Blinde Flecken in der Mathematik: Eine explorative Studie zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich [1. Aufl.] 9783658321345, 9783658321352

Die Studie analysiert mathematische Kompetenzen von Jugendlichen verschiedener Schulformen und Herkunftsländern im Alter

537 45 14MB

German Pages XXV, 497 [514] Year 2021

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Blinde Flecken in der Mathematik: Eine explorative Studie zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich [1. Aufl.]
 9783658321345, 9783658321352

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XXV
Einleitung (Rebecca Höhr)....Pages 1-9
Front Matter ....Pages 11-12
Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration (Rebecca Höhr)....Pages 13-35
Bildungsstandards und mathematische Kompetenz (Rebecca Höhr)....Pages 37-96
Forschungsfragen (Rebecca Höhr)....Pages 97-100
Front Matter ....Pages 101-102
Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen (Rebecca Höhr)....Pages 103-156
Darstellung der Ergebnisse (Rebecca Höhr)....Pages 157-300
Interpretation (Rebecca Höhr)....Pages 301-393
Schlussbetrachtung und Ausblick (Rebecca Höhr)....Pages 395-406
Back Matter ....Pages 407-497

Citation preview

Rebecca Höhr

Blinde Flecken in der Mathematik Eine explorative Studie zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich

Blinde Flecken in der Mathematik

Rebecca Höhr

Blinde Flecken in der Mathematik Eine explorative Studie zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich

Rebecca Höhr Institut für Sonderpädagogik Pädagogische Hochschule Heidelberg Heidelberg, Deutschland Dissertation an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Erstgutachterin: Prof. Dr. Birgit Werner Zweitgutachter: Prof. Dr. Christian Efing Fach: Sonderpädagogik (Pädagogik der Lernförderung) Tag der Mündlichen Prüfung: 21. Februar 2020, Heidelberg

ISBN 978-3-658-32134-5 ISBN 978-3-658-32135-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Eggert Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

„Blinde Flecken in der Mathematik“ Eine explorative Studie zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich Von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von

Rebecca Höhr, geb. Müller

aus Dieburg 2019

Vorwort Die Vorstellungen von dem, was Mathematik resp. Schulmathematik ist und wer als mathematisch kompetent gilt, hängt von der jeweiligen Situation sowie individuellen und soziokulturellen Aspekten ab. Um am (Mathematik-)Fachunterricht teilhaben zu können, werden neben Kenntnissen der Fach- und Unterrichtssprache vielfältige fachliche, personale und methodische Kompetenzen benötigt, aber auch individuelle Lernbedingungen müssen berücksichtigt werden. Kompetenz stellt eine Verknüpfung zwischen Wissen und Können dar, die zur Bewältigung unterschiedlicher Situationen befähigt. In den VAB-O-Klassen (Vorqualifizierungsjahres Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen) der beruflichen Schulen in Baden-Württemberg konnten im Rahmen des Projektes „Reallabor Asylsuchende in der Rhein-Neckar-Region“ erste Erfahrungen zum Mathematiklernen von Geflüchteten gesammelt werden. Resultierend aus diesen Erfahrungen geht die vorliegende Studie durch die Kombination quantitativer und qualitativer Methoden der Frage nach, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich im interkulturellen Vergleich von mathematischer Kompetenz unter Berücksichtigung verschiedener,

den Kompetenzerwerb bedingender

Faktoren,

wie

Intelligenz, mathematikbezogenen Vorstellungen und mathematische Basiskompetenzen sowie bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Aspekten, zeigen. Derzeit liegen kaum vergleichbare Studien vor, die meiner Forschung eine erste Orientierung hätten geben können. Speziell interkulturelle Vergleiche, die fachdidaktisch fundiert und gleichzeitig die sprachlich-kulturelle Aspekte einschließlich verschiedener Herkunftssprachen der Probanden einbeziehen, sind für die Zielgruppe (arabischsprachige Asylsuchende, die derzeit das Übergangssystem an beruflichen Schule besuchen) im Fokus der Betrachtung mathematischer Kompetenzen, so nicht zu finden. Das derzeit nur wenig betrachtete Forschungsfeld begründet meine Fokussierung zunächst auf die Erhebung und Interpretation sogenannter quantitativer Daten zur Beschreibung der Zielgruppen, auf deren Darstellung ich mich in meiner Dissertation konzentriere. Anschließend erfolgte die Erhebung qualitativer Interviewdaten im Sinne des Exploratory Mixed Methods Designs. Die Studie wurde im DreiGruppen-Design mit einer Gruppe arabischsprachiger Probanden und zwei unterschiedlichen deutschsprachigen Vergleichsgruppen durchgeführt. Durch meine Forschung möchte ich einen Beitrag zur Verbesserung der Integration von Geflüchteten durch berufliche Bildung im Rahmen (berufs-)schulischer Maßnahmen leisten. Die Betrachtung mathematikbezogener Vorstellungen unter Berücksichtigung der individuellen Lebenswelt und Kulturen ermöglicht es einen anderen Blick zur Beschreibung mathematischer Kompetenzen einzunehmen, der die subjektiven Erfahrungen jedes Einzelnen wertschätzt.

Vorwort

Für die vielfältige Unterstützung, die ich während meiner Arbeit erfahren habe, möchte ich mich an dieser Stelle bedanken.

Mein Dank gilt an erster Stelle all jenen, die an der

vorliegenden Studie teilgenommen haben. Diese Arbeit konnte nur entstehen, weil viele interessierte Schülerinnen und Schüler sowie engagierte Lehrerinnen und Lehrer, trotz zahlreicher alltäglicher Widrigkeiten bereit waren, an einer zusätzlichen und umfangreichen Testung teilzunehmen. Mein herzlichster Dank gilt Prof. Dr. Birgit Werner, die diese Arbeit betreute. Ich habe das große Glück, in Ihre eine Doktormutter zu haben, die mich in jeglicher Hinsicht unterstützt und nicht zögert, zu jeder Zeit und überall für Absprachen, Diskussionen und Nachfragen ein offenes Ohr zu haben. Sie hat mich in jeder Phase der Promotion mit großer fachlicher Kompetenz, Energie und Herzlichkeit begleitet und den während meiner Elternzeit erfolgten Schreibprozess mit Geduld und vielfältigen Impulsen unterstützt. Prof. Dr. Christian Efing danke ich für die fruchtbaren Diskussionen und Anregungen im Rahmen seines Nachwuchskollegs und die freundliche Bereitschaft, die vorliegende Arbeit zu begutachten. Die fachliche Auseinandersetzung und die konstruktive Kritik haben meine Arbeit entscheidend beeinflusst. Ohne die Mitarbeit von Noor Abboodi, Alsajjad Al-Katheeb und Lisa Fröhler wäre es mir nicht möglich gewesen die Studie in einem so komplexen Format mit über 400 Teilnehmen in zwei Sprachen durchzuführen. Durch die große Unterstützung, die ich im privaten Umfeld erfahren habe, konnte ich meine Dissertation fokussiert fertigstellen. Neben interessierten Nachfragen, Ermutigungen und vielfältigen Diskussionsmöglichkeiten erfuhr ich die Unterstützung bei der Betreuung meiner Tochter, um mich dem Schreibprozess widmen zu können. Dafür danke ich meinem Freundesund Familienkreis und ganz besonders meiner Mutter, meinem Mann und seiner Familie.

Pfungstadt, August 2020

VIII

Rebecca Höhr

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................... XI Tabellenverzeichnis ............................................................................................................XIX Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................................XXIII

1

Einleitung........................................................................................................................ 1

Theoretische Grundlegung

2

Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht)Migration ............. 13 2.1

Verfolgung, Flucht, Migration – Begriffsklärung ...................................................... 13

2.2

Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht .......................................... 18

2.2.1

Teilhabe durch Integration – Integration durch Teilhabe? ................................ 23

2.2.2

Bedeutung von Bildung und Schule ................................................................ 27

2.3

(Berufs-)Schule, Übergangssystem und Ausbildung – Relevanz mathematischer Kompetenzen......................................................................................................... 31

2.3.1

Relevanz des Übergangssystems beruflicher Schulen .................................... 31

2.3.2

Bildungsangebote des Übergangssystems (speziell für Asylsuchende) .......... 32

2.3.3

Herausforderungen bei der Ausbildungsplatzsuche und dem Unterricht mit Asylsuchenden ................................................................................................ 33

3

Bildungsstandards und mathematische Kompetenz ..................................................... 37 3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz ................................................... 37 3.1.1

Mathematische Kompetenz – Begriffsklärung ................................................. 38

3.1.2

Dimensionen mathematischer Kompetenz ...................................................... 46

3.1.3

Relevanz allgemeiner mathematischer Kompetenzen ..................................... 49

3.2

Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren .............................. 51

3.2.1

Mathematische Basiskompetenzen ................................................................. 51

3.2.2

Kognitive Fähigkeiten ...................................................................................... 55

3.2.3

Selbstkonzept und mathematikbezogene Vorstellungen ................................. 61

3.3

Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren .................................... 70

3.3.1

Mathematische Kompetenz als Kulturtechnik unter soziokultureller Perspektive .

3.3.2

Mathematische Kompetenz und Sprache(n).................................................... 82

....................................................................................................................... 71

4

Forschungsfragen......................................................................................................... 97

Inhaltsverzeichnis

Empirischer Teil 5

Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen ................................................... 103 5.1 Aufbau der Untersuchung .................................................................................... 103 5.1.1

Methodologische Überlegungen .................................................................... 103

5.1.2

Erhebungsmethoden und -verlauf im Überblick ............................................. 105

5.1.3

Erhebungsmethoden ..................................................................................... 106

5.2

5.2.1

Experteninterviews ........................................................................................ 113

5.2.2

Fragebogenentwicklung ................................................................................ 117

5.2.3

Stichwort: Erhebungssprache........................................................................ 124

5.2.4

Übersetzung der Instruktionen, Instrumente und Daten................................. 126

5.3

Pilotierung ............................................................................................................ 132

5.3.1

Zielsetzung der Erprobung ............................................................................ 132

5.3.2

Pilotierungsstichprobe ................................................................................... 132

5.3.3

Ergebnisse und Konsequenzen der Pilotierung ............................................. 134

5.4

Quantitative Erhebung ......................................................................................... 140

5.4.1

Stichprobenbeschreibung.............................................................................. 140

5.4.2

Durchführung der Erhebung .......................................................................... 146

5.5

6

Eingrenzung des Forschungsgegenstandes ........................................................ 113

Auswertungsmethoden ........................................................................................ 148

5.5.1

Vorgehen bei der Auswertung der standardisierten Verfahren ...................... 148

5.5.2

Vorgehen bei der Fragebogenauswertung .................................................... 152

Darstellung der Ergebnisse ........................................................................................ 157 6.1 Mathematische Kompetenzen .............................................................................. 159 6.1.1

BiMa Sek 1 – Stichprobenergebnisse............................................................ 159

6.1.2

BiMa Sek 1 – Teilstichprobenergebnisse....................................................... 166

6.2

Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen...................... 173

6.2.1

KRW 9 – Stichprobenergebnisse .................................................................. 173

6.2.2

KRW 9 – Teilstichprobenergebnisse ............................................................. 177

6.3

Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz ....................................................................... 184

6.3.1

CFT 20-R Stichprobenergebnisse ................................................................. 184

6.3.2

CFT 20-R Teilstichprobenergebnisse ............................................................ 189

6.4

Mathematikbezogene Vorstellungen .................................................................... 195

6.4.1

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene ......................... 196

6.4.2

Selbstbild als Mathematiklernende ................................................................ 208

6.4.3

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene................................ 218

X

Inhaltsverzeichnis

6.5

7

Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte ............................ 231

6.5.1

Sozioökonomische Rahmenbedingungen ..................................................... 232

6.5.2

Bildungsbiografie........................................................................................... 251

6.5.3

Herkunft und Migrationshintergrund .............................................................. 267

6.5.4

Sprachhintergrund......................................................................................... 281

Interpretation .............................................................................................................. 301 7.1 Fokus: Mathematische Kompetenz ...................................................................... 302 7.1.1

Zusammenfassung und vergleichende Betrachtung der mathematischen Kompetenz .................................................................................................... 302

7.1.2

Ausprägungen

der

mathematischen

Kompetenzen

arabischsprachiger

Teilnehmender .............................................................................................. 307 7.1.3

Ausprägungen

der

mathematischen

Kompetenzen

deutschsprachiger

Teilnehmender .............................................................................................. 309 7.2

Fokus: Mathematische Basiskompetenzen .......................................................... 312

7.2.1

Zusammenfassung und vergleichende Betrachtung des Konventions- und Regelwissens ................................................................................................ 312

7.2.2

Ausprägungen der mathematischen Basiskompetenzen ............................... 316

7.2.3

Zusammenhänge

zwischen

mathematischen

Basiskompetenzen

und

mathematischer Kompetenz .......................................................................... 317 7.3

Fokus: Kognitive Fähigkeiten ............................................................................... 319

7.3.1

Zusammenfassung und vergleichende Betrachtung der Intelligenz ............... 319

7.3.2

Ausprägungen der Intelligenz ........................................................................ 323

7.3.3

Zusammenhänge zwischen der Intelligenz und mathematischer Kompetenz 323

7.4

Fokus: Mathematikbezogene Vorstellungen......................................................... 325

7.4.1

Zusammenfassung und vergleichende Betrachtung der mathematikbezogenen Vorstellungen ................................................................................................ 325

7.4.2

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene ......................... 337

7.4.3

Selbstbild als Mathematiklernende ................................................................ 341

7.4.4

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene................................ 343

7.5

Fokus: Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte................. 347

7.5.1 7.5.2 7.5.3

7.6

Zusammenfassung und vergleichende Betrachtung der erfassten Rahmenbedingungen .................................................................................... 347 Ausprägung der bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Aspekte ......................................................................................................... 371 Zusammenhänge zwischen ausgewählten Aspekten der erfassten Rahmenbedingungen und der mathematischen Kompetenz der arabischsprachigen Teilnehmenden .............................................................. 376 Gesamtinterpretation ..................................................................................... 379

XI

Inhaltsverzeichnis

8

Schlussbetrachtung und Ausblick ............................................................................... 395 8.1 Schlussbetrachtung der Ziele und Vorgehensweisen der Untersuchung .............. 395 8.2

Zusammenfassung

zentraler

Ergebnisse:

Mathematische

Kompetenz

im

interkulturellen Vergleich ...................................................................................... 398 8.3

9

Ausblick und Implikationen ................................................................................... 403

8.3.1

Implikationen für die weitere Forschung ........................................................ 403

8.3.2

Implikationen für die Schulpraxis ................................................................... 405

Literaturverzeichnis .................................................................................................... 407

10 Anhang ....................................................................................................................... 437

XII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modern-arabische (oben) und indisch-arabische Ziffern (unten) sowie unterschiedliche Rechenzeichen (Schülerbeispiel) ....................................... 1 Abbildung 2: Lösung der Rechenaufgabe .............................................................................. 3 Abbildung 3: Mathematische Kompetenz und ausgewählte bedingende Faktoren ................. 7 Abbildung 4: Mehrebenenmodell der Grundbildung ............................................................. 26 Abbildung 5: Kompetenzstrukturmodell der Bildungsstandards (nach Walther 2008)........... 46 Abbildung 6: Schulbiografie Vielfalt; Anzahl der Nennungen (n=386) (Baumann & Riedl 2015, 100) ............................................................................................................ 79 Abbildung 7: Schematische Übersicht des Erhebungsverlaufs .......................................... 105 Abbildung 8: Das Berufsbildungssystem Syriens seit 1987 (BQ-Portal 2018a) .................. 114 Abbildung 9: Berufsbildungssystem des Iraks seit 2001/2002 (BQ-Portal 2018b) .............. 115 Abbildung 10: Fragebogen Schema des Beliefs Fragebogens........................................... 119 Abbildung 11: Fragebogen Schema des BiSSoz Fragebogens.......................................... 122 Abbildung 12: Exemplarische Darstellung der verschiedenen Notationsformen des KRW 9AR ............................................................................................................ 129 Abbildung 13: Übersicht über Anzahl richtig gelöster Aufgaben je Stichprobe ................... 135 Abbildung 14: Verteilung der Geschlechter je Stichprobengruppe ..................................... 141 Abbildung 15: Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe AR innerhalb verschiedener Altersbereiche........................................................................................... 142 Abbildung 16: Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe DA innerhalb verschiedener Altersbereiche........................................................................................... 142 Abbildung 17: Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe DB innerhalb verschiedener Altersbereiche........................................................................................... 143 Abbildung 18: Anzahl der Teilnehmer je Herkunftsland der Stichprobe AR in Prozent ....... 143 Abbildung 19: Anzahl der Teilnehmer je Herkunftsland der Stichprobe DA in Prozent ....... 144 Abbildung 20: Anzahl der Teilnehmer je Herkunftsland der Stichprobe DB in Prozent ....... 145 Abbildung 21: Prozentualer Anteil Teilnehmender mit der jeweiligen Summe bearbeiteter Aufgaben .................................................................................................. 159 Abbildung 22: Prozentualer Anteil Teilnehmender mit der jeweiligen Gesamtpunktzahl..... 160 Abbildung 23: Anzahl der erreichten Kompetenzstufe je Stichprobe in Prozent ................. 160 Abbildung 24: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben nach Leitideen je Stichprobe in Prozent ................................................................................................................. 162 Abbildung 25: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben der Anforderungsbereiche je Stichprobe (%)............................................................................................................ 164

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 26: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben nach Leitideen je Teilstichprobe (K1) in Prozent ..................................................................................................... 170 Abbildung 27: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben nach Leitideen je Teilstichprobe (K2) in Prozent ..................................................................................................... 171 Abbildung 28: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Stichprobe ......................... 173 Abbildung 29: Interpretation der T-Werte (KRW 9); Anzahl der Teilnehmenden je Stichprobe (%)............................................................................................................ 175 Abbildung 30: Interpretation der T-Werte je gewählter Testform (Stichprobe AR) .............. 176 Abbildung 31: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe AR) ........................................................................................................... 178 Abbildung 32: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DA) ........................................................................................................... 178 Abbildung 33: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DB) ........................................................................................................... 178 Abbildung 34: Interpretation der T-Werte (KRW 9); Anzahl der Teilnehmenden je Teilstichprobe (%) ..................................................................................... 179 Abbildung 35: Verteilung der gewählten Testform je Teilstichprobengruppe ...................... 181 Abbildung 36: Interpretation der T-Werte je gewählter Testform (Teilstichprobe ARK1, ARK2 und ARK3) ................................................................................................ 181 Abbildung 37: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Stichprobe ................... 185 Abbildung 38: Interpretation der IQ-Werte (CFT 20-R); Anzahl der Teilnehmenden je Stichprobe in Prozent ............................................................................... 186 Abbildung 39: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe AR) ........................................................................................ 190 Abbildung 40: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DA) ........................................................................................ 190 Abbildung 41: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DB) ........................................................................................ 190 Abbildung 42: Interpretation der IQ-Werte (CFT 20-R); Anzahl der Teilnehmenden je Teilstichprobe (%) ..................................................................................... 191 Abbildung 43: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 1 je Stichprobe in Prozent (VoWe 1) ................................................................................................................. 197 Abbildung 44: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 1 je Stichprobe in Prozent (VoWe 2) ................................................................................................................. 197 Abbildung 45: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 1 je Stichprobe in Prozent (VoWe 3) ................................................................................................................. 198

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 46: Verteilung der Antworten zu vorgegebenen Stichworten je Stichprobe in Prozent ..................................................................................................... 199 Abbildung 47: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 10 je Stichprobe in Prozent (VoWe 4) ................................................................................................................. 201 Abbildung 48: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 5 je Stichprobe in Prozent (VoUB1) 202 Abbildung 49: Verteilung der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Begabung je Stichprobe in Prozent (VoUB2) ............................................ 204 Abbildung 50: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 8 je Stichprobe in Prozent (VoUB 2) ................................................................................................................. 205 Abbildung 51: Verteilung der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Geschlecht je Stichprobe in Prozent (VoUB3)........................................... 206 Abbildung 52 Häufigkeit der Antworten der Kategorie 9 je Stichprobe in Prozent (VoUB 3) 207 Abbildung 53: Verteilung der Einschätzung der eigenen Leistung in Mathematik je Stichprobe in Prozent (MaKo)..................................................................................... 209 Abbildung 54: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 5 je Stichprobe in Prozent (MaKo) . 210 Abbildung 55: Verteilung der Einschätzung der Bedeutung der Schulnote im Fach Mathematik je Stichprobe in Prozent (Ema1) ............................................ 211 Abbildung 56: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 11 je Stichprobe in Prozent (EMa1) 212 Abbildung 57: Verteilung der Antworthäufigkeiten bei der Wahl des Schulfachs Mathematik je Stichprobe in Prozent (EMa2) ................................................................... 213 Abbildung 58: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 13 je Stichprobe in Prozent (EMa3) 214 Abbildung 59: Verteilung der Antworten hinsichtlich des Nutzens der Mathematik im Alltag je Stichprobe in Prozent ............................................................................... 215 Abbildung 60: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 3 je Stichprobe in Prozent (EMa4) . 216 Abbildung 61: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 12 je Stichprobe in Prozent (EMa2) 217 Abbildung 62: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 2a je Stichprobe in Prozent (VoPBN1) ................................................................................................................. 220 Abbildung 63: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 2b je Stichprobe in Prozent (VoPBN2) ................................................................................................................. 221 Abbildung 64: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 2c je Stichprobe in Prozent (VoPBN3) ................................................................................................................. 222 Abbildung 65: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 14 je Stichprobe in Prozent (VoMu1) ................................................................................................................. 224 Abbildung 66: Verteilung der Einschätzung des eigenen Mathematikunterrichts je Stichprobe in Prozent (VoMu2) ................................................................................... 225 Abbildung 67: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 14 je Stichprobe in Prozent (VoMu2) ................................................................................................................. 226

XV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 68: Verteilung der Einschätzung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Sprache je Stichprobe in Prozent (VoVe1)................................................ 227 Abbildung 69: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 6 je Stichprobe in Prozent (VoVe1) 228 Abbildung 70: Verteilung der Einschätzung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Kultur je Stichprobe in Prozent (VoVe2).................................................... 229 Abbildung 71: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 7 je Stichprobe in Prozent (VoVe2) 230 Abbildung 72: Verteilung der Häufigkeit der Beschreibung der Wohnsituation je Stichprobe in Prozent ..................................................................................................... 234 Abbildung 73: Verteilung der Häufigkeit der Geschwisterkonstellation hinsichtlich der Wohnsituation je Stichprobe in Prozent .................................................... 235 Abbildung 74: Verteilung der Schulabschlüsse der Väter je Stichprobe in Prozent ............ 236 Abbildung 75: Verteilung der Schulabschlüsse der Mütter je Stichprobe in Prozent ........... 236 Abbildung 76: Verteilung der Schulabschlüsse der Mütter je Teilstichprobengruppe in Prozent ..................................................................................................... 237 Abbildung 77: Verteilung der Schulabschlüsse der Väter je Teilstichprobengruppe in Prozent ................................................................................................................. 238 Abbildung 78: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Mütter je Stichprobe in Prozent 239 Abbildung 79: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Väter je Stichprobe in Prozent .. 239 Abbildung 80: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Mütter je Teilstichprobengruppe in Prozent ..................................................................................................... 240 Abbildung 81: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Väter je Teilstichprobengruppe in Prozent ..................................................................................................... 241 Abbildung 82: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Väter je Stichprobe in Prozent 242 Abbildung 83: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Mütter je Stichprobe in Prozent 242 Abbildung 84: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Mütter je Teilstichprobengruppe in Prozent ..................................................................................................... 244 Abbildung 85: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Väter je Teilstichprobengruppe in Prozent ..................................................................................................... 244 Abbildung 86: Verteilung der ausgeübten Berufe der Mütter je Stichprobe in Prozent ....... 246 Abbildung 87: Verteilung der ausgeübten Berufe der Väter je Stichprobe in Prozent ......... 246 Abbildung 88: Verteilung der gelernten Berufe der Mütter je Stichprobe in Prozent ........... 248 Abbildung 89: Verteilung der gelernten Berufe der Väter je Stichprobe in Prozent ............. 248 Abbildung 90: Berufsvergleich (gelernt/ausgeübt) der Mütter je Stichprobe in Prozent ...... 250 Abbildung 91: Berufsvergleich (gelernt/ausgeübt) der Väter je Stichprobe in Prozent ........ 250 Abbildung 92: Häufigkeit der Dauer des Kindergartenbesuchs je Stichprobe in Prozent .... 252 Abbildung 93: Verteilung des Alters zum Schulbeginn je Stichprobe in Prozent................. 253 Abbildung 94: Verteilung der Dauer des Schulbesuchs in Jahren je Stichprobe in Prozent 254

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 95: Verteilung der Häufigkeit der letzten besuchten Klassenstufe der Stichprobe AR (%) ...................................................................................................... 255 Abbildung 96: Verteilung der Häufigkeit der letzten besuchten Klassenstufe der Teilstichproben ARK ................................................................................. 256 Abbildung 97: Verteilung der Häufigkeit des letzten Besuchszeitpunktes der Stichprobe AR (%)............................................................................................................ 256 Abbildung 98: Verteilung der Häufigkeit des letzten Besuchszeitpunktes der Teilstichproben ARK (%) ................................................................................................... 257 Abbildung 99: Verteilung Leistung im Fach Deutsch resp. Arabisch je Stichprobe in Prozent ................................................................................................................. 258 Abbildung 100: Verteilung Leistung im Mathematik je Stichprobe in Prozent ..................... 258 Abbildung 101: Prozentuale Häufigkeit des Mittleren Schulabschlusses der Stichprobe AR ................................................................................................................. 259 Abbildung 102: Prozentuale Häufigkeit des Besuchs einer weiterführenden Schule der Stichprobe AR .......................................................................................... 259 Abbildung 103: Verteilung der Häufigkeit der weiterführenden Schulform der Stichprobe AR (%)............................................................................................................ 260 Abbildung 104: Verteilung der Antworthäufigkeit zum mittleren Schulabschluss je Teilstichprobengruppe (ARK) .................................................................... 260 Abbildung 105: Verteilung der Antworthäufigkeit zum Besuch einer weiterführenden Schule je Teilstichprobengruppe (ARK) ................................................................ 261 Abbildung 106: Verteilung der Angaben zu den gemachten Berufserfahrungen je Stichprobe (%)............................................................................................................ 261 Abbildung 107: Verteilung der Angaben zu den gemachten Berufserfahrungen je Teilstichprobe (%) ..................................................................................... 262 Abbildung 108: Häufigkeit der Bereiche der Berufserfahrungen je Stichprobe in Prozent .. 263 Abbildung 109: Häufigkeit der Dauer der Berufserfahrungen je Stichprobe in Prozent....... 264 Abbildung 110: Verteilung der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland der Stichprobe AR in Prozent ..................................................................................................... 265 Abbildung 111: Verteilung der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland je Teilstichprobengruppe (ARK) in Prozent ................................................... 266 Abbildung 112: Häufigkeit des Besuchs eines Mathematikkurses je Stichprobe in Prozent 266 Abbildung 113: Häufigkeit der Art des Mathematikkurses je Stichprobe in Prozent............ 267 Abbildung 114: Häufigkeit der Geburtsländer der Stichprobe AR ....................................... 268 Abbildung 115: Häufigkeit der Geburtsländer der Stichprobe DA ....................................... 269 Abbildung 116: Häufigkeit der Geburtsländer der Stichprobe DB ....................................... 269 Abbildung 117: Häufigkeit der Heimatländer der Stichprobe AR ........................................ 272

XVII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 118: Häufigkeit der Heimatländer der Stichprobe DA ........................................ 272 Abbildung 119: Häufigkeit der Heimatländer der Stichprobe DB ........................................ 273 Abbildung 120: Häufigkeit der Geburtsländer der Eltern der Stichprobe AR ...................... 273 Abbildung 121: Häufigkeit der Geburtsländer der Eltern der Stichprobe DA ...................... 274 Abbildung 122: Häufigkeit der Geburtsländer der Eltern der Stichprobe DB ...................... 274 Abbildung 123: Beschreibung des Migrationshintergrundes (biografisch) je Stichprobe in Prozent ..................................................................................................... 276 Abbildung 124: Beschreibung des biografischen Migrationshintergrundes je Teilstichprobe in Prozent ..................................................................................................... 277 Abbildung 125: Beschreibung der Häufigkeit der nach Deutschland migrierten Teilnehmenden je Stichprobe in Prozent .................................................. 277 Abbildung 126: Häufigkeit der Aufenthalts-dauer in Deutschland je Stichprobe (%) ........... 278 Abbildung 127: Häufigkeit des Verlassens des Heimatlandes pro Jahr der Stichprobe AR in Prozent ..................................................................................................... 279 Abbildung 128: Häufigkeit des Verlassens des Heimatlandes pro Jahr der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent ..................................................... 279 Abbildung 129: Häufigkeit der Dauer der Migration innerhalb der Stichprobe AR in Prozent ................................................................................................................. 280 Abbildung 130: Häufigkeit der Dauer der Migration innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK (%)............................................................................................................ 281 Abbildung 131: Häufigkeit des Grades der Sprachverwendung je Stichprobe in Prozent ... 283 Abbildung 132: Häufigkeit der verwendeten Sprachen je Stichprobe in Prozent ................ 284 Abbildung 133: Häufigkeit der gesprochenen Sprachen in verschiedenen Situationen innerhalb der Stichprobe AR in Prozent .................................................... 287 Abbildung 134: Häufigkeit der gesprochenen Sprachen in verschiedenen Situationen innerhalb der Stichprobe DA in Prozent .................................................... 288 Abbildung 135: Häufigkeit der gesprochenen Sprachen in verschiedenen Situationen innerhalb der Stichprobe DB in Prozent .................................................... 288 Abbildung 136: Häufigkeit der jeweiligen Sprachen im Kontext Schule je Teilstichprobe (%) ................................................................................................................. 289 Abbildung 137: Häufigkeit der Familiensprache je Teilstichprobengruppe in Prozent......... 289 Abbildung 138: Häufigkeit der Anzahl der Familiensprachen je Stichprobe in Prozent ....... 290 Abbildung 139: Häufigkeit der Anzahl der Familiensprachen je Teilstichprobe in Prozent .. 291 Abbildung 140: Häufigkeit der Anzahl der Sprachen in verschiedenen Situationen je Stichprobe in Prozent ............................................................................... 291 Abbildung 141: Häufigkeit der Art der Mehrsprachigkeit in verschiedenen Situationen je Stichprobe in Prozent ............................................................................... 293

XVIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 142: Häufigkeit der Dauer des Deutscherwerbs innerhalb der Stichprobe AR in Prozent ..................................................................................................... 295 Abbildung 143: Häufigkeit der Dauer des Deutscherwerbs innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent ..................................................... 296 Abbildung 144: Häufigkeit der Orte des Deutsch-erwerbs innerhalb der Stichprobe AR in Prozent ..................................................................................................... 297 Abbildung 145: Häufigkeit der Orte des Deutsch-erwerbs innerhalb der Teilstichprobegruppen ARK in Prozent ..................................................... 297 Abbildung 146: Häufigkeit der am Deutsch-spracherwerb beteiligten Personen innerhalb der Stichprobe AR in Prozent ......................................................................... 298 Abbildung 147: Häufigkeit der am Deutsch-spracherwerb beteiligten Personen innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent ..................................................... 298 Abbildung 148: Prozentuale Häufigkeit der Deutschzertifikate der Stichprobe AR ............. 299 Abbildung 149: Häufigkeit des Niveaus der Deutschzertifikate innerhalb der Stichprobe AR in Prozent ..................................................................................................... 299 Abbildung 150: Häufigkeit des Niveaus der Deutschzertifikate innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent ..................................................... 300

XIX

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Beschreibung der Kompetenzstufen (IQB 2009, 20f.) ......................................... 43 Tabelle 2: Übersicht der inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen ........................ 48 Tabelle 3: Darstellung der Aufgaben des BiMa Sek 1 (IQB 2009) ...................................... 107 Tabelle 4: Anzahl der Aufgaben und Bearbeitungsdauer je Testteil und Teilbereich des CFT 20-R ................................................................................................................ 109 Tabelle 5: Beschreibung der Expertise der Interviewpartner .............................................. 113 Tabelle 6: Prozentuale Anzahl der Erstanträge der zehn stärksten Herkunftsländer 2016 und 2017 ................................................................................................................ 125 Tabelle 7: Anpassung des BiMa Sek 1 auf Deutsch .......................................................... 127 Tabelle 8: Anpassung der Übersetzung des BiMa Sek 1 ................................................... 128 Tabelle 9: Anpassung der Items und Übersetzungen des Beliefs Fragebogens................. 129 Tabelle 10: Anpassung der Items und Übersetzungen des BiSSoz-Fragebogens ............. 130 Tabelle 11: Anzahl der Teilnahme je nach Erhebungsinstrument ...................................... 132 Tabelle 12: Zusammensetzung der Pilotierungsstichproben .............................................. 133 Tabelle 13: Ergebnisse der standardisierten Testverfahren beider Zielgruppen ................. 134 Tabelle 14: Übersicht über die Anzahl der Teilnehmenden je Stichprobe .......................... 141 Tabelle 15: Darstellung der Inhalte, Pausen und Zeiten je Termin und Stichprobe ............ 147 Tabelle 16: Erreichbare Punktzahl je Subtest des CFT 20-R ............................................. 151 Tabelle 17: Allgemeine Anmerkungen zur Codierung der Beliefs-Fragebögen .................. 153 Tabelle 18: Codierungsübersicht Fragebogen Beliefs ........................................................ 153 Tabelle 19: Codierungsübersicht Fragebogen BiSSoz ....................................................... 156 Tabelle 20: Durchschnittliche Aufgabenanzahl je Stichprobe (BiMa Sek 1) ....................... 161 Tabelle 21: Verhältnis Lösungshäufigkeit im Stichprobenvergleich je allgemeinmathematischer Kompetenz ............................................................. 165 Tabelle 22: Verteilung der Teilnehmenden anhand der Teilstichprobengruppen ................ 166 Tabelle 23: Durchschnittliche Aufgabenanzahl betrachtet anhand der Kompetenzstufen je Stichprobe ....................................................................................................... 167 Tabelle 24: Durchschnittliche Aufgabenanzahl und Extremwerte je Stichprobe (KRW 9) ... 176 Tabelle 25: Korrelation der T-Werte (KRW 9) gegenüber der mathematischen Kompetenz nach Pearson .................................................................................................. 180 Tabelle 26: Durchschnittliche Aufgabenanzahl je Teilstichprobe (KRW 9) ......................... 182 Tabelle 27: Anzahl durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben, Extremwerte je Stichprobe (CFT 20-R) ...................................................................................................... 187

Tabellenverzeichnis

Tabelle 28: Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der Aufgaben und der Anzahl durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben sowie das Verhältnis der Extremwerte je Stichprobe (CFT 20-R)................................................................................. 188 Tabelle 29: Korrelation der IQ-Werte gegenüber der mathematischen Kompetenz nach Pearson ........................................................................................................... 192 Tabelle 30: Durchschnittliche Anzahl richtig gelöster Aufgaben unter Berücksichtigung der mathematischen Kompetenz je Stichprobe (CFT 20-R) ................................... 193 Tabelle 31: Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der Aufgaben und der Anzahl durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben unter Berücksichtigung der mathematischen Kompetenz je Stichprobe (CFT 20-R) ................................... 193 Tabelle 32: Häufigkeit der Ethnien je Stichprobe in Prozent............................................... 270 Tabelle 33: Häufigkeit der angegebenen Familiensprache je Stichprobe in Prozent .......... 285 Tabelle 34: Anzahl der ein- und mehrsprachigen Teilnehmenden je Stichprobe in Prozent 292 Tabelle 35: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung mathematischer Kompetenzen .................................................................................................. 303 Tabelle 36: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung mathematischer Kompetenzen der Teilstichproben (ARK, DAK, DBK) ...................................... 305 Tabelle 37: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung des Konventions- und Regelwissens .................................................................................................. 313 Tabelle 38: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung des Konventions- und Regelwissens der Teilstichproben (ARK, DAK, DBK) ...................................... 314 Tabelle 39: Zusammenfassung Ergebnisse des Konventions- und Regelwissens unter Berücksichtigung der Ziffernform innerhalb der Teilstichproben ARK .............. 316 Tabelle 40: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung der Intelligenz .............. 319 Tabelle 41: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung der Intelligenz unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK, DAK, DBK) ............................................................................................................... 321 Tabelle 42: Ausprägung der Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene . 326 Tabelle 43: Ausprägung des Selbstbildes als Mathematiklernende.................................... 330 Tabelle 44: Ausprägung der Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene........ 333 Tabelle 45: Zusammenfassung der Beschreibung der sozioökonomischen Rahmenbedingungen ...................................................................................... 348 Tabelle 46: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung ausgewählter Aspekte der sozioökonomischen Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK, DAK, DBK)....................................... 352 Tabelle 47: Zusammenfassung der Beschreibung der Bildungsbiografie ........................... 354

XXII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 48: Zusammenfassung der Beschreibung ausgewählter Aspekte der Bildungsbiografie der Stichprobe AR unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK) ......................................................... 358 Tabelle 49: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung ausgewählter Aspekte der Bildungs-biografie unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK, DAK, DBK) ................................................................. 359 Tabelle 50: Zusammenfassung der Beschreibung von Herkunft und Migrationshintergrund ........................................................................................................................ 360 Tabelle 51: Zusammenfassung der Beschreibung ausgewählter Aspekte von Herkunft und Migrationshintergrund der Stichprobe AR unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK) ......................................................... 363 Tabelle 52: Zusammenfassung der Ergebnisse ausgewählter Aspekte zur Herkunft und Migration unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK, DAK, DBK) ................................................................. 364 Tabelle 53: Zusammenfassung der Beschreibung des Sprachhintergrundes ..................... 365 Tabelle 54: Zusammenfassung der Beschreibung ausgewählter Aspekte des Sprachhintergrundes der Stichprobe AR unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK) ......................................................... 369 Tabelle 55: Zusammenfassung der Ergebnisse ausgewählter Aspekte des Sprachhintergrundes unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (ARK, DAK, DBK) ................................................................. 370 Tabelle 56: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse zur mathematischen Kompetenz ..... 398 Tabelle 57: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse zur mathematischen Basiskompetenz ........................................................................................................................ 399 Tabelle 58 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse zur Intelligenz................................... 400 Tabelle 59: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse zur mathematikbezogenen Vorstellung ........................................................................................................................ 400 Tabelle 60: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse zu den bildungsbiografischen, sprachliche und soziokulturellen Rahmenbedingungen ................................... 402

XXIII

Abkürzungsverzeichnis AEMR

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

BA

Bundesagentur für Arbeit

BAMF

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

BIBB

Bundesinstitut für Berufsbildung

BICS

Basic Interpersonal Communicative Skills

BMBF

Bundesministerium für Bildung und Forschung

BMFSFJ

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

BMZ

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

BPB

Bundeszentrale für politische Bildung

BQ-Portal

Informationsportal für ausländische Berufsqualifikationen

BSt

Bertelsmann Stiftung

CALP

Cognitive Academic Language Proficiency

GER

Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen

GFK

Genfer Flüchtlingskonvention

IGLU

Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung

IQB

Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

KMK

Kultusministerkonferenz; Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland

OECD

Organisation for Economic Co-operation and Development

PISA

Programme for International Student internationalen Schülerbewertung)

TIMSS

Trends in International Mathematics and Science Study

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

VAB

Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf

VAB-O

Vorqualifizierungsjahr Deutschkenntnissen

Arbeit/Beruf

mit

Assessment

Schwerpunkt

(Programm

Erwerb

zur

von

1 Einleitung Fallbeispiel Amir1 (17 Jahre und 9 Monate alt) besucht seit Januar die VAB-O2-Klasse einer Berufsschule. Im Unterricht ist er ruhig und zurückhaltend. In den Pausen wirkt er, trotz gelegentlicher Sprachbarrieren, gelöst und heiter, vor allem im Kontakt mit seinen Mitschülern3. Da ein Teil der Klasse mit den Unterrichtsinhalten und dem Deutscherwerb bereits deutlich weiter ist, arbeitet Amir, ebenso wie zwei weitere Schüler, an individuellen Arbeitsblättern. Neben ersten Erfahrungen im Zweitspracherwerb versucht er sich an einfachen Mathematikaufgaben. Während der Kleingruppenförderung zeigt sich, dass er die Grundrechenarten beherrscht und diese in arabischen Ziffern ausführen kann. Im Gespräch zeigt er, wie er arabische Ziffern schreibt und erklärt, wie er diese in Syrien eigentlich gelernt hat (s. Abbildung 1). Amir zeigt sich sehr neugierig und hoch interessiert. Je komplexer der Sachverhalt wird, wie beispielsweise bei der schriftlichen Multiplikation, desto mehr kommt die Erklärung jedoch ins Stocken. „Deutsch schwer“ kommt nach einigem Grübeln als Antwort. Nach kurzer Besprechung mit einem Mitschüler nimmt er die Erklärung wieder auf. Gemeinsam

Abbildung 1: Modern-arabische (oben) und indischarabische Ziffern (unten) sowie unterschiedliche Rechenzeichen (Schülerbeispiel)

rechnen sie die Aufgabe schrittweise vor und vergleichen ihr Vorgehen mit der deutschen Form der schriftlichen Multiplikation. In seiner Freizeit spielt Amir gerne mit seinen Mitbewohnern Fußball. Er wohnt gemeinsam mit drei anderen Asylsuchenden in einer Wohngruppe. Im Laufe der Woche besucht er jeden Tag die VAB-O-Klasse, lernt am Nachmittag mit seinem Betreuer Deutsch, spielt Fußball oder fährt gemeinsam mit Freunden mit der Straßenbahn in die Stadt. Das Verstehen der Fahrpläne sei anfangs gar nicht so leicht gewesen, schildert er in einem Gespräch. Amir möchte die VAB-O-Klasse weiter besuchen, dort „gut Deutsch lernen“, um anschließend den Hauptschulabschluss machen zu können. Denn nur so könne er hier in Deutschland eine Ausbildung machen, sagt er. Aus Gründen des Datenschutzes wurde der Name anonymisiert. s. Abkürzungsverzeichnis Aus Gründen der Lesbarkeit wird bei geschlechtsspezifischen Bezeichnungen, wie bspw. „Schüler“, „Teilnehmer“ oder „Pädagoge“ die männliche Form verwendet. Die weibliche Form sowie weitere Diverse sind hierbei stets eingeschlossen. 1 2 3

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_1

1 Einleitung

In Bezug auf die Integration von Asylbewerbern werden verschiedene Aspekte als relevant benannt.

Neben

Spracherwerb

und

sozialer

Integration

gelten

Bildung

und

Arbeitsmarktzugang als zentrale Aspekte, wie sie auch im gemeinsamen Konzept von Bund und Ländern zur erfolgreichen Integration aufgeführt sind (Bundesregierung 2016). Ohne Bildung kann Integration, so das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BMBF 2015), nicht funktionieren. Mehr als die Hälfte der in der jüngsten Vergangenheit Neuzugewanderten haben das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und sind folglich in einem Alter, in dem eine Ausbildung benötigt wird. Bundesweit wurden hierfür verschiedene Bildungsangebote etabliert. Ziel all dieser Maßnahmen „ist dabei die volle schulische und berufliche Integration aller Kinder und Jugendlichen“ (Verwaltungsvorschrift 2017, 3). Amir, der Schüler des Fallbeispiels, besucht als Asylsuchender die VAB-O-Klasse, um die deutsche Sprache, aber auch mathematische sowie weitere berufsrelevante Kompetenzen zu erwerben und nach Möglichkeit einen Hauptschulabschluss zu erwerben. Bei dem Versuch, Amirs mathematisches Leistungsvermögen zu beschreiben, ergeben sich folgende Fragen: Ist Amir mathematisch kompetent? Beherrscht er nur die Grundrechenarten? Kann Amir möglicherweise im arabischen Sprach- und Symbolsystem bereits komplexe mathematische Zusammenhänge bearbeiten? Erweisen sich die Anforderungen der deutschen Sprache als eigentliche Hürde? Während internationale Vergleichsstudien, wie TIMSS und PISA, wiederholt belegten, dass die schulischen Leistungen von Schülern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu ihren Mitschülern ohne Migrationshintergrund deutlich geringer ausfallen (Stanat & Christensen 2006), zeigt sich ein deutliches Forschungsdesiderat in Hinblick auf die (berufs-)schulische Leistung Neuzugewanderter mit dem Fokus auf Geflüchtete. Die Schüler, die in den letzten Jahren auf der Suche nach Asyl in die Bundesrepublik Deutschland geflohen sind, wuchsen in anderen Sprach- und Kulturräumen auf. Tragbare Schlussfolgerungen hinsichtlich der Schulleistungen lassen sich aus dem Stand der Migrationsforschung, aufgrund der unterschiedlichen Lernausgangslage und (Flucht-)Biografien von migrierten Schülern und solchen mit Migrationshintergrund, demnach nicht treffen. Für die erfolgreiche (Bildungs-)Integration Asylsuchender stellt der Spracherwerb einen grundlegenden

Faktor

dar.

In

verschiedenen

Disziplinen

wurde

der

Fokus

der

wissenschaftlichen Bemühungen in den letzten Jahren auf die Betrachtung des Zweitspracherwerbs, auch im Kontext fachdidaktischer Inhalte, gelegt. Als eine Ursache für geringe Schulleistungen von Schülern mit Migrationshintergrund wird der Grad der Beherrschung der deutschen Sprache gesehen. Dieser stellt jedoch keinen isolierten Faktor zur Erklärung unterschiedlicher (mathematischer) Leistungsniveaus dar (Deseniss 2015).

2

1 Einleitung

Um unter den besonderen Bedingungen des Zweitspracherwerbs mathematische Kompetenz individuell fördern zu können, ist es vermutlich kaum ausreichend, ein Arbeitsblatt ausfüllen zu lassen und dies zur Beurteilung heranzuziehen. Vielmehr gilt es, neben innermathematischen Bezügen, auch sprachliche und soziokulturelle Aspekte, sowie personenbezogene Voraussetzungen zu berücksichtigen. Welche Vorstellung hat Amir von Mathematik? Und welche Bedeutung misst er ihr bei? Wie schätzt sich Amir in Mathematik ein? Sieht er sich als begabten Rechner? Oder beschäftigt er sich mit Mathematik eigentlich nur ungern? Die vertiefende Betrachtung des Fallbeispiels zeigt, dass Amir zum Rechnen auf die ihm geläufigen modern-arabischen Ziffern zurückgreift. Bei der Lösung der nächsten Aufgabe geschieht Folgendes: Nach der Aufgabe zur schriftlichen Multiplikation bearbeitet Amir die Aufgabe: 2 • (8-4). Als Lösung notiert er 8- . Die Lehrkraft kommt hinzu und erkundigt sich wie Amir zu dieser (falschen) Antwort kommt. Als Ursache des Problems stellt sich der Übertrag in die modern-arabischen Ziffern und die Rechenrichtung heraus. Amir überträgt die Ziffern und rechnet in der für ihn gewohnten Richtung (s. Abbildung 2). Da 4 minus 8 gleich -4 ist, kommt er nach der Multiplikation mit 2 auf sein Ergebnis. Dass beim Übertrag die Rechenrichtung verändert wird, war in diesem Moment weder Amir noch seiner Lehrkraft bewusst.

Die

erwarteten,

typischen

Gründe,

wie

fehlendes Fachwissen oder sprachliche Schwierigkeiten, waren an dieser Stelle nicht die Ursache des fehlerhaften Ergebnisses.

Abbildung 2: Lösung der Rechenaufgabe

So exemplarisch diese Situation auch ist, sind ihr dennoch viele bildungstheoretische, soziologische, ethnologische, mathematikdidaktische und sonderpädagogische Elemente und Fragestellungen inhärent. Zudem verdeutlicht sie die Notwendigkeit der Wahrnehmung persönlicher Grenzen unseres Erwartungshorizonts. „Wenn ich nicht sehe, daß ich blind bin, dann bin ich blind; wenn ich aber sehe, daß ich blind bin, dann sehe ich.“ (Foerster 1985, 27). Foerster beschreibt bereits 1985 die Wahrnehmung unserer Wirklichkeit. Anhand des Experimentes ‚der blinde Fleck‘ macht er mit der Abbildung eines Sterns und eines Kreises deutlich, dass der Betrachter über seinen eigenen Horizont hinaussehen muss. Obwohl auf der Abbildung deutlich beide Symbole zu sehen sind,

3

1 Einleitung

verschwindet der Kreis, sobald sich der Betrachter auf den Stern konzentriert. Diese lokalisierte, hervorgerufene Blindheit wird nicht als schwarzer Fleck visualisiert, sondern überhaupt nicht wahrgenommen. „Einen schwarzen Fleck sehen, würde bedeuten, daß man sieht‘“ (Foerster 1985, 26). Bezogen auf die Wahrnehmung des Mathematiklernens im Kontext (Flucht)Migration gilt es sich bewusst zu machen, dass wir unsere Wirklichkeit basierend auf unserem Wissen wahrnehmen, interpretieren und ergänzen. Die Gestaltung eines passenden Bildungsangebotes für Neuzugewanderte stellt eine komplexe Herausforderung auf mehreren Ebenen dar, da neben innermathematischen Bezügen, sprachliche und soziokulturelle Aspekten,

sowie

personenbezogene

Voraussetzungen

(wie

Fluchterfahrungen,

Bildungsbiografie, Zukunftserwartungen) zu berücksichtigen sind. Bei der Beurteilung der mathematischen Kompetenz, also einem sehr speziellen Bereich der Wirklichkeit und der kognitiven Prozesse einer anderen Person, spielen unzählige individuelle Faktoren hinein, die der Außenstehende – ob Lehrer, Mitschüler oder Wissenschaftler – nicht zur Gänze kennen, nachvollziehen oder verstehen kann. Durch das Bewusstsein der Existenz dieser blinden Flecken wird die Möglichkeit geschaffen, das Unbekannte, hier formuliert als zentrale Fragestellung, sehen zu lernen: Welche Gemeinsamkeiten und Differenzen zeigen sich im Vergleich mathematischer Kompetenzen arabischsprachiger und deutschsprachiger Jugendlicher unter Berücksichtigung verschiedener, den Kompetenzerwerb bedingender Faktoren, wie Intelligenz,

mathematikbezogene

Vorstellungen

und

mathematische

Basiskompetenzen sowie bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte? Spezielle Studien zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich, die neben fach- sowie mathematikdidaktischen Aspekten auch Perspektiven der empirischen Bildungsforschung, Psychologie sowie Berufs- und interkultureller Pädagogik berücksichtigen und von Elementen der Sonderpädagogik resp. Benachteiligtenpädagogik moderiert und gerahmt werden, sind in der Forschung ein Desiderat, dem die vorliegende Untersuchung nachgeht. Die Diskussion der beschriebenen Fragestellung ergibt sich aus der (berufs-) schulischen Praxis und dem primär sprachlichen Fokus der aktuellen empirischen Ausrichtung zur Betrachtung der Schulmathematik im Kontext von (Flucht)Migration. Die Studie weist aufgrund des rudimentären Stands der Forschung zu dieser Thematik einen explorativen Charakter auf. Sprachlich und soziokulturell bedingte Unterschiede von Lernenden mit bzw. ohne Migrationshintergrund haben sowohl auf die Lernprozesse als auch auf den Lernerfolg im Mathematikunterricht Auswirkungen (Deseniss 2015). Der vorliegenden Untersuchung liegt die Annahme zugrunde, dass neben der Ebene der Sprachkompetenz, auch die Ebene der

4

1 Einleitung

kulturellen Prägung und Sozialisation (etwa in Hinsicht auf die Vorstellungen darüber, was man unter Mathematik versteht oder wie wichtig oder unwichtig schulisches Lernen ist) im Rahmen eines multifaktoriellen Bedingungsgefüges Einfluss auf das Mathematiktreiben und den Umgang mit Mathematikaufgaben hat. Demnach konzentrieren sich die folgenden Betrachtungen nicht auf den Erwerb der deutschen Sprache bzw. die sprachlichen Fähigkeiten der Neuzugewanderten, sondern auf die bisher weniger berücksichtigten mathematischen Kompetenzen als relevanten Einflussfaktor der Teilhabe. Auf die Sprachebene als zentralen Einflussfaktor des schulischen Mathematiklernens wird eingegangen, indem die Aufgaben für die neuzugewanderten Schüler in deren Herkunftssprache übersetzt werden. Die vorliegende Studie hat vor diesem Hintergrund zum Ziel, den Umgang mit Mathematikaufgaben unter Berücksichtigung vielfältiger, relevanter, personenbezogener, sprachlicher- sowie soziokultureller Aspekte zu betrachten. Mit der Untersuchung ist die Intention

verbunden,

im

(Mathematik)Unterricht

die

individuelle

Förderung

der

Neuzugewanderten durch die gezielte Abstimmung des Lerngegenstandes auf deren Bedürfnisse zu ermöglichen. Hierzu sollen didaktische und methodische Vorschläge erarbeitet werden. Zudem soll so die Differenzierung, angepasst an die Lernausgangslage der Schüler, erleichtert werden. Somit sollen Erkenntnisse zu kulturspezifischen Vorstellungen von Mathematik gewonnen werden, die einen Mehrwert für die allgemeine didaktische Gestaltung eines

individualisierten

Mathematikunterrichts

in

transkulturellen

und

inklusiven

Lernsituationen mit sich bringen. Insgesamt sollen möglichst frühzeitig individuelle und differenzierte Lerngelegenheiten geschaffen werden, um den Erwerb mathematischer Kompetenzen von neuzugewanderten Schülern im Kontext Flucht zu ermöglichen und so zur Verbesserung der Teilhabe beizutragen.

Überblick über den Aufbau der Studie Die Betrachtung mathematischer Kompetenzen unter Berücksichtigung verschiedener bedingender Faktoren sollen in der vorliegenden Untersuchung im interkulturellen Vergleich aufgezeigt werden. Hierfür wird die Studie in Baden-Württemberg mit drei Stichproben durchgeführt: •

Zielgruppe: Arabisch)



Vergleichsgruppe (1): deutschsprachige Schüler der 9. Klasse (Stichprobe „Deutsch – Allgemeine Bildung“)



Vergleichsgruppe (2): deutschsprachige Schüler der beruflichen Schulen, die ein Bildungsangebot des Übergangssystems besuchen (Stichprobe „Deutsch – Berufliche Bildung)

arabischsprachige

Schüler

der

VAB-O-Klassen

(Stichprobe

Aufgrund der Anzahl an Ländern, innerhalb derer Arabisch als Amtssprache gesprochen wird, ermöglicht die Wahl der Zielgruppe anhand der festgelegten Erhebungssprache die Teilnahme

5

1 Einleitung

von Schülern verschiedener Herkunftsländer wie Syrien, dem Irak oder Ägypten. Die deutschsprachigen Schüler der 9. Klasse stellen hierbei eine Vergleichsgruppe hinsichtlich der angenommenen Schulbesuchsdauer der Zielgruppe von neun Jahren dar. Dem gegenüber fungieren die deutschsprachigen Schüler der beruflichen Schule als Vergleichsgruppe in Bezug auf die aktuelle bildungsbiografische Phase der Zielgruppe. Um die vergleichende Betrachtung der mathematischen Kompetenzen arabischsprachiger und deutschsprachiger Schüler der allgemeinbildenden bzw. beruflichen Schule zu ermöglichen, gliedert sich diese Arbeit in die Bereiche der theoretischen Grundlegung sowie den empirischen Teil der Studie. Nach der vorliegenden Hinführung zur Thematik entfalten das zweite und dritte Kapitel den theoretischen Bezugsrahmen, in den die vorliegende Untersuchung eingebettet ist. Während in Kapitel 2 die Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht)Migration näher betrachtet werden, konzentriert sich Kapitel 3 auf den Fokus der Untersuchung: mathematische Kompetenz. Im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels erfolgt die Klärung zentraler Begriffe, wie Flucht, Verfolgung und Migration, die im Rahmen der Studie grundlegend sind. Abschnitt 2.2 setzt sich mit den Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht auseinander. Hierin findet die Gegenüberstellung der Begriffe Integration und Teilhabe (2.2.1) statt. Diese mündet in der Darstellung des der Untersuchung zugrundeliegenden Bildungsverständnisses in Form des Mehrebenenmodells der Grundbildung und der Reflektion der Bedeutung von Bildung für gesellschaftliche Teilhabe. Anschließend wird die Bedeutung von Bildung und Schule als Schlüssel zur Integration sowie die damit verbundenen Herausforderungen erörtert (2.2.2). In Abschnitt 2.3 werden konkrete Bildungsmaßnahmen zur Beschulung von Neuzugewanderten aufgeführt, die den Übergang von der (Berufs)Schule in die Ausbildung ermöglichen sollen. Hierbei werden grundbildungsorientierte Theorien und Ansätze unter dem Fokus der mathematischen Kompetenz zur Ermöglichung von Teilhabe näher betrachtet. Der Fokus der Studie liegt auf der Betrachtung mathematischer Kompetenz. Diese wird in Kapitel 3 anhand der wissenschaftstheoretischen Grundlagen vertiefend betrachtet. Abschnitt 3.1 umfasst grundlegende Überlegungen zur Definition und dem Verständnis mathematischer Kompetenz. Beginnend mit der Klärung des Kompetenzbegriffs (3.1.1), werden die Dimensionen

mathematischer

Kompetenz

anhand

der

bundesweit

geltenden

Bildungsstandards beschrieben (3.1.2). Abschließend wird die Relevanz allgemeiner mathematischer Kompetenzen näher betrachtet (3.1.3). Aufbauend auf dem Verständnis der Grundbildung werden ausgewählte Faktoren beschrieben, die den Erwerb mathematischer Kompetenzen moderieren. Diese bilden, basierend auf dem Mehrebenenmodell der Grundbildung, die fünf zentralen Elemente des Untersuchungsgegenstandes (s. Abbildung 3).

6

1 Einleitung

Abbildung 3: Mathematische Kompetenz und ausgewählte bedingende Faktoren

Abschnitt 3.2 setzt sich mit personenbezogenen Faktoren des Erwerbs mathematischer Kompetenzen auseinander. Hierzu zählen neben den mathematischen Basiskompetenzen (3.2.1), als basale Grundlage mathematischen Treibens in Form des Konventions- und Regelwissens, auch die subjektbezogenen Variablen der kognitiven Fähigkeiten speziell der Intelligenz (3.2.2) sowie des Selbstkonzepts im Sinne der mathematikbezogenen Vorstellungen (3.2.3). Abschnitt 3.3 skizziert Faktoren der sozialen Ebene. Hierin wird der Erwerb mathematischer Kompetenzen unter soziokultureller und sprachlicher Perspektive betrachtet. Bei der Auseinandersetzung mit dem Zusammenspiel zwischen Mathematik und Kultur

sind

Einflüsse

der

Kultur

und

sozialen

Herkunft,

bildungsbiografische

Rahmenbedingungen sowie herkunftsbedingte Einflüsse subsummiert (3.3.1). Der Einfluss der Sprache(n) in Zusammenhang mit mathematischer Kompetenz wird darauffolgend hinsichtlich der Differenzierung zwischen Alltags-, Fach- und Bildungssprache aber auch im Fokus der Mehrsprachigkeit analysiert (3.3.2). Abschließend erfolgt in Kapitel 4 die Ausformulierung der Fragestellung der Untersuchung anhand der zuvor dargestellten theoretischen Erläuterungen sowie deren Ausdifferenzierung in Teilfragen. Hierbei dienen die ausgewählten Variablen als Fokus zur Konkretisierung der Fragestellung. Der empirische Teil beschäftigt sich, aufbauend auf die theoretische Grundlegung, mit der Beschreibung der durchgeführten Untersuchung in Kapitel 5 und der Darstellung der Ergebnisse in Kapitel 6.

7

1 Einleitung

Kapitel 5 umfasst die Beschreibung des Untersuchungsdesigns. Hierzu erfolgt die Erläuterung der Methodologie im Sinne der Theorie der wissenschaftlichen Methoden sowie die Darstellung der verwendeten Methoden. Zunächst wird in Abschnitt 5.1 der Aufbau der Untersuchung anhand methodologischer Überlegungen (5.1.1) beschrieben. Darauf folgt eine Übersicht

über

die

Erhebungsmethoden

und

den

Erhebungsverlauf

(5.1.2).

Die

Kurzvorstellung der Erhebungsverfahren wird abschließend vorgenommen (5.1.3). Zur Erfassung der mathematischen Kompetenz, des Konventions- und Regelwissens als Bereich der mathematischen Basiskompetenzen sowie der Intelligenz werden standardisierte Verfahren eingesetzt. Um die mathematikbezogene Vorstellung sowie bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Rahmenbedingungen rekonstruieren zu können, wurden theoriegeleitet Fragebögen entwickelt und erprobt. Abschnitt 5.2 beinhaltet die Vorbereitung zur Eingrenzung des Forschungsgegenstandes. Zu Beginn werden die geführten Experteninterviews und deren Resultate dargestellt (5.2.1). Diese werden anschließend zur Entwicklung der Fragebögen herangezogen (5.2.2). Kritisch betrachtet und begründet wird der Umgang mit den Erhebungssprachen (5.2.3) sowie die Übersetzung der Instruktionen, Instrumente und Daten (5.2.4). In Abschnitt 5.3 wird die Pilotierung anhand deren Zielsetzung (5.3.1), der Pilotierungsstichprobe (5.3.2) sowie den Ergebnissen und darauf resultierenden Konsequenzen (5.3.3) dargestellt. Die Beschreibung der Stichproben anhand verschiedener Charakteristika wie Alter, Herkunft und Geschlecht erfolgt in Abschnitt 5.4, ebenso wie die Beschreibung

der

organisatorischen

Aspekte

der

Durchführung.

Hinsichtlich

der

Datenauswertung (Abschnitt 5.5) wird das Vorgehen im Umgang mit den Daten der standardisierten Testverfahren erörtert (5.5.1). Auswertungstechnische Fragen zum Umgang mit den Resultaten der verwendeten Fragebögen hinsichtlich der Kodierung werden methodenbezogen dargelegt und begründet (5.5.2) Das sechste Kapitel dient zur Darstellung der Ergebnisse der durchgeführten explorativen Studie. Innerhalb der Abschnitte 6.1 bis 6.3 erfolgt für die Resultate der standardisierten Verfahren zunächst die stichprobenbezogene Beschreibung. Daran schließt sich die differenzierte Betrachtung der Daten, unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufen der Teilnehmenden, an. Der erste Abschnitt der Ergebnisdarstellung umfasst die mathematische Kompetenz, gefolgt vom Konventions- und Regelwissen (Abschnitt 6.2) und der Intelligenz (Abschnitt 6.3). Daran schließt sich die Rekonstruktion der mathematikbezogenen Vorstellungen (Abschnitt 6.4), innerhalb der drei dem Fragebogen zugrundeliegenden Konstrukte, an: Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene, Selbstbild als Mathematiklernende sowie Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene. Abschließend erfolgt die Deskription der Ergebnisse zu den bildungsbiografischen, soziokulturellen und sprachlichen Rahmenbedingungen (Abschnitt 6.5).

8

1 Einleitung

An die Darstellung der Ergebnisse schließt sich in Kapitel 7 deren Interpretation an. Dem Aufbau des vorherigen Kapitels folgend gliedern sich die Abschnitte in die fünf Untersuchungsbereiche: Mathematische Kompetenzen (Abschnitt 7.1), Konventions- und Regelwissen (Abschnitt 7.2), Intelligenz (Abschnitt 7.3), mathematikbezogene Vorstellungen (Abschnitt 7.4) und bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte (Abschnitt 7.5). Die Resultate werden zunächst zusammengefasst. Hierbei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Stichproben visualisiert. Anschließend erfolgt innerhalb jedes Abschnitts die Interpretation der Ergebnisse anhand der konkreten Teilfragestellungen. Die Gesamtinterpretation der Befunde und die damit verbundene Beantwortung der zentralen Fragestellung erfolgt in Abschnitt 7.6. Kapitel 8 bildet den Abschluss der Arbeit. Hier werden die Ziele und Vorgehensweisen der Untersuchung kritisch reflektiert (Abschnitt 8.1) und die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst (Abschnitt 8.2). Anschließend werden in einem Ausblick (Abschnitt 8.3) Implikationen der Untersuchungsergebnisse sowohl für die weitere Forschung als auch für die Unterrichtspraxis im Fach Mathematik resp. den Erwerb mathematischer Kompetenzen für arabischsprachige Lernende im Kontext (Flucht-)Migration skizziert.

9

Theoretische Grundlegung

1 Einleitung

12

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration Zur Beschreibung der theoretischen Grundlagen der Arbeit werden im Folgenden verschiedene Aspekte der Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht) Migration erörtert. Zunächst erfolgt einleitend die Auseinandersetzung mit verschiedenen Begriffen zum Thema Flucht und Asyl, die in Gesellschaft, (Bildungs-)Politik und Wissenschaft zum Teil unterschiedliche Anwendung finden (Abschnitt 2.1). Anschließend werden Bildungsbedingungen speziell im Rahmen von Migration und Flucht näher betrachtet (Abschnitt 2.2). Die Relevanz der Bildung als wichtigen Faktor für die gesellschaftliche Integration zeigt sich hierbei im jüngeren und älteren Stand der empirischen Forschung. Doch welche Form der Bildung und welche Bildungsinhalte gilt es zu erwerben, um Teilhabe zu ermöglichen? Der Fokus der Betrachtung wird hierbei auf die Anschlussorientierung im Sinne der Grundbildung unter Berücksichtigung der erschwerten Bildungsbedingungen der Asylsuchenden gelegt (2.2.1). Ergänzend wird Bildung als Schlüssel zur Integration sowie die damit verbundenen Herausforderungen analysiert (2.2.2). Diskutiert wird speziell der Einfluss mathematischer Kompetenzen im Kontext von Bildung und Ausbildung (u.a. Lindacher 2015). Der darauffolgende Abschnitt (2.3) umfasst die Betrachtung ausgewählter Bildungsangebote für Neuzugewanderte zur Unterstützung des Übergangs von der (Berufs)Schule in die Ausbildung. Neben dem Kriterium der Ausbildungsreife werden hierbei relevante Faktoren erörtert. Speziell die Bedeutung mathematischer Kompetenzen wird in den Fokus der Analyse genommen.

2.1 Verfolgung, Flucht, Migration – Begriffsklärung „Über eine Million Asylsuchende sind im Jahr 2015 zu uns gekommen: Viele flohen vor Terror und Bürgerkrieg, andere vor politischer oder religiöser Verfolgung. Für manche war es die schlichte Hoffnung auf ein besseres Leben“ (Laschet 2016, 9).

Von diesen etwa eine Millionen Asylsuchenden erhalten, so die Ergebnisse der Expertenkommission der Robert Bosch Stiftung, voraussichtlich 400.000 Personen eine Anerkennung (Laschet 2016). Die Thematik der Migration ist in Deutschland kein Novum. Vielmehr zeigt sich eine umfassende Migrationsgeschichte. Berlinghoff (2018) zufolge prägt Migration das heutige Deutschland von Beginn an. Während vor der Gründung des Deutschen Reichs 1871 selbst ein Umzug von Mannheim nach Stuttgart, so Berlinghoff, als Migration galt,

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_2

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

sind als wesentliche Migrationsprozesse die Zwangsmigration im Zeichen der Weltkriege, die Zuwanderung von Heimatvertriebenen nach dem zweiten Weltkrieg, aber auch die Zuwanderung von Gastarbeitern zu nennen. So blieben von den 14 Millionen ausländischen Arbeitskräften, die zwischen Ende der 1950er und Anfang der 1970er Jahre nach Deutschland kamen, etwa 3 Millionen dauerhaft. Den Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge zogen in den Jahren 2015 und 2016 4.002.076 Menschen nach Deutschland (DESTATIS 2018). Hunderttausende Menschen flohen aus ihrer Heimat und suchten Zuflucht in Deutschland, was sich in den 745.545 Erst- und Folgeanträge auf Asyl widerspiegelt (BPB 2019). Diese Form der Migration erfolgt in vielen Fällen aufgrund existenzieller Bedrohungen, wie Krieg und Terror, und existenziellen Beschränkungen, wie ethnischer oder politischer Verfolgung.

Migrationsbewegungen

sind

ein

fester

Bestandteil

der

menschlichen

Kulturgeschichte und zu allen Zeiten zu beobachten (Han 2016). Ebenso umfassend sind die Facetten der Migrationsforschung, deren Befunde bis weit in die Geschichte zurückreichen. „Der Begriff der Migration stammt von dem lateinischen Wort „migrare bzw. migratio“ (wandern, wegziehen, Wanderung). Er ist in den letzten Jahren, beeinflusst durch das weltweit verbreitete englische Wort „Migration“, sowohl in der deutschen Alltagssprache als auch in der Begriffssprache der Sozialwissenschaften heimisch geworden. In den Sozialwissenschaften werden unter dem Begriff der Migration allgemein solche Bewegungen von Personen und Personengruppen im Raum (spatial movement) verstanden, die einen dauerhaften Wohnortwechsel (permanent change of residence) bedingen.“ (Han 2005, 7)

Bei Menschen, die aus eigenem Antrieb eine bessere Lebensperspektive suchen und aus diesem Grund ihr Land verlassen, handelt es sich um Migranten. Menschen, die jedoch aufgrund bestimmter, festgeschriebener Einflüsse von außen zur Flucht gezwungen werden, sind Flüchtlinge (BMZ 2017). Hierbei wird eine klare Unterscheidung zwischen Flucht und Migration vorgenommen, die auf der eigenständigen, selbstbestimmten Handlungsmöglichkeit basiert. Laut des Abkommens der Genfer Flüchtlingskonvention (kurz: GFK, 1951) gilt jede Person als Flüchtling auf die die folgenden Merkmale zutreffen: •

Begründete Furcht vor Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung



Aufenthalt außerhalb des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt



Schutz dieses Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, kann nicht in Anspruch genommen werden oder wird wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch genommen



Aufenthalt als Staatenloser außerhalb des Landes, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, verbunden mit der Möglichkeit zur (sicheren) Rückkehr

14

2.1 Verfolgung, Flucht, Migration – Begriffsklärung

Diese Definition findet sich auch in der Soziologie und Bildungsforschung wieder. Da in der Beschreibung der Genfer Flüchtlingskonvention Menschen, die aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen oder Furcht vor Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure fliehen, nicht im Wortlaut enthalten sind, wird diese Definition kritisiert. „Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) vertritt die Position, dass nicht der Urheber der Verfolgung ausschlaggebend ist, sondern die Tatsache, dass eine Person internationalen Schutz benötigt, weil ihr eigener Staat diesen nicht mehr garantieren kann oder will. Diese Auffassung wird auch in der afrikanischen Flüchtlingskonvention und in der lateinamerikanischen Erklärung von Cartagena vertreten.“ (BMZ 2017)

Anders als die vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung klar beschriebene Trennung zwischen Migranten und Flüchtlingen beschreibt die OECD Migration als Oberbegriff, zu dem auch die Migration aus Fluchtgründen hinzuzählt. „Von Auswanderung ist bei Personen die Rede, die ein Land für einen längeren Zeitraum oder dauerhaft verlassen; von Einwanderung bei Personen, die zwecks längerem Aufenthalt in ein Land kommen, die Begriffe internationale Migration oder manchmal nur kurz Migration sind Sammelbegriffe, die beide Phänomene abdecken.“ (Keeley 2010, 22)

Migration und entsprechend die Personenbezeichnung des Migranten stellen nach Hoesch (2018) somit einen Überbegriff dar, dessen inhaltliche Ausformung im Detail zu betrachten ist. Unter diesem Sammelbegriff, bei dem die betreffende Person als Migrantin oder Migrant bezeichnet wird, verbirgt sich eine vielfältige Bevölkerungsgruppe mit unterschiedlichen Lebenslagen

und

Migrationsgründen.

