26–28. 251 Thuk. 5, 67, 2: oiJ d∆ ejnantivoi aujtoi`~ decio;n me;n kevraj Mantinh`~ ei\con, o{ti ejn tvh/` ejkeivnwn to; e[rgon ejgivgneto; vgl. auch Thuk. 4, 95, 1–3. 252 Thuk. 5, 47, 7. 253 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 85; vgl. beispielsweise Her. 9, 28, 2; Diod. Sic. 17, 19, 6. 254 Ein Beleg dafür bietet die Schlacht von Marathon. Siehe Thuk. 5, 68; vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 85.

3.4. Heerwesen

95

Das Schema der vorgestellten Hoplitenschlacht lässt im Hinblick auf die Bedeutung und Funktion der beiden Flügel zunächst folgende Schlüsse zu. Agiert der rechte Flügel normalerweise offensiv und siegreich, so scheint der linke Flügel gewöhnlich eher für Defensivaufgaben geeignet zu sein.255 Im Gegensatz zur rechten Flanke war der linke Flügel dank der in der linken Hand getragenen Schilde auf seiner Flanke ausreichend geschützt. Ferner stand man in der oben skizzierten Schlachtkonstellation dem starken rechten Flügel gegenüber, so dass im Hinblick auf eine realistische Siegeschance eine weniger offensiv ausgerichtete Taktik durchaus plausibel erscheint. Obwohl der linke Flügel auf dem ersten Blick im Vergleich zum rechten Flügel den Anschein einer weniger prestigeträchtigen Position erweckt, wurde die Besetzung des linken Flügels nicht zwangsläufig als schlecht angesehen. Vor der Schlacht von Plataiai entbrannte beispielsweise eine Auseinandersetzung zwischen Athenern und Tegeaten um die Besetzung des linken Flügels, auf den beide Parteien ihren Anspruch erhoben.256 Als Oberbefehlshaber des rechten Flügels trafen die Spartaner die Entscheidung zugunsten der Athener.257 Die Episode hat gezeigt, dass der linke Flügel die zweitbeste Position in der Schlachtreihe darstellte und eine Aufstellung auf dieser Flanke durchaus als Auszeichnung empfunden wurde.258 Inwieweit die Aufstellung der Schlachtformation für ein erfolgreiches Abschneiden der jeweiligen Flügel maßgeblich war, führt die Schlacht von Marathon vor Augen, in der nicht nur der rechte Flügel, sondern auch der linke Flügel der Griechen den Sieg über die Perser errang.259 Entscheidend für den Erfolg der beiden Flügel war die Schwäche der gegnerischen Flügel gewesen, denn in der persischen Schlachtreihe waren die besten Kräfte im Zentrum aufgestellt worden, da sich dort der Platz des Oberbefehlshabers befand.260 Dass bestimmte Schlachtkonstellationen sogar einen Oberbefehlshaber auf dem linken Flügel erforderten, illustriert die Belagerung der Stadt Olynthos im Jahr 382 v. Chr.261 Der Spartaner Teleutias, Bruder des Königs Agesilaos, übernahm selbst den linken Flügel, denn von dieser Position aus besaß er die Möglichkeit auf der Seite vorzurücken, wo sich das Stadttor befand, aus dem die Feinde herauszogen.262 Auch ein Angriff des Feindes in den Rücken konnte für die Position des Oberbefehlshabers Folgen haben, sofern ein rascher Gegenangriff eingeleitet werden musste. In dieser Situation stand nämlich der ursprünglich auf dem rechten Flügel 255 Xen. Hell. 1, 6, 35, 5; Xen. Hell. 4, 3, 18; Xen. Anab. 1, 10, 31, 4; Xen. Anab. 6, 5, 28, 3. 256 Her. 9, 26f.; vgl. Lendon, Soldiers and Ghosts, 69f. 257 Her. 9, 28, 1; dafür erhielten die Tegeaten den Platz neben den am rechten Flügel aufgestellten Spartanern. Her. 9, 28, 3. 258 Vgl. Pritchett, The Greek State at War. Part II, 192; Lendon, Soldiers and Ghosts, 69. 259 Her. 6, 113; zur Aufstellung der Truppen in der Schlacht von Marathon vgl. Lendon, Soldiers and Ghosts, 355 Anm. 22; Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 86; in der Schlacht von Korinth sind ebenfalls beide Flügel des von Sparta angeführten Heeres siegreich. Vgl. Xen. Hell. 4, 4, 9–11. 260 Her. 6, 113. 261 Xen. Hell. 5, 2, 37–43. 262 Xen. Hell. 5, 2, 40.

96

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

aufgestellte Befehlshaber auf dem linken Flügel, worüber Xenophon in „Der Verfassung der Spartaner“ folgendes berichtet: „Dass dann aber der Befehlshaber auf dem linken Flügel steht, auch darin sehen sie keinen Nachteil, sondern manchmal sogar einen Vorteil. Denn wenn einige sie zu umzingeln versuchten, so würden diese sie nicht auf der offenen, sondern auf der gedeckten Seite umstellen.“263 Nach den Angaben Xenophons stellt ein plötzlich vollzogener Wechsel des Oberbefehls auf den linken Flügel zwar prinzipiell kein Problem dar und kann sogar von Vorteil sein, aber dennoch wird mehr als deutlich, dass es sich bei dem hier beschriebenen Fall genauso wie bei den anderen aufgeführten Beispielen um einen Ausnahmefall handelt, der nur für besondere Gefechtssituationen vorgesehen war. Auch Xenophons expliziter Hinweis, dass ein auf dem linken Flügel ausgeführtes Kommando kein Nachteil sein muss, lässt erkennen, dass offenbar gerade diese Vorstellung weit verbreitet gewesen war. Welche Chancen eine Ausnahme von dieser Regel bieten konnte, beweist am eindrucksvollsten die Taktik des Epameinondas in seinen Schlachten gegen die Spartaner.264 Anstelle einer überall gleich tiefen Phalanx setzte Epameinondas in den Schlachten von Leuktra und Mantiniea gegen die Spartaner einen Flügel in tieferer Aufstellung an und wies diesem den Angriff zu. Epameinondas rechnete damit, dass, wenn es ihm gelingen würde, den Flügel, auf dem der spartanische König stand, zu überwältigen, der Rest leicht zu besiegen sein werde.265 Da der spartanische König bekanntlich auf dem rechten Flügel stand, machte Epameinondas seinen linken Flügel zum Angriffsflügel, indem er nicht nur dort die tieferen Rotten bildete, sondern auch seine besten Truppen aufstellte. Dagegen war der rechte Flügel zur Defensive bestimmt mit der Aufgabe, den angreifenden Gegner in ein Hinhaltegefecht zu verwickeln. Zwar konnte Hanson nachweisen, dass die Stationierung der besten Truppen auf dem linken Flügel keine Erfindung des Epameinondas war, sondern bereits zuvor bereits vereinzelt Verwendung gefunden hatte266, allerdings ändert dies nichts an der Tatsache, dass Epameinondas damit die traditionellen Rollen der beiden Flügel vertauschte. Nun trug der sonst eher defensiv ausgerichtete linke Flügel den Angriff gegen die Kerntruppen des Gegners auf dessen rechten Flügel voran. Dank dieses Traditionsbruchs war Epameinondas imstande, sowohl in Leuktra als auch in Mantineia die Spartaner zu bezwingen. Der Überraschungseffekt traf die Reihen der Spartaner vollkommen unerwartet und stiftete große Verwirrung.267 263 Xen. Lac. 11, 9: o{ti de; oJ a[rcwn eujwvnumo~ givgnetai, oujd v ejn touvtw/ meionektei`n hJgou`ntai, ajll j e[stin o{te kai; pleonektei`n. eij gavr tinej kuklou`sqai ejpiceiroi`en, oujk a[n kata; ta; gumnav, ajlla; kata; ta; wJplismevna peribavlloien a[n; vgl. dazu den Kommentar von Rebenich, Xenophon. Die

Verfassung der Spartaner, Darmstadt 1999, 128. 264 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 93; van Wees, Greek Warfare, 196; Vidal-Naquet, Épaminondas pythagoricien ou le problème tactique de la droite et de la gauche, in: Vidal-Naquet, Le chasseur noir. Formes de pensée et formes de société dans le monde grec, Paris 1983, 95–99; Hanson, Epameinondas, the Battle of Leuktra (371 B.C.), and the „Revolution“ in Greek Battle Tactics, in: ClassAnt 7, 1988, 190–207. 265 Xen. Hell. 6, 4, 12; Plut. Pelopidas 23; Diod. Sic. 15, 52–56. 266 Vgl. Hanson, Epameinondas, 194–199. 267 Xen. Hell. 6, 4, 14; Plut. Pelopidas 23.

3.4. Heerwesen

97

Die Bedeutung des Sieges der Thebaner in Leuktra über die Spartaner zeigt sich nicht nur darin, dass die Thebaner über die starken Spartaner gewonnen haben, sondern vor allem in der Art, wie sie den Sieg errungen haben. Der Sieg des linken Flügels über den rechten Flügel des spartanischen Königs bringt vor dem Hintergrund der traditionellen Schlachttaktik die Besonderheit des thebanischen Erfolgs erst richtig zum Ausdruck. Ein solcher Sieg ist außergewöhnlich, stellt demnach ein Novum dar, mit dem zugleich die Sonderstellung der Thebaner im Vergleich zu den übrigen Griechen betont werden konnte. Der unerwartete Erfolg des linken Flügels diente anscheinend den Thebanern auch als ein Baustein zur Konstituierung ihrer eigenen Identität. Plutarch weist in seiner Darstellung der Schlacht bei Leuktra darauf hin, dass die Thebaner danach stets den Oberbefehlshaber auf dem linken Flügel positioniert hätten.268 Diese Sichtweise mag offenbar für die Schlacht von Mantineia noch ihre Gültigkeit besitzen.269 Ob die in Leuktra angewandte Taktik auch in anderen Schlachten der Thebaner Verwendung fand, kann anhand der nur äußerst spärlich fließenden Informationen des vorliegenden Quellenmaterials nicht mehr rekonstruiert werden.270 Plutarchs Kommentar erfüllt allerdings auf jeden Fall einen Zweck: er unterstreicht damit die Exklusivität des Ereignisses.271 Lässt sich der Wahrheitsgehalt von Plutarchs Aussage zwar nicht mehr überprüfen, so scheint an dieser Stelle dennoch die Frage interessant, ob die Taktik, den linken Flügel als Offensivflügel einzusetzen, auch noch nach dem Tod des Epameinondas von Bestand war. Wirft man einen Blick auf die Schlachtformationen der makedonisch-hellenistischen Zeit, so fällt auf, dass die von Epameinondas forcierte Differenzierung der Flügel in einen Offensiv- und Defensivflügel weiterverfolgt wurde, aber der Oberbefehlshaber in den meisten Fällen traditionsgemäß auf dem rechten Flügel zu finden ist.272 Beispielsweise führte Alexander der Große in seinen drei Hauptschlachten am Granikos, in Gaugamela und bei Issos das Kommando vom rechten Flügel aus und positionierte dort auch seine besten Truppen, mit denen er auch seine Angriffe begann.273 Im Vergleich zu Epameinondas setzte 268 Plut. Quaest. Rom. 282, 14–18. 269 Xen. Hell. 7, 5, 18–27; Diod. Sic. 13, 84–87; vgl. Vidal-Naquet, Le chasseur noir, 96; Hanson, Epameinondas, 200f.; siehe zur Schlacht von Mantineia auch Kromayer, Antike Schlachtfelder in Griechenland, Bd. 1, Berlin 1903, 55–76. 270 In den Schlachten von Corinth im Jahr 369 v. Chr. und Cynoscephalae finden sich keine expliziten Hinweise, auf welchem Flügel das thebanische Oberkommando geführt wurde. Vgl. für Corinth Xen. Hell. 7, 1, 18f.; Diod. Sic. 15, 69, 1–4; vgl. für Cynoscephalae Plut. Pelopidas 31f.; Diod. Sic. 15, 80. 271 Vgl. Hanson, Epameinondas, 205: „Consequently, we should be skeptical of the tactical maneuvers of Epameinondas at Leuktra as descibed in Plutarch and Diodorus. Composed hundreds of years after Leuktra (…) these narratives of the battle draw on accounts that were themselves written forty to fifty years after the fact by authors who had their own reasons to magnify the circumstances surrounding the Theban victory over the Spartans.“ 272 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 115f.; eine Ausnahme, in der der linke Flügel den Oberbefehl innehat und über die besten Truppen verfügt, findet sich im Jahr 312 v. Chr. in der Schlacht bei Gaza, in der Demetrius das Kommando vom linken Flügel aus führt. Siehe Diod. Sic. 19, 82. 273 Granikos: Arr. An. 1, 14; Diod. Sic. 17, 19, 6; Gaugamela: Arr. An. 2, 8f.; Issos: Arr. An. 3, 11f.

98

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

die makedonische Phalanx auf den beiden Flügeln anstatt der Fußsoldaten jedoch verstärkt die Reiterei ein.274 Der linke Flügel übernahm dabei die Defensivrolle, indem er ein hinhaltendes Gefecht führen und zugleich die Flanke des Fußvolkes decken sollte. Trotz dieser defensiven Taktik erfüllte die Reiterei des linken Flügels eine schwierige und anspruchsvolle Aufgabe, da man es in den Kämpfen gegen die Perser mit einem Gegner zu tun hatte, dessen Hauptwaffe die Reiterei war und somit die Flankendeckung des Heereszentrums durch ein hinhaltendes Gefecht eine ganz andere Leistung als in der vorigen Zeit verlangte. Fasst man die gewonnen Erkenntnisse zusammen, so ist die Vorrangstellung des rechten Flügels mehr als deutlich geworden. Die Vorraussetzung für diese privilegierte Stellung beruht in erster Linie auf einer in dicht gestaffelten Reihen bestehenden Phalanx, die ihre Geschlossenheit in erster Linie durch die ausschließliche Aufstellung von Rechtshändern erzielte. Eine solche Schlachtformation hatte zur Folge, dass erstens durch die offene rechte Flanke der rechte Flügel mit Hilfe eines Ziehens nach rechts sich in eine optimale Angriffssituation manövrierte, zweitens der rechte Flügel infolge dieser die Siegeschancen verbessernden Ausgangslage für den Oberbefehlshaber äußerst attraktiv erschien und drittens als Konsequenz von einem rechts stehenden Befehlshabers normalerweise die besten Truppen rechts stationiert wurden. Trotzdem galt der linke Flügel durchaus als prestigeträchtig, nahm jedoch im Vergleich zum rechten Flügel eine zweitrangige Rolle ein. Die Analyse der Ausnahmefälle, in denen der linke Flügel über den Oberbefehlshaber und die besten Truppen verfügte, haben allerdings im Hinblick auf die Frage nach den Siegchancen der beiden Flügel klar vor Augen geführt, dass die aus Rechtshändern bestehende Grundkonstellation zwar den rechten Flügel begünstigt, aber letztendlich vor allem zwei Faktoren für den Erfolg des rechten oder linken Flügels ausschlaggebend sind: Die Quantität und insbesondere die Qualität der auf den Flügeln aufgestellten Truppen entscheidet am Ende, ob der linke oder rechte Flügel positiv oder negativ wahrgenommen wurde. Aufgrund der Dominanz an Rechtshändern sowie der damit zusammenhängenden Favorisierung der rechten Seite trug der rechte Flügel in den meisten Fällen den Sieg davon. Dennoch hat der Blick auf das Heerwesen der Griechen gezeigt, dass verglichen mit den Bereichen der Biologie und der Religion die rechts positiv und links negativ bewertende dualistische Sichtweise im griechischen Heer weniger stark ausgeprägt gewesen zu sein scheint. In erster Linie haben die taktischen Leistungen des Epameinondas verdeutlicht, dass derartige Kategorisierungen durchaus überwindbar waren und entscheidend für den Sieg sein konnten. Infolge der für das griechischen Heer gewonnen Erkenntnisse stellt sich die Frage, in welchem Maß sich diese auch im römischen Heerwesen widerspiegeln. Wer die Bedeutung der linken und rechten Seite im römischen Heerwesen bewerten will, muss sein Augenmerk zunächst auf die Frage nach der Schlachtformation der Römer und der damit zusammenhängenden Kampfweise richten. Zwar war das römische Heer in der Frühzeit als Phalanx organisiert, doch sollte sich im Zuge der 274 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 117; vgl. zur Rolle der Kavallerie im griechischen Heerwesen van Wees, Greek Warfare, 65–68.

3.4. Heerwesen

99

römischen Expansion in Italien und im Mittelmeerraum zur besseren Bekämpfung der feindlichen Truppen ein eigenständiges System entwickeln, das im Vergleich zur makedonischen Phalanx in einem konträren Verhältnis stand.275 Zur Zeit des Polybios bestand eine römische Legion im Gegensatz zu einer aus dicht aufeinanderfolgenden Reihen bestehenden Phalanx normalerweise aus vier hintereinander aufgestellten und mit Zwischenräumen versehenen Linien. Im Frontabschnitt kämpften die jüngsten als velites bezeichneten Soldaten, gefolgt von den in der zweiten Reihe postierten hastati, den dahinter stehenden principes sowie den ältesten und ranghöchsten triarii in der letzten Reihe.276 Jede Linie bestand aus kleinen taktischen Einheiten, Manipel, wobei ein aus circa 120 Mann bestehender Manipel in der Schlacht eigenständig oder als Verband zusammen mit anderen Manipeln operieren konnte, folglich die römischen Linien über eine wesentlich höhere Flexibilität verfügten als dies in der Phalanx der Fall war.277 Die Zwischenräume zwischen den neben und hintereinander stehenden Manipel boten den einzelnen Linien, falls sie im Gefecht zurückgedrängt wurden, die Möglichkeit, zwischen den Manipel der nächsten Linie aufzugehen.278 Im Unterschied zur Phalanx existierten in der römischen Formation aber nicht nur Zwischenräume zwischen den einzelnen Manipel, sondern auch der Abstand zwischen den Soldaten war größer als in der Phalanx. Laut Polybios betrug der Abstand von Neben-, Vorder- und Hintermann mindestens drei Fuß, um für das Gefecht die notwendige Bewegungsfreiheit zu schaffen, so dass ein Römer denselben Raum beanspruchte wie zwei Mann in der vordersten Reihe der Phalanx.279 Die sich aus der Aufstellung aus vier Linien sowie der lockeren Gliederung in Manipel ergebende Flexibilität ermöglichte in der Schlacht zunächst nur einen Teil des Heeres einzusetzen, folglich mit Reserven zu operieren.280 Außerdem ließ die Manipelaufstellung im Gegensatz zu der aufgrund ihrer starren Formation auf ebenes Gelände angewiesenen Phalanx auch eine Schlacht auf unebenem Gelände 275 Liv. 8, 8, 3f.; vgl. zum römischen Heer in der Frühzeit Cornell, The Beginnings of Rome, 183–186; Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 262f.; Rawson, The Literary Sources for the Pre-Marian Army, in: Rawson, Roman Culture and Society. Collected Papers, Oxford 1991, 34–57; Connolly, Greece and Rome at War, London2 1998, 86–128; zur eigenständigen Entwicklung des römischen Heeres vgl. Connolly, The Early Roman Army, in: Hackett (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 136–140; eine gute Zusammenstellung der möglichen Ursachen für den Wandel der römischen Kampfweise bietet Lendon, Soldiers and Ghosts, 182f. 276 Polyb. 6, 22–24; Liv. 8, 8, 5–8; vgl. Connolly, The Roman Army in the Age of Polybius, in: Hackett (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 149–152; Lendon, Soldiers and Ghosts, 178–181; Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 286f.; Meyer, Das römische Manipularheer. Seine Entwicklung und seine Vorstufen, in: Meyer, Kleine Schriften, Bd. 2, Halle 1924, 195–231. 277 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 263–265; Meyer, Das römische Manipularheer, 215. 278 Polyb. 11, 20, 20; Liv. 8, 8, 9–13; Liv. 8, 10, 5f.; vgl. zu dieser Taktik Lendon, Soldiers and Ghosts, 180. 279 Polyb. 18, 30, 6–9; vgl. van Wees, Greek Warfare, 185; Meyer, Das römische Manipularheer, 203–210. 280 Polyb. 18, 32, 2; siehe ausführlich Meyer, Das römische Manipularheer, 211–215.

100

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

zu. Ein Vorteil, der Polybios zur Schlussfolgerung führte, dass der römische Soldat jedem Gelände, jeder Lage und jedem Angriff, von welcher Seite er auch kommen möge, gewachsen sei.281 Angesichts dieser vorteilhaften Ausgangslage erschien auch der Einzelkampf als eine praktizierbare Kampfweise. Allerdings ist jedoch davon auszugehen, dass mit Ausnahme der leicht bewaffneten velites die meisten Soldaten der Manipellegion aufgrund ihrer schweren Ausrüstung eher den gemeinsamen Kampf in kleinen, aber in sich relativ geschlossenen Formationen bevorzugten.282 Dass eine solche Kampfweise insbesondere schnell ausgeführte taktische Veränderungen erlaubte, verdeutlicht das Manöver eines römischen Tribuns in der Schlacht von Kynoskephalai.283 Als der auf dem rechten Flügel kämpfende Tribun sah, dass der eigene linke Flügel in Bedrängnis war, wandte er sich mit zwanzig Manipel den Kämpfenden zu und griff die Makedonier im Rücken an. An dieser Stelle wird der Vorteil der römischen Manipeltaktik im Vergleich zur Phalanx sichtbar, denn „da es für die Phalangiten unmöglich ist, kehrtzumachen und den Kampf Mann gegen Mann aufzunehmen, wussten sie sich nicht zu helfen, als er auf sie eindrang und alles, was ihm vor das Schwert kam, niedermachte, bis sie schließlich die Waffen fortwerfen und fliehen mussten (…).“284 Doch welche Auswirkungen hatte die infolge der Manipelgliederung gewonnene Variabilität in der römischen Kampfweise für die Wahrnehmung und Bewertung der beiden Flügel? Da davon auszugehen ist, dass die römische Armee einheitlich aus Rechtshändern bestand, die den Schild links und ihre Waffe rechts hielten285, war die rechte Flanke zwar wie in der griechischen Phalanx offen, aber die Intervalle zwischen den einzelnen Manipel sorgten dafür, dass das in der Phalanx bekannte Driften nach rechts nicht durchgehend die ganze Formation erfasste, sondern bereits im nächsten Intervall sein Ende fand.286 Die Folge war, dass keine nen281 Polyb. 18, 32, 10: Pa`~ ga;r ÔRwmai`o~ o{tan a{pax kaqopli~qei;~ oJrmhvsh/ pro;~ th;n creivan, oJmoivw~ h{rmostai pro;~ pavnta tovpon kai; kairo;n kai; pro;~ pa`san ejpifavneian.

282 Vgl. zur Möglichkeit des Einzelkampfes Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 286. 290. 361; Lendon vertritt die These, dass auch die hastati und principes den Einzelkampf zur Erlangung von persönlicher virtus favorisierten. Vgl. Lendon, Soldiers and Ghosts, 179f.; zur These des Kampfes in geschlossenen Formationen infolge der schweren Ausrüstung, die einen Einzelkampf kaum für lange Zeit sinnvoll erscheinen lässt, vgl. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, Mainz3 2003, 185f.; zum Unterschied in der Ausrüstung der velites im Vergleich zu derjenigen der hastati, principes und triarii siehe Polyb. 6, 22f. 283 Zur Schlacht vgl. Kromayer, Antike Schlachtfelder in Griechenland, Bd. 2, Berlin 1907, 57– 94. 284 Polyb. 18, 26, 4f.: Th`~ de; tw`n falaggitw`n creiva~ ajdunavtou kaqestwvsh~ ejk metabolh`~ kai; kat ja[ndra kinduneuvein, ou|toj me;n ejpevkeito kteivnwn tou~j ejn posivn, ouj dunamevnouj auJtoi`~ bohqei`n, e{w~ ou| rJivyante~ ta; o{pla feuvgein hjnagkavsqhsan oiJ makedovne~ (…); zum flexiblen Einsatz ein-

zelner Manipel vgl. auch Caes. Bell. Civ. 2, 25, 2. 285 Caes. Bell. Gall. 5, 44, 8; Veg. 1, 20, 23; ikonographische Belege bieten beispielsweise die Darstellungen von Soldaten auf der Trajansäule. Vgl. dazu Le Bohec, Die römische Armee, Stuttgart 1993, Taf. 14, Nr. 15–36. 108–111; Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 179f.; die überlieferten antiken Quellen erwähnen mit Ausnahme der israelischen Benjameniten keinen einzigen linkshändigen Soldaten. Vgl. Smits, Linkshänder, 55–59; siehe auch Kapitel 5.1. 286 Vgl. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 241.

3.4. Heerwesen

101

nenswerte Verschiebung nach rechts erfolgte, die den rechten Flügel aufgrund einer verbesserten Position für den Angriff geeigneter erscheinen lassen würde. Eine taktische Aufteilung der beiden Flügel in einen Offensiv- und Defensivflügel war auf der Grundlage des Manipelsystems nicht vorgesehen.287 Angriffe konnten je nach Taktik sowohl von links als auch von rechts vorgetragen werden.288 Auch die Aufstellung in der Schlacht orientierte sich primär an taktischen Fragen. Eine Präferenz des rechten Flügels kam in diesem Kontext nicht zum Tragen. Insofern verwundert es nicht, wenn Publius Cornelius Scipio im Jahr 203 v. Chr. gegen die Karthager die italische Reiterei auf dem rechten Flügel und die Numider auf dem linken Flügel postierte289, jedoch in der Schlacht von Zama im folgenden Jahr die Rollen der Protagonisten auf den Flügeln vertauschte, indem nun die Italiker auf dem linken Flügel und die Numider vom rechten Flügel aus gegen Hannibal in die Schlacht zogen.290 Die Präferenz, taktisch so flexibel und damit so unberechenbar wie möglich zu sein, nahm in der folgenden Zeit sogar noch zu.291 Zur Zeit Caesars war der in zwei Zenturien gegliederte Manipel in die aus drei Manipel bestehende Kohorte aufgegangen.292 Die sich aus zehn Kohorten zusammensetzende Legion wurde normalerweise in einer dreifachen Schlachtreihe, acies triplex, aufgestellt, ließ sich aber auch in zwei oder vier Reihen positionieren, in denen die einzelnen Kohorten je nach taktischer Vorgabe als unabhängige Einheiten oder mit anderen Kohorten im Verband agieren konnten. War auch in dieser Aufstellung die rechte Seite offen – bezeichnenderweise nennt Caesar seine rechte Flanke oftmals latus apertus293 –, so zeigen zahlreiche Beispiele, dass im Gegensatz zur griechischen Phalanx die Römer dank ihres flexibleren Formationssystems der rechten Seite keine bevorzugte Stellung einräumten: weder wurde der rechte Flügel verstärkt als Angriffsflügel genutzt noch wurden auf dieser Seite für gewöhnlich die besten Truppen sowie der Oberbefehlshaber stationiert. Wie sehr auch in diesem System die Besetzung der Flügel primär von gefechtsstrategischen Überlegungen geprägt war, veranschaulicht Caesar, der aus taktischen Gründen in der Schlacht von Dyrrachium den linken

287 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 371f. 288 Beispielsweise beginnt Flaminius als Oberbefehlshaber die Schlacht von Kynoskephalai vom linken Flügel aus. Vgl. Polyb. 18, 23, 7. 289 Polyb. 18, 8, 6. 290 Polyb. 15, 9, 8. 291 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 435–437. 292 Vgl. Goldsworthy, The Roman Army at War 100 BC-AD 200, Oxford 1998, 33–35; Lendon, Soldiers and Ghosts, 224–228; Keppie, The Making of the Roman Army. From Republic to Empire, London 1984, 63–67; der Begriff Kohorte wird zum ersten Mal von Polybios verwendet, als er eine Kampagne des Scipio Africanus in Spanien im Jahr 206 v. Chr. beschreibt. Vgl. Polyb. 11, 23, 2; eine generelle Einteilung einer Legion nach einer festgelegten Anzahl an Kohorten begegnet jedoch erst unter Marius. Vgl. dazu Keppie, The Roman Army of the Later Republic, in: Hackett (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 170–172; Lendon, Soldiers and Ghosts, 427–429, der ausführlich den Entwicklungsprozess vom Manipularheer zur Kohorteneinteilung beschreibt 293 Caes. Bell. Gall. 4, 26, 3; Caes. Bell. Gall. 5, 35, 2; Caes. Bell. Gall. 7, 50, 1.

102

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Flügel kommandiert und von dort den Angriff gegen die Pompeianer einleitet294, aber in der Schlacht von Pharsalos auf dem rechten Flügel das Kommando führt, um dem auf dem linken Flügel angreifenden Pompeius Widerstand zu leisten.295 Pompeius’ Entscheidung, Caesar auf dem linken Flügel anzugreifen, beruht maßgeblich auf den topographischen Begebenheiten in Pharsalos: Caesars linke Flanke konnte nicht vom rechten Flügel der Pompeianer angegriffen werden, weil auf dieser Seite ein Bach ausreichend Schutz vor einer Überflügelung bot.296 Auch in der Kaiserzeit blieb trotz einzelner Veränderungen die Grundstruktur der Legion und damit auch deren Bandbreite an gefechtstaktischen Optionen erhalten.297 Zwar rückten die Legionen infolge der zunehmenden Beutung der Auxiliareinheiten immer seltener aus, doch fochten die Legionen, falls eingesetzt, nach wie vor in Zenturien, Manipel und Kohorten, versahen ihre Formationen mit Intervallen und bildeten je nach Situation in mehrere Linien gestaffelte Fronten, in denen vorwiegend in kleinen und geschlossenen Kampfverbänden gegen den Feind vorgerückt wurde.298 Daher bringen die Schlachtdarstellungen der Kaiserzeit keine neuen Erkenntnisse zutage. Angesichts der Kontinuität entsprach auch die Ansicht des Vegetius, dass der Führer mit der höchsten Befehlsgewalt gewöhnlich zwischen Reiter und Fußtruppen auf der rechten Seite stand, „dem Punkt, an dem die ganze Schlachtreihe gelenkt wird und von wo aus ihm eine direkte und ungehinderte Bewegung möglich ist“299, eher seinem persönlichem Wunschdenken und weniger der militärischen Realität.300 Wie wenig realistisch eine Präferenz der rechten Seite erschien, klingt sogar bei Vegetius selbst an, wenn er an einer anderen Stelle sieben unterschiedliche Schlachttaktiken vorstellt, bei denen eine Taktik den Angriff auf dem rechten Flügel mit den besten Truppen vorsah301, in einer anderen Taktik jedoch der linke Flügel den Offensivpart übernehmen sollte.302 In Anbetracht dieser Variationsmöglichkeiten muss Vegetius eingestehen, dass die Frage, welche Aufgebote auf dem linken oder dem rechten Flügel stehen sollen, sich nicht nur an der dignitas der einzelnen Kontingente orientieren darf, sondern auch nach der Qualität der Gegner entschieden werden muss.303 294 295 296 297

298 299

300 301 302 303

Caes. Bell. Civ. 3, 67, 4. Caes. Bell. Civ. 3, 86, 3–3, 89, 5. Caes. Bell. Civ. 3, 88, 6. Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 548; zu den Veränderungen im Heerwesen der römischen Kaiserzeit vgl. Keppie, The Making of the Roman Army, 132–154; Dobson, The Empire, in: Hackett (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, 192–221; Alföldy, Das Heer in der Sozialstruktur des Römischen Kaiserreiches, 178–186. Vgl. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 236–238; Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 492. 548. Veg. 3, 18, 1f.: Dux, qui praecipuam sustinet potestatem, inter equites et pedites in parte dextra stare consuevit. Hic enim locus est, in quo tota acies gubernatur, ex quo rectus est liberque procursus. Vgl. Schenk, Flavius Vegetius Renatus. Die Quellen der Epitoma Rei Militaris, Leipzig 1930, 55. Veg. 3, 20, 6f. Veg. 3, 20, 11f. Veg. 3, 15, 9: Qui autem numeri in dextro cornu, qui in sinistro, qui in medio debeant ordinari, vel iuxta dignitates servatur ex more vel certe pro qualitate hostium commutatur.

3.4. Heerwesen

103

Der Blick auf die römische Schlachtformation hat gezeigt, dass eine Privilegierung des rechten Flügels sich weder zur Zeit des Polybios noch in den folgenden Epochen des römischen Heerwesens belegen lässt. Obwohl die Römer genauso wie in der griechischen Phalanx über eine ungedeckte rechte Flanke verfügten, avancierte die rechte Seite nicht wie bei den Griechen zu einer besonderen Seite. Dank ihrer Einteilung der Schlachtformation in kleine und sehr flexibel einsetzbare Kampfeinheiten wie Manipel und Kohorte konnten die Römer offensichtlich die mit der rechten offenen Flanke verbundenen Probleme weitgehend kompensieren. Entscheidend schien für die römischen Oberbefehlshaber bei ihrer Aufgabenverteilung für die beiden Flügel in erster Linie die sich am Gelände sowie an der Aufstellung der Feinde ausgerichtete Taktik gewesen zu sein. Pragmatisches Taktieren, entscheidend für Sieg oder Niederlage, wurde der Vorzug vor den in Religion und im Aberglauben vorherrschenden Vorstellungen von rechts und links gegeben. Wie sehr allerdings Kriegslaien in ihrer Wahrnehmung und Bewertung des linken und rechten Flügels von der gewohnten Vorstellung einer positiven rechten und einer negativen linken Seite geprägt sein konnten, verdeutlichen die Schlachtbeschreibungen des Livius.304 In zahlreichen Schlachtberichten stellt Livius den linken Flügel als furchtsamen, feigen und vor dem Feind fliehenden Flügel dar, der in der Regel nur durch den persönlichen Ansporn des Feldherrn zu einer Rückkehr ins Kriegsgeschehen bewogen werden kann.305 Ein illustratives Beispiel dafür bietet der Kommentar des Livius zur Schlacht der Römer gegen die Volsker im Jahr 486 v. Chr.: „So wäre der linke Flügel der Römer beinahe in Bedrängnis geraten, wenn der Konsul nicht ihnen, als sie schon anfingen zurückzugehen, zugleich ihren Leichsinn und ihre Feigheit vorgeworfen und ihnen die Furcht durch Scham ausgetrieben hätte.“306 Bezeichnend für Livius’ negativ gefärbte Sichtweise des linken Flügels ist auch seine Darstellung des Schlacht von Veseris gegen die Latiner im Jahr 340 v. Chr., in der auf römischer Seite der Konsul Manilius den rechten und sein Amtskollege Decius den linken Flügel kommandierten.307 Als der linke Flügel dem Ansturm der Latiner nicht mehr standhalten konnte und sich zurückzog, entschloss sich Decius Mus den Opfertod zu sterben.308 Trotz der Leistung des Decius, die eine erneute Angriffswelle der römischen Truppen einleitete309, gibt Livius in seiner anschließenden Schlachtbilanz unmissverständlich zu verstehen, welcher der Konsuln letztendlich für den Sieg verantwortlich war: „Unter allen Bürgern und Bundesgenossen aber galt in diesem Krieg das besondere Lob den Konsuln, von denen der eine alle von den Göttern der Ober- und Unterwelt drohenden Gefahren auf sich allein zog, der andere im Kampf solche Tapferkeit und solche Umsicht zeigte, dass unter den Römern und Latinern, die die Erinnerung an diese 304 Zu den laienhaft anmutenden Schlachtaufstellungen des Livius vgl. Kroymann, Römische Kriegführung im Geschichtswerk des Livius, in: Gymnasium 56, 1949, 129. 133f. 305 Liv. 4, 33, 2; Liv. 5, 38, 8; Liv. 6, 8, 6; Liv. 33, 18, 16; Liv. 37, 43, 5; Liv. 40, 32, 5. 306 Liv. 2, 65, 4: Sic prope oneratum est sinistrum Romanis cornu, ni referentibus iam gradum consul increpando simul temeritatem, simul ignaviam pudore metum excussisset. 307 Liv. 8, 9, 2f. 308 Liv. 8, 9, 3–12. 309 Liv. 8, 9, 13f.

104

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Schlacht der Nachwelt weitergegeben haben, unstreitig Übereinstimmungen darin herrschte, dass der Seite, deren Führer Manilius gewesen, ohne Zweifel der Sieg habe zufallen müssen.“310 Der Sieg fiel somit dem rechten Flügel zu. Für Livius’ Annahme, dass normalerweise der rechte Flügel den Sieg davontrage, spricht auch der Appell des gleichnamigen Sohnes des Decius Mus an seine Soldaten in der Schlacht gegen die Samniten und die Gallier. Um seine auf dem linken Flügel postierten Truppen für den Kampf zu motivieren, erinnert er sie daran, „ihr Ruhm werde doppelt sein, wenn vom linken Flügel und der Reiterei des Sieg ausgehe.“311 Da laut Livius die Ermahnung keinen positiven Effekt hatte – der linke Flügel flieht312 – stirbt Decius wie sein Vater den Opfertod.313 Zwar betont Livius, dass der Tod des Decius generell für die Römer die Wende zum Sieg gegen die Feinde eingeleitet und speziell den linken Flügel wieder zur Rückkehr ins Kampfgeschehen bewogen habe, aber auch in dieser Schlacht wird die Sieghaftigkeit der rechten Flügels nicht in Frage gestellt.314 Dafür spricht zum einen, dass nach Livius’ Angaben vom Heer des Decius 7000, vom Heer des Fabius, Befehlshaber des rechten Flügels 1700 gefallen seien315, zum anderen klingt die Assoziation vom rechten siegreichen Flügel auch bei der devotio des Fabius an. Fabius weiht Jupiter Victor einen Tempel.316 Dagegen weiht Decius sich und die Legionen der Feinde der Tellus und den vergöttlichten Geistern.317 Die himmlischen Götter, Leben und Sieg werden mit Fabius in Verbindung gebracht, wohingegen Decius infolge seines bevorstehenden Todes seine devotio an die chthonischen Götter richtet. Damit entspricht die von Livius geschilderte Einteilung auch der in der religiösen Sphäre verbreiteten dualistischen Auffassung, die links mit der Unterwelt und rechts mit den himmlischen Göttern in Einklang bringt.318 Erneut wird evident, wie sehr Livius’ Beschreibung der beiden Flügel sich an den gängigen Vorstellungen von links und 310 Liv. 8, 10, 8: Ceterum inter omnes cives sociosque praecipua laus eius belli penes consules fuit, quorum alter omnes minas periculaque ab deis superis inferisque in se unum vertit, alter ea virtute eoque consilio in proelio fuit, ut facile convenerit inter Romanos Latinosque, qui eius pugnae memoriam posteris tradiderunt, utrius partis T. Manilius dux fuisset, eius futuram haud dubie fuisse victoriam. 311 Liv. 10, 28, 7: (…) duplicem illorum gloriam fore, si ab laevo cornu et ab equite victoria incipiat; dass diese Vorstellung bei Livius auch genutzt wird, um an die Ehre der Truppen des rechten Flügels zu appellieren, bezeugt die Ansprache des Diktators L. Papirius Cursor, der als Oberbefehlshaber auf dem rechten Flügel sieht, wie der linke Flügel des magister equitum seinen Gegner zurückdrängt. Liv. 9, 40, 10: Quod ubi sensit dictator, „Ab laevone cornu victoria incipiet“ inquit „et dextrum cornu, dictatoris acies, alienam pugnam sequetur, non maximam partem trahet? 312 Liv. 10, 28, 12. 313 Liv. 10, 28, 16–18. 314 Liv. 10, 29, 8–16. 315 Liv. 10, 29, 18: Nec incruenta victoria fuit; nam ex p. Deci exercitu caesa septem milia, ex Fabi mille septingenti; vgl. auch Liv. 29, 2, 17: Romanorum sociorumque paulo amplius ducenti, maxime in laevo cornu, ceciderunt; Liv. 42, 66, 10: Verlust der linken Ala von fünf Feldzeichen. 316 Liv. 10, 29, 14. 317 Liv. 10, 28, 13; Liv. 10, 28, 16f. 318 Siehe dazu Kapitel 3.2.

3.4. Heerwesen

105

rechts orientiert: Der Sieg wird mit der generell positiv gedeuteten rechten Seite verknüpft, die Niederlage mit der vermeintlich schlechten linken Flügelseite. Bei Livius finden sich auch Schlachten, in denen der linke Flügel siegreich agiert oder auch der rechte Flügel verliert. Allerdings stellt Livius einen Sieg des linken Flügels nie so plastisch dar wie vergleichsweise einen Erfolg des rechten Flügels.319 Auch die äußerst seltene Darstellung von Schwierigkeiten oder gar einer Niederlage des rechten Flügels nimmt verglichen mit den beschrieben Niederlagen des linken Flügels bedeutend weniger Raum ein.320 Der rechte und linke Flügel fungieren in der Darstellung des Livius als literarische Topoi; als Quellen von militärhistorischer Relevanz sind sie nicht tauglich. Der Exkurs hat allerdings deutlich gemacht, wie sehr die konventionellen Assoziationen von links und rechts die Wahrnehmung der beiden Flügel bei Militärunkundigen wie Livius beeinflussen konnten. Sucht man nach weiteren Bereichen im römischen Heerwesen, die im Hinblick auf die Bedeutung von rechts und links untersuchungswert erscheinen, so führt der Weg zunächst zur kleinsten taktischen Einheit der Legion, der Zenturie.321 Da ein Manipel in zwei Zenturien gegliedert war, existierten pro Manipel zwei Zenturionen, so dass sich die Frage stellt, welcher der beiden Zenturionen den Oberbefehl über den Manipel innehatte. Die Kommandogewalt über den Manipel ging laut Polybios von der rechten Zenturie aus, denn dort stand entsprechend der römischen Einteilungsprinzipien beim dilectus der Erstgewählte der beiden Zenturionen als der ranghöhere Zenturio, centurio prior, wohingegen der ihm im Rang tiefer stehende centurio posterior die linke Zenturie anführte.322 Ein centurio prior, ob hastatus, princeps oder triarius, war folglich jedem posterior gegenüber ranghöher. Die bedeutendere Stellung des centurio prior wurde neben dem Privileg, das signum des Manipels tragen zu dürfen, darüber hinaus sichtbar gemacht, indem der centurio prior im Rahmen des dualistisch konzipierten Manipelsystems die rechte Manipelseite anführte, die entsprechend der weit verbreiteten positiven Assoziation von rechts prestigeträchtiger als ihr linker Gegenpart erschien. Innerhalb der Kommandostruktur des Manipel kam demnach die traditionelle Vorstellung von rechts und links mit der Funktion zur Anwendung, Rangunterschiede deutlich zum Aus319 Liv. 27, 18, 19. 320 Liv. 34, 14, 6–9; Liv. 27, 12, 14–17. 321 Zur Zenturie vgl. Webster, The Roman Imperial Army, London 1969, 114; Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 94. 322 Polyb. 6, 24, 8; vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 318; vgl. dazu Walbank, A Historical Commentary on Polybius, Vol. 1, Oxford 1957, 707f.; Speidel, Centurial Signs and the Battle Order of the Legions, in: ZPE 154, 2005, 290; dagegen gehen andere Theorien davon aus, dass Polybios’ Bericht eher von griechischen Vorstellungen beeinflusst sei und daher weniger der römischen Realität entsprechen würde. Nach Keynes/Mann, Roman Legionary Centurial Symbols, in: ZPE 115, 1997, 295–298 lassen die epigraphischen Indizien eher eine Einteilung in „vorne“ (prior) und „hinten“ (posterior) vermuten; ebenfalls bleibt infolge der spärlichen Informationen ungeklärt, ob ein Zenturio stets nur innerhalb seines Manipels aufstieg, indem er von der linken auf die rechte Zenturie wechselte und letztendlich alle Ränge bis zum ranghöchsten Zenturio der ersten Kohorte durchlaufen musste, oder ob andere Aufstiegsmechanismen angewandt wurden.

106

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

druck zu bringen. Blickt man auf die folgende Entwicklung des römischen Heeres, so ist im Bereich der Kommandoverhältnisse von Kontinuität auszugehen. Zwar verloren Manipel und Zenturie als taktische Einheiten ihre zentrale Bedeutung, aber ihre auf dieser Einteilung basierenden Rangordnungen waren auch zur Zeit der Kohortentaktik und – wie epigraphische Zeugnisse belegen – auch in der Kaiserzeit von Bestand.323 Daher ist auch von einer kontinuierlich praktizierten Demonstration des Rangunterschiedes mit Hilfe von links und rechts auszugehen. Eine klar fixierte Rangordnung mag auch innerhalb der aus drei Manipel bestehenden Kohorte existiert haben.324 In dieser taktischen Einheit nahm der Manipel der Triarier, die der Tradition nach als die ältesten und erfahrensten Soldaten galten, den prestigeträchtigsten Platz ein, gefolgt von dem Manipel der principes und der hastati.325 Zwar gilt die Frage nach der Aufstellung der Kohorten als ungelöst326, geht man jedoch wie M. P. Speidel davon aus, dass die Manipel-Einteilung sowie die drei Kampflinien auch in der Kaiserzeit fortbestanden327, dann wäre durchaus denkbar, dass das ranghöchste Triariermanipel in der Kohorte auf der rechten Seite lokalisiert werden kann und dessen ranghöchster Zenturio, pilus prior, auch das Kommando über die gesamte Kohorte besaß.328 Das Prinzip rechts vor links spiegelt sich auch in der Schlachtaufstellung der Kohorten einer römischen Legion wider. Um die Spitzenstellung der ersten Kohorte als caput legionis zu betonen, war diese Kohorte spätestens seit dem Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. als cohors milliaria nicht nur doppelt so stark besetzt wie die restlichen neun Kohorten329, sondern besaß auch das Vorrecht, den Legionsadler, Wahrzeichen einer jeden Legion, zu tragen sowie die Kaiserbilder zu vereh323 Zur Kontinuität zur Zeit der Kohortentaktik vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 400f.; zu den epigrahischen Belegen aus der Kaiserzeit vgl. Strobel, Bemerkungen zur Laufbahn des T. Claudius Vitalis, in: Tyche 2, 1987, 203–209; Strobel, Ein weiteres Zeugnis zur Rangordnung im Römischen Legionszenturionat der Kaiserzeit, in: EA 12, 1988, 43–45. 324 Zur Einheit der Kohorte vgl. Goldsworthy, The Roman Army at War, 33–37; die in drei Manipel eingeteilte Kohorte bestand folglich aus sechs Zenturien mit Ausnahme der ersten Kohorte, die spätestens seit der flavischen Zeit nur aus fünf Zenturien bestand. Vgl. Keppie, The Making of the Roman Army, 174; Webster, The Roman Imperial Army, 114. 325 Die Triarier wurden ursprünglich aus den ältesten wehrpflichtigen Jahrgängen gebildet. Vgl. Liv. 8, 8, 8; Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 308; laut Polybios mussten die Triarier im Lager keinen Arbeitsdienst verrichten und wurden bloß zum Wachdienst beim Prätorium und bei den Reiterturmen herangezogen. Siehe Polyb. 6, 33, 8–11; die in der Manipularlegion bestehenden Unterschiede zwischen triarii, hastati und principes verschwanden zwar zur Zeit der späten Republik, doch die Bezeichnungen hielten sich in der Rangordnung der Zenturien in der folgenden Zeit. Vgl. dazu Lendon, Soldiers and Ghosts, 224f.; Keppie, The Roman Army of the Latter Republic, 172; Keppie, The Making of the Roman Army, 174. 326 Vgl. Kromayer/Veith, Heerwesen und Kriegsführung, 428; Goldsworthy, The Roman Army at War, 181. 327 Vgl. Speidel, Centurial Signs and Battle Order of the Legions, 290–292. 328 Vgl. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 93f.; Keynes/Mann, Roman Legionary Centurial Symbols, 295. 329 Veg. 2, 6, 1; vgl. Webster, The Roman Imperial Army, 114; Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 95; zur Zeit Caesars wurde die erste Kohorte noch nicht in doppelter Stärke aufgestellt. Siehe dazu Lendon, Soldiers and Ghosts, 224–229. 427f.; Connolly, Greece and Rome at War, 216f.

3.4. Heerwesen

107

ren.330 Ihre besondere Position innerhalb der Legion markierte allerdings auch ihre Positionierung: Die cohors prima war in der ersten Linie auf der äußersten rechten Seite aufgestellt.331 Eine solche Aufstellung hatte auch Konsequenzen für die Wahrnehmung des in der cohors prima stehenden ranghöchsten Zenturio, primus pilus, der zugleich ranghöchster Zenturio einer Legion war.332 Im Kontext der zahlreichen Privilegien, die mit der Bekleidung dieser Ehrenstellung verbunden waren, fiel auch auf, dass der primus pilus in der ersten Linie auf der rechten Seite das Kommando führte, die somit für ambitionierte Soldaten als oberstes Ziel angesehen wurde, denn wer als primus pilus auf der rechten Seite kommandierte, hatte neben finanziellen und materiellen Vergünstigungen vor allem den Aufstieg in den Ritterstand geschafft.333 Die vordere rechte Seite wurde daher mit der Möglichkeit, hohes soziales Prestige erlangen zu können, assoziiert und entsprach ganz einer rechts mit positiven Aspekten verknüpfenden Sichtweise. Die Vorrangstellung rechts positionierter Truppenteile manifestiert sich ebenfalls in der bei Polybios geschilderten Grundaufstellung des römischen Heeres auf dem Reisemarsch.334 Auf die an der Spitze stehenden extraordinarii folgte die rechte Ala der Bundesgenossen, während die linke Ala als letzte Einheit nach den beiden Legionen die Nachhut bildete.335 Welchen Vorteil brachte jedoch eine vordere Position für die Truppen auf dem Marsch? Die in der Marschordnung vorn postierten Truppenteile genossen das Privileg, beim Wasserholen und Futtersammeln an erster Stelle zu sein.336 Zwar erwähnt Polybios in diesem Zusammenhang, dass die einzelnen Kontingente auf dem Marsch ihre Positionen wechselten, damit alle gleichermaßen in den Genuss kamen, einmal als erste sich Futter und Wasser beschaffen zu können, aber die zuvor von Polybios ausführlich vorgestellte Marschordnung, in der die rechte Ala im Gegensatz zur linken Ala die vordere Stellung einnimmt, lässt die Schlussfolgerung zu, dass diese Ordnung wahrscheinlich die zuerst praktizierte Aufstellung darstellte und daher als Grundaufstellung angesehen werden kann. Inwieweit diese für den Reisemarsch vorgesehene Grundordnung auch im Heer der Kaiserzeit Berücksichtigung fand, lässt sich aufgrund der uns aus dieser Zeit überlieferten Informationen über einzelne Marschordnungen nicht mehr rekonstruieren.337 Immerhin scheint zumindest bei der Kohorte eine Marschordnung denkbar, in der der rechts stehende Manipel die Spitzenposition auf dem Marsch einnahm. J. C. Mann und M. Keynes gehen bei ihrer Interpretation von epigraphisch belegten Symbolen für einzelne Zenturien, die aus der ersten Hälfte des 3. Jahrhun330 Veg. 2, 6, 2; vgl. zur cohors prima Keppie, The Making of the Roman Army, 174–176; zur Privilegierung der ersten Kohorte, die Aufsicht über den Legionsadler und die Kaiserbilder zu haben, vgl. Webster, The Roman Imperial Army, 138. 331 Veg. 2, 6, 5; vgl. Webster, The Roman Imperial Army, 114. 332 Veg. 2, 8, 18. 333 Zur sozialen Stellung des primus pilus und den damit verbundenen Privilegien vgl. Dobson, Die Primipilares. Entwicklung und Bedeutung, Laufbahnen und Persönlichkeiten eines römischen Offizierranges, Bonn 1978, 115f.; Keppie, The Making of the Roman Army, 178f. 334 Polyb. 6, 40, 1–9. 335 Polyb. 6, 40, 4. 336 Polyb. 6, 40, 9. 337 Zur Marschordnung in der Kaiserzeit vgl. Goldsworthy, The Roman Army at War, 105–111.

108

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

derts stammen, davon aus, dass der in der Linie rechts stehende ranghöchste Triariermanipel in der Marschordnung die vorderste Kohorte bildete.338 Eine Untersuchung der Bedeutung von rechts und links in der römischen Armee führt ferner zu der Frage, auf welcher Seite der römische Soldat sein Schwert getragen hatte. Nach den Angaben des Polybios trug der römische Soldat der Infanterie seinen gladius auf der rechten Seite.339 Die Tragweise des Schwertes an der rechten Hüfte mag auf den ersten Blick ungewohnt erscheinen, da man sich als Rechtshänder das Herausziehen des Schwertes aus der Scheide von links unkomplizierter vorstellt, lässt sich jedoch mit Hilfe einer genaueren Betrachtung des zur Zeit des Polybios verwendeten Schwerttyps erklären. Polybios stellt einen gladius Hispaniensis vor, ein Schwert, das sich als Hieb- und Stichwaffe einsetzen ließ, sich in erster Linie aber durch seine relativ kurze Klinge von circa 55 cm auszeichnete.340 Aufgrund der kurzen Klinge war das Ziehen des Schwertes auf der ungewohnten rechten Position möglich. Schon nach kurzem Üben konnte der Soldat das Schwert genauso schnell aus der Scheide ziehen, als wenn er es auf der linken Seite getragen hätte.341 Obgleich das Ziehen des Schwertes von der rechten Hüfte nach kurzer Zeit anscheinend keine Probleme mehr bereitete, muss dennoch die Frage nach dem Grund für diese zunächst ungewöhnlich erscheinende Tragweise gestellt werden. Ob die Römer mit der Übernahme dieses Kurzschwertes von den Iberern auch deren Tragweise, die nach P. Couissin auch ein Tragen auf der rechten Seite vorsah, übernahmen, scheint möglich. Diese Annahme liefert aber immer noch keine Erklärung, welche Vorteile mit dieser eigentümlichen Tragweise verbunden waren.342 Vergleicht man beide Zieharten, so fällt auf, dass das Herausziehen von rechts mehr nach oben, das Schwertziehen von links mehr horizontal von links nach rechts erfolgt.343 Bei der horizontalen Ziehweise besteht jedoch in geschlossenen Kampfformationen die Gefahr, mit dem Schild des benachbart stehenden Soldaten zu kollidieren.344 Ein potentielle Behinderung im Gefecht, die dagegen durch ein nach oben gerichtetes Ziehen fast vollständig neutralisiert wird. Als weiterer Vorteil kommt hinzu, dass ein professionell eingeübtes Ziehen von der rechten Seite in der Regel sogar schneller ist als die konventionell anmutende Ziehweise von links.345 Auch die Schildkoordination wird in der Phase des Schwertziehens einfacher.346 Bei einem eng am Körper gehaltenen Schild kann zum einen eine an der linken Hüfte herabhängende Scheide als störend empfunden werden, zum an338 Vgl. Keynes/Mann, Roman Legionary Centurial Symbols, 295. 339 Polyb. 6, 23, 6f.: a{ma de; tw`/ qurew`/ mavcaira: tauvthn de peri; to;n dexio;n ferei mhrovu, kalou`si d j aujth;n ∆Ibhrikhvn.

340 Zusammen mit dem Griff maß das Schwert nur 76 cm. Vgl. zum gladius Hispaniensis Bishop/ Coulston, Roman Military Equipment from the Punic Wars to the Fall of Rome, London 1993, 53. 341 Vgl. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 184; Webster, The Roman Imperial Army, 130. 342 Zur dieser Theorie vgl. Couissin, Les armes figurées sur les monuments romains de Gaule méridionale, in: Rev. Arch. 1923, 2, 29–87. 343 Vgl. Webster, The Roman Imperial Army, 130. 344 Vgl. Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 184. 345 Vgl. Feugère, Weapons of the Romans, Gloucestershire 2002, 107. 346 Vgl. Goldsworthy, Die Legionen Roms, 133.

3.4. Heerwesen

109

deren stört bei einer engen Schilddeckung das Ziehen von rechts weniger als wenn der Soldat seinen rechten Arm erst nach links zur Schild tragenden Körperseite führen muss.347 Die leichte Handhabung im Kampf führte schließlich dazu, dass Kurzschwertypen wie der gladius Hispaniensis oder der verstärkt zur 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. aufkommende Pompeji-Typ im römischen Heer der Kaiserzeit von Infanteristen auf der rechten Hüfte und ihren Dolch auf der linken Hüfte bis ins 3. Jahrhundert getragen wurden (siehe Abb. 3).348 Das Tragen des Schwertes auf der rechten Seite erfüllte allerdings noch eine weitere Funktion, die beim Erlernen, den gladius aus dieser Position so schnell wie möglich zu ziehen, zum Vorschein kommt. Ein Rekrut, der das schnelle Ziehen von der ungewohnten rechten Seite erst erlernen musste, wurde sich insbesondere zu Beginn dieses Lernprozesses seiner militärischen Unerfahrenheit bewusst. Daher kommt dieses Einüben einem Übergangsritual gleich: Nach dem erfolgreichen Abschluss der Übungsphase gelangt der Rekrut zur Erkenntnis, welchen Vorteil das Ziehen von der rechten Position ihm bietet. Aus Ungewohntheit ist Gewohnheit, Erkenntnis und Erfahrung geworden, die dem Soldaten suggeriert, dass er nun „eingeweiht“ ist, da er eine für einen römischen Soldaten spezifische Eigenschaft sich erworben hat. Allerdings sind auch Abweichungen von dieser Tragweise belegt. Ein Grabrelief aus Colchester zeigt einen Zenturionen, der sein Schwert links und seinen Dolch rechts trug (siehe Abb. 4).349 Das Bild hat in zahlreichen Publikationen zum römischen Heerwesen zur Vermutung Anlass gegeben, dass Zenturionen im Gegensatz zu den ihr Schwert rechts tragenden einfachen Soldaten ihren gladius generell links tragen würden.350 Inwieweit von einer spezifischen Tragweise bei Zenturionen gesprochen werden kann, scheint jedoch äußerst fraglich. Die allgemeine Problematik der Interpretation bildlicher Darstellungen, nicht auszuschließende fehlerhafte Bearbeitungen des Bildhauers und vor allem mangelnde Parallelbelege erlauben höchstens folgende Schlüsse: Entweder handelt es sich bei dem vorliegenden Zeugnis um einen linkshändigen Zenturionen, der im Vergleich zu seinen rechtshändigen Kommilitonen sein Kurzschwert mit der linken Hand aus der daher an der linken Hüfte befestigten Scheide ziehen musste und seine Andersartigkeit auf seinem Grabrelief bildhaft zum Ausdruck brachte oder die Tragweise des gladius war bei Zenturionen nicht so strikt festgelegt wie bei den einfachen Soldaten. Lässt sich zwar die Spur, womöglich einen linkshändigen Zenturionen in Colchester identifiziert zu haben, nicht weiterverfolgen, so scheint jedoch eine im Gegen347 Vgl. Webster, The Roman Imperial Army, 130. 348 Exemplarisch greifbar bei den Grabreliefs römischer Soldaten in Mainz: CIL 13, 7255; CIL 13, 6911; CIL 13, 6898; CIL 13, 11847; CIL 13, 7507; AE 1907, 189; Feugère, Weapons of the Romans, 107; Bishop/Coulston, Roman Military Equipment, 126; ab dem 3. Jahrhundert war das Langschwert, spatha, die bei allen Truppenteilen verwendete Waffe. Vgl. Veg. 2, 15, 4; Veg. 3, 14, 13; vgl. Bishop/Coulston, Roman Military Equipment, 126. 162; zum PompejiSchwerttyp vgl. Feugère, Weapons of the Romans, 109. 113; Bishop/Coulston, Roman Military Equipment, 69–71. 349 RIB 200 (= CIL 7, 90). 350 Vgl. Bishop/Coulston, Roman Military Equipment, 74; Feugère, Weapons of the Romans, 107; Junkelmann, Die Legionen des Augustus, 183; Webster, The Imperial Roman Army, 132.

110

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

satz zum einfachen Soldaten flexibel handhabbare Tragweise des gladius bei Zenturionen durchaus denkbar. Für Zenturionen erweist sich nämlich ein auf der linken Seite getragenes Schwert im Gefecht als unproblematisch, da Zenturionen in der Schlacht im Vergleich zum einfachen Fußvolk als Offiziere eher selten am unmittelbaren Kampfgeschehen teilnahmen und insofern die ihnen unterstehenden Soldaten beim Waffenziehen auch kaum behindern konnten.351 Die Auswahl der Körperseiten zur Befestigung des Schwertes orientierte sich folglich sowohl bei einfachen Soldaten als auch bei Zenturionen nicht an den üblichen mit links und rechts verbundenen Vorstellungen, sondern richtete sich ausschließlich nach pragmatischen Prinzipien. Uniformität verlangte von denen in geschlossenen Formationen fechtenden Legionären das Tragen des gladius auf der rechten Seite, während den Zenturionen vermutlich beide Trageoptionen offen standen. Bei Flavius Josephus zeichnet sich allerdings ein anderes Bild ab, das erklärungsbedürftig erscheint. Josephus berichtet von römischen Infanterietruppen, die wie Zenturionen ihren Dolch rechts und ihr Schwert links trugen.352 Wie lässt sich sonderbar anmutende Aussage in das bisher gewonnene Bild einordnen? Die spezielle Tragweise könnte auf eine besondere Länge des Schwertes zurückzuführen sein, das die von Flavius Josephus beschriebenen römischen Infanterietruppen im Jüdischen Krieg verwendeten. Falls die Klinge länger als diejenige eines gladius war, musste das Schwert aus pragmatischen Gründen auf der linken Seite getragen werden, damit der rechte Arm genug Platz zum Herausziehen hatte.353 Dagegen spricht jedoch der von Flavius Josephus verwendete Terminus xivfo~354, der im griechischen Kriegswesen normalerweise zur Bezeichnung des kurzen zweischneidigen Schwertes der Hopliten Verwendung fand.355 Daher wäre eher an ein Kurzschwert zu denken. Allerdings ist auch diese Interpretation mit Vorsicht zu genießen, denn die irreguläre Verwendung der zahlreichen griechischen Begriffe zur Bezeichnung von Schwertern lässt keine eindeutigen Schlussfolgerungen zu.356 Dies muss vor allem berücksichtigt werden, wenn Termini für Schwerter aus dem Griechischen zur Bezeichnung von römischen Waffen fungierten. Wie flexibel der Umgang mit den griechischen Wörtern für Schwert sein konnte, illustriert Poly351 Vgl. Keppie, The Making of the Roman Army, 179; Feugère, Weapons of the Romans, 107; zu den Aufgabenbereichen der primipili auf Feldzügen vgl. Dobson, Die Primipilares, 66. 352 Ios. Bell. Iud. 3, 93–95: (…) oiJ me;n pezoi; qwvraxivn [te] pefragmevnoi kai; kravnesin kai; macairoforou`nte~ ajmfotevrwqen. Makrovteron d jaujtw`n to; laio;n xiJfo~ pollw`/: to; ga;r kata; [to;] dexio;n spiqamh`~ ouj plevon e[cei to; mh`ko~.

353 Dass die Schwertlänge tatsächlich zu einer Veränderung der konventionellen Tragweise führen konnte, bezeugt die Einführung des ursprünglich nur von der Kavallerie und den Auxiliartruppen verwendeten Langschwertes in der Infanterie im 3. Jahrhundert. Im Gegensatz zum gladius trugen die Infanteristen die spatha infolge ihrer Klingenlänge, die zwischen 70 und 90 cm betrug, auf der linken Seite. Vgl. Bishop/Coulston, Roman Military Equipment, 126; Feugère, Weapons of the Romans, 115–122. 354 Ios. Bell. Iud. 3, 94. 355 Vgl. Meister, Waffen. VII. Klassische Antike. A. Griechenland, DNP 12/2, Sp. 364; vgl. s.v. xivfo~, Pape, Bd. 2, 280; s.v. xivfo~, Liddell-Scott, 1191. 356 Vgl. Snodgrass, Arms and Armor of the Greeks, Oxford2 1999, 97: „The Greeks seem to have been highly inconsistent in their nomenclature of weapons.“

3.4. Heerwesen

111

bios, der für den gladius mit seiner geraden Klinge den Terminus mavcaira verwendet, obwohl mavcaira im griechischen Heerwesen gewöhnlich als Terminus technicus für ein einschneidiges Schwert mit gekrümmter Klinge im Gebrauch war.357 Mavcaira fungiert folglich bei Polybios als pars pro toto zur Bezeichnung eines Kurzschwerttyps. Angesichts dieser Problematik bietet auch diese Methode keine zufriedenstellende Lösung. Immerhin deutet eine nähere Untersuchung der von Flavius Josephus verwendeten Begriffe zur Bezeichnung der römischen Schwerter daraufhin, dass das von der Infanterie eingesetzte Schwert offensichtlich kein herkömmlicher gladius war. Flavius bezeichnet nämlich das Langschwert der römischen Kavallerie als macaira makra;.358 Mit der Hinzufügung des adjektivischen Attributes makra; gibt Falvius unmissverständlich zu verstehen, dass er mavcaira wie bereits Polybios als Kurzschwert ansieht. Da Polybios mavcaira als Synonym für das in der Infanterie verwendete gladius dient359, Flavius stattdessen zur Bezeichnung der Infanterieschwerts xivfo~ gebraucht, erscheint, unabhängig davon, ob xivfo~ als Lang- oder Kurzschwert zu identifizieren ist, die Verwendung eines vom gladius abweichenden Schwertes naheliegend. Falls die römischen Infanteristen im jüdischen Krieg mit einem anderen Schwertertypus fochten, setzt dies allerdings voraus, dass für diese Zeit auch Zeugnisse anderer Schwerttypen vorliegen, die sich klar von den bekannten römischen Waffen unterscheiden. Funde von Schwertern aus Britannien können zwar nicht mehr eindeutig der Infanterie oder der Kavallerie zugeordnet werden, zeigen jedoch, dass in der römischen Armee generell auch andere Schwerttypen im Kampf zum Einsatz kamen.360 Infolge der heterogenen Zusammensetzung des römischen Heeres in der Kaiserzeit kann ohnehin nicht von einem im ganzen Imperium Romanum einheitlich ausgerüsteten Heer ausgegangen werden.361 Freilich verbleibt auch dieser Ansatz nur auf dem Feld der Spekulation. Licht in die im Dunklen liegenden Motive für das unkonventionell anmutende Tragen auf der linken Seite werden wohl nur archäologische Funde von Schwertern aus dem Jüdischen Krieg bringen können, die allerdings dazu noch einwandfrei als von der Infanterie verwendete Waffen identifiziert werden müssten. Eindeutigere Ergebnisse bietet dagegen die römische Reiterei. Die römischen Reiter trugen wie zahlreiche Grabsteinreliefs dokumentieren ihr Langschwert auf der rechten Seite, da sie die lange Waffe problemlos von ihrer erhöhten Position aus der Schwertscheide ziehen konnten.362 357 Vgl. Snodgrass, Arms and Armor of the Greeks, 97. 358 Ios. Bell. Iud. 3, 96: Toi`~ de; iJppeu`sin mavcaira me;n ejk dexiw`n makra; kai; kontov~ ejpimhvkhj ejn ceiriv (…). 359 Polyb. 6, 23, 6f. 360 Vgl. Bishop/Coulston, Arms and Armour, 74. 361 Vgl. Goldsworthy, The Roman Army at War, 263: „It is important to remember that there was neither a typical Roman soldier, nor a typical unit. The difference between the legions and auxiliary units is obvious, but less obvious are the differences between individual units of supposedly the same type. The quality of a unit’s leaders is an important point of difference, but all these factors discussed above, as well as others, such as the local situation, the unit’s previous experience and, above all, chance, varied from unit to unit, making each one unique.“ 362 Ios. Bell. Iud. 3, 96; Arr. Tact. 4, 8; CIL 13, 7025; CIL 13, 7029; CIL 13, 7023; CIL 13, 7052.

112

3. Links und rechts in der Gedankenwelt der Griechen und Römer

Der Blick auf das römische Heerwesen hat die facettenreiche Funktion von links und rechts klar vor Augen geführt. In der Schlachttaktik lässt sich keine klar festgeschriebene Rollenverteilung der beiden Flügel erkennen. Vielmehr stand eine vorwiegend an der Topographie und an der gegnerischen Aufstellung orientierte Taktik im Vordergrund, die der weit verbreiteten Vorstellung von rechts gleich positiv sowie links gleich negativ keinen Raum ließ. Je nach Taktik konnte daher der Oberbefehlshaber auf dem linken oder rechten Flügel die Truppen kommandieren. Entscheidend für diese Flexibilität der römischen Armee und damit auch für die Bedeutungslosigkeit von links und rechts war die römische Kampfweise in mehreren mit Zwischenräumen versehenen Linien mit ihren kleinen und flexibel einsetzbaren Einheiten wie Manipel oder Kohorte. Dagegen hat das Beispiel der Positionierung der cohors prima auf der rechten äußeren Seite gezeigt, dass die Assoziation der rechten Seite als prestigeträchtige Seite durchaus vorhanden war und zur Markierung bestimmter Rangunterschiede fungierte. Wie begrenzt allerdings dieses konventionelle Modell von rechts und links seine Anwendung fand, hat die Tragweise des von Zenturionen und Fußsoldaten verwendeten Kurzschwerts bewiesen. Die vorherrschende Tragweise auf der rechten Seite spiegelte in diesem Bereich keinesfalls das traditionelle Rollenbild von links und rechts wider, sondern war angesichts der damit verbundenen militärischen Vorteile rein zweckorientiert. Folglich wurde purer Pragmatismus praktiziert. Zudem erweckt das Grabrelief aus Colchester mit der Darstellung eines seinen gladius links tragenden Zenturios den Anschein, als ob das Tragen des Kurzschwerts auf dieser Seite keine negativen Assoziationen hervorrief. Auch die Verwendung der spatha in der Kaiserzeit war ausschließlich von pragmatischen Erwägungen geleitet. Im Gegensatz zur Reiterei mussten die römischen Fußsoldaten ihr Langschwert links tragen, da nur auf dieser Seite ein schnelles und unkompliziertes Ziehen garantiert war. Vergleicht man die gewonnenen Ergebnisse mit den in der Biologie, der Religion und im Aberglauben vorherrschenden Vorstellungen von rechts und links, so erscheint der stark pragmatisch orientierte Umgang mit rechts und links in der römischen Armee um so bemerkenswerter. Der Vergleich hat nicht nur gezeigt, wie bedeutsam und fruchtbar eine Analyse von rechts und links im Heerwesen sein kann, sondern hat außerdem bewiesen, dass selbst die gängigen Vorstellungen von links und rechts pragmatischem Kalkül untergeordnet werden, falls der damit einhergehende Nutzen mehr Erfolg verspricht.

4. DIE BEDEUTUNG DER LINKEN UND DER RECHTEN HAND 4.1. DIE HAND IN DER GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN WELT – EINE EINFÜHRUNG Das stumme Spiel der Hand gehört so selbstverständlich zum Leben des Menschen, dass ihre Vielseitigkeit als Greif- und Tastorgan gewöhnlich kaum bewusst wahrgenommen wird.1 Bei der Nahrungsaufnahme und bei der Herstellung und dem Gebrauch von Werkzeugen stellt die Hand ihre Multifunktionalität eindrucksvoll unter Beweis; zum Körperkontakt erscheint sie unverzichtbar und ist vor allem bei ihrem Einsatz als Kommunikationsorgan von unschätzbarem Wert: Nach dem Gesicht besitzt kein anderer Teil des menschlichen Körpers wie die Hand die Fähigkeit, menschliche Empfindungen auszudrücken.2 Ihre Vielgliedrigkeit und ihre dadurch bedingte Beweglichkeit ermöglichen es, jedem Gefühl, jeder Absicht durch verschiedene Haltungen der Finger oder der ganzen Hand entsprechend Ausdruck zu verleihen.3 Die Hand vertritt folglich die ganze Person; sie tritt als körperliche Manifestation ihrer geistigen Arbeit in Erscheinung. Wie eng verknüpft Intellekt und Hand sind, führt auch die Sprache mit ihren Begriffen „begreifen“ oder „wahrnehmen“ vor Augen.4 Eine Erklärung für diese enge Beziehung zwischen Hand und Geist liefert die moderne Physiologie: Durch die zentrale Innervation im menschlichen Gehirn sind die Handfelder auf der Hirnrinde im Vergleich zu den übrigen Abschnitten besonders ausgedehnt.5 Sie erscheinen etwa um das Zehn1 2

3

4 5

Vgl. Wilson, Die Hand – Geniestreich der Evolution. Ihr Einfluss auf Gehirn, Sprache und Kultur des Menschen, Stuttgart 2000, 9; Kyrieleis, Hand, Lexikon der Biologie, Bd. 7, 46. Zur antiken Vorstellung über die Hand vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand in Antike und Christentum, Stuttgart 1985, 1–10; Stamatu, Hand, Antike Medizin. Ein Lexikon, 375; aus der Literatur zur menschlichen Hand seien weiter genannt: Kiener, Hand, Gebärde und Charakter. Ein Beitrag zur Ausdruckskunde der Hand und ihrer Gebärden, München 1962; Dürckheim/von Mangoldt, Der Mensch im Spiegel der Hand, München2 1966; von Mangoldt, Das große Buch der Hand. Deutung der Hand durch fünf Jahrhunderte, Weilheim 1967. Vgl. Kötzsche, Hand, Sp. 403f; Wilson, Die Hand, 12; die besondere Beweglichkeit der menschlichen Hand resultiert in erster Linie aus ihrer Fähigkeit zur ulnaren Opposition, d. h. der Daumenbewegung in Richtung der Kleinfingers und umgekehrt, während beispielsweise Schimpansen den Daumen lediglich an die Seite des Zeigefingers bringen können. Zur ulnaren Opposition der menschlichen Hand vgl. Wilson, Die Hand, 33–37; die ulnare Oppsition beim Menschen wurde bereits in der griechisch-römischen Antike erkannt. Vgl. Arist. PA 687b10– 18; Gal. Us. Part. 1, 5 (Kühn 3, 12); Gal. Us. Part. 1, 22 (Kühn 3, 79–81); Plin. Nat. Hist. 11, 244: Hominis digiti ternos articulos habent, pollex binos; et digitis adversus universis flectitur. Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 3. Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 1f.; McManus, Right Hand, Left Hand, 221–223; Wilson, Die Hand, 39–44.

114

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

fache größer als die Fußfelder, während bei Affen die Rindenfelder des Gehirns für Hand und Fuß gleich groß sind. „Erst durch die „Hirnhand“ wird die „Körperhand“ zur eigentlichen Hand des homo sapiens (…) zum Organ des Ausdrucks und Symbol menschlichen Seins.“6 Wie beurteilte jedoch der Mensch der griechisch-römischen Antike die besondere Stellung der Hand? Die Beziehung der Hand zu Geist und Seele erkannten erstmals griechische Philosophen und Ärzte.7 Dabei war für alle die Erkenntnis grundlegend, dass die besondere Stellung des Menschen vor allen anderen Lebewesen aus der aufrechten Haltung resultiert, die entscheidend für die geistige Durchformung der Hand war.8 Als erster Grieche befasste sich Anaxagoras mit der Bedeutung der Hände. Er schrieb es dem Besitz der Hände zu, dass der Mensch das verständigste Wesen sei.9 Aristoteles, der in der Hand ein vom menschlichen Geist durchdrungenes Organ sah, drehte dagegen den Satz um und stellte fest: „Weil er das verständigte Wesen ist, hat er Hände.“10 Später unterstreicht Aristoteles ihre Befähigung zu vielfältiger Tätigkeit bei der Grundlegung und Entfaltung kulturellen Lebens, indem er sie mit einem Werkzeug gleichsetzt, das den Menschen im Gegensatz zum Tier zur Ausübung vieler Tätigkeiten befähige: „Die Hand ist aber nicht nur ein Werkzeug, sondern vereinigt in sich eine Mehrzahl von solchen; denn sie ist gewissermaßen ein Werkzeug anstelle von Werkzeugen.“11 Der Lobpreis der Griechen erwächst also aus der Erkenntnis, dass die Natur oder die Gottheit allein den Menschen mit Händen ausgestattet habe, mit denen er wiederum befähigt sei, Kultur zu schaffen.12 Die damit verbundene Vorstellung, dass Geist und Hände als vorzüglicher Besitz des Menschen zusammengehören, diente insbesondere der Stoa als Beweis für die Teleologie der Schöpfung.13 Ein 6

Kiener, Hand, Gebärde und Charakter, 48f.; die funktionelle und komplexe Wechselwirkung zwischen Körperbewegung und Hirnaktivität erschwert auch die Suche nach einer exakten Definition der Menschenhand. Vgl. Wilson, Die Hand, 15f. 7 Vgl. Groß, Lob der Hand im klassischen und christlichen Altertum, in: Gymnasium 83, 1976, 423–440. 8 Arist. PA 687a5–8. 9 Anaxag. (VS 59 A 102): dia; to; cei`raj e[cein fronimwvtaton ei\nai tw`n zwv/n a[nqrwpon. 10 Arist. PA 687a9f.: eu[logon de; dia; to; froniwvtaton ei\nai xei`raj lambavnein; für Anaxagoras bedeutet der Besitz von Händen nur den Erkenntnisgrund für den Nus im Menschen. Aristoteles wird ihm deshalb in seiner Kritik nicht gerecht. Zur Stelle vgl. Groß, Lob der Hand, 424–426; die unterschiedlichen Theorien des Aristoteles und des Anaxagoras machen erneut die mit der Wechselwirkung von Gehirn und Hand verbundene Problematik bei der Erforschung der Hand evident. In der modernen Anthropologie gilt als gesichert, das die frühe Werkzeugverwendung und –herstellung beim homo habilis mit einer bescheidenen Größenzunahme des Gehirns einhergingen. Weitere Verbesserung und Spezialisierung der mit der Hand ausgeübten Tätigkeiten des homo erectus förderten die Funktionsweise und Struktur des Gehirns weiter. Daher ist ein reziprokes Verhältnis zwischen der Entwicklung des Gehirns und der Hand am ehesten wahrscheinlich. Zur evolutionären Entwicklung der Hand vgl. Wilson, Die Hand, 25–43. 11 Arist. PA 687a20: hJ de; cei;r e[oiken ei\nai oujc e{n o[rganon, ajlla; pollav. e[sti ga;r wJsperei; o[rganon pro; ojrgavnwn.

12 Trotz der Hervorhebung der speziellen Rolle der Hand beim Menschen attestiert Aristoteles auch dem Affen, Hände zu besitzen. Vgl. Arist. HA 502b3–23. 13 Vgl. Groß, Lob der Hand, 428f.; Gal. Us. Part. 1, 9 (Kühn 3, 22–27); zu Galens teleologischer

4.1. Die Hand in der griechischen und römischen Welt – eine Einführung

115

Beispiel bietet Cicero in seinem zweiten Buch De natura deorum. Bei seinem teleologischen Götterbeweis führt der Stoiker Balbus auch die Zweckmäßigkeit des menschlichen Körpers an, nicht ohne dabei auch auf die Vorzüge der aufrechten Haltung sowie der Hände hinzuweisen.14 Anschließend folgen die Lobpreisungen auf die Vielfältigkeit der Hand. Erwähnt werden die Werke der Kunst, der Malerei, der Plastik, des Gravierens, der Musik, die durch die Beweglichkeit der Finger ermöglicht werden, genauso wie die zum Unterhalt nötigen Leistungen des Ackerbaus, der Architektur, der Kleiderherstellung, der Metallgewinnung, alles Dinge, die die Menschen durch die Hände der Handwerker erreichen.15 Im Anschluss daran bringt Balbus die Kultur stiftende Funktion der Hand mit folgendem Fazit auf den Punkt: „Die Arbeit der Menschen, das heißt das Werk der Hände (…).“16 Die physiologisch feststellbare Bevorzugung der Hand in der zentralen menschlichen Innervation zeigt sich auch an einem weiteren Merkmal: Die Hand ist mit einer hervorragenden Sensibilität des Tastsinns ausgestattet, dessen Erkenntnisfähigkeit sich in ihr zur größten Präzision steigert.17 In der Antike sprach man deshalb auch von Händen, die so scharf wie Augen erkennen.18 Zur Erkenntnisfähigkeit kommt ferner ihre Ausdrucksmöglichkeit hinzu, die in der antiken Rhetorik von vielen bewundert wurde. Quintilian schätzt die Hände, weil sie sozusagen selbst zu reden vermögen, prope est ut dicam, ipsae locuntur, wohingegen andere Körperteile den Redner nur unterstützen.19 Eindringlich geht Quintilian auch auf ihre reiche Symbolsprache ein: „Mit ihnen fordern, versprechen, rufen, entlassen, drohen, flehen, verwünschen, fürchten, fragen und verneinen wir, geben wir der Freude, der Trauer, dem Zweifel, dem Eingeständnis, der Reue, dem Ausmaß, der Fülle, der Anzahl und der Zeit Ausdruck. Sind sie es nicht ebenfalls, die anspornen, zurückhalten, [flehen], billigen, bewundern, verlegen sind?“20

14

15

16 17 18 19 20

Auffassung von der menschlichen Hand vgl. Groß, Galens teleologische Betrachtung der menschlichen Hand in de usu partium, in: Sudhoffs Archiv 58, 1974, 13–24. Cic. Nat. deorum 2, 150: Quam vero aptas quamque multarum artium ministras manus natura homini dedit; vgl. auch Diod. Sic. 1, 8, 9; die stoische Auffassung von der Zweckmäßigkeit der menschlichen Glieder, insbesondere der Hand, rief aber auch Kritik hervor. Beispielsweise Lucr. 4, 828–831: Arme und Hände sind ebenso wenig wie andere Glieder deswegen geschaffen, weil sie notwendig sind. Vielmehr waren die Glieder schon vor ihrem Gebrauch vorhanden, wodurch sie nicht des Gebrauchs wegen erschaffen sein können. Cic. Nat. deorum 2, 150: Ex quo intellegitur ad inventa animo praecepta sensibus adhibitis opificum manibus omnia nos consecutos, ut tecti, ut vestiti, ut salvi esse possemus, urbes, muros, domicilia, delubra haberemus. Cic. Nat. deorum 2, 151: Iam vero operibus hominum, id est manibus (…). Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 2; Gal. Us. Part. 5, 9 (Kühn 3, 378). Plaut. Asin. 202: semper oculatae sunt manus nostrae, credunt, quod vident. Quint. Inst. 11, 3, 85. Quint. Inst. 11, 3, 86f.: An non his poscimus, pollicemur, vocamus, dimittimus, minamur, supplicamus, abominamur, timemus, interrogamus, negamus, gaudium, tristitiam, dubitationem, confessionem, paenitiam, modum, copiam, numerum, tempus, ostendimus. Non eadem concitant, inhibent, [supplicant], probant, admirantur, verecundantur?; zur Gestik des Redners vgl. Martin, Antike Rhetorik, München 1974, 354.

116

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Das „dem Menschen eigentümlichste Glied“21 sollte aufgrund dieses breiten Spektrums an Ausdrucksmöglichkeiten auch in anderen Bereichen, beispielsweise im Recht, der Ethik, der Religion oder im Aberglauben von Relevanz sein. Allerdings muss im Hinblick auf die Bedeutung der Hand in diesen Bereichen berücksichtigt werden, dass der Mensch aufgrund seines bilateralen Körperbaus über eine linke und eine rechte Hand verfügt und seine Hände außer bei beidhändigen Aufgaben differenziert einsetzt. 22 Wie unterschiedlich die Bewertung der beiden Hände sein konnte, zeigt eindrucksvoll die bei Plutarchs Tischgesprächen gestellte Frage, welche Hand der Aphrodite von Diomedes verwundet wurde, als die Göttin ihren verletzten Sohn Aeneas aus dem Kampfgeschehen trug.23 Da Aphrodite durch ihre Verwundung Aeneas fallen ließ, behauptet Maximus, dass dies ein eindeutiges Indiz für die Verwundung der rechten Hand sei, denn Diomedes hätte logischerweise eher die stärkere Hand der Göttin, mit der sie Aeneas trug und festhielt, verwunden wollen, damit Aphrodite ihren Sohn fallen lasse.24 Im Hinblick auf die unterschiedliche Aufgabenverteilung der Hände erscheint auch der von Maximus als weiteres Argument aufgeführte Kommentar der Athene zur Verletzung der Aphrodite aufschlussreich. Aphrodite habe sich ihre Hand verletzt, mit der sie zuvor die Achaierinnen gestreichelt hätte.25 Auch diese Aussage spräche für die Verletzung der rechten Hand, da laut Maximus beispielsweise Lehrer ihre Schüler zum Lob mit der rechten Hand streicheln würden, aber niemals mit der linken Hand.26 Maximus beendet schließlich seine Argumentation mit einem Wortspiel. Aphrodite sei ohnehin ejpidexiwtavthn qew`n, die Geschickteste der Göttinnen.27 Entschlüsselt bedeutet dieses Epitheton, dass Aphrodite für diejenige Göttin gehalten wurde, die ihre rechte Hand am besten zu gebrauchen wusste. Die Episode führt anschaulich vor Augen, dass bestimme Tätigkeiten nur mit einer bestimmten Hand in Verbindung gebracht wurden. Die rechte Hand erscheint in Plutarchs Darstellung eindeutig im positiven Licht: sie ist stärker, geschickter und wird infolgedessen auch von einer Göttin wie Aphrodite bevorzugt verwendet. Im Gegensatz dazu kommt bei der linken Hand ein eher negativ gezeichnetes Bild zum Vorschein: sie wirkt schwächer, ungeschickter und soll auch nicht beim lobenden Streicheln Verwendung finden. Angesichts dieser negativen Vorstellung stellt sich die Frage, welche Rolle für die linke Hand vorgesehen war. In welchen Tätigkeitsbereichen tritt die vermeintlich schlechte Linke in Erscheinung? Um die Bedeutung zu ermessen, die der linken Hand in der griechisch-römischen Welt zukam, müssen ihre unterschiedlichen Funktionen innerhalb der einzelnen Tätigkeitsbereiche bestimmt und analysiert werden, denn bereits Epiktet erkannte: „Das 21 Gal. Us. Part. 2, 1 (Kühn 2, 88): (…) oijkeiovtaton ajnqrwvpw/ tov moriovn ejstin ; vgl. zu Galens Lob der Hand Groß, Lob der Hand, 432. 22 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 5. 23 Plut. Mor. 739B-739D. 24 Plut. Mor. 739C. 25 Plut. Mor. 739C-739D. 26 Plut. Mor. 739D: (…) w\ bevltiste didaskavlwn, o{tan tina; tw`n maqhtw`n filofronouvmenoj kataya`/~ kai; katarrevzh/~, mh; th`/ ajristera`/ ceiri; tou`to poiei`n ajlla; th`/ dexia`/.