Hierzu

zählen

unter

anderem

temporäre

Arbeitsmigranten, geringqualifizierte Langzeitmigranten, aber auch hochqualifizierte Personen und Geschäftsleute, irreguläre Migranten, Flüchtlinge, Asylsuchende und zur Migration gezwungene Familienmitglieder (Familienzusammenführung oder Familiengründung), bis hin zu Rückkehrmigranten. Flüchtlinge werden von den Vereinten Nationen also als Personen definiert, „die außerhalb ihres Heimatlandes leben und aus begründeter Furcht vor Verfolgung nicht dorthin zurückkehren können oder wollen“ (Keeley 2010, 27). Als Asylsuchende gelten in Deutschland, in Abgrenzung zum Flüchtling, Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, über den aber noch nicht entschieden wurde. Beantragt ein Migrant Asyl bei der Einreise in das Aufnahmeland und nicht bereits im Herkunfts- oder Transitland, gilt er als asylsuchend. Diesem Anspruch auf den Flüchtlingsstatus wird nur beim Vorliegen entsprechender Gründe, wie der Furcht vor Verfolgung, von der jeweiligen Regierung des Aufnahmelandes stattgegeben. Die Migration aufgrund von Flucht, wenn Migranten also als Flüchtlinge zu bezeichnen sind, ist somit eine spezifische Form der Migration, die sogenannte Zwangsmigration. „Die Kategorie ‚Flucht und Asyl‘ beschreibt den großen Bereich der sogenannten erzwungenen, unfreiwilligen Migration“ (Hoesch 2018, 22). Zu den Menschen,

15

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

die zur Migration gezwungen werden, zählen jedoch nicht nur Asylsuchende, sondern weiterhin auch Menschen, die vor Hungersnöten und Naturkatastrophen fliehen. Ein Asylsuchender war gezwungen sein Land, beispielsweise aufgrund seiner politischen Überzeugungen, zu verlassen und ist somit zwangsmigriert. Die Abgrenzung der Begriffe Flucht, Asylsuche und Zwangsmigration besteht im jeweiligen Grund der Migration. Während die Flucht vor umweltbedingten Faktoren, wie Naturkatastrophen oder Hungersnot zur Zwangsmigration gezählt werden, handelt es sich nur bei Menschen, die aufgrund von verschiedenen Formen der Verfolgung auf der Flucht sind, um eine spezielle Form der Zwangsmigrierten: Asylsuchende. Das Vorliegen einer solchen Form der Verfolgung als Grund für die Migration, wie sie in der GFK und der Definition der OECD (Keeley 2010) beschrieben ist, wird im Rahmen des Asylverfahrens beurteilt und ist von Land zu Land unterschiedlich. Über die Verwendung des Begriffs ‚Flüchtling‘ wurde besonders seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 wiederholt diskutiert. Neben ‚Neuzugewanderten‘, einem eher verallgemeinernden Begriff, wurde von ‚Asylsuchenden‘ und ‚Geflüchteten‘ gesprochen. Die Abgrenzung zwischen ‚Asylsuchenden‘ und ‚Flüchtlingen‘ ist aufgrund des Status des Asylverfahrens deutlich. Die Bezeichnung der Geflüchteten ist dem Flüchtling synonym, werde hingegen als weniger stigmatisierend wahrgenommen. Vielfältige Diskussionen betrachtend fasst das Netzwerk Pro Asyl die Standpunkte prägnant zusammen: „Das Wort habe eine bedenkliche Wortstruktur, deren Endung -ling sich in vorwiegend negativ konnotierten Wörtern (Fiesling, Schreiberling) wiederfinde. Allerdings lassen sich auch für die Ausnahme von der vermeintlichen Regel leicht Beispiele finden (Liebling, Schmetterling). Auch wird – nicht wirklich zum ersten Argument passend – moniert, die Endung hätte verniedlichenden Charakter. […] Wer „Flüchtling“ sagt, transportiert auch den historischen und rechtlichen Bedeutungshorizont. „Geflüchtete“ zu sagen, ist hipper, der Begriff in Wortsinn und Wortstruktur wohl unproblematisch, aber auch noch ohne historische Bedeutung.“ (Pro Asyl 2016, 24)

In Abgrenzung zu dem in den 1990er Jahren verwendeten Begriff des Asylanten, dessen Verwendung aufgrund politischer und gesellschaftlich negativer Zuschreibungen indiskutabel ist, wird in Fachkreisen auch der Begriff des Schutzsuchenden genutzt. Da sich die vorliegende Untersuchung jedoch nicht nur mit Menschen beschäftigt, deren Asylanträge angenommen wurden und damit als Flüchtlinge oder Geflüchtete gelten, wird im Folgenden der Begriff des Asylsuchenden verwendet. Dieser schließt auch die Menschen ein, deren Asylgesuchen bereits stattgegeben wurde. Neben den Menschen, die selbst ihr Heimatland verlassen haben, um in ein anderes Land einzuwandern, gilt es einen Blick auf deren Nachkommen zu werfen. Der Begriff der Menschen mit Migrationshintergrund ist in Bildungs- wie auch Alltagssprache etabliert. Einen Migrationshintergrund besitzen gemäß der Definition des Bundesamts für Migration und

16

2.1 Verfolgung, Flucht, Migration – Begriffsklärung

Flüchtlinge (BAMF) zufolge Menschen, die selbst migriert sind oder bei denen mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde (BAMF 2019). Dem Statistischen Bundesamt zufolge lässt sich der Migrationshintergrund wie folgt definieren: „Eine Person hat einen Migrationshintergrund, wenn sie selbst oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt. Die Definition umfasst im Einzelnen folgende Personen: 1. zugewanderte und nicht zugewanderte Ausländer; 2. zugewanderte und nicht zugewanderte Eingebürgerte; 3. (Spät-)Aussiedler; 4. mit deutscher Staatsangehörigkeit geborene Nachkommen der drei zuvor genannten Gruppen.“ (DESTATIS 2017, 4)

Handelt es sich bei der Person mit Migrationshintergrund um einen solchen Nachkommen, wie in Punkt 4 beschrieben, ist jedoch zu beachten, ob diese mit ihren Eltern im gleichen Haushalt lebt, da nur dann von einer Person mit Migrationshintergrund gesprochen werden kann (DESTATIS 2017). Im Unterschied zum Begriff des ‚Flüchtlings‘, handelt es sich beim Terminus ‚Migrationshintergrund‘ nicht um einen juristischen Begriff.

17

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht Über die Bildungsressourcen der in den vergangenen Jahren neuzugewanderten Jugendlichen ist bislang nur wenig bekannt. Nachweise formaler Abschlüsse können selten vorgelegt werden. Häufig verfügen die Asylsuchenden über vielfältige Erfahrungen, sogenannte informell erworbene Kompetenzen, die sie in ihrer Heimat oder während der Flucht erworben haben (Baumann & Riedl 2015; Stoewe 2017). „Für die aktuell ankommenden Flüchtlinge [gibt es] derzeit keine belastbaren Zahlen [das Bildungsniveau betreffend], was an sich schon ein grundlegendes Hemmnis für eine gezielte Planung politischer Maßnahmen zur Integration darstellt“ (Wößmann 2016,12).

Basierend auf den Hinweisen verschiedener Quellen, wie nicht-repräsentativer Befragungen von Asylsuchenden verschiedener Integrationsprogramme der Bundesagentur für Arbeit, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dem sozio-ökonomischen Panel (SOEP) und vielen anderen, skizziert Wößmann jedoch eine deutliches Bild: Für die jeweiligen Herkunftsländer der in früherer Vergangenheit zugewanderten Asylsuchenden zeigt sich, dass etwa bei zehn Prozent ein Hochschulabschluss anzunehmen ist. Bei etwa zwei Dritteln wird hingegen vermutet, dass diese über keinen berufsqualifizierenden Bildungsabschluss verfügen. Erste Informationen zur Heterogenität der Gruppe der Asylsuchenden hinsichtlich der Sprachund Bildungsbiografien geben die Informationen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (u.a. BAMF 2016) und die Befragung neuzugewanderter Jugendlicher und junger Erwachsener an Berufsschulen in Bayern (Baumann & Riedl 2015). Hinsichtlich der Dauer des Schulbesuchs im Heimatland zeigen die Ergebnisse der Befragung von Baumann und Riedl, dass die Anzahl der Schulbesuchsjahre der 508 Befragten von ‚kein Schulbesuch‘ bis zu 17 Jahren stark variiert (s. Abschnitt 2.5.1). Ebenso heterogen zeigen sich die Daten bei der Betrachtung der Schulart. Während einige Befragten keine Schule besuchten, geht der Besuch der Schule von der Koranschule bis hin zum Berufsschul-, College- und Universitätsbesuch (Baumann & Riedl 2015, 100). „Eine 2015 veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass die schulische Bildung der Flüchtlinge zwar nur etwas geringer ist als bei anderen Ausländergruppen, die bereits in Deutschland sind, dass aber die berufliche Qualifikation dieser Flüchtlinge erheblich niedriger ist“ (Bossfeld et al.2016, 234).

Der erschwerte Zugang zu Bildungsangeboten führt dazu, dass Asylsuchende der Gruppe der sogenannten

(Bildungs-)Benachteiligten

Benachteiligung

18

aufgrund

sozialer

zuzuordnen

Merkmale

vor.

sind. Weitere

Bei

diesen

bekannte

liegt

eine

Formen

der

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht

Benachteiligung, die die volle und wirksame Teilhabe an Bildung erschweren, sind beispielsweise Gesundheitsprobleme, körperliche Schädigungen und Behinderungen. Den Handlungsvorschlägen des Bundesinstitutes für Berufsbildung (kurz: BiBB) zufolge zählen zu den Benachteiligten „junge Menschen mit individuellem Förderbedarf, die ohne besondere Hilfe keinen Zugang zur Ausbildung finden und ihre soziale, berufliche und persönliche Integration in die Gesellschaft nicht alleine bewältigen können‘“ (BiBB 2008, 1). Krapf (2017) zeigt auf, dass die Frage nach der Zugehörigkeit zur Gruppe der Benachteiligten bereits intensive Diskussionen ausgelöst habe und führt auf, dass bei der Betrachtung von Benachteiligung nach Niemeyer (2008) zwischen strukturell bedingter und personenbedingter Benachteiligung zu unterscheiden sei. Der Handlungsvorschläge des BiBB und der Arbeit von Junge et al. zufolge, gelten Jugendliche als benachteiligt, auf die ein oder mehrere der folgenden Aspekte zutreffen (Junge et al. 2011, 10; BIBB 2008, 2): •

noch nicht ausbildungsreife Jugendliche



fehlende Berufseignung



mit Lernbeeinträchtigung



Un- und Angelernte



sozial Benachteiligte



Jugendliche, denen die Aufnahme oder der Abschluss einer Ausbildung nicht gelungen ist und deren Ausbildungs- und Arbeitsmarktchancen durch die weitere Förderung ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit erhöht werden sollen



Jugendliche mit Migrationshintergrund



Kombination mehrerer der zuvor aufgeführte Aspekte

Lohmann (2017) zufolge sind von der Ungleichheit der Bildungschancen sowohl Migranten als auch sozial Benachteiligte betroffen. Bildungsbenachteiligung gestaltet sich, als Gegenstück zur Bildungsbeteiligung, als Problem ungleicher Bildungschancen und Bildungserfolge. Zum Bildungserfolg von Lernenden mit Migrationshintergrund, zu denen per Definition (s. Abschnitt 2.1) auch Asylsuchende aufgrund ihrer eigenen Migrationsgeschichte zählen, gibt es eine Vielzahl

an

nationalen,

wie

auch

internationalen

Studien

verschiedener

Forschungsdisziplinen, deren Befunde im Folgenden exemplarisch skizziert werden. „Die Ergebnisse der PISA-Tests des Jahres 2000 belegen eindeutig, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund in der BRD mannigfaltigen Bildungsbenachteiligungen ausgesetzt sind“ (Fereidooni 2011, 66).

Die großangelegten internationalen Leistungsvergleichsstudien, wie PISA, IGLU und TIMSS, haben

gravierende

Leistungsdifferenzen

zwischen

Jugendlichen

mit

und

ohne

Migrationshintergrund ermittelt (u.a. PISA-Konsortium Deutschland 2007). Auch die Ergebnisse späterer PISA-Studien bestätigen das vergleichsweise niedrigere Abschneiden

19

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

der Teilnehmenden mit Migrationshintergrund (Stanat et al. 2009). Anhand der Ergebnisse der IGLU Studie stellen Schwippert et al. fest, dass die schulischen Leistungen der Teilnehmer, besonders in den späteren Schulstufen, deutlich abhängiger vom sozialen Hintergrund der Schüler sind, als es zum Zeitpunkt des Grundschulbesuchs der Fall ist. Auch hier zeigt sich insgesamt, dass Teilnehmende mit Migrationshintergrund hinsichtlich der Leistungen in den Kernkompetenzen (Lesen, Mathematik, Naturwissenschaften) schlechter abschneiden als ihre Mitschüler ohne Migrationshintergrund (Schwippert et al. 2004). Wendt et al. untersuchen migrationsbedingte

Disparitäten

in

mathematischen

und

naturwissenschaftlichen

Kompetenzen und stellen fest, dass in TIMSS 2015 – wie bereits in TIMSS 2007 und TIMSS 2011 – deutliche Leistungsunterschiede sowohl in Mathematik als auch in den Naturwissenschaften bestehen (Wendt et al. 2004). Gogolin et al. (2003) stellen in einem Gutachten zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund fest, dass „fast 50% der Zugewanderten die elementare Kompetenzstufe I im Lesen nicht [überschreiten]. Dieses Resultat ist nicht domänenspezifisch; vielmehr wurde ermittelt, dass sich eine mangelnde Lesekompetenz im Deutschen kumulativ auf die mathematische und naturwissenschaftliche Leistungsfähigkeit auswirkt“ (Gogolin et al. 2003, 12)

Weitere Studien bestätigen die deskriptiven Ergebnisse der internationalen Vergleichsstudien. Im ersten Teil des Integrationsreports 2008 stellt Siegert (2008) dar, dass Schüler mit Migrationshintergrund in Deutschland schlechtere Kompetenzwerte4 hinsichtlich der Lese-, mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen aufweisen als ihre Mitschüler ohne Migrationshintergrund. Die Ausprägung dieser Differenz nimmt im Verlauf der Sekundarstufe zu. Wagner (2005) führt in einer zusammenfassenden Betrachtung des Stands der Forschung hinsichtlich der Bildungschancen Jugendlicher aus Migrationsfamilien aus, dass die vergleichsweise schlechteren Schulabschlüsse von Jugendlichen aus bestimmten ethnischen Minderheiten hinreichend empirisch belegt sind. Anhand der Daten des Bundesamtes für Migration und Forschung (BMBF) zeigt sich eine Verbesserung des durchschnittlichen Niveaus der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die jedoch auch gleichermaßen bei der Vergleichsgruppe zu beobachten ist. Der Abstand im besseren Schulerfolg der deutschen Mitschüler wurde somit nicht geringer. Neuhoff stellt zudem unter anderem dar, dass Kinder mit Migrationshintergrund häufiger von der Einschulung zurückgestellt werden, häufiger über einen vergleichsweise niedrigen Kompetenzstand verfügen und seltener höhere Bildungsabschlüsse erreichen (Neuhoff 2015). „Die prekäre Bildungs- und Schulsituation von Migrantenkindern ist seit den 1970er Jahren eine

ungelöste

Problematik

auf

schulpädagogischer,

wissenschaftlicher

gesellschaftlicher Ebene“ (Tepecik 2011, 23).

4

Statistisches Maß zur Kompetenzbeurteilung: Mittelwert 500, Standardabweichung 100

20

und

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht

Die unterschiedlichen Ausgangsbedingungen und die mangelnden Möglichkeiten zum Nachweis vorhandener Kompetenzen stellen für Asylsuchende ebenso prekäre Bildungs- und Schulsituationen dar, wie sie auch bei Schülern mit Migrationshintergrund eine ungelöste Problematik sind. Die Fülle bisheriger Befunde, die sich mit den Bildungschancen, möglichkeiten und -benachteiligungen der Menschen mit Migrationshintergrund befassen, lassen sich zwar nicht deckungsgleich auf die Gruppe der Asylsuchenden übertragen, geben jedoch erste Hinweise bezüglich möglicher Erklärungsansätze. Unumstritten ist, dass zahlreiche Faktoren für die Kompetenzentwicklung relevant sind. Diese liegen auf der individuellen Ebene (zsf. Stanat & Christensen 2006), der Ebene der Bildungsbiografie bzw. -teilhabe im Sinne der Grundbildung (Werner 2017) sowie auf der Ebene der Lebenslagen und umfassen darüber hinaus auch spezifische Merkmale von Migrationsfamilien wie Migrationsgeschichte, deren sozio-ökonomische Lage und kulturelles Kapital,

Bildungsentscheidungen,

ebenso

wie

die

familiale

Sprachpraxis

(zsf.

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2010). Die Erklärungsansätze

hinsichtlich

des

schulischen

Erfolges

von

Schülern

mit

Migrationshintergrund sind vielfältig. Deseniss (2015) benennt als zentrale Grundtypen drei Arten von Erklärungsansätzen, die dem Angebots-Nutzungs-Modell ähneln (Helmke 2012):

Die



systemische Erklärungsansätze



Erklärungsansätze auf der Ebene von Schul- und Unterrichtsmerkmalen



Erklärungsansätze auf der Ebene individueller Merkmale der Schüler / strukturellindividualistische Erklärungsansätze

Analysen

der

Ergebnisse

der

PISA-Studien

zeigen,

dass

Teilnehmer

mit

Migrationshintergrund keineswegs als homogene Gruppe gefasst werden können. Besonders hinsichtlich der Lebenssituation unterscheiden sich die Teilnehmer erheblich. Stanat et al. zufolge, kann dies „durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein, wie etwa durch Unterschiede in Bezug auf den Bildungshintergrund der Eltern, Bleibeperspektiven, Zugang zu Maßnahmen der Integrationsförderung (z.B. Sprachkurse), wahrgenommene Akzeptanz der eigenen Herkunftsgruppe durch die Aufnahmegesellschaft oder kulturell geprägte Werte und Einstellungen“ (Stanat et al. 2009, 213).

Die für den Erwerb von Kompetenzen relevanten Bildungsbedingungen lassen sich in Anlehnung an das Mehrebenenmodell der Grundbildung den drei Ebenen zuordnen. Auf der Prozessebene sind die fachlichen Rahmenbedingungen verortet, Vorerfahrungen und Kenntnisse der entsprechenden Basiskompetenzen stellen hierbei eine entscheidende Ressource dar. Auf der Subjektebene sind bildungsbiografische Rahmenbedingungen, wie Schulbildung, Bedingungen im Herkunftsland und speziell die Besonderheiten durch die erlebte Flucht einzuordnen. Den Einfluss bildungsbiografischer Aspekte untermauern auch die

21

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

Analysen des Mikrozensus. Zur Beschreibung des allgemeinen Bildungsniveaus erweisen sich die Merkmale Geschlecht, Migrationserfahrung, Alter und Herkunft als bedeutsam. Siegert (2008)

zufolge

zeigt

sich

ein

Zusammenhang

folgenermaßen:

Personen

ohne

Migrationshintergrund verfügen über ein eher höheres Bildungsniveau als solche mit Migrationshintergrund. Hinsichtlich des Alters besitzen jüngere Menschen ein höheres Bildungsniveau, ebenso wie junge Frauen gegenüber jungen Männern. Das Bildungsniveau der Personen mit eigenen Migrationserfahrungen ist geringer als das der Personen mit Migrationshintergrund. Sozioökonomische Rahmenbedingungen sowie Schul- und Unterrichtsmerkmale beeinflussen die soziale Ebene, da sie die Grundlage der sozialen Interaktion mitbedingen. Hierzu zählen familiäre Aspekte, wie die sozioökonomische Stellung der Familie und der innerfamiliäre Sprachgebrauch, aber auch die Berufs- und Ausbildungshintergründe der Eltern sowie die Einstellung hinsichtlich der Relevanz des Bildungserfolgs. Ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen den Mathematikleistungen der Schüler mit Migrationshintergrund und dem jeweiligen bildungsbezogenen und sozio-ökonomischen Familienhintergrund konnte, so Siegert, nachgewiesen werden. Auf die differenzierte Betrachtung der Bildungsbenachteiligung durch Schul- und Unterrichtsmerkmale wird an dieser Stelle verzichtet, da die geflüchteten Schüler, die Zielgruppe der hier vorliegenden Studie sind, erst seit wenigen Monaten bis hin zu wenigen Jahren in Deutschland die Schule besuchen. Deseniss zufolge lässt sich festhalten, dass zur Erklärung von Bildungserfolgen der Schüler mit Migrationshintergrund keine eindeutig ursächlichen Merkmale festgestellt werden können (Deseniss 2015, 30). Vielmehr ist es nötig, die Rahmenbedingungen auf Prozessebene, Subjektebene (Lernendes Individuum) und sozialer Ebene (Familie, Bildungssystem, Schul- und Unterrichtsmerkmale) einzubeziehen.

22

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht

2.2.1 Teilhabe durch Integration – Integration durch Teilhabe? Kaum ein anderer Begriff wird im Rahmen der Flüchtlingsdiskussionen so vielfältig und häufig verwendet, wie der Begriff der Integration. Die Migrations- und Integrationsforschung fokussieren unterschiedliche Bereiche der Migration. Während die Migrationsforschung die Ursachen von Migration, individuelle Entscheidungsprozesse und die rechtlichen Regelungen betrachtet, stehen im Vordergrund der Integrationsforschung „vielmehr die Eingliederungsprozesse von Migrant_innen in die relevanten Bereiche der Gesellschaft des Ziellandes, also ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt, im Bildungssystem, ihre sozialen Kontakte außerhalb ihrer Herkunftsgemeinschaft, die Entwicklung ihrer Sprachkompetenz etc.“ (Hoesch 2018, 13).

Im Zusammenhang mit Migration bezieht sich Integration auf die Einbindung in die Aufnahmegesellschaft. Diese Form der Integration stellt eine sogenannte Sozialintegration dar, wie es bspw. auch bei der Integration von Menschen mit Behinderung der Fall ist (Schulte 2009).

Integration Dem Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration zufolge, zielt Integration auf die möglichst uneingeschränkte und eigenständige Entfaltung des Menschen hin. Dies bezieht sich auf die Beteiligung in verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen. Konkret wird ein diskriminierungsfreies (Arbeits-)Leben gefordert. Fokussiert auf Neuzugewanderte besteht das Ziel der Integration darin, akzeptiert zu werden und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können (Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration 2004). Der Begriff der Integration blickt auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurück, innerhalb derer sich verschiedene theoretische Ansätze herausgebildet haben. Die Vielschichtigkeit des Begriffs und die Vielfalt der Verwendungsformen wurden im wissenschaftlichen Diskurs bereits häufig aufgegriffen und analysiert (zsf. Hoesch 2018). Das Verständnis von Integration und die damit verbundenen Ziele hängen eng mit der zugrundeliegenden theoretischen Perspektive zusammen. Allgemein betrachtet befasst sich Integrationsforschung mit dem Ankommen in der aufnehmenden Gesellschaft und den verschiedenen Bedingungen und Ergebnissen dieses Prozesses. Die Integrationsforschung kann aus der Perspektive der Migrationsforschung in zwei zentrale Theorien sowie weitere Ansätze unterteilt werden, die alle den soziologischen Theorien zuzuordnen sind. Neben der Angleichung (Assimilation) und der dieser entgegengesetzten Theorie des Multikulturalismus und des ethischen Pluralismus sind Konfliktbewältigung, Transnationalismus und Funktionale Differenzierung zu nennen.

23

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

Hoesch (2018) beschreibt die verschiedenen Ansätze zusammenfassend wie folgt: •

Assimilationstheorie: Anpassung der Migranten an die Zielgesellschaft, um Gleichheit im Sinne gleicher Chancen und dem Verschwinden systematischer sozioökonomischer Unterschiede zu erreichen.



Multikulturalismus: Betrachtung beider Seiten: Migranten, die eine Anpassungsleistung erbringen müssen; Aufnahmegesellschaft, die mit Respekt, Anerkennung und auch Förderung den Selbstverwirklichungsbedürfnissen verschiedener ethnischer Gruppen begegnen muss.

Im Weiteren wird Integration im Sinne der differenzierungstheoretischen Perspektive, in Anlehnung an den Multikulturalismus, als ein wechselseitiger Prozess verstanden, in dem besonders gesamtgesellschaftliche Prozesse, Institutionen und Phänomene, wie die Zugangschancen im Bildungssystem und den Zugang zu Bildung, zu betrachten sind. Es gibt „keine einfache Antwort auf die Frage, was denn eine gelungene ‚Integration‘ von Migrant_innen in die Aufnahmegesellschaft auszeichnet und mit welchen Mitteln diese zu erreichen sei“ (Hoesch 2018, 120).

Die aktuellen Ausrichtungen verschiedener Forschungsdisziplinen, wie Migrations- und Flüchtlingsforschung, Erziehungswissenschaften, Soziologie und Fachdidaktiken, weisen jedoch darauf hin, dass für eine möglichst gelungene Integration von Asylsuchenden verschiedene Faktoren, wie Spracherwerb, Bildung und Arbeitsmarktintegration eine wesentliche Rolle spielen. Bildung stellt somit einen zentralen Schlüssel dar, dessen Erfolg jedoch von unterschiedlichen Voraussetzungen beeinflusst wird. „Erfolgreiche Bildung zeigt sich neben dem erreichten Schulabschluss am individuellen Bildungserfolg,

an

lebenspraktischer,

einer

umfassenden

sozialer,

kognitiver,

Persönlichkeitsentwicklung,

sprachlich-kommunikativer

und

am

Erwerb

personaler

Kompetenzen und an der Fähigkeit zu einer so weitgehend wie möglich selbstbestimmten Lebensführung sowie einer aktiven Teilhabe an der Gesellschaft“ (KMK 2011, 8).

Betrachtet man diesen Auszug einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz wird deutlich, dass erfolgreiche Bildung nicht bloß in der Beherrschung fachlicher Inhalte besteht. Vielmehr umfasst erfolgreiche Bildung vielfältige Kompetenzen, die es zu erwerben gilt.

Teilhabe Allgemein betrachtet stellt die Teilhabe an allen Bereichen der Gesellschaft nach Artikel 27 der AEMR ein Menschenrecht dar (Vereinte Nationen 1948). Teilhabe wird einerseits im Rahmen des sozialpolitischen Diskurses als Rechtsbegriff verstanden und präzisiert, um wirksame Rechtsansprüche abzuleiten. Andererseits findet seit der Aufnahme in das Sozialgesetzbuch IX der Versuch der wissenschaftlichen Klärung statt, um den Begriff im Rahmen der Teilhabeforschung empirisch betrachten zu können (Lindmeier & Lindmeier

24

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht

2012). Unter dem Begriff der Teilhabe sind vielfältige Formen subsumiert, wie soziale, berufliche, aber auch gesellschaftliche Teilhabe, die es zu unterscheiden gilt. Werner stellt verschiedene Perspektiven des Begriffs der Teilhabe dar und beschreibt soziale Teilhabe als „die gleichberechtigte Einbeziehung von Individuen und Organisationen in gesellschaftlichen Entscheidungs-

und

Willensbildungsprozessen“

(Werner

2017,

18).

Aus

rehabilitationspädagogischer Perspektive entsteht, so Werner (2017), Teilhabe aus dem wechselseitigen Zusammenspiel zwischen Inklusion (Einbeziehen), Partizipation (Beteiligung) und Integration (Eingliederung) und stellt keinen einmal erreichten, festen Zustand, sondern einen vielschichtigen, verzahnten und dynamischen Prozess dar. „Teilhabe – genauer: berufliche und gesellschaftliche Teilhabe – wird zur zentralen Zielund Inhaltskategorie. Politisch-normativ ist das Ziel von Teilhabe, dass alle Menschen mit ihren je individuellen Lern- und Entwicklungsvoraussetzungen und –potentialen ihre eigenen Lebensvorstellungen verrichten können“ (Werner 2017, 19 f.).

Durch das Recht auf die Möglichkeit für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen, wie es in der UN-Konvention (2009) verankert ist, wird der beruflichen Teilhabe große Bedeutung für gesellschaftliche Teilhabe beigemessen. Berufstätigkeit stellt einen bedeutsamen Faktor der gesellschaftlichen Anerkennung dar und ermöglicht die individuelle Lebensgestaltung. So sind nach Werner schulische und berufsschulische Bildung essenzielle Mindestvoraussetzungen einer existenzsichernden Beschäftigung. Im Rahmen der (berufs-)schulischen Bildung gilt es in den Bildungsplänen festgeschriebene Kompetenzen und formale Qualifikationen, in Form von Abschlüssen, zu erlangen. Diese stellen wiederum eine notwendige und geforderte Voraussetzung für die weitere – vor allem berufliche – Lebensgestaltung dar.

Bedeutung von Bildung für gesellschaftliche Teilhabe – das Mehrebenenmodell der Grundbildung Teilhabeorientierten Bildungsangeboten liegt, so Werner, ein funktionales Verständnis von Bildung zugrunde, das „die Passung zwischen individuellen Kompetenzen und den jeweils sozial-lebensweltlichen und arbeitsweltbezogenen Anforderungen in den Vordergrund [stellt]“ (Werner 2017, 24). „Kompetenzen sind die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, 27).

Werner zufolge stellen Kompetenzen, basierend auf dem Kompetenzverständnis von Weinert, die Verbindung zwischen Können und Wissen her, die zur Bewältigung verschiedener

25

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

Situationen beiträgt. Stanat et al. (2012) führen an, dass verschiedene Aspekte der Persönlichkeit einer Person, wie Wissen, Fähigkeit, Verstehen, Können, Handeln, Erfahrungen und Motivation, die zur Bewältigung konkreter Anforderungssituationen benötigt werden, als individuelle Kompetenzen bezeichnet werden können. Demnach liegt dem Kompetenzbegriff keine ausschließlich fachliche Perspektive zugrunde. Vielmehr umfasst dieser auch emotionalsoziale und situationsspezifische Faktoren, zu denen unter anderem Vorwissen, Intelligenz und Gedächtnis, aber auch Motivation, Selbstkonzept und Leistungsbereitschaft zählen. Die Lernziele der schulischen Bildung werden, seit der Einführung der Bildungsstandards, die von der Kultusministerkonferenz 2003, 2004 und 2012 verabschiedet wurden, als Kompetenzen beschrieben. Welche Kompetenzen es in einzelnen Fächern der verschiedenen Jahrgangsstufen zu erwerben gilt, ist hierzu von Bund und Ländern detailliert festgeschrieben. Die in den Bildungsstandards beschriebenen Kompetenzen sind jedoch überwiegend abschluss- und nur geringfügig anschlussorientiert. Im Gegensatz zu den fachlichen Kompetenzen des Schulunterrichts umfasst die Theorie der Basis- bzw. Grundbildung jene Kompetenzen, „die für eine erfolgreiche Teilhabe an der Gesellschaft Voraussetzung sind“ (Werner

2017,

117).

Zur

Systematisierung und Rahmung von Basiskompetenzen im Kontext von

Teilhabe

bietet

sich

Mehrebenenmodell

das der

Grundbildung an. Basierend auf dem

Modell

zur

schriftsprachlicher

Beschreibung Kompetenzen

(Rosebrock & Nix 2008) und dem Ansatz der „situativen Mathematik“ (Basendowski 2013) systematisiert Werner

in

diesem

Modell

verschiedene Kompetenzebenen, die wechselseitig zur Teilhabe des Einzelnen beitragen (s. Abbildung 4).

Abbildung 4: Mehrebenenmodell der Grundbildung (Werner 2017, 120)

Den Kern des Modells bildet die Prozessebene. Hier sind vor allem schriftsprachliche und mathematische Basiskompetenzen subsummiert. Die Vermittlung dieser konkreten basalen Fertigkeiten – auf mathematischer Ebene bspw. die Grundfertigkeiten des Zählens und Rechnens, Grundkenntnisse zum Aufbau des Zahlenraums, sowie der Umgang mit Größen und

geometrischen

26

Begriffen



wird

als

Aufgabe

der

Schule

verstanden.

Als

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht

hierarchieniedrigste Prozesse stellen diese jedoch lediglich eine notwendig und noch keine hinreichende Bedingung für Teilhabe dar, da letztere auch Aspekte der Subjekt- und SozialEbene sowie eine Verknüpfung aller Ebene erfordert. Vielmehr ist es im alltäglichen Handeln notwendig die Ebenen miteinander zu verknüpfen. Auf der Subjektebene werden personenbezogene individuelle Aspekte subsummiert, wie Motivation, Volition und soziale Bereitschaft. Die Soziale Ebene bewegt sich im jeweils vorliegenden situationsbedingten sozialen Kontext, der einen spezifischen Ausschnitt aus dem gesellschaftlichen Alltag abbildet. Die Nutzung der Basiskompetenzen unter Berücksichtigung der subjektiven Ressourcen ist somit stets in das soziale Miteinander eingebettet. „Erst die Berücksichtigung der Trias aller Kompetenzebenen und die Synthese aller Kompetenzelemente handlungsleitend

entfaltet

für

die

das

Potential

Gestaltung

von

einer

Grundbildung

kompetenz-

und

und

vermag

teilhabeorientierten

Bildungsangeboten zu sein“ (Werner 2017, 121)

Das Konzept der Grundbildung, das in der hier folgenden Arbeit das grundlegende Verständnis zur Ermöglichung von Teilhabe darstellt, ist jedoch kein Novum. Aus dem Forschungsfeld der Bildungsforschung und der Berufspädagogik finden sich zahlreiche grundbildungsorientierte Theorien und Ansätze, die unter dem Fokus der mathematischen Kompetenz im Kapitel 2.3.1 näher betrachtet werden. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vielfach ausgerufene Integration von Asylsuchenden

mit

dem

Ziel

der

Ermöglichung

von

Teilhabe

ein

essenzielles

Handlungswerkzeug darstellt. Während Teilhabe, so auch das im Rahmen dieser Studie grundlegende Verständnis, als übergeordnetes Ziel den Einbezug, die Beteiligung und Eingliederung summiert, ist die Integration (Eingliederung) einer von drei relevanten Bestandteilen, der zur Teilhabe beiträgt.

2.2.2 Bedeutung von Bildung und Schule „Zu einer erfolgreichen Integration gehören viele Dimensionen – Sprache, Kultur, Grundwerte und vieles mehr. Aber letztlich wird Integration in all diesen Dimensionen nur gelingen, wenn es auch gelingt, die Integration in den Arbeitsmarkt zu schaffen“ (Wößmann 2016, 11)

Durch Bildung öffnet sich der Zugang zum Arbeitsmarkt, wodurch letztlich auch die gesellschaftliche Integration beeinflusst wird. Für die Integration in die Gesellschaft sind, neben einem Mindestmaß an Kommunikation und Interaktion mit der aufnehmenden Gesellschaft zur Vermeidung von Segregation (Windzio & Wingens 2014), auch die

27

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

Rahmenbedingungen relevant, denen die Asylsuchenden bei der Ankunft im Aufnahmeland ausgesetzt sind (Chiswick et al. 1997).

Bildung als Schlüssel zur Integration Im Rahmen der Integration im Kontext Migration kommt Bildung eine Doppelfunktion zu. Einerseits werden Bildungsinhalte, darunter auch sprachliche Fähigkeiten, vermittelt sowie berufliche Qualifikationen erworben. Andererseits ist die Schule als Ort zur Bewältigung der akuten Lebenssituation von Bedeutung. Als zentrale Faktoren, die die Integration im Aufnahmeland beeinflussen, lassen sich Sprache, Arbeit

und

der

soziale

Anschluss,

beeinflusst

durch

den

Wohnort

sowie

die

Aufnahmebereitschaft der Mehrheitsgesellschaft, nennen (Dustmann 1996; DeVoretz 2008). Schule und Bildung haben in vielen Bereichen der Integration entscheidenden Einfluss. Kinder und Jugendliche, die nach Deutschland geflohen sind, erhalten durch den Besuch der Integrationsmaßnahmen der verschiedenen Schulen Zugang zu Bildung. Neben dem Erwerb der deutschen Sprache können soziale Kontakte geknüpft und aufgebaut sowie fachliches Wissen erworben werden. Auch in der Erklärung der „Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland“ (auch Kultusministerkonferenz; KMK) wird Bildung als Schlüssel zur Integration betont. Ziele sind hierbei unter anderem der rasche Spracherwerb, sowie die Vermittlung von demokratischen Grundwerten, bis hin zur zügigen Integration von schulpflichtigen Asylsuchenden in Regelklassen. „Ein weiteres zentrales Ziel der Länder ist es, Geflüchtete in die Lage zu versetzen, eine Berufsausbildung oder ein Studium aufzunehmen und mit Erfolg abzuschließen.“ (KMK 2016, 3)

Hierzu wurden und werden Angebote etabliert, die neben dem Spracherwerb die Vorbereitung auf eine Berufsausbildung bzw. ein Studium ermöglichen. Im Rahmen der Bildungsangebote gilt es somit, eine möglichst erfolgreiche Ausgangssituation für den Übergang von der Schule in den Beruf zu schaffen.

Herausforderungen „Flucht geht für Kinder/Jugendliche in der Regel mit massiven Belastungen einher. Wie sich ihr Leiden entwickelt und ob sich traumabezogene Symptome ausbilden, hängt im besonderen Maße davon ab, welche Erfahrungen Kinder/Jugendliche nach der Flucht im Aufnahmeland machen“ (Müller & Schwarz 2016, 23)

Mit diesem zusammenfassenden Statement von Müller und Schwarz bilden sich Anforderungen ab, die über die Zuständigkeit der Erstaufnahmestellen und eine willkommen

28

2.2 Bildungsbedingungen im Kontext Migration und Flucht

heißende Gesellschaft hinaus bis in die Schulen und den Unterricht im Klassenverbund reichen. Die Institution Schule und die Pädagogen können die Erlebnisse meist in der jeweiligen Tiefe nicht verstehen und somit auch nur erschwert angemessen pädagogisch aufarbeiten. Schule, Unterricht und Bildung trägt dennoch weitreichend zur Unterstützung der Schüler bei, indem sie die benötigte positive Beziehungserfahrung ermöglichen und entscheidend zur Zukunftsgestaltung beitragen. Doch mit der Integration in das Schulsystem sind zahlreiche Herausforderungen, wie der Umgang mit einem hohen Maß an Heterogenität, Traumatisierung und organisatorische Bedingungen, verbunden. Röhner (2017) führt als zentrale Herausforderung den Umgang mit einer das übliche Maß bei weitem übertreffenden „Höchstform an Heterogenität der Lernvorrausetzungen“ auf. Die Lernenden bringen unterschiedliche fachliche, sprachliche und methodische Voraussetzungen mit, die auch das allgemeine Lern- und Arbeitsverhalten betreffen. Unterschiedliche Bildungsbiografien treffen aufeinander und selbst Schüler, die auf einen umfangreichen Schulbesuch in ihrer Heimat zurückblicken, verfügen aufgrund zum Teil traumatisierender Erfahrungen und dem meist unklaren Aufenthaltsstatus nicht über die nötigen Ressourcen, sich auf das schulische Lernen einzulassen. Für die Schüler kann die Schule „zum Ort der Bewältigung ihrer schwierigen Lebenslage werden“ (Schulze & Spindler 2017, 248). Die Lebenssituation erschwert den Alltag, Lernen scheint kaum möglich. Umso mehr müssen im schulischen Kontext sowohl die aktuelle als auch die erlebte Situation Berücksichtigung finden. Der Schulalltag kann ständig durch Termine bei Ämtern oder Behörden unterbrochen werden. Kulturelle Gepflogenheiten unterscheiden sich von Schüler zu Schüler. Neben all diesen individuellen Faktoren, die die Person des Schülers betreffen, müssen sich Lehrkräfte zudem mit ihren eigenen Sichtweisen, Vorurteilen und Vorstellungen auseinandersetzen, die den Unterricht beeinflussen können, wie bspw. die Erwartungen zum Thema Zeit und Pünktlichkeit und dem fast klischeehaften Verständnis, in manchen Kulturen habe Pünktlichkeit eine andere Relevanz. Dies kann zutreffen, muss aber nicht zwangsweise für alle Schüler einer Kultur gelten. Abgesehen von der Gestaltung passender Bildungsangebote ergeben sich somit Herausforderungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Neben psychosozialen Aspekten der pädagogischen Arbeit und der seelischen Belastung der Kinder und Jugendlichen wirken sich auch vielfältige organisatorische Faktoren auf den Unterrichtsalltag aus (Adam et al. 2016; Müller & Schwarz 2016, Jütte 2016 u.a.). Über die Erfahrungen der Lehrkräfte und Eindrücke aus unterschiedlichen Integrationsprojekten und Unterstützungsmaßnahmen erscheinen besonders in der jüngsten Vergangenheit zahlreiche

29

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

Berichte innerhalb verschiedenster Fachzeitschriften. Ebenso verhält es sich mit ersten nichtrepräsentativen Befragungen der Schulen, Schüler und Lehrenden. Die Ebene der Organisationsstrukturen sei an dieser Stelle bewusst vernachlässigt, da sich hiermit eine weitere, vertiefende Dimension eröffnet, die nicht dem Fokus der vorliegenden Studie entspricht.

30

2.3 (Berufs-)Schule, Übergangssystem und Ausbildung – Relevanz mathematischer Kompetenzen

2.3 (Berufs-)Schule, Übergangssystem und Ausbildung – Relevanz mathematischer Kompetenzen

Zur konkreten Gestaltung der Bildung als Schlüssel zur Integration wurden verschiedene bestehende Angebote erweitert und neue etabliert. Hierbei stehen, je nach Alter und Situation, wie dem Status des Asylgesuchs, verschiedene Maßnahmen zur Verfügung. Im Folgenden wird zunächst die Relevanz des Übergangssystems beruflicher Schulen betrachtet und anschließend, im Fokus der Angebote für Asylsuchende, dargestellt.

2.3.1 Relevanz des Übergangssystems beruflicher Schulen Im Zeitraum des ersten Quartals 2016 sind 15,2% der Asylsuchenden im schulpflichtigen Alter (6 bis 16 Jahre). 2,7% sind im Alter von 16 bis 18 Jahren und 26,0% im Alter von 18 bis 25 (BAMF 2016). Für die beiden letztgenannten Altersgruppen gilt die allgemeine Schulpflicht nicht mehr. Die Altersgruppe im Alter von 18 bis 25 Jahren gilt als besonders risikobehaftet keine

ausreichenden

Bildungsgelegenheiten

zu

erhalten,

da

der

Besuch

der

allgemeinbildenden Schule oft nicht mehr möglich ist. Um dennoch den Zugang zu Bildung zu ermöglichen, können die Jugendlichen und jungen Erwachsenen Angebote an beruflichen Schulen besuchen. Diese dienen zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung. Unterstützt werden

hierbei

durch

Maßnahmen

zur

beruflichen

Orientierung

und

spezielle

Bildungsangebote, so die Intention der Bundesregierung (2016), vor allem nicht mehr Schulpflichtige. Innerhalb kürzester Zeit sollen hierbei neben sprachlichen Fähigkeiten auch fachliche Inhalte erworben werden, um einen der verschiedenen Schulabschlüsse oder einen Ausbildungsplatz erwerben zu können. Nach dem Ende der allgemeinen Schulpflicht, die in Baden-Württemberg in Schulpflicht (bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) und Vollzeitschulpflicht (vier Jahre Grundschule, fünf Jahre aufbauende Schule) aufgeteilt ist, folgt die sogenannte Berufsschulpflicht. Die Regelungen

der

Berufsschulpflicht

unterscheiden

sich

je

nach

Bundesland.

Als

berufsschulpflichtig gelten in Baden-Württemberg all jene, die in einem Ausbildungsverhältnis stehen, dass vor Ende der Berufsschulpflicht (mit dem 18. Lebensjahr) begonnen wurde (Vossenkuhl 2010). Die (Berufs-)Schulpflicht gilt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn die Vollzeitschulpflicht (meist zwischen 15/16. Lebensjahr) endet und statt einer allgemeinbildenden Schule eine Berufsschule besucht wird. „Schulpflichtige ohne Ausbildungsverhältnis können ihre Schulpflicht ebenfalls in vielfältiger Weise erfüllen. Exemplarisch nennt hier z. B. § 22 Abs. 4–8 SchulG NRW

31

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

Maßnahmen der vollzeitschulischen Berufsorientierung, die auch mit dem Erwerb des Hauptschulabschlusses verbunden werden können“ (Vossenkuhl 2010, 53).

Vossenkuhl (2010) zufolge besteht neben der Berufsschulpflicht, als Äquivalent zur Schulpflicht, in Baden-Württemberg die Möglichkeit, die Berufsschule freiwillig bis zum Ende des Schuljahres zu besuchen, in dem das 20. Lebensjahr vollendet wird. Grundsätzlich existiert in allen Bundesländern für Jugendliche – auch für junge Asylsuchende – die Pflicht zum Besuch der (Berufs-)Schule. Asylsuchende, die entsprechend ihres Alters der Berufsschulpflicht bzw. dem Berufsschulrecht unterstehen, erhalten die Möglichkeit spezielle Sprachförderklassen zu besuchen, „da sie häufig nicht die notwendigen Sprachkenntnisse

besitzen,

ansonsten

ist

eine

Integration

in

den

Ausbildungs-

beziehungsweise Arbeitsmarkt nicht möglich“ (Bossfeld et al. 2016, 237). Mittels des ergänzenden

Berufsschulrechts

in

Baden-Württemberg

„können

auch

volljährige

Asylbewerber über den Besuch des VAB-O und anschließend eines regulären VAB Deutsch lernen und gegebenenfalls einen Hauptschulabschluss erwerben“ (Schreyer et al. 2015, 2). Die Schwierigkeiten Asylsuchender, Zugang zur Berufswelt zu erhalten, sind, trotz höherer Bildungs- und Ausbildungsaspirationen und einer verstärkten Aufstiegsorientierung, dennoch höher als die deutscher Jugendlicher mit vergleichbarem sozialem Hintergrund (Relikowski et al. 2012; Schreyer et al. 2015).

2.3.2 Bildungsangebote des Übergangssystems (speziell für Asylsuchende) Ein bereits bestehendes System ist das Übergangssystem der beruflichen Schulen in BadenWürttemberg.

Hierunter

werden,

so

die

Bildungsberichterstattung

2006,

(Aus-)

Bildungsangebote gefasst, die niedriger angesiedelt sind als qualifizierte Berufsausbildungen. Diese führen zu keinem anerkannten Ausbildungsabschluss. Vielmehr steht die Verbesserung der individuellen Kompetenzen von Jugendlichen zur Aufnahme einer Ausbildung oder Beschäftigung im Fokus. Ein Teilziel der Angebote kann auch das Nachholen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses sein. Ziel dieser Maßnahmen „ist dabei die volle schulische und berufliche Integration aller Kinder und Jugendlichen“ (Verwaltungsvorschrift 2017, 3). Ein solche konkrete Maßnahme sind die VAB-O-Klassen an beruflichen Schulen in BadenWürttemberg. Entstanden aus dem bereits existierenden „Vorbereitungsjahr Arbeit und Beruf“ (kurz:

VAB),

stellt

dies ebenfalls eine Maßnahme

des sogenannten beruflichen

Übergangssystems und somit ein Passungsinstrument zwischen Schule und Arbeitsmarkt dar.

32

2.3 (Berufs-)Schule, Übergangssystem und Ausbildung – Relevanz mathematischer Kompetenzen

Diese Maßnahme wurde bereits 2004 im Rahmen der bundesweiten Implementation des Neuen Fachkonzeptes Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit aufgebaut. Innerhalb eines Jahres erhalten Jugendliche und junge Erwachsene im berufsschulpflichtigen (15/16-18 Jahre) und berufsschulberechtigten Alter (18-20 Jahre) innerhalb des VAB-Os in Baden-Württemberg die Möglichkeit, die deutsche Sprache zu erlernen und berufsrelevante Kompetenzen zu erwerben, um so auf die Erwerbstätigkeit vorbereitet zu werden. Die VAB-OSchüler sind überwiegend Asylsuchende, die innerhalb der letzten Jahre nach Deutschland zugewandert sind. Darüber hinaus besuchen auch Neuzugewanderte VAB-O-Klassen, die aus anderen – nicht fluchtbedingten – Gründen ihre Heimat verlassen haben.

2.3.3 Herausforderungen bei der Ausbildungsplatzsuche und dem Unterricht mit Asylsuchenden Um eine Berufsausbildung zu beginnen und diese erfolgreich zu absolvieren, ist auch heute ein qualifizierender Schulabschluss eine wesentliche Voraussetzung für verschiedene Berufszweige (Bossfeld et al. 2016). In Sprach- und Integrationskursen erhalten Asylsuchende Unterstützung, um sprachliche Schwierigkeiten in der Sprache des Aufnahmelandes und Bildungsdefizite

aufzuholen

und

Zugang

zu

berufsvorbereitenden Maßnahmen

im

Übergangssystem zu erhalten. Trotz des Besuchs von sogenannten ‚Maßnahmen des Übergangssystems‘ und der Bemühungen bei der Ausbildungsplatzsuche scheint es seltener zu gelingen eine Lehrstelle zu finden. Es gilt als unumstritten, dass der möglichst zeitnahe Erwerb der deutschen Sprache die Integration begünstigt und mit dazu beiträgt, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen (Dustmann 1996). Dies wird durch verschiedene Aspekte verdeutlicht: •

Das institutionalisierte Angebot an Sprachkursen, Vorbereitungsklassen und Fördermöglichkeiten, das seit dem Zustrom Neuzugewanderter im Jahre 2015 etabliert wurde.



Forderungen hinsichtlich der Bereitstellung von mehr Geldern zur Sprachförderung und für Integrationskurse



Sprachliche Anpassung von Abschlussprüfungen

Der Übergang von schulischen wie außerschulischen Vorbereitungsmaßnahmen in die Berufswelt gestaltet sich jedoch zunehmend schwierig. Strukturelle, institutionelle aber auch politische Faktoren erschweren die konstante Teilnahme an ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen und die Vergabe von Lehrstellen (zsf. Bossfeld et al. 2016, 233). Dem Katalog

33

2 Bedeutung der Bildung und deren Bedingungen im Kontext (Flucht-)Migration

zur Ausbildungsreife der Bundesagentur für Arbeit zu Folge sind besonders die berufsbezogenen Kompetenzen, wie fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen, von großer Relevanz (BA 2009). Darüber hinaus wird jedoch auch den schulischen Kernfächern Bedeutung im Entscheidungsprozess beigemessen. Unternehmen berücksichtigen bei der Vergabe von Ausbildungsplätzen neben den Schulnoten (zum Teil sogar verstärkt) auch individuelle und soziale Aspekte wie Motivation, Ausdauer und soziales

Verhalten.

Besonders

diese

non-kognitiven

Fähigkeiten

nehmen

der

Berufsbildungsforschung zufolge eine hohe Stellung ein (Protsch & Solga 2015). Lindacher

untersuchte

in

einer

qualitativ-empirischen

Studie

betriebliche

Entscheidungsprozesse in ausgewählten Berufsbildern und kommt dabei hinsichtlich der Schulfächer zu folgendem Schluss: „Bei den entscheidungsrelevanten Schulfächern ergibt sich eine deutliche Priorität für das Kernfach

Mathematik.

[…]

Vor

dem

Hintergrund

der

zu

gewährleistenden

Anschlussfähigkeit in Betrieb und Berufsschule plädieren die Personalverantwortlichen für möglichst gut ausgeprägte mathematische Kompetenzen. […] Das Schulfach Mathematik oder genauer gesagt, was ein Schulabgänger in Mathematik wirklich leisten kann, ist bei der Vergabe eines Ausbildungsplatzes von großer Bedeutung.“ (Lindacher 2015, 230 & 333).

Als Prädiktoren für die Ausbildungsreife erweisen sich, neben berufsrelevanten Kompetenzen, die Lesekompetenz und die mathematische Grundbildung als grundsätzlich bedeutsam (Lindacher 2014; BA 2009). Im Wettstreit um einen Ausbildungsplatz gilt es folglich, die eigenen Lese- und Mathematikkompetenzen unter Beweis zu stellen, da die Zeugnisnoten nur teilweise relevant sind. Sowohl im beruflichen Alltag als auch in der Berufsschule werden verschiedene mathematische Inhalte thematisiert. Ein zukünftiger Mechatroniker muss sich „zum Beispiel recht früh mit Trigonometrie auseinandersetzen, was ein profundes Vorwissen in Mathematik erfordert“ (Lindacher 2015, 192). Neben dem Erwerb der deutschen Sprache als grundlegende Anforderung zur Integration in Bildung und Ausbildung gilt es somit auch den fachlichen Kompetenzen, speziell der Mathematischen Kompetenz, Bedeutung beizumessen. Aktive gesellschaftliche Teilhabe und eine befriedigende Lebensführung in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht werden, so auch im Sinne des Mehrebenenmodells der Grundbildung (s. Abschnitt 2.1), in ihrem Kern durch (schrift-)sprachliche und mathematische Basiskompetenzen stark beeinflusst. Diese auch vom Deutschen Pisa-Konsortium (2001) als „Basiskompetenzen“ charakterisierten Kompetenzen sind sozial offener, langfristiger und inhaltlich anspruchsvoller als herkömmliche Lernziele und messen Bildung auch an ihrem Gebrauchswert für die Lebens- und Berufswelt. Bildungstheoretisch fundiert wird dieses Konzept durch die Idee der Grundbildung oder

34

2.3 (Berufs-)Schule, Übergangssystem und Ausbildung – Relevanz mathematischer Kompetenzen

Literacy, die keinen festen Wissens- oder Themenkanon markiert, sondern einen von den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen abhängigen, relativen Minimalstandard, der Menschen erlaubt, ihre Potentiale zu entfalten (Linde 2008). In nachschulischen Bildungskontexten ist Grundbildung arbeits- und berufsorientiert angelegt und bewegt sich im Spannungsfeld von individueller Lebensbewältigung sowie fach- und arbeitsmarktbezogener Qualifizierung (Tröster 2000). Die folgenden Betrachtungen konzentrieren sich somit nicht auf den Erwerb der deutschen Sprache bzw. die sprachlichen Fähigkeiten der Asylsuchenden, sondern auf die bisher weniger berücksichtigten mathematischen Kompetenzen als relevanten Einflussfaktor der Teilhabe.

Die hier vorliegende explorative Studie greift daher verschiedene zentrale Einflussfaktoren auf der Ebene des Individuums sowie dessen sozialer Lebenswirklichkeit auf. Mathematische Kompetenz

stellt

einen

essenziellen

Bestandteil

gesellschaftlicher

Teilhabe

im

Zusammenwirken verschiedener Teilaspekte da. Der Begriff der mathematischen Kompetenz wird daher in Abschnitt 3.1 näher betrachtet. Darauf basierend werden personenbezogene Faktoren (Abschnitt 3.2) sowie soziokulturelle und sprachliche Aspekte (Abschnitt 3.3) dargestellt, denen Aussagekraft zur Beschreibung möglicher Einflüsse auf mathematische Kompetenzen im Sinne spezifischer und unspezifischer Vorhersagemerkmale beigemessen wird (Schneider et al. 2013).

35

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz Mathematik zählt neben Lesen und Schreiben in Deutschland zu den Fähigkeiten, die durch Erziehung vermittelt werden und zur Aneignung, Erhaltung und Verbreitung von Kultur beitragen. Mathematik stellt neben der Schriftsprache eine sogenannte Kulturtechnik dar. Mathematische Inhalte sind an gesellschaftliche Verhältnisse gebunden. Unterschiedliche Weltanschauungen prägen unterschiedliche Inhalte und Ziele. Bei Mathematik handelte es sich, so Werner (2009), um ein kulturgebundenes Phänomen. Anders als in den Naturwissenschaften umfasst die Mathematik nicht die Entdeckung von Ereignissen, sondern stellt ein von Menschen erfundenes Werkzeug zur Beobachtung und Beschreibung der umgebenden Wirklichkeit dar. Mathematik wird demnach als kulturelles Werkzeug bestehend aus Mustern, Formeln und Formalisierungen, Gesetz- und Regelmäßigkeiten ständig weiterentwickelt. Um im Sinne der kulturellen Literarität am gesellschaftlichen Alltag teilhaben zu können, stellt die mathematische Kompetenz einen relevanten Teilbereich dar, den es zu erwerben gilt. Mathematische Kompetenz ist demnach nicht absolut zu betrachten. Gerade für Neuzugewanderte mag das, was sie als mathematisch kompetent auszeichnet, in Deutschland so nicht gelten. Erfolgreiche „Streetmathematics“ (Nunes et al. 1993) – im Sinne der lebensweltlichen Anwendung mathematischer Kompetenzen – verfügen nicht unbedingt über formale Bildung. Zudem können sich die landesspezifischen schulischen Anforderungen an mathematische Kompetenz unterscheiden. Innerhalb des vorliegenden Kapitels werden zunächst grundlegende Überlegungen zu mathematischen Kompetenzen skizziert. Im Anschluss hieran erfolgt die Betrachtung des Erwerbs mathematischer Kompetenzen anhand ausgewählter bedingender Faktoren. Abschnitt 3.2 umfasst hierbei die personenbezogenen Faktoren, während Abschnitt 3.3 den Kompetenzerwerb unter dem Einfluss äußerer Aspekte beschreibt.

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz Die Betrachtung mathematischer Kompetenz konzentriert sich im Folgenden unter Berücksichtigung des Konzepts der mathematischen Grundbildung auf die formale mathematische Kompetenz

im

deutschen Bildungssystem,

wie

sie

innerhalb

der

Bildungsstandards festgelegt ist. Im Rahmen der Begriffsklärung wird der Überlegung nachgegangen, was einen mathematisch kompetenten Menschen in Deutschland ausmacht und wie sich diese Kompetenz messen lässt. Anschließend erfolgt die vertiefende Darstellung der Inhalte mathematischer Kompetenzen, bevor auf die Relevanz der sogenannten allgemeinmathematischen Kompetenzen genauer eingegangen wird.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_3

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

3.1.1 Mathematische Kompetenz – Begriffsklärung Der hier verwendete Kompetenzbegriff, wie er bereits in Abschnitt 2.1 aufgeführt wurde, greift auf die Definition von Weinert zurück (Weinert 2001, 27 f.), die u.a. bei den Bildungsstandards, dem bundesweiten Orientierungsrahmen für den Unterricht aller Schulformen des deutschen Schulsystems, Anwendung findet. Kompetenz wird als Fähigkeit und Fertigkeit verstanden, die sich in konkreten Situationen als Handeln zeigt (Stanat et al. 2012). Im Verständnis der Bildungsstandards geht mathematische Kompetenz über die bloße Anhäufung von Verfahren und Regeln, also einem grundlegenden Basiswissen, hinaus und zeigt sich im verständnisvollen Umgang mit Mathematik und in der Fähigkeit, mathematische Begriffe als Werkzeuge einzusetzen. Zudem wird mathematische Kompetenz als wesentliche Kulturtechnik (Werner 2009) und als eine Art von Sprache (Lorenz 2010) verstanden, die es zu verstehen und zu nutzen gilt. Auch international findet dieses Verständnis mathematischer Kompetenzen unter anderem in der internationalen Vergleichsstudie PISA der ‚Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung‘ (OECD) Verwendung: „Mathematische Kompetenz zeigt sich nach der internationalen Rahmenkonzeption im verständnisvollen Umgang mit Mathematik und in der Fähigkeit mathematische Begriffe als „Werkzeug“ in einer Vielfalt von Kontexten einzusetzen“ (Deutsches PISA-Konsortium 2001, 146).

Das Kompetenzverständnis der PISA-Studie, das die Entwicklung der Bildungsstandards maßgeblich beeinflusst hat, macht deutlich, dass der Erwerb mathematischer Kompetenzen eine

realitätsnahe

Problemlösung

mittels

verschiedener

grundlegender

Werkzeuge

(mathematischer Basiskompetenzen) umfasst, die sich vielfältig nutzen lassen.

Mathematische Kompetenz im Spiegel der Grundbildung Mathematische Kompetenz im Sinne der Grundbildung als relevante Ressource zur gesellschaftlichen, respektive beruflichen, Teilhabe lässt sich aus der Perspektive verschiedener Fachdisziplinen u.a. wie folgt fassen: •

Mehrebenenmodell der Grundbildung – Sonderpädagogik,



Konzept der UNESCO zur Grundbildung,



(Arbeitsplatzorientierte) Grundbildung aus berufspädagogischer Perspektive,



Mathematical Literacy – Grundbildung als inhaltliche Rahmung der PISA-Studie,



Bildungsstandards - Bildungspolitische Perspektive.

Anhand des allgemeinen Mehrebenenmodells der Grundbildung lässt sich mathematische Grundbildung mit Blick auf die Prozessebene beschreiben. Die Beschreibung „ausreichender Basisbildung“ bzw. der Kompetenzen, die für die erfolgreiche Teilhabe an allen

38

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz

gesellschaftlichen Aktivitäten notwendig sind, ist grundsätzlich schwierig, da die Kompetenzen von

verschiedenen

Faktoren,

wie

der

sozialen

Rolle,

dem

Selbstbild

und

den

situationsbezogenen Vorerfahrungen des Einzelnen, beeinflusst werden (Werner 2017). Die Gesellschaft bestimmt das kulturell geprägte Verständnis von Mathematik. Als mathematisch kompetent im Hinblick auf gesellschaftliche Teilhabe gilt, wer diesem Verständnis gerecht wird und nicht nur rechnen, sondern bspw. Probleme mathematisch lösen kann. Auf der Prozessebene sind die mathematischen Inhalte zu verorten, also der fachliche Kern der Mathematik. Hierbei sind personenbezogene Aspekte relevant. Die Subjektebene umfasst Bereiche wie Motivation und Selbstbild, die einen Einfluss auf die Anwendung von Mathematik haben. Auf der sozialen Ebene findet sich eben diese Anwendung der Mathematik speziell in der Kommunikation über Mathematik wieder. „Schulisch

vermittelte

Grund-

oder

Basisfertigkeiten

wie

Lese-,

Schreib-

und

Rechenstrategien werden erst mit ihrem Transfer, mit ihrer Anwendung in sozialen Situationen zu Kompetenzen“ (Werner 2017, 110).

Im Konzept der UNESCO wird Grundbildung seit Jahrzehnten thematisiert und gefordert, dass alle Kinder eine kostenlose, verpflichtende und qualitativ hochwertige schulische Grundbildung erhalten. Insbesondere werden hierbei auch Mädchen, Kinder aus schwierigen Lebensumständen und Kinder, die ethnischen Minderheiten angehören, berücksichtigt. „Grundbildung für alle bedeute, dass Menschen ungeachtet ihres Alters die Möglichkeit haben, als Einzelne oder in der Gemeinschaft ihr Potential zu entfalten. Sie ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht und eine Verantwortung gegenüber anderen und in der Gesellschaft als Ganzes“ (UNESCO 1997).

Aus dem Fachbereich der beruflichen Bildung ist Grundbildung im Sinne der Alphabetisierung bzw. Literalität und der sogenannten arbeitsplatzorientierten Grundbildung bekannt. Kunzendorf und Meier (2015) führen auf, dass es für diese Form der Grundbildung keinen abgeschlossenen inhaltlichen Kanon gibt. Der Blick auf die mathematisch relevanten Inhalte

zeigt,

dass

die

arbeitsplatzorientierte

Grundbildung

sogenanntes

‚arbeitsplatzorientiertes Rechnen‘ umfasst. Diese stellt aus Sicht der Mathematikdidaktik nur einen Teilbereich dessen dar, was mathematische Kompetenzen tatsächlich umfassen. In der pädagogischen und bildungspolitischen Literatur wird der Begriff der Literalität (Literacy) „in einer nahezu unüberschaubaren Vielfalt benutzt“ (Werner 2009, 253). Auch der Konzeption der PISA-Studie liegt der Begriff der ‚mathematical Literacy‘ zugrunde, der im deutschen Sprachraum häufig mit dem Begriff der mathematischen Grundbildung übersetzt wird. Mathematical Literacy wird übersetzt wie folgt definiert: „Mathematische Grundbildung ist die Fähigkeit einer Person, die Rolle zu erkennen und zu verstehen, die Mathematik in der Welt spielt, fundierte mathematische Urteile abzugeben und sich auf eine Weise mit der Mathematik zu befassen, die den Anforderungen des

39

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

gegenwärtigen und künftigen Lebens dieser Person als konstruktivem, engagiertem und reflektierendem Bürger entspricht“ (Deutsches PISA-Konsortium 2000, 47).

Anders als der Begriff der Grundbildung in seinen verschiedenen Konnotationen und Interpretationen vermuten lässt, geht es bei dem der PISA-Studie zugrundeliegenden Begriff somit „nicht bloß um ‚Basics‘, ‚Sichere Beherrschung der Grundrechenarten‘, ‚sich im Alltag mathematisch zurechtfinden‘ u.ä.m., wie es bisweilen von Eltern und Schülern gemeint wird“ (Linneweber-Lammerskitten 2014, 20).

Wer gilt als mathematisch kompetent? Ob jemand als mathematisch kompetent gilt oder nicht, hängt ganz davon ab, welches Maß zur Beurteilung herangezogen wird. In Deutschland bestimmen verschiedene Konzepte der unterschiedlichen Bildungseinrichtungen, welche Inhalte und Kompetenzen erworben werden müssen. Während im schulischen Kontext die Bildungsstandards maßgebend sind, orientiert sich die berufliche Bildung bereits verstärkt am anschlussorientierten Konzept der mathematical Literacy resp. mathematischen Grundbildung, wie es der vorliegenden Studie im Folgenden zugrunde gelegt wird. Die Grenzen sind hierbei jedoch nicht trennscharf. Im Übergangssystem der beruflichen Schulen gilt es Abschlüsse zu erwerben, denen wiederum die Bildungsstandards zugrunde liegen. Während sich das Bildungskonzept im schulischen Bereich mit den Ergebnissen verschiedener Vergleichsuntersuchungen in den letzten Jahren stark

verändert

hat,

hat

sich

diese

Veränderung,

auch

als

interdisziplinärer

Paradigmenwechsel bezeichnet, in der Mathematikdidaktik bereits etwa Mitte der 1980er ereignet. Hierbei wurde das Prinzip der kleinen und kleinsten Schritte durch das Prinzip des aktiv-entdeckenden und sozialen Lernens abgelöst. Das

Konzept

‚Mathematik

entdecken‘

„kennzeichnet

die

Wende

hin

zu

einem

Mathematikunterricht, der den Kindern Gelegenheit geben soll, auf eigenen Wegen zu lernen“ (Schipper 2009, 66). Neben den Einflüssen Winters prägte Freudenthal in den Niederlanden zur Zeit der ‚Neuen Mathematik‘ einen didaktischen Ansatz der auf „Beziehungshaltigkeit“ (Freudenthal 1977, 75) basiert. Hierbei benennt Freudenthal folgenden Grundsatz: „Our mathematical concepts, structures, ideas have been invented as tools to organize the phenomena of the physical, social and mental world. Phenomenology of a mathematical concept, structure, or idea means describing it in its relation to the phenomena for which it was created“ (Freudenthal 1983, ix).

Freudenthals Grundkonzept beinhaltet eine Orientierung an der Welt und grenzt sich gegen ein rein instrumentelles Verständnis von Mathematik ab. Bereits 1977 befasst sich Freudenthal mit Mathematisieren und Problemlösen, Kompetenzen, die auch in den Bildungsstandards enthalten sind. Freudenthals Ansatz ging später unter anderem in das Grundkonzept der PISA-Studie ein. Als mathematisch kompetent gilt hiernach eine Person, die über

40

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz

(grundlegendes)

mathematisches

Wissen

verfügt

und

dieses

als

Werkzeug

zur

Problembewältigung nutzen kann. Aufgrund der Ergebnisse der TIMSS II in der Sekundarstufe im Jahr 1995 wurde von Seiten der

KMK

1997

die

Durchführung

länderübergreifender

Vergleichsuntersuchungen

beschlossen. Ziel ist hierbei die Erhebung gesicherter Befunde über Stärken und Schwächen der Schüler in zentralen Kompetenzbereichen (Schott & Ghanbari 2012). Als Reaktion auf das mäßige Abschneiden der deutschen Schüler im internationalen Vergleich (sog. PISA-Schock), was sich u.a. in den Befunden von TIMSS 1997, PISA 2000 und IGLU darstellt, leitete die KMK weitreichende Reformprozesse in der deutschen Bildungspolitik ein (Böhme et al 2012). So stellte sich heraus, dass die Inputsteuerung des deutschen Schulsystems allein nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt. Aus diesem Grund wurde der Schwerpunkt auf die Entwicklung und Einführung bundesweit geltender Bildungsstandards gelegt, die darauf abzielen, die Qualität der Bildung durch die Beachtung und Erfassung des Outputs zu sichern. In den Jahren 2003 und 2004 wurden von der KMK Bildungsstandards für die Primarstufe und die Sekundarstufe I für die Kernfächer Mathematik, Deutsch und die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) verabschiedet. „In den Bildungsstandards werden mathematische Kompetenzen ausgewiesen, welche die Breite der mathematischen Leistung abdecken, die bei Erlangung des Mittleren bzw. Hauptschulabschlusses erwartet werden können“ (IQB & KMK 2012, 20).

Durch die Einführung der Bildungsstandards festigen sich die in der Mathematikdidaktik bereits vorliegenden Prinzipien und wirken sich so auf den Mathematikunterricht aus. Mit der Einführung der Bildungsstandards sind erstmals allgemeingültige Kompetenzen im Bildungsauftrag der Schulen in Deutschland verankert, denen in der Mathematikdidaktik bereits zuvor große Bedeutung beim Erlernen von Mathematik zugeschrieben wurden.

Messbarkeit mathematischer Kompetenzen „Aus den Ergebnissen zahlreicher Studien zur frühen mathematischen Kompetenzentwicklung können wir schließen, dass das Mathematiklernen schon im Vorschulalter einsetzt und nicht erst mit dem Eintritt in die Schule“ (Schneider et al. 2013, 94).