27 Plut. Mor. 739D; zum Begriff ejpidevxio~ vgl. s.v. ejpidevxio~, Liddell-Scott, 629.

4.2. Die rechte Hand

117

Fleisch ist zwar Substanz der Hand, aber ihre Werke sind die Hauptsache.“28 Vorangestellt sei allerdings eine Untersuchung der verschiedenen Funktionen der rechten Hand. Nur im Spiegel der rechten Hand lässt sich die Bewertung der linken Hand klar erfassen und somit in den Gesamtzusammenhang der griechisch-römischen Weltsicht einordnen. 4.2. DIE RECHTE HAND 4.2.1. Die Hand der Gottheit In zahlreichen antiken Religionen tritt die Hand als einfachstes und natürlichstes Symbol einer Gottheit mit der Funktion in Erscheinung, die Macht und das damit verbundene Wirken der jeweiligen Gottheit zum Ausdruck zu bringen.29 Die göttliche Hand ist beispielsweise bei den Ägyptern, im Alten Testament, in der jüdischen Religion und den Völkern des Orients in Dichtung und Kunst reichlich bezeugt30 und begegnet seit Homer und Hesiod auch in den Göttervorstellungen der Griechen.31 Wenn menschliche Gliedmaßen wie die Hand allerdings dazu dienen, die Macht einer Gottheit symbolisch wiederzugeben, setzt dies die Vorstellung anthropomorpher Götter voraus.32 Beruht die Vorstellung der Wirkkraft der göttlichen Hand auf menschlichen Erfahrungen, so erscheint es angesichts der positiven Assoziation der rechten Hand als starker Hand kaum verwunderlich, vorwiegend die rechte Hand zur Wiedergabe göttlicher Macht und Wirkkraft in der Schöpfung und in der Geschichte zu verwenden.33 Aufgrund ihrer besonderen Wirkkraft kommt die rechte Hand in der griechischen Religion vor allem in der Funktion als heilende Hand zum Einsatz.34 Zur Heilung streckt Asklepios auf einem attischen Weihrelief seine Rechte in Richtung des Patienten aus.35 Dass Asklepios allerdings nicht nur seine Heil spendende Kraft durch das bloße Ausstrecken seiner Rechten übertragen kann, sondern eine 28 Epikt. 3, 7, 24: ceiro;~ oujsi;a me;n hJ savrx, prohgouvmena de; ta; ceiro;~ e[rga. 29 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 9; Kötzsche, Hand, Sp. 445. 30 Zur Hand in der ägyptischen Religion vgl. Altenmüller, Hand, LÄ 2, Sp. 938–943; Kötzsche, Hand, Sp. 404–406; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 315–327; zur Hand im Alten Testament und im Judentum vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 342–358; zu den orientalischen Völkern vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 328–341; Kötzsche, Hand, Sp. 406–409. 31 Zur Bedeutung der Hand in der griechischen Religion vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 359–382. 32 Vgl. zu den Anfängen und Ursachen der anthropomorphen Göttervorstellung der Griechen Burkert, Homer’s Anthropomorphism: Narrative and Ritual, in: Buitron-Oliver (Hrsg.), New Perspectives in Early Greek Art, Washington D.C. 1991, 81–91; Burkert, Griechische Religion, 282–292; Dörrie, Gottesvorstellung, RAC 12, Sp. 88. 33 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 5; Kötzsche, Hand, Sp. 403; Altenmüller, Hand, Sp. 939. 34 Vgl. Weinreich, Antike Heilungswunder, 33. 35 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 373; Weinreich, Antike Heilungswunder, 2.

118

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Heilung in den meisten Fällen erzielt, indem er seine rechte Hand auf die kranke Stelle seine Patienten legt, illustriert ein weiteres Weihrelief: Die rechte Hand des Gottes ruht in der dargestellten Szene auf der Stirn und dem Haar des auf einer Kline liegenden Kranken. 36 Von der Heilkraft der rechten Hand des Asklepios weiß auch Artemidor zu berichten. Ein Magenkranker, der den Heilgott um Genesung bat, träumte, wie er im Heiligtum des Gottes die Finger der rechten Hand des Asklepios essen würde.37 Erwacht aus seinem Traum verzehrte der Mann stellvertretenden für die Finger der heilenden Gotteshand fünf Datteln und wurde dadurch wieder gesund. Ferner leistet die rechte Hand der Götter Schutz und Beistand. Als Beschützerin ihrer Anvertrauten greift vor allem Athene auf zahlreichen Vasenbildern mit ihrer rechten Hand ins Geschehen ein.38 Bei der Verlosung der Waffen des Achill streckt die Göttin ihre rechte Hand über die Stimmsteine und bewirkt damit die Entscheidung für Odysseus.39 Bekannter sind Szenen, in denen Athene mit ihrer Rechten ihrem Schützling Herakles Beistand leistet. Auf einer attischen Amphore reicht Athene mit ihrer ausgestreckten Rechten Herakles sein Schwert.40 Andere Bilder suggerieren Athenes Schutz- und Beistandsfunktion für Herakles durch das bloße Erheben der rechten Hand der Göttin.41 Dass man Schutz auch von Zeus erhoffte, veranschaulicht ein Gebet des Theognis, in dem die schützende Rechte des Zeus eingreifen soll.42 Wie stark die rechte Hand des Zeus und der Athene als Symbol von Schutz und Beistand assoziiert wurde, geht allerdings am eindrucksvollsten aus den Beinamen der beiden Gottheiten in ihrem Kult auf Lesbos hervor: Weinreich berichtet auf der Grundlage einer Notiz von Stephanos von Byzanz, dass auf Lesbos Zeus und Athene infolge ihrer Epitheta Hyperdexios und Hyperdexia durch ihre übergehaltene rechte Hand ihren Anhängern Schutz boten.43

36 Vgl. Weinreich, Antike Heilungswunder, 32f.; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 374; zur heilenden Funktion der Handauflegung in der griechisch-römischen Welt vgl. Vogel, Handauflegung, RAC 13, Sp. 482f. 37 Artem. 5, 89. Vgl. dazu Weinreich, 33f.; die Hoffnung auf eine Heilung mit Hilfe der rechten Hand begegnet auch bei Artem. 5, 92; wie sehr die rechte Hand des Asklepios mit den heilenden Aktionen des Asklepios verbunden wurde, klingt deutlich bei Julian Apostata an, der von der swthvrion eJautou` dexiavn des Asklepios spricht. Siehe Iul. Apost. Contra Christ. 200B. 38 Zu Athene vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 365–367. 39 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 365. 40 Demargne, Athena, LIMC 2, 1, 1004, Nr. 511. 41 Demargne, Athena, 1004, Nr. 521; 1005, Nr. 521; Beistand bietet Athenes rechte Hand auch Diomedes. Vgl. dazu Beckel, Götterbeistand in der Bildüberlieferung griechischer Heldensagen, Waldsassen 1961, 22, Nr. 17; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 365. 42 Thgn. 1, 757–759. Vgl. dazu Weinreich, Antike Heilungswunder, 13. 43 Vgl. Weinreich, Antike Heilungswunder, 41; Steph. Byz. s.v. ÔUperdevxion; daneben ist auch Apollon Hyperdexios bei Plut. Arat. 7 bezeugt. Falls Inschriften aus Rhodos und Paros korrekt rekonstruiert wurden, scheinen ähnliche Kulte für Zeus und Athene auch auf Rhodos und Paros angesiedelt worden zu sein. Vgl. zu den epigraphischen Zeugnissen Weinreich, Antike Heilungswunder, 41; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 366f. Anm. 67.

4.2. Die rechte Hand

119

Von der rechten Hand griechischer Götter kann jedoch nicht nur Segen und Heil ausgehen, sondern auch Strafe und Verderben.44 Unrecht und Hybris der Menschen gegenüber den Göttern rächt Zeus, indem er Blitze aus seiner rechten Hand schleudert.45 Korrespondierend zu Zeus, der mit seinem Blitz Himmel und Erde regiert, erscheint Poseidon mit seinem Dreizack als Hauptgott des Meeres.46 Auch Poseidon führt seinen Dreizack, das mächtigste Symbol seiner Macht, hauptsächlich in der rechten Hand.47 Da man bei einer Auswertung des Bildmaterials aber auch auf Darstellungen stößt, auf denen Poseidon seinen Dreizack in der Linken hält, ist eine differenziertere Betrachtungsweise notwendig, die eine Erklärung für den Grund dieser abweichenden Trageweise liefern muss. Betrachtet man die Szenen genauer, in denen Poseidon den Dreizack in der linken Hand hält, dann fällt auf, dass es sich dabei um Szenen handelt, in denen Poseidon nicht aktiv ins Geschehen eingreift, sondern entweder steht oder sitzt, sich also passiv verhält.48 In diesen Situationen wird der Dreizack nicht gebraucht. Er verbleibt in der linken Hand des Meeresgottes, so dass – ganz pragmatischen Zwecken folgend – die rechte Hand frei agieren kann, um etwa Theseus per Handschlag begrüßen zu können.49 Greift Poseidon dagegen aktiv in seiner Funktion als Rächer frevelhafter Taten mit seinem Dreizack ein, der die ursprüngliche, elementare, kaum kontrollierbare Kraft Poseidons symbolisiert, schwingt, schleudert und stößt der Meeresgott seinen Dreizack wie der Blitz werfende Zeus mit seiner Rechten, der Hand, in der sich der göttliche Wille und das Wirken des Gottes offenbart.50 44 Zur strafenden Gotteshand vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 379–382. 45 Zeus mit seiner Blitz schleudernden Rechten ist auf zahlreichen Darstellungen belegt. Siehe beispielsweise für die Zeit von 600–480 v. Chr.: Tiverios, Zeus, LIMC 8, 1, 319f., Nr. 29a; 320, Nr. 29c; 320, Nr. 29e; 320, Nr. 31; 320, Nr. 34; 320, Nr. 35; 324, Nr. 67f.; 325, Nr. 70; klassische Zeit: Leventi, Zeus, LIMC 8, 1, 338, Nr. 186–188; 340, Nr. 197–199; 343, Nr. 222; hellenistische Zeit: Leventi/Machaira, Zeus, LIMC 8, 1, 346, Nr. 244; 347, Nr. 253; römische Kaiserzeit: Karanatassi, Zeus, LIMC 8, 1, 352, Nr. 300; 353, Nr. 352; griechische Münzen: Kremydi-Sicilianou, Zeus, LIMC 8, 1, 362, Nr. 427–441; zwar finden sich auch Abbildungen, in denen Zeus seinen Blitz in der Linken hält, aber in diesen Fällen nimmt Zeus eine Haltung ein, die klar zum Ausdruck bringt, dass er nicht im Begriff ist, seinen Blitz zu schleudern. Vgl. Tiverios, Zeus, 323. 46 Zu Poseidon, der zwar vorwiegend Assoziationen als Meeresgott hervorruft, aber auch noch in anderen Machtbereichen agiert, vgl. Mylonopoulos, Heiligtümer und Kulte des Poseidon auf der Peloponnes, Liège 2003, 391–400; zu Poseidon speziell als Gott des Meeres siehe Simon, Die Götter der Griechen, München3 1985, 66–90. 47 Exemplarisch greifbar auf Münzen: Simon, Poseidon, LIMC 7, 1, 454, Nr. 61–63; 454, Nr. 65; 455, Nr. 69f.; 455, Nr. 72f.; auf korinthischen Pinakes: 457, Nr. 106; 457, Nr. 109; Vasenmalereien: 461, Nr. 140–142; 461, Nr. 146; vgl. auch Heimberg, Das Bild des Poseidon in der griechischen Vasenmalerei, Freiburg 1968; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 380; zum Dreizack als das bedeutendste Machtsymbol Poseidons vgl. Mylonopoulos, Heiligtümer und Kulte des Poseidon auf der Peloponnes, 361–364. 48 Belege finden sich beispielsweise auf attisch rotfigurigen Vasen. Vgl. Simon, Poseidon, 462, Nr. 147; 467, Nr. 188; 468, Nr. 194. 49 Simon, Poseidon, 469, Nr. 208; zur linken Hand, die nicht gebrauchte Waffen aufbewahrt, damit die rechte Hand frei agieren kann, siehe ausführlich Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 146–148. 50 Simon, Poseidon, 460, Nr. 132; 460f., Nr. 135; 461, Nr. 138; 463, Nr. 161f.; 464, Nr. 168; 465,

120

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

In der altrömischen Religion zeichnet sich im Vergleich zur griechischen Gottesvorstellung zunächst ein anderes Bild ab. Anders als in Griechenland existierte in der Frühphase der römischen Religion kein anthropomorphes Götterbild und somit auch keine Vorstellung von einer göttlichen Hand.51 Die römische Gottesvorstellung war vom Glauben an göttliche Kräfte, numina, geprägt, deren Wirken in den einzelnen Akten ihres göttlichen Eingreifens in die menschliche Welt sichtbar wurde.52 Was diese numina ausmachte, spielte anfangs keine Rolle. Entscheidend war nicht die Frage nach dem Aussehen der göttlichen Mächte, sondern nach ihrem Wirken. Erst unter dem Einfluss der griechischen und etruskischen Religion entwickelte sich in Rom ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. ein anthropomorphes Götterbild, dessen Form vor allem in den beiden folgenden Jahrhunderten immer mehr an Konturen gewann.53 Unsicherheiten, hervorgerufen durch die kriegerische Expansion der Römer in Italien und im Mittelmeerraum sowie der damit verbundene Kontakt zu fremden Kulten aus der griechischen und orientalischen Welt, führten vor allem im Laufe des 3. Jahrhunderts v. Chr. zu neuen Formen der Götterverehrung, die in erster Linie durch die Ausdeutung der Götter als körperliche Wesen mit menschlichen Zügen das Bedürfnis nach einem persönlicheren Kontakt zu der göttlichen Sphäre zufrieden stellten.54 Zum Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr. fanden auch Mächte kultische Verehrung, die im Menschen wirksam sind. Die Wertebegriffe und Ideale des römischen Adels, beispielsweise virtus oder pietas, wurden als göttlich verstanden und erhielten in Rom ihre Tempel: Unter diesen neuen Gottheiten verdient im vorliegenden Kontext die mit dem Symbol der rechten Hand versehene Göttin Fides Beachtung, die aber aufgrund ihrer reichen Formenvielfalt ausführlich erst im folgenden Kapitel behandelt wird. Trotz dieser Entwicklung in Richtung einer immer stärker ausgeprägten anthropomorphen Gottesvorstellung halten sich die Äußerungen über die rechte Hand der Fides bzw. generell die Äuße-

51 52 53

54

Nr. 177–180; zu der durch den Dreizack zum Ausdruck gebrachten Kraft des Poseidon, die vorwiegend einen zerstörerischen Charakter hat, siehe Mylonopoulos, Heiligtümer und Kulte des Poseidon auf der Peloponnes, 362. Vgl. Muth, Vom Wesen römischer religio, 315–317. 333–338; Radke, Zur Entwicklung der Gottesvorstellung und Gottesverehrung in Rom, Darmstadt 1987. Zu den numina vgl. Pötscher, Numen und numen Augusti, ANRW II, 16, 1, 1978, 355–392; Muth, Vom Wesen römischer religio, 315–320. Laut Aug. Civ. 4, 31, der sich auf Varro beruft, sowie Plut. Numa 8, 14 kannten die Römer bis zu Beginn der etruskischen Fremdherrschaft keine Götterbilder. Erst Tarquinius Priscus habe die Anfertigung einer Statue des Jupiters veranlasst. Vgl. Plin. Nat. Hist. 35, 137; spätestens die Einführung der lectisternia im 4. Jahrhundert v. Chr. machte eine bildliche und anthropomorphe Göttervorstellung unvermeidlich und erwies sich als ein erster Schritt auf dem Weg zu einem direkteren Kontakt zwischen Mensch und Gott. Zur Austragung des ersten lectisternium in Rom im Jahr 399 v. Chr. siehe Liv. 5, 13, 6; Dion. Hal. Ant. 12, 9; zur Einwirkung der griechischen und etruskischen Religion auf Rom vgl. Muth, Vom Wesen römischer religio, 333– 335; Versnel, Römische Religion und religiöser Umbruch, in: Vermaseren (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, Leiden 1981, 44. Zu den religiösen Veränderungen ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. vgl. Versnel, Römische Religion und religiöser Umbruch, 49–65.

4.2. Die rechte Hand

121

rungen über die Hände der Gottheiten in der römischen Literatur der Republik in Grenzen. 55 Auf dem Gebiet der Bildhauerkunst wird allerdings spürbar, wie infolge griechischer und etruskischer Vorbilder neue Formen der Götterverehrung eine unmittelbare und persönlichere Beziehung zu den Göttern entstehen ließen.56 Wie sehr im Kontext der personifizierten Verehrung der Gottheit die rechte Hand von Bedeutung war, reflektiert zum Beispiel die unter den Römern weit verbreitete Sitte, eherne Götterbilder an den Toren der Tempel zu verehren, zu der Lukrez anmerkt: „Abgetreten, am Tore, die ehernen Bilder der Götter zeigen verscheuerte Hände. Denn immer berührt in Andacht, wenn es vorüberwandert, das Volk zur Begrüßung die Rechte.“57 Die Abnutzung der Hand macht deutlich, wie bedeutsam die Rechte der Gottheit im Rahmen einer von ihr erhofften Heil spendenden Kraft inzwischen geworden war. Zu Beginn der Kaiserzeit rückte die rechte Hand als Symbol göttlicher Stärke auch immer stärker ins Bewusstsein der augusteischen Dichter bei ihren Nachbildungen griechischer Mythen. Jupiter, dessen königliche Hände, regiae manus, bereits Cicero erwähnt58, stellt seine Macht vor allem unter Beweis, wenn er mit seiner Rechten Blitze auf seine Feinde schleudert.59 Zur verstärkten Wahrnehmung der rechten Gotteshand trug aber noch ein weiterer Faktor bei, der sich vor allem ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. immer stärker bemerkbar machte. Mit dem Vordringen orientalischer Kulte nimmt die Gotteshand auch im Westen des römischen Reiches neue Formen an.60 Bronzene rechte Votivhände in natürlicher Größe oder etwas kleiner aus dem Kult der phrygisch-thrakischen Gottheit Sabazios, des Jupiter Dolichenus und des Jupiter Heliopolitanus fanden in der westlichen Reichshälfte immer stärkeren Anklang. Die größte Zahl der erhaltenen Hände sind dem Sabazios-Kult zuzuordnen.61 Die rechten Hände, die in Pompeji und Herculaneum durch Funde bereits am Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. belegt sind und sich anschließend vor allem durch römische Hilfstruppen aus dem Orient in den westlichen Provinzen verbreiteten62, kennzeichnen sich durch 55 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 383. 56 Vgl. Rüpke, Die Religion der Römer, 63. 57 Lucr. 1, 316–318: (…) tum, portas propter, aëna signa manus dextras ostendunt adtenuari saepe salutantum tactu praeterque meantum; zur Berührung von Götterabbildern vgl. Plaut. Rud. 559. 58 Cic. In Verr. 2, 5, 184. 59 Verg. Aen. 8, 354; Ov. Am. 3, 3, 30; weitere Beispiele bei Groß, Menschenhand und Gotteshand, 384. 60 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 393; zu den Anfängen der Ausbreitung der orientalischen Kulte im römischen Reich vgl. Versnel, Römische Religion und religiöser Umbruch, 50–60. 61 Zu Sabazios vgl. Fellmann, Der Sabazios-Kult, in: Vermaseren (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, 316–340; zu den Votivhänden vgl. Vermaseren/Lane (Hrsg.), Corpus Cultus Iovis Sabazii (CCIS). Bd. 1. The Hands, Leiden 1983. 62 Bereits im späteren 2. Jahrhundert v. Chr. ist der Kult in Rom in Kreisen der dortigen jüdischen Kolonie bekannt. Zum Ursprung und zur Verbreitung des Sabazios-Kultes vgl. Fellmann, Der Sabazios-Kult, 316–318.

122

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

eine eigentümliche Fingerhaltung: Ring- und Kleinfinger werden zur Innenhand gebogen, während die anderen drei gestreckt sind (siehe Abb. 5).63 Obgleich ihre Deutung im Hinblick auf die Frage, ob die Hände zur Gottheit oder zu einem Menschen gehören, zahlreiche Kontroversen hervorgerufen hat, herrscht inzwischen weitestgehend Einigkeit, dass die mächtige und Heil bringende Hand der Gottheit selbst dargestellt ist.64 Dafür spricht auch, dass die spezielle Fingeranordnung aller Sabazioshände der im Segensgestus typischen benedictio latina-Fingerhaltung entspricht. Gesichert gilt auch ihr Verwendungszweck. Zwar scheinen mehrere Hände, die im unteren Teil hohl sind und über seitliche Befestigungslöcher verfügen, auf szepterartige Stäbe aufgesteckt worden zu sein, aber die Hände, deren Fundort bekannt ist, verweisen eher auf einen anderen Hauptverwendungszweck: die rechten Hände fungierten als Votivgaben für den mit Jupiter gleichgesetzten Gott Sabazios.65 Die Votivhände des Sabazios verbreiteten sich in den Provinzen der westlichen Reichshälfte verhältnismäßig häufig in Italien, Belgien und der Schweiz und sind bis ins 4. Jahrhundert nachweisbar.66 Weniger zahlreich als die Sabazioshände sind die Bronzehände des aus Doliche in Kommagene stammenden Jupiter Dolichenus.67 Verehrung erfuhr Jupiter Dolichenus besonders unter Soldaten, die vor allem nach der endgültigen Eingliederung des Königreichs Kommagene in die römische Provinz Syria unter Vespasian im Jahr 72 n. Chr. entscheidend zu einer reichsweiten Verbreitung des Kultes beitrugen.68 In Rom besaß der Gott, auf Inschriften oft als als conservator totius mundi tituliert69, seit der Mitte des 2. Jahrhunderts ein Kultheiligtum auf dem Aventin; von dort stammt auch ein Großteil der Inschriften und Weihungen.70 Verantwortlich für die Materialfülle in Rom waren in erster Linie die severischen Kaiser, die die Ausbreitung des mit Jupiter identifizierten Gottes Dolichenus aufgrund ihrer syrischen Abstammung anscheinend besonders förderten.71 Weitere Denkmäler treten ab dem 2. Jahrhundert verstärkt in den besetzten Grenzprovinzen Pannonien,

63 Illustrative Beispiele in Vermaseren/Lane, CCIS, Plate 1, Nr. 1; Plate 6, Nr. 6; Plate 8, Nr. 12; vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 394; darüber hinaus findet sich auf den Händen noch eine Vielzahl an Attributen, beispielsweise Pinienzapfen. Zur Deutung dieser Attribute vgl. Fellmann, Der Sabazios-Kult, 323–331. 64 Vgl. Fellmann, Der Sabazios-Kult, 323; zu den unterschiedlichen Deutungen vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 394f. 65 Vgl. Fellmann, Der Sabazios-Kult, 326. 66 Vgl. Fellmann, Der Sabazios-Kult, 318; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 396. 67 Zu Jupiter Dolichenus vgl. Hörig, Jupiter Dolichenus, ANRW II, 17,4, 1984, 2136–2179; Schwertheim, Iupiter Dolichenus. Seine Denkmäler und seine Verehrung, in: Vermaseren (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, 193–212; eine Zusammenstellung der Hände bietet Merlat, Jupiter Dolichenus, Paris 1960, 177–183; die Inschriften sind gesammelt bei Hörig/Schwertheim (Hrsg.), Corpus Cultus Iovis Dolichenus (CCID), Leiden/New York/ Köln 1987; zur Bedeutung der Votivhände vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 398– 400; Kötzsche, Hand, Sp. 411–414. 68 Vgl. Schwertheim, Iupiter Dolichenus, 195. 69 Hörig/Schweitheim, CCID, Nr. 373; Nr. 376; Nr. 381; Nr. 385; Nr. 455; Nr. 529. 70 Vgl. Schwertheim, Iupiter Dolichenus, 196f. 71 Vgl. Schwertheim, Iupiter Dolichenus, 205.

4.2. Die rechte Hand

123

Dalmatien, Rätien, Noricum und Germanien auf, finden sich aber auch vereinzelt in Britannien und Nordafrika. Bei einer Betrachtung der Jupiter Dolichenus Votivhände fällt zunächst der Unterschied zu den Sabazioshänden auf: Im Gegensatz zur benedictio-latina Haltung sind bei Jupiter Dolichenus die Finger der rechten Hände in der Regel nach oben ausgestreckt (siehe Abb. 6).72 Auf der Handwurzel tragen die Hände eine Inschrift mit der stereotypen Widmung I(ovi) O(ptimo) M(aximo) D(olicheno).73 Mit Ausnahme zweier Fundstücke sind die Hände relativ klein, 10–12 cm hoch, und gehören in die Zeit zwischen 150–250 n. Chr.74 P. Merlat sah in ihnen Zeichen kosmischer Macht, wie sie auch sonst in den Händen syrischer Götter, beispielsweise des Blitze schleudernden Hadad, vorzufinden ist75, während Schwertheim seine Interpretation der Hände zwar konkreter zu fassen versucht, aber zugleich die Frage nach der Identifizierung der Hände als menschliche oder göttliche Hände offen lässt: entweder stellen die Votivgaben die Segen erbittende Hand des Gläubigen dar oder sie verkörpern die Segen bringende Hand des Gottes, der neben seiner Funktion als Reichsgott auch als Helfer bei privaten Sorgen in Erscheinung trat.76 Eng verwandt mit Jupiter Dolichenus ist Heliopolitanus, der Wettergott von Baalbek.77 Hinter Heliopolitanus verbirgt sich in Wirklichkeit die syrische Naturgottheit Baal-Hadad, die durch immer wiederkehrende Gewitter die fruchtbringende Wasserzufuhr in der Region sicherstellt.78 Wie andere orientalische Gottheiten schwingt auch der mit Jupiter identifizierte Heliopolitanus in Kampfstellung in seiner rechten Hand als Symbol des Blitzes eine Peitsche.79 Auch mit seinem Kult werden bronzene Votivhände verbunden, die als Charakteristikum eine leicht nach innen gewölbte rechte Hand, die Finger ausgestreckt und nur wenig gespreizt, aufweisen.80 Da der Gott infolge seiner Funktion als Spender von Regen generell als Gunst und Rettung spendender Gott wahrgenommen wurde, seine Anhänger folglich von ihm Schutz verlangten, dürften die Votivhände in ihrer Bedeutung und Bestimmung den Händen des Dolichenus im wesentlichen entsprochen haben.81 Von der rechten Hand des Heliopolitanus erwartete man Heil bringende Gaben, von ihr ging die Segen spendende Macht der Gottheit aus, sie verkörperte die positive Wirksamkeit des Heliopolitanus. Das Symbol der Gotteshand ist hauptsächlich durch Händler und römische Legionäre in das römische Reich und seine Provinzen 72 Daneben finden sich Hände, die mit Daumen und Zeigefinger einen Globus halten, auf dem einst eine Viktoria angebracht war. Vgl. Hörig/Schwertheim, CCID, 62, Nr. 70, Taf. 20; 114f., Nr. 171, Taf. 32; 118f., Nr. 181, Taf. 34. 73 Zum Beispiel bei Hörig/Schwertheim, CCID, 118f., Nr. 181, Taf. 34; 170, Nr. 262, Taf. 49. 74 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 398. 75 Vgl. Merlat, Jupiter Dolichenus, 182. 76 Vgl. Schwertheim, Iupiter Dolichenus, 198. 202. 77 Zu Heliopolitanus vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, in: Vermaseren (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, 213–240; speziell zu den Votivhänden vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 400; Kötzsche, Hand, Sp. 410f. 78 Vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, 213. 79 Vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, 217f. 80 Vgl. Kötzsche, Hand, Sp. 410. 81 Vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, 230; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 400.

124

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

getragen worden.82 Ähnlich wie bei den Votivhänden des Sabazios und Dolichenus tauchen die meisten Zeugnisse des Kultes in Grenzregionen auf: in Gebieten, wo eine große Anzahl von Soldaten, aber auch Privatleute für die Sicherheit des Reiches verantwortlich waren, die bei ihren Aufgaben anscheinend der Heil bringenden Kraft der Gottheit vertrauten.83 Belege für die Darstellung der rechten Gotteshand finden sich nicht nur in den militärisch besetzten Grenzprovinzen, sondern liegen auch in den stark romanisierten Provinzen der westlichen Reichshälfte vor. Ein illustratives Beispiel bietet eine 1876 in der nordwestspanischen Stadt Quintilla de Somoza gefundene Reliefplatte mit der Inschrift Ei|~ Zeu;~ / [ei|]~ Sevrapi~ / ∆Iawv (siehe Abb. 7).84 Datiert wurde die Inschrift mit der henotheistischen Formel in das 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr.85 Auf der nicht unweit der antiken Hauptstadt der Asturer, Asturica Augusta, entdeckten Platte für Zeus Serapis und Iao befindet sich im Zentrum eine geöffnete rechte Hand mit ausgestreckten und leicht auseinander stehenden Fingern. Auf der Handwurzel ist mit dem Namen ∆Iaw die dritte Zeile der Inschrift zu lesen. Die Hand ist umgeben von architektonischen Elementen, die wahrscheinlich einen Tempel repräsentieren: sie wird von zwei Säulen flankiert und bekrönt von einem dreieckigen Giebelfeld mit den ersten zwei Zeilen der Inschrift Ei|~ Zeu;~ / [ei|]~ Sevrapi~. Links und rechts von dem Giebeldreieck sind zwei Scheiben zu erkennen, die als astrale Attribute gedeutet wurden.86 Da die henotheistische Formel Zeus Serapis auch auf magischen Amuletten und Zauberpapyri vorkommt, hält Paz de Hoz die Reliefplatte nicht nur für ein Indiz eines henotheistischen Kultes, sondern bringt sie zugleich mit einer magischen Funktion in Zusammenhang.87 Auch der Name Iao lässt nach Paz de Hoz einen eindeutigen Bezug zur Magie erkennen: Der Name Iao, der auf magischen Objekten, insbesondere auf Amuletten, und in Zauberpapyri angerufen wird, bezeichne eine übernatürliche magische Kraft und sei keinesfalls mit der jüdischen Gottheit 82 Dennoch beschränkte sich der Kult keinesfalls nur auf Soldaten, sondern war auch in der Zivilbevölkerung durchaus verbreitet. Vgl. dazu und den Gründen der Beliebtheit des Kultes im römischen Militär Speidel, The Religion of Jupiter Dolichenus in the Roman Army, Leiden 1973, 38–45. 76f.; Kötzsche, Hand, Sp. 418. 83 Viele Zeugnisse finden sich ferner in Rom und in den großen Wirtschaftszentren Italiens wie Aquileia, Puetoli und Ostia. Zur Verbreitung des Kultes vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, 233. 84 Vgl. Paz de Hoz, Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, in: ZPE 118, 1997, 227–230; Perea/Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao: su relación con la magia y con la teología oracular del Apolo de Klaros, in: Paci (Hrsg.), Epigraphai. Miscellanea epigrafica in onore di Lidio Gasperini, Roma 2000, 711–736; Merkelbach, Isis Regina – Zeus Serapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt, Stuttgart/Leipzig 1995, 78. Ältere Studien zum Relief und zur Inschrift sind aufgeführt bei Perea/ Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao, 711f. Anm. 1. 85 Zur Datierung siehe Paz de Hoz, Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, 227; Perea/Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao, 736. 86 Vgl. Perea/Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao, 714. 87 Vgl Paz de Hoz, Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, 227f.; siehe zum magischen Bezug von Zeus und Serapis auch Perae/Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao, 718.

4.2. Die rechte Hand

125

Jahwe zu identifizieren88, wie dies beispielsweise Perea, Montero oder Vidmann vorschlugen.89 Das Symbol der offenen rechten Hand sei eine typisch orientalische Kultgeste, mit der die Kultanhänger ihre Verehrung gegenüber den Gottheiten Zeus Serapis und Iao zum Ausdruck bringen würden.90 Zugleich erhoffte man sich von der rechten Gotteshand Schutz und Beistand; Schutz im Sinne einer apotropäischen Abwehr. Folglich liegt hier nicht nur ein weiteres Beispiel für die Präsenz orientalischer Gottheiten in Hispanien vor. Vielmehr ist die Reliefplatte auch ein Zeugnis für die Anwendung apotropäischer Praktiken auf der Grundlage einer henotheistischen Verehrung. Die symbolhafte Verehrung rechter Gotteshände beschränkte sich allerdings nicht nur auf Soldaten, Händler, Provinziale und Privatleute. Vielmehr nahm die Gotteshand auch im römischen Staatskult der severischen Kaiser in Form der erhobenen Rechten des Sol Invictus einen besonderen Platz ein. 91 Obgleich die Verehrung von Sol in Rom schon zu früheren Zeiten bekannt gewesen war92, machten erst die Severer, insbesondere Elagabal, Sol zu einer der Hauptgottheiten des Reiches.93 Anschauliche Belege dafür bieten die vorwiegend seit Septimius Severus zahlreich geprägten Münzbilder mit der so charakteristischen Haltung der erhobenen Rechten: Der nach oben gerichtete rechte Arm ist im Ellbogen scharf abgewinkelt, die rechte Handfläche dabei nach außen gewandt.94 Die Haltung gehört so sehr zum Bild des Gottes, dass er sie sogar auf Abbildungen, die ihn als Lenker des Viergespanns zeigen, ohne Rücksicht auf das Halten der Zügel beibehält.95

88 Vgl. Paz de Hoz, Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, 229. 89 Vgl. Perea/Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao, 718–736. Beide identifizieren Iao mit Jahwe und gehen von einer aus den Universalgottheiten Zeus, Serapis und Jahwe bestehende Trinität aus, die auch in einem Orakeltext des Apollo von Klaros vorkommen würde; Vidmann, Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studien zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes, Berlin 1970, 154 ist in seiner Interpretation vorsichtiger: Zwar sei bei dem in magischen Texten bezeugten Wort Iao ein hebräischer Einfluss nicht auszuschließen, das Wort Iao bezeichne deswegen aber nicht immer direkt den hebräischen Gott Jahwe. Für die Inschrift aus Quintilla bestünde daher nur die Möglichkeit, Zeus Serapis mit Jahwe zu identifizieren. Vgl. zur Identifizierung von Jahwe mit Sarapis in Alexandria Merkelbach, Isis Regina – Zeus Serapis, 78. 90 Vgl. Paz de Hoz, Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, 229; Perea/Montero, La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao, 723. 91 Zu Sol Invictus vgl. Halsberghe, The Cult of Sol Invictus, Leiden 1972; Halsberghe, Le culte de Deus Sol Invictus à Rome au 3e siècle après J. C., ANRW II, 17, 4, 1984, 2181–2201; zur rechten Hand als Symbol des Sol Invictus vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 402f. 92 Vgl. Halsberghe, The Cult of Sol Invictus, 26. 44. 93 Vgl. Latte, Römische Religionsgeschichte, 349f.; zur Religionspolitik des Elagabal vgl. Frey, Untersuchungen zur Religion und Religionspolitik des Kaisers Elagabal, Stuttgart 1989. 94 L’Orange, Studies on the Iconography of cosmic Kingship in the Ancient World, Oslo 1953, 149, Fig. 106d-j. 95 L’Orange, Studies on the Iconography of cosmic Kingship in the Ancient World, 149, Fig. 106k.

126

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Abschließend soll noch die Bedeutung der Rechten in den Texten des Alten und Neuen Testaments marginal gestreift werden.96 Obgleich in der Genesis nicht explizit von der rechten Hand Gottes, sondern von seinen Händen allgemein die Rede ist, finden sich in anderen Schriften des Alten Testaments zahlreiche Belege für das Wirken der Rechten Jahwes.97 Im Neuen Testament erwartet man von der Rechten Gottes, die fast ausschließlich die Macht des Gottvaters meint, Hilfe, Schutz und Heil.98 Christus ist die Rechte des Vaters, dessen Wirken sich in der rechten Hand Jesu offenbart; er sitzt zur Rechten Gottes.99 Das umfangreiche Panorama über die facettenreichen Formen und Funktionen der rechten Hand einer Gottheit hat den Stellenwert dieses Körperteils in den anthropomorphen Gottesvorstellungen in der griechischen und römischen Welt klar vor Augen geführt. Infolge der positiven Konnotation von rechts und der rechten Hand des Menschen verwendeten Griechen wie Römer die Rechte als zentrales Symbol von göttlicher Macht und Wirkkraft: von der rechten Hand kann Strafe ausgehen, aber vor allem auch Heil und Segen. Gerade um dieses in Heilung und Strafe zum Ausdruck kommende aktive Wirken der Gottheit zu verkörpern, erschien die rechte Hand als bedeutsamstes Glied für menschliche Tätigkeiten so prädestiniert wie kaum ein anderes göttliches Symbol. Dass die Nutzung dieses Symbolpotenzials der rechten Hand weite Verbreitung fand, hat vor allem das Auftauchen der orientalischen Votivhände im Zuge der mit dem 1. Jahrhundert im römischen Reich einsetzenden Ausbreitung orientalischer Religionen in den römischen Provinzen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die reichsweite Akzeptanz rechter Votivhände zeigt zugleich, wie fest die Bedeutung der rechten Hand als essentielles Instrument für das tägliche Leben im Bewusstsein der Menschen verankert war. Die zahlreichen Einsatzmöglichkeiten der Hand, insbesondere der rechten, wurden allem Anschein nach in der antiken Welt viel bewusster wahrgenommen als dies in unserer heutigen Welt mit ihren technologischen Errungenschaften der Fall ist. 4.2.2. Die rechte Hand der Fides Als zentrale Norm im römischen Leben, die alle Arten von Abhängigkeits- und Loyalitätsverhältnissen regulierte, erfuhr auch fides im Zuge der Personifizierung römischer Wertebegriffe göttliche Verehrung.100 Zwar ist der Kult der Göttin Fides, 96 Vgl. dazu ausführlich Groß, Menschenhand und Gotteshand, 342–351. 418–421; Kötzsche, Hand, Sp. 419–445; Deitmaring, Die Bedeutung von rechts und links in theologischen und literarischen Texten bis um 1200, 265–292. 97 Belege bei Groß, Menschenhand und Gotteshand, 346f. 98 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 418–440. 99 Zur positiven Konnotation der rechten Seite im Christentum siehe ausführlich Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 59–63. 100 Zur Fides vgl. Piccaluga, Fides nella religione romana di età imperiale, ANRW II, 17, 2, 1981, 703–735; Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II. Texte – Bilder – Interpretationen, Bamberg 2000, 50–84; Hölkeskamp, Fides – deditio in fidem – dextra data et accepta: Recht, Religion und Ritual in Rom, in: Bruun (Hrsg.), The Roman Middle Republic, Politics, Reli-

4.2. Die rechte Hand

127

die dem Vertragspartner die Garantie für die Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung gibt, in Rom seit der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. bezeugt (um 250 v. Chr. erbaute Aulus Attilius Calatinus als erster der Göttin ein Heiligtum101), doch um zu betonen, dass fides schon immer eine zentrale Verhaltensnorm im privaten wie öffentlichen Leben der Römer bildete, wurden die Anfänge des Kultes der Legende nach bis auf die Königszeit des Numa zurückdatiert.102 In dieser Legende findet auch die rechte Hand der Gottheit Erwähnung, denn laut Livius vollzogen die Priester der Fides am 1. Oktober, dem jedes Jahr mit einem Fest begangenen Stiftungstag des Tempels, auf folgende Weise ihr Opfer: „Zu ihrem Heiligtum ließ er die Flamines auf einem zweispännigen Planwagen fahren und, die Hand bis zu den Fingern eingewickelt, das Opfer vollziehen; damit sollten sie dartun, dass die Treue in der rechten Hand etwas Heiliges sei.“103 Die rechte Hand galt als heilig. Sie verkörpert die fides im Menschen und wird damit sowohl zum Sitz als auch zum Symbol der Gottheit Fides. Der Brauch der verhüllten Hand verweist darauf, dass die Treue geschützt werden muss.104 Obgleich der ursprüngliche Grund für diesen Ritus trotz der plausibel anmutenden Interpretation des Livius nicht mehr eindeutig bestimmt werden kann, so wird jedenfalls der enge Bezug zwischen der rechten Hand und der Göttin Fides klar ersichtlich: In sämtlichen Vertragsverhältnissen, also überall dort, wo das Wirken der Fides notwendig ist, fungiert die rechte Hand in Form von Eid oder Handschlag als rituelle Geste, um dem geleisteten Versprechen seine Geltung zu verschaffen.105 Gerade in der Symbolhandlung der iunctio dextrarum wird das Gebundensein durch Fides im wahrsten Sinne des Wortes greifbar. Erst durch den Einsatz der rechten Hand wird das eingegangene Treueverhältnis aktiviert, wird die getroffene Vereinbarung wirkungsvoll. Treffend markiert Valerius Maximus die Rolle der Rechten der Göttin als „das sicherste Unterpfand

101

102

103

104

105

gion, and Historiography c. 400 – 133 B.C. Papers from a Conference at the Institutum Romanum Finlandiae. September 11 – 12, 1998, Rom 2000, 223–250; Nörr, Die Fides im römischen Völkerrecht, Heidelberg 1991; Classen, Virtutes Romanorum. Römische Tradition und griechischer Einfluss, in: Gymnasium 95, 1988, 290–302; weitere Literatur bei Schiemann, Fides, DNP 4, Sp. 506–509. Cic. Nat. deorum 2, 61; Cic. Off. 3, 104; ein späterer Tempel der Fides auf dem Kapitol wurde von Marcus Aemilius Scaurus geweiht. Zu diesem Tempel der Fides vgl. Reusser, Der FidesTempel auf dem Kapitol in Rom und seine Ausstattung, Rom 1993. Liv. 1, 21, 4; Dion. Hal. Ant. 2, 75, 3; Plut. Numa 16, 1; dass es sich bei Fides um eine uralte Gottheit handelt, klingt auch bei Silius Italicus an. Vgl. Sil. 1, 329f.; Sil. 2, 484; nach einer anderen Version sei der Kult sogar schon von der Aeneas-Enkelin Rhome auf dem Platz des künftigen Rom gegründet worden. Vgl. Fest. (Lindsay), p. 328, s.v. Romam; zu den verschiedenen Gründungsmythen vgl. Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II, 52f.; Hölkeskamp, Fides, 228–230. Liv. 1, 21, 4: Et Fidei sollemne instituit; ad id sacrarium flamines bigis curru arcuato vehi iussit manuque ad digitos usque involuta rem divinam facere, significantes fidem tutandum sedemque eius etiam in dexteris sacratam esse; vgl. dazu Hölkeskamp, Fides, 228. Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 173f.; dagegen erklärt Serv. Aen. 1, 292 das Verhüllen der Hand als Schutz des Heiligen vor dem Profanen. Vgl. dazu Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II, 53. Vgl. Hölkeskamp, Fides, 231f.

128

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

des menschlichen Heils.“106 Mit der Verwendung der Rechten tritt zugleich das Wirken der Göttin Fides in Erscheinung. Die Gottheit ist nicht nur als Zeugin anwesend, sondern offenbart auch ihr Wirken in Form der als Schwurhand fungierenden Rechten. Auf die Präsenz und die Wirkkraft der Fides war vor allem die römische Armee angewiesen. Die göttliche Gegenwart der Fides manifestiert sich im Militär beispielsweise beim Fahneneid, der vor den prestigeträchtigen Feldzeichen gesprochen wurde.107 Kaiserzeitliche Münzen zeigen die Gottheit in Gestalt einer jungen Frau, die in ihren Händen die Feldzeichen hält.108 Um an ihre Anwesenheit beim Fahneneid zu erinnern, tritt die Göttin in Form der mit ihr bei Schwur und Handschlag assoziierten Rechten auch auf den Feldzeichen selbst auf: Seit dem Ausgang der Republik und in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit erscheint eine aufgerichtete gerade ausgestreckte rechte Hand mit abgewinkeltem Daumen aus Holz oder Bronze auf der Spitze römischer Feldzeichen.109 Da die Feldzeichen aber nicht nur beim Fahneneid präsent waren, sondern als ständige Begleiter der Soldaten fungierten, erfüllte die geöffnete Rechte gleichsam die Funktion, an die permanente göttliche Anwesenheit der Göttin Fides zu erinnern, deren Wohlwollen man nur durch die bedingungslose Treue gegenüber dem Feldherrn gewinnen konnte.110 Die Darstellung von Feldzeichen mit erhobener Rechten findet sich in der Monumentalkunst, an Triumphbögen und -säulen, sowie auf Grabdenkmälern, ferner auf Münzen und in der Kleinkunst.111 Frühestes bekanntes Beispiel für ein derartiges Feldzeichen ist ein in Pompeji gefundener und mit einem Relief verzierter Gladiatorenhelm, auf dem ein kniender Soldat zur Rechten der Göttin Roma sein mit der rechten Hand bestücktes Feldzeichen stützt.112 Die Verbindung der Fides zum Heer bringt auch ein Denar Trajans treffend zum Ausdruck: Der Kaiser im Priestergewand reicht über einem Altar einem Soldaten, der von drei Kameraden begleitet ist, die Rechte. Einer der Soldaten trägt den Legionsadler, ein anderer das Signum mit der Hand an der Spitze des Schaftes, dessen Symbolgehalt anhand der Münzlegende unmissverständlich gedeutet werden kann: Fides exercit(uum).113

106 Val. Max. 6, 6 praef.: (…) certissimum salutis humanae pignus; weitere Belege bei Hölkeskamp, Fides, 228 Anm. 24. 107 Vgl. Seston, Feldzeichen, RAC 7, Sp. 703. 108 Vgl. Nash, Fides, LIMC 4, 1, 134f., Nr. 4–20; 135, Nr. 24. 109 Vgl. Seston, Feldzeichen, Sp. 702f.; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 390. 110 Vgl. Seston, Feldzeichen, Sp. 703; zur Bedeutung der Feldzeichen, die auch religiös verehrt wurden, vgl. Stoll, The Religions of the Armies, in: Erdkamp (Hrsg.), A Companion to the Roman Army, Oxford 2007, 457f. 111 Eine Zusammenstellung bietet von Petrikovits, Sacramentum, in: Hartley/Wacher (Hrsg.), Rome and her Northern Provinces. Papers presented to Sheppard Frere in Honour of his Retirement from the Chair of Archaeology of the Roman Empire, University of Oxford 1983, Alan Sutton 1983, 179–201. 112 Petrikovits, Sacramentum, 183, Pl. 5. 113 Vgl. Strack, Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts. Teil 1. Die Reichsprägung des Traian, Stuttgart 1931, 82f., Taf. IV, 310.

4.2. Die rechte Hand

129

Die Beziehung der rechten Hand zur Göttin Fides scheint sich auch im römischen Münzbild der iunctio dextrarum widerzuspiegeln.114 Zwei einzelne rechte Hände sind durch Handschlag miteinander verbunden. Inwieweit das Symbol der verbundenen Hände nur als allgemeiner Appell zur Treue aufgefasst werden kann oder zugleich eine Assoziation mit der beim Handschlag anwesend gedachten Göttin Fides hervorrief, lässt sich auf den ersten Blick nur schwerlich beantworten. Angesichts des stark ausgeprägten religiösen Empfindens der Römer liegt allerdings die Vermutung nahe, dass in den meisten Fällen auch die iunctio dextrarum als Versinnbildlichung der Gottheit Fides wahrgenommen wurde, zumal in der frühen Kaiserzeit auch Münztypen kursierten, die die Göttin auf dem Revers in menschlicher Gestalt zeigten und wie beim iunctio dextrarum-Typus mit der Legende Fides Publica versehen waren.115 Die Münzlegende verbunden mit der Göttin mag daher wohl auch dazu beigetragen haben, das Symbol der iunctio dextrarum infolge der dort angebrachten identischen Beischrift mit der Gottheit in Verbindung zu bringen. Ferner kommt hinzu, dass auch der auf dem Kapitol erbaute Tempel der Gottheit den Quellen zufolge den offiziellen Namen aedes Fidei Publicae oder aedes Fidei populi Romani trug, folglich die Fides Publica durchaus als göttliche Wirkkraft wahrgenommen werden konnte. 116 Da bei dem Handschlag zugleich die Vorstellung von Verbundenheit, Verpflichtung, Eintracht und friedlichem Einvernehmen mitschwingt, taucht das Motiv vorwiegend auf Münzen aus der Zeit der späten Republik auch in Verbindung mit Pietas, Pax und insbesondere zur Zeit Nervas mit Concordia auf.117 Die Ausweitung des Symbols auf Concordia und ähnliche Wertebegriffe änderte jedoch nichts an der ursprünglichen Beziehung der rechten Hand zur Fides.118 Vielmehr stellen Concordia, Pax und Pietas die Entfaltungen einer auf Fides basierenden Grundhaltung dar.119 Insofern scheinen die Münztypen dem Betrachter suggerieren zu wollen, dass Fides, symbolisiert in Form der iunctio dextrarum, die Bedingung zur erstrebens114 Zur iunctio dextrarum auf Münzen vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 391–393; Kötzsche, Hand, Sp. 456–458; zu Münzdarstellungen, auf denen zwei Personen die Rechte einander reichen, siehe Hölkeskamp, Fides, 242f. 115 Münzen mit der iunctio dextrarum mit der Legende Fides Publica: Mattingly, BMC, 2, 202, Nr. 811; 266, Nr. 208; 277, Nr. 251; Münzen mit der Darstellung der Göttin Fides und der Legende Fides Publica: Mattingly, BMC, 2, 373, Nr. 348; 374, Nr. 353; 377, Nr. 363; Fides Publica bedeutet vor allem die Zusage freien Geleits, Straffreiheit und persönliche Sicherheit. In der Geschäfts- und Rechtssprache bezeichnet Fides Publica eine Bürgschaft, einen Kredit oder die Glaubwürdigkeit eines Zeugen. Vgl. Hölkeskamp, Fides, 230. 116 CIL 10, 769: aedes Fidei populi Romani in Capitolio; vgl. dazu Thome, Zentrale Wertevorstellungen der Römer II, 55. 117 Späte Republik: Crawford, RRC, 466, Nr. 450/2; 491, Nr. 480/24; 532, Nr. 529/4a u. 4b; Nerva: Robertson, Roman Imperial Coins, 1, 332, Nr. 2f.; 334; Nr. 12f. 118 Groß, Menschenhand und Gotteshand, 392. 119 Vgl. Hölkeskamp, Fides, 227f.; vgl. zur Pietas und Pax Thome, Zentrale Wertevorstellungen der Römer II, 29–49. 85–116; Muth, Vom Wesen römischer religio, 338–342; Wagenvoort, Pietas, in: Wagenvoort (Hrsg.), Pietas. Selected Studies in Roman Religion, Leiden 1980, 1–20; zur Concordia, Thome, Zentrale Wertevorstellungen der Römer I, Bamberg2 2002, 120–122; Aust, Concordia (Nr. 5), RE 4, 1, Sp. 831–835; Hölscher, Homonoia/Concordia, LIMC 5, 1, 478–498.

130

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

werten Concordia oder Pietas darstellt. Der Zusammenhang zwischen Fides und Concordia wird beispielsweise an einem Denar aus dem Vierkaiserjahr spürbar: Die Vorderseite zeigt ein Handpaar mit der Beischrift Fides exercituum, während die Rückseite die mit Fides verwandte Göttin Concordia in Gestalt einer stehenden jungen Frau darstellt, die einen Zweig in ihrer Rechten und das Füllhorn in ihrer Linken hält.120 Verschafft man sich einen historischen Überblick über die Verwendung des iunctio dextrarum-Münztypus, so stellt man fest, dass das Handpaar als Sinnbild politischer Einheit zum ersten Mal in der Krisenzeit der späten Republik seine Anwendung fand. Die frühesten augusteischen Prägungen zeigen dabei vorrangig die dextrarum iunctio auf dem Revers ohne zusätzliche Beischrift, auf dem Avers die Köpfe der Triumvirn, so dass die Bedeutung der Handpaare als Zeichen gegenseitigen Vertrauens in den Vordergrund gerückt ist121, um beispielsweise auf die Wiederversöhnung von Octavian und Antonius in Brundisium im Jahr 40 v. Chr. aufmerksam zu machen.122 In der Kaiserzeit ist das Symbol der verschränkten Hände mit an Einheit, Treue oder Frieden appellierenden Umschriften besonders häufig auf Münzen der Zeit des Vierkaiserjahres anzutreffen und findet sich beispielsweise häufig auf den Münzen des Vitellius, die oftmals an die Fides exercituum erinnern. Auch im Münzprogramm der Flavier nimmt das Symbol der Fides eine wichtige Stelle ein, wobei im Gegensatz zur Fides exercituum die Beischrift Fides Publica dominiert.123 Gebündelt lassen sich die Aspekte folgendermaßen zusammenfassen: Als Symbol der Gottheit Fides findet sich die rechte Hand sowohl als ausgestreckte Schwurhand auf Feldzeichen als auch in Form der iunctio dextrarum auf Münzen und steht dabei für die Treue und Zuverlässigkeit, die Vertragspartner sich per Handschlag signalisieren oder die der einzelne beim Eid durch Erheben der rechten Hand zum Ausdruck bringt. Da sich die Göttin Fides in der rechten Hand offenbart, folglich die Vertragsbindung auch an die göttliche Sphäre verknüpft worden ist, wird ein Verstoß der getroffenen Vereinbarung auch zu einem Vergehen gegenüber der als Zeugin präsenten Gottheit, deren Wirkkraft am Ende des Vertragsabschlusses in Form der mit der rechten Hand vollzogenen Geste aktiviert wird. Die rechte Hand der Fides dient also primär dazu, beide Partner zur Einhaltung ihres getroffenen Vertrages zu disziplinieren, da sonst die ira deorum droht.124

120 Mattingly, BMC, 1, 305, Nr. 61. 121 Crawford, RRC, 504, Nr. 494/10–12; vgl. dazu Hölscher, Die Geschichtsauffassung in der Römischen Repräsentationskunst, in: JDAI 95, 1980, 278. 301–304. 122 Crawford, RRC, 532, Nr. 529/4b. 123 Vitellius: Mattingly, BMC, 1, 368, Nr. 2; 386, Nr. 86; 389, Nr. 103; 391, Nr. 113; Robertson, Roman Imperial Coins, 1, 175, Nr. 2; 182, Nr. 35–38; Vespasian: Mattingly, BMC, 2, 130, Nr. 603; 202, Nr. 811; der Münztyp wurde auch unter Titus geprägt: Mattingly, BMC, 2, 266, Nr. 208; 277, Nr. 251; dagegen griff Domitian zwar auch auf die Münzlegende Fides Publica zurück, verwendete jedoch nicht das Handpaar als Symbol der Gottheit Fides, sondern ließ Fides als junge Göttin darstellen. Siehe Mattingly, BMC, 2, 373, Nr. 348; 374, Nr. 353; 377, Nr. 363. 124 Die dahinter stehende Funktion der Divinisierung römischer Wertebegriffe wie Fides betont

4.2. Die rechte Hand

131

Die beiden mit der Gottheit Fides verbundenen Symbole appellieren daher an das auf Treueverhältnissen basierende Wohlergehen des römischen Staates: Loyalität und Eintracht innerhalb des zivilen und militärischen Bereichs des Imperium Romanum wurden als die Grundlagen für das Einvernehmen zwischen Herrscher, Senat und Bürgerschaft und als damit zusammenhängenden Garant für Frieden angesehen. Die rechte Hand der Fides avancierte zum römischen Symbol für Treue und Zuverlässigkeit, das den Glauben an ihre göttliche Gegenwart im privaten, militärischen und öffentlichen Leben Roms zum Ausdruck brachte.125 4.2.3. Handschlag Wie tief verwurzelt der Handschlag mit der Rechten als Zeichen von Vertrautheit und Freundschaft im Leben der Griechen und Römer war, verdeutlichen bereits auf sprachlicher Ebene die eng mit der rechten Hand in Verbindung stehenden Ausdrücke für „sich die Hand reichen“ wie dexiovomai, dextras dare, dextras iungere oder dextras prehendere.126 Als Geste inniger Verbundenheit zweier Menschen kommt der Handschlag mit der Rechten in der griechischen und römischen Welt zunächst bei der Begrüßung engster Vertrauter wie Familienangehörigen oder Freunden zur Anwendung.127 Um seine Gastfreundschaft bei der ersten Begegnung zum Ausdruck zu bringen, reicht König Anius Aeneas zur Begrüßung seine rechte Hand.128 Auch beim Abschied auf lange Zeit oder in Erwartung des Todes gab man sich die Hand.129 Im Augenblick des Abschieds fungiert die Handreichung als Zeichen innerer Verbundenheit, mit der beide Menschen einander signalisieren, dass ihre Verbundenheit auch über die Trennung hinaus von Bestand sein wird. In dieser Funktion taucht die Dexiosis auf Kriegerabschiedsszenen griechischer Vasen des 6. und 5. Jahrhunderts v. Chr. auf.130 Auf griechischen Grabreliefs der Klassischen Zeit

125 126

127

128 129

130

auch Cicero. Cic. Nat. deorum 2, 61: (…) quarum omnium rerum quia vis erat tanta, ut sine deo regi non posset, ipsa res deorum nomen optinuit. Vgl. Hölkeskamp, Fides, 230. Vgl. s.v. dexiovomai, Liddell-Scott, 379; vgl. s.v. dext(e)ra, OLD, 535; zum Handschlag bei Griechen und Römern vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 230–234; Kötting, dextrarum iunctio, RAC 3, Sp. 881–885; Sittl, Die Gebärden der Griechen und Römer, Leipzig 1890, 27–31; Neumann, Gesten und Gebärden in der griechischen Kunst, Berlin 1965, 49–58. Hom. Il. 10, 542; Hom. Od. 21, 141; Eur. Med. 1070; Plaut. Curc. 337; Verg. Aen. 1, 408; Verg. Aen. 6, 697; Sittl, Gebärden, 28; Kötting, dextrarum iunctio, Sp. 881; als weitere Grußgeste existierte auch das bloße Erheben der rechten Hand. Belege in der griechischen Vasenmalerei bei Neumann, Gesten und Gebärden, 41–46. Manchmal reichte sogar der erhobene Zeigefinger, der so genannte digitus salutaris, als einfache Grußgeste aus. Siehe Suet. Div. Aug. 80. Verg. Aen. 3, 83: iungimus hospitio dextras (…). Verg. Aen. 8, 558; vor dem Tod: Eur. Alc. 193; Plut. Themistocles 31, 5; Plut. Brut. 52, 2; vgl. Sittl, Gebärden, 28; Neumann, Gesten und Gebärden, 54–57. Auch bei den Persern belegt: Xen. Cyr. 3, 2, 14; Xen. Cyr. 8, 7, 26. Vgl. Spieß, Der Kriegerabschied auf attischen Vasen der archaischen Zeit, Frankfurt am Main 1992, 170f.

132

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

findet sich das Motiv als flexibel deutbare Geste des letzten Lebewohls, der familiären Verbundenheit und Zusammengehörigkeit.131 Die dextrarum iunctio zwischen Mann und Frau ist in der römischen Eheschließung als Ausdruck ehelicher fides und concordia auf zahlreichen Darstellungen anzutreffen.132 Inwiefern die dextrarum iunctio eine übliche Hochzeitsgeste war, lässt sich angesichts der schlechten Quellenlage nicht mehr mit letzter Sicherheit beweisen.133 Daher kann auch nicht zufriedenstellend geklärt werden, ob die Darstellungen des mit ihren Händen verbundenen Ehepaars auf den einmaligen Akt der Eheschließung anspielen oder eher den dauerhaften Zustand des ehelichen Treueverhältnisses repräsentieren wollen. Fest steht allerdings, dass die dextrarum iunctio von Mann und Frau beim Betrachter die Assoziation von einer ehelichen Verbundenheit bewirkte.134 In der römischen Sepulkralkunst werden mit ihren rechten Händen verbundene Ehepaare beispielsweise auf Grabreliefs und auf Sarkophagen dargestellt.135 Auch Münzen zeigen den Kaiser und seine Gattin zur Demonstration ihrer ehelichen Eintracht in dextrarum iunctio verbunden.136 Um an die eingegangene eheliche Bindung symbolhaft zu erinnern, wurden auch Ringe mit dextrarum iunctio angefertigt.137 Auf einem Goldring aus dem Rheinland sind in der Mitte zwei miteinander vereinte rechte Hände zu erkennen.138 Links davon ist der Kopf eines bärtigen Mannes, rechts der Kopf einer Frau dargestellt. Da der Ring auf das 2. Jahrhundert n. Chr. datiert wird, handelt es sich wohl um Marc Aurel und Faustina. Dass der Ehering von einer Frau getragen wurde, geht aus der Beischrift „Sei ihm gegenüber einträchtigen Sinnes“ hervor.139 Hatte die dextrarum iunctio als Bildmotiv ihren festen Platz im Bereich der römischen Ehe, so war der Gestus als Zeichen der Verbundenheit zwischen Mann und Frau innerhalb der griechischen Eheschließung unbekannt.140 Vielmehr zeigen 131 Vgl. Schmaltz, Griechische Grabreliefs, Darmstadt 1983, 206–216; Davies, The Significance of the Handshake Motif in Classical Funerary Art, in: AJA 89, 1985, 629f.; Pemberton, The Dexiosis on Attic Gravestones, in: MedArch 2, 1989, 48. 132 Vgl. Davies, The Significance of the Handshake Motif, 631–635. 638–640; Kötting, dextrarum iunctio, Sp. 883. 133 Vgl. Davies, The Significance of the Handshake Motif, 638f.; Kötting, dextrarum iunctio, Sp. 883; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 204. 134 Vgl. Stupperich, Zur dextrarum iunctio auf frühen römischen Grabreliefs, in: Boreas 6, 1983, 144; Davies, The Significance of the Handshake Motif, 633f. 135 Beispiele für Grabreliefs bei Stupperich, Zur dextrarum iunctio auf frühen römischen Grabreliefs, 143–150; einen Überblick über Sarkophage mit dem Handschlag-Motiv bietet Davies, The Significance of the Handshake Motif, 638f. 136 Belege bei Kötting, dextrarum iunctio, Sp. 883f. 137 Vgl. Henkel, Die römischen Fingerringe der Rheinlande, Berlin 1913, 32, Nr. 222 (Beischrift OMONOIA) = CIL 13, 10024, 114 = Hölscher, Homonoia/Concordia, 491, Nr. 157; Henkel, Die römischen Fingerringe der Rheinlande, 196, Nr. 2217 (Beischrift FIDES) = CIL 13, 10024, 69. 138 Vgl. Henkel, Die römischen Fingerringe der Rheinlande, 13f., Nr. 87 = CIL 13, 10024, 56 = Hölscher, Homonoia/Concordia, 491, Nr. 152. 139 CIL 13, 10024, 56: Sit in eum concordi (animo). 140 Vgl. Kötting, dextrarum iunctio, Sp. 883; der Handschlag existierte bei der griechischen Eheschließung vermutlich zwischen den jeweiligen Vertragspartnern, d. h. der Vormund der Braut

4.2. Die rechte Hand

133

griechische Hochzeitsszenen auf Vasen und Reliefs den Griff des Mannes um das Handgelenk der Frau.141 Folglich steht hier das Besitzergreifen des Mannes über die Ehefrau im Vordergrund.142 Im griechischen Hochzeitsmilieu spielt der Handschlag nur beim Vertragsabschluss zwischen dem Vater der Braut und dem Bräutigam eine Rolle.143 Eine rotfigurige attische Amphore zeigt beispielsweise den Vater der Braut, der seinem Abkommen mit seinem künftigen Schwiegersohn durch einen Handschlag Anerkennung verleiht.144 Bei den Griechen bestand die Möglichkeit, den Handschlag auch mit einer Eidesleistung zu kombinieren.145 Euripides lässt Helena gegenüber Menelaos schwören, dass sie keines anderen Mannes Frau sei, und beseitigt so den Zweifel ihres Gatten.146 Beide besiegeln ihre Einigung mit einem Handschlag. Das Hinzufügen der Handreichung als eindeutiges Zeichen von Verbundenheit erfüllte die Funktion, dem gesprochenen Eid mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Indem sich beide Vertragspartner berührten, brachten sie ihr gegenseitiges Vertrauen zum Ausdruck und zeigten zugleich ihre mit dem Eid eingegangene Bindung an. Daneben fungiert der Handschlag aber auch als eigenständiges Symbol zur Versicherung der Treue, Zuverlässigkeit oder einer wahrheitsgemäßen Aussage.147 In dieser Eigenschaft erfreute sich der Handschlag nicht nur bei den Griechen und Römern, sondern vor allem bei den Persern großer Beliebtheit. Wie sehr der Glauben an Treue und Ehrlichkeit an die Geste des Handschlags geknüpft war, veranschaulicht die Antwort des Kyros auf die Frage des Gobryas: „Wenn Du es wirklich ehrlich meinst, gebe ich Dir meine rechte Hand und nehme Deine Rechte.“148 In der griechischen und römischen Welt galten die zum Handschlag verbundenen rechten Hände aber nicht nur als Synonym für pivsti~ bzw. fides, sondern avancierten aufgrund ihrer Einbeziehung bei Vertragsabschlüssen auch zum Synonym für Vertrag, Bündnis.149 Beispielsweise bezeichnet Tacitus die vom Partherkönig Artabanus be-

141

142 143 144 145 146 147

148

149

ging einen Ehevertrag mit dem Bräutigam ein. Vgl. dazu Groß, Menschenhand und Gotteshand, 205. Belege bei Oakley/Sinos, The Wedding in Ancient Athens, Wisconsin 1993, Fig. 83–87. 94. 106. 122; siehe auch Neumann, Gesten und Gebärden, 62–66; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 206. Vgl. Oakley/Sinos, The Wedding in Ancient Athens, 32f. Vgl. Oakley/Sinos, The Wedding in Ancient Athens, 9. Vgl. Okaley/Sinos, The Wedding in Ancient Athens, Fig. 1 Hom. Il. 4, 158f. Eur. Hel. 835–838; weitere Belege bei Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 32f. Hom. Il. 2, 341; Hom. Il. 6, 233; Eur. Med. 21; Verg. Aen. 8, 169; Sen. Herc. Fur. 370f.; Handschlagszenen erfreuten sich auch auf Münzen großer Beliebtheit, um an die zwischen zwei Partnern bestehende Treueverpflichtung und Eintracht zu erinnern. Beispiele bei Hölscher, Homonoia/Concordia, 478, Nr. 30; 486, Nr. 91 u. Nr. 92; 487, Nr. 94–99. Nr. 101. Nr. 102. Nr. 105; 488, Nr. 108; 490, Nr. 134–140. Nr. 142–144. Xen. Cyr. 4, 6, 10: ∆Epi; touvtoi~, e[fh, ejgw; ajlhqeuomevnoi~ divdwmiv tev soi th;n ejmh;n kai; lambavnw th;n sh;n dexiavn; zur Bedeutung der rechten Hand bei den Persern vgl. auch Xen. Cyr. 4, 2, 17; Xen. Cyr. 4, 2, 19; Xen. Cyr. 6, 3, 13; Xen. Cyr. 8, 8, 2; Diod. Sic. 16, 43; vgl. Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 25–29. Vgl. s.v. dexiav, Liddell-Scott, 379; vgl. s.v. dext(e)ra, OLD, 535.

134

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

absichtige Erneuerung seines Vertrages mit Rom als renovare dextras.150 Der Handschlag als rechtssymbolischer Akt fand darüber hinaus auch bei zwischenstaatlichen Beziehungen in Form von bildlichen Darstellungen Anklang, um auf diese Weise gegenseitiges Vertrauen und Gastfreundschaft symbolisch zum Ausdruck zu bringen. In Griechenland taucht das Handschlag-Motiv auf Urkundenreliefs zum ersten Mal zu Beginn des letzten Viertels des 5. Jahrhunderts v. Chr. in Athen auf.151 Die bis heute letzte bekannte Urkunde dieser Gattung stammt aus Kreta und wurde ins erste Viertel des 3. Jahrhunderts v. Chr. datiert.152 Von den insgesamt fünfzehn gefundenen Urkundenreliefs, die eine Szene mit Handschlag zeigen, soll exemplarisch die Ehrenurkunde für Dionysios I. von Syrakus aus dem Jahr 394/393 v. Chr. kurz dargestellt werden.153 Das Relief der Urkunde stellt den Handschlag zweier Göttinnen dar. Athena, in der Mitte des Bildes stehend und nach rechts gewandt, ist im Handschlag mit Sikelia vereint, die zwar den Ehrenplatz auf der rechten Seite einnimmt, dafür aber kleiner als Athena erscheint. Anhand der Inschrift lässt sich die Intention der Szene bestimmen: Der als Archon Sikelias bezeichnete Tyrann Dionysios, der mit Sparta sympathisierte, sollte nach dem Seesieg Athens bei Knidos im Jahr 394 v. Chr. für die Seite Athens gewonnen werden. An dieser Stelle wird die Funktion der Dexiosis-Abbildung auf dem Urkundenrelief ersichtlich. Die Dexiosis zielt darauf ab, eine auf lange Zeit bewährte oder für die Zukunft erwartete Verbundenheit darzustellen.154 Dass trotz dieser Darstellungsabsicht die Wirklichkeit oftmals anders aussehen konnte, beweist die weitere Entwicklung der Vertragsbemühungen Athens um Dionysios. Das athenische Unterfangen scheiterte.155 Auch in Rom sind ähnliche Darstellungsformen zur Besiegelung zwischenstaatlicher Allianzen bekannt. Anlässlich des Abschlusses eines hospitium wurden Erkennungsmarken, sogenannte tesserae hospitales, ausgegeben.156 Oftmals handelt es sich dabei um Bronzetafeln, aber auch tesserae hospitales mit der Abbildung oder Form von rechten Händen beziehungsweise zweier verschlungener Rechten

150 Tac. Ann. 2, 58, 1: Inter quae ab rege Parthorum Artabano legati venere. Miserat amicitiam ac foedus memoraturos, et cupere renovari dextras (…); siehe dazu Hölkeskamp, Fides, 235. 151 Vgl. Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 33; Meyer, Die griechischen Urkundenreliefs, Berlin 1989, 141–145. 152 Vgl. Chaniotis, Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit, Stuttgart 1996, 179–181. 153 Meyer, Die griechischen Urkundenreliefs, 88. 142. 276, Relief A 38, Taf. 11, 2; Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 35f. mit weiterer Literatur. 154 Vgl. Meyer, Die griechischen Urkundenreliefs, 145. 155 Vgl. Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 36. 156 Eine Zusammenstellung der Belege für tesserae hospitales bietet Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 155–157; Erkennungsmarken sind auch in Griechenland bekannt. Der Austausch der als symbola bezeichneten Marken gehört in den Kontext des Gastrechts und erweist sich als Spezifikum der athenischen Außenpolitik. Zur Besiegelung der Treue wurden auch Lanzen, pista, ausgetauscht. Erkennungsmarken aus dem griechischen Raum, welche die Form zweier zum Handschlag verbundener Rechten aufweisen, wurden bisher nur einmal gefunden. Eine Marke aus Lilybaion zeigt das Motiv der verschlungenen rechten Hände. Vgl. Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 153–155.

4.2. Die rechte Hand

135

waren gängig.157 Tacitus berichtet von den gallischen Lingonen, sie hätten „nach altem Brauch als Geschenke rechte Hände zum Zeichen der Gastfreundschaft gesandt.“158 Demzufolge symbolisieren derartige Hände beim Rezipienten den guten Willen des Absenders sowie dessen Treue und Zuverlässigkeit als Vertragspartner. Politische Bündnisse konnten symbolhaft durch den Austausch von Erkennungsmarken geschlossen werden, die den infolge der Distanz der Bündnispartner nicht vollziehbaren Handschlag als Vertragsbesiegelung symbolisch kompensierten. In enger Anlehnung an die Konnotation der Handreichung als Zeichen von freundschaftlicher Verbundenheit und Treue wird an die rechte Hand besonders in Bittformeln appelliert. In Euripides’ Tragödie Iphigenie auf Aulis fällt Klytaimnestra Achill Schutz flehend vor die Füße und bittet diesen in ihrer Rede „bei deiner Wange, bei deiner Rechten, bei der Mutter“ um Gehör.159 An die gegebene rechte Hand versucht auch in Plautus’ Amphitruo Jupiter Alcumena zu erinnern: „Bei deiner Rechten, Alcumena, flehe ich dich inständig, verzeihe mir und schenke mir Nachsicht, damit Du nicht zornig bist.“160 Die im Bittgesuch hinzugefügte Formel per dexteram tuam verleiht dem Bittgesuch mehr Bedeutung, da im Rahmen der eigentlichen Bitte zugleich die bereits per Handschlag bestehende Bindung der beiden Personen in Erinnerung gerufen werden soll. Die damit erreichte Verstärkung des Bittinhalts beabsichtigt folglich, die einst symbolisch zum Ausdruck gebrachte Treue und Verbundenheit ins Bewusstsein zu rufen und sogleich aufs Neue zu praktizieren, indem man der Bitte Folge leistet. Der kurze Überblick hat gezeigt, dass der Handschlag die ideale Geste war, um der Verbundenheit zweier Menschen Ausdruck zu verleihen. Je nach Kontext konnte die per Handreichung erzielte Verbundenheit unterschiedliche Assoziationen hervorrufen, deren gemeinsamer Kern ein Treueverhältnis zugrunde liegt: Begrüßung, Abschied, Ehebündnisse und Verträge benötigen den symbolhaften Akt des Handschlags als ausdrucksstärksten Beweis von Treue, Freundschaft, Verlässlichkeit und Vertragsverpflichtung. Markiert bereits die gegenseitige Berührung der Hände Vertrauen, so ist in erster Linie der Einsatz der rechten Hand entscheidend für die positive Wirkung der Geste: angesichts der stark dualistisch ausgeprägten Sichtweise des Menschen kam dafür nur die positiv konnotierte Rechte in Frage, zumal ihre Bedeutung infolge der negativ bewerteten linken Hand um so größer war. Wer folglich beim Handschlag die Rechte reichte, signalisierte allein schon damit unterbewusst dem gegenüberstehenden Partner seine Wertschätzung, da er nicht die linke Hand verwendete.161 157 Vgl. Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 156. 158 Tac. Hist. 1, 54: Miserat civitas Lingonum vetere instituto dona legionibus dextras, hospiti insigne; zur Stelle vgl. ausführlich Knippschild, 157; Gegenstände in Form von rechten Händen lässt das syrische Heer den Prätorianern überbringen. Tac. Hist. 2, 8. Allerdings ist hier die Funktion nicht Gastfreundschaft, sondern dient der Concordia. Vgl. dazu Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 40. 159 Eur. Iph. A. 909: pro;~ geneiavdo~ se, prov~ se dexia`~, prov~ mhtevro~. 160 Plaut. Amph. 923f.: Per dexteram tuam te, Alcumena, oro obsecro, da mihi hanc veniam, ignosce, irata ne sies; siehe auch Plaut. Capt. 442; Plaut. Poen. 417; weitere Belege bei Sittl, Gebärden, 29 Anm. 5. 161 Geschieht dies heute, verlangt das ungewöhnliche Reichen der Linken in der Regel die Recht-

136

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

4.2.4. Eid Der Eid, in seiner Grundform eine feierliche Anrufung Gottes zum Zeugen für die Wahrheit einer Aussage oder zum Bürgen eines Versprechens, erlangt seine Gültigkeit neben dem gesprochenen Wort sowie dem Heranziehen von Zeugen auch durch eine begleitende Ausdrucksbewegung des Körpers.162 Zu den einfachsten Gesten bei der Eidesleistung gehört das Erheben der rechten Hand mit der Absicht, eine himmlische Macht anzurufen.163 Obwohl sich bei Griechen und Römern vorwiegend Zeugnisse finden, in denen der Eid mit beiden erhobenen Händen erfolgte164, zeigt Vergil, dass der Schwur mit der erhobenen Rechten ebenfalls bekannt war. In der Aeneis leistet König Latinus zur Besiegelung des Friedensbündnisses mit Aeneas den Eid, indem er seine rechte Hand zu den Sternen emporhält.165 Auch im politischen Leben Roms, in dem der als ius iurandum bezeichnete Eid im römischen Recht und zum Amtsantritt der Magistrate geleistet werden musste, findet sich ein weiterer Beleg für diese Schwurgeste.166 Cicero bezeugt, dass der junge Augustus zur Legitimation seines Herrschaftsanspruches bei einer Rede in der Volksversammlung seine Rechte nach der Statue seines Großonkels und Adoptivvaters

162 163 164

165 166

fertigung, dass die Linke vom Herzen komme, um den guten Willen der Geste zu versichern. Vgl. Röhrich, s.v. links, Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 2, Freiburg 1992, 968; nur in der Pfadfinderbewegung ist es Sitte, einander mit der linken Hand zu begrüßen. Dieser Brauch geht auf Lord Baden-Powell, den Gründer der Pfadfinderbewegung, zurück: Baden-Powell wurde 1896 von einem besiegten Indianerhäuptling voller Ehrfurcht mit der Linken begrüßt, zum Zeichen dafür, dass er ihn als Mutigsten betrachtete. Siehe dazu Smits, Linkshänder, 58f. Zur Bedeutung der körperlichen Geste als rituelle Handlung beim Eid vgl. Burkert, Kulte des Altertums, 205–212; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 219. Dies zeigt beispielsweise eine Szene aus Plut. Alexander 30, 4, in der Dareios einen Schwur beim großen Lichte des Mithras und der rechten Hand verlangt. Hom. Il. 19, 254; Pi. O. 7, 64f.; Lucan. 1, 387f.; Petron. Sat. 40, 1; zum Erheben der beiden Hände als Schwur- und Gebetsgeste bei Griechen und Römern siehe Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 59–63; nicht unerwähnt soll ein vom Ionischen Koinon geprägter Münztypus bleiben, der die Repräsentanten des Bundes vor einem Tempel mit einer Sitzstatue zeigt. Die Männer erheben je eine Hand zum Tempel hin. Dabei fällt auf, dass die auf der linken Seite stehenden Männer ihre rechte Hand, die auf der rechten Seite dagegen ihre linke Hand erheben. Die Darstellung wurde als Symbol für den geleisteten Schwur für die Gesundheit des Kaisers gedeutet, was die Legende derartiger Münzen explizit erwähnt. Vgl. Knippschild, „Drum bittet zum Bund die Hände“, 60; eine Abbildung der Münze findet sich bei Sittl, Gebärden, 141, Fig. 11. Ob neben dem Eid mit beiden Händen oder nur mit der rechten Hand auch eine Eidesleistung mit der linken Hand existierte, was das Münzbild vermuten lässt, erscheint angesichts der negativen Bewertung der linken Hand höchst unwahrscheinlich. Ebenso sind keine literarischen Zeugnisse für einen nur mit der linken Hand geleisteten Schwur bekannt. Der Grund für diese außergewöhnlich anmutende Darstellung mag daher bildkompositorischer Natur gewesen sein. Verg. Aen. 12, 195f.: Sic prior Aeneas, sequitur deinde Latinus suspiciens caelum, tenditque ad sidera dextram; vgl. auch Verg. Aen. 7, 234; Verg. Aen. 7, 266. Vgl. zum ius iurandum Schiemann, Ius iurandum, DNP 6, Sp. 99f.

4.2. Die rechte Hand

137

Caesar ausgestreckt und mit der Eidesversicherung die Hoffnung ausgedrückt habe, die Ehre seines Vaters zu erlangen.167 Die Belege haben verdeutlicht, dass zur Anrufung der Götter als Zeugen bei dem zu leistenden Eid das Hinzuziehen beider Hände oder der rechten Hand als feierliche Form Verwendung fand. Zur Betonung der bedeutungsvollen Eidesleistung wurden in den meisten Fällen beide Hände zum Himmel erhoben, um auf diese Weise einerseits die den Eid unterstützende Geste für alle Anwesenden besser sichtbar zu machen und um andererseits mit den vorwiegend beim Eid angerufenen himmlischen Gottheiten wie Jupiter symbolisch in Kontakt zu treten, indem Arme und Hände zu dem Ort gewandt wurden, an dem man den Wohnsitz dieser Gottheiten zu lokalisieren pflegte.168 Daneben war für die Eidesleistung, wenn auch anscheinend relativ selten, ebenso die rechte Hand als Symbol der Treue ausreichend, zumal im Rahmen des dualistisch geprägten Weltbildes der Gegensatzpaare rechts nicht nur positiv, sondern auch mit dem Himmel assoziiert wurde.169 Vor diesem Hintergrund scheidet eine Eidesleistung mit der linken Hand aus. Eide wurden entweder mit beiden oder mit der rechten Hand geleistet. Im Hinblick auf die im Eid verwendete Rechte bleibt ferner festzuhalten, dass sie in der griechischen und römischen Antike zwar zum Einsatz kam, aber nicht mit der heute bekannten rechten Schwurhand zu vergleichen ist. 4.2.5. Die Rechte Hand im Gebet In der Religion der Griechen und Römer zählt zu den wichtigsten Bestandteilen der religiösen Rituale das Gebet.170 Keine Kulthandlung konnte korrekt ohne Anrufung an die Götter vollzogen werden.171 Um die Bedeutung des gesprochenen Gebets zu verdeutlichen, wurde der an die Gottheit gerichtete verbale Wunsch oder Dank in den meisten Fällen durch die Ausübung bestimmter körperlicher Gesten ergänzt.172 Die alltäglichste und einfachste Gebetshaltung war das Beten im Stehen mit erhobenen Armen und Händen, wobei je nach Gottheit das Gesicht sowie die Hände der Sphäre zugewandt waren, in der man den Wohnsitz der Gottheit vermutete.173 Dass außer dem Erheben der Hände in Griechenland auch noch andere Gebetsgesten 167 Cic. Ad Att. 16, 15, 3: Iurat „ita sibi parentis honores consequi liceat“, et simul dextram intendit ad statuam. 168 Vgl. Sittl, Gebärden, 140f. 169 Arist. IA 706b11–14; Arist. PA 665a23–27; Plat. Leg. 717a; Plat. Rep. 614c. 170 Zum Gebet bei Griechen und Römern vgl. von Severus, Gebet I, RAC 8, Sp. 1134–1258; Pulleyn, Prayer in Greek Religion, Oxford 1994; Versnel, Religious Mentality in Ancient Prayer, in: Versnel (Hrsg.), Faith, Hope and Worship. Aspects of Religious Mentality in the Ancient World, Leiden 1981, 1–64; Scheid, An Introduction to Roman Religion, 97–99; Furley, Prayers and Hymns, in: Ogden (Hrsg.), A Companion to Greek Religion, 117–131; Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 105–126. 171 Plin. Nat. Hist. 28, 10. 172 Einen Überblick über sämtliche Gebetsgesten in Griechenland und Rom liefert von Severus, Gebet I, Sp. 1158–1162; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 14–77. 173 Vgl. Pulleyn, Prayer, 188f.; Sittl, Gebärden, 174; Emporheben der Hände beispielsweise bei

138

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

existierten, bei denen nur eine Hand zum Einsatz kam, geht bereits aus der genauen Vorschrift des Delphischen Orakels an die Athener hervor, beim Gebet beide Hände zu erheben. Ein solcher Hinweis wäre nämlich unerwähnt geblieben, wenn nicht auch andere Handhaltungen im Gebet vorgeherrscht hätten.174 Zu einer dieser Gebetspraktiken, die nur die Verwendung von einer Hand vorsah, gehört die flach vor der Brust gelegte rechte Hand. Das früheste Zeugnis stammt aus dem 7. Jahrhundert v. Chr.: die Statue einer stehenden und bekleideten Frau, wahrscheinlich eine Priesterin oder Adorantin, hat ihre rechte Hand auf die Brust gelegt (siehe Abb. 8).175 Das Motiv begegnet auch in den griechischen Bronzeplastiken der klassischen Zeit.176 Eine bei Neumann beschriebene Bronzestatuette zeigt einen jugendlichen Athleten, der die rechte Hand auf seine Brust gelegt hat, seine Linke hält anscheinend einen Kurzspeer, sein Blick erscheint der Gebetsgeste entsprechend in sich gekehrt (siehe Abb. 9).177 Nach Neumann handelt es sich um einen Athleten, der nach seinem Sieg ein Dankgebet an seine angerufene Gottheit spricht.178 Weit verbreiteter sind Darstellungen von Betenden mit erhobener rechter Hand, die erstmals für die spätarchaische Zeit bezeugt sind.179 Diese Gebetsgeste, bei der die Innenseite der erhobenen rechten Hand nach außen gerichtet ist, kommt bei einer arkadischen Bronzestatuette vor.180 Ein jugendlicher Hirte trägt auf seinem linken Arm ein Opfertier. Sein rechter Arm und seine rechte Hand sind in Gebetshaltung nach vorne ausgestreckt. Sehr häufig findet sich der Gestus des erhobenen rechten Arms, in der Regel leicht abgewinkelt, bei Figuren von Adoranten auf Weihreliefs des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr., auf denen ein einzelner Adorant oder ein Adorantenzug einer Gottheit oder einer Göttergruppe verehrend gegenübertritt.181 Am anschaulichsten kommt der Gebetsgestus auf einem Weihrelief aus Athen zur Geltung, das einen Adorantenzug vor Asklepios und Hygieia zeigt: Mann, Frau und Kind nähern sich alle den Gottheiten mit erhobener rechter Hand (siehe Abb. 10).182 Ein weiteres Beispiel, das die rechte Gebetshand als Gestus zur Anrufung der himmlischen Gottheiten besonders eindringlich darstellt, findet sich auf einem in

174 175 176 177

178 179 180 181 182

Hom. Il. 1, 450; Verg. Aen. 3, 176f.; Sen. Epist. 41,1; ikonographische Belege bei Neumann, Gesten und Gebärden, 78. Demosth. Or. 43, 66. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 140, Nr. 82. Vgl. Neumann, Gesten und Gebärden, 81. Vgl. Neumann, Gesten und Gebärden, 80, Abb. 40 = Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 141, Nr. 89; eine weitere Bronzestatuette mit der Gebetsgeste bei Neumann, Gesten und Gebärden, 191 Anm. 317 = Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 140f., Nr. 87. Vgl. Neumann, Gesten und Gebärden, 81. Vgl. Neumann, Gesten und Gebärden, 78–81; Pulleyn, Prayer, 191; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 25–27. Vgl. Neumann, Gesten und Gebärden, 80, Abb. 38 = Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 141, Nr. 88. Vgl. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122; Sittl, Gebärden, 291f. Vgl. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 139, Nr. 62; weitere Belege: Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 139, Nr. 61; Nr. 63–71; 140, Nr. 74; Nr. 75; Nr. 77–80.