Mathematische Kompetenzen werden bereits vor Beginn der Grundschulzeit erworben. Kinder setzen sich mit Zahlen und Mengen spielerisch auseinander, erwerben die Kompetenz des Zählen-Könnens, entwickeln ein Verständnis für den Zahlbegriff und verknüpfen das erworbene Wissen von Zahlen und Mengen. Im Vorschulalter kommen weitere sogenannte Vorläuferfertigkeiten hinzu. Die Fähigkeit des Zählens wird so beispielsweise bereits ab einem Alter von zwei bis drei Jahren erworben. Das Mathematik-Lernen, das demnach bereits im frühen Kindesalter beginnt, wird mittels sogenannter Entwicklungsmodelle dargestellt, die die Entwicklung von Kompetenzen im Zeitverlauf beschreiben (Pant et al. 2012).

41

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Während die Entwicklung früher mathematischer Kompetenzen durch Kompetenzentwicklungsmodelle beschrieben werden kann, sind die mathematischen Kompetenzen, die im Rahmen des schulischen Kompetenzerwerbs zu erwerben sind, in Kompetenzstrukturmodellen

dargestellt.

Ein

solches

Kompetenzstrukturmodell

stellen

die

Bildungsstandards der KMK dar. Während die genannten Entwicklungsmodelle beschreiben, wie sich Kompetenzen über die Zeit verändern, sind im Strukturmodell der Bildungsstandards keine aufeinander aufbauenden Entwicklungsschritte aufgeführt. Vielmehr ist anhand des Kompetenzstrukturmodells dargestellt, aus welchen und wie vielen Kompetenzbereichen sich ein Lerngegenstand zusammensetzt. Neben den bereits genannten Modellen zählen zur theoretischen Modellierung von Kompetenz noch Kompetenzstufenmodelle, die die Graduierung einzelner Kompetenzen in Stufen vornehmen (Pant et al. 2012). Die Kompetenzstufen stellen hierbei festgelegte Intervalle dar, wobei die höchste und niedrigste Stufe nach oben resp. unten offen ist. Solche Kompetenzstufenmodelle liegen auch für die Beurteilung des Kompetenzerwerbs der Bildungsstandards vor. „Im Zuge der Auswertung der empirischen Daten aus der Normierung der Aufgaben wurden die Leistungen auf einem Maßstab mit einem Mittelwert von 500 Punkten abgetragen. Ergänzend wurde ein Kompetenzstufenmodell erstellt, das eine kriteriale Beschreibung der Leistungen auf abgegrenzten Stufen erlaubt. Die Erarbeitung eines solchen Kompetenzstufenmodells ist unabdingbare Voraussetzung für eine Definition von Mindest-, Regel- und Maximalstandards“ (IQB & KMK 2012, 19).

Die Kompetenzstufen dienen der Beurteilung des Kompetenzerwerbs der Schüler, daher wird bei

der

Einstufung

der

Schülerkompetenz

der

aktuelle

Stand

des

individuellen

Kompetenzerwerbs beschrieben. Die Kompetenzstufenmodelle der KMK wurden vom IQB auf der Basis national repräsentativer Stichproben entwickelt. Die Kompetenzen jedes Schülers werden anhand der fünf Kompetenzstufen in drei Standards eingeteilt (IQB & KMK 2012, 20): •

Mindeststandards beziehen sich auf ein definiertes Minimum an Kompetenzen, das alle Schüler bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht haben sollten.



Regelstandards beziehen sich auf Kompetenzen, die im Durchschnitt von den Schülern bis zu einem bestimmten Bildungsabschnitt erreicht werden sollen. Will man Schulen in einem System der Weiterentwicklung von Unterricht Ziele anbieten, die über Regelstandards hinausgehen, so kann es sinnvoll sein, einen Leistungsbereich zu definieren, der über den Regelstandards liegt und im Folgenden als Regelstandard Plus bezeichnet wird.



Maximalstandards (auch: Exzellenz- oder Optimalstandards) beziehen sich auf Leistungserwartungen, die unter sehr guten bzw. ausgezeichneten individuellen Lernvoraussetzungen und der Bereitstellung gelingender Lerngelegenheiten innerhalb und außerhalb der Schule erreicht werden und bei weitem die Erwartungen der Bildungsstandards übertreffen.

42

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz

Im Fach Mathematik liegt ein integriertes Kompetenzstufenmodell für den Haupt- und mittleren Schulabschluss vor, dass die Dimensionen mathematischer Kompetenz zusammenwirkend betrachtet. Die Kompetenzstufen umfassen die in Tabelle 1 dargestellten Inhalte. Tabelle 1: Beschreibung der Kompetenzstufen (IQB 2009, 20f.)

1.

Kompetenzstufe 1 (650)

Schüler dieser Kompetenzstufe können u. a.

Benötigte Kompetenzen



AK1: komplexe Argumentationen entwickeln und bewerten AK2: anspruchsvolle Problemlösestrategien anwenden und reflektieren AK3: mehrschrittige komplexe Modellierungen vornehmen und beurteilen AK4: komplexe Darstellungen anfertigen bzw. kritisch beurteilen AK5: komplexe innermathematische Verfahren anwenden und kritisch hinterfragen AK6: sinnentnehmend Informationen aus komplexen Texten gewinnen

• • • • • • • • •

komplexe Argumentationen erläutern bzw. selbst entwickeln und bewerten anspruchsvolle Probleme bearbeiten und Lösungswege reflektieren komplexe außermathematische Problemsituationen mit selbst entwickelten Modellen bearbeiten verwendete mathematische Modelle reflektieren und kritisch beurteilen verschiedene Formen von Darstellungen beurteilen Möglichkeiten und Grenzen der Nutzung mathematischer Operationen reflektieren komplexe Algebraisierungen durchführen Lösungsverfahren bewerten komplexe mathematische Sachverhalte präsentieren umfangreiche oder logisch komplexe mathematikhaltige Texte sinnentnehmend erfassen.

44

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz

Der Mittelwert der Skala liegt bei 500 und die Standardabweichung bei einem Wert von 100 Punkten. Alle Stufenübergänge liegen 80 Punktwerte auseinander. Grund für die Wahl dieses Wertbereichs ist, dass dieser hinreichend differenziert, aber dennoch überschaubar ist (IQB 2009). Zur differenzierten Betrachtung der Kompetenzen der ersten Stufe wird von IQB und KMK die Unterteilung in Kompetenzstufe 1A und 1B vorgenommen (IQB & KMK 2012, 20): • Kompetenzstufe 1A (< 330) Kompetenzstände, die das Verfehlen der Mindestanforderungen indizieren • Kompetenzstufe 1B (330-409) Kompetenzen, die den basalen Bereichen der Hauptschulmathematik entsprechen Die Kompetenzskala lässt sich sowohl für den Schwierigkeitsgrad einzelner Aufgaben wie auch zur Beschreibung der Kompetenz von Schülern heranziehen. Alle Aufgaben, deren Kernwert unterhalb von 410 Punkten eingeschätzt wird, stellen basale Anforderungen dar. Werden solche Aufgaben von Schülern nicht richtig gelöst, entsprechen die Leistungen nicht dem Niveau des mittleren Schulabschlusses (IQB 2009). Für den Hauptschulabschluss (9. Jahrgangsstufe) liegt der Mindeststandard auf der Kompetenzstufe 1B. Der Regelstandard entspricht Kompetenzstufe 2 (Mittlerer Schulabschluss: Kompetenzstufe 3) und der Maximalstandard der Stufe 3. Für den Mittleren Schulabschluss (Klasse 10) wird der Regelstandard erst mit Erreichen der Kompetenzstufe 3 und der Maximalstandard auf Kompetenzstufe 4 erzielt. Anhand der Kompetenzskala lassen sich somit die Kompetenzen der Schüler wie folgt beurteilen (IQB & KMK 2013, 12-13): 1. Schüler, deren Kompetenzen den Technischen Grundlagen entsprechen, zeigen rudimentäre Leistungen. Die grundlegenden Ziele des Mathematikunterrichts werden überwiegend nicht erreicht. 2. Die in den Bildungsstandards formulierten Erwartungen werden noch nicht erfüllt. Über die technischen Grundlagen hinausgehende Kompetenzen liegen jedoch vor, weshalb auch vom Erreichen der Mindeststandards gesprochen wird. 3. Schüler, die die Kompetenzstufe der Regelstandards erreichen, beherrschen die von den Bildungsstandards erwarteten Kompetenzen. 4. Mit dem Erreichen der Kompetenzstufe IV zeigen die Schüler Leistungen, die über die Erwartungen der Bildungsstandards hinausgehen. 5. Schüler, die die Kompetenzstufe der Optimalstandards erreichen, zeigen Leistungen, die nur durch besonders günstige individuelle Voraussetzungen und optimale Lernangebote, sowohl schulisch als auch außerschulisch, möglich sind.

Mit dem Erreichen der Kompetenzstufe 2 beherrschen die Schüler die von den Bildungsstandards am Ende der 9. Klasse erwarteten Kompetenzen.

45

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

3.1.2 Dimensionen mathematischer Kompetenz Die Bildungsstandards der KMK greifen allgemeine Bildungsziele auf und benennen Kompetenzen, die Schüler bis zu einer bestimmten Jahrgangsstufe erworben haben sollen (Klieme et al. 2007, 19). Die Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss beschreiben Kompetenzen, die bis zum Ende der 9. Jahrgangsstufe zu erwerben sind. Mathematische Kompetenz gliedert sich nach den Bildungsstandards des Fachs für die 9. Jahrgangsstufe (KMK 2004) in drei sich beeinflussende zentrale Bereiche: allgemeinmathematische Kompetenzen, inhaltsbezogene Kompetenzen (Leitideen), sowie Anforderungsbereiche/niveaus (s. Abbildung 5). inhaltsbezogene

Anforderungsbereiche

L1: Zahl L2: Messen L3: Raum und Form L4: Funktionaler Zusammenhang L5: Daten und Zufall

Kompetenzen L5

AB I: Reproduzieren AB II: Zusammenhänge herstellen AB III: Verallgemeinern und Reflektieren

AB III

L4 L3

AB II L2 AB I

AK1: mathematisch argumentieren AK2: Probleme mathematisch lösen AK3: mathematisch modellieren AK4: mathematische Darstellungen verwenden AK5: mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik umgehen AK6: Kommunizieren

L1

K1

K2

K3

K4

K5

K6

allgemeinmathematische Kompetenzen

Abbildung 5: Kompetenzstrukturmodell der Bildungsstandards (nach Walther 2008)

Nach Kratz (2011) ist der Erwerb der allgemeinmathematischen Kompetenzen einerseits nur in der Auseinandersetzung mit mathematischen Inhalten möglich und andererseits erfordert der

Erwerb

mathematischer

Inhalte

die

Anwendung

verschiedener

Aspekte

der

allgemeinmathematischen Kompetenzen. Die allgemeinen mathematischen oder auch prozessbezogenen Kompetenzen tragen im Wesentlichen zur Entwicklung eines gesicherten Verständnisses der inhaltsbezogenen Kompetenzen bei. In den Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss bestehen die allgemeinen mathematischen Kompetenzen aus sechs Kompetenzen, die sich in der aktiven Auseinandersetzung der Schüler mit Mathematik zeigen (KMK 2004, 7f.): •

Allgemeine mathematische Kompetenz 1: Mathematisch argumentieren (AK1) o Fragen stellen, die für die Mathematik charakteristisch sind o Vermutungen begründet äußern o o

Lösungswege beschreiben und begründen mathematische Argumentationen entwickeln, Begründungen, Beweise

46

wie

Erläuterungen,

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz



Allgemeine mathematische Kompetenz 2: Probleme mathematisch lösen (AK2) o Vorgegebene und selbst formulierte Probleme bearbeiten o geeignete heuristische Hilfsmittel, Strategien und Prinzipien zum Problemlösen auswählen und anwenden o





die Plausibilität der Ergebnisse überprüfen sowie das Finden von Lösungsideen und die Lösungswege reflektieren

Allgemeine mathematische Kompetenz 3: Mathematisch modellieren (AK3) o Bereiche oder Situationen, die modelliert werden sollen, in mathematische Begriffe, Strukturen und Relationen übersetzen o

in dem jeweiligen mathematischen Modell arbeiten

o

Ergebnisse in dem entsprechenden Bereich oder der entsprechenden Situation interpretieren und prüfen

Allgemeine mathematische verwenden (AK4)

Kompetenz

4:

Mathematische

Darstellungen

o

verschiedene Darstellungen von mathematischen Objekten und Situationen anwenden, interpretieren und unterscheiden

o o

Beziehungen zwischen Darstellungsformen erkennen Unterschiedliche Darstellungsformen je nach Situation und Zweck auswählen und zwischen ihnen wechseln



Allgemeine mathematische Kompetenz 5: Mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik umgehen (AK5) o mit Variablen, Termen, Gleichungen, Funktionen, Diagrammen, Tabellen o

arbeiten symbolische und formale Sprache in natürliche Sprache übersetzen und

o

umgekehrt Lösungs- und Kontrollverfahren ausführen

o

mathematische

Werkzeuge

(wie

Formelsammlungen,

Taschenrechner,

Software) sinnvoll und verständig einsetzen •

Allgemeine mathematische Kompetenz 6: Kommunizieren (AK6) o Überlegungen, Lösungswege bzw. Ergebnisse dokumentieren, verständlich o

darstellen und präsentieren, auch unter Nutzung geeigneter Medien die Fachsprache adressatengerecht verwenden

o

Äußerungen von anderen und Texte zu mathematischen Inhalten verstehen und überprüfen

Da sich Aufgaben, die mittels mathematischer Basisfertigkeiten, wie u.a. elementare Rechnungen mit Zahlen und verschiedenen Materialien, bspw. geometrischen Formen, sowie die

Verwendung

mathematischer

Hilfsmittel,

keiner

der

genannten

allgemeinen

mathematischen Kompetenzen zuordnen lassen, wurde zu den beschriebenen Kompetenzen der Bereich der Technischen Grundfertigkeiten ergänzt (IQB & KMK 2013). Eine weitere Dimension der Bildungsstandards im Fach Mathematik stellen die Anforderungsbereiche dar. So können Aufgaben aus allen fünf inhaltsbezogenen Kompetenzbereichen in verschiedenen Anforderungsbereichen vorliegen. Im Rahmen der mathematischen Kompetenzen der Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss lassen sich drei Anforderungsbereiche unterscheiden (KMK 2004, 13):

47

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz



Anforderungsbereich „Reproduzieren“ (AB I) Wiedergabe und direkte Anwendung von grundlegenden Begriffen, Sätzen und



Anforderungsbereich „Zusammenhänge herstellen“ (AB II)

Verfahren in einem abgegrenzten Gebiet und einem wiederholten Zusammenhang Bearbeitung bekannter Sachverhalte, indem Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten verknüpft werden, die in der Auseinandersetzung mit Mathematik auf verschiedenen Gebieten erworben wurden •

Anforderungsbereich „Verallgemeinern und Reflektieren“ (AB III) Bearbeiten komplexer Gegebenheiten u.a. mit dem Ziel,

zu

eigenen

Problemformulierungen, Lösungen, Begründungen, Folgerungen, Interpretationen oder Wertungen zu gelangen

Die inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen, auch Leitideen genannt, setzten sich im Sekundarbereich ebenfalls aus fünf mathematischen Bereichen zusammen, die im Einzelnen in unterschiedliche Abstraktionsgrade unterteilt im Folgenden dargestellt sind (KMK 2004, 8ff.) (s. Tabelle 2). Tabelle 2: Übersicht der inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen • Zahlen situationsangemessen darstellen

Leitidee 1: Zahl

• sinntragende Vorstellungen von rationalen Zahlen (insb. von natürlichen, ganzen und gebrochenen Zahlen) entsprechend der Verwendungsnotwendigkeit nutzen • mit natürlichen, gebrochenen und negativen Zahlen rechnen (auch im Kopf), die im täglichen Leben vorkommen • Überschlagsrechnungen nutzen • Zahlen dem Sachverhalt entsprechend sinnvoll runden • Potenz- und Zinsrechnung sachgerecht verwenden • den Zusammenhang zwischen Rechenoperationen und deren Umkehrung erläutern und nutzen • Vorgehensweisen und Verfahren wählen und beschreiben • Ergebnisse in Sachsituationen prüfen und interpretieren • Grundprinzip des Messens, insbesondere bei der Längen-, Flächen- und Volumenmessung, auch in Naturwissenschaften und anderen Bereichen zu nutzen

Leitidee 2: Messen

• Einheiten von Größen wählen und ggf. umwandeln • Größen mit Hilfe von Vorstellungen über alltagsbezogene Repräsentanten schätzen • Flächeninhalt und Umfang von Rechteck, Dreieck zusammengesetzten Figuren ermitteln

und

Kreis

und

daraus

• Volumen und Oberflächeninhalt von Prisma, Pyramide und Zylinder sowie daraus zusammengesetzten Körpern ermitteln • gezielt Messungen in der Umwelt vornehmen und Maßangaben aus Quellenmaterial entnehmen, durchführen von Berechnungen und bewerten der Ergebnisse sowie dem gewählten Weg in Bezug auf die Sachsituation

48

3.1 Grundlegendes zur mathematischen Kompetenz

• geometrische Objekte und Formen in der Umwelt erkennen und beschreiben

Leitidee 3: Raum und Form

• gedanklich mit Strecken, Flächen und Körpern operieren • geometrische Figuren und elementare geometrische Abbildungen im ebenen kartesischen Koordinatensystem darstellen • Netze, Schrägbilder und Modelle von ausgewählten Körpern anfertigen und Körper aus ihren entsprechenden Darstellungen erkennen • Winkel, Dreiecke, Vierecke und Körper klassifizieren • Symmetrien erkennen und erzeugen • Sätze der ebenen Geometrie bei Konstruktionen und Berechnungen (insb. Satz des Pythagoras) anwenden

Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang

• geometrische Figuren unter Verwendung angemessener Hilfsmittel (Zirkel, Lineal, Geodreieck oder dynamischer Geometrie-Software) zeichnen und konstruieren • funktionale Zusammenhänge und ihre Darstellungen in Alltagssituationen beschreiben und interpretieren • für funktionale Zusammenhänge unterschiedliche Darstellungsformen verwenden • proportionale und antiproportionale Zuordnungen unterscheiden und Berechnungen anstellen

in

Sachzusammenhängen

• Prozentrechnung bei Wachstumsprozessen nutzen, auch unter Verwendung eines Tabellenkalkulationsprogramms • Maßstäbe beim Lesen und Anfertigen von Zeichnungen situationsgerecht nutzen • einfache lineare Gleichungen lösen • Vorgehen beim Lösen von Lösungsverfahren vergleichen

einfachen

linearen

Gleichungen

mit

anderen

Leitidee 5: Daten und Zufall

• graphische Darstellungen und Tabellen von statistischen Erhebungen auswerten • systematisch Daten sammeln, in Tabellen erfassen und sie graphisch darstellen, auch unter Verwendung geeigneter Hilfsmittel wie Software • Häufigkeiten und Mittelwerte berechnen und interpretieren • Zufallserscheinungen in alltäglichen Situationen beschreiben • Wahrscheinlichkeitsaussagen aus dem Alltag interpretieren • Wahrscheinlichkeiten bei einfachen Zufallsexperimenten bestimmen

Inhaltsbezogene mathematische Kompetenzen umfassen von den Schülern zu erwerbendes mathematisches Grundwissen, das mit unabdingbaren Kenntnissen und Fertigkeiten, wie bspw. einem soliden Zahlenverständnis, Orientierungsvermögen und der Vorstellung über Größen, einhergeht.

3.1.3 Relevanz allgemeiner mathematischer Kompetenzen Allgemeinmathematische und inhaltsbezogene Kompetenzen lassen sich, wie bereits angedeutet, nicht isoliert betrachten. Vielmehr erfolgt beim Erwerb mathematischer Kompetenzen ein stetes Wechselspiel. So ist es für den Erwerb mathematischen Wissens relevant, in welchem Maß die Schüler im Unterricht Gelegenheit erhalten Probleme

49

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

mathematisch zu lösen, sich über das Verstehen und Lösen von Aufgaben auszutauschen, für Lösungen, Lösungswege und Vermutungen Argumente zu finden, Sachsituationen in die Sprache der Mathematik zu übertragen und für die Bearbeitung von Problemen geeignete Darstellungen zu entwerfen oder diese auszuwählen (Walther et al. 2011). Hierbei wird auch das hohe Maß an sprachlichen Anforderungen bei der Auseinandersetzung mit mathematischen

Inhalten

deutlich.

Zudem

sind

die

allgemeinen

mathematischen

Kompetenzen selbst nicht streng voneinander abzugrenzen, da Schüler beim Lösen von Aufgaben verschiedene dieser Kompetenzen nutzen können (Kratz 2011). In der Mathematikdidaktik wird die Relevanz allgemeinmathematischer Kompetenzen durch Winters Satz „Es gibt kein Stricken ohne Wolle“ ausgedrückt (Schipper 2009, 19). Mittels dieses schlichten Satzes wird deutlich, dass sowohl allgemeine mathematische (≈ Stricken) als auch inhaltsbezogene Kompetenzen (≈ Wolle) notwendig sind, um Mathematik zu erlernen. „Mathematische Kompetenz zeigt sich nach der internationalen Rahmenkonzeption im verständnisvollen Umgang mit Mathematik und in der Fähigkeit mathematische Begriffe als „Werkzeug“ in einer Vielfalt von Kontexten einzusetzen“ (Deutsches PISA-Konsortium 2001, 146).

Das Konzept der mathematischen Grundbildung (s. Kapitel 3.1.1) unterstreicht die Bedeutung allgemeiner mathematischer Kompetenzen und stützt sich auf die Vorstellung eines realistischen, an der Wirklichkeit orientierten, Mathematikunterrichts. Mathematische Grundbildung umfasst das Verständnis der Funktion, die die Mathematik in der sozialen, kulturellen und technischen Welt besitzt, und die Fähigkeit zur angemessenen Beurteilung von Sachverhalten unter mathematischen Aspekten. Zudem wird die Fähigkeit von Schülerinnen und

Schülern

subsummiert

„ihre

mathematischen

Kompetenzen

zu

nutzen,

um

Herausforderungen der Zukunft zu bestehen“ (Deutsches PISA-Konsortium 2000, 47). Darüber hinaus liegt die Vorstellung zugrunde, ein begriffliches Verständnis mathematischer Sachverhalte sei die Voraussetzung der von Verständnis geprägten Anwendung im Alltag (Deutsches PISA-Konsortium 2001, 25). Mathematische

Kompetenz

umfasst

mehr

als

die

Beherrschung

grundlegender

Rechenoperationen. Doch neben vermittelten Inhalten der verschiedenen Dimensionen mathematischer Kompetenz wirken sich auch die Aspekte der Subjekt- und der sozialen Ebene im Sinne personenbezogener Faktoren und soziokulturelle und sprachliche Aspekte auf den Erwerb aus. Im Folgenden werden diese Bereiche in den Kapiteln 3.2 und 3.3 genauer betrachtet.

50

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren Der Kompetenzdefinition Weinerts (2001) zufolge sind die zur Lösung bestimmter Probleme benötigten erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten mit motivationalen, volitionalen und sozialen Aspekten verbunden. (Mathematische) Kompetenzen sind demzufolge von personenbezogenen Faktoren, wie kognitive Fähigkeiten, dem Selbstkonzept im Sinne der Motivation

sowie

mathematischen

Basiskompetenzen,

wie

das

Konventions-

und

Regelwissen, geprägt und werden von sprachlichen und soziokulturellen Aspekten beeinflusst (Knoche & Lind 2004, 212). Diese Variablen sind bei der Betrachtung mathematischer Kompetenzen als beeinflussende Faktoren zu beachten. Im Folgenden wird daher zunächst der Begriff der mathematischen Basiskompetenzen als Grundlage des Mathematiklernens näher betrachtet. Anschließend werden die kognitiven Fähigkeiten, Theorien zur kognitiven Entwicklung und das Zusammenspiel zwischen Mathematik und kognitiven Fähigkeiten umrissen. Abschließend wird die motivationale Bereitschaft unter dem Fokus des Selbstkonzeptes und der Einstellungen gegenüber Mathematik dargestellt. Besondere Berücksichtigung findet hier die Diskussion um den Begriff der „Beliefs“ (Grigutsch 1996). Die hier beschriebenen personenbezogenen Faktoren sind der Prozess- sowie der Subjektebene zuzuordnen. Die soziale Ebene wird im Rahmen des Erwerbs mathematischer Kompetenzen unter soziokultureller und sprachlicher Perspektive in Kapitel 3.3 näher betrachtet.

3.2.1 Mathematische Basiskompetenzen „Der Begriff ‚mathematische Basiskompetenzen‘ bezieht sich üblicherweise auf grundlegende Phasen der mathematischen Kompetenzentwicklung und dient als eine Art Sammelbegriff für basale Voraussetzungen, die ein Kind mitbringen muss, um für die Anforderungen im Mathematikunterricht hinreichend gewappnet zu sein“ (Ennemoser et al. 2011, 229).

Der Begriff der mathematischen Basiskompetenz umfasst in der Literatur ein breites Spektrum an Kompetenzdefinitionen, das von lediglich pränumerischen Einsichten, der Kenntnis der Ziffern- und Zahlwortfolge oder Menge-Zahl-Verknüpfungen bis hin zu weiterführenden Kompetenzen wie arithmetischen Fertigkeiten, Operationsverständnis, dem Verständnis des Dezimalsystems oder (halb-)schriftlichen Rechnens reicht (u.a. Ennemoser et al. 2011). Im Kontext der Betrachtung des Mehrebenenmodells der Grundbildung finden sich die Basiskompetenzen auf der Prozessebene wieder. Werner (2017) definiert Basiskompetenzen

51

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

als die für die Verarbeitung von Informationen aller Lebensbereiche notwendigen schriftsprachlichen und mathematischen Kompetenzen. Lesen, Schreiben und Rechnen stellen die Grundlage der literalen Praxis dar. Die bereits aufgeführten Inhalte der mathematischen Basiskompetenzen, wie Zählen, Rechnen und Einsicht in den Aufbau des Zahlenraums, beschreiben grundlegende Fertigkeiten, die zur Bewältigung alltäglicher Situationen benötigt werden. Diese Form der Kompetenzen stellt somit eine Basis dar, mittels derer Verknüpfung, Erweiterung und Anwendung subjektiv bedeutsame Zusammenhänge geschaffen werden, die die adäquate Bearbeitung von Situationen ermöglichen. Betrachtet man die für den Alltag und Berufseinstieg relevante Mathematik am Ende der allgemeinen Schulpflicht, lassen sich Basiskompetenzen nach Drüke-Noe et al. (2012) als die mathematischen Kompetenzen definieren, über die alle Schüler gleich welcher Schulform am Ende der allgemeinen Schulpflicht langfristig verfügen müssen. Im Sinne einer grundlegenden Wissensbasis stellen die mathematischen Basiskompetenzen demnach eine wesentliche Voraussetzung zur eigenständige Bewältigung von Alltagssituationen und die aktive Teilhabe als mündige Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen und kulturellen Leben dar. Diese Vorstellung der mathematischen Basiskompetenzen scheint den Kompetenzen auf der Kompetenzstufe 1A zu gleichen (s. Kapitel 3.1.1). Basierend auf den Leitideen der Bildungsstandards lassen sich die Basiskompetenzen inhaltlich jeweils wie folgt beschreiben (Drüke-Noe et al. 2012, 11 ff.): •

Basiskompetenzen zur Leitidee 1: Zahlen o Größenvorstellungen und Vergleiche von Zahlen o o



Basiskompetenzen zur Leitidee 2: Messen o Begriffe und Maßeinheiten: Grundverständnis der Begriffe und Festlegung der o



Rechenoperationen Umgang mit Sachsituationen

Maßeinheiten Messen durch Vergleichen und Berechnen von Größen mit Formeln

Basiskompetenzen zur Leitidee 3: Raum und Form o Analysieren, d.h. Eigenschaften realer Objekte erkennen und beschreiben oder o

in Begründungen verwenden Erzeugen von geometrischen Objekten und Operieren mit diesen



Basiskompetenzen zur Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang o Zusammenhänge zwischen zwei Größenbereichen mathematisch darstellen



Basiskompetenzen zur Leitidee 5: Daten und Zufall

o o o

Kenntnisse über funktionale Zusammenhänge in Alltag und Beruf anwenden Erheben von Daten und deren Analyse Umgang mit Wahrscheinlichkeiten

Die hier beschriebenen Basiskompetenzen stellen die notwendige Grundlage zur Konkretisierung fachbezogener Mindeststandards aus einer empirischen und normativen

52

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

Perspektive dar. Basiskompetenzen stellen somit die fundamentalen Kompetenzen dar, die zur Bewältigung von alltäglichen Situationen benötigt werden, was dem Verständnis der Basiskompetenzen des Mehrebenenmodells der Grundbildung gleicht. In Bezug auf den Fokus der Anschlussorientierung führt auch Humbach (2007) in ihren quantitativen und qualitativen Analysen der arithmetischen Basiskompetenzen in der Klasse 10 auf, dass kein Berufsbild mehr ohne die Kenntnis von mathematischen Basiskompetenzen auskommt. Dies unterstreichen auch die Befunde einer Studie der Stiftung Rechnen (2015). Für verschiedene Ausbildungsberufe werden hiernach mathematische Basiskompetenzen verschiedener Bereiche benötigt. Die Gewichtung der Bereiche Arithmetik, arithmetisches Runden, Algebra, Einheiten, Geometrie, Bruchrechnung, Dreisatz und Prozente, Diagramme und Tabellen, sowie Funktionen unterscheidet sich je nach Beruf. Deutlich wird jedoch, dass einige Inhaltsbereiche in allen Berufsbildern häufiger und andere, wie das Bruchrechnen, Geometrie und Funktionen, eher seltener aufgeführt werden. Aus mathematikdidaktischer Perspektive lassen sich darüber hinaus zwei Formen von Basiskompetenzen abgrenzen. Zum einen werden unter Basiskompetenzen jene verstanden, die

im

pränumerischen

Bereich

in

früheren

Entwicklungsphasen

als

sogenannte

Vorläuferfertigkeiten erworben werden. Die mathematischen Vorläuferfähigkeiten gelten als relevante Voraussetzung und Grundlage zum Erwerb mathematischer Kompetenzen. Aufgrund der Zielsetzung der Studie und der Fokussierung auf die Inhalte der Mathematik der 9. Klassenstufe, werden die Vorläuferfähigkeiten im Weiteren nicht näher betrachtet. Zum anderen zählen zu den Basiskompetenzen jene Kompetenzen, deren Inhalte sich mit zunehmendem Kompetenzerwerb im Sinne von Grundfähigkeiten (im Gegensatz zu Vorläuferfähigkeiten) weiter verändern. Ennemoser et al. befassen sich mit dem Begriff der Basiskompetenzen im Sinne von Grundfähigkeiten, die zur Bewältigung komplexer Problemstellungen erfolgreich sind. Hiernach wird der Begriff der Basiskompetenzen präzisiert, indem zwischen grundlegenden Mengen-Zahlen-Kompetenzen und Konventions- und Regelwissen unterschieden wird. Der Erwerb

der

Basiskompetenzen

liegt

hiernach

keineswegs

nur

in

den

frühen

Entwicklungsphasen. Vielmehr differenzieren sich auch diese während des Schulbesuchs weiter aus und lassen sich auch in der Sekundarstufe noch als Basiskompetenzen abgrenzen. „Basiskompetenzen, die bereits im Kindergartenalter auf einer niedrigen Ebene angesiedelt sind (z. B. Kenntnis von Zahlwortfolge und Ziffern) [werden] unseren Betrachtungen zufolge auch im Sekundarstufenalter auf derselben – niedrigen – Ebene verortet […] ob nun eine einzelne Ziffer, ein Zahlwort, eine mehrstellige Zahl mit oder ohne Dezimalstellen verstanden werden muss, in allen Fällen handelt es sich um die per Konvention festgelegte externe Repräsentation einer bestimmten Quantität“ (Ennemoser, et al. 2011, 231).

53

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Über mathematische Grundfähigkeiten hinaus beinhaltet mathematische Basiskompetenz unabdingbare Kenntnisse und Fertigkeiten, zu denen ein solides Zahlverständnis, das Beherrschen der Grundrechenarten, Orientierungsvermögen in Raum und Ebene und Vorstellungen über Größen gehören. Das Konventions- und Regelwissen umfasst das grundlegende Verständnis der mathematischen Notation, dass eine inhaltübergreifende Facette der mathematischen Kompetenz darstellt. „Im Wesentlichen ist damit die Kenntnis mathematischer Symbole gemeint, inklusive der Regeln, nach denen mathematische Zeichen abgearbeitet werden müssen. Hierzu zählen unter anderem die korrekte Verarbeitung von Operationen (Vorzeichen, Punkt-vor-StrichRegel), die Berücksichtigung der Konventionen beim Rechnen mit Klammern, Dezimalstellen und Brüchen sowie das Verständnis von Wurzelzeichen und der Potenzschreibweise“ (Schmidt et al. 2013, 12).

Diese Form des Konventions- und Regelwissens zählt zu den allgemeinmathematischen Kompetenzen im Sinne des Umgangs mit symbolischen, formalen und technischen Elementen der Mathematik in Form einer eher technischen Fertigkeitskomponente. Humbach (2007) führt für

den

mathematischen

Inhaltsbereich

Arithmetik

(Zahlen

und

Operationen)

als

Basiskompetenzen der Klassenstufe 10 folgende Kompetenzbereiche auf: •

Stellenwertverständnis (Zahlvorstellungen)



Addition und Subtraktion



Multiplikation und Division



Vorteilhafte Rechenstrategien

Hinsichtlich der Basiskompetenzen in der 10. Klasse konnte Humbach in ihren Analysen zeigen, dass „die mathematischen Verständnisschwierigkeiten der leistungsschwachen Schüler bereits bei grundlegenden Konzepten der Arithmetik beginnen“ (Humbach 2007, 173). Anhand der qualitativen Analysen zeigt sich, dass Fehler nicht aus Flüchtigkeit, sondern auf grundlegende Defizite im Verständnis der Grundrechenarten zurückzuführen sind. Zudem zeigt Humbach, dass die erzielten Leistungen im Test zur Basiskompetenz mit den Leistungen zu weiterführenden mathematischen Themen korrelieren. Die bisher aufgeführten Basiskompetenzen stellen das Verständnis von Basiskompetenzen aus nationaler Sichtweise dar. Der Blick über die Bundesgrenzen hinaus zeigt, dass beispielsweise im Rahmen der PISA-Studie ebenfalls grundlegende Kompetenzen definiert werden. Auch hier wird der Begriff der Basiskompetenzen verwendet und PISA beansprucht diese zu erfassen (Deutsches PISA-Konsortium 2001). Gleichgesetzt wird Basiskompetenz in diesem Zusammenhang mit mathematischer Grundbildung (mathematical Literacy). Inhaltlich umfasst die mathematische Grundbildung nach PISA 2000, die in Zusammenarbeit mit den PISA-Beteiligten aller Lände zusammengestellt wurde, die Bereiche Zufall, Veränderung und Wachstum, Raum und Form, quantitatives Denken, Ungewissheit, Abhängigkeit und

54

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

Beziehungen, die um die curricularen Teilbereiche Arithmetik, Größen und Größenordnungen, Algebra, Funktionen, Geometrie, Wahrscheinlichkeit, Statistik und diskrete Mathematik ergänzt werden (Deutsches PISA-Konsortium 2000). Die erfassten Kompetenzen gehen hierbei bewusst über fragmentiertes Faktenwissen der niedrigsten Kompetenzklasse (Wiedergabe, Definitionen und Berechnungen) und somit über die grundlegenden Kompetenzen hinaus. Den verschiedenen Definitionen gemeinsam ist die Sicht, dass Basiskompetenzen eine Form von grundlegendem Wissen darstellen, das zur Bewältigung komplexerer Aufgaben, beziehungsweise Situationen, benötigt wird. Besonders das beschriebene Konventions- und Regelwissen stellt eine übergreifende Basiskompetenz dar, die zur Bewältigung einfacher, wie auch komplexer mathematischer Probleme benötigt wird. Das Wissen über Konventionen und Regeln stellt zudem einen Bereich der Mathematik dar, der als international angesehen werden kann, da es sich hierbei um die grundlegenden Axiome der Mathematik und darauf aufbauende Gesetzmäßigkeiten handelt, die unter anderem dazu führen, dass eine Menge aus zwei Elementen, der eine Menge aus drei sich unterscheidenden Elementen hinzufügt wird, immer eine Menge aus fünf Elementen sein wird. Neben den mathematischen Basiskompetenzen als grundlegendem Werkzeug zur Bewältigung mathematischer Problemsituationen, wird im Folgenden der Blick auf die kognitiven Fähigkeiten und dabei speziell auf die Intelligenz gelenkt, die nach Weinerts Kompetenzdefinition (2001) entscheidend zum Erwerb von Kompetenzen im Sinne erlernbarer kognitiver Fähigkeiten und Fertigkeiten beitragen.

3.2.2 Kognitive Fähigkeiten Die Begriffe ‚kognitive Fähigkeiten‘ resp. ‚Kognition‘ werden für die geistige Aktivität von Menschen verwendet und dienen als Sammelbezeichnung für Prozesse und Strukturen, die sich auf die Informationsverarbeitung (Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung) beziehen. Nach Hänsel et al. (2016) zählen dazu u.a. die Bereiche der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache, Denken und Problemlösen sowie Intelligenz. Allgemeine Intelligenz ist somit nicht mit den kognitiven Fähigkeiten gleichzusetzen, sondern stellt vielmehr einen Teilaspekt dieser dar. Eine lange Tradition der Betrachtung der Kognition und Intelligenz findet sich besonders in den psychologischen Fachbereichen, wie Kognitionspsychologie, Entwicklungspsychologie, Neuropsychologie und pädagogischer Psychologie. Aus der Sicht der Neuropsychologie beschreibt Rösler Kognition allgemein wie folgt:

55

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

„‘Kognition‘ ist der eingedeutschte Begriff des amerikanischen cognition. Der eigentliche Ursprung ist das lateinische Wort cognoscere, was so viel heißt wie ‚erkennen‘, ‚erfahren‘, ‚kennenlernen‘. Es war der amerikanische Psychologe Ulric Neisser, der diesen Begriff mit seinem Buch Cognitiv Psychology (Neisser 1967) für die Wissenschaft übernommen und damit eine neue Disziplin geprägt hat“ (Rösler 2011, 1).

Kognition beschreibt nach Rösler die Prozesse, die zwischen Reiz und Reaktion innerhalb des, im Behaviorismus als Black Box bezeichneten, Organismus ablaufen. Aus Sicht der kognitionspsychologischen Forschung stellt Kognition, Hagendorf et al. (2011) zufolge, den Oberbegriff dar, unter dem alle informationsverarbeiteten Prozesse und Strukturen gesammelt sind, die sich mit der Wahrnehmung, dem Denken, der Planung, dem Treffen von Entscheidungen und der Generierung von Handlungen befassen. In der Entwicklungspsychologie umfasst Kognition mentale Prozesse, die häufig ganz allgemein mit dem Oberbegriff „Denken“ gleichgesetzt werden. Zu den kognitiven Fähigkeiten gehören

Lern-

und

Gedächtnisprozesse,

Informationsverarbeitungs-

und

Problemlösekompetenzen, Handlungsplanung und -steuerung, Wissenserwerb und komplexe Denkprozesse.

Lindberg

und

Hasselhorn

definieren

Kognition,

in

ihrem

engen

Zusammenhang mit Aspekten des Bildungserfolgs und der sozialen Entwicklung im Jugendalter, wie folgt: „Kognitionen sind mentale Prozesse und Strukturen, wie z.B. Gedanken, Einstellungen, Meinungen,

Absichten

und

Wünsche.

Im

Mittelpunkt

stehen

dabei

die

Informationsverarbeitungsprozesse, die ablaufen, wenn Neues gelernt, Wissen verarbeitet und Handlungen geplant werden. Darüber hinaus zählen zu Kognition auch das individuelle Wissen über sich selbst oder die soziale Umwelt sowie Gedanken über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ (Lindberg & Hasselhorn 2018, 52).

Bezüglich der Entwicklung kognitiver Fähigkeiten liegen eine Vielzahl verschiedener theoretischer Ansätze, jedoch keine allgemeingültige Entwicklungstheorie, vor. Eine der in der pädagogischen Psychologie bekanntesten Theorien ist die Theorie der kognitiven Entwicklung nach Piaget (1972). Piaget geht hierbei davon aus, dass menschliche Erkenntnis das Ergebnis eines langen Entwicklungsprozesses darstellt, der sich durch aktives Handeln und Interaktion mit der Umwelt gestaltet. Daneben stellen die Theorie der Informationsverarbeitung, des Kernwissens, des dynamischen Systems und die soziokulturelle Theorie wichtige Konzepte dar, die verschiedene Fokusse bei der Charakterisierung der kognitiven Entwicklung setzten. Bei der Betrachtung kognitiver Fähigkeiten im Kontext von Migration und Flucht gilt es zunächst einen Blick in die soziokulturelle Forschung und das hierauf basierende Verständnis von Kognition zu werfen.

56

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

Soziokulturelle Ansätze sehen, so Siegler et al. (2011), Individuen als soziale Wesen, die von ihren kulturellen Kontexten geformt werden und diese selbst formen. Kinder entwickeln sich in einem kulturellen Kontext, der spezifische Symbolsysteme, Gebrauchsgegenstände, Fähigkeiten und Werte berücksichtigt. Die Entwicklung der Kognition erfolgt hiernach durch gelenkte Partizipation: Menschen, die es besser können, helfen denen, die es nicht können, beim Erwerb von Fähigkeiten im Umgang mit kulturspezifischen Werkzeugen. Die tatsächliche Verwendung der Werkzeuge erfordert wiederum das Denken des Lernenden. Die Entwicklung findet demnach im intersubjektiven Austausch statt und stellt keinen rein subjektiven Prozess dar. Den verschiedenen Sichtweisen der Kognition gemein ist, dass kognitive Fähigkeiten verschiedene Prozesse der Informationsverarbeitung umfassen, die im Individuum ablaufen und durch dessen Umwelt beeinflusst werden können. Weinert (2012) zufolge, lässt sich zwischen allgemeinen intellektuellen Fähigkeiten und domänenspezifischen Kompetenzen unterscheiden. Begabung wird hier, aus der Sicht der Erziehungswissenschaft, als Gesamtheit der kognitiven Faktoren verstanden, die die Stabilität von individuellen Lern- und Leistungsunterschieden beschreiben. Als messbare Größe kognitiver Fähigkeiten wird im Folgenden die allgemeine Intelligenz näher betrachtet. Ebenso wie Kognition bzw. kognitive Fähigkeiten wird auch die allgemeine Intelligenz je nach Kontext und Fachgebiet unterschiedlich weit oder eng gefasst. Aus der Perspektive der Bildungsforschung wird Intelligenz im Rahmen der Schulleistungstests, wie PISA und IGLU, „als Fähigkeit zum Denken definiert, als die komplexe Fähigkeit zum denkgestützten Lösen von Aufgaben und Problemen in Situationen, die für die Person neu und nicht allein durch Wissensabruf erfolgreich bearbeitbar sind, die Fähigkeit zum induktiv und deduktiv-logisch schlussfolgernden Denken, die Fähigkeit zum abstrakten Denken und die Fähigkeit zu Verständnis und Einsicht – zum Erkennen und zur Herstellung von Strukturen, Beziehungen, Sinnzusammenhängen und Bedeutungen“ (Rindermann 2007, 137; Hervorh. d. Verf.).

Stern (1912) definiert Intelligenz als die allgemeine Fähigkeit eines Individuums, das eigene Denken auf neue Anforderungen einzustellen; also als eine allgemeine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Situationen. Nach Wechsler (1964) ist Intelligenz die Fähigkeit zweckgebunden zu handeln und sich mit der eigenen Umgebung wirkungsvoll auseinander zu setzen. Jäger und Petermann zufolge lässt sich Intelligenz definieren als „der Oberbegriff für die hierarchisch strukturierte Gesamtheit jener allgemeinen geistigen Fähigkeiten (Faktoren, Dimensionen), die das Niveau und die Qualität der Denkprozesse einer Persönlichkeit bestimmen und mit deren Hilfe die für das Handeln wesentlichen Eigenschaften einer Problemsituation in ihren Zusammenhängen erkannt und die Situation

57

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

gemäß dieser Einsicht entsprechend bestimmten Zielstellungen verändert werden kann“ (Jäger & Petermann 1995, 399).

In der Entwicklungspsychologie halten Siegler et al. (2011) fest, dass Intelligenz eine Fähigkeit ist, die schon immer schwer zu definieren sei. Zur Beschreibung der Intelligenz werden bis zu drei verschiedene Analyseebenen herangezogen: •

Intelligenz als einheitliches Merkmal,



Intelligenz als zusammengesetzte Eigenschaft aus wenigen Komponenten,



Intelligenz als komplexere Eigenschaft aus vielen Komponenten.

Bei der Betrachtung der Intelligenz als einheitliche Persönlichkeitseigenschaft wird davon ausgegangen, dass Intelligenz alle Aspekte von kognitiven Funktionen beeinflusst. Diese Vorstellung wird, so Siegler et al. (2011), durch Forschungsbefunde gestützt, die belegen, dass die Leistungen bei fast allen geistigen Aufgaben positiv miteinander korrelieren. Geary (2005) hält fest, dass sich ein gutes Abschneiden bei intellektuellen Aufgaben auch in den Leistungen bei anderen Aufgaben widerspiegelt. Siegler et al. zufolge, führt die allgegenwärtige positive Korrelation zu der Annahme, dass jedes Individuum über ein bestimmtes Maß an allgemeiner Intelligenz, auch als ‚general intelligence (g)‘ bezeichnet, verfügt. Bekannte Vertreter der Annahme, dass die allgemeine Intelligenz die Denk- und Lernfähigkeit aller kognitiven Aufgaben beeinflusst, sind Jensen (1998) und Spearmann (1927). Bereits 1992 stellt Brody fest, dass sich anhand des Ausmaßes der allgemeinen Intelligenz ein positiver Zusammenhang zum Schulabschluss und zum Abschneiden bei Leistungstests abzeichnet. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle jedoch, dass es sich hierbei lediglich um Korrelationen handelt. Eine Kausalität dieses Zusammenwirkens ist bislang nicht belegt. Eine der bekanntesten Theorien bei der Betrachtung der Intelligenz als zusammengesetzte Eigenschaft aus wenigen Kompetenzen ist Cattells ‚Theorie der Intelligenz‘ (1963) und die ‚Theorie der Primärfaktoren der Intelligenz‘ (Thurstone 1938). Cattell beschreibt zwei Typen von Intelligenz: die kristalline Intelligenz, als das Faktenwissen über die Welt, und die fluide Intelligenz, als die Fähigkeit zu spontanem Denken beim Lösen von unbekannten Problemen. Diese Annahme von zwei Faktoren wird, so Siegler et al. (2011) durch Befunde gestützt, die belegen, dass die Leistungen bei Tests zur fluiden Intelligenz konstant blieben, während die Leistungen bei Tests zur kristallinen Intelligenz variieren können. Darüber hinaus entwickeln sich die beiden Typen unterschiedlich. Thurstone geht davon aus, dass Intelligenz die sieben primären Faktoren Wortflüssigkeit, Sprachverständnis, schlussfolgerndes Denken, räumliches Vorstellungsvermögen, Rechenfertigkeit, Merkfähigkeit und Wahrnehmungsgeschwindigkeit umfasst. Thurstones Theorie ermöglicht die Darstellung eines differenzierten Bildes der individuellen Leistungen. Bei der Überprüfung der einzelnen Faktoren zeigen sich

58

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

Unterschiede bei der Leistung verschiedener Faktoren, während sich die Leistung innerhalb eines Faktors bei der Verwendung unterschiedlicher Testverfahren ähnelt. Geht man davon aus, dass Intelligenz ein Konglomerat mehrerer voneinander getrennter Prozesse

ist,

gilt

es

verschiedene

Bereiche,

wie

Erinnerungen,

Wahrnehmung,

Aufmerksamkeit, Verstehen, Enkodieren, Assoziation, Generalisierung, Planung, logisches Denken, Konzeptbildung, Problemlösung und das Entwickeln und Anwenden von Strategien zu berücksichtigen. „Intelligenz ist als vielschichtige Eigenschaft zu begreifen, ermöglicht eine genauere Beschreibung der Prozesse, die an intelligentem Verhalten beteiligt sind, als Ansätze, die Intelligenz als eine einheitliche Eigenschaft oder als eine aus wenigen Teilkomponenten zusammengesetzte Eigenschaft betrachten.“ (Siegler et al. 2011, 296)

Aus der Schwierigkeit der Vereinbarkeit der drei Betrachtungsweisen heraus entwickelte Carroll (1993) das Drei-Schichten-Modell der Intelligenz, an dessen Spitze die allgemeine Intelligenz steht, die sich wiederum in ‚acht Fähigkeiten der mittleren Allgemeinheit‘ ausdifferenziert. Spezifische Prozesse sind am unteren Ende des Modells angeordnet. Die Schichten des Modells beeinflussen sich wechselseitig. Ein weiteres hierarchisches Modell der Intelligenz stellt das Berliner Intelligenzstrukturmodell (kurz: BIS) Jägers dar. Jäger (1982) geht davon aus, dass sich die allgemeine Intelligenz aus sieben verschiedenen Fähigkeiten zusammensetzt. Diese lassen sich unter operativen und inhaltsgebundenen Fähigkeiten zusammenfassen. Die operativen Fähigkeiten umfassen die Bearbeitungsgeschwindigkeit, Merkfähigkeit, Einfallsreichtum und Verarbeitungskapazität. Die inhaltsgebundenen Fähigkeiten subsummieren das anschauungsgebundene, figural-bildhafte Denken, das sprachgebundene Denken und das zahlengebundene Denken. Basierend auf der Theorie der Intelligenz, stellt das Hierarchiemodell von Cattell (1963) eine Möglichkeit zur Beschreibung der allgemeinen Intelligenz unter Berücksichtigung der fluiden und kristallinen Intelligenz dar. Anders als andere Intelligenzmodelle, ist die fluide Intelligenz innerhalb dieses Modells, so Cattell, als ‚culture fair‘ messbar. „Die menschliche Intelligenz ist hierarchisch strukturiert, wobei der g-Faktor allgemeine kognitive Fähigkeiten an der Spitze der Hierarchie steht. Spezifische kognitive Fähigkeiten sind die einzelnen Komponenten, die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten unterliegen und eng umgrenzte Fähigkeitsbereiche umschreiben“ (Hülsheger & Maier 2008, 115).

Das hierarchische Intelligenzmodell – eine Synthese des Primärfaktormodells Thurstones und des Generalfaktormodells Spearmans – gliedert sich in drei Ebenen. Die sechs Intelligenzfaktoren erster Ordnung umfassen solche, die miteinander hoch korrelieren und einen siebenten Faktor, die fluide Intelligenz. Die Faktoren zweiter Ordnung sind allgemeine

59

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

fluide Intelligenz und allgemeine kristallisierte Intelligenz. Die allgemeine fluide Intelligenz soll Cattell zufolge die von Lernerfahrungen weitgehend unabhängige, stark erblich bedingte Fähigkeit repräsentieren, unbekannte Probleme in neuen Situationen zu lösen. Dagegen stelle die allgemeine kristallisierte Intelligenz die Repräsentanz aller bisherigen Lernerfahrungen dar, die sich in einer Person zu intellektuellen Fertigkeiten verfestigen. Aus den Faktoren der zweiten Ordnung ergibt sich die dritte und höchste Ebene, der Generalfaktor (Guilford 1980, 406). Das Hierarchiemodell ähnelt demnach dem Drei-Schichten-Modell von Carroll, das jedoch einen differenzierenden Blick zur Beschreibung der dritten Schicht (etwa erste Ordnung nach Cattell) ermöglicht In Bezug auf die Schulleistungen können die Faktoren der fluiden und kristallinen Intelligenz wie folgt verstanden werden (Cattell 1973): •

Fluide Intelligenz: Fähigkeit, logisch zu denken und Probleme zu lösen



Kristalline Intelligenz: Fähigkeiten, die von Wissen und Erfahrung abhängen; gewissermaßen das Endprodukt dessen, was ‚flüssige Intelligenz' und Schulbesuch gemeinsam hervorgebracht haben

Mittels verschiedener Aufgabenformate lassen sich verschiedene Bereiche der Intelligenz abbilden. Figurale, anschauliche Aufgaben zum Fortsetzen von Reihenfolgen, zur Beurteilung von Klassifikationen, zum Ergänzen von Matrizen und zum Erstellen topologischer Schlussfolgerungen, stellen ein gutes Maß zur Beurteilung der fluiden Intelligenz dar (Weiß 2008). Testverfahren, die den Wortschatz oder die Fähigkeit Zahlenfolgen nachzusprechen überprüfen, ermitteln hingegen nach Cattell die Leistung der kristallinen Intelligenz, die stark von den bisher gesammelten Lernerfahrungen und dem kulturellen Hintergrund abhängt (Cattell 1973). Bei der Betrachtung möglicher Einflüsse der allgemeinen Intelligenz auf die schulische Leistung stellt Rost 2009 fest, dass die Bereiche der Intelligenz, des Unterrichts und der Erziehung eng miteinander verknüpft sind und die allgemeine Intelligenz, so das Ergebnis einer Vielzahl von Studien, als Determinante des Schulerfolgs gelte (Rost 2009). Für die Leistungen im Bereich der Mathematik konnte eine Korrelation von bis zu r=.85 festgestellt werden. Zur Beschreibung der Zusammenhänge von mathematischer Kompetenz und Intelligenz zeigt sich ein facettenreicher Diskurs. Als Konsens zeichnet sich hierbei eine grundsätzliche Beeinflussung als wechselseitiges Bedingungsgefüge ab, das im Detail jeweils sehr unterschiedlich diskutiert wird. Bereits 1973 stellt Frey anhand einer empirischen Untersuchung die Wechselbeziehung zwischen Intelligenz und schulischen Leistungen her. Dies verdeutlicht sich auch in mehrdimensionalen Intelligenztheorien, die der Rechen- bzw. Zahlmerkfähigkeit besondere Bedeutung als Bestandteil der Intelligenzbeschreibung beimessen.

60

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

Während Teilbereiche der Intelligenz, so die Theorie von Cattell, durch die Umwelt und das kulturelle Lebensumfeld auch in Form der schulischen Bildung beeinflusst werden, gilt der Bereich der fluiden Intelligenz als eher kulturunabhängig und kann bei der Beurteilung der schulischen Leistung als scheinbar stabile Vergleichsgröße berücksichtigt werden. Das Selbstkonzept hingegen stellt eine individuelle Größe dar, die von der Lebenswelt abhängt und die Einstellung zum Lerngegenstand stark beeinflusst. Im Folgenden wird das Selbstkonzept als beeinflussende Größe, die im Fokus der hier vorliegenden empirischen Studie steht, unter besonderer Berücksichtigung der sogenannten mathematikbezogenen Vorstellungen, genauer betrachtet.

3.2.3 Selbstkonzept und mathematikbezogene Vorstellungen „Selbst – ein Konzeptsystem, das aus den Gedanken und Einstellungen über sich selbst besteht. Zu diesem Konzeptsystem können Gedanken über das eigene materielle Sein (z.B. Körper, Eigentum), soziale Merkmale (z.B. Persönlichkeit, soziale Rollen) und ‚spirituelle‘ oder innere Merkmale (z.B. Gedanken, psychische Vorgänge) gehören“ (Siegler et al. 2011, 429).

Die Entwicklung der Vorstellung vom Selbst beginnt bereits im Kleinkindalter und zieht sich hin bis ins Dasein als Erwachsene. Je nach Entwicklungsphase spielen andere Merkmale, ob körperlich oder abstrakt, in die Entstehung des Selbst mit hinein. Auch kulturell unterschiedliche Traditionen beeinflussen die Entwicklung. Siegler et al. zufolge, spielen die Rollenoptionen,

die

je nach

Kultur

unterschiedlich

starr

sind,

essenziell

in

die

Identitätsausprägung mit hinein. Traditionelle Kulturen mit wenigen Rollenoptionen führen demnach dazu, dass Jugendliche bereits früh wissen, welche Identität sie als Erwachsene innehaben werden, während es in anderen Kulturen zum Prozess der Selbsterfahrung dazu gehört, verschiedene Stile in Aussehen oder Kleidung auszuprobieren. Die Entwicklung des Selbst, der Identität und die dabei maßgeblich beeinflussende Fähigkeit zur Einschätzung des Selbst ist sowohl von individuellen Einflüssen, wie u.a. Selbstsozialisation und Annahmen hinsichtlich verschiedener Geschlechterschemata, als auch sozialen und kulturellen Aspekten, wie den Eltern, Lehrern, Peers und der kulturellen Umwelt, geprägt (Siegler et al. 2011). Die Fähigkeit das eigene schulische Können einzuschätzen wird als schulisches Selbstkonzept bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein subjektives Bild der eigenen Leistungen. Der Begriff des schulischen Selbstkonzeptes wird alternativ als akademisches Selbstkonzept oder Fähigkeitsselbstkonzept bezeichnet. Das schulische Selbstkonzept stellt einen Teilbereich des globalen Selbstkonzeptes dar. Arens (2017) zufolge umfasst das Selbstkonzept das Selbstbild oder die Selbstwahrnehmung einer Person.

61

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Zur Strukturierung des Selbstkonzeptes haben Shavelson et al. bereits 1976 ein hierarchisches

und

multidimensionales

Modell

entwickelt.

Hiernach

existiert

ein

übergeordnetes globales Selbstkonzept, das sich in schulisches und nicht-schulisches Selbstkonzept ausdifferenziert. In den Bereich des nicht-schulischen Selbstkonzeptes fallen die Facetten des Sozialen, des Emotionalen und des Physischen. Das schulische Selbstkonzept bezieht sich auf die Selbsteinschätzung innerhalb verschiedener fachlicher Bereiche wie Muttersprache, Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften. Auch die Facetten des Selbstkonzeptes sind in sich ausdifferenziert. Der Struktur des Modells folgend, wurde in der Selbstkonzeptforschung davon ausgegangen, dass es eine Form von globalem schulischem Selbstkonzept gibt, in dem die verschiedenen fachlichen Ausprägungen zusammenspielen. Grund für die Annahme dieses Zusammenhangs war nach Arens (2017) der hohe Zusammenhang zwischen mathematischen und verbalen Leistungen. Studien konnten

jedoch

nachweisen,

dass

der

Zusammenhang

zwischen

verbalem

und

mathematischem Selbstkonzept gering ist, wodurch die spezifischen Selbstkonzepte mittlerweile als unabhängige Facetten des schulischen Selbstkonzeptes angesehen werden (Möller et al. 2009). Das Internal/External Frame of Reference Modell nach Marsh (1986) liefert eine mögliche Begründung für die Trennung. So findet die Entwicklung des Selbstkonzeptes einerseits durch den sozialen Vergleich mit den Leistungen der Mitschüler und andererseits durch den dimensionalen Vergleich der Leistungen in den verschiedenen Fächern statt. Während der soziale Vergleich den Zusammenhang zwischen verbalem und mathematischem Selbstkonzept verstärkt, führt der dimensionale Vergleich zu einer Ausprägung von Unterschieden. Ein Schüler, der in Mathematik bessere Leistungen erbringt, kommt zu der Einschätzung, besser in Mathematik zu sein als in Deutsch, wodurch das mathematische Selbstkonzept gestärkt wird, während das verbale gemindert wird. Siegler et al. zufolge, spielen für die schulischen Leistungen u.a. auch Theorien der Geschlechterschemata eine Rolle: „Viele Kinder internalisieren beispielweise Geschlechterstereotypen, insbesondere die Vorstellung, dass Naturwissenschaften, Technik und Mathematik etwas für Jungen sind und Lesen, Schreiben und die Künste etwas für Mädchen ist“ (Siegler et al. 2011, 606).

Der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und schulischer Leistung wurde bereits in zahlreichen Studien betrachtet (zsf. Hellmich 2011, 36). Schöne et al. (2003) führen an, dass die Beurteilung der eigenen Fähigkeiten auch schulische Lern- und Leistungssituationen bedeutsam beeinflusst. Die Betrachtung der Auswirkungen des Selbstkonzeptes auf Lernen und Leistung findet sich in der Forschung im Ansatz des sogenannten „Self-Enhancement“ wieder. Betrachtet man lernrelevante Selbstkonzepte, so führen Hasselhorn und Gold das enge Zusammenspiel zwischen Motivation und Selbstkonzept auf.

62

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

„Es

ist

wenig

verwunderlich,

dass

bei

Erfolgsmotivierten

im

Vergleich

zu

Misserfolgsängstlichen in der Regel ein günstigeres Selbstkonzept der Begabung zu finden ist. […] Die individuelle Erwartungskomponente der Leistungsmotivation hängt unmittelbar davon ab, inwieweit sich eine Person im aktuellen Anforderungskonzept als begabt oder fähig einschätzt“ (Hasselhorn & Gold 2013, 114).

Möller und Köller (1999) beschreiben die Auswirkungen spontaner Ursachenzuschreibungen und analysieren diese anhand der Rückmeldung durch Klassenarbeiten. So begründen auch unsichere Schüler mit wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten unerwartet gute Leistungen mit den eigenen Fähigkeiten. Die zuvor als gering eingeschätzten Fähigkeiten erhalten so eine positive Zuschreibung. Diese positive Attribution wirke sich auch auf das fachbezogene Selbstkonzept des Schülers aus. Dies findet sich auch in Helmke und Akens (1995) Ansatz des „Skill-Develoment“ wieder. Demnach lassen sich die Zusammenhänge zwischen Selbstkonzept und Schulleistung auf frühere Leistungen zurückführen. Positive Erfahrungen beim Lernen und Rückmeldungen über die eigene Leistung wirken sich positiv auf das jeweilige Selbstkonzept aus. Hellmich und Günther (2011) führen die Zusammenhänge zwischen

Selbstkonzept

und

Leistung

bei

der

Betrachtung

der

Auswirkungen

fähigkeitsbezogener Selbstkonzepte auf den Kompetenzerwerb auf. Demnach wirkt sich die Einschätzung eigener Stärken und Schwächen auf die Entwicklung von Kompetenzen, aber auch auf die Entwicklung von Aspekten der Persönlichkeit, wie beispielsweise Identität und den Umgang mit Erfolgen und Misserfolgen, aus. In einer empirischen Begleituntersuchung hinsichtlich

der

Schulleistungen,

des

Selbstkonzeptes

sowie

unterrichtsklimatischer

Einstellungen deutscher und italienischer Schüler eines binationalen Schulversuchs zeigt Zumhasch (2010), dass sich die anhand der bereits vorliegenden Forschungsbefunde erwartungsgemäßen Beziehungen im Zusammenspiel zwischen diversen fachspezifischen Selbstkonzeptdimensionen und den jeweiligen Schulleistungen abzeichnen. „Kontextbezogen verfügen Schüler mit besseren Schulleistungen in der Tendenz über ein höheres schulisches Selbstvertrauen: Sie haben ein höheres Fähigkeitsselbstbild und nehmen gleichzeitig subjektiv ein höheres Maß an Kontrollierbarkeit – bzw. mehr Selbstwirksamkeit sowie weniger Hilflosigkeit – fachinterner Leistungsanforderungen wahr. Leistungsschwächere Schüler haben im Schnitt eher niedriger ausgeprägte Komponenten des Selbstkonzeptes“ (Zumhasch 2010, 125).

Stehen Teilbereiche mathematischer Kompetenz im Fokus, finden sich zudem Studien zu selbstkonzeptbasierenden Geschlechterunterschieden (vgl. u.a. Tiedemann & Faber 1995; Schilling et al. 2010; Niklas & Schneider 2012). Wolter et al. (2011) zeigen die Auswirkungen geschlechterspezifischer Unterschiede der Selbstkonzepte von Jungen und Mädchen auf die Lern- und Leistungsentwicklung auf. Die Bedeutung der geschlechtsspezifischen Betrachtung zeige sich demnach darin, dass die Einstellung des Schülers Auswirkungen auf die zur

63

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Bewältigung einer Aufgabe nötige Ausdauer und Anstrengungsbereitschaft hat, die sich je nach Geschlecht unterscheiden können. Werden die Leistungen in einem Fach unterschätzt, wirkt sich dies langfristig auf den Erwerb von Kompetenzen aus. Hierbei sind die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen, Wolter et al. (2011) zufolge, je nach betrachtetem Fach, besonders in der Kernfächern Mathematik und Deutsch, unterschiedlich. Gabriel et al. (2011) zeigen bei der Darstellung der Ergebnisse der PERLE-Studie geschlechterbezogene Unterschiede

im

Fach

Mathematik

auf.

Anhand

eines

selbst

entwickelten

Selbstkonzeptfragebogens konnte im Rahmen der Studie gezeigt werden, dass sich die Ergebnisse der Forschung für das mathematische Selbstkonzept bestätigen. So zeigen Mädchen bereits zum Schulanfang ein geringeres Selbstkonzept als Jungen. Diese geschlechterspezifischen Unterschiede lassen sich jedoch nicht mit der erhobenen Mathematikleistung erklären (Gabriel et al. 2011). Die Verstärkung der Unterschiede im Verlauf

des

Anfangsunterrichts

deckt

sich

zudem

mit

bereits

vorliegenden

Forschungsbefunden. Durch die wechselseitige Wirkung zwischen Selbstkonzept und schulischer Leistung wirkt sich das zu Beginn geringere Selbstkonzept langfristig auf den Erwerb der Kompetenzen aus. Auch im Rahmen der internationalen Schulleistungsstudien, wie PISA 2000, wird der Stellenwert des Selbstkonzeptes ausführlich betrachtet. Die Ergebnisse weisen u.a. darauf hin, dass dem schulischen Selbstkonzept als Bedingungsfaktor der schulischen Leistung Bedeutung zukommt (Deutsches PISA-Konsortium 2001). In einer vertiefenden Analyse untersuchen Knoche und Lind (2004) die Bedingungen mathematischer Leistung und weisen hierbei u.a. Zusammenhänge zwischen mathematischer Leistung und kognitiven Fähigkeiten, Selbstkonzept und sozioökonomischem Status als mögliche Bedingungen nach. Basierend auf der anerkannten spezifischen Betrachtung der Selbstkonzepte und den nachgewiesenen Einflüssen auf das schulische Lern- und Leistungsverhalten zeigt sich auch eine fachspezifische Forschungshistorie. In der internationalen mathematikdidaktischen Diskussion blickt das Konzept der ‚Beliefs in Mathematics Education‘, in dem das mathematikbezogene Selbstkonzept einen Teilbereich darstellt, auf eine lange Tradition zurück. Die Arbeiten von Grigutsch (1996) zum mathematischen Weltbild von Schülern und von Grigutsch et al. (1998) zu den Einstellungen gegenüber Mathematik prägen die fachdidaktische Forschung im deutschsprachigen Raum maßgeblich. Grigutsch et al. definieren das mathematische Weltbild wie folgt: „Der Mathematik als komplexe Erfahrungs- und Handlungswelt steht somit eine relativ strukturierte 'Welt' der Einstellungen gegenüber, die wir als mathematisches Weltbild bezeichnen wollen. Ein mathematisches Weltbild ist im obigen Sinne ein System von Einstellungen gegenüber (Bestandteilen) der Mathematik“ (Grigutsch et al. 1998, 10).

64

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

Durch eine Studie mit vier Altersgruppen konnte Grigutsch anhand der Aussagen eines Fragebogens eine Faktorenanalyse durchführen, mittels derer sich fünf Dimensionen zur Beschreibung des Bildes von Mathematik herauskristallisierten (Grigutsch 1995, 198-199; Kaiser & Maaß 2006, 84): •

Prozess-Aspekt → Mathematik betreiben bedeutet, über Probleme nachdenken: Mathematik ist ein Prozess, d.h. eine Tätigkeit über Probleme nachzudenken und dann Ideen und Lösungen zu finden und zu verstehen. Dieser Prozess ist zum einen ein Erkenntnisprozess, in dem es um das Erschaffen, Erfinden bzw. Nach-Erfinden (Wiederentdecken)

von

Mathematik

geht.

Ganz

wesentlich

in

diesem

Erkenntnisprozess sind Einfälle, gute oder neue Ideen, Intuition und das Ausprobieren, damit zugleich auch das Erkennen von Unstetigkeiten, Fehlern und Widersprüchen. Zum anderen gehört zu diesem Prozess auch gleichzeitig das Einsehen von Zusammenhängen und das Verstehen von Sachverhalten. Insgesamt wird Mathematik als problembezogener Erkenntnis- und Verstehensprozess beschrieben. •

Formalismus-Aspekt → Mathematik ist streng logisch und deduktiv aufgebaut: Mathematik ist gekennzeichnet durch eine Strenge und Exaktheit auf der Ebene der Begriffe und der Sprache, im Denken ("logisches Denken") sowie auf der Ebene der Argumentationen und der Begründungen ("Beweise"). Charakteristisch für die Mathematik ist streng logisches und präzises Denken in einer exakt definierten Fachsprache mit exakten Begründungen.



Schema-Aspekt → Mathematik ist eine additive Anhäufung von Begriffen und Regeln Mathematik ist eine Sammlung von Rechenverfahren und Rechenregeln, die genau angeben, wie man Aufgaben löst. Mathematik ist "Werkzeugkasten" und "Formelpaket". Die Konsequenz für den Umgang mit Mathematik ist: MathematikBetreiben besteht darin, Regeln, Formeln, Fakten und Verfahren zu behalten und anzuwenden. Mathematik besteht aus Lernen, Üben, Erinnern und Anwenden (Ausführen) von Schemata.



Rigide Schema-Orientierung → Für jede Mathematikaufgabe gibt es nur einen Lösungsweg, den es auswendig zu lernen gilt Mathematik ist nicht neutral als "Werkzeugkasten" und "Formelpaket" zu beschreiben, die man selbst entwickeln und verstehen kann. Mathematik ist vielmehr das kurzfristige Aneignen von fertigem, oft unverstandenem Wissen, das getestet wird. Ausgangspunkt für die Schüler ist die Erfahrung, dass es im Mathematikunterricht bislang ausreichte, nur das zu lernen, was in der Klassenarbeit verlangt wird. Daraus resultierte die subjektive Einstellung: Nur der Teil der Mathematik, der in Klassenarbeiten getestet wird, ist für den Schüler wichtig und wissenswert. Die Herleitung oder der Beweis einer Regel ist für den Schüler unwichtig, entscheidend ist, dass er selbst unverstandene Routinen anwenden kann.