4.2. Die rechte Hand

139

das Jahr 340 v. Chr. datierten Glockenkrater aus Paestum (siehe Abb. 11).183 Alkmene sitzt auf einem Altar, der sich über einem Scheiterhaufen befindet. Links und rechts von dem Scheiterhaufen stehen Antenor und Amphitryon. Beide zünden mit ihren Fackeln den Scheiterhaufen an. Alkmene betet in ihrer Not mit erhobener rechter Hand zu Zeus, der im linken oberen Bildrand das Geschehen verfolgt. Am rechten oberen Bildrand ist Eros zu sehen. Alkmenes Gebet wird von Zeus erhört: Umgeben von einem Regenbogen lassen zwei in Frauengestalten personifizierte Wolken Wasser aus Krügen herunterregnen. Auch in hellenistischen und kaiserzeitlichen Darstellungen von Opferzügen taucht der Gebetsgestus auf.184 Die Teilnehmer erscheinen auf den Opferzugsszenen mit in der Richtung auf den Altar voll ausgestreckter Hand. Dass dieser Gestus wahrscheinlich auf die feierliche Rezitation oder das Singen von Gebeten bzw. Hymnen anspielt, kommt am deutlichsten auf einem Relief des Archelaos von Priene aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. zum Ausdruck: In der untersten Zone des Reliefs, das die Apotheose des Homer zeigt, bringt eine Schar inschriftlich gekennzeichneter Personifikationen dem divinisierten Homer ein Opfer dar.185 Von diesen haben Tragoidia und Komoidia den rechten Arm mit vorgekehrter Handfläche hoch. Das Erheben der rechten Hand vor einer Gottheit wurde oftmals eher als Grußdenn als eigentlicher Gebetsgestus gedeutet.186 Dass der Gestus der erhobenen Rechten nicht allgemein als reiner Gruß- oder Adorationsgestus, sondern konkret als Gebetsgestus aufzufassen ist, zeigt allein schon, dass solche Figuren in den Inventaren des Athener Asklepieions als „Beter“, proseucovmenoi, bezeichnet werden.187 Ein weiterer Beleg für die korrekte Deutung der Handhaltung als Gebetsgeste findet sich in Pausanias’ Beschreibung der Weihgeschenke in Olympia. Die Agrigentiner hätten in ihrem Krieg gegen die in der sizilischen Stadt Motye wohnenden Libyer und Punier deren Beutestücke entwendet und daraus die bronzenen Knabenstatuen nach Olympia gesandt, die „die Rechte ausstrecken und wie zu dem Gott betend aussehen.“188 Scheint zwar die bevorzugte Verwendung der Rechten im Gebet infolge ihrer positiven Konnotation auf den ersten Blick verständlich, so bleibt dennoch die Frage zu stellen, welche Funktion der Gebrauch von nur einer Hand im Vergleich zum Emporheben beider Hände erfüllte. Zunächst ist zu erkennen, dass beim Gebet mit nur einer erhobenen Hand im Gegensatz zum Heranziehen von zwei Händen eine differenzierte Bewertung der Hände zugrunde liegt, bei der das dualistische 183 Trendall, Alkmene, LIMC 1, 1, 554, Nr. 5; die gleiche Szene kommt auf einem sizilischen Kalyx-Krater, 370–350 v. Chr., abermals vor: Trendall, Alkmene, 554, Nr. 3; auf einer kampanischen rotfigurigen Amphore aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. betet Alkmene mit beiden erhobenen Händen zu Zeus. Siehe Trendall, Alkmene, 554, Nr. 6. 184 Vgl. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122. 185 Vgl. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122. 140, Nr. 75. 186 Vgl. Sittl, Gebärden, 179; Neumann, Gesten und Gebärden, 82 spricht von einer Geste der Verehrung und heiliger Scheu; Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 121. 187 Vgl. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122. 188 Paus. 5, 25, 5: (…) ajnevqesan tou;~ pai`da~ e;~ ; Olumpivan tou;~ calkou`~, proteivnontav~ te ta;~ dexia;~ kai; ei;kasmevnou~ eucomevnoi~ tw`/ qew`/.

140

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Denkkonzept der Gegensatzpaare mit seinen Assoziationen von rechts und links zum Tragen kommt. Entsprechend der mit links und rechts verbundenen Vorstellungen, die beispielsweise im Kult vorsahen, den olympischen Göttern nur rechte Körperteile zu opfern, scheint die rechte Hand vorwiegend für die himmlischen Götter, die linke dagegen für die chthonischen Mächte erhoben worden zu sein, um mit den jeweiligen göttlichen Sphären in Kontakt zu treten.189 Folglich war je nach Gottheit klar festgelegt, welche Hand im Gebet zu gebrauchen war. Alexander fasste daher auch am Ende seiner Rede vor den Thessaliern und den übrigen Griechen während der Schlacht von Gaugamela den üblicherweise im Kampf rechts gehaltenen Speer190 mit seiner Linken, damit er seine rechte Hand zum Gebet an die himmlischen Götter erheben konnte.191 Der Rückgriff auf die positiv bewertete Rechte, die im Handschlag oder Schwur als Zeichen von Verbundenheit, Vertrauen und Vertragstreue fungierte, hatte im Vergleich zum Erheben beider Hände für den Betenden den Vorteil, zu Beginn der Kontaktaufnahme mit der göttlichen Sphäre als Ergänzung zum gesprochenen Wort ein zusätzliches Zeichen des Wohlwollens und der Wertschätzung den Göttern entgegenzubringen. Angesichts der großen Bandbreite ihrer positiven Assoziationen lässt die rechte Hand auch gleich mehrere denkbare Interpretationen in Bezug auf ihre Bedeutung als Gebetsgeste zu.192 Die erhobene Rechte konnte zugleich als Grußgeste fungieren, mit der gerade zu Beginn eines Gebets die Aufmerksamkeit der Götter erzwungen werden sollte; beispielsweise, wenn Agamemnon in dem gleichnamigen Stück des Aischylos darauf hinweist, dass er nach seiner Rückkehr in die Heimat den Göttern wohl in Form eines Dankgebets zum Gruß die rechte Hand erheben werde.193 Darüber hinaus besteht auch stets die Möglichkeit, die Rechte als Zeichen des Vertrauens und der Treue zu deuten. Aber auch in einem weniger konkret gefassten Sinn erscheint die rechte Hand interpretierbar: als Ausdruck von besonderer Wertschätzung gegenüber den olympischen Göttern, da diejenige Hand erhoben wurde, die aufgrund ihres häufigen Gebrauchs in einer von Rechtshändern dominierten Welt zu einem der bedeutendsten Körperteile des Men189 Plat. Leg. 717a; vgl. dazu Pulleyn, Prayer, 189; Lloyd, Polarity, 41f. 190 Zur Handhabung des Speers vgl. Snodgrass, Arms and Armor of the Greeks, 120; Beispiele für das generelle Halten des Speers in der Rechten bei Curt. 6, 1, 13; Curt. 6, 2, 26; Curt. 9, 5, 10; Curt. 9, 7, 19; Zeugnisse, in denen Alexander mit einem Speer kämpft, finden sich beispielsweise bei Arr. An. 1, 15, 6; Arr. An. 5, 1, 4. Zwar erwähnt Arrian nicht explizit die rechte Hand, was aber angesichts der Kenntnis, dass man in der Regel die Waffe in der Rechten hielt, nicht verwundert. Falls Alexander jedenfalls den Speer oder auch sein Schwert in der Linken im Kampf gehalten hätte, wäre aufgrund einer solchen Kuriosität von einer expliziten Erwähnung auszugehen, die die vorliegenden Quellen jedoch schuldig bleiben. 191 Plut. Alexander 33: (…) to; xusto;n ei;~ th;n ajristeran; metabalw;n th`/ dexia/` parekavlei tou;~ qeouv~, w~ ÔKallisqevnh~ fhsivn, ejpeucovmeno~, ei[per o[ntw~ Diovqen ejsti; gegonwv~ (…); anders konnte die Handhaltung bei Opferszenen sein. Hielt der Betende in der rechten Hand einen für das Opfer wichtigen Gegenstand, z.B. eine Schale, so erhob er zum Gebet die linke Hand. Siehe dazu Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122. 138, Nr. 51–56. 192 Vgl. zu den Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Bedeutung einzelner Gebetsgesten Puellyn, Prayer, 188. 193 Aisch. Ag. 851–854; zugleich musste auch jeder Adorant, der ein Heiligtum betrat, die darin verehrte Gottheit grüßen. Vgl. Jakov/Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122.

4.2. Die rechte Hand

141

schen avancierte, mit dem eine besondere Kraft verbunden wurde. Die rechte Hand war daher von unschätzbarer Bedeutung. Ihr Potential konnte allerdings erst im Vergleich zur vermeintlich ungebrauchten und ungeschickten Linken gänzlich in Erscheinung treten. Gerade dieses Spektrum an unterschiedlichen Deutungen, die jedoch im Kern alle eine positive Konnotation gemeinsam haben, macht die rechte Hand als mannigfaltig auslegbares positives Zeichen für die nonverbale Kommunikation mit den olympischen Göttern attraktiv und erklärt ihre Verwendung im Gebetskontext der griechischen Religion. Auch in der römischen Religion war für das erfolgreiche Gelingen des Gebets die Einhaltung zahlreicher bis ins Detail beschriebener Körperhaltungen vorgesehen.194 Außer dem Erheben beider Hände kam ähnlich der griechischen Religion vor allem die rechte Hand im römischen Gebet zur Anwendung. Ihre Bedeutung wird bei Plinius dem Älteren ersichtlich, der diesem Körperteil eine „gewisse Verehrung“ attestiert.195 Obgleich sich die erhobene rechte Hand auch im römischen Gebet findet196, bevorzugten die Römer laut Plinius eher eine andere Gebetshaltung: „Beim Beten bringen wir die rechte Hand an den Mund und drehen den ganzen Körper herum, was in Gallien, weil man es für ehrwürdiger hält, nach der linken Seite geschieht.“197 Beruht die Drehung der Römer nach rechts wahrscheinlich auf dem Glauben an die Glück bringende Konnotation der rechten Seite198, so ist für die Frage, warum die rechte Hand im Gebet an den Mund zu führen ist, eine umfangreichere Untersuchung erforderlich. Eine weitere Information zu dieser Geste liefert Apuleius, der erwähnt, wie die Verehrer der schönen Psyche huldigten, indem sie in gottgleicher Anbetung ihre rechten Hände zum Mund geführt und dabei den Zeigefinger auf den ausgestreckten Daumen gesenkt hätten.199 Die allgemein verbreitete Deutung der den Mund berührenden Rechten im Gebet als Kusshand stützt sich neben Lukian, der einen griechisch-syrischen Gebetsgestus zu Ehren der Sonne erwähnt, auf eine Szene aus dem Octavius des Minucius Felix: Der Heide Caecilius verehrt ein Standbild des Serapis, indem er seine Hand an den Mund führt und mit seinen Lippen einen Kuss aufdrückt.200 Eine solche Interpretation setzt voraus, die194 Zum römischen Gebet vgl. von Severus, Gebet I, Sp. 1152–1162; Rüpke, Die Religion der Römer, 104f.; Voutiras/Fyntikoglou, 6b Prayer, Rom., ThesCRA III, 151–179. 195 Plin. Nat. Hist. 11, 250: Inest et aliis partibus quaedam religio, sicut in dextera: osculis aversa adpetitur, in fide porrigitur. 196 Sil. Ital. 12, 639–647. 197 Plin. Nat. Hist. 28, 25: In adorando dextram ad osculum referimus totumque corpus circumagimus, quod in laevum fecisse Galliae religiosius credunt; zur Rechtsdrehung im römischen Gebet vgl. von Severus, Gebet I, Sp. 1159f.; Brakmann, Körperdrehung, Sp. 222f. 198 Vgl. Guittard, Recherches sur le carmen et la prière dans la littérature latine et la religion romaine, Paris 1995, 130; dagegen deuteten Latte, Römische Religionsgeschichte, 41 Anm. 3 und von Severus, Gebet I, Sp. 1159 die Rechtsdrehung als Schutz des Gläubigen vor einer eventuellen Erscheinung des Gottes. 199 Apul. Met. 4, 28, 3: (…) admoventes oribus suis dexteram primore digito in erectum pollicem residente ut ipsam prorsus deam Venerem religiosis [venerabantur] adorationibus; vgl. auch Apul. Apol. 56, 4. 200 Min. Fel. 2, 4: Ut vulgus solet superstitiosus manum ori admovens ocsulum labiis circumagimus; Lukian. Salt. 17; zur Deutung der Handgeste als Kusshand vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 64f.; von Severus, Gebet I, Sp. 1159; Sittl, Gebärden, 180–183.

142

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

sen Gestus nicht mit der heute bekannten Kusshand gleichzusetzen, die man einem entfernt stehenden Menschen hinstreckt. Diese Variante ist zwar bereits in der Antike bezeugt, beschränkt sich aber laut Groß ausschließlich auf den profanen Bereich.201 Im Gegensatz dazu bleibt anscheinend die geküsste Hand in der sakralen Sphäre beim Mund. Jedenfalls wird in diesem Kontext nicht vom Zuwerfen eines Kusses wie im profanen Bereich in Form von filhvmata pevmpein bzw. iacere oscula gesprochen.202 Falls man die den Mund berührende rechte Hand im Gebet als Kusshand betrachtet, würde die geküsste Rechte als Zeichen ehrfürchtiger Verehrung gegenüber der angerufenen Gottheit fungieren. Da nicht die Gottheit oder ihr Abbild geküsst werden kann, aber man generell als Ausdruck von tiefster Verehrung die rechte Hand, wie Plinius erwähnt, infolge der ihr innewohnenden religio küsste203, küsst in diesem Fall der Betende stellvertretend seine eigene rechte Hand in der Hoffnung, damit die rechte Hand der Gottheit als ein Symbol ihrer göttlichen Kraft und ihres Wirkens geküsst zu haben; ein Wirken, das gerade im Gebet von der angerufenen Gottheit erwünscht wurde.204 Erscheint die Deutung der Rechten im Gebet als Kusshand infolge der Textpassage des Minucius Felix sowie Belegen ähnlicher Kussgesten in anderen antiken Kulturen durchaus nachvollziehbar205, so bleibt dennoch zu konstatieren, dass weder Plinius noch Apuleius explizit von einer Kusshand sprechen, sondern lediglich davon, dass im Gebet die rechte Hand den Mund berührt. Vor einer Deutung als Kusshand ist daher zuerst die Frage zu stellen, welche Funktion das Berühren des Mundes mit der rechten Hand grundsätzlich erfüllte. Die Verbindung der Hand mit dem Mund im Gebet bedeutet zunächst, dass das gesprochene Wort des Gebets durch eine Körpergeste ergänzt bzw. unterstützt wird, an deren Ende die Berührung des Mundes steht, aus dem die Gebetsworte dringen. Durch die Berührung des Mundes erlebt der Betende seine an die Gottheit gerichteten Worte viel bewusster, da er mit dieser Geste von der konventionellen Norm des Sprechens abweicht, die keine Mundberührung mit der Hand erfordert. Die im Gebet gesprochenen Worte werden daher viel bewusster wahrgenommen und erhalten infolge dieser intensiveren Wahrnehmung eine besondere Bedeutung, die der Kontakt mit der göttlichen Sphäre ohnehin verlangt. Aufgrund der erhöhten Aufmerksamkeit erlebt der Betende sein Gebet viel intensiver, wählt folglich seine Worte bewusster und besonnener, was angesichts der oftmals komplizierten und formelhaften Gebetstexte äußert wünschenswert war, gerade wenn man bedenkt, wie sehr in der römischen Religion fehlerhaftes Vortragen den Vollzug der Kulthandlung und damit auch das Verhältnis zu den angerufenen Gottheiten empfindlich stören konnte.206 In diesem Zusammenhang mag auch das Heranziehen der rechten Hand mit der Vorstellung verbunden gewesen sein, dass sich die mit der rechten Hand assoziierte Kraft auf 201 202 203 204 205

Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 65. Ach. Tat. 2, 8, 2, 4; Xen. Eph. 1, 9, 6, 6; Tat. Hist. 1, 36, 3; Stat. Theb. 12, 797. Plin. Nat. Hist. 11, 250. Plin. Nat. Hist. 28, 13f. Belege für die Kusshand im Gebet finden sich beispielsweise bei den Persern. Siehe dazu Groß, Menschenhand und Gotteshand, 61–63. 206 Plin. Nat. Hist. 28, 11.

4.2. Die rechte Hand

143

das Gebet übertrug. Die Handgeste erweckt den Anschein, als ob sich die betende Person von dem Berühren des Mundes mit der rechten Hand erhoffte, durch dieses Zeichen sowohl göttlicher als auch menschlicher Kraft dem Gesagten eine stärkere Wirkung zu verleihen: eine mehr als nachvollziehbare Hoffnung, war doch neben der Danksagung das Hauptziel eines Gebets, die Gottheit für seine Anliegen zu gewinnen.207 Daneben ist in der römischen Kunst, wenn auch vergleichsweise selten, bei betenden Figuren die vollkommen ausgestreckte bzw. erhobene Hand bekannt.208 Auf einer Reliefdarstellung eines wohl frühaugusteischen Marmorkraters ist ein bärtiger Mann, wahrscheinlich Aeneas, in einer Opferszene abgebildet.209 Aeneas betet mit erhobener Rechten zu einer Athenastatue. Eine weitere Gebetsgeste der rechten Hand findet sich in einem Gebet, in dem ein Betender um den Beistand der Götter für andere Beteiligte bittet. Bevor der Augur die Götter für die Inauguration Numas anruft, legt er seine rechte Hand auf Numas Haupt.210 In diesem Kontext fungiert der Augur als Mittler zwischen sakraler und profaner Sphäre und demonstriert in seinem Gebet an die Götter seine Verbundenheit und sein Vertrauen zur erwählten Person, indem er diese mit seiner rechten Hand berührt. Auf dieses Vertrauen, in Form der auf Numas Kopf ruhenden Rechten sichtbar gemacht, weist der Priester auch gleich zu Beginn seines Gebets hin, wenn er Jupiter darum bittet, dass „dieser Numa Pompilius, auf dessen Haupt ich meine Hand gelegt habe, in Rom König sei (…).“211 Folglich schaffen im vorliegenden Gebet einerseits die Berührung, andererseits vor allem die dafür verwendete rechte Hand aufgrund ihres starken Symbolgehalts eine Geste von Verbundenheit und Vertrauen. Die Bedeutung der rechten Hand im Gebet lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Genauso wie Handschlag und Eid scheint das Gebet erst infolge einer symbolhaften Geste der rechten Hand seine vollständige Gültigkeit erlangt zu haben. Mit der Verwendung der Rechten als Zeichen göttlicher und menschlicher Kraft sowie als Symbol von Verbundenheit und Vertrauen des Betenden gegenüber seiner Gottheit sollte die erwünschte Wirkung des Gebets erzielt werden. Die Inauguration des Numa hat ferner vor Augen geführt, dass die rechte Hand im Gebet nicht nur als Zeichen des Vertrauens in die Götter, sondern auch in eine andere Per-

207 Vgl. von Severus, Gebet I, Sp. 1134–1139. 208 Vgl. Voutiras/Fyntikoglou, 6b Prayer, Rom., ThesCRA III, 164. 209 Vgl. Voutiras/Fyntikoglou, 6b Prayer, Rom., ThesCRA III, 178, Nr. 36; ein weiterer Beleg findet sich auf einer Bronzemünze aus der Stadt Ephesos. Die Darstellung zeigt eine Opferszene für Kaiser Macrinus. Die Opfernden vor dem Kaisertempel erheben den rechten Arm mit offener Hand zum Tempel hin, in dem die Statue des Kaisers aufgestellt ist. Da auf dem Tempelgiebel die griechische Transkription des lateinischen Wortes vota zu lesen ist, handelt es sich in der Szene um die Gebete, mit denen man jährlich um das Wohl des Kaisers im kommenden Jahr ersuchte. Siehe Voutiras/Fyntikoglou, 6b Prayer, Rom., ThesCRA III, 164. 179, Nr. 46. 210 Liv. 1, 18, 8: Tum lituo in laevam manum translato dextra in caput Numae imposita precatus ita est. 211 Liv. 1, 18, 9: Iuppiter pater, sie st fas hunc Numam Pompilium, cuius ego caput teneo, regem Romae esse (…).

144

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

son, für die man sich Beistand von den Göttern erhoffte, fungieren konnte, sofern der Betende diese mit seiner Rechten berührte. 4.2.6. Die Hand des Siegers Dass die rechte Hand nicht nur beim Handschlag, Eid oder im Gebet ihren festen Platz hatte, sondern angesichts ihres großen Aktionsradius in einer vorwiegend aus Rechtshändern bestehenden Welt auch noch eine weitere positive Assoziation hervorrief, veranschaulicht Herodes Agrippa II. in seiner Rede an die gegen die römische Herrschaft rebellierenden Juden im Jahr 66 n. Chr. Agrippa versucht den Aufständischen die Aussichtslosigkeit ihres Widerstands gegen die Übermacht Roms vor Augen zu führen, indem er sie an das Ende der gegen Rom kämpfenden Karthager erinnert, die trotz ihres großen Feldherrn Hannibal von Scipios rechter Hand bezwungen wurden.212 Die rechte Hand galt folglich als die Hand, mit der Siege errungen wurden. Die Vorstellung der Rechten als Hand des Siegers betont auch Hercules in Senecas Tragödie Hercules Furens, wenn er sich damit brüstet, Lycus mit seiner siegreichen Rechten niedergestreckt zu haben.213 Auch Ovids Etymologie des Wortes victima bezieht sich auf die Konnotation der rechten Hand mit dem Sieg, denn „Victima nennt man das Opfer, das unter der siegreichen Rechten fiel.“214 Welche Bewunderung der siegreichen Rechten zukam, zeigt sich auch in dem Bestreben, bei der Beglückwünschung die Hand des Siegers zu ergreifen, die für den Sieg maßgeblich verantwortlich war.215 Als die Konsuln M. Livius Salinator und C. Claudius Nero im Jahr 207 v. Chr. nach ihrer erfolgreichen Schlacht am Metaurus gegen Hasdrubal in Rom eintrafen, drängte sich laut Livius nicht nur das gesamte Volk zur Begrüßung um sie, sondern jeder wollte die siegreiche rechte Hand der Konsuln berühren.216 Die Szene verdeutlicht eindrucksvoll, wie stark erfolgreiche Taten mit der Tätigkeit der rechten Hand in Verbindung gebracht wurden: Indem die römischen Bürger die rechten Hände der Konsuln zu ergreifen beabsichtigen, versuchten sie durch ihre körperliche Verbindung mit der den Sieg errungenen Hand so intensiv wie möglich am Sieg der Konsuln teilzuhaben. Womöglich mag in diesem Zusammenhang auch der Gedanke eine Rolle gespielt haben, dass sich die in der Hand vermutete den Sieg bringende Kraft infolge der Berührung auch auf die beglückwünschende Person selbst übertragen könnte.217 212 Ios. Bell. Iud. 2, 381: (…) oi{ ton; mevgan aujcou`nte~ ∆Annivban kai; th;n ajpo; Foinivkwn eu;gevneian uJpo; th;n Skipivwno~ dexia;n e[peson.

213 Sen. Herc. Fur. 895f.: Victrice dextra fusus adverso Lycus terram cecidit ore; vgl. auch Sen. Her. Fur. 399f.; Sen. Herc. Fur. 1271f. 214 Ov. Fast. 1, 335: Victima, quae dextra cecidit victrice, vocatur; zur etymologischen Theorie Ovids vgl. Böhmer, P. Ovidius Naso. Die Fasten, Bd. 2, 39. 215 Vgl. Sittl, Gebärden, 29f. 216 Liv. 28, 9, 6: Non salutabant modo universi circumfusi, sed contingere pro se quisque victrices dextras consulum cupientes (…); siehe auch Liv. 30, 12, 12. 217 Zur Kontakt- bzw. Übertragungsmagie vgl. Frazer, The Golden Bough. Part I. The Magic Art and the Evolution of the Kings, Vol. I, London3 1913, 174–214; Strubbe, Cursed be he that

4.2. Die rechte Hand

145

Dass die Berührung der siegreichen Rechten in der Regel per Handschlag erfolgte, bezeugt beispielsweise Platon, der darauf hinweist, dass die jungen Soldaten, die auf ihren Feldzügen Ruhm erworben haben, bei der Beglückwünschung mit dem Handschlag zu ehren sind.218 Folglich fungierte das Reichen der eigenen Rechten auch als Ausdruck der Verehrung des Siegers. Platons Erwähnung zeigt zudem, dass die von Livius geschilderte Szene keinen Einzelfall darstellt, sondern die Beglückwünschung des Siegers durch Berühren der siegreichen Rechten, meistens in Form der dextrarum iunctio, in der griechisch-römischen Welt ähnlich wie heute weite Verbreitung fand. Um zu demonstrieren, dass die Kraft der rechten Hand entscheidenden Anteil am errungenen Sieg hatte, hielt der Sieger in der Regel seinen Preis in der Rechten. Pausanias berichtet von einem Kultbild im Tempel der Aphrodite von Tegea, auf dessen einer Stele Iasios abgebildet ist, der in seiner Linken ein Pferd und in seiner Rechten einen Palmzweig hält: nach Pausanias eine Anspielung auf Iasios’ Sieg im Pferderennen bei den olympischen Spielen.219 Im Folgenden stellt Pausanias vor, welche Preise auf den jeweiligen Spielen wie etwa der Lorbeerkranz in Olympia dem Sieger verliehen werden, nicht ohne dabei zu erwähnen, dass außer den verschiedenartigen Siegerkränzen auf allen Spielen dem Sieger ein Palmzweig in die rechte Hand gegeben wird.220 Der Brauch wurde auch von siegreichen Feldherren auf ihren Triumphzügen praktiziert. Aemilius Paulus führt als Zeichen seines Sieges einen Lorbeerzweig in seiner Rechten.221 Außer erfolgreichen Feldherren konnten auch einfache Soldaten für verdienstvolle Taten eine Auszeichnung erhalten: eine griechische Schale um 460 v. Chr. zeigt einen Hopliten mit einem Lorbeerzweig in der rechten Hand, der sich nach links zu einem sitzenden bärtigen Mann mit Szepter, womöglich ein König oder Zeus, neigt.222 Komplettiert wird die Szene durch die vor dem thronenden Mann stehende Nike, die als Göttin des Sieges auf die dargestellte Ehrung des siegreichen Hopliten anspielt.223 Dass auch das Siegeszeichen von Nike gewöhnlich in der rechten Hand getragen wurde, illustriert zum Beispiel eine aus Capua stammende Münze. Die Bronze-

218 219 220

221 222 223

moves my Bones, in: Faraone/Obbink (Hrsg.), Magika Hiera. Ancient Greek Magic and Religion, Oxford 1991, 42; Beispiele für eine magische Wirkung, die durch die Berührung mit einer Hand erreicht wird, bei Plin. Nat. Hist. 28, 43; Plin. Nat. Hist. 28, 61. Plat. Rep. 5, 468; vgl. Ov. Met. 8, 420; Sittl, Gebärden, 29f. Paus. 8, 48, 1. Paus. 8, 48, 2f.: ∆E~ de; th;n dexiavn ejsti kai; pantacou` tw`/ nikw`nti ejstiqevmeno~ foi`nix; wie allgemein üblich die Übergabe des Palmzweigs in die rechte Hand war, scheint auch aus der sich anschließenden Erklärung des Pausanias über den Ursprung der Verwendung des Palmzweigs als Siegespreis hervorzugehen. Pausanias geht dabei lediglich auf den Grund für den Gebrauch des Palmzweigs ein. Die rechte Hand, die den Preis in Empfang nimmt, bleibt dagegen unerwähnt, da der Grund dafür wahrscheinlich allgemein bekannt gewesen war. Siehe Paus. 8, 48, 3. Plut. Aemilius 34, 4; Nero hielt auf seinem für die Griechenlandreise veranstalteten Triumphzug den pythischen Siegeskranz in der Rechten. Siehe Suet. Nero 25, 1. Goulaki-Voutira, Nike, LIMC 6, 1, 876, Nr. 306. Zu Nike vgl. Scherf, Nike 1. Mythologisch, DNP 8, Sp. 906f.; Bälber, Nike 2. Ikonographie, DNP 8, Sp. 907f.

146

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

münze aus hellenistischer Zeit zeigt auf der Rückseite eine vorwärtsschreitende Nike, die einen Siegeskranz in der Rechten hält.224 Überreicht Nike dagegen nicht nur einen Siegespreis, sondern sowohl Kranz als auch Palmzweig, trug die Göttin normalerweise den Kranz in der rechten und den Palmzweig in der linken Hand.225 Die Verteilung erweckt den Anschein, als ob der Kranz im Vergleich zur Siegespalme einen höheren Stellenwert besessen hätte, der sich im Halten mit der rechten Hand zu manifestieren scheint. Bei einer näheren Betrachtung der Bedeutung und Funktion des Kranzes scheint sich der Verdacht zu bestätigen, galt doch der Kranz im griechischen als auch römischen Alltags- und Kulturleben als eines der stärksten Symbole der Auszeichnung, der Weihung und des Schmuckes für Menschen und Götter.226 Kränze waren im Kult unentbehrlich. Da bestimmte Kranzarten einzelnen Göttern zugehörig waren, wurde der Kranz als etwas Heiliges angesehen. Im Gegensatz dazu galt zwar auch die Palme als allgemein gängiger Siegespreis, doch fällt bei ihr die religiöse Konnotation als ausschlaggebender Faktor zur Bedeutungsbestimmung relativ gering aus.227 Dass der Kranz eine größere Bedeutung als der Palmzweig besaß, klang auch bereits in Pausanias’ Beschreibung an: Wurden Palmzweige den Siegern auf allen Spielen überreicht, so finden sich auf den verschiedenen Spielen jeweils spezifische Kränze.228 Im Vergleich zu den Palmzweigen wird die höhere Wertschätzung der Kränze schon dadurch evident, dass primär die verschiedenartig gestalteten Siegeskränze dazu dienten, die Besonderheit der jeweiligen Spiele hervorzuheben. Die enge Beziehung zwischen Nike und der siegreichen Rechten schlug sich aber noch in einer weiteren Form nieder. Als Zeichen des Sieges taucht die Göttin auch selbst in der rechten Hand auf, beispielsweise trägt die Zeusstatue in Olympia eine kleine Nikestatue auf der Rechten.229 Wirft man einen Blick auf die römische Siegesgöttin Victoria, zeichnet sich ein ähnliches Bild ab.230 Auf einem Münztyp Caesars aus dem Jahr 44 v. Chr. ist auf der Rückseite Venus zu erkennen, die ihren Schild auf die Weltkugel stellt und in ihrer rechten Hand eine kleine Victoria hält, um auf diese Weise in ihrer Funktion 224 Grote, Nike, LIMC 6, 1, 882, Nr. 385; vgl. auch 883, Nr. 407; 884, Nr. 420; 890, Nr. 609; 891, Nr. 613. 225 Beispielsweise bezeugt auf Münzen: Grote, Nike, 882, Nr. 386; 890, Nr. 599. 226 Vgl. Hurschmann, Kranz, DNP 6, Sp. 805–807. 227 Im Kult liegt lediglich eine Beziehung zu Apollon von Delphi vor. Auch eine bei Paus. 9, 19, 8 überlieferte Anpflanzung beim Artemis-Heiligtum in Aulis hatte eine rein dekorative Bedeutung. Vgl. Hünemörder, Phoinix (Nr. 6), DNP 11, Sp. 938f. 228 Beispielsweise wurden mit einem Lorbeerkranz die Sieger in Delphi und die Triumphatoren in Rom gekrönt. Vgl. Plin. Nat. Hist. 15, 127. 229 Paus. 5, 11, 1; zum Zeus von Olympia siehe auch den Kommentar von Frazer, Pausanias’s Description of Greece. Vol. 3. Commentary on Books II–IV, New York 1898, 530–536; die siegreiche rechte Hand einer Gottheit ist auch in der jüdischen Religion bezeugt. Vgl. Ios. Bell. Iud. 1, 378, der von Gottes unbesiegbarer Rechten spricht. 230 Zur Victoria vgl. Fears, The Theology of Victory in Rome, ANRW II, 17, 2, 1981, 736–826; Weinstock, Victoria, RE 8A 2, Sp. 2501–2542; Hölscher, Victoria Romana. Archäologische Untersuchungen zur Geschichte und Wesensart der römischen Siegesgöttin von den Anfängen bis zum Ende des 3. Jhs. n. Chr., Mainz 1967.

4.2. Die rechte Hand

147

als Venus Victrix kenntlich gemacht zu werden.231 Victoria scheint von Venus’ Hand zu dem Sieger Caesar zu schweben, dessen Bildnis die Vorderseite der Münze ziert.232 In Anklang an seinen Adoptivvater greift auch Augustus auf das Motiv zurück. Auf dem Silberbecher von Boscoreale ist Augustus auf der sella curulis sitzend und mit seiner rechten Hand einen Globus haltend dargestellt.233 Von links tritt Venus heran mit einer kleinen Siegesgöttin in ihrer rechten Hand, die sie auf den Globus setzt. Die Victoria auf der Hand der Venus trägt links einen Palmzweig und streckt mit ihrer rechten Hand dem Princeps einen Kranz entgegen. Wie sehr Augustus in seiner Selbstdarstellung gerade nach dem bedeutenden Sieg bei Actium auf die Betonung seiner Sieghaftigkeit Wert legte, kommt eindrucksvoll auf einem Denar aus der großen nach Actium geprägten Serie zum Ausdruck: Als erster Römer hält Augustus selbst eine kleine Victoria in seiner rechten Hand.234 Damit prägte der Begründer des Prinzipats ein Münzmotiv, das auch von einigen seiner Nachfolger immer wieder aufgegriffen wurde.235 Augustus’ Sieghaftigkeit spiegelt sich darüber hinaus auch im Halten der Weltkugel in seiner rechten Hand wider. Hatte zuvor Caesar wie die meisten Gottheiten seinen Fuß auf die Weltkugel gesetzt, so hält Augustus den Globus als Zeichen seines Sieges und der daraus resultierenden Macht über den ganzen orbis terrarum auf dem Silberbecher von Boscoreale oder auf Münzen stets in der siegreichen Rechten.236 Die rechte Hand avanciert in diesem Kontext vom Symbol des Sieges zum Symbol herrschaftlicher Gewalt. Wie bei der griechischen Nike finden sich auch für Victoria zahlreiche Darstellungen, auf denen Victoria den Siegeskranz in der Rechten hält, wobei ein weiteres Attribut wie beispielsweise ein Palmzweig oder ein Füllhorn in der Regel in der linken Hand getragen wird. Deutlich erkennbar wird die aktive Rolle der Rechten, die im Vergleich zur herabhängenden Linken in den meisten Fällen nach vorne ausgestreckt abgebildet ist.237 Die für die Bekränzungszeremonie bedeutendere Funktion der Rechten kommt besonders eindrucksvoll auf einem Triumphal-Ass des M. Maecilius Tullus zur Geltung.238 Über einem kleinen Globus wird die nach links blickende Büste des Augustus von einer am rechten Münzrand stehenden Victoria

231 232 233 234 235

Sydenham CRR Nr. 1055 und 1067f.; Hölscher Victoria Romana, Taf. 2, 3. Vgl. Hölscher, Victoria Romana, 151. Vgl. Hölscher, Victoria Romana, 28. VG 15, Taf. 3, 1. Mattingly, BMC, 1, 104, Nr. 637; Hölscher, Victoria Romana, 26. Taf. 2, 8. Belege finden sich beispielsweise in den Münzserien des Commodus, Diokletian oder Aurelian. Siehe Hölscher, Victoria Romana, Taf. 2, 9; 2, 10; 2, 14; 2, 15; 2, 16. 236 Vgl. Hölscher, Victoria Romana, 23. Taf. 2, 4; das Motiv wird nach Augustus hauptsächlich von den Kaisern des 3. Jahrhunderts wiederaufgegriffen. Siehe dazu Hölscher, Victoria Romana, 42. 237 Vgl. Vollkommer, Victoria, LIMC 8, 1, 242, Nr. 17–19, Nr. 21–24; 245, Nr. 60–62, Nr. 64–73; 248, Nr. 126–128, Nr. 132–134; 250, Nr. 163–167; siehe auch auf dem Silberbecher von Boscoreale: Hölscher, Victoria Romana, VG 15, Taf. 3,1; weitere Belege finden sich auf Münzen. Siehe Hölscher, Victoria Romana, 6. VG 1, Taf. 1, 3; VG 2, Taf. 1, 1; VG 3, Taf. 1, 2; Taf. 1, 5. 238 Vgl. Hölscher, Victoria Romana, 10. 163. Taf. 1, 6.

148

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

bekränzt. Victoria streckt ihre Rechte zum Haupt des Princeps. Ihre linke Hand hält in passiver Haltung ein Füllhorn. Anhand der aufgeführten Beispiele ist die Bedeutung der rechten Hand als Hand des Siegers deutlich geworden. Die in der römischen Welt als dextra victrix bezeichnete Rechte galt aufgrund der Dominanz an Rechtshändern als die Hand, die infolge ihrer zahlreichen Verwendungen auch den Sieg im militärischen wie auch im agonistischen Bereich erringt. Wie stark die Assoziation der rechten Hand mit dem Sieg war, haben insbesondere die Zeugnisse rechter Hände unter Beweis gestellt, auf denen als Attribut des Sieges eine Siegesgöttin steht. Aber auch der Wunsch, am Sieg durch Berührung der rechten Hand des Siegers teilzuhaben, kann als Ausdruck dieser in der griechisch-römischen Welt weit verbreiteten Vorstellung angesehen werden. Daher erscheint es auch nicht verwunderlich, wenn sogar der Sieger seinen Siegespreis aus der rechten Hand erhielt sowie selbst den Preis in seiner Rechten trug.

4.2.7. Die abgeschlagene rechte Hand Wer die Bedeutung der rechten Hand in ihrer ganzen Bandbreite verstehen will, erfährt dies vor allem, wenn er sich die Frage stellt, wie ein Mensch der antiken Welt ohne rechte Hand in seiner Gesellschaft wahrgenommen und bewertet wurde. Ein Anhaltspunkt dafür, der zugleich als weiterer Beweis für die Dominanz an Rechtshändern herangezogen werden kann, findet sich in den Zeugnissen über eine der folgenreichsten Strafen für Vergehen: den Verlust der rechten Hand. Angesichts der zentralen Notwendigkeit der rechten Hand für den alltäglichen Gebrauch konnten willkürliche Verstümmelungen der Rechten für erheblichen Diskussionsstoff sorgen. Welche Reaktionen solche Strafmaßnahmen hervorriefen, demonstriert der Antrag des athenischen Strategen Philokles vor der Volksversammlung im Jahr 406 v. Chr., Kriegsgefangenen aus der bevorstehenden Seeschlacht bei Aigospotamoi den rechten Daumen abzuschlagen.239 Das ausschließliche Abschlagen des rechten Daumens und nicht der ganzen Hand geschah aus rein utilitaristischen Gründen. Mit dieser Strafmaßnahme waren die Gefangenen zwar nicht mehr fähig, einen Speer zu werfen, konnten aber dafür noch als Rudersklaven Verwendung finden.240 Wiedergewählt als Stratege verschuldete Philokles 405 v. Chr. die Niederlage in der Seeschlacht, wurde von dem spartanischen Flottenkommandeur Lysander gefangen genommen und von diesem neben anderen Anklagepunkten wegen seines Beschlusses, den Gefangenen den rechten Daumen abzuhacken, hingerichtet.241 Wie sehr das Dekret des Philokles von Lysander als unrechte Strafaktion empfunden wurde, zeigt das Schicksal des Adeimantos, der als einziger Athe239 Plut. Lysander 9, 5; zu Philokles vgl. Schmitz, Philokles (Nr. 1), DNP 9, Sp. 830. 240 Plut. Lysander 9, 5; dagegen berichtet Strabon, dass beispielsweise die Lusitanier ihren Gefangenen die rechte Hand abschlagen und sie ihren Göttern als Weihung darbringen. Siehe Strab. 3, 3, 6. 241 Xen. Hell. 2, 1, 31f.; Paus. 9, 32, 9; Plut. Lysander 13, 1f.; vgl. dazu Kiechle, Zur Humanität in der Kriegsführung der griechischen Staaten, in: Historia 7, 140–142.

4.2. Die rechte Hand

149

ner am Leben blieb. Lysander hatte Adeimantos bei der Hinrichtung der gefangenen Athener verschont, weil Adeimantos in der athenischen Volksversammlung als einziger gegen Philokles’ Antrag Widerspruch eingelegt hatte.242 Ähnlich hart prangert auch Cicero das erneute Vorhaben der Athener, die Seemacht der Ägineten durch das Abhacken des Daumens zu schwächen, als äußerstes Zeichen von menschlicher Grausamkeit an.243 Erzeugte die Handverstümmelung Kriegsgefangener in der Regel Unverständnis, so sah der Fall bei Verrat und Disziplinlosigkeit anders aus. Zu den eindrucksvollen Exempeln römischer severitas gehörte auch das wiederholt bezeugte Abhacken von einer oder beiden Händen.244 Um zu demonstrieren, wie Rom mit Vertragsbrüchigen umzugehen pflegte, ließ Q. Fabius Maximus allen zu den aufständischen Lusitaniern übergelaufenen Hispaniern die rechte Hand abschlagen.245 Aber auch im römischen Heer selbst zählte das Abhacken der Hände zu einer Reihe von Bestrafungen, die bei Disziplinlosigkeit gezielt zur Abschreckung Anwendung fanden.246 Nach Angaben Catos sollte Soldaten, die einen Diebstahl begangen hatten, vor versammelten Kameraden die rechte Hand abgehauen werden.247 Ruft man sich die Symbolkraft der rechten Hand in Erinnerung, wird schnell klar, welcher Zweck mit dieser Bestrafung hauptsächlich verfolgt wurde. Neben der persönlichen Beeinträchtigung im Alltag, die in vielen Fällen, beispielsweise im Heer, mit der Aufgabe des Berufs verbunden sein konnte248, dient der Verlust der rechten Hand vor allem zur sozialen Stigmatisierung der zu bestrafenden Person: Handschlag, Eid oder auch die rechte Hand erfordernde Kulthandlungen waren nicht mehr praktizierbar. Da die Straftäter das Vertrauen Roms verspielt hatten, sollten sie mit der Rechten auch ihren einst in das Vertrauensverhältnis einge242 Xen. Hell. 2, 1, 32. 243 Cic. Off. 3, 46. 244 Beispielsweise wurden Überläufer mit abgeschlagenen Händen von den Römern zu Hannibal geschickt. Front. Strat. 3, 16, 4. 245 Val. Max. 2, 7, 11; Front. Strat. 4, 1, 42; Appian. Ib. 68; Oros. 5, 4, 12; ob es sich bei Q. Fabius Maximus um Q. Fabius Maximus Aemilianus oder um Q. Fabius Maximus Servilianus handelt, lässt sich mangels präziserer Angaben mit Ausnahme von Appian. Ib. 68, der von Servilianus spricht, nicht mit Sicherheit bestimmen. Jedenfalls bekämpften sowohl Aemilianus im Jahr 144 v. Chr. als auch Servilianus im Jahr 140 v. Chr. in Hispanien die lusitanischen Rebellen unter Viriatus. Vgl. Münzer, Fabius (Nr. 109), RE 6, 1, Sp. 1792–1794; Münzer, Fabius (Nr. 115), Sp. 1811–1814. Münzer tendiert zwar eher dazu, Servilianus mit der Strafmaßnahme in Verbindung zu bringen, andere Kommentare zur Stelle identifizieren jedoch den genannten Proconsul mit Aemilianus. Beispielsweise Combès in seinem Kommentar der Budé-Ausgabe, 309. 246 Vgl. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des Heerwesens zur römischen Kaiserzeit, Stuttgart 1998, 153. 247 Front. Strat. 4, 1, 16. Als milderer Form konnte auch nur die Ader aufgelassen werden; neben dieser Bestrafungsart gab es noch andere Strafmöglichkeiten für Lagerdiebstahl. Da für Diebstahl kein Militärgesetz existierte, war der Feldherr in seiner Strafgewalt gegenüber den Soldaten frei. Vgl. zum Lagerdiebstahl und seiner Bestrafung Jung, Die Rechtsstellung der römischen Soldaten. Ihre Entwicklung von den Anfängen bis Diokletian, ANRW II, 14, 1982, 964–968. 248 Im römischen Heer war ein Dieb grundsätzlich aus dem Heer zu entfernen. Vgl. Wesch-Klein, Soziale Aspekte des Heerwesens zur römischen Kaiserzeit, 148.

150

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

brachten Garanten für ihre Vertragstreue verlieren.249 Vor allem bei Soldaten wog der Vertrauensbruch schwer, denn diese hatten sich vor dem Einrücken ins Lager durch einen speziellen Eid dazu verpflichtet, keinen Diebstahl zu begehen.250 Der Glaubwürdigkeitsverlust, ein aus Sicht Roms irreparabler Bruch der fides, hatte zur Folge, dass er künftig durch die körperliche Verstümmelung für alle Außenstehende sichtbar sein sollte: die fehlende Rechte brachte den Makel der infamia zum Ausdruck und unterstrich die Andersartigkeit des Betreffenden vom Rest der Gesellschaft.251 Zugleich wurden die Betroffenen aufgrund ihrer lebenslangen Behinderung täglich an ihr Vergehen erinnert. Erschwerend und demütigend war in diesem Zusammenhang sicherlich auch das Angewiesensein auf die gewöhnlich ungeschicktere und schwächere Linke, deren Gebrauch je nach Situation entweder Hohn und Spott oder infolge der vorwiegend negativen Deutung der linken Seite auch Unbehagen sowie Misstrauen hervorrufen konnte.252 Das Abschlagen der rechten Hand kam nicht nur bei Lebenden, sondern auch bei Toten zur Anwendung.253 Dabei standen die Angst vor der Rache des Toten sowie die eigenen Hass- und Rachegefühle gegenüber dem ermordeten Feind als Motive im Vordergrund. Dass diese bei zahlreichen Völkern bezeugte Praktik insbesondere bei den Persern starke Verbreitung fand, zeigt ein Beispiel aus der Schlacht bei Kunaxa im Jahr 407 v. Chr. Artaxerxes ließ „der persischen Sitte entsprechend“ – wie Plutarch überliefert – nach der Schlacht seinem gefallenen Bruder und Rivalen Kyros den Kopf und die rechte Hand abschlagen.254 Im Rom der späten Republik befahl auch Marcus Antonius, dem ermordeten Cicero den Kopf und die rechte Hand abzuhauen, mit der Cicero die Reden gegen ihn geschrieben hatte.255 Inwieweit Antonius vom persischen Vorbild beeinflusst war, scheint angesichts des orientalischen Kulturtransfers nach Rom zwar denkbar, lässt sich jedoch nicht mehr eindeutig klären.256 Jedenfalls war Antonius’ Entscheidung wohl weniger aus Angst vor der Macht des toten Ciceros, als vielmehr vom Rachebedürfnis geprägt, mit Hilfe des auf der Rostra ausgestellten abgetrennten Kopfes und der rechten Hand als ausdrucksstärkste Symbole für Ciceros Wirken gegen Antonius allen sichtbar zu machen, dass er Cicero bezwungen habe. 249 Von der rechten Hand als pignus fidei sprechen beispielsweise Liv. 25, 16, 13; Ov. Met. 6, 502; Sen. Her. Fur. 370f.; Curt. 8, 12, 10. 250 Polyb. 6, 33, 1; Gell. 16, 4, 2. 251 Zur mit dem Verlust der fides einhergehenden infamia bei Delikten wie Verrat oder Diebstahl vgl. Liebs, Römisches Recht, Göttingen4 1993, 196. 252 Siehe dazu Kapitel 4.4. und Kapitel 5.1. 253 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 243f. 254 Plut. Artaxerxes 13, 2; Xen. Anab. 1, 10, 1; Xen. Anab. 3, 1, 17; Belege für die Handverstümmelung von Toten in anderen antiken Kulturen bei Groß, Menschenhand und Gotteshand, 243. 255 Plut. Antonius 20, 2; Val. Max. 5, 3, 4; Appian. Civ. 4, 20; das Abschlagen beider Hände bezeugen dagegen Liv. Perioch. 120; Plut. Cicero 48, 8. 256 Zum orientalischen Einfluss auf Rom vgl. Flaig, Über die Grenzen der Akkulturation, 95–97; erinnert sei an den orientalischen Einfluss auf die römische Religion, beispielsweise in Form der aus dem Orient stammenden Votivhände. Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 393– 417

4.2. Die rechte Hand

151

Die Angst vor der Wiederkehr des ermordeten Toten und die daraus resultierende Hoffnung, sich vor der Rache des Toten durch Verstümmelung seiner Körperteile besser schützen zu können, beruht auf der Vorstellung, dass der Mensch in seinem Leben nach dem Tod auf die Unversehrtheit seines toten Körpers angewiesen ist.257 Im Zuge dieser Annahme ging man davon aus, dass die rechte Hand ihre Wirkkraft auch nach dem Tod beibehält, sofern sie weiter mit dem Rest des Körpers verbunden bleibt. Welche Auswirkungen diese Vorstellung haben konnte, geht aus der Rolle der Rechten zur Aktivierung von Fluchtäfelchen hervor.258 Zur Aktivierung eines Fluches war vor allem die Stelle entscheidend, an der das Fluchtäfelchen zu platzieren war.259 Gräber erfreuten sich besonderer Beliebtheit, denn man erhoffte sich durch den körperlichen Kontakt des Verstorbenen mit dem auf dem Fluchtäfelchen fixierten Namen des Opfers, dass auch der Verfluchte durch seinen Tod in Kontakt mit den Toten treten würde. Als Garant für eine erfolgreiche Aktivierung des Fluches bediente man sich dabei auch der über den Tod hinaus bestehenden Wirkkraft der rechten Hand: man legte das Fluchtäfelchen in die rechte Hand der Leiche.260 Dadurch sollte sich die Kraft der Rechten nun in Schaden bringender Funktion auf den Fluch übertragen. Vor diesem Hintergrund wird erneut klar, wie bedeutsam das Abhauen der rechten Hand Toter sein konnte, um potentiellen Schaden, der vom Toten ausging, zu verhindern. Die für die Wirkkraft erforderliche Verbindung der rechen Hand mit dem Körper spiegelt sich auch in einem Abschnitt aus Aischines’ Rede gegen Ktesiphon wider. Aischines erinnert an den athenischen Brauch, die Hand, mit der ein Selbstmörder sich umgebracht hatte, abzuschlagen.261 Dass Aischines sich auf die rechte Hand bezog und der Brauch auch über Athen hinaus bekannt war, belegt Flavius Josephus. Um seine Gefährten vom Selbstmord abzubringen, weist Josephus darauf hin, dass nicht nur die Juden Selbstmörder verurteilen, sondern sogar in anderen Ländern ein Gesetz das Abschlagen der rechten Hand beim Selbstmord verlangt.262 Für das bei den Juden praktizierte Abschlagen der Rechten liefert Josephus auch eine Erklärung. Da der Körper beim Selbstmord unnatürlich von der Seele getrennt worden sei, sei es auch notwendig, die Hand, die die Tat ausführte, vom Körper zu trennen. Die vorgestellten Aspekte führen zu folgenden Schlüssen: trennte man Toten die rechte Hand ab, stand dabei die Vorstellung der rechten Hand als Ausdruck 257 Vgl. Nilson, Geschichte der Griechischen Religion, Bd. 1, 99f. 258 Zu Fluchtafeln vgl. Ogden, Binding Spells: Curse Tablets and Vodoo Dolls in the Greek and Roman World, in: Flint u. a., Witchcraft and Magic in Europe. Vol. 2. Ancient Greece and Rome, London 1999, 1–90; Preisendanz, Fluchtafel (Defixion), RAC 8, Sp. 1–29. 259 Vgl. Odgen, Binding Spells, 15f.; Preisendanz, Fluchtafeln (Defixion), Sp. 5f. 260 Belege finden sich bei Jordan, A Survey of Greek Defixiones not included in the special Corpora, in: GRBS 26, 1985, 155, Nr. 1 u. 2; vgl. dazu auch Jordan, New archaeological Evidence for the Practise of Magic in Classical Athens, in: Praktika tou XII diethnous synedriou klasikēs archaiologias 1983/84, Bd. 4, 274–276. 261 Aisch. Ctes. 244; für Selbstmörder war auch ein separates Begräbnis vorgesehen. Siehe Plat. Leg. 873c-d. Ferner wurden in Athen die Kleider der Selbstmörder, die sich erhängt hatten, und die Schlinge in das Barathron geworfen. Siehe Plut. Themistocles 22, 2. 262 Ios. Bell. Iud. 3, 378.

152

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

menschlicher Schaffens- und Wirkkraft im Mittelpunkt, deren über den Tod hinausreichende Macht erst durch Abschlagen vom Leichnam endgültig gebrochen werden konnte. Angesichts dieser Auffassung stieß die Verstümmelung der Toten, insbesondere bei Selbstmord, für gewöhnlich auf Verständnis. Im Gegensatz dazu rief eine willkürlich vorgenommene Verstümmelung bei Lebenden, wie der Fall der Kriegsgefangenen gezeigt hat, meistens Unmut hervor; war man sich doch bewusst, welche gravierenden Konsequenzen mit dem Abhacken der rechten Hand für die betroffenen Person verbunden waren. Gerade das Wissen um die körperliche Beeinträchtigung sowie die damit verbundene soziale Stigmatisierung in Form der infamia waren wiederum ausschlaggebend, das Abschlagen der rechten Hand im römischen Heer bei Lagerdiebstahl oder im Falle von vertragsbrüchigen Verbündeten als disziplinierende Strafmaßnahme einzusetzen. Da der Verlust der rechten Hand als Folge einer Bestrafung angesehen werden konnte, liegt die Vermutung nahe, dass Menschen mit abgeschlagener Rechten von einer Vielzahl auf den ersten Blick eher als vertrauensunwürdige Personen eingestuft wurden, die ihre Hand infolge einer Verletzung der fides verloren hatten und nun zur Strafe ihr Leben mit der linken Hand meistern mussten. Dass diese Sichtweise in Rom anscheinend verbreitet gewesen war, lassen einzelne Erklärungen römischer Aristokraten wie C. Mucius Scaevola oder Sergius Silus zum Verlust ihrer rechten Hand erkennen.263 Um die Verstümmelung in ein positiveres Licht zu rücken, wurde der Verlust ihrer Rechten auf eine für die res publica erbrachte Tat zurückgeführt. Nur auf diese Weise war vor dem Hintergrund der negativen Assoziationen gegenüber Menschen mit fehlender rechter Hand mit Akzeptanz zu rechnen. Diese Art der Rechtfertigung hing sicherlich auch mit dem ständigen Angewiesensein auf die vermeintlich schlechte linke Hand zusammen. Um jedoch vollständig zu verstehen, welche Assoziationen die Benutzung der linken Hand im Wesentlichen hervorrief, ist eine Untersuchung der mit ihr verbundenen Tätigkeitsbereiche erforderlich, die in den folgenden Kapiteln vorgestellt werden sollen. 4.3. DIE LINKE HAND 4.3.1. Die Rolle der linken Hand in der Kleidung Bevor die einzelnen Tätigkeitsbereiche der linken Hand untersucht werden, ist es ratsam, zunächst ihre allgemeine Rolle im öffentlichen Leben näher zu bestimmen. Ein Mittel dazu bietet die Kleidung der Griechen und Römer.264 Kleidungsideale sind Bestandteile einer gesellschaftlichen Ordnung. Folglich liefert Kleidung auch

263 Vgl. zu C. Mucius Scaevola Liv. 2, 12, 1–2, 13, 1; Sergius Silus: Plin. Nat. Hist. 7, 104f. Zu beiden vgl. ausführlich Kapitel 5.1. 264 Einen Überblick über die Kleidung der Griechen und Römer bietet Blanck, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, Darmstadt2 1996, 54–65. 71–79; Hurschmann, Kleidung, DNP 6, Sp. 505–513.

4.3. Die linke Hand

153

erste Einblicke in die sozialen und kulturellen Konventionen ihrer Träger.265 Dass sich die kulturellen Konventionen auch im Hinblick auf die Vorstellungen über die unterschiedlichen Rollen der beiden Hände auf dem Gebiet der Kleidung niederschlugen, beweisen einzelne Kleidungsstücke der Griechen und Römer. Ein illustratives Beispiel aus der griechischen Welt bietet das Himation, ein von Mann und Frau getragener Mantel aus einer rechteckigen Stoffbahn, der sich ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. auch in der römischen Welt als Pallium dank seiner einfachen Tragweise zunehmender Beliebtheit erfreute.266 Um die Rolle der linken Hand beim Tragen dieses Mantels zu erfassen, muss kurz auf die Drapierungsart eingegangen werden. Am häufigsten wurde das Himation zuerst über die linke Schulter gelegt, dann nach rechts quer über den Rücken geführt, unter dem rechten Arm durchgezogen und schließlich über den linken Arm oder die linke Schulter gelegt oder zwischen der linken Hüfte und dem Arm fixiert.267 Daneben konnte auch der ganze Oberkörper bedeckt werden, indem man den Mantel über die rechte Schulter legte und den Stoffrest wieder zur linken Schulter oder Körperseite führte. Ein Großteil der Stoffmenge befand sich folglich auf der linken Seite, wohingegen die rechte Schulter und der rechte Arm meistens frei blieben. Diese Konstellation hatte zur Folge, dass die linke Hand infolge der enormen Stoffmenge für den Betrachter oftmals nicht deutlich sichtbar war. Daher möchte Sokrates in Platons Dialog Phaidros auch von Phaidros wissen, was dieser in seiner linken Hand unter dem Himation halte.268 Wie tief die Einhaltung dieser Drapierungsart gesellschaftlich verwurzelt war, veranschaulicht eine Episode aus Aristophanes’ Komödie „Die Vögel“, in der Poseidon über die Bekleidungsart des thrakischen Triballen lästert: „Was machst Du da? Drapiert er auf diese Weise seine Kleidung, nach links? Nein, Du wirfst das Himation besser auf folgende Weise um, nach rechts.“269 Der Triballe wirft den Mantel ejparivstero~, „nach links“, um. Bekanntlich bedeutet ejparivstero~ aber auch „verkehrt“ sowie „ungeschickt.“270 Dass diese Drapierungsart als ungeschickt und somit als falsch angesehen wurde, verdeutlicht die Empfehlung des Poseidon, den Umhang traditionsgemäß nach rechts zu drapieren. Ungeschickt war diese Drapierung vor allem, weil infolge der Stofffülle auf der rechten Körperhälfte der rechte Arm und insbesondere die rechte Hand in ihrer Bewegungsfreiheit unvorteilhaft eingeschränkt waren. Ein uneingeschränktes Agieren der rechten Hand war jedoch 265 Zur soziokulturellen Bedeutung von Kleidung bei Griechen und Römern vgl. Maier, Kleidung II (Bedeutung), RAC 21, Sp. 2–22. 266 Zum Himation bzw. zum Pallium vgl. Pekridou-Gorecki, Mode im antiken Griechenland, München 1989, 82–84; Filges, Himationträger, Palliaten und Togaten. Der männliche Mantelnormaltypus und seine regionalen Varianten in Rundplastik und Relief, in: Mattern (Hrsg.), Munus. FS für Hans Wiegartz, Münster 2000, 103–107; Scharf, Straßenkleidung römischer Frauen, Frankfurt am Main 1994, 96–109. 267 Vgl. Pekridou-Gorecki, Mode im antiken Griechenland, 84; Blanck, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, 57. 268 Plat. Phaidr. 228d: Dievca~ ge pre`ton, w` filovth/~, tiv a[ra ejn tvh/` ajristera/` e[cei~ uJpo; tw`/ iJmativw/. 269 Aristoph. Av. 1567f.: Ou|to~, tiv dra/`~; ∆Eparivster ∆ou{tw~ ajmpevcei; Ouj metabalei`~ qoijmavtion w|d ∆ejpidexia;;

270 Vgl. s.v. ejparivstero~, Liddell-Scott, 610; siehe auch Kapitel 2.2.

154

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

in einer Welt, in der Eid, Schwur, Handschlag mit der Rechten erfolgen, unentbehrlich, wenn man den gesellschaftlichen Konventionen gerecht werden wollte. Wer sich folglich falsch drapierte, verhielt sich nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechend und galt, was das Beispiel des Triballen erkennen lässt, als ungriechisch.271 Dagegen erschien eine Drapierung nach links nicht nur aufgrund der negativen Assoziation mit der linken Seite, sondern in erster Linie aus pragmatischen und gesellschaftlich motivierten Gründen als unhaltbar und ungeschickt, da die Rollen der beiden Hände in der Öffentlichkeit klar festgelegt waren: Im Gegensatz zur öffentlich agierenden Rechten hatte die Linke eine passive Rolle auszufüllen. Bewegungsfreiheit für die rechte Körperhälfte versprach auch die ausschließlich von Männern getragene Chlamys, ein mit Nadeln oder Fibeln zusammengehaltener Mantel.272 Um mit beiden Armen und Händen frei agieren zu können, wurde die Chlamys mit der Fibel vor der Mitte der Brust fixiert. Eine andere Drapierung sah vor, den vertikal gefalteten Stoff um die linke Körperseite zu legen und ihn anschließend sowohl von vorne als auch von hinten zur Schulter zu führen, wo man ihn mit einer Fibel zusammensteckte. Der linke Arm war damit bedeckt. Der rechte Arm blieb dagegen ohne Behinderung. Bevorzugte Verwendung fand die Chlamys in Griechenland bei Reitern und Kriegern, ermöglichte sie doch beispielsweise eine uneingeschränkte Nutzung der normalerweise in der rechten Hand gehaltenen Waffe.273 Eine ähnliche Mantelform kursierte auch in Rom unter den Bezeichnungen lacerna, birrus, sagum, laena oder paludamentum.274 Ein weiteres Zeugnis aus der Welt der Bekleidung, das den passiven Part der Linken im Vergleich zur aktiveren Rechten par excellence veranschaulicht, bietet die römische Toga.275 Obwohl äußerst unbequem und in der Freizeit kaum verwendet, war das Tragen der Toga bei offiziellen Anlässen, etwa in Senatssitzungen, bei Opferungen oder vor Gericht bis in die Spätantike unverzichtbar.276 Im vorliegenden Kontext verdient erneut die Drapierung des Gewandes Aufmerksamkeit: Die kreissegmentförmige Toga verfügte über einen geraden und einen gerundeten Saum mit zwei Zipfeln, laciniae.277 Der gerade Togasaum, balteus, lag so auf der 271 Vgl. Pekridou-Gorecki, Mode im antiken Griechenland, 87. 272 Vgl. Pekridou-Gorecki, Mode im antiken Griechenland, 88; Blanck, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, 57f.; nur in Ausnahmefällen wurde diese Mantelform von Frauen getragen. Belegt sind bei Tac. Ann. 12, 56 Agrippina und bei Verg. Aen. 4, 137 Dido. Vgl. dazu Scharf, Straßenkleidung römischer Frauen, 45f. 273 Vgl. Pekridou-Gorecki, Mode im antiken Griechenland, 88. 274 Zu den Bezeichnungen sowie sämtlichen bekannten Stellenangeben zu dieser römischen Mantelform vgl. Scharf, Straßenkleidung römischer Frauen, 47–49; Kolb, Römische Mäntel: paenula, lacerna, manduvh, in: MDAIR 80, 1973, 117. 275 Zur römischen Toga vgl. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, Mainz 1989; Wilson, The Roman Toga, Baltimore 1924; Havé-Nikolaus, Untersuchungen zu den kaiserzeitlichen Togastatuen griechischer Provenienz, Mainz 1998; weitere Literatur aufgeführt bei Blanck, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, 75f. 276 Vgl. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, 2; Blanck, Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer 71. 277 Vgl. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, 3f.; Hurschmann, Toga, DNP 12/1, Sp. 654; die Drapierung der Toga wird ausführlich von Quintilian beschrieben. Vgl. Quint. Inst. 11, 3, 140f.

4.3. Die linke Hand

155

linken Schulter, dass etwa ein Drittel vorn herabhing und der Zipfel sich unterhalb des linken Knies befand. Die übrigen zwei Drittel waren über den Rücken und unter der rechten Achsel durch quer über die Brust zur linken Schulter geführt, so dass der zweite Zipfel an der linken Rückseite herabhing. Eine derartige Drapierung hatte genauso wie beim griechischen Himation zur Konsequenz, dass die linke Körperseite nahezu vollständig eingehüllt war. Oftmals war sogar der Zipfel der Toga um den linken Arm geschlungen.278 Als seit augusteischer Zeit die Stoffmenge durch Hinzufügen eines zweiten, kleineren Kreissegments, sinus, zunahm und sich der Tragekomfort weiter verschlechterte, hielten viele Togaträger ihren Sinus häufig mit der linken Hand gerafft, um eine potentielle Auflockerung des Gewandes zu verhindern.279 Die voluminöse Toga brachte nicht nur Caligula zum Stolpern280, vielmehr konnte die Drapierungsart der Toga auch für den Redner beim Vortrag zum Verhängnis werden. Laut Quintilian werde nämlich im Laufe der Rede der Bausch von der Schulter ganz zu recht wie von selbst fallen.281 Falls der Bausch in der Rede seinen Halt verloren habe, empfiehlt Quintilian als Ausweg aus dem Dilemma, den zu lose gewordenen Bausch unter den linken Arm zu rücken.282 Seine Anweisung bringt eine durch die Toga bedingte passive und im Vergleich zur Rechten untergeordnete Rolle der linken Hand zum Ausdruck, denn durch den fixierten linken Arm blieb ihr Aktionsradius erheblich eingeschränkt. 283 Dass ohnehin eine passive Rolle der Linken in der Rede durchaus erwünscht war, demonstriert Quintilian an einer anderen Textstelle: „Unerträglich ist es, dass manche mit der über die Schulter zurückgeschlagenen Toga, deren Bausch sie mit der Rechten bis zu der Lende heruntergezogen halten, mit der Linken gestikulierend umhergehen und reden, während es schon anstößig ist, die Linke zurückzuziehen, wenn die Rechte weiter vorgestreckt ist.“284 Auch an dieser Stelle wird die Rollenverteilung der beiden Hände im öffentlichen Leben ersichtlich: Während die Rechte eine aktive Rolle ausfüllte, blieb für die linke Hand der passive Part, der in Bezug auf Kleidung durch das Verborgensein bzw. Fixieren der Drapierung zum Ausdruck kam. Die sich in der Kleidung widerspiegelnde zweitrangige Rolle der linken Hand ist auch bei der Frage von Relevanz, welche Hand sich besser zum Tragen spezieller Kultstäbe eignet. Zeigen zwar die ikonographischen Zeugnisse, dass der dio278 Vell. Pat. 2, 3, 1: (…) circumdata laevo brachio togae lacinia (…); Val. Max. 3, 2, 17. 279 Vgl. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, 3; Togaträger, die mit ihrer linken Hand ihren sinus gerafft halten, sind beispielsweise auf Sarkophagreliefs aus dem 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. bezeugt. Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, 87 u. Taf. 76, 3. Taf. 77, 1–4. 280 Caligula tritt in Hast auf den Zipfel und strauchelt: Suet. Cal. 35, 3. 281 Quint. Inst. 11, 3, 144. 282 Quint. Inst. 11, 3, 146: (…) ita cur laxiorem sinum sinistro brachio non subiciamus? 283 Deutlich werden die passive Rolle der Linken und die aktive Rolle der Rechten in der Rede bei Val. Max. 3, 2, 17: Tum Scipio Nascia (…) laevam manum ima parte parte togae circumdedit sublataque dextra proclamavit (…). 284 Quint. Inst. 11, 3, 131: Illud non ferendum, dum quidam reiecta in umerum toga, cum dextra sinum usque lumbos reduxerunt, sinistra gestum facientes spatiantur et fabulantur, cum etiam laevam restringere prolata longius dextra sit odiosum.

156

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

nysische Thyrsosstab sowohl in der linken als auch in der rechten Hand gehalten werden konnte285, so lässt eine Episode aus Euripides’ Bakchen zumindest eine Vorliebe für die rechte Hand vermuten. Auf die Frage des Pentheus, mit welcher Hand er den Thyrsos führen soll, um einer Bakche noch ähnlicher zu sein, antwortet Dionysos: „Rechts halte ihn und schwinge zur gleichen Zeit den rechten Fuß.“286 Noch deutlicher fällt die Präferenz der rechten Hand beim Kultgerät der Auguren, dem lituus, aus.287 Der Krummstab wurde von den Auguren verwendet, um die Himmelsregionen für die Deutung des Vogelflugs zu bezeichnen.288 Dass der lituus bei der Beschreibung des auguralen templum in der rechten Hand geführt wurde, illustriert eine Darstellung auf dem Altar der Lares Augusti vom Vicus Sandalarius. Die Altarvorderseite zeigt, wie Augustus als Augur mit einem lituus in der Rechten die Auspizien vermutlich für den in den Orient aufbrechenden C. Caesar links im Bild einholt.289 Eine weitere Szene, die einen Augur mit lituus in Aktion zeigt, beschreibt Livius in seiner Schilderung der Inauguration Numas. Zur Deutung des Vogelflugs grenzte der Augur die Himmelsregionen mit seinem in der rechten Hand geführten lituus ab.290 Anschließend nahm der Augur den lituus in seine linke Hand, da seine nun auf dem Kopf Numas ruhende Rechte für das Gebet gebraucht wurde.291 Erneut wird die Rollenverteilung der beiden Hände evident: Kam der lituus in seiner eigentlichen Funktion zum Einsatz, wurde er in der rechten Hand gehalten, der Hand, die im rituellen Geschehen, vor allem, wenn es sich dabei um eine Kontaktaufnahme mit den im Himmel lokalisierten Gottheiten handelte, erwartungsgemäß aktiv beteiligt war. Stand jedoch eine weitere rituelle Handlung im Mittelpunkt, die ebenfalls die Benutzung der rechten Hand erforderlich machte, wechselte man den nun nicht mehr gebrauchten Stab in die für den passiven Part vorgesehene linke Hand.292 285 Zum Thrysos siehe Krauskopf, Thysthla, Thyrsoi und Narthekophoroi. Anmerkungen zur Geschichte des dionysischen Kultstabes, in: Thetis 8, 2001, 47–52; Bildzeugnisse, die einen Thrysosstab in der linken Hand zeigen, bei Veneri/Gaspari, Dionysos, LIMC 3, 1a, 454, Nr. 333, Nr. 338, Nr. 341; 455, Nr. 346, Nr. 350, Nr. 351, Nr. 353, Nr. 354; 456, Nr. 361; Thyrsosstab in der rechten Hand: 454, Nr. 342, Nr. 335, Nr. 337; 455, Nr. 344, Nr. 345, Nr. 356, Nr. 357; weitere ikonographische und literarische Zeugnisse sowie Sekundärliteratur zum Thrysos finden sich bei Krauskopf, 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 385–394. 286 Eur. Bacch. 943f.: ∆En dexia`/ crh; ca{ma dexiw`/ podi; ai[rein nin (…). 287 Zum lituus siehe Krauskopf, 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 394–396. 288 Cic. Div. 1, 30; Liv. 1, 18, 7; darüber hinaus konnte der lituus auch auf die sakrale Befehlsgewalt derjenigen Magistrate hinweisen, die aufgrund ihres imperium das Recht hatten, Auspizien vorzunehmen. In der Kaiserzeit avancierte die ursprüngliche Amtsinsignie etruskischer Könige schließlich zum Zeichen der kaiserlichen Macht über die religiöse Sphäre. Vgl. Krauskopf, 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 394f. 289 Krauskopf, 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 396, Nr. 1541a; weitere Darstellungen des Kaisers mit lituus in der rechten Hand: 396, Nr. 1542a (Augustus) und Nr. 1542b (Tiberius). 290 Liv. 1, 18, 7. 291 Liv. 1, 18, 8. 292 Dass der lituus in der Linken getragen wurde, sobald die rechte Hand eine neue rituelle Hand-

4.3. Die linke Hand

157

Wenn keine Kulthandlungen vollzogen wurden, folglich der Krummstab vorwiegend als repräsentatives Symbol religiöser Macht fungierte, wurde der lituus vom Augur ebenfalls in der rechten Hand getragen. Bronzestatuetten oder auch Münzen zeigen Auguren, die stets ihren lituus in der Rechten tragen.293 Die vorgestellten Aspekte haben vor Augen geführt, welche gesellschaftlichen Denkweisen und Konventionen Kleidung widerspiegeln kann. Die Drapierungsarten von Kleidungsstücken wie Chlamys, Himation oder Toga sind daher zum einen als Folge und Ausdruck einer rechts favorisierenden Weltsicht zu betrachten, zum anderen trugen sie auch dazu bei, die aus dieser Weltsicht resultierende Rollenverteilung der beiden Hände stets aufs Neue zu bestätigen, zu verfestigen sowie zu perpetuieren. Entsprechend dieser Sichtweise hatte die linke Hand im öffentlichen Leben einen passiven Part zu erfüllen, der im Bereich der Kleidung sogar zu ihrer kompletten Verhüllung führen konnte. 4.3.2. Die linke Hand als Diebeshand Welchen aktiven Part die linke Hand übernehmen konnte, demonstriert Catull gleich zu Beginn des 12. Epigramms eindrucksvoll: „Marruciner Asinius, nicht fein gebrauchst du deine Linke bei Scherz und Wein: Du stibitzt unachtsamen Leuten die Servietten.“294 Dass es sich bei der Assoziation der linken Hand als Diebeshand um keinen Einzelfall handelt, beweist Martial, der in einem seiner Epigramme empfiehlt, nicht bloß die Rechte des Hermogenes zu beobachten, sondern vor allem seine Linke festzuhalten, um den geplanten Diebstahl eines Tuches zu verhindern.295 An dieser Stelle sei auch das bereits aus sprachwissenschaftlicher Perspektive behandelte Gedicht von Catull ins Gedächtnis gerufen, in dem Catull die Vertrauensleute des Piso nicht etwa als dessen rechte Hände benennt296, sondern mit der Bezeichnung duae sinistrae, eindeutig zu verstehen gibt, worauf der Reichtum der beiden beruht, nämlich auf Diebstahl.297 Noch deutlicher drückt sich Ovid aus. Im Streit um den Schild des Achill wirft Aiax dem Rivalen Ulixes Feigheit und Lüge vor; Eigenschaften, die Aiax schließ-

293

294

295 296 297

lung vollziehen musste, illustriert auch eine aus Perugia stammende Rundbasis aus dem 5. Jahrhundert v. Chr.: In einer Prozession hebt ein Mann, der am rechten Bildrand vor einem brennenden Altar steht, zum Gebet seine rechte Hand, während seine linke Hand den lituus hält. Siehe Krauskopf, 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 396, Nr. 1532 (= Maggiani/Rafanelli, 6b Prayer, Etr., ThesCRA III, 143, Nr. 14). Münzen: Krauskopf, 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 396, Nr. 1534, Nr. 1535, Nr. 1537 (Diana/Luna den lituus haltend), Nr. 1538; Bronzestatuen: 396, Nr. 1531, Nr. 1533. Cat. 12, 1–3: Marrucine Asini, manu sinistra non belle uteris in ioco atque vino: tollis lintea neglegentiorum. Vgl. zur Stelle auch den Kommentar von Syndikus, Catull. Eine Interpretation, 127. Mart. 12, 28, 1–4: Hermogenes tantus mapparum, Castrice, fur est (…) tu licet observes dextram teneasque sinsitram, inveniet mappam qua ratione trahat. Vgl. Cic. Ad Att. 14, 20, 5. Cat. 47. Siehe Kapitel 2.3.

158

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

lich zur Schlussfolgerung kommen lassen, dass der von Hephaistos geschmiedete Schild „der feigen, zum Stehlen geschaffenen Linken“ des Ulixes sich nicht würdig erweist.298 Die Vorstellung von der Linken als Hand des Diebes begegnet auch in der römischen Komödie. In Plautus’ Persae entgegnet die Sklavin Sophoclidisca auf die Frage des Knaben Paegnium, welche Hand er ihr denn reichen solle, dass sie seine diebische Linke, furtifica laeva, möchte.299 Dass die linke Hand nicht nur in Wort, sondern auch als Geste auf der Theaterbühne in Erscheinung tritt, dokumentiert ein Graffito aus Ephesos (siehe Abb. 12), das aufgrund seiner Anbringung im Theater als Theaterszene identifiziert werden konnte.300 In einer Diebstahlszene versuchen zwei Schurken mit einem langen Haken einen auf dem Tisch stehenden Gegenstand zu angeln. Dazu ist der eine auf den Rücken des anderen gestiegen. Eine Trennwand gibt an, dass der Diebstahl anscheinend durch ein geöffnetes Fenster erfolgte. Interessant und untersuchenswert ist jedoch eine weitere Figur am linken Bildrand, die ebenfalls zur Szene gehört. Sie hält einen bauchigen, womöglich gerade erbeuteten Gegenstand in ihrer erhobenen linken Hand. Für die Vermutung, dass es sich dabei auch tatsächlich um einen Dieb handelt, sprechen folgende Gründe: Erstens weist der in der linken Hand gehaltene Gegenstand große Ähnlichkeiten zu denjenigen auf, die sich noch auf dem Tisch befinden. Daher lässt er sich mit großer Wahrscheinlichkeit als Diebesbeute identifizieren. Zweitens erweckt die Darstellung den Eindruck, als ob der Mann Schmiere steht, um die anderen rechtzeitig vor Gefahr im Verzug warnen zu können.301 Aus pragmatischer Perspektive betrachtet kommt noch drittens hinzu: Der Empfang der Diebesbeute, die von dem am Fenster stehenden Schurken womöglich mit dem Haken nach unten gereicht worden ist, konnte leicht von der linken Person übernommen werden, da sie als einzige von den dreien beide Hände frei hat. Die Zeichnung zeigt nämlich deutlich, dass der andere Mann am Boden seine beiden Hände zum Abstützen an der Wand benutzt, um seinem Komplizen am Fenster besseren Halt zu geben. Zwar ist damit immer noch nicht eindeutig bewiesen, dass es sich bei der Figur um einen Dieb handelt, geschweige denn, ob der Graffitozeichner den Gegenstand absichtlich in die linke Hand positionieren wollte; Graffiti mit Gladiatorenszenen lassen aber zumindest erahnen, wie sehr bei komplexen Motiven auf eine detaillierte Darstellung im großen und ganzen Wert gelegt wurde.302 Da das Anbringen oder Hinterlassen 298 Ov. Met. 13, 111: (..) timidae nataeque ad furta sinistrae. 299 Plaut. Pers. 226; furtificus ist nur bei Plautus belegt. Vgl. s.v. furtificus, OLD, 750. 300 Vgl. Langner, Antike Graffitizeichnungen. Motive, Gestaltung und Bedeutung, Wiesbaden 2001, 58; Taf. 73, Nr. 1163. 301 Setzt man voraus, dass sich der Graffito an einer Theaterszene orientierte und zumindest die Anordnung der Schauspieler detailgetreu wiedergibt, könnte für die Interpretation der Darstellung als Diebstahlszene auch die Bildläufigkeit als weiteres Argument hinzugezogen werden. Die Figur am linken Bildrand tendiert dazu, nach links die Szene mit dem Diebesgut verlassen zu wollen. Zu einem Motiv linksläufiger Darstellungen in der antiken Bildsprache gehören auch Raub- und Entführungsszenen, die häufig auf Reliefs und Vasenbildern abgebildet sind. Vgl. Luschey, Rechts und Links. Untersuchungen über Bewegungsrichtung, Seitenordnung und Höhenordnung in der antiken Bildsprache, Berlin 2002, 30–32. 302 Zu den Gladiatorenszenen vgl. Langner, Antike Graffitizeichnungen, 45–49.

4.3. Die linke Hand

159

eines Graffito immer die Intention hat, etwas mitzuteilen, folglich kommunikativer Natur ist, scheint es auch im Hinblick auf inhaltsreiche Theaterszenen denkbar, dieser Absicht durch eine detaillierte Darstellung der Szenen gerecht zu werden. Je genauer das Graffito nämlich erscheint, desto mehr anerkennende Blicke zieht es auf sich, desto größer ist zugleich sein Informationswert für den Betrachter. 303 Angesichts der negativen Konnotation der linken Seite ist die Assoziation der linken Hand als Diebeshand kaum verwunderlich, zumal es darüber hinaus unvorstellbar erschien, die Rechte infolge ihrer Verwendung als Schwurhand, Symbol der Treue oder Hand Gottes mit Stehlen in Zusammenhang zu bringen. Ohnehin existieren dafür auch bisher keine Belege, die eine solche Schlussfolgerung erlauben würden.304 Bedenkt man allerdings, dass ein erfolgreicher Einsatz der Hand beim Diebstahl normalerweise Schnelligkeit und Geschick erfordert305, Eigenschaften, die eher nicht mit der linken Hand in Verbindung gebracht wurden, stellt man schnell fest, dass die Assoziation der Linken als Diebeshand in erster Linie auf einer auf Dualismen reduzierten Weltsicht beruht, hier also ein soziokulturelles Konstrukt vorliegt, das eine genauere Betrachtungsweise erforderlich macht, um zum eigentlichen Kern der Wahrheit vorzustoßen. Wie bereits angedeutet, ist zunächst davon auszugehen, dass zum Stehlen normalerweise die rechte Hand bevorzugt Verwendung fand. In einer Welt, die zum großen Teil aus Rechtshändern besteht, scheint es nahe liegend, auch beim Stehlen seine trainierte und somit auch im Vergleich zur Linken geschicktere rechte Hand einzusetzen. Die Adjektive dexiov~ sowie dexter als Synonyme für geschickt und die davon abgeleiteten Substantive dexiovth~ und dexteritas unterstreichen diese Assoziation.306 Dennoch kommt auch der linken Hand eine im wahrsten Sinne des Wortes „tragende Rolle“ beim Diebstahl dazu, denn der Prozess des Diebstahls beinhaltet nicht nur den aktiven Part des Wegnehmens eines Gegenstandes, sondern besteht auch aus dem passiven Part des Aufbewahrens und Versteckens des Diebesgutes. Nach Vollzug des Stehlens müssen die Gegenstände, die mit der rechten Hand gestohlen worden sind, verborgen werden, damit der Diebstahl unerkannt bleibt. Folglich muss die rechte Hand als in der Öffentlichkeit agierende Hand möglichst schnell von ihrer Diebesbeute befreit werden, denn nur auf diese Weise ist sie in ihrer gewohnten Rolle einsetzbar, erregt kein Misstrauen und bietet dazu dem Dieb im Fall einer Flucht die Möglichkeit, sich mit seiner starken Rechten zu verteidigen. Hier kommt die linke Hand ins Spiel: Sie erscheint prädestiniert zur Aufbewahrung der 303 Zur Funktion und Intention von historischen Graffiti vgl. Krack/Lingens, Bibliographie zu historischen Graffiti zwischen Antike und Moderne, Krems 2001, 31. 304 Vgl. ThLL 5, 1, Sp. 916–937; dass die Rechte vielmehr Diebe abhält, illustriert Horaz in einer seiner Satiren, in der die im Garten aufgestellte Priapusfigur von sich behauptet, durch ihre hervorgestreckte Rechte nicht nur Vögel, sondern auch Diebe vom Grundstück zu verjagen. Hor. Sat. 1, 8, 3f.: (…) deus inde ego, furum aviumque maxima formido: nam fures dextra coercet (…). 305 Das Stehlen von Speisen diente in Sparta sogar zur Förderung der Geschicklichkeit junger Spartaner. Vgl. Plut. Lykurgos 17, 3. 306 Vgl. s.v. dexiov~ und dexiovth~, Liddell-Scott, 379; s.v. dexter und dexteritas, OLD, 535.

160

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Diebesbeute.307 Angesichts ihrer passiven Rolle wird die linke Hand im Vergleich zur Rechten weniger wahrgenommen und hat vor allem bei manchen Kleidungsstücken den Vorteil, dass sie neugierigen Blicken entzogen werden kann: Wie stark die linke Hand durch die enorme Stofffülle weitestgehend verborgen blieb, beweist Plinius in seinen Naturalis Historiae, wenn er in seiner Abhandlung über Ringe darauf hinweist, dass man dafür die linke Hand vorwiegend in Betracht zog, denn derjenige, der das Tragen von Ringen eingeführt habe, soll dies nur zögernd getan haben, was daran zu erkennen sei, dass er den Ring an die linke Hand stecke, „die im Gewand verborgen ist.“308 Da die Rechte in der Öffentlichkeit agiert, gibt Plinius zu bedenken, dass man einen Ring eigentlich rechts zur Schau hätte tragen müssen, wenn die Auszeichnung des Ringtragens unbedenklich gewesen wäre.309 Anschaulich illustriert auch eine pompejanische Wandmalerei, wie geeignet die unter der Stofffülle verborgene Linke zum Verstecken bestimmter Gegenstände sein konnte. Das Bild aus der Casa dei Dioscuri zeigt Medea kurz vor der Ermordung ihrer beiden Kinder in Korinth (siehe Abb. 13).310 Komplettiert wird die Attentatsszene durch einen von De Caro als Pädagogen gedeuteten Mann, der links am Eingang der Haustür steht und seinen Blick auf Medea und die in der Bildmitte platzierten Kinder richtet. Medea steht auf der rechten Seite, den Rücken ihren beiden am Hausaltar spielenden Kindern zugewandt, und hält in ihrer Linken, die unter ihrem von einem Himation verhüllten Arm hervorschaut, den für die Kinder bestimmten Dolch. Auf dem Dolch ruht bereits ihre rechte Hand, womit dem Betrachter signalisiert werden soll, dass die schreckliche Tat unmittelbar bevorsteht. Der differenzierte Blick auf die Deutung der Linken als Diebeshand führt zu folgenden Erkenntnissen: Die linke Hand kann zwar durchaus als Diebeshand angesehen werden, übernimmt aber beim Diebstahl in der Regel nur die Funktion der Aufbewahrung und des Versteckens des Diebesgutes, für das sie vor allem dank der Drapierung bestimmter Kleidungsstücke prädestiniert erschien. Entscheidend zu ihrer Wahrnehmung als Hand des Diebstahls trug die Entdeckung des Diebstahls bei: Wenn der ertappte Dieb nämlich sein Diebesgut zeigen musste, das er in seiner linken Hand hielt. Dass die zentrale Rolle der Rechten beim Diebstahl komplett ausgeblendet wurde, erscheint in einer rechts bevorzugenden Welt plausibel und vor allem menschlich: Menschen glauben, was sie glauben wollen und konstruieren dementsprechend ihre Wirklichkeit; eine Wirklichkeit, die selten mit der Wahrheit in Einklang zu stehen pflegt.

307 Deutlich kommt diese Funktion auch auf dem zuvor besprochenen Graffito zum Vorschein, auf dem der Schmiere stehende Dieb das Diebesgut in seiner Linken aufbewahrt. Zur Funktion der linken Hand als Hand, die Gegenstände hält und trägt, siehe ausführlich Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 160–163. 308 Plin. Nat. Hist. 33, 13: Et quisque primus instituit, cunctanter id fecit: laevis manibus latentibusque induit (…). 309 Plin. Nat. Hist. 33, 13: (…) cum si honos securus fuisset, dextra fuerit ostentandus. 310 Vgl. Schmidt, Medeia, LIMC 6, 1, 388, Nr. 10; De Caro, Il Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Napoli 1994, 177.