65

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Das subjektive Wissen über Mathematik und Mathematikunterricht enthält nach Grigutsch et al. (1998, 10) Einstellungen in verschiedenen Kategorien (kognitive Ebene), wonach sich die beschriebenen Dimensionen des Mathematikbildes der ersten Kategorie zuordnen lassen: •

Einstellungen über Mathematik o

Vorstellungen über das Wesen der Mathematik

o

Vorstellungen über das (Schul- bzw. Hochschul-) Fach Mathematik

o

Einstellungen über die Natur mathematischer Aufgaben und Probleme

o

Einstellungen über den Ursprung mathematischen Wissens

o

Einstellungen über das Verhältnis zwischen Mathematik und Empirie (Anwendbarkeit/Nutzen der Mathematik)



Einstellungen über das Lernen von Mathematik



Einstellungen über das Lehren von Mathematik



Einstellungen über sich selbst (und andere) als Betreiber von Mathematik

In den letzten Jahren hat sich eine Vielzahl von Arbeiten mit dem Einfluss von mathematikbezogenen Vorstellungen, speziell mit den ‚Beliefs‘, welche Lernende über Mathematik haben, beschäftigt. Mathematikbezogene Vorstellungen und das mathematische Selbstbild stellen eine bedeutende Einflussgröße des „Mathematikverhaltens“ dar (u.a. Heinze & Reiss 2004; Kaiser & Maaß 2006; Deseniss 2015). Kaiser und Maaß (2006) führen auf, dass es keine einvernehmlich akzeptierte Begrifflichkeit für die Beschreibung von Überzeugungen gegenüber der Mathematik und des Lehrens und Lernens von Mathematik gibt. Vielmehr liegt eine Vielzahl verschiedener Ansätze vor. Eine direkte Übersetzung aus dem internationalen Diskurs zeigt auf, dass es sich um Überzeugungen, Anschauungen, Vorstellungen und Ansichten handelt. Dies verdeutlichen auch alternative Begriffe wie ‚attitudes‘, ‚beliefs‘, ‚views‘, ‚knowledge‘, ‚value‘ und ‚conception‘. Häufig werden Beliefs mit mathematikbezogenen Vorstellungen, also die Einstellungen und Ansichten über Mathematik, gleichgesetzt. In deutschsprachigen Arbeiten werden jedoch auch Begriffe wie Überzeugungen, Einstellungen, Auffassungen, Sichtweisen, subjektive Theorien oder mathematisches Weltbild, aber auch ‚beliefs‘ verwendet (Deseniss 2015). Op’t Eynde et al. (2002) unterscheiden drei Formen von Beliefs: 1. Vorstellungen über Mathematik sowie das Lernen von Mathematik, 2. Vorstellungen über das Selbst-Konzept als Lernender 3. Vorstellungen über den sozialen Kontext Nach Rösken und Pehkonen (2007) sind „Beliefs als eine Art persönliche und subjektive Philosophie über die Natur der Mathematik und das Lernen und Lehren von Mathematik“ zu verstehen (Rösken & Pehkonen 2007, 1). Beliefs nehmen eine zentrale Rolle als Hintergrundfaktor für das Denken und Handeln ein und wirken wie eine Art Filter, der sowohl mathematische Gedanken als auch Tätigkeiten beeinflusst. Pehkonen und Törner (1996) definieren Beliefs als Zusammensetzung aus dem subjektiven Wissen über bestimmte Objekte und Angelegenheiten und damit verbundenen Emotionen und Handlungen. Dem zufolge

66

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

können Beliefs bewusst oder unbewusst auftreten. Besonders bei unbewussten Beliefs steht die Einstellung im Vordergrund. Das Konzept der Beliefs wird Deseniss (2015) zufolge im gängigen Verständnis rein zustands- und ergebnisorientiert interpretiert. Der Forschungsstand zu Beliefs und verwandten Konzepten zeigt Deseniss (2015) zufolge, dass bis etwa 1990 ausschließlich das Individuum im Fokus der Lernforschung stand, ohne dass der Kontext, in dem das Lernen stattfindet, betrachtet wurde. Erst später fand die soziokulturelle Perspektive Berücksichtigung. Dennoch werden in einigen wenigen Untersuchungen zu Beliefs soziale und kulturelle Faktoren untersucht. In einer soziokulturellen Analyse beschreibt Gellert (1998) die Auswirkungen sozialer und kultureller Einflüsse auf kognitive und affektive Einflussfaktoren anhand der Vorstellungen angehender Lehrkräfte zu Mathematik und Mathematikunterricht mit Hilfe des Konstruktes "Common Sense". Gates (2002) erweitert das Beliefskonzept anhand der Ergebnisse von zwei Fallstudien. Innerhalb der Studien werden die Beliefsstrukturen bei Lehrkräften betrachtet. In einer explorativen Studie zu „Computerweltbildern“ von Mathematik- und Informatiklehrkräften gelingt es Berger (2001), das Konzept der Beliefs zu erweitern hin zu einem multiperspektivischen Konstrukt des Weltbildes. Die Schülervorstellungen zum Wesen von Mathematik, zum Nutzen von Mathematik und zum Mathematikunterricht allgemein untersuchen neben den Arbeiten von Grigutsch (1995; 1996) auch Baumert et al. (2000) sowie Maaß (2004). Besonders die Vorstellungen zur Ursache und Bedingungen mathematischer Kompetenz und Leistung sowie die Schülervorstellungen zum Verhältnis von Mathematik und Sprache stellen, so Deseniss (2015), ein Forschungsdesiderat dar. Zur Untersuchung mathematikbezogener Vorstellungen im Kontext Migration erweitert Deseniss dieses Konzept um „soziokulturelle Aspekte […], welche die umweltgeprägte Genese von Beliefs bzw. Vorstellungen einbezieht“ (Deseniss 2015, 73) und verwendet bewusst die Bezeichnung mathematikbezogene Vorstellungen. Mathematikbezogene Vorstellungen sind nach dieser Definition sowohl durch das eigene Selbstbild als auch durch das mathematikbezogene Weltbild und somit auch durch die sprachlich-kulturellen sowie sozialen Lebensumstände geprägt. Deseniss (2015) unterteilt die fünf Dimensionen Grigutschs (1995) in die statische Sicht, bestehend aus rigider Schemaorientierung, Formalismus- und Schema-Aspekt, und dynamische Sicht (Prozess- und Anwendungsaspekt) und führt eine weitere Unterteilung des Anwendungsaspekts nach Maaß (2004) auf. Anhand ihrer qualitativen Studie zur Betrachtung der Schulmathematik im Kontext von Migration mit zwölf Schülern arbeitet Deseniss folgendes inhaltliches Spektrum zur Kategorisierung mathematikbezogener Vorstellungen heraus, das als Interpretationsgrundlage für die Resultate der vorliegende Studie dient:

67

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz



Vorstellungen über das Wesen von Mathematik o o

Mathematik ist das, was man im Mathematikunterricht lernt Mathematik ist im Wesentlichen die Anwendung einfacher mathematischer Rechenverfahren im Leben











o o

In Mathematik muss man rechnen und definieren In Mathematik muss man denken und rechnen

o o

Mathematik ist eine Erfindung von Wissenschaftlern Mathematik ist eine Wissenschaft mit eigenen strukturellen Merkmalen

Vorstellungen über die Bedeutung und den Nutzen der Mathematik o

Präsenz von Mathematik: Mathematik ist omnipräsent; die Präsenz von

o

Mathematik ist auf bestimmte Situationen begrenzt Anwendungsbezug von Mathematik: in anderen Schulfächern; in der Welt; im

o

Alltag; im Beruf Gesellschaftlich-soziale Bedeutung der Mathematik: für die Familie; für die Karriere

o

Allgemeiner Bildungswert

Vorstellungen über die Ursachen und Bedingungen mathematischer Kompetenz und Leistung o o

Eigenleistung: sich motivieren; im Unterricht aufpassen; üben Lernbedingungen: Verständliche Erklärungen; motiviert werden; Lerntempo und

o

-atmosphäre im Mathematikunterricht Allgemeine kognitive Kompetenzen: schnell auffassen; logisch denken

o

Veranlagung: Begabung, Erbanlagen

Vorstellungen über das Verhältnis von Mathematik und Sprache o o

Mathematik hat mit Sprache nichts zu tun Sprache ist für das Erklären und Verstehen von Mathematik wichtig

o

Mangelnde Sprachkompetenzen wirken sich negativ auf die Mathematiknote aus

o o

In Mathematik wird eine besondere Sprachvariante verwendet. Mathematik kann als eine Art Sprache aufgefasst werden

Vorstellung über guten Mathematikunterricht o o

Thematisch Methodisch

o

Lehrkraft

o

Sonstiges

Selbstbild als Mathematiklernende o

Einschätzung mathematischer Kompetenz: positiv, mittelmäßig, negativ

o

Eigene Leistung ist abhängig von: Themen; Transparenz über den Nutzen; Aufbau von Vorstellungen; affektiver Bezug zum Thema, Lerngeschwindigkeit; Sprachkenntnis; Erklärungen des Lehrers; Unterrichttempo

o

Affektiver Bezug: positiv; negativ

Deseniss (2015) weist mittels der Kategorisierung nach, dass sich bei Schülern mit Migrationshintergrund spezifische Ausprägungen hinsichtlich der mathematikbezogenen Vorstellungen erkennen lassen. So können sowohl sprachliche Faktoren als auch mit der migrationsgeprägten Biografie verknüpfte Rahmenfaktoren Einfluss auf die Entwicklung spezifischer mathematikbezogener Vorstellungen bei Schülern mit Migrationshintergrund

68

3.2 Erwerb mathematischer Kompetenzen – individuelle Faktoren

haben. Für die inhaltliche Ausprägung mathematikbezogener Vorstellungen ist nicht nur das Vorhandensein eines Migrationshintergrunds von Bedeutung, sondern entscheidend sind auch soziale Bedingungen und kulturelle Einflüsse, die sich zwischen Herkunftsländern unterscheiden können. Basierend

auf

der

Darstellung

des

mathematischen

Selbstkonzeptes

und

der

mathematikbezogenen Vorstellungen nach Deseniss (2015) lassen sich die Vorstellungen von Mathematik folgendermaßen einteilen: •

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene o

Vorstellungen über das Wesen der Mathematik

o

➢ Grigutsch (1995); Deseniss (2015) Vorstellungen über die Ursachen und Bedingungen mathematischer Kompetenz & Leistung ➢ Deseniss (2015)



Selbstbild als Mathematiklernende o

Einschätzung mathematischer Kompetenzen

o

➢ Deseniss (2015) Einstellung zur Mathematik ➢ Deseniss (2015)



Das

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene o

Vorstellungen über Präsenz, Bedeutung und Nutzen der Mathematik ➢ Deseniss (2015)

o

Vorstellungen über guten Mathematikunterricht ➢ Deseniss (2015)

o

Vorstellungen über das Verhältnis von Mathematik und Sprache sowie Kultur ➢ Deseniss (2015)

Verständnis

von

mathematikbezogenen

Vorstellungen,

basierend

auf

dem

mathematischen Selbstkonzept, dem Mathematikbild nach Grigutsch (1996) und dem erweiterten Beliefs-Konzept, wie es Deseniss ausführt, liegt der vorliegenden Arbeit zugrunde. Mathematikbezogene Vorstellungen von Schülern werden als bedeutende Einflussgröße für das mathematische Handeln bzw. das Mathematikverhalten im Mathematikunterricht diskutiert (u.a. Reiss et al. 2002; Leder & Forgasz 2002; Heinze 2007).

69

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren Insbesondere sprachliche, soziale und kulturelle Faktoren, die sich auf der sozialen Ebene des Mehrebenenmodells verorten lassen, beeinflussen, neben den personenbezogenen Faktoren, (mathematische) Kompetenz im Sinne Weinerts. Wie bereits in der Darstellung des Selbstkonzeptes erkennbar ist, sind die individuellen Voraussetzungen und umweltbedingten Einflüsse miteinander verbunden und beeinflussen sich wechselseitig. Der sprachliche und soziokulturelle Kontext stellt bei der Betrachtung mathematischer Kompetenzen unter Berücksichtigung personenbezogener Faktoren ein relevantes Bedingungsgefüge dar, das potenzielle Einflüsse auf die Entwicklung spezifischer Vorstellungen nimmt (Deseniss 2015). Der Einfluss soziokultureller Aspekte auf die schulische Leistung wird bei der Betrachtung von Schülern mit Migrationshintergrund deutlich. Hierbei sind Soziokulturalität und Migration keineswegs gleichzusetzen. Vielmehr ermöglicht der Blick in die Migrationsforschung die Betrachtung von Schülern mit unterschiedlichen (sozio-)kulturellen Lernbedingungen. Besonders die (international vergleichende) Erziehungswissenschaft zeigt, dass Schüler mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem benachteiligt sind. Sowohl im Sekundarbereich als auch im Primarbereich erreichen diese Lernenden im Bereich der zentralen Domänen Lesen und Mathematik geringere Kompetenzen. Die großangelegten internationalen Leistungsvergleichsstudien wie u.a. TIMSS haben bereits für die Grundschule einen Leistungsrückstand von Kindern mit Migrationshintergrund in Mathematik ermittelt (Bos et al. 2008). Noch größere Leistungsdifferenzen zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund zeigen sich nach der Analyse der PISA-Studie bei 15-jährigen (PISAKonsortium Deutschland 2007). Auch für die Schüler im Übergang in den berufsbildenden Bereich

verdeutlicht

dies

der

aktuelle

Bildungsbericht

(Autorengruppe

Bildungsberichterstattung 2018). „Ein Migrationshintergrund wirkt sich – bei sonst gleichen Voraussetzungen (Schulabschlüsse,

Kompetenzausprägungen,

Elternunterstützung)



nachteilig auf die Ausbildungseinmündung in das duale System aus (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2018, 143). Als ein wesentlicher Grund werden Schwierigkeiten mit der Beherrschung der Unterrichtssprache auf einem altersangemessenen Niveau ausgemacht (u.a. Stanat & Christensen 2006; Müller & Stanat 2006). Ramseier und Brühwiler (2003) betrachten die große Bedeutung der familiären und kulturellen Verhältnisse für den schulischen Erfolg. Aktuelle Ergebnisse zum kulturellen Einfluss bei Migration im Kontext Schulmathematik weisen auf Folgendes hin: „Entweder sprachliche Faktoren und/oder mit der migrationsgeprägten Biographie verknüpfte sozioökonomische Rahmenfaktoren [können] die Herausbildung spezifischer mathematischer Vorstellungen […] mitbedingen. […] Bestimmte Vorstellungen schließlich

70

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

zeigten unterschiedliche inhaltliche Ausprägungen […] zwischen solchen [Lernenden] mit russischem und solchen mit türkischem Migrationshintergrund“ (Deseniss 2015, 336).

Im Folgenden werden daher als Aspekte der sozialen Ebene soziokulturelle und sprachliche Einflussfaktoren näher beschrieben. Bei der Betrachtung des Einflusses der Kultur gilt es in Abschnitt 3.3.1 zunächst die Begriffe zu klären und zwischen Kulturalität und Nationalität zu unterscheiden.

Anschließend

werden

die

Einflüsse

der

sozioökonomischen

Rahmenbedingungen, der Bildungsbiografie und der Herkunft näher betrachtet und mit dem aktuellen Stand der Forschung untermauert. Der Zusammenhang zwischen den sprachlichen Fähigkeiten und dem Erwerb mathematischer Kompetenzen wird unter besonderer Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit in Abschnitt 3.3.2 beschrieben.

3.3.1 Mathematische Kompetenz als Kulturtechnik unter soziokultureller Perspektive „Mathematische Inhalte sind an gesellschaftliche Verhältnisse gebunden; unterschiedliche Weltanschauungen prägen unterschiedliche Inhalte und Ziele. […] Mathematik ist ein kulturgebundenes Phänomen. Sie wurde von den Menschen erfunden, wurde und wird als notwendiges kulturelles Werkzeug ständig weiterentwickelt“ (Werner 2009, 22).

Aus einer sozial-konstruktivistischen Position ist die Mathematik als eine menschliche Aktivität, als ein historisch und kulturell gebundenes, soziales Phänomen zu verstehen (Hersh 1997, zitiert nach Deseniss 2015, 44). Die Verwendung von Mathematik findet somit stets in einem Kontext der Aktivität statt, der sozial, wie auch kulturell, in die jeweilige Lebenssituation eingebunden ist. Der Begriff der Soziokultur umfasst die Summe aus allen kulturellen und sozialen Interessen und Bedürfnissen einer Gesellschaft (BPB 2007). Bei der Betrachtung des Begriffs Kultur stellt man fest, dass es sich um einen sehr häufig gebrauchten Begriff handelt, der sowohl im Alltag als auch im wissenschaftlichen Diskurs, vor allem in den Geistes- und Sozialwissenschaften, Verwendung findet (zsf. Römhild 2018). Alltagssprachlich

zeigen

sich

verschiedene

Verwendungen,

wie

Alltagskultur,

Diskussionskultur, Esskultur, Firmenkultur und Subkultur, aber auch Kulturlandschaft, Kulturtechniken,

sowie

politische

Kultur.

Die

Begriffsdefinition

einschlägiger

Nachschlagewerke, hier dem Duden, spiegelt diese Vielfalt wider (Duden, o.J.): •

Gesamtheit

der

geistigen,

künstlerischen,

gestaltenden

Leistungen

einer

Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung •

Gesamtheit der von einer bestimmten Gemeinschaft auf einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Epoche geschaffenen, charakteristischen geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen

71

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz



Verfeinerung, Kultiviertheit einer menschlichen Betätigung, Hervorbringung sowie Kultiviertheit einer Person (Duden o.J.)

Äußerung,

Darüber hinaus findet der Begriff auch in der Landwirtschaft, im Gartenbau und der Forstwirtschaft, aber auch in der Biologie und Medizin Verwendung. Busche (2018) unterscheidet zwischen der übergeordneten Kultur, in Form der Kultivierung als Prozess und Tätigkeit, und den drei untergeordneten Formen der Sach-, Körper- und Geisteskultivierung. Aus der Perspektive der Kulturwissenschaften unterscheidet Reckwitz (2004) vier Formen des Kulturbegriffs: 1. normativer Kulturbegriff: wertende Gegenüberstellung bzw. eine Auszeichnung bestimmter ästhetischer Phänomene, Objekte und Praktiken, die in einer Gesellschaft hochgeschätzt und durch Traditionsbildung bewahrt werden. 2. totalitätsorientierter Kulturbegriff: Betrachtung "ganzer Lebensformen", d.h. die Gesamtheit der Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsmuster von Kollektiven. Anerkennung der Verschiedenartigkeit und Gleichwertigkeit von Kulturen und kulturellen Ausdrucksformen. 3. differenztheoretischer Kulturbegriff: bestimmtes Teilsystem der sozial ausdifferenzierten modernen Gesellschaft, das zum Bestand der modernen Gesellschaft bestimmte funktionale Leistungen erbringt. 4. bedeutungs- und wissensorientierter Kulturbegriff: von Menschen erzeugter Gesamtkomplex von Vorstellungen, Denkformen, Empfindungsweisen, Werten und Bedeutungen (kulturspezifische Symbolsysteme). In der hier vorliegenden Forschungsarbeit wird die Definition nach Pries und Maletzky (2018) zugrunde gelegt, die besagt, dass unter Kultur „allgemein ein sozial erlerntes (nicht genetisch vererbtes) komplexes Handlungsskript für soziale Gruppen verstanden [wird], welches sich in sozialer Praxis (sich begrüßen, kleiden, ernähren, Initiations-, Heirats- und Sterberitualen etc.) sowie in Symbolsystemen (Sprache, Werte, Normen, Recht etc.) und Artefaktstrukturen (Werkzeugen, Gebäuden, Institutionen, Techniken etc.) niederschlägt“ (Pries & Maletzky 2018, 55).

Hierbei gilt es zudem Kulturalität von Nationalität abzugrenzen. Während die Nationalität die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nation bzw. Staat umfasst, also einem durch Grenzen und Staatsangehörigkeit festgelegten, meist geografischen Bereich, bezieht sich die Kulturalität auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur. Die Nationalität kann jedoch auch über die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bevölkerungsgruppe beschrieben werden. Hierunter ist der Begriff der Volkszugehörigkeit subsummiert. Die Volkszugehörigkeit ist an dieser Stelle unabhängig von der Staatszugehörigkeit. Im Rahmen der Migrationsforschung und der interkulturellen Pädagogik finden sich neben dem Begriff des Kulturellen auch inter-, multi- und transkulturelle Perspektiven. Pries und Maletzky zufolge handelt es sich bei Inter-, Multi- und Transkulturalität um Begriffe, die sich auf den

72

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

Austausch sowie dessen Voraussetzungen, Formen und Folgen, zwischen Menschen verschiedener Kulturen beziehen. Der Begriff der Interkulturalität umfasst die Interaktion zwischen Personen unterschiedlicher kultureller Zugehörigkeiten. Multikulturalität beschreibt die parallele Existenz unterschiedlicher kultureller Gruppen innerhalb eines Staates und wird häufig im politischen Diskurs verwendet. Während die Begriffe Inter- und Multikulturalität, so Pries und Maletzky (2018), von einem substantialistischen Kulturverständnis geprägt sind, geht der Begriff der Transkulturalität von Kulturen als hybriden und fluiden Gebilden aus. Statt die Wechselwirkung zwischen Kulturen zu betrachten, bezieht sich die Transkulturalität auf eine kulturübergreifende Perspektive, die die National- beziehungsweise Einzelkultur überschreitet. Die Bezeichnung des interkulturellen Vergleichs hebt sich jedoch aus der Perspektive der Sozialforschung von der Definition der Interkulturalität ab. Wie der Begriff suggeriert, beziehen sich Forschungsarbeiten, die interkulturell vergleichende Betrachtungen anstellen, auf den Vergleich zwischen Kulturen. Die vergleichende Sozialforschung geht unter anderem auf den Soziologen Durkheim (1892) zurück, der mit dem Begriff des interkulturellen Vergleichs kulturspezifische Phänomene in verschiedenen Kulturen beschreibt. In der hier vorliegenden Forschungsarbeit bezieht sich der Begriff des interkulturellen Vergleichs auf die Betrachtung von Jugendlichen – Asylsuchende, wie auch in Deutschland aufgewachsene Schüler – mit unterschiedlicher (kultureller) Herkunft.

Einflüsse der Kultur und der sozialen Herkunft Bei der Betrachtung möglicher Ursachen für die Leistungsrückstände von Migranten im internationalen Vergleich stellt Stanat (2009) fest, dass sich die Rückstände vieler Herkunftsgruppen anhand von zentralen Hintergrundmerkmalen, wie u.a. dem Bildungsstand und sozioökonomischem Hintergrund der Eltern, gesprochene Sprache in der Familie und der Aufenthaltsdauer in Deutschland erklären lassen. Hierbei ist zu beachten, dass dieses nicht für alle Herkunftsgruppen als Erklärung ausreicht. Bezüglich möglicher Ursachen für die Leistungsrückstände der Schüler mit türkischer Herkunft genügen die gemessenen Hintergrundvariablen nicht. Als mögliche Gründe werden Diskriminierung oder abstrakte resp. realitätsferne Wünsche hinsichtlich der Bildungsziele als Hypothesen formuliert. Mathematische Kompetenz, unter Berücksichtigung soziokultureller Einflüsse, geht nicht allein auf gesellschaftliche Bedingungen zurück, sondern findet sich auch im Einfluss der Familie wieder. Hawighorst (2007) betrachtet in einer qualitativen Untersuchung die Sicht von türkischsprachigen, russischsprachigen sowie einheimisch deutschsprachigen Eltern auf mathematische Bildung in der Familie, wie mathematische Bildung in Familien gestaltet ist und unter welchen Rahmenbedingungen sie stattfindet.

73

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

„Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen zeigen sich zum einen in jeweils spezifischen kulturell geprägten Vorstellungen, die sich in Bezug auf Erwartungen an den Unterricht und das Bildungssystem besonders deutlich bei den russischsprachigen Eltern darstellen. Folgenreich für die familiale Vermittlung schulrelevanter Voraussetzungen sind insbesondere die sozialen Hintergründe und die eigenen Bildungserfahrungen der Eltern“ (Hawighorst 2007, 46).

Die Analyse möglicher Faktoren für den Zugang zu Bildungsangeboten und den Bildungserfolg wurde in den letzten 50 Jahren bereits in verschiedenen Forschungsdisziplinen vorgenommen (zsf.

Relikowski

2012).

Besonders

der

(sozialen)

Herkunft

wird

hierbei

in

der

wissenschaftlichen Betrachtung immer wieder Bedeutung beigemessen. Die Unterscheidung Boudons (1974) findet bis heute Verwendung in der empirischen Forschung zu herkunftsbedingter Bildungsungleichheit. Hiernach wird zwischen primären und sekundären Herkunftseffekten unterschieden: •

Primäre Herkunftseffekte: Unterschiedlicher Gehalt der Lernanregungen im häuslichen Umfeld; unterschiedlicher Gehalt der häuslichen Unterstützung (bspw. Häufigkeit des Vorlesens, Motivation zum Lernen).



Sekundäre Herkunftseffekte: Einfluss der sozialen und ethnischen Herkunft auf Bildungsentscheidungen; Schulwahl und Übergangsentscheidungen sind durch Kosten-Nutzen-Abwägungen hinsichtlich der schulischen Leistungen der Kinder und der Erwartungen und eigenen Nähe/Ferne zur Schulkultur der Eltern, aber auch Möglichkeiten des späteren Berufsstatus, beeinflusst; Investitionsmöglichkeiten in schulische Bildung (z. B. einen längeren Schulweg, Gebühren für Nachhilfe, Unterstützung bei den Hausaufgaben).

Primäre Herkunftseffekte, wie die unterschiedlichen Lerngelegenheiten, beeinflussen die Lernausgangsbedingungen vor allem zu Beginn der Schule, aber auch, so der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2016), die Kompetenzentwicklung. Sekundäre Herkunftseffekte beeinflussen die schulische Bildung und den Kompetenzerwerb hingegen eher indirekt durch Bildungsentscheidungen, wie den Besuch weiterführender Schulformen. Bildungsübergänge stellen somit einen Moment dar, der Bildungsungleichheit mitbeeinflusst. Relikowski (2012) zufolge bestehen herkunftsbedingte Leistungsunterschiede aufgrund klassenspezifischer Sozialisationsprozesse. Diese werden bedingt durch „unterschiedliche Ressourcenausstattung im Elternhaus (ökonomisch, kulturell und sozial), differenzielle kognitive und motivationale Förderung der Eltern sowie aufgrund unterschiedlicher Bedingungsfaktoren. Folglich haben Kinder aus den unteren sozialen Schichten häufiger schlechtere Schulleistungen als solche, deren Familien einen vergleichsweise höheren Sozialstatus und Bildungshintergrund aufweisen.“ (Relikowski 2012, 19)

74

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

Soziale, wie auch kulturell bedingte Faktoren beeinflussen den Erwerb mathematischer Kompetenzen direkt oder indirekt über die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Im Folgenden werden nun verschiedene Einflussfaktoren näher beschrieben, die im Rahmen der hier vorliegenden Studie Berücksichtigung finden werden.

Darstellung verschiedener sozialer Rahmenbedingungen Ob Neuzugewanderte oder Einheimische, auf den Erwerb mathematischer Kompetenzen haben verschiedene sozioökonomische Rahmenbedingungen entscheidende Einflüsse. Die Betrachtung der Zusammenhänge zwischen sozialen Rahmenbedingungen, wie der sozialen Schichtzugehörigkeit oder dem sozialen Status, und dem Bildungserfolg, aber auch das familiäre Umfeld, weisen eine lange Forschungshistorie auf (zsf. Fend 2014). Die täglichen Gewohnheiten und Vorlieben unterscheiden sich zum Teil selbst innerhalb eines Landes immens. Anhand der Betrachtung der sozialen Milieus werden diese verschiedenen Werte und Lebensweisen genauer betrachtet (Ellinger 2013). Hiernach ergibt sich die Verteilung der sozialen Schichtung der Bevölkerung in die Unterschicht, die Mittelschicht (untere, mittlere und obere Mittelschicht) und die Oberschicht, wie sie auch bei der Erfassung der sozialen Differenzierung in Deutschland durch das DELTA-Institut für Sozial- und Ökologieforschung Verwendung findet. Die Zugehörigkeit zu einer der genannten Gruppen ergibt sich aus dem Einkommen der Eltern und der Familienzusammensetzung. Zur

Beschreibung

verschiedener

familiärer

Konstellationen

liegen

unterschiedliche

Bezeichnungen vor. Bei der Betrachtung von Familienformen, Familienmilieus, Lebenslagen, und Familienproblemen im regionalen und kleinräumigen Vergleich führen Köhling et al. (2012) zur

Beschreibung

von

Familien

mit

Kindern

die

Bezeichnungen

„Ehepaar“,

„Lebensgemeinschaft“ sowie alleinerziehende Väter und Mütter an. Dies stellt eine Form der differenzierten Beschreibung von Formen der Kernfamilie (Eltern und Kinder) dar, wie sie auch im Familienreport Anwendung findet (BMFSFJ 2017). Da jedoch neben der Kernfamilie auch weitere Verwandte und nicht verwandte Personen subjektiv zur Familie zählen, beziehungsweise

in

einem

Haushalt

leben,

sind

bei

der

Betrachtung

von

Familienkonstellationen auch Wohngruppen, Mehrgenerationen- sowie Großfamilien, aber unter

anderem

auch

Pflege-

und

Patchwork-Familien

einzubeziehen.

Die

Familienkonstellation lässt sich anhand der subjektiv zur Familie zählenden Personen wie folgt zusammenfassend abbilden: •

Kernfamilie: Ein-Eltern-Familie (alleinerziehend), Zwei-Eltern-Familie (Ehepaar, Lebensgemeinschaft)



Mehrgenerationenfamilie: Ein-Eltern-Familie bzw. Zwei-Eltern-Familie mit Großeltern



Großfamilie: Ein-Elternfamilie bzw. Zwei-Elternfamilie mit Großeltern und/bzw. mit Verwandten

75

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz



Patchwork Familie: Stiefvater/-mutter und -geschwister, Lebensgefährte/in der Eltern (und dessen/deren Kinder)



Weitere Familienformen: Kinderheim

Pflegefamilie,

Sozial-/Jugendamt5,

Jugend-/

Zur Beschreibung der Geschwisterkonstellation wird im Datenreport zu Familien, Lebensformen und Kindern vom statistischen Bundesamt zwischen Ein-Kind-, Zwei-Kind- und Mehr-Kind-Familien (drei oder mehr Kinder) unterschieden (DESTATIS 2016). Zimmermann und Spangler (2001) zufolge hat das familiäre Umfeld Einfluss auf die intellektuelle

Leistungsfähigkeit,

die

Leistungsmotivation

und

die

emotionale

Regulationsfähigkeit. Zum allgemeinen familiären Kontext zählt hierbei der sozioökonomische Status, die Ausbildung der Eltern, aber auch der Familienstatus und die Anzahl der Geschwister. Die Auswirkungen der Familiengröße wurden bereits 1964 von Jürgens betrachtet. Dieser wies in einer Studie mit 500.000 Schülern in der Bundesrepublik Deutschland nach, dass eine höhere Kinderzahl (mehr als drei Kinder) sich ungünstig auf die Schulleistungen und die Bildungschancen auswirken könne. McElvany (2008) führt in ihren Darstellungen an, dass sich dieser negative Zusammenhang zwischen Familiengröße und Schulerfolg auch in weiteren Studien bestätigte. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass dies keine ausschließlichen, sondern nur mögliche beeinflussende Faktoren sind. Im Rahmen der Längsschnittstudie LiFE (Lebensverläufe ins frühe Erwachsenenalter) betrachtet Fend (2014) den Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg, unter dem Fokus der Wirksamkeit institutioneller und organisatorischer Maßnahmen, zur Verringerung des Einflusses der sozialen Herkunft. Begonnen im Jahr 1979 werden die Bildungsverläufe von 2000 Kindern der 6. Jahrgangsstufe bis ins Jahr 1998 begleitet. Fend zufolge bestätigen die Befunde der LiFE-Studie jenen in der bildungssoziologischen Literatur häufig betrachteten Effekt, den der sozioökonomische Status des Elternhauses auf die Bildungslaufbahn der Kinder hat. Der sozioökonomische Status oder auch soziale Status (engl. Socio-economical-status; kurz: SES) wird nach Ditton und Maaz (2011) folgendermaßen definiert: Mit dem Begriff Sozialer Status wird die Position bezeichnet, die eine Person innerhalb einer Rangordnung der gesellschaftlich vorhandenen Positionen einnimmt. Die Einordnung in die gesellschaftliche Hierarchie bezieht sich auf die Wertschätzung, die einer Position hinsichtlich gesellschaftlich relevanter Merkmale (z. B. Einkommen, Besitz, Macht) beigemessen wird.“ (Ditton & Maaz 2011, 193)

5

Sozial- und Jugendamt stellen hierbei keinen Wohnort, sondern stellvertretend Bezugspersonen dar.

76

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

Die Begriffe der sozialen Schicht und des sozialen Status stehen zwar in Beziehung zueinander, sind jedoch nicht gleichzusetzen. Die soziale Schicht beschreibt anhand der Merkmale des sozialen Status die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Gruppe (Schicht), mittels derer anhand von sozialen Unterschieden auch die sogenannte soziale Ungleichheit definiert wird. In der empirischen Bildungsforschung liegen viele verschiedene Systeme zur Klassifikation des sozioökonomischen Status vor. Ein solches Werkzeug stellt das Erikson-GoldthorpePortocarero-(Klassen)-Schema

(kurz:

EGP)

dar.

Mittels

dieses

kategorialen

Klassifikationsschemas werden Klassenlagen der Beschäftigten anhand von vier Kategorien näher beschrieben: 1. 2. 3. 4.

Art der Tätigkeit (landwirtschaftlich – manuell – nicht-manuell), Stellung im Beruf (abhängig beschäftigt – selbstständig), verbundene Weisungsbefugnisse (keine – geringe – hohe) zur Berufsausbildung erforderlichen Qualifikationen (keine – niedrige – hohe)

Die zehn EGP-Klassen wurden 1980 mittels der Datensätze aus dreizehn Ländern entwickelt und werden nach Erikson und Goldthorpe (1992, 38) wie folgt beschrieben: I. II.

III.

IV.

V. VI. VII.

Hochqualifizierte Fachkräfte, Administratoren und Beamte; Manager in großen Industriebetrieben; Großunternehmer Geringer qualifizierte Fachkräfte, Administratoren und Beamte; höherqualifizierte Techniker; Manager in kleinen Industriebetrieben; Vorgesetzte von nichtmanuellen Mitarbeitern a. Gewöhnliche Angestellte, höhere Besoldungsgruppe (in Verwaltung und Handel) b. Gewöhnliche Angestellte, minderwertig (Vertrieb und Dienstleistungen) a. Kleinunternehmer und Handwerker mit Angestellten b. Kleinunternehmer und Handwerker ohne Angestellte c. Landwirte und Kleinbauern; sonstige Selbstständige in der Primärproduktion Geringqualifizierte Techniker; Vorgesetzte von Handwerkern Facharbeiter a. An- und ungelernte Arbeiter (nicht in der Landwirtschaft) b. Landwirtschaftliche und sonstige Arbeitskräfte in der Primärproduktion

Alternativ werden auch kontinuierliche Klassifikationssysteme wie der „International SocioEconomic Index of Occupational Status” (kurz: ISEI) verwendet. Dieser von Ganzeboom, De Graaf

und

Treiman

1992

entwickelte

Index

dient

auch

den

internationalen

Schulleistungsstudien PISA und IGLU als Grundlage und basiert auf Angaben zu Beruf, Einkommen und Bildungsniveau. Bei der Konstruktion des ISEI werden berufliche Tätigkeiten, der Bildungsstand und mögliche Chancen (bspw. Einkommen und Einflussnahme)

77

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

miteinander in Verbindung gebracht. Die Angaben werden auf einem kontinuierlichen Maß den verschiedenen Berufsgruppen zugeordnet6. Zur Einordnung der Berufe anhand der Berufsfachlichkeit und des Anforderungsniveaus entwickelten die Bundesagentur für Arbeit (BA), das statistische Bundesamt (StaBu) und das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die Klassifikation der Berufe 2010 (kurz: KldB 2010; Paulus et al. 2010). Anhand dieser Klassifikation lassen sich die Berufe nach Paulus et al. (2010) fünf Ebenen zuordnen: 1. 2. 3. 4. 5.

Berufsbereichen (Anzahl: 10) Berufshauptgruppen (Anzahl: 37) Berufsgruppen (Anzahl: 144) Berufsuntergruppen (Anzahl: 700) Berufsgattungen (Anzahl: 1286)

Die Ebenen eins bis vier stellen eine berufsfachliche Gliederung dar, während die 1286 Berufsgattungen auf der fünften Ebene in vier Anforderungsniveaus differenziert werden (Paulus et al. 2010, 7): 1. einfache, wenig komplexe Routinetätigkeiten; 2. komplexe, stärker fachlich ausgerichtete Tätigkeiten, die eine mindestens zwei- oder dreijährige Berufsausbildung erfordern; 3. deutlich komplexere, mit Spezialkenntnissen verbundene Tätigkeiten, die mindestens eine Meister- oder Technikerausbildung erfordern; 4. hoch komplexe Tätigkeiten, die mindestens ein Hochschulabschluss voraussetzen

Gast et al. (1985) führen zudem auf, dass die Konstellation der Berufstätigkeit (Mutter, Vater, Vollzeit, Teilzeit u.ä.) Einfluss auf die schulischen Leistungen haben. Neben der schulischen Bildung und dem Beruf der Eltern hat auch das familiäre Lebensumfeld Einfluss auf den Bildungserfolg und den Erwerb (mathematischer) Kompetenzen. Becker und Schubert (2011) zufolge sind bei der Betrachtung möglicher Gründe für die Leistungsunterschiede der zugewanderten Familien nicht allein Defizite im Rahmen der kulturellen Anpassung und Bildungsaspirationen zu berücksichtigen. Vielmehr scheint es zielführend die Strukturen des Bildungssystems

und

die

Ziele

und

(bildungsrelevanten)

Ressourcen,

also

bildungsbiografische Rahmenbedingungen, Neuzugewanderter unter Berücksichtigung der spezifischen Migrationssituationen zu betrachten.

Bildungsbiografische Rahmenbedingungen Bildungsbiografische Rahmenbedingungen, wie der Verlauf des eigenen Schulbesuchs und die jeweils besuchte Schule, wirken sich ebenfalls auf die Leistung der Schüler aus. Der Begriff

Die ausführliche Darstellung des Index mit allen Klassifikationseben http://www.harryganzeboom.nl/isco08/index.htm (abgerufen am: 22.08.2018) 6

78

unter:

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

der Bildungsbiografie bezeichnet im Folgenden die im Kontext von Bildung gemachten Erfahrungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen, die zum individuellen Werdegang beigetragen

haben.

Der

Zusammenhang

zwischen

schulischer

Leistung

und

bildungsbiografischen Rahmenbedingungen konnte in unterschiedlichen Studien gezeigt werden. So zeigt der Ländervergleich in Mathematik und den Naturwissenschaften 2012 in der 9. Klasse zur Betrachtung der Kompetenzen von Schülern verschiedener Schulformen: „Für Neuntklässlerinnen und Neuntklässler an Gymnasien zeichnet sich erwartungsgemäß ein deutlich günstigeres Bild ab als für die gesamte Schülerschaft der 9. Jahrgangsstufe“ (Pant et al. 2013, 170).

Neben der besuchten Schulform stellt jedoch auch die Kontinuität des Schulbesuchs einen entscheidenden Faktor dar. Wird der Schulbesuch aus unterschiedlichen Gründen, wie Schulabstinenz, gesundheitlichen oder familiären Bedingungen, unterbrochen, wirkt sich dies ebenfalls auf die Kompetenzentwicklung aus. Besonders im Kontext der Flucht sind zerrissene Bildungsbiografien keine Seltenheit. Die Umstände im jeweiligen Heimatland sind prekär. Während der Flucht ist es meist nicht möglich, an schulischer Bildung teilzunehmen, doch auch vor dem Aufbruch findet der Schulbesuch Monate oder gar Jahre nicht statt. Je nach Heimatland gilt darüber hinaus keine allgemeine Schulpflicht, wodurch nicht alle Jugendlichen überhaupt die Schule besucht haben. Im Rahmen der Befragung von Baumann und Riedl (2015) zeigt sich, dass die Dauer des Schulbesuchs der 508 Befragten von keinem Schulbesuch bis hin zu einem Schulbesuch von bis zu 17 Jahren stark variiert (s. Abbildung 4). 95

100 90 80 70

59

59

58

60

50 33

40 30

21

20 10 0

6

8

6

8

10 3

4

8

8

Abbildung 6: Schulbiografie Vielfalt; Anzahl der Nennungen (n=386) (Baumann & Riedl 2015, 100)

79

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Etwa 250 der Berufsschüler waren hiernach neun oder mehr Jahre in der Schule. Auch die besuchte Schulart unterscheidet sich zum Teil sehr. So haben 60 der 386 Befragten keine Schule besucht, über 90 besuchten die Mittel-/Hauptschule und knapp 10 besuchen die Universität. Daneben finden sich Angaben zum Besuch von Privat- oder Koranschulen, Formen von Grundschulen, Gesamt-, Real-, Fach-, Berufs- und Hochschulen sowie Gymnasien. Bei der Betrachtung der Bildungsbiografien der Asylsuchenden ist darüber hinaus interessant, wie lange sie bereits in Deutschland sind und ob sie in dieser Zeit in Deutschland die Schule besucht haben. Je länger die Möglichkeit des Schulbesuchs in Deutschland besteht, desto besser sind die Chancen zur Integration, so „[kann] die Förderung in einer Kindertageseinrichtung […] fehlende Lerngelegenheiten in der Familie zumindest teilweise ausgleichen. Dies gilt besonders für Kinder aus Zuwandererfamilien: Kinder mit Migrationshintergrund, die eine Kita besucht haben, zeigen in den Einschulungsuntersuchungen bessere Sprachfähigkeiten und haben seltener einen Sprachförderbedarf

als

jene,

die

größtenteils

zu

Hause

betreut

wurden“

(Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2016, 31).

Neben der schulischen Bildung kommt somit auch der vorschulischen Bildung eine entscheidende Rolle zu. So können Kita und Schule Kompetenzunterschiede zwischen den Kindern ausgleichen, diese jedoch auch weiter verstärken. Einen weiteren Aspekt biografischer Rahmenbedingungen stellen herkunftsbedingte Einflüsse, wie unterschiedliche kulturell-

und

migrationsbedingte

Erfahrungen

dar.

Die

Faktoren

Migration

und

Migrationshintergrund stellen somit einen Teil der individuellen Biografie dar, der wiederum die Bildungsbiografie zum Teil mitbeeinflussen kann.

Herkunftsbedingte Einflüsse Neben der sozialen Herkunft stellt der Migrationshintergrund, Gross und Gottburgsen (2013) zufolge, einen vielfach betrachteten Faktor zur Erklärung schulischer Disparitäten dar: „Die empirische Bildungsforschung belegt die zunehmende Heterogenität der Zielgruppen für Bildung und identifiziert eindrucksvoll bestimmte Risikogruppen. Danach werden beim Erwerb von Kompetenzen und Bildungsabschlüssen Personen benachteiligt, die männlich sind, einen Migrationshintergrund haben und aus einer niedrigen sozialen Herkunftsschicht stammen.“ (Gross & Gottburgsen 2013, 189)

Um die Zugehörigkeit zur Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund bestimmen zu können, ist es relevant, neben der eigenen Herkunft auch die Herkunft der Eltern zu berücksichtigen. So gilt, wie in Kapitel 2.1. ausführlich aufgeführt, ein in Deutschland geborenes Kind unter anderem dann als solches mit Migrationshintergrund, wenn mindestens

80

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

ein Elternteil in einem anderen Land geboren wurde. Ist die Person selbst nicht in Deutschland geboren, sondern aus ihrer Heimat migriert, besitzt sie ebenfalls einen Migrationshintergrund. Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration geht in einer Expertise (2016) der Frage nach, wie Migrationshintergrund und soziale Herkunft mit dem Bildungserfolg zusammenhängen. Hierzu wurden 53 Studien berücksichtigt, wovon drei zur genaueren Analyse herangezogen wurden: „Im Hinblick auf mathematische Vorläuferfähigkeiten verweisen die einbezogenen Studien vor allem auf einen Zusammenhang mit dem sozialen Hintergrund: Kinder aus Familien mit einem höheren sozioökonomischen Status und Kinder aus Familien mit einem höheren kulturellen Kapital (Bildungsabschluss der Eltern, kulturelle Güter) haben höhere Kompetenzwerte“ (Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2016, 18).

Der Expertise zufolge geht die Migration mit dem Verlust struktureller Ressourcen einher: Zuwanderer und somit auch Asylsuchende haben meist geringere Einkommen, da Bildungsabschlüsse nicht anerkannt und gering entlohnte Arbeiten angenommen werden. Eltern können die eigenen Bildungserfahrungen zudem nicht oder nur teilweise auf das unbekannte Bildungssystem übertragen. Daraus ergeben sich Unterschiede hinsichtlich der Zugänge zu Bildung und dem resultierenden Bildungserfolg im Vergleich zu Familien ohne Migrationserfahrungen, die mit dem Bildungssystem vertraut sind und bezüglich der strukturellen Ressourcen seltener eingeschränkt sind. Die zuvor beschriebenen Faktoren stellen für sich betrachtet keine ausreichende Erklärungsebene für die Bildungsdisparitäten dar. Zur Beschreibung möglicher soziokultureller Einflussfaktoren auf äußerer Ebene, die durch das Lebensumfeld jedes einzelnen bestimmt sind, lassen sich anhand der zuvor beschriebenen Aspekte folgende Teilbereiche zusammenfassen: •

sozioökonomische Rahmenbedingungen o Lebensumfeld

o o •



Familienkonstellation



Geschwisterkonstellation

schulische Bildung der Eltern Beruf der Eltern

Bildungsbiografie o Frühe Bildung o schulische Bildung o Berufliche Bildung o Bildung in Deutschland ▪

Spracherwerb



Unterstützungsangebote (Nachhilfe, Förderkurse u.ä.)

81

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz



Herkunft & Migration(shintergrund) o Herkunft o Herkunft der Eltern o (Flucht-)Migration (Beginn; Dauer; Ankunft) Neben den sozioökonomischen, bildungsbiografischen und familiären Rahmenbedingungen findet sich zur Erklärung der Bildungsdisparitäten von Jugendlichen mit Migrationshintergrund wiederholt der Aspekt der sprachlichen Fähigkeiten im Fokus der Betrachtung. So führen Gross

und

Gottburgsen

(2013)

an,

dass

sich

gegenseitig

bedingende

Verständnisschwierigkeiten, die besonders im Fachunterricht auftreten, auf den negativen Einfluss fehlender oder mangelnder Sprachfähigkeiten der Unterrichtssprache zurückführen lassen. Das Maß in dem Schüler die Sprache sprechen, in der der Unterricht stattfindet, scheint somit vielfältige Einflüsse auf den Kompetenzerwerb zu haben. Die Relevanz der Sprachkompetenz

gegenüber

den

Familienhintergründen

(Migrationshintergrund,

sozioökonomischer Status, Mehrsprachigkeit) zeigen Gürsoy et al. (2013) bei der Betrachtung sprachlicher und konzeptioneller Hürden in Prüfungsaufgaben zur Mathematik mit 67 Erweiterungs-Kursen an 19 Gesamtschulen. Im Folgenden wird daher der Zusammenhang zwischen dem Erwerb mathematischer Kompetenzen und den sprachlichen Fähigkeiten unter besonderer Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit genauer betrachtet. Hierzu werden die verschiedenen Funktionen von Sprache im Unterricht genauer beschrieben und die Relevanz der Sprache für den Erwerb mathematischer Kompetenzen skizziert. Thematisiert wird an dieser Stelle auch inwiefern Sprache, besonders im Rahmen des Zweitspracherwerbs, zwar eine Lernvoraussetzung ist, aber dennoch zur Lernhürde werden kann. Die Lernsituation, in der sich die Asylsuchenden besonders hinsichtlich der sprachlichen Fähigkeiten im Rahmen des Fachunterrichts befinden, stellt eine besondere Herausforderung dar.

3.3.2 Mathematische Kompetenz und Sprache(n) „Die Sprache des Menschen hat zumindest eine doppelte Funktion: eine kommunikative und eine kognitive Funktion. […] Beide Funktionen hängen, wie an der Verwendung der Sprache in der Mathematik deutlich zu sehen ist, eng miteinander zusammen“ (Maier & Schweiger 1999, 11).

Äußerungen und somit Sprache dienen in der Mathematik dem Austausch von mathematischen Inhalten. Sprache und somit auch sprachliche Äußerungen haben neben der kommunikativen jedoch auch eine kognitive Funktion, die zum Erkenntnisgewinn benötigt wird. Neben der verbalen und geschriebenen Sprache werden Informationen in Mathematik durch

82

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

Symbole ausgedrückt. Die sprachliche Gestalt der Mathematik zeigt sich in vielen (Darstellungs)Formen,

wie

mathematischen

Aussagen,

mathematischen

Begriffe,

mathematischen Sätzen, Beweisen, Fachausdrücken und fachlichen Symbolen. Ein hoher Anteil an Sprache findet sich wie in Abschnitt 3.1 dargestellt, auch in den mathematischen Kompetenzen, besonders im Teilbereich der allgemeinmathematischen Kompetenzen (s. Abschnitt 3.1.3.) Diejenige Sprache, die in Bildungskontexten zum Erwerb und zur Weitergabe von Wissen gesprochen wird, wird als Bildungssprache bezeichnet. „Sie zeichnet sich gegenüber dem alltäglichen Sprachgebrauch durch spezifische Merkmale in den Bereichen Wortschatz, Grammatik und Textorganisation aus“ (Heppt et al. 2012, 351). Der Erwerb mathematischer Kompetenzen wird durch Sprache auf vielfältige Weise beeinflusst. Prediger (2013) fasst hierbei drei zentrale Funktionen zusammen, die Sprache im Mathematikunterricht einnimmt: •

Lerngegenstand



Lernmedium



Lernvoraussetzung

Sprache ist somit Mittel zur Auseinandersetzung mit mathematischen Aufgaben durch den Schüler. Durch sprachliche Modelle dient sie jedoch auch der Vermittlung seitens der Lehrkraft. Hierbei wird Sprache in Form der Bildungssprache verwendet. Damit wird diejenige Sprache bezeichnet, die in Bildungskontexten zum Erwerb und zur Weitergabe von Wissen gesprochen wird. „Sie zeichnet sich gegenüber dem alltäglichen Sprachgebrauch durch spezifische Merkmale in den Bereichen Wortschatz, Grammatik und Textorganisation aus“ (Weinert et al. 2012, 351).

Mathelernen ohne Sprache? – Einflüsse von Sprache auf den Erwerb mathematischer Kompetenzen „Dieser [der Mathematikunterricht] lässt sich als durch einen mathematischen Inhalt geprägter sozialer Kontext verstehen, in dem die Bedeutung von sprachlichen Fähigkeiten und kommunikativer Kompetenz nicht unterschätzt werden darf. Sprachliche Kompetenzen beeinflussen demnach nicht nur den Schriftspracherwerb, sondern auch den Aufbau mathematischer Fertigkeiten [mathematischer Kompetenzen]“ (Schneider et al. 2013, 96).

Während der Erwerb grundlegender Vorläuferfähigkeiten wie Zählen, Klassifizieren, Erkennen und Herstellen von räumlichen Mustern Kindern ohne gezielte Instruktion möglich zu sein scheint, erfordert das Erlernen der Kulturtechnik des Rechnens offenbar eine geplante Instruktion (Maier & Schweiger 1999). So ist es relevant, wie Sprache als Medium im Mathematikunterricht eingesetzt, auf welche Formen von Sprache zurückgegriffen, also ob Alltags- oder Fachsprache genutzt wird, um mathematische Inhalte zu ermitteln.

83

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Doch in wieweit trägt Sprache zum Wissenserwerb bei? Einerseits ist Sprache besonders beim Erlernen mathematischer Begriffe relevant. Diese Begriffe, die im folgenden Abschnitt unter Fachsprache ausgeführt werden, gilt es mit Bedeutung zu füllen und diese im mentalen Lexikon mit dem bereits vorhandenen Wortschatz zu verknüpfen. Neue Wörter müssen mit Inhalten angereichert und im Langzeitgedächtnis in Form von semantischen Netzwerken zum Aufbau gefestigten Wissens gespeichert werden (vgl. Heinzl & Seibt 2014, 9). Heinzl und Seibt untersuchten in einer Studie Zusammenhänge zwischen semantisch-lexikalischen Fähigkeiten und mathematischen Kompetenzen und belegen einen „für die Rechenleistungen […] deutlichen Einfluss der expressiven semantisch-lexikalischen Fähigkeiten“ (Heinzl & Seibt 2014, 18). Die Rolle von Kenntnissen der Fachbegriffe und Fachsprache untersuchten Heinze et al. 2011 und stellen dar, dass „adäquate Fähigkeiten in der Unterrichtssprache eine notwendige

Voraussetzung

für

das

Erlernen

eines

spezifischen

mathematischen

Begriffssystems sind“ (Heinze et al. 2011, 24). Andererseits ist die sprachliche Kommunikation für den Aufbau theoretischen Wissens relevant. Hierfür muss die Lehrkraft passende Aufgaben auswählen, die die Schüler zum manuellen, zeichnerischen und mentalen Handeln anregen und das Entdecken relevanter Beziehungen und Strukturen zulassen. Darüber hinaus ist es wichtig, intensive sprachliche Kommunikationssituationen zu kreieren, an der die Schüler aktiv beteiligt sind. „Für die Schüler ist die von ihnen zu verlangende sprachliche Explikation – das Sprechen über ihre Beobachtungen, Einsichten und Erkenntnisse – ein wichtiger Impuls, über die Beziehungen bzw. Strukturen zu reflektieren. […] Die Sprache dient aber auch dazu, relevante Begriffsmerkmale in einer Definition festzuhalten […] und Verfahrensschritte genau zu beschreiben. Schließlich kann sie als Hilfe bei der Strukturierung der Modellsituation, die gewünschten Prozesse der Abstraktion und Generalisierung fördern“ (Maier & Schweiger 1999, 83).

Sprache trägt somit zum Wissenserwerb anhand konkreter Handlungserfahrungen bei. Das Versprachlichen eines Sachverhaltes trägt dazu bei, dass der Sprecher einen Zuwachs an Verständnis und Bewusstheit für den mathematischen Sachverhalt erwirbt (Schipper 2009). Doch nicht alle mathematischen Inhalte lassen sich anhand konkreter Erfahrungen und bildhafter Modelle erlernen. In diesem Fall beruht die Wissensvermittlung auf sprachlichen Darstellungen wie bspw. Begriffsbedeutungen. Sprache erhält damit die Funktion der verbalen Vermittlung begriffsrelevanter Erfahrungen. Dies wird nach Krauthausen und Scherer auch als kognitive Funktion von Sprache bezeichnet, die dem Erkenntnisgewinn dient (Krauthausen & Scherer 2007). Hierbei kann eine bloße Erklärung, Definition oder sprachliche Darstellung jedoch nicht ausreichen, da diese von den Schülern interpretiert und an bereits vorhandenes Wissen angeknüpft werden muss. Die Versprachlichung mathematischer Inhalte stellt vielmehr

84

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

eine Verbindung zwischen Vorwissen und konkreter Handlung bzw. mentaler Vorstellung hin zum Ziel des Aufbaus von Verständnis dar. Weiterhin kann durch die sprachliche Darstellung des mathematischen Wissens ein Austausch über die Inhalte stattfinden. Zunächst findet Sprache Verwendung indem sich die Schüler Aufgaben innerlich vorsprechen. Diese Funktion wird als „inner speech“ bezeichnet (Krauthausen & Scherer 2007). Anschließend kann anhand einzelner Aufgaben argumentiert und kommuniziert werden. Die „Reflexion über den eigenen Weg durch Versprachlichung ist geeignet, sich der Struktur […] der [mathematischen] Handlung bewusster zu werden“ (Schipper 2009, 291). Daneben kann die Darstellung eines Schülers wiederum für andere Schüler von Nutzen sein. Anhand solcher Erklärungen kann bereits erworbenes Wissen vertieft, gefestigt und kontrolliert werden. Indem Schüler ihr Wissen in eigene Worte fassen, bedienen sie sich eigener Sprachmittel und finden eigene Formulierungen. Winter untersucht anhand

unterschiedlicher

Beispiele

von

Kommunikation

im

Mathematikunterricht

exemplarisch, wie durch Verständigung über Mathematik ein Zugang zum Verständnis von Mathematik ermöglicht wird und führt dazu einige Aspekte auf (Winter 2002, 4). So trägt die Möglichkeit, eigene Gedankengänge zu versprachlichen wesentlich zum Aufbau von Verständnis bei. Der Reflexion der eigenen Tätigkeit misst auch Winter Bedeutung bei, da diese nicht nur Ansatzpunkte für Gespräche mit anderen bietet, sondern auch dazu beiträgt, das Verständnis zu vertiefen und zu erweitern. Durch die Auseinandersetzung mit Begriffen, Vorstellungen und Erwartungen können diese geklärt und Unklarheiten beseitigt werden. Auch Schröder und Ritterfeld führen im Rahmen der Vermittlungsfunktion von Sprache auf, dass „eigene mentale Konstruktionen über mathematische Begriffe, erst in der sprachlichen Interaktion gebildet und vermittelt werden können“ (Schröder & Ritterfeld 2014, 53). Neben der Vermittlungsfunktion kann Sprache noch die Funktion des Erwerbs von Bildungsinhalten ausüben. Auch aus neurologischer Sicht, die hier nur kurz angerissen werden soll, wird der Einfluss von Sprache beim Erlernen von Mathematik untersucht. Anhand verschiedener Studien u.a. von Dehaene und Cohen (1995) sowie Lemer et al. (2003) wird auf neuroanatomischer Ebene ein Zusammenhang zwischen verbalem Zählen und mathematischen Fähigkeiten nahegelegt. Sprache beeinflusst den Erwerb mathematischer Kompetenzen somit auf vielfältige Weise, wie beispielsweise durch die aktive Nutzung von Sprache als Mittel zur Auseinandersetzung mit mathematischen Aufgaben durch den Schüler oder die Verwendung sprachlicher Modelle seitens der Lehrkraft.

Alltagssprache, Fachsprache, Bildungssprache „Sprache kann in mündlicher und schriftlicher Form, als Alltagssprache, Unterrichtssprache oder Fachsprache in Erscheinung treten. Zudem muss Sprache nicht unbedingt durch

85

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Worte geäußert (verbalisiert) werden; sie kann vielmehr auch nonverbal, bildlich oder symbolhaft erfolgen. ‚Die‘ Sprache im Fachunterricht gibt es somit nicht“ (Leisen 2010, 46).

Sprache kann verschiedene Formen annehmen und zeigt sich sowohl im Unterricht der allgemeinbildenden als auch im Unterricht der Förderschulen in vielfältigen Situationen. Neben den drei im Folgenden aufgeführten Formen von Sprache (Alltags-, Unterrichts- und Fachsprache) nennt Leisen noch Merkmale wie symbolische und mathematische Sprache, Bildsprache und Bildungssprache (Leisen 2010). Alltagssprache bezieht sich auf alltägliche Erfahrungen und dient zur Einführung der fachlichen Fragestellung. Spreer führt hierbei sprachliche Fähigkeiten auf, die die Schüler aus der alltäglichen Kommunikation kennen. Durch die Verwendung von Alltagssprache ist es möglich, einen Bezug zur Lebenswelt der Schüler herzustellen. Fachsprache, die demgegenüber eine hohe Konzentration an Fachbegriffen beinhaltet, ist weniger kontextgebunden und reicht über die Alltagskommunikation hinaus (Spreer 2014). Um fachsprachliche Äußerungen zu verstehen, benötigen Schüler Wissen über fachliche Inhalte und Begriffe. Unterrichtssprache umfasst nach Leisen (2010), je nach Unterrichtsfach, unterschiedliche Merkmale, wie Darstellungsform und Abstraktionsgrad. Zur Unterrichtssprache zählen auch Tafelbilder und Lehrbücher, die auf Sprache in geschriebener und symbolischer Form basieren (Leisen 2010). Während Leisen die Merkmale der Sprache weiter ausdifferenziert, kontrastiert Spreer die Termini Basic Interpersonal Communicative Skills (BICS) und Cognitive Academic Language Proficiency (CALP), die Cummins 1979 einführte. CALP umfasst hierbei die von Leisen aufgeführten Bezeichnungen der Bildungs- und Unterrichtssprache (Spreer 2014). Das Beherrschen von Alltagssprache ist nach Spreer (2014) Voraussetzung für das Verstehen und Verwenden von Bildungssprache. Fach- und Unterrichtssprache stellen hierbei fachbezogene Teilbereiche der Bildungssprache dar. Werner (2009) merkt bei der Betrachtung der verschiedenen Sprachformen an, dass „die Übergänge von Alltagssprache zur Fachsprache fließend [sind]“ (Werner 2009, 64). Der Begriff der Bildungssprache blickt auf eine lange Begriffshistorie zurück (zsf. Berendes et al. 2013). Nach Gogolin (2008) lässt sich Bildungssprache wie folgt definieren: „Bildungssprache ist dasjenige Register, dessen Beherrschung den „erfolgreichen Schüler“ auszeichnet. Es unterscheidet sich von der „Umgangssprache“ durch Verwendung fachlicher Terminologie und die Orientierung an syntaktischen Strukturen, Argumentationsund Textkompositionsregeln, wie sie für schriftlichen Sprachgebrauch gelten“ (Gogolin 2008, 26).

86

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

Beim Versuch der Abgrenzung zwischen Alltags- und Bildungssprache zeigt sich, dass diese relevante Kategorien innerhalb eines Kontinuums darstellen. Alltagssprache gilt als kognitiv und sprachlich einfach sowie kontextgebunden. Bildungssprache zeichnet sich durch eine hohe sprachliche und kognitive Komplexität aus, die sich durch einen spezifischen Wortschatz und komplexere syntaktische Strukturen hervorhebt. Darüber hinaus ist Bildungssprache vorwiegend kontextungebunden (Berendes et al. 2013). Die Fachsprache resp. fachliche Ausdrücke sind durch Fachwörter gekennzeichnet und weisen eine eigene Syntax und Semantik auf. Hinter dem Begriff der Fachwörter verbirgt sich nach Maier und Schweiger (1999, 29) folgendes: 1. Wörter, die im alltäglichen Sprachgebrauch nicht verwendet werden, wie beispielsweise addieren oder Parallelogramm, 2. Wörter, die in der Alltagssprache die gleiche oder eine ähnliche Bedeutung haben, wie Dreieck und Quadrat, 3. Wörter, die in alltäglicher Sprache eine andere Bedeutung tragen als im mathematischen Zusammenhängen, wie Produkt, Scheitel oder spiegeln. Bei diesen Fachbegriffen handelt es sich um solche mit doppelter Bedeutung (Polysemien 7).

Der Fachwortschatz setzt sich aus Substantiven, Adjektiven, Verben, Zahlwörtern und Ausdrücken

für

Beziehungen

zusammen.

Substantive

dienen

der

Bezeichnung

mathematischer Objekte, wie zum Beispiel Summe, Körper und Kreis. Die Beschreibung der Eigenschaften mathematischer Objekte erfolgt anhand von Adjektiven wie rechtwinklig, parallel und ungerade. Mathematische Handlungen werden durch Verben wie subtrahieren und spiegeln ausgedrückt. Zahlwörter umfassen Grundzahlwörter und davon abgeleitete Bildungen. Mit Hilfe von Worten wie gleich, kleiner, teilbar, parallel u.v.m. werden Beziehungen zwischen mathematischen Objekten ausgedrückt. In der Kommunikation und Argumentation finden Konjunktionen Verwendung, die jedoch ebenso in anderen Situationen genutzt werden, in denen argumentiert, diskutiert oder begründet wird (Maier & Schweiger 1999). Durch die aufgeführten Begriffe wird das Wissen über Objekte, Beziehungen, Operationen und Strukturen vernetzt.

Sprache als Lernvoraussetzung und -hindernis Im (Mathematik)Unterricht der Lernenden, deren Erstsprache nicht die Unterrichtssprache ist, müssen Meyer et al. (2016) zufolge die sprachlichen Dimensionen gezielt berücksichtigt werden. Mittels des Modells der Sprachregister beschreiben Prediger et al. (2016) verschiedene Repräsentationsebenen für den Mathematikunterricht im Kontext der Sprachvielfalt. Hiernach werden drei verschiedene Register definiert: alltagssprachliches

7 „Von

Polysemie spricht man allgemein, wenn ein Ausdruck mehrere, miteinander verknüpfte Verwendungsweisen hat.“ (Bons 2009, 1)

87

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Register, bildungssprachliches Register und fachsprachliches Register. Lerninhalte lassen sich nach diesem Modell innerhalb jedes Registers hinsichtlich vier verschiedener Darstellungsregister betrachten: Verbalsprachliches Register, bildliches Register, symbolischnumerisches Register und symbolisch-algebraisches Register. Mittels dieses Modells lassen sich die sprachlichen Anforderungen von (Mathematik-)Aufgaben genauer betrachten und einordnen. „Gerade durch die wichtige Rolle der Sprache als Lernmedium ist die Beherrschung der Unterrichtssprache immer auch schon Lernvoraussetzung, um sich angemessen beteiligen zu können“ (Prediger 2013, 168).

Die Beherrschung von Sprache stellt somit eine Voraussetzung zur Teilhabe an Lerngelegenheiten dar. Sowohl im Unterrichtsgespräch als auch beim Lesen von Textaufgaben zeigen sich die sprachlichen Anforderungen, die für Schüler schnell zum Hindernis werden können. Fachliche Inhalte können somit nicht bloß aufgrund fehlenden Fachwissens, sondern auch aus sprachlichen Gründen nicht verstanden werden. Können mathematische Fähigkeiten aufgrund sprachlicher Anforderungen nicht gezeigt werden, handelt es sich nach Prediger (2013) um ein Performanz-Problem. In Textaufgaben können sich sprachliche Formulierungen als problematisch erweisen, die das Verstehen der Aufgabenstellung verhindern. Im Detail ergeben sich innerhalb der einzelnen Unterrichtsfächer spezifische sprachliche Hindernisse. So beispielsweise die Speicherung großer Zahlen im Mathematikunterricht, da eine Zahl wie ‚Vierhundertsiebenundneunzigtausendachthundertdreiundzwanzig‘ nur im Gesamten exakt erfasst werden kann (Lorenz 2010). Andere Lernsituationen wie beispielsweise Unterrichtsgespräche können sich hingegen sowohl im Sprachverständnis als auch in der Sprachproduktion als schwierig erweisen. „Wer sich an der unterrichtlichen Kommunikation nicht angemessen beteiligen kann, erhält nur eingeschränkten Zugang zum Unterrichtsgeschehen […], ebenso wer Erklärungen der Lehrkraft oder Schulbucherläuterungen nicht versteht. […] In beiden Fällen erzeugen sprachlich eingeschränkte Lernvoraussetzungen Hürden beim Aufbau (mathematischer) Kompetenzen und Vorstellungen“ (Prediger 2013, 169).

Sprache kann beim Erwerb mathematischer Kompetenzen in unterschiedlichen Formen in Erscheinung treten. Die vermeintliche Vorstellung, Mathematik sei ein spracharmes Fach, kann als unzutreffend angesehen werden. Sprache beeinflusst, wie aufgezeigt, das Erlernen von mathematischen Inhalten. Doch im Mathematikunterricht gibt es nicht die eine Sprache, sondern viele verschiedene Formen von Sprachen (Meyer & Prediger 2012). „Gerade im Mathematikunterricht ist die Anforderung, sprachlich exakt und präzise zu formulieren, höher als in anderen Unterrichtsfächern“ (Werner 2009, 63). Verschiedene Disziplinen wie die Mathematikdidaktik, Psychologie und Pädagogik gehen von Zusammenhängen zwischen

88

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

sprachlichen Anforderungen und mathematischem Lernen aus. Einstimmig wird hierbei die Annahme

vertreten,

Sprache

im

Mathematikunterricht

sei

von

Fachsprache

und

Bildungssprache geprägt, weniger von Alltagssprache. Die sprachliche Gestalt der Mathematik lässt sich wiederum aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Nach Lorenz (2005) ist Mathematik als eine, bzw. sogar die erste, schulische Fremdsprache zu sehen. Die zu erlernenden Begriffe, die bis zu 500 Fachbegriffe während der ersten vier Schuljahre umfassen, verdeutlicht die Betrachtung von Mathematik als erste Fremdsprache (Lorenz 2010, 59). Die mathematische Fachsprache erlernen Schüler jedoch nicht durch passives Zuhören, vielmehr ist die aktive Auseinandersetzung mit selbiger notwendig: „Der korrekte Gebrauch der Terminologie ist eine natürliche Folge von Verstehen und nicht umgekehrt. Fachsprache kann und darf also nicht lediglich mitgeteilt werden, ohne zuvor eigene

Erfahrungsbezüge

in

bedeutungshaltigen

Kontexten

zu

ermöglichen.“

(Krauthausen & Scherer 2007, 1028)

Ebenso wie beim Erwerb einer Fremdsprache sollten die Kinder die zu erlernende Sprache möglichst häufig im alltäglichen Sprachgebrauch verwenden. Im Mathematikunterricht empfehlen Krauthausen und Scherer, die mathematischen Aktivitäten sprachlich zu begleiten. Bei Lösungen von Aufgaben können die Schüler, im optimalen Fall aus eigenem Antrieb, ihr Vorgehen erläutern, begründen oder kommunizieren. Doch diese Versprachlichung hat keineswegs den Anspruch, ausschließlich Fachbegriffe zu beinhalten. Vielmehr stellt die Alltagssprache einen ersten Zugang zu mathematischen Inhalten dar. Durch die Verwendung von Alltagssprache, die nach Krauthausen und Scherer auch als Sprache des Verstehens und Verständnisses betrachtet wird, erfolgt die Verknüpfung des neuen Wissens mit bereits vorhandenem. Somit besteht zwischen der Verwendung von Alltags- und Fachsprache eine Wechselwirkung. Im Gespräch über mathematische Inhalte wird somit eine Sprache sowohl alltags- als auch fachsprachlich verwendet, die von den Schülern erst erlernt werden muss. Denn neben der Fachsprache als solcher ist die Verwendung von Alltagssprache zur Darstellung, Argumentation und Kommunikation mathematischen Wissens eine Kompetenz, die vom alltäglichen Sprachgebrauch abweicht. In dieser Weise lässt sich Mathematik, wie nach Lorenz bereits formuliert, als erste schulische Fremdsprache sehen. Neben der Darstellung mathematischer Begriffe anhand von Alltags- bzw. Fachsprache und der Strukturierung anhand verschiedener Wortgruppen, lässt sich Mathematik als Fachsprache durch die Gruppierung in Lernbereiche einteilen. Nach Werner (2009) lassen sich hierbei die fünf Formen unterschieden: arithmetische, algebraische, geometrische, stochastische Begriffe und die Begriffe der Analysis. Weiterhin bilden die Kenntnis von Regeln und Sätzen, wie dem Einmaleins oder Vorzeichenregeln, und die Kenntnis von Verfahren, wie dem schriftlichen Addieren oder Subtrahieren, weitere Lerninhalte.

89

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Lernen im Mathematikunterricht nicht ohne Sprache auskommt. Dies findet sich auch in den Bildungsstandards im Fach Mathematik wieder. Innerhalb der allgemeinmathematischen Kompetenzen Argumentieren, Kommunizieren, Darstellen und Modellieren ist Sprache, sowohl als Fachsprache als auch als Medium, von Relevanz und somit als verbindlicher Lerninhalt verankert. Besonders in den letzten Jahren befasst sich die Forschung gehäuft mit der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Sprache und Mathematik, sowohl im monolingualen als auch im mehrsprachigen sowie im kulturübergreifenden Bereich. Zahlreiche Publikationen beschreiben den Zusammenhang zwischen Sprache und dem Erwerb mathematischer Kompetenzen (u.a. Freudenthal 1983; Maier & Schweiger 1999; Krummheuer 1994; Steinbring 2000; Bills 2002; Krauthausen & Scherer 2007; Schütte 2009; Heinze et al. 2011; Nolte 2016). Spezifische Befunde zu verschiedenen

Bereichen

hinsichtlich

der

Differenzlinien

wie

sonderpädagogischer

Förderbedarf (mit dem Schwerpunkt der Benachteiligtenförderung), Mehrsprachigkeit und Migrationshintergrund werden im Folgenden näher betrachtet. Nachgewiesen wurde der enge Zusammenhang zwischen Sprache und mathematischer Kompetenz für die phonologische Verarbeitung und Arbeitsgedächtnisfunktionen (u.a. Michalczyk et al. 2013; Krajewski et al. 2008). In der Berliner Längsschnittstudie BeLesen (Schründer-Lenzen & Merkens 2006) wurde ein signifikanter Einfluss des sprachlichen Eingangsniveaus, im Sinne der allgemeinen mündlichen Sprachfähigkeit, auf die Mathematikleistung nachgewiesen. Heppt et al. gingen im Projekt ‚Bildungssprachliche Kompetenzen (BiSpra): Anforderungen, Sprachverarbeitung und Diagnostik‘ der Frage nach, ob die Bearbeitung bildungssprachlich anspruchsvoller Texte für Schüler mit nicht-deutscher Familiensprache eine besondere Herausforderung darstellt. Hierbei gaben die Ergebnisse deutliche Hinweise darauf, „dass dem bildungssprachlichen Wortschatz ein besonderes Gewicht [besonders bei Schwierigkeiten im Verständnis der Bildungssprache] zu [kommt]“ (Heppt et al. 2014, 147). Die skizzierten Befunde verdeutlichen den Fokus der Forschung auf Interdependenzen zwischen Mathematik und Sprache. Besonders für Schüler, die die Unterrichtssprache erst erwerben, wie es beim Spracherwerb der Asylsuchenden der Fall ist, nimmt Sprache eine besondere Rolle im Sinne eines doppelten Lerngegenstandes ein.

Mono-, bi- oder multilingual? – Begriffsklärung Mehrsprachigkeit Die Asylsuchenden bringen aus ihrer Heimat ein Repertoire an sprachlichen Fähigkeiten in einer und zum Teil mehreren Sprachen mit, haben während der Flucht Zugang zu weiteren Sprachen der Transitländer und beginnen bei ihrer Ankunft in Deutschland die deutsche Sprache zu erlernen. Bei der Betrachtung des Einflusses sprachlicher Fähigkeiten beim

90

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

Erwerb mathematischer Kompetenzen ist der Begriff der Mehrsprachigkeit somit von zentraler Bedeutung. Grundlegend kann Mehrsprachigkeit folgendermaßen definiert werden kann: „Der Begriff ‚Mehrsprachigkeit‘ schließt auch automatisch den Begriff ‚Zweisprachigkeit' bzw. ‚Bilingualität‘ mit ein und wird in der deutschsprachigen Forschung häufig synonym mit diesem Begriff verwendet. Die erlernten Sprachen bezeichnet man dabei in der Regel nach der Reihenfolge ihres Erwerbs als Erstsprache (= L1), Zweitsprache (= L2) und Drittsprache (= L3) usw.“ (Riehl 2014, 9)

Zur Klärung des Begriffs Mehrsprachigkeit muss beachtet werden, dass zur differenzierten Betrachtung unterschiedliche Definitionen vorliegen, die durch den jeweiligen Fokus charakterisiert sind: •

Zeitpunkt des Erwerbsbeginns



Relevanz der Sprachen im Alltag



Niveau der Sprachbeherrschung

Das Institut für Mehrsprachigkeit der Universität Koblenz (2018) führt anhand des Zeitpunktes des Spracherwerbs auf, dass als mehrsprachig diejenigen gelten, die: •

von Geburt an mit mehreren Sprachen in Kontakt kommen und sie gleichzeitig erwerben (simultane Mehrsprachigkeit)



zuerst mit einer Sprache aufwachsen und mit zusätzlichen Sprachen in der Kindheit in Berührung kommen (sukzessive Mehrsprachigkeit)



als Jugendliche oder Erwachsene weitere Sprachen erlernen

Bei genauerer Betrachtung der Mehrsprachigkeit weist der fachliche Diskurs eine Vielzahl von Begriffen auf, wie Ein-, Zwei- oder Mehrsprachigkeit (mono, bi- bzw. multilingual), aber auch die Begriffe zur Bezeichnung der Sprachen, wie u.a. Erst-, Mutter-, Zweit-, oder Mehrheitensprache. Tracy (2014) zufolge ist es aus sprachwissenschaftlicher Sicht nicht möglich, Ein-, Zwei- oder Mehrsprachigkeit trennscharf voneinander abzugrenzen. Selbst Kinder, die von Geburt an bspw. die deutsche Sprache erwerben, entwickeln ein Spektrum an informellen und formalen Stilen, wie dialektal geprägte Formen der Umgangssprache, aber auch standard-, bildungs- und fachsprachliche Register. Schätz (2017) beschreibt das Begriffspaar Erst- und Zweitsprache näher: „Erstsprache, oder auch Muttersprache, ist demnach die Sprache, die eine Person von Geburt an erwirbt (Ahrenholz, 2014a). […] Der Erstspracherwerb erfolgt in der Regel zunächst vor allem im Rahmen der Familie und ist daher die gleiche Sprache, die die Hauptbezugspersonen des Kindes sprechen“ (Schätz 2017, 42).

Sowohl Schätz (2017) als auch Tracy (2014) führen auf, dass sich der Erstspracherwerb nicht auf eine Sprache begrenzt. Bereits hier zeigt sich die Möglichkeit der Mehrsprachigkeit, wenn Kinder nämlich von Geburt an zwei Sprachen erwerben. In diesem Fall – überwiegend, wenn die Bezugspersonen verschiedene Sprachen mit dem Kind sprechen – spricht man vom

91

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Erwerb

zweier

Erstsprachen.

Tracy

bezeichnet

dies

als

doppelten,

simultanen

Erstspracheerwerb. Wird eine weitere Sprache erst zu einem späteren Zeitpunkt erworben, spricht man, so Schätz, von der Zweitsprache. Nach Tracy (2014) gilt anhand der Relevanz der Sprache im Alltag als mehrsprachig, „wer regelmäßig mehr als eine Sprache verwendet und in der Lage ist, in allen seinen Sprachen Alltagsgespräche zu führen“ (Tracy 2014, 17). Somit dürfen sich auch all jene als mehrsprachig bezeichnen, die erst im Laufe ihres Lebens eine weitere Sprache erwerben. Zur genaueren Beschreibung der vorliegenden Form der Zweisprachigkeit werden anhand des Niveaus der Sprachbeherrschung folgende Unterformen differenziert (Schätz 2017, 42): •

balancierte Zweisprachigkeit, wenn beide Sprachen auf hohem Niveau beherrscht werden



dominante Sprache, wenn eine Sprache häufiger und kompetenter genutzt wird als



Semilingualismus, wenn keine der beiden Sprachen in allen Lebensbereichen

die zweite Sprache kompetent verwendet werden kann. Eine Sprache wird zum Beispiel innerhalb der Familie, also im persönlichen Umfeld, genutzt und die andere Sprache in der Schule.

Neben den Begriffen der Erst- und Zweitsprache werden im Folgenden auch die Begriffe der Herkunfts- und Verkehrssprache (als Sprache des Aufnahmelandes) verwendet. Die Herkunftssprache bezieht sich hierbei auf die im Heimatland erworbenen Sprachen (familiär, wie schulisch).

Mehrsprachigkeit und mathematische Kompetenz Im Kontext des Erwerbs mathematischer Kompetenzen von Asylsuchenden liegen verschiedene Formen von Ein- und Mehrsprachigkeit vor. Baumann und Riedl (2015) zeigen, im Rahmen ihrer Befragung von neu zugewanderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen an Berufsschulen, eine Vielfalt verschiedener Muttersprachen. Trotz zum Teil gleichem Herkunftsland unterscheiden sich die angegebenen Muttersprachen. Während Teilnehmer aus Afghanistan Dari, Farsi und Paschto angeben, stammen die Teilnehmer mit kurdischer Herkunftssprache aus Armenien, dem Irak und Syrien. Kurdisch stellt, so Baumann und Riedl (2015) eine landesübergreifende Sprache dar, die jedoch nicht die Amts- oder am häufigsten gesprochene Sprache ist. Darüber hinaus unterscheidet sich die in der Schule gesprochene Sprache in einigen Ländern von der im häuslichen Umfeld gesprochenen Sprache. Bei mehrsprachigen Lernenden zeigen sich verschiedene Formen des Wechsels zwischen den Sprachen. Dirim und Auer führen hierbei die Varianten des ‚code switching‘ (i.w.S. Mischung der Sprachen je Satz bzw. Wort) und des ‚code mixing‘ (i.w.S. Mischung der Sprachen innerhalb der Worte) auf.

92

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

„Der Begriff des Code-Switching ist für die im Einzelfall (lokal) interpretierbare Verwendung des Wechsels von einer in die andere Sprache reserviert, während beim Code-Mixing die einzelnen Alternanzen unauffällig bleiben“ (Dirim & Auer 2004, 158).

Im Internationalen Diskurs finden, so Tawakkul (2011), auch die Begriffe ‚code-alternation‘, ‚code-changing‘ and ‚language mixing‘ Verwendung. Die Sprachwechsel geschehen nicht willkürlich, sondern folgen bestimmten, meist syntaktischen, Regeln. Darüber hinaus kann zwischen äußerungsinternen und äußerungsübergreifenden Sprachwechseln unterschieden werden. Findet eine Äußerung in einer und eine weitere in einer anderen Sprache statt, spricht man, so Tawakkul (2011), vom äußerungsübergreifenden ‚code switching‘. Wird innerhalb einer Äußerung die Sprache mehrfach gewechselt, findet das äußerungsinterne ‚code switching‘ statt. Darüber hinaus wirke sich Mehrsprachigkeit förderlich auf die kognitive Entwicklung aus und ermögliche interkulturellen Dialog und kulturelle Vielfalt. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Sprachen vermischt oder getrennt voneinander verwendet werden. Vielmehr stellen sowohl das sogenannte ‚code mixing‘ als auch ‚code switching‘ (s.u.) ein Merkmal der Mehrsprachigkeit dar. Im Rahmen des Forschungsprojektes Sprachförderung im Mathematikunterricht unter Berücksichtigung der Mehrsprachigkeit (MuM-Multi) unter Leitung von Prediger, Redder und Rehbein, wurden mehrsprachige Lehr-Lernprozesse betrachtetet. Mit 128 Schülern der 7. Jahrgangsstufe mit schwachen Mathematikleistungen wurden zweisprachig türkisch-deutsche fach- und sprachintegrierte Förderungen durchgeführt (Çelikkol 2016). Anhand der qualitativen Videoanalyse konnte durch die Einblicke in die Lehr-Lernprozesse der zweisprachigen Teilnehmer die Nutzung der Mehrsprachigkeit für das fachliche Lernen betrachtet werden. Hierbei werden besonders die Wirkungen in der Entwicklung mathematischer Konzepte deutlich, die sich bei der Vernetzung und Verknüpfung der Sprachen zeigt. Der Sprachmix könne sich demzufolge positiv auf das Lernen auswirken, da auch Lücken in den schulischen Sprachkenntnissen des Türkischen durch die Sprachmischung zügig überwunden werden. Bei der Betrachtung der schulischen Leistung von Migranten im internationalen Vergleich arbeitet Stanat (2009) heraus, dass die Beherrschung der im Unterricht primär verwendeten Sprache einen wichtigen Faktor darstellt. Die Ergebnisse der Schulleistungsstudien bilden den engen Zusammenhang zwischen den Familiensprachen und dem gezeigten schulbezogenen Kompetenzniveau ab. Im Rahmen einer Untersuchung mit 259 zugewanderten und nichtzugewanderten Schülern der 9. Klasse in Schweden wird das Lösungsverhalten anhand von zwei Bruchaufgaben betrachtet (Petersson & Norén 2017). Hierbei zeigt sich, dass die Zugewanderten, je nach

93

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

Aufenthaltsdauer in Schweden, über unterschiedliche sprachliche Kompetenzen verfügen. Während die kürzlich Zugewanderten noch große Defizite im Schwedischen mitbringen, verfügen sie zum Teil jedoch bereits über vertiefte mathematische Kompetenzen. Petersson und Norén (2017) zufolge ist es somit relevant, die Gruppe der Zugewanderten differenziert zu betrachten und dabei die Dauer des Aufenthaltes und den Fortschritt des Spracherwerbs zu berücksichtigen. Kaiser und Schwarz (2009) betrachteten in einer Studie mit 20 russischsprachigen Jugendlichen

die

Zusammenhänge

zwischen

mathematischer

und

allgemeiner

Sprachkompetenz im Hinblick auf die Leistungen von Migranten. Basierend auf einer gängigen Schulbuchaufgabe im Fach Mathematik wurden die Bearbeitungsmuster der Jugendlichen mit russischer Muttersprache anhand von Sprachproben betrachtet. Zentral von Bedeutung sind hierbei einerseits die Erschließung der Texte anhand der Substantive, die Inhalte transportieren, was, so Kaiser und Schwarz, charakteristisch für die Auseinandersetzung von Mehrsprachigen mit Texten in der Zweitsprache sei. Andererseits vernachlässigen die Teilnehmer den Strukturwortschatz (u.a. Verständnis von Präpositionen) beim Bearbeiten der Textaufgaben – ebenfalls ein charakteristisches Phänomen des Zweitsprachverstehens von Mehrsprachigen. Insgesamt arbeiten Kaiser und Schwarz (2009, 69) drei unterschiedliche Ursachen für die auftretenden Probleme heraus: 1. Schwierigkeiten beim Herausbilden von theoretischen Begriffen, 2. Fehlende

mentale

Vorstellungen

von

theoretischen

Konstrukten,

wie

z.B.

Meereshöhe, 3. Schwierigkeiten mit implizit gegeben Informationen.

Eine weitere Überprüfung machte deutlich, dass die auftretenden Schwierigkeiten nicht auf der Ebene der Mathematik, sondern im Verständnis der Texte liegen: „Interessant ist dabei, dass dieselben Schülerinnen und Schüler bei mathematisch komplexeren und anspruchsvolleren kontextbezogenen Aufgaben, die ihnen auf Russisch gestellt wurden, diese Aufgaben leicht lösen konnten“ (Kaiser & Schwarz 2009, 69).

Für den Unterricht mit neu zugewanderten Schülern führen Mavruk und Schmidt (2016) diese Gedanken weiter. Aufgrund der zum Teil kurzen Dauer des Aufenthaltes in Deutschland und der Vielfalt der Herkunftssprachen ist es relevant, den Rückgriff auf die bereits vorhandenen Kompetenzen, sowohl hinsichtlich der Erstsprache als auch hinsichtlich der bereits bekannten Inhalte, zu ermöglichen. Hierzu wird die in der Forschung zum Teil stark diskutierte Interdependenzhypothese nach Cummins (1984) als theoretische Grundlegung angeführt. Die Interdependenzhypothese

versucht,

die

gegenseitige

Abhängigkeit

zwischen

den

unterschiedlichen Kenntnissen in Erstsprache (Herkunftssprache) und der Sprache der Aufnahmegesellschaft (auch Mehrheitensprache, Zweitsprache u.ä.) zu erfassen. Das Kompetenzniveau in der Zweitsprache, das vom zweisprachigen Kind erworben wird, ist

94

3.3 Erwerb mathematischer Kompetenzen – äußere Faktoren

hiernach zum Teil davon abhängig, welches Kompetenzniveau in der Erstsprache vorliegt. Zusammenfassend führt Cummins (1984) auf, dass die Erstsprache immer unterstützt werden solle, insofern man Erfolge im Erlernen einer zweiten Sprache erzielen möchte. Jütte (2016) stellt anhand vielfältiger Erfahrungen in Sprachlernklassen fest, dass einige Schüler bereits mehrsprachig seien. Deutsch stellt hierbei nicht die zweite, sondern zum Teil dritte oder vierte Sprache dar. Die besondere Herausforderung ergebe sich demzufolge daraus, dass neben dem Lehren des Deutschen als Zweitsprache das Vermitteln der Inhalte anderer Fächer samt Fachsprache, die Unterstützung der Mehrsprachigkeit, sowie ein gezieltes Methodentraining Teile der Aufgaben der Lehrkräfte seien. Beim Erwerb der deutschen Sprache als Zielsprache, sowohl als Alltags- als auch als Unterrichtssprache, gilt es daher, gleichermaßen bildungs- sowie umgangssprachliche Inhalte zu vermitteln. „Wenn im Fachunterricht auch Deutsch gelernt wird, so erfährt die deutsche Sprache einen ganz anderen Stellenwert. Die Sprache wird hier bewusst zur Vermittlung von Inhalten verwendet, ist also Mittel zum Erfolg und nicht unbedingt [Lern-]Gegenstand der Betrachtung, wie dies mitunter im Deutschunterricht der Fall ist“ (Schappert 2015, 230).

Um dieser doppelten Anforderung zu begegnen, führt Schappert (2015) das Konzept des integrierten Sach- und Sprachlernens für den Unterricht in VAB-O-Klassen an. Hiernach wird das Fachlernen mit dem Sprachlernen aktiv verknüpft, wodurch Sprache handelnd erworben werden kann. Eine besondere Stellung im Unterricht mit Asylsuchenden nimmt die Frage nach der aktiven Nutzung mehrerer Sprachen ein. Gürsoy (2010) führt auf, dass „der Nationale Integrationsplan 2007 fordert, Mehrsprachigkeit als Chance und nicht als Defizit zu betrachten. Explizit werden geeignete Maßnahmen gefordert, Mehrsprachigkeit und in diesem Zusammenhang auch Herkunftssprachen der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Schulalltag zu verankern“ (Gürsoy 2010, 1)

Zur sprachlichen Gestaltung des Unterrichts hinsichtlich der verwendeten Sprachen zeichnet sich ein breiter Diskurs ab. Im Rahmen nationaler Forschungsarbeiten dominiert die Befürwortung der Nutzung mehrsprachlicher Ressourcen. Tracy (2014) führt hierzu auf, „dass Kinder weder vom simultanen Erwerb zweier Sprachen noch vom frühen Zweitspracherwerb überfordert sind“ (Tracy 2014, 25). Eine Sprache müsse, so die Befunde der Forschung zum doppelten Erstspracherwerb, nicht bis zu einem gewissen Niveau erworben werden, bevor Kinder mit weiteren Sprachen konfrontiert werden können. Hopf (2005) führt hingegen auf, dass die Zweisprachigkeit zusätzliche Lernzeit koste, da die Lerninhalte zunächst in der Unterrichtssprache erworben werden müssen. Hierbei ist die Perspektive zu betrachten. Hopf bezieht sich bei seinen Ausführungen auf den Zweit- und nicht den Erstspracherwerb. „Was den Zeitbedarf in den Fächern betrifft, so sind unsere Kenntnisse ebenfalls lückenhaft; in diesem Bereich sind auch die Lernvoraussetzungen außerordentlich

95

3 Bildungsstandards und mathematische Kompetenz

heterogen,

nicht

zuletzt

bei

den

so

genannten

Seiteneinsteigern

(vgl.

auch

Thomas/Collier1997 und 2002)“ (Hopf 2005, 243).

Neben der zur Verfügung stehenden Lernzeit spielen, so Hopf, jedoch auch die familiären Lebensumstände, wie beispielweise die in der Familie verwendete Sprache, eine Rolle. Wird in der Familie die Herkunftssprache genutzt, dann erschwere dies das Erlernen der Verkehrssprache. Um die Leistungen der Schüler mit Migrationshintergrund in den Schulfächern zu unterstützen, so müsse „die verfügbare und die aktive Lernzeit vor allem für die Verkehrssprache in erheblichem Umfang vermehrt werden. Denn die Beherrschung zunächst der Schulsprache, dann der Verkehrssprache allgemein ist der Schlüssel zum Schulerfolg, und Lesekompetenz die wichtigste Voraussetzung für den Lernerfolg in zentralen Schulfächern. […] Allerdings kann es sinnvoll sein, in speziellen Situationen (z.B. Schulanfang, Quereinstieg) und für einen begrenzten Zeitraum die Herkunftssprachen zur Unterstützung des curricularen und verkehrssprachlichen Lernens heranzuziehen“ (Hopf 2005, 245).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Sprache im Kontext des Erwerbs mathematischer Kompetenzen aus verschiedenen Perspektiven einen entscheidenden Einfluss hat. Für die hier vorliegende Forschungsarbeit werden die zuvor beschriebenen Dimensionen der Sprache, neben den personenbezogenen Aspekten und soziokulturellen Einflüssen, als den Kompetenzerwerb bedingende Faktoren, sowohl bei der Methodenwahl als auch bei der Interpretation der Ergebnisse, Berücksichtigung finden.

96

4 Forschungsfragen Die großangelegten internationalen Leistungsvergleichsstudien wie PISA, PIRLS und TIMSS haben

gravierende

Leistungsdifferenzen

zwischen

Jugendlichen

mit

und

ohne

Migrationshintergrund ermittelt (u.a. PISA-Konsortium Deutschland 2007). Unumstritten ist, dass zahlreiche Faktoren für die Kompetenzentwicklung relevant sind. Diese liegen auf der individuellen Ebene (zsf. Stanat & Christensen 2006), der der Bildungsbiografie bzw. –teilhabe im Sinne der Grundbildung (Werner 2017) sowie auf der Ebene der Lebenslagen und umfassen darüber hinaus auch Merkmale von Migrationsfamilien wie Migrationsgeschichte, deren sozio-ökonomische Lage und kulturelles Kapital, Bildungsentscheidungen ebenso wie die familiäre Sprachpraxis (zsf. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

2010).

Speziell

mathematikdidaktischen

auch

vergleichende

Studien,

sonderpädagogische,

die

neben

fach-

bildungssoziologische

sowie und

ethnografische Aspekte, die individuellen Lebenslagen sowie subjektive Erfahrungen berücksichtigen, stellen, besonders bei der Betrachtung der Zielgruppe Asylsuchender im beruflichen Bildungssystem, in Ermangelung geeigneter Diagnostika in der Forschung ein Desiderat dar. Inhaltlich ist das Forschungsprojekt dem Projekt „Reallabor Asylsuchende in der RheinNeckar-Region“

(Baden-Württemberg)

zugeordnet.

Das

auf

drei

Jahre

angelegte

Forschungsprojekt wurde vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst BadenWürttemberg gefördert. Durchgeführt wurde es gemeinsam von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg (PH) und dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), wobei auch Wissenschaftler der Ruperto-Carola-Universität in Heidelberg maßgeblich beteiligt waren. Darüber hinaus waren zahlreiche Praxisakteure im Projekt aktiv. Das Reallabor Asyl widmete sich der Untersuchung von Erfolgsfaktoren für eine möglichst schnelle gesellschaftliche Integration von Asylsuchenden. Unter dieser umfassenden Zielsetzung teilte sich das Gesamtprojekt in drei Teilprojekte, innerhalb derer die Schwerpunkte (Berufliche) Bildung und Sprache, Arbeitsmarktintegration und dezentrales Wohnen betrachtet wurden. Durch das Querschnittsprojekt „Bürgerschaftliches Engagement und trisektorale Kooperation“ wurden diese Teilprojekte miteinander verbunden. Die hier vorliegende Untersuchung entstand eingebettet in und resultierend aus den Erfahrungen der Praxiskooperation des Teilprojektes I: „Diagnose und Förderung sprachlicher und mathematischer Kompetenzen von berufsschulpflichtigen jugendlichen Asylsuchenden“. Dieses zielte neben der Analyse und Förderung des Erwerbs der deutschen Sprache darauf ab, die Verknüpfung des Lernens im (Mathematik-)Fachunterricht mit dem Zweitspracherwerb in VAB-O-Klassen zu betrachten und zu ermöglichen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_4

4 Forschungsfragen

„Um einen qualifizierten Bildungsabschluss zu erreichen, müssen neu zugewanderte Schülerinnen und Schüler nach kurzer Zeit am Fachunterricht an deutschen Schulen teilnehmen. Da sie oftmals umfangreiche Fachkenntnisse aus dem Heimatland mitbringen, ist eine zeitnahe zielgruppenspezifische fachliche und sprachliche Förderung elementar für ihren Schulerfolg“ (Mavruk & Schmidt 2016, 53).

Um dieser Forderung nachkommen zu können, galt es zunächst nachzuvollziehen, wie sich die genannten umfangreichen Fachkenntnisse ausprägten. Hierzu geben verschiedene internationale

Vergleichsstudien,

wie

zuvor

dargelegt,

zwar

Auskünfte

über

das

Bildungsniveau der Schüler verschiedener Jahrgangsstufen, diese bilden die Kompetenzen des Einzelnen jedoch nicht ab und liegen nicht für alle Herkunftsländer der Schüler vor. Um die Schüler bestmöglich nach ihren eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten zu unterrichten, ist eine individuelle Diagnostik notwendig. Für die Beurteilung schulischer Leistungen liegen im deutschen Sprachraum zahlreiche psychometrische Diagnostika vor. Besonders seit der hohen Zahl Neuzugewanderter in Jahre 2015 riefen Bund und Länder, Universitäten, Stiftungen und Wirtschaft vielfältige Projekte ins Leben, die sich mit der Kompetenzmessung Asylsuchender im schulischen, berufsschulischen und betrieblichen Kontext befassen, wie u.a. die Kompetenzkarten der Bertelsmann Stiftung (BSt 2018), der Talent Q Test der Korn Ferry Hay Group (JobTestPrep 2019), aber auch das Projekt „Kein Abschluss ohne Abschluss“ der Universität Duisburg-Essen (IAQ 2017). Die existierenden Verfahren sind jedoch überwiegend in deutscher Sprache verfügbar und nur zum Teil in andere Sprachen adaptiert. Hierbei ergibt sich zwangsweise die Notwendigkeit, zunächst die deutsche Sprache zu erwerben, was einer möglichst zügigen Teilnahme am Fachunterricht wiederum entgegensteht. Zur Beurteilung der Fachkenntnisse im Sinne mathematischer Kompetenzen ergab sich, basierend auf den dargestellten theoretischen Grundlagen, die Frage, wie neuzugewanderte Schüler, deren Sprachstand im Deutschen auf ganz unterschiedlichen Niveaus rangiert, mit deutschen Mathematikaufgaben agieren, wenn diese in deren Bildungssprache übersetzt sind. Hierzu findet im Rahmen der methodischen Überlegungen die Fokussierung auf die Erhebungssprache Arabisch statt (s. Abschnitt 5.2.3). „Generell ist für den Unterricht mit neu zugewanderten Schülerinnen und Schülern von großer Relevanz, ob ein didaktischer Rückgriff auf die Kompetenzen in ihrer/n Erstsprache(n) erfolgt, da dieser bei der Aneignung der Zweit- und Fremdsprache unterstützend wirken kann“ (Mavruk & Schmidt 2016, 54).

Dieses Postulat der Spracherwerbsforschung findet im Sprachunterricht wiederholt Berücksichtigung. So liegen zu vielen Herkunftssprachen und schulischen Fremdsprachen Materialien vor, die entsprechendes Wissen bereitstellen. Für den Fachbereich des Mathematikunterrichts sind solche Informationen hingegen wenig bis gar nicht vorhanden.

98

4 Forschungsfragen

Informationen zu den Unterrichtsinhalten im Schulunterricht der Herkunftsländer, der didaktischen Gestaltung oder den möglichen Rechen- und Lösungswegen, stellen ein Desiderat dar, dem die hier vorgestellte Studie entgegenwirken möchte.

Auf den, in den vorgegangenen Abschnitten beschriebenen, theoretischen Grundlagen und dem skizzierten Stand der Forschung ergeben sich die folgenden Untersuchungsfragen:

Zentrale Fragestellung: Welche

Gemeinsamkeiten

mathematischer

und

Kompetenzen

Differenzen

zeigen

arabischsprachiger

sich

und

im

Vergleich

deutschsprachiger

Jugendlicher unter Berücksichtigung verschiedener den Kompetenzerwerb bedingender Faktoren, wie Intelligenz, mathematikbezogene Vorstellungen und mathematische Basiskompetenzen sowie bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte?

Der

Vergleich

der

drei

Stichprobengruppen

(arabischsprachige

Teilnehmende,

deutschsprachige Teilnehmende der 9. Klasse und deutschsprachige Teilnehmende der beruflichen Schule, s. Abschnitt 5.4) dient als Grundlage zur Betrachtung möglicher herkunftsbedingter, schulisch geprägter und kulturspezifischer Merkmale. Entsprechend lassen sich für den interkulturellen Vergleich unter Berücksichtigung ausgewählter bedingender Aspekte folgende vertiefende Fragen formulieren:

Fokus: Mathematische Kompetenz •

Welche Ausprägungen zeigen die mathematischen Kompetenzen arabischsprachiger Jugendlicher bei der Bearbeitung deutscher Mathematikaufgaben, die ins Arabische übersetzt sind und auf Arabisch bearbeitet wurden?



Welche Ausprägungen zeigen die mathematischen Kompetenzen deutschsprachiger Jugendlicher bei der Bearbeitung der verwendeten deutschen Mathematikaufgaben, die auf Deutsch angeboten und bearbeitet wurden?

Fokus: Mathematische Kompetenz und mathematische Basiskompetenzen •

Welche Ausprägungen zeigen die mathematischen Basiskompetenzen der Teilnehmenden?



Welche

Zusammenhänge

zeigen

sich

zwischen

mathematischen

Basiskompetenzen und der gezeigten mathematischen Kompetenz innerhalb der jeweiligen Stichprobe?

99

4 Forschungsfragen

Fokus: Mathematische Kompetenz und kognitive Fähigkeiten •

Welche Ausprägungen zeigt die Intelligenz der Teilnehmenden?



Welche Zusammenhänge zeigen sich zwischen der Intelligenz und der gezeigten mathematischen Kompetenz innerhalb der jeweiligen Stichprobe?

Fokus: Mathematische Kompetenz und mathematikbezogene Vorstellungen •

Welche mathematikbezogenen Vorstellungen lassen sich bei den Probanden der drei Stichproben hinsichtlich der Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene rekonstruieren?



Welche mathematikbezogenen Vorstellungen lassen sich bei den Probanden der drei Stichproben hinsichtlich des Selbstbildes als Mathematiklernende rekonstruieren?



Welche mathematikbezogenen Vorstellungen lassen sich bei den Probanden der drei Stichproben hinsichtlich der Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene rekonstruieren?

Fokus: Mathematische Kompetenz und bildungsbiografische, sprachliche sowie soziokulturelle Aspekte •

Welche Rahmenbedingungen lassen sich beschreiben hinsichtlich … … der sozioökonomischen Faktoren? … der Bildungsbiografie? … der Herkunft und des Migrationshintergrundes? … des Sprachhintergrund?



Welche Zusammenhänge zeigen sich zwischen den bildungsbiografischen, sprachlichen sowie soziokulturellen Aspekten und der gezeigten mathematischen Kompetenz innerhalb der jeweiligen Stichprobe?

Auf der Basis der im vorliegenden Kapitel beschriebenen theoretischen Grundlegung erfolgt die Darstellung der empirischen Arbeit dieser Studie in den Kapitel Methodologie und Methoden (Kapitel 3), Darstellung der Ergebnisse (Kapitel 4), Interpretation (Kapitel 5) sowie Fazit und Ausblick (Kapitel 6).

100

Empirischer Teil

4 Forschungsfragen

102

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen Der Aufbau der Studie zur Betrachtung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich, der im folgenden Abschnitt (5.1) näher beschrieben wird, sieht die Kombination quantitativer und qualitativer Analyseschritte im Sinne der Triangulation vor (Kuckartz 2014). Das methodische Vorgehen erfolgt in die drei aufeinanderfolgenden Schritten Pilotierung, quantitative und qualitative Erhebung sowie deren Auswertung und Interpretation. Um die wissenschaftstheoretische und methodologische Basis der durchgeführten empirischen Untersuchung darzustellen, wird das Forschungsdesign beschrieben und der Forschungsgegenstand eingegrenzt (Abschnitt 5.2). Es folgt die ausführliche Beschreibung der Pilotierung, die die Erprobung der adaptierten Verfahren und selbst entwickelten Fragebögen zum Ziel hatte (Abschnitt 5.3). Abschnitt 5.4 umfasst die erste Erhebungsphase (quantitative Erhebung). Hierunter sind die Stichprobenbeschreibung, Informationen zur Durchführung der Verfahren sowie der Erhebungsverlauf subsummiert. Abschließend wird in Abschnitt 5.5 das Vorgehen zur Auswertung der Ergebnisse, unter besonderer Berücksichtigung der Erhebungssprache, erläutert. Das im Folgenden geschilderte Vorgehen wurde jeweils mit allen drei Probandengruppen durchgeführt.

5.1 Aufbau der Untersuchung Zur Beschreibung des Untersuchungsdesigns werden im vorliegenden Abschnitt zunächst grundlegende methodologische Überlegungen aufgeführt (5.1.1). Diese stellen die wissenschaftliche Grundlage der Untersuchung dar. Anschließend erfolgt die Darstellung der Erhebungsmethoden und des Verlaufs der Erhebung im Sinne eines ersten Überblicks (5.1.2). Die fünf zugrundeliegenden Erhebungsmethoden werden abschließend in Form einer Kurzvorstellung näher beschrieben (5.1.3). Die Beschreibung der eigens für die Zielgruppe entwickelten Fragebögen erfolgt in Abschnitt 5.2.

5.1.1 Methodologische Überlegungen Angelegt

als

explorative

empirische

Untersuchung

folgt

das

hier

vorgestellte

Forschungsprojekt dem Kreislauf der empirischen Forschung, wie ihn Koch und Ellinger (2015)

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_5

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

für den Fachbereich der Heil- und Sonderpädagogik skizzieren. Zur Beantwortung der oben genannten Fragestellungen (Kapitel 4) wird eine Verknüpfung quantitativer und qualitativer Methoden vorgesehen. Im Gegensatz zu anderen Forschungsbereichen besteht die Besonderheit der empirischen Forschung in der Frage: „Mit welcher Methodik bilde ich die Wirklichkeit am treffendsten ab?“ (Koch & Ellinger 2015, 15). Das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit liegt in der Betrachtung der mathematischen Kompetenzen der Teilnehmenden unter Berücksichtigung ausgewählter den Kompetenzerwerb bedingender Aspekte (Abschnitt 3.2 bis 3.3). Um dieses Objekt des Interesses angemessen abbilden zu können, wird die sogenannte Triangulation gewählt. Hierbei handelt es sich, so Ratz (2015), um die Verknüpfung zwischen qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden. Im Sinne der sogenannten Exploration wird die Triangulation zeitlich aufeinanderfolgend eingesetzt. Weit verbreitet ist hierbei die folgende Form der Exploration: Basierend auf zunächst qualitativ erhobenen Erkenntnissen zur Generierung von Hypothesen in einem wenig bis unbearbeiteten Forschungsfeld werden diese anschließend mittels quantitativer Methoden überprüft (Ratz 2015). Für die hier vorliegende Studie wird hingegen die erweiternde Exploration angewandt. Hierbei wird die quantitative Erhebung durch qualitative Methoden im Sinne der Vertiefung ergänzt (Lamnek 2010). Diese Form der Triangulation ist international bekannt als Exploratory Design des Mixed Methods Research (Creswell & Clark 2010). An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Begriffe der Triangulation und „mixed methods“ nicht gleichzusetzen sind. Nach Flick (2011) zeigen sich im Vergleich durchaus Unterschiede. Während der Mixed Methods Research qualitative und quantitative Methoden zum Teil unreflektiert mischt, berücksichtigt die Triangulation die den Methoden zugrundliegenden Annahmen und Perspektiven, sowie die zugrundeliegenden Forschungsinteressen. Im Rahmen der hier vorgestellten Untersuchung wurden zunächst mittels quantitativer Methoden im Querschnitt die zu betrachtenden Phänomene, wie u.a. mathematische Kompetenz, Basiskompetenz und mathematikbezogene Vorstellungen, in Häufigkeit und Verteilung deskriptiv dargestellt. Anders als in der quantitativen Forschung üblich (Koch 2015) lassen sich aufgrund des vorliegenden Desiderates zu dem hier betrachteten Forschungsfeld keine fundierten Hypothesen ableiten. Der quantitative Teil der Studie dient daher nicht zur Verallgemeinerung und Prüfung der Gültigkeit bereits entwickelter Theorien, sondern, im Sinne der Exploration, zur Deskription des Feldes und zur möglichen Generierung von Hypothesen. Da jedoch Ellinger (2015) zufolge die Realität sozialer Bedingungen, sowie auch persönlicher Motive nicht ausschließlich quantitativ abgebildet werden kann, wurden in der vorliegenden Untersuchung

auch

Mathematikaufgaben

qualitative genauer

zu

Methoden

eingesetzt,

betrachten

und

so

Herangehensweisen beim Lösen der Aufgaben zu vertiefen.

104

um das

den

Umgang

Verständnis

über

mit die

5.1 Aufbau der Untersuchung

5.1.2 Erhebungsmethoden und -verlauf im Überblick

Wie zu Beginn des Kapitels bereits skizziert, besteht die Erhebung der als Querschnitt angelegte Untersuchung aus den Phasen der Pilotierung, quantitativen Erhebung in der ersten Phase und qualitativen Erhebung in der zweiten Phase (s. Abbildung 7). PILOTIERUNG

I. PHASE

II. PHASE

Forschungsdesign

Forschungsdesign

Kognitive Fähigkeiten Intelligenz

Mathematische (Basis)Kompetenz

deutsch

arabisch

CFT 20-R

BiMa Sek 1 BiMa Sek 1 arabisch

n= 15

n= 15

deutschsprachige

arabischsprachige

Schüler

Schüler

BiMa Sek 1

BiMa Sek 1

KRW 9

KRW 9

CFT 20-R

CFT 20-R

Fragebögen

Fragebögen

CFT 20-R arabisch

Interview Schwerpunkt

ausgewählte Aufgaben des BiMa Sek 1 sowie die eigenen Lösungen der Interviewten

KRW 9 KRW9 arabisch

Mathematikbezogene Bildungsbiografische, sprachVorstellungen liche, soziokulturelle Aspekte

Vorgehen

Klinische Interviews (Selters & Spiegel 1997)

Sprache

Fragebögen

deutsch bzw. arabisch

Fragebögen arabisch

Abbildung 7: Schematische Übersicht des Erhebungsverlaufs

Zunächst erfolgte die Pilotierung des entwickelten Designs hinsichtlich der Passung der Instrumente für die Zielgruppe unter besonderer Berücksichtigung der Erhebungssprache. Die Pilotierung des Forschungsdesigns fand mit zwei Schülergruppen statt. Im Juni 2017 nahmen 15 deutschsprachigen Schülern der 9. Klasse einer Gemeinschaftsschule und im Juli 2017 15 arabischsprachige Schüler, die als Asylsuchende verschiedene VAB-O-Klassen eines beruflichen Schulzentrums besuchten, teil. Als Studie im Exploratory Design wurde anschließend die quantitative Erhebung (Phase 1) unter Einsatz von drei standardisierten Verfahren und zwei eigens entwickelten Fragebögen durchgeführt, die im nächsten Abschnitt beschrieben werden. Basierend auf der ersten Phase nahmen einzelne Probanden aller drei Stichproben an der qualitativen Erhebung (Phase 2) teil. Aufgrund der Komplexität der im Rahmen der quantitativen Erhebung gewonnen Daten liegt der Fokus der vorliegenden Arbeit auf der ersten Phase der Studie. Die genauere Betrachtung beschränkt sich im Sinne des Vorgehens des Exploratory Designs auf die Auswertung und Interpretation der quantitativen Daten. Die qualitativen Daten werden, unter Einbezug der vorliegenden Arbeit (s. 8.3.1), zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet und publiziert.

105

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

5.1.3 Erhebungsmethoden Zur

Beantwortung

der

oben

aufgeführten

Fragestellungen

wurden

verschiedene

Erhebungsverfahren eingesetzt. Zur Erfassung der mathematischen Kompetenzen, der Intelligenz und der mathematischen Basiskompetenz wurden normierte und standardisierte Erhebungsinstrumente verwendet. Die sprachlich-kulturellen und bildungsbiografischen Aspekte sowie die mathematikbezogene Vorstellung wurden durch Fragebögen erhoben. Die Erhebung fand je Probandengruppe in deutscher bzw. arabischer Sprache statt. Die im Rahmen der quantitativen Erhebung verwendeten Verfahren lagen z.T. in Arabisch vor oder wurden hierzu übersetzt. Methodische Überlegungen die Erhebungssprache betreffend werden in Abschnitt 5.2.3 näher ausgeführt. Eine kulturelle Adaption zur Übersetzung der Mathematikaufgaben wurde aufgrund der Erkenntnisse der geführten Experteninterviews (Abschnitt 5.2.1) nicht vorgenommen.

Verfahren zur Erhebung der mathematischen Kompetenz Das Verfahren ‚Bildungsstandards Kompetenzen überprüfen. Mathematik Sekundarstufe I‘ (kurz: BiMa Sek 1; IQB 2009) stellt ein standardisiertes und normiertes Erhebungsinstrument zur Beurteilung der mathematischen Kompetenz im Sinne der Bildungsstandards dar. Hierzu liegen zwei Testhefte vor, die gemeinsam wie auch getrennt eingesetzt werden können. Während das Testheft Nr. 2 Aufgaben beinhaltet, die Lerninhalte der Klassenstufe 10 voraussetzen, umfasst das 1. Testheft 22 Aufgaben aus fünf verschiedenen Leitideen, die von Schülern der 9. Klassenstufe gelöst werden können. Die

einzelnen

Aufgaben

allgemeinmathematische

fordern

Kompetenzen

von

den

und

bewegen

Teilnehmern sich

auf

unterschiedliche verschiedenen

Anforderungsniveaus (s. Tabelle 3). Bei der Entwicklung des Testmaterials wurde auf eine angemessene Verteilung der Aufgaben zu allen Leitideen, allgemeinmathematischen Kompetenzen und Anforderungsbereichen geachtet, wobei die Aufgaben zu grundlegenden Fertigkeiten in Testheft 1 häufiger vertreten sind. „Durch eine genügend große Zahl an Aufgaben im Anforderungsbereich I sollen zudem Erfolgserlebnisse während der Testbearbeitung ermöglicht werden. Weiter sollten in diesem Test die Antwortformate variieren und es sollten sowohl innermathematische als auch realitätsbezogene Aufgaben vorkommen“ (IQB 2009, 30).

Die

Antwortformate

reichen

von

geschlossenen

Fragen

mit

vorgegebenen

Antwortmöglichkeiten, über offene Aufgaben, innerhalb derer von den Teilnehmern beispielweise eine Begründung gefordert wird, bis hin zur Konstruktion von mathematischen Inhalten, wie es bei Aufgabe 16 im Rahmen der Konstruktionsbeschreibung der Fall ist.

106

5.1 Aufbau der Untersuchung

Tabelle 3: Darstellung der Aufgaben des BiMa Sek 1 (IQB 2009) Name der Aufgabe

Nr.

Allgemeine math. Kompetenz

Inhaltsbezogener Kompetenzbereich

Anforderungsniveau

Schwierigkeit

1

Prozent

K4

Leitidee 1

1

350

2

Feriengeld

K3; K5

Leitidee 1

1

320

3

Blitz und Donner

K3; K5

Leitidee 1

1

400

4

Brüche vergleichen

K1; K5; K6

Leitidee 1

2

470

5.1

Quersumme

K2

Leitidee 1

1

480

5.2

Quersumme

K1; K2

Leitidee 1

2

570

6

Finanzierung

K1; K3; K5; K6

Leitidee 1

3

750

7

Rechteck

K5

Leitidee 2

1

310

8

Saft

K3

Leitidee 2

1

260

9

Fadenaufgabe

K5

Leitidee 2

1

470

10

Winkel im Dreieck

K2; K4; K5

Leitidee 2

2

600

11

Das unmögliche K1; K2; K4; K5 Dreieck

Leitidee 2

3

750

Leitidee 3

2

450

Leitidee 3

2

640

Leitidee 3

3

830

12

Viereck K2; K5; K6 Flächeninhalt und 13.1 K4; K5 Formeln Flächeninhalt und 13.2 K2; K4; K5; K6 Formeln 14 Kongruent K1; K4; K5

Leitidee 3

2

370

Parallelogramm Konstruktionsbeschreibung

K1; K2; K4; K5; K6

Leitidee 3

2

620

K4; K5; K6

Leitidee 3

2

660

17

Schlüsselbund

K3; K5

Leitidee 5

1

330

18

Würfel

K2; K3; K5

Leitidee 5

2

490

19.1 Freizeitverhalten

K3; K4; K6

Leitidee 5

1

420

19.2 Freizeitverhalten

K1; K3; K4; K6

Leitidee 5

3

690

20.1 Conflix

K3; K4; K5; K6

Leitidee 5

1

510

20.2 Conflix

K3; K4; K5; K6

Leitidee 5

1

460

20.3 Conflix

K3; K4; K5; K6

Leitidee 5

2

510

21.1 Streichholzkette

K4

Leitidee 4

1

280

21.2 Streichholzkette

K2; K4; K5

Leitidee 4

2

430

21.3 Streichholzkette

K2; K4; K5

Leitidee 4

3

680

22.1 Zwei Fässer

K2; K3; K4; K5; K6

Leitidee 4

2

560

22.2 Zwei Fässer

K2; K3; K4; K5; K6

Leitidee 4

3

640

15 16

Verfahren zur Erhebung der mathematischen Basiskompetenz In Ergänzung zum BiMa Sek 1, zur Beurteilung der mathematischen Kompetenz, wird ein Verfahren zur Erhebung der mathematischen Basiskompetenzen (Abschnitt 3.2.1), speziell zur Beurteilung des Konventions- und Regelwissens, eingesetzt. Schmidt et al. (2013) entwickelten den ‚Konventions- und Regelwissenstest für die 9. Klasse‘ (kurz: KRW 9; Schmidt et al. 2013).

107

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Der KRW 9 stellt ein sogenanntes Screening, einen Schnelltest, dar, der die Erfassung grundlegender Basiskompetenzen zum Ziel hat. Während die Aufgaben des DEMAT 9 sprachlich und kontextuell eingebettet sind, beinhaltet der KRW 9 ausschließlich arithmetische Rechenaufgaben, die den mathematischen Basiskompetenzen entsprechen. Der KRW 9 ist standardisiert und normiert und kann als Gruppentest durchgeführt werden. Zu beachten sei an dieser Stelle, dass es sich um einen Speed-Test (Bearbeitungszeit: 3:30 Minuten) handelt. Erfasst wird neben dem grundsätzlichen Verständnis mathematischer Notationen auch die Effizienz und der automatisierte Einsatz des Konventions- und Regelwissens. Das Screening umfasst insgesamt 50 Aufgaben aus fünf spezifischen Bereichen des Konventions- und Regelwissens (Vorzeichen-/Klammerregeln, Brüche, Dezimalstellen, Wurzeln und Potenzen). Die Bereiche sind gleichermaßen durch Testitems vertreten: •

10 Testitems zur Beherrschung der Vorzeichenregeln (Punkt-vor-Strich-Regeln; Rechnen mit negativen Summanden)



10 Testitems zur Beherrschung der Klammerregeln



10 Testitems zur Beherrschung des Verständnisses für Bruchdarstellungen



10 Testitems zur Beherrschung der Dezimalzahlen



10 Testitems zur Beherrschung der Wurzeln und Potenzen

Das bereits in der Grundschule erlernte Symbolverständnis für Operatoren wie +, -, ∙, : sowie Verhältniszeichen , = wird nicht erfasst. Die Testitems sind möglichst isoliert gestaltet und nicht mit inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen gekoppelt. Die Aufgaben sind bspw. in den Bereichen Dezimalzahlen und Klammerregeln auf kleine Zahlenräume begrenzt. Die Aufgaben sind überwiegend im Zahlenraum 10 verortet. Die verschiedenen Bereiche werden nicht nacheinander bearbeitet. Vielmehr werden immer fünf Items angeboten, die den verschiedenen Bereichen entsprechen. Für jeden Bereich liegen somit 10 Items vor. Den Herausgebern zufolge ermöglicht der KRW 9 „[…] trotz minimaler Ansprüche an andere Aspekte mathematischer Kompetenz selbst im oberen Leistungsbereich neunter Gymnasialklassen noch sehr gut zu differenzieren“ (Schmidt et al. 2013, 13)

Den Teilnehmern wird in der Instruktion erklärt, dass für die Bearbeitung der Aufgaben nur wenige Minuten zur Verfügung stehen. Die Teilnehmer dürfen selbst wählen, welche Version des KRW 9 sie bearbeiten möchten.

Verfahren zur Erhebung der kognitiven Fähigkeiten – Intelligenz Zur Beurteilung der Intelligenz wurde der ‚Grundintelligenztest Skala 2‘ (Culture Fair Test, kurz: CFT 20-R; Weiß 2008) in seiner revidierten Fassung eingesetzt. Dieser erfasst die sog. Grundintelligenz im Sinne allgemeiner intellektueller Fähigkeiten, die auf die ‚General Fluid Ability‘ nach Cattell zurückgehen (s. Abschnitt 3.2.2). „Ziel des Tests ist die Erfassung der

108

5.1 Aufbau der Untersuchung

allgemeinen geistigen Leistungsfähigkeit in Form der fluiden Komponente der Intelligenz“ (Holling et al. 2004, 88). Die Entscheidung für ein Verfahren, das lediglich einzelne Intelligenzdimensionen erfasst, liegt in dem forschungsmethodischen Zugang und in der Auswahl der Stichprobe begründet. Die vorliegenden mehrdimensionalen Verfahren erfüllen nicht die geforderte Bedingung, in allen Untertests möglichst sprachfrei und kulturfair zu sein. „Cattell strebt eine Messung an, die frei sein sollte von soziokulturellen, erziehungsbedingten oder ethnischen Einflüssen“ (Holling et al. 2004, 89). Das Verfahren eignet sich für ältere Kinder und Erwachsene mit einfacher Schulbildung im Alter von 8 Jahren und 7 Monaten bis 70 Jahren. Der CFT 20-R besteht, wie in Tabelle 4 abgebildet ist, aus zwei Testteilen, die aus vier Teilbereichen bestehen. Tabelle 4: Anzahl der Aufgaben und Bearbeitungsdauer je Testteil und Teilbereich des CFT 20-R

Testteil 1

Subtests Reihenfolgen fortsetzen Klassifikationen Matrizen Topologien

Testteil 2

Anzahl der Aufgaben

Bearbeitungsdauer (mit Testzeitverlängerung)

Anzahl der Aufgaben

Bearbeitungsdauer

15

5 Min

12

3 Min

15 15 11

5 Min 4 Min 4 Min

12 12 9

3 Min 3 Min 3 Min

Für den Einsatz des CFT 20-R empfiehlt Weiß (2008), sowohl den 1. als auch den 2. Testteil (Langform) durchzuführen, da so bei der Aufgabenbearbeitung Lernprozesse aktiviert werden, die mögliche Verstehensprobleme im 1. Testteil wieder ausgleichen. Die Durchführung beider Testteile sorgt, so Weiß (2008), für eine hohe Reliabilität und Validität. Für die Durchführung des 1. Testteils besteht die Möglichkeit der sogenannten Testzeitverlängerung. Der Herausgeber führt auf, dass die Wahl der Testzeitverlängerung hinsichtlich der Validität pro Zeiteinheit zu keinen signifikanten Unterschieden führt. Für die Durchführung des CFT 20-R mit Teilnehmern, deren Testerfahrung gering ist, die unter Prüfungsangst leiden und bei denen Schwierigkeiten beim Instruktionsverständnis auftreten können, wird folgendes empfohlen: „Für diese ist es am sinnvollsten, den CFT 20-R in voller Länge, also mit beiden Testteilen, durchzuführen, da dabei der Teil 1 die Rolle eines Lerntests einnehmen kann, während Teil 2 den eigentlichen Intelligenzindikator darstellt“ (Weiß 2008, 14).

Ergänzend zum CFT 20-R könnten Untertests anderer Verfahren eingesetzt werden, um bspw. die Komponenten des Arbeitsgedächtnisses oder der Verarbeitungsgeschwindigkeit zu ermitteln. Möglich wäre hier bspw. der Einsatz des Ergänzungstests Zahlenfolgenaufgaben des CFT 20-R, der numerische Elemente des Faktors Verarbeitungskapazität erfasst. Aufgrund der ausführlichen Bearbeitungsdauer des CFT 20-R in seiner Langform von bis zu 60 Minuten und der Komplexität wurden keine ergänzenden Untertests hinzugefügt. Zudem

109

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

beinhaltet die (sprachliche) Adaption weiterer Subtests die Schwierigkeit, kulturellen Besonderheiten gerecht zu werden. Als Einschränkungen für den unteren Intelligenzbereich nennt der Herausgeber eine Ausdehnung der Instruktions- und Übungsphase. Da die Teilnehmer die Teiltests individuell beenden können, können die Testleiter entsprechend auf Nachfragen reagieren. Die Gruppengröße sollte bei einem Testleiter acht Personen nicht überschreiten. Für Teilnehmende der Förderschule wird empfohlen, maximal drei Teilnehmer zur gleichen Zeit zu testen. Möglichen Schwierigkeiten der arabischsprachigen Stichprobe wird je nach Größe der Teilgruppe durch die Anwesenheit von mindestens zwei Testleitern entsprochen. Für die Testdurchführung mit mehr als zwölf Teilnehmern stehen drei Testleiter unterstützend zur Verfügung.

Erhebung der mathematikbezogenen Vorstellungen Da es sich bei mathematikbezogenen Vorstellungen um ein subjektives, intrapsychisches Konstrukt handelt, das nicht oberflächlich gemessen werden kann, stellt sich die Frage nach Möglichkeiten der empirischen Überprüfung. Deseniss (2015) führt auf, dass zur Erfassung von Vorstellungen meist Fragebögen oder Interviews

genutzt

werden,

aber

auch

andere

Methoden

wie

Beobachtungen,

Reflexionsaufzeichnungen oder Bildimpulse finden in bereits durchgeführten Untersuchungen Verwendung. Breuker und Rost (2011) zufolge werden zur Erfassung des Selbstkonzeptes offene Verfahren („Wer bin ich?“), Checklisten im Sinne von Selbstbeschreibungen, Zeichnungen, projektive Verfahren, freie Erzählungen und Fremdberichte eingesetzt. Besonders Fremdberichte seien jedoch weniger geeignet, da das Selbstkonzept, als individuelle, subjektive Einschätzung der Einstellungen zu sich selbst, für Dritte nur schwer beurteilbar sei. „‘State of the art‘ der seriösen SK-Diagnostik sind deshalb Fragebogen i.w.S. Diese bestehen aus Aussagen, die entweder dichotom (‚stimmt‘ – ‚stimmt nicht‘) oder abgestuft (1 = ‚trifft gar nicht zu‘ [über Zwischenstufen] bis 5 = ‚trifft genau zu‘) akzeptiert oder ablehnt werden können“ (Breuker & Rost 2011, 233).

Besonders bei der Beurteilung der Vorstellungen über Mathematik von Schülern mit Migrationshintergrund oder gar Schülern, die selbst migriert sind, erweisen sich vorgegebene Fragen mit der skalierten Möglichkeit zuzustimmen jedoch als begrenzend, da so nur die Übereinstimmung mit den Vorstellungen der Fragebogenentwickler geprüft werden kann. Vielmehr bieten sich offene Fragen zur Beurteilung der Vorstellung an, da so auch möglicherweise kulturspezifische, unerwartete Antworten ermöglicht werden. Grundsätzlich gilt es bei der Beurteilung von mathematikbezogenen Vorstellungen zu beachten, dass diese

110

5.1 Aufbau der Untersuchung

je nach empirischem Zugang, ob schriftliche oder mündliche Form, Tagesform und dem Zeitpunkt der Erhebung, beeinflusst werden. „Bei der Rekonstruktion von Vorstellungen kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass eine Person solche Vorstellungen, die von ihr nicht geäußert werden oder bei ihr nicht beobachtbar sind, nicht besitzt“ (Deseniss 2015, 79).

Vielmehr handelt es sich bei der Erfassung von Vorstellungen um eine Rekonstruktion im jeweiligen aktuellen Kontext unter den jeweils vorliegenden Bedingungen. Wie bei allen Formen der Beurteilung von Gedanken beeinflusst der Erkenntnisgegenstand die Erkenntnismethode. Um die Gedanken einer Person zu betrachten, muss der Person, so Koch und Ellinger (2015), Gelegenheit gegeben werden, zu Wort zu kommen. Zur Beurteilung der mathematikbezogenen Vorstellungen wurde, basierend auf bereits vorliegenden Forschungsprojekten, ein Fragebogen entwickelt (kurz: Fragebogen Beliefs). Grundlage hierfür stellen die Fragebögen von Grigutsch (1996) zum mathematischen Weltbild von Schülern, der Fragebogen aus dem Projekt von Gogolin et al. (2004) zum Mathematiklernen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität und der Interviewleitfaden aus der Forschungsarbeit von Deseniss (2015) zur Schulmathematik im Kontext von Migration dar. Insgesamt umfasst der eingesetzte Fragebogen 14 Items, die sich aus geschlossenen, offenen und halboffenen Fragen, sowie skalierten Fragen zusammensetzen (Porst 2014). Das Konzept der mathematikbezogenen Vorstellung (Abschnitt 3.2.3) wurde mittels der Konstrukte Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene, Selbstbild als Mathematiklernende und Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene erhoben.

Erhebung

der

bildungsbiografischen,

sprachlichen

und

soziokulturellen Aspekte Zur Erfassung der bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Aspekte (kurz: BiSSoz) wurde ebenfalls, basierend auf vorliegenden Fragebögen, ein für die Untersuchung zugeschnittener Fragebogen entwickelt. Zugrunde gelegt wurden die internationalen Schülerfragebögen der PISA-Studie (PISA 2012), der Fragebogen zur Sprach- und Bildungsbiografie von Baumann und Riedl (2015), sowie der Fragebogen zur Erhebung migrationsbiografischer, sprachlicher und sozio-ökonomischer Hintergründe aus dem Projekt zum Mathematiklernen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität von Gogolin et al. (2004). Die

Begriffe

und

Bildungsbenachteiligung Sozioökonomische

Konzepte und

Bildungsbedingungen,

Mehrsprachigkeit

Rahmenbedingungen,

wurden

durch

Bildungsbiografie,

Migrationshintergrund, die

vier

Konstrukte

Herkunft

111

und

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Migrationshintergrund sowie Sprachhintergrund genauer betrachtet. Insgesamt umfasst der Fragebogen 39 Items. Der Fragebogen ist aus geschlossenen, offenen und halboffenen Fragen zusammengesetzt (Porst 2014).

112

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Zur

wissenschaftstheoretischen

und

methodologischen

Eingrenzung

des

Forschungsgegenstandes werden im Folgenden vorbereitende Überlegungen näher beschrieben. Grundlage der vorliegenden Studie stellen Experteninterviews dar. Diese hatten zum Ziel soziokulturelle und bildungsbiografische Lebensbedingungen der Zielgruppe zu fundieren. Die Erkenntnisse der Experteninterviews werden in Abschnitt 5.2.1 dargestellt. Die Gestaltung der eingesetzten Fragebögen wird anschließend in Abschnitt 5.2.2 detailliert beschrieben. In Abschnitt 5.2.3 wird die Wahl der Erhebungssprache diskutiert, die auch die Entwicklung der Fragebögen BiSSoz und Beliefs maßgeblich beeinflusste. Das Vorgehen zur Übersetzung (schrift-)sprachlicher Elemente aller Erhebungsverfahren wird im Abschnitt 5.2.4 beschrieben.

5.2.1 Experteninterviews Bezüglich möglicher (bildungs-)biografischer, sozialer und kultureller Besonderheiten der Zielgruppe

wurde

mit

verschiedenen

Experten

Interviews

geführt,

um

die

Methodenentwicklung durchführen zu können. Zur Vorbereitung der Methodenentwicklung wurden im Zeitraum von Dezember 2016 bis Februar 2017 fünf Experten (s. Tabelle 5) anhand eines vorher festgelegten Leitfadens interviewt (s. Anhang 10.1). Tabelle 5: Beschreibung der Expertise der Interviewpartner

Nr.

Alter

Herkunft

Expertise

1

~ 40

Deutsch-

Islamwissenschaftlerin; Dissertation zum Leben und Wirken der Frauen in Syrien; 5 Jahre Aufenthalt in Syrien bei verschiedenen Gastfamilien, überwiegend in Damaskus → Fokus: Kultur, Leben und Arbeiten in Syrien (im Vergleich zum Deutschland)

land

2

27

Irak

Lehramtsstudium an einer Universität in Bagdad; Lehrerin Grundschulbereich in Tikrit → Fokus: Schule im Irak und in Syrien

im

3

18

Syrien

Geflüchtete aus Syrien; Besuch des syrischen Schulsystems 2002 bis 2013 → Fokus: Leben und Lernen in Syrien

4

28

Syrien

Geflüchteter aus Syrien; Besuch des syrischen Schulsystems von 1994 bis 2002 → Fokus: Leben und Lernen in Syrien

5

21

Irak

Lehramtsstudentin an der Universität Heidelberg; geboren aufgewachsen im Irak → Fokus: Leben, Lernen, Schule im Irak

und

Das Interview wurde durch die Vorstellung der Untersuchung und die Erläuterung des Anliegens des Gesprächs eingeleitet. Zum Zeitpunkt der Interviews wurde noch davon ausgegangen, die Stichprobe primär auf arabischsprachige Asylsuchende aus Syrien zu

113

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

begrenzen. Diese Einschränkung, das Herkunftsland betreffend, wurde nach der Pilotierung (s. Abschnitt 5.3) jedoch aufgehoben.

Interviewleitfaden Der Entwicklung des Leitfadens lagen die Informationen über die Schulsysteme verschiedener Länder des Informationsportals für ausländische Berufsqualifizierung des Bundesministeriums

Post-Sekundarund Tertiärbereich

für Wirtschaft und Energie (s. Abbildung 8, Abbildung 9) zugrunde. Hochschulabschluss Universität

Sekundarbereich II

Abschluss der Sekundarstufe Landwirtschaft

Abschluss der Sekundarstufe

Abschluss der Sekundarstufe

Industrie

Handel

Allgemeine Hochschulreife (kein Zugang zu mathematischnaturwissenschaftlichen Studiengängen)

Allgemeinbildende

Oberstufe

Technisch Sekundarschule 3 Jahre

(Literarischgeisteswissenschaftlicher Zweig)

Primarstufe und Sekundarbereich I

3 Jahre

Allgemeine Hochschulreife

Allgemeinbildende

Oberstufe (Mathematischnaturwissenschaftlicher Zweig)

3 Jahre

Mittlerer Schulabschluss Mittlere Schule 3 Jahre Grundschule 6 Jahre Allgemeinbildendes Schulsystem tertiäre Bildungsgänge

Berufsqualifiziere Bildungsgänge Name des Abschlusses

Abbildung 8: Das Berufsbildungssystem Syriens seit 1987 (BQ-Portal 2018a)

Insgesamt umfasst der Leitfaden mit Einleitung und Schluss sieben Teilbereiche: I. II. III. IV. V.

Einleitung Angaben zur Person Schule & Bildung Bewertungssystem (Mathematik-)Unterricht

114

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

VI. VII.

Familie Schluss

Die Fragen innerhalb der Teilbereiche variierten je nach Fokus des Interviews. Während Expertin I vor allem über die syrische Kultur, das Leben in Damaskus und berufliche Möglichkeiten, besonders im Vergleich zum deutschen Ausbildungssystem, Auskunft geben kann, konzentrierten sich die Fragen in den übrigen Interviews auf die Bildungsbiografie(n) im Kontext Schule. Hierzu wurden eine Lehrerin und zweier ehemaliger Schüler befragt, die zu

Sekundarbereich II

Post-Sekundar- und Tertiärbereich

unterschiedlichen Zeitpunkten das syrische Schulsystem besucht haben. Hochschulabschluss

Master of Science / of Art Bachelor of Science / of Art Höheres Technisches Diplom

Technisches Diplom

Technisches Institut 2 Jahre

Universität

Technische Fachhochschule 2-6 Jahre

Bescheinigung über eine Berufsqualifikation

Allgemeine Hochschulreife

Mittlere berufsbildende Schule

Allgemeinbildende Oberstufe literatur-/geisteswissenschaftlich bzw. naturwissenschaftlich

3 Jahre

Primarstufe und Sekundarbereich I

Mittlerer Schulabschluss Mittlere Schule 3 Jahre Grundschule 6 Jahre

Allgemeinbildendes Schulsystem

Berufsqualifiziere Bildungsgänge

tertiäre Bildungsgänge

Name des Abschlusses

Postsekundäre, nicht-tertiäre Bildungsgänge

Abbildung 9: Berufsbildungssystem des Iraks seit 2001/2002 (BQ-Portal 2018b)

Ergebnisse und Konsequenzen Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse der Experteninterviews anhand der vier Kernbereiche folgendermaßen darstellen.

115

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Schule & Bildung •

Frühe Bildung: o Kindergartenbesuch möglich, jedoch nicht so häufig wie in Deutschland o Keine Verpflichtung zum Besuch des Kindergartens vorhanden o Dauer des Kindergartenbesuchs sehr unterschiedlich



schulische Bildung: o Schulpflicht: 1. bis 9. Klasse; o Im Anschluss besteht die Möglichkeit weiterführende Schulen (Allgemeine Oberstufe → Allgemeine Hochschulreife, Technische Sekundarschule → Abschluss der Sekundarstufe) zu besuchen o Klassen können bei schlechten Zensuren wiederholt werden; über die Anzahl der Wiederholungen entscheidet zum Teil die Regierung



Berufliche Bildung o Keine duale Ausbildung o Arbeiten während des Schulbesuchs ist sehr häufig

Bewertungssystem •

Abschlüsse und Schulnoten o 2-3 schriftliche Prüfungen pro Halbjahr o Abschließende Prüfung am Ende des Schuljahres o Noten und Punkte (Noten von 1 bis 10 in Klasse 1 bis 6, Punkte/Prozent ab der 7. Klasse)



Relevanz schulischer Leistungen: o Zugangsbedingung für weiterführende Bildung bzw. Arbeitswelt o Ansehen in Familie und Gesellschaft

(Mathematik-)Unterricht •

Abschlüsse und Schulnoten o Abschlüsse werden durch zentrale Prüfungen ermittelt o Schulnoten setzen sich aus verschiedenen schriftlichen Leistungen zusammen



Lerninhalte Mathematik: o Arithmetik o Geometrie o Funktionale Zusammenhänge o Aufgaben zum Teil auch situations- und anwendungsbezogen

Familie •

Lebensumfeld o o o

Zusammenleben in der Familie ländlich zum Teil noch in Form von Großfamilien bzw. Familienverbänden städtisch zum Teil in Kleinfamilien

116

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes





schulische Bildung der Eltern: Bildungsabschlüsse entsprechend des Bildungssystems (s. Abbildung 8, Abbildung 9)

landesspezifischen

Beruf der Eltern Beruf der Eltern stellt Chancen für Kinder dar (Zugang zu Bildung, Einstellung zu Bildung)

Weiteres •

Personenbezogene Angaben: o Unterscheidung zwischen männlichem und weiblichem Geschlecht (weitere Formen der Geschlechteridentität sind unüblich und können zu Ablehnung bzw. Irritation führen) o Herkunft: Unterscheidung zwischen Volkszugehörigkeit und Nationalität o Zum Teil als Migranten in Syrien lebend



Sprache: o Muttersprache/Herkunftssprache → Begriff der Muttersprache ist bekannt o die Frage nach der „Erstsprache“ sollte jedoch umschrieben werden, da z.T. mehrere Erstsprachen erworben werden o Bildungssprache: Hocharabisch o Alltagssprache: je nach Volkszugehörigkeit (dialektale Form des Arabischen bzw. andere Erstsprache)



Mehrsprachigkeit: o Zum Teil unterschiedliche Erst- und Bildungssprachen (kurdisch/arabisch) o Fremdsprachunterricht (Englisch) in der Schule



Arabische Ziffern: o Indisch-arabische Ziffern: 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 0 o Modern-arabische Ziffern: o Beide werden in der Schule und im Alltag verwendet

١,٢,٣,٤,٥,٦,٧,٨,٩,٠

Die Ergebnisse der Experteninterviews konnten entscheidend zur Entwicklung der innerhalb der Studie verwendeten Fragebögen beitragen. Besonders hinsichtlich der Formulierungen und der zu erfragenden Inhalte wirkten sich die Ergebnisse auf die Auswahl der Fragen aus bereits vorhandenen Materialien aus.

5.2.2 Fragebogenentwicklung „Der Begriff der empirischen Befragung als sozialwissenschaftliche Methode meint, dass eine klar strukturierte sprachliche Vorgabe verwendet wird, um Antworten von den befragten Personen zu erhalten“ (Röder & Müller 2015, 81).

117

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Röder und Müller zufolge haben Befragungen, gleich ob schriftlich oder mündlich, zum Ziel anhand identischer Fragen Informationen zur Beantwortung der Forschungsfrage zu generieren. Durch das einheitliche und objektive Vorgehen bei der Befragung sollen die Informationen allgemeingültig, authentisch und replizierbar sein. Bei der Entwicklung der für die hier vorliegende Untersuchung geplanten Fragebögen wurde beachtet, dass sich die Fragen für alle drei Stichprobengruppen einsetzen lassen und die Befragung objektiv und unabhängig von der durchführenden Person ist. Im Folgenden wird die Entwicklung der verwendeten Fragebögen genauer betrachtet. Zum einen werden die Kategorien des Fragebogens zur Erfassung bildungsbiografischer, sprachlicher und soziokultureller Aspekte (BiSSoz) anhand der in Kapitel 3.3 aufgeführten theoretischen

Grundlagen

beschrieben.