4.3. Die linke Hand

161

Welche Auswirkungen die Vorstellung von der Linken als Diebeshand auch auf die Bewertung von Linkshändern haben konnte, soll abschließend noch ein Beispiel an wissenschaftlicher Forschung des 19. Jahrhunderts beleuchten.311 Der italienische Schädelvermesser Cesare Lombroso (1835–1909) glaubte, man könne Charaktereigenschaften an äußeren Merkmalen ablesen, zu denen er auch die Hand zählte. Im Rahmen seiner Arbeit richtete er seine Aufmerksamkeit auch auf Linkshänder und fand prompt eine erhöhte Konzentration an Linkshändern unter Kriminellen, was zeigt, dass die laeva furtifica selbst in der Neuzeit ihr bereits von Catull attestiertes kriminelles Potential nicht eingebüßt hat. Dass sich die mit der linken Hand verbundenen Tätigkeiten nicht allein auf Diebstahl konzentrieren, sondern noch weitere Bereiche umfassen, soll im Folgenden gezeigt werden. 4.3.3. Die linke Hand in der Sexualität Als Instrument zur sexuellen Stimulation kommt beim Menschen vor allem die Hand zum Einsatz. Wie charakteristisch die Verwendung der Hand im Liebesspiel war, beweist bereits der bei Martial bezeugte Ausdruck manus fututrix: Aus Neid, dass der Adressat seines Epigrammes sich mit zwei Lustknaben vergnügt, bittet Martial diesen, zumindest auf eine Sache zu verzichten: „Unterlass es wenigstens, ihm das Glied mit lüsterner Hand zu erregen.“ 312 Noch deutlicher äußert sich Ovid in seiner Ars Amatoria. Nachdem das Bett endlich die beiden Liebenden aufgenommen hat, bittet Ovid die Muße, vor verschlossener Kammertür zu warten, denn „ganz von selbst werden sie ohne dich die wohlbekannten Liebesworte sprechen, und die linke Hand wird nicht untätig auf dem Bette liegen; die Finger werden an jenen Stellen etwas zu finden haben, an denen Amor heimlich seine Pfeile netzt.“313 Ähnliches lässt sich auch in einem Fragment des Lucilius beobachten: „doch mit der Linken trocknet die Freundin die Tropfen am Phallus.“314

311 Vgl. Smits, Linkshänder, 161; nicht unerwähnt soll bleiben, dass die bekannten Kriminellen Jack the Ripper und Boston Strangler zumindest nach der Vorstellung der breiten Masse Linkshänder gewesen sein sollen. Vgl. dazu Fincher, Lefties, 26; der Psychoanalytiker Wilhelm Steckel, Freud-Schüler, behauptete Anfang des 20. Jahrhunderts, links sei in Träumen ein Symbol für das Verbrechen. Vgl. Smits, Linkshänder, 191f.; auch der Blick auf den heutigen deutschen Sprachgebrauch bezeugt die Auffassung von einer Verbindung der linken Seite mit dem Verbrechen: „Link“ als Begriff der Gaunersprache im Sinn von „falsch, schlecht, hinterhältig etc.“ oder das Verb „linken“ als Synonym für „täuschen, jemanden hereinlegen“ führen vor Augen, dass die Assoziation von links und folglich der linken Hand mit Diebstahl allem Anschein nach als anthropologische Konstante zu deuten ist. Vgl. s.v. link, Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Bd. 4, 1684. 312 Mart. 11, 22, 3f.: (…) sed sit satis; inguina saltem parce fututrici sollicitare manu; vgl. dazu auch Adams, The Latin Sexual Vocabulary, London2 1987, 209; inschriftlich ist der Ausdruck belegt bei CIL 4, 2204. 313 Ov. Ars 2, 705–708: Sponte sua sine te celeberrima verba loquentur, nec manus in lecto laeva iacebit iners; invenient digiti quod agant in partibus illis, in quibus occulte spicula tingit Amor. 314 Luc. Krenkel 308: at laeva lacrimas muttoni absterget amica.

162

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Die explizite Erwähnung der linken Hand als bewährtes Mittel zur sexuellen Stimulation erscheint auf den ersten Blick verwunderlich. Körperliche Handlungen beim Liebesspiel lassen sich nicht in ein festgelegtes Schema pressen, sondern sind vielmehr personen- bzw. positionsspezifisch bestimmt.315 In einer vorwiegend aus Rechtshändern bestehenden Welt ist allerdings eher zu erwarten, dass zur sexuellen Stimulation vorwiegend die geschicktere Hand, folglich die Rechte, herangezogen werden würde. Wirft man einen Blick auf erotische Themen in der attisch-schwarzfigurigen und –rotfigurigen Vasenmalerei, so scheint sich tatsächlich eine Präferenz der rechten Hand im Liebesspiel abzuzeichnen. In zahlreichen Bildszenen dient die rechte Hand zur Erregung des jeweiligen Sexualpartners.316 Auf literarischer Ebene findet sich ein Beleg bei Martial: Phyllis benutzt ihre rechte Hand, um Martials Glied zu bearbeiten.317 Angesichts der Tendenz, im sexuellen Bereich eher die rechte Hand einzusetzen, ist die Frage zu stellen, warum an den anfangs aufgeführten Stellen die linke Hand zur sexuellen Stimulation explizit Erwähnung fand, zumal Ovid in anderen Passagen, die ebenfalls das sexuelle Vorspiel thematisieren, nur neutral von Händen, manus, spricht318, also offenbar bewusst einen Kontrast schafft, der nach einer Erklärung verlangt. Bevor eine Antwort auf diese Frage gefunden werden kann, ist zunächst einmal die römische Haltung zum Geschlechtsleben zu bestimmen. Die Einstellung der Römer zu ihrer Sexualität ist durch Polarität gekennzeichnet. In der Überlieferung existiert einerseits eine asketische Haltung, die die Einhaltung von severitas und gravitas von jedem verheirateten freien Mann einforderte und Verhalten, das nicht decorum erschien, als Ausdruck von levitas und licentia deutete, andererseits vertraten die jugendlichen Verfasser von Elegien und Epigrammen eine ludische Haltung, die in Form von erotischer Poesie libertas und lascivia propagierte und die asketische Auffassung der serviores bewusst herausforderte.319 Trotz dieser zwiespältigen Haltung dem Geschlechtsleben gegenüber darf nicht übersehen werden, welch bedeutende Rolle das Schamgefühl in der römischen Kultur spielte.320 Das Geschlechtsleben sollte sich im Verborgenen abspielen. Nach Cicero ist der Gebrauch der Geschlechtsteile nicht hässlich, sofern er versteckt geschieht.321 Aber 315 Vgl. Smits, Linkshänder, 21; McManus, Right Hand, Left Hand, 152f. 316 Exemplarisch sei verwiesen auf Dover, Greek Homosexuality, Cambridge, Massachusetts2 1989, B 76, B 271, B 598, R 196a, R 207, R 682; Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, Mainz 1993, 68, Abb. 120 u. Abb. 121a; 73, Abb. 128b; 75, Abb. 136; 78, Abb. 145; 95, Abb. 167; Keuls, The Reign of the Phallus. Sexual Politics in Ancient Athens, Berkeley/Los Angeles/London 1993, 87, Abb. 81; Kilmer, Greek Erotica on Attic Red-Figure Vases, London 1993, R 36, R 142, R 651; Dierichs, Erotik in der römischen Kunst, Mainz 1997, 66, Abb. 76a; diesen insgesamt 17 Belegen stehen nur 4 Belege gegenüber, auf denen zur Stimulation die linke Hand benutzt wurde: Dover, Greek Homosexuality, R 82, R 520; Dietrichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 71, Abb. 125; 81, Abb. 149. 317 Mart. 11, 29, 1f. 318 Ov. Ars 2, 213. 217. 324; Ov. Am. 1, 4, 6–10. 319 Vgl. Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zeichen des Phallus. Die Ordnung des Geschlechtslebens im antiken Rom, Frankfurt am Main/New York 1995, 62f. 320 Vgl. Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zeichen des Phallus, 22. 31–33. 321 Cic. Off. 1, 127: Quae enim natura occultavit, eadem omnes, qui sana mente sunt, removent ab

4.3. Die linke Hand

163

auch der Liebeselegiker Ovid betont in seiner Ars Amatoria die zu wahrende Intimität des Liebesspiels: „Passend für unsere Heimlichkeiten sind Schlafzimmer und verschlossene Türen, und der Körperteil, dessen wir uns schämen, ist unter der Decke verborgen, und wir suchen zwar keine Finsternis, aber doch so etwas wie einen dunklen Wolkenschleier und weniger Helligkeit als Tageslicht.“322 Der Bezug der Linken zu den Schamteilen wird in der Passage kurz zuvor zur Sprache gebracht. Venus bedeckt, sooft sie die Hüllen fallen lässt, sich die Scham mit der linken Hand.323 Offenbar sollte die rechte Hand infolge ihrer positiven Konnotation sowie der damit verbundenen Aufgaben nicht im Zusammenhang mit dem Geschlechtsleben genannt werden, obgleich die zuvor angeführten Zeugnisse belegt haben, dass sie in der Realität durchaus zum Einsatz kam. Inwieweit der Bezug der linken Hand zum Liebesspiel auch Parallelen zu der im Islam und Hinduismus vorherrschenden Vorstellung von der Linken als unreiner Hand aufweist, die hauptsächlich zur Berührung der Genitalien Gebrauch findet324, ist angesichts der römischen Schamhaftigkeit zwar nicht auszuschließen, wird aber der Komplexität der Thematik nicht ausreichend gerecht.325 Entfernt man sich von dieser Interpretation und berücksichtigt stattdessen, wie stark sowohl Cicero als auch Ovid auf die Verborgenheit des Liebesspiels Wert legen, scheint mit der Erwähnung der linken Hand in diesem Bereich eher eine andere Akzentuierung im Vordergrund gestanden zu haben. In Ovids Ars Amatoria muss die Muße vor der verschlossenen Kammer stehen bleiben.326 Drinnen netzt Amor an den Stellen, an denen die linke Hand aktiv wird, heimlich seine Pfeile.327 Die Parallelen der im Verborgenen agierenden Linken im Liebesspiel zu ihrer Rolle in der Kleidung und im Diebstahl kommen klar zum Vorschein: auch unter der Toga ist die linke Hand verborgen und führt in den meisten Fällen Tätigkeiten aus, die in der Öffentlichkeit

322

323 324

325

326 327

oculis ipsique necessitati dant operam ut quam occultissime pareant; quarum partium corporis usus sunt necessarii, eas neque partes neque earum usus suis nominibus appellant, quodque facere non turpe est, modo occulte (…); vgl. dazu ausführlich Meyer-Zwiffelhoffer, Im Zeichen des Phallus, 28–35. Ov. Ars 2, 617–620: Conveniunt thalami furtis et ianua nostris parsque sub iniecta veste pudenda latet, et, si non tenebras, at quiddam nubis opacae quaerimus atque aliquid luce patente minus. Ov. Ars 2, 613f.: Ipsa Venus pubem, quotiens velamina ponit, protegitur laeva semireducta manu. Im Islam benutzt man die Linke, um sich den Hintern zu reinigen, während die Rechte zum Essen, Schreiben oder Grüßen verwendet wird. Vgl. Hughes, Lexikon des Islam, s.v. Essen, 170–172, s.v. Hand, 276; Smits, Linkshänder, 20; McManus, Right Hand, Left Hand, 31; bei den Hindus wird die rechte Hand dazu eingesetzt, um alles oberhalb des Nabels zu berühren. Dagegen ist die linke Hand für jeden darunter liegenden Körperbereich zuständig. Vgl. Fincher, Lefties, 46f. Da die linke Hand in anderen Kulturen als unrein gilt, wird dies oft angeführt, um damit die Erwähnung der linken Hand in der römischen Liebesliteratur zu erklären. Beispielsweise findet sich diese Deutung bei Adams, The Latin Sexual Vocabulary, 209 oder im Kommentar zu Ov. Ars 2, 705 bei Janka, Ovid. Ars Amatoria. Buch 2, Heidelberg 1997, 488; Kritik an diesem Ansatz übt Smits, Linkshänder, 21. Ov. Ars 2, 704. Ov. Ars 2, 707f.

164

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

weniger stark wahrgenommen werden.328 Ist für den Diebstahl die Heimlichkeit der Tat sowie das Verstecken der Beute bedeutsam, so ist die Intimität im Liebesspiel erwünscht.329 Der Bezug zum Diebstahl spiegelt sich zudem in Ovids Bezeichnungen des Liebesspiels wider: Ovid spricht von furtum und furtivum opus, verwendet also mit furtum den Begriff für Diebstahl, der im übertragenen Sinne Heimlichkeit bedeutet.330 Daher findet die linke Hand in Ovids Liebesspiel nicht in erster Linie Erwähnung, um dem Leser vor Augen zu führen, dass angesichts der Unreinheit der Genitalien nur die linke Hand zur Stimulierung zu verwenden ist. Vielmehr beabsichtigt Ovid, der beim Liebesspiel zu wahrenden Heimlichkeit noch klarere Konturen zu verleihen, indem er seinem Bild ein weiteres mit Verborgenheit und Heimlichkeit assoziiertes Element hinzufügt: der linken Hand, die zur Akzentuierung heimlicher Handlungen prädestiniert erschien. Dadurch tritt aber nicht nur das Bild des heimlichen Liebesspiels in deutlicheren Farben hervor, sondern auch die Trennung zwischen dem öffentlichen Bereich, dem Aktionsbereich der rechten Hand, und dem nicht öffentlichen Bereich, mit dem die linke Hand in Verbindung gebracht wird, gewinnt an noch deutlicherem Kontrast. Festzuhalten bleibt: die linke Hand agiert bei Ovid als die Hand, die etwas verbirgt und die für im Verborgenen zu vollziehende Tätigkeiten zuständig ist. Zur Kenntlichmachung dieses Kontrasts trugen aber auch die anderen Assoziationen der linken Hand bei. Ruft man sich in Erinnerung, dass die linke Hand im Vergleich zur rechten eine passivere und unscheinbarere Rolle einnimmt, außerdem, da weniger eingesetzt, als ungeübter und ungeschickter eingestuft wird, erscheint ihre aktive Einbeziehung im Liebesspiel auf den ersten Blick ungewöhnlich. Die Nennung der Linken trifft den Leser weitestgehend unerwartet, schärft aber gerade deshalb seine Aufmerksamkeit, weckt sein Interesse und bringt Ovids Botschaft noch deutlicher zum Ausdruck: das Liebesspiel verlangt so viel Hingabe, dass sogar die Linke am Geschehen beteiligt sein muss. Indem Ovid sich von herkömmlichen Vorstellungen unterscheidet, gewinnt seine Stilisierung als praeceptor Amoris331 um so mehr an Profil. Ovid verfügt als Lehrmeister der Liebe über ein besonderes Wissen, das seinen Beschreibungen eine individuelle und geheimnisvolle Nuance verleiht, da der wenig bekannte, unkonventionell und geheimnisvoll erscheinende Einsatz der linken Hand propagiert wird. Interessant wirkt in diesem Kontext wohl auch die Beziehung der linken Seite, besonders der linken Hand, zur Magie und des Übernatürlichen.332 Angesichts der magischen Kraft der Linken versprach sich vielleicht mancher Leser durch ihren Einsatz eine Intensivierung des sexuellen Empfindens.

328 Zur Rolle der linken Hand in der Kleidung siehe Kapitel 4.3.1. 329 Zur linken Hand im Diebstahl siehe Kapitel 4.3.2. 330 Furtum: Ov. Ars 2, 617; furtivum opus: Ov. Ars 2, 730; zu den Bedeutungen von furtum vgl. s.v. furtum, Georges, Bd. 1, Sp. 2889. 331 Ov. Ars 1, 17. 332 Zur Bedeutung der linken Hand in der Magie vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 284; Gornatowski, Rechts und links im antiken Aberglauben, 36. 38f.; Smits, Linkshänder, 35–37; siehe Kapitel 4.3.5.

4.3. Die linke Hand

165

Der Einsatz der linken Hand beschränkte sich aber nicht nur auf die Stimulation des Partners, sondern findet sich auch in einer anderen eigenwilligeren sexuellen Praktik: der Masturbation.333 Um zu verstehen, warum die linke Hand in Zusammenhang mit der Masturbation Erwähnung findet, ist es zunächst erforderlich, kurz die Einstellung der Griechen und Römer zu dieser sexuellen Praktik zu skizzieren. Im Gegensatz zur späteren christlichen Theologie wurde Masturbation von Griechen und Römern zwar nicht grundsätzlich verurteilt334, konnte allerdings bei Knaben zur Zeit der Pubertät durchaus Unbehagen hervorrufen.335 Da Iuvenal zufolge auch Knaben während der Schulzeit zur Masturbation neigten, sollten sie durch bestimmte Kleidungsstücke und durch die Aufsicht des Lehrers daran gehindert werden.336 Von medizinischer Seite äußert sich als einziger Galen zur Masturbation.337 Galen zufolge handelte der in der Öffentlichkeit ungeniert masturbierende Kyniker Diogenes nicht um der Lust willen, sondern habe sich, dem Sinne der Diätetik338 entsprechend, überflüssigen Samens entledigt, den eine übermäßig lange sexuelle Enthaltung mit sich bringe.339 Masturbation wurde folglich im Interesse der Gesundheit empfohlen, um einen mit der Zurückhaltung des Samens verbundenen Schaden zu vermeiden. Allerdings war ein freier Bürger normalerweise nicht auf Masturbation angewiesen, da ihm dank ehelicher Gemeinschaft, aber auch Prostitution zahlreiche Gelegenheiten zum Geschlechtsverkehr offen standen.340 Masturbation entsprach nicht dem sozialen Status eines freien Mannes, sondern erschien vielmehr als Eigenart sozial niedrig gestellter Personen, denen infolge von Unfreiheit und Armut keine bessere Möglichkeit zur Befriedigung ihrer sexuellen Bedürfnisse zur Verfügung stand.341 Aristophanes stellte in seinen Komödien Masturbation als charakte333 Zur Masturbation in der griechisch-römischen Antike vgl. Laqueur, Solitary Sex. A Cultural History of Masturbation, New York 2003, 96–110; Krenkel, Masturbation in der Antike, in: Wiss. Zs. Rostock 28, 1979, 159–178; Bloch, Masturbation und Sexualerziehung in Vergangenheit und Gegenwart. Ein kritischer Literaturbericht, Fankfurt am Main u. a. 1989, 67–72; van Hooff, Masturbation, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 594f. 334 Vgl. Bloch, Masturbation und Sexualerziehung, 71f.; Krenkel, Masturbation, 172f. 335 Vgl. Krenkel, Masturbation, 164 336 Iuv. Sat. 7, 238–241; Mart. 7, 82; Plin. Nat. Hist. 33, 152; vgl. dazu Krenkel, Masturbation, 163f. 337 Zu Galen vgl. Laqueur, Solitary Sex, 87. 90f.; Krenkel, Masturbation, 165; van Hoff, Masturbation, Sp. 595. 338 Diätetik bezeichnet die Kunst der angemessenen Lebensweise, zu der neben körperlicher Ertüchtigung und Körperpflege auch die richtige Ernährung gehört. Siehe dazu Wöhrle, Diätetik, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 217–219. 339 Gal. Loc. aff. 6, 5 (Kühn 8, 419); die Ansicht Galens basiert auf der unter antiken Ärzten verbreiteten Vorstellung, dass sich im Körper eines geschlechtsreifen Mannes Fortpflanzungssäfte ansammeln, die in gewissen Zeitabständen ausgeschieden werden müssen. Der richtige Zeitpunkt sei immer dann, wenn sich aufgrund der Saftfülle im Körper ein natürlicher Drang nach Befriedigung meldet. Vgl. dazu Bloch, Masturbation und Sexualerziehung, 66f.; Gundert, Humoralpathologie, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 436–441; zu Diogenes siehe Diog. Laert. 6, 69; Krenkel, Masturbation, 164f. 340 Vgl. Laqueur, Solitary Sex, 102; Bloch, Masturbation und Sexualerziehung, 68. 341 Vgl. Laqueur, Solitary Sex, 103; Dover, Greek Homosexuality, 97; van Hoff, Masturbation,

166

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

ristische Verhaltensweise von Sklaven dar, die als Experten auf diesem Gebiet galten.342 Zwar existiert auch ein Beleg für einen masturbierenden freien Bürger, doch handelt es sich dabei nicht um einen zivilisierten Athener, sondern um den unkultivierten Bauern Strepsiades, der sich sogar nicht scheut, in Anwesenheit des Sokrates an sich selbst Hand anzulegen.343 Masturbation in der Komödie fungierte folglich als Form der Verspottung primitiv anmutender Menschen wie Sklaven und Bauern. Wer masturbierte, offenbarte seinen geringen sozialen Status, erwies sich als unkultiviert und minderbemittelt.344 Angesichts dieses negativen Bildes verwundert es nicht, dass der Vorwurf der Masturbation auch in der politischen Polemik zur Diskreditierung des Kontrahenten diente.345 Der Chor der Eingeweihten in Aristophanes’ Fröschen wirft Kleisthenes Masturbation vor, auf die eindeutig in Kleisthenes’ Namen angespielt wird, denn der Chor nennt Kleisthenes Sebinos, von binei`n im Sinne von „sich geschlechtlich vereinigen“, und lässt ihn zudem aus dem fiktiven Demos Anaphlastos stammen, dessen Name von ajnafla`n „masturbieren“ abgeleitet ist.346 Die Assoziation von Masturbation als Sexualpraktik armer Personen, die sich keine Prostituierte leisten konnten, bringt auch Martial deutlich zur Sprache. Während die Dienerschaft des reichen Candidus sich mit trojanischen Lustknaben vergnügen kann, bleibt dem mittellosen Martial nur die eigene Hand zur Befriedigung.347 Auf Masturbation war aber auch angewiesen, wer von seinem Partner versetzt wurde. Martial muss sich mit seiner Linken Abhilfe von sexueller Erregung schaffen, da sein Lustknabe Lygdus die Verabredung nicht einhält: „Wenn ich in anhaltender Erregung vergeblich aufgegeilt dalag, kam statt deiner oft die Linke mir zur Hilfe.“348 Erscheint die Masturbation hier noch als zwar schmachvolle, aber halbwegs akzeptable Ersatzbefriedigung, da sie nicht als ursprüngliches Ziel Sp. 595. 342 Aristoph. Eq. 21–29; Aristoph. Ran. 542–548; Aristoph. Pax 289–291. 343 Aristoph. Nub. 734; Abbildungen auf attischen Vasen, die freie Männer bei der Masturbation zeigen, sind äußerst selten und stellen in der Regel junge Männer dar. Belege bei Kilmer, Greek Erotica on Attic Red-Figure Vases, 60–64, R 47.1, R 173, R 192. Weitaus häufiger sind masturbierende Satyrn abgebildet, deren exzessives und unkontrolliertes sexuelles Verlangen verglichen mit dem menschlichen Sexualverhalten ein bewusstes Gegenbild zu den konventionellen Normen der Polisgesellschaft darstellt. Masturbation dient auch hier genauso wie bei Sklaven oder Bauern als Indikator für andersartiges Verhalten bzw. der Verletzung sozialer Normen. Vgl. Lissarragne, On the Wildness of Satyrs, in: Carpenter/Faraone (Hrsg.), Mask of Dionysus, Ithaca 1993, 214; Laqueur, Solitary Sex, 103; Abbildungen bei Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 29, Abb. 29b; 39, Abb. 53; 41, Abb. 58 u. 59. 344 Vgl. Laqueur, Solitary Sex, 104. 345 Vgl. Krenkel, Masturbation, 163. 346 Aristoph. Ran. 427; der fiktive Name findet sich auch in Aristoph. Eccl. 979f. Zur Bezeichnung vgl. s.v. ajnaflavw; Liddell-Scott, 125; zum Verb binei`n siehe Bain, Six Greek Verbs of sexual Congress, in: CQ 41, 1991, 54–62; epigraphische Belege für binei`n: SEG 1988, 49(o); 1837, 21; SEG 1989, 299; SEG 1991, 392; 399; 1876. 347 Mart. 2, 43, 13f.; vgl. dazu Laqueur, Solitary Sex, 106. 348 Mart. 11, 73, 3f.: Cum frustra iacui longa prurigine tentus, succurrit pro te saepe sinistra mihi; vgl. dazu Bloch, Masturbation und Sexualerziehung, 69; Krenkel, Masturbation, 162 mit ähnlichen Belegen.

4.3. Die linke Hand

167

sexueller Befriedigung vorgesehen war, so sieht der Fall anders aus, wenn Masturbation die alleinige Quelle sexueller Lust bildet. Auch hier tritt die linke Hand in Erscheinung. Martial macht sich über einen gewissen Ponticus lustig, weil dieser nie mit einer Frau geschlechtlich verkehrt, sondern sich der eigenen Linken bedient.349 Da auch in diesem Epigramm die linke Hand zur Selbstbefriedigung benutzt wird, stellt sich erneut die Frage, warum Martial die Masturbation mit der Linken in Verbindung bringt, zumal bekanntlich davon ausgegangen werden kann, dass sich die Präferenz einer Hand zur eigenen sexuellen Stimulation nicht allgemeinverbindlich kategorisieren lässt, sondern individueller Veranlagung unterliegt. Dennoch scheint eine Vorliebe zur rechten Hand auch bei der Masturbation vorzuliegen. Auf attischen Vasenbildern masturbieren sowohl Satyrn als auch junge Männer vorwiegend mit ihrer rechten Hand.350 Der von Aristophanes erwähnte Bauer Strepsiades greift gleichfalls zur Rechten.351 Warum bringt daher Martial die linke Hand ins Spiel? Berücksichtigt man, dass Masturbation bekanntlich mit sozial niedrig gestellten Menschen wie Sklaven assoziiert wird, lässt dies für die Deutung des Epigramms 11, 73 folgende Schlussfolgerung zu: Da Martial allein gelassen wurde, muss er sich wie ein Sklave mit Hilfe von Masturbation Befriedigung verschaffen. Martial ist auf eine sexuelle Praktik angewiesen, die im Verruf steht und keinesfalls seiner sozialen Stellung entspricht. Um seinen Unmut über den erniedrigenden Rückgriff auf die Masturbation unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, verknüpft Martial die in der Szene als Erniedrigung empfundene Selbstbefriedigung mit der negativ konnotierten linken Hand. Die verrufene Masturbation erscheint in Kombination mit der als schwach, ungeschickt und zweitrangig angesehenen Linken für den Leser noch anstößiger. Zugleich markiert Martial sein Angewiesensein auf unkonventionelles Verhalten: die unkonventionell erscheinende Masturbation wird mit der nur selten in Erscheinung tretenden Linken verknüpft, erscheint dadurch noch unkonventioneller, anrüchiger und beschämender. Dafür spricht auch, dass bei Martial die rechte Hand im sexuellen Bereich explizit nie zur Selbststimulation, sondern nur im Zusammenhang mit der sexuellen Stimulation eines Sexualpartners genannt wird.352 Die durch die explizite Nennung der Linken beabsichtigte Betonung der Masturbation als schändlicher sexueller Praktik kommt im Epigramm 9, 41 noch deutlicher zum Vorschein. Weil Ponticus nicht mit Frauen verkehrt, sondern lieber mit seiner Linken masturbiert, verurteilt Martial Ponticus’ Vorliebe in ungewohnter Strenge als scelus ingens und spricht von gaudia foeda.353 Anstoß erregt dabei, dass Ponticus seinen Samen nicht zur Kinderzeugung einsetzt wie beispielsweise Horatius oder Mars, sondern sinnlos durch Masturbieren vergeudet.354 Wie sehr 349 Mart. 9, 41, 1f.: Ponticus, quod numquam futuis, sed paelice laeva uteris et Veneri servit amica manus (…). 350 Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 29, Abb. 29b; 41, Abb. 58 u. 59; 51, Abb. 84; 53, Abb. 88; Kilmer, Greek Erotica, R 173, R 196, R 1155 A. 351 Aristoph. Nub. 734: oujdevn ge plh;n h] to; pevo~ ejn th/` dexia`/. 352 Mart. 11, 29, 1f.: Phyllis stimuliert Martials Glied mit ihrer rechten Hand. 353 Mart. 9, 41, 3 u. 8. 354 Mart. 9, 41, 5–8.

168

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Masturbation als Samenverschwendung empfunden wurde, geht aus einer Traumdeutung Artemidors hervor. Falls man träumte, man masturbiere, bedeutete dies infolge der Hände am Glied, dass man mit einem Sklaven oder einer Sklavin sexuellen Verkehr hatte; hatte man jedoch keinen Sklaven, so bedeutete der Traum etwas Schlechtes, weil der Samen nutzlos verloren ging.355 Die Masturbation eines freien Bürgers erschien also nicht nur verwerflich, weil man sich einer statusniederen Sexualpraktik bediente, sondern vor allem, weil Samen verschwendet wurde: ein solches Verhalten rief in einer Welt mit hoher Säuglings- und Kindersterblichkeitsrate, in der ehelicher Geschlechtsverkehr primär zur Zeugung von legitimen Nachwuchs erfolgte und Ehe- und Kinderlosigkeit beispielsweise in Rom mit schweren Sanktionen geahndet wurden, um so stärker Kritik hervor und traf erst recht in den Kreisen der Aristokratie auf wenig Verständnis.356 Die Masturbation stellt in dem vorliegenden Fall eine Abweichung von der Natur dar357, ein Vergehen, dessen Tragweite durch die Nennung der dafür verwendeten linken Hand einen noch negativeren Anstrich erhielt. Trotz der ungewohnt strengen Verurteilung der Masturbation darf Martial nicht als Verfechter vorherrschender gesellschaftlicher Sexualnormen angesehen werden.358 Zwar attackiert Martial in 9, 41 die Masturbation als Tötung ungeborener Kinder, stellte aber in den anderen Epigrammen unter Beweis, dass er auch selbst zur Masturbation greift, sofern keine anderen sexuellen Befriedigungsmöglichkeiten bestehen.359 Ebenso verliert die Kritik an der Kinderlosigkeit an Schärfe, wenn man bedenkt, dass Martial selbst kinderlos blieb und dennoch sich nicht scheute, das ius trium liberorum zu beantragen.360 Insofern liest sich Martials Vorwurf eher als ironischer Kommentar auf die römische Sittenstrenge, denn als ein 355 Artem. 1, 78. 356 Zur Kindersterblichkeit und der Bedeutung der Kinder in Griechenland und Rom vgl. Deißmann-Merten, Zur Sozialgeschichte des Kindes im antiken Griechenland, in: Martin/Nitschke (Hrsg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, Freiburg/München 1986, 273f.; Golden, Children and Childhood in Classical Athens, London 1990, 83; Eyben, Sozialgeschichte des Kindes im römischen Altertum, in: Martin/Nitschke (Hrsg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, 318–320; Parkin, Demography and Roman Society, London 1992, 114–120; Dixon, The Roman Family, London 1992, 119–123; Sanktionen für Ehe- und Kinderlosigkeit begegnen in der Ehegesetzgebung des Augustus: Verheiratete, aber kinderlose Personen durften nach der lex Papia Poppaea nur die Hälfte der ihnen zustehenden testamentarischen Zuwendungen erhalten. Zugleich erhielten kinderreiche Väter bei der Ämtervergabe Vorrechte. Das ius trium liberorum sah vor, dass jedem Bewerber um eine Magistratur gestattet wurde, von dem für das Amt vorgeschriebenen Mindestalter so viele Jahre (maximal jedoch drei) abzuziehen, wie er Kinder besaß. Vgl. dazu Kienast, Augustus, 156. 165–167. 357 Mart. 9, 41, 9f.: Ipsam crede tibi naturam dicere rerum: istud quod digitis, Pontice, perdis, homo est. 358 Martial als Verfechter römischer Sittenstrenge erscheint bei Sullivan, Martial’s Sexual Attitudes, in: Philologus 123, 1979, 288–302, auch in: Dynes/Donaldson (Hrsg.), Homosexuality in the Ancient World, New York/London 1993, 418–432; auf Ablehnung stieß die These beispielsweise bei Lorenz, Erotik und Panegyrik. Martials epigrammatische Kaiser, Tübingen 2002, 21–23; Henriksén, Martial. Book IX. A Commentary, Vol. 1, Uppsala 1998, 196f. 359 Mart. 2, 43, 13f.; Mart. 11, 73, 4. 360 Mart. 2, 91; Mart. 2, 92.

4.3. Die linke Hand

169

handfester Beweis für Martials Moralfestigkeit.361 Indem Martial in 9, 41 das Vergehen durch explizite Erwähnung der Linken einer zusätzlichen Negativfärbung unterzieht, macht er Ponticus’ Verhalten nicht nur noch weiter lächerlich, sondern intensiviert damit zugleich den ironischen Effekt der Szene. Mag diese Intention im Vordergrund gestanden haben, so ist nicht auszuschließen, dass die linke Hand im Kontext der Masturbation auch mit dem Weiblichen assoziiert wurde.362 Zum einen galten die linke Seite und die linke Hand als Synonyme für Weiblichkeit – erinnert sei an Artemidor, der das Erscheinen der linken Hand im Traum als Zeichen für die Ehefrau deutete363 – zum anderen übernahm die zur Masturbation eingesetzte linke Hand die Rolle der zur sexuellen Befriedigung erwünschten Frau. Martial bezeichnet die Linke, die sexuelle Erleichterung verschafft, daher auch als paelex und amica.364 Betrachtet man noch zur Abrundung des Bildes die Masturbation bei Frauen, so fällt zunächst auf, dass zur weiblichen Masturbation in der griechisch-römischen Antike sowohl ikonographische als auch literarische Quellen vorliegen365, das Material sich allerdings im Hinblick auf den Einsatz einer bestimmten Hand als wenig aussagekräftig erweist. Attische Vasenszenen zeigen zwar Frauen mit Dildos, den sogenannten Olisboi, jedoch handelt es sich in den meisten Fällen um Tanzszenen, in denen die Frauen gleich in beiden Händen Olisboi halten.366 Der eigentliche Akt der sexuellen Stimulation mit dem Olisbos wird dagegen nicht dargestellt. Wie schwierig die Behandlung des Bildmaterials erscheint, verdeutlicht auch die Suche nach Bildszenen mit Frauen, die sich ausschließlich mit der Hand sexuell befriedi-

361 Der ironische Unterton scheint auch in Martials Epigrammen zu Domitians Wiederherstellung der augusteischen Ehegesetze anzuklingen. Einerseits preist Martial Roms neue Schamhaftigkeit, die keinen Platz mehr für Ehebrecher zulässt (Mart. 6, 2; Mart. 6, 4), andererseits präsentiert Martial zahlreiche Beispiele, die das Gegenteil, nämlich die Undurchführbarkeit von Domitians Gesetzen, unter Beweis stellen. Siehe Mart. 5, 75; Mart. 6, 22; Mart. 6, 39; Mart. 6, 45; Mart. 6, 90; dass eine übertriebene Sittenstrenge im Epigramm ohnehin fehl am Platz ist, verdeutlicht auch Mart. 1, 35: Martials Epigramme sollen bei ihren Lesern in erster Linie für sexuelle Stimulation sorgen. Anstelle der Verteidigung der guten Sitten stehen Scherz und Spiel im Vordergrund. Vgl. dazu Lorenz, Erotik und Panegyrik, 25f.; zu Domitians Moralgesetzgebung, zu der auch die Erneuerung der lex Iulia de adulteriis coercendis gehörte, vgl. Suet. Dom. 8, 3; Plin. Paneg. 42, 1; Grelle, „Correctio Morum“ nella legislazione Flavia, ANRW II, 13, 1980, 340–347; Jones, The Emperor Domitian, London/New York 1992, 107. 362 Vgl. Krenkel, Masturbation, 161; zur kulturell weitverbreiteten Assoziation von links mit weiblich vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 24. 363 Artem. 1, 2; siehe auch Arist. Met. 986a24–27; Arist. GA 763b30–764a1; Plin. Nat. Hist. 7, 37. 364 Mart. 9, 41, 1f.: (…) sed paelice laeva uetris et Veneri servit amica manus; vgl. zur Bezeichnung amica im Sinne von „Geliebte“ Dierichs, Erotik der römischen Kunst, 68. 365 Zur weiblichen Masturbation vgl. Krenkel, Maturbation, 165–168; Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 99–103; Kilmer, Greek Erotika, 64–66; Laqueur, Solitary Sex, 104. 366 Tanzszenen: Kilmer, Greek Erotika, R 132, R 212, R 376, R 443; zur Deutung der Darstellungen als Tanzszenen vgl. Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 101; zum Einsatz des Olibos vgl. Kilmer, Greek Erotika, 98–101; Keuls, The Reign of Phallus, 82–86.

170

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

gen. Nur zwei Bilder konnten ausfindig gemacht werden: in der einen Szene erfolgt die Masturbation mit der rechten367, in der anderen mit der linken Hand.368 Eine Auswertung des literarischen Materials führt die Grenzen der Interpretationsmöglichkeiten ebenso vor Augen, denn nur Ovid erwähnt explizit den Einsatz der linken Hand im Zusammenhang mit weiblicher Masturbation. In Amores 2, 15 hegt der Liebhaber den Wunsch, in die Rolle des an der linken Hand getragenen Ringes seiner Geliebten zu schlüpfen, da es ihr gefällt, ihre Brüste mit ihrer linken Hand zu berühren.369 Die bei Ovid mit der Masturbation in Verbindung gebrachte linke Hand dient erneut dem Zweck, die Heimlichkeit der sexuellen Stimulation zu betonen. Damit ihre Selbstbefriedigung vor den Blicken der Öffentlichkeit unbemerkt bleibt, schiebt die Geliebte nämlich ihre weniger Aufmerksamkeit erregende Linke unter die Tunika. Nur der Liebhaber kennt ihr Vorhaben. Der Wunsch des Liebhabers, an ihrem heimlichen Treiben teilzuhaben, erscheint dadurch für den Leser noch voyeuristischer, noch anrüchiger, aber auch erregender. Zusammenfassend lässt sich folgendes festhalten: Inwieweit eine weit verbreitete Assoziation der linken Hand als Liebeshand in der griechischen und römischen Welt existierte, erscheint äußerst fragwürdig. Die griechischen Zeugnisse führten eher das Gegenteil vor Augen: Dass die Verwendung der Hand zur sexuellen Stimulation zwar individuell verschieden ist, aber in einer Welt der Rechtshändigkeit tendenziell mehr zur rechten Hand gegriffen wird, haben die attischen Vasenbilder deutlich gezeigt. Dagegen erscheint in Rom angesichts der vorhandenen Quellen sowie der von Schamhaftigkeit geprägten Haltung der Römer zur Sexualität eher ein Bezug der linken Hand zur Sexualität denkbar. Allerdings sollte man sich auch in der römischen Welt vor Verallgemeinerungen oder Deutungen der linken Hand als unreiner Hand hüten. Die explizite Erwähnung der linken Hand in der sexuellen Sphäre ist zunächst autoren- und situationsspezifisch zu deuten, verlangt folglich eine differenzierte Betrachtungsweise. Steht bei Ovid und womöglich auch bei dem Fragment des Lucilius die Betonung der linken Hand als Hand, die etwas verbirgt und geheimnisvoll wirkt, da sie im Verborgenen tätig ist, im Vordergrund, so scheint bei Martial der Akzent eher auf der negativen Konnotation der linken Hand zu liegen, um die Masturbation als unkonventionelles Sexualverhalten zu brandmarken.370 Der Gebrauch der Linken in einer von Rechtshändern dominierten Welt unterstreicht die Inversion herkömmlicher Verhaltensformen, verleiht der Inversion einen noch stärkeren Effekt. Je nach Kontext erscheint die mittels der linken Hand kenntlich gemachte Inversion in einem negativen oder positiven Licht: negativ bei der Masturbation, positiv im Sinne von geheimnisvoll, reizvoll und daher besonders, wenn beim Liebesspiel sogar die Linke zum Einsatz kommt. 367 Kilmer, Greek Erotica, R 192. 368 Keuls, The Reign of Phallus, 242, Fig. 215. 369 Ov. Am. 2, 15, 11f.: Tunc ego si libeat dominae tetigisse papillas et laevam tunicis inseruisse manum (…). 370 Die Verwendung der linken Hand, um unkonventionelles Sexualverhalten noch deutlicher zu markieren und dadurch um so negativer erscheinen zu lassen, fand sich auch in den USA zwischen 1920 und 1970: „Lefthanded“ war ein gängiger Slang-Ausdruck für „homosexual.“ Vgl. dazu McManus, Right Hand, Left Hand, 152.

4.3. Die linke Hand

171

4.3.4. Die linke Hand und ihre Beziehung zur Unterwelt Dass die unterirdischen Mächte im Gegensatz zu den übrigen Gottheiten einen engen Bezug zur linken Seite haben, zeichnete sich bereits in den von orphisch-pythagoreischen Vorstellungen beeinflussten Jenseitsvorstellungen ab: führt im Jenseits der rechte Weg ins Elysium, so weist der linke Weg in das Reich des Tartarus, in dem die Verbrecher ihre Strafen unter ungeheuren Qualen verbüßen müssen.371 Der Bezug der linken Seite zur Unterwelt beschränkte sich jedoch nicht nur auf die Jenseitsvorstellungen, sondern schlug sich auch im Kult nieder: um sich vom Opfer für die olympischen Gottheiten abzugrenzen, wurden den Gottheiten der Unterwelt laut Platon ausschließlich die linken Körperteile des Opfertieres gespendet.372 Auch im Gebet scheint in einzelnen Fällen die linke Hand benutzt worden zu sein, denn offenbar streckte man zur Anrufung der chthonischen Mächte die linke Hand mit der Handfläche nach unten zur Erde gewandt aus.373 Dies deuten zumindest etruskische Votivfiguren aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. sowie eine archaische weibliche Bronzestatue aus Sparta an, deren ausgestreckte und abwärts gerichtete Linke nach unten weisen.374 Bei einer Bewertung dieses Befundes ist zu berücksichtigen, dass zwar klare Trennlinien zwischen chthonischen und olympischen Kulthandlungen nicht immer vorhanden waren, sondern auch Zwischenstufen bzw. Mischformen auftreten konnten375, Unterschiede aber zumindest beim Gebet durchaus denkbar wären: Da die erhobene rechte Hand auch zur Kontaktaufnahme mit den himmlischen Gottheiten diente, die rechte Seite im Kult für die olympischen Gottheiten von Bedeutung war und die vorherigen Belege den Bezug der linken Seite zur Unterwelt vor Augen geführt haben, zudem der Einsatz der linken Hand zur Anrufung olympischer Gottheiten unvorstellbar erscheint, wäre eine auf links und rechts beruhende Dichotomie im Gebet nahe liegend. Dennoch muss auch diese verlockende Hypothese einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Generalisierungen, wie sie immer wieder im Zusammenhang mit den Gesten für die Gebete an die unterirdischen Mächte begegnen376, sind auf jeden Fall fehl am Platz.377 Vielmehr vermittelt der Blick auf die literarischen Quellen eher den Eindruck, als ob andere Gebetsgesten wie zum Beispiel das oftmals erwähnte Senken des Blickes nach unten, das Ausstrecken beider Hände zum Boden oder das Berühren der Erde mit den Händen weitaus häufiger zur Anrufung unterirdischer Gottheiten praktiziert wurden.378 Vor 371 372 373 374 375 376

Plat. Rep. 614c; Verg. Aen. 6, 540–543. Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.2. Plat. Leg. 717a. Vgl. Pulleyn, Prayer, 189; Groß, Menschenhand und Gotteshand, 28f.; Sittl, Gebärden, 188f. Picard, Le geste de la prière funéraire en Grèce et en Étrurie, in: RHR 114, 1936, 138–142. Vgl. Scullion, Olympian and Chthonian, in: ClassAnt 13, 1994, 117–119. Vgl. Pulleyn, Prayer, 189: „Furthermore, according to Plato, if only one hand were being used in prayer, then the right was used for the Olympian gods and the left for the chthonian.“; Jakov/ Voutiras, 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 122: „Wird nur eine Hand zum Gebetsgestus erhoben, so ist es meist die rechte, mit Ausnahme der chthonischen Mächte, zu denen man die Linke ausstreckte.“ 377 Vgl. Scullion, Olympian and Chthonian, 90f.; Aubriot-Sévin, Prière et conceptions religieuses en Grèce ancienne jusqu’ à la fin du Ve siècle av. J.-C., Lyon 1992, 132–135. 378 Blick nach unten gesenkt: Sen. Oed. 567; Serv. Aen. 4, 205; Ausstrecken beider Hände zur

172

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

diesem Hintergrund mag die Verwendung der linken Hand als Geste für Gebete an die Mächte der Unterwelt eine mögliche Option im Kult dargestellt haben, auf die man allerdings im Vergleich zu den anderen typisch chthonischen Praktiken anscheinend eher selten zurückgriff. Auch in Rom waren für die unterirdischen Gottheiten andere Opferpraktiken als für die übrigen Gottheiten vorgesehen.379 Wie in Griechenland erhielten die Götter der Unterwelt dunkle Tiere, die Gottheiten der Erdoberfläche und die himmlischen Götter dagegen helle Tiere.380 Unterschieden wurde auch in der Handhaltung bei der Weinspende: bei der Libation richtete man für die himmlischen Gottheiten die Handinnenfläche nach oben, dagegen für die Unterirdischen nach unten.381 Allem Anschein nach bestand des Weiteren die Möglichkeit, die Abgrenzung zwischen den Kulthandlungen für die chthonischen und für die olympischen Gottheiten auch durch den Einsatz einer bestimmten Hand sichtbar zu machen. Dass den himmlischen Göttern mit der rechten Hand geopfert wurde, illustrieren zahlreiche Bildzeugnisse. In den bildlichen Opferszenen wird die Opferschale, patera, durchgängig in der rechten Hand gehalten.382 Um Kontakt mit der Unterwelt aufzunehmen, fand aber anscheinend die linke Hand vornehmlich Verwendung. Jedenfalls tritt die Linke bei der Anrufung von Toten mehrmals in Erscheinung. Da die Geister der Verstorbenen oftmals wichtige Informationen über die Zukunft und Vergangenheit lieferten, muss der Seher Tiresias in Senecas Oedipus die Unterwelt konsultieren, um zu erfahren, wer den Mord an König Laius begangen hat. Nachdem fast alle erforderlichen Opfervorkehrungen getroffen worden sind383, kommt auch die linke Hand zum Zuge, denn Tiresias „(…) schöpft mit der Linken Bacchus’ Nass und singt von neuem, mit dem Blick zum Boden ruft er in stärkerem,

379

380 381

382

383

Erde: Liv. 7, 6, 4; Serv. Aen. 4, 205; Berühren oder Schlagen der Erde mit beiden Händen: Hom. Il. 9, 568; Aisch. Pers. 683; Eur. Troj. 1305; Macr. Sat. 3, 9, 12; vgl. dazu Kötting, Blickrichtung, RAC 2, Sp. 429–433; Grundmann, Aufwärts-abwärts, RAC 1, Sp. 954–957; Scheer, Die Götter anrufen. Die Kontaktaufnahme zwischen Mensch und Gottheit in der griechischen Antike, in: Brodersen (Hrsg.), Gebet und Fluch, Zeichen und Traum. Aspekte religiöser Kommunikation in der Antike, Münster/Hamburg/London 2001, 42. Zum Opfer in der römischen Religion vgl. Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 483–485; Rüpke, Die Religion der Römer, 140–146; Latte, Römische Religionsgeschichte, 375–393. Dunkle Tiere sind belegt bei Verg. Aen. 6, 243; Sen. Oed. 556; vgl. Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 483; helle Tiere: Arnob. 7, 19. Serv. Aen. 6, 244: fundere est supina manu libare, quod fit in sacris supernis; vergere autem est conversa in sinistram partem manu ita fundere, ut patera convertatur, quod in infernis sacris fit. Vgl. Hölscher, 2b Kultinstrumente. B. Römisch, ThesCRA V, 208; dies trifft jedoch nur zu, wenn kein weiteres Kultinstrument zum Einsatz kommt. Hält der Opfernde noch ein zweites Kultgerät, beispielsweise eine Kanne, ein Weihrauchkästchen oder auch ein Weihrauchkorn in seiner Hand, hält er diese angesichts ihrer größeren Bedeutung beim Opfer in der rechten Hand, während die patera von ihm in der linken Hand gehalten wird. Vgl. dazu Fless, Opferdiener und Kultmusiker auf stadtrömischen historischen Reliefs. Untersuchungen zur Ikonographie, Funktion und Benennung, Mainz 1995, 15–20. Sen. Oed. 547–558.

4.3. Die linke Hand

173

festen Ton die Manen an.“384 In Statius’ Thebais spendet Tiresias den Manen ebenfalls ein Trankopfer mit der Linken.385 Ein Grund für die Verwendung der linken Hand bei der Totenbeschwörung mag sicherlich der enge Bezug linker Körperteile zu Tod und Verderben gewesen sein, der beispielsweise bei Plinius evident wird. Hat der rechte Fuß einer Hyäne über eine Gebärmutter gehalten eine leichte Entbindung zur Folge, so verursacht hingegen der linke Fuß den Tod.386 Auch bei Seneca bringt der mit der linken Hand hergestellte Kontakt zu den Toten die unheilvolle Wahrheit ans Licht, die schließlich zu Oedipus’ Blendung führt.387 Zugleich passt die linke Hand, von der Tod und Unheil ausgehen können, perfekt in Senecas und Statius’ unheimlich anmutende Totenbeschwörungsszenerie.388 Von einer Verbindung zu den Toten in der Unterwelt profitierten aber nicht nur Seher, sondern vor allem antike Hexen.389 Inwiefern auch bei Hexen die linke Hand bei der Beschwörung der unterirdischen Schatten und ihrer damit verbundenen magischen Praktiken Gebrauch fand, zeigt zum Beispiel Medea.390 Damit Medea ihren Gifttrank für das Hochzeitskleid der Glauke zusammenbrauen kann, ruft sie die unterirdischen Mächte an, indem sie zur Totenbeschwörung in der Linken die Totenrassel schwingt.391 Lucans Hexe Erictho setzt ebenfalls die Linke im Verkehr mit der Unterwelt ein.392 „Und sooft wilde und kraftvolle Schatten vonnöten sind, erzeugt sie selbst Totenseelen: Jeder Tod von Menschen ist (ihr) von Nutzen. (…) jene schnitt einem sterbenden Epheben mit der Linken das Haar ab.“393 Das an dieser Stelle angespielte Motiv, einem Sterbenden eine Locke abzuschneiden, was sei384 Sen. Oed. 566–568: (…) fundit et Bacchum manu laeva canitque rursus ac terram intuens graviore manes voce et attonita citat; vgl. Septim. Seren. Frg. 6 Morel. 385 Stat. Theb. 4, 502: laevaque convulsae dedimus carchesia terrae. 386 Plin. Nat. Hist. 28, 103. 387 Sen. Oed. 955–979; Apoll. Rhod. 4, 1518–1531. 388 Die Unheimlichkeit der Szene betont Seneca an mehreren Stellen deutlich. Vgl. Sen. Oed. 544–549. 583–596. 623–626. 642–658; bei Statius vgl. Stat. Theb. 4, 473–487. 520–535. 553– 602; Latte, Römische Religionsgeschichte, 376 Anm. 2 interpretiert die Nennung der linken Hand bei Seneca und Statius ebenfalls als Element zur Ausmalung ihrer besonders grauenvoll erscheinenden Totenbeschwörungsszenen, glaubt jedoch nicht, dass die linke Hand im wirklichen römischen Kult eine Rolle gespielt habe. Den Beweis für diese Behauptung bleibt Latte allerdings schuldig. 389 Zu den Hexen in der Antike vgl. allg. Wallinger, Hekates Töchter. Hexen in der römischen Antike, Wien 1994; Thraede, Hexe, RAC 14, Sp. 1269–1271. 390 Zu Medea vgl. Luck, Witches and Sorcerers in Classical Literature, in: Flint u. a., Witchcraft and Magic in Europe. Vol. 2. Ancient Greece and Rome, London 1999, 111–114. 391 Sen. Med. 680f.: et triste laeva concrepans sistrum manu pestes vocat (…); vgl. zur Stelle den Kommentar von Costa, Seneca. Medea, Oxford 1973, 129; die Totenrassel, sistrum, wurde zur Beschwörung der Toten benutzt und ist bezeugt bei Ov. Met. 9, 777–784; Ov. Fast. 5, 441. 392 Zu Erictho vgl. Korenjak, Die Ericthoszene in Lukans Pharsalia. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, Frankfurt am Main u. a. 1996, 20–25. 393 Lucan. 6, 561–563: ipsa facit manes: hominum mors omnis in usu est. (…) illa comam laeva morienti abscidit ephebo; Menschenhaar wandte man hauptsächlich als magisches Heilmittel sowie im Liebes- und Schadenszauber an, vermutlich weil es in besonderem Maße als Träger der Lebenskraft erschien. Vgl. zur Stelle Korenjak, Die Ericthoszene in Lucans Pharsalia, 151.

174

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

nen Tod beschleunige, erweist sich im vorliegenden Kontext als nützlich, um erneut den Unterschied zwischen den himmlischen Göttern und den Gestalten der Unterwelt in ihrer jeweiligen Verbindung zur rechten und linken Seite deutlich zu machen. Bei Vergil schneidet nämlich die Götterbotin Iris im Auftrag der Iuno der sterbenden Dido mit der rechten Hand das Haar ab.394 Verweist folglich die Rechte der Iris auf die himmlischen Götter, so führt dagegen Erictho den Brauch mit der Linken in der Absicht aus, Verbindung mit den stygischen Schatten aufzunehmen. Die linke Hand stellt allerdings nicht nur den Kontakt zur Unterwelt her. Vielmehr verrichten auch Geschöpfe der Unterwelt wie die Furie Tisiphone ihre Taten mit der Linken. Tisiphone hütet nicht nur am linken Wegesabschnitt der Unterwelt die Schwelle der Frevler 395, sondern beweist darüber hinaus ihren engen Bezug zur linken Seite, wenn sie mit ihrer Linken gewundene Schlangen voll Hohn auf die Verbrecher schlägt.396 Bezeichnend für die Vorstellung, dass von Tisiphones linker Hand Rache und Unheil ausgehen, ist auch Ovids Beschreibung von ihrer Schlangen schleudernden Hand. Ovid nennt Tisiphones’ Hand pestifera manus.397 Wie fest verankert in der antiken Vorstellung der Bezug der linken Hand zur Tod bringenden Schlange war, stellt auch der Auftritt der Dialectica bei Martianus Capella unter Beweis.398 Martinanus Capella erwähnt, dass die auf den Ruf Apollos vor dem Götterrat erscheinende Dialectica zwar das Pallium und die Kleidung der Athener trug, aber in ihrer sonstigen Erscheinung eher an ein Geschöpf aus der Unterwelt erinnerte: Wie zahlreiche Gestalten der Unterwelt ist Dialectica blass und von finsterem Aussehen.399 Assoziationen mit der Unterwelt rufen jedoch vor allem ihre Hände hervor, die laut Martianus Überraschendes und Unerwartetes zum Vorschein bringen. Dialectica hält in ihrer Rechten geschickt gefertigte Wachsfiguren, fixiert durch einen vorgestreckten Haken, in ihrer Linken eine in furchtbaren Windungen eingerollte Schlange.400 Sie zeigt allen ihre Rechte, während die Linke unter dem Pallium verborgen bleibt.401 Um Menschen zu der giftigen Schlange zu locken, hat sich Dialectica folgenden Plan ausgedacht: Wenn jemand die Figuren ergreift, soll er sogleich vom Haken gepackt und zu den giftigen Windungen der 394 Verg. Aen. 4, 704. 395 Verg. Aen. 6, 548–556; Strafen und Scheusale begegnen in Pelias’ Katabasis ebenfalls am linken Tor. Siehe Val. Flacc. 1, 847f. 396 Verg. Aen. 6, 570. 397 Ov. Met. 4, 481. 398 Mart. Cap. 4, 328–330; zu Martianus Capella vgl. Grebe, Martianus Capella. De nuptiis Philologiae et Mercurii. Darstellung der Sieben Freien Künste und ihrer Beziehung zueinander, Stuttgart/Leipzig 1999, 11–22. 399 Mart. Cap. 4, 328: (…) pallidior paululum femina; Mart. Cap. 4, 329: ipsa autem femina contractioris videbatur corporis habitusque furvi (…); vgl. zur Blässe als typisches Merkmal von Gestalten und Dingen in der Unterwelt Verg. Aen. 1, 354; Verg. Aen. 8, 245; Verg. Georg. 1, 227; Tib. 1, 10, 38. 400 Mart. Cap. 4, 328: In laeva quippe serpens gyris immanibus involutus, in dextra formulae quaedam florentibus discolora venustate ceris sollerter effigiatae latentis hami nexu interius tenebantur; zum Schlangenmotiv in Capellas Darstellung der Dialectica vgl. Grebe, Martianus Capella, 119–123. 401 Mart. Cap. 4, 328: (…) eius laeva sub pallio occulebat insidias viperinas (…).

4.3. Die linke Hand

175

Schlange gezogen werden, die ihn nun durch unablässiges Beißen und vielfaches Umschlingen gefügt macht.402 Deutlich treten die Parallelen der Dialectica zu Tisiphone hervor. Beide bringen ihre Opfer durch Schlangengift zur Strecke.403 Beide halten die Schlange, die den Tod der Menschen herbeiführt, in ihrer linken Hand. Tod und Verderben gehen von der Linken aus. Schlangen mit der linken Hand zu greifen, rät auch Plinius in seinen Naturalis Historiae.404 Da Schlangen als in Höhlen hausende und auf dem Boden kriechende Tiere eng mit der Erde verbunden sind sowie gewöhnlich als gefährlich, giftig und unberechenbar gelten, verwundert es nicht, wenn Schlangen oftmals als zur chthonischen Welt zugehörige Wesen wahrgenommen wurden. 405 Angesichts der Beziehung der linken Hand zur Unterwelt lag es daher nahe, Schlangen mit der Linken zu greifen. Dass diese Vorstellung sich nicht allein auf Schlangen beschränkte, sondern auch andere erdverbundene und gefährliche Tiere mit der linken Hand gefangen werden sollten, belegt Plinius’ Empfehlung bei der Behandlung von Viertagefieber. Wenn ärztliche Heilmittel versagen, empfiehlt Plinius ein Mittel der Magier. Zur Herstellung des Heilmittels muss man eine Wespe mit der linken Hand fangen und anbinden.406 Die Verbundenheit der Wespe zur Erde zeigt sich an ihren Nestern, die entweder in Höhlungen oder unter der Erde angelegt werden.407 Ihre Nester sind auch nicht wie bei den Bienen aus Wachs, sondern aus Unrat.408 Im Vergleich zu den Bienen haben Wespen nichts Göttliches an sich.409 Vielmehr sind sie reizbar und können den Menschen Schmerzen zufügen.410 Auch der Bezug zum Tod ist vorhanden. Weit verbreitet war die Vorstellung, dass Wespen aus Pferdeleichen entstehen würden.411 Ihre Stiche hielt man in hoher Anzahl für tödlich.412 Die angeführten Belege zeigen, dass Schlangen und Wespen, die als erdverbundene und gefährliche Tiere eher mit der chthonischen Welt in Verbindung gebracht wurden, am ehesten mit derjenigen Hand, die in Beziehung zur Unterwelt steht, zu greifen waren: mit der Linken. Trotz dieser Vorstellung mag auch ein praktischer Aspekt, der Plinius womöglich vor Augen schwebte, eine Rolle gespielt haben. Angesichts der von Schlangen- und Wespengift ausgehenden Gefahr für den Menschen erscheint es sinnvoller, die giftigen Tiere mit der wenig benutzten Lin402 Mart. Cap. 4, 328. 403 Ov. Met. 4, 500: Tisiphone hilft Juno bei der Herstellung eines Giftes, das Wahnsinn verursacht. 404 Plin. Nat. Hist. 28, 33; Plin. Nat. Hist. 30, 100. 405 Vgl. zur Erdverbundenheit der Schlange Hom. Il. 12, 200–229; Arist. HA 488a24; Arist. HA 610a12; die Schlange als Attribut von Geschöpfen der Unterwelt taucht beispielsweise auch in der Beschreibung der Unterweltsfurie Allekto auf. Siehe Verg. Aen. 7, 324–353. 373f.; vgl. allg. zur Schlange Bremmer, Schlange. II. Mythos und Religion, DNP 11, Sp. 181–184; Richter, Schlange, DKP 5, Sp. 12–16. 406 Plin. Nat. Hist. 30, 98. 407 Vgl. Richter, Wespe, RE Suppl. 15, Sp. 903. 408 Vgl. Richter, Wespe, 905. 409 Arist. GA 761a5. 410 Vgl. Richter, Wespe, Sp. 906. 411 Plin. Nat. Hist. 11, 70. 412 Vgl. Richter, Wespe, Sp. 903.

176

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

ken zu berühren, als zu riskieren, dass die für den Alltag so bedeutsame Rechte außer Gefecht gesetzt wird. Dafür spricht, dass auch andere als giftig und gefährlich empfundene Tiere mit der Linken ergriffen werden sollten. Um Zahnschmerzen zu lindern, sollte man eine Spinne mit der linken Hand fangen, mit Rosenöl zerreiben und an der schmerzenden Seite ins Ohr stopfen.413 Die Untersuchung hat den Bezug der linken Hand zur Unterwelt im Allgemeinen und zu den Toten im Speziellen vor Augen geführt. Scheint der Einsatz der Linken zur Kontaktherstellung mit den Verstorbenen im griechischen Gebet eine denkbare, aber offensichtlich nur marginal angewandte Kultpraktik gewesen zu sein, so vermitteln Autoren wie Statius und Seneca den Eindruck, als ob in der römischen Welt Seher und Hexen bei ihrer Totenbeschwörung auch auf den Einsatz der linken Hand angewiesen waren. Inwieweit allerdings die linke Hand als ein fester Bestandteil im Rahmen des römischen Totenkultes zur Anrufung der Manen angesehen werden kann, scheint fraglich. Zumindest beweisen Seneca und Statius, dass eine Assoziation der Linken mit der Unterwelt und dem Tod im Bereich des Vorstellbaren lag. Die Zugehörigkeit der Linken zur chthonischen Welt haben auch Geschöpfe wie Tisiphone demonstriert, die die linke Hand verwenden, um Böses zu tun. Strafe, Verderben und Tod gehen bei ihnen von der linken Hand aus. Ferner steht die linke Hand auch in enger Verbindung mit Tieren, die einen eindeutigen Bezug zur Unterwelt erkennen lassen, denn das Berühren von Schlange und Wespe hat mit der Linken zu erfolgen. Zugleich wird eine weitere Funktion der Linken evident: Wespe und Spinne werden nämlich mit der linken Hand ergriffen, um Heilung gegen Krankheit zu bewirken. Folglich scheint die linke Hand auch über magische Kraft zu verfügen, die im Heilzauber Anwendung fand. Auch Medea und Erictho haben gezeigt, dass von der linken Hand offensichtlich eine besondere magische Kraft auszugehen scheint, die für beide allerdings nicht zur Heilung, sondern zur Beschwörung der Toten oder zum Brauen todbringender Gifttränke unerlässlich war. Welche Rolle die linke Hand im Zusammenhang mit magischen Praktiken spielte, soll das nächste Kapitel illustrieren. 4.3.5. Die linke Hand in der Magie Die Untersuchung der Tätigkeitsbereiche der linken Hand führt auch in die Welt der antiken Magie.414 Im Gegensatz zum Aberglauben, der dazu tendiert, auf den Einfluss übernatürlicher Mächte mit Abwehr und Schutz zu reagieren, geht von der 413 Plin. Nat. Hist. 30, 26; zur überwiegend negativen Wahrnehmung von Spinnen, die auch als Unglückstiere galten, vgl. Steier, Spinnentiere, RE 3A, 2, Sp. 1795–1798. 414 Zur Magie bei Griechen und Römern vgl. Graf, Gottesnähe und Schadenszauber. Die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996; Gordon, Imagining Greek and Roman Magic, in: Flint u.a (Hrsg.), Witchcraft and Magic in Europe. Vol. 2. Ancient Greece and Rome, London 1999, 159–275; Ogden, Magic, Witchcraft and Ghosts in the Greek and Roman Worlds, Oxford 2002; einen ausgezeichneten Überblick bietet auch Zintzen, Zauberei, Zauberer, DKP 5, Sp. 1460–1472; speziell zur Rolle der Hände in der Magie vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 274–312.

4.3. Die linke Hand

177

Magie mehr Aktionismus aus: ähnlich wie die Religion zielt die Magie darauf ab, das Wohlwollen dieser als überlegen empfundenen Kräfte zur Realisierung der eigenen Ziele zu gewinnen.415 Im Rahmen dieser Zielsetzung spielten Zaubermittel, die aus Pflanzen gewonnen wurden, eine zentrale Rolle.416 Ihre Wirkkraft war jedoch keineswegs nur im Liebes- und Schadenszauber erwünscht. Vielmehr kamen diese als favrmaka und medicamenta bezeichneten Mittel auch auf dem Gebiet der Heilmagie zum Einsatz.417 Obwohl schon in der griechisch-römischen Antike bestimmte Krankheiten auf eine natürliche Ursache zurückgeführt wurden, aber die Ärzte infolge ihres Wissensstandes oftmals nur wenig oder nichts ausrichten konnten418, überwog die Annahme, dass zahlreiche Krankheiten von Dämonen verursacht, als göttliche Strafe gesandt oder durch Magie bewirkt seien.419 Zur Behandlung von Krankheiten wandte man sich daher nicht nur an Ärzte, sondern setzte sein Vertrauen neben der Volksmedizin oder dem Hoffen auf göttlichen Beistand insbesondere in magische Heilmittel. In der Heilmagie trifft man im Rahmen der Herstellung der Heilmittel sowohl auf zahlreiche Formeln und Sprüche, in denen vor allem der Name des Kranken oder die Krankheit oder beides genannt werden, als auch auf eine Fülle von magischen Ritualen.420 Dass beim Sammeln der Heilpflanzen für die Zubereitung der Zaubermittel bevorzugt die linke Hand Verwendung fand, bezeugt vor allem Plinius in zahlreichen Passagen seiner Naturalis Historiae.421 Bevor jedoch die einzelnen Beispiele untersucht werden, wird es nützlich sein, kurz die römische Haltung zur Magie zu beleuchten.422 Die Magie ist für die Römer etwas Fremdes, Nichtrömisches. Sie entstand in Persien423 und wanderte von dort nach Italien ein, wo sie „auch bei den italischen Völkern Spuren hinterlassen“424 hat. Diese „Spuren“ veranlassten die traditionsbewusste Aristokratie der Römer sowohl zur Zeit der Republik als auch in der Kaiserzeit, die Ausübung der nicht mit der

415 Vgl. Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 19; Gordon, Imagining Greek and Roman Magic, 162; zum Verhältnis Religion und Magie vgl. Versnel, Some Reflections on the Relationship Magic-Religion, in: Numen 38, 1991, 177–197. 416 Zu den aus Pflanzen gewonnen Zaubermitteln vgl. Pfister, Pflanzenaberglaube, RE 19, Sp. 1446–56; Todd, Heilpflanzen, DNP 12/2, Sp. 991–994; zur antiken Pharmakologie vgl. Touwaide, Pharmakologie, DNP 9, Sp. 746–749. 417 Zur Heilmagie siehe Önnerfors, Magische Formeln im Dienste römischer Medizin, ANRW II, 37, 1, 1993, 157–223; Helm, Magie, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 581–583. 418 Vgl. exemplarisch zu den wenig angesehenen Ärzten in Rom Plin. Nat. Hist. 29, 14–27. 419 Vgl. Ferngren, Krankheit, RAC 21, Sp. 974. 420 Eine Auflistung der häufigsten Rituale in der auf Pflanzen beruhenden Heilmagie findet sich bei Graf, 6i Magie, ThesCRA III, 297. 421 Alle Beispiele aus Plinius’ Naturalis Historiae sind zusammengestellt bei Graf, 6i Magie, ThesCRA III, 297. 422 Vgl. zur Einstellung der Römer zur Magie Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 37–57; Gordon, Imagining Greek and Roman Magic, 253–266. 423 Plin. Nat. Hist. 30, 3; Plin. Nat. Hist. 30, 8; Cic. Div. 1, 90f.; zum orientalischen Ursprung der Magie vgl. Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 154–157; Burkert, Die Griechen und der Orient, 107–133. 424 Plin. Nat. Hist. 30, 12: Extant certe et apud Italas gentes vestigia eius (…).

178

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

römischen religio vereinbaren Magie so weit wie möglich zu unterbinden.425 Obwohl auch Plinius vehement gegen die Magie, für ihn die „betrügerischste aller Künste auf dem ganzen Erdkreis“426, polemisiert und ihren Einfluss auf Rom im Vergleich zu anderen Völkern herunterzuspielen versucht427, ist seine Haltung zur Magie durch Ambivalenz gekennzeichnet.428 Trotz aller Aversionen zeigt sich Plinius beeindruckt von dem hohen Alter der Magie, die 6000 Jahre vor Platons Tod entstanden sei, sich bis in seine Zeit behauptet und dabei auf beängstigende, aber auch zugleich faszinierende Weise so viele Menschen in ihren Bann gezogen habe.429 Ihren Ausdruck findet Plinius’ ambivalente Einstellung aber auch darin, dass Plinius vor Marcellus Empiricus als der fleißigste Vermittler römischer Beschwörungen und magischer Praktiken galt.430 Plinius’ Interesse und Faszination an magischen Riten kommt vor allem auf dem Gebiet der Heilmagie zum Vorschein.431 In seinem Abschnitt über die Heilwirkung des Blutkrauts findet sich daher auch ein magisches Rezept. Beim Dreitagefieber würden die Kräutersammler (herbarii) die Pflanze mit der linken Hand ausreißen und anschließend anbinden.432 Der Einsatz der linken Hand ist auch beim Maulbeerbaum von Nutzen: Die Knospe des Maulbeerbaums soll mit der linken Hand gepflückt werden.433 Wird diese Vorschrift befolgt, ist die Knospe gut zum Blutstillen. 425 Für die Republik sei beispielsweise an die Ausweisung der Chaldaer aus Rom im Jahr 97 v. Chr. erinnert. Vgl. Val. Max. 1, 3, 2; auch Sullas lex de sicariis et veneficiis verurteilte Magie. Das Gesetz aus dem Jahr 81 v. Chr. stellte zwar nur die absichtliche Tötung von Mitbürgern unter Strafe, wurde aber dennoch zur Grundlage jedes gesetzlichen Vorgehens gegen Magie, da die Tötung mit Hilfe von Gift mit Magie in Verbindung gebracht wurde. Vgl. dazu Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 45–47; für die Kaiserzeit sei exemplarisch Tacitus genannt, der mehrere Magieanklagen aus der julisch-claudischen Dynastie schildert. Siehe Tac. Ann. 12, 59; Tac. Ann. 16, 31. Den eindrucksvollsten Beweis, wie der Vorwurf, Magie zu praktizieren, instrumentalisiert wurde, um Personen zu diskreditieren, liefert die Apologie des Apuleius. Vgl. Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 61–82; historischer Überblick zur Eindämmung der Magie in Rom bei Gordon, Imagining Greek and Roman Magic, 253–258. 426 Plin. Nat. Hist. 30, 1: (…) quod fraudulentissima artium plurimum in toto terrarum orbe (…); Verurteilung der Magie auch bei Sil. 8, 98f.; Cic. Div. 2, 148; Cic. Nat. deorum 1, 117. 427 Plin. Nat. Hist. 30, 13. 428 Vgl. Önnerfors, Magische Formeln im Dienste römischer Medizin, 168; Gordon, Imagining Greek and Roman Magic, 231–233; Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 49; Ernout, La Magie chez Pline L’Ancien, in: Renard/Schilling (Hrsg.), Hommages à Jean Bayet, BruxellesBerchem 1964, 190–195. 429 Plin. Nat. Hist. 30, 3–5; Plin. Nat. Hist. 30, 8–10. 430 Vgl. Önnerfors, Magische Formeln im Dienste römischer Medizin,167f. 431 Vgl. Stannard, Herbal Medicine and herbal Magic in Pliny’s Time, in: Helmantica 37, 1986, 95–106; Lloyd, Science, Folklore and Ideology, 135–149. 432 Plin. Nat. Hist. 27, 117; zum Blutkraut vgl. Hünemörder, Polygonon, DNP 10, Sp. 60f.; zum Sammeln von Tieren mit der linken Hand in der Heilmagie siehe Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 181. 433 Plin. Nat. Hist. 23, 137; zum Maulbeerbaum vgl. Hünemörder, Maulbeerbaum, DNP 7, Sp. 1043; Plin. Nat. 23, 134–136; weitere Belege für Heilpflanzen, die mit der linken Hand gepflückt werden müssen und besonders in der Tiermedizin von Nutzen sind, finden sich bei Önnerfors, Magische Formeln im Dienste römischer Medizin, 192–194. 196f.; Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 180f.

4.3. Die linke Hand

179

Auch einzelne Finger besaßen bereits Heilkraft.434 Ein Rezept gegen Bauchschmerzen verlangt folgende Prozedur: Man drücke den linken Daumen auf die kranke Stelle und spreche dazu neunmal die Formel, berühre ebenso oft die Erde mit dem Daumen und spucke darauf.435 Noch heilsamer als der Daumen war nach magischer Vorstellung der vierte Finger, der bezeichnenderweise auch als digitus medicinalis bekannt war.436 Seine Wirkkraft fand auch beim Pflücken von Heilpflanzen Berücksichtigung, denn oftmals verlangten die magischen Anweisungen, die Pflanze nur mit dem Daumen und dem vierten Finger zu berühren. Für einen Heiltrank gegen Hämorrhoiden durften daher die Knospen des Maulbeerbaums nur mit dem Daumen und dem digitus medicinalis der linken Hand gepflückt werden.437 Die Frage, warum gerade dem vierten Finger der Linken eine so große Heil- bzw. Wirkkraft zugeschrieben wurde, hat sich auch Aulus Gellius gestellt. Laut Gellius hätten die Ägypter entdeckt, dass von diesem Finger eine Ader direkt zum Herzen verlaufe.438 Diese besondere Bindung zum Herzen sei für die Verehrung des Fingers verantwortlich und finde unter anderem ihren Ausdruck darin, dass an ihm auch Ringe getragen würden.439 Wie weit verbreitet der Glaube an die magische Kraft des linken Ringfingers war, führt ein demotischer Zauberpapyrus vor Augen. Zur Herstellung eines Liebestrankes war neben anderen Zutaten vorgesehen, das Blut vom linken Ringfinger zu nehmen.440 Angesichts der vom Ringfinger ausgehenden magischen Wirkkraft wäre zumindest beim Ringtragen in einer partnerschaftlichen Gemeinschaft denkbar, dass sich mancher Partner vom Tragen des Ringes am digitus medicinalis womöglich eine für die Bewahrung der Liebe hilfreiche magische Kraft erhoffte.441 Allerdings bleiben die Quellen dafür einen eindeutigen Beweis schuldig. Vielmehr mag die Deutung des Macrobius, dass an der rechten Hand getragene Ringe leichter abgenutzt und beschädigt werden könnten, eher der Wahrheit entsprochen haben.442 Der Schutz des Ringes vor Beschädigung erklärt auch seine Position am vierten Finger, 434 Vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 280–282. 435 Marc. 28, 72; zu den Assoziationen des Daumens im Bereich der Magie vgl. Groß, Finger, RAC 7, Sp. 926–928. 436 Macr. Sat. 7, 13, 7; digitus medicus: Plin. Nat. Hist. 30, 108; der linke Ringfinger galt auch in der griechischen Medizin als heilig und hatte laut Galen den Zusatz ijatrikov~. Siehe Gal. Intr. 10 (Kühn 14, 104). Vgl. dazu auch Groß, Menschenhand und Gotteshand, 281; Groß, Finger, Sp. 910. 930f. 437 Marc. 31, 33; siehe auch Plin. Nat. Hist. 23, 110. 438 Gell. 10, 10, 2; Isid. Orig. 11, 1, 118. 439 Gell. 10, 10, 1. 440 Griffith/Thomson (Hrsg.), The demotic magical Papyrus of London and Leiden, Vol. 1, London 1904, 104f. Online verfügbar unter: http://www.case.edu/univlib/preserve/Etana/demotic_papyrus_v1/plates5.pdf; deutsche Übersetzung bei Roeder, Die ägyptische Religion in Text und Bild. Bd. 4. Der Ausklang der ägyptischen Religion mit Reformation, Zauberei und Jenseitsglauben, Zürich/Stuttgart 1961, 192. 441 Belege für das Tragen von Ringen an der linken Hand: Plin. Nat. Hist. 33, 13; Suet. Iul. 33, 1; Ov. Am. 3, 8, 15; speziell zum an der linken Hand getragenen Ring bei Paaren siehe Ov. Am. 2, 15; zum Verlobungsring und seiner Bedeutung vgl. Groß, Menschenhand und Gotteshand, 212–214. 442 Macr. Sat. 7, 13, 13.

180

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

der im Vergleich zu den anderen Fingern am wenigsten bei Tätigkeiten in Anspruch genommen wird und zudem bestens durch Mittelfinger und dem kleinen Finger geschützt ist.443 Lässt sich zwar das Ringtragen an der linken Hand erklären, so verbleibt die Frage, warum in der Magie und insbesondere bei der Herstellung von magischen Heiltränken gerade die linke Hand vorwiegend Verwendung fand. Der Beziehung der linken Hand zur Magie liegt das Phänomen der Inversion zugrunde. Die Inversion ist eine bewusste Verkehrung eines sonst geläufigen Rituals und dient besonders zur Markierung marginaler Situationen und Personen.444 Sie wird gewöhnlich nicht erklärt.445 Es reicht aus, wenn etwas Normales in verkehrter Weise getan wird. Da in einer Welt aus Rechtshändern der Einsatz der linken Hand auf den ersten Blick etwas Außergewöhnliches darstellt, fungiert die linke Hand als inverses Element, um Abweichungen vom Normalen symbolisch zu markieren.446 Gerade in der Magie tragen die linke Seite sowie die linke Hand dazu bei, die Magie als eine sich von der normalen Welt diametral unterscheidende Gegenwelt zu etablieren. Welche Intention eine solche Inversion im magischen Kontext haben konnte, illustriert eine ins 4./3. Jahrhundert v. Chr. datierte attische Fluchtafel, deren Text nicht nach konventioneller Art von links nach rechts, sondern von rechts nach links verfasst worden ist: „Wie dieses kalt und verkehrt ist, so sollen die Worte des Krates kalt und verkehrt sein, die seinen ebenso wie die Ankläger und der Anwälte, die ihn begleiten.“447 Magisch mutet auch die Anleitung eines Zauberpapyrus an, für einen Liebeszauber eine dem Kriegsgott Ares nachempfundene Wachsfigur zu kneten, die nicht wie üblich das Schwert in der rechten, sondern in der linken Hand halten soll.448 Analog dazu ist davon auszugehen, dass in einer rechtslastigen Welt auch beim Herausreißen und Pflücken von Pflanzen normalerweise die stärkere und gewöhnlich geschicktere Rechte zum Einsatz kommt. Wenn dagegen das Pflücken im 443 Macr. Sat. 7, 13, 14f. Nach Macrobius ist der ebenfalls durch zwei Finger geschützte Mittelfinger zum Ringtragen zu groß. 444 Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 203f.; Gordon, Imagining Greek and Roman Magic, 168f. 191. 445 Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 120. 446 Vgl. Knott, The Location of Religion. A spatial Analysis, London 2005, 178. 447 IG III, 3, App., 67: (…) kai; tou;~ met jejkeivnwn w{sper tau`ta yucra; kai; ejparivstera ou{tw~ ta; Kra/thto~ ta; rJhvmata yucra; [kai; ejpariv]stera gev[oi]to ka[i;] tw`n met jejk[eivnw]n mhnutw`[n kai; tw`n dika[stw`n ... sai ... ece to; vgl. dazu Münsterberg, Zu den attischen Fluchtafeln, in: JOEAI 7, 1904, 143–145; Williams, Excavations at Mytilene 1988, in: EMC 32, 1988, 145, Abb. 10; weitere Belege für eine Schriftrichtung von rechts nach links auf Fluchtäfelchen bei Gager, Curse Tablets and Binding Spells from the Ancient World, New York/Oxford 1992, 49, Nr. 1; 126f., Nr. 40; 129, Nr. 42; 145, Nr. 55; 148, Nr. 58; 159, Nr. 66; 160, Nr. 67; 163, Nr. 72. 448 PGM I, IV, 300 = Gager, Curse Tablets and Binding Spells, 94, Nr. 27; zahlreiche Münzbilder, in denen Ares nicht im magischen Kontext situiert ist, zeigen den Gott mit einem Schwert oder einer Lanze in der rechten Hand und einem Schild in der Linken. Siehe Bruneau, Ares, LIMC 2, 1, 480, Nr. 12f. 16–18. 21f.; Belege, für Gegenstände, die im magischen Kontext in der linken Hand ergriffen werden müssen: Schwert in der Linken, Fackel in der Rechten: PGM II, XXXVI, 180 = Gager, Curse Tablets and Binding Spells, 237, Nr. 129; Scherbe mit der Linken aufheben: PGM II, XXXVI, 257 = Gager, Curse Tablets and Binding Spells, 237, Nr. 130; Leinentuch in der Linken halten: PGM II, XII, 180.

4.3. Die linke Hand

181

magischen Kontext mit der Linken geschieht, bedeutet dies etwas Un- bzw. Außergewöhnliches, das die besondere Bedeutung der magischen Handlung unterstreicht. Die betreffende Person nimmt das Pflücken mit der untrainierten Hand bewusster wahr, erlebt folglich auch das magische Ritual intensiver. Ruft man sich den Gebrauch der Linken als Liebes- und Diebeshand in Erinnerung, stellt man fest, dass auch ihre Assoziation als im Verborgenen agierende Hand sie für die Verwendung als inverses Element in der Magie attraktiv erscheinen ließ. War die Heimlichkeit der Tat beim Diebstahl kennzeichnend sowie die Intimität beim Liebesspiel, so demonstrieren die Anweisungen für einen Heilzauber gegen Hämorrhoiden, dass auch in der Heilmagie auf das Alleinsein beim Pflücken der Pflanzen besonderen Wert gelegt wurde: „Am 13. Tage nach Neumond, zur 9. Stunde, bevor die Blätter des Maulbeerbaumes hervorgekommen oder aufgebrochen sind, nimmst du mit dem Ringfinger und dem Daumen der linken Hand drei Knospen und sprichst die Worte (…).“449 Neben der Anleitung, die Heilpflanze nachts zu pflücken, dient auch der Einsatz der linken Hand dazu, eines der wesentlichsten Merkmale der Magie zu markieren: sie wird geheim praktiziert, damit niemand den direkten Kontakt zur übernatürlichen Macht und der daraus hervorgehenden magischen Wirkung stören kann.450 Somit wird nicht nur einer geläufigen Praktik wie dem Pflücken der Anstrich von Unkonventionalität verliehen. Vielmehr verstärkt die mit Verborgenheit assoziierte linke Hand zugleich die geheimnisvolle Aura des nächtlichen Pflückrituals, intensiviert also für den Praktizierenden das magische Erlebnis. Obwohl die Funktion der linken Hand in der Magie klar geworden ist, drängen sich weitere Fragen auf. Beispielsweise ist zu fragen, warum trotzdem magische Praktiken bezeugt sind, die der Frage, welche Hand beim Pflücken favorisiert werden soll, überhaupt keine Bedeutung beimessen.451 Klärungsbedürftig ist außerdem, weshalb das Pflücken mancher Heilpflanze für bestimmte Krankheiten mit der linken Hand erfolgen muss, jedoch bei anderen Krankheiten, die mit der gleichen Pflanze behandelt werden, der Pflückvorgang keine zentrale Rolle spielt.452 449 Marc. 31, 33: Luna XIII hora VIIII, antequam exeant vel erumpant mori arboris folia, oculos tres tollis digitis medicinali et pollice manus sinistrae et in oculis singulis dices (…). 450 Zur geheimen Natur magischer Riten und der damit verbundenen Isolation des Magiers vgl. Graf, Gottesnähe und Schadenszauber, 91f. 204f. 451 Belege für Pflanzen oder Früchte mit heilenden Eigenschaften, bei denen der Pflückvorgang erforderlich ist, aber überhaupt nicht thematisiert wird: Plin. Nat. Hist. 23, 3–6; Plin. Nat. Hist. 23, 131; Plin. Nat. Hist. 23, 133; daneben finden sich sogar Belege, in denen explizit das Pflücken der Heilpflanze mit der rechten Hand vorgeschrieben wird, zum Beispiel Plin. Nat. Hist. 24, 103: dextra manu (…) exuitur; indirekt wird von der rechten Hand gesprochen bei Plin. Nat. Hist. 27, 140: una manu tollat; Beispiele für den Einsatz der rechten Hand in der Heilmagie allgemein: Plin. Nat. Hist. 28, 42f.; Plin. Nat. Hist. 28, 57. 452 Exemplarisch greifbar bei Quitten: Plin. Nat. Hist. 23, 100–102 (Heilrezepte ohne Nennung des Pflückens mit der linken Hand). Plin. Nat. Hist. 23, 103 (Pflücken mit der linken Hand erforderlich); Granatapfel: Plin. Nat. Hist. 23, 106–109 (Heilrezepte ohne Nennung des Pflückens mit der linken Hand). Plin. Nat. Hist. 23, 110 (Pflücken mit der linken Hand erforderlich); Polygonus: Plin. Nat. Hist. 27, 113–116 (Heilrezepte ohne Nennung des Pflückens mit der linken Hand). Plin. Nat. Hist. 27, 117 (Pflücken mit der linken Hand erforderlich).