Zum

anderen

wird

der

Fragebogen

zur

mathematikbezogenen Vorstellung, basierend auf der Arbeit von Gogolin et al. (2004), beschrieben und die zielgruppenspezifische Anpassung anhand der Ergebnisse der Experteninterviews und der Pilotierung dargestellt.

Fragebogen zur Erfassung der mathematikbezogenen Vorstellung (Beliefs) Zur Erfassung der mathematikbezogenen Vorstellungen wurde der Fragebogen aus dem Forschungsprojekt ‚Mathematiklernen im Kontext sprachlich-kultureller Diversität‘ (Gogolin et al. 2004) als Grundlage verwendet. Die Befragung der deutschsprachigen Schüler hinsichtlich ihrer mathematikbezogenen Vorstellungen im Rahmen der Pilotierung machte deutlich, dass die Fragen des bereits vorliegenden Instrumentes für die Zielgruppe zu allgemein und zu unspezifisch formuliert sind. Zudem

führten

die

zum

Teil

sehr

bildungssprachlichen

Formulierungen

zu

Missverständnissen. Der Fragebogen konnte daher nicht ohne Anpassungen eingesetzt werden. Es erfolgte die Adaption der Fragen, basierend auf dem Fragebogen zum mathematischen

Weltbild

(Grigutsch

1996)

und

dem

Leitfaden

zur

Erfassung

mathematikbezogener Vorstellungen von Deseniss (2015). Mathematikbezogene Vorstellungen (resp. Beliefs; s. Abschnitt 3.2.3) wurden anhand eines Fragebogens erfasst, der Items zu den Konstrukten ‚Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene‘, ‚Selbstbild als Mathematiklernende‘ sowie ‚Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene‘ beinhaltet. Abbildung 10 zeigt die Teildimensionen der genannten Konstrukte und die dazugehörigen Indikatoren (Fragen).

118

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Konstrukte

Teildimensionen

Indikatoren Frage 1a

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene

Selbstbild als Mathematiklernende

Vorstellungen über das Wesen von Mathematik (VoWe)





Frage 1b Frage 10 Frage 11 Frage 5

Vorstellungen über die Ursachen und Bedingungen mathematischer Kompetenz und Leistung (VoUB)



Einschätzung mathematischer Kompetenz (MaKo)



Frage 8 Frage 9 Frage 4 Frage 3

 Einstellung zur Mathematik (EMa)



Frage 12 Frage 13 Frage 14

Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene



Frage 2a

Vorstellungen über Präsenz, Bedeutung und Nutzen der Mathematik (VoPBN)



Vorstellungen über guten Mathematikunterricht (VoMu)



Vorstellungen über das Verhältnis von Mathematik und Sprache sowie Kultur (VoVe)



Frage 2b Frage 2c Frage 15a Frage 15b Frage 6 Frage 7

Abbildung 10: Fragebogen Schema des Beliefs Fragebogens

Der Fragebogen setzt sich aus insgesamt 19 Fragen und Teilfragen zusammen. Die Items bestehen überwiegend aus offenen Fragen, um mögliche kulturelle Unterschiede nicht durch vorformulierte Antwortmöglichkeiten zu begrenzen. Die Verwendung offener Fragen bei den zu erfassenden Inhalten hat sich bereits im Projekt Mathematiklernen im Kontext sprachlichkultureller Diversität von Gogolin et al. (2004) als zielführend erwiesen. Darüber hinaus werden Stichworte vorgegeben, zu denen die Befragten Stellung nehmen können. Skalierte Fragen werden eingesetzt, um zur Ermittlung persönlicher Meinungen beizutragen. Im Folgenden wird zur Illustration pro Format ein Beispiel angeführt:

119

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Fragen mit einem Antwortkästchen Denke an das Wort „Mathematik“. Welche Stichworte fallen dir zuerst ein?

Fragen mit einer Skala Findest du es sinnvoll, dass man so viele Stunden Mathematik in der Schule hat? sehr sinnvoll ------------------------ nicht sinnvoll X

 keine Antwort

Antworten mit einem Pfeil Findest du es sinnvoll, dass man so viele Stunden Mathematik in der Schule hat?

X sehr sinnvoll ------------------------ nicht sinnvoll

 keine Antwort

Begründe deine Antwort kurz.

Fragen zu vorgegebenen Stichworten Hat dieses Stichwort etwas mit Mathematik zu tun? ja nein Begründe kurz. Formeln

 X



Für die Durchführung des Fragebogens auf Arabisch liegt eine unabhängige Instruktion und Handlungsanweisung vor. Der Fragebogen auf Deutsch beinhaltet, entsprechend der Durchführungsreihenfolge der Erhebung auf Arabisch, erst den Beliefs- und dann den BiSSozFragebogen. Die Instruktion beschreibt daher die Frageformate beider Fragebögen. Die allgemeine Instruktion ist identisch. Der Testleiter bespricht diese nach einer kurzen Begrüßung mit den Teilnehmern. Auch während der Befragung können die Teilnehmer Rückfragen stellen. Die Auswertung der Pilotierung des Fragebogens auf Arabisch zeigt, dass die Befragten zu den Items Stellung nehmen können und somit Inhalte zu den erfragten Teildimensionen erfasst werden können (s. Abschnitt 5.3).

120

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Fragebogen zur Erfassung bildungsbiografischer, sprachlicher und soziokultureller Aspekte (BiSSoz) Anhand der Ergebnisse der Interviews und basierend auf den Veröffentlichungen des Informationsportals für ausländische Berufsqualifikation (BQ) sowie verschiedenen bereits vorliegenden Forschungsarbeiten wurde ein Fragebogen zur Erfassung der persönlichen, bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Daten zusammengestellt. Als Grundlage zur Formulierung der Items dienten hierbei der Fragebogen zur Sprach- und Bildungsbiografie von Baumann und Riedl (2016), der bereits bei einer ähnlichen Zielgruppe eingesetzt wurde, und der Fragebogen zur Erhebung migrationsbiografischer, sprachlicher und sozio-ökonomischer Hintergründe aus dem Projekt von Gogolin et al. (2004), der mit dem Fokus auf Schüler mit Migrationshintergrund entwickelt wurde. Ergänzend werden zur Orientierung auch die Schülerfragebögen der PISA-Studie (OECD & BIFIE 2012) hinzugezogen. Den Erwerb mathematischer Kompetenzen beeinflussen neben individuellen, personenbezogenen Faktoren auch soziale, kulturelle und bildungsbiografische Aspekte (s. Abschnitt 3.3.1). Ebenso zeigten die Ergebnisse der Experteninterviews Ähnlichkeiten aber auch Unterschiede hinsichtlich dieser Aspekte im Vergleich zwischen deutschen und arabischen Ausgangsbedingungen. Der BiSSoz Fragebogen beinhaltet daher Fragen zu den Konstrukten sozioökonomische Rahmenbedingungen, Bildungsbiografie sowie Herkunft und Migration (shintergrund). Ergänzt werden diese Konstrukte um den Sprachhintergrund der Befragten (s. Abschnitt 3.3.2). Hierin sind Fragen enthalten, die Selbstauskünfte über die Mehrsprachigkeit der Befragten, die in unterschiedlichen Situationen verwendeten Sprachen sowie den Erwerb der deutschen Sprache geben. Abbildung 11 zeigt das dem Fragebogen zugrundeliegende Schema. Jedes Konstrukt teilt sich in verschiedene Dimensionen auf, die wiederum durch konkrete Items des Fragebogens erhoben werden. Die markierten Felder zeigen Fragen, die nur im arabischsprachigen Fragebogen enthalten sind. Der Begriff der Bildung in Deutschland bezieht sich bei den Neuzugewanderten auf die aktuelle Bildungssituation, während sich alle übrigen Fragen auf die Zeit im jeweiligen Heimatland beziehen. Die Fragen zur Bildungsbiografie bei den deutschsprachigen Zielgruppen beziehen sich vollständig auf deren Bildung in Deutschland. Neben den aufgeführten 32 Fragen, beinhaltet der Fragebogen zwei Fragen zu persönlichen Informationen: Geschlecht und Geburtsdatum. Die Items setzen sich aus offenen und geschlossenen

Frageformaten

zusammen.

Um

auch

Inhalte

zu

erheben,

deren

Antwortumfang vorab nicht eindeutig zu beurteilen war, und um kulturell geprägte Antwortvorgaben zu vermeiden, wurden auch Kombinationen aus offenen und geschlossenen Fragetypen genutzt.

121

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Konstrukte

Teildimensionen Lebensumfeld (LeU)

Indikatoren 

Frage 248 Frage 25 Frage 28

Sozioökonomische Rahmenbedingungen



Schulische Bildung der Eltern (SchuBE)



Frage 29 Frage 32 Frage 33

Beruf der Eltern (BeruBE)



Frühe Bildung (FrüB)



Frage 27 Frage 31 Frage 10 Frage 11* Frage 12

Schulische Bildung (SchuB)

Bildungsbiografie





Frage 13a Frage 13b & c* Frage 14 Frage 15*

Berufliche Bildung (BeruB)



Bildung in Deutschland (BDe)



Herkunft (HerP)



Frage 34 Frage 8* Frage 9 Frage 3 Frage 4 Frage 5

Herkunft/ Migrationshintergrund



Herkunft der Eltern (HerE)



Migration (FluM)



Mehrsprachigkeit (MSp)



Frage 26 Frage 30 Frage 6* Frage 7 Frage 21 Frage 16 Frage 20

Sprachverwendung (SV)

Sprachhintergrund





Frage 21 Frage 22 Frage 23 Frage 17*

Deutsch-Erwerb (DE)*



Frage 18* Frage 19*

* Fragen, die nur im arabischsprachigen Fragebogen enthalten sind Abbildung 11: Fragebogen Schema des BiSSoz Fragebogens 8

Aufgrund von Unschärfen in der Übersetzung werden die gewonnenen Daten dieser Frage nicht genutzt

122

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Im Folgenden wird zur Illustration pro Format ein Beispiel angeführt: Fragen mit vorgegebenen Antworten Bist du in deinem Heimatland zur Schule gegangen?  ja  nein X Hast du in deinem Heimatland den Kindergarten besucht?  ja, länger als ein Jahr

 ja, ein Jahr oder kürzer

 nein X

Fragen mit einem Antwortfeld Wo bist du geboren? Irak

.

Mischform Bist du nach dem mittleren Schulabschluss weiter zur Schule gegangen?

X  nein

 ja, auf die:

 keine Angabe

Fragen mit Folgefragen: Hast du ein Deutschzertifikat?  X ja

 nein

 weiß nicht

Welches Niveau hat dein Deutschzertifikat  A1  A2  B1  B2 X

 weiß nicht

Um die Forderung nach Objektivität zu gewährleisten und die im Fragebogen enthaltenen Frageformate zu erklären, findet sich zu Beginn eine Instruktion. Diese geht der Testleiter, nach einer kurzen Begrüßung, mit den Teilnehmern vorab durch. Auch während der Befragung können die Teilnehmer Rückfragen stellen. Die Auswertung der Pilotierung des Fragebogens zeigte, dass die Items Inhalte zu den erfragten Teildimensionen erfassen und sich die bildungsbiografischen und sprachlichkulturellen Aspekte gut abbilden lassen. Die Auswertung der bearbeiteten Fragebögen der arabischen Probanden ergab darüber hinaus, dass nicht alle syrischen Schüler als Erstsprache Arabisch gelernt haben. Vielmehr waren fünf der sieben befragten Schüler kurdischer Volkszugehörigkeit mit der somit resultierenden Erstsprache Kurdisch (s. Abschnitt 5.3). Somit zeigt sich hinsichtlich der Teilnahme an der Studie, dass Arabisch nicht unbedingt die Erstsprache der Probanden sein muss. Wichtiger ist, dass der Schulbesuch und somit der (Schrift-)Spracherwerb der Bildungssprache auf Arabisch stattgefunden hat. Der Fragebogen wurde entsprechend in allen auf Syrien angepassten Fragen verallgemeinert und die

123

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Zielgruppe unabhängig von einem konkreten Herkunftsland um alle arabischsprachigen Schüler erweitert, deren Bildungssprache Hocharabisch ist.

5.2.3 Stichwort: Erhebungssprache Ziel der hier vorliegenden Untersuchung ist die Betrachtung mathematischer Kompetenzen von

neuzugewanderten

Schülern,

deren

Sprachstand

im

Deutschen

auf

ganz

unterschiedlichen Niveaus rangiert. Hierzu wurde die Erhebung je Zielgruppe auf unterschiedlichen

Sprachen

durchgeführt.

Die

deutschsprachigen

Teilnehmer

der

Stichprobengruppen DA und DB erhielten alle Testmaterialien und Instruktionen auf Deutsch. Die Erhebungssprache für die Untersuchung mit neuzugewanderten Teilnehmern war (Hoch-)Arabisch. Im Folgenden werden die Entscheidung hinsichtlich der Erhebungssprache begründet und methodische Überlegungen bezüglich der Adaption der vorliegenden Materialien beschrieben. Im darauffolgenden Abschnitt (5.2.4) erfolgt die ausführliche Darstellung des Vorgehens bei der Übersetzung.

Auswahl der Erhebungssprache Um die Durchführbarkeit der Studie zu gewährleisten, fand die Einschränkung auf eine nichtdeutsche Erhebungssprache statt. Hierbei wurde eine Sprache gesucht, die möglichst viele der Neuzugewanderten sprechen. Die Ergebnisse der Befragung von Baumann und Riedl (2015) zeigen, dass die Muttersprachen der Teilnehmer sehr unterschiedlich sind. Während Teilnehmer aus Afghanistan angeben Dari/Farsi und Paschto zu sprechen, stammen die Teilnehmer mit kurdischer Herkunftssprache aus Armenien, dem Irak und Syrien. Hierbei gilt zu beachten, dass einige Muttersprachen nicht den Amtssprachen der jeweiligen Länder entsprechen. Den Daten des BAMF zufolge stellen Syrien (22,0%), der Irak (9,3%) und Afghanistan (10,3%) die Herkunftsländer mit der höchsten Anzahl an Asylerstanträgen im ersten Quartal 2017 dar. Neben diesen zählen Eritrea, Iran (Islamische Republik), Somalia, Nigeria, Türkei, die russische Föderation und Guinea zu den zehn stärksten Herkunftsländern im Jahr 2017. Tabelle 6 zeigt die Herkunftsländer anhand der prozentualen Anzahl der Anträge im Jahr 2016 und 2017 (BAMF 2016; BAMF 2017). Ergänzend sind die Amtssprachen der Länder aufgeführt (s. Tabelle 6).

124

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Tabelle 6: Prozentuale Anzahl der Erstanträge der zehn stärksten Herkunftsländer 2016 und 2017

Januar bis März 2016 Anzahl der Erstanträge

Herkunftsland

50,3%

Januar bis März 2017 Amtssprache

Anzahl der Erstanträge

Herkunftsland

Amtssprache

Syrien

Arabisch

22,0%

Syrien

Arabisch

Irak

Arabisch; (Kurdisch)

10,3%

Afghanistan

Dari, Paschtu

11,4%

Afghanistan

Dari (Persisch), Paschtu

9,3%

Irak

Arabisch, (Kurdisch)

4,7%

Ungeklärt

6,3%

Eritrea

Tigrinja (Arabisch)

2,5%

Iran, (islamische Republik)

Persisch

4,5%

Iran (islamische Republik)

Persisch

1,9%

Albanien

Albanisch

3,6%

Somalia

Arabisch

1,6%

Pakistan

Englisch; Urdu

3,5%

Nigeria

Englisch

1,4%

Eritrea

Tigrinja; (Arabisch)

2,9%

Türkei

Türkisch

0,9%

Staatenlos

2,4%

Russische Föderation

Russisch

2,3%

Guinea

Französisch

14,6%

0,8% 9,8%

Serbien

Serbisch; Kroatisch; …

Sonstige

32,9%

Sonstige

Anhand der Daten des BAMF zeigte sich, dass im für die Untersuchung relevanten Zeitraum9 (2016 und 2017) die Erstanträge am häufigsten von Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, dem Iran und Eritrea gestellt wurden. In Afghanistan werden neben den zwei Amtssprachen verschiedene Dialekte und Minderheitensprachen verwendet. Arabisch wird hingegen sowohl im Irak als auch in Syrien und zudem in Eritrea neben Tigrinja als Amtssprache gesprochen. Mit Blick über diese Länder hinaus zeigt sich, dass Arabisch neben anderen Sprachen in 25 Ländern als Amtssprache gilt (Schmitt & Lee-Jahnke 2009). Auch andere Sprachen, so bspw. Kurdisch, stellen landesübergreifende Sprachen dar, die jedoch nicht Amts- oder am häufigsten gesprochene Sprachen sind (Baumann & Riedl 2015). Die Betrachtung der Amtssprache ist zudem relevant, da die schulische Bildung überwiegend in der jeweiligen Amtssprache stattfindet. Wie die Ergebnisse der Experteninterviews zeigen, findet der Schulunterricht in Syrien und im Irak auf Hocharabisch statt, während im alltäglichen Gebrauch, neben verschiedenen dialektalen Formen des Arabischen, auch andere Sprachen, wie Kurdisch, gesprochen Teilnehmer der Pilotierung besuchen im Jahr 2017 die VAB-O-Klasse an beruflichen Schulen. Teilnehmer der Stichprobe AR besuchen im Schuljahr 2017/2018 die VAB-O-Klasse an beruflichen Schulen. Hierbei ist zu beachten, dass zwischen der Erstantragsstellung und dem Besuch der Schule etwas Zeit vergeht. Unter den Schülern, die an der Studie teilnehmen, sind somit voraussichtlich die, die in den aufgeführten Zeiträumen den Antrag auf Asyl stellten. 9

125

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

werden. Um möglichst vielen Schülern die Teilnahme an der Untersuchung zu ermöglichen, fiel die Wahl der Erhebungssprache somit auf Arabisch. Berücksichtigt wurden hierbei die Besonderheiten verschiedener Dialekte und landesspezifischer Färbungen, wie sie innerhalb der Experteninterviews hervorgehoben wurden (s. Abschnitt 5.2.1).

Instruktionen und Erhebungsmaterialien Zur Objektivierung der Untersuchung wurden zu allen Erhebungsmaterialien allgemeine Instruktionen genutzt. Für die standardisierten Verfahren lagen bereits Instruktionen mit Beispielen zur Erläuterung der Items vor. Für die entwickelten Fragebögen wurden ebenfalls Instruktionen entworfen. Die Instruktionen wurden auf Deutsch konzipiert und ins Hocharabische übersetzt. Je nach Herkunft der Teilnehmer wurden die schriftlichen Instruktionen mündlich durch passende Umschreibungen ergänzt. Bei der Formulierung der Instruktionen wurde auf sprachliche Vereinfachungen geachtet, um komplexe Sätze zu vermeiden. Den Teilnehmern wurde freigestellt, ob sie ihre Antworten auf Deutsch oder Arabisch aufschreiben. Betont wurde, dass es nicht darum geht, wie gut die Teilnehmer Deutsch sprechen, sondern um die Antworten, unabhängig von der verwendeten Sprache. Das Erhebungsmaterial zur Erfassung der Intelligenz lag bereits seitens des Hogrefe Verlages auf Arabisch vor. KRW 9 und BiMa Sek 1 mussten hingegen ins Arabische übersetzt werden. Die Fragen des Fragebogens wurden so formuliert, dass kulturelle Einflüsse möglichst geringgehalten sind (s. Abschnitt 5.2.2). Wie sich anhand der Pilotierungsergebnisse bestätigten, war eine kulturelle Anpassung der Fragen nicht notwendig. Da die Übersetzung der Instruktionen, Erhebungsinstrumente und der aus der Untersuchung resultierenden Daten, ein zentrales Element des Projektes darstellen, wird im nächsten Abschnitt das Vorgehen bei der Übersetzung ins Arabische beschrieben. Zunächst erfolgt die Darstellung des Vorgehens im Allgemeinen, bevor die Übersetzung der einzelnen Instrumente hinsichtlich sprachlicher und kultureller Adaptionen genauer betrachtet wird. Abschließend wird das Vorgehen zum Umgang mit den auf Arabisch vorliegenden Daten beschrieben.

5.2.4 Übersetzung der Instruktionen, Instrumente und Daten Das Übersetzen von Testverfahren blickt auf eine lange Historie zurück. Besonders im Bereich der Intelligenzdiagnostik finden sich viele Verfahren, die – überwiegend aus dem angloamerikanischen Sprachraum – ins Deutsche übersetzt wurden. Auch die Items der internationalen Vergleichsstudien liegen in unterschiedlichen Sprachen vor. Zur Übersetzung von Verfahren ist es jedoch relevant, vorab das Ziel der Übersetzung und die Zielgruppe zu klären.

Zielgruppe

126

der

vorliegenden

Untersuchung

sind

die

arabischsprachigen

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Neuzugewanderten der Stichprobe AR. Ziel der Übersetzung ist es, die Erhebung in eine Sprache zu übertragen, die die erwartete Bildungssprache der Teilnehmer darstellt. Es handelt sich um Übersetzungen mit nur geringfügigen Adaptionen. Namen von Personen und verschiedene Themen, wie Freizeitaktivitäten und Gesellschaftsspiele, wurden beibehalten. Eine solche kulturelle Adaption der Aufgaben wurde, insbesondere bei den Aufgaben des BiMa Sek 1 gezielt nicht vorgenommen. Neben der Übersetzung der Instruktionen und Testverfahren wurde die Rückübersetzung, im Sinne einer Äquivalenzprüfung, durchgeführt. Vor der Pilotierung wurden die Übersetzungen der beauftragten Übersetzungsagentur inhaltlich und fachlich durch die arabischsprachigen Testleiter überprüft. Im Anschluss an die Pilotierung musste, durch doppelte Rückübersetzung, die Lösbarkeit der Aufgaben im Detail überprüft werden, um eine möglichst faire Bearbeitung für die arabischsprachige Zielgruppe zu ermöglichen.

Übersetzung und Adaption der Instruktionen Um die Erhebung innerhalb der arabischsprachigen Stichprobe auf Arabisch durchführen zu können, wurde die Übersetzung der Testverfahren vorgenommen. Hierzu erfolgte zunächst der Austausch mit Experten der GESIS in Mannheim, da diese bereits über vielfältige Erfahrungen mit der Übersetzung innerhalb von Erhebungen verfügen. Nach Absprache mit den Herausgebern erfolgte die Übersetzung durch eine zertifizierte Dolmetscherin der Agentur A.C.T-Übersetzungen ins Arabische sowie die anschließende Rückübersetzung zur Prüfung der Materialien. Übersetzt wurden die allgemeinen Instruktionen und die Verfahren BiMa Sek 1 und KRW 9 sowie die Fragebögen BiSSoz und Beliefs. Für die standardisierten Verfahren lagen bereits konkrete Handlungsanweisungen vor. Diese wurden nach leichter sprachlicher Anpassung ins Arabische übersetzt. Angepasst wurde im BiMa Sek 1 auf Deutsch ein Satz (s. Tabelle 7). Tabelle 7: Anpassung des BiMa Sek 1 auf Deutsch

Ursprüngliche Formulierung

Veränderte Formulierung

Bei einigen dieser Aufgaben kann es erforderlich sein, eine Berechnung zu zeigen oder in den Antworten

Wörter

oder

Zeichnungen

zu

Bei einigen dieser Aufgaben musst du eine



Berechnung zeigen oder in den Antworten Wörter oder Zeichnungen verwenden.

verwenden.

Übersetzung und Adaption der Testverfahren Die Gestaltung des Testmaterials für die arabischsprachige Stichprobe hinsichtlich möglicher sprachlicher und kultureller Adaptionen wurde basierend auf den Ergebnissen der

127

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Experteninterviews (Abschnitt 5.2.1) und unter der Berücksichtigung der methodologischen Überlegungen die Erhebungssprache betreffend (Abschnitt 5.2.3) vorgenommen. Bei der Überprüfung der Übersetzung der Aufgaben des BiMa Sek 1 wurden innerhalb der Handlungsanweisungen drei arabische Formulierungen verbessert. Innerhalb des Testheftes wurde bei verschiedenen Aufgaben Anpassungen vorgenommen, um das inhaltliche Verständnis der Aufgaben sicher zu stellen (s. Tabelle 8). Tabelle 8: Anpassung der Übersetzung des BiMa Sek 1

Aufgabe

Art der Überprüfung und ggf. Anpassung der Übersetzung

Deckblatt

Überprüfung des Titels und der Bezeichnungen der Leitideen

Aufgabe 3

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 4

Überprüfung einer Antwortmöglichkeit

Aufgabe 6

Überprüfung des Aufgabentitels und der Aufgabenstellung

Aufgabe 8

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 10

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 12

Überprüfung der Aufgabenstellung und der Antwortmöglichkeit

Aufgabe 13.2

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 14

Überprüfung der Aufgabenstellung und der Antwortmöglichkeit

Aufgabe 15

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 16

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 18

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 20

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 20.3

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 21.1

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 22.1

Überprüfung der Aufgabenstellung

Aufgabe 22.2

Überprüfung der Aufgabenstellung

Die Items wurden im Detail überprüft und zum Teil adaptiert, wenn die Rückübersetzungen der Agentur und der arabischsprachigen Testleiter deutliche Unterschiede aufwiesen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine arabische Version des Testheft 1 erstellt wurde, innerhalb derer folgendes beachtet wurde: •

Ziffern in indisch-arabischer Notation,



Keine kulturelle Adaption der Aufgaben (Im Rahmen der Instruktion erhalten die Teilnehmer den Hinweis, dass deutsche Namen (wie Beate und Frau Weiß) ins Arabische übertragen wurden,



Übersetzung aller schriftlichen Angaben unter doppelter Überprüfung der Übersetzung hinsichtlich der Aufgabeninhalte und des Aufgabenverständnisses (s. Abschnitt 5.2.3).

128

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

Innerhalb der Instruktionen und des Testmaterials des KRW 9 waren keine Anpassungen nötig. Hierbei wurde jedoch, basierend auf den Erkenntnissen der Experteninterviews und der Pilotierung, je eine Version mit modern-arabischen und mit indisch-arabischen Ziffern erstellt (s. Abschnitt 5.3.3). Den Teilnehmenden wurde erklärt, dass sie die Zahlen wählen sollen, mit denen sie schneller rechnen können, da zur Bearbeitung nur 3:30 Minuten zur Verfügung standen.

Modern-arabische Notation

Indisch-arabische Notation

Abbildung 12: Exemplarische Darstellung der verschiedenen Notationsformen des KRW 9-AR

Während der Entwicklung der Fragebögen wurde immer wieder an der Formulierung und Anordnung der Fragen gearbeitet. Die Fragen des Beliefs-Fragebogens wurden im Laufe der Pilotierung deutlich verändert. Neben der Anpassung der auf Syrien bezogenen Fragen wurden auch an anderen Items Ergänzungen vorgenommen (s. Tabelle 9).

Tabelle 9: Anpassung der Items und Übersetzungen des Beliefs Fragebogens

Item

Art der Überprüfung bzw. Anpassung

Handlungsanweisung Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Fragen zur Mathematik Frage 2b Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Frage 2c Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Fragen zum Mathematikunterricht Frage 1 Anpassung der Frage auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 2 Anpassung der Frage auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 4b Anpassung der Frage auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland

Auch innerhalb der Items des Fragebogen BiSSoz wurden Anpassungen vorgenommen. Insgesamt wurden für die Erhebung anhand der Erfahrungen der Pilotierung vier Items und zwei

Anmerkungen

ergänzt.

Aufgrund

der

Erweiterung

der

Auswahlkriterien

der

arabischsprachigen Teilnehmenden wurden 15 Items hinsichtlich Heimatlandes (statt Syrien) und Punktzahl (statt Note) angepasst (s. Tabelle 10).

129

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Tabelle 10: Anpassung der Items und Übersetzungen des BiSSoz-Fragebogens

Item

Art der Überprüfung bzw. Anpassung

Handlungs- Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung anweisung Anpassung der Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Allgemeine Fragen Frage 4 Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Frage 5 Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Frage 6 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 13c Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Fragen zur Schule Anmerkung Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Frage 10 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 11 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 13a Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 13b Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 13c Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland und Note → Frage 14 Punktzahl Frage 15 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Note → Punktzahl Fragen zu Sprache und Familie Frage 18 Ergänzung und Anpassung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Frage 20 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 21 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 22 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 23 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Anmerkung Ergänzung aufgrund der Erfahrungen der Pilotierung Fragen zu Beruf und Familie Frage 27 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland Frage 31 Anpassung des Items auf die Zielgruppe: Syrien → Heimatland

Die Anordnung der Fragen wurde im Anschluss an die Pilotierung noch einmal verändert und in die Kategorien allgemeine Fragen, Fragen zur Schule, Fragen zur Sprache und Familie, sowie Fragen zu Beruf und Familie gruppiert.

Übersetzung der erhobenen Daten Im Rahmen des auf Arabisch geführten Untersuchungsteils lagen die gewonnenen Daten zunächst primär in Arabisch vor. Für jedes Erhebungsinstrument wurde daher zunächst die Übersetzung der erfassten Informationen durch die beiden arabischsprachigen Testleiter durchgeführt.

Während

Testleiterin/Übersetzerin

A

die

gewonnenen

Daten

von

Testleiter/Übersetzer B vom Arabischen ins Deutsche übertrug, bearbeitete dieser ihre Daten. Die Antworten der offenen Aufgaben des BiMa Sek 1, sowie alle im Testheft enthaltenen Notizen der Teilnehmer, wurden direkt im Heft übersetzt. Der jeweils unbeteiligte Übersetzer prüfte hierbei die Übersetzung des anderen, um möglichen Mehrdeutigkeiten gerecht zu

130

5.2 Eingrenzung des Forschungsgegenstandes

werden. Ebenso verhielt es sich bei den KRW 9 Testheften. Für den CFT 20-R ist keine Übersetzung nötig, da die Teilnehmer keine Notizen machen konnten. Die Fragebögen wurden bei der Eingabe der Daten übersetzt. Während die einzelnen, kurzen Angaben des BiSSoz-Fragebogens direkt übersetzt wurden, wurde für die offenen Antworten des Beliefs-Fragebogens eine doppelte Übersetzung durchgeführt. Hierbei wurden die Antworten der Teilnehmer zunächst auf Arabisch erfasst, von beiden Testleitern übersetzt und anschließend auf Deutsch ausgewertet. Abweichende Übersetzungen wurden im Detail betrachtet und bei der Auswertung aufgrund möglicher Mehrdeutigkeiten entsprechend berücksichtigt.

131

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

5.3 Pilotierung Der vorliegende Abschnitt beschreibt zunächst die Zielsetzung der Pilotierung (5.3.1). Anschließend wird die Pilotierungsstichprobe näher beschrieben (5.3.2). Den Abschluss des Abschnitts bilden die Ergebnisse der Erprobung und die daraus abgeleiteten Konsequenzen (5.3.3).

5.3.1 Zielsetzung der Erprobung Aufgrund der Entwicklung, Adaption und Übersetzung der verwendeten Verfahren wurde der eigentlichen Erhebung die Erprobung vorgeschaltet. Hierbei wurde die Durchführbarkeit des Vorhabens in zwei Pilotgruppen geprüft. Während die Erprobung mit der deutschsprachigen Zielgruppe die Überprüfung des Designs im Gesamten als Schwerpunkt hatte, lag der Fokus bei der arabischen Durchführung darüber hinaus auch auf der Testfairness der Verfahren, der Nutzbarkeit der Übersetzungen und der Inhaltsvalidität der Fragebögen.

Neben Aspekten der

Bearbeitungsdauer

bei der

Beantwortung der Fragebögen wurde das Verständnis der Formulierungen konkret geprüft.

5.3.2 Pilotierungsstichprobe Die

Pilotierung

des

Forschungsdesigns

wurde

mit

einer

deutschen

und

einer

arabischsprachigen Stichprobe durchgeführt. Im Juni 2017 nahmen 15 deutschsprachige Schüler der 9. Klasse einer Gemeinschaftsschule und im Juli 2017 15 arabischsprachige Schüler aus verschiedenen VAB-O-Klassen teil. Die Anzahl der Teilnehmenden je Erhebungsinstrument variiert aufgrund der teilweise unsteten Anwesenheit (s. Tabelle 11). Tabelle 11: Anzahl der Teilnahme je nach Erhebungsinstrument

Teilnehmeranzahl Stichprobe PD (deutsch) Stichprobe PA (arabisch)

BiMa Sek 1

KRW 9

CFT 20-R

Fragebogen (Beliefs+BiSSoz)

Interview

15

15

15

15

1

15

15

310

7

4

Geringe Bearbeitungszahl aufgrund der Anzahl der verfügbaren Probelizenzen für die computerbasierte Fassung des CFT 20-R 10

132

5.3 Pilotierung

Die Zusammensetzung der Stichprobe hinsichtlich Alter, Geschlecht und Herkunft sowie die in der Familie überwiegend gesprochene Sprache (Familiensprache) ist in Tabelle 12 aufgeführt. In der arabischsprachigen Gruppe (PA) nahmen elf Schüler und vier Schülerinnen im Alter zwischen 17;411 und 20;1 Jahren teil. Die deutschsprachige Gruppe (PD) beinhaltete vier Schüler und elf Schülerinnen im Alter zwischen 14;11 und 16;9 Jahren. Während die Teilnehmenden der Gruppe PA alle aus Syrien zugewandert sind, stammen vier der 15 PDSchüler nicht aus Deutschland. Hinsichtlich der Familiensprachen zeigte sich eine deutliche Heterogenität. Obwohl alle PA-Teilnehmenden aus Syrien stammen, sprachen drei der sieben Schüler in der Familie kurdisch. Innerhalb der PD Gruppe sind neun verschiedene Familiensprachen zu verzeichnen. In vier Familien werden zudem zwei Sprachen gesprochen. Tabelle 12: Zusammensetzung der Pilotierungsstichproben

Code PA01

Sex M

Alter

Herkunft

(Jahre; Monate)

(Familiensprache)

17;6

Syrien (arabisch)

Code

Sex

PD01

W

W

PD02

W

16;2

PA03

M

PD04

W

15;6

PA04

W

PD05

W

15;7

PA05

W

PD06

W

14;11

PD07

W

15;7

PD08

W

15;2

PA06

M

18;8

Syrien (arabisch)

PA07

M

17;6

Syrien (kurdisch)

PA08

M

PD09

W

15;11

PA09

M

PD10

W

17;3

PA10

W

PD11

W

16;9

PA11

M

PD12

M

15;5

PD13

M

16;10

PD14

W

15;00

PA12

M

20;1

PA13

M

17;4

PA14

M

16;11

Syrien (kurdisch)

PD17

M

16;03

PA15

M

17;6

Syrien (arabisch)

PD18

M

14;11

11

(Familiensprache)

Marokko

17;4

PA02

Syrien (kurdisch) Syrien (arabisch)

Herkunft

Alter (Jahre; Monate)

(marokkanisch)

Deutschland (deutsch) Deutschland (russisch) Deutschland (deutsch) Deutschland (deutsch) Deutschland (deutsch) Deutschland (ungarisch/ deutsch) Deutschland (deutsch) Deutschland (deutsch/ somalisch) Pakistan (urdu) Deutschland (deutsch) Deutschland (deutsch) Spanien (deutsch) Frankreich (türkisch/ kurdisch) Deutschland (deutsch/ rumänisch)

Notation der Altersangabe: Jahr; Monat

133

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

5.3.3 Ergebnisse und Konsequenzen der Pilotierung

Im Anschluss an die Durchführung der Pilotierung erfolgte die Auswertung. Die Ergebnisse der deutschen Stichprobe konnten bereits für die Pilotierung auf Arabisch genutzt werden. So wurde u.a. die Veränderung des Fragebogens zu den mathematikbezogenen Vorstellungen aufgrund zu abstrakter und allgemein formulierter Fragen vorgenommen. Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse und Erfahrungen beim Einsatz der standardisierten Verfahren beider Testgruppen dargestellt. Anschließend erfolgt die Darstellung der Ergebnisse und Erfahrungen bei der Bearbeitung der Fragebögen. Die Ergebnisse der standardisierten Verfahren BiMa Sek 1, KRW 9 und CFT 20-R sind in Tabelle 13 aufgeführt. Zu beachten ist, dass die Ergebnisse beider Probandengruppen an den vorliegenden deutschen Normen gemessen wurden. Tabelle 13: Ergebnisse der standardisierten Testverfahren beider Zielgruppen

Deutschsprachige Zielgruppe (PD)

Arabischsprachige Zielgruppe (PA)

BiMa Sek 1

KRW 9

CFT 20-R

BiMa Sek 1

(Kompetenzstufe)

(T-Wert)

(IQ-Wert)

(Kompetenzstufe)

KRW 9 CFT 20-R (T-Wert)

PD10

1

32

72

PA01

1

28

PD11

1

32

60

PA05

1

28

PD05

2

35

77

PA10

1

28

PD12

2

37

106

PA12

1

28

PD14

2

38

102

PA13

1

28

PD18

2

38

90

PA02

1

30

PD17

2

39

81

PA03

1

30

PD07

2

40

93

PA08

1

30

PD01

2

41

84

PA14

1

30

PD04

3

38

100

PA04

2

28

PD06

3

37

111

PA07

2

30

PD09

3

40

92

PA06

2

34

PD13

3

44

86

PA09

2

35

PD02

3

46

105

PA11

2

30

PD08

4

37

97

PA15

3

45

(IQ-Wert)

88

76

93

Ergebnisse des BiMa Sek 1 Bei der Beurteilung der mathematischen Kompetenzen erreichen die deutschsprachigen Teilnehmer überwiegend die Kompetenzstufe 2 und 3. Zwei Teilnehmer zeigen Leistungen auf dem Niveau der Stufe 1 und ein Teilnehmer erreicht die Kompetenzstufe 4. Die arabischsprachige Testgruppe zeigt überwiegend Leistungen, die den Kompetenzstufen 1 und

134

5.3 Pilotierung

2 entsprechen, wobei ein Teilnehmer Kompetenzstufe 3 erreicht. Abbildung 13 zeigt die Verteilung der Anzahl richtig gelöster Aufgaben je Stichprobe.

Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang

Leitidee 5: Daten und Zufall

Leitidee 3: Raum und Form

Leitidee 2: Messen

Leitidee 1: Zahl

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 1 Prozent 2 Feriengeld 3 Blitz und Donner 4 Brüche vergleichen 5.1 Quersumme 5.2 Quersumme 6 Finanzierung 7 Rechteck 8 Saft 9 Fadenaufgabe 10 Winkel im Dreieck 11 Das unmögliche Dreieck 12 Viereck 13.1 Flächeninhalt und Formeln 13.2 Flächeninhalt und Formeln 14 Kongruent 15 Parallelogramm 16 Konstruktionsbeschreibung 17 Schlüsselbund 18 Würfel 19.1 Freizeitverhalten 19.2 Freizeitverhalten 20.1 Conflix 20.2 Conflix 20.3 Conflix 21.1 Streichholzaufgabe 21.2 Streichholzaufgabe 21.3 Streichholzaufgabe 22.1 Zwei Fässer 22.2 Zwei Fässer Stichprobe PA

Stichprobe PD

Abbildung 13: Übersicht über Anzahl richtig gelöster Aufgaben je Stichprobe

Die genaue Betrachtung der Mathematikaufgaben zeigt im Vergleich der beiden Zielgruppen die Tendenz, dass einige Aufgaben tendenziell eher gelöst werden als andere. Diese Verteilung zeichnet sich gleichermaßen in allen Leitideen ab. Bei einzelnen Aufgaben zeigen sich hingegen große Differenzen beim Vergleich der Anzahl der Probanden, von denen die Aufgaben gelöst wurde, wie bspw. bei den Aufgaben 4, 5, 17 sowie 20 und 21. Um hier sicher gehen zu können, dass nicht die Übersetzung der Aufgaben der Grund für diese Differenzen ist, wurde im Interview mit den arabischsprachigen Schülern

135

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

über alle Aufgaben des BiMa Sek 1 und über die Bearbeitung des KRW 9 gesprochen. Im Rahmen einer Rückübersetzung sollen im Sinne einer Äquivalenzprüfung die Sinnhaftigkeit von Wortwahl und Formulierungen der Aufgaben kritisch geprüft werden. Die erfassten Leistungen der beiden Testgruppen weisen darauf hin, dass die standardisierten Testverfahren, nach intensiver Überprüfung der Übersetzungen des BiMa Sek 1, für die Studie einsetzbar sind.

Ergebnisse des KRW 9 Die Ergebnisse des KRW 9 zeigen, dass sich das Konventions- und Regelwissen der deutschsprachigen Testgruppe in einem T-Wert-Bereich zwischen 32 und 46 bewegt. Die arabischsprachigen Teilnehmer erreichen einen T-Wert in einem ähnlichen Bereich von 28 und 45. Die Leistungen von zwölf der arabischsprachigen Teilnehmenden liegen im weit unterdurchschnittlichen Bereich (T-Werte ≤ 30), wohingegen nur zwei Teilnehmende unterdurchschnittliche (T-Werte 31-40) und ein Teilnehmer durchschnittliche Leistungen (TWerte 41-60) erreichen. Auch in der deutschsprachigen Testgruppe erreichen nur drei Teilnehmende durchschnittliche Leistungen, während die Ergebnisse der übrigen zwölf Teilnehmenden im unterdurchschnittlichen Bereich liegen.

Ergebnisse des CFT 20-R Die deutschsprachigen Teilnehmer erreichen im CFT 20-R IQ-Werte, die mit einer Spanne von 60 bis 111 IQ-Wert-Punkten ein sehr weites Spektrum aufzeigen. Die drei arabischsprachigen Teilnehmer liegen mit den IQ-Werten 76, 88 und 93 ebenfalls innerhalb dieses Spektrums. Im Detail zeigt sich, dass eine Teilnehmerin der deutschsprachigen Gruppe einen IQ-Wert erreicht, der mit 60 IQ-Wert-Punkten im weit unterdurchschnittlichen Bereich liegt. Der Intelligenzquotient von vier Teilnehmenden liegt im unterdurchschnittlichen Bereich, während die Leistung der übrigen zehn Teilnehmenden als durchschnittlich einzustufen ist. Zwei der drei Teilnehmer der arabischsprachigen Testgruppe erreichen ebenfalls durchschnittliche Leistungen, wohingegen die Intelligenz des dritten Teilnehmers als unterdurchschnittlich gilt.

Erfahrungen beim Einsatz des Fragebogens Beliefs Die

Teilnehmer

der

deutschsprachigen

Testgruppe

erhielten

zur

Beurteilung

der

mathematikbezogenen Vorstellung den Fragebogen, wie er in der quantitativen Studie von Gogolin et al. 2004 eingesetzt wurde. Aufgrund vielfältiger Nachfragen der Teilnehmer zeigte sich, dass die Formulierung der Fragen angepasst werden musste. Der Nutzen und die Notwendigkeit der insgesamt 19 Items zur Beurteilung von vorgegebenen Stichworten waren für die Teilnehmer nicht nachvollziehbar und minderten die Teilnahmebereitschaft deutlich. Hier wurde eine theoriegeleitete Auswahl der Stichworte, basierend auf den Dimensionen zur Beschreibung des Bildes von Mathematik nach Grigutsch (1996) vorgenommen (s. Abschnitt

136

5.3 Pilotierung

3.2.3). Zur Auswertung der Teilnehmerantworten konnten die bereits vorliegenden Kategorien der Studie (2004) genutzt und erweitert werden. Die arabischsprachigen Teilnehmer beantworteten zur Erfassung der mathematikbezogenen Vorstellung somit einen Fragebogen, der auf dem zuvor bei der deutschsprachigen Testgruppe

eingesetzten

Fragebogen

basiert,

jedoch

sprachlich,

anhand

des

Interviewleitfadens aus der qualitativen Studie von Deseniss (2015), und inhaltlich angepasst wurde. Hierbei zeigte sich, dass die Formulierungen der Fragen zwar zum Teil etwas befremdlich für die Teilnehmenden waren, jedoch grundsätzlich beantwortet werden konnten. Die Reduktion der Stichworte erwies sich als zielführend, da sich die Teilnehmer die Zeit nahmen, ihre Entscheidungen zu begründen. Die arabische Version des Beliefs-Fragebogens wurde anhand der Erfahrungen der Pilotierung sprachlich erneut hinsichtlich einfacher und verständlicher Formulierungen überprüft und eine entsprechende deutsche Version für den Einsatz in den Vergleichsstichproben DA und DB erstellt. Insgesamt

lassen

sich

die

mathematikbezogenen

Vorstellungen

anhand

des

Fragebogenschematas (s. Abschnitt 5.2.2) innerhalb der drei Konstrukte und sieben Teildimensionen mit ein bis vier Indikatoren beschreiben. So ist es möglich die Konstrukte detailliert und zielgruppenspezifisch zu betrachten.

Erfahrungen beim Einsatz des Fragebogens BiSSoz Die Pilotierung des deutschen und arabischen BiSSoz Fragebogens zeigte, dass die Teilnehmer die Fragen verstehen und beantworten können. Eine erste Codierung konnte für die Antworten der beiden Testgruppen erstellt werden. Die Items des deutschen Fragebogens zeigten, dass einzelne Formulierungen angepasst werden mussten. Die Antwortmöglichkeiten für die Schulabschlüsse der Eltern werden umgangssprachlicher formuliert. Die Frage bezüglich des Tätigkeitsbereichs der Eltern im Beruf wurde von den deutschsprachigen Teilnehmern sehr vage beschrieben und ist zum Teil nicht bekannt. Diese Frage wurde ersetzt durch eine Frage zum beruflichen Werdegang. Der Begriff der Volkszugehörigkeit wurde im Deutschen durch Nationalität ersetzt, da dieser für die Teilnehmenden verständlicher ist und sich dennoch gleichermaßen von Staatsangehörigkeit unterscheidet. Anhand der Pilotierung des arabischen Fragebogens zeigte sich, dass einzelne Items der erneuten Überarbeitung bedürfen. Hierzu zählen vor allem die Fragen nach den Schulnoten. Das zuvor als skalierte Frage entworfene Design erwies sich in der arabischen Fassung als nicht funktionsfähig, da die Teilnehmer Leistungsrückmeldungen in Form von Punkten erhalten haben. Folglich werden die Fragen nach den Noten als offene Fragen gestellt, innerhalb derer die Schüler angeben, welche Punktzahl beziehungsweise Note sie zuletzt erhalten haben. Die

137

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Fragen zum Bereich Sprache ermöglichen es ein auf individuelle Einschätzungen der Teilnehmer beruhendes Sprachprofil abzubilden und so auf Mehrsprachigkeit und Herkunftsbeziehungsweise Erstsprache zu schließen. Insgesamt erweist sich der Fragebogen BiSSoz unter Berücksichtigung der Anpassungen hinsichtlich der Items im Bereich Schule als einsatzfähig. Im Anschluss an die Adaption dieser Items wurde der Aufbau des Fragebogens noch einmal vollständig betrachtet und strukturiert. Die im Rahmen der Pilotierung vorgenommene Codierung wird für die Auswertung der Erhebung induktiv ergänzt.

Organisation und Zeiteinteilung Die geplante Zeiteinteilung erwies sich als notwendig. Besonders für die Beantwortung der Fragebögen unterschied sich der Zeitbedarf der arabischsprachigen Teilnehmer deutlich von dem der deutschsprachigen Teilnehmenden. Die Fragebögen wurden von den arabischsprachigen Teilnehmenden im Anschluss an die standardisierten Verfahren nach einer Pause bearbeitet. Am ersten Erhebungstermin wurden der CFT 20-R Arabic sowie der Fragebogen Beliefs eingesetzt, gefolgt von BiMa Sek 1 und KRW 9 und dem Fragebogen BiSSoz am zweiten Erhebungstermin (s. Abschnitt 5.1). Im Gegensatz dazu konnte die deutschsprachige Gruppe die beiden Fragebögen an einem Termin beantworten. Hierbei ist zu beachten, dass der Umfang des BiSSoz-Fragebogens für die deutschsprachigen Teilnehmer um die Fragen zum Thema Flucht reduziert wurde (s. Abschnitt 5.2.2). Auch hier wurde zwischen der Bearbeitung des CFT 20-R und dem Fragebogen, bestehend aus Beliefs und BiSSoz, eine Pause gemacht. Die angegebene Bearbeitungszeit für die standardisierten Verfahren konnte, je nach Ausführlichkeit der Instruktion, eingehalten werden. Der geplante Erhebungsverlauf wurde daher für die Durchführung der Untersuchung an die jeweils benötigte Zeit angepasst (s. Abschnitt 5.4.2).

Sprachliche Konsequenzen der Pilotierung Die Auswertung der Pilotierung zeigte, dass hinsichtlich der Formulierung der Items innerhalb der Fragebögen und der Übersetzung der Erhebungsverfahren darauf zu achten war, dass die Items leicht verständlich sind und bei der Übersetzung keine wesentlichen Inhalte verloren gehen. Sprachlich zeigte sich, dass die Wahl des Hocharabischen als Erhebungssprache zielführend ist, da sowohl die Teilnehmer mit arabischer Erstsprache als auch die Teilnehmer mit Erstsprache Kurdisch an der Untersuchung teilnehmen konnten. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Instruktionen und die damit verbundene Möglichkeit zum Stellen von Rückfragen notwendig sind, um den Zweck der Teilnahme und die zum Teil eher ungewöhnliche Form der Items (offene Fragen) zu erklären. Auch während der Erhebung erhielten die Teilnehmer die

138

5.3 Pilotierung

Möglichkeit, Rückfragen zu stellen. Inhaltliche Fragen wurden nicht beantwortet. Rückfragen zu beantworten diente an dieser Stelle dazu Verständnisschwierigkeiten zu verringern. Zusammenfassend konnte die Methodenentwicklung anhand der Ergebnisse der Pilotierung finalisiert werden. Zur Durchführung der Erhebung wurden die Fragebögen weiterentwickelt und die Übersetzungen im Detail angepasst. Adaptionen der standardisierten Verfahren wurden für den CFT 20-R und beide Versionen des KRW 9 nicht vorgenommen. Im BiMa Sek 1 wurden einige Übersetzungen hinsichtlich des inhaltlichen Verständnisses der Aufgaben angepasst. Die Fragebögen wurden verallgemeinert und in die Erhebungssprache übersetzt. Ebenso wie bei der Übersetzung der standardisierten Testverfahren wurde hierbei eine Äquivalenzprüfung durchgeführt (s. Abschnitt 5.2.3).

139

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

5.4 Quantitative Erhebung

Zur Beschreibung der durchgeführten quantitativen Erhebung, im Sinne der ersten Phase der Untersuchung, erfolgt zunächst die Beschreibung der Stichprobe (5.4.1). Hierunter werden neben detaillierten Informationen über die Zusammensetzung auch Angaben zur Rekrutierung aufgeführt.

Anschließend

werden

die

organisatorischen

Rahmenbedingungen

der

Durchführung dargelegt. Neben konkreten Angaben zur Bearbeitung der Erhebungsverfahren, wie zur Verfügung stehende Materialien und Testzeiten, werden allgemeine Aspekte beschrieben, wie die Dauer und Anzahl der Pausen sowie die Testreihenfolge (5.4.2).

5.4.1 Stichprobenbeschreibung Vorab sei kurz dargestellt, dass die Studie, um den interkulturellen Vergleich zu ermöglichen, mit drei Probandengruppen12 durchgeführt wurde: •

arabischsprachigen Schülern im Alter von etwa 16-20 Jahren, die zum Zeitpunkt der Erhebung eine VAB-O-Klasse besuchen (Stichprobe AR)



deutschsprachigen Schülern im Alter von etwa 14-16 Jahren am Ende des Besuchs der 9. Klassenstufe (Stichprobe DA)



deutschsprachigen Schülern im Alter von 16-20 Jahren, die zum Zeitpunkt der Erhebung die VAB-Klasse besuchen (Stichprobe DB)

An der Studie konnten alle Schüler in der Zielgruppe (Stichprobe „Arabisch“; kurz: Stichprobe AR) teilnehmen, die überwiegend im Zeitraum zwischen 2015 bis 2017 nach Deutschland migriert sind, zum Zeitpunkt der Erhebung an beruflichen Schulen in Kursen des Übergangssystems unterrichtet wurden und Arabisch lesen, schreiben und sprechen können. Als Probanden kamen somit alle Schüler infrage, die aus dem arabischsprachigen Raum zugewandert sind. Dies umfasste – so zu erwarten – überwiegend Neuzugewanderte aus Syrien, dem Irak und Ägypten, aber möglicherweise auch Jordanien, Israel und dem Libanon. Die Studie wurde mit Schülern an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in 22 Städten Baden-Württembergs durchgeführt. Im Rahmen der quantitativen Erhebung wurden als Teilnehmer der Zielgruppe insgesamt 169 Teilnehmer gewonnen, wovon 148 an beiden Erhebungsterminen anwesend waren (s. Tabelle 14). Für den Vergleich zwischen arabischsprachigen und deutschsprachigen Probanden wurden zwei Vergleichsgruppen gewonnen. Einerseits erfolgte die Durchführung mit 152 deutschsprachigen Probanden der 9.

12

Lesehinweis: Farbschema der Stichproben AR: orange; DA: blau; DB: lila

140

5.4 Quantitative Erhebung

Klasse (Stichprobe „Deutsch – Allgemeine Bildung“; kurz: Stichprobe DA), wovon 141 an beiden Testzeitpunkten teilgenommen haben. Um eine ausgewogene Vergleichsgruppe zu erhalten, waren sechs Klassen der Schulformen Gymnasium (1 Klasse), Real-(2 Klassen), Gemeinschafts-(2 Klassen) und Werkrealschule (1 Klasse) beteiligt. Andererseits wurden Schüler der beruflichen Schulen gesucht, die zum Zeitpunkt der Erhebung ebenfalls wie die Teilnehmenden der arabischsprachigen Stichprobe ein Bildungsangebot des sogenannten Übergangssystems besuchten (Stichprobe „Deutsch – Berufliche Bildung“; kurz: Stichprobe DB). Hierzu wurden 139 Probanden aus 12 Klassen von sechs Berufsschulen gewonnen, von denen 124 vollständig an der Studie teilgenommen haben. Tabelle 14: Übersicht über die Anzahl der Teilnehmenden je Stichprobe

Teilnehmerzahlen Gesamtzahl der Teilnehmenden Vollständige Teilnahme Unvollständige Teilnahme

Stichprobe AR 169 148 21

Stichprobe DA 150 141 9

Stichprobe DB 139 124 15

Gesamt 458 413 45

Im Folgenden werden bei der Beschreibung der Stichproben die Teilnehmenden betrachtet, die an beiden Erhebungsterminen teilgenommen haben. Abbildung 14 veranschaulicht die Geschlechterverteilung der Teilnehmenden. Von den 148 Teilnehmenden der Stichprobe AR handelt es sich um 101 Teilnehmer und 47 Teilnehmerinnen. Die Stichprobe DA umfasst 86 Schüler und 55 Schülerinnen und die Stichprobe DB 77 Teilnehmer und 47 Teilnehmerinnen (s. Abbildung 14). Prozentual zeigt sich, dass in allen drei Stichproben zwischen 60% und 70% männliche Teilnehmende und zwischen 30% und 40% weibliche Teilnehmende als Probanden für die Studie gewonnen wurden. Die ungleiche Geschlechterverteilung innerhalb der Stichproben AR und DB spiegelt das Bild der Klassenzusammensetzungen innerhalb der VABund VAB-O-Klassen wider. Die Verteilung innerhalb der Stichprobe DA beruht hingegen auf einem Zufallseffekt, da aus allen Schulformen randomisiert 9. Klassen teilnahmen. Spezielle geschlechtergetrennte Klassen zählen nicht zu den Teilnehmenden. 150

101

86

100 50

77 55

47

47

0 Stichprobe AR

Stichprobe DA männlich

Stichprobe DB

weiblich

Abbildung 14: Verteilung der Geschlechter je Stichprobengruppe

141

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Das Alter der Teilnehmenden variiert stichprobenübergreifend von 14 Jahren und 3 Monaten bis hin zu 27 Jahren und 6 Monaten. Zur Berechnung des Alters wurde das Geburtsdatum in Relation zum Testzeitpunkt herangezogen, an dem der CFT 20-R durchgeführt wurde, da dieser Test anhand des Alters der Teilnehmenden ausgewertet wird. Innerhalb der Stichproben ist das Alter zum Teil ebenfalls sehr unterschiedlich. Abbildung 15, Abbildung 16 und Abbildung 17 verdeutlicht dies. Die Teilnehmenden der Stichprobe AR sind zwischen 14;11 und 27;0 Jahre alt. Eine Häufung zeigt sich im Altersbereich von 16;0 bis 19;11 innerhalb dessen 122 der 148 Teilnehmenden liegen. Diese Altersspanne entspricht auch den Altersangaben, die innerhalb der VAB-O-Klassen einzuordnen sind (s. Kapitel 2.3.2).). Fünf Teilnehmende sind jünger als 16;0 und 21 Teilnehmende sind bereits 20 Jahre alt oder älter. Das durchschnittliche Alter der arabischsprachigen Teilnehmenden liegt bei 18;0 Jahren. 50

39

40 30

40

22

21

20 10

10 1

4

2

4

2

2

1

0 14;0 bis 15;0 bis 16;0 bis 17;0 bis 18;0 bis 19;0 bis 20;0 bis 21;0 bis 22;0 bis 23;0 bis 24;0 bis ab 25;0 14;11 15;11 16;11 17;11 18;11 19;11 20;11 21;11 22;11 23;11 24;11 Abbildung 15: Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe AR innerhalb verschiedener Altersbereiche

Die Teilnehmenden der Stichprobe DA sind mit durchschnittlich 15;0 Jahren etwa drei Jahre jünger als die Schüler der Stichprobe AR. Das Altersspektrum variiert innerhalb dieser Gruppe zwischen 14;03 und 18;03 (s. Abbildung 16). Das Alter der überwiegenden Anzahl der Teilnehmenden (n= 115) liegt im Bereich von 14;0 und 15;11 Jahren. Von den 141 Schülern sind 26 bereits 16 Jahre alt oder älter, wobei keiner der Teilnehmenden älter als 18 Jahre ist. 76

80 70 60 50 40

39

30

19

20

6

10 0

1

0

0

0

0

0

0

0

14;0 bis 15;0 bis 16;0 bis 17;0 bis 18;0 bis 19;0 bis 20;0 bis 21;0 bis 22;0 bis 23;0 bis 24;0 bis ab 25;0 14;11 15;11 16;11 17;11 18;11 19;11 20;11 21;11 22;11 23;11 24;11

Abbildung 16: Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe DA innerhalb verschiedener Altersbereiche

142

5.4 Quantitative Erhebung

Innerhalb der Stichprobe DB zeigt sich eine Verteilung, die der Stichprobe AR ähnelt (s. Abbildung 17). Die Teilnehmenden sind zwischen 15;7 und 27;6 Jahren alt, wobei das durchschnittliche Alter bei 17;3 Jahren liegt. Der überwiegende Anteil der Schüler (n=96) ist zwischen 16;0 und 18;11 Jahren alt. Sieben Teilnehmende sind jünger als 16 Jahre, während 21 Teilnehmende bereits 19 Jahre alt sind oder älter. In den Altersbereichen 14;0 bis 14;11 und 24;0 bis 24;11 liegt keiner der 124 Teilnehmenden. 47

50 40

32

30 17

20 10 0

12

7

3

0

2

1

2

0

1

14;0 bis 15;0 bis 16;0 bis 17;0 bis 18;0 bis 19;0 bis 20;0 bis 21;0 bis 22;0 bis 23;0 bis 24;0 bis ab 25;0 14;11 15;11 16;11 17;11 18;11 19;11 20;11 21;11 22;11 23;11 24;11

Abbildung 17: Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe DB innerhalb verschiedener Altersbereiche

Bei der Betrachtung der Herkunft der Teilnehmenden wird deutlich, dass innerhalb der gesamten Stichprobe eine Vielzahl von Ländern vertreten ist. Insgesamt sind die Schüler in 34 verschiedenen Ländern geboren. Als Herkunftsland wird hier das Land benannt, in dem die Teilnehmenden geboren wurden. In der weiteren Analyse wird jedoch berücksichtigt, dass das Geburtsland und das Heimatland bzw. die empfundene Volkszugehörigkeit abweichen können. Die genaue Analyse ist in der Darstellung der Ergebnisse in Abschnitt 6.5.3 abgebildet. Die Teilnehmenden der Stichprobe AR kommen mehrheitlich aus Syrien mit einer Anzahl von 111. 27 der übrigen Teilnehmer wurden im Irak geboren und einzelne Schüler stammen aus weiteren Ländern des Nahen Ostens, wie dem Jemen, den Vereinigten Arabischen Emiraten und afrikanischen Ländern, wie Eritrea und Mauretanien (s. Abbildung 18).

Mauretanien

1%

Libyen

1%

Eritrea

1%

Algerien

1%

Vereinigte Arabische Emirate

1%

Saudi-Arabien

1%

Jemen

1%

Irak

18%

Syrien

75% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

Abbildung 18: Anzahl der Teilnehmer je Herkunftsland der Stichprobe AR in Prozent

143

80%

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Die Teilnehmenden der Stichprobe DA sind mehrheitlich mit einer Anzahl von 123 der 141 Schüler in Deutschland geboren. Vereinzelt vertreten sind, mit ein bis drei Teilnehmern, weitere europäische Länder wie Italien, Lettland und Polen, aber auch Länder des Nahen Ostens, wie Afghanistan und Syrien und des Fernen Ostens (Japan) (s. Abbildung 19). Gemäß der Definition (s. Abschnitt 2.1) besitzen mindestens 18 Schüler aufgrund der eigenen Migration selbst einen Migrationshintergrund.

Neuseeland

1%

Japan

1%

Iran

1%

Afghanistan

2%

Syrien

1%

Kosovo

1%

Türkei

1%

Slowakei

1%

Russland

1%

Rumänien

1%

Polen

1%

Lettland

1%

Italien

1%

Deutschland

87% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Abbildung 19: Anzahl der Teilnehmer je Herkunftsland der Stichprobe DA in Prozent

Innerhalb der Stichprobe DB sind mit 23 verschiedenen Ländern hingegen deutlich mehr Herkunftsländer vertreten (s. Abbildung 20). 70 Schüler sind in Deutschland geboren. Elf Teilnehmende stammen aus Syrien und 15 aus Afghanistan. Zehn Schüler sind in anderen europäischen Ländern geboren, wie Rumänien, Albanien oder Österreich. Neben den Teilnehmenden aus Syrien und Afghanistan stammen weitere 13 Schüler aus Ländern des asiatischen Kontinents, wie Pakistan, dem Jemen und dem Iran, aber auch Thailand und SüdKorea. Vier Schüler wurden in afrikanischen Ländern (Togo, Nigeria, Gambia und Eritrea) geboren und eine Teilnehmerin benennt Argentinien als ihr Geburtsland. Im Hinblick auf die Herkunft weist die Stichprobe DB die größte Heterogenität auf. Von den 124 Teilnehmenden sind 54 Schüler nicht in Deutschland geboren und zu einem Großteil selbst nach Deutschland migriert.

Mindestens

diese

54

Teilnehmende

gelten

somit

als

Schüler

mit

Migrationshintergrund (s. Abschnitt 2.1). Darüber hinaus können sich in den Stichproben DA und DB natürlich weitere Teilnehmende mit Migrationshintergrund befinden. Diese detaillierte Betrachtung erfolgt als Teil der erhobenen Daten zur Beantwortung der Fragestellung

144

5.4 Quantitative Erhebung

differenziert im Rahmen der Darstellung der Ergebnisse anhand der Geburtsländer der Eltern (s. Abschnitt 6.5.3).

Argentinien

1%

Togo

1%

Nigeria

1%

Gambia

1%

Eritrea

1%

Süd-Korea

1%

Libanon

1%

Jemen

1%

Thailand

2%

Pakistan

1%

Iran

2%

Irak

3%

Afghanistan

12%

Syrien

9%

Östreich

1%

Russland

1%

Rumänien

2%

Polen

1%

Italien

2%

Bulgarien

1%

Bosnien und Herzogowina

1%

Albanien

1%

Deutschland

56% 0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

Abbildung 20: Anzahl der Teilnehmer je Herkunftsland der Stichprobe DB in Prozent

145

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

5.4.2 Durchführung der Erhebung Die Beschreibung der durchgeführten Erhebung umfasst zwei zentrale Bereiche. Einerseits werden Angaben zu organisatorischen Aspekten gemacht, die die standardisierten Erhebungsverfahren betreffen. Hierunter sind unter anderem die zur Verfügung stehenden Materialien und die Bearbeitungsdauer subsummiert. Andererseits wird der Ablauf der Erhebung beschrieben. Neben der Reihenfolge der eingesetzten Verfahren, werden Anzahl und Länge der Pausen dargestellt.

Durchführung der Erhebungsverfahren Für die Bearbeitung aller insgesamt 30 (Teil-)Aufgaben des BiMa Sek 1 (Testheft 1) standen den Teilnehmern im Anschluss an die allgemeine Instruktion 60 Minuten zur Verfügung. Zur Bearbeitung durften die Probanden ein Zirkel, ein Bleistift, ein Geodreieck/Lineal sowie ein Taschenrechner nutzen. Im Anschluss an eine kurze vorgegebene Instruktion des KRW 9, die wie alle Instruktionen ins Arabische übersetzt wurde, betrug die Bearbeitungszeit zur Lösung der insgesamt 50 Aufgaben entsprechend des Designs als zeitbasiertes Screening 3:30 Minuten. Der CFT 20-R lag seitens des Hogrefe Verlags bereits als digitale Testversion (Computerversion) auf Arabisch vor. Inwiefern die hiermit erzielten Ergebnisse valide und die Testungen fair sind, wurde vom Verlag geprüft (Hogrefe 2016). Eine erste Testphase zeigt, dass die Ergebnisse im Vergleich mit der vorliegenden Normstichprobe unter Vorbehalt zu interpretieren sind. Dies wird auch im Rahmen der hier vorgenommenen Auswertung berücksichtigt (s. Abschnitt 5.4). Die allgemeinen Anweisungen des CFT 20-R wurden als Einleitung der Testung ins Arabische übersetzt und vor Testbeginn mit allen Teilnehmern durchgesprochen. Für die Bearbeitung am Computer mussten die Teilnehmer nur die Maus bedienen können. Aufgaben im Drag-and-Drop-Format (Maus gedrückt halten und die richtige Lösung auf das richtige Feld ziehen) waren nicht enthalten. Die Antwort musste angeklickt werden. Zu Beginn der Testung wurden allgemeine Informationen der Teilnehmer erfasst, hierbei wurde Hilfestellung bei der Eingabe per Tastatur angeboten. Die deutsche Version des CFT 20-R wurde aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Computerräumen an allgemeinbildenden Schulen als Papier-und-Bleistift-Version (PaperPencil-Version) durchgeführt. Mittels einer Vergleichsanalyse in drei Feldstudien aus drei unterschiedlichen Intelligenzbereichen wurde zwischen 1996 und 2003 die Vergleichbarkeit der Computer- und der Papier-und-Bleistift-Version des CFT 20-R überprüft. Besonders hinsichtlich der konstrukt- und inhaltsbezogenen Validität konnten gute Übereinstimmungen

146

5.4 Quantitative Erhebung

mit der Standard Paper-Pencil-Version nachgewiesen werden. Eine eigene Normierung der Computerversion ist, Weiß zufolge, nicht nötig. „Unter Beachtung der für Untersuchungen im unteren Intelligenzbereich dargestellten Einschränkungen; bedeutet diese Äquivalenz, dass einer Generalisierung sowohl der konventionellen Testform des CFT 20, besonders aber der weiter entwickelten Forschungsversion wie der daraus erstellten Revisionsform CFT 20-R weitgehend entsprochen werden kann“ (Weiß 2008, 107).

Erhebungsverlauf Die quantitative Erhebung wurde aufgrund der Komplexität der Erhebungsinstrumente auf zwei Erhebungstermine aufgeteilt. Die jeweiligen Termine umfassten die Durchführung der folgenden Verfahren (s. Tabelle 15): Tabelle 15: Darstellung der Inhalte, Pausen und Zeiten je Termin und Stichprobe

Termin 1 (90-120 Minuten) 60 Min Pause 60 Min Stichprobe AR Stichprobe DA/DB

Termin 2 (90-120 Minuten) 90 Min Pause 30 Min

CFT 20-R

10-15 Min

Fragebogen Beliefs

BiMa Sek 1 KRW 9

CFT 20-R

10-15 Min

Fragebogen Beliefs; Fragebogen BiSSoz

BiMa Sek 1 KRW 9

10-15 Min

Fragebogen BiSSoz

Um die mathematikbezogenen Vorstellungen von der Untersuchung möglichst unbeeinflusst erfassen zu können, bearbeiteten die Teilnehmenden den Fragebogen Beliefs am ersten Termin im Anschluss an den CFT 20-R. Erst an einem späteren Termin, also nicht am gleichen Tag, wurden die mathematikhaltigen Testverfahren BiMa Sek 1 und KRW 9 eingesetzt. Mit ausgewählten Schülern der Gesamtstichproben wurden im Rahmen der qualitativen Erhebung zu einem späteren Zeitpunkt Interviews zu einzelnen Aufgaben des BiMa Sek 1 durchgeführt.

147

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

5.5 Auswertungsmethoden Die Auswertung der erhobenen Daten erfolgt getrennt nach den drei teilnehmenden Stichprobengruppen. Die Ergebnisse der standardisierten Testverfahren CFT 20-R, BiMa Sek 1 und KRW 9 werden anhand der Angaben der Manuale ausgewertet. Die Auswertung der quantitativen Daten erfolgt mithilfe des Statistikprogramms SPSS über deskriptive Statistiken. Die schriftlichen Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden innerhalb des BiMa Sek 1 werden ins Deutsche übersetzt. Hierbei findet eine doppelte Auswertung statt. Einerseits wird die Antwort direkt (in Arabisch) bewertet, andererseits wird die übersetzte Antwort auf Deutsch ausgewertet. Grundlage der Auswertung sind jeweils die vorgegebenen Auswertungskriterien des Manuals (s. Abschnitt 5.5.1). Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung werden zum Teil direkt codiert, beziehungsweise mittels deduktiv und induktiv erzeugten Kategorien systematisiert. Die Beschreibung des detaillierten Auswertungsvorgehens zur Nutzung der Ergebnisse der Fragebögen Beliefs und BiSSoz findet sich in Abschnitt 5.5.2. Die Antworten der arabischsprachigen Schüler zur mathematikbezogenen Vorstellung werden auf Arabisch transkribiert und von zwei Muttersprachlern getrennt übersetzt. Bei abweichenden Übersetzungen werden Anmerkungen in eckigen Klammern hinzugefügt, insofern eine eindeutige Übersetzung nur schwer möglich ist. Die Antworten, die die Teilnehmenden im Fragebogen BiSSoz notieren, werden direkt übersetzt. Hierbei handelt es sich, anders als bei den Antworten des Beliefs-Fragebogens, um einzelne Worte und Satzfragmente.