182

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Wer eine Antwort auf diese Fragen finden möchte, hat zunächst zu berücksichtigen, dass Magie im Krankheitsfall vor allem dann eingesetzt wird, wenn sämtliche andere Heilungsmethoden nicht ausreichend oder gar nicht zu heilen vermögen.453 Setzt man dies voraus, ergibt sich folgende Konstellation: Je schwieriger eine Krankheit zu behandeln ist, desto größer der Versuch, diese entweder mit einer Kombination aus unmagischen und magischen Mitteln oder ausschließlich mit Magie zu bekämpfen. Um den Kauf von Heilpflanzen attraktiv zu machen, mussten die herbarii ihren Abnehmern vor allem die Wirksamkeit ihrer Pflanzen sowie der daraus herzustellenden Mittel suggerieren.454 Dazu dienten in erster Linie magische Rituale, mit denen die Heilwirkung entweder überhaupt erst garantiert oder sogar gesteigert werden konnte.455 Je unverständlicher die Rituale waren, desto größer erschien die Wirksamkeit des Heilmittels.456 Fragt man sich, welche Funktion und Bedeutung die linke Hand im Rahmen dieser ritualisierten Regeln einnahm, ist zuerst zu bedenken, dass die Herstellung der Heilmittel sich in drei Phasen gliedern lässt: der Sammlung, der Präparierung und schließlich der Darreichung der Substanzen an den Patienten.457 Das Sammeln der Pflanze steht folglich am Anfang des Herstellungsprozesses. Wenn bereits hier mit Hilfe der linken Hand als inverses Element der Eintritt in die magische Welt markiert wird, bedeutet dies, dass das magische Heilempfinden bereits am frühestmöglichen Zeitpunkt ansetzt und dadurch der magische Vorgang zeitlich ausgedehnt wird.458 Eine Ausdehnung der Zeit erhöht die Bedeutung der magischen Praktik und damit ihrer vermeintlichen Wirksamkeit. Dass die Vortäuschung von großer Wirksamkeit benötigt wurde, um gerade bei nur schwer behandelbaren Krankheiten den Produkten mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, zeigt sich bei den von Plinius geschilderten Heilrezepten aus dem Bereich der Pflanzenmagie, in denen das Sammeln der Heilpflanzen mit der linken Hand vorgeschrieben ist. Nimmt man nämlich die insgesamt dreizehn Belege genauer unter die Lupe, stellt man fest, dass gleich drei Rezepte gegen Dreitagefieber von Nutzen sein sollten.459 Fieberkrankheiten waren nicht nur äußerst verbreitet, son453 Vgl. Ferngren, Krankheit, Sp. 978; zudem ist davon auszugehen, dass Ärzte nicht immer zur Stelle waren und ihre Konsultation im Vergleich zum medizinischen Rat bei den herbarii für viele zu teuer war. Wahrscheinlich spielte auch eine Rolle, dass bei bestimmten Beschwerden die Behandlung mit pflanzlichen Heilmitteln weniger schmerzhaft als beispielsweise diejenige eines chirurgus erschien. Vgl. dazu ausführlich Stannard, Herbal Medicine and herbal Magic in Pliny’s Time, 104f. 454 Vgl. generell zum Kräuter- und Drogenhandel Korpela, Aromatarii, pharmacopolae, thuarii et ceteri. Zur Sozialgeschichte Roms, in: van der Eijk/Horstmanshoff/Schrijvers (Hrsg.), Ancient Medicine in its socio-cultural Context, Vol. 1, Amsterdam/Atlanta, 1995, 101–118. 455 Vgl. Stannard, Herbal Medicine and herbal Magic in Pliny’s Time, 99; Gordon, The healing Event in Graeco-Roman Folk-Medicine, in: van der Eijk/Horstmanshoff/Schrijvers (Hrsg.), Ancient Medicine in its socio-cultural Context, Vol. 2, Amsterdam/Atlanta, 1995, 366f. 456 Vgl. Zintzen, Zauberei, Sp. 1466; man denke beispielsweise an die geläufige Zauberformel Abracadabra. Vgl. dazu Önnerfors, Magische Formeln und Römische Medizin, 163–166. 457 Vgl. Stannard, Herbal Medicine and herbal Magic in Pliny’s Time, 98–101. 458 Vgl. Gordon, The healing Event in Graeco-Roman Folk-Medicine, 369. 459 Plin. Nat. Hist. 21, 176; Plin. Nat. Hist. 22, 50; Plin. Nat. Hist. 27, 117.

4.3. Die linke Hand

183

dern galten in einer Welt, die noch nicht über fiebersenkende Mittel wie Chinin verfügte, als nur sehr schwer behandelbar.460 Insbesondere die so genannten Dreiund Viertagefieber konnten tödlich sein.461 Wie wenig Medizin bei diesen Fieberarten zu bewirken vermochte, zeigen zum einen zwei kaiserzeitliche Votivinschriften an die Fiebergöttinnen Tertiana und Quartana462, zum anderen die zahlreichen aus Tieren und Pflanzen gewonnenen magischen Mittel, die Plinius erwähnt.463 Außer dem bereits bekannten Blutkraut empfiehlt Plinius gegen Dreitagefieber das Jungfernkraut.464 Allerdings verlangte die Verwendung dieser Heilpflanze mehr Aufwand. Nach Vorschrift der Magier entfaltet das Jungfernkraut gegen Dreitagefieber nur seine Wirkung, wenn man es mit der linken Hand ausreißt, sich dabei nicht umsieht, sagt, für wen die Pflanze gepflückt wurde und anschließend das Blatt unter die Zunge eines Kranken legt, der das Heilmittel mit einem Becher Wasser herunterschlucken muss.465 Das Heilrezept vermittelt den Eindruck, als ob die Fülle der magischen Rituale hauptsächlich dazu dient, die Unwirksamkeit der Pflanze zu verschleiern.466 Erst die Einhaltung der vorgeschriebenen Praktiken garantiert den erhofften Heileffekt. Dass Magie entscheidend war, um gerade im Fall von schweren Krankheiten der vermeintlichen Heilwirkung der Pflanze mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, zeigt noch deutlicher die Verwendung der falschen Ochsenzunge zur Behandlung von Dreitagefieber. Während man das Blatt mit der linken Hand pflückt, soll man sagen, für wen man es nehme und es bei Dreitagefieber anbinden.467 Im Fall der falschen Ochsenzunge waren die magischen Rituale nicht nur notwendig, weil Dreitagefieber schwer zu behandeln war, sondern auch, weil die Wirkkraft der Pflanze im Vergleich zur echten Ochsenzunge, anchusa, auf der Grundlage von äußerlichen Unterschieden geringer eingestuft wurde. Im Vergleich zur anchusa ist die pseudoanchusa kleiner und verfügt über dünnere, weniger feste Blätter.468 Der optische Unterschied hatte offenbar Konsequenzen: hilft die Ochsenzunge gegen 460 Vgl. Horn, Fieber, RAC 7, Sp. 881; Gundert, Fieber, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 299– 301; Nutton, Fieber, DNP 4, Sp. 511; Plin. Nat. Hist. 30, 98; Plin. Nat. Hist. 30, 104. 461 Vgl. Horn, Fieber, Sp. 880; Gundert, Fieber, Sp. 300f. 462 Tertiana: CIL 7, 999; Quartana: CIL 12, 3129; bereits in der römischen Republik ist die Verehrung der Göttin Febris bezeugt. Siehe dazu Cic. Leg. 2, 28; Cic. Nat. deorum 3, 63; Plin. Nat. Hist. 2, 16. 463 Einen Überblick über die Fieberrezepte des Plinius findet sich bei Horn, Fieber, Sp. 882. 464 Vgl. zum auch als Beifuß bezeichneten Jungfernkraut und seiner Verwendung als Heilpflanze Klauser, Beifuß, RAC 2, Sp. 103–105. 465 Plin. Nat. Hist. 21, 176: Magi contra tertianas sinistra manu evelli eam iubent dicique, cuius causa vellatur, nec respicere, dein eius folium aegri linguae subicere, ut mox in cyatho aquae devoretur. 466 Die Anwendung von Jungfenkraut gegen Fieber ist in der Phytopharmazie nicht belegt. Jungfernkraut wird vielmehr bei Erkrankungen und Beschwerden im Bereich des Magen-Darm Traktes angewendet, wobei die Wirksamkeit nicht eindeutig bewiesen ist. Siehe Willuhn, Artemisiae herba, in: Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage, Stuttgart4 2002, 60–62. 467 Plin. Nat. Hist. 22, 50: Folium eius sinistra decerpi iubent Magi et, cuius causa sumatur, dici tertianis febribus adalligari. 468 Plin. Nat. Hist. 22, 50.

184

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

eine Menge unterschiedlicher Beschwerden und Krankheiten, zu denen auch Fieber gehört469, so wird der pseudoanchusa eine Heilwirkung nur gegen Biß-, Stichwunden, Rückgratschmerzen und Dreitagefieber attestiert.470 Wie sehr die magische Betonung des Pflückvorgangs geeignet war, um qualitativ schlechteren Pflanzen- oder Obstsorten den Anstrich einer besonderen Heilwirkung zu verleihen, führt auch der Gebrauch einer speziellen Quittensorte gegen Skrofeln vor Augen. Obwohl Quitten in roher und abgekochter Form generell gegen zahlreiche Leiden Linderung bringen471, kann die Wirkung je nach Sorte unterschiedlich ausfallen. Plinius bemerkt, dass die aus Sizilien kommenden Quitten die beste Qualität besitzen, wohingegen die Sorte struthia weniger nützlich sei.472 Daher vermag diese Sorte gegen Skrofeln nur etwas auszurichten, wenn man ihre Wurzel, nachdem auf dem Boden ein Kreis um sie gezogen worden ist, mit der linken Hand ausreißt und zwar, indem man dabei sagt, warum und für wen sie herausgerissen wurde.473 Anschließend angebunden entfaltet die struthia ihre vollständige Heilwirkung. Dass neben Dreitagefieber vor allem Skrofulose als eine schwer kurierbare, unangenehme und oftmals wiederkehrende Krankheit angesehen wurde, bringen Plinius’ Ratschläge zu zwei weiteren Heilrezepten zum Ausdruck, die gleichfalls vorsehen, die betreffende Pflanze mit der Linken auszureißen bzw. auszugraben.474 An beiden Stellen macht Plinius für das erneute Auftreten der als taedium bezeichneten Krankheit475 das schändliche Verhalten der herbarii verantwortlich. Laut Plinius besteht nämlich der Betrug darin, dass die Kräutersammler einen Teil der Pflanze aufbewahren und bei zu wenig Lohn für ein erneutes Geschäft diesen Teil an gleicher Stelle eingraben, „um, wie ich glaube, die Krankheit, die sie geheilt haben, wieder hervorzurufen.“476 Liefert Plinius mit seinen Ratschlägen zugleich ein unterschwelliges Anzeichen für den geringen Heileffekt der Mittel, so gewinnt der Vorwurf der Unwirksamkeit an noch schärferen Konturen in Plinius’ Beschreibung der Heilwirkung von Eisenkraut, über das die Magier nur Unsinn verbreiten würden: wer sich mit der durch zahlreiche magische Praktiken präparierten Pflanze, zu denen auch das Ausgraben mit der linken Hand gehört, einreibe, solle alles erlangen, was er will.477 Diese Beispiele zeigen, dass die Möglichkeit zur magischen Markierung des Pflückvorgangs häufig bei schwer zu behandelnden, oftmals zurückkehrenden so469 470 471 472 473 474 475 476

477

Plin. Nat. Hist. 22, 49. Plin. Nat. Hist. 22, 50. Plin. Nat. Hist. 23, 100–102. Plin. Nat. Hist. 23, 103: Ideo utilissima quae ex Sicilia veniunt, minus utilia struthia, quamvis cognata. Plin. Nat. Hist. 23, 103: Radix eorum circumscripta terra manu sinistra capitur ita, ut qui id faciet dicat, quare capiat et cuius causa. Sic adalligata strumis medetur. Plin. Nat. Hist. 21, 143; Plin. Nat. Hist. 26, 24. Plin. Nat. Hist. 26, 24; weitere Belege, die einen langfristigen und unangenehmen Krankheitsverlauf vermuten lassen: Plin. Nat. Hist. 30, 36; Plin. Nat. Hist. 30, 37; Plin. Nat. Hist. 30, 40. Plin. Nat. Hist. 21, 144: (…) eodem loco infodiunt, credo, ut vitia, quae sanaverint, faciant rebellare; siehe auch Plin. Nat. Hist. 26, 24: (…) custodianda sanatis, ne rursus sata taedium herbariorum scelere, ut in quibusdam diximus, rebellet (…). Plin. Nat. Hist. 25, 106.

4.3. Die linke Hand

185

wie symptomatisch unangenehmen Krankheiten wie Dreitagefieber oder Skrofeln genutzt wurde, um das Vertrauen des Konsumenten beim Kauf der vermeintlichen Heilmittel zu stärken. Das erklärt, warum einerseits bei harmloseren Krankheiten wie Kopf-, Bauchschmerzen und Erkältungen478, andererseits bei Heilpflanzen mit einer echten Wirkkraft normalerweise auf eine Einbeziehung des Sammelns der Pflanze in einen magischen Ritualkontext verzichtet werden konnte. Beispielsweise kamen Feigen, deren desinfizierende und entzündungshemmende Heilwirkung medizinisch belegt ist, gegen Skrofeln zum Einsatz, ohne dass dabei auf den Einsatz magischer Praktiken Wert gelegt werden musste.479 Falls die Heilwirkung jedoch auf den ersten Blick eher fragwürdig erschien, erwies sich die linke Hand infolge ihres inversen Potentials als prädestiniert, um der Heilmethode mehr Glaubwürdigkeit zu schenken. Die mit der linken Hand markierte Inversion erfüllte die Funktion, den Kontakt mit der Welt der Magie gleich beim Sammeln der Pflanze ansetzen zu lassen. Zugleich avancierte dieser Vorgang zu einer besonderen, Konzentration und Präzision verlangenden Handlung, die unerklärbar und geheimnisvoll erschien.480 Zudem wird deutlich, dass die mit der linken Hand markierte Einleitung der magischen Ritualpraktiken den Heilprozess zeitlich ausdehnt und ihn dadurch in seiner Bedeutung noch weiter aufwertet. Einmal mehr führt die Bedeutung der linken Hand im Bereich der Magie vor Augen, welch große Anziehungskraft unkonventionelles Verhalten haben konnte. 4.3.6. Die linke Hand beim Essen und Trinken Zu den regelmäßig vollzogenen Tätigkeiten des menschlichen Lebens zählt das Essen und Trinken. Da die Ernährung als ein elementares Grundbedürfnis des Menschen ihren festen Platz im Tagesablauf einnimmt, genießt die Aufnahme von Nahrungsmitteln in allen Kulturen einen hohen Stellenwert.481 Besondere Beachtung schenkten auch die Griechen und Römer ihren Mahlzeiten.482 Dabei war keines478 Kopfschmerzen: Plin. Nat. Hist. 23, 3; Bauchschmerzen und Erkältungen: Plin. Nat. Hist. 21, 141f. 479 Plin. Nat. Hist. 23, 118; Furunkel wurden ebenfalls mit Feigen behandelt. Siehe Plin. Nat. Hist. 23, 123. Dagegen nützen Gerstenkörner erst, wenn sie mit der linken Hand auf das Furunkel gestrichen werden. Siehe Plin. Nat. Hist. 22, 135; zur desinfizierenden und entzündungshemmenden Wirkung von Feigen vgl. Touwaide, Heilpflanzen, DNP 12/2, Sp. 998; zum Gebrauch der Feige in der antiken Medizin vgl. Olck, Feige, RE 6, Sp. 2138–2142; Reichmann, Feige I (Ficus carica), RAC 7, Sp. 647. 480 Vgl. Plinius’ Kommentar zum Pflücken des Granatapfels mit dem Daumen und dem vierten Finger der linken Hand zur Herstellung eines Mittels gegen Sehschwäche. Plin. Nat. Hist. 23, 110: (…) mirae observationis multorum experimento. 481 Vgl. Hirschfelder, Europäische Esskultur. Eine Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute, Frankfurt/Main 2001, 7; Schmitt-Pantel, Esskultur, DNP 4, Sp. 149f. 482 Zum Essen und Trinken bei Griechen und Römern siehe Schmitt-Pantel, Esskultur, Sp. 150– 153; Dalby, Food in the Ancient World from A to Z, London 2003, VIII; Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, Oxford 2006, 81–109. 187–210; Mau, convivium, RE 4,1, Sp. 1201–1208; speziell zu den Griechen siehe Dalby, Essen und Trinken im alten Griechenland. Von Homer zur byzantinischen Zeit, Stuttgart 1998; Hirschfelder, Europäische Esskultur, 58–76; speziell

186

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

wegs nur von Bedeutung, was gegessen und getrunken wurde – dienten doch exotische Gerichte sowie exquisite Weine bei griechischen Symposien oder römischen convivia hauptsächlich zur Schaustellung von Reichtum und Luxus483 –, sondern auch, wie gegessen und getrunken wurde: Wer kultiviert sein wollte, war darauf angewiesen, die mit Essen und Trinken verbundenen kulturell normierten Praktiken zu beherrschen und einzuhalten. Erst der korrekte Vollzug der in diesem Kontext bestehenden Verhaltensregeln drückte Kultiviertheit sowie Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe aus.484 Eine Analyse dieser bei Essen und Trinken praktizierten Verhaltensweisen wirft daher auch immer Licht auf die kulturelle Identität und die damit einhergehenden Wert- und Ordnungsvorstellungen der zu untersuchenden Gesellschaft485 und führt folglich auch in Bezug auf die Wahrnehmung und Bewertung von rechts und links zu interessanten Fragestellungen. Da der Einsatz der Hände beim alltäglich verrichteten Essen und Trinken in der Regel unverzichtbar ist, erscheint vor dem Hintergrund der in diesem Bereich bestehenden Tischmanieren die Frage nahe liegend, inwieweit und in welchem Ausmaß sich die mit der linken und rechten Hand verbundenen Assoziationen auch in der Benutzung der Hände beim Essen und Trinken niederschlugen. Dass rechts und links im Kontext von Essen und Trinken unterschiedliche Wahrnehmungen hervorrufen konnten, wurde bei manchen Gastmählern bereits zu Beginn sichtbar. Erinnert sei an Petrons Cena Trimalchionis, in der der Sklave die Gäste darauf aufmerksam macht, den Speiseraum mit dem rechten Fuß zuerst zu betreten.486 Stand beim Betreten des Raumes die Wahl des Fußes im Mittelpunkt, so ist im Hinblick auf die Bewertung der beim Essen und Trinken eingesetzten Hände zunächst zu fragen, wie frei beide Hände beim Essen und Trinken überhaupt zu agieren imstande waren. In welcher Körperposition man die Mahlzeiten einnahm, war einerseits von der Art der Mahlzeit, andererseits auch vom sozialen Status abhängig. Uneingeschränkte Bewegungsfreiheit besaßen beispielsweise diejenigen, die ihre Speisen im Sitzen zu sich nahmen. In Griechenland saßen bei Homer die Teilnehmer eines Gastmahls noch auf Stühlen.487 Verliert sich diese Sitte in späterer Zeit zugunsten einer liegenden Position, so mussten die zum abendlichen Gelage zugelassenen Knaben hingegen stets sitzend speisen.488 Frauen, denen mit

483

484 485 486 487 488

zur Bedeutung des Essens bei den Römern siehe Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005, 25–28; Donahue, Toward a Typology of Roman Public Feasting, in: AJPh 124, 2003, 423–441; André, Essen und Trinken im alten Rom, Stuttgart 1998; Gerlach, Zu Tisch bei den alten Römern. Eine Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, Darmstadt 2001; Hirschfelder, Europäische Esskultur, 77–93. Beispielsweise greifbar bei Athen. 3, 126e; Mart. 12, 41; Tac. Ann. 3, 52–55; vgl. SteinHölkeskamp, Das römische Gastmahl, 88; Dalby, s.v. Luxury, Food in the Ancient World from A to Z, 201–203. Vgl. Dalby, s.v. Comportement, Food in the Ancient World from A to Z, 93–95; SteinHölkeskamp, Das römische Gastmahl, 33. Vgl. Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, 42f.; Donahue, Introduction (to Roman dining issue), in: AJPh 124, 2003, 325. Petron. Sat. 30, 5; siehe dazu ausführlich Kapitel 3.2. Hom. Od. 1, 145; Hom. Od. 9, 8. Vgl. Mau, convivium, Sp. 1203.

4.3. Die linke Hand

187

Ausnahme von Hetären der Zutritt zum Gastmahl ohnehin verwehrt blieb, aßen ebenfalls auf einem Stuhl sitzend.489 Im Gegensatz dazu war Frauen in Rom die Teilnahme am Gastmahl gestattet.490 Zwar scheinen Frauen dabei ursprünglich eine Sitzposition eingenommen zu haben, jedoch häufen sich insbesondere ab der späten Republik die Zeugnisse, die über Frauen in liegender Position berichten.491 Dagegen mussten Knaben normalerweise bis zum Erhalt ihrer toga virilis sitzen.492 Allerdings vermuten Nielsen und Roller, dass diese Sitzregelung bei der cena ein alter Brauch aus der frühen Republik gewesen sei und zur Kaiserzeit Knaben auch schon vor Erhalt der Männertoga am Abendessen liegend teilnehmen konnten.493 Menschen unfreier Herkunft hatten dagegen ihre Mahlzeiten in der Regel stets im Sitzen zu verrichten.494 Weniger bedeutende Mahlzeiten wie das Frühstück und das Mittagessen wurden in der griechischen und römischen Welt gleichfalls im Sitzen vollzogen, wohingegen bei den Hauptmahlzeiten am Abend wie dem Symposion, den Syssitien oder der cena die männlichen Teilnehmer auf Speisebetten, den sogenannten kli`nai bzw. lecti, zu Tisch lagen.495 Sowohl bei den griechischen als auch bei den römischen Gastmählern lag man dabei stets auf der linken Körperseite, den linken Ellbogen und Unterarm auf ein Kissen gestützt.496 Diese Position hatte zur Folge, dass nicht nur der linke Arm, sondern auch die linke Hand in ihrem Aktionsradius erheblich eingeschränkt war. Dagegen fiel der rechten Hand der aktive Part beim Essen und Trinken zu.497 Anschaulich wird die Rollenverteilung in Senecas Thyestes vor Augen geführt: Der betrunkene Thyestes stützt seinen vom Wein beschwerten Kopf auf seine Linke, während er seine andere Hand dazu benutzt, um aus einem Silberbecher weiteren Wein zu trinken.498 Dass der Becher beim Symposion mit der Rechten gehalten wurde, begegnet uns bereits bei Homer: Menelaos hält seinen goldenen Weinbecher in seiner rechten Hand, als er sich Telemachos und Nestor vorstellt, die gerade aufbrechen wollen.499 Zahlreiche Beispiele finden 489 Vgl. Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, 178f.; Mau, convivium, Sp. 1203. 490 Vgl. Mau, convivium, Sp. 1203; Gerlach, Essen und Trinken in römischer Zeit, Köln 1986, 33. 491 Vgl. zur Essposition der Frauen beim Gastmahl Roller, Dining Posture in Ancient Rome. Bodies, Values, and Status, Princeton 2006, 96–156. 492 Vgl. Bradley, The Roman Family at Dinner, in: Nielsen (Hrsg.), Meals in a Social Context. Aspects of the Communal Meal in the Hellenistic and Roman World, Aarhus 1998, 46; Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 157–169. 493 Vgl. Nielsen, Roman Children at Mealtimes, in: Nielsen (Hrsg.), Meals in a Social Context, 58; Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 169–175. 494 Colum. 11, 1, 19; vgl. dazu Bradley, The Roman Family at Dinner, 39. 495 Vgl. Mau, convivium, Sp. 1205; zum Frühstück und Mittagessen siehe Dalby, s.v. Meal times, Food in the Ancient World from A to Z, 211f.; Hirschfelder, Europäische Esskultur, 83f. 496 Plut. Mor. 679F; Athen. 11, 497e; Hor. Carm. 1, 27, 7f.; Schmitt-Pantel, Gastmahl. II. Griechenland. C. Symposien, DNP 4, Sp. 802; Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 27; Bradley, The Roman Family at Dinner, 39; Weeber, s.v. Tischsitten, Alltag im Alten Rom, Das Leben in der Stadt, Düsseldorf/Zürich3 2006, 359; bildliche Zeugnisse finden sich beispielsweise bei Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 58, Abb. 96; Dierichs, Erotik in der Römischen Kunst, 64, Abb. 74a-b. 497 Plut. Mor. 679F. 498 Sen. Thy. 909–914. 499 Hom. Od. 15, 148.

188

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

sich auch in der römischen Welt. Erwähnt Seneca in seinem Thyestes die rechte Hand nicht explizit, so vergisst Vergils Aeneas in seiner Rede auf dem Herkulesfest bei Euander es nicht, seine Zuhörer zum Erheben ihrer Becher in ihrer Rechten aufzufordern.500 Wein wurde allerdings nicht nur mit der rechten Hand getrunken, sondern auch mit der rechten Hand gereicht. Hekabe reicht mit ihrer Rechten die mit Wein gefüllten Becher an Priamos und den Herold.501 Für Gastmähler ist zudem ein Weinschank bezeugt, der seine Weinkanne in der rechten Hand zu führen hat.502 Die starke Betonung der rechten Seite offenbart sich aber auch noch auf andere Art, denn zum einen erfolgte das Einschenken in der Regel nach rechts503, zum anderen zirkulierten laut Platon und Euripides auch einzelne Becher auf Symposien rechtsherum.504 Platon weist in seinem Symposion außerdem darauf hin, dass auch „jeder von uns rechtsherum eine Lobrede auf den Eros zu halten habe.“505 Eine weitere Regel auf einem Symposion sah zudem vor, denjenigen zu seiner rechten Seite zu loben.506 Betrachtet man die vorgestellten Quellen vor dem Hintergrund einer zur Mehrheit aus Rechtshändern bestehenden Welt sowie der daraus resultierenden positiven Bewertung der rechten Seite und rechten Hand, scheint die Rechtslastigkeit beim Trinken auf den ersten Blick nichts Besonderes zu sein. Besonders ist allerdings, wie häufig explizit erwähnt wird, den Becher dabei in der rechten Hand zu führen. Da davon auszugehen ist, dass die Benutzung der rechten Hand zum Trinken allgemein bekannt war, ist folglich nach der Funktion dieser bewussten Herausstellung in den vorliegenden Texten zu fragen. Wer sich die positive Konnotation der rechten Hand in ihrem ganzen Spektrum vor Augen führt, erkennt schnell die Funktion ihrer zusätzlichen Nennung im Kontext des Gastmahls: Durch die Vorschrift, den Becher mit derjenigen Hand zu halten, der beispielsweise göttliche Wirkkraft attestiert wird, durch die Siege errungen werden und die als das Symbol für Treue schlechthin gilt, wird der alltägliche Vorgang des Trinkens zu etwas Besonderem stilisiert. Indem angezeigt wird, dass es nicht gleichgültig ist, mit welcher Hand man den Becher auf dem Gastmahl zum Trinken benutzt, erlebt der Teilnehmer den Trinkvorgang bewusster. Diese Stilisierung des Trinkens lässt sich somit in eine Fülle von Ritualen einreihen, die dazu dienten, die besondere Situation des Gastmahls zu markieren. Zur Betonung der rechten Hand trug sicherlich auch die religiöse Komponente des Gastmahls bei, in dessen Rahmen sowohl Griechen als auch Römer zu Beginn ein Trankopfer an die Götter zu leisten hatten.507 Hier kam das 500 Verg. Aen. 8, 273f.; siehe auch Ov. Met. 7, 421; Stat. Silv. 4, 2, 10; Mart. 9, 43, 4; Rhet. ad Her. 3, 33; Macr. Sat. 5, 21, 1. 501 Hom. Il. 24, 284; weiterer Beleg bei Ov. Fast. 5, 511; Ov. Met. 14, 276. 502 Hom. Od. 18, 396–398. 503 Hom. Il. 1, 597; Hom. Od. 21, 141. 504 Plat. Symp. 223c; Eur. Rhes. 363–365; Athen. 11, 463e-f. 505 Plat. Symp. 177d: dokei` gavr moi crh`nai e{kaston hJmw`n lo;gon eijpei`n e]painon ]Erwtoj, ejpi; dexiav (…); siehe auch Plat. Symp. 214b-c. 506 Plat. Symp. 222e. 507 Athen. 11, 462c-f; Quint. Decl. 301; zu den religiösen Ritualen beim Trinken von Wein vgl. Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, 166–169.

4.3. Die linke Hand

189

Erheben des Weinbechers mit der symbolträchtigen Rechten oder eine nach rechts zirkulierende Lobrede einer weiteren Ehrung gleich, denn der geehrten Gottheit konnte auf diese Weise unmissverständlich zu verstehen gegeben werden, dass ihre Preisung mit der positiv bewerteten Rechten erfolgte. Obwohl die Benutzung der rechten Hand zum Trinken nachvollziehbar erscheint, vermitteln zahlreiche Gastmahlszenen auf römischen Grabmonumenten ein konträres Bild: Nahezu alle von Roller zusammengestellten Darstellungen zeigen zwar einen auf einem Speisesofa liegenden Mann, der sich auf seinem linken Ellbogen abstützt, dafür aber sein Trinkgefäß nicht in der rechten, sondern in der linken Hand hält.508 Auf vielen Darstellungen ruht seine Rechte dabei passiv auf dem Knie seines aufgerichteten Beins.509 Um diese zunächst ungewöhnlich anmutende Anordnung zu verstehen, ist ein differenzierter Blick auf den Einsatz der Hände beim Trinken notwendig, der es zugleich erlaubt, die Rolle der linken Hand beim Gastmahl näher zu bestimmen. Auf den Bildszenen wird nicht der aktive Vorgang des Trinkens dargestellt, sondern nur das passive Halten bzw. Aufbewahren des Trinkbechers in der Linken. Dass für das Trinken dagegen die rechte Hand benutzt wurde, ergibt sich allein schon aus der standarisierten Liegeposition: Da der Oberkörper auf der linken Seite ruht, folglich auf dem linken Ellbogen aufgestützt ist, erscheint der Gebrauch der linken Hand zum Trinken äußerst unbequem und nur schwer durchführbar. Die favorisierte Verwendung der rechten Hand illustrieren auch zahlreiche Abbildungen, von denen zwei exemplarisch vorgestellt werden sollen. Ein Mosaik aus Antiochia mit einer Gastmahlszene zeigt links eine tanzende Mänade, in der Mitte Herakles sowie rechts Dionysos.510 Der zentral stehende Herakles trinkt aus einer Schale, die er in seiner Rechten hält. Dionysos, auf einer Kline liegend, hebt sein Trinkhorn in seiner rechten Hand. Auf einem weiteren Mosaik aus Piazza Armerina ist ein Picknick nach dem erfolgreichen Ende einer Jagd abgebildet (siehe Abb. 14).511 Drei Männer liegen um einen Tisch gruppiert auf Decken, ihre linken Ellbogen auf Kissen gestützt. Der Mann auf der linken Seite hält sein mit Wein gefülltes Trinkglas in seiner Rechten und ist im Begriff, daraus zu trinken. 508 Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 27 bezeichnet diese Körperhaltung als „standard dining posture.“; in Griechenland finden sich ebenfalls Grabreliefs mit dieser Szene. Siehe beispielsweise Scholl, Die Attischen Bildfeldstelen des 4. Jahrhunderts v. Chr. Untersuchungen zu den kleinformatigen Grabreliefs im spätklassischen Athen, Berlin 1996, Taf. 40, 3. Kat. Nr. 421; Taf. 41, 1. Kat. Nr. 267, 2. Kat. Nr. 282. 509 Beispielsweise Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 39, Fig. 5; 40, Fig. 6; 127, Fig. 13; 128, Fig. 14; Boschung, Antike Grabaltäre aus den Nekropolen Roms, Bern 1987, Nr. 383 (= Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 191, B 383); Wrede, Stadtrömische Monumente, Urnen und Sarkophage des Klinentypus in den beiden ersten Jahrhunderten n. Chr., in: AA 1977, 400–402, Abb. 73–74 (= Roller, Dining Posture in Ancient Rome,193, K 1); Vermeule, The Dal Pozzo-Albani Drawings of Classical Antiquities in the Royal Library at Windsor Castle, Philadelphia 1966, 36, Fig. 131 (= Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 194, Dal Pozzo). 510 Gerlach, Zu Tisch bei den alten Römern, 71, Abb. 78; weitere Belege bei Dierichs, Erotik in der Kunst Griechenlands, 59, Abb. 98b; Dierichs, Erotik in der Römischen Kunst, 64, 74a-b. 511 Gerlach, Zu Tisch bei den alten Römern, 26, Abb. 254 (offenbar fehlerhafte Abbildungsangabe der Autorin).

190

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Dass die linke Hand auf den Gastmahlszenen der römischen Grabmonumente nur eine passive Funktion erfüllt, verdeutlichen besonders eindrucksvoll die Darstellungen, auf denen die rechte Hand nicht auf dem angewinkelten Knie ruht, sondern den für das Gastmahl typischen Kranz hält.512 In diesen Szenen steht das Trinken nicht im Vordergrund. Vielmehr soll der Kranz, der in der mit dem Sieg assoziierten Rechten gehalten wird, als Symbol für Erfolg, Ansehen und der Teilnahme an Gastmahlgesellschaften dem Betrachter die bedeutende soziale Stellung der abgebildeten Person vor Augen führen.513 Neben der dargestellten Kline fungiert zwar der in der Linken gehaltene Trinkbecher als weitere Komponente zur Kenntlichmachung des Gastmahlkontexts, ist jedoch im Vergleich zum abgebildeten Kranz nur von sekundärer Bedeutung. Ferner hatte das Halten des Trinkgefäßes in der linken Hand den Vorteil, dass die rechte Hand für andere Handlungen frei zur Verfügung stand. Welche Handlungen die rechte Hand beim Gastmahl ausüben konnte, veranschaulicht beispielsweise der einem Mann namens Vitellius Sucessus dedizierte Grabaltar aus Rom.514 Das Relief zeigt einen in der typischen Position auf dem Speisesofa liegenden Mann, der in der linken Hand einen Trinkbecher hält. Seine rechte Hand ist mit der links von ihm auf der Kline sitzenden Frau in Form der dextrarum iunctio verbunden. Die Betonung der ehelichen Treue steht folglich im Mittelpunkt der Darstellung. Verbundenheit zwischen Mann und Frau suggerieren auch die Reliefszenen, auf denen die rechte Hand des auf der Kline ruhenden Mannes auf der Schulter der daneben sitzenden Frau liegt.515 Bevor die Aufgabenverteilung der Hände beim Essen untersucht werden soll, drängt sich im Hinblick auf die Bedeutung von links und rechts beim Gastmahl noch die Frage auf, ob der Ehrenplatz bei Griechen und Römern wie beispielsweise im Mittelalter auf der rechten Seite zu finden ist.516 Wer diese Frage beantworten will, muss sich zunächst mit der Anordnung der Klinen im griechischen Symposion und dem römischen convivium vertraut machen. Auf einem Symposion standen im Esszimmer, andron, normalerweise sieben Klinen zur Verfügung.517 Dabei bot jede Kline Platz für ein bis zwei Gäste. Jeder Gast bzw. jedes Klinenpaar besaß einen 512 Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 31–33, Fig. 3–4 (= 191, B 830); 189, S 462; 190, S 682; 125, Fig. 12 (=190, B 8); 190, B 243; 190, B 397; 191, B 784; 150, Fig. 17 (= 191, B 852); 191, B 955; 191, B 956; 192, B 966; 192, B 986; 193, K 2; 193, K 3; 44, Fig. 7 (=193, K 5); jeder Teilnehmer am Gastmahl erhielt in der Regel einen Kranz. Vgl. Hurschmann, Kranz, DNP 6, Sp. 806. 513 Um den eigenen sozialen Aufstieg kenntlich zu machen, ließen sich beispielsweise viele Freigelassene auf den Grabreliefs auf einem Speisesofa liegend porträtieren. Einzelne Beispiele und deren Deutung finden sich bei Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 27–37. 514 Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 131–133, Fig. 15 (= 190, B 327); weitere Belege: Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 27–30, Fig. 2 u. 131f. (= 191, B 833). 515 Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 134, Fig. 16 (= 191, B 775); weitere Belege: Roller, Dining Posture in Ancient Rome, 189, S 457; 150, Fig. 17 (= 191, B 852); 193, Agnoli 1999. 516 Vgl. zur Rolle der rechten Seite als Ehrenseite im Mittelalter Nilgen, Rechts und Links, LMA 7, Sp. 518. 517 Vgl. Dunbabin, Ut Graeco more biberetur. Greeks and Romans on the Dining Couch, in: Nielsen (Hrsg.), Meals in a Social Context, 83; Schmitt-Pantel, Gastmahl, Sp. 802.

4.3. Die linke Hand

191

eigenen Tisch. In vielen altertumswissenschaftlichen Abhandlungen ist zu lesen, dass das Lager zur Rechten des Gastgebers der Ehrenplatz gewesen sein soll.518 Der Gastgeber sei für den, der das Speisezimmer betrat, auf der ersten Kline links, der Ehrengast auf der ersten Kline rechts von der Tür gelegen. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob im Symposion ein Ehrenplatz fest institutionalisiert auf der rechten Seite vorgesehen war.519 Dass die Seitenwahl bei der Platzierung der Gäste keiner Regel unterlag, kann Plutarchs Überblick über die Ehrenplätze bei den Persern, Griechen und Römern entnommen werden. Wird Plutarch bei den Persern, die ihrem König den zentralen Platz überlassen, und bei den Römern, deren Ehrenplatz innerhalb der cena klar festgelegt ist, in seinen Angaben konkret, so spricht er zwar davon, dass bei den Griechen der Ehrenplatz der erste Platz ist, lässt aber offen, wo sich dieser befindet.520 Anschließend erinnert er noch daran, dass in Herakleia am Pontus der mittlere Platz für den Ehrengast reserviert sei. Nach Athenaeus soll ohnehin bei einem Gastmahl unter Freunden jeder Platz nehmen, wo er möchte.521 Plutarch stimmt dieser Ansicht zu, empfiehlt aber bei einem Besuch von Respektspersonen die Plätze anzuweisen, ohne jedoch dabei an festgelegte Seitenpräferenzen zu denken.522 Auch archäologisch ließ sich kein Ehrenplatz auf der rechten Seite lokalisieren. Dunbabin konnte in ihren Studien über die Verteilung der Klinen in Griechenland nachweisen, dass keine Anzeichen für eine fest vorgeschriebene hierarchische Anordnung der Speiselager zu finden sind.523 Zwar existierte ein Ehrenplatz, doch befand sich dieser laut Athenaeus sowie Dunbabins Analysen in Labraunda hauptsächlich in der Mitte des Esszimmerraumes.524 Dass die Platzierung des Ehrenplatzes zur Rechten des Gastgebers dennoch im Bereich des Vorstellbaren lag, klingt zumindest an einer Stelle in Plutarchs Tischgesprächen an, in der Plutarch die Sitzordnung der olympischen Götter beschreibt. Demzufolge nahm Athena immer den Ehrenplatz neben Zeus ein.525 Auf welcher Seite von Zeus sich Athena befand, geht aus einem in Plutarchs Passage aufgeführten Zitat Pindars hervor. Laut Pindar saß Athena neben dem Blitz von Zeus.526 Da Zeus seinen Blitz bekanntlich aus seiner Rechten schleuderte, saß Athena rechts von ihm.527 Trotz dieser Passage bleibt für die griechische Sitzordnung festzuhalten, dass auf dem Symposion zwar ein Ehrenplatz existierte, dieser jedoch in den seltensten Fällen rechts vom Gastgeber zu lokalisieren ist. Für die offenbar gering 518 Beispielsweise Schmidt-Pantel, Gastmahl, Sp. 802; Mau, convivium, Sp. 1206. 519 Laut Dunbabin, Ut Graeco more biberetur, 99, Anm. 7 werden zur Begründung, dass der Ehrenplatz auf der rechten Seite zu finden sei, Plat. Symp. 175c und Plat. Symp. 177d angeführt. Prüft man diese Stellen, stellt man fest, dass zwar in Plat. Symp. 177d von einem ersten Platz die Rede ist, aber keine Aussagen über rechts und links in diesem Zusammenhang gemacht werden. 520 Plut. Mor. 619B: {Ellhsi d j oJ prw`to~ (…). 521 Athen. 2, 47e; Lukian. Cronosol. 17. 522 Plut. Mor. 615D. 523 Vgl. Dunbabin, Ut Graeco more biberetur, 83. 524 Athen. 7, 289e; Dunbabin, Ut Graeco more biberetur, 87f. 525 Plut. Mor. 617B. 526 Plut. Mor. 617C. 527 Zu Zeus, der den Blitz in der Rechten schleudert, siehe ausführlich Kapitel 4.2.1.

192

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

ausgeprägte Nutzung der rechten Seite zur Markierung eines Ehrenplatzes spricht außerdem, dass Plutarch in seiner Schilderung über die olympischen Götter nicht explizit erwähnt, dass Athena rechts neben Zeus zu sitzen pflegte.528 Im Vergleich zur griechischen Welt trifft man im römischen Gastmahl auf klarer strukturierte Verhältnisse. Das römische Gastmahl fand in einem als triclinium bezeichneten Esszimmer statt.529 In den meisten Fällen befanden sich dort drei um einen einzigen Tisch hufeisenförmig arrangierte Klinen, die jeweils Platz für bis zu drei Personen boten.530 Aus der Perspektive der von der offenen vierten Seite kommenden Bedienung befanden sich der Gastgeber und seiner Familie normalerweise auf der links vom Tisch angeordneten Kline, dem so genannten lectus imus.531 Die Gäste verteilten sich auf den anderen Klinen, dem lectus medius in der Mitte sowie dem lectus summus auf der rechten Seite. Dabei sah die streng nach der gesellschaftlichen Rangordnung ausgerichtete Sitzordnung vor, dass der Ehrengast gewöhnlich auf dem untersten Platz, dem lectus medius, untergebracht war. Dadurch lag der Ehrengast aus der Sicht des (auf dem obersten Platz des lectus imus liegenden) Gastgebers direkt an dessen linker Kopfseite.532 Betrachtet man diese Konstellation allerdings aus dem Blickwinkel der Bedienenden, dann lag der Ehrengast rechts vom Gastgeber. Inwieweit aber für die Platzierung des Ehrengastes die Perspektive der Bedienung entscheidend war, bleibt fraglich. Vielmehr scheint eher vorstellbar, dass bei einer Verteilung der Gäste, bei der rechts und links eine Rolle gespielt hätten, die Perspektive des Gastgebers maßgeblich gewesen wäre.533 Wie wenig rechts und links für die Platzierung der Gäste relevant waren, wird auch daraus ersichtlich, dass erstens die ranghöchsten Gäste bekanntlich auf der mittleren Kline platziert waren sowie zweitens die Teilnehmer mit dem niedrigsten Sozialstatus auf der von den Bediensteten aus gesehenen rechten Kline lagerten. Auf dieser Kline lag die Person mit dem geringsten sozialen Ansehen als summus in summo auf der untersten Kline.534 Vergleicht man die unterste Position mit derjenigen des Ehrengastes, kommt ein Kriterium für die Platzierung der Gäste zum Vorschein: 528 Plut. Mor. 617B. 529 Zum triclinium vgl. Dunbabin, Triclinium and Stibadium, in: Slater (Hrsg.), Dining in a Classical Context, Ann Arbor 1991, 121–148. 530 Vgl. die schematische Darstellung bei Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl, 102, Abb. 2. 531 Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl, 102. 532 Zu den Vorteilen dieser Konstellation siehe Plut. Mor. 619B; Dalby, s.v. Triclinium, Food in the Ancient World from A to Z, 331. 533 Die Perspektive des Gastgebers ist beispielsweise bei den Persern zur Platzierung der Gäste bezeugt. Kyros setzt laut Xen. Cyr. 8, 4, 3 denjenigen, den er am meisten schätzte, an seine linke Seite mit der Begründung, dass von dort eher ein Anschlag zu erwarten sei als von der rechte Seite. Dass ein links vom König platzierter Attentäter in der Tat eine vorteilhaftere Position einnahm, ist nachvollziehbar: Die rechte Hand des Attentäters, die das Schwert hält, befindet sich direkt neben dem König, dessen auf der linken Körperhälfte befindliches Herz somit schnell für den Attentäter erreichbar ist. Wesentlich schneller, als wenn der Attentäter von der rechten Seite des Königs angreifen würde; auch im Mittelalter gehen rechts und links auf Bilddarstellungen nicht vom Betrachter, sondern von der Mittelfigur aus. Vgl. Nilgen, Rechts und links, Sp. 518. 534 Vgl. Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl, 103.

4.3. Die linke Hand

193

Die Person, die summus in summo liegt, kann alle Gäste anschauen, niemand schaut sie allerdings direkt an.535 Zugleich befindet sie sich am weitesten vom Gastgeber und vom Ehrengast entfernt. Dagegen kann der imus in medio liegende Ehrengast von fast allen relativ problemlos angeschaut werden, schaut jedoch selbst höchstens den Gastgeber direkt an. Vor diesem Hintergrund bleibt zu konstatieren: Trotz einer klar festgelegten Hierarchie spielen rechts und links bei der Platzierung der Gäste im römischen convivium keine Rolle. Entscheidend waren vielmehr folgende Kriterien: der soziale Status; daraus abgeleitet, wie nah man am Gastgeber und Ehrengast lag und damit zusammenhängend, wie gut man gesehen bzw. nicht gesehen werden konnte. Konzentriert man sich auf die Rollenverteilung der Hände beim Essen, so muss zuerst überlegt werden, auf welche Weise die Hände dabei Verwendung fanden. Zum Essen konnten Löffel und Messer zwar benutzt werden, die vorherrschende Sitte sah aber vor, mit den Fingern zu essen.536 Insbesondere das Essen mit den Fingern hatte Konsequenz für die Wahrnehmung der Hände beim Essen, denn dadurch lag ein direkter Kontakt zwischen der verwendeten Hand und der zu konsumierenden Speise vor. Ferner ist zwischen liegender und sitzender Haltung beim Essen zu differenzieren. Für das Gastmahl lassen sich infolge der allgemein verbreiteten Liegeposition auf der linken Seite die Aufgaben der Hände genau bestimmen: Der Verzehr der Speisen erfolgte gewöhnlich mit der rechten Hand. Mit ihr fiel das Greifen zu den auf dem Tisch befindlichen Speisen am leichtesten.537 Berücksichtigt man allerdings, dass der Großteil der Mahlzeiten im Sitzen eingenommen wurde, lag normalerweise eine andere Konstellation vor: Hier konnte auch die linke Hand zum Einsatz kommen. Wie der Gebrauch beider Hände zum Essen aussah, beschreibt Plutarch in seiner Schrift peri; tuvch~, in der er auch auf die Rolle des Schicksals in der Kindererziehung eingeht: „Wir unterrichten unsere Kinder ihre Schuhe anzuziehen und ihr Fleisch oder ihren Fisch mit der rechten Hand zu essen, ihr Brot mit der linken Hand zu halten unter der Annahme, dass sogar diese Dinge nicht vom Schicksal herbeigeführt werden, sondern Anleitung und Aufmerksamkeit erfordern.“538 Plutarchs Passage verdeutlicht, dass der Gebrauch beider Hände zum Essen keinesfalls dem Zufall überlassen wurde, sondern nach strengen Regeln erfolgte. Welche Hand für welche Speise vorgesehen war, richtete sich nach der Qualität der für die Mahlzeit gereichten Speisen. Im vorliegenden Fall fällt auf, dass sich die unterschiedliche Bedeutung der Speisen in der Wahl der jeweils dafür vorgesehenen Hand widerspiegelt: Für Speisen wie Fleisch oder Fisch ist die rechte, 535 Dalby, s.v. Triclinium, Food in the Ancient World from A to Z, 332. 536 Essen mit den Fingern: Athen. 4, 161d-e; die Gabel war in der griechischen und römischen Antike dagegen noch unbekannt und wird erst im Mittelalter benutzt. Zur Verwendung. von Essbesteck vgl. Bradley, The Roman Family at Dinner, 39; Baratte, Essbesteck, DNP 4, Sp. 139f. 537 Plut. Mor. 679F. 538 Plut. Mor. 99D: tou;~ de; pai`da~ kai; uJpodei`sqai kai; peribavllesqai didavskomen kai; th`/ dexia`/ lambavnein tou` o[you th`/ d j ajristera`/ kratei`n to;n a[rton, wJ~ oujde; touvtwn gignomevnwn ajpo; tuvch~ ajll jejpistavsewj kai; prosoh`~ deomevnwn.

194

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

für Brot die linke Hand vorgesehen.539 Für die in der rechten Hand gehaltenen Fleisch- und Fischgerichte verwendet Plutarch den übergreifenden Begriff o[yon. Unter o[yon versteht man jede gekochte, gebratene oder rohe Kost, die zu Brot gereicht wurde, wobei der Begriff vorwiegend als Synonym für Fleisch und insbesondere Fisch Verwendung fand.540 Obgleich die Qualitätsunterschiede vor allem bei den sehr häufig konsumierten Fischgerichten beträchtlich sein konnten, benutzte man o[yon sehr häufig zur Bezeichnung einer gut zubereiteten Speise.541 Noch deutlicher tritt diese mit hoher kulinarischer Qualität verbundene Assoziation hervor, wenn man o[yon mit Fleisch in Verbindung bringt. Da Fleisch in der griechischen und in der römischen Welt nur selten konsumiert wurde sowie eine wichtige Rolle beim Opfervollzug spielte542, galt Fleischverzehr in der Regel als Zeichen von Reichtum.543 Um den hohen Stellenwert von Fleisch oder Fisch zum Ausdruck zu bringen, kam nur die rechte Hand in Frage. Nur diese Hand war angesichts ihrer positiven Konnotation geeignet, um die Besonderheit der zu konsumierenden Kost zu markieren. Dagegen zählte Brot zu den als si`to~ genannten Grundnahrungsmitteln, die aus Getreide hergestellt wurden.544 Im Gegensatz zu o[yon stellte der Konsum eines alltäglichen Hauptnahrungsmittels wie Brot keine Besonderheit dar.545 Um diesen Qualitätsunterschied deutlich zu machen, musste Brot in der weniger bedeutenden Linken gehalten werden. Vergleicht man die Verwendung der linken Hand mit den Essgewohnheiten arabischer, afrikanischer oder indischer Länder, in denen die linke Hand zum Essen wegen ihrer vermeintlichen Unreinheit nicht gebraucht werden darf546, ergibt sich für die griechische und römische Welt folgendes Profil: Sobald beide Hände beim Essen zum Einsatz kommen können, wird auf die linke Hand trotz ihrer Negativfärbung nicht verzichtet. Allerdings agiert sie im Vergleich zur Rechten nur in zweitrangiger Rolle, ähnlich dem in der heutigen westlichen Welt verbreiteten Konzept, bei dem die linke Hand als vermeintlich schwächere Hand die Gabel, die rechte Hand hingegen das Messer führt.547

539 Vgl. Davidson, Opsophagia: Revolutionary Eating at Athens, in: Wilkins/Harvey/Dobson (Hrsg.), Food in Antiquity, Exeter 1995, 205; McManus, Right Hand, Left Hand, 33. 540 Vgl. Davidson, Opsophagia, 205f.; Groß, Opson, DKP 4, Sp. 319; Dalby, s.v. Meals, Ancient Food from A to Z, 212f. 541 Vgl. Davidson, Opsophagia, 206–210; Wiklins/Hill, Food in the Ancient World, 142: „Meat and fish were often high-status food in antiquity.“ 542 Vgl. Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, 87–97; Dalby, Essen und Trinken im alten Griechenland, 45. 543 Zur Bedeutung von Fleisch in der griechischen und römischen Welt siehe Dalby, s.v. Meat, Ancient Food from A to Z, 213f.; Dalby, Essen und Trinken im alten Griechenland, 50–52. 55f.; Gerlach, Zu Tisch bei den alten Römern, 48–51; Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl, 182f.; Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, 143–145. 544 Vgl. Wilkins/Hill, Food in the Ancient World, 112–139; Ürögdi, Sitos, DKP 5, Sp. 217–219. 545 Zur Bedeutung von Brot in der griechischen und römischen Welt vgl. Dalby, s.v. Bread, Ancient Food from A to Z, 66–69; Weeber, s.v. Brot, Alltag im Alten Rom. Das Leben in der Stadt, 66–68. 546 Vgl. Knott, The Location of Religion, 136; Smits, Linkshänder, 20f. 547 Vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 29; Knott, The Location of Religion, 139.

4.3. Die linke Hand

195

Dass der Gebrauch der Linken jedoch aus rein pragmatischen Gründen erfolgte, tritt deutlich zum Vorschein, wenn zum Essen nur eine Hand erforderlich war. Wie sehr darauf geachtet wurde, in einem solchen Fall ausschließlich die rechte Hand zu verwenden, macht Plutarch in seinem Werk über die Kindererziehung deutlich: „Und überhaupt, ist es nicht völlig sinnlos, dass man zwar jemanden mit der rechten Hand zu essen gewöhnt und ihn schilt, wenn er die Linke gebraucht, sich aber nicht entfernt darum kümmert, dass er einen wirklich guten Unterricht anhört?“548 Die Absicht, Kinder zum Gebrauch der rechten Hand zu erziehen, erscheint vor dem Hintergrund der mit der linken Hand verbundenen Assoziationen nachvollziehbar. Ein alleiniger sowie öffentlich vollzogener Einsatz der Linken, die beispielsweise als Diebes- oder Unterweltshand vorwiegend verborgen in negativ konnotierten Bereichen in Aktion trat549, entsprach nicht einer gesellschaftlichen Norm, die vorsah, dass öffentlich sichtbar nur die rechte Hand, die linke Hand hingegen entweder nicht sichtbar oder nur in untergeordneter Funktion agieren sollte. Zugleich wird evident, dass zum einen das Erlernen normgerechter Tischmanieren bereits im Kindesalter begann, zum anderen die frühe Schulung anscheinend auch damit zusammenhing, dass viele Kinder eher zur Benutzung der linken Hand neigten und diese Veranlagung nur mit Hilfe einer bewussten Korrektur abzutrainieren war. Wie ernst die Einhaltung bestehender Tischsitten genommen wurde, beweist Lukian in seinem Brief De mercede conductis. Dort bekommt ein junger Grieche, der den Platz eines tutor in einer römischen Familie anstrebt, eingeschärft, dass übermäßiges Essen und Trinken ihm den Ruf einbringen werde, überhaupt keine Manieren zu haben.550 In welchen Lebensbereichen falsches Verhalten am Tisch negative Auswirkungen auf das eigene Ansehen haben konnte, illustriert Plutarch, der in seinem Essay über die Frage, ob Tugend erlernt werden kann, bemerkt, dass Männer, die nicht in ihrer Kindheit gelernt hätten, mit feinen Manieren zu essen und zu trinken, sich in ihrer Hausgemeinschaft, in ihrer Polis, auf Hochzeiten sowie bei der Ausübung eines Amtes Tadel zuziehen würden.551 Dass feine Tischmanieren in erster 548 Plut. Mor. 5: To; d∆ o{lon pw`~ oujk a[topon th`/ me;n dexia`/ suneqi/zein [ta; paidiva] devcesqai ta;~ trofav~, ka[n eij proteivneie th;n ajristera;n ejpitima`n, mhdemivan de; poieisqai provnoian tou` lovgwn ejpidexivwn kai; nomivmwn ajkouvein;

549 Erinnert sei an die Aussage des Plinius über die linke Hand, „die verborgen ist“. Plin. Nat. Hist. 33, 13: (…) laevis manibus latentibusque (…). Zur Wahrnehmung der linken Hand siehe Kapitel 4.3.1. 550 Lukian. Merc. Cond. 17; Hohn und Spott über schlechte Essmanieren traf insbesondere Bauern, die mit den Tischsitten der in der Stadt lebenden Menschen nicht vertraut waren. Siehe Theophr. Char. 4, 9. 551 Plut. Mor. 439E; die Befolgung der gesellschaftlichen Normen war auch für das Ansehen der Familien der römischen Aristokratie entscheidend: In einem aristokratischen Gefüge, in dem sich die Angehörigen einer überschaubaren Gruppe von Männern bei allen öffentlichen wie privaten Anlässen immer wieder begegneten, war der Druck, die gesellschaftlich vorgegebene Rolle zu erfüllen, besonders groß. Vgl. Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl, 33. Entsprechend schwerwiegend konnten die Konsequenzen im Fall einer Unterlassung sein. Verstöße gegen die standesgemäßen Verhaltensweisen führten beispielsweise in Rom zum Verlust von fama. Was dies zur Folge haben konnte, musste zum Beispiel der Senator Manilius, Anwärter auf das Konsulat im Jahr 184 v. Chr., erfahren: Er wurde von Cato aus dem Senat gesto-

196

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Linie die Nutzung der rechten Hand implizierte, manifestiert sich auch in Plutarchs Wahl für die Bezeichnung „feine Tischmanieren“: ejpidevxio~ bedeutet bekanntermaßen nicht nur „geschickt“ im Sinne von „feine Manieren haben“, sondern in wortwörtlicher Übersetzung „zur rechten Seite hin.“552 Wer aß und trank, hatte sich zur rechten Seite zu orientieren. Für den Einsatz der Hände hieß das, die rechte Hand zu benutzen. Auf der Grundlage der gewonnenen Eindrücke lässt sich zusammenfassend folgendes Bild skizzieren: Dass sich die positive Konnotation der rechten Seite auch im kulinarischen Kontext niederschlug, war einerseits zu vermuten, andererseits überrascht es, in wie vielen Praktiken der auf links und rechts beruhende Dualismus evident wurde: nicht nur der Weinschenk füllte auf einem Gastmahl die Becher rechtsherum, sondern auch die Teilnehmer ließen ihren einzelnen Becher von links nach rechts kreisen und hielten Lobreden in dieser Reihenfolge. Ihre Orientierung war folglich stets zur Glück bringenden rechten Seite zugewandt. Noch deutlicher zeichnete sich die Betonung der rechten Seite an der Verwendung der Hände ab. Dass die rechte Hand als die eigentliche Ess- und Trinkhand bezeichnet werden kann, lässt sich eindrucksvoll beobachten, wenn zur Nahrungsaufnahme nur eine Hand erforderlich war. Weinbecher und Löffel sind in der Rechten zu halten. Kommen dagegen beide Hände zum Einsatz, greift folgendes Schema: Für qualitativ hochwertige Speisen wie beispielsweise Fisch oder Fleisch war die rechte Hand, für alltägliche, einfache Speisen wie das als Beilage gereichte Brot hingegen die linke Hand vorgesehen. Schwingt die zweitrangige Bedeutung der Linken bereits in dieser Konstellation mit, so kommt ihr negatives Profil noch greifbarer zum Vorschein, wenn man sich erneut die Situation mit nur einer Hand in Erinnerung ruft. Den Löffel mit der linken Hand zu benutzen, galt als verpönt. Wer gute Manieren demonstrieren wollte, hatte das Essbesteck in der Rechten zu halten. Im Zuge dieser dualistischen Sichtweise griff man bereits im Kindesalter gezielt in das Essverhalten der Kinder ein, die anfangs mehr zur alleinigen Benutzung der Linken tendierten. Linkshändigkeit sollte abtrainiert werden, um sich gesellschaftlich nicht zu disqualifizieren, insbesondere nicht in einem Bereich wie dem Essen und Trinken, das täglich und in den meisten Fällen nicht allein, sondern in Gesellschaft zu verrichten war. Der bewusste Eingriff in das Essverhalten bringt zugleich zum Ausdruck, wie stark die mit der linken und rechten Hand verbundenen Assoziationen im Bewusstsein der Menschen der griechischen und römischen Welt verhaftet waren. Welche Ausmaße diese Vorstellungen erreichen konnten, soll ausführlich im Kapitel über Linkshänder behandelt werden. Doch zuvor ist es ratsam, die gewonnenen Erkenntnisse über die Bedeutung der linken und der rechten Hand im Rahmen eines Vergleiches zwischen der griechischen und der römischen Welt zusammenzufassen. ßen, weil er seine Frau in Gegenwart seiner Tochter geküsst hatte. Siehe Plut. Cat. Ma. 17; vgl. dazu Baltrusch, Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit, München 1989, 15; zur Rolle der fama in der römischen Gesellschaft siehe Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, 329f. 552 Vgl. s.v. ejpidevxio~, Liddell-Scott, 629; vgl. dazu Kapitel 3.2.

4.4. Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern

197

4.4. ZUSAMMENFASSUNG UND EIN VERGLEICH ZWISCHEN GRIECHEN UND RÖMERN Bevor die Wahrnehmung und Bewertung der linken und der rechten Hand in der griechischen mit der römischen Welt verglichen werden soll, ist es zunächst ratsam, die gewonnen Erkenntnisse überblicksartig zusammenzufassen. Bei der Analyse der rechten Hand fiel zunächst ihre grundlegend positive Konnotation auf. Im Vergleich zur Linken galt die Rechte als stärkere und geschicktere Hand, die nicht nur in profaner, sondern auch in sakraler Sphäre Verwendung fand. Im Bereich der Religion schrieben Griechen und Römer ihr göttliche Macht und Wirkkraft zu, die beispielsweise bei den olympischen Göttern zum Vorschein kam: Asklepios diente die Rechte zur Heilung, Athene zum Schutz der ihr Anvertrauten und Zeus zur Bestrafung seiner Feinde.553 Ein noch schärferes Profil erhielt die rechte Hand im religiösen Leben der Römer. Am eindrucksvollsten kommt hierbei ihre Symbolkraft als Versinnbildlichung der Göttin Fides zur Geltung.554 Zur Erinnerung an die per Handschlag eingegangene Treue trat die rechte Hand häufig in Form der dextrarum iunctio auf Münzen in Erscheinung. Eine andere Möglichkeit, um an die versprochene Treue zu appellieren, trat im römischen Militär zutage: in Form einer aufgerichteten Schwurhand symbolisiert die rechte Hand an der Spitze der Feldzeichen die Gottheit Fides. Zur Wahrnehmung der rechten Hand als wirkungsvolles Werkzeug eines Gottes trugen auch die vorwiegend gegen Ende des 1. Jahrhunderts in der westlichen Reichshälfte aufkommenden Votivhände für die Gottheiten Jupiter Dolichenus, Jupiter Heliopolitanus und Jupiter Sabazios bei. Neben der Funktion der Rechten als Zeichen göttlicher Macht und Wirkkraft war für ihre positive Bewertung in erster Linie ihre Verwendung im täglichen Leben verantwortlich. Insbesondere der Gebrauch der rechten Hand beim Handschlag war in Griechenland wie in Rom als Geste zur Begrüßung, zum Abschied oder zur Kennzeichnung eines Treueverhältnisses ein unverzichtbares Mittel, um menschliche Verbundenheit zu symbolisieren.555 Welche Bedeutung das Reichen der rechten Hand erlangen konnte, zeigen zum Beispiel die auf griechischen Urkundenreliefs zur Besiegelung eines Vertrags oder Bündnisses per Handschlag vereinten Vertragspartner. In Rom konnten politische Bündnisse durch den Austausch von so genannten tesserae hospitales abgeschlossen werden, auf denen oftmals zwei zum Handschlag miteinander verbundene Hände die erfolgreiche Besiegelung des Bündnisses symbolisch zum Ausdruck brachten. Fragt man nach der heute bekannten Verwendung der Rechten zur Eidesleistung, so ist für die griechische und römische Welt festzuhalten, dass zwar einzelne Belege bezeugt sind, in denen die rechte Hand zum Eid erhoben wurde, aber der Gebrauch der Rechten angesichts des relativ dünnen Quellenbefunds sich nicht mit der heute vertrauten Praktik vergleichen lässt.556 553 554 555 556

Siehe Kapitel 4.2.1. Siehe Kapitel 4.2.2. Siehe Kapitel 4.2.3. Siehe Kapitel 4.2.4.

198

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Eindeutigere Ergebnisse liefert dagegen ein erneuter Blick in den religiösen Bereich: als Zeichen göttlicher und menschlicher Kraft, Verbundenheit, Zuverlässigkeit und Treue erschien die rechte Hand zur Kontaktaufnahme mit den Göttern in Form des Gebets prädestiniert.557 Während man in Griechenland entweder beide Hände oder die rechte Hand erhob, führten die Römer im Gebet gewöhnlich ihre rechte Hand zum Mund. Als Ausdruck sowohl göttlicher als auch menschlicher Kraft etablierte sich die rechte Hand in der griechischen und römischen Vorstellungswelt auch als Hand des Siegers.558 Mit der rechten Hand werden einerseits Siege errungen sowie anschließend Siegespreise in Empfang genommen, andererseits werden auch die Siegespreise dem Sieger mit der rechten Hand überreicht. Wie sehr die rechte Hand als den Sieg bringende Hand im Bewusstsein verhaftet gewesen war, illustrieren auch die zahlreichen Darstellungen, auf denen kleine Statuen von Nike oder Victoria auf der rechten Hand des abgebildeten Siegers stehen. Vergleicht man die Tätigkeitsbereiche der rechten Hand, tritt eines ihrer wesentlichen Merkmale zutage: Handschlag, Gebet oder Eidesleistungen sind Tätigkeiten, die vor den Augen anderer zumeist in der Öffentlichkeit vollzogen werden. Dass die rechte Hand für öffentlich zu vollziehende Aufgaben vorgesehen war, hat auch die Untersuchung der beiden Hände in der Kleidung anschaulich vor Augen geführt.559 Kleidungsstücke wie Himation, Chlamys oder Toga waren normalerweise so drapiert, dass im Gegensatz zur meist unter einer großen Stoffmenge verborgenen Linken die rechte Hand nicht nur stets gesehen werden, sondern auch uneingeschränkt agieren konnte. Übernahm die Rechte vor den Augen anderer eine aktive Rolle, so blieb der linken Hand auf dieser Ebene nur ein passiver Part beschieden. Wie deutlich der Kontrast zwischen der aktiven Rechten und der passiven Linken ausfallen konnte, hat der Blick auf die Funktionen der Hände beim Essen und Trinken gezeigt.560 Aufgrund der Liegeposition war auf dem Speisesofa Essen und Trinken nur mit der Rechten uneingeschränkt möglich. Der linke Unterarm pflegte dagegen passiv auf einem Kissen zu ruhen. Ein ähnliches Bild zeichnete sich auch beim Essen in sitzender Lage ab: Reichte eine Hand dafür aus, war das Essbesteck in der rechten Hand zu halten. Griffen Kinder aus persönlicher Veranlagung den Löffel mit der Linken, sah die Erziehung vor, dieses Verhalten zu maßregeln und abzugewöhnen. Falls sich jedoch die Verwendung der linken Hand nicht vermeiden ließ, war für die Linke eine im Vergleich zur Rechten zweitrangige Funktion vorgesehen. Mit der Linken hielt man alltägliche Nahrung wie Brot. Die rechte Hand ergriff hingegen hochwertig zubereitete Spiesen wie Fleisch oder Fisch. Bündelt man die für die linke Hand gewonnen Erkenntnisse, erscheint die linke Hand als Gegenpart zur Rechten stets im negativ gefärbten Licht: in einer Welt, in der Rechtshänder die Mehrzahl bilden, hielt man die linke Hand von Natur aus für schwächer; eine Schwäche bzw. Zweitrangigkeit, die nach Ansicht von Aristoteles 557 558 559 560

Siehe Kapitel 4.2.5. Siehe Kapitel 4.2.6. Siehe Kapitel 4.3.1. Siehe Kapitel 4.3.6.

4.4. Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern

199

durch gezielte Übung zwar zu reduzieren, aber nicht gänzlich zu beseitigen war.561 Die untergeordnete Rolle hatte ferner zur Folge, dass die linke Hand, da nur selten benutzt, weitestgehend untrainiert und ungeschickt blieb. Die Wahrnehmung der Linken als ungeschickter Hand trat vor allem immer dann deutlich hervor, wenn die Linke Tätigkeiten verrichten musste, für die üblicherweise die rechte Hand vorgesehen, aber beispielsweise wegen einer Verletzung gerade nicht einzusetzen war. Folglich galt die Linke als Hand, der man in der Regel kein Vertrauen schenkte, erst recht nicht vor dem Hintergrund der in Religion und im Aberglauben kursierenden Assoziation von links als Unglück bringender Seite. Angesichts der vermeintlichen Ungeschicklichkeit der linken Hand sowie der negativ bewerteten linken Seite war der Gebrauch der linken Hand in der Öffentlichkeit weitestgehend zu vermeiden, vor allem, wenn man sich nicht durch unkonventionelles Verhalten vor den Augen anderer disqualifizieren wollte. Weitaus weniger wahrgenommen als ihr Gegenpart galt sie in den für die rechte Hand vorgesehenen Tätigkeitsbereichen als passive oder zweitrangige Hand. Dass die Linke nicht nur auf ihren passiven Part beschränkt blieb, hat die Untersuchung ihrer Tätigkeiten in den Bereichen Diebstahl, Sexualität, Unterwelt und Magie gezeigt. Dabei fiel auf, dass es sich dabei einerseits eher um Bereiche handelt, in denen die Linke verborgen vor der Öffentlichkeit agierte, andererseits all diese nicht-öffentlichen Tätigkeitsbereiche – erinnert sei an Magie und Unterwelt – vorwiegend negative Assoziationen hervorriefen. Die Vorstellung von einer verborgen agierenden Hand war auch für die Assoziation der Linken als Diebeshand maßgebend.562 Allerdings konnte diese Assoziation als soziales Konstrukt entlarvt werden. Der eigentliche Vorgang des Stehlens wurde in der Regel von der geschickteren rechten Hand ausgeführt. Die linke Hand griff keinesfalls aktiv ins Geschehen ein. Vielmehr kam sie erst danach ins Spiel, erschien sie doch infolge ihrer geringen Beachtung sowie der Möglichkeit, sie unter bestimmten Kleidungsstücken unauffällig zu verstecken, ideal für die Aufbewahrung der Diebesbeute. Die Vorstellung der Linken als Hand, die vornehmlich im Verborgenen ihre Wirkung entfaltet, machte sie auch für den Bereich der Sexualität zur Markierung von Intimität attraktiv.563 In dieser Funktion dient die explizite Nennung der linken Hand Ovid dazu, die für das Liebesspiel erwünschte Intimität und Heimlichkeit zu konstruieren. Zugleich versieht Ovid sein Szenario mit einer Aura des Geheimnisvollen, da bei ihm als praeceptor amoris nicht die eher zu erwartende Rechte zur Stimulation des Sexualpartners zum Zuge kommt, sondern die vermeintlich ungeschickte Linke. Die Welt der Sexualität wird dadurch als eine von der konventionellen Welt abweichende Welt gekennzeichnet, in der eigene Gesetze gelten, die nur von Experten vermittelt werden können. Dominiert die Vorstellung der Linken als verborgene, geheimnisvolle Hand bei der gegenseitigen Stimulation, so haben die Erwähnungen der linken Hand im Kontext der Masturbation gezeigt, dass im 561 Arist. MM 1194b; Arist. EN 1134b33–35; Arist. IA 706a20–24; Arist. HA 493b17–20; siehe Kapitel 5.1. 562 Siehe Kapitel 4.3.2. 563 Siehe Kapitel 4.3.3.

200

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Bereich der Sexualität auch andere Assoziationen im Vordergrund stehen konnten. Hier überwiegt wieder mehr die Auffassung der Linken als schlechte sowie schwache Hand. Als Symbol für Schwäche dient sie dazu, die Selbstbefriedigung zu stigmatisieren, da man offensichtlich nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um Geschlechtsverkehr mit einem Partner oder einer Partnerin zu haben. Darüber hinaus markiert der Gebrauch der linken Hand die mit der Masturbation verbundene Abweichung von der gesellschaftlichen Norm: die unkonventionelle Tätigkeit erscheint durch den Gebrauch der als ungeschickt geltenden Linken nicht nur lächerlich, sondern noch anstößiger, als sie ohnehin schon ist. Der Kontrast zur gesellschaftlichen Norm erhält somit noch schärfere Konturen. Wie in der Sexualität so fungiert auch die zur Totenbeschwörung erforderliche Linke zur Kennzeichnung einer Welt, die sich diametral von der Welt der himmlischen Götter unterscheidet.564 Klang der Bezug der linken Seite zur Unterwelt bereits im Jenseitsgericht an, dessen linker Weg in das Reich des Tartarus führte, so illustrieren Tiresias oder Medea, dass zur Anrufung der Geister der Verstorbenen die linke Hand erforderlich war. Die Vorstellung der linken Hand als Hand der Unterwelt beschränkte sich aber nicht nur auf die Beschwörung von Toten, sondern begegnete uns auch bei den Geschöpfen der Unterwelt selbst. Tisiphone, aber auch die in ihrer Erscheinung an ein Unterweltgeschöpf erinnernde Dialectica, verwenden ihre linke Hand, um Tod und Verderben zu verbreiten. Ferner demonstrierten auch Tiere wie Schlangen oder Wespen die Zugehörigkeit der linken Hand zur Unterwelt. Da Schlangen und Wespen als erdverbundene und Unheil bringende Tiere vorwiegend mit der Unterwelt in Verbindung gebracht wurden, waren sie auch mit der linken Hand zu berühren. In der Magie ließ sich die in zahlreichen Formeln vorkommende linke Hand mit dem Phänomen der Inversion erklären.565 Als inverses Element fungiert die Linke allgemein zur Abgrenzung der Magie zur normalen Welt. Wie sehr die linke Hand damit zugleich auch zur Aufwertung der magischen Formel beiträgt, stellt ihr Gebrauch in der Heilmagie unter Beweis: Indem beispielsweise das normalerweise mit der Rechten ausgeübte Pflücken von Pflanzen in der Heilmagie mit der linken Hand vollzogen werden muss, avanciert der konventionelle Pflückvorgang zu einer unkonventionellen, für einen Außenstehenden unverständlich und geheimnisvoll anmutenden Praktik, die dazu dient, die Besonderheit des magischen Rituals zu markieren. Dabei ist auffällig, dass die magische Vorschrift, Heilpflanzen mit der linken Hand zu pflücken, vor allem bei Krankheiten mit geringen Heilungschancen sowie bei Pflanzen Anwendung fand, denen man in der Regel nur eine schwache oder überhaupt keine Wirkkraft bescheinigte. Ziel war es, mit möglichst vielen unkonventionell erscheinenden Ritualen wie dem Linkspflücken eine Wirksamkeit zu suggerieren, um die Glaubwürdigkeit in das zu verkaufende Produkt zu erhöhen. Die Aktivierung des magischen Vorgangs mit Hilfe des Pflückens besaß außerdem den Vorteil, den magischen Prozess zeitlich auszudehnen, denn so fing der Eintritt in die Welt der Magie an einem der frühestmöglichen Zeitpunkte an. 564 Siehe Kapitel 4.3.4. 565 Siehe Kapitel 4.3.5.

4.4. Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern

201

Konzentriert man sich bei einem Vergleich zwischen Griechen und Römern auf die Wahrnehmung und Bewertung der linken Hand, so kristallisiert sich als Gemeinsamkeit heraus, dass beide der linken Hand kein Vertrauen schenkten. Plutarch berichtet beispielsweise von einem gängigen Ausspruch des Theodoros von Kyrene, der über die Undankbarkeit eines ihm nicht zuhörenden Publikums zu sagen pflegte, dass manche Hörer seine mit der rechten Hand dargereichten Worte mit der linken Hand ergreifen würden. Die Tyche trete zwar rechts neben sie, doch die Ungeschicktheit der Ungebildeten zeige sich daran, dass sie links nach ihr fassen würden.566 Ähnliches findet sich auch in Rom: Wie wenig der linken Hand getraut wurde, dokumentiert die römische Redensart, ein Römer setze seine Hoffnung lieber auf seine rechte als auf seine linke Hand.567 Trotz der gleichen Grundhaltung fallen Unterschiede zwischen Griechen und Römern auf, wenn man das zuvor behandelte Quellenmaterial unter der Fragestellung auswertet, in welchem quantitativen Verhältnis sich die Quellen auf die griechische und römische Welt verteilen. Liegt für die Zeugnisse über die rechte Hand ein ausgewogenes Verhältnis vor, so fallen in Bezug auf die Verteilung der Stellen über die linke Hand zwei Aspekte auf: Zum einen stammen wesentlich mehr Quellen aus dem römischen Kulturkreis, zum anderen werden bestimmte Tätigkeiten mit der linken Hand in Verbindung gebracht, die ausschließlich bei den Römern bezeugt sind. Dazu gehört beispielsweise die Sexualität. In diesem Bereich fehlen nicht nur griechischsprachige Zeugnisse über Paare, die zur gegenseitigen Stimulation die linke Hand benutzen. Vielmehr ist auffallend, dass sich zwar sowohl Griechen als auch Römer abwertend über Masturbation äußern, aber nur in lateinischen Texten die linke Hand in Zusammenhang mit der Masturbation auftaucht.568 Ihre Erwähnung dient dazu, die Masturbation als unkonventionell angesehene Sexualpraktik zu stigmatisieren. Ebenso deutlich tritt der Unterschied bei den Diebstahlszenen hervor. Dass die linke Hand in der griechischen Welt offensichtlich nicht als Diebeshand in Verruf stand, kann mit Hilfe eines Vergleichs dargelegt werden. Lässt Ovid Aiax seinen Unmut über den an Odysseus verlorenen Schild des Achills mit der neidvollen Feststellung zum Ausdruck bringen, dass die „feige und zum Stehlen geschaffene linke Hand“569 des Odysseus den Schild des Achills nicht verdient habe, so fehlt diese Anspielung in sämtlichen griechischen Texten, die Aiax’ Schmerz über den Verlust des Schildes thematisieren: Weder Homer noch die Dramatiker Sophokles und Aischylos charakterisieren Odysseus’ Schild tragende linke Hand als Diebeshand.570 566 Plut. Mor. 476B-C; Plut. Isis 68B; der auf Theodoros zurückgeführte Ausspruch erlangte laut Polybios den Status eines Sprichwortes, um Undankbarkeit zum Ausdruck zu bringen. Siehe Polyb. 38, 10, 9; in Rom ebenfalls belegt bei Sen. Benef. 5, 8, 1. 567 Plut. Mor. 201D: (…) prevpei de; ÔRwmai`on a[ndra ma`llon ejn th`/ dexia`/ ta;~ ejlpivdaj e[cein h] th`/ ajristera`/.

568 Siehe Kapitel 4.3.3. 569 Ov. Met. 13, 111: (…) timidae nataeque ad furta sinistrae; zur Stelle siehe ausführlich Kapitel 4.3.2. 570 Szenen, in denen Aiax den Verlust des Schildes an seinen Rivalen Odysseus beklagt: Hom. Od.

202

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

Auch die Assoziation der linken Hand als Hand zur Totenbeschwörung ist ausschließlich in der römischen Vorstellungswelt anzutreffen. Im Gegensatz zu Senecas Medea oder Tiresias spielt die linke Hand in den vergleichbaren Szenen der Medea des Euripides sowie des sophokleischen Tiresias keine Rolle.571 Die Häufigkeit der expliziten Erwähnung der Linken in den römischen Quellen lässt vermuten, dass in der Welt der Römer offenbar ausgeprägter über links und rechts und dem damit in Zusammenhang stehenden Verhalten reflektiert wurde. Dass Wahrnehmung und Bedeutung der linken Hand bei Griechen und Römern tatsächlich unterschiedlich stark ausfallen konnten, führt eine bereits in einem anderen Kontext erwähnte Textpassage des Plutarch vor Augen. Plutarch versucht mit einem Beispiel zu belegen, dass bei den Römern bereits ein kleiner Fehler ausreichte, um ganze Prozessionen von vorne beginnen zu lassen. Zur Wiederholung einer Prozession genüge es schon, „wenn eines der Pferde vor dem Götterwagen müde werde oder der Wagenlenker mit der Linken nach dem Zügel griff (…).“572 Plutarch macht an dieser Stelle deutlich: nur wenn die rechte Hand die Zügel führt, ist der korrekte Vollzug der Prozession möglich. Nur auf diese Weise sind die Römer sich des Wohlwollens ihrer Götter sicher.573 Hält man hingegen den Zügel mit der Linken, droht ira deorum, die dann nur noch durch die erneute Ausführung der Prozession zu vermeiden ist. Dass bereits das Greifen der Zügel mit der falschen Hand zum Abbruch der Kulthandlung führte, zeigt, welche Bedeutsamkeit eine Hand im Rahmen streng geregelter Kultausübungen erlangen konnte. Zugleich gewährt eine solche Vorschrift auch Einblicke in die religiöse Vorstellung der Römer. Dass sich das Verhältnis der Römer zu ihren Göttern vom religiösen Empfinden anderer Völker unterschied, deutet der einer Erklärung gleichkommender Kommentar von Plutarch über das zuvor skizzierte Verhalten der Römer an.574 Plutarchs Bemerkung, die Römer seien in religiösen Belangen so furchtsam, bedeutet zum einen, dass die griechische Haltung gegenüber den Göttern offensichtlich von weniger Angst geprägt war – jedenfalls scheint ein vermeintlich falscher Einsatz der linken Hand nicht zu einer Wiederholung einer Prozession geführt zu haben – zum anderen wird zu verstehen gegeben, dass die Römer dem religiösen Bereich eine große Bedeutung beimaßen. Welchen Stellenwert die Religion für das Selbstverständnis der Römer besaß, bringt Cicero prägnant auf den Punkt: Die Römer seien zwar anderen Völkern in vielen Eigenschaften unterlegen gewesen, in Hinblick auf religio und pietas würden sie allerdings alle anderen Völker überragen.575 Am deutlichsten fand die Über11, 543–567; Soph. Ai. 40f. 101–117. 379–391. 437–480; Aisch. Frg. (Mette Nr. 283–290). 571 Eur. Med. 384–409. 945–975. 1057–1080. 1110–1115; Soph. Oid. T. 300–462. 572 Plut. Gaius Marcius 25, 3: i{ppou te ga;r eJno;~ tw`n ajgovntwn ta;~ kaloumevna~ qhvssa~ ajtonhvsanto~, kai; pavlin tou` hJniovxou th`/ ajristera`/ ceiri; ta;~ hJniva~ sullabovnto~, au\qi~0 ejyhfivsanto th;n pomph;n ejpitelei`n.

573 Außerhalb des religiösen Bereiches hielt man den Zügel mit der linken Hand, damit die Rechte zum Angriff frei agieren konnte. Folglich diente das Führen der Zügel mit der Rechten bei kultischen Prozessionen zur Unterscheidung zwischen profaner und religiöser Welt. Siehe Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 148–150. 574 Plut. Gaius Marcius 25, 3. 575 Cic. Harusp. 19: (…) nec numero Hispanos nec robore Gallos nec calliditate Poenos nec arti-

4.4. Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern

203

legenheit der römischen Götterverehrung ihren Ausdruck in der korrekten rituellen Ausübung der Kultvorschriften, die auch von den Römern selbst als Wesensmerkmal römischer religio verstanden wurde.576 Nur wer die sakralen Regeln peinlich genau einhielt, stellte den Göttern seine pietas unter Beweis, jenen uneingeschränkten Gehorsam, der ständig aufs Neue bekräftigt werden musste, um das friedliche Zusammenleben zwischen Menschen und Göttern zu gewährleisten.577 Der dazu erforderliche Regelkanon verlieh der römischen Religion das Antlitz einer stark formalisierten Religion, die mehr durch korrektes Handeln im Kult als durch Glauben bestach.578 Vertraten die Römer die Ansicht, ihre Beziehung zu den Göttern durch korrekten Kultvollzug kontrollieren zu können, so existierte bei den Griechen die Vorstellung, dass die Götter unberechenbar und launisch über das Schicksal der Menschen verfügen.579 Häufig trat das unverrückbare Schicksal sogar an die Stelle der Götter, das sich von diesen nur in geringem Maße beeinflussen ließ. Das geradezu exzessiv anmutende Festhalten an Ritus und Brauch in der römischen Religion galt auch in der griechischen Welt schon seit langem als markantes Merkmal der römischen Religiosität.580 Polybios bezeichnet die römische Einstellung zu ihren Göttern als deisidaimoniva, attestiert den Römern folglich eine an Aberglauben grenzende Götterfurcht.581 Wie sehr das Verhältnis der Römer zu ihren Göttern von Furcht bestimmt war, wurde auch von den Römern selbst erkannt. Laut Livius habe bereits Numa als Begründer des Sakralwesens den Römern Furcht vor den Göttern eingeflößt.582 Fassbar wird diese ängstliche Haltung auch in dem von den Römern stets erstrebten Friedenszustand zu ihren Göttern. Allein diese durch korrekte Kultausübung garantierte pax deorum „zeigt, dass nicht ein Zu-

576

577

578 579 580

581 582

bus Graecos nec denique hoc ipso huius gentis ac terrae domestico nativoque sensu Italos ipsos ac Latinos, sed pietate ac religione atque hac una sapientia, quod deorum numine omnia regi gubernarique perspeximus, omnis gentis nationesque superavimius; siehe auch Cic. Flacc. 69: Sua civitati religio (…) est, nostra nobis. Cic. Nat. deorum 2, 8: Et si conferre volumus nostra cum externis, ceteris rebus aut pares aut etiam inferiores reperiemur, religione, id est cultu deorum, multo superiores; Val. Max. 1, 1, 8; zum Kult als Wesenselement römischer religio siehe ausführlich Muth, Vom Wesen römischer religio, 291–299. Cic. Leg. 2, 19: Ad divos adeunto caste, pietatem adhibento, opes amovento. Qui secus faxit, deus ipse vindex erit; Cic. Nat. deorum 1, 116; zur pietas vgl. Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II, 29–49; Köves-Zulauf, Virtus und pietas, in: AAntHung 40, 2000, 247–262; Muth, Vom Wesen römischer religio, 340f.; dass die pietas sich nicht nur auf den religiösen Bereich bezog, sondern im Leben der Römer als römische Wertevorstellung generell tief verwurzelt war, belegt Cic. Inv. 2, 66: (…) pietatem, quae erga patriam aut parentes aut alios sanguine coniunctos officium conservare moneat. Vgl. Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 480; Latte, Römische Religionsgeschichte, 39. Vgl. Rosenberger Gezähmte Götter, 22; Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 14f. Anerkennend über die römische Haltung zur Religion äußert sich beispielsweise Poseidonios. Siehe Athen. 6, 274a; auch Dionysios von Halicarnassos ist von der römischen Religiosität beeindruckt: Dion. Hal. Ant. 2, 18–20. Polyb. 6, 56, 6–8. Liv. 1, 19, 4: (…) deorum metum iniciendum ratus est; weitere Belege für den römischen metus deorum: Cic. Inv. 2, 66: (…) religionem eam, quae in metu et caerimonia deorum sit; Liv. 21, 62; Liv. 39, 13, 4; Lucr. 1, 102–106.

204

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

stand der „Gnade“ oder Ähnliches von den Römern erstrebt wird, sondern ein angstfreier Ruhezustand im Verhältnis zu den Göttern, ein Zustand ohne ein „Eingreifen“ der Götter.“583 Grund für die ausgeprägte Angst ist die römische Gottesvorstellung.584 Das Gottesverständnis der Römer war ursprünglich von dem Glauben an unpersönliche, nur durch ihren Wirkungsbereich umschriebene Situationsund Aktionsgottheiten bestimmt, die als numina verehrt wurden.585 Im Gegensatz zur griechischen Religion trugen die römischen Götter zunächst keine anthropomorphen Züge. Bildhafte Gottesvorstellungen fehlten und traten erst später durch griechische Vermittlung in Erscheinung.586 Infolge dieser abstrakten Gottesvorstellung, die das Göttliche als eine den Menschen überall umgebene Wirkkraft ansieht, aber nicht als Gestalt greifbar wird, entstand eine Distanz zu den Göttern, die nur mit Hilfe einer intensiven Kultpflege zu kompensieren war.587 Zugleich half die Kultausführung die aus einer solchen Gottesvorstellung resultierende Unsicherheit vor den unsichtbaren und überall wirksam werdenden göttlichen Mächten auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist der stark ausgeprägte Formalismus der römischen Religion verständlich. Erst ein streng festgelegtes Regelwerk an kultischen Riten schuf die Anleitung, wie man sich das Wohlwollen der Götter sichern konnte. Daher bleibt zu resümieren: Je stärker das Verhältnis zu den Göttern von Furcht geprägt war, desto formalisierter fiel das kultische Konzept aus, desto bedeutsamer war die exakte Durchführung der kultischen Vorschriften. Wie sehr auch links und rechts in dieses kultische Regelwerk eingeflochten waren, um den für den Kult vorgesehenen Handlungen ein religiöses Profil zu verschaffen, verdeutlichen Polybios’ weitere Ausführungen über die römische Religion. Konsequenz der intensiven Götterverehrung der Römer sei nämlich, dass im Gegensatz zu den Griechen römische Beamte oder Gesandte keine Gelder verun583 Gladigow, Konkrete Angst und offene Furcht. Am Beispiel des Prodigienwesens in Rom, in: von Stietencron (Hrsg.), Angst und Gewalt. Ihre Präsenz und ihre Bewältigung in den Religionen, Düsseldorf 1979, 73; Latte, Römische Religionsgeschichte, 61: „Teilzuhaben an der Götter Leben, wie es der Grieche wohl träumen mag, begehrt man nicht; ihre Nähe, ein Heraustreten aus ihrer Ruhe ist schreckend, nicht beseligend.“ 584 Zur römischen Gottesvorstellung vgl. Muth, Vom Wesen römischer religio, 315–320; Latte, Römische Religionsgeschichte, 50–63. 585 Aug. Civ. 4, 8; Cic. Nat. deorum 2, 4; vgl. Muth, Vom Wesen römischer religio, 317; Versnel, Römische Religion und religiöse Umbruch, 44 formuliert den Unterschied in der Gottesvorstellung der Griechen und Römer folgendermaßen: „Die griechischen Götter leben, die römischen Götter wirken.“ 586 Vgl. Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II, 4–6; Latte, Römische Religionsgeschichte, 148–154. 587 Vgl. Latte, Römische Religionsgeschichte, 62f.; Muth, Vom Wesen römischer religio, 338; Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 12f.; für das ursprünglich distanzierte Verhältnis der Römer zu ihren Göttern spricht auch die Einführung der griechischen lectisternia im 4. Jahrhundert v. Chr. Von diesem Göttermahl versprach man sich einen direkteren Kontakt zu den Göttern. Siehe Liv. 5, 13, 6; Liv. 21, 62, 8–11; deutlich wird die im Vergleich zur griechischen Religion stärkere Distanz und Ehrfurcht vor den Göttern auch in dem römischen Ritus, den Göttern stets capite velato zu opfern. Dagegen erlaubte der ritus Graecus das Opfern capite aperto. Vgl. Cic. Nat. deorum 2, 10; Varro L. L. 5, 130; Lucr. 5, 1198f.; Ov. Fast. 3, 363; Iuv. Sat. 6, 391; Macr. Sat. 1, 8, 2; Scheid, Römische Religion. Republikanische Zeit, 482f.

4.4. Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern

205

treuen würden, da diese durch einen Eid gebunden seien.588 Bekanntlich verlangte der Eid als feierlicher Abschluss einer eingegangenen Verpflichtung nicht nur die Anrufung eines Gottes zum Zeugen, sondern in den meisten Fällen auch die Verwendung der rechten Hand als ausdrucksstärkstes Symbol für Treue. Dazu konnte die Rechte entweder als Schwurhand oder in Form eines Handschlags in Aktion treten.589 Dass die fides und damit auch die zur Markierung des Treueverhältnisses unverzichtbare rechte Hand im römischen Leben in besonderem Maße von Bedeutung war, bringt Gellius prägnant zur Sprache. Das römische Volk sei zu seiner Macht gekommen, „hauptsächlich dadurch, dass es Treue und Glauben streng beobachtet und sowohl gegen den einzelnen Menschen, als auch im Allgemeinen hoch und heilig hielt.“590 Nach Gellius wurde sogar der Schutz eines in die fides genommenen Klienten selbst über die des Verwandten gestellt.591 Fides galt auch bei Verträgen in Privat- und Staatsangelegenheiten als heilig und unverbrüchlich.592 Deutlich wird der besondere Bezug der Römer zur fides auch in ihrer Stilisierung zur Gottheit.593 Angesichts der Anbindung der fides an den religiösen Bereich genoss auch die rechte Hand in der römischen Vorstellungswelt einen besonderen Stellenwert. Plinius schreibt der Rechten eine quaedam religio zu, die insbesondere im Kontext von Treueverhältnissen ihre Wirksamkeit entfalten würde.594 Für die Vermutung, dass die Verehrung und die damit zusammenhängende Wahrnehmung der rechten Hand als Symbol für Treue und Zuverlässigkeit in Rom ein stärkeres Ausmaß als im griechischsprachigen Raum erreichte, spricht auch die Verteilung rechter Votivhände. Wer die Verteilung der Votivhände untersucht, stellt fest, dass die Hände hauptsächlich im westlichen Teil des Imperium Romanum gefunden wurden. Beispielsweise finden sich nur wenige Spuren eines Kultes für Jupiter Heliopolitanus in Griechenland.595 Dagegen ist die Gottheit reichlich durch Votivhände in Italien bezeugt.596 Ähnliches zeichnet sich auch für Jupiter Dolichenus ab: Finden sich in Griechenland, in Kleinasien und Ägypten fast keine originär nachweisbaren Funde zur Verehrung des Jupiter Dolichenus, so liegen zahlreiche Funde in Rom und in den westlichen Grenzprovinzen vor.597 Deutlich fällt der Unterschied auch bei Jupiter Sabazios aus. Zwar ist der Kult auch in Pergamon und vor allem in Athen bezeugt, doch sind bisher für Kleinasien nur zwei Votivhände

588 Polyb. 6, 56, 13f. 589 Vgl. Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II, 53; siehe Kapitel 4.2.3 und Kapitel 4.2.4. 590 Gell. 20, 1, 39: (…) populus Romanus e parva origine ad tantae amplitudinis instar emicuit, sed omnium maxime atque praecipue fidem coluit sanctamque habuit tam privatim quam publice. 591 Gell. 20, 1, 40. 592 Gell. 20, 1, 41. 593 Cic. Leg. 2, 19; Thome, Zentrale Wertvorstellungen der Römer II, 52–55. 594 Plin. Nat. Hist. 11, 250: (…) inest in aliis partibus quaedam religio, sicut in dextera: osculis aversa adpetitur, in fide porrigitur. 595 Vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, 233. 596 Vgl. Hajjar, Jupiter Heliopolitanus, 233. 597 Vgl. Schwertheim, Jupiter Dolichenus, 195f.

206

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

und für Athen nur eine Votivhand bekannt.598 In Italien fand man hingegen 18 Votivhände des Jupiter Sabazios.599 Bisher lässt sich folgender Schluss ziehen: die Zeugnisse haben vor Augen geführt, dass die Römer der rechten Hand allem Anschein nach eine höhere Beachtung schenkten als dies in der griechischsprachigen Welt der Fall war. Ausschlaggebend für die stärkere Wahrnehmung war die zentrale Rolle der Religion im Leben der Römer. Um die infolge der speziellen römischen Gottesvorstellung besonders stark ausfallende Furcht vor den Göttern zu verringern, war ein streng formalisiertes Kultregelwerk installiert worden. Römische religio verlangte die strikte Einhaltung sowie ständige Erneuerung der darin festgelegten Vorschriften, denn nur auf diese Weise war der Frieden zu den Göttern, die aktiv in das menschliche Geschehen eingreifen konnten, zu erhalten. Da auch Treueverhältnisse wegen ihres hohen Stellenwerts im römischen Leben eng mit der religiösen Sphäre verknüpft waren, hatte dies zur Folge, dass auch den fides-spezifischen Gesten eine größere Bedeutung als in Griechenland beigemessen wurde. Die intensive Wahrnehmung der rechten Hand hatte auch Konsequenzen für den linken Gegenpart. Da die menschliche Vorstellungswelt zur Bildung von Dualismen tendiert, fiel der ohnehin bestehende Gegensatz der beiden Hände noch kontrastreicher aus: Je mehr die rechte Hand ein positives Profil erhielt, desto negativer fiel die Bewertung der linken Hand aus.600 Daraus ergab sich aber auch: je dunkler die Darstellung der linken Hand in dieser Vorstellungswelt ausfiel, desto heller erstrahlte darin zugleich das Bild der rechten Hand. Die in Rom stark negativ gefärbte Sichtweise der linken Hand setzt aber auch eine erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der linken Seite voraus, die wiederum eine generell sensibilisierte Wahrnehmung der Umwelt zur Bedingung macht. Dass der Blick der Römer auf ihre Welt eine besondere Schärfe besaß, manifestiert sich am eindrucksvollsten in der Bedeutung des römischen Vorzeichenwesens. Aufgrund des Anspruchs der römischen religio, ständig in Kontakt mit den Göttern treten zu müssen, hatten die Römer einen ganz eigentümlichen Bezug zum Vorzeichenwesen entwickelt.601 Da die Römer der Überzeugung waren, dass die Götter sich um die Angelegenheiten des Staates kümmern würden, war die Beachtung und Auslegung von Ereignissen, die als potentielle Götterzeichen für den Staat von Belang sein konnten, essentiell, um im Einklang mit dem Willen der Götter zu handeln.602 Zwar existierte auch bei Griechen sowie anderen antiken Völkern die Deutung des göttlichen Willens anhand von Vorzeichen, doch die besondere Beziehung, 598 Vgl. Fellmann, Der Sabazios Kult, 317; zu den Votivhänden aus Kleinasien und Athen siehe Vermaseren/Lane, CCIS, 2f. 599 Zu den Votivhänden in Italien siehe Vermaseren/Lane, CCIS, 3–14. 600 Zur dualistischen Weltsicht des Menschen vgl. Duchesne-Guillemin/Dörrie, Dualismus, Sp. 334–350; Hannover, Dualität, Dualismus und Bipolartität, 9; Smits, Linkshänder, 15–20; siehe auch Kapitel 3.1. 601 Vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 11–16; Rosenberger, Gezähmte Götter, 10f. 602 Vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 15; Rosenberger, Gezähmte Götter, 17; Zeugnisse für die Bedeutung der Götterzeichen für den römischen Staat finden sich beispielsweise bei Cic. Nat. deorum 2, 7–11; Cic. Leg. 2, 20f.; Cic. Div. 2, 70, 10.

4.4. Zusammenfassung und ein Vergleich zwischen Griechen und Römern

207

die die Römer zu ihren Göttern pflegten, führte auf dem Gebiet der römischen Divination zu einem Austausch mit den Göttern, „der wohl in kaum einer anderen mediterranen Religion in solchem Maße institutionalisiert und rationalen Regeln unterworfen war wie in Rom (…).“603 Innerhalb des römischen Vorzeichenwesens fand eine streng reglementierte Kommunikation mit den Göttern vor allem im Auguralbereich statt.604 Bekanntlich waren gerade in diesem divinatorischen Sektor links und rechts von besonderer Bedeutung, galten doch links erscheinende Vögel oder Blitze als positive, von rechts kommende Himmelserscheinungen dagegen als negative Zeichen der Götter.605 Diese Auslegungsart stand nicht nur im Gegensatz zu der sonst in Rom gängigen Assoziation von links und rechts, sondern unterschied sich auch diametral von der Bewertung der beiden Seiten in der griechischen Mantik sowie der divinatorischen Deutung anderer Völker.606 Je mehr die Römer den Unterschied zu anderen divinatorischen Deutungssystemen zur Kenntnis nahmen, desto bewusster wurden sie sich ihrer exklusiven Stellung innerhalb der antiken Divination. Abgrenzung stiftet auch Identität.607 Die Erkenntnis der Römer, dass ihre Identität und Exklusivität im Divinationsbereich unter anderem durch die auguralspezifische Auslegung von links und rechts zustande kam, schärfte zugleich ihre Wahrnehmung von links und rechts. Wer zur Konstituierung seiner Identität nämlich links und rechts verwendet, schenkt den Seiten automatisch größere Aufmerksamkeit. Das Wissen, von der Norm abzuweichen, rückt ferner das Wissen um die Bedeutung dieser Norm stärker ins Bewusstsein. Konkret bedeutet das, dass die konventionellen Assoziationen von links und rechts in der römischen Vorstellungswelt stets präsente Größen blieben. Zugleich ergibt sich daraus wiederum für die Identität: Je deutlicher die gesellschaftliche Norm betont wird, desto stärker gewinnt die eigene, mit der Norm nicht konforme Identität an Konturen. Folglich trug der Gebrauch der linken Seite im auguralen Bereich als inverses Element auch zur Kenntlichmachung der Besonderheit der römischen religio bei, perpetuierte damit jedoch gleichzeitig die konventionellen Assoziationsprofile von links und rechts. Die spezielle Funktion der linken Seite im Auguralwesen war allerdings nur ein einzelner Faktor, der zu einer Sensibilisierung von links und rechts beitrug. Bekanntlich verlor das Auguralwesen im Laufe der Kaiserzeit an Bedeutung.608 Die intensive Beachtung von links und rechts hielt sich hingegen hartnäckig: Nicht nur Plautus, sondern auch kaiserzeitliche Autoren wie Ovid oder Martial brachten weiterhin die linke Hand mit Diebstahl in Verbindung.609 Gerade der Blick auf die Assoziation der Linken als Diebeshand erscheint geeignet, um weitere Ursachen 603 Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 15. 604 Cic. Div. 1, 25; Cic. Div. 1, 72; Cic. Div. 1, 95; Cic. Div. 2, 76; Cic. Leg. 2, 20f.; siehe zum komplizierten Regelwerk der Auguren Linderski, The Augural Law, 2146–2312. 605 Cic. Div. 2, 82; Plin. Nat. Hist. 2, 142. 606 Cic. Div. 1, 106; Cic Div. 2, 82; Plut. Quaest. Rom. 78; Dion. Hal. Ant. 2, 5, 5. 607 Zu den Identität konstituierenden Faktoren siehe Schörner, Identität, in: Schörner (Hrsg.), Romanisierung – Romanisation. Theoretische Modelle und praktische Fallbeispiele, Oxford 2005, 15–21. 608 Vgl. Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, 130f. 609 Plaut. Pers. 226; Ov. Met. 13, 111; Mart. 12, 28, 1–4.

208

4. Die Bedeutung der linken und der rechten Hand

für die scharfe Wahrnehmung der Römer von links und rechts zu bestimmen. Wer die linke Hand mit Diebstahl verknüpft, kategorisiert damit zugleich seine Umwelt. Ein Aktionsbereich wird definiert, indem dort beispielsweise nur eine bestimmte Hand agieren darf. Die andere Hand ist für diesen Bereich tabu. Wie im sakralen Bereich entsteht ein Regelwerk. Die Welt wird formalisiert. Daraus folgt: Je mehr links mit speziellen Tätigkeiten in Verbindung gebracht wird, desto stärker muss diese Welt formalisiert sein. Dass auf Formalismus in der römischen Welt auch außerhalb der religiösen Sphäre großen Wert gelegt wurde, beweist ein vergleichender Blick auf die römische und die griechische Gesellschaft. Die Römer besaßen eine strikte Kleiderordnung. Nur ein römischer Bürger durfte eine Toga tragen.610 Nicht so die Griechen.611 Ebenso waren die strikten Standesabzeichen der Römer wie der Ritterring oder die Purpurstreifen an der Toga den Griechen fremd. Ferner verfügte die römische Gesellschaft mit sella curulis, fasces und Liktoren über präzisere Herrschaftszeichen als die Griechen. Schließlich kannte die griechische Gesellschaft keine förmliche Untergliederung der Bürger in Statusgruppen mit genau festgeschriebenen, formalisierten Statusgruppensymbolen. Unterschiedlich fiel auch die Sitzordnung beim Gastmahl aus, die sich auf einem römischen convivium viel strenger als in Griechenland nach dem sozialen Status der Gäste orientierte.612 Der Vergleich hat deutlich gemacht, dass die römische Gesellschaft im Vergleich zur griechischen Gesellschaft viel stärker hierarchisiert war und diese Hierarchien stark formalisiert ausfielen.613 Der Formalismus schuf Kategorien; Einteilungen, zu denen auch gehörte, dass bestimmte Tätigkeitsbereiche nur mit einer bestimmten Hand assoziiert wurden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich, warum die Kategorisierung und dadurch die Wahrnehmung von links und rechts in Rom so deutlich ausfielen. In erster Linie ist der starke Formalismus dafür verantwortlich, dass die Römer die Benutzung ihrer Hände derart kategorisierten, dass für negativ konnotierte Handlungen wie Diebstahl oder Masturbation assoziativ nur die linke Hand in Frage kam.

610 611 612 613

Beispielsweise bezeichnet Vergil die Römer als gens togata. Siehe Verg. Aen. 1, 282. Vgl. Flaig, Über die Grenzen der Akkulturation, 99f. Vgl. Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl, 101–111. Vgl. Flaig, Über die Grenzen der Akkulturation, 100; weitere Belege für den stark ausgeprägten Formalismus in der römischen Gesellschaft finden sich bei Flaig, Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, Göttingen 2003, 13–31.

5. LINKSHÄNDER – WAHRNEHMUNG UND BEWERTUNG 5.1. LINKSHÄNDER IN DER GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN WELT Bei einer Untersuchung über Linkshänder müssen drei Gesichtspunkte ins Auge gefasst werden: Wer die antiken Zeugnisse zur Linkshändigkeit in ihrem vollen Aussagewert erschließen will, hat sich unter Berücksichtigung der modernen Linkshänderforschung zunächst Gedanken über Definition, Ursachen und Häufigkeit von Linkshändigkeit zu machen. Der Versuch, eine allgemein gültige Definition des Linkshänders zu erstellen, bereitet bereits ein erstes Problem, denn trotz zahlreicher naturwissenschaftlicher Studien bleibt festzuhalten, „dass selbst eine befriedigende und ausreichende Definition des Linkshänders und seiner spezifischen Eigenschaften bis heute noch nicht zureichend gegeben ist.“1 Ungeklärt ist ebenso die Frage nach der Ursache der Linkshändigkeit.2 Als gesichert gilt immerhin, dass die beiden Hemisphären des Großhirns für die Steuerung der Körperhälften verantwortlich sind.3 Beim Menschen sind die beiden Hirnhälften kontralateral organisiert: periphere Reize auf der einen Körperhälfte werden vorwiegend von der gegenüberlegenden Hemisphäre verarbeitet, die aber auch zur Peripherie zielende Impulse aussenden kann.4 Für die Händigkeit bedeutet das, dass die rechte Hand von der linken Hemisphäre, die linke Hand hingegen von der rechten Hemisphäre weitestgehend gesteuert wird.5 Weitere Unterschiede konnten entdeckt werden: Beherrscht meistens die linke Gehirnhälfte das analytische, logische Denken, verfügt ferner über einen Großteil des Sprachzentrums und arbeitet seriell, so bevorzugt die rechte Gehirnhälfte eher ganzheitliches, intuitives und räumlich-perspektivisches Denken mit simultanen sowie parallelen Verarbeitungsmethoden.6 1 2 3

4 5 6

Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 108; Smits, Linkshänder, 165. Vgl. Smits, Linkshänder, 186f.; Wilson, Die Hand, 165; McManus, Right Hand, Left Hand, 156. Vgl. Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 102f.; Wilson, Die Hand, 166; Chris McManus bestreitet dagegen, dass die Rechtshändigkeit mit der linken Hirnhälfte zusammenhängt. Siehe McManus, Right Hand, Left Hand, 165. Vgl. Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 104. Vgl. Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 104; Wilson, Die Hand, 166–173; Smits, Linkshänder, 140. Vgl. Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 102. 113; Smits, Linkshänder, 147; McManus, Right Hand, Left Hand, 185. 222; trotz ihrer unterschiedlichen Funktionen arbeiten die beiden Hirnhälften bei vielen Aufgaben zusammen. Vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 180f.; Smits, Linkshänder, 148; inwieweit sich die Einteilungen allerdings verallgemeinern lassen, bleibt fraglich. Zwar befinden sich beispielsweise die wesentlichen Teilfunkti-

210

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

Infolge der ordnenden und koordinierenden Qualitäten der linken Gehirnhälfte, ohne die keine komplexe Handlung fehlerfrei durchgeführt werden kann, schrieb man dieser Seite die dominante Rolle zu, die auch zur Erklärung für die Dominanz der Rechtshändigkeit fungierte.7 Die Vorliebe für eine Hand hängt nach diesem Modell von der Dominanz der jeweiligen Hirnhälfte ab. Weshalb aber bei einem Großteil der Menschen die linke Hirnhälfte prädestinierter für die Ausübung komplexer motorischer Bewegungsabläufe ist und sich dies anscheinend bei Linkshändern genau umgekehrt verhält, bleibt nach wie vor ein Rätsel.8 Auf der Grundlage dieser Forschungserkenntnisse leitete man in der Linkshänderforschung die Definition ab, dass „Linkshändigkeit, d. h. die Disposition, Bewegungen mit der linken Hand leichter, schneller und exakter ausführen zu können, auf die motorische und sensorische Dominanz der kontralateralen, rechten Gehirnhemisphäre zurückgeht.“9 Erscheint diese Definition zwar zur Beschreibung der bevorzugten Verwendung der linken Hand brauchbar, so bleibt jedoch die Frage nach wie vor offen, inwieweit Linkshändigkeit ausschließlich auf die Dominanz der rechten Hirnhälfte zurückgeführt werden kann. Andere Theorien machten für die Entwicklung der Linkshändigkeit genetische Faktoren verantwortlich oder führten speziell die Dominanz der Rechtshändigkeit auf Umwelteinflüsse zurück.10 Auch Kombinationen aus genetischen und umweltbedingten Faktoren wurden bereits in Betracht gezogen.11 Allerdings ist auch bei diesen Ansätzen zu berücksichtigen: „Alle im Laufe der Zeit vorgeschlagenen Erklärungen und Theorien sagen etwas über den Ursprung der Linkshändigkeit aus, keine aber etwas darüber, was sie nun eigentlich ausmacht.“12 Ein weiterer problematischer Aspekt ist die Frage nach der Häufigkeit von Linkshändern. Wie viele Linkshänder es tatsächlich gibt, konnte bis heute aufgrund unterschiedlicher Kriterien sowie der daraus abgeleiteten Messmethoden zur Bestimmung der Händigkeit nicht eindeutig geklärt werden.13 Schwankten die Zahlen onen für die Sprachproduktion im allgemeinen in der linken Hemisphäre, doch hat sich herausgestellt, dass die Sprachfunktion nicht ausschließlich dem Bereich der linken Hirnhälfte angehört und auch nicht immer im gleichen Ausmaß auf dieser Seite konzentriert ist. Siehe dazu Smits, Linkshänder, 146; McManus, Right Hand, Left Hand, 171–178. 7 Vgl. Wilson, Die Hand, 166–172; Smits, Linkshänder, 145; McManus, Right Hand, Left Hand, 177f. 8 Vgl. Wilson, Die Hand, 180; Smits, Linkshänder, 131. 9 Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 108; Lexikon der Biologie, Bd. 8, Linkshändigkeit, 443 (Autor des Artikels nicht genannt). 10 Zu den auf genetischen Faktoren basierenden Theorien siehe McManus, Right Hand, Left Hand, 159–163. 204–208; Smits, Linkshänder, 167–175; zu den Umwelteinflusstheorien siehe Springer/Deutsch, Linkes – Rechtes Hirn, 106. 11 Vgl. Springer/Deutsch, Linkes – Rechtes Hirn, 106f.; Smits, Linkshänder, 173–175. 12 Smits, Linkshänder, 186; siehe auch Wilson, Die Hand, 133. 13 Selbst ein gängiges Kriterium wie die Schreibhand erlaubt keinen eindeutigen Aufschluss, unter anderem, weil viele Menschen mehr oder weniger unter Zwang rechts schreiben gelernt haben. Wird dieses Kriterium angewendet, führt dies zu einem nur geringen Prozentsatz an Linkshändern. Verwendet man dagegen als Maßstab, dass nur wenige Aufgaben mit der rechten Hand bevorzugt ausgeführt werden, so kommt ein viel höherer Prozentsatz an Linkshändern zutage. Vgl. Smits, Linkshänder, 66; Olsson/Rett, Linkshändigkeit, 46f.; zur Problematik

5.1. Linkshänder in der griechischen und römischen Welt

211

in früheren Arbeiten zwischen 5 und 30 %14, so gehen moderne Studien inzwischen davon aus, dass 10% aller Menschen Linkshänder sind.15 Trotz der nach wie vor bestehenden Problematik bei der Bestimmung der Händigkeit lässt sich daher die Aussage treffen, dass es sich bei Linkshändern auf jeden Fall um eine Minderheit handelt.16 Für die Annahme, dass es schon in antiker Zeit deutlich weniger Linkshänder gab, spricht allein schon die Tatsache, dass weder in der griechischen noch in der römischen Mythologie ein linkshändiger Held existiert.17 Auch das Abschlagen der rechten Hand zur Bestrafung erscheint nur in einer mehrheitlich aus Rechtshändern bestehenden Welt denkbar.18 Deutlich führt ebenso die griechische und römische Bewertung von links und rechts die Dominanz an Rechtshändern vor Augen.19 Eine Gesellschaft, in der man die Rechtshändigkeit als normal empfindet, entspricht auch ganz dem Stand der heutigen Forschung, nach der keine Gesellschaft bekannt ist, die die Rechtshändigkeit als minderwertig betrachtet.20 Die Dominanz an Rechtshändern hat zur Konsequenz, dass ein Linkshänder aufgrund seiner Andersartigkeit von der gesellschaftlichen Norm abweicht und somit etwas Außergewöhnliches darstellt, das nach einer Erklärung und Bewertung verlangt. Doch was berichten die antiken Quellen über die Linkshändigkeit? Ausführlich widmete sich Aristoteles dem Phänomen der Händigkeit. Aristoteles hält die linke Hand von Natur aus für schwächer als die rechte Hand.21 Zwar könne die linke Hand durch Übung genauso stark wie die rechte Hand werden, doch ändere dies nichts an der naturgegebenen Überlegenheit der Rechten.22 Insofern existiert Links-

14

15 16 17 18

19 20

21 22

der unterschiedlichen Forschungsmethoden vgl. Smits, Linkshänder, 62–65. 163–165; Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 129; Springer/Deutsch, Linkes – Rechtes Hirn, 104: „Nur wenige Leute benutzen ausschließlich ein und dieselbe Hand für alle unimanuellen (einhändig ausgeführten) Tätigkeiten, und eine einfache Selbstklassifikation zeigt nicht an, wie die Befragten diese verschiedenen Tätigkeiten beurteilen.“ Nach Smits, Linkshänder, 64, macht die Gruppe, die keine konsequenten Rechtshänder sind, etwa 10–30% aus. Von 5–10% geht das Lexikon der Biologie, Bd. 8, Linkshändigkeit, 443 aus. Vgl. Wilson, Die Hand, 172; Smits, Linkshänder, 170; McManus, Left Hand, Right Hand, 203–205; Springer/Deutsch, Linkes – Rechtes Gehirn, 101. Vgl. Smits, Linkshänder, 161; McManus, Right Hand, Left Hand, 155. 203. Bekanntlich halten Helden wie Achill oder Aeneas ihre Waffe stets in ihrer rechten Hand. Exemplarisch greifbar bei Verg. Aen. 2, 671f.; Verg. Aen. 2, 442; Ov. Met. 12, 88–90. 113f. Plut. Lysander, 9, 5; Val. Max. 2, 7, 11; vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 202f.; siehe ausführlich Kapitel 4.2.7; ein Beleg für die dominante Rechtshändigkeit ist beispielsweise Quintilian, der von der „guten“ rechten Hand und der „schlechten“ linken Hand spricht. Siehe Quint. Inst. 6, 69: Idem per allegoriam M. Caelium (…) bonam dextram, malam sinistram habere dicebat. Vgl. Smits, Linkshänder, 19f.; Olsson/Rett, Linkshändigkeit, 12f. Olsson/Rett, Linkshändigkeit, 15f.: „Egal, auf welchem kulturellen Niveau oder Entwicklungsstadium die Menschen leben, die Rechtshändigkeit ist das Normale. Wir können annehmen, dass die rechte Hand beim Homo sapiens die stärkere wurde und deshalb bei allen Völkern und Kulturen der Erde mehr oder wenig kultiviert wurde.“; Smits, Linkshänder, 121; McManus, Right Hand, Left Hand, 155. 211f. Arist. IA 706a20–22; Arist. Probl. 985b17–23. Arist. MM 1194b33–41; Arist. EN 1134b33–35.

212

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

händigkeit für Aristoteles nicht. Außer der natürlichen Rechtshändigkeit ist höchstens eine gleiche Verteilung der Kraft auf beiden Händen zu erwarten. Ob Aristoteles hier Mischhänder meint, also Menschen, die nicht alles mit rechts und nicht alles mit links verrichten23, oder eher von Beidhändern spricht, d. h. Personen, die theoretisch jede Handlung mit beiden Händen gleich gut ausüben können, muss offen bleiben.24 Fest steht jedenfalls: Die von Natur aus gegebene Gewandtheit und Stärke der Rechten gilt für Aristoteles als Maßstab, den die schwächere Linke zwar durch Training erreichen, allerdings nicht übertreffen kann. Dass im Fall einer Beid- oder Mischhändigkeit die rechte Hand weiterhin dominant bleibt, klingt auch in dem von Aristoteles verwendeten Ausdruck ajmfidevxio~ an.25 ∆Amfidevxio~, das Synonym peridevxio~ sowie die lateinische Bezeichnung ambidexter bezeichnen einen Menschen, der quasi über zwei rechte Hände verfügt, folglich imstande ist, mit seiner linken Hand ähnlich geschickt wie mit seiner rechten Hand zu agieren.26 Beidhändigkeit kam aber nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis vor. In der Ilias ist der Held Asteropaios imstande, Speere gleichzeitig mit der linken und der rechten Hand gegen Achill zu schleudern, weil er laut Homer peridevxio~ war.27 Ein weiteres Beispiel findet sich bei Platon. Bewundernd berichtet Platon über die Fähigkeit der Skythen, mit ihren Bögen beidhändig zu schießen.28 Platons Anerkennung für die gleichwertige Ausbildung beider Hände resultiert aus der Kritik an der einseitigen Erziehung zur Rechtshändigkeit, die für ihn im Gegensatz zur Aristoteles nicht naturgegeben, sondern allein auf den erzieherischen Einfluss der Kindermägde und Mütter zurückzuführen sei: „Hinsichtlich der Hände aber sind wir durch die Unvernunft der Wärterinnen und Mütter alle gleichsam lahm geworden. Während nämlich die natürliche Beschaffenheit der beidseitigen Glieder sich ziemlich die Waage hält, haben wir selbst sie durch unsere Gewohnheit verschieden gemacht, indem wir sie nicht richtig gebraucht haben.“29 Daher steht für ihn außer Frage, „dass diejenigen wider die Natur handeln, welche die linke Seite schwächer machen als die rechte.“30 Nach Platon entspricht eine gleichwertige 23 Die Gruppe der Mischhänder existiert größtenteils nur in Statistiken, da sich die meisten Mischhänder selbst als Links- oder Rechtshänder betrachten und sich oftmals nicht bewusst werden, dass sie nicht konsequent einhändig sind. Vgl. McManus, Right Hand, Left Hand, 149–153; Smits, Linkshänder, 61. 24 Die Möglichkeit einer Beidhändigkeit des Menschen, beispielsweise erklärtes Ziel der 1914 in England gegründeten Ambidextral Culture Society, erweist sich allerdings als fraglich. Vgl. Smits, Linkshänder, 57–62; McManus, Right Hand, Left Hand, 332f. 25 Arist. MM 1194b34f.; Arist. EN 1134b33–35; Arist. Probl. 958b19–21; Arist. Pol. 1274b13. 26 Vgl. s.v. ajmfidevxio~, Liddell-Scott, 90; s.v. peridevcio~, Liddell-Scott, 1371; s.v. ambidexter, Georges, Bd. 1, Sp. 362. Dagegen dient das nur selten belegte Wort ajmfarivstero~ zur Bezeichnung eines sehr ungeschickten Menschen, der quasi über zwei linken Hände verfügt. Vgl. s.v. ajmfarivstero~, Liddell-Scott, 88. 27 Hom. Il. 21, 162f. 28 Plat. Leg. 795a; vgl. zur Stelle auch Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 229; Smits, Linkshänder, 115f. 29 Plat. Leg. 794e: ta; de; kata; cei`ra~ ajnoiva/ trofw`n kai; mhtevrwn oi|on cwloi; gegovnamen e{kastoi.

30

Th`~ fuvsew~ ga;r eJkatevrwn tw`n melw`n scedo;n ijsorropouvsh~, aujtoi; dia; ta; e[qh diavfora aujta; pepoihvkamen oujk ojrqw`~ crwv/menoi. Plat. Leg. 795a: (…) o{ti para; fuvsin kataskeuavzousin oiJ ajristerai dexiw`n ajsqenevstera ka-

5.1. Linkshänder in der griechischen und römischen Welt

213

Ausbildung der Hände der wahren Natur des Menschen. Umwelteinflüsse sind für die Entwicklung zur Einhändigkeit verantwortlich.31 Trotz Platons Plädoyer für eine bessere Behandlung der linken Hand darf auch hier nicht übersehen werden: Erklärtes Ziel ist eine ausgewogene Benutzung beider Hände.32 Linkshändigkeit ist auch bei Platon nicht vorgesehen. Über die Händigkeit wurde ebenfalls in Rom reflektiert. Dass die Römer das Phänomen der Linkshändigkeit wahrgenommen haben, beweist Plinius in dem der Anthropologie gewidmeten siebten Buch seiner Naturalis Historiae.33 Am Ende seiner Darstellung richtet sich sein Augenmerk hauptsächlich auf die physischen Beschaffenheiten der Menschen.34 Nachdem Plinius auf die unterschiedlichen Körpergrößen der Menschen eingegangen ist, nicht ohne dabei eine Vielfalt von Extremfällen, etwa Riesen und Zwerge, vorzustellen35, wendet er sich der Händigkeit des Menschen zu: „Man hat beobachtet, (…), dass die größere Kraft auf der rechten Seite liegt, dass jedoch bei einigen diese auf beiden Seiten gleich verteilt ist, bei manchen die linke Hand die meiste Stärke hat, dass dies aber nie bei Frauen der Fall ist.“36 Vergleicht man die Beobachtungen des Plinius mit denen von Aristoteles und Platon, so fällt Plinius’ differenziertere Sichtweise auf. Plinius geht zwar gleichfalls davon aus, dass in den meisten Fällen die rechte Hand die stärkere ist, und berichtet über Menschen, bei denen die Kraft auf beiden Händen gleich verteilt zu sein scheint, doch im Gegensatz zu Aristoteles und Platon räumt er das Vorhandensein von Linkshändern ein. Als Kriterium, ob ein Mensch Rechts- oder Linkshänder ist, ist für Plinius die Stärke der jeweiligen Hand entscheidend. Welche Hand die stärkere wird, hängt gewöhnlich mit dem häufigeren Gebrauch der betreffenden Hand zusammen, so dass angenommen werden kann, dass die bevorzugte Hand nicht nur stärker, sondern zugleich geschickter und leichter agiert als die schwächere. Insofern erinnert Plinius’ kurze Abhandlung stark an den oben vorgestellten wissenschaftlichen Definitionsansatz, nach dem die bevorzugte Hand Tätigkeiten schneller, exakter und leichter verrichtet. Dagegen erweist sich die Behauptung, dass es keine linkshändigen Frauen gebe, natürlich als Irrtum.37 taskeuavzonte~; siehe auch Arist. Pol. 1274b9–15. 31 Vgl. zur Stelle auch McManus, Right Hand, Left Hand, 137f. 32 Platon zielte in erster Linie darauf ab, durch die Stärkung der linken Hand bessere Soldaten auszubilden, die auch mit ihrer Linken zu kämpfen imstande gewesen wären. Siehe dazu Plat. Leg. 795b; Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 223. 33 Zur Anthropologie des Plinius im siebten Buch der Naturalis Historiae vgl. Kádár/BerényiRévész, Die Anthropologie des Plinius Maior, ANRW II, 32, 4, 1986, 2201–2224. 34 Vgl. Kádár/Berényi-Révész, Die Anthropologie des Plinius Maior, 2219. 35 Plin. Nat. Hist. 7, 73–76. Vgl. dazu Kádár/Berényi-Révész, Die Anthropologie des Plinius Maior, 2209. 36 Plin. Nat. Hist. 7, 77: (…) observatum est; sicuti vires dextra parte maiores, quibusdam aequas utraque, aliquis laeva manu praecipuas, nec id umquam in feminis. 37 Als wissenschaftliches Faktum gilt lediglich, dass die Linkshändigkeit bei Männern und Zwillingen zwar häufiger als bei Frauen vorkommt, jedoch auch hier die Messproblematik zu berücksichtigen ist. Vgl. Olsson/Rett, Linkshändigkeit, 41; McManus, Right Hand, Left Hand, 151.

214

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

Obgleich Plinius das Vorhandensein von Linkshändern bezeugt, ist dennoch zu vermuten, dass das bei den Griechen vorherrschende Erziehungsziel zur Rechtshändigkeit auch bei den Römern seine Gültigkeit besaß. Dass die rechte Hand auch in Rom die bevorzugte Hand war, erwähnt Marc Aurel, der diese Tatsache jedoch auf einen Mangel an Übung für die linke Hand zurückführt: nur aus Mangel an Übung sei die linke Hand, obgleich sie den Zügel besser als die rechte Hand halten würde, für alle anderen Tätigkeiten nicht ganz so brauchbar geworden.38 Ausschlaggebend für die Entwicklung der Händigkeit ist Marc Aurel zufolge der bevorzugte Gebrauch einer bestimmten Hand. Einen Beleg, dass auf die Händigkeit bereits bei Neugeborenen geachtet wurde, liefert der aus Ephesos stammende und in Rom unter Trajan und Hadrian praktizierende Arzt Soranos in seinem Werk über Frauenkrankheiten, gunaikei`a.39 In seinem zweiten Buch schildert Soranos die nach der Geburt des Kindes von der Amme zu vollziehenden Aufgaben.40 Nachdem das Neugeborene gebadet worden war, wurde es in Windeln gewickelt und zwar so, dass der ganze Körper – auch die Arme – eng damit umschnürt wurde, um ein gleiches und gerades Wachstum der Glieder zu fördern.41 Wenn die Gefahr der Missbildung vorüber sei, rät Soranos, das Kind entweder um den 40. Tag oder, wie es die meisten praktizieren, um den 60. Tag von den Wickeln zu befreien.42 Aber selbst beim Auswickeln lauern laut Soranos Gefahren. Neben der Beachtung, nicht alle Binden schlagartig zu entfernen, sei für die spätere Entwicklung der Arme und Beine ausschlaggebend, zunächst nur einen Arm zu befreien und erst einige Tage später den anderen.43 Dabei ist auch die Reihenfolge bedeutsam, denn zuerst muss der rechte Arm losgebunden werden. Falls man dagegen zuerst den linken Arm losbindet, wird nach Angaben von Soranos der rechte Arm schwächer und als Folge dieser zu späten Befreiung werden manche Kinder zu Linkshändern.44 Soranos 38 M. Aur. 12, 6. 39 Zu Soranos vgl. Hanson/Green, Soranus of Ephesus. Methodicorum princeps, ANRW II, 37, 2, 1994, 968–1075; Kind, Soranos, RE 3A, 1, Sp. 1113–1130; Lloyd, Sciene, Folklore and Ideology, 168–200. 40 Zum zweiten Buch vgl. Hanson/Green, Soranos of Ephesus, 1025f.; Kind, Soranos, Sp. 1121– 1123. 41 Sor. Gyn. 2, 42, 5–11; vgl. zu dieser Praktik Eyben, Sozialgeschichte des Kindes im römischen Altertum, in: Martin/Nitschke (Hrsg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, Freiburg-München 1986, 327; zur Bewertung der Wickelmethode und ihrer Anwendung bis in die Neuzeit vgl. Garnsey, Child Rearing in Ancient Italy, in: Kertzer/Saller, The Family in Italy from Antiquity to Present, New Haven-London 1991, 57: „Soranus’s Gynaecology was authoritative as late as the nineteenth century. (…) But the swaddling that immediately followed and continued for around three months was potentially dangerous, if coupled with confinement indoors and, as the child became more mobile and independent, an inadequate weaning diet.“ Einen Überblick über die noch bis ins 20. Jahrhundert vorgenommene Umschulung von Linkshändern zu Rechtshändern bietet Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 31–40. 42 Sor. Gyn. 2, 42, 2–5. 43 Sor. Gyn. 2, 42, 14f.: Prw`ton me;n mivan ejleuqerw`sai cei`ra, kai; metav tinaj hJmevra~ th;n eJtevran, ei`~ta kai; tou;j povda~:

44 Sor. Gyn. 2, 42, 16–19: proekluvein de; th;n dexiavn: ejpikrathqei`sa ga;r kata; tou;~ th;n eujwvnumon prw`ton lu`sai fqavsanta~ ajtonwtevra givnetai tw`/ bravdion th`~ eJtevra~ ejpi; to;n gumnasmo;n ejlqei`n, w{ste kai; dia; tou`to ajristovceira~ ejnivou~ givnesqai.

5.1. Linkshänder in der griechischen und römischen Welt

215

zielt demnach auf eine Erziehung zur Rechtshändigkeit ab. Sein Hinweis, dass bei einer falschen Auswickelung das Kind eventuell Linkshänder werden könnte, verrät vieles über die Einstellung gegenüber der nicht der Norm entsprechenden Linkshändigkeit, die es bereits von Geburt an mit allen Mitteln zu verhindern gilt. Aber auch in der späteren Entwicklung des Kindes macht sich das Erziehungsziel zur Rechtshändigkeit bemerkbar. In seinem Werk über die Kindererziehung spricht Plutarch bekanntlich davon, Kinder zum Gebrauch der rechten Hand beim Essen zu erziehen und die Benutzung der linken Hand als unstandesgemäßes Verhalten zu maßregeln.45 Deutlich tritt die zur Norm erhobene Rechtshändigkeit auch im Militär hervor. Erinnert sei an die geschlossenen Schlachtformationen der Griechen und Römer, die ihre Stärke in erster Linie ihren einheitlich mit dem Schwert in der Rechten und dem Schild in der Linken kämpfenden Soldaten zu verdanken hatten.46 Ein Linkshänder hätte dagegen die Schlagkraft und Manövrierfähigkeit der geschlossenen Formation erschwert. Daher wäre der Einsatz von Linkshändern fast nur in einer rein aus Linkshändern rekrutierten Spezialeinheit denkbar, die im Kampf gegen einen mit rechtshändigen Soldaten bestückten Verband wahrscheinlich sogar im Vorteil wäre, da dieser in der Regel nur das Gefecht mit Rechtshändern gewohnt ist.47 Den Beweis, ob auch im römischen Heer solche Spezialeinheiten existiert haben, bleiben die Quellen schuldig. Immerhin zeigt ein Blick auf das Alte Testament, dass anscheinend derartige Verbände in kriegerischen Auseinandersetzungen eingesetzt wurden. Im Krieg mit den anderen Stämmen Israels setzten die Benjameniten unter anderem eine Einheit von siebenhundert linkshändigen Schleuderern ein, die „mit der Schleuder ein Haar treffen, das sie nicht fehlten.“48 Dass die außergewöhnliche Linkshändigkeit als Überraschungseffekt dienen konnte, demonstriert ein weiteres Mitglied des Stammes Benjamin: Der linkshändige Ehud erhält von Jahwe persönlich den Auftrag, Eglon, König der Moabiter und Unterdrücker der Israeliten, zu ermorden.49 Obwohl Eglon gut bewacht wird, gelingt es Ehud mit seiner versteckten Waffe unbemerkt an den Wachen vorbeizukommen, da er sein Schwert nicht wie bei den meisten Rechtshändern auf der linken, sondern an der rechten Hüfte trägt.50 Anschließend begeht Ehud den Meuchelmord an Eglon: mit seiner linken Hand nimmt Ehud das Schwert von seiner rechten Hüfte und stößt es in den Bauch des Königs.51 Nach diesem kurzen Exkurs, der zeigt, auf welche Art Linkshänder in militärischen Operationen eingesetzt werden konnten, soll noch das römische Heer exemplarisch vor Augen führen, welche weit reichende Folgen die für eine militä45 46 47 48

Plut. Mor. 5. Siehe dazu Kapitel 3.4. Zum Vorteil des gegen Rechtshänder zu kämpfen geübten Linkshänders siehe Kapitel 5.2. AT Ri. 20, 16; vgl. dazu Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 50; Smits, Linkshänder, 32; Barsley, Left-handed People, 99–102. 49 AT Ri. 3, 15; Ios. Ant. Iud. 5, 188; zu Ehud vgl. Barsley, Left-handed People, 103–106; McManus, Right Hand, Left Hand, 202f. 50 AT Ri. 3, 16; Ios. Ant. Iud. 5, 189f. 51 AT Ri. 3, 21; Ios. Ant. Iud. 5, 191–193.

216

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

rische Laufbahn erforderliche Rechtshändigkeit haben konnte. Die uniforme Rechtshändigkeit hatte im römischen Reich für Familien aus der Unterschicht, die ihrem Kind die Chance des sozialen Aufstiegs mit Hilfe des Militärdienstes offen halten wollten, zur Konsequenz, ihr Kind, falls es zur Linkshändigkeit neigte, auf jeden Fall zur Rechtshändigkeit zu erziehen. Nur auf diese Weise war beispielsweise für Peregrine mit Ambition, das römische Bürgerrecht durch den Militärdienst in einer Auxiliareinheit zu erwerben, die Aufnahme in das römische Heer gewährleistet.52 Der Aspekt verdeutlicht, dass offenbar nicht nur in der römischen Oberschicht, sondern auch in Familien der Unterschicht, falls sie für ihre Kinder die Möglichkeit einer Militärlaufbahn zum sozialen Aufstieg ins Auge fassten, auf eine Erziehung zur Rechtshändigkeit gezielt Wert gelegt werden musste. In einer derartigen „rechtshändigen“ Welt stellt sich allerdings die Frage, in welchen Bereichen Linkshänder überhaupt anzutreffen sind. Die Spurensuche führt erneut zu Plinius, der in seinen Naturalis Historiae auch die Geschichte der Malerei behandelt.53 Nach Ansicht des Plinius habe die römische Malerei nach der Zeit der Gemälde des Bühnendichters Pacuvius deutlich an Qualität und Stellenwert verloren54, denn „nach dieser Zeit hat man sie nicht in den Händen ehrbarer Leute gesehen, es sei denn, man wolle den römischen Ritter Turpilius aus Venetia zu unserer Zeit rechnen, von dem heute noch herrliche Werke zu Verona erhalten sind. Er malte mit der linken Hand, was von keinem vorher erwähnt wird.“55 Wenn man sich die Frage stellt, warum niemand vor Plinius auf die Linkshändigkeit des Turpilius aufmerksam gemacht hat, mag ein Grund die mangelnde Kenntnis darüber gewesen sein. Vor dem Hintergrund der zum Erziehungsprinzip erhobenen Rechtshändigkeit wäre aber auch ein anderes Motiv für die bisherige Nichterwähnung in Betracht zu ziehen. Gerade bei dem aus der römischen Oberschicht stammenden Turpilius konnte die Linkshändigkeit zunächst anstößig erscheinen, da sie nicht den Vorstellungen der römischen Erziehung entsprach. Damit wäre das bisherige Verschweigen erklärbar. Darüber hinaus bringt die Erwähnung des Turpilius Plinius’ ständige Suche nach Kuriositäten zum Ausdruck, denn ein linkshändiger Maler stellt nun mal in einer zum größten Teil aus Rechtshändern bestehenden Welt etwas Außergewöhnliches dar, erst recht der aus der Oberschicht stammende Turpilius.56 Turpilius’ Ansehen als Maler erscheint in einem um so helleren Licht, weil er seine Kunstfertigkeit mit der vermeintlich schwächeren, ungeübten und daher auch

52 Vgl. Jacques/Scheid, Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit, 154. 235. 53 Zu Plinius und seiner Einstellung zur Malerei vgl. Isager, Pliny on Art and Society. The Elder Pliny’s Chapters on the History of Art, Odense 1991; zum Stellenwert der Maler im antiken Rom sowie weiterführender Literatur vgl. Donohne, Künstler, DNP 6, Sp. 888. 54 Plin. Nat. Hist. 35, 19. 55 Plin. Nat. Hist. 35, 20: Postea non est spectata honestis manibus, nisi forte quis Turpilium equitem Romanum e Venetia nostrae aetatis velit referre, pulchris eius operibus hodieque Veronae exstantibus. Laeva is manu pinxit, quod de nullo ante memoratur; die Familie des Turpilius ist in seiner Heimatstadt Verona, in der sich seine Werke befanden, inschriftlich bezeugt. Vgl. CIL 5, 3432; zur Stelle vgl. Isager, Pliny on Art and Society, 118. 56 Zur Suche des Plinius nach Kuriositäten vgl. Kádár/Berényi-Révész, Die Anthropologie des Plinius Maior, 2209.

5.1. Linkshänder in der griechischen und römischen Welt

217

ungeschickteren linken Hand, also in den Augen der meisten trotz einer Beeinträchtigung erreicht.57 Linkshändige Künstler waren für die Linkshänderforschung schon immer von besonderem Interesse, so dass manche sogar behaupteten, es gebe unter Linkshändern häufiger schöpferische oder einfallsreiche Menschen als bei den Rechtshändern.58 Als Argument zog man die vermeintliche Dominanz der emotionalen, kreativen Hirnhälfte heran.59 Jedoch gibt es bis heute keine gesicherten Daten, aus denen hervorgeht, ob Linkshändigkeit die Ausbildung bestimmter Fertigkeiten positiv oder negativ beeinflusst.60 Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Linkshändigkeit eines Künstlers, eben weil sie von der rechtshändigen Norm abweicht, eher wahrgenommen wird und als Kuriosität Erwähnung findet. Letztendlich muss bei linkshändigen Künstlern offen bleiben, „ob ein Zusammenhang besteht zwischen ihrer Art, die visuelle Welt (mittels ihrer spezifischen Wahrnehmung) zu strukturieren und wiederzugeben, und der Faszination des Andersartigen (Neuen und Unerwarteten) in ihren Bildern, wie sie oft von Rechtshändern wahrgenommen wird.“61 Wie sehr der unübliche Gebrauch der linken Hand als erwähnenswerte Besonderheit aufgefasst wurde, verdeutlicht auch Diodor Siculus, wenn er fasziniert berichtet, dass Archimedes einen Flaschenzug konstruierte, mit dem es möglich war, ein Lastschiff von einer Kapazität von 50000 mevdimnoi alleine mit der linken Hand vom Stapel zu lassen.62 Linkshänder sind auch im juristischen Zusammenhang belegt. Ulpian weist in seinem Kommentar zum Edikt der kurulischen Ädile darauf hin, dass man wissen muss, dass ein Linkshänder nicht krank- oder fehlerhaft ist, sondern dies nur zutrifft, wenn er aus Schwäche der rechten Hand die linke stärker benutzt; in diesem Fall sei dieser jedoch kein Linkshänder, sondern verkrüppelt.63 Zunächst erscheint überhaupt bemerkenswert, dass Linkshänder im juristischen Kontext erwähnt werden. Ulpians Anmerkung, dass ein Linkshänder nicht krank- oder fehlerhaft, morbosum vel vitiosum, ist, setzt jedoch gerade diese Annahme voraus, die es von juristischer Seite zu widerlegen galt. Den Digesten zufolge wurden Linkshänder von der breiten Masse weitestgehend als von der Norm abweichende Menschen wahrgenommen. Die andersartige Linkshändigkeit war für die meisten Leute nur als Folge einer Krankheit oder körperlichen Beeinträchtigung der rechten Hand zu erklären. Eine naturgegebene Linkshändigkeit erschien demnach nahezu unvorstellbar. Dass Menschen, die infolge eines Defekts ihrer rechten Hand, nicht nur als 57 Erinnert sei an die infirma sinistra bei Ov. Met. 12, 113. 58 Vgl. O’Boyle/Benbow, Handedness and its Relationship to Ability and Talent, in: Coren (Hrsg.), Left-Handedness. Behavioral Implications and Anomalies, Amsterdam 1990, 357– 360; Olsson/Rett, Linkshändigkeit, 12; McManus, Right Hand, Left Hand, 230f. 59 Vgl. Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 116; Smits, Linkshänder, 223. 60 Vgl. Smits, Linkshänder, 224; McManus, Right Hand, Left Hand, 231f. 61 Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 137. 62 Diod. Sic. 26, 17, 18. 63 Ulp. Dig. 21, 1, 12, 3: Item sciendum est, scaevam non esse morbosum vel vitiosum, praeterquam si inbecillitate dextrae validius sinistra utitur: sed hunc non scaevam, sed mancum esse.

218

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

manci64, sondern in der Tat auch als Linkshänder bezeichnet wurden, beweist Synesios von Cyrene in einem Brief an seinen Bruder.65 In seinem Bericht über eine Überfahrt von Alexandria nach Kyrene im Jahr 401 n. Chr. beschreibt Synesios auch die sonderbare Mannschaft des Schiffes: Viele Matrosen waren an einem Körperteil verstümmelt und riefen sich nicht mit ihren Namen, sondern mit ihren Defekten. Darunter war auch ein ajristerovceir, ein Linkshänder.66 Doch in welchen Kontext lässt sich Ulpians Kommentar zur Linkshändigkeit einordnen? Warum war diese Kenntnis für die Ädile von Bedeutung? Zur Verwaltungsbefugnis der kurulischen Ädile, cura urbis, gehörte beispielsweise die Aufsicht über den Straßen- und Marktverkehr, die neben der Preis- und Qualitätskontrolle der Waren unter anderem auch die Beaufsichtigung des Vieh- und Sklavenmarkts umfasste.67 Die nur den kurulischen Ädilen zustehende Jurisdiktion konzentrierte sich dabei auf Schädigung durch wilde Tiere und Marktstreitigkeiten. Vor allem beim Sklavenhandel galt es darauf zu achten, dass der Verkäufer eines Sklaven auf dem Markt Krankheiten oder körperliche Fehler des Kaufobjektes unaufgefordert der umstehenden Masse mitteilte beziehungsweise die Abwesenheit solcher Mängel pflichtgemäß versicherte.68 War ein Sklave fehlerhaft oder fehlte ihm eine zugesicherte Eigenschaft, so konnte der Käufer mit der Hilfe der actio redhibitoria innerhalb von sechs Monaten nach dem Sklavenkauf die Rückzahlung des Preises gegen Rückgabe des Kaufgegenstandes erzielen69 oder durch die actio quanti minoris innerhalb eines Jahres eine Preissenkung einfordern.70 Damit ein Ädil wusste, in welchen Fällen eine Reklamation der Sklavenware ihre Rechtmäßigkeit besaß, waren in Ulpians Kommentar zum Edikt der kurulischen Ädile sämtliche erdenklichen Fälle angeführt.71 Zum Beispiel führten ungleiche Kinnbacken, Augen oder Arme nicht zu einer Rückgängigmachung des Vertrages, solange sie nicht die Ausübung der Sklaventätigkeiten beeinträchtigten.72 Im Anschluss daran folgt Ulpians Hinweis, dass Linkshänder nicht krank- oder fehlerhaft sind und des-

64 Iuv. Sat. 3, 48: mancus et exstinctae, corpus non utile, dextrae. 65 Zu den Hintergründen und der Datierung des Briefes siehe Schmitt, Die Bekehrung des Synesios von Kyrene. Politik und Philosophie, Hof und Provinz als Handlungsräume eines Aristokraten bis zu seiner Wahl zum Metropoliten von Ptolemaïs, München/Leipzig 2001, 246–250. 601. 66 Syn. Epist. 5 [4], 26. 67 Vgl. Kaser, Das römische Privatrecht, München2 1971, 558–562; vgl. Medicus, Aediles, DKP 1, Sp. 83f.; Manthe, Geschichte des römischen Rechts, München 2000, 74f. 68 Ulp. Dig. 21, 1, 1, 1. Ferner musste darauf hingewiesen werden, wenn ein Sklave ein Herumtreiber war, wenn er schon einmal geflohen war und wenn er fremdes Gut verletzt und der Herr noch nicht den Schaden reguliert hatte. Vgl. Manthe, Geschichte des römischen Rechts, 75. 69 Ulp. Dig. 21, 1, 19, 6; angemerkt sei, dass die actio redhibitoria zunächst binnen zweier Monate erfolgen musste. Ulp. Dig. 21, 2, 37, 1. Erst später wurde sie dann auf sechs Monate erweitert. Vgl. Kaser, Das römische Privatrecht, 559f. 70 Gell. 4, 2, 5; vgl. Kaser, Das römische Privatrecht, 559. 71 Vgl. Manthe, Geschichte des römischen Rechts, 75. 72 Ulp. 21, 1, 12, 1f.: Eum, qui alterum oculum aut aut alteram maxillam maiorem habet, si recte iis utatur, sanum videri Pedius scribit: ait enim inaequalitatem maxillarum oculorum brachiorum, si nihil ex ministerio praestando subtrahit, extra redhibitionem esse.

5.1. Linkshänder in der griechischen und römischen Welt

219

halb keine Möglichkeit zur Reklamation besteht.73 Linkshändige Sklaven wurden anscheinend von einigen ihrer Käufer als minderwertige Ware betrachtet. Dass Sklaven linkshändig waren, konnten sich ihre Besitzer offensichtlich nur durch einen Defekt der rechten Hand erklären. Unabhängig davon, ob die Sklaven wirklich linkshändig waren oder ihre Linkhändigkeit eine Beeinträchtigung ihrer Aufgaben nach sich zog, die Linkshändigkeit bot dem Käufer auf jeden Fall ein Motiv, um den Kaufpreis zu senken. Deshalb erinnert Ulpian in seinem Kommentar daran, dass es sich bei Linkshändigkeit um keine Krankheit oder einen körperlichen Fehler handelt, der eine Reduzierung des Kaufpreises oder gar die Rückgabe des erworbenen Sklaven rechtfertigen würde. Ulpians Unterscheidung zwischen einem geborenen Linkshänder und einem solchen, der durch eine Schwäche der Rechten, beispielsweise durch einen Unfall, zur Benutzung der Linken angewiesen ist und daher eher die Bezeichnung mancus, Krüppel, verdient, veranschaulicht, wie differenziert Linkshändigkeit zumindest im juristischen Kontext zum Schutz der manci und scaevae bewertet werden musste. Dass sich Menschen mit defekter Rechten von der Annahme distanzieren wollten, ein vermeintlicher Linkshänder zu sein und auf ihren Status als manci verwiesen, zeigt Sergius Silus, der aufgrund seiner verletzten Rechten auf die Benutzung der Linken angewiesen war.74 Auf Denaren ließ ein gleichnamiger Quästor um die Wende vom zweiten zum ersten Jahrhundert die Taten seines berühmten und auch berüchtigten Ahnen verewigen: In voller Rüstung sitzt ein Reiter auf einem nach links galoppierenden Pferd und hält in seiner Linken ein Schwert und eine Kopftrophäe (siehe Abb. 15).75 Die Darstellung mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, da Sergius das Schwert mit der normalerweise für den Schild vorhergesehenen Linken umfasst. Allerdings war diese bildliche Anordnung kein Zufall und sollte diskret auf das Schicksal des Kriegshelden hinweisen.76 Plinius berichtet, dass Sergius, Urahn des berüchtigten L. Sergius Catilina, sich im zweiten Punischen Krieg sowie in den anschließenden Feldzügen gegen die Kelten durch ausgesprochene Tapferkeit verdient gemacht habe, jedoch sein Wagemut auch einen hohen Preis eingefordert hat.77 Sergius verlor nämlich auf dem zweiten Feldzug die rechte Hand, was ihn aber nicht davon abhalten konnte, an späteren Feldzügen teilzunehmen. Anstatt mit der Rechten kämpfte er nun mit der Linken: „Mit der linken Hand kämpfte er allein viermal, und zwei Pferde wurden ihm unter dem Sattel durchgestoßen.“78 Doch diese Kampftechnik hatte sich angesichts zahlreicher Verwun73 Ulp. 21, 1, 12, 3. 74 Zu Sergius Silus vgl. de Libero, Mit eiserner Hand ins Amt? Kriegsversehrte römische Aristokraten zwischen Recht und Religion, Ausgrenzung und Integration, in: Spielvogel (Hrsg.), Res Publica Reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2002, 172–191; Rösger, Der Umgang mit Behinderten im römischen Reich, 147f. 75 Crawford, RRC, 302, Nr. 286/1. Die Datierung dieser Prägung ex senatus consulto schwankt von 116/115 v. Chr. bis 94 v. Chr. Vgl. dazu ausführlich de Libero, Mit eiserner Hand, 173 Anm. 2. 76 Vgl. de Libero, Mit eiserner Hand, 173. 77 Plin. Nat. Hist. 7, 104. 78 Plin. Nat. Hist. 7, 105: Sinistra manu sola quater pugnavit, duobus equis insidente eo suffosis;

220

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

dungen offenbar nicht bewährt, so dass sich Sergius laut Plinius im Jahr 218 v. Chr. eine eiserne Hand, dextra ferrea, anfertigen ließ, an der er den Schild befestigen konnte, und erneut in den Krieg zog.79 Inwieweit Kriegsverletzte wie Sergius in den römischen Legionen weiterhin ihren Dienst verrichten konnten, lässt sich aufgrund des spärlichen Quellenmaterials kaum beantworten. Im Fall des Sergius vermutet de Libero, dass der Kriegsheld möglicherweise von der Notlage Roms im zweiten Punischen Krieg profitierte, als der Senat aufgrund vieler gefallener Soldaten jeden Aristokraten zur Verteidigung Roms gebrauchen konnte.80 Mag diese Theorie zwar interessant erscheinen, in Bezug auf die Bewertung der Linkshändigkeit drängt sich jedoch vielmehr die Frage auf, wie die stadtrömische Gesellschaft kriegsversehrte Aristokraten beurteilte, zumal Sergius’ Kriegsverletzung noch die Verwendung der negativ behafteten Linken zur Folge hatte. Zunächst bleibt festzuhalten, dass bei der Stigmatisierung des äußerlich Abweichenden keine sozialen Unterschiede gemacht wurden.81 Der intrigante Einäugige wird im Curculio des Plautus genauso verspottet wie über den tumor inguinum des Consulars M. Servilius Pulex Geminus 167 v. Chr. in der Volksversammlung gelacht wird.82 Der empörte Curculio verweist zwar sofort auf die Ursache seiner Verstümmelung: ein Wurfgeschoss habe ihm ob rem publicam das Auge ausgeschlagen.83 Allerdings findet er keinen Glauben. Bei Servilius sieht es da schon anders aus: Mit der geforderten Autorität und dem erforderlichen Selbstbewusstsein überwindet der Consular erfolgreich Hohn und Spott, indem er auf seine virtus verweist und seine Verletzungen bzw. seine körperliche Anomalie als Folge herausragender Leistungen für den Staat verstanden wissen will.84 Erst mit Hilfe der Erklärung, woher die körperliche Schwächung oder Anomalie stammt, kann sich der Spott der Menge in Achtung und Respekt verwandeln, unter der Voraussetzung, dass der Träger des Defekts durch entsprechenden Lebenswandel und Auftreten glaubwürdig erscheint.85 In römischen Augen erscheint daher Sergius’ Kampf mit der untrainierten, unge-

79

80 81 82

83 84

85

de Libero, Mit eiserner Hand, 174, vermutet, dass sich Sergius zum Schutz seiner rechten Flanke von einem Sklaven auf den Feldzügen begleiten ließ, der ihm wohl mit einem Schild die rechte Flanke decken sollte. Dass eine derartige Praktik nicht unüblich war, zeigen beispielsweise Liv. 26, 4, 4–10; Val. Max. 2, 3, 3; Caes. Bell. Gall. 1, 48, 5. Plin. Nat. Hist. 7, 104: Dextram sibi ferream fecit eaque religata proeliatus Cremonam obsidione exemit (…); vgl. zum rechten Handersatz und seiner Verwendung de Libero, Mit eiserner Hand, 174f. Vgl. de Libero, Mit eiserner Hand, 179. Vgl. de Libero, Mit eiserner Hand, 185. Plaut. Curc. 392–401; Liv. 45, 39, 16–19; Plut. Aem. 31; besonders Schimpfwörter bringen den Spott über körperliche Anomalien eindrucksvoll zum Ausdruck. Vgl. Opelt, Die lateinischen Schimpfwörter, 80f. 152f. 172f; ferner wird der Spott über körperliche Defekte auch in Graffiti dargestellt. Zu den Spottbildern und Diffamierungen vgl. Langner, Antike Graffitizeichnungen, 36–38. Plaut Curc. 399f.: Adulescens, ob rem publicam hoc intus mihi, quod insigne habeo, quaeso ne me incomities. Liv. 45, 39, 18: „Hoc quoque, quod ridetis“, inquit, „in equo dies noctesque persedendo habeo, nec magis me eius quam cicatricum harum pudet paenitetque, quando numquam mihi impedimento ad rem publicam bene gerendam domi militaeque fuit.“ Vgl. de Libero, Mit eiserner Hand, 185.

5.1. Linkshänder in der griechischen und römischen Welt

221

liebten Linken als bedeutende Heldentat für die res publica: Eine Heldentat, die auch den zunächst als sonderbar empfundenen Gebrauch der linken Hand in einem anderen Licht erscheinen lässt. Ein weiteres Beispiel, das illustriert, wie körperliche Beeinträchtigungen oftmals im Zusammenhang mit außergewöhnlicher Tapferkeit erwähnt werden, liefert die Entstehungsgeschichte eines Cognomen, das die einzige herausragende Familie der Mucier in historischer Zeit getragen hat: Der Name Scaevola86, „Linkshänderchen“, wird mit Inhabern bedeutender Priesterämter und überragenden Experten des römischen Rechts in Verbindung gebracht.87 Der Sage nach soll C. Mucius Cordus während der Belagerung Roms durch den Etruskerkönig Porsenna den Beinamen Scaevola erworben haben.88 Livius schreibt, dass C. Mucius den Entschluss fasste, auf eigene Faust in das Lager der Etrusker einzudringen, um Porsenna eigenhändig zu ermorden.89 Nachdem er sich der Unterstützung durch den Senat gesichert hatte, schlug er sich bis zu Porsenna durch. Neben Porsenna saß sein Schreiber, der fast ebenso wie der König gekleidet war. Der Anschlag scheiterte, da C. Mucius aus Furcht, sich durch die Frage zu verraten, wer von beiden der König sei, versehentlich den Schreiber erschlug.90 Im anschließenden Verhör bekannte sich der festgenommene Mucius zur Tat und wies Porsenna darauf hin, dass hinter ihm noch eine Reihe römischer Jünglinge stehen und nach der gleichen Ehre trachten würden.91 Porsenna befahl den Feuertod für Mucius, der jedoch Porsenna zurief, dass er in Erwartung hohen Ruhmes körperliche Qualen nicht fürchte. Zum Beweis legte Mucius seine rechte Hand in die Flammen des brennenden Altars.92 Erschüttert und zugleich voll Bewunderung über die Tat ließ Porsenna Mucius frei.93 Aus Dankbarkeit für seine Gnade verriet Mucius, dass 300 junge Römer sich zur Ermordung Porsennas verschworen hätten und er selbst nur durch Losglück der erste gewesen sei. Die Tat des Mucius hatte anschließend nicht nur das Friedensangebot des Porsenna an die Römer zur Folge94, sondern brachte ihm neben einem Stück Land „wegen des Verlustes seiner Hand den Beinamen Scaevola ein.“95

86 Zum Cognomen vgl. Ernout-Meillet, 597f.; Kajanto, The Latin Cognomina, 105. 243; Fest. (Lindsay), p. 104, s.v. laeva: Laeva sinistra, quam Graeci skaia{n. Unde tractum cognomen Scaevola (…). 87 Vgl. Münzer, Mucius (Nr. 10), RE 16, 1, Sp. 412f.; zum Pontifex Maximus P. Scaevola vgl. Kübler, Mucius (Nr. 17), RE 16, 1, Sp. 425–428; zum Augur Q. Mucius Scaevola vgl. Kübler, Mucius (Nr. 21), RE 16, 1, Sp. 430–436; zum Juristen Q. Mucius Scaevola vgl. Kübler, Mucius (Nr. 22), RE 16, 1, Sp. 437–446. 88 Liv. 2, 13, 1; Val. Max. 3, 3, 1; Plut. Publ. 17, 2–5; Münzer, Mucius, Sp. 416. 89 Liv. 2, 12, 3f. 90 Liv. 2, 12, 7. 91 Liv. 2, 12, 8–12. 92 Liv. 2, 12, 13. 93 Liv. 2, 12, 14–16. 94 Liv. 2, 13, 2. 95 Liv. 2, 13, 1: Mucium dimissum, cui postea Scaevolae a clade dextrae manus cognomen inditum (…); vgl. zur Stelle Ogilvie, A Commentary on Livy, 266, der den Ursprung des Namens dagegen auf ein phallisches Artefakt, das um den Hals getragen und als Scaevola bezeichnet wurde, zurückführt. Vgl. dazu Varro, L. L. 7, 97.

222

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

Bereits Friedrich Münzer hat sich die Frage nach dem Motiv für diese sagenhafte Geschichte gestellt und die Vermutung geäußert, dass „die Anknüpfung an den Mucius der Sage, so unberechtigt sie auch sein mochte, vielleicht eine gewisse Bedeutung besessen“ habe.96 Ähnlich wie bei Sergius Silus wäre vorstellbar, dass ein frühes Familienmitglied der Mucier aufgrund einer Beeinträchtigung der rechten Hand, beispielsweise durch eine Kriegsverletzung entstanden, verstärkt auf den Gebrauch der linken Hand angewiesen war. Um dem Spott über die Behinderung sowie über den Gebrauch der ungeübten, ungeschickten und anstößigen Linken zu entgehen, erschien es für den ersten Namensträger notwendig, den Verlust der Rechten und den Grund für die Bezeichnung Scaevola, die wohl mit dem Angewiesensein auf die Linke im Zusammenhang steht, auf eine heroische Tat im Dienst der res publica zurückzuführen.97 Nur auf diese Weise konnte aus Hohn und Spott Anerkennung und Bewunderung werden. Im Hinblick auf die Wahrnehmung und Bewertung von Linkshändern hat sich folgendes Bild ergeben: Erschien Linkshändigkeit in Aristoteles’ und Platons Ansichten über die Händigkeit des Menschen noch nahezu unvorstellbar, so hat Plinius deutlich gemacht, dass es nicht nur Rechtshänder sowie Menschen mit zwei geschickten Händen, sondern auch Linkshänder gab. Plinius’ Hauptkriterium für die Frage, ob ein Mensch Rechts- oder Linkshänder ist, ist die Stärke der jeweiligen Hand. Welche Hand jedoch zur Stärkeren wird, war nach griechischer und römischer Auffassung bereits von der Geburt an gezielt durch äußere Beeinflussung manipulier- bzw. erziehbar. Bezeichnenderweise empfahl Soranos, den Säugling zur Rechtshändigkeit zu erziehen, indem bei der Abnahme der Windeln zuerst die rechten Gliedmaßen befreit werden. Gleichzeitig gab Soranos zu bedenken, dass eine im wahrsten Sinne des Wortes „falsche Entwicklung“ des mit Windeln umschnürten Kindes die Linkshändigkeit zur Folge haben könnte. Angesichts der negativen Konnotation der linken Hand sollte eine potentielle Linkshändigkeit so früh wie nur möglich ausgeschlossen werden. Erinnert sei nur an die Bedeutung des korrekten Einsatzes der Hände am Esstisch: Das Essen mit der Rechten erschien selbstverständlich, der Gebrauch der Linken rief hingegen Missbilligung hervor. Zugleich zeigen die Zeugnisse über die Erziehung, dass ein Großteil der Menschen keinesfalls wie Aristoteles davon ausging, dass die Rechtshändigkeit bereits von Natur aus gegeben sei, sondern sich der Existenz der Linkshändigkeit sehr wohl bewusst war; einer natürlichen Veranlagung, die es allerdings infolge des sozialen Drucks durch gezielte erzieherische Maßnahmen zu verhindern galt. In welchen Bereichen die Rechtshändigkeit unverzichtbar war, kam deutlich im Heerwesen zum Vorschein. Wer beispielsweise im römischen Heer Karriere machen wollte, war verpflichtet, das Kämpfen mit dem Schwert in der rechten Hand zu erlernen. Nur auf diese Weise war die für die Schlagkraft erforderliche Einheit96 Münzer, Mucius, Sp. 413. 97 Zu den Cognomina, die auf körperlichen Beeinträchtigungen beruhen, siehe Plin. Nat. Hist. 11, 254; wie sehr die heldenhafte Tat des Mucius Scaevola im Bewusstsein der Römer verhaftet war, zeigt sich darin, dass die Szene neben anderen mythologischen Erzählungen in der Arena mit einem zu Tode Verurteilten, dem man Strafmilderung zusicherte, nachgespielt wurde. Siehe Mart. 1, 21; Mart. 8, 30; Mart. 10, 25.

5.2. Linkshändige Gladiatoren

223

lichkeit der Formation garantiert. Ein Einsatz von Linkshändern beim Militär wäre dagegen fast nur in Spezialeinheiten vorstellbar, wie ihn das Alte Testament für die nur aus Linkshändern bestehende Einheit der Benjameniten kannte. Falls Linkshänder in den Quellen erwähnt werden, stellen sie wie zum Beispiel der Maler Turpilius eine Kuriosität dar, da sie gewöhnlich rechtshändig ausgeübte Tätigkeiten mit der linken Hand bewältigen und sich somit von der breiten Masse der Rechtshänder abheben. Mit der vermeintlich schwachen und untrainierten Linken erfolgreich zu sein, erschien in den Augen vieler unerwartet, erstaunlich und im Vergleich zu einem Rechtshänder in manchen Fällen noch beachtlicher. Dass Linkshändigkeit für die meisten Menschen dennoch nur als Folge einer Beeinträchtigung der rechten Hand vorstellbar war, hat der Passus über Linkshändigkeit in den Digesten vor Augen geführt. Ulpians Kommentar, dass Linkshänder weder krank noch fehlerhaft sind, war für Ädile bei ihrem Vorgehen gegen unberechtigte Reklamationen der Kaufware von Relevanz, denn die Linkshändigkeit eines neu gekauften Sklaven wurde anscheinend von seinem Besitzer in bestimmten Fällen gern als Vorwand benutzt, um den Sklaven umzutauschen oder um zumindest einen Preisnachlass zu erlangen, ging man doch davon aus, dass der Sklave nur infolge einer körperlichen Behinderung seiner Rechten die Linke benutzte. Um gegen eine Reklamation gewappnet zu sein, differenziert Ulpian zwischen „echten“ Linkshändern und denjenigen, die beispielsweise infolge einer Behinderung der Rechten auf den Einsatz der linken Hand angewiesen sind und deshalb nicht als Linkshänder, sondern als Krüppel, manci, bezeichnet werden müssen. Die angeführten Beispiele der manci Sergius Silus und C. Mucius Cordus Scaevola haben verdeutlicht, dass es zur Verhinderung von Hohn und Spott entscheidend war, die Behinderung und die damit einhergehende Verwendung der ungeschickten Linken als Folge eines heldenhaften Einsatzes für die res publica ins rechte Licht zu rücken. Insbesondere die Geschichte, die sich um die Entstehung des Namens Scaevola rankte, unterstreicht, dass für die Mucier Erklärungsbedarf vorhanden gewesen sein muss, um jeden denkbaren Zweifel auszuschließen, dass die ersten Träger dieses Cognomen ihren Namen womöglich infolge einer naturbedingten Linkshändigkeit erhalten hätten. 5.2. LINKSHÄNDIGE GLADIATOREN Als Fechter, die ihre Waffe mit der Linken führen, haben Linkshänder auch im römischen Gladiatorenwesen ihren Platz gefunden.98 Die lateinische Bezeichnung 98 Zum Gladiatorenwesen im Imperium Romanum vgl. allgemein Wiedemann, Kaiser und Gladiatoren. Die Macht der Spiele im antiken Rom, Darmstadt 2001; Weeber, Panem et circenses. Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom, erw. Neuaufl. Mainz 1994, 4–39; Junkelmann, Familia Gladiatoria. Die Helden des Amphitheaters, in: Köhne/Ewigleben (Hrsg.), Caesaren und Gladiatoren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom, Mainz 2000, 39–80; Aigner, Zur gesellschaftlichen Stellung von Henkern, Gladiatoren und Berufsathleten, in: Weiler (Hrsg.), Soziale Randgruppen und Außenseiter im Altertum. Referate vom Symposion „Soziale Randgruppen und antike Sozialpolitik“ in Graz (21. bis 23. September 1987), Graz 1988, 201–220; Schneider, Gladiatores, RE Suppl. 3, Sp. 760–784.

224

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

für einen linkshändigen Gladiator, scaeva99, findet hauptsächlich auf Grabinschriften Erwähnung. Beispielsweise lässt ein als Murmillo100 kämpfender Gladiator auf seinem Grabstein in Sorrent nicht unerwähnt, dass er mit seiner Linken gegen seine Gegner in der Arena focht: Valerius / scaeva mir/millo (siehe Abb. 16).101 Eine leicht abgekürzte Form des Terminus liegt dagegen bei einer von Sabbatini Tumolesi in die zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. datierten Grabinschrift aus Rom vor: Longinas, ein liber contraretiarius102, setzt eine Grabinschrift seinem verstorbenen Bruder Lycus, einem liber murmillo, nicht ohne erwähnt zu haben, dass Lycus als Linkshänder, scaev(a), vier Kämpfe, pugna(rum) IIII, für sich entscheiden konnte.103 Dass linkshändige Gladiatoren sowohl bei ihren Kampfgefährten als auch den Zuschauern bekannt waren, beweist die in zahlreichen Grabinschriften für scaeva stereotype Abkürzung sc(aeva), exemplarisch greifbar in einer weiteren aus Rom stammenden Grabinschrift für einen Thraex: D(is) m(anibus) s(acrum). / Apollonio / thraeci sc(aevae) / lib(ero) (pugnarum) VI.104 Das lebhafte Interesse vieler Menschen an Gladiatorenspielen spiegelt sich auch in zahlreichen Graffiti mit Gladiatorenszenen wider.105 Unter den Zeichnungen verdient ein Graffito aus Pompeji besondere Aufmerksamkeit (siehe Abb. 17).106 Die Kampfszene zeigt zwei Fechter, die aufgrund ihrer charakteristischen Helme als Thraex und Murmillo identifiziert werden können.107 Der Thraex auf der linken Seite hat den Kampf verloren: Sein Schild liegt am Boden. Resigniert lässt er beide Hände hängen und scheint sich nach links zurückziehen zu wollen. Der Murmillo auf der rechten Bildhälfte verharrt dagegen weiterhin in Kampfstellung: Er hält seinen Schild nach vorne ausgestreckt in seiner Rechten und sein Schwert 99 Vgl. s.v. scaeva, OLD, 1698; Mosci Sassi, Il linguaggio gladiatorio, Bologna 1992, 169f. 100 Zur Gladiatorengattung Murmillo siehe Junkelmann, Familia Gladiatoria, 56–58. 101 SIPSurentum 51, Fig. 96. In dieser Inschriftenedition gibt Magalhaes zu bedenken, dass es sich bei der Bezeichnung Scaeva auch um das gleich lautende Cognomen handeln könnte. Magalhaes deutet daher den Namen Valerius als Gentilnamen und betrachtet den Gladiator als Freigelassenen mit Cognomen Scaeva. Allerdings bleibt Magalhaes weitere Belege mit einer derartigen Nomenklatur von Gladiatoren schuldig und räumt zudem ein, dass freigelassene Gladiatoren sehr selten sind; für die Deutung als linkshändigen Gladiator siehe Mingazzini, Sorrento. Necropoli romana in località Sottomonte, in: NSA 4, 1928, 211, Nr. 22 und Coleman, A lefthanded Gladiator at Pompeii, in: ZPE 114, 1996, 194. 102 Zur Gattung des Contraretiarius vgl. Junkelmann, Familia Gladiatoria, 69f. 103 EAOR I, 71, Nr. 75 (= CIL 6, 10180 = ILS 5105); zur Bezeichnung liber vgl. EAOR I, 66, Nr. 64. 104 CIL 6, 10196; vgl. dagegen EAOR I, 82, Nr. 95 mit abweichender Ergänzung bei sc(aeva scil. pugna); weitere Belege für das Kürzel sc bei EAOR II, 70f., Nr. 53a (= CIL 11, 7444a) und 53f. (= CIL 11, 7444f); zum Kampftypus Thraex siehe Junkelmann, Familia Gladiatoria, 59–63. 105 Zahlreiche Belege bei Langner, Antike Graffitizeichnungen, 45–54. 106 CIL 4, 8056; vgl. Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii, 194–196; Langner, Antike Graffitizeichnungen, Taf. 55, Nr. 1024; weitere Graffiti mit linkshändigen Gladiatoren bei Langner, Antike Grafftizeichnungen, Taf. 40, Nr. 807; Taf. 51, Nr. 1004. 107 Zu den speziellen Helmarten des Thraex und des Murmillo vgl. Pflug/Ruprechtsberger (Hrsg./ Bearb.), Antike Helme aus dem Antikenmuseum Berlin, Linz 1988, 28; Junkelmann, Familia Gladiatoria, 51–53; Langner, Antike Graffitizeichnungen, 51 Anm. 307, deutet dagegen die Gladiatoren als Provocatores.

5.2. Linkshändige Gladiatoren

225

kampfbereit in der Linken. Für die Annahme, dass es sich bei der Darstellung des Fechters tatsächlich um einen Linkshänder handelt, spricht die oberhalb der Zeichnung angebrachte Namensbeischrift, die nach der Lesung von Coleman folgendermaßen zu lauten hat: Severus l(iber) (pugnarum) XIII (periit). Albanus sc(aeva) l(iber) (pugnarum) XIX v(icit).108 In diesem Fall hätte der Zeichner bewusst darauf geachtet, die Linkshändigkeit des Albanus nicht nur in der Namensinschrift mit dem Kürzel sc anzugeben, sondern sie auch bildhaft in Szene zu setzen. Der Betrachter soll eben nicht nur auf die 19 Siege des Albanus aufmerksam gemacht werden, sondern auch erfahren, dass Albanus seine Siege als Linkshänder erfochten hat. Da Namensbeischriften darüber hinaus die Vorliebe für einen bestimmten Gladiator erkennen lassen109, erscheint es nachvollziehbar, dass der Zeichner seinen favorisierten Gladiator so exakt wie nur möglich darstellen wollte, wurde doch bekanntlich auf die Genauigkeit in der Wiedergabe der unterschiedlichen Gladiatoren bei den Graffiti generell großen Wert gelegt.110 Mit der Ausbreitung des Imperium Romanum fand das Gladiatorenwesen auch im griechischsprachigen Osten begeistert Aufnahme.111 Dass linkshändige Gladiatoren in diesem Reichsteil ihre besondere Kampfweise ebenfalls nicht unerwähnt ließen, beweist das in Smyrna gefundene und ins 2. Jahrhundert n. Chr. datierte Grabepigramm des Gladiators Decoratus, der stolz verkündet: „Du siehst mich, Decoratus, der nicht ohne Ruhm war; ein sagittarius hat mich getötet, aber er konnte dem Tod durch meine linke Hand nicht entrinnen.“112 Wie geläufig linkshändige Gladiatoren im griechischen Osten waren, geht auch aus dem auf mehreren Inschriften bezeugten Begriff skeua`~ hervor, der seit Robert

108 Vgl. Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii, 196; dagegen publizierte Della Corte in CIL 4, 8056, die Inschrift wie folgt: Severus l(ib.) (victoriarum) XIII (periit). Albanus Sc(auri?) l(ib.), (victoriarum) XIX v(icit). Laut Coleman dachte Della Corte vermutlich an einen Verwandten des bekannten A. Umbricius Scaurus, der in Pompeji vor dem Jahr 62 v. Chr. verstarb. Vgl. dazu Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii, 194: „The abbreviation sc is surely too cryptic to stand for a name, nor would the designation of the gladiator’s „stable“ be included, since he is identified as liber.“ Zur Form liber vgl. Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii 195, Anm. 6; zum Status eines freigelassenen Gladiators siehe Hope, Fighting for Identity: the funerary Commemoration of Italian Gladiators, in: Cooley (Hrsg.), The Epigraphic Landscape of Roman Italy, London 2000, 101. 109 Vgl. Langner, Antike Graffitizeichnungen, 48. 110 Beispielsweise wurde in den Zeichnungen auf die exakte Wiedergabe der unterschiedlichen Waffengattungen Wert gelegt. Dabei wird nicht nur zwischen den verschiedenen Waffen und Schildtypen unterschieden, sondern auch zwischen einzelner oder beidseitiger, zwischen kurzer und über das Knie reichender Beinschiene. Auch die Helmformen, sofern sie zur Kennzeichnung der Gattung notwendig sind, werden deutlich unterschieden. Vgl. Langner, Antike Graffitizeichnungen, 46. 111 Zu den Gladiatoren im römischen Osten vgl. Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, Paris 1940 ND Amsterdam 1971; Carter, The Presentation of Gladiatorial Spectacles in the Greek East, Hamilton/Ontario 1999. 112 Merkelbach/Stauber, Steinepigramme aus dem Griechischen Osten, Bd. 1, 05/01/07: Oujk ajkleh` Dekoura`ton oJra`/~, oJn ajnei`le sagit[ta`~] / laih`~ ceiro;~ ejmh`~ ouj profugw;n qavnaton. (= Robert, Les gladiateurs dans l’ Orient grec, 208, Nr. 238).