5.5.1 Vorgehen bei der Auswertung der standardisierten Verfahren Zur Auswertung der standardisierten Testverfahren liegen in den Methodenhandbüchern detaillierte Informationen zum Vorgehen vor, die im Folgenden kurz beschrieben werden.

Mathematische Kompetenzen – BiMa Sek 1 Zur Beurteilung der mathematischen Kompetenzen wird das Verfahren BiMa Sek 1 genutzt. Jede Aufgabe wird entsprechend der Lösungsvorgaben der Testaufgaben bewertet. Ist die Aufgabe richtig gelöst, wird ein Punkt vergeben. Teilweise richtig gelöste Aufgaben oder Aufgaben mit richtigen Ansätzen erhalten keine Punkte. Wird bei einer Aufgabe mit mehreren Antwortmöglichkeiten mehr als eine Antwort angekreuzt, kann ebenfalls kein Punkt gegeben werden, selbst wenn die richtige Lösung enthalten ist. Einige Aufgaben sind offen gestellt und erfordern eine schriftliche Antwort. Zur Auswertung dieser Äußerungen liegen verschiedene Beispiele vor, die zu Rate gezogen werden können. Bei der Beurteilung der arabischen

148

5.5 Auswertungsmethoden

Antworten werden auch modern-arabische Ziffern berücksichtigt. Die Antworten werden von arabischen Muttersprachlern anhand der Auswertungsbeispiele beurteilt und anschließend übersetzt. Die Auswertung wird anhand der übersetzten Antwort geprüft. Bei abweichender Beurteilung wird die genaue Betrachtung der Schülerantwort durch zwei arabischsprachige sowie einen deutschsprachigen Muttersprachler durchgeführt. Insgesamt können die Teilnehmenden zwischen 0 Punkten (keine Aufgabe wurde richtig gelöst) und 30 Punkten (alle Aufgaben wurden richtig gelöst) erreichen. Um ein differenziertes Bild über die bearbeiteten Aufgaben zu erhalten, wurde bei den teilweise bearbeiteten Aufgaben unterschieden, ob die Bearbeitung begonnen und nicht vollständig oder falsch abgeschlossen oder ob die Aufgabe gar nicht bearbeitet wurde. Die Codierung erfolgt hierbei über die Vergabe von einem (1) oder keinem Punkt (0). Im Falle der Nicht-Bearbeitung bleibt das Feld leer. Die Schüler werden im Rahmen der Instruktion darauf hingewiesen, angeben zu können, ob der Inhalt einer Aufgabe unbekannt ist. Findet sich eine solche Angabe erhält die Aufgabe die Codierung 000. Lediglich die vollständig richtig bearbeiteten Aufgaben fließen in die Messung der mathematischen Kompetenz ein. Das Verfahren zieht hierbei, basierend auf den Ergebnissen bei der Bearbeitung, Rückschlüsse auf die Schülerfähigkeiten. Zugrundeliegend ist hierbei das Rasch-Modell der Testtheorie, das auch innerhalb der PISAStudie Anwendung findet. Mittels dieses Modells werden den Gesamtergebnissen (Summe aller richtig gelösten Aufgaben) der Teilnehmenden Kompetenzwerte und darauf basierend eine von fünf Kompetenzstufen zugeordnet (s. Abschnitt 3.1.1). Zur Beurteilung der Kompetenz liegen dem Verfahren Normtabellen vor, die im Rahmen der Normierungsstudie mit Schülern der 9. Klasse gewonnen wurden. Für die hier vorliegende Arbeit werden die Rohwerte, im Verfahren „Testwert“ genannt, und die daraus abgeleiteten Kompetenzstufen angegeben. Die Beurteilung der Kompetenzstufen wird anhand der Beschreibung des Manuals (IQB 2009) durchgeführt. Zusätzlich wird das Kompetenzstufenmodells der Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss und den Mittleren Schulabschluss (IQB & KMK 2012), das eine etwas differenziertere Betrachtung der Kompetenzstufen vornimmt, berücksichtigt (s. Abschnitt 3.1.1).

Konventions- und Regelwissen – KRW 9 Zur Beurteilung der individuellen Leistungen der Teilnehmenden im Rahmen des Ergänzungstests KRW 9 zum Konventions- und Regelwissen liegen im Manual des DEMAT 9 Auswertungshinweise und Normtabellen vor. Die Antworten der Schüler werden als richtig oder falsch bewertet. Für die Durchführung des KRW 9 innerhalb der arabischsprachigen Stichprobengruppe liegen zwei verschieden Versionen (modern-arabische und indischarabische Ziffern) des KRW 9 vor. Bei der Auswertung werden demnach auch beide Ziffernformen als gültig anerkannt und mögliche variierende Schreibrichtungen berücksichtigt.

149

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Die Beurteilung einer Antwort erfolgt hierbei durch arabische Muttersprachler, die mit beiden Notationsformen vertraut sind. Jede richtig gelöste Aufgabe ergibt einen Punkt. Die Punkte werden summiert und zu einem Gesamtwert zusammengeführt. Ebenso wie im BiMa Sek 1 werden neben der Bewertung als richtig (1) und falsch (0) auch Aufgaben berücksichtigt, die nicht bearbeitet wurden. Für die Ermittlung des Gesamtwerts fließen nur die Aufgaben ein, die richtig bearbeitet wurden. Darüber hinaus wird jedoch gezählt, wie viele Aufgaben die Teilnehmende überhaupt bearbeitet haben (Summe der richtig und falsch gelösten Aufgaben). Anhand der Angaben der auf einer deutschsprachigen Normstichprobe basierenden Normtabellen werden Rohwerten sogenannte T-Werte zugeordnet. Zur Beurteilung der Leistungen anhand der T-Werte gibt das Manual folgenden Hinweis: •

T-Wert ≤ 30 → Beurteilung: weit unterdurchschnittliche Leistung



T-Wert 31-40 → Beurteilung: unterdurchschnittliche Leistung



T-Wert 41-60 → Beurteilung durchschnittliche Leistung



T-Wert 61-70 → Beurteilung: überdurchschnittliche Leistung



T-Wert ≥ 71 → Beurteilung: weit überdurchschnittliche Leistung

Der diagnostische Mehrwert durch den Ergänzungstest KRW 9 ergibt sich für den DEMAT 9 darin, dass Rückschlüsse auf allgemeinere Defizite gezogen werden können. Da sich auch der BiMa Sek 1 auf die Inhalte der 9. Klassenstufe konzentriert und die Anforderungen der Bildungsstandards widerspiegelt, wird der KRW 9 im Rahmen dieser Studie als Ergänzung durchgeführt. Ziel ist es, betrachten zu können, ob ein unterdurchschnittliches Regel- und Konventionswissen und somit möglicherweise ein unzureichendes Verständnis der mathematischen Notation der verwendeten Symbole und der damit zusammenhängenden Regeln vorliegt.

Intelligenz – CFT 20-R Die Auswertung des Intelligenztests CFT 20-R erfolgt auf Arabisch durch das Hogrefe Testsystem digital. Der Hogrefe-Verlag stellt bei der digitalen Nutzung des Testmaterials die automatische Auswertung der individuellen Ergebnisse zur Verfügung. Die Auswertung der als Papier- und Bleistiftversion eingesetzten Form des CFT 20-R bei den Stichprobengruppen DA und DB wird durch die Testleiter anhand der Angaben des Manuals vorgenommen. Innerhalb jedes Subtests wird beurteilt, ob die Teilnehmenden eine Aufgabe richtig gelöst haben. Bei der richtigen Lösung wird ein Punkt vergeben. Die Summe des Subtests gibt folglich an, wie viele Aufgaben richtig gelöst wurden. In jeder Aufgabe ist nur eine Antwort richtig. Bei Mehrfachantworten wird somit kein Punkt gegeben, auch wenn die richtige Antwort enthalten ist. Die Ergebnisse innerhalb der Subtests werden mittels Addition der erreichten Punkte zu einem Rohwert zusammengefasst. Anschließend wird aus den Rohwerten aller Subtests die Subtestsumme des jeweiligen Testteils gebildet (s. Tabelle 16).

150

5.5 Auswertungsmethoden

Tabelle 16: Erreichbare Punktzahl je Subtest des CFT 20-R

Erreichbare Punkte im ersten Testteil Erreichbare Punkte im zweiten Testteil Erreichbare Punkte im 1. und 2. Testteil

Subtest 1:

Subtest 2:

Subtest 3:

Subtest 4:

Reihenfortsetzen

Klassifikation

Matrizen

Topologien

Summe der Subtests

15 Punkte

15 Punkte

15 Punkte

11 Punkte

56 Punkte

12 Punkte

12 Punkte

12 Punkte

9 Punkte

45 Punkte

27 Punkte

27 Punkte

27 Punkte

20 Punkte

101 Punkte

Für die Summe des ersten und zweiten Teils sowie das Gesamtergebnis können den Rohwerten anhand der vorliegenden Normtabellen IQ-Werte zugeordnet werden. Diese Zuordnung kann mittels der Klassen- oder der Altersnorm vorgenommen werden. Aufgrund der zum Teil unterbrochenen Bildungsbiografien der Teilnehmenden erfolgt die Auswertung ausschließlich basierend auf der Altersnorm. Da für die Auswertung der Ergebnisse des CFT 20-R Arabic keine gesonderte Normierung vorliegt, zieht Hogrefe hierbei innerhalb der Software die Normwerte der deutschen Normstichprobe heran. Unterscheiden sich die im ersten und zweiten Testteil erreichten IQ-Werte signifikant, darf kein Gesamtwert gebildet werden. Ein signifikanter Unterschied liegt, je nach angewandtem Vertrauensintervall bei acht IQ-Punkten (Vertrauensintervall: 0.05) oder zwölf IQ-Punkten (Vertrauensintervall: 0.01) vor. Für die hier vorliegende Studie wird das Vertrauensintervall von 0.01 als Maß gewählt. Besonders für die Auswertung beim Einsatz mit ‚Migrantenkindern‘, so Weiß (2008), stellt der erste Testteil die Möglichkeit zum Üben und der zweite Testteil die Möglichkeit zum Anwenden des Gelernten dar. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass sich in einer ersten Erprobung des CFT 20-R im Einsatz mit Geflüchteten die Tendenz abzeichnet, dass „trotz zum Teil vorliegender sehr guter schulischer und universitärer Vorbildung keine überdurchschnittlichen Ergebnisse erzielt [wurden], wenn sie mit der deutschen Normstichprobe verglichen wurden. Ein möglicher Erklärungsansatz, der sich bereits während des Gruppenfeedbacks ergab: Antwortalternativen wie "keine Antwort" sind im Kulturkreis der getesteten Personen eher untypisch.“ (Hogrefe 2016, o.S).

Inwiefern

die

Testergebnisse

der

tatsächlichen

Intelligenz

der

arabischsprachigen

Teilnehmenden entsprechen, kann anhand des verwendeten Testverfahrens nicht beurteilt werden. Vielmehr geben die Ergebnisse ausschließlich Auskunft über die Bearbeitung der Aufgaben und die Leistungen der Teilnehmenden im Vergleich mit der deutschsprachigen Normstichprobe. Fällt die Differenz zwischen Teil 1 und Teil 2 somit um zwölf oder mehr IQ-Punkte zu Gunsten des zweiten Testteils aus, ist dieser als IQ zu werten. Hierbei handele es sich um besagten Lerneffekt. Zeigt sich die Differenz hingegen zu Gunsten des ersten Testteils, zeige sich eine mögliche Konzentrationsschwierigkeit, bei der der erste Teil als IQ zu berücksichtigen ist.

151

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Möchte man die Ergebnisse im ersten und zweiten Testteil vergleichen, gibt das Manual des CFT 20-R an, dass dieser Vergleich nur basierend auf den IQ-Werten vorgenommen werden darf. Der Vergleich anhand der Rohwerte ist unzulässig, da sich die Itemzahl unterscheidet und der zweite Teil kompliziertere Items beinhaltet als der erste Teil. Zur Beurteilung der Leistungen anhand der erreichten IQ-Werte werden folgende Bereiche zusammengefasst: •

IQ-Wert < 70 → Beurteilung: weit unterdurchschnittliche Intelligenz



IQ-Wert 70-84 → Beurteilung: unterdurchschnittliche Intelligenz



IQ-Wert 85-115 → Beurteilung: durchschnittliche Intelligenz



IQ-Wert 116-130 → Beurteilung: überdurchschnittliche Intelligenz



IQ-Wert > 130 → Beurteilung: weit überdurchschnittliche Intelligenz

5.5.2 Vorgehen bei der Fragebogenauswertung Bereits der Erstellung der Fragebögen liegt jeweils ein theoriegeleitetes Fragebogenschema zugrunde (s. Abschnitt 5.2.2). Zur Auswertung werden die Fragen entsprechend den im Schema verankerten Dimensionen betrachtet. Da die Fragebögen neben geschlossenen und skalierten Fragen auch offene und halboffene Fragen enthalten, deren Antworten vorab nicht feststehen, müssen hierfür Kategorien gebildet werden. Da es immer wieder vorkommt, dass Teilnehmende auf eine Frage gar nicht, inhaltlich nicht verwertbar oder mit einer Aussage wie „ich weiß nicht“ oder „keine Ahnung“ (sog. Nullantwort) antworten, werden diese Fragen als solche codiert. Auch eine solche Nicht-Antwort stellt eine Äußerung des Schülers beziehungsweise der Schülerin dar. Fragebögen innerhalb derer einzelne Fragen nicht beantwortet wurden, werden demnach nicht aus der Erhebung ausgeschlossen. Die Antworthäufigkeit wird stichprobenbezogen summiert und prozentual dargestellt, um diese genauer betrachten zu können (bspw. häufig(st)e oder selten(st)e Antwort(en)) und den Vergleich zu ermöglichen.

Mathematikbezogene Vorstellungen – Fragebogen Beliefs Zur Auswertung der Beliefs-Fragebögen werden einige allgemeine Vorgehensweisen getroffen. Geschlossene Fragen werden anhand der Antwortmöglichkeiten „ja“ und „nein“ nominal codiert. Skalierte Fragen erhalten die Zuordnung zu einer Zahl zwischen 1 und 5, wobei die Antwortmöglichkeit „keine Antwort“ die Ziffer 6 enthält. Die Skalierung lässt sich von eins bis fünf als Ordinalskala betrachten. Darüber hinaus liegen einige allgemeine Angaben zur Codierung vor, die beschreiben, wie mit inhaltlich nicht verwertbaren oder fehlenden Antworten umgegangen wird (s. Tabelle 17).

152

5.5 Auswertungsmethoden

Tabelle 17: Allgemeine Anmerkungen zur Codierung der Beliefs-Fragebögen

Geschlossene Fragen

Skalierte Fragen

Allgemeine Codierung

Antwortmöglichkeit

Code

Antwortmöglichkeit

Code

Antwort

Code

Ja

1

sehr ausgeprägt

5

Teilnehmer hat diesen Testteil nicht bearbeitet

-99

Nein

2

ausgeprägt

4

Keine Antwort

-1

mittelmäßig

3

weniger

2

gar nicht

1

keine Antwort

6

(bei dieser Aufgabe/Frage)

Nullantwort

0

Tabelle 18: Codierungsübersicht Fragebogen Beliefs

Auswertung (Codierung, Kategorie)

Nr.

Kürzel

1a

VoWe1

Kategorie 1: Assoziationen zu Mathematik

1b

VoWe2

Kategorie 1: Assoziationen zu Mathematik

2a

VoPBN1

Kategorie 2a: Mathematik im Leben

2b

VoPBN2

Kategorie 2b: Merkmale mathematischer Alltagssituationen

2c

VoPBN3

Kategorie 2c: Mathematikunterricht und Leben – Verbindung

3

MaKo1

ja = 1, nein = 2

MaKo11

4

MaKo2

Kategorie 3: Problemlösekompetenz nicht gut = 1, weniger gut = 2, mittelmäßig = 3, gut = 4, sehr gut = 5, keine Antwort = 6

MaKo21

Kategorie 4: Selbsteinschätzung der mathematischen Leistung

5

VoUB1

Kategorie 5: Notwendige Kompetenzen in Mathematik

6

VoVe11

gar nichts = 1, weniger = 2, mittelmäßig = 3, viel = 4, sehr viel = 5, keine Antwort = 6

VoVe12

Kategorie 6: Zusammenhang Mathematik und Sprache

VoVe21

gar nichts = 1, weniger = 2, mittelmäßig = 3, viel = 4, sehr viel = 5, keine Antwort = 6

VoVe22

Kategorie 7: Zusammenhang Mathematik und Kultur

VoUB21

gar nichts = 1, weniger = 2, mittelmäßig = 3, viel = 4, sehr viel = 5, keine Antwort = 6

VoUB22

Kategorie 8: Zusammenhang Mathematik und Begabung

VoUB31

gar nichts = 1, weniger = 2, mittelmäßig = 3, viel = 4, sehr viel = 5, keine Antwort = 6

VoUB32

Kategorie 9: Zusammenhang Mathematik und Geschlecht

10

VoWe3

ja = 1, nein = 2

11

VoWe4

ja = 1, nein = 2

11a

VoWe41

Kategorie 1: Assoziationen zu Mathematik

11b

VoWe42

Kategorie 10: Dimensionen der Mathematik

12

EMa11

nicht wichtig = 1, weniger wichtig = 2, mittelmäßig = 3, wichtig = 4, sehr wichtig = 5, keine Antwort = 6

EMa12

Kategorie 11: Relevanz der Schulnote

EMa2

Kategorie 12: Bewältigungsstrategien

7 8 9

13 14 15a 15b



Kategorie 10: Dimensionen der Mathematik

EMa31

ja = 1, nein = 2

EMa32

Kategorie 13: Schulstunden

VoMu1

Kategorie 14: Beurteilung des Mathematikunterrichts

VoMu21

nicht gut = 1, weniger gut = 2, mittelmäßig = 3, gut = 4, sehr gut = 5, keine Antwort = 6

VoMu22

Kategorie 14: Beurteilung des Mathematikunterrichts

Die genaue Beschreibung der 14 Kategorien findet sich im Anhang in Abschnitt 10.2.1.

153

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Der Fragebogen zur Beurteilung der mathematikbezogenen Vorstellungen beinhaltet eine Vielzahl von offenen Fragen. Diese werden durch Kategorien codiert. Um die Kategorien zu bilden, werden zunächst die bereits existierenden Kategorien von Deseniss (2015) und aus dem Forschungsprojekt von Gogolin et al. (2004) sowie die fünf Dimensionen nach Grigutsch (1996) als Basis gesetzt, da deren Erhebungsinstrumente bereits die Grundlage der Fragebogenentwicklung darstellten (s. Abschnitt 3.2.3, 5.2.2). Diese werden jedoch induktiv basierend auf den Antworten der Schüler erweitert. Die Kategorien werden in Ziffern übertragen und lassen sich somit statistisch in Form von Nominalskalen auswerten. Eine Übersicht über die Codierung der Fragen findet sich in Tabelle 18. Diese führt zudem die Kategorien zur Einordnung der Antworten der offenen Fragen auf. Die Antworten der Teilnehmenden innerhalb der beiden Fragebögen werden entsprechend codiert, in SPSS eingepflegt und mittels deskriptiver Statistik den übrigen Testverfahren gegenübergestellt. Die Ableitung möglicher Kausalitäten ist aufgrund des explorativen Charakters

der

Studie

sowie

die

geringen

Teilnehmerzahlen

innerhalb

der

Teilstichprobengruppen zu vermeiden, da diese keine aussagekräftigen Verallgemeinerungen zulassen. Zudem handelt es sich bei der vorliegenden Untersuchung nicht um ein experimentelles Design, sondern eine explorative Studie deren Schwerpunkt auf dem Entdecken des Forschungsfeldes liegt. Anhand der vielfältigen Aspekte sollen vielmehr mögliche Tendenzen abgebildet werden, mittels derer sich möglicherweise Hypothesen ableiten lassen.

Bildungsbiografische,

sprachliche

und

soziokulturelle

Rahmenbedingungen – Fragebogen BiSSoz Zur Auswertung der Antworten im Fragebogen zu bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Aspekten werden die gleichen allgemeinen Anmerkungen zur Codierung zu Grunde gelegt, die im Fragebogen zur mathematikbezogenen Vorstellung Anwendung finden (s. Tabelle 17). Die geschlossenen Fragen werden mittels verschiedener Ziffern direkt codiert. Halboffene Fragen werden vorab anhand der vorgegebenen Antwortmöglichkeit vorcodiert und um die offenen Antworten der Schüler erweitert. Vor allem bei Fragen mit der Antwortmöglichkeit „sonstiges“ findet dies unter anderem in den Fragen 27 und 32 Anwendung. Angaben zu Sprachen, Ländern und zur Volkszugehörigkeit werden anhand einer vorab erstellten Tabelle der Sprachen und Länder dieser Welt codiert. Die Ziffern ergeben sich hierbei aus dem jeweiligen Kontinent und den dort liegenden Ländern. Geben die

154

5.5 Auswertungsmethoden

Teilnehmenden bei der Frage nach ihrem Geburtsort eine Stadt an, wird diese dem jeweiligen Land entsprechend kodiert. Die Fragen im Bereich Beruf und Familie, die sich mit dem Beruf, der Ausbildung bzw. dem Studium der Eltern beschäftigen, werden theoriegeleitet anhand der Klassifikation der Berufe 2010 (s. Abschnitt 3.3.1) codiert. Die übrigen acht Kategorien werden basierend auf den Antworten der Schüler theoriegeleitet induktiv gebildet. Die Beschreibung der Sprachen erfolgt einerseits anhand der Anzahl der angegebenen Sprachen, aber auch der angegebenen Sprachen selbst. Hierbei wird zudem aufgeführt, ob die Schüler über mono-, bioder sogar multilinguale Fähigkeiten verfügen (s. Abschnitt 3.3.2). Ob es sich um simultane oder sukzessive Mehrsprachigkeit handelt, lässt sich anhand des Fragebogens nicht beurteilen. Die Kategorie zur Beurteilung der Familien- und Geschwisterkonstellation wird ebenfalls deduktiv auf bereits bekannten Formen wie Kern-, Mehrgenerationen-, Groß- und Patchwork-Familie aufgebaut. Die Vergleichbarkeit der Schulnoten bzw. erreichten Punktzahl innerhalb der Fächer Mathematik und Arabisch, beziehungsweise Deutsch, erfordert eine Vereinheitlichung der Antworten. Die arabischsprachigen Teilnehmenden geben neben der erreichten Punktzahl auch die maximal mögliche Punktzahl an. Basierend auf den Erkenntnissen der Experteninterviews (s. Abschnitt 5.2.1), werden diese mithilfe einer Formel zum Umrechnen ausländischer Noten13 der Technischen Universität München in das Notensystem von 1 bis 6 übertragen. Zunächst erfolgt die Umrechnung der Noten in Prozent, und anschließend die Umrechnung in das deutsche Notensystem. Tabelle 19 gibt eine Übersicht über die Codierung der Fragen und führt die Kategorien zur Einordnung der Antworten der offenen und halboffenen Fragen auf. Die genaue Beschreibung der neun Kategorien findet sich im Anhang in Abschnitt 10.2.2 und 10.2.3.

13

https://www.tum.de/studium/bewerbung/bayerische-formel/ [31.10.2018]

155

5 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen

Tabelle 19: Codierungsübersicht Fragebogen BiSSoz Auswertung Nr.

Kürzel

Auswertung

(Codierung, Kategorie, Codierungserweiterung)

1

männlich = 1; weiblich = 2

2

Keine Codierung

Nr.

Kürzel

18b

DE22*

19

DE3*

19a

DE31*

A1 = 1, A2 = 2, B1 = 3, B2 = 4, weiß nicht = 5

20

SV2

Erweiterte Codierung: Sprachen, Kategorie 5: Art der Mehrsprachigkeit

(Codierung, Kategorie, Codierungserweiterung) Kategorie 4b: Deutscherwerb (Person) ja = 1, nein = 2, weiß nicht = 3

3

HerP1

Erweiterte Codierung: Länder

4

HerP2

Erweiterte Volkszugehörigkeit

5

HerP3

Erweiterte Codierung: Länder

21

SV3

Erweiterte Codierung: Sprachen, Kategorie 5: Art der Mehrsprachigkeit

6

FluM1*

Keine Codierung

22

SV4

Erweiterte Codierung: Sprachen, Kategorie 5: Art der Mehrsprachigkeit

7

FluM2

Keine Codierung

23

SV5

Erweiterte Codierung: Sprachen, Kategorie 5: Art der Mehrsprachigkeit

8

BDe1*

Keine Codierung

2414

LeU1

Kategorie 6a: Familienkonstellation, Kategorie 6b: Geschwisterkonstellation

9

BDe2

ja = 1, nein = 2

25

LeU2

Kategorie 6a: Familienkonstellation, Kategorie 6b: Geschwisterkonstellation Codierung: Länder

Codierung:

9a

BDe21

Kategorie 1a: Mathematikkurs

26

HerE1

9b

BDe22

Kategorie 1b: Dauer/Intensität des Mathematikkurses

27

BeruBE1

10

FrüB1

ja, länger als ein Jahr = 1, ja, ein Jahr oder kürzer = 3, nein = 2

27a

BeruBE11

Kategorie 7: Berufsklassifikation

11

SchuB1*

ja = 1, nein = 2

28

SchuBE1

Codierungserweiterung: Ausbildung/Studium der Eltern

12

SchuB2

Keine Codierung

28a

SchuBE11

13a

SchuB31

Keine Codierung

29

SchuBE2

13b SchuB32* Keine Codierung

30

HerE2

13c SchuB33* Keine Codierung

31

BeruBE2

14

SchuB4

Kategorie 2: Schulleistung

31a

BeruBE21

Kategorie 7: Berufsklassifikation

15

SchuB5*

ja = 1, nein = 2

32

SchuBE3

Codierungserweiterung: Ausbildung/Studium der Eltern

15a SchuB51* Kategorie 2: Schulleistung

32a

SchuBE31

SchuB521 ja = 1, nein = 2 15b *

33

SchuBE4

15b

SchuB522 Kategorie 3: Weiterführende Schule *

16

SV1

ja = 1, nein = 2, teilweise = 3, Erweiterte Codierung: Sprachen

17

DE1*

Keine Codierung

18a

DE21*

Kategorie (Institution)

4a:

Deutscherwerb

Codierungserweiterung: der Eltern

Berufstätigkeit

Kategorie 7: Berufsklassifikation Codierungserweiterung: Schulbildung der Eltern Erweiterte Codierung: Länder Codierungserweiterung: der Eltern

Berufstätigkeit

Kategorie 7: Berufsklassifikation Codierungserweiterung: Schulbildung der Eltern

34

BeruB1

ja = 1, nein = 2, keine Angabe = 3

34a

BeruB11

Kategorie 7: Berufsklassifikation

34b

BeruB12

Kategorie 8: Dauer der Berufserfahrung

Kommentar

Kategorie 9: Kommentare

* Fragen, die nur im arabischsprachigen Fragebogen enthalten sind

Aufgrund von Unschärfen in der Übersetzung werden die gewonnenen Daten dieser Frage nicht genutzt. 14

156

6 Darstellung der Ergebnisse Basierend auf dem im vorherigen Abschnitt beschriebenen Vorgehen zur Auswertung der Daten, erfolgt in diesem Teil der Arbeit die Darstellung der Ergebnisse. Der Aufbau orientiert sich an den in Kapitel 4 formulierten Schwerpunkten. Hierin spiegelt sich die Struktur des Mehrebenenmodells wider. Zunächst wird die mathematische Kompetenz im Sinne der Prozessebene betrachtet. Im Fokus steht dabei die mathematische Kompetenz der Teilnehmenden. Zur Betrachtung der bedingenden Faktoren werden daraufhin noch die mathematischen Basisfähigkeiten und darüber hinaus Bereiche der Subjektebene und der sozialen Ebene in den Blick genommen. Auf Subjektebene werden Intelligenz und mathematikbezogene Vorstellungen beurteilt resp. beschrieben. Anschließend erfolgt die Deskription

mathematikrelevanter,

bildungsbiografischer

und

soziokultureller

sowie

sprachlicher Aspekte als Elemente der sozialen Ebene. Zunächst werden in Abschnitt 6.1 die mathematischen Kompetenzen auf Basis der Ergebnisse des BiMa Sek 1 beschrieben. Neben der Anzahl der (richtig) bearbeiteten Aufgaben werden die Ergebnisse anhand der drei Dimensionen allgemeinmathematische Kompetenzen, inhaltsbezogene Kompetenzen und Anforderungsbereich (s. Abschnitt 3.1.2) betrachtet. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den bearbeiteten und (richtig) gelösten Aufgaben zwischen den Teilnehmenden der Stichprobengruppen15 analysiert (6.1.10). Darüber hinaus erfolgt anhand der erreichten mathematischen Kompetenzstufe die Bildung von Subgruppen resp. Teilstichproben(gruppen), die vertiefend betrachtet werden (0). Ziel ist es hierbei, anhand der erreichten mathematischen Kompetenz, stichprobenvergleichend mögliche Tendenzen hinsichtlich der drei Dimensionen mathematischer Kompetenzen (s. Abschnitt 3.1.2) zu analysieren. Die Teilstichprobengruppen anhand der mathematischen Kompetenz dienen in den folgenden Abschnitten, bei der Beschreibung der standardisierten Erhebungsverfahren, als Grundlage. Abschnitt 6.2 beinhaltet die Deskription der mathematischen Basisfähigkeiten anhand der Ergebnisse des KRW 9. Zunächst werden in Abschnitt 6.2.1 die erreichten T-Werte hinsichtlich beobachtbarer Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den drei Stichprobengruppen analysiert. Dabei werden neben der Anzahl richtig gelöster Aufgaben auch die Anzahl bearbeiteter Aufgaben, ebenso wie die jeweils gewählte Ziffernform der Testhefte berücksichtigt.

Darauffolgend

wird

die

detaillierte

Betrachtung

anhand

der

Teilstichprobengruppen (6.2.2) vorgenommen.

Alternative Stichprobenbezeichnung: Arabischsprachige Teilnehmende = Stichprobe AR; Schüler der 9. Klasse = Stichprobe DA; Schüler der beruflichen Schule, Berufsschüler = Stichprobe DB; Etwaige Überschneidungen der Schulzugehörigkeit oder Sprachfähigkeit sind hier nicht enthalten 15

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_6

6 Darstellung der Ergebnisse

Nachdem sich die Abschnitte 6.1 und 6.2 mit Elementen der Prozessebene als grundlegender Kern der Teilhabe befassen, erfolgt in Abschnitt 6.3 die Auseinandersetzung mit einem Bereich der kognitiven Fähigkeiten. Die Intelligenz wird anhand des erreichten Intelligenzquotienten innerhalb des CFT 20-R betrachtet. Hierbei werden, der bisherigen Struktur folgend, die Ergebnisse der drei Stichprobengruppen zunächst vergleichend analysiert (6.3.1). Als Basis zur Interpretation des gezeigten Leistungsspektrums werden zudem die durchschnittliche, minimale und maximale Anzahl gelöster Aufgaben innerhalb der verschiedenen Subtests betrachtet. In Abschnitt 6.3.2 werden die individuellen Ergebnisse teilstichprobenbezogen hinsichtlich möglicher Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht. Abschnitt 6.4 beinhaltet ein weiteres mathematikrelevantes Element der Prozessebene. Die mathematikbezogene Vorstellung wird hierbei anhand der Ergebnisse des Fragebogens Beliefs beschrieben. Der Ergebnisdarstellung liegt das Fragebogenschema (s. Abschnitt 5.2.2) zugrunde. Dabei dienen die drei Konstrukte Vorstellungen über Einflussfaktoren16 auf individueller

Ebene,

Selbstbild

als

Mathematiklernende

und

Vorstellungen

über

Einflussfaktoren auf äußerer Ebene als konzeptionelle Rahmung. Statt individuelle Gesamtprofile zu bilden, wird die Vielfalt der Antworten anhand der Häufigkeit der deduktiv theoriegeleiteten und induktiv ergänzten Kategorien der Teildimensionen der Konstrukte näher beschrieben. Anders als bei der Ergebnisdarstellung der psychometrischen Testverfahren wird bei der Betrachtung der Fragebogenergebnisse nur der Vergleich zwischen den drei Stichprobengruppen hinsichtlich überindividueller Gemeinsamkeiten und Unterschiede anhand auffallender Abweichungen innerhalb der Kategorien vorgenommen. Abschließend erfolgt die Darstellung mathematikrelevanter Aspekte der sozialen Ebene in Abschnitt 6.5. Diese basieren auf den Ergebnissen des Fragebogens BiSSoz. In diesem Abschnitt liegt das zentrale Untersuchungsinteresse darin, gravierende Gemeinsamkeiten und Unterschiede hinsichtlich der bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Rahmenbedingungen aufzuzeigen. Die Beschreibung der Ausprägung der abgeleiteten Kategorien erfolgt auch hierbei anhand der fünf zentralen Konstrukte des Fragebogenschemas (s. Abschnitt 5.2.2) für die drei Stichprobengruppen. Mit Blick auf die Interpretation der im Folgenden dargestellten Ergebnisse soll an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen werden, dass das Kernziel der Studie in der deskriptiven Darstellung der empirischen Befunde liegt. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt im Anschluss an die Darstellung innerhalb jedes Unterkapitels separat für die drei Stichprobengruppen. Der Vergleich der Stichprobengruppen erfolgt in der darauffolgenden Interpretation der Ergebnisse und deren Synthese (Kapitel 7).

Feststehende Begriffe des Testmaterials, Konstrukte, Kategorien sowie Subkategorien werden in den folgenden Kapiteln kursiv dargestellt 16

158

6.1 Mathematische Kompetenzen

6.1 Mathematische Kompetenzen

Die mathematischen Kompetenzen stellen den Kern der vorliegenden Studie dar. Diese werden im Folgenden zunächst für die Zielgruppe der arabischsprachigen Teilnehmenden (Stichprobe AR) sowie die Vergleichsgruppen der Schüler der 9. Klasse (Stichprobe DA) und der Schüler der beruflichen Schule (Stichprobe DB) analysiert. Neben der Beschreibung der gezeigten Leistung wird die Bearbeitung je Stichprobe genauer betrachtet. Anschließend erfolgt die vergleichende Betrachtung der Bearbeitung aller Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der jeweiligen Stufe entspricht.

6.1.1 BiMa Sek 1 – Stichprobenergebnisse Zur Betrachtung der mathematischen Kompetenz werden die Ergebnisse des BiMa Sek 1 herangezogen. Abbildung 21 zeigt die Verteilung der Anzahl der bearbeiteten Aufgaben innerhalb der jeweiligen Stichprobengruppe. Während die Teilnehmenden der Stichproben AR und DB je Summe der bearbeiteten Aufgaben mit einer Anzahl zwischen sieben (DB) bzw. acht (AR) und 30 Aufgaben ein ähnliches Spektrum zeigen, heben sich die Teilnehmenden der DA mit mindestens 19 bearbeiteten Aufgaben deutlich ab. Der Mittelwert liegt bei 19,64 Aufgaben (AR) und 20,78 Aufgaben (DB). Die Teilnehmenden der DA haben hingegen einen Mittelwert von 26,79 Aufgaben. 30% 20% 10% 0% 7

8

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 AR

DA

DB

Abbildung 21: Prozentualer Anteil Teilnehmender mit der jeweiligen Summe bearbeiteter Aufgaben

Die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben, die der erreichten Gesamtpunktzahl entsprechen, zeigt ebenfalls die Ähnlichkeit zwischen den Stichprobengruppen AR und DB. Das Spektrum erstreckt sich innerhalb dieser beiden Gruppen von mindestens einer richtig gelösten Aufgabe bis hin zu 21 richtig gelösten Aufgaben. Die Stichprobengruppe DA löst hingegen mindestens sechs und bis zu 26 Aufgaben richtig. Die Mittelwerte liegen bei 10,13 Aufgaben (AR), 9,76

159

6 Darstellung der Ergebnisse

Aufgaben (DB) und 15,74 Aufgaben (DA). Abbildung 22 zeigt die Verteilung der Anzahl erreichter Gesamtpunkte je Stichprobe in Prozent. 20%

10%

0% 1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 AR

DA

DB

Abbildung 22: Prozentualer Anteil Teilnehmender mit der jeweiligen Gesamtpunktzahl

Anhand der erreichten Gesamtpunktzahl lässt sich die gezeigte mathematische Kompetenz jedes Teilnehmenden einer von fünf Kompetenzstufen zuordnen. Hierbei ist zu beachten, dass die der Zuordnung zugrundeliegende Norm den Leistungen der 9. Jahrgangsstufe entsprechen. Für die Stichprobengruppen AR und DB liegen keine eigenen Normierungen vor. Die im folgenden beschriebenen Leistungen entsprechen der mathematischen Kompetenz der Teilnehmenden im Vergleich zur durchschnittlichen Leistung der 9. Jahrgangsstufe. Abbildung 23 veranschaulicht die Verteilung der erreichten Kompetenzstufen je Stichprobe anhand der Häufigkeit in Prozent. 70% 60%

60%

53%

50% 39% 38% 32%

40% 30% 20%

21%

18%

15% 6%

10%

6%

0%

8% 2%

2%

0%

0%

Kompetenzstufe 1 Kompetenzstufe 2 Kompetenzstufe 3 Kompetenzstufe 4 Kompetenzstufe 5 AR

DA

DB

Abbildung 23: Anzahl der erreichten Kompetenzstufe je Stichprobe in Prozent

Dabei zeigt sich, dass sich die Testergebnisse der meisten arabischsprachigen Teilnehmenden (53%) der Kompetenzstufe 1 zuordnen lassen. 39% der Probanden der Stichprobe AR erreichen Kompetenzstufe 2 und 6% bzw. 2% die Kompetenzstufen 3 und 4. Kompetenzstufe 5 wird sowohl von den Stichproben AR als auch DB nicht erreicht. Von allen Stichprobengruppen erreichen die Teilnehmenden der Stichprobe DB mit 60% am häufigsten die Kompetenzstufe 1. Mit zunehmender Kompetenzstufe gleicht sich die Anzahl der

160

6.1 Mathematische Kompetenzen

Teilnehmenden innerhalb der Stichprobengruppen AR und DB an. Wie bereits die Gesamtpunktzahl zeigte, unterscheidet sich die Kompetenzverteilung innerhalb der Stichprobengruppe DA von den anderen beiden. Die meisten Teilnehmenden der DA erreichen mit 38% die Kompetenzstufe 2, gefolgt von Kompetenzstufe 3 (21%) und Kompetenzstufe 4 (18%). 15% der Teilnehmenden erreichen, wie die Mehrheit der Stichprobengruppe AR und DB, Kompetenzstufe 1. Immerhin 8% der Teilnehmenden der DA erreichen Kompetenzstufe 5. Im Folgenden wird im Detail betrachtet, inwiefern sich die erste Tendenz der Ähnlichkeit der Ergebnisse der Stichprobengruppen AR und DB in Abgrenzung zur Stichprobe DA fortsetzt. Hierzu werden die durchschnittlichen Aufgabenanzahlen im Gesamten wie auch innerhalb der Leitideen (inhaltsbezogene Kompetenzbereiche) genauer betrachtet. Tabelle 20 zeigt die Verteilung der durchschnittlichen Aufgabenanzahl je Stichprobe in Prozent. Tabelle 20: Durchschnittliche Aufgabenanzahl je Stichprobe (BiMa Sek 1)

Testaufgaben beantwortet

Gesamt (30 Aufgaben)

richtig falsch nicht beantwortet

Leitidee 1: Zahl (7 Aufgaben)

Leitidee 2: Messen (5 Aufgaben)

Leitidee 3: Raum und Form (6 Aufgaben)

beantwortet richtig falsch nicht beantwortet beantwortet richtig falsch nicht beantwortet beantwortet richtig falsch nicht beantwortet

Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang

beantwortet

(5 Aufgaben)

nicht beantwortet

Leitidee 5: Daten und Zufall (7 Aufgaben)

richtig falsch beantwortet richtig falsch nicht beantwortet

AR (n=148)

DA (n=141)

DB (n=124)

19,6 10,1 9,5 10,4 5,8 3,3 2,5 1,2 4,1 2,0 2,1 0,9 3,5 1,8 1,7 2,5 2,0 1,2 0,8 3,0 4,2 2,0 2,2 2,8

26,8 15,7 11,1 3,2 6,4 4,4 2,0 0,6 4,7 3,0 1,7 0,3 5,1 2,4 2,8 0,9 4,0 2,4 1,6 1,0 6,6 3,6 3,0 0,4

20,8 9,8 11,0 9,2 5,7 3,0 2,7 1,3 4,1 2,0 2,1 0,9 3,3 1,4 1,9 2,7 2,6 1,3 1,3 2,4 5,2 2,0 3,2 1,8

Bei der Betrachtung der Leitideen zeigt sich ebenfalls keine deutlichen Abweichungen zwischen den Teilnehmenden der AR und DB. Eine mögliche inhaltsbezogene Präferenz für einzelne Leitideen lässt sich somit anhand der gezeigten Ergebnisse nicht ausmachen. Die

161

6 Darstellung der Ergebnisse

Teilnehmenden der DA unterscheiden sich innerhalb der Leitideen mit etwa einer weiteren richtig gelösten Aufgabe von den anderen beiden Stichprobengruppen. Auch hier zeigt sich keine deutliche Abweichung beim Vergleich der Leitideen. Unterschiede zeichnen sich hingegen bei der Betrachtung der einzelnen Aufgaben ab. Abbildung 24 zeigt die Anzahl richtig gelöster Aufgaben geordnet nach Leitideen je Stichprobe.

Leitidee 1

Leitidee 2 Stichprobe AR

Leitidee 3

Leitidee 4

Stichprobe DA

Stichprobe DB

Conflix

Conflix

Conflix

Freizeitverhalten

Würfel

Freizeitverhalten

Zwei Fässer

Schlüsselbund

Zwei Fässer

Streichholzkette

Streichholzkette

Streichholzkette

Konstruktionsbeschreibung

Kongruent

Parallelogramm

Flächeninhalt und Formeln

Viereck

Flächeninhalt und Formeln

Winkel im Dreieick

Das unmögliche Dreieck

Saft

Fadenaufgabe

Rechteck

Quersumme

Finanzierung

Quersumme

Blitz und Donner

Brüche vergleichen

Prozent

Feriengeld

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Leitidee 5

Abbildung 24: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben nach Leitideen je Stichprobe in Prozent

Insgesamt lösen die Teilnehmenden der Stichprobengruppe DA 20 Aufgaben mit mehr als 10% Differenz auffallend häufiger richtig als die Teilnehmenden der AR und DB. Sechs der 30 Aufgaben werden von allen drei Gruppen ähnlich häufig richtig gelöst. Bei je einer Aufgabe in Leitidee 1 und Leitidee 3 liegt die Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe AR nahe bei der Gruppe DA. In je einer Aufgabe in den Leitideen 2 und 3 liegen die Ergebnisse der Stichproben DA und DB mehr als 10% auseinander, während die Teilnehmenden der Stichprobe AR sich dazwischen bewegen. In einer Aufgabe der Leitidee 2 liegen alle drei Gruppen mehr als etwa 20% auseinander. Es gibt keine Aufgabe, bei der sich die Prozentzahl der Teilnehmenden der Gruppen DA und DB ähneln, während gleichzeitig eine deutliche Abweichung zu den Teilnehmenden der Gruppe AR vorliegt. Anhand der Aufgaben der Leitidee 1: Zahl zeigt sich, dass sich die Leistungen aller drei Gruppen bei den drei Aufgaben ‚Prozent‘, ‚Quersumme (Teil 1)‘ und ‚Finanzierung‘ ähneln, während sich die Teilnehmenden der Stichprobe DA in den Aufgaben ‚Feriengeld‘, ‚Blitz und Donner‘ sowie ‚Brüche vergleichen‘ von den anderen beiden Gruppen abheben. Bei der Aufgabe ‚Quersumme (Teil 2)‘ heben sich die Stichproben DA und AR gemeinsam von den

162

6.1 Mathematische Kompetenzen

Teilnehmenden der DB ab. Innerhalb der Leitidee 2: Messen lösen mehr Teilnehmende der DA die Aufgaben ‚Saft‘ und ‚Fadenaufgabe‘ mit mehr als 10% Differenz zu den anderen beiden Stichproben richtig. Bei der Aufgabe ‚Rechteck‘ zeigt sich die stärkste Abweichung zwischen allen drei Stichproben. 42% der AR, 63% der DB und 92% der DA lösen diese Aufgabe richtig. Bei der Aufgabe ‚Winkel im Dreieck‘ liegen die Teilnehmenden der AR mit 26% im Mittelfeld zwischen DB (19%) und DA (34%). Ähnlich häufig richtig gelöst wird die Aufgabe ‚Das unmögliche Dreieck‘ von allen drei Stichproben. In Leitidee 3: Raum und Form zeigt sich, dass die Leistungen im 2. Teil der Aufgabe ‚Flächeninhalt und Formeln‘ ähnlich sind. Im ersten Teil dieser Aufgabe heben sich die Teilnehmenden der Gruppe DA von den anderen beiden ab.

Ebenso

verhält

es

sich

in

den

Aufgaben

‚Parallelogramm‘

und

‚Konstruktionsbeschreibung‘. Bei der Aufgabe ‚Kongruenz‘ unterscheiden sich die Stichproben DA und DB um mehr als 10%, während die Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe AR dazwischenliegen. Ähnlich viele Teilnehmenden der Stichproben AR und DA lösen die Aufgabe ‚Viereck‘ mit 57% (AR) und 58% (DA) richtig. Leitideenbezogen auffällig ist, dass sich die Leistungen der Teilnehmenden der Stichprobengruppe DA in allen Aufgaben der Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang von den anderen beiden Gruppen abheben. In Leitidee 5: Daten und Zufall verhält es sich in sechs der sieben Aufgaben ebenso. Einzig die Aufgabe ‚Freizeitverhalten (Teil 2)‘ wird stichprobenübergreifend ähnlich selten richtig gelöst. Wird an dieser Stelle die leitideenbezogene Auswertung der bearbeiteten Aufgaben hinzugezogen, setzt sich diese Tendenz fort: die Stichproben AR und DB unterscheiden auch hierbei (deutlich) von den Teilnehmenden der Stichprobe DA (s. Anhang 10.3.1). Von den Schülern der 9. Klasse werden alle Aufgaben der beiden Leitideen (zum Teil deutlich) häufiger bearbeitet als innerhalb der anderen beiden Stichproben. Insgesamt zeigt sich, dass in allen fünf Leitideen einige Aufgaben ähnlich häufig richtig gelöst wurden, wohingegen sich die Anzahl der richtigen Lösungen bei anderen Aufgaben von je zwei Gruppen (in allen drei Konstellationen) ähneln. Die Aufgaben lassen sich anhand des Strukturmodells mathematischer Kompetenz und den vorgegebenen Informationen zum Testmaterial (IQB 2009) nach Anforderungsbereichen ordnen. Hierbei entsprechen zwölf Aufgaben dem Anforderungsniveau 1: Reproduzieren. Ebenfalls zwölf Aufgaben erfordern zur Lösung das Herstellen von Zusammenhängen (Anforderungsbereich 2) und sechs Aufgaben das Verallgemeinern und Reflektieren (Anforderungsniveau 3). Je Niveau sind Aufgaben verschiedener inhaltlicher Bereiche enthalten. Abbildung 25 zeigt die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben je Anforderungsbereich für die jeweilige Stichprobe in Prozent. Es zeigt sich, dass die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben mit zunehmendem Anforderungsniveau abnimmt.

163

6 Darstellung der Ergebnisse

Prozent Feriengeld Blitz und Donner Quersumme Rechteck Saft Fadenaufgabe Streichholzkette Schlüsselbund Freizeitverhalten Conflix Conflix Brüche vergleichen Quersumme Winkel im Dreieick Viereck Flächeninhalt und Formeln Kongruent Parallelogramm Konstruktionsbeschreibung Streichholzkette Zwei Fässer Würfel Conflix Finanzierung Das unmögliche Dreieck Flächeninhalt und Formeln Streichholzkette Zwei Fässer Freizeitverhalten

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Anforderungsniveau 1 Stichprobe AR

Anforderungsniveau 2 Stichprobe DA

Anforderungsniveau 3

Stichprobe DB

Abbildung 25: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben der Anforderungsbereiche je Stichprobe (%)

Innerhalb der Stichprobengruppe AR liegt das Spektrum innerhalb des Anforderungsniveaus 1 zwischen 26,4% (Conflix Teil 1) und 85,1% (Prozent). Das Spektrum der Gruppe DB liegt zwischen 26,6 (Conflix Teil 2) und 83,1% (Prozent). Die Gruppe DA hebt sich auch hier erneut von den anderen beiden Gruppen mit einem Spektrum zwischen 51,8% (Quersumme Teil 1) und 96,5% (Streichholzkette Teil 1). Die Spannbreite innerhalb des Anforderungsniveaus 2 liegt zwischen 3,4% und 70,9% (AR), 0,8% und 63,7% (DB) sowie 15,6 und 76,6% (DA). Im Anforderungsniveau 3 zeigt sich ein deutlich niedrigeres Spektrum zwischen 0% und 9,9% (AR), 0,8% und 4,0% (DB) sowie 4,3% und 22% (DA). Hierbei zeigt sich insgesamt, dass – geordnet nach Anforderungsbereichen – das Spektrum der richtig gelösten Aufgaben der Gruppen AR und DB ähnlich ist, während sich das Spektrum der Teilnehmenden der Gruppe DA besonders im Anforderungsbereich 1 deutlich davon unterscheidet. Die Anordnung der Anzahl der richtig gelösten Aufgaben lässt sich darüber hinaus auch anhand der allgemeinmathematischen Kompetenzen vornehmen. Anders als bei den zuvor dargestellten Dimensionen, innerhalb derer die Aufgaben eindeutig zugeordnet sind, werden bei der Lösung verschiedene allgemeinmathematische Kompetenzen abverlangt. In Tabelle 21 ist die Anzahl der jeweiligen Aufgaben pro allgemeinmathematischer Kompetenz, sowie die jeweiligen Verhältnisse anhand der Anzahl der Aufgaben (in Prozent) aufgeführt. Der Tabelle zugrunde liegt die Analyse der Lösungshäufigkeit der Aufgaben, angeordnet nach den allgemeinen mathematischen Kompetenzen. Die Darstellung dieser Daten erfolgt in Form von

164

6.1 Mathematische Kompetenzen

Abbildungen, die ebenso aufgebaut sind, wie Abbildung 25 und Abbildung 26 (s. Anhang 10.3.1). Tabelle 21: Verhältnis Lösungshäufigkeit im Stichprobenvergleich je allgemeinmathematischer Kompetenz AR ≈ DA ≈ DB AK1:

mathematisch argumentieren

25%

25%

12,5%

(2 Aufgaben)

(1 Aufgabe)

50%

8%

17%

(6 Aufgaben)

(1 Aufgabe)

(2 Aufgaben)

0%

0%

0%

0%

0%

15%

85%

(2 Aufgaben)

(11 Aufgaben)

22%

67%

11%

(4 Aufgaben)

(12 Aufgaben)

(2 Aufgaben)

0%

13%

71%

8%

4%

4%

(3 Aufgaben)

(17 Aufgaben)

(2 Aufgaben)

(1 Aufgabe)

(1 Aufgabe)

AK6: (11) mathematisch kommunizieren

0%

25%

AK5: (24) mit Mathematik symbolisch/ formal/ technisch umgehen

AR ≠ DA ≠ DB

(3 Aufgaben)

AK4: (18) mathematische Darstellungen verwenden

AR ≈ DA ≠ DB

(2 Aufgaben)

AK3: (13) mathematisch modellieren

AR zw. DA & DB

37,5%

AK2: (12) Probleme mathematisch lösen

DA > AR ≈ DB

(3 Aufgaben)

(8)

18%

73%

(2 Aufgaben)

(8 Aufgaben)

0%

9%

0%

(1 Aufgabe)

Es zeigt sich, ebenso wie bei der Anordnung anhand der Leitideen, ein sehr gemischtes Bild. In allen sechs allgemeinmathematischen Kompetenzen finden sich zwei bis vier Aufgaben, innerhalb derer die Anzahl richtiger Lösungen im Vergleich der drei Stichprobengruppen ähnlich ist. Ebenso verhält es sich mit den Aufgaben, innerhalb derer die prozentuale Anzahl der Teilnehmenden der Gruppe AR zwischen denen der Gruppen DA und DB liegen und mit den Aufgaben, bei denen die Ergebnisse der Gruppe AR denen der Gruppe DA ähneln. Die Teilnehmenden der Stichprobe DA lösen in den allgemeinen mathematischen Kompetenzen 2 bis 5 mindestens 50% der Aufgaben richtig und unterscheiden sich damit deutlich von den anderen beiden Stichproben. Auffällig sind dabei zwei der sechs allgemeinmathematischen Kompetenzen.

Im

Bereich

des

mathematischen

Argumentierens

(AK1)

sind

vergleichsweise wenige Aufgaben enthalten, bei denen sich die Teilnehmenden der Stichprobengruppe DA von den anderen beiden Gruppen unterschieden, dafür sind 37,5% der Aufgaben von allen drei Gruppen etwa gleich häufig richtig gelöst. Umgekehrt ist dies beim mathematischen Modellieren (AK3) der Fall. Hierbei unterscheiden sich die Teilnehmenden der Stichprobe DA in elf der 13 enthaltenden Aufgaben deutlich von den übrigen Probanden. Die übrigen beiden Aufgaben werden von allen drei Gruppen ähnlich häufig richtig gelöst. Neben

der

grundsätzlichen

Beurteilung

der

mathematischen

Kompetenzen

der

Teilnehmenden aller drei Stichproben zeigt die Studie anhand der Ergebnisse des BiMa Sek 1 erste Tendenzen hinsichtlich einzelner Aufgaben. Im Folgenden werden diese anhand der gezeigten Leistung im Sinne der erreichten Kompetenzstufe genauer betrachtet. Es stellt sich die Frage, ob sich deutlichere Tendenzen hinsichtlich inhaltlicher Anforderungen bei Teilnehmenden der Stichproben zeigen, deren Ergebnisse der gleichen mathematischen Kompetenzstufe zuzuordnen sind.

165

6 Darstellung der Ergebnisse

6.1.2 BiMa Sek 1 – Teilstichprobenergebnisse

Entsprechend der Zielsetzung der vorliegenden Studie lassen sich die Teilnehmenden innerhalb der Stichproben AR, DA und DB anhand der erreichten Kompetenzstufen unterteilen. Tabelle 22 zeigt die daraus entstehende Verteilung der Teilnehmenden. Tabelle 22: Verteilung der Teilnehmenden anhand der Teilstichprobengruppen

AR KompetenzHäufigkeit stufe

DA

DB

Prozent

Kompetenzstufe

Häufigkeit

Prozent

Kompetenzstufe

Häufigkeit

Prozent

ARK1

79

53,4%

DAK1

21

14,9%

DBK1

74

59,7%

ARK2

57

38,5%

DAK2

53

37,6%

DBK2

40

32,3%

ARK3

9

6,1%

DAK3

30

21,3%

DBK3

7

5,6%

ARK4

3

2,0%

DAK4

25

17,7%

DBK4

3

2,4%

ARK5

0

0%

DAK5

12

8,5%

DBK5

0

0%

Insgesamt ergeben sich dreizehn Teilstichprobengruppen, deren Bezeichnung sich aus der Stichprobenzugehörigkeit und der jeweiligen Kompetenzstufe zusammensetzt17. Hierbei muss die Größe der jeweiligen Gruppe für die weitere Betrachtung besonders berücksichtigt werden. Während die Gruppen ARK1 und ARK2, DAK1 und DAK2 sowie DBK1 und DBK2 verhältnismäßig viele Teilnehmende subsummieren, zählen besonders zu den Gruppen ARK3 und ARK4 sowie DBK3 und DBK4 nur wenige Probanden. Die Teilstichprobengruppen ARK5 und DBK5 umfassen keine Probanden, da innerhalb der beiden Stichproben die Kompetenzstufe 5 nicht erreicht wurde. Die detaillierte Betrachtung der mathematischen Kompetenz erfolgt zunächst anhand der durchschnittlichen Aufgabenzahl der bearbeiteten und der richtig gelösten Aufgaben (s. Tabelle 23). Anschließend wird das Verhältnis der bearbeiteten und richtig gelösten Aufgaben gegenüber der gesamten Aufgabenanzahl dargestellt. Die Analyse der 30 Aufgaben des BiMa Sek 1 zeigt hinsichtlich der Bearbeitung eine ähnliche Ausprägung wie beim Vergleich der drei Stichprobengruppen: die Teilnehmenden der Stichprobe DA bearbeiten über die Kompetenzstufen hinweg drei bis sieben Aufgaben mehr. Bei der Anzahl richtig gelöster Aufgaben zeigt sich dieser Unterschied nicht so deutlich. Hierbei hebt sich die Stichprobe DA in drei der vier vergleichbaren Kompetenzstufengruppen mit durchschnittlich einer weiteren richtig gelösten Aufgabe von den anderen beiden Teilstichprobengruppen ab. Die arabischsprachigen Teilnehmenden, die Kompetenzstufe 3 erreicht haben, lösen hingegen genauso viele Aufgaben richtig, wie die Teilnehmenden der Teilstichprobengruppe DAK3. Bei der Gesamtbetrachtung der 30 Aufgaben zeigt sich somit,

17

Lesehinweis: Stichprobe AR + Kompetenzstufe 1 = Teilstichprobengruppe ARK1

166

6.1 Mathematische Kompetenzen

dass sich auch über die Kompetenzstufen hinweg die Gruppen AR und DB in der durchschnittlichen Anzahl bearbeiteter Aufgaben ähneln, während sich die Teilnehmenden der DA von diesen unterscheiden. Mit zunehmender Kompetenzstufe werden erwartungsgemäß von allen Stichprobengruppen mehr Aufgaben bearbeitet und richtig gelöst bearbeitet. Tabelle 23: Durchschnittliche Aufgabenanzahl betrachtet anhand der Kompetenzstufen je Stichprobe Kompetenzstufe 1 DA DB

AR

Kompetenzstufe 2 DA DB

AR

Kompetenzstufe 3 DA DB

AR

Kompetenzstufe 4 DA DB

AR

Kompetenzstufe 5 DA DB

AR

Anzahl der durchschnittlich (richtig) bearbeiteten Aufgaben Gesamt (30 Aufgaben)

beantwortet

18

25

20

21

26

21

23

26

23

24

29

26

30

richtig

7

8

7

12

13

12

17

17

16

20

21

20

25

Leitidee 1:

beantwortet

6

6

5

6

6

6

6

6

6

7

7

7

7

Zahl (7 Aufgaben)

richtig

2

3

2

4

4

4

5

5

5

6

6

6

6

Leitidee 2:

beantwortet

Messen (5 Aufgaben)

4

5

4

4

5

4

5

5

4

5

5

4

5

richtig

1

2

2

2

3

3

3

3

3

5

3

4

4

Leitidee 3:

beantwortet

3

5

3

3

5

3

5

5

4

5

6

4

6

richtig

1

1

1

2

2

2

3

2

3

4

3

2

4

beantwortet

2

3

2

2

4

3

2

4

3

1

5

5

5

richtig

1

1

1

1

2

2

2

3

1

1

4

3

4

beantwortet

4

6

5

5

7

5

5

6

6

5

7

6

7

richtig

1

1

1

3

3

3

4

4

4

4

5

5

6

Raum und Form (6 Aufgaben)

Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang (5 Aufgaben)

Leitidee 5: Daten und Zufall (7 Aufgaben)

Verhältnis der bearbeiteten Aufgaben gegenüber der Gesamtzahl vorhandener Aufgaben Gesamt (30 Aufgaben)

60% 83% 67% 70% 87% 70% 77% 87% 77% 80% 97% 87%

100%

Leitidee 1: Zahl (7 Aufgaben)

86% 86%

86% 100% 100% 100%

100%

Leitidee 2: Messen (5 Aufgaben)

80% 100% 80%

80% 100% 80% 100% 100% 80% 100% 100% 80%

100%

50% 83%

50%

50% 83%

50%

83%

83%

67% 83% 100% 67%

100%

40% 60%

40%

40% 80%

60%

40%

80%

60% 20% 100% 100%

100%

57% 86%

71%

71% 100% 71%

71%

86%

86% 71% 100% 86%

100%

Leitidee 3: Raum und Form (6 Aufgaben)

Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang (5 Aufgaben)

Leitidee 5: Daten und Zufall (7 Aufgaben)

71%

86% 86%

86%

86%

86%

Verhältnis der richtig gelösten Aufgaben gegenüber der Gesamtzahl vorhandener Aufgaben Gesamt (30 Aufgaben)

23% 27% 23% 40% 43% 40% 57% 57% 53% 67% 70% 67%

83%

Leitidee 1: Zahl (7 Aufgaben)

29% 43% 29% 57% 57% 57% 71% 71% 71% 86% 86% 86%

86%

Leitidee 2: Messen (5 Aufgaben)

20% 40% 40% 40% 60% 60% 60% 60% 60% 100% 60% 80%

80%

17% 17% 17% 33% 33% 33% 50% 33% 50% 67% 50% 33%

67%

20% 20% 20% 20% 40% 40% 40% 60% 20% 20% 80% 60%

80%

14% 14% 14% 43% 43% 43% 57% 57% 57% 57% 71% 71%

86%

Leitidee 3: Raum und Form (6 Aufgaben)

Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang (5 Aufgaben)

Leitidee 5: Daten und Zufall (7 Aufgaben)

Erläuterung: gleiche durchschnittliche Aufgabenanzahl/Verhältnis in allen Teilstichprobengruppen Stichprobe mit der höchsten durchschnittlichen Anzahl an Aufgaben bei einer Abweichung von mehr als einer Aufgabe in mindestens einer anderen Teilstichprobengruppe Zunahme im prozentualen Verhältnis der bearbeiteten bzw. richtig gelösten Aufgaben

Der erste Abschnitt der Tabelle 23 zeigt innerhalb der verschiedenen Leitideen ein sehr gemischtes Bild der durchschnittlich (richtig) bearbeiten Aufgaben. In Leitidee 1: Zahl ähneln

167

6 Darstellung der Ergebnisse

sich alle drei Stichprobengruppen über die Kompetenzstufen hinweg sehr. Lediglich die Teilnehmenden der Stichproben AR und DB mit Kompetenzstufen 1 lösen durchschnittlich eine Aufgabe weniger richtig als die Probanden der DAK1. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Ergebnisse gerundet sind und die Unterschiede sich im Dezimalbereich bewegen. Bei der Betrachtung der Kompetenzstufen 1 und 2 zeigt sich in Leitidee 3: Raum und Form, Leitidee 4: Funktionaler Zusammenhang sowie Leitidee 5: Daten und Zufall, dass stichprobenübergreifend durchschnittlich die gleiche Aufgabenanzahl richtig gelöst wird. Bei der Anzahl bearbeiteter Aufgaben heben sich die Teilnehmenden der Teilstichproben DAK1 und DAK2 deutlich von den anderen Gruppen ab. In der Leitidee 2: Messen, aber auch in der Leitidee 3 unterscheiden sich die arabischsprachigen Teilnehmenden der ARK4 mit durchschnittlich fünf richtig gelösten Aufgaben von den Probanden der DAK4 und DBK4. Die Teilnehmenden der Teilstichprobengruppe ARK4 stehen hingegen in der Leitidee 4 mit nur einer durchschnittlich bearbeiteten und richtig gelösten Aufgabe deutlich hinter den anderen beiden Teilgruppen. Um die Leitideen gegenüberstellend betrachten zu können, finden sich in den nächsten beiden Abschnitten der Tabelle die Verhältnisse der bearbeitetet und richtig gelösten Aufgaben zur Gesamtzahl der (je Leitidee) vorhandenen Aufgaben. Hierbei zeigt sich, dass sich die Teilnehmenden der Stichprobe DA kompetenzstufenübergreifend im Verhältnis der gesamten bearbeiteten Aufgaben wie auch innerhalb der Leitideen von den anderen beiden Stichproben abheben. Hinsichtlich der inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen werden innerhalb der

Leitideen

1

und

2

bereits

bei

niedriger

mathematischer

Kompetenz

stichprobenübergreifend viele Aufgaben bearbeitet. Eine Zunahme im Verhältnis der bearbeiteten Aufgaben zeigt sich in Leitidee 1 erst unter den Probanden der Kompetenzstufe 4 in allen drei Stichproben. Hierbei gilt zu beachten, dass die Teilnehmerzahlen in den Teilstichproben ARK3, ARK4, DBK3 und DBK4 vergleichsweise sehr gering ist. Mit Erreichen der Kompetenzstufe 2 kommen je Stichprobe unterschiedliche Leitideen hinzu. Die Teilnehmenden der ARK2 lösen in den Leitideen 1, 2 und 5 mindestens 40% der Aufgaben richtig. Innerhalb der Teilstichprobe DBK2 folgt diesen drei Leitideen die Leitidee 4. Von den Probanden der DAK2 werden viele Aufgaben aller fünf Leitideen bearbeitet. Sowohl in den Teilstichproben ARK3 als auch DBK3 erhöht sich das Verhältnis der bearbeiteten Aufgaben der Leitidee 3. Stichprobenspezifisch

zeigt

sich,

dass

die

Aufgaben

der

Leitidee

5

von

den

arabischsprachigen Probanden erst ab Kompetenzstufe 2 häufiger bearbeitet werden, während dies innerhalb der anderen beiden Stichproben bereits bei Kompetenzstufe 1 zu beobachten ist. Insgesamt zeigt sich, dass von den Teilnehmenden der 9. Klasse vergleichsweise über die Kompetenzstufen hinweg mehr Aufgaben aller Leitideen bearbeitet werden.

168

6.1 Mathematische Kompetenzen

Hinsichtlich des Verhältnisses richtig gelöster Aufgaben der jeweiligen Leitideen zeigt sich, dass von den Teilnehmenden der ARK1 in der Leitidee 1 prozentual die meisten Aufgaben korrekt bearbeitet werden, gefolgt von den Leitideen 2 und 4. Das Verhältnis der Leitidee 4 bleibt kompetenzstufenübergreifend mit 20% weitestgehend gleich (Ausnahme: ARK3 Anstieg auf 40%). Von den arabischsprachigen Probanden der ARK2 kommt Leitidee 5 mit 43% richtig gelöster Aufgaben hinzu. Leitidee 3 folgt in der Teilstichprobe ARK3. Die Teilnehmenden der 9. Klasse, deren mathematische Kompetenz der Stufe 1 entspricht, lösten ebenfalls am häufigsten die Aufgaben der Leitidee 1 und 2 richtig, gefolgt von Leitidee 5 in der Teilstichprobengruppe DAK2. Leitidee 4 kommt hier erst innerhalb der Teilstichprobe DAK3 hinzu, während die Aufgaben der Leitidee 3 kompetenzstufenübergreifend prozentual am seltensten richtig gelöst werden. Auch unter den Probanden der beruflichen Schule mit einer mathematischen Kompetenz der Stufe 1 werden die Aufgaben der Leitidee 1 am häufigsten korrekt bearbeitet. In der Teilstichprobe DBK2 kommen die Leitideen 4 und 5 hinzu und unter den Teilnehmenden der DBK3 erhöht sich das Verhältnis der Aufgaben der Leitidee 3. Leitidee 4 erhöht sich daraufhin bei den Teilnehmenden der DBK4 abermals. Stichprobenübergreifend zeigt sich, dass in den Leitideen 1 und 2 bereits bei niedriger mathematischer Kompetenz verhältnismäßig viele Aufgaben richtig gelöst werden. Die Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 2 entspricht, lösen zudem stichprobenübergreifend auch Aufgaben der Leitidee 5 korrekt. Stichprobenspezifisch zeichnen sich folgende Unterschiede ab: •

Unter den arabischsprachigen Teilnehmenden werden kompetenzstufenübergreifend gleichermaßen wenige Aufgaben der Leitidee 4 richtig bearbeitet.



In den Teilstichproben ARK3 und DBK3 erhöht sich die durchschnittliche Anzahl der korrekt bearbeiteten Aufgaben innerhalb der Leitidee 3



Die Probanden der DAK3 lösen hingegen mehr Aufgaben der Leitidee 4 richtig



In Leitidee 4 erhöht sich die durchschnittlich richtig gelöste Aufgabenanzahl bei den Teilnehmenden der Stichprobe DB auf Kompetenzstufe 2 und Kompetenzstufe 4.

Ergänzend zu den zuvor dargestellten Ergebnissen erfolgt die Betrachtung der einzelnen Aufgaben (innerhalb der jeweiligen Leitidee). Da die Anzahl der Teilnehmenden in den Gruppen ARK3 und ARK4 sowie DBK3 und DBK4 sehr gering ist, wird der Vergleich nur für die Probanden der Kompetenzstufe 1 (s. Abbildung 26) und Kompetenzstufe 2 (s. Abbildung 27) vorgenommen. Die arabischsprachigen Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 1 entspricht, heben sich in neun Aufgaben von den anderen Stichproben ab. Hierbei sind Aufgaben aus vier von fünf Leitideen enthalten.

169

6 Darstellung der Ergebnisse

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%

Prozent Feriengeld Blitz und Donner Brüche vergleichen Quersumme Quersumme Finanzierung Rechteck Saft Fadenaufgabe Winkel im Dreieick Das unmögliche Dreieck Viereck Flächeninhalt und Formeln Flächeninhalt und Formeln Kongruent Parallelogramm Konstruktionsbeschreibung Streichholzkette Streichholzkette Streichholzkette Zwei Fässer Zwei Fässer Schlüsselbund Würfel Freizeitverhalten Freizeitverhalten Conflix Conflix Conflix

0%

Leitidee 1

Leitidee 2

Stichprobe ARK1

Leitidee 3

Stichprobe DAK1

Leitidee 4

Leitidee 5

Stichprobe DBK1

Abbildung 26: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben nach Leitideen je Teilstichprobe (K1) in Prozent

In der Aufgabe ‚Kongruent‘ ist dies mit mehr als 10% Unterschied am deutlichsten. Das Niveau der Aufgaben liegt bei 1 und 2, lediglich die Aufgabe ‚Freizeitverhalten‘ hat ein Anforderungsniveau von 3 und wird von 1,3% der Teilnehmenden der ARK1 richtig gelöst, wohingegen keine der anderen beiden Teilgruppen diese Aufgabe richtig löst. Die Teilnehmenden der Teilstichprobengruppe DAK1 heben sich, anders als bei dem Stichprobenvergleich in Abschnitt 6.1.1, in nur elf Aufgaben von den anderen beiden Gruppen ab, wovon bei nur vier Aufgaben eine deutliche Abweichung mit mehr als 10% vorliegt. Die Teilstichprobengruppe DBK1 zeigt in sieben Aufgaben die beste Leistung, wovon jedoch keine Abweichung besonders deutlich ist. Die elf bzw. fünf Aufgaben sind über die Leitideen hinweg verteilt. Eindeutige Tendenzen hinsichtlich der Anforderungsbereiche lassen sich auch beim Vergleich der Teilstichprobengruppen der Kompetenzstufe 1 nicht ausmachen. Anders als bei der vergleichenden Betrachtung der Stichproben AR, DA und DB zeigt sich im Detail, dass die Teilnehmenden der DAK1 bei 16 der 30 Aufgaben hinter den arabischsprachigen Teilnehmenden und den Teilnehmenden der beruflichen Schule (DB) zurückstehen. Die zuvor wahrgenommene Tendenz, dass die Teilnehmenden der Stichprobe DA die Aufgaben der Leitideen 4 und 5 deutlich häufiger richtig lösen, zeigt sich hierbei nicht. In der Leitidee 4 hebt sich die Gruppe DAK1 nur in einer Aufgabe von den anderen Teilstichprobengruppen ab. Diese Aufgabe wird jedoch mit 90% zu 66% deutlich häufiger richtig gelöst. In der Leitidee 5 verhält es sich ähnlich. Hier lösen die Teilnehmer der DAK1 nur zwei Aufgaben häufiger richtig.