226

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

als griechische Transkription der lateinischen Bezeichnung scaeva gedeutet wird.113 Auf einem Epitaph aus Iasos findet sich unter den sechs dort aufgeführten Gladiatoren demzufolge auch ein Linkshänder: der Thraker Eukarpos focht als skeua`~ in der Arena.114 In einer Inschrift aus Philippoupolis wird gleichfalls erwähnt, dass der Gladiator Viktor linkshändig gekämpft hat: Bivktwr skeua`~ ejnqavde kei`mai (…).115 Bemerkenswert erscheint, dass der Gladiator auf dem dazugehörigen Grabrelief seine Siegespalme in der linken Hand hält. Üblicherweise werden nämlich die palma oder der Siegeskranz auf Graffiti sowie Reliefdarstellungen in der erhobenen Rechten gehalten, während der linke Arm dabei leicht abgewinkelt herabhängt oder in die Hüfte gestützt wird.116 Inwieweit sich jedoch das Halten der Siegespalme in der linken Hand zur Bestimmung von Linkshändigkeit eignet, bleibt klärungsbedürftig. Zwar wäre denkbar, dass ein linkshändiger Sieger im Gegensatz zu einem rechtshändigen Gladiator eher dazu neigt, die Siegestrophäe mit seiner siegreichen Linken in Empfang zu nehmen, doch erscheint Colemans Überlegung, dass solche Gladiatoren eher Links- als Rechtshänder sein könnten, auch wenn die Linkshändigkeit in der dazugehörigen Inschrift nicht explizit erwähnt wird, äußerst gewagt.117 Eindeutigere Ergebnisse zur Bestimmung der Händigkeit von Gladiatoren liefern andere Darstellungskriterien. Auf welche Art die Linkshändigkeit eines Gladiators unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden konnte, zeigt beispielsweise eine Grabstele aus Thessaloniki: T. Flavius Saturos hat dem aus Sparta stammenden Nikephoros, der als Secutor unter dem Künstlernamen Narzissos gefochten hat, aus Dank und zur Erinnerung an sein Verhalten im Privatleben den Grabstein errichtet.118 Das oberhalb der Inschrift befindliche Relief (siehe Abb. 18) stellt auf der linken Seite das Gesicht eines jungen Mannes dar. Auf der rechten Seite ist ein Secutor abgebildet, der seinen Schild in der Rechten und sein Schwert in der Lin113 Vgl. Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 72; vgl. s.v. skeua`~, Liddell-Scott Suppl., 133; Mosci Sassi, Il linguaggio gladiatorio, 169f.; Colemann, A left-handed Gladiator at Pompeii, 195. 114 Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 180–182, Nr. 178c (= CIG 2889 = IG X. 2. 1, 1035 = IG Bulg. 1019 = SEG 1987, 864 = SEG 1996, 1408). Boeck, CIG 2889, und Stein, Scaeva (Nr. 3), RE 2A, 1, Sp. 343 deuteten skeua`~ fälschlicherweise als Namen. Vgl. dazu Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 182; Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii, 195 Anm. 10; zum Kampftypus Thraex siehe Junkelmann, Familia Gladiatoria, 59–63; weitere Belege für linkshändige Gladiatoren mit der Bezeichnung skeua`~: SEG 1989, 531; SEG 2000, 1182. 115 Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 94f., Nr. 34 (= IG X.2.1, 1035 = IG Bulg. III, 1019). 116 Vgl. Langner, Antike Graffitizeichnungen, 49f. und Taf. 46, Nr. 922. Nr. 923. Nr.927. Nr. 928; Taf. 47, Nr. 936. Nr. 945; Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, Pl. XIX, Nr. 292; Pl. XX, Nr. 301; Pl. XXI, Nr. 153 u. Nr. 241; Pl. XXIII, Nr. 18; Weeber, Panem et circenses, 32. 57, Abb. 85. 117 Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii, 195 Anm. 13 bezieht sich dabei auf Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, Pl. XIX, Nr. 302. 118 Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 79, Nr. 12, Pl. XXII, 12 (= Lagogianni-Georgakarakos, CSIR. Griechenland, Bd. III, Fasz. 1. Die Grabdenkmäler mit Porträts aus Makedonien, Athen 1998, 87f., Nr. 102, Taf. 44, Nr. 102); zur Inschrift vgl. Nigdelis, Epigrafika Thessalonikeia, Thessaloniki 2006, 243 Anm. 58.

5.2. Linkshändige Gladiatoren

227

ken hält. Die Vermutung, dass es sich auf dem Relief um einen Linkshänder handelt, erscheint angesichts der Fülle an Abbildungen mit rechtshändigen Gladiatoren auf Graffiti und Reliefs119 nahe liegend. Gerade die häufigen Darstellungen rechtshändiger Fechter sowie der Anspruch auf Detailgenauigkeit in den Gladiatorenillustrationen120 lassen den Schluss zu, dass T. Flavius Saturos bei der Herstellung des Reliefs bewusst darauf geachtet hat, die Linkshändigkeit des Narzissos als dessen typisches Merkmal im Kampf korrekt wiederzugeben. Wie sehr Linkshänder gerade im Kontrast zu rechtshändigen Gladiatoren auf Darstellungen gezielt in Szene gesetzt wurden, um in selbstdarstellerischer Manier die Kenntnis aller erdenklichen Kampfkonstellationen den Betrachtern vor Augen zu führen, stellt das Gladiatorenmosaik der römischen Villa aus Bad Kreuznach eindrucksvoll unter Beweis.121 Die acht Bildfelder teilen sich in vier Tierkampfsowie vier Gladiatorenzweikampfszenen auf. Zeigen die vier Tierkampfszenen sowie zwei der Gladiatorenmosaike rechtshängige Kämpfer122, stellen folglich konventionelles Kampfgeschehen dar, so überraschen die zwei anderen Gladiatorendarstellungen den geschulten Blick des Betrachters mit jeweils zwei linkshändigen Gladiatoren: In der einen Gefechtsszene hält ein Murmillo seinen Schild in seiner ausgestreckten Linken und holt mit seinem in der rechten Hand gehaltenen Dolch in Ausfallstellung zum Stoß aus (siehe Abb. 19).123 Sein Gegner, ein linkshändiger Thraex, bricht auf der linken Bildhälfte verwundet zusammen. In dem anderen Duell steht ein linkshändiger Secutor einem den Dreizack in der Rechten haltenden Retiarius gegenüber. 124 Nicht immer sind jedoch die Waffe und der Schild des Gladiators dargestellt, so dass sich die Deutung auf andere Anhaltspunkte stützen muss. Nach Robert lassen sich in solchen Fällen Linkshänder erkennen, wenn Darstellungen vorliegen, auf denen der Gladiator beispielsweise nur an seinem rechten Bein eine Beinschiene trägt.125 Um ihre rechte, waffenfreie Seite von Kopf bis Fuß vor Blessuren zu schüt119 Graffiti: Langner, Antike Graffitizeichnungen, Taf. 37, Nr. 780; Taf. 38, Nr. 783; Taf. 39, Nr. 791; Taf. 51, Nr. 1005; Taf. 52, Nr. 1007; Reliefs: Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, Pl. II, Nr. 148; Pl. VI, Nr. 210; Pl. XII, Nr. 184. 120 Vgl. Hope, Fighting for Identity: the funerary Commemoration of Italian Gladiators, 107. 121 Vgl. ausführlich zu den Gladiatorenmosaiken Hornung, Luxus auf dem Lande. Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 2008, 37–47; siehe auch Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland, Berlin 1959, 88f. und Taf. 88, 1. 122 Hornung, Luxus auf dem Lande, 38, Abb. 12; 42, Abb. 14; 45, Abb. 18; 46, Abb. 19; Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland, Taf. 89, 2–3 (Gladiatorenszenen) und Taf. 90, 1–4 (Tierkampfszenen). 123 Hornung, Luxus auf dem Lande, 44, Abb. 17; Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland, Taf. 89, 4. 124 Hornung, Luxus auf dem Lande, 43, Abb. 15; Parlasca, Die römischen Mosaiken in Deutschland, Taf. 89, 1; weitere linkshändige Gladiatoren auf Mosaiken, die auf der Grundlage ihres in der rechten Hand gehaltenen Schildes identifiziert werden konnten, sind belegt bei Berger/ Joos, Das Augster Gladiatorenmosaik, Augst 1971, 17–21. 25–28. 30–32. 125 Vgl. Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 71; beispielsweise trugen die Gladiatorentypen Murmillo, Secutor und Provocator nur an ihrem zur Schildseite gehörenden Bein eine Kombination aus Bandage und Beinschiene. Siehe dazu Junkelmann, Familia Gladiatoria, 57. 63. 69; unter anderem auf der Grundlage dieses Kriteriums identifizierte Linkshänder finden sich bei-

228

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

zen, trugen diese linkshändigen Gladiatorentypen im Gegensatz zu Rechtshändern, die den Schutz auf ihrer linken Seite notwendig hatten, zusätzlich zum Schild ihre Beinschienen auf der rechten Körperhälfte.126 Einwandfrei sind links- oder rechtshändige Gladiatoren auch anhand des nur am Waffenarm getragenen langen und gepolsterten Handschuhs, manica, identifizierbar.127 Lassen sich linkshändige Gladiatoren sowohl auf Grabinschriften sowie auf bildlichen Darstellungen nachweisen, so stellt sich die Frage, warum diese Gladiatoren explizit darauf verweisen, dass sie Linkshänder gewesen sind. In einer Welt, die in der Mehrzahl aus Rechtshändern besteht und folglich vorwiegend rechtshändige Fechter das beherrschende Bild bestimmen, stellt ein linkshändiger Gladiator etwas Außergewöhnliches in der Arena des Amphitheaters dar. Einem anspruchsvollen, stets nach neuartigen Attraktivitäten verlangenden Publikum, das an Gefechte Rechts gegen Rechts gewohnt war, bot ein Kampf eines Links- mit einem Rechtshänder oder gar ein Kampf, in dem sich zwei Linkshänder gegenüberstehen, eine willkommene Abwechslung vom herkömmlichen Amphitheatergeschehen.128 Für viele Zuschauer erschien ein Erfolg eines linkshändigen Gladiators über einen Rechtshänder zunächst erstaunlich sowie ungewöhnlich, da die Andersartigkeit meistens auf einen körperlichen Defekt oder auf eine Krankheit zurückgeführt wurde.129 Auch ist davon auszugehen, dass linkshändige Gladiatoren allein schon durch die Benutzung der linken Hand, die eher in anrüchigen Bereichen wie Magie und Totenbeschwörung ihre Wirkung entfaltet, beim Publikum zusätzliche Spannung und Nervenkitzel hervorrufen, konnte man sich doch die Frage stellen, wie sich wohl ein Gladiator, der das Schwert in der verruchten Linken führt, in der Arena behaupten würde. Das Bewusstsein, sich von der breiten Masse der rechtshändigen Gladiatoren abzusetzen und als Linkshänder dem Publikum eine außergewöhnliche Attraktion zu bieten, war gerade für Gladiatoren ein willkommener Baustein zur Bildung einer eigenen Identität. Identität und Individualität waren vor allem in der Welt der Gladiatoren wertvoll, in der allein schon das Tragen des Visierhelms die Gladiatoren entpersonalisierte und zu anonymen sowie austauschbaren Kampfmaschinen machte.130 Die Betonung der individuellen Kampfeigenschaften fand daher auch in den epigraphischen Zeugnissen ihren Niederschlag: Der Nachwelt sollte nicht nur

126 127

128

129 130

spielsweise bei Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec 190, Nr. 189; 236f., Nr. 302, Pl. XIX, 302. Zum unterschiedlichen Schutz der einzelnen Körperpartien und der dafür verwendeten Ausrüstungsstücke vgl. Junkelmann, Familia Gladiatoria, 54f. Vgl. Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 71, der als Beleg einen Gladiator auf einem Relief aus Kos nennt. Siehe Robert, Les gladiateurs dans l’Orient grec, 190, Nr. 189; Belege für rechtshändige Gladiatoren mit manica am rechten Waffenarm bei Junkelmann, Familia Gladiatoria, 45, Abb. 20; 46f., Abb. 21; 68, Abb. 55; 69, Abb. 56. Zum Aufwand, der für das anspruchsvollen Publikum betrieben wurde vgl. Weeber, Panem et circenses, 15; Junkelmann, Familia Gladiatoria, 74f.; Wiedemann, Kaiser und Gladiatoren, 22–24. 165–174. Ulp. Dig. 21, 1, 12, 3. Siehe dazu Kapitel 5.1. Vgl. Hope, Fighting for Identity: the funerary Commemoration of Italian Gladiators, 101–108; Junkelmann, Familia Gladiatoria, 75.

5.2. Linkshändige Gladiatoren

229

der Name, der Kampftyp und die Anzahl der Siege vermittelt werden, sondern auch, dass die Gefechte mit der Linken bestritten wurden. Dass sich die linkshändigen Gladiatoren ihrer besonderen Stellung bewusst waren, veranschaulicht ein prominentes Beispiel aus dem römischen Kaiserhaus. Laut Cassius Dio kämpfte Kaiser Commodus als Secutor im Amphitheater und hielt dabei „den Schild in der Rechten, das hölzerne Schwert in der Linken und tat sich vieles darauf zugute, dass er ein Linkshänder war.“131 Genauso wie die bereits vorgestellten Gladiatoren legte Commodus auch auf die Erwähnung seiner Linkshändigkeit in einer Siegesinschrift großen Wert. Unter einem mit seinem Abbild und der Keule des Herkules versehenen Koloss „ließ er neben seinen schon gesetzten Beinamen noch folgende Worte darauf schreiben: Meister der Secutores, einziger Linkshänder, hat er doch 12mal, ich erinnere, 1000 Mann besiegt.“ 132 Wie sehr Commodus seine besondere Fechtweise als Besonderheit herausstellte, belegt auch das Wort movno~: Als einziger der Gladiatoren erfocht Commodus seine Siege mit der linken Hand. Damit unterscheidet sich Commodus nicht nur von den rechtshändigen Gladiatoren, mit denen er kämpfte. Vielmehr hebt sich Commodus auch von seinen ebenfalls in der Arena fechtenden Vorgängern wie Caligula sowie weiteren für Gladiatorenauftritte bekannte Mitglieder der Senatsaristokratie ab.133 Commodus übertrifft diese, indem er mit seiner Linkshändigkeit über eine Fertigkeit verfügt, die niemand vor ihm aus dem Senatorenstand besessen zu haben scheint. 134 Commodus’ Stolz, als Linkshänder zu fechten, steht auch mit einem für das Gefecht entscheidenden Aspekt im Zusammenhang. Die Schwertführung mit der Linken konnte sich nämlich für einen Gladiator im Kampf als äußerst nützlich erweisen. Falls ein Rechtshänder auf einen Linkshänder traf, waren ihre verwundbaren Seiten nicht wie beim üblichen Kampf zwischen Rechtshändern in diagonaler Position zueinander, sondern lagen sich direkt gegenüber.135 Diese Gefechtskonstellation war für den Linkshänder, der gewohnt war, mit zahlreichen Rechtshändern zu kämpfen, vorteilhaft, stellte jedoch für den Rechtshänder ein Problem dar, da dieser vorwiegend gegen Rechtshänder focht.136 Welche Konsequenzen der 131 Cass. Dio 73, 19, 2: Th;n me;n ajspivda ejn th`/ dexia`/ to; de; xivfo~ to; xuvlinon ejn th`/ ajristera`/ e[cwn: kai; pavnu kai; ejpi; touvtw/ mevga ejfovnei o{ti h\n ejpariv~tero~; zu den Gladiatorenauftritten des Commodus siehe Hekster, Commodus. An Emperor at the Crossroads, Amsterdam 2002, 146–162. 132 Cass. Dio 73, 22, 1f.: (…) ejpevgaye pro;~ toi`~ dhlwqei`sin aujtou` ejpwnuvmoi~ kai; tou`to, „prwtovpalo~ sekoutovrwn, ajristero;~ movno~ nikhvsa~ dwdekavki~“ oi\mai „cilivou~.“ 133 Zu den in der Arena auftretenden Kaisern und Senatoren vgl. Wiedemann, Kaiser und Gladiatoren, 117; Hekster, Commodus, 148f. 134 Nicht unerwähnt soll in diesem Zusammenhang bleiben, dass der linkshändige Gladiator Commodus nach Cass. Dio 73, 21, 1f. beim Empfang der Senatoren einen Straußenkopf in seiner Linken und sein Schwert in der Rechten hält. Womöglich diente der Wechsel der Händigkeit Cassius Dio zur Betonung von Commodus’ unberechenbarem und wechselhaftem Wesen. Zur Darstellung des Commodus bei Cassius Dio siehe Hekster, Commodus, 154–162. 135 Vgl. Coleman, A left-handed Gladiator at Pompeii, 196; zur Kampfweise der Gladiatoren siehe auch Junkelmann, Familia Gladiatoria, 73f. 136 Der ungewohnte Einsatz der linken Hand war auch im Faustkampf vorteilhaft: ein mit der linken Hand geschlagener Boxhieb konnte den Gegner, der aus Gewohnheit eher einen Schlag

230

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

ungewohnte Linkshänder für einen rechtshändigen Fechter haben konnte, illustriert Seneca der Ältere im 3. Buch seiner Controversiae, in dem er herausstellt, dass jeder Gladiator seinen individuellen Lieblingsgegner hat: „Einige kämpfen am besten mit Hoplomachen, andere mit Thrakern, einige wünschen, andere haben Angst, gegen Linkshänder aufgestellt zu werden.“137 Die Schwierigkeit eines Rechtshänders in einem Kampf mit einem linkshändigen Gladiator führte dazu, dass man entweder durch spezielles Training lernte, mit der ungewohnten Linkshändigkeit zurecht zu kommen138, oder dass man eben äußerst ungern mit einem Linkshänder in der Arena zusammentreffen wollte. Der Widerwille vieler Rechtshänder gegen einen Linkshänder zu fechten, existiert noch heute im modernen Sportfechten.139 Auch hier müssen rechtshändige Fechter das Fechten gegen Linkshänder erst lernen, da die Konstellation Rechts gegen Links beispielsweise ein anderes Verhalten beim Parieren und Ripostieren verlangt, als dies bei der üblichen Fechtweise Rechts gegen Rechts der Fall wäre. Die Zeugnisse machen deutlich, dass sich die aus der Abweichung von der Norm ergebende Andersartigkeit für Linkshänder im Bereich des Gladiatorenwesens durchaus positiv auswirken konnte. Das Bewusstsein, in der Arena einer seltenen, besonderen und folglich für die Zuschauer attraktiven Gladiatorengattung anzugehören, sowie die Gewissheit, im Kampf gegen Rechtshänder im Vorteil zu sein, spiegelten sich in der Erwähnung scaeva bzw. skeua`~ auf Grabinschriften wider. Als Linkshänder unterschied man sich von der breiten Masse an rechtshändigen Gladiatoren und war sich dieser identitätsgebenden Besonderheit bewusst. Der Einsatz linkshändiger Gladiatoren zeigt zugleich, wie differenziert je nach Kontext Linkshänder wahrgenommen und bewertet werden konnten. Galt die Benutzung der Linken als verpönt und wurde die Linkshändigkeit in manchen Fällen sogar als Krankheit oder körperlicher Defekt angesehen, so boten Linkshänder dagegen dem Publikum im Amphitheater, vielleicht auch gerade vor dem Hintergrund dieser negativen Sichtweise, Spannung und eine willkommene Abwechslung vom gewohnten Kampf Rechts gegen Rechts.

mit der rechten Hand erwartete, überraschen. In der Argonautica des Valerius Flaccus nutzt Pollux beispielsweise diesen Überraschungseffekt in seinem Zweikampf mit Amycus. Pollux verwirrt Amycus durch seinen Angriff mit der Linken. Siehe Val. Flacc. 4, 289–295. 137 Sen. Contr. 3 pr. 10: Quidam cum hoplomachis, quidam cum Thraecibus optime pugnant, quidam sic cum scaeva conponi cupiunt, quomodo alii timent; zum Thraex und Hoplomachus vgl. Junkelmann, Familia Gladiatoria, 59–63. 138 Nach Buecheler erklärt sich nämlich der Wunsch einiger Gladiatoren mit Linkshändern zu kämpfen hauptsächlich dadurch, dass sie für den Kampf gegen Linkshänder speziell trainiert waren. Vgl. Buecheler, Kleine Schriften, Bd. 2, Leipzig-Berlin 1927, 196f. 139 Vgl. Bisiacchi, Left-handedness in Fencers: an attentional Advantage?, in: Perceptual and Motor Skills 61, 1985, 507–513; Grouios, Do left-handed Competitors have any innate Superiority in Sports?, in: Perceptual and Motor Skills 90, 2000, 1273–1282; Kerstenhahn, Florettfechten. Von den Grundzügen bis zur Perfektion, München 1978, 214–219.

5.3. Tiberius’ Linkshändigkeit

231

5.3. TIBERIUS’ LINKSHÄNDIGKEIT Zu den berühmten Linkshändern der Geschichte zählt auch Tiberius.140 Tiberius’ Linkshändigkeit findet Erwähnung bei Sueton, der zur äußeren Erscheinung des Princeps unter anderem folgende Bemerkung machte: „Seine linke Hand war beweglicher und kräftiger und ihre Gelenke so stark, dass er einen frisch gepflückten und kernigen Apfel mit einem Finger durchbohren und den Kopf eines Jungen oder sogar eines jungen Mannes durch das Schnellen mit den Fingern verwunden konnte.“141 Eine Mischhändigkeit kann zwar nicht gänzlich ausgeschlossen werden142, doch deuten die von Sueton aufgeführten Merkmale eher darauf hin, dass Tiberius tatsächlich Linkshänder war: Tiberius’ linke Hand ist beweglicher, kräftiger und offensichtlich auch geschickter. Ansonsten wäre der Kaiser kaum imstande gewesen, den Kopf eines Jungen oder jungen Mannes durch das Hervorschnellen seiner Linken zu verwunden. Insofern stimmen die Eigenschaften mit der von Plinius vorgestellten Beschreibung von Linkshändern überein.143 Zugleich zeigen sie sich mit den in der modernen Forschung aufgestellten Kriterien kongruent, nach denen Linkshändigkeit an der Disposition, Bewegungen mit der linken Hand leichter, schneller und exakter ausführen zu können, definiert wird.144 Suetons Bemerkung wirft die Frage auf, ob Tiberius’ Linkshändigkeit, die interessanterweise in den antiken Zeugnissen nirgendwo sonst Erwähnung findet145, für Sueton nur eine nennenswerte Kuriosität darstellt146 oder noch mit einer wei140 Vgl. Stamatu, Hand, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 375; Tiberius’ Linkshändigkeit fand bereits in der Biographie von Marañon, Tiberius. A Study in Resentment, London 1956, 50f. Erwähnung; auch viele Studien zur Linkshändigkeit führen unter den prominenten Linkshändern Tiberius auf. Siehe beispielsweise Smits, Linkshänder, 227; Fincher, Lefties, 27. 141 Suet. Tib. 68, 1: Sinistra manu agiliore ac validiore, articulis ita firmis, ut recens et integrum malum digito terebraret, caput pueri vel etiam adulescentis talitro vulneraret; zu der von Sueton an dieser Stelle unterstellten Linkshändigkeit des Tiberius siehe Lindsay, Suetonius. Tiberius, edited with Introduction, Commentary and Bibliography, Bristol 1995, 176f.; Vogt, C. Suetonius Vita Tiberii. Kommentar, Würzburg 1975, 301–307; außer Sueton bietet nur noch Tac. Ann. 4, 57, 2 eine knappe Beschreibung der äußerlichen Merkmale des Tiberius, die jedoch nur das Bild des alten Kaisers wiedergibt; zum Wahrheitsgehalt der Schilderung Suetons vgl. Vogt, C. Suetonius Vita Tiberii, 303: „Münzbilder und Statuen dagegen scheinen im wesentlichen das von Sueton gezeichnete Bild – besonders im Hinblick auf die starre Körperhaltung, das im Nacken längere Haar und die großen Augen – zu bestätigen.“ Zu den statuarischen und numismatischen Abbildungen des Tiberius siehe Polacco, Il volto di Tiberio: Saggio di critica iconografica, Rom 1955. 142 Vgl. Esser, Cäsar und die julisch-claudischen Kaiser im biologisch-ärztlichen Blickfeld, Leiden 1958, 81, der vermutet, „dass der Fürst beidhändig oder gar linkshändig war.“ Da jedoch die Existenz der Beidhändigkeit von der Forschung in Frage gestellt wird, erscheint es sinnvoller, von Mischhändigkeit zu sprechen. Vgl. zur Beid- bzw. Mischhändigkeit Smits, Linkshänder, 57–62; McManus, Right Hand, Left Hand, 149–153. 143 Wie beispielsweise bei Plin. Nat. Hist. 7, 77. Siehe dazu ausführlich Kapitel 5.1. 144 Vgl. Sattler, Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen, 108. 145 Vgl. Esser, Cäsar und die julisch-claudischen Kaiser im biologisch-ärztlichen Blickfeld, 81. 146 Zur Vorliebe Suetons für Kuriositäten in seinen Kaiserdarstellungen vgl. von Albrecht, Geschichte der römischen Literatur, Bd. 2, 1115.

232

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

teren Bedeutung verbunden ist. Wer eine Antwort auf diese Frage finden will, hat zwei Aspekte zu berücksichtigen. Bevor Suetons Gesamturteil über Tiberius betrachtet werden kann, ist zu prüfen, inwieweit Sueton überhaupt mit der expliziten Nennung einer speziellen Hand einen bestimmten Zweck verfolgte. Dazu sind Stellen heranzuziehen, in denen ebenfalls von Händen die Rede ist. Als illustratives Beispiel, das den Stellenwert einer bestimmten Hand in Suetons Darstellungen verdeutlicht, sei eine Passage aus Suetons Domitianbiographie vorgestellt: Damit Domitian seine Zielgenauigkeit im Bogenschießen demonstrieren konnte, musste sich manchmal ein Knabe in einiger Entfernung aufstellen und die rechte Hand mit gespreizten Fingern als Zielscheibe hinhalten. Domitian schoss dann seine Pfeile kunstfertig zwischen den Lücken der Finger hindurch, ohne die rechte Hand dabei zu verletzen.147 Die Bedeutung der rechten Hand ist offensichtlich: Domitians Leistung erscheint um so beachtlicher, wenn er zum Beweis seines Könnens die für den alltäglichen Gebrauch so bedeutsame Rechte des Knaben für seine Demonstration verlangt, als wenn er die unbedeutende und gewöhnlich selten benutzte Linke dafür verwendet hätte. Die Anekdote erhärtet den Verdacht, dass Tiberius’ Bevorzugung der linken Hand bei Sueton nicht nur wegen ihrer Kuriosität Erwähnung fand, sondern auch noch mit einer weiteren Konnotation behaftet war. Um diese Konnotation zu ergründen, muss das von Sueton entworfene Bild des Tiberius eingehender untersucht werden.148 Wie Cassius Dio und Tacitus erweckt auch Suetons Tiberiusdarstellung den Eindruck eines klar abschätzigen Gesamturteils.149 Die Biographie ist zweitteilig entworfen. Sueton verfuhr bei der Zuordnung seines Materials recht willkürlich, indem er alles Positive in die Zeit vor Capri, alles Negative in die zweite Hälfte der Regierungszeit legte, oft ohne dabei Rücksicht auf die tatsächliche Chronologie zu nehmen.150 Das Hervortreten der vitia des Tiberius knüpft Sueton an einen einzigen Punkt, der Übersetzung nach Capri: „In der Abgeschiedenheit, gleichsam den Blicken der Öffentlichkeit entzogen, hat er die ersehnte Ungebundenheit erlangt; so ließ er all seine Laster, die er lange nur schlecht verborgen hatte, mit einem Male hervorbrechen.“151 Suetons anschließende Enthüllung des wahren Charakters des Tiberius führt vor Augen, dass Tiberius’ schlechte Ver147 Suet. Dom. 19: Nonnumquam in pueri procul stantis praebentisque pro scopulo dispansam dexterae manus palmam sagittas tanta arte derexit, ut omnes per intervalla digitorum innocue evaderent; zur Bedeutung der linken und rechten Hand bei Sueton vgl. auch Suet. Iul. 81, 3; Suet. Tib. 25, 3; Suet. Nero 13, 2. 25, 1. 148 Zur Tiberiusvita des Sueton vgl. Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio, Stuttgart 1990, 201–210; Bringmann, Zur Tiberiusbiographie Suetons, in: RhMus 114, 1971, 268–285; Döpp, Zum Aufbau der Tiberiusvita Suetons, in: Hermes 100, 1972, 444– 460. 149 Vgl. Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius, 207; Bringmann, Zur Tiberiusbiographie Suetons, 277; Döpp, Zum Aufbau der Tiberiusvita Suetons, 453–455. 458; zur Darstellung des Tiberius bei Cassius Dio und Tacitus siehe Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius, 210–229. 150 Vgl. Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius, 205; Döpp, Zum Aufbau der Tiberiusvita Suetons, 457. 151 Suet. Tib. 42, 1: Ceterum secreti licentiam nanctus et quasi civitatis oculis remotis, cuncta simul vitia male diu dissimulata, tandem profudit; vgl. Tac. Ann. 6, 51; Bringmann, Zur Tiberiusbiographie Suetons, 278.

5.3. Tiberius’ Linkshändigkeit

233

anlagung von Anbeginn da ist, aber erst später völlig durchbricht.152 Sie kommt vollends zum Durchbruch, als mit dem Sturz des Seianus der letzte Rivale beseitigt worden ist und Tiberius seinen schlimmen Neigungen nun freien Lauf lassen kann.153 Auf die Schilderung der immer deutlicher hervortretenden Laster folgt Suetons Abschnitt über die körperlichen Merkmale des Kaisers, in dem der Leser auch erfährt, dass Tiberius zur Linkshändigkeit neigte.154 Suetons Beschreibung der körperlichen Merkmale des Tiberius scheint stark von den zu seiner Zeit verbreiteten physiognomischen Lehrbüchern beeinflusst gewesen zu sein, die einen Zusammenhang zwischen der körperlichen Erscheinung und dem Charakter aufzuzeigen versuchen.155 Dass Sueton Tiberius’ Linkshändigkeit tatsächlich als weiteres Indiz für dessen lasterhafte Verhaltensweise aufführt, wird evident, wenn man sich vor Augen führt, welche Assoziationen der Hinweis auf die Linkshändigkeit des Kaisers beim Leser womöglich hervorrief. Ein Kaiser, der bevorzugt die Hand benutzte, die mit anrüchigen Tätigkeiten wie Diebstahl, Totenbeschwörung, Masturbation sowie weiteren Lastern in Verbindung gebracht wurde und für die folglich auch keine Aufgabe in der Öffentlichkeit vorgesehen war156, verstieß eindeutig gegen den Normenkonsens der römischen Aristokratie. Suetons Erwähnung von Tiberius’ Linkshändigkeit diente folglich dazu, neben weiteren anstößigen Merkmalen, beispielsweise sein steifer, nach hinten gebogener Nacken157, Tiberius’ abnorme Verhaltensweise zu markieren. Tiberius’ Verstoß gegen die Normen der römischen Oberschicht muss auf Abneigung gestoßen sein, zumal laut Soranos und Plutarch eine mögliche Linkshändigkeit von frühester Kindheit an gezielt verhindert werden sollte.158 Gerade im Kontext einer die Benutzung der rechten Hand fördernden Kindererziehung erscheint Tiberius’ Linkshändigkeit in einem um so grelleren Licht, denn offenbar reichten selbst erzieherische Maßnahmen nicht aus, um das unerwünschte Laster abtrainieren zu können. Den dadurch entstehenden Eindruck, dass die Linkshändigkeit genauso wie die anderen Anstoß erregenden Laster tief in der Natur des Tiberius verwurzelt 152 Vgl. Suet. Tib. 57, 1: Saeva ac lenta natura ne in puero quidam latuit; vgl. Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius, 208. 153 Suet. Tib. 61, 1; vgl. Bringmann, Zur Tiberiusbiographie Suetons, 277; Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius, 205. 154 Suet. Tib. 68, 1; zur Gliederung der Tiberiusvita vgl. den Überblick bei Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius, 201–204. 155 Vgl. Couissin, Suétone physiognomoniste dans les vies des XII Césars, in: REL 31, 1953, 234–256, der bei Caesar, Augustus, Caligula und Domitian deutliche Spuren der Benutzung der Physiognomiker nachweist. Tiberius’ Äußeres zeige laut Couissin, Suétone physiognomoniste, 251 Anm. 4 „un mélange d’heureuses dispositions et de charactère renfermé et perfide, peut-être de tempérament libidineux.“; zum Einfluss der antiken Physiognomielehre auf die Kaiserporträts Suetons vgl. auch Evans, Roman Descriptions of personal Appearance in History and Biography, in: HSCPh 46, 1935, 43–84; Evans, The Study of Physiognomy in the second Century AD, in: TAPhA 72, 1941, 96–108; Megow, Antike Physiognomielehre, in: Das Altertum 9, 1963, 213–221. 156 Siehe dazu ausführlich die Kapitel 4.3.1.-4.3.6. 157 Suet. Tib. 68, 3: Incedebat cervice rigida et obstipa (…) ; siehe dazu auch Lindsay, Suetonius. Tiberius, 176. 158 Sor. Gyn. 2, 42; Plut. Mor. 5; siehe dazu die Kapitel 5.1.

234

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

sein müssen, bekräftigt Sueton nach der Vorstellung der körperlichen Merkmale: „Alle diese unangenehmen und dazu recht anmaßenden Verhaltensweisen hat bereits Augustus an ihm getadelt und oft beim Senat und Volk damit zu entschuldigen versucht, dass er erklärte, es seien ihm zur Natur gewordene schlechte Gewohnheiten, aber keine Charakterfehler.“159 Inwieweit Tiberius es vermied, seine Linke in der Öffentlichkeit sichtbar zu gebrauchen, kann zwar nicht eindeutig beantwortet werden, doch erweckt die von Sueton attestierte Stärke und Geschicklichkeit der Linken den Eindruck, als ob ihre Verwendung häufig erfolgt sein muss. Ansonsten wäre die ungewöhnliche Eigenschaft nur schwerlich aufgefallen. Offenbar bestand auch die Möglichkeit, Tiberius’ Linkshändigkeit zu entdecken. Jedenfalls scheint dies Sueton mit der Beobachtung anzudeuten, dass der Kaiser im Gespräch mit seiner nächsten Umgebung immer ganz leicht mit seinen Fingern gestikulierte.160 Welch scharfe Konturen Sueton dem abwertenden Bild von der Linkshändigkeit des Tiberius verliehen hat, wird weiter ersichtlich, wenn man Suetons Beschreibung von Tiberius’ körperlichen Merkmalen von Beginn an liest. Laut Sueton besaß Tiberius einen ansehnlichen und kräftigen Körper: Schultern und Brust waren breit, die übrigen Gliedmaßen wohlproportioniert.161 Unmittelbar auf diesen ersten positiven Eindruck wird der Leser mit Tiberius’ Linkshändigkeit konfrontiert. Sueton überrascht seinen Leser und schafft dadurch einen bewussten Kontrast, der Tiberius’ bevorzugte Benutzung der Linken noch seltsamer scheinen lässt. Seltsam wirkt auch das von Sueton verwendete Beispiel, um die Stärke von Tiberius’ linker Hand zu veranschaulichen. Die Fähigkeit, einen Apfel mit dem Finger der linken Hand zu durchbohren, bringt einerseits Tiberius’ Hang zur Gewalt zum Ausdruck, andererseits führt sie auch Tiberius’ unheimliches und verstörtes Wesen vor Augen, das Gefallen an dieser sonderbar anmutenden Demonstration findet.162 Von der starken Linken geht auch Gefahr aus: Sie kann den Kopf eines Jungen oder jungen Mannes verwunden.163 Damit entspricht die linke Hand des Tiberius zugleich der Assoziation der Linken als Hand, von der Unheil ausgeht.164 159 Suet. Tib. 68, 3: Quae omnia ingrata atque arrogantiae plena et animadvertit Augustus in eo et excusare temptavit saepe apud senatum ac populum professus naturae vitia esse, non animi; siehe dazu auch Cass. Dio 57, 3, 1; Tac. Ann. 6, 51, 3: (…) postremo in scelera simul ac dedecora prorupit, postquam remoto pudore et metu suo tantum ingenio utebatur. 160 Suet. Tib. 68, 3. 161 Suet. Tib. 68, 1: Corpore fuit amplo atque robusto (…) latus ab umeris et pectore, ceteris quoque membris usque ad imos pedes aequalis et congruens; siehe dazu auch Lindsay, Suetonius. Tiberius, 177. 162 Beispiele für Tiberius’ Neigung zur Gewalt finden sich gesammelt bei Lindsay, Suetonius. Tiberius, 15–18; zum seltsamen Wesen des Tiberius siehe Suet. Tib. 68, 2: Tiberius hatte sehr große Augen und konnte damit merkwürdigerweise sogar bei Nacht und Dunkelheit sehen. 163 Lindsay, Suetonius. Tiberius, 176 deutet die an einem Kind ausgeübte Stärke von Tiberius’ linker Hand als eine Anspielung auf ein Interesse des Kaisers an Päderastie. Allerdings liegen dafür keine Zeugnisse vor, die diese Vermutung stützen könnten. Daher lässt sich auf der Grundlage von Suet. Tib. 68, 1 nur die Aussage treffen, dass Tiberius seine linke Hand anscheinend auch zur Ausübung von Gewalt benutzte. Für welche speziellen Handlungen allerdings Tiberius seine Linke einsetzte, lässt sich nicht mehr beantworten. 164 Erinnert sei an Medea, die mit ihrer Linken die unterirdischen Mächte beschwört, um ihren

5.4. Caesar – ein Linkshänder?

235

Folgende Erkenntnisse haben sich ergeben: Sueton setzt das negativ gefärbte Assoziationspotential der linken Hand geschickt zur Zeichnung seines Porträts des Tiberius als einen von saevitia geleiteten Tyrannen ein.165 Die Linkshändigkeit verleiht der saevitia des Tiberius noch deutlichere Züge. Tiberius erscheint als ein nicht den Normen entsprechender Kaiser: Seine Andersartigkeit und Isolation von der Senatsaristokratie sind so stark ausgeprägt, dass sie sogar in der Benutzung der Hände ihren sichtbaren Ausdruck finden. Die Art, wie Sueton Tiberius als Linkshänder in Szene setzt, wirft zugleich ein Licht auf die Vorstellungen der römischen Aristokratie über Linkshändigkeit: Linkshänder agieren verkehrt. Ihre Bevorzugung der linken Hand wird als Laster verstanden. 5.4. CAESAR – EIN LINKSHÄNDER? In Büchern sowie Berichten über das Phänomen der Linkshändigkeit taucht unter der Rubrik „Berühmte Linkshänder“ oftmals auch Julius Caesar auf; allerdings ohne Angabe eines Quellenbelegs, aus dem ersichtlich wäre, warum Caesar ein linkshändiger Herrscher gewesen sein soll.166 Zweifel sind allein schon deshalb angebracht, weil Caesar nicht in allen Büchern zur Linkshändigkeit als Linkshänder aufgeführt wird.167 Auch althistorische Studien über Caesar liefern diesbezüglich keine Antwort.168 Daher kann nur eine kritische Auswertung der antiken Quellen Aufschluss über Caesars Händigkeit geben. Zwar machen weder Sueton noch Plutarch in ihren Passagen über Caesars körperliche Konstitution Angaben darüber, welche Hand Caesar favorisierte169, dennoch erweisen sich einzelne Stellen aus Suetons Biographie, in denen Caesar seine linke Hand benutzt, als brauchbar, um eine Aussage über Caesars vermeintliche Linkshändigkeit zu treffen. 170 Untersuchenswert erscheint der folgende Abschnitt: Als Caesar im Jahr 47 v. Chr. versuchte, in Alexandria die Insel Pharos und den Damm, der die Insel mit dem Festland verband, zu erobern, wurde er auf seinem Boot von einem Ausfall seiner Gegner überrascht.171 Auf seiner Flucht vor den zahlreichen Feinden stellte Caesar einmal mehr seine ausgezeichneten Fähigkeiten als Schwimmer unter Be-

Gifttrank für das Hochzeitskleid der Glauke brauen zu können. Siehe Sen. Med. 680f. 165 Zur Darstellung der saevitia als typische Eigenschaft des Tiberius bei Sueton vgl. Lindsay, Suetonius. Tiberius, 15–18. 166 Vgl. Smits, Linkshänder, 226; Halpern/Coren, Laterality and Longevity: Is Left-Handedness associated with a younger Age at Death?, in: Coren (Hrsg.), Left-Handedness, 528; Schubert, Rechts vor Links, in: FAZ, 13. 8. 2003, 7. 167 Vgl. beispielsweise Fincher, Lefties, 26f.; McManus, Right Hand, Left Hand, 299–335. 168 Beispielsweise Will, Julius Caesar. Eine Bilanz, Stuttgart/Berlin/Köln 1992, 13; Gelzer, Caesar. Der Politiker und Staatsmann, neu bearb. u. erw. Wiesbaden6 1983. 169 Suet. Iul. 45; Plut. Caes. 17; siehe dazu Esser, Caesar und die julisch-claudischen Kaiser im biologisch-ärztlichen Blickfeld, 11. 170 Bei Sueton handelt es sich dabei um folgende Stellen, in denen die Linke genannt wird: Suet. Iul. 33, 1; Suet. Iul. 64; Suet. Iul. 81, 4; Suet. Iul. 82, 2. 171 Suet. Iul. 64; auch belegt bei Cass. Dio 42, 40, 5; Plut. Caes. 49, 3.

236

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

weis172, indem er vom Boot ins Wasser sprang und eine Distanz von zweihundert Schritt zum nächstgelegenen Schiff schwamm.173 Aufschlussreich ist dabei, wie Caesar die Strecke zurücklegte: Nach antiken Zeugnissen soll Caesar nur einhändig geschwommen sein. Machen Cassius Dio und Plutarch keine konkreten Angaben darüber, welche Hand zum Einsatz kam, so erfährt man dagegen in der Beschreibung von Sueton, dass Caesar „die Linke hoch über dem Wasser hielt, damit die Schriften, die er bei sich hatte, nicht durchweichten.“174 Sueton zufolge muss Caesars Rechte seine stärkere und geübtere Hand gewesen sein, da Caesar sie bevorzugt zum Schwimmen verwendete, um sich in Sicherheit vor den Feinden zu bringen. Auf der Grundlage dieser Textstelle ist die Caesar attestierte Linkshändigkeit nicht haltbar. Dass Caesar vielmehr ein „gewöhnlicher“ Rechtshänder gewesen war, hat die Stelle deutlich vor Augen geführt. Außerdem wäre von Biographen wie Sueton oder Plutarch eine derartige körperliche Besonderheit sicherlich erwähnt worden. Selbst wenn Caesar wahrscheinlich kein Linkshänder war, stellt sich gerade angesichts des negativ ausgerichteten Assoziationspotentials der linken Hand die Frage, warum Sueton an bestimmten Stellen explizit den Gebrauch der linken Hand für den Leser hervorhob. Lässt sich die explizite Erwähnung an einer Stelle mit dem Tragen des Ringes am linken Ringfinger erklären175 und erscheint die oben aufgeführte Nennung zur Betonung, dass Caesar sich sogar einhändig schwimmend aus Gefahr retten konnte, durchaus vertretbar176, so bedarf es für die Deutung einer anderen Szene einer genaueren Betrachtung: Sueton berichtet, dass Caesar am Tage seiner Ermordung auf dem Weg zum Senat einen Brief zugesteckt bekam, der ihn vor der bevorstehenden Verschwörung im Senat warnen sollte.177 Caesar schenkte dem Brief jedoch keine Beachtung, sondern „steckte ihn zwischen die anderen Schriftstücke, die er in der linken Hand hielt, als ob er ihn später noch lesen könne.“178 Caesars Verhalten entsprach der damals üblichen Handhabung: Briefe lagen wie Bücher als Schriftrollen vor.179 Während man mit der rechten Hand den Brief entrollte, hielt die linke Hand den anderen Teil der Schriftrolle fest, war also allgemein für das Halten von Briefen zuständig.180 Diese Aufgabe resultierte auch aus 172 Zu Caesars Schwimmtalent vgl. Suet. Iul. 57; weitere Quellenbelege bei Esser, Caesar und die julisch-claudischen Kaiser im biologisch-ärztlichen Blickfeld, 17. 173 Suet. Iul. 64; Cass. Dio 42, 40, 5; Plut. Caes. 49, 3. 174 Suet. Iul. 64: (…) elata laeva, ne libelli quos tenebat madefierent (…); Cass. Dio 42, 50, 5; Plut. Caes. 49, 4. 175 Suet. Iul. 33, 1. 176 Suet. Iul. 64. 177 Suet. Iul. 81, 4. 178 Suet. Iul. 81, 4: (…) libellis ceteris, quos sinistra manu tenebat, quasi mox lecturus commiscuit. 179 Vgl. Fantham, Literarisches Leben im antiken Rom. Sozialgeschichte der römischen Literatur von Cicero bis Apuleius, Stuttgart/Weimar 1998, 34; Schmidt, Brief. D. Geschichte des Briefschreibens. 2. Griechenland und Rom, DNP 2, Sp. 774f. 180 Vgl. Humer, Linkshändigkeit im Altertum, 159; Belege für das Halten des Briefes in der linken Hand: Sen. Epist. 45, 12; Mart. 5, 51, 1.

5.4. Caesar – ein Linkshänder?

237

der Konsequenz der Bedeutung der rechten Hand als Hand, die in der Öffentlichkeit zu agieren hatte. Wer Briefe bei der Erledigung seiner Geschäfte in der linken Hand hielt, hatte seine Rechte stets für Handlungen wie der dextrarum iunctio frei. Das Halten einer Schriftrolle in der Linken erwies sich außerdem für Togaträger als vorteilhaft, denn die längliche Schriftrolle war auch dazu geeignet, den Großteil der über der linken Schulter und um den linken Arm drapierten Stoffmenge zusätzlich am Handgelenk zu fixieren, um ein Abrutschen der Toga zu verhindern.181 Dass das Halten von Briefen in der linken Hand nichts Ungewöhnliches darstellte, verdeutlicht auch der Blick auf die vergleichbaren Stellen von Cassuis Dio und Plutarch: Keiner der beiden spricht davon, dass Caesar den Brief in seiner linken Hand hielt.182 Wenn das Tragen von Schriftrollen in der Linken folglich selbstverständlich war, warum erwähnt dann aber Sueton an dieser Stelle explizit die linke Hand? Die Erwähnung der linken Hand am Tag von Caesars Ermordung scheint in enger Verbindung mit den zahlreichen Todesvorzeichen vor Caesars Ermordung zu stehen.183 Vor der Schilderung der Ermordung schiebt Sueton eine Aufzählung mahnender Vorzeichen ein, einerseits, um den Leser auf das kommende Unheil einzustimmen, anderseits, um dadurch die Spannung zu erhöhen.184 Gerade durch die zahlreichen Todesvorzeichen, die Caesar ganz seiner Art entsprechend alle ignorierte185, wird das Unausweichliche des Geschehens noch weiter verstärkt. Die Anordnung der omina mortis186 erfolgt dabei vom Allgemeinen zum Persönlichen. Zugleich wird in chronologischer Reihenfolge jedes Vorzeichen immer näher an das eigentliche Geschehen herangerückt. Am Tag der Ermordung setzte mit Caesars Zögern, ob er zu Hause bleiben und aufschieben soll, was er vor den Senatoren erörtern wollte, erneut ein retardierendes Moment ein.187 Schließlich verließ Caesar das Haus und verpasste in der bereits oben angesprochenen Szene erneut die Möglichkeit, dem bevorstehenden Unheil zu entgehen, da er das die Verschwörung enthüllende Schriftstück erst später lesen wollte. Angesichts der expliziten Nennung der linken Hand ist in Betracht zu ziehen, ob der Hinweis, dass die sinistra manu den Brief mit der Warnung vor der drohenden Ermordung in Empfang nahm, nicht als ein weiteres Vorzeichen des nahenden Todes fungieren sollte, galt doch die linke Hand auch als Hand, die den Kontakt zum Totenreich herstellte und von der Unheil

181 Darstellungen von Togaträgern mit einer Schriftrolle in der linken Hand sind beispielsweise zu finden bei Goette, Studien zu römischen Togadarstellungen, Taf. 12, 1 Ba 290; Taf. 12, 2 Ba 309; Taf. 21, 4 Bb 93; Taf. 21, 5 Bb 95; Taf. 22, 2 Bb 101; Taf. 22, 3 Bb 103. 182 Plut. Caes. 65, 2; Cass. Dio 44, 18, 3. 183 Zu den Vorzeichen bei Caesars Tod vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 669–677; speziell zu den bei Sueton genannten Vorzeichen siehe Gugel, Caesars Tod (Sueton, Div. Iul. 81, 4 – 82, 3). Aspekte zur Darstellungskunst und zum Caesarbild Suetons, in: Gymnasium 77, 1970, 5–22. 184 Vgl. Gugel, Caesars Tod, 10f. 185 Vgl. Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 792f.; Rosenberger, Gezähmte Götter, 75. 186 Suet. Iul. 81, 1–4; zum Begriff omen und dessen Definition siehe Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 279–282; Rosenberger, Gezähmte Götter, 9. 187 Suet. Iul. 82, 4; vgl. Gugel, Caesars Tod, 12.

238

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

ausgehen konnte.188 Die Assoziation von Unheil rief beim Leser womöglich auch schon der Begriff sinister hervor, der bekanntlich nicht nur „links“ bedeutet, sondern auch als Synonym für „Unglück bringend“ belegt ist.189 Der Eindruck des Schaurigen, Unheilvollen, beispielsweise in der Nacht vor der Ermordung durch das schlagartige Öffnen der Schlafzimmertüren evoziert190, würde folglich auch in der Erwähnung der sinistra manus zum Ausdruck kommen. Die Annahme, dass Suetons Erwähnung der linken Hand hier ein Unheil kündendes Vorzeichen darstellte, setzt die Existenz von omina mortis voraus, die mit der linken Seite in Zusammenhang stehen, denn sonst hätten die Leser Suetons Anspielung keineswegs verstanden. Solche Todesvorzeichen finden sich in der Darstellung des Todes von Tiberius Gracchus.191 Der Tod des Tiberius Gracchus wurde genau wie derjenige Caesars durch zahlreiche omina angekündigt. Bereits das erste Vorzeichen steht mit der unheilvollen linken Seite in Verbindung. Plutarch berichtet, dass im Haus der Tiberius, der auch Augur war, die heiligen Hühner nicht aus ihrem Verschlag herauskamen: Nur ein einziges Huhn kam heraus, rührte aber das Futter nicht an, sondern hob nur den linken Flügel, streckte ein Bein aus und lief in den Käfig zurück.192 Weitere omina mortis mit Bezug zur linken Seite sind bekannt: Laut Obsequens stieß Tiberius beim Verlassen des Hauses mit seinem linken Fuß an die Türschwelle und verrenkte sich den großen Zeh.193 Auf seinem Weg in den Senat fiel Tiberius auch ein Dachziegel vor die Füße194, wobei Plutarch zufolge der Dachziegel im Rahmen eines Streites zweier Raben herab gefallen sei, und zwar zur linken Seite des Tiberius.195 Vergleicht man diese Todesvorzeichen mit der Szene aus Suetons Caesarbiographie, fällt ein Unterschied auf. Bei den Vorzeichen am Todestag des Gracchus handelt es sich um außergewöhnliche Ereignisse, die durch die Verknüpfung mit der linken Seite eine negative Akzentuierung erhalten. Dagegen stellt das Halten des Briefes in der linken Hand nichts Außergewöhnliches dar. Außergewöhnlich fällt vielmehr Suetons Betonung auf, Caesar habe den Brief in der sinistra manu gehalten. Folglich erschließt sich die Deutung der Begebenheit als omen mortis auf indirekte Weise, indem durch die Erwähnung des Wortes sinister beim Leser zugleich auch die Assoziation des Begriffs zur Bezeichnung eines unheilvollen Zeichens aktiviert wird. Diese Assoziation bestätigt sich für den Leser auch in Suetons Darstellung von Caesars Ermordung, in der nämlich Caesars sinistra manus erneut Erwähnung findet: Als Caesar feststellte, dass er von allen Seiten angegriffen wurde, verhüllte er mit der Toga sein Haupt und zog gleichzeitig mit der linken Hand den Faltenbausch 188 189 190 191 192 193 194 195

Siehe dazu die Kapitel 4.3.4. Vgl. s.v. sinister, OLD, 1769f. Zu den Bedeutungen von sinister siehe Kapitel 2.3. Suet. Iul. 81, 3; siehe dazu Gugel, Caesars Tod, 11. Siehe dazu Engels, Das römische Vorzeichenwesen, 544f.; Rosenberger, Gezähmte Götter, 215f. Plut. Tiberius Gracchus 17, 1. Obseq. 27a; Plut. Tiberius Gracchus 17, 3 (allerdings ohne zu erwähnen, welcher Fuß es war); Val. Max. 1, 4, 2 Par. und Nep. (ebenfalls ohne genaue Fußnennung). Obseq. 27a; Val. Max. 1, 4, 2. Plut. Tiberius Gracchus 17, 3.

5.4. Caesar – ein Linkshänder?

239

bis zu den Füßen herunter, um in Würde zu fallen und auch den unteren Körperteil zu bedecken.196 Dass Sueton die linke Hand bevorzugt im Zusammenhang eines bevorstehenden Todes nennt, veranschaulicht auch seine Schilderung der Todesszene des Tiberius. Kurz vor seinem Tod soll Tiberius den zunächst abgenommenen Ring wieder an den Finger gesteckt, dann die linke Hand zusammengepresst und in dieser Position lange unbeweglich dagelegen haben.197 Nachdem er anschließend vergeblich seine Diener gerufen hatte, starb Tiberius. Welche Assoziationen mit der Nennung der linken Hand in dieser Todesszene hervorgerufen werden sollen, zeigt Suetons Wortwahl: Erneut greift Sueton zur Bezeichnung der linken Hand auf das Wort sinister zurück. Dass auch andere Autoren die Erwähnung der linken Hand gezielt zur Ankündigung drohenden Unheils und damit zugleich zur Erzeugung von Spannung verwenden, geht beispielsweise aus der Alexanderbiographie des Curtius Rufus hervor. Alexander der Große hielt den Brief des Parmenion, in dem dieser ihn vor der Einnahme eines Heiltrankes des Arztes Philippus warnte, in seiner linken Hand.198 Die Parallelen zeigen sich nicht nur darin, dass Rufus genauso wie Sueton zur Bezeichnung der Linken das doppeldeutige Wort sinister verwendet, sondern auch auf inhaltlicher Seite: Auch in diesem Fall kündet der in der Linken gehaltene Brief ein bevorstehendes Unheil an, doch im Gegensatz zu Caesar und Tiberius verfehlte der Trank nicht seine heilende Wirkung, so dass sich die Befürchtungen des Parmenion letztendlich als falsch herausgestellt hatten.199 Die gewonnenen Erkenntnisse lassen folgendes Fazit zu: Im Zusammenhang eines nahenden Todes verwendet Sueton die explizite Erwähnung der linken Hand als Todesvorzeichen, was sich dem Leser erstens durch die Hervorhebung der linken Hand an Stellen, an denen man mit der Erwähnung der Linken nicht unbedingt rechnete, und zweitens durch den Gebrauch des zweideutigen Wortes sinister erschließt. Sueton ruft dadurch die Funktion der Linken als der mit dem Totenreich sowie mit Unheil assoziierten Hand ins Gedächtnis, bereitet auf den bevorstehenden Tod vor und erzeugt Spannung. Anhand dieser Analyse zeigt sich einmal mehr, dass sich mit Hilfe der Kenntnis von der Bedeutung der linken Seite sowie der linken Hand neue Interpretationsansätze erschließen lassen, die es ermöglichen, die eigentliche Darstellungsabsicht des jeweiligen Autors auch bei zunächst belanglos erscheinenden Aspekten zu erfassen. Ferner hat sich herausgestellt, dass die hauptsächlich aus der Psychologie und Anthropologie stammende Behauptung, Caesar sei Linkshänder gewesen, nicht der Wahrheit entsprach. Doch welche Funktion soll die Annahme, Caesar sei ein Links196 Suet. Iul. 82, 2: Utque animadvertit undique se strictis pugionibus peti, toga caput obvoluit, simul sinistra manu sinum ad ima crura deduxit, quo honestius caderet etiam inferiore corporis parte velata. 197 Suet. Tib. 73, 2: (…) intellecta defectione exemptum anulum quasi alicui traditurum parumper tenuisse, dein rursus aptasse digito et compressa sinistra manu iacuisse diu immobilem. 198 Curt. 3, 6, 9: Quo viso Alexander levato corpore in cubili epistulam a Parmenione missam sinistra manu tenens (…). 199 Curt. 3, 6, 16f.

240

5. Linkshänder – Wahrnehmung und Bewertung

händer gewesen, überhaupt erfüllen? Wer Caesar als Linkshänder bezeichnet, will damit Caesars Außergewöhnlichkeit zum Ausdruck bringen, indem er Caesars Repertoire an außergewöhnlichen Fähigkeiten auch mit dem Phänomen der Linkshändigkeit bereichert, Caesar folglich eine Fähigkeit unterstellt, die sich bestens zur Markierung von Caesars einzigartiger Stellung eignet. Caesar hebt sich von der konventionellen Masse ab, leistet Unkonventionelles, nahezu Unmenschliches. Seine unkonventionelle Linkshändigkeit erscheint aus diesem Blickwinkel in einem positiven Licht: Caesar war so beeindruckend, dass er sogar mit seiner linken Hand alle anderen übertraf. Auch hier trägt die Verwendung der unkonventionellen Linken zur Schaffung von Identität bei und verschafft Caesar ein noch einzigartigeres Profil, das allerdings in dieser Form nur Wunschdenken bleiben kann. Die Prüfung der historiographischen Quellen zeichnet eindeutig ein anderes Bild.

6. SCHLUSS Die sprachlichwissenschaftliche Untersuchung hat ergeben, dass im Griechischen mit skaiov~, laiov~, ajristerov~ und eujwvnumo~ zur Bezeichnung von „links“ vier Wörter verwendet wurden. Mit Ausnahme von dem ausschließlich zur Bezeichnung von „links“ gebrauchten laiov~ fungierten skaiov~, ajristerov~ sowie eujwvnumo~ auch als Synonyme für „Unglück bringend“, „ungeschickt“ und „dumm.“ Da in der griechischen Religion bereits durch die bloße Erwähnung eines Ausdruckes für „links“ Unglück hervorgerufen werden konnte, griff man seit Homer in der Mantik auf den euphemistischen Begriff ajristerov~ zurück. Allerdings erfreute sich ajristerov~ auch außerhalb der religiösen Sphäre zur Bezeichnung von „links“ und in der Form ejparisterov~ als Begriff für „ungeschickt“ zunehmender Beliebtheit. Daraus ergaben sich zwei Konsequenzen: skaiov~ fand als Begriff für „links“ immer weniger Verwendung. Erkennbar wird der Wandel beispielsweise bei Sophokles, Euripides und Aristophanes, die skaiov~ nur noch in der Bezeichnung „dumm“ gebrauchten. Der Verlust des euphemistischen Charakters von ajristerov~ führte ferner zu der Bildung des neuen Euphemismus eujwvnumo~. Seit dem Ende des 6. Jahrhunderts v. Chr. ist eujwvnumo~ im Bereich der Mantik als Terminus technicus für „Unglück bringend“ bezeugt. Eujwvnumo~ sollte jedoch das gleiche Schicksal wie ajristerov~ widerfahren: seit Herodot fungierte der Begriff auch im nicht-religiösen Kontext neben ajristerov~ zur Angabe der linke Seite oder einer nach links gewandten Richtung. Im Lateinischen zählen laevus, scaevus und sinister zu den Ausdrücken für „links.“ Alle drei Wörter werden wie im Griechischen auch als Bezeichnungen für „ungünstig“, „Unglück bringend“, „verkehrt“, „ungeschickt“ und „dumm“ gebraucht. Eine Ausnahme bildet lediglich das Auguralwesen, in dessen Sprache laevus, scaevus und sinister in der Bedeutung „Glück bringend“ Verwendung finden. Dabei fällt auf, dass hauptsächlich laevus und sinister in der Auguralsprache vorkommen. Scaevus ist als auguraler Ausdruck nur aus der Zeit des Plautus bekannt. Die Verwendung von laevus und sinister als Ausdrücke für „Glück bringend“ nahm jedoch im Laufe der mittleren und späten Republik kontinuierlich ab und verschwand schließlich bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. gänzlich aus dem lateinischen Sprachgebrauch. Als Bezeichnung für „günstig“, „Glück bringend“ benutzte man stattdessen immer häufiger dexter, gebrauchte dexter folglich wie in der griechischen Sprache, in der dexiov~ als Begriff für rechts auch im übertragenen Sinn für „günstig“, „geschickt“ und „klug“ verwendet wurde. Der Sprachwandel führte dazu, dass links als Bezeichnung für „Glück bringend“ immer weniger Berücksichtigung fand und schließlich sogar im divinatorischen Kontext „Unglück bringend“ bedeuten konnte. Zwar zeigt die sprachliche Entwicklung deutliche Parallelen zu den griechischen Wortfeldern von links und rechts, doch hat die Untersuchung gezeigt, dass für den Sprachwandel nicht allein der griechische Einfluss auf die römische Literatur verantwortlich gemacht werden kann. Vielmehr darf die

242

6. Schluss

Rolle der im römischen Volksglauben stets vorherrschenden Vorstellung von links gleich „ungünstig“ und rechts gleich „günstig“ nicht unterschätzt werden, die der griechischen Sichtweise entsprach und somit eine wesentliche Voraussetzung für deren Akzeptanz auf sprachlicher Ebene war. Trugen der griechische Einfluss und der römische Volksglauben sicherlich zum Bedeutungswandel bei, so hängt der Untergang der auf den auguralen Bereich beschränkten positiven Bewertung der linken Seite jedoch maßgeblich mit dem Bedeutungsverlust des Auguralwesens zusammen: zeichnete sich der Niedergang des Auguralwesens bereits seit den letzten beiden Jahrhunderten der Republik ab, in denen die aufwendige und komplizierte Deutung von Himmelszeichen durch einfachere und leichter manipulierbare Divinationsarten zunehmend ersetzt wurde, so führte die Monopolisierung der auguralen Auslegung in den Händen des Kaisers zur endgültigen Bedeutungslosigkeit der Augurallehre und damit auch zum allmählichen Verlust des auguralen Wissens. Deutlich spiegelte sich die Vorstellung von rechts gleich positiv und links gleich negativ auch in den naturwissenschaftlichen Studien der Griechen und Römer wider: Die rechte Körperhälfte galt der linken Körperhälfte als von Natur aus überlegen. Im Rahmen dieses Denkmodells rief links die negativen Assoziationen von „passiv“, „schwach“, „ungeschickt“, „kalt“, „unten“ und „dem Ende“ hervor, wohingegen rechts die entsprechenden Gegenteile ausfüllte. Die rechte Seite erfüllt in diesem bilateralen System den aktiven Part: Von ihr gehen alle Bewegungen aus. Dass dieses dualistische Denkkonzept auf dem Gebiet der Biologie noch weitere Assoziationen zuließ, zeigten die Theorien zur Frage des Geschlechts: ausgehend von der Vorstellung, dass die rechten Gliedmaßen kräftiger als die linken Gliedmaßen sind, ging man von einer Korrelation zwischen männlich und rechts und zwischen weiblich und links aus. Abweichungen von diesem Modell galten als Abweichungen von der Natur. Eine Überlegenheit der linken Körperhälfte schien nur als Missbildung erklärbar. Im Bereich der Religion und des Aberglaubens flossen die auf diesem Konzept beruhenden Assoziationen von links und rechts in zahlreiche Verhaltensregeln und Kultpraktiken ein. Der Einbezug der positiv bewerteten rechten Seite diente dazu, der Gottheit ein Zeichen für den korrekten Vollzug der Kultpraktik zu geben. Rechts bedeutete in diesem Kontext „richtig.“ Kulthandlungen, die hingegen mit der linken Seite, allen voran linken Körperteilen, ausgeübt wurden, galten als Zeichen für eine falsche Ausführung der rituellen Vorschrift und standen vor allem im Bereich des Aberglaubens im Ruf, Unglück hervorzurufen. Daher war ein Raum oder ein Tempel beispielsweise stets mit dem rechten Fuß zuerst zu betreten, um die Gunst der entsprechenden Gottheit zu erlangen. Eine weitere Assoziation, die auch in den pythagoreischen Akusmata sowie in zahlreichen anderen abergläubischen Vorschriften ihren Platz hatte, brachte links mit „gerade“, rechts mit „ungerade“ in der Verbindung. Auch die gedankliche Verknüpfung von links mit „unten“ und rechts mit „oben“ fand in den orphisch-pythagoreischen, ägyptischen und platonischen Jenseitsvorstellungen ihren Niederschlag: Basierend auf einer Idee von zwei Wegen führte im Jenseits der rechte Weg die Gerechten nach oben zur Erlösung, wohingegen die Ungerechten den linken Weg nach unten zum Ort der Bestrafung neh-

6. Schluss

243

men mussten. Die Gleichsetzung von rechts mit „oben“ und links mit „unten“ spiegelte sich ebenfalls in der Vorstellung wider, rechts mit den himmlischen Gottheiten, links mit den chthonischen Gottheiten zu assoziieren. In der griechischen Mantik brachten von links kommende Himmelszeichen Unglück, während Zeichen von rechts Glück verhießen. Da die griechischen Zeichendeuter sich nach Norden zum Sitz der olympischen Götter orientierten, lag links im Westen auf der mit Dunkelheit und dem Reich der Toten assoziierten Seite des Sonnenuntergangs. Rechts befand sich im Osten auf der Leben spendenden Sonnenaufgangsseite. Dagegen sah die römischen Divination eine umgekehrte Auslegung der Seiten vor: Die im römischen Auguralwesen vorherrschende Südausrichtung hatte zur Folge, dass links im Osten und rechts im Westen lag: links galt daher als günstig. Zeichen von rechts bedeuteten in der Regel Unglück. Dennoch konnten auch Zeichen, die von rechts kamen, positiv gedeutet werden, denn die Südausrichtung wurde mit einer Orientierung nach Osten kombiniert. Da der Augur den Osten in einen linken nordöstlichen und eine rechten südöstlichen Abschnitt teilte, konnten Vögel, die nach Südausrichtung von links aus dem Osten kamen, auf Grundlage der Ostorientierung auch von rechts, d. h. aus Südosten oder von links, d. h. aus Nordosten kommen. Zwar galten die aus Südosten stammenden Vögel auch als Glück bringend, aber die von links aus nordöstlicher Richtung herbeifliegenden Vögel brachten die besten Zeichen hervor. Auffällig ist, dass links sowohl bei der Süd- als auch bei der Ostorientierung eine positive Konnotation erhielt. Der Grund, warum die Römer eine Süd- und Ostausrichtung bevorzugten, die zur Folge hatte, dass links mit Glück bringend gleichgesetzt wurde, lässt aufgrund des spärlichen Quellenmaterials nur Vermutungen zu. Womöglich wollte man die Zeichen aus der Perspektive der im Norden lokalisierten Götter deuten, die ihren Blick gen Süden richteten. Die Abweichung von der weit verbreiteten Nordausrichtung sowie die positive Deutung links erscheinender Zeichen mag vielleicht auch auf einen Präzedenzfall zurückgehen, bei dem von links kommende Zeichen Erfolg brachten, so dass man an dieser Auslegungsart festhielt. Auf jeden Fall trug die unkonventionelle Auslegung der linken Seite im Auguralwesen dazu bei, der Augurallehre das Antlitz einer für Laien unverständlichen, sonderbar und geheimnisvoll anmutenden Wissenschaft zu verleihen, die nur von Experten verstanden und ausgeübt werden konnte. Durch die positive Auslegung von links erhielt das Auguralwesen ein eigenständiges Profil und gewann dadurch sowohl innerhalb als auch außerhalb der religiösen Sphäre an Bedeutung. Der Blick auf das Heerwesen hat vor Augen geführt, dass in geschlossenen Schlachtreihen wie der griechischen Phalanx, in der ausschließlich Rechtshänder fochten, der rechte Flügel als die prestigeträchtigste Seite angesehen wurde. Auf dem rechten Flügel kommandierte nicht nur der Oberbefehlshaber, sondern auch die besten Truppen waren dort stationiert. Allerdings resultierte diese Aufstellung in erster Linie aus der Tatsache, dass die rechte Flanke einer einheitlich aus Rechtshändern bestehende Formation stets ungedeckt war. Diesen Mangel konnte man kompensieren, indem man zum einen die besten Krieger auf dieser Seite positionierte, zum anderen die Schlachtreihe nach rechts verschob. Die Verschiebung nach rechts verbesserte die Angriffsposition des rechten Flügels, da dieser nun die feind-

244

6. Schluss

liche Flanke auf der Gegenseite leichter überflügeln konnte und zugleich die Überflügelung von Seiten des Gegners erschwerte. Daraus erklärt sich, warum der rechte Flügel eher offensiv, der linke Flügel, dank der links getragenen Schilde geschützt, eher defensiv in der Schlacht agierte. Dennoch galt der Kampf auf dem linken Flügel durchaus als ehrenvoll: Wer auf dem linken Flügel in die Schlacht zog, nahm die zweitbeste Position ein. Zwar wird der Vorrang der rechten Seite vor der linken Seite auch hier evident, doch kann links im Heerwesen prinzipiell nicht wie im naturwissenschaftlichen oder religiösen Bereich mit negativ, sondern mit „zweitrangig“ im Sinne von „noch prestigeträchtig“ gleichgesetzt werden. Dagegen ließ die flexiblere Formation der Römer, die in kleine selbstständig agierende Einheiten gegliedert war, keine tendenzielle Bevorzugung eines bestimmten Flügels im Kampfgeschehen erkennen. Allerdings dienten rechts und links im römischen Heer zur Markierung von Rangunterschieden: auf der prestigeträchtigeren rechten Seite standen die ranghöchsten Zenturionen eines Manipels oder einer Kohorte. Auch in einer Legion war vorgesehen, die privilegierte erste Kohorte mit dem ranghöchsten Zenturio der Legion in der ersten Schlachtlinie auf der rechten Seite zu positionieren. Die Untersuchung der Trageweise der römischen Schwerter hat ergeben, dass römische Soldaten den gladius dank seiner kurzen Klinge normalerweise rechts trugen. Das Ziehen erfolgte dadurch mehr nach oben als zur Seite, so dass in einer geschlossenen Formation beim Schwertziehen der benachbart stehende Soldat nicht beeinträchtigt wurde. Kamen jedoch Langschwerter zum Einsatz, so trugen die Infanteristen ihr Schwert links, wohingegen die römischen Reiter ihre Schwerter rechts befestigten, da sie in der Lage waren, ihre Waffe aus erhöhter Position mühelos zu ziehen. Die Untersuchung der beiden Hände führte zu folgenden Ergebnissen: Die Rechte gilt als stark, geschickt und tritt aktiv in Erscheinung: Sie fungiert als Zeichen göttlicher Macht, steht als Symbol der Göttin Fides für Treue und Zuverlässigkeit und agiert im alltäglichen Leben beim Handschlag zur Begrüßung, zum Abschied sowie zum Vertragsabschluss. Zur sichtbaren Bekräftigung von Gesagtem wird die rechte Hand auch beim Eid und beim Gebet an die himmlischen Götter erhoben. Ihre Assoziation als starke und geschickte Hand trug ferner zu ihrer Wahrnehmung als siegreicher Hand, dextra victrix, bei. Dagegen spiegelte sich die negative Assoziation von links auch in der Bewertung der linken Hand wider. Die Linke bildet den Gegenpart zur Rechten: sie ist die schwache, ungeschickte Hand, die in der Öffentlichkeit weitestgehend verborgen bleibt und deren alleiniger Einsatz unzulässig erscheint. Ihre passive und im Vergleich zur Rechten zweitrangige Stellung kommt sowohl anhand von Kleidungstücken wie Himation und Toga als auch insbesondere beim Essen deutlich zum Ausdruck: Falls zum Essen beide Hände benötigt wurden, war die rechte Hand für die wertvolleren Speisen, die linke Hand hingegen für die einfacheren Speisen wie Brot vorgesehen. Reichte eine Hand zum Essen aus, empfand man die Benutzung der linken Hand als anstößig. Die Negativfärbung machte sich auch in den Tätigkeitsbereichen bemerkbar, mit denen die linke Hand hauptsächlich in Verbindung gebracht wurde. Als Hand, die nach antiker Auffassung beim Diebstahl, zur sexuellen Stimulation, zur Kon-

6. Schluss

245

taktaufnahme mit der Unterwelt und bei der Magie zum Einsatz kommt, tritt die linke Hand bei Tätigkeiten in Aktion, die aufgrund ihrer negativen Bewertung unmöglich mit der positiv konnotierten Rechten ausgeübt werden können. Evident wurde diese Sichtweise vor allem bei der Assoziation der Linken als Diebeshand: die Rechte, bekanntlich Hand der Fides, kann nicht mit der anstößigen Tätigkeit des Stehlens in Zusammenhang gebracht werden, obgleich in einer von Rechtshändern dominierten Welt beim Stehlen eher der Gebrauch der geschickten Rechten zu erwarten wäre. Zur Assoziation der Linken als Diebeshand trug sicherlich auch dazu bei, dass sie aufgrund ihrer geringen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit zum Aufbewahren des Diebesgutes geeignet war. Wenn der Diebstahl entdeckt wurde, sah man die Beute in der Linken und nicht mehr in der Hand, die primär beim Stehlen Verwendung fand. In dem Bereich der Sexualität herrschte die Annahme vor, dass die linke Hand zur gegenseitigen sowie zur eigenen Stimulation fungierte. Wie jedoch zahlreiche Abbildungen zeigen konnten, entsprach diese Vorstellung keinesfalls der Realität. Vielmehr dient die explizite Erwähnung der Linken bei Autoren wie Ovid als Mittel, um mit der bekanntlich im Verborgenen agierenden Linken eine Atmosphäre der Intimität zu erzeugen. Da der Einsatz der Linken im Liebesspiel zugleich besonders und geheimnisvoll erscheint, kann Ovid seinem Leser auch suggerieren, dass er als praeceptor Amoris über spezielles Wissen verfügt, das letztendlich Ovids Kompetenz in diesem Fach unterstreicht. Deutlich negativer ist die Erwähnung der linken Hand bei der Masturbation zu bewerten: hier soll der unkonventionelle Gebrauch der Linken als zusätzliches negativ gefärbtes Element das unkonventionelle und anstößig empfundene Sexualverhalten noch weiter negativ verstärken. Ferner stellt die linke Hand den Kontakt zur Unterwelt her. Im Gebet zu den chthonischen Gottheiten konnte neben anderen Gesten auch die linke Hand zur Anrufung der chthonischen Mächte nach unten zur Erde gewandt ausgestreckt werden. Seher und Hexen setzten die Linke ein, um die in der Unterwelt lebenden Toten heraufzubeschwören. Die linke Hand stellt aber nicht nur den Kontakt zur Unterwelt her, sondern gilt auch als Hand, von der Tod und Unheil ausgehen. Zugleich geht von der linken Hand eine magische Wirkung aus. In der Magie kommt die linke Hand als inverses Element zum Einsatz, um einer konventionell mit der rechten Hand ausgeführten Handlung ein magisches Antlitz zu verleihen, indem die Handlung mit der unkonventionellen Linken ausgeführt werden muss. Erst durch diese bewusste Inversion wird die magische Wirkung aktiviert, wird der Unterschied zwischen der Welt der Magie zur herkömmlichen Welt deutlich. Die mit Hilfe der linken Hand erzielte Inversion liegt auch in den anderen mit der linken Hand assoziierten Tätigkeitsbereichen vor: Auch beim Diebstahl, in der Sexualität und im Kontext der Unterwelt erfüllt die explizite Erwähnung der linken Hand die Funktion, die Andersartigkeit bestimmter Handlungen von bestehenden Normen sichtbar zu markieren. Obgleich sowohl die griechische als auch die römische Wahrnehmung und Bewertung der linken Hand negativ ausfällt, so hat die Häufigkeit der bewussten Nennung der linken Hand in den römischen Quellen gezeigt, dass in der römischen Welt stärker über links und rechts sowie die mit den beiden Seiten verbundenen

246

6. Schluss

Handlungen reflektiert wurde. Die häufigere Herausstellung der linken und rechten Hand beruht wahrscheinlich auf dem in der römischen Welt stark ausgeprägten Formalismus, dessen Wurzeln in der römischen Religion zu lokalisieren sind. Der letzte Teil der Arbeit widmete sich der Wahrnehmung und Bewertung der Linkshändigkeit und von Linkshändern. Linkshändigkeit wurde in der griechischen und römischen Welt zwar wahrgenommen, jedoch größtenteils negativ bewertet. Da Naturphilosophen wie Aristoteles aufgrund ihrer Beobachtungen in einer vorwiegend aus Rechtshändern bestehenden Welt die Rechte als die von Natur aus bessere Hand ansahen, galt Linkshändigkeit vielmehr als Abweichung von der Norm. Die unnatürlich erscheinende Linkshändigkeit sowie die negative Konnotation der linken Hand hatten für die Kindererziehung zur Folge, dass eine potentielle Linkshändigkeit bereits direkt nach der Geburt mit gezielten Maßnahmen verhindert werden sollte. Dass Menschen, die dennoch linkshändig waren, gerade vor diesem Hintergrund mit Vorurteilen zu kämpfen hatten, stellte Ulpians Anweisung an die kurulischen Aedile unter Beweis: Linkshändigkeit konnte sich die breite Masse nur als Folge einer Krankheit oder einer körperlichen Beeinträchtigung der rechten Hand erklären. Gerade die Entstehungsgeschichte des Cognomen Scaevola hat deutlich gemacht, dass auch Menschen, die infolge einer Behinderung ihrer rechten Hand auf die Benutzung ihrer Linken angewiesen waren, als Linkshänder bezeichnet wurden. Die negative Assoziation der linken Hand erklärt auch, warum Menschen mit defekter Rechten sich immer wieder von der Annahme, ein Linkshänder zu sein, distanzierten, indem sie stets auf ihren Status als mancus verwiesen. Dagegen erschienen Linkshänder in der Malerei und in der Arena als Kuriosität. Insbesondere linkshändige Gladiatoren nahm das Publikum als beachtenswerte Ausnahmeerscheinung vom herkömmlichen Kampf rechts gegen rechts wahr. Ihren Stolz, einer seltenen und für die Zuschauer attraktiven Gladiatorenart anzugehören, die zudem im Kampf gegen Rechtshänder im Vorteil war, verewigten zahlreiche linkshändige Gladiatoren auf ihren Grabinschriften mit der Erwähnung, als Linkshänder gekämpft zu haben. Fasst man die gewonnen Erkenntnisse zusammen, so lässt sich folgendes Fazit ziehen: die Auseinandersetzung mit den antiken Zeugnissen zu links, der linken Hand und Linkshändern hat nicht nur gezeigt, wie stark die Assoziationen von links und rechts den antiken Menschen in der Wahrnehmung und Wertung seiner Welt beeinflussten, sondern hat dem Althistoriker vor allem eine Eigenschaft der Quellen vor Augen geführt: „Die Quellen aber, zumal solche, die von großen Männern herrühren, sind unerschöpflich, so dass jeder die tausendmal ausgebeuteten Bücher wieder lesen muss, weil sie jedem Leser und jedem Jahrhundert ein besonderes Antlitz weisen und auch jeder Alterstufe des Einzelnen.“1 Dass eine Auseinander-

1

Burckhardt, Weltgeschichtliche Betrachtungen, Bd. 7, hrsg. von Oeri/Dürr, Berlin/Leipzig 1929, 50.

6. Schluss

247

setzung mit den antiken Quellen heute und auch in Zukunft immer wieder neue Erkenntnisse zutage bringen wird, ist auch durchaus im Sinne ihrer antiken Verfasser, denn nicht selten wird der Betrachter, beispielsweise beim Lesen einer Grabinschrift, aufgefordert: resta viator et lege.2

2

CIL 3, 371.

7. ANHANG 7.1. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Abkürzungen von Zeitschriften und Reihen richten sich prinzipiell nach dem Abkürzungsverzeichnis der L’Année Philologique. Andere Abkürzungen sind unten aufgeführt. ANRW.................Temporini, H./Haase, W. (Hrsg.), Aufstieg und Niedergang der Römischen Welt. Geschichte und Kultur Roms im Spiegel der neueren Forschung, Berlin 1972– 1997. Antike Medizin Ein Lexikon.........Leven, K.-H. (Hrsg.), Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005. AE .......................L’Année épigraphique, Paris 1888ff. BMC....................Mattingly, H. u. a. (Hrsg.), Coins of the Roman Empire in the British Museum, 6 Bde., Repr. London 1965–1976. CIG......................Corpus Inscriptionum Graecarum, 4 Bde., Berlin1828–1877. CIL ......................Corpus Inscriptionum Latinarum, consilio et auctoriate Academiae litterarum regiae Borussicae editum, Berlin 1863ff. CCID ...................Hörig, M./Schwertheim, E., Corpus Cultus Iovis Dolichenus, Leiden/New York/ Köln 1987. CCIS....................Vermaseren, M. J./Lane, E. N. (Hrsg.), Corpus Cultus Iovis Sabazii. Bd.1. The Hands, Leiden 1983. CRR.....................Sydenham, E., The Coinage of the Roman Republic, London 1952. CSIR ...................Corpus Signorum Imperii Romani. Diels/Kranz .........Diels, H./Kranz, W. (Hrsg.), Fragmente der Vorsokratiker, 3 Bde., Berlin8 1956 (Bd. 1 u. Bd. 2), Berlin9 1959 (Bd. 3). DKP.....................Ziegler, K./Sontheimer, W. (Bearb./Hrsg.), Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike, auf der Grundlage von Pauly’s Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, 5 Bde., Stuttgart 1964–1975. DNP.....................Cancik, H./Landfester, M. (Hrsg.)/Pauly, A. (Begr.), Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, 16 Bde., Stuttgart/Weimar 1996–2003. EAOR..................Sabbatini Tumolesi, P./Gregori, G. L./Buonocore, M./Fora, M., Epigrafia anfiteatrale dell’Occidente romano, 4 Bde., Rom 1988–1992. EDH ....................Epigraphische Datenbank Heidelberg. http://www.uni-heidelberg.de/institute/ sonst/adw/edh/ I. Ephesos ............Wankel, H./Merkelbach, R./Nollé u. a., Die Inschriften von Ephesos, 8 Bde., Bonn 1979–1984. IG ........................Inscriptiones Graecae, Berlin 1903ff. IG Bulg................Mihailov, G., Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae, 5 Bde., Sofia 1958– 1997. ILS.......................Dessau, H., Inscriptiones Latinae Selectae, 3 Bde., Berlin 1892–1916. LÄ .......................Helck, W. u. a. (Hrsg.), Lexikon der Ägyptologie, 7 Bde., Wiesbaden 1975–1992. Lexikon der Biologie.........Sauermost, R./Freudig, D. (Hrsg.), Lexikon der Biologie in 15 Bänden, Heidelberg 1999–2004. Liddell-Scott .......A Greek-English Lexikon compiled by H. G. Liddell and R. Scott. A new Edition revised and augmented throughout by Sir H. S. Jones, Oxford9 Repr. 1966.

250

7. Anhang

LIMC...................Boardmann, J. u. a. (Hrsg.), Lexicon Iconographicum Mythologicae Classicae, 8 Bde., Zürich 1981–1997. LPGN ..................Fraser, P. M./Matthews, E. (Hrsg.), A Lexicon of Greek Personal Names, Vol. I– IV, Oxford 1987–2005. LMA....................Bautier, R.-H./Auty, R. (Hrsg.), Lexikon des Mittelalters, 7 Bde., Stuttgart/Weimar 1980–1993. LSAM .................Sokolowski, F, Lois sacrées de l’Asie Mineure, Paris1955. OLD ....................Glare, P. G. W. (Hrsg.), Oxford Latin Dictionary, Oxford 1982. Pape .....................Pape, W., Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, Braunschweig 1888. PGM ....................Preisendanz, K./Henrichs, A. (Hrsg.), Papyri Graecae Magicae. Die griechischen Zauberpapyri, 2 Bde., Stuttgart2 Repr. 1973–1974. RAC ....................Klauser, T./Dassmann, E. (Hrsg.), Reallexikon für Antike und Christentum. Sachwörterbuch zur Auseinandersetzung des Christentums mit der antiken Welt, Stuttgart 1950ff. RE .......................Wissowa, G. u. a. (Hrsg.), Pauly’s Real-Encyklopädie der classischen Altertumswissenschaften, Neue Bearbeitung, Stuttgart 1893–1980. RIB ......................Collingwood, R. G./Wright, R. P., The Roman Inscriptions of Britain, Oxford/ Gloucester 1965–1995. RIC ......................Mattingly, H./Sydenham, E. A. (Hrsg.), The Roman Imperial Coinage, 10 Bde., London 1923–1994. Roman Imperial Coins ...................Robertson, A. S., Roman Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet, University of Glasgow, 5 Bde., London 1962–1982. RRC.....................Crawford, M., Roman Republican Coinage, London 1974. SIG3 ....................Dittenberger, W., Silloge inscriptionum graecarum, 4. Bde., Leipzig3 1915–1924. SIPSurrentum ......Magalhaes, M. M., Storia, istituzioni e prosopografia di Surrentum romana. La collezione epigrafica del Museo Correale di Terranova, Napoli 2003. SEG .....................Supplementum epigraphicum Graecum, Leiden 1923ff. ThesCRA.............Thesaurus Cultus et Rituum Antiquorum, 5 Bde., Los Angeles 2004–2005.

7.2. LITERATURVERZEICHNIS 7.2.1. Wörterbücher, Grammatiken, Sprachwissenschaftliche Lexika Bibliotheca Teubneriana Latina Datenbank (für Angehörige der Universität Heidelberg zu erreichen über: http://rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?bib_id=ubhe&colors=&oc olors=&titel_id=152) Chantraine, P., Dictionnaire étymologique de la langue grecque. Histoire des mots, Paris 1968. Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache in sechs Bänden, hrsg. und bearb. vom Wissenschaftlichen Rat und den Mitarbeitern der Dudenredaktion unter der Leitung von G. Drodowski, Mannheim/Wien/Zürich 1976–1981. Ernout, A./Meillet, A., Dictionnaire étymologique de la langue latine, Paris 4 1979. Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, erarbeitet im Zentralinstitut für Sprachwissenschaft, Berlin, unter der Leitung von W. Pfeifer, München3 1995. Frisk, H., Griechisches Etymologisches Wörterbuch, 2 Bde., Heidelberg 1960 u. 1970. Georges, Kleines Deutsch-Lateinisches Handwörterbuch, von K. E. Georges, ND der 7., verbesserten und vermehrten Auflage von H. Georges, Hannover 1977. Grimm, J. und W., Deutsches Wörterbuch, 6 Bde., bearb. von M. Heyne, Leipzig 1885 ND 1984. Hofmann, J. B./Szantyr, A., Lateinische Syntax und Stilistik, München 1965.

7.2. Literaturverzeichnis

251

Langenscheidts Euro Wörterbuch Griechisch. Griechisch – Deutsch. Deutsch – Griechisch von Dr. G. S. Henrich und K. Chrisomalli-Henrich, Berlin/München/Wien/Zürich/New York6 1997. Leumann, M., Lateinische Laut- und Formenlehre, Neuausg. München 1977. Lexikon des frühgriechischen Epos, vorbereitet und hrsg. vom Thesaurus Linguae Graecae, begr. von B. Snell, Bd. 1, Göttingen 1979. Lexikon des frühgriechischen Epos, vorbereitet und hrsg. vom Thesaurus Linguae Graecae, begr. von B. Snell, Bd. 2, Göttingen 1991. A Lexicon of Greek Personal Names, edited by P. M. Fraser and E. Matthews, Vol. I–IV, Oxford 1987–2005. (Internet: http://www.lgpn.ox.ac.uk) Liddell-Scott, A Greek-English Lexikon compiled by H. G. Liddell and R. Scott. A new Edition revised and augmented throughout by Sir H. S. Jones, Oxford9 Repr. 1966. Menge, H., Lateinische Synonymik, 7. unveränderte Aufl. von Otto Schönberger, Heidelberg 1988. Oxford Latin Dictionary, edited by P. G. W. Glare, Oxford 1982. Pape, W., Griechisch-Deutsches Handwörterbuch, 2 Bde., Braunschweig 1888. Schwyzer, E., Griechische Grammatik, Bd. 1. Allgemeiner Teil. Lautlehre. Wortbildung. Flexion, München 1939. Thesaurus Linguae Graecae Datenbank (für Angehörige der Universität Heidelberg zu erreichen über: http://rzblx10.uni-regensburg.de/dbinfo/detail.php?bib_id=ubhe&colors=&ocolors =&titel_id=1019) Thesaurus Linguae Latinae. Editus iussu et auctoritate consilii ab argumentis societatibusque diversarum nationum electi. Index librorum scriptorum inscriptionum et quibus exempla afferuntur. Editio altera, Leipzig5 1990. Walde, A./ Hofmann, J. B., Lateinisches Etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 3 1954.

7.2.2. Sekundärliteratur Adams, J. N., The Latin Sexual Vocabulary, London2 1987. Aigner, H., Zur gesellschaftlichen Stellung von Henkern, Gladiatoren und Berufsathleten, in: Weiler, I. (Hrsg.), Soziale Randgruppen und Außenseiter im Altertum. Referate vom Symposion „Soziale Randgruppen und antike Sozialpolitik“ in Graz (21. bis 23. September 1987), Graz 1988, 201–220. Albrecht, M. von, Geschichte der römischen Literatur von Andronicus bis Boëthius. Mit Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Neuzeit, 2 Bde., 2. bearb. Aufl. München 1997. Alföldy, G., Das Heer in der Sozialstruktur des Römischen Kaiserreiches, in: Acta Antiqua Academiae Scientarum Hungaricae 32, 1989, 169–186. Altenmüller, H., Hand, LÄ 2, Sp. 938–943. Amy, R./Gros, P., La Maisson Carrée de Nîmes. XXXVIIIe supplement à Gallia. I. Texte, Paris 1979. Amy, R./Gros, P., La Maisson Carrée de Nîmes. XXXVIIIe supplement à Gallia. II. Planches, Paris 1979. André, J., Essen und Trinken im alten Rom, Stuttgart 1998. Assmann, J., Ma´at. Gerechtigkeit und Unsterblichkeit im Alten Ägypten, München2 1995. Aubriot-Sévin, D., Prière et conceptions religieuses en Grèce ancienne jusqu’ à la fin du Ve siècle av. J.-C., Lyon 1992. Aust, E., Concordia (Nr. 5), RE 4, 1, Sp. 831–835. Baar, M., Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio, Stuttgart 1990. Bälber, B., Nike 2. Ikonographie, DNP 8, Sp. 907f. Bain, D., Six Geek Verbs of sexual Congress, in: CQ 41, 1991, 51–77.

252

7. Anhang

Baltrusch, E., Regimen morum. Die Reglementierung des Privatlebens der Senatoren und Ritter in der römischen Republik und frühen Kaiserzeit, München 1989. Baratte, F., Essbesteck, DNP 4, Sp. 139–141. Barsley, M., Left-handed People. An Investigation into History of Left-handedness, Hollywood 1977. Bauer, J./Felber, A., Herz, RAC 14, Sp. 1093–1131. Beard, M./North, J./Price, S., Religions of Rome. Volume 1. A History, Cambridge 1998. Beard, M., Priesthood in the Roman Republic, in: Beard, M./North, J. (Hrsg.), Pagan Priests. Religion and Power in the Ancient World, London 1990, 17–48. Becatti, G., Il culto di Ercole ad Ostia, in: BCAR 67, 1939, 37–60. Bechtel, F., Die historischen Personennamen des Griechischen bis zur Kaiserzeit, Halle 1917. Beckel, G., Götterbeistand in der Bildüberlieferung griechischer Heldensagen, Waldsassen 1961. Bendlin, A., Purity and Pollution, in: Odgen, D. (Hrsg.), A Companion to Greek Religion, Oxford 2007, 178–189. Bernstein, A. E., The Formation of Hell. Death and Retribution in the ancient and early Christian Worlds, London 1993. Bertini, F., Asinaria cum commentario esegetico, Genova, 1968. Bishop, M.C./Coulston, J. C. N., Roman Military Equipment from the Punic Wars to the fall of Rome, London 1993. Bisiacchi, P., Left-handedness in Fencers: an attentional Advantage?, in: Perceptual and Motor Skills 61, 1985, 507–513. Blanck, H., Einführung in das Privatleben der Griechen und Römer, Darmstadt2 1996. Bloch, K. H., Masturbation und Sexualerziehung in Vergangenheit und Gegenwart. Ein kritischer Literaturbericht, Frankfurt am Main u. a. 1989. Bloch, R., La divination dans l’antiquité, Paris 1984. Böhmer, F., P. Ovidius Naso. Die Fasten, Bd. 2. Kommentar, Heidelberg 1958. Bonfante, G., L’ étimo del lat. sinister (it. sinistro), in: RAL 36, 1981, 187–188. Bonnechere, P., Divination, in: Ogden, D. (Hrsg.), A Companion to Greek Religion, Oxford 2007, 145–159. Boschung, D., Antike Grabaltäre aus den Nekropolen Roms, Bern 1987. Bradley, K., The Roman Family at Dinner, in: Nielsen, I./Nielsen, H. S. (Hrsg.), Meals in a Social Context. Aspects of the Communal Meal in the Hellenistic and Roman World, Aarhus 1998, 36–55. Brakmann, H., Körperdrehung, RAC 21, Sp. 222f. Bremmer, J. N., The Status and Symbolic Capital of the Seer, in: Hägg, R. (Hrsg.), The Role of Religion in the Early Greek Polis, Stockholm 1996, 97–109. Bremmer, J. N., Schlange. II. Mythos und Religion, DNP 11, Sp. 181–184. Brinkmann, A., Ein Denkmal des Neupythagorismus, in: RhMus 66, 1911, 616–625. Bringmann, K., Zur Tiberiusbiographie Suetons, in: RhMus 114, 1971, 268–285. Bruneau, P., Ares, LIMC 2, 1, 479–492. Buecheler, F., Kleine Schriften, Bd. 2, Leipzig-Berlin 1927. Bürchner, L., Skaioiv, RE 3 A, 1, Sp. 424. Burckhardt, J, Weltgeschichtliche Betrachtungen, Bd. 7, hrsg. von Oeri, A./Dürr, E., Berlin/Leipzig 1929. Burkert, W., Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart/Berlin/Köln/ Mainz 1977. Burkert, W., Homer’s Anthropomorphism: Narrative and Ritual, in: Buitron-Oliver, D. (Hrsg.), New Perspectives in Early Greek Art. Proceedings of the Symposium „New Perspectives in Early Greek Art“, sponsored by the Center for Advanced Study in the Visual Arts, 27 – 28 May 1988, Washington D.C. 1991, 81–91. Burkert, W., Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion, München 1998. Burkert, W., Die Griechen und der Orient. Von Homer bis zu den Magiern, München 2003.

7.2. Literaturverzeichnis

253

Burkert, W., Signs, Commands, and Knowledge: Ancient Divination between Enigma and Epiphany, in: Johnston, S. I./Struck, P. (Hrsg.), Mantikê. Studies in Ancient Divination, Leiden/Boston 2005, 29–49. Burkert, W./Suárez de la Torre, E./Graf, F., 6a Divination, Gr., ThesCRA III, 1–51. Calame, C., Alkman, DNP 1, Sp. 512–515. Calza, R./Nash, E., Ostia, Firenze 1959. Campell, B., War and Society in Imperial Rome 31 BC-AD 284, London/New York 2002. Canto, A. M., Les plaques votives avec Plantae Pedum d’Italica: un essai d’interpretation, in: ZPE 54, 1984, 183–194. Caro, S. De (Hrsg.), Il Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Napoli 1994. Carter, M., The Presentation of Gladiatorial Spectacles in the Greek East, Hamilton/Ontario 1999. Cartledge, P., The Greeks. A Portrait of Self and Others, Oxford2 2002. Castiglione, L., Inverted Footprints. A Contribution to the ancient popular Religion, in: Acta Ethnographica Academiae Scientarum Hungaricae 17, 1968, 121–137. Chaniotis, A., Die Verträge zwischen kretischen Poleis in der hellenistischen Zeit, Stuttgart 1996. Chaniotis, A., Reinheit des Körpers: Reinheit des Sinnes in den griechischen Kultgesetzen, in: Assmann, J./Sundermeier, T./Wrogemann, H. (Hrsg.), Schuld. Gewissen und Person. Studien zur Geschichte des inneren Menschen, Gütersloh 1997, 142–179. Chaniotis, A., War in the Hellenistic World. A Social and Cultural History, Oxford/ Malden (Mass.) 2005. Chantraine, P., Les mots designant la gauche en grec ancien, in: Kronasser, H. (Hrsg.), Mnemes Charin. Gedenkschrift Paul Kretschmer, Wien 1956. Chantraine, P., Dictionnaire Étymologique de la Langue Grecque. Histoire des Mots, Paris 1968. Classen, J. C., Virtutes Romanorum. Römische Tradition und griechischer Einfluss, in: Gymnasium 95, 1988, 289–302. Coarelli, F., Rom. Ein archäologischer Führer, erw. u. überarb. Neuaufl. Mainz 2000. Connolly, P., The Early Roman Army, in: Hackett, J. (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 136–148. Connolly, P., The Roman Army in the Age of Polybios, in: Hackett, J. (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 149–168. Coleman, K. M., A left-handed Gladiator at Pompeii, in: ZPE 114, 1996, 194–196. Connolly, P., Greece and Rome at War, London2 1998. Coray, M., Wissen und Erkennen bei Sophokles, Basel/Berlin 1993. Cornell, T., The Beginnings of Rome. Italy and Rome from the Bronze Age to the Punic Wars (c. 1000–264 BC), London/New York 1995. Costa, C. D. N., Seneca, Medea, edited with Introduction and Commentary, Oxford 1973. Couissin, J., Suétone physiognomoniste dans les vies des XII Césars, in: REL 31, 1953, 234–256. Couissin, P., Les armes figurées sur les monuments romains de Gaule méridionale, in: Rev. Arch. 1923, 2, 29–87. Cuillandre, J., La droite et la gauche dans les poèmes homériques, Paris 1944. Dalby, A., Essen und Trinken im alten Griechenland. Von Homer zur byzantinischen Zeit, Stuttgart 1998. Dalby, A., Food in the Ancient World from A to Z, London 2003. Davidson, J., Opsophagia: Revolutionary Eating at Athens, in: Wilkins, J./Harvey, D./Dobson, M. (Hrsg.), Food in Antiquity, Exeter 1995, 204–213. Davies, G., The Significance of the Handshake Motif in Classical Funeray Art, in: AJA 89, 1985, 627–640. Davis, S. J. M., Animal Sacrifices, in: Buitron-Oliver, D. (Hrsg.), The Sanctuary of Apollo Hylates at Kourion: Excavations in the Archaic Precint, Jonsered 1996, 181f.

254

7. Anhang

Deißmann-Merten, M., Zur Sozialgeschichte des Kindes im antiken Griechenland, in: Martin, J./Nitschke, A. (Hrsg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, Freiburg/München 1986, 267–316. Deitmaring, U., Die Bedeutung von Rechts und Links in theologischen und literarischen Texten bis um 1200, in: Zeitschrift für Deutsches Altertum und Deutsche Literatur 98, 1969, 265– 292. Demargne, P., Athena, LIMC 2, 1, 955–1044. Dierichs, A., Erotik in der Kunst Griechenlands, Mainz 1993. Dierichs, A., Erotik in der Römischen Kunst, Mainz 1997. Dierichs, A., Erotik II. Kunst, DNP 4, Sp. 97–103. Dillon, M. P. J., The Importance of Oionomanteia in Greek Divination, in: Dillon, M. P. J. (Hrsg.), Religion in the Ancient World: New Themes and Approaches, Amsterdam 1996, 99–121. Dixon, S., The Roman Family, London 1992. Dobson, B., The Empire, in: Hackett, J. (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 192– 221. Dobson, B., Die Primipilares. Entwicklung und Bedeutung, Laufbahn und Persönlichkeiten eines römischen Offizierranges, Bonn 1978. Döpp, S., Zum Aufbau der Tiberiusvita Suetons, in: Hermes 100, 1972, 444–460. Donahue, J. F., Introduction (to Roman dining issue), in: AJPh 124, 2003, 325–327. Donahue, J. F., Toward a Typology of Roman Public Feasting, in: AJPh 124, 2003, 423–441. Donohne, A. A., Künstler, DNP 6, Sp. 884–890. Dörrie, H., Gottesvorstellung, RAC 12, Sp. 81–154. Dover, K. J., Greek Homosexuality, Cambridge, Massachusetts2 1989. Duchesne-Guillemin, J./DÖrrie, H., Dualismus, RAC 4, Sp. Dürckheim, K./Mangoldt, U. von, Der Mensch im Spiegel der Hand, München2 1966. Dunbabin, K. M. D., Ipsa deae vestigia… Footprints divine and human on Graeco-Roman Monuments, in: JRA 3, 1990, 85–109. Dunbabin, K. M. D., Triclinium and Stibadium, in: Slater, W.J. (Hrsg.), Dining in a Classical Context, Ann Arbor 1991, 121–148. Dunbabin, K. M. D., Ut Graeco more biberetur. Greeks and Romans on the Dining Couch, in: Nielsen, I./Nielsen, H. S. (Hrsg.), Meals in a Social Context. Aspects of the Communal Meal in the Hellenistic and Roman World, Aarhus 1998, 81–101. Eisenhut, W., Augures, DKP 1, Sp. 734–736. Elze, R., Rechts und Links. Bemerkungen zu einem banalen Problem, in: Kintzinger, M./Stürner, W./Zahlten, J. (Hrsg.), Das andere Wahrnehmen. Beiträge zur europäischen Geschichte. August Nitschke zum 65. Geburtstag gewidmet, Köln/Weimar/Wien 1991, 75–82. Engels, D., Das römische Vorzeichenwesen (753–27 v. Chr.). Quellen, Terminologie, Kommentar, historische Entwicklung, Stuttgart 2007. Ernout, A., La Magie chez Pline L’Ancien, in: Renard, M./Schilling, R. (Hrsg.), Hommages à Jean Bayet, Bruxelles-Berchem 1964, 190–195. Esser, A., Cäsar und die julisch-claudischen Kaiser im biologisch-ärztlichen Blickfeld, Leiden 1958. Evans, E. C., Roman Descriptions of personal Appearance in History and Biography, in: HSCPh 46, 1935, 43–84. Evans, E. C., The Study of Physiognomy in the second Century AD, in: TAPhA 72, 1941, 96–108. Eyben, E., Sozialgeschichte des Kindes im römischen Altertum, in: Martin, J./Nitschke, A. (Hrsg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, Freiburg/München 1986, 317–363. Fantham, E., Literarisches Leben im antiken Rom. Sozialgeschichte der römischen Literatur von Cicero bis Apuleius. Aus dem Englischen von Theodor Heinze, Stuttgart/Weimar 1998. Farnell, L. R., Critical Commentary to the Works of Pindar, Amsterdam 1961. Fears, J. R., Gottesgnadentum, RAC 11, Sp. 1118f. Fears, J. R., The Theology of Victory in Rome, ANRW II, 17, 2, 1981, 736–826.

7.2. Literaturverzeichnis

255

Fellmann, R., Der Sabazios-Kult, in: Vermaseren, M. J. (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, Leiden 1981, 316–340. Ferngren, G. B., Krankheit, RAC 21, Sp. 966–1006. Feugère, M., Weapons of the Romans, Gloucestershire 2002. Fiebinger, H. O., Decursio, RE 4, 2, Sp. 2353f. Fiechter, E. R., Der Ionische Tempel am Ponte Rotto in Rom, in: MDAIR 21, 1906, 220–279. Filges, A., Himationträger, Palliaten und Togaten. Der männliche Mantelnormaltypus und seine regionalen Varianten in Rundplastik und Relief, in: Mattern, T. (Hrsg.), Munus. FS für Hans Wiegartz, Münster 2000, 103–107. Fincher, J., Lefties. The Origins and Consequences of being left-handed, ND New York 1980. Fischer, H. G., Rechts und Links, LÄ 5, Sp. 187–191 Flaig, E., Über die Grenzen der Akkulturation. Wider die Verdinglichung des Kulturbegriffs, in: Vogt-Spira, G./Rommel, B. (Hrsg.), Rezeption und Identität. Die kulturelle Auseinandersetzung Roms mit Griechenland als europäisches Paradigma, Stuttgart 1999. Flaig, E., Ritualisierte Politik. Zeichen, Gesten und Herrschaft im Alten Rom, Göttingen 2003. Fless, F., Opferdiener und Kultmusiker auf stadtrömischen historischen Reliefs. Untersuchungen zur Ikonographie, Funktion und Benennung, Mainz 1995. Flury, P., Euphemismus, DNP 4, Sp. 264. Föllinger, S., Geschlecht, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 339–342. Frazer, J. G., Pausanias’s Description of Greece. Vol. 3. Commentary on Books II–V, New York 1898. Frazer, J. G, The Golden Bough. Part I. The Magic Art and the Evolution of the Kings, Vol. I, London3 1913. Frey, M., Untersuchungen zur Religion und Religionspolitik des Kaisers Elagabal, Stuttgart 1989. Fritsch, V., Links und rechts in Wissenschaft und Leben, Stuttgart 1964. Frothingham, A. L., Ancient Orientation unveiled, in: AJA 21, 1917, 55–76. 187–201. Furley, W. D., Prayers and Hymns, in: Ogden, D. (Hrsg.), A Companion to Greek Religion, Oxford 2007, 117–131. Gager, J. G., Curse Tablets and Binding Spells from the Ancient World, New York/Oxford 1992. García Ramón, J. L., Personennamen. II. Griechenland, DNP 9, Sp. 623–626. Garnsey, P., Child Rearing in Ancient Italy, in: Kertzler, D./Saller, R. P. (Hrsg.), The Family in Italy from Antiquity to the Present, New Haven/London 1991, 48–65. Garvie, A. F., Sophocles, Ajax, edited with Introduction, Translation and Commentary, Warminster 1998. Gatti, G., Regione I. (Latium et Campania). IX. Roma. Nuove scoperte nella città e nel suburbio, in: NSA 1889, 398–400. Geisau, H. von, Opheltes, DKP 4, Sp. 311. Georgacas, D. J., A Contribution to Greek Word History. Derivation and Etymology, in: Glotta 36, 1958, 100–122. Gelzer, M., Caesar. Der Politiker und Staatsmann, neu bearb. u. erw. Wiesbaden6 1983. Gerlach, G., Essen und Trinken in römischer Zeit, Köln 1986. Gerlach, G., Zu Tisch bei den alten Römern. Eine Kulturgeschichte des Essens und Trinkens, Darmstadt 2001. Gerlach, W., Das neue Lexikon des Aberglaubens, Frankfurt am Main 1998. Gippert, J., Sprachwandel, DNP 11, Sp. 864–866. Gladigow, B., Konkrete Angst und offene Furcht. Am Beispiel des Prodigienwesens in Rom, in: von Stietencron, H. (Hrsg.), Angst und Gewalt. Ihre Präsenz und ihre Bewältigung in den Religionen, Düsseldorf 1979, 61–77. Goette, H. R., Studien zu römischen Togadarstellungen, Mainz 1989. Golden, M., Children and Childhood in Classical Athens, London 1990. Goldsworthy, A. K., The Roman Army at War 100BC-AD 200, Oxford 1998.

256

7. Anhang

Goldsworthy, A. K., The Othismos, Myths and Heresis: The Nature of Hoplite Battle, in: War in History 4, 1997, 1–26. Gordon, R., The healing Event in Graeco-Roman Folk-Medicine, in: van der Eijk, P. J./Horstmanshoff, H. F. J./Schrijvers, P. H. (Hrsg.), Ancient Medicine in its Socio-Cultural Context, Vol. 2, Amsterdam/Atlanta, 1995, 363–376. Gordon, R., Imagining Greek and Roman Magic, in: Flint, V./Gordon, R./Luck, G./Ogden, D., Witchcraft and Magic in Europe. Vol. 2. Ancient Greece and Rome, London 1999, 159–275. Gornatowski, A., Rechts und Links im antiken Aberglauben, Diss. Breslau 1936. Goulaki-Voutira, A., Nike, LIMC 6, 1, 859–881. Graf, F., Asteria (Nr. 2), DNP 2, Sp. 118. Graf, F., Eleusis und die orphische Dichtung Athens in vorhellenistischer Zeit, Berlin 1974. Graf, F., Gottesnähe und Schadenszauber. Die Magie in der griechisch-römischen Antike, München 1996. Graf, F., 6i Magie, ThesCRA III, 287–299. Grebe, S., Martianus Capella. De nuptiis Philologiae et Mercurii. Darstellung der Sieben Freien Künste und ihrer Beziehung zueinander, Stuttgart/Leipzig 1999. Gregari, G. L., Epigrafia anfiteatrale dell’ Occidente Romano II. Regiones Italiane VI–XI, Roma 1989. Grelle, F., „Correctio Morum“ nella legislazione Flavia, ANRW II, 13, 1980, 340–365. Grieshammer, R., Rechts und Links (Symbolik), LÄ 5, Sp. 191–193. Griffith, F. L./Thomson, H. (Hrsg.), The demotic magical Payrus of London and Leiden, Vol. 1, London 1904. Grondona, M., La religione e la superstizione nella Cena Trimalchionis, Brüssel 1980. Gros, P., Vitruve de l’ architecture. Livre III, Paris 1990. Groß, K., Galens teleologische Betrachtung der menschlichen Hand in de usu partium, in: Sudhoffs Archiv 58, 1974, 13–24. Groß, K., Finger, RAC 7, Sp. 909–946. Groß, K., Lob der Hand im klassischen und christlichen Altertum, in: Gymnasium 83, 1976, 423– 440. Groß, K., Menschenhand und Gotteshand in Antike und Christentum, aus dem Nachlass hrsg. von W. Speyer, Stuttgart 1985. Groß, W. H., Opson, DKP 4, Sp. 319. Grote, U., Nike, LIMC 6, 1, 881–895. Grouios, G., Do left-handed Competitors have any innate Superiority in Sports?, in: Perceptual and Motor Skills 90, 2000, 1273–1282. Gruben, G., Griechische Tempel und Heiligtümer, 5. völlig überarb. und erw. Neuaufl., München 2001. Grundmann, W., Aufwärts-abwärts, RAC 1, Sp. 954–957. Guarducci, M., Le impronte del Quo Vadis e monumenti affini, figurati ed epigrafici, in: RendPontAcc 19, 1942–43, 305–344. Gugel, H., Caesars Tod (Sueton, Div. Iul. 81, 4–82, 3). Aspekte zur Darstellungskunst und zum Caesarbild Suetons, in: Gymnasium 77, 1970, 5–22. Guitard, C., Recherches sur le carmen et la prière dans la littérature latine et la religion romaine, Paris 1995. Gundert, B., Fieber, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 299–301. Gundert, B., Humoralpathologie, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 436–441. Habermehl, P., Jenseits IV–V.VIa2/c, RAC 17, Sp.258–330. Hahn, I., Traumdeutung und gesellschaftliche Wirklichkeit. Artemidorus Daldianus als sozialgeschichtliche Quelle, Konstanz 1992. Hajjar, Y., Jupiter Heliopolitanus, in: Vermaseren, M. J. (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, Leiden 1981, 213–240. Halliday, W. R., Greek Divination, London 1913.

7.2. Literaturverzeichnis

257

Halpern, D.F./Coren, S., Laterality and Longevity: Is Left-Handedness associated with a younger Age at Death?, in: Coren, S. (Hrsg.), Left-Handedness. Behavioral Implications and Anomalies, Amsterdam 1990, 509–545. Halsberghe, G. H., The Cult of Sol Invictus, Leiden 1972. Halsberghe, G. H., Le culte de Deus Sol Invictus à Rome au 3e siècle après J.C., ANRW II, 17, 4, 1984, 2181–2201. Hannover, I., Dualität, Dualismus und Bipolarität. Ein philosophischer Essay, Frankfurt am Main 1991. Hanson, A. E./Green, M. H., Soranus of Ephesus. Methodicorum princeps, ANRW II, 37, 2, 1994, 968–1075. Hanson, V., Epameinondas, the Battle of Leuktra (371 B. C.), and the „Revolution“ in Greek Battle Tactics, in: ClassAnt 7, 1988, 190–207. Harris, C. R. S., The Heart and the Vascular System in Ancient Greek Medicine. From Alcmaeon to Galen, Oxford 1973. Havé-Nikolaus, F., Untersuchungen zu den kaiserzeitlichen Togastatuen griechischer Provenienz. Kaiserliche und private Togati der Provinzen Achaia, Creta (et Cyrene) und Teilen der Provinz Macedonia, Mainz 1998. Heimberg, U., Das Bild des Poseidon in der griechischen Vasenmalerei, Freiburg 1968. Hekster, O., Commodus. An Emperor at the Crossroads, Amsterdam 2002. Helm, J., Magie, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 581–583. Henderson, J., Pornographie III. Griechenland, DNP 10, Sp. 165–168. Henkel, F., Die römischen Fingerringe der Rheinlande, Berlin 1913. Henriksén, C., Martial. Book IX. A Commentary, Vol. 1, Uppsala 1998. Heubeck, A./West, S./Hainsworth, J. B., A Commentary on Homer’s Odyssey. Vol. I. Introduction and Books I–VIII, Oxford 1988. Hickson, F. V., Roman Prayer Language. Livy and the Aneid of Vergil, Stuttgart 1993. Hirschfelder, G., Europäische Esskultur. Eine Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute, Frankfurt/Main 2001. Höfer, O., Laios, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Bd. 2, 2, Sp. 1800–1802. Hölkeskamp, K.-J., Fides – deditio in fidem – dextra data et accepta: Recht, Religion und Ritual in Rom, in: Bruun, C. F. M. (Hrsg.), The Roman Middle Republic, Politics, Religion, and Historiography c. 400 – 133 B.C. Papers from a Conference at the Institutum Romanum Finlandiae. September 11 – 12, 1998, Rom 2000, 223–250. Hölscher, T., Victoria Romana. Archäologische Untersuchungen zur Geschichte und Wesensart der römischen Siegesgöttin von den Anfängen bis zum Ende des 3. Jhs. n. Chr., Mainz 1967. Hölscher, T., Die Geschichtsauffassung in der Römischen Repräsentationskunst, in: JDAI 95, 1980, 265–321. Hölscher, T., Homonoia/Concordia, LIMC 5, 1, 479–498. Hölscher, T., 2b Kultinstrumente. B. Römisch, ThesCRA V, 204–212. Hörig, M./Schwertheim, E., Corpus Cultus Iovis Dolichenus (CCID), Leiden/New York/Köln 1987. Hörig, M., Jupiter Dolichenus, ANRW II, 17,4, 1984, 2136–2179. Hofmann, J. B., Altitalische Dialekte, in: Friedrich, J. u. a., Stand und Aufgaben der Sprachwissenschaft. Festschrift für Wilhelm Streitberg, Heidelberg 1924, 361–391. Hooff, A. van, Masturbation, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 594f. Hoops, J., Right and Left in the germanic Languages, in: Études Germaniques 5, 1950, 81–96. Hope, V., Fighting for Identity: the funerary Commemoration of Italian Gladiators, in: Cooley, A. E. (Hrsg.), The Epigraphic Landscape of Roman Italy, London 2000, 93–113. Horn, H.-J., Fieber, RAC 7, Sp. 879–909. Hornung, S., Luxus auf dem Lande. Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach, hrsg. von Nestler-Zapp, A., Bad Kreuznach 2008.

258

7. Anhang

How, W. W./Wells, J., A Commentary on Herodotus with Introduction and Appendixes. Vol. 2 (Books V–IX), Oxford3 1936. Hülsen, C., Jahresberichte über neue Funde und Forschungen zur Topographie der Stadt Rom, in: MDAIR 6, 1891, 72–150. Hülsen, C., Euonymos (Nr. 2), RE 6, 1, Sp. 1158. Hünemörder, C., Maulbeerbaum, DNP 7, Sp. 1043. Hünemörder, C., Polygonon, DNP 10, Sp. 60f. Hünemörder, C., Phoinix (Nr. 6), DNP 11, Sp. 938f. Hughes, T. P., Lexikon des Islam, Wiesbaden 1995. Humer, E., Linkshändigkeit im Altertum. Zur Wertigkeit von links, der linken Hand und Linkshändern in der Antike, Tönning/Lübeck/Marburg 2006. Hurschmann, R., Kranz, DNP 6, Sp. 805–807. Hurschmann, R., Kleidung, DNP 6, Sp. 505–513. Hurschmann, R., Toga, DNP 12/1, Sp.654f. Isager, J., Pliny on Art and Society. The Elder Pliny’s Chapters on the History of Art, Odense 1991. Jacques, F./Scheid, J., Rom und das Reich in der Hohen Kaiserzeit 44 v. Chr. – 260 n. Chr. Bd. 1. Die Struktur des Reiches, Stuttgart/Leipzig 1998. Jakov, D./Voutiras, E., 6b Prayer, Gr., ThesCRA III, 105–141. Janka, M., Ovid. Ars Amaroria. Buch 2, Heidelberg 1997. Jones, B. W., The Emperor Domitian, London/New York 1992. Jordan, D. R., A Survey of Greek Defixiones not included in the special Corpora, in: GRBS 26, 1985, 151–197. Jordan, D. R., New archaeological Evidence for the Practise of Magic in Classical Athens, in: Praktika tou XII diethnous synedriou klasikēs archaiologias 1983/84, Bd. 4, 273–277. Jung, J. H., Die Rechtsstellung der römischen Soldaten. Ihre Entwicklung von den Anfängen bis Diokletian, ANRW II, 14, 1982, 882–1013. Junkelmann, M., Familia Gladiatoria. Die Helden des Amphitheaters, in: Köhne, E./Ewigleben, C. (Hrsg.), Caesaren und Gladiatoren. Die Macht der Unterhaltung im antiken Rom, Mainz 2000, 39–80. Junkelmann, M., Die Legionen des Augustus. Der römische Soldat im archäologischen Experiment, Mainz9 2003. Kádár, Z./Berényi-Révész, M., Die Anthropologie des Plinius Maior, ANRW II, 32, 4, 1986, 2201–2224. Kajanto, I., The Latin Cognomina, Helsinki 1965. Kamptz, H. von, Homerische Personennamen. Sprachwissenschaftliche und historische Klassifikation, Göttingen 1982. Karanatassi, P., Zeus, LIMC 8, 1, 350–356. Kaser, M., Das Römische Privatrecht, München2 1971. Keller, R., Sprachwandel, Tübingen/Basel2 1994. Keller, R./Kirschbaum, I., Bedeutungswandel, in: Der Deutschunterricht 52, 2000, 41–53. Keppie, L., The Making of the Roman Army. From Republic to Empire, London 1984. Keppie, L., The Roman Army of the Latter Republic, in: Hackett, J. (Hrsg.), Warfare in the Ancient World, London 1989, 169–191. Kerstenhahn, K., Florettfechten. Von den Grundzügen bis zur Perfektion, München 1978. Keynes, M./Mann, J. C., Roman Legionary Symbols, in: ZPE 115, 1997, 295–298. Keßler, D., Himmelsrichtung, LÄ 2, Sp. 1213–1215. Keuls, E. C., The Reign of the Phallus. Sexual Politics in Ancient Athens, Berkeley/Los Angeles/ London 1993, Kiechle, F., Zur Humanität in der Kriegsführung der griechischen Staaten, in: Historia 7, 129– 156.

7.2. Literaturverzeichnis

259

Kienast, D., Augustus, Prinzeps und Monarch, Darmstadt3 1999. Kiener, F., Hand, Gebärde und Charakter. Ein Beitrag zur Ausdruckskunde der Hand und ihrer Gebärden, München 1962. Kilmer, M. F., Greek Erotica on Attic Red-Figure Vases, London 1993. Kind, E., Soranos, RE 3A, 1, Sp. 1113–1130. King, H., Geschlecht (Nr. 2). Medizinisch, DNP 4, Sp. 1005–1008. Kirk, G. S., The Iliad. A Commentary. Vol. I. Books 1–4, Cambridge 1985. Kislinger, E., Sexualität, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 800–803. Klauser, T., Beifuß, RAC 2, Sp. 103–105. Knippschild, S., „Drum bietet zum Bunde die Hände“. Rechtssymbolische Akte in zwischenstaatlichen Beziehungen im orientalischen und griechisch-römischen Altertum, Stuttgart 2002. Knott, K., The Location of Religion. A Spatial Analysis, London 2005. König, A./König I., Der römische Festkalender der Republik. Feste, Organisation und Priesterschaften, Stuttgart 1991. Korenjak, M., Die Ericthoszene in Lukans Pharsalia. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, Frankfurt am Main u. a. 1996. Kötting, B., Blickrichtung, RAC 2, Sp. 429–433. Kötting, B., dextrarum iunctio, RAC 3, Sp. 881–888. Kötting, B., Fuß, RAC 8, Sp. 722–743. Kötting, B., Fußwaschung, RAC 8, Sp. 743–777. Kötzsche, L., Hand II (ikonographisch), RAC 13, Sp. 402–482. Kollesch, J., Die anatomischen Untersuchungen des Aristoteles und ihr Stellenwert als Forschungsmethode in der aristotelischen Biologie, in: Kullmann, W./Föllinger, S. (Hrsg.), Aristotelische Biologie. Intention, Methoden, Ergebnisse, Stuttgart 1997. Kolb, F., Römische Mäntel: paenula, lacerna, manduvh, in: MDAIR 80, 1973, 68–167. Köves-Zulauf, T., Virtus und pietas, in: AAntHung 40, 2000, 247–262. Korpela, J., Aromatarii, pharmacopolae, thuarii et ceteri. Zur Sozialgeschichte Roms, in: van der Eijk, P. J./Horstmanshoff, H. F. J./Schrijvers, P. H. (Hrsg.), Ancient Medicine in its Socio-Cultural Context, Vol. 1, Amsterdam/Atlanta, 1995, 101–118. Krack, D./Lingens, P., Bibliographie zu historischen Graffiti zwischen Antike und Moderne, Krems 2001. Krause, J.-U., Witwen und Waisen im Römischen Reich, Bd. 1. Verwitwung und Wiederverheiratung, Stuttgart 1994. Krauskopf, I., Thysthla, Thyrsoi und Narthekophoroi. Anmerkungen zur Geschichte des dionysischen Kultstabes, in: Thetis 8, 2001, 47–52. Krauskopf, I., 2b Kultinstrumente. A. Kultstäbe und ähnliches, ThesCRA V, 385–396. Kremydi-Sicilianou, S., Zeus, LIMC 8, 1, 362–371. Krenkel, W. A., Masturbation in der Antike, in: Wiss. Zs. Rostock 28, 1979, 159–178. Kroymann, J., Römische Kriegsführung im Geschichtswerk des Livius, in: Gymnasium 56, 1949, 121–134. Kromayer, J., Antike Schlachtfelder in Griechenland, Bd. 1, Berlin 1903. Kromayer, J./Veith, G., Heerwesen und Kriegführung der Griechen und Römer, München 1928. Kübler, B., Mucius (Nr. 17), RE 16, 1, Sp. 425–428. Kübler, B., Mucius (Nr. 21), RE 16, 1, Sp. 430–436. KÜbler, B., Mucius (Nr. 22), RE 16, 1, Sp. 437–446. Kullmann, W., Aristoteles und die moderne Wissenschaft, Stuttgart 1998. Kullmann, W., Die Voraussetzungen für das Studium der Biologie nach Aristoteles, in: Kullmann, W./Föllinger, S. (Hrsg.), Aristotelische Biologie. Intention, Methoden, Ergebnisse, Stuttgart 1997, 43–62. Kunkel, W., Staatsordnung und Staatspraxis der Römischen Republik. Zweiter Abschnitt. Die Magistratur, hrsg. und fortgeführt von H. Galsterer, C. Meier, R. Wittmann, München 1995. Kyrieleis, A., Hand, Lexikon der Biologie, Bd. 7, 46.

260

7. Anhang

Lagogianni-Georgakarakos, M., CSIR. Griechenland, Bd. III, Fasz. 1. Die Grabdenkmäler mit Porträts aus Makedonien, Athen 1998. Langner, M., Antike Graffitizeichnungen. Motive, Gestaltung und Bedeutung, Wiesbaden 2001. Laqueur, T. W., Solitary Sex. A Cultural History of Masturbation, New York 2003. Latte, K., Römische Religionsgeschichte, München 2 1967. Latte, K., Immolatio, RE 9,1, Sp. 1112–1133. Lazenby, J. F., The Spartan Army, Warminster 1985. Le Bohec, Y., Die römische Armee, autoris. Übersetzung von Cécile Bertrand-Dagenbach, Stuttgart 1993. Lendon, J. E., Soldiers and Ghosts. A History of Battle in Classical Antiquity, New Haven/London 2005. Lesky, A., Geschichte der griechischen Literatur, Bern/München3 1971. Leveau, P., Nouvelles inscriptions de Cherchel (3. serie), in: BAA 7, 1977/1979 (1985), 111–191. Leven, K.-H. (Hrsg.), Antike Medizin. Ein Lexikon, München 2005. Leventi, I., Zeus, LIMC 8, 1, 338–346. Leventi, I./Machaira, V., Zeus, LIMC 8, 1, 346–350. Levick, B., Claudius, London 1990. Libero, L. de, Mit eiserner Hand ins Amt? – Kriegsversehrte römische Aristokraten zwischen Recht und Religion, Ausgrenzung und Integration, in: Spielvogel, J. (Hrsg.), Res publica reperta. Zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, Stuttgart 2002, 172–191. Liebesschuetz, J. H. W. G., Continuity and Change in Roman Religion, Oxford 1979. Liebs, D., Römisches Recht. Ein Studienbuch, Göttingen4 1993. Linderski, J., The Augural Law, ANRW II, 16, 3, 1986, 2146–2312. Lindsay, H., Suetonius. Tiberius, edited with Introduction, Commentary and Bibliography, Bristol 1995. Liou-Gille, B., Dexter et sinster et leurs équivalents, in: Glotta 69, 1991, 194–201. Lissarragne, F., On the Wildness of Satyrs, in: Carpenter, T. H./Faraone, C. A. (Hrsg.), Mask of Dionysus, Ithaca 1993, 207–220. Lloyd, G. E. R., Science, Folklore and Ideology. Studies in the Life Sciences in Ancient Greece, Cambridge 1983. Lloyd, G. E. R, Polarity and Analogy. Two Types of Argumentation in Early Greek Thought, Cambridge 1966. Lloyd, G. E. R, Right and Left in Greek Philosophy, in: JHS 82, 1962, 56–66. L’Orange, H. P., Studies on the Iconography of cosmic Kingship in the Ancient World, Oslo 1953. Lorenz, S., Erotik und Panegyrik. Martials epigrammatische Kaiser, Tübingen 2002. Luck, G., Witches and Sorcerers in Classical Literature, in: Flint, V./Gordon, R./Luck, G./Ogden, D., Witchcraft and Magic in Europe. Vol. 2. Ancient Greece and Rome, London 1999, 91– 158. Luschey, H., Rechts und Links. Untersuchungen über Bewegungsrichtung, Seitenordnung und Höhenordnung in der antiken Bildsprache, Berlin 2002. MacDowell, D. M., Aristophanes, Wesps, edited with Introduction and Commentary, Oxford2 1978. Maier, H. O., Kleidung II (Bedeutung), RAC 21, Sp. 2–60. Magalhaes, M. M., Storia, istituzioni e prosopografia di Surrentum romana. La collezione epigrafica del Museo Correale di Terranova, Neapel 2003. MAggiani,A./Rafanelli, S., 6b Prayer, Etr., ThesCRA III, 142–150. Manganaro, G., Ricerche di epigrafia siceliota I. Per la storia del culto delle divinita’ orientali in Sicilia, in: Siculorum Gymnasium N.S. 14, 1961, 176–198. Mangoldt, U. von (Hrsg.), Das große Buch der Hand. Deutung der Hand durch fünf Jahrhunderte, Weilheim 1967. Manthe, U., Geschichte des römischen Rechts, München 2000.

7.2. Literaturverzeichnis

261

Marañon, G., Tiberius. A Study in Resentment, London 1956. Marbach, E., Tripudium (Nr. 1), RE 7A, 1, Sp. 230–233. Martin, J., Antike Rhetorik, München 1974. Martin, D. B., Inventing Superstition. From the Hippocratics to the Christians, Cambrigde (Mass.)/ London 2004. Mau, A., convivium, RE 4,1, Sp. 1201–1208. McManus, C., Right Hand, Left Hand. The Origins of Asymmetry in Brains, Bodies, Atoms and Cultures, London 2002. Medicus, D., Aediles, DKP 1, Sp. 83f. Megow, R., Antike Physiognomielehre, in: Das Altertum 9, 1963, 213–221. Meiggs, R., Roman Ostia, Oxford 1960. Meister, F., Waffen. VII. Klassische Antike. A. Griechenland, DNP 12,2, Sp. 364. Merkelbach, R., Isis Regina – Zeus Serapis. Die griechisch-ägyptische Religion nach den Quellen dargestellt, Stuttgart/Leipzig 1995. Merkelbach, R./Stauber, J., Steinepigramme aus dem Griechischen Osten, Bd. 1. Die Westküste Kleinasiens bis Ilion, Stuttgart/Leipzig 1998. Merlat, P., Jupiter Dolichenus, Paris 1960. Meyer, E., Das römische Manipularheer. Seine Entwicklung und seine Vorstufen, in: Meyer E., Kleine Schriften, Bd. 2, Halle 1924. Meyer, M., Die griechischen Urkundenreliefs, Berlin 1989. Meyer-Zwiffelhoffer, E., Im Zeichen des Phallus. Die Ordnung des Geschlechtslebens im antiken Rom, Frankfurt am Main/New York 1995. Mingazzini, P., Sorrento. Necropoli romana in località Sottomonte, in: NSA 4, 1928, 205–225. Morenz, S., Rechts und links im Totengericht, in: ZÄS 82, 1957–58, 62–71. Morpurgo Davies, A. Greek Personal Names and Linguistic Continuity, in: Hornblower, S./Matthews, E. (Hrsg.), Greek Personal Names. Their Value and their Evidence, Oxford/New York 2000, 15–39. Mosci Sassi, M. G., Il linguaggio gladiatorio, Bologna 1992. Münsterberg, R., Zu den attischen Fluchtafeln, in: JOEAI 7, 1904, 141–145. Münzer, F., Fabius (Nr. 109), RE 6, 1, Sp. 1792–1794. Münzer, F., Fabius (Nr. 115), RE 6, 1, Sp. 1811–1814. Münzer, F., Mucius (Nr. 10), RE 16, 1, Sp. 416–423. Musti, D./Torelli, M., Pausania, Guida della Grecia. Libro II. La Corinzia e l’ Argolide, Milano1986. Muth, R., Vom Wesen römischer religio, ANRW II, 16, 1, 1978, 290–354. Muth, R., Einführung in die griechische und römische Religion, Darmstadt 1988. Mylonopoulos, J., Heiligtümer und Kulte des Poseidon auf der Peloponnes, Liège 2003. Najock, D., Zahlenmystik, DKP 5, Sp. 1447–1449. Nash, D. E. M., Fides, LIMC 4, 1, 133–137. Neumann, G., Gesten und Gebärden in der Griechischen Kunst, Berlin 1965. Neuman, G., Die homerischen Personennamen. Ihre Position im Rahmen der Entwicklung des griechischen Namensschatzes, in: Latacz, J. (Hrsg.), Zweihundert Jahre Homer-Forschung. Rückblick und Ausblick, Stuttgart/Leipzig 1991, 311–328. (= Colloquium Rauricum Bd. 2) Nielsen, H. S., Roman Children at Mealtimes, in: Nielsen, I./Nielsen, H. S. (Hrsg.), Meals in a Social Context. Aspects of the Communal Meal in the Hellenistic and Roman World, Aarhus 1998, 56–66. Nigdelis, P. M., Epigrafika Thessalonikeia, Thessaloniki 2006. Nilgen, U., Rechts und Links, LMA 7, Sp. 518. Nilson, M. P., Geschichte der Griechischen Religion, Bd. 1, München3 1967. Nilson, M. P., Geschichte der Griechischen Religion, Bd. 2, München2 1961. Nörr, D., Die Fides im römischen Völkerrecht, Heidelberg 1991. Norden, E., P. Vergilius Maro. Aeneis BuchVI, Tübingen2 1915.

262

7. Anhang

Nussbaum, O., Die Bewertung von rechts und links in der römischen Liturgie, in: JbAC 5, 1962, 158–171. Nutton, V., Fieber, DNP 4, Sp. 510f. Oakley, J. H./Sinos, R. H., The Wedding in Ancient Athens, Wisconsin 1993. O’Boyle, M. W./Persson Benbow, C., Handedness and its Relationship to Ability and Talent, in: Coren, S. (Hrsg.), Left-Handedness Behavioral, Implications and Anomalies, Amsterdam 1990, 343–372. Önnerfors, A., Magische Formeln im Dienste römischer Medizin, ANRW II, 37, 1, 1993,157– 223. Ogden, D., Binding Spells: Curse Tablets and Vodoo Dolls in the Greek and Roman World, in: Flint, V./Gordon, R./Luck, G./Ogden, D., Witchcraft and Magic in Europe. Vol. 2. Ancient Greece and Rome, London 1999, 1–90. Ogden, D., Magic, Witchcraft and Ghosts in the Greek and Roman Worlds, Oxford 2002. Ogilvie, A., A Commentary on Livy. Books 1–5, Oxford 1965. Olck, F., Feige, RE 6, Sp. 2100–2151. Olsson, B./Rett, A., Linkshändigkeit, Bern/Stuttgart/Toronto 1989. Opelt, I., Die lateinischen Schimpfwörter und verwandte sprachliche Erscheinungen. Eine Typologie, Heidelberg 1965. Opelt, I., Euphemismus, RAC 6, Sp. 948–950. Otto, A., Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Hildesheim 1965. Paratore, E., Virgilio. Eneide. Volume III (Libri V–VI), Lorenzo Valla 1979. Parker, H. N., Love’s Body Anatomized: The Ancient Erotic Handbooks and the Rhetoric of Sexuality, in: Richlin, A. (Hrsg.), Pornography and Representation in Greece and Rome, Oxford 1992, 90–111. Parkin, T. G., Demography and Roman Society, London 1992. Parlasca, K., Die römischen Mosaiken in Deutschland, Berlin 1959. Paz de Hoz, M., Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, in: ZPE 118, 1997, 227– 230. Pease, A. S., M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Primus, Illionois 1920. Pease, A. S., M. Tulli Ciceronis De Divinatione Liber Secundus, Illionois 1923. Pekridou-Gorecki, A., Mode im antiken Griechenland, München 1989. Pemberton, E., The Dexiosis on Attic Gravestones, in: MedArch 2, 1989, 45–50. Perea, S./Montero, S., La misteriosa inscripción hispana a Zeus, Serapis y Iao: su relación con la magia y con la teología oracular del Apolo de Klaros, in: Paci, G. (Hrsg.), Epigraphai. Miscellanea epigrafica in onore di Lidio Gasperini, Roma 2000, 711–736. Petrikovits, H. von, Sacramentum, in: Hartley, B./Wacher, J. (Hrsg.), Rome and her Northern Provinces. Papers presented to Sheppard Frere in Honour of his Retirement from the Chair of Archaeology of the Roman Empire, University of Oxford 1983, Alan Sutton 1983, 179–201. Pfiffig, A. J., Religio Etrusca, Graz 1975. Pfister, F., Pflanzenaberglaube, RE 19, Sp. 1446–56. Pflug, H./Ruprechtsberger, E. M. (Hrsg./Bearb.), Antike Helme aus dem Antikenmuseum Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz. Ausstellung im Stadtmuseum Linz-Nordico, Linz 1988. Picard, C., Le geste de la prière funéraire en Grèce et en Étrurie, in: RHR 114, 1936, 137–157. Piccaluga, G., Fides nella religione romana di età imperiale, ANRW II, 17,2, 1981, 703–735. Pisani,V., Lat. sinister, in: AGI 65, 1980, 104–105. Podossinov, A., Himmelsrichtung (kultisch), RAC 15, Sp.233–286. Pötscher, W., Numen und numen Augusti, ANRW II, 16, 1, 1978, 355–392. Polaco, L., Il volto di Tiberio: Saggio di critica iconografica, Roma 1955. Pollard, J., Birds in Greek Life and Myth, London 1977.

7.2. Literaturverzeichnis

263

Pomeroy, S.B., Families in Classical and Hellenistic Greece. Representations and Realities, Oxford 1997. Prayon, F., Die Etrusker. Geschichte, Religion, Kunst, München 1996. Preisendanz, K., Fluchtafel (Defixion), RAC 8, Sp. 1–29. Preus, A., Science and Philosophy in Aristotle’s Biological Works, Hildesheim/New York 1975. Pritchett, W. K.,The Greek State at War. Part II, Berkeley/Los Angeles/London 1974. Pritchett, W. K., The Greek State at War. Part IV, Berkeley/Los Angeles/London 1985. Pugliese Carratelli., G., Le lamine d´oro orfiche. Istruzioni per il viaggio oltremondando degli iniziati greci, Mailand 2001. Pugliese Carratelli, G., Le lamine d´oro orfiche, Mailand 1993. Pulleyn, S., Prayer in Greek Religion, Oxford 1994. Racob, F./Heilmeyer, W.-D., Der Rundtempel am Tiber in Rom mit einer Bauaufnahme von W. Niemann und einem Beitrag von P. A. Gianfrotta, Mainz 1973. Radke, G., Zur Entwicklung der Gottesvorstellung und Gottesverehrung in Rom, Darmstadt 1987. Rawson, E., The Literary Sources for the Pre-Marian Army, in: Rawson, E., Roman Culture and Society. Collected Papers, Oxford 1991, 34–57. Reichmann, V., Feige I (Ficus carica), RAC 7, Sp. 640–682. Reusser, C., Der Fides-Tempel auf dem Kapitol in Rom und seine Ausstattung, Rom 1993. Rich, J./Shipley, G. (Hrsg.), War and Society in the Roman World, London/New York 1993. Rich, J./Shipley, G. (Hrsg.), War and Society in the Greek World, London/New York 1993. Richter, W., Wespe, RE Suppl. 15, Sp. 902–908. Richter, W., Schlange, DKP 5, Sp. 12–17. Riddle, J. M., High Medicine and Low Medicine in the Roman Empire, ANRW II, 37, 1, 1993, 102–120. Riedweg, C., Initiation – Tod – Unterwelt: Beobachtungen zur Kommunikationssituation und narrativen Technik der orphisch-bakchischen Golgblättchen, in: Graf, F. (Hrsg.), Ansichten griechischer Rituale. Geburtstags-Symposium für Walter Burkert, Stuttgart/Leipzig 1998, 359– 398. Riedweg, C., Pythagoras. Leben. Lehre. Nachwirkung. Eine Einführung, München 2002. Riedweg, C., Zahl. III. Klassische Antike. D. Zahlenmystik, DNP 12,2, Sp. 679–681. Riess, E. Aberglaube, RE 1, Sp. 29–93. Rieß, W., Apuleius und die Räuber. Ein Beitrag zur historischen Kriminalitätsforschung, Stuttgart 2001. Richardson, L., Propertius. Elegies I–IV, Oklahoma 1977. Robert, L., Les Gladiateurs dans l’Orient grec, Paris 1940 ND Amsterdam 1971. Robinson, H. R., The Armour of Imperial Rome, London 1975. Roeder, G., Die ägyptische Religion in Text und Bild. Bd. 4. Der Ausklang der ägyptischen Religion mit Reformation, Zauberei und Jenseitsglauben, Zürich/Stuttgart 1961. Röhrich, L., s.v. links, Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, Bd. 2, Freiburg 1992, 968 Rösger, A., Der Umgang mit Behinderten im römischen Reich, in: Liedkte, M. (Hrsg.), Behinderte als pädagogische und politische Herausforderung. Historische und systematische Aspekte, Bad Heilbrunn 1996, 137–150. Roller, M. B., Dining Posture in Ancient Rome. Bodies, Values, and Status, Princeton 2006. Rose, H. J., The Inauguration of Numa, in: JRS 13, 1923, 82–90. Rosenberger, V., Gezähmte Götter. Das Prodigienwesen der römischen Republik, Stuttgart 1998. Rüpke, J., Domi militiae. Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, Diss. Stuttgart 1990. Rüpke, J., Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, in: Wissmann, H. (Hrsg.), Krieg und Religion, Würzburg 1994, 55–78. Rüpke, J., Die Religion der Römer. Eine Einführung, München 2001. Ruggiero, I.., Richerche sul tempio di Portuno, in: BCAR 94, 1991–1992, 253–286.

264

7. Anhang

Sabbatini Tumolesi, P. Epigrafia anfiteatrale dell’ Occidente Romano I. Roma, Roma 1988. Sattler, J. B., Links und Rechts in der Wahrnehmung des Menschen. Zur Geschichte der Linkshändigkeit, Donauwörth 2000. Saussure, F. de, Adjectifs indo-européens du type caecus „aveugle“, in: de Saussure, F. (Hrsg.), Recueil des Publications scientifiques, Heidelberg 1922. Saussure, F. de, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, Berlin2 1967. Scharf, U., Straßenkleidung der römischen Frau, Frankfurt am Main 1994. Scheer, T. S., Die Götter anrufen. Die Kontaktaufnahme zwischen Mensch und Gottheit in der griechischen Antike, in: Brodersen, K. (Hrsg.), Gebet und Fluch, Zeichen und Traum. Aspekte religiöser Kommunikation in der Antike, Münster/Hamburg/London 2001, 31–56. Scheid, J., Romulus et ses frères. Le collège des frères arvales. Modèle du culte public dans la Rome des empereurs, Roma 1990. Scheid, J., Römische Religion. Republikanische Zeit, in: Graf, F. (Hrsg.), Einleitung in die lateinische Philologie, Stuttgart/Leipzig 1997. Scheid, J., An Introduction to Roman Religion, Edinburgh 2003. Schenk, D., Falvius Vegetius Renatus. Die Quellen der Epitoma Rei Militaris, Leipzig Diss. 1930. Scherf, J., Nike 1. Mythologisch, DNP 8, Sp. 906f. Schiemann, G., Fides, DNP 4, Sp.506–509. Schiemann, G., Ius iurandum, DNP 6, Sp. 99f. Schmaltz, B., Griechische Grabreliefs, Darmstadt 1983. Schmidt, M., Medeia, LIMC 6, 1, 386–398. Schmidt, P. L., Brief. D. Geschichte des Briefschreibens. 2. Griechenland und Rom, DNP 2, Sp. 774f. Schmitt, T., Die Bekehrung des Synesios von Kyrene. Politik und Philosophie, Hof und Provinz als Handlungsräume eines Aristokraten bis zu seiner Wahl zum Metropoliten von Ptolemaïs, München/Leipzig 2001. Schmitt-Pantel, P., Esskultur, DNP 4, Sp. 149–156. Schmitt-Pantel, P., Gastmahl. II. Griechenland, DNP 4, Sp. 789–803. Schmitz, W., Philokles (Nr. 1), DNP 9, Sp. 830. Schneider, K., Gladiatores, RE Suppl. 3, Sp. 760–784. Schörner, H., Identität, in: Schörner, G. (Hrsg.), Romanisierung – Romanisation. Theoretische Modelle und praktische Fallbeispiele, Oxford 2005, 15–23. Scholl, A., Die attischen Bildfeldstelen des 4. Jhs. v. Chr. Untersuchungen zu den kleinformatigen Grabreliefs im spätklassischen Athen, Berlin 1996. Schubert, C., Rechts vor links, in: FAZ, 13. 8. 2003, 7. Schulten, A., Die Tyrsener in Spanien, in: Klio 33, 1940, 73–102. Schwertheim, E., Iupiter Dolichenus. Seine Denkmäler und seine Verehrung, in: Vermaseren, M. J. (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, Leiden 1981, 193–211. Scullion, S., Olympian and Chthonian, in: ClassAnt 13, 1994, 75–119. Sellin, V., Mentalität und Mentalitätsgeschichte, in: HZ 241, 1985, 555–598. Selzer, W./Decker, K.-V./Do Paço, A., Römische Steindenkmäler. Mainz in Römischer Zeit, Mainz 1988. Seston, W., Feldzeichen, RAC 7, Sp. 690–711. Severus, E. von, Gebet I, RAC 8, Sp. 1134–1258. Sherwin-White, A. N., The Letters of Pliny. A Historical and Social Commentary, Oxford 1966. Simon, E., Die Götter der Griechen, München3 1985. Simon, E., Poseidon, LIMC 7, 1, 446–479. Sittl, C., Die Gebärden der Griechen und Römer, Leipzig 1890. Skutsch, O., The Annals of Q. Ennius, edited with Introduction and Commentary, Oxford 1985. Slater, W. J. (Hrsg.), Lexicon to Pindar, Berlin 1969. Smits, R., Linkshänder. Geschichte, Geschick, Begabung, Düsseldorf 2002. Snodgrass, A. M., Arms and Armor of the Greeks, Oxford2 1999. Sommerstein, A. H., Birds, Warminister3 1991.

7.2. Literaturverzeichnis

265

Sonnabend, H., Gebirge, in: Sonnabend, H. (Hrsg.), Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der Historischen Geographie, Stuttgart/Weimar 1999, 160–163. Speidel, M. P., The Religion of Juppiter Dolichenus in the Roman Army, Leiden 1978. Speidel, M. P., Centurial Signs and the Battle Order of the Legions, in: ZPE 154, 2005, 286–292. Spieß, A. B., Der Kriegerabschied auf attischen Vasen der archaischen Zeit, Frankfurt am Main 1992. Springer, S. P./Deutsch, G., Linkes – Rechtes Gehirn (aus dem Englischen übers. von M. Niehaus-Osterloh), Heidelberg/Berlin4 1998. Stamatu, M., Hand, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 375. Stamatu, M., Herz, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 410–412. Stamper, J. W., The Architecture of Roman Temples. The Republic to the Middle Empire, Cambridge 2005. Stannard, J., Herbal Medicine and herbal Magic in Pliny’s Time, in: Helmantica 37, 1986, 95– 106. Steier, A., Specht, RE 3A, 2, Sp. 1546–1551. Steier, A., Spinnentiere, RE 3A, 2, Sp. 1786–1812. Stein, A., Scaeva (Nr. 3), RE 2A, 1, Sp. 343. Stein-Hölkeskamp, E., Das römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München 2005. Stemplinger, E., Antiker Volksglaube, Stuttgart 1948. Stoll, O., The Religions of the Armies, in: Erdkamp, P. (Hrsg.), A Companion to the Roman Army, Oxford 2007, 451–476. Strack, P. L., Untersuchungen zur römischen Reichsprägung des zweiten Jahrhunderts. Teil 1. Die Reichsprägung zur Zeit des Traian, Stuttgart 1931. Strobel, K., Bemerkungen zur Laufbahn des T. Claudius Vitalis, in: Tyche 2, 1987, 203–209. Strobel, K., Ein weiteres Zeugnis zur Rangordnung im Römischen Legionszenturionat der Kaiserzeit, in: EA 12, 1988, 43–46. Strubbe, J. H. M., Cursed be he that moves my Bones, in: Faraone, C. A./Obbink, D. (Hrsg.), Magika Hiera. Ancient Greek Magic and Religion, Oxford 1991, 33–59. Stupperich, R., Zur dextrarum iunctio auf frühen Grabreliefs, in: Boreas 6, 1983, 143–150. Sullivan, J. P., Martial’s Sexual Attitudes, in: Philologus 123, 1979, 288–302. Sullivan, J. P., Martial’s Sexual Attitudes, in: Dynes, W. R./Donaldson, S. (Hrsg.), Homosexuality in the Ancient World, New York/London 1993, 418–432. Sutton, R. F., Pornography and Persuasion on Attic Pottery, in: Richlin, A. (Hrsg.), Pornography and Representation in Greece and Rome, Oxford 1992, 3–35. Syndikus, H. P., Catull und die Politik, in: Gymnasium 93, 1986, 34–47. Syndikus. H. P., Catull. Eine Interpretation. Erster Teil. Die kleinen Gedichte (1–160), Darmstadt 2001. Takacs, S. A., Sabazios, DNP 10, Sp. 1180–1182. Talbert, R. J. A. (Hrsg.), Barrington. Atlas of the Greek and Roman World, Princeton/Oxford 2000. Thome, G., Zentrale Wertvorstellungen der Römer I. Texte – Bilder – Interpretationen, Bamberg2 2002. Thome, G., Zentrale Wertvorstellungen der Römer. II. Texte – Bilder – Interpretationen, Bamberg 2000. Thraede, K., Hexe, RAC 14, Sp. 1269–1276. Thulin, C. O., Die etruskische Disciplin, Göteborg 1906–1909 ND Darmstadt 1968. Thulin, C. O., Haruspices, RE 7, 2, Sp. 24–31–2468. Tiverios, M., Zeus, LIMC 8, 1, 315–338. Touwaide, A., Pharmakologie, DNP 9, Sp. 746–749. Touwaide, A., Heilpflanzen, DNP 12/2, Sp. 991–1002. Trendall, A. D., Alkmene, LIMC 1, 1, 552–556. Trümpy, C., Vergleich des Mykenischen mit der Sprache der Chorlyrik, Bern 1986.

266

7. Anhang

Trümpy, C./Schmitt, T. (Hrsg.), Fritz Gschnitzer. Kleine Schriften zum griechischen und römischen Altertum. Bd 1. Frühes Griechentum. Historische und sprachwissenschaftliche Beiträge, Stuttgart 2001. Ürögdi, G., Sitos, DKP 5, Sp. 217–219. Utzinger, C., Bedeutungswandel von Wörtern, in: AU 44, 2001/3, 28–35. Varela, J. U., Tabú y Eufemismo en Latín, Amsterdam 1997. Veneri, A./Gaspari, C., Dionysos, LIMC 3, 1a, 414–514. Vermaseren, M. J./Lane, E. N. (Hrsg.), Corpus Cultus Iovis Sabazii. Bd.1. The Hands, Leiden 1983. Vermeule, C., The Dal Pozzo-Albani Drawings of Classical Antiquities in the Royal Library at Windsor Castle, Philadelphia1966. Vernant, J.-P., Divination et rationalité, Paris 1974. Versnel, H. S., Römische Religion und religiöser Umbruch, in: Vermaseren, M. J. (Hrsg.), Die Orientalischen Religionen im Römerreich, Leiden 1981, 41–72. Versnel, H. S., Religious Mentality in Ancient Prayer, in: Versnel, H. S. (Hrsg.), Faith, Hope and Worship. Aspects of Religious Mentality in the Ancient World, Leiden 1981, 1–64. Versnel, H. S., Some Reflections on the Relationship Magic-Religion, in: Numen 38, 1991, 177– 197. Vidal-Naquet, P., Épaminondas pythagoricien ou le problème tactique de la droite et de la gauche, in: Vidal-Naquet, P., Le chasseur noir. Formes de pensée et formes de société dans le monde grec, Paris 1983, 95–121. Vidmann, L., Isis und Sarapis bei den Griechen und Römern. Epigraphische Studien zur Verbreitung und zu den Trägern des ägyptischen Kultes, Berlin 1970. Visconti, C. L., Trovamenti di ogetti d’arte e di antichità figurate, in: BCAR 18, 1890, 338–340. Vogel, C., Handauflegung, RAC 13, Sp. 482–493. Vogt, W., C. Suetonius Tranquillus. Vita Tiberii. Kommentar, Diss. Würzburg1975. Vollkommer, R., Victoria, LIMC 8, 1, 237–269. Voutiras, E./Fyntikoglou, V., 6b Prayer, Rom., ThesCRA III, 151–179. Wagener, A. P., Popular Associations of Right and Left in Roman Literature, Baltimore 1912. Wagenvoort, H., Pietas, in: Wagenvoort, H. (Hrsg.), Pietas. Selected Studies in Roman Religion, Leiden 1980, 1–20. Wallinger, E., Hekates Töchter. Hexen in der römischen Antike, Wien 1994. Warnecke, H., Navigation, in: Sonnabend, H. (Hrsg.), Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der Historischen Geographie, Stuttgart/Weimar 1999, 374–377. Waser, O., Euonymos (Nr. 1), RE 6, 1, Sp. 1158. Watson, G. R., The Roman Soldier, Ithaka N.Y. 1969. Webster, G., The Roman Imperial Army of the First and Second Centuries A.D., London 1969. Weeber, K.-W., Panem et circenses. Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom, erw. Neuaufl. Mainz 1994. Weeber, K.-W., Alltag im Alten Rom. Das Leben in der Stadt, Düsseldorf/Zürich3 2006. Wees, H. van, The Development of the Hoplite Phalanx. Iconography and Reality in the seventh Century, in: van Wees, H. (Hrsg.), War and Violence in Ancient Greece, London 2000, 125– 166. Wees, H. van, Greek Warfare. Myths and Realities, London 2004. Weimer, W., Die Linkshänder fühlen sich links liegengelassen, in: FAZ, 2. 3. 1991, 3. Weinreich, O., Antike Heilungswunder. Untersuchungen zum Wunderglauben der Griechen und Römer, Gießen 1909 ND Berlin 1969. Wesch-Klein, G., Soziale Aspekte des Heerwesens zur römischen Kaiserzeit, Stuttgart 1998. West, D., Horace Odes III. Dulce Periculum. Text, Translation and Commentary, Oxford 2002. Weinstock, S., Victoria, RE 8A 2, Sp. 2501–2542. West, M. L., Zum neuen Goldblättchen aus Hipponion, in: ZPE 18, 1975, 229–236.

7.3. Abbildungsverzeichnis

267

Wiedemann, T., Kaiser und Gladiatoren. Die Macht der Spiele im antiken Rom, Darmstadt 2001. Wilkins, J. M./Hill, S., Food in the Ancient World, Oxford 2006. Williams, C. / Williams, H., Excavations at Mytilene 1988, in: EMC 32, 1988, 135–149. Wissowa, G., Auspicium, RE 2, 2, Sp. 2580–2587. Wissowa, G., Arvales fratres, RE 2, 2, Sp. 1463–1486. Wilson, C. A., Roman Homosexuality. Ideologies of Masculinity in Classical Antiquity, Oxford 1999. Wilson, F. R., Die Hand – Geniestreich der Evolution. Ihr Einfluss auf Gehirn, Sprache und Kultur des Menschen (aus dem Amerikanischen übers. von H. Kober), Stuttgart 2000. Wilson, L. M., The Roman Toga, Baltimore 1924. Will, W., Julius Caesar. Eine Bilanz, Stuttgart/Berlin/Köln 1992. Willuhn, G., Artemisiae herba, in: Wichtl, M. (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka. Ein Handbuch für die Praxis auf wissenschaftlicher Grundlage, Stuttgart4 2002, 60–62. Wöhrle, G., Diätetik, Antike Medizin. Ein Lexikon, Sp. 217–219. Wrede, H., Stadtrömische Monumente, Urnen und Sarkophage des Klinentypus in den beiden ersten Jahrhunderten n. Chr., in: AA 1977, 395–431. Ziehen, L., Mantis, RE 14, 2, Sp. 1345–1355. Zintzen, C., Zauberei, Zauberer, DKP 5, Sp. 1460–1472 Zwicker, J., Skai`o~ (Nr. 2), RE 3 A, 1, Sp. 424.

7.3. ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb.1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15:

Canto, A. M., Les plaques votives avec Plantae Pedum d’Italica: un essai d’interpretation, in: ZPE 54, 1984, Taf. VIII, 2. Canto, A. M., Les plaques votives avec Plantae Pedum d’Italica: un essai d’interpretation, in: ZPE 54, 1984, Taf. VIII, 1. Selzer, W., Römische Steindenkmäler. Mainz in Römischer Zeit, Mainz 1988, 30, Abb. 16. Webster, G., The Roman Imperial Army, London 1969, Plate I. Vermaseren, M. J./Lane, E. N. (Hrsg.), Corpus Cultus Iovis Sabazii. Bd.1. The Hands, Leiden 1983, Plate 6, Nr. 9. Hörig, M./Schwertheim, E., Corpus Cultus Iovis Dolichenus (CCID), Leiden/New York/ Köln 1987, Taf. 13, Nr. 40/41. Paz de Hoz, M., Henoteísmo y magia en una inscripción de Hispania, in: ZPE 118, 1997, Taf. V. Richter, G. M. A./Frantz, A., Korai. Archaic Greek Maidens, London 1968, Nr. 18, Fig. 79. Neumann, G., Gesten und Gebärden in der Griechischen Kunst, Berlin 1965, 80, Abb. 40. Hausmann, U., Kunst und Heiligtum. Untersuchungen zu den griechischen Asklepiosreliefs, Potsdam 1948, Taf. 13, A 42 (3). Trendall, A. D./Webster, T. B. L., Illustrations of Greek Drama, London 1971, III, 3, 8. Langner, M., Antike Graffitizeichnungen. Motive, Gestaltung und Bedeutung, Wiesbaden 2001, Taf. 73, Nr. 1163. De Caro, S., Il Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Napoli 1994, 177. Capizzi, C./Galati, F., Piazza Armerina. The Mosaics and Morgantina, Bologna 1990, 32. http://imagedb.coinarchives.com/img/lanz/146/image00304.jpg (Stand: 18.6.09) (= RRC 286/1 = CRR 534).

268 Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19:

7. Anhang Magalhaes, M. M., Storia, istituzioni e prosopografia di Surrentum romana. La collezione epigrafica del Museo Correale di Terranova, Napoli 2003, 239, Fig. 96. Langner, M., Antike Graffitizeichnungen. Motive, Gestaltung und Bedeutung, Wiesbaden 2001, Taf. 55, Nr. 1024. Robert, L., Les Gladiateurs dans l’Orient grec, Paris 1940 ND Amsterdam 1971, Pl. XXII, 12. Hornung, S., Luxus auf dem Lande. Die römische Palastvilla von Bad Kreuznach, Bad Kreuznach 2008, 44, Abb. 17.

7.2.4. REGISTER Aberglaube 40f., 57–75, 242 actio quanti minoris 218 actio redhibitoria 218 Aischylos 23, 140, 201 Akusmata 58, 242 Alexander der Große 97f., 140, 239 ambidexter 212 a)mfide/cioj 212 Anaxagoras 52, 114 Apuleius 32, 51, 141f. Archimedes 217 Aristera (Insel) 25f. a)ristero/j 14, 18–23, 25–27, 30f., 241 a)ristero/xeir 218 Aristophanes 17, 21f., 30, 153, 165–167, 241 Aristoteles 21–23, 29, 50–52, 54–59, 114, 198f., 211–213, 222, 246 Artemidor 53, 118, 168f. Arvalbrüder 73 Asklepios 117f., 138, 197 Athene 78, 116, 118, 197 Attus Navius 87f. Auguralwesen 31f., 40, 42–48, 80–91 Augustus 40, 46f., 58, 136f., 147, 156, 234 Aulus Gellius 32, 179, 205 Auspizien 43–47, 80, 85, 87–90, 156 Benjameniten 215, 223 Biologie 49–57, 112, 242 Blitz 40, 43f., 48, 81, 86f., 119, 121, 123, 191, 207 Brief 195, 218, 236–239 Caesar 136f., 146f., 235–240 Caligula 67f. Cassius Dio 225, 232, 236 Catull 36, 157, 161

Chlamys 154, 157, 198 Cicero 42–46, 80f., 83, 85, 87f., 90, 115, 121, 136, 149, 150, 162f., 202 Claudius 68 Commodus 229 Daumen – linker 179, 181 – rechter 128, 141, 148f. Decius Mus 103f. decio/j 18, 27–30, 241 Dexter (Cognomen) 33f., 37 dexter 30, 34, 36f., 39, 40, 42, 159, 241 Dialectica 174f., 200 digitus medicinalis 179 Diodor Siculus 217 Dionysios Halicarnassos 42 Anm. 230, 86f., 203 Anm. 580 Divination – griechisch 76–80, 243 – römisch 31, 38–48, 80–91, 207f., 242f. Domitian 39, 130 Anm. 123, 169 Anm. 361, 232f. Donner 40, 43, 45 Anm. 256, 48, 80f., 85 Dreitagefieber 178, 182–185 Dualismus 49, 159, 196, 206 Ehud 215 Eid 10, 133, 136f., 143f., 149f., 204f., 244 Ennius 32, 87 Epameinondas 96–98 Erictho 173f., 176 Essen 185–188, 190–196, 198, 215, 244 Etrusker 45, 81, 83f., 90 Anm. 229, 120f., 156 Anm. 228, 171 Euonymos (Insel) 25 eu)w/numoj 14, 22–25, 27, 31, 241

7.2.4. Register Euphemismus 19–23, 27, 31, 37 Euripides 16f., 22, 133, 135, 156, 188, 202, 241 Falsche Ochsenzunge 183f. Fechten 230 Feldzeichen 128, 130, 197 Festus 87 Fides 120, 126–133, 150, 152, 197, 205f., 244f. Flavius Josephus 73 Anm. 139, 110f., 151 Fluchtäfelchen 151, 180 Anm. 447 Formalismus 204, 208, 246 Fuß – linker 64 Anm. 89 u. Anm. 90, 67f., 173, 238 – rechter 64–68, 156, 173, 186, 242 Fußpaar 60–64 Galen 54, 56, 114 Anm. 13, 116 Anm. 21, 165, 179 Anm. 436, Gastmahl – griechisch 186–192 – römisch 192–196, 208 Gebet – allgemein 10, 38f. – griechisch 73, 118, 137–141 – römisch 73f., 141–144 Gegensatzpaare 49, 54, 57–59, 64f., 71, 75, 137, 140 Geschlecht 52–54, 55 Anm. 42, 242 Geschlechtsverkehr 162–165, 167f., 200 Gladiatoren 10, 27, 158, 223–230, 246 gladius 108–112, 244 Goldblättchen 69f. Gornatowski, Alois 11, 40 Hand – allgemeines 113–117 – Begrüßung 131 – linke Hand siehe Linke Hand – rechte Hand siehe Rechte Hand Handschlag – Abschied 131f. – Hochzeitsgeste 132f. – rechtssymbolischer Akt 133–135 – Zeichen von Treue 133–135 Haruspices 45 Heerwesen – griechisch 91–98 – römisch 98–112 Heilmagie 177–179, 181, 200 Herodot 17, 19 Anm. 52, 23 Anm. 79, 26, 241

269

Herz 54–57 Hesiod 15f., 22, 29, 57, 117 Hexe 173f. Himation 21f., 153, 155, 157, 160, 198, 244 Homer 15–20, 27–29, 57, 76, 78f., 117, 139, 186f., 201, 212, 241 Hopliten 92f., 95, 110, 145 Horaz 33, 36, 38, 159 Anm. 304 Hühner 44f., 238 Iamblichos 59, 67 Iao 124f. Inversion 75, 89, 170, 180, 185, 200, 245 iunctio dextrarum siehe Handschlag Jenseitsvorstellung – ägyptisch 70f. – orphisch-pythagoreisch 71 – platonisch 70f. – Vergil 71f. Jungfernkraut 183 Jupiter – allgemein 82, 84, 104, 121, 137, 143 – Jupiter Dolichenus 122f., 197, 205 – Jupiter Heliopolitanus 123f., 197, 205 – Jupiter Sabazios 121f., 197, 205f. Kindererziehung 193, 195, 214f., 233, 246 Kleidung 152–157, 160, 163, 165, 174, 198f., 244 Körperseite – linke 21, 23, 50, 52–56, 154f., 187 – rechte 21, 50–54, 57, 68 Kohorte 101–103, 105 Anm. 322, 106–108, 112, 244 laevus 15, 30–34, 37f., 48, 241 laio/j 14f., 19, 22, 24, 31–33, 241 La/i+oj 24 Linderski, Jerzy 84f., 87 Linke Hand – Diebstahl 36, 157–161, 163, 199, 201, 207f., 233, 244f. – Essen 187, 189f., 193–196, 198, 215 – Gebet 171f. – Kontakt zur Unterwelt 171–176, 199f., 202 – Magie 176–185, 199f., 228, 245 – Ringfinger 179–181, 236 – Sexuelle Stimulation 161–170, 199, 201, 244f. – Trinken 189f. Links – Aberglaube 40f., 57–75, 242

270

7. Anhang

– – – – – –

Begriffe griechisch 14–30, 241 Begriffe lateinisch 30–48, 241 Bewegung nach links 23, 74f., 78, 94, 180 Divination siehe Divination Fuß 64 Anm. 89f., 67f., 173, 238 Körperseite 21, 23, 50 Anm. 8, 52f., 55f., 154f., 187, 192 Anm. 533, 242 Linkshänder – allgemein 209–223 – antike Zeugnisse 213–223 – Definition 209f., 213 – Entstehungstheorien 210 – Häufigkeit 210f., 213 lituus 156f. Livius 36, 82, 84f., 103–105, 127, 144f., 156, 203, 221 Magie 75, 89, 124, 164, 175–185, 199f., 228, 245 Malerei 115, 160, 162, 216, 246 mancus 217 Anm. 63, 218f., 223, 246 Manipel 99–103, 105–108, 112, 244 Mantik siehe Divination Martial 33, 68, 157, 161f., 166–170 Masturbation 165–170, 199–201, 208, 233, 245 Medea 17, 160, 173, 176, 200, 202 Mund 69, 141–143, 198 Nemea 72, 93 Niere 54 Nike 145–147 Nordausrichtung 77, 79, 82, 243 Numa 82, 84f., 127, 143, 156, 203 numina 120, 204 Odysseus 118, 201 Olisbos 169 omina mortis 237f. Onomastik – griechisch 23–27 – römisch 33f. Opfer 41, 45, 72f., 76, 84, 89, 103f., 127, 138– 140, 143f., 151, 154, 171–173, 175, 188, 194 Opheltes 72f. o)y / on 194 Ostausrichtung 73, 82, 84 Anm. 194, 243 Olymp 77, 79 Olympia 139, 145f. Olympische Götter 72, 77f., 140f., 171f., 191f., 197, 243

Ovid 36, 38, 48, 52, 144, 157, 161–164, 170, 174, 199, 201, 207, 245 Pallium 153, 174 Parmenides 52 Patrizier 84, 89f. Pausanias 25, 139, 145f. peride/cioj 212 Petron 48, 64, 186 Phalanx 92–94, 96, 98–101, 103, 243 Philokles 148f. pietas 120, 129f., 202f., Pindar 16, 22, 28f., 191 Platon 21–23, 70–72, 74, 145, 153, 171, 178, 188, 212f., 222, 242 Plautus 31, 37f., 158, 207, 220, 241 Plinius Maior 25, 53f., 56, 65, 81, 141f., 160, 173, 175, 177f., 182–184, 205, 213f., 216, 219f., 222, 231 Plinius Minor 35, 47 Plutarch 17, 29, 39, 41, 85f., 97, 116, 150, 191–196, 201f., 215, 233, 235–238 Polybios 99f., 101 Anm. 292, 103, 105, 106 Anm. 325, 107f., 111, 203f. Porsenna 221 Poseidon 21, 119, 153 Properz 39 Pythagoras 58f., 62f., 65, 67, 69, 71f., 75, 171, 242 Quintilian 39, 115, 155 Quitten 181 Anm. 452, 184 Rechte Hand – abgeschlagene Rechte 148–152 – Eid 136f., 197 – Essen 193–196, 198 – Gebet 137–144, 198 – Gotteshand 117–126, 197 – Hand der Fides 128–131, 197 – Hand des Sieges 144–148, 198 – Handschlag 131–135, 197 – Trinken 187–189, 198 Rechts – Aberglaube 40f., 57–75, 242 – Begriff griechisch 18, 23, 27–30, 39, 159, 241 – Begriff lateinisch 30, 36f., 39, 159, 241 – Bewegung nach rechts 73f., 78, 87, 108, 180, 196 – Divination siehe Divination – Fuß 64–68, 156, 173, 186, 242

7.2.4. Register – Körperseite 21, 50f., 53–55, 57, 68, 153f., 242 – Religion 57–75 religio 141f., 178, 202f., 205–207 Romulus 36, 83 Anm. 193, 86–88 Scaeva 27, 33f., 219, 224, 226, 230 Scaevola, C. Mucius Cordus 34, 152, 221–223, 246 scaevus 31–34, 241 Schlange 72, 174–176, 200 Schwert 100, 108–112, 118, 180, 215, 219, 222, 224, 226, 228f., 244 Seneca Maior 230 Seneca Minor 67f., 144, 172f., 176, 187f., 202 Sergius Silus 152, 219f., 222f. Servius 39, 85f. Sexualität 20, 161–170, 199–201, 245 signa ex avibus 43, 45 Anm. 256, 47f., 80f. signa ex caelo 43, 48, 80 signa ex tripudiis 44 sinister 30, 32, 34–38, 40, 45, 48, 67, 86, 238f., 241 si=toj 194 skaio/j 14–23, 26f., 29–31, 33, 241 skeua=j 225f., 230 Skrofeln 184f. Sophokles 16, 21–23, 201, 241 Statius 48, 74, 173, 176 Strabon 25f., 148 Anm. 240 Sol Invictus 125 Soranos 214f., 222, 233 Spatha 109 Anm. 348, 110 Anm. 353, 112 Südausrichtung 80–85, 87f., 90 Anm. 229, 91, 243 Sueton 40, 58, 231–239 Symposion 187f., 190f. Synesios von Cyrene 218 Tempelarchitektur 65f. templum 43f., 80, 85, 156 Thyrsos 156

271

Tiberius 47, 231–235, 239 Tiresias 172f., 200, 202 Tisiphone 174–176, 200 Todesvorzeichen siehe omina mortis Toga 154f., 157, 163, 187, 198, 208, 237f., 244 Totenbeschwörung 173, 176, 200, 202, 228, 233 Totengericht 70 Traumdeutung 53, 168 triclinium 64, 192 Trinken 185–190, 195f., 198 tripudium 44f., 47 Turpilius 216, 223 Ulpian 217–219, 223, 246 Unterwelt 69–72, 74, 103f., 171–176, 195, 199f., 245 Valerius Maximus 38, 127 Varro 32, 85 Vegetius 102 Vergil 32f., 39, 44, 48, 71, 85, 136, 174, 188 Victoria 146–148, 198 Viertagefieber 175, 183 Vitruv 65f. Vogelflug 23, 44, 76, 78, 156 Volksglauben 40, 61, 89, 242 Votivhände 39, 121–124, 126, 197, 205f. Votivinschriften 60, 62f., 183 Wein 74, 157, 172, 186–189, 196 Wespe 175f., 200 Westen 15f., 77, 79, 81 Anm. 179, 83, 90 Anm. 229, 121, 243 Xenophon 79 Anm. 168, 96 Zenturie 101f., 105–107 Zenturio 105–107, 109f., 112, 244 Zeus 15, 28, 78, 118f., 139, 145f., 191f., 197 Zeus Serapis 124f.

Tafelteil

Abb. 1: Der Göttin Nemesis geweihte Votivinschrift mit Fußabdrücken, Amphitheater von Italica, Hispanien

Abb. 2: Der Göttin Caelestis geweihte Votivinschrift mit Fußabdrücken, Amphitheater von Italica, Hispanien

I

II

Tafelteil

Abb. 3: Grabrelief eines römischen Soldaten, der sein Schwert rechts und seinen Dolch links trägt, Mainz

Tafelteil

Abb. 4: Grabrelief eines Zenturios, der sein Schwert links und seinen Dolch rechts trägt, Colchester

III

IV

Tafelteil

Abb. 5: Rechte Votivhand der Gottheit Jupiter Sabazios

Abb. 6: Rechte Votivhand der Gottheit Jupiter Dolichenus

V

Tafelteil

Abb. 7: Den Gottheiten Zeus Serapis und Iao geweihte Reliefplatte mit ausgesteckter rechte Hand, Asturica Augusta, Hispanien

Abb. 9: Gebetsgeste mit einem jugendlichen Athleten, Griechenland, klassische Zeit

Abb. 8: Gebetsgeste mit einer Frau, Griechenland, 7. Jahrhundert v. Chr.

VI

Tafelteil

Abb. 10: Adorantenzug vor Asklepios und Hygieia: Mann, Frau und Kind nähern sich den Gottheiten mit erhobener rechter Hand, Weihrelief, Athen, 5.–4. Jahrhundert v. Chr.

Tafelteil

Abb. 11: Alkmene, die auf dem Scheiterhaufen mit ihrer erhobenen rechten Hand zu Zeus betet, links stehen Atenor und rechts Amphitryon, Glockenkrater, Paestum, 340 v. Chr.

Abb. 12: Theaterszene, die einen Diebstahl zeigt, Graffito, Ephesos

VII

VIII

Tafelteil

Abb. 13: Medea kurz vor der Ermordung ihrer beiden Kinder in Korinth. Im Hintergrund ein als Pädagoge gedeuteter Mann, pompejanische Wandmalerei aus der Casa dei Dioscuri, Museo Archeologico Nazionale di Napoli, Neapel

Tafelteil

Abb. 14: Picknick nach erfolgreicher Jagd mit drei Männern um einen Tisch, Mosaik, Piazza Armerina

IX

X

Tafelteil

Abb. 15: Denar, Avers: Kopf der Roma im Drachenkammhelm, Beischrift ROMA, darunter X. Rechts EX·S·C; Revers: M·SERGI SILVS, dargestellt als gepanzerter Reiter, Schwert und den Kopf eines Feindes in der linken Hand vorweisend, Rom, circa 115 v. Chr.

Abb. 16: Grabinschrift des linkshändigen Gladiators Valerius, Sorrent

Abb. 17: Gladiatorenkampfszene mit dem Thraex Severus (links) und dem linkshändigen Murmillo Albanus (rechts), Pompeji

Tafelteil

Abb. 18: Grabrelief aus Thessaloniki mit einem jungen Mann (links) und dem linkshändigen Secutor Narzissos, 2.–3. Jahrhundert n. Chr., Archäologisches Museum Istanbul

XI

XII

Tafelteil

Abb. 19: Gladiatorenkampfszene mit einem linkshändigen Thraex (links) und einem Murmillo (rechts), Mosaik, Römische Villa, Römerhalle Bad Kreuznach