170

6.1 Mathematische Kompetenzen

Beim Vergleich der Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 2 entspricht, zeigt sich ebenfalls, dass sich die Teilgruppe DAK2 deutlicher von ARK2 und DBK2 abheben (s. Abbildung 27), jedoch nicht bei allen Aufgaben, wie es im Vergleich der drei Stichproben der Fall ist (s. Abschnitt 6.1.1). 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%

Leitidee 1

Leitidee 3 Stichprobe DAK2

Conflix

Conflix

Conflix

Freizeitverhalten

Würfel

Freizeitverhalten

Zwei Fässer

Leitidee 4

Schlüsselbund

Zwei Fässer

Streichholzkette

Streichholzkette

Streichholzkette

Konstruktionsbeschreibung

Kongruent

Parallelogramm

Flächeninhalt und Formeln

Viereck

Flächeninhalt und Formeln

Winkel im Dreieick

Leitidee 2 Stichprobe ARK2

Das unmögliche Dreieck

Saft

Fadenaufgabe

Rechteck

Quersumme

Finanzierung

Quersumme

Blitz und Donner

Brüche vergleichen

Prozent

Feriengeld

0%

Leitidee 5

Stichprobe DBK2

Abbildung 27: Anzahl der richtig gelösten Aufgaben nach Leitideen je Teilstichprobe (K2) in Prozent

Die Teilnehmenden der Kompetenzstufengruppe ARK2 lösen elf Aufgaben am häufigsten richtig. Dies sind jedoch sieben andere Aufgaben als bei den Teilnehmenden der ARK1. Nur die Aufgaben ‚Quersumme (Teil 1 und Teil 2)‘, ‚Winkel im Dreieck‘ und ‚Viereck‘ werden über beide Kompetenzstufen hinweg häufiger als in den anderen Stichproben richtig gelöst. Das Anforderungsniveau erstreckt sich bei den elf Aufgaben über alle drei Bereiche. Die Teilnehmenden der Teilstichprobengruppe DAK2 lösten über alle fünf Leitideen hinweg 13 Aufgaben und die Teilnehmenden der DBK2 sechs Aufgaben aus drei Leitideen am häufigsten richtig. In der Leitidee 4 werden vier der fünf Aufgaben von der Gruppe DAK2 häufiger richtig gelöst. Hier zeichnet sich die Tendenz ab, die sich auch beim Stichprobenvergleich von AR, DA und DB zeigt. Die Ausprägung dieser Tendenz ist jedoch mit 2%, 4% und 8% Unterschied eher gering. Nur bei der Aufgabe ‚Zwei Fässer (Teil 1)‘ unterscheiden sich die drei Teilstichprobengruppen ARK2, DAK2 und DBK2 mit 15% bzw. 19% Differenz deutlich. Innerhalb der Leitidee 5 zeigt sich die zuvor beobachtete Tendenz zu Gunsten der Stichprobe DA weniger deutlich. Zwar werden drei der sechs Aufgaben häufiger von den Teilnehmenden

171

6 Darstellung der Ergebnisse

der DAK2 richtig gelöst, jedoch ist der Unterschied nur in der Aufgabe ‚Conflix (Teil 1)‘ mit mehr als 10% Differenz gegenüber der anderen beiden Stichproben sehr deutlich. Bezüglich der Anforderungsbereiche der Aufgabe weist keine Teilstichprobengruppe Präferenzen für ein Niveau auf (s. Anhang 10.3.1). Obwohl die Teilnehmenden der Stichproben AR und DB geringere Leistungen bei der Beurteilung der mathematischen Kompetenzen zeigen, werden von den Teilgruppen dieser Stichproben Aufgaben am häufigsten richtig gelöst, die das Verallgemeinern und Reflektieren erfordern. Die Ausprägungen und vorliegenden Differenzen sind hierbei jedoch sehr gering. Zusammenfassend lässt sich anhand der vertiefenden Betrachtungen durch die Bildung der Teilstichprobengruppen für die mathematische Kompetenz der Teilnehmenden festhalten, dass sich die Ähnlichkeit zwischen den Stichproben AR und DB sowohl hinsichtlich des Verhältnisses der bearbeiteten Aufgaben wie auch auf Ebene der Aufgaben zeigt. Während die Ähnlichkeiten gegenüber der Stichprobe DA kompetenzstufenübergreifend bei der Bearbeitung der Aufgaben deutlich erkennbar ist, zeigt sich dies auf der Aufgabenebene weniger deutlich ausgeprägt. Innerhalb der Leitideen ist das Bild beim Vergleich der Teilstichprobengruppen deutlich gemischter als beim Vergleich der Stichprobengruppen. Innerhalb der Leitidee 1: Zahl zeigen alle Gruppen ähnliche Ergebnisse. Die beobachtete Tendenz, die sich auf Aufgabenebene, vor allem in den Leitideen 4: Funktionaler Zusammenhang sowie Leitidee 5: Daten und Zufall, für die Stichprobe DA zeigt, fällt in den Gruppen ARK2, DAK2 und DBK2 deutlich schwächer aus. Beim Fokus auf die Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 1 entspricht, zeigen sich die Tendenzen nicht. Nur bei einzelnen Aufgaben werden Unterschiede sichtbar, die über 10% liegen. Unter Berücksichtigung der Anforderungsniveaus der Aufgaben ist deutlich, dass sich die Ähnlichkeit zwischen den Stichproben AR und DB im Gegensatz zu den Teilnehmenden der DA nicht bestätigen. Die erwartbare Tendenz hinsichtlich der drei Niveaustufen bestätigt sich hingegen: von allen sechs Teilgruppen (ARK1/ARK2, DAK1/DAK2, DBK1/DBK2) werden am häufigsten Aufgaben des Anforderungsniveaus 1: Reproduzieren richtig gelöst, gefolgt von Anforderungsniveau 2: Zusammenhänge herstellen. Aufgaben, die das Verallgemeinern und Reflektieren erfordern (AN3), werden über die Gruppen hinweg am seltensten richtig gelöst. Diese Tendenz zeigt sich auch im Vergleich der drei Stichproben AR, DA und DB (s. Abschnitt 6.1.1).

172

6.2 Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen

6.2 Mathematische

Basisfähigkeiten



Konventions-

und

Regelwissen Neben der im vorherigen Abschnitt betrachteten mathematischen Kompetenz werden nun Elemente des multifaktoriellen Bedingungsgefüges näher untersucht. Die mathematischen Basisfähigkeiten stellen anhand des Regel- und Konventionswissens eine wichtige Grundlage für die richtige Lösung von Mathematikaufgaben dar. Zunächst wird in jedem Unterkapitel die gezeigte Leistung näher beschrieben. Anschließend erfolgt die detaillierte Betrachtung der Leistungen anhand verschiedener Faktoren, wie der Wahl der Ziffern innerhalb der Testhefte, und der durchschnittlichen Werte bei der Bearbeitung der Aufgaben. Dies dient der Deskription möglicher Tendenzen, die zur späteren begründeten Bildung von Hypothesen herangezogen werden.

6.2.1 KRW 9 – Stichprobenergebnisse Die Beurteilung der mathematischen Basisfähigkeit findet anhand der gezeigten Leistungen innerhalb des KRW 9 statt. Die Anzahl richtig gelöster Aufgaben wird hierbei mittels vorliegender Normen in einen T-Wert umgewandelt. Abbildung 28 veranschaulicht die Streuung der T-Werte innerhalb der drei Stichproben in Form von Boxplot-Diagrammen. Die Leistungen der AR liegen bei einem Median von 32, gefolgt von den Teilnehmenden der DB mit einem Median von 37. Der Median für die Stichprobe DA beträgt 46.

Abbildung 28: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Stichprobe

173

6 Darstellung der Ergebnisse

Die Leistungen von 25% der AR Teilnehmenden entsprechen einem T-Wert von 28. Dies stellt zudem auch den kleinsten Wert dar, der von diesen Teilnehmenden erreicht wird. Aufgrund der unteren Grenze der Normierung liegen keine T-Werte vor, die niedriger als 28 sind. Alle Teilnehmenden, die weniger als 2 Aufgaben richtig gelöst haben, erreichen einen T-Wert von 28. Das 75% Perzentil beträgt 37. Der größte Wert, der noch kein Ausreißer ist, liegt bei einem T-Wert von 50. Mehr als 75% der arabischsprachigen Teilnehmenden zeigen Leistungen, die unterhalb des durchschnittlichen Bereichs (T-Wert kleiner 41) liegen. Zwei Ausreißer18 liegen mit T-Werten von 51 und 58 über dem T-Wertmittelwert von 50. Ein Teilnehmender zeigt als Extremwert mit einem T-Wert von 65 eine überdurchschnittliche Leistung. Die Streuung der Leistungen der DA Teilnehmenden liegt hingegen deutlich höher. Nur etwas über 25% der Teilnehmenden zeigen Leistungen, die unterhalb des durchschnittlichen Bereichs liegen. Das 25% Perzentil liegt bei einem T-Wert von 39 knapp unterhalb des durchschnittlichen Bereichs. Mit einem T-Wert von 52 liegt das 75%-Perzentil im durchschnittlichen Bereich. Der größte Wert, der noch kein Ausreißer ist, liegt bei einem TWert von 68 und der kleinste Wert bei 28. Innerhalb der Stichprobe DA sind keine Ausreißer und Extremwerte zu verzeichnen. Die Leistungen im Konventions- und Regelwissen der Teilnehmenden der Stichprobe DB liegen zwischen den anderen beiden Stichproben. Die Hälfte der erreichten T-Werte liegt zwischen 32 und 41. Damit liegt das 75%-Perzentil mit einem T-Wert von 41 am unteren Rand der durchschnittlichen Leistungen im Vergleich zur Normstichprobe. Der kleinste Wert, der noch kein Ausreißer ist, liegt bei einem T-Wert von 28. Der größte Wert bei einem T-Wert von 54. Somit zeigen die Teilnehmenden der Stichprobe DB Leistungen, die zu über 70% im (weit) unterdurchschnittlichen Bereich liegen. Darüber hinaus lassen sich vier Ausreißer feststellen. Die Leistung von drei Teilnehmenden liegt mit T-Werten von 62, 64 und 66 im überdurchschnittlichen Bereich. Anhand der T-Werte zeigt sich, dass die Leistungen der arabischsprachigen Teilnehmenden, dicht gefolgt von den Teilnehmenden der Stichprobe DB am niedrigsten sind. In beiden Stichprobengruppen erreichen eine Vielzahl der Teilnehmenden keine durchschnittlichen Leistungen. Hierbei ist ebenso wie bei den Ergebnissen des BiMa Sek 1 zu beachten, dass die der Zuordnung zugrundeliegende Norm den Leistungen der 9. Jahrgangsstufe entsprechen. Für die Stichprobengruppen AR und DB liegen keine eignen Normierungen vor. Die beschriebenen Leistungen entsprechen dem Konventions- und Regelwissen der Teilnehmenden im Vergleich zur durchschnittlichen Leistung der 9. Jahrgangsstufe. Auch die

Werte, die sich außerhalb des 1,5-fachen Interquartilsabstand (Abstand zwischen dem 75%-Quantil und dem 25%-Quantil) befinden 18

174

6.2 Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen

Leistung der Stichprobe DA liegt mit einem Mittelwert von 45,6 T-Wertpunkten etwas unterhalb des Durchschnitts der Norm. Die zuvor dargestellten Leistungen, spiegeln sich auch in der Interpretation der T-Werte wider. Anhand des Manuals lassen sich die T-Werte in fünf Bereichen interpretieren (s. Abschnitt 5.5.1). Die Anzahl der Teilnehmenden der drei Stichproben, deren Leistung innerhalb des jeweiligen Bereichs liegen, ist in Abbildung 29 zu sehen. 70%

63%

60% 50%

55% 44%

41%

40% 27%

30% 20% 10%

24%

19%

15% 6%

4%

1%

2%

0% weit unterdurchschnittliche unterdurchschnittliche Leistung Leistung AR

DA

durchschnittliche Leistung

überdurchschnittliche Leistung

DB

Abbildung 29: Interpretation der T-Werte (KRW 9); Anzahl der Teilnehmenden je Stichprobe (%)

Es zeigt sich, dass 85% der arabischsprachigen Teilnehmenden im KRW 9 Leistungen erbringen, die unterhalb des durchschnittlichen Bereichs liegen. Auch die Leistungen der Teilnehmenden der Stichprobe DB liegen zu 74% unterhalb des Durchschnitts der zugrundeliegenden Normstichprobe. Im Gegensatz hierzu zeigen die teilnehmenden Schüler der 9. Klasse zu 63% durchschnittliche bzw. zu 6% überdurchschnittliche Leistungen. Weitüberdurchschnittliche Leistungen mit einem Mindestwert von 71 T-Wertpunkten und 48 von 50 richtig gelösten Aufgaben erreicht keiner der insgesamt 413 Teilnehmenden. Um die dargestellten Leistungen im Folgenden detailliert zu betrachten, werden zunächst die Sprache und die Form der Ziffern in den Blick genommen. Die Stichprobengruppen DA und DB haben den KRW 9 vollständig auf Deutsch mit indisch-arabischen Ziffern bearbeitet. Die Teilnehmenden der Stichprobe AR hatten zwei Formen des KRW 9 zur Auswahl, die sich anhand der Ziffern unterscheiden: Arabische Sprache mit modern-arabischen Ziffern (KRW ٩) und arabische Sprache mit indisch-arabischen Ziffern (KRW 9). Zuvor wurde der Hinweis auf Deutsch und Arabisch gegeben, dass sich die Teilnehmenden für die Version von Ziffern entscheiden sollen, mit denen sie sich sicherer fühlen und schneller rechnen können. Der KRW ٩ mit modern-arabischen Ziffern wurde von 37 Teilnehmenden gewählt, dies entspricht 25% der Stichprobe. Folglich haben 75% den KRW 9 mit indisch-arabischen Ziffern gelöst, wie er

175

6 Darstellung der Ergebnisse

auch den beiden anderen Stichprobengruppen vorlag. Ob sich die Wahl des Testheftes auf die Leistungen des Konventions- und Regelwissens niederschlägt, lässt Abbildung 30 vermuten. 60%

50%

40%

49%

45%

38%

40% 30%

16%

20%

11%

10%

0%

1%

0% weit unterdurchschnittliche Leistung

unterdurchschnittliche Leistung

KRW ٩ (modern arabische Ziffern)

durchschnittliche Leistung

überdurchschnittliche Leistung

KRW 9 (indisch arabische Ziffern)

Abbildung 30: Interpretation der T-Werte je gewählter Testform (Stichprobe AR)

Bei der Betrachtung der Interpretation der T-Werte der Teilnehmenden der Stichprobe AR zeigt sich, dass 90% der Arabischsprachigen mit (weit) unterdurchschnittliche Leistungen das Testheft mit modern-arabischen Ziffern gewählt haben. Da jedoch auch nur 17% der Arabischsprachigen, die den KRW 9 mit indisch-arabischen Ziffern gelöst haben, (über)durchschnittliche Leistungen erzielen, zeigt sich hier keine deutliche Tendenz hinsichtlich der gewählten Testform. Da es sich beim KRW 9 um ein Screeningverfahren handelt, innerhalb dessen die Teilnehmenden in kurzer Zeit so viele Aufgaben wie möglich lösen müssen, wird im Folgenden näher betrachtet, wie viele Aufgaben im Durchschnitt bearbeitet und richtig gelöst wurden. In Tabelle 24 sind neben den durchschnittlichen Werten auch die Extremwerte (minimal bzw. maximal) aufgeführt. Tabelle 24: Durchschnittliche Aufgabenanzahl und Extremwerte je Stichprobe (KRW 9)

Aufgabenanzahl

Durchschnittlich AR DA DB

AR

Minimal DA

DB

AR

Maximal DA

DB

n=148

n=141

n=124

n=148

n=141

n=124

n=148

n=141

n=124

Anzahl bearbeiteter Aufgaben Anzahl richtig gelöster Aufgaben

16,8

28,1

20,1

0

5

1

50

50

47

7,5

19,9

11,0

0

2

0

41

44

42

Verhältnis zw. bearbeiteten

45%

71%

55%

und richtig gelösten Aufgaben

Die Betrachtung des Verhältnisses zwischen der durchschnittlichen Anzahl bearbeiteter und richtig gelöster Aufgaben zeigt im Vergleich der drei Stichproben mit mehr als 10% Differenz deutliche Unterschiede. Innerhalb der Stichprobe AR werden von den bearbeiteten Aufgaben mit 45% am wenigsten Aufgaben richtig gelöst, gefolgt von den Teilnehmenden der Stichprobe DB mit einem Verhältnis von 55%. Hier werden mehr als die Hälfte der bearbeiteten Aufgaben

176

6.2 Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen

richtig gelöst. Die Ergebnisse der Stichprobe DA zeigen, dass hier das Verhältnis zwischen bearbeiteten und richtig gelösten Aufgaben mit 71% am höchsten ausfällt. Auch die Anzahl der durchschnittlich bearbeiteten und richtig gelösten Aufgaben unterscheidet sich auf die gleiche Weise. Die Teilnehmenden der DA bearbeiten durchschnittlich 56,2% der Aufgaben (28,1 von insgesamt 50 Aufgaben). Die Teilnehmenden der Stichprobengruppe DB bearbeiten durchschnittlich 40,2% und die arabischsprachigen Teilnehmenden 33,6% der insgesamt 50 Aufgaben. Die anhand des Box-Plot-Diagramms in Abbildung 28 dargestellte Abstufung der Leistung, bei der die arabischsprachigen Teilnehmenden die niedrigsten Ergebnisse aufweisen, bestätigt sich somit auch bei der detaillierten Betrachtung der Aufgaben. Es werden weniger Aufgaben bearbeitet, davon jedoch verhältnismäßig gleich viele richtig gelöst, wie es bei den anderen beiden Stichprobengruppen der Fall ist. Die Extremwerte zeigen, dass in allen drei Stichprobengruppen einzelne Teilnehmende dabei sind, die keine bzw. kaum Aufgaben bearbeiten und entsprechend keine bzw. kaum Aufgaben richtig lösen. Im Gegensatz dazu gibt es in jeder Stichprobe Teilnehmer, die (fast) alle Aufgaben bearbeiten und auch einzelne Teilnehmende, die ähnlich viele Aufgaben richtig lösen. Obwohl innerhalb der Stichprobe AR ein Teilnehmer (AR1006) alle 50 Aufgaben bearbeitet, löst er nur 5 davon richtig. Deutliche Tendenzen zeichnen sich im Vergleich der drei Stichprobengruppen nur insofern ab, dass die arabischsprachigen Teilnehmenden vergleichsweise niedrigere Leistungen erzielen, was sich auch im Verhältnis zwischen der Anzahl bearbeiteter und richtig gelöster Aufgaben zeigt. Im Folgenden werden die Ergebnisse des KRW 9 hinsichtlich möglicher Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den drei Stichproben genauer betrachtet.

6.2.2 KRW 9 – Teilstichprobenergebnisse In diesem Abschnitt werden die zuvor im Stichprobenvergleich beschriebenen Leistungen anhand der Teilstichprobengruppen (s. Abschnitt 6.1.2) näher betrachtet. Unterteilt man die Ergebnisse der Stichproben anhand der zuvor gezeigten mathematischen Kompetenzen, lassen sich die T-Werte für jede Kompetenzstufe abbilden. In den folgenden drei Box-PlotDiagrammen ist die Lage und Streuung der T-Werte für jede Stichprobe entsprechend der Kompetenzstufen dargestellt (s. S. 178). Für die Teilnehmenden der Stichprobe AR zeigt sich in Abbildung 31, dass mit zunehmender mathematischer Kompetenz auch die Leistungen im Konventions- und Regelwissen besser werden. Während der Median der Teilnehmenden der ARK1 noch bei einem T-Wert von 30 liegt, erhöht er sich um bis zu 11 T-Wertpunkte (ARK3).

177

6 Darstellung der Ergebnisse

Abbildung 31: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe AR)

Abbildung 32: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DA)

Abbildung 33: Verteilung der im KRW 9 erreichten T-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DB)

178

6.2 Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen

Für das Box-Plot der Kompetenzstufe 4 ist zu beachten, dass hier die Leistung von nur drei Teilnehmenden abgebildet ist. Die Verteilung der im KRW erreichten T-Werte der Stichprobe DA, anhand der erreichten Kompetenzstufen, zeigt einen ähnlichen Anstieg. Während noch etwa 70% der DAK1 Teilnehmenden einen T-Wert unterhalb von 41 erreichen (75%-Perzentil: 42), nehmen die T-Werte mit steigender Kompetenzstufe zu (s. Abbildung 32). Die Streuung der Leistungen der Teilnehmenden der Stichprobe DB, dargestellt in Abbildung 33, sind innerhalb der Kompetenzstufen 1, 2 und 3 hingegen sehr ähnlich. Hier heben sich nur die drei Teilnehmenden der Gruppe DBK4 deutlich ab. Während sowohl 75% der Teilnehmenden der DBK1 als auch alle Teilnehmenden der DBK3 T-Werte erreichen, die mit maximal

38

im

unterdurchschnittlichen

Bereich

liegen,

zeichnen

sich

in

der

Teilstichprobengruppe DBK2 mit einem Median von 38 und einem 75%-Perzentil von 42 nur geringfügig bessere Leistungen ab. Somit zeigen nur die Stichprobengruppen AR und DA über die Kompetenzstufen hinweg einen ähnlich verlaufenden Anstieg der Leistungen im Konventions- und Regelwissen. Im Vergleich der drei Stichprobengruppen, die die gleiche mathematische Kompetenzstufe erreicht haben, zeigt sich jedoch, dass die Leistungen der Teilnehmenden der Stichprobe DA in allen Teilgruppen deutlich höher sind. In der Gruppe DAK1 und DBK1 liegt der Median mit einem T-Wert von 36 höher als der der Teilstichprobe ARK1 (Median: 30). Im Vergleich der Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 1 entspricht, zeigt sich somit, dass sich die erreichten T-Werte der Stichproben DA und DB hinsichtlich der Konventionsund Regelwissens ähneln. Diese Ähnlichkeit zeigt sich jedoch nicht in den übrigen Kompetenzstufengruppen. 90%

86%

84%

80% 70%

67%

62% 56%

60% 47%

50% 40%

67%

67% 55%

53%

52%

40% 33%

28%

29% 30%

33%

30%

28% 25%

23%

20%

18%

14% 4%

67%

44%

34%

30%

10%

64%

12% 5%6%

2%

3% 4%

8%

14%

5% 1%

0% K1

K2

K3

K4

AR weit unterdurchschnittliche Leistung

K1

K2

K3

K4

K5

K1

DA unterdurchschnittliche Leistung

K2

K3

K4

DB durchschnittliche Leistung

überdurchschnittliche Leistung

Abbildung 34: Interpretation der T-Werte (KRW 9); Anzahl der Teilnehmenden je Teilstichprobe (%)

179

6 Darstellung der Ergebnisse

Bei der Interpretation der Leistungen zeigt sich, wie in Abbildung 34 dargestellt, dass in allen drei

Stichproben

die Teilnehmenden

mit

Kompetenzstufe

1 am

häufigsten

weit

unterdurchschnittliche Leistungen im Konventions- und Regelwissen erbringen. Der Anteil weit unterdurchschnittlicher Leistungen nimmt mit zunehmender Kompetenzstufe ab. Der Anteil unterdurchschnittlicher Leistungen nimmt hingegen bei den Teilnehmenden der Stichprobe AR und DB zu. Nur innerhalb der Stichprobe DA nehmen sowohl unterdurchschnittliche wie auch weit unterdurchschnittliche Leistungen mit steigender Kompetenzstufe ab. Innerhalb der Teilstichprobengruppen ARK3 und ARK4, sowie DBK3 und DBK4 ist an dieser Stelle erneut zu beachten, dass die Größe der Stichprobe sehr gering ist. Inwiefern sich die bereits angedeuteten Zusammenhänge zwischen der mathematische Kompetenz in Form der erreichten Kompetenzstufe mit den Leistungen im Konventions- und Regelwissen statistisch bestätigen, kann durch die Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Pearson betrachtet werden (s. Tabelle 25).

T-Werte (KRW 9)

Tabelle 25: Korrelation der T-Werte (KRW 9) gegenüber der mathematischen Kompetenz nach Pearson Kompetenzstufe (BiMa Sek 1)

Anzahl richtig gelöster Aufgaben

Stichprobe AR

,495**

,527**

Stichprobe DA

,482**

,493**

Stichprobe DB

,341** ,334** ** Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant.

Hierbei zeigt sich, dass stichprobenübergreifend signifikante Korrelationen zwischen den TWerten und der Kompetenzstufe und der Anzahl richtig gelöster Aufgaben von .334 bis hin zu .527 vorliegen. Entsprechend der Richtlinien von Cohen (1988) für die Interpretation der Koeffizienten zeigt sich innerhalb der Stichproben DA und DB somit eine moderate Korrelation. Am deutlichsten bildet sich der Zusammenhang mit einer mittleren Korrelation von r=.495 gegenüber der erreichten Kompetenzstufe und einer starke Korrelation gegenüber der Anzahl richtig gelöster Aufgaben unter den arabischsprachigen Teilnehmenden ab. Durch die überzufällige positive Korrelation in allen drei Stichproben zeigt sich, dass ein moderater Zusammenhang zwischen den betrachteten Variablen. In Abbildung 35 ist die Verteilung der gewählten Testform des KRW innerhalb der Teilgruppen der Stichprobe AR dargestellt. Betrachtet wird, ob anhand der gewählten Testform unter Berücksichtigung der mathematischen Kompetenz möglicherweise Tendenzen erkennbar sind. Prozentual zeigt sich, dass innerhalb der Gruppen ARK1, ARK2 und ARK3 die Verteilung sehr ähnlich ist. Ein leichter Anstieg der Wahl des Testheftes mit indisch-arabischen Ziffern ist zu Gunsten der höheren Kompetenzstufe zu beobachten. Die drei Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 4 entspricht, bearbeiten alle ebenfalls den KRW 9 (mit indisch-arabischen Ziffern).

180

6.2 Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen

100%

100% 90% 80%

78%

75%

73%

70% 60% 50% 40% 27%

30%

25%

22%

20% 10%

0%

0% ARK1

ARK2

ARK3

KRW ٩

ARK4

KRW 9

Abbildung 35: Verteilung der gewählten Testform je Teilstichprobengruppe

Bei der Betrachtung der Verteilung der Interpretationsbereiche der T-Werte innerhalb der Teilstichprobengruppen, unter Berücksichtigung der Testform, unterscheiden sich die Teilnehmenden der Gruppe ARK1 von den Gruppen ARK2 und ARK3 (s. Abbildung 36). 100%

92%

90% 80%

76%

100%

81% 67%

70%

80%

75%

74% 63%

60% 50% 30%

37%

33%

40% 24%

26%

25%

19%

20%

20%

8%

10%

0%0%

0%

0%0%

0%0%

ARK1

ARK2 KRW ٩

überdurchschnittlich

durchschnittlich

unterdurchschnittlich

weit unterdurchschnittlich

überdurchschnittlich

durchschnittlich

unterdurchschnittlich

weit unterdurchschnittlich

überdurchschnittlich

durchschnittlich

unterdurchschnittlich

weit unterdurchschnittlich

0%

ARK3

KRW 9

Abbildung 36: Interpretation der T-Werte je gewählter Testform (Teilstichprobe ARK1, ARK2 und ARK3)

Die Teilstichprobengruppe ARK4 wird bei der Betrachtung nicht berücksichtigt, da alle Teilnehmenden die Testform mit indisch-arabischen Ziffern gewählt haben. Während innerhalb der Gruppe ARK1 die Anzahl derer, die das Testheft mit modern-arabischen Ziffern gewählt

181

6 Darstellung der Ergebnisse

haben, mit zunehmend besserem Leistungsbereich steigt, ist die Wahl des Heftes mit indischarabischen Ziffern hingegen rückläufig. Bei den Teilnehmenden der Gruppen ARK2 und ARK3 zeigt sich diese Verteilung eher umgekehrt (wenn auch nicht so deutlich). Innerhalb der Gruppe ARK2 steigt unter den Teilnehmenden, die den KRW 9 mit indisch-arabischen Ziffern wählen, die Anzahl deren Leistungen als unterdurchschnittlich (oder besser) zu interpretieren sind. Die Unterschiede zwischen den neun Teilnehmenden der Gruppe ARK3 sind hingegen geringer.

Während

die

Teilnehmenden

dieser

Teilstichprobengruppe

mit

unterdurchschnittlicher Leistung zu 75% den KRW 9 wählen, entscheiden sich 80% mit durchschnittlicher Leistung für den gleichen Test (mit indisch-arabischen Ziffern). Relativierend ist hier allerdings zu beachten, dass insgesamt nur von 15% der Stichprobe AR eine durchschnittliche Leistung erreicht wird. Aufgeteilt auf die Kompetenzstufen verbleibt eine sehr geringe Teilnehmerzahl, die statistisch nicht aussagekräftig ist und lediglich Tendenzen andeuten kann. Ebenso wie für den Vergleich der drei Stichproben wird auch bei der Berücksichtigung der erreichten Kompetenzstufe näher betrachtet, wie viele der insgesamt 50 Aufgaben im Durchschnitt bearbeitet und richtig gelöst wurden (s. Tabelle 26). Tabelle 26: Durchschnittliche Aufgabenanzahl je Teilstichprobe (KRW 9)

Aufgabenanzahl Anzahl bearbeiteter Aufgaben Anzahl richtig gelöster Aufgaben Verhältnis zw. bearbeiteten und richtig gelösten Aufgaben

K1

K2

AR K3

K4

K1

K2

DA K3

K4

K5

K1

K2

DB K3

K4

13,9

19,3

22,4

27,0

20,9

26,4

28,1

35,1

33,6

19,4

19,5

20,6

43,3

4,5

9,8

15,8

17,0

13,2

17,6

19,5

27,2

27,1

9,0

12,4

12,4

40,0

32%

51%

71%

63%

63%

67%

69%

77%

81%

46%

64%

60%

92%

Die im vorherigen Abschnitt dargestellten Unterschiede, im Verhältnis der bearbeiteten und richtig gelösten Aufgaben im Vergleich der drei Stichproben, spiegeln sich innerhalb der Teilstichprobengruppen nicht konsequent wider. Betrachtet man die Teilnehmenden, deren mathematische Leistung der Kompetenzstufe 1 entspricht, zeigt sich über die Stichproben hinweg

die

verhältnismäßig

geringste

Zahl

richtig

gelöster

Aufgaben.

Von

den

arabischsprachigen Teilnehmenden der ARK1 werden von den bearbeiteten Aufgaben mit 32% am wenigsten richtig gelöst. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede zu den Teilstichproben DAK1 und DBK1. Ebenso verhält es sich bei den Teilnehmenden mit Kompetenzstufe 2, wobei sich hier das Verhältnis der DAK2 und DBK2 mit 67% und 64% ähnelt. Die ARK2 unterscheidet sich mit einem Verhältnis von 51% hingegen deutlich. Für die Teilstichprobengruppen ARK3, DAK3 und DBK3 verändert sich die Ähnlichkeit. Die neun Probanden der ARK3 lösen mit einem Verhältnis von 71% mehr der bearbeiteten Aufgaben richtig als die Teilnehmenden der DAK3. Innerhalb der DBK3 werden mit 60% vergleichsweise

182

6.2 Mathematische Basisfähigkeiten – Konventions- und Regelwissen

am wenigsten Aufgaben richtig gelöst. Unter den Teilnehmenden mit Kompetenzstufe 4 werden innerhalb der DBK4 durchschnittlich 40 der 43,3 bearbeiten Aufgaben richtig gelöst (92%). Hier unterscheiden sich die Teilstichproben ARK4 und DAK4 mit Verhältnissen von 63% und 81%. Die durchschnittliche Anzahl bearbeiteter Aufgaben nimmt, mit Ausnahme der Teilstichprobengruppe DAK5, in allen drei Stichproben mit steigender Kompetenzstufe zu. Innerhalb der Stichprobe DA zeigt sich mit zunehmender Kompetenzstufe am deutlichsten ein Anstieg der durchschnittlich richtig gelösten Aufgaben (DAK1: 13,2 Aufgaben; DAK5: 27,1 Aufgaben), was sich auch im Verhältnis zu der durchschnittlichen Anzahl bearbeiteter Aufgaben widerspiegelt. Innerhalb der Stichproben AR ist ebenfalls ein deutlicher Anstieg sichtbar (ARK1 4,5 Aufgaben bis ARK4 17 Aufgaben). Die durchschnittliche Anzahl richtig gelöster Aufgaben der Teilnehmenden der Stichprobe DBK2 und DBK3 lassen hingegen keinen Anstieg erkennen. Zu beachten bleibt, dass die Teilstichprobengruppen ARK3 und DBK3 neun bzw. sieben Probanden und die Gruppen ARK4 und DBK4 jeweils drei Probanden umfasst.

183

6 Darstellung der Ergebnisse

6.3 Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz Um das multifaktorielle Bedingungsgefüge bei der Beurteilung mathematischer Kompetenzen gezielt berücksichtigen zu können, werden neben den mathematischen Basiskompetenzen, als Element der Prozessebene der Grundbildung, auch die kognitiven Fähigkeiten, speziell die Intelligenz der Teilnehmenden näher betrachtet. Zwischen den mathematischen Leistungen und der Intelligenz besteht, wie verschiedene Studien belegen, ein Zusammenhang. Innerhalb einzelner Intelligenztheorien stellen grundlegende mathematische Fähigkeiten sogar einen Teil der Intelligenz dar (s. Abschnitt 3.2.2). Innerhalb dieses Abschnitts wird die Intelligenz in ihrer kristallinen Form auf Basis des Zwei-Faktoren-Modells Cattells (1963) anhand der Ergebnisse des CFT 20-R näher betrachtet (s. Abschnitt 5.1.3). Um den sprachlichen und kulturellen Voraussetzungen der Stichproben gerecht zu werden, bietet sich dieses Testverfahren an, da es bei vollständiger Durchführung Konzentrationsschwierigkeiten berücksichtigt, aber auch Lerneffekte zulässt. Während die vorliegenden Normen in diesem Testverfahren aufgrund der Altersgruppen (im Gegensatz zu den klassenstufenbezogenen Normierungen des BiMa Sek1 und des KRW 9) für die Stichproben DA und DB gültig ist, ist zu beachten, dass für die arabischsprachigen Teilnehmenden für die Ergebnisse des CFT 20R Arabic seitens der Herausgeber keine gesonderte Norm vorliegt. Die Leistungen der Stichprobe AR entsprechen somit dem IQ im Vergleich mit der vorliegenden deutschen Normstichprobe und sind dementsprechend unter Vorbehalt zu interpretieren (s. Abschnitt 5.5.1). Zunächst werden die Leistungen anhand der erreichten IQ-Werte für die drei Stichproben näher beschrieben (6.3.1). Die detaillierte Betrachtung erfolgt, wie in den Abschnitten 6.1 und 6.2, anhand der durchschnittlich (richtig) bearbeiteten Aufgaben, sowie der Extremwerte im Gesamttest und den Subtests der beiden Teilbereiche. Im Unterkapitel 6.3.2 erfolgt die Deskription der Intelligenz unter Berücksichtigung der Teilstichprobengruppen sowie die detaillierte Betrachtung der Subtestbearbeitung.

6.3.1 CFT 20-R Stichprobenergebnisse Die Intelligenz der Teilnehmenden wird anhand der Ergebnisse des CFT 20-R in insgesamt acht Subtests ermittelt. Um Teilnehmenden, die mit einem solchen Testformat ungeübt sind, Lerneffekte zu ermöglichen, wurde der CFT 20-R in seiner Langform (Testteil 1 und Testteil 2) mit verlängerten Testzeiten durchgeführt. Die erreichten Rohwerte werden für jeden Testteil in einen IQ-Wert umgewandelt. Der individuelle IQ-Ergebnis bildet sich, je nach Differenz der

184

6.3 Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz

beiden Teile aus der Summe der Rohwerte (Testteil 1 + Testteil 2) oder wird dem jeweils höheren IQ-Wert des einzelnen Testteils entnommen (s. Abschnitt 5.5.1). Abbildung 37 zeigt die Verteilung der IQ-Werte je Stichprobe. Mittels der verwendeten BoxPlot-Diagramme lassen sich die Lage und Streuung der Leistungen beschreiben und vergleichend betrachten. Die dargestellten IQ-Werte entsprechen den Ergebnissen jedes einzelnen Teilnehmenden, unter Berücksichtigung der o.g. Auswertungsbedingungen. Der im Manual vorgegebene als durchschnittlich zu interpretierende Wertbereich zwischen 85 und 115 IQ-Wertpunkten ist hellgrau hervorgehoben.

Abbildung 37: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Stichprobe

Mit einem Median von 81 und einer Streuung von 72 (25%-Perzentil) bis 89 (75%-Perzentil) liegen die Leistungen von etwa 70% der arabischsprachigen Teilnehmenden deutlich unterhalb der Stichprobe DA, deren 25% Perzentil bei einem IQ-Wert von 87 liegt. Somit zeigen die Teilnehmenden der AR Leistungen, die innerhalb der ersten bzw. zweiten Standardabweichung zu verorten sind. Die Hälfte der Teilnehmenden der DA zeigen hingegen durchschnittliche Leistungen im Bereich zwischen 87 und 107 IQ-Punkten. Der kleinste Wert, der innerhalb der Stichprobe AR und DB noch kein Ausreißer ist, entspricht einem IQ-Wert von 54. Je nach Alter der Teilnehmenden ist dies zudem der anhand der vorliegenden Normierungen kleinste erreichbare IQ-Wert. Der größte Wert, der noch kein Ausreißer ist, liegt in diesen beiden Gruppen innerhalb des durchschnittlichen Bereichs. Die Streuung der Leistungen der Stichprobe DB liegen im 75%-Perzentil mit einem Wert von 93 etwas höher als die der arabischsprachigen Teilnehmenden (89 IQ-Wert-Punkte). Insgesamt zeigen Lage und

185

6 Darstellung der Ergebnisse

Streuung der erreichten IQ-Werte erneut Ähnlichkeiten zwischen den Stichproben AR und DB. Die Mehrheit der Teilnehmenden beider Gruppen erreichen keine durchschnittlichen Leistungen. Zur

Interpretation

der

IQ-Werte

werden,

ausgehend

vom

Mittelwert

100,

die

Standardabweichungen betrachtet. Der Bereich von IQ-Werten zwischen 85 und 115 gelten als durchschnittlich. Mit IQ-Werten von 70 bis 74 und 116 bis 130 gilt die Intelligenz, die zwischen

der

ersten

und

zweiten

Standardabweichung

liegt

als

unter-

bzw.

überdurchschnittlich. Werte, die unterhalb (kleiner 70) resp. oberhalb (größer 130) der 2. Standardabweichung liegen, sind als weit unterdurchschnittlich und weit überdurchschnittlich zu interpretieren. Abbildung 38 zeigt die Verteilung der IQ-Werte je Stichprobe zugeordnet zur jeweiligen Interpretation. Innerhalb der Stichprobe AR liegen die Leistungen der meisten Teilnehmenden mit 45% im unterdurchschnittlichen Bereich, gefolgt vom durchschnittlichen Bereich (36%). 19% der arabischsprachigen Probanden erreichen IQ-Werte, die nicht über 70 liegen und somit als weit unterdurchschnittlich gelten. Die Intelligenz der Stichprobe DB ist ähnlich verteilt. 45% der Probanden erreichen IQ-Werte, die im durchschnittlichen Bereich liegen, gefolgt von 37% im unterdurchschnittlichen Bereich. 17% der Teilnehmenden liegen mit einer Intelligenz von kleiner 70 im unterdurchschnittlichen Bereich. Anders als unter den Probanden der Stichprobe AR erreicht 1% der Stichprobe DB den überdurchschnittlichen Bereich. Die Ergebnisse der Stichprobe DA heben sich deutlich von den anderen beiden Stichproben ab. Mit 67% liegt mehr als die Hälfte der Teilnehmenden im durchschnittlichen Bereich. Unterdurchschnittliche

Leistungen

zeigen

16%

der

Stichprobe

DA

und

11%

überdurchschnittliche. Weitunter- und weitüberdurchschnittliche Leistungen werden innerhalb dieser Stichprobe mit 4% und 1% von einzelnen Probanden erreicht. 80% 67%

70% 60% 45%

50%

45% 37%

40% 30%

20% 10%

19%

17%

36%

16%

11%

4%

0%

1%

0% 1% 0%

0% weit unterdurchschnittlich unterdurchschnittlich

durchschnittlich AR

DA

überdurchschnittlich

DB

Abbildung 38: Interpretation der IQ-Werte (CFT 20-R); Anzahl der Teilnehmenden je Stichprobe in Prozent

186

weit überdurchschnittlich

6.3 Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz

Um zu überprüfen, ob mögliche Schwierigkeiten in einzelnen Aufgabenformaten vorliegen, werden im Folgenden die durchschnittlich erreichten Rohwerte der Subtests getrennt nach Testteilen näher betrachtet (s. Tabelle 27). Die Rohwertpunkte entsprechen der Anzahl richtig gelöster Aufgaben. Tabelle 27: Anzahl durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben, Extremwerte je Stichprobe (CFT 20-R) Subtests

Teil 1

Reihenfortsetzen Klassifikationen Matrizen Topologien

Teil 2

Reihenfortsetzen Klassifikationen Matrizen Topologien

Durchschnittlich AR DA DB

AR

Minimal DA

DB

AR

Maximal DA

DB

(n=148)

(n=141)

(n=124)

(n=148)

(n=141)

(n=124)

(n=148)

(n=141)

(n=124)

8,0 7,8 7,8 4,4 5,0 5,9 6,1 3,8

11,1 9,0 10,7 6,1 7,3 6,7 7,8 4,9

9,1 8,0 8,6 4,8 6,0 5,7 6,1 4,1

0 1 0 0 1 2 0 0

2 3 2 1 3 0 1 0

0 1 0 1 0 0 1 0

14 14 14 9 9 10 11 8

15 14 15 11 12 11 12 9

15 14 15 10 10 11 12 9

Innerhalb aller Subtests im Testteil 1 bearbeiten die Teilnehmenden der Stichprobe AR durchschnittlich 0,2 bis 1,8 Aufgaben weniger als die Stichprobe DB und 1,2 bis 3,1 Aufgaben weniger als die Stichprobe DA. Im zweiten Testteil nähern sich die arabischsprachigen Teilnehmenden der Stichprobe DB an. Bei den Subtests Klassifikation und Matrizen bearbeiten sie gleichviele bzw. durchschnittlich 0,2 Aufgaben mehr als die Teilnehmenden der DB. Auch der Abstand zur Stichprobe DA wird mit durchschnittlich 1,1 bis 1,8 Aufgaben geringer. Die Betrachtung der Extremwerte zeigt, dass zwischen den Stichproben keine auffallenden Unterschiede zu verzeichnen sind. Zwar variieren die Extremwerte zum Teil um bis zu drei Aufgaben, doch die Anzahl der jeweils richtig gelösten Aufgaben bleibt ähnlich. In allen drei Stichproben finden sich somit Teilnehmende, die keine bzw. nur sehr wenige Aufgaben richtig lösen, aber auch solche, die viele bzw. alle Aufgaben richtig lösen. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Aufgaben pro Subtest, lösen alle Stichprobengruppen im ersten Testteil im Subtest Topologien die wenigsten Aufgaben richtig (s. Tabelle 28). Ebenso verhält es sich im zweiten Testteil. Hier sind die Unterschiede hingegen nicht so deutlich wie im ersten Teil. Da für jeden Subtest allen Teilnehmenden die gleiche Zeit zur Verfügung steht, wird auf die Anzahl der bearbeiteten Aufgaben an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Im Durchschnitt lösen die arabischsprachigen Teilnehmenden in den Subtests nicht mehr als 53% der Aufgaben. Die Teilnehmenden der Stichprobe DA lösen hingegen mindestens 54% bis hin zu 74% der Aufgaben richtig. Die Stichprobe DB bewegt sich erneut im Mittelfeld zwischen den beiden anderen Gruppen. Die Teilnehmenden lösen zwischen 44% (Subtest Topologien 1. Testteil) und 61% (Subtest Reihenfolgenfortsetzen 1. Testteil).

187

6 Darstellung der Ergebnisse

Tabelle 28: Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der Aufgaben und der Anzahl durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben sowie das Verhältnis der Extremwerte je Stichprobe (CFT 20-R) Durchschnittlich AR DA DB

Teil 2

Teil 1

Subtests

AR

Minimal DA DB

AR

Maximal DA DB

(n=148)

(n=141)

(n=124)

Reihenfortsetzen

53%

74%

61%

(n=148) (n=141) (n=124) (n=148) (n=141) (n=124)

0%

13%

0%

93%

100%

Klassifikationen

52%

60%

53%

7%

20%

7%

93%

93%

93%

Matrizen

52%

71%

57%

0%

13%

0%

93%

100%

100%

Topologien

40%

55%

44%

0%

9%

9%

82%

100%

91%

Reihenfortsetzen

42%

61%

50%

8%

25%

0%

75%

100%

83%

Klassifikationen

49%

56%

48%

17%

0%

0%

83%

92%

92%

Matrizen

51%

65%

51%

0%

8%

8%

92%

100%

100%

Topologien

42%

54%

46%

0%

0%

0%

89%

100%

100%

100%

Für die arabischsprachigen Teilnehmende zeigt sich im ersten Testteil, dass die ersten drei Subtests zu 52% bzw. 53% richtig gelöst werden. Im zweiten Teil bleibt dies für die Subtests Klassifikation und Matrizen mit 49% und 51% ähnlich. Der Subtest Reihenfolgenfortsetzten wird im 2. Testteil hingegen nur noch zu durchschnittlich 42% richtig gelöst. Im Subtest Topologien ist eine leichte Verbesserung vom ersten zum zweiten Testteil, mit einem Anstieg um durchschnittlich 2%, mehr richtig gelöster Aufgaben, zu erkennen. Dennoch zeichnet sich auch hier keine deutliche Tendenz ab. Im Vergleich der beiden Testteile für die Teilnehmenden der Stichprobe DA zeigt sich, dass in den ersten drei Subtests das Verhältnis richtig gelöster Aufgaben in Teil 1 um 4% bis 13% höher ist. Vor allem in den Subtests Reihenfortsetzen und Matrizen werden im zweiten Teil mit 61% und 65% durchschnittlich deutlich weniger Aufgaben richtig gelöst. Die durchschnittliche Leistung nimmt auch bei den Teilnehmenden der DA vom ersten zum zweiten Testteil ab. Das deutlich höhere Verhältnis richtig gelöster Aufgaben in den ersten drei Subtests, vor allem im ersten Testteil, zeigt sich auch bei der Stichprobe DB. Die unterschiedlichen Verhältnisse werden im zweiten Testteil jedoch deutlich geringer. Hier unterscheidet sich der Subtest Topologien nur noch um 2% bis 5% von den übrigen Subtests des zweiten Teils. Die Veränderung der Leistung zwischen ersten und zweitem Testteil verhält sich bei den Teilnehmenden der Stichprobe DB ähnlich wie bei den arabischsprachigen Teilnehmenden. Besonders in den Subtests Reihenfortsetzen, Klassifikation und Matrizen verringert sich die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben um 5%, 6% und 11%. Das Verhältnis im Subtest Topologien erhöht sich hingegen auch bei den Teilnehmenden der DB um 2% leicht. Die Betrachtung der Extremwerte zeigt, im Verhältnis der Anzahl der Aufgaben je Subtest und der Anzahl der davon richtig gelösten Aufgaben, dass sich die arabischsprachigen Teilnehmenden vor allem bei der Maximalanzahl der richtig gelösten Aufgaben von den anderen beiden Gruppen unterscheiden. In allen drei Stichprobengruppen sind hingegen Teilnehmende zu finden, die keine oder nur verhältnismäßig wenige Aufgaben richtig lösen.

188

6.3 Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz

6.3.2 CFT 20-R Teilstichprobenergebnisse

Zur differenzierten Betrachtung der anhand des CFT 20-R gezeigten kognitiven Leistungen werden diese im Folgenden unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (Teilstichprobengruppen) analysiert. Abbildung 39, Abbildung 40 und Abbildung 41 zeigen die Verteilung der erreichten IQ-Werte für die Teilstichprobengruppen. Hierbei zeigen die Leistungen im CFT 20-R bei allen drei Stichproben mit zunehmender Kompetenzstufe einen ähnlich deutlichen Verlauf. Innerhalb der Teilgruppen der Stichprobe AR liegt der Median der Teilnehmenden der ARK1 bei einem IQ-Wert von 77, gefolgt von einem IQ-Wert von 82, 89 und 93 (s. Abbildung 39). Auch die Mittelwerte zeigen diesen Anstieg: ARK1: 76,4, ARK2: 82,0, ARK3: 88,9 und ARK4: 91,7. Mit zunehmend höherem Ergebnis der mathematischen Kompetenz nähern sich auch die Leistungen im CFT 20-R dem durchschnittlichen Bereich an (s. Abb. 36: hellblau hervorgehobener Bereich). Etwas weniger als die Hälfte der Ergebnisse der Teilnehmenden der ARK2 entsprechen dem Durchschnitt. Ab der dritten Kompetenzstufe liegen mehr als 75% (ARK3) bzw. 100% (ARK4) der Leistungen oberhalb eines IQ-Wertes von 85. In der Gruppe ARK3 erreichen zwei Teilnehmende Werte, die als Ausreißer oberhalb des 75%-Perzentils liegen. Ein Extremwert liegt hingegen mit 64 IQ-Punkten deutlich unterhalb des 25%Perzentils. Abbildung 40 zeigt die Verteilung der IQ-Werte der Kompetenzstufengruppen der Stichprobe DA. Die insgesamt höheren Leistungen zeigen sich hier bereits ab Kompetenzstufe 1. Median und Mittelwerte bestätigen die steigenden Leistungen über die Kompetenzstufen hinweg. Während die DAK1 einen Median von 90 IQ-Punkten (Mittelwert: 88,8) haben, liegt der Median bei der DAK2 bei einem IQ-Wert von 92 (Mittelwert: 90,1). Der Median der Teilnehmenden der DAK3 liegt bei 98 IQ-Punkten (Mittelwert: 98,2), der der DAK4 bei 107 IQ-Punkten (Mittelwert: 106,2) und der der DAK5 bei einem IQ-Wert von 120 (Mittelwert: 118,7). Etwa 70% der Teilnehmenden der DAK5 zeigen somit Leistungen, die im überdurchschnittlichen Bereich oberhalb der ersten Standardabweichung liegen. Streuung und Lage der IQ-Werte der Teilgruppen der Stichprobe DB sind in Abbildung 41 dargestellt. Auch wenn der Anstieg der Mediane hierbei nicht (so deutlich) zunimmt, zeigt die Lage der Boxen der Gruppen DBK1, DBK2 und DBK3 einen Anstieg der erreichten IQ-Werte. Der Median liegt in der Gruppe DBK1 bei 78 IQ-Punkten (Mittelwert: 78,7). Die Werte der Hälfte der Teilnehmenden dieser Gruppe liegt zwischen 70 (25%-Perzentil) und 91 (75%Perzentil). Der Wert der 75%-Perzentile dieser Gruppe entspricht dem Median der Teilnehmenden der DBK2 (Median: 91; Mittelwert: 88,7) und der Teilnehmenden der DBK4 (Median: 91; Mittelwert: 93,7).

189

6 Darstellung der Ergebnisse

Abbildung 39: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe AR)

Abbildung 40: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DA)

Abbildung 41: Verteilung der im CFT 20-R erreichten IQ-Werte je Kompetenzstufe (Stichprobe DB)

190

6.3 Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz

Die Leistung der Hälfte der Teilstichprobe DBK3 liegen zwischen einem IQ-Wert von 83 und 102. Der Median entspricht in dieser Teilgruppe einem IQ-Wert von 89 und ist somit etwas niedriger als der Median der DBK2 und der DBK4. Anhand der Mittelwerte lässt sich jedoch auch in den Teilgruppen der Stichprobe DB der Anstieg der gezeigten kognitiven Leistungen feststellen, da der Mittelwert der DBK4 mit 93,67 IQ-Punkten etwas oberhalb des Mittelwerts der DBK3 liegt (92,71). Während die Streuung der Werte der Teilnehmenden mit Kompetenzstufe 1 und 2 noch sehr breit ist, verringert sich diese bei den Teilnehmenden der DBK3 und DBK4. Diese Veränderung ist auch bei den Teilnehmenden der Stichprobe AR zu beobachten. Besonders die Teilgruppe ARK2 weist eine hohe Streuung von IQ-Werten zwischen 54 und 112 auf. Die Interpretation der IQ-Werte anhand der fünf üblichen Bereiche ist für jede Teilstichprobengruppe anhand der Häufigkeit des Vorkommens in Prozent in Abbildung 42 dargestellt. Hierbei zeigt sich, dass die weit unterdurchschnittlichen Leistungen in allen drei Stichproben mit steigender Kompetenzstufe geringer werden. Ebenso verhält es sich mit den IQ-Werten, die im unterdurchschnittlichen Bereich liegen. Die durchschnittlichen IQ-Werte nehmen unter den arabischsprachigen Teilnehmenden mit 25% (K1), 40% (K2), 78% (K3) und 100% (K4) ebenso wie die erreichte Kompetenzstufe zu. Dieses Verhältnis ist auch in den Teilstichproben DBK1 bis DBK4 zu beobachten. 100%

100%

100%

90% 80%

78%

80%

75%

71%

68%

70%

67% 60%

57%

60% 50%

48%

50%

45%

40%

40%

33%

32%

30% 25% 25%

25%

19%

20%

12%

11%11%

10%

13% 13%

10%

10%

8%

12%

4% 2% 3%

29%

28%

23%

3 4 4%

2%

0% K1

K2

K3

K4

K1

AR

K2

K3

K4

K5

K1

K2

DA

weit unterdurchschnittlich

unterdurchschnittlich

durchschnittlich

K3

K4

DB überdurchschnittlich

weit überdurchschnittlich

Abbildung 42: Interpretation der IQ-Werte (CFT 20-R); Anzahl der Teilnehmenden je Teilstichprobe (%)

Innerhalb der Stichprobe DA zeigt sich dies nicht so deutlich. In den Teilstichproben DAK1 und DAK2 ist ein Anstieg von 17% zu sehen, der jedoch in der DAK3 um 7% geringer wird. Unter den Probanden der ARK3 entsprechen die Leistungen erstmals mit mehr als 10% dem

191

6 Darstellung der Ergebnisse

überdurchschnittlichen Bereich. Zwar werden in der DAK2 und DBK2 ebenfalls IQ-Werte erzielt, die über dem Durchschnitt liegen, diese finden sich jedoch nur bei je 2% der Teilnehmenden. Unter den Teilnehmenden der DAK4 finden sich am häufigsten IQ-Werte im durchschnittlichen Bereich. (Weit) unterdurchschnittliche Leistungen sind hier nur vereinzelt zu finden. Die Anzahl überdurchschnittlicher Werte ähnelt denen innerhalb der DAK3. Die Probanden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 5 entspricht, zeigen mindestens durchschnittliche Leistungen. Mehr als die Hälfte erreichen jedoch IQ-Werte, die im überdurchschnittlichen Bereich liegen. Weit überdurchschnittliche Ergebnisse zeigen 8% der Probanden. Diese finden sich innerhalb der Stichproben AR und DB in keiner der Teilgruppen. Die zuvor beschriebene Zunahme der höheren IQ-Werte bei gleichzeitig steigender mathematischer

Kompetenz

zeigen

sich

auch

bei

der

Berechnung

der

Korrelationskoeffizienten nach Pearson (s. Tabelle 29).

(CFT 20-R)

IQ-Werte

Tabelle 29: Korrelation der IQ-Werte gegenüber der mathematischen Kompetenz nach Pearson Kompetenzstufe (BiMa Sek 1)

Anzahl richtig gelöster Aufgaben

Stichprobe AR

,316**

,416**

Stichprobe DA

,560**

,549**

Stichprobe DB

,373**

,467**

** Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant.

Anhand der Berechnung der bivariaten Korrelation zeigen sich in allen drei Stichproben moderate bis hin zu starken Zusammenhängen. Auffallend ist, dass sowohl die Korrelation zwischen IQ-Werte und Kompetenzstufe wie auch zwischen IQ-Werten und der Anzahl richtig gelöster Aufgaben auf einem Niveau von 0,01 signifikant sind. Mit r=.316 gegenüber r=.373 und r=.416 gegenüber r=.467 ähnelt die Stichprobe AR der Stichprobe DB mit mittleren Korrelationen. Eine starke positive Korrelation zeigt sich innerhalb der Stichprobe DA hinsichtlich beider Analysen. Stichprobenübergreifend korreliert der erreichte IQ-Wert mittel bis stark positiv mit der erreichten Kompetenzstufe sowie der Anzahl richtig gelöster Aufgaben. Die Betrachtung der Subtestergebnisse unter Berücksichtigung der Teilstichprobengruppen zeigt einen leichten Anstieg der durchschnittlich richtig gelösten Aufgaben über die Kompetenzstufen hinweg in fast allen Subtest des ersten Testteils für alle drei Stichproben (s. Tabelle 30). Die arabischsprachigen Teilnehmenden der ARK4 lösen im Vergleich zu den Probanden der ARK3 in den Subtests Reihenfortsetzen und Topologien durchschnittlich 0,5 bzw. 1 Aufgabe weniger. Im zweiten Teil zeigt sich zwischen den Gruppen ARK3 und ARK4, DAK4 und DAK5 sowie DBK3 und DBK4 in verschiedenen Subtests kein eindeutiger Zuwachs der durchschnittlich richtig gelösten Aufgaben bei entsprechend höherer Kompetenzstufe. Die hier sichtbare leichte Tendenz ist jedoch nur geringfügig, da es sich maximal um durchschnittlich eine Aufgabe handelt. Es unterstreicht jedoch das anhand der Box-Plots

192

6.3 Kognitive Fähigkeiten – Intelligenz

beschriebene Bild des Leistungszuwachses bei gleichzeitig höherer Kompetenzstufe. Aufgrund der niedrigen Stichprobengröße in einzelnen Teilgruppen und des deskriptiven Charakters der Studie, kann hier jedoch nur eine Tendenz, aber keine Korrelation nachgewiesen werden. Tabelle 30: Durchschnittliche Anzahl richtig gelöster Aufgaben unter Berücksichtigung der mathematischen Kompetenz je Stichprobe (CFT 20-R)

Teil 2

Teil 1

Subtests

AR

DA

DB

K1

K2

K3

K4

K1

K2

K3

K4

K5

K1

K2

K3

K4

7,4

8,6

9,2

8,7

9,8

10,5

11,3

12,4

13,1

8,2

10,3

10,6

12,0

7,3

8,2

9,0

10,7

7,6

8,6

8,8

10,0

11,3

7,2

8,8

10,1

9,3

Matrizen

6,9

8,7

9,8

11,0

10,0

10,1

10,6

11,8

12,7

8,0

9,3

9,9

10,7

Topologien

4,2

4,4

5,7

4,7

5,0

5,3

6,6

7,5

7,5

4,5

5,0

5,7

6,3

4,5

5,2

6,7

7,0

6,9

6,7

7,2

8,2

9,5

5,5

6,8

6,9

7,7

5,5

6,1

7,1

7,0

6,3

6,1

6,7

6,8

9,1

5,4

6,1

6,0

8,0

Matrizen

5,7

6,4

7,4

8,7

6,8

7,3

7,8

9,0

9,4

5,8

6,6

7,3

6,7

Topologien

3,6

4,0

4,0

4,0

4,0

4,1

5,5

5,9

6,4

3,9

4,6

3,3

4,7

Reihenfortsetzen Klassifikationen

Reihenfortsetzen Klassifikationen

Schwierigkeiten bei der Lösung der Aufgaben bestimmter Subtests im Vergleich der drei Stichproben zeigen sich auch unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe nicht. Vielmehr ist die Anzahl der richtig gelösten Aufgaben zwischen den Teilgruppen der Stichprobe AR und DB ähnlich, während die Teilnehmenden der DA auch auf niedrigen Kompetenzstufen bspw. im Vergleich mit der Teilgruppe ARK1 bereits 0,3 bis 3,1 Aufgaben mehr lösen. Der Subtest Topologien wird im ersten Testteil von allen Teilstichprobengruppen am seltensten richtig gelöst. Dies zeigt auch die Betrachtung der Verhältnisse (s. Tabelle 31). Tabelle 31: Verhältnis zwischen der Gesamtzahl der Aufgaben und der Anzahl durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben unter Berücksichtigung der mathematischen Kompetenz je Stichprobe (CFT 20-R)

Teil 2

Teil 1

Subtests

AR K1

K2

DB

DA K3

K4

K1

K2

K3

K4

K5

K1

K2

K3

K4

Reihenfortsetzen

49% 57% 61% 58% 65% 70% 75% 83% 87% 55% 69% 71% 80%

Klassifikationen

49% 55% 60% 71% 51% 57% 59% 67% 75% 48% 59% 67% 62%

Matrizen

46% 58% 65% 73% 67% 67% 71% 79% 85% 53% 62% 66% 71%

Topologien

38% 40% 52% 43% 45% 48% 60% 68% 68% 41% 45% 52% 57%

Reihenfortsetzen

38% 43% 56% 58% 58% 56% 60% 68% 79% 46% 57% 58% 64%

Klassifikationen

46% 51% 59% 58% 53% 51% 56% 57% 76% 45% 51% 50% 67%

Matrizen

48% 53% 62% 73% 57% 61% 65% 75% 78% 48% 55% 61% 56%

Topologien

40% 44% 44% 44% 44% 46% 61% 66% 71% 43% 51% 37% 52%

Erläuterung: (zweit) höchstes Verhältnis durchschnittlich richtig gelöster Aufgaben je Testteil

193

6 Darstellung der Ergebnisse

Im zweiten Testteil gilt dies ebenfalls für die Stichproben DA und DB. Die arabischsprachigen Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz den Stufen 1 und 2 entspricht, lösen hingegen beim Reihenfortsetzen verhältnismäßig weniger Aufgaben richtig. Dies ändert sich erst bei den Teilnehmenden der Gruppen ARK3 und ARK4. Betrachtet man die Subtests, in denen je Teilstichprobengruppe die verhältnismäßig meisten Aufgaben richtig gelöst werden, zeigt sich im ersten Testteil, dass dies bei 10 der 13 Gruppen im Reihenfortsetzen und beim Lösen der Matrizen vorliegt. Die Teilnehmenden der ARK1 und DBK3 lösen die meisten Aufgaben in Subtest 1: Reihenfortsetzen und Subtest 2: Klassifikationen und die Teilnehmenden der ARK4 in Subtest 2 und Subtest 3: Matrizen. Im zweiten Testteil zeigen die arabischsprachigen Teilnehmenden in keiner Teilgruppe im Reihenfolgenfortsetzen die verhältnismäßig besten Leistungen. Hier werden die höchsten Rohwerte beim Lösen der Matrizen (und Klassifikationen) erzielt. Nur je eine Teilgruppe der Stichprobe DA und DB lösen statt beim Reihenfortsetzen und Bearbeiten der Matrizen in einem anderen Subtest die meisten Aufgaben richtig (DAK3: Matrizen und Topologien; DBK4: Reihenfortsetzen und Klassifikationen).

194

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen Mit der Betrachtung der mathematikbezogenen Vorstellungen wird ein weiteres Element der Prozessebene bei der Beurteilung mathematischer Kompetenzen im interkulturellen Vergleich berücksichtigt. Die mathematikbezogene Vorstellung beeinflusst die innere psychische Bindungskonstellation für eine Auseinandersetzung mit Mathematik und kann sich somit auf das mathematische Handeln auswirken. Die Rekonstruktion der mathematikbezogenen Vorstellungen erfolgt anhand der Antworten des Fragebogens Beliefs, der basierend auf dem Fragebogen aus dem Forschungsprojekt von Gogolin et al. (2004) entwickelt und durch den Fragebogen zum mathematischen Weltbild (Grigutsch 1996) sowie den Leitfaden zur Erfassung mathematikbezogener Vorstellungen von Deseniss (2015) ergänzt wurde. Zur Deskription der mathematikbezogenen Vorstellungen werden die Antworten der Teilnehmenden anhand der deduktiv gebildeten und induktiv ergänzten Kategorien und deren Subkategorien systematisiert. Die dargestellten Ergebnisse beruhen auf den Auswertungen der Beliefs-Fragebögen der Teilnehmenden aller drei Stichproben. Der zum Teil sehr unterschiedliche Umfang der Antworten aufgrund der offenen Fragestruktur wurde durch die Bildung der Kategorien systematisiert und wird zunächst für jede Stichprobe anhand der Häufigkeit

der

Subkategorien

beschrieben.

Im

ersten

Teil

der

Darstellung

der

mathematikbezogenen Vorstellungen wird die betrachtete Teildimension inhaltlich kurz umrissen und die Verteilung der Ergebnisse grafisch dargestellt. Anschließend erfolgt in einem zweiten Schritt die Analyse hinsichtlich möglicher Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den drei Gruppen anhand der Differenzen der Antworthäufigkeit (min. 10%: auffällig, min. 20%: sehr auffällig). Alle Teilnehmenden erhielten Fragebögen mit den gleichen Fragen, um zu jedem Inhaltsbereich die Vorstellungen aller Teilnehmenden zu rekonstruieren und so den Vergleich zwischen den Stichproben zu ermöglichen. Zwischen den Fragebögen der Stichproben DA und DB und den arabischsprachigen Teilnehmenden bestand nur bezüglich der schulbezogenen Fragen der Unterschied in der ergänzenden Formulierung: ‚in deinem Heimatland‘, die dem arabischsprachigen Fragebogen hinzugefügt wurde. Die Probanden der Stichprobe AR sollten die Fragen nicht bezogen auf etwaige Erfahrungen in Deutschland beantworten, sondern bezogen auf die Vorstellungen von Mathematik, die sich aufgrund der bis zur Flucht gesammelten Eindrücke gebildet haben. Die Antworten der Teilnehmenden können bei jeder Frage innerhalb der jeweiligen Kategorie mehreren Unterkategorien zuordnet werden. Eine Subkategorie kann jedoch nur einmal pro Teilnehmenden gewertet werden. Die maximale Anzahl der Häufigkeit entspricht somit der Gesamtzahl der Stichprobe (AR = 148, DA = 141, DB = 124).

195

6 Darstellung der Ergebnisse

Anhand des Fragebogenschemas erfolgt die Darstellung innerhalb der drei Konstrukte Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene (6.4.1), Selbstbild als Mathematiklernende (6.4.2) sowie Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene (6.4.3) und deren Teildimensionen (s. Abschnitt 5.2.2).

6.4.1 Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene Einen Teilaspekt des komplexen Konstruktes der mathematikbezogenen Vorstellungen stellen die Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene dar. Inwiefern etwas durch die eigene Person beeinflusst werden kann, etwa die Vorstellung, ob die Leistungen in Mathematik abhängig von äußeren oder inneren Faktoren sind, wirkt sich auf den Umgang mit dem jeweiligen Gegenstand der Vorstellung aus. Auf individueller Ebene werden hierbei untersuchungsrelevante Aspekte, wie die Vorstellungen über das Wesen von Mathematik und die Vorstellungen über Ursachen und Bedingungen, betrachtet.

Vorstellungen über das Wesen von Mathematik Die Vorstellungen über das Wesen von Mathematik stellen einen grundlegenden Aspekt des Gesamtkonstrukts dar, der auch andere Bereiche mathematikbezogener Vorstellungen prägt und bereits vertiefend untersucht wurde (z.B. Grigutsch 1995). Auch die gezielte Betrachtung bei Teilnehmenden mit Migrationshintergrund liegt vor (Deseniss 2015), die den Einfluss des Migrationshintergrundes auf diese basale Vorstellungsdimension unterstreicht. Inwiefern sich in diesem Bereich Tendenzen zwischen den Teilnehmenden verschiedener Herkunftsländer abzeichnen, ist daher Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die Vorstellungen über das Wesen der Mathematik wurden anhand von drei Fragen erhoben. Die Fragen 1a, 1b und 11 dienen zur Assoziation. Bei der Beantwortung der Frage 10 wurden die Teilnehmenden hingegen mit vorgegebenen Stichworten konfrontiert, die den Dimensionen zur Beschreibung des Bildes von Mathematik nach Grigutsch (1995; 1996) entsprechen. Nach einer ersten Einschätzung, ob das jeweilige Stichwort zur Mathematik gehört, wird eine Begründung verlangt, die anhand der fünf Dimensionen kategorisiert wird.

Assoziationen zu Mathematik Bei der Beantwortung der Fragen 1a: ‚Denke an das Wort „Mathematik“. Welche Stichworte fallen dir zuerst ein?‘ und 1b: ‚Erkläre kurz, was Mathematik ist‘ nennen die Teilnehmenden Assoziationen zu Mathematik. Diese lassen sich einer von zehn Subkategorien zuordnen. Abbildung 43 und Abbildung 44 zeigen die Verteilung der prozentualen Antworthäufigkeit.

196

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Erkläre kurz, was Mathematik ist:

Denke an das Wort „Mathematik“. Welche Stichworte fallen dir zuerst ein? 0%

20%

40%

Strukturelle Sichtweise auf Mathematik

0%

18% 26% 29%

Einstellung zur Mathematik

5% 10% 11%

allgemeine Anforderungen

14% 11% 3%

kognitive Kompetenzen

Arbeitsformen

Instrumente

5% 10% 3%

Instrumente

Ursprung mathematischer Leistung Sonstiges

AR %

1%

Fachsystematik

13% 7%

5%

16% 20%

0% 3% 0%

80%

11% 3% 11% 9% 0% 5% 8% 2% 10% 7% 15% 12% 0% 0% 0% 3%

(Alltags- bzw. lebensweltlicher) Nutzen 2% 0% 0%

Sonstiges

2% 4% 4%

Abbildung 43: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 1 je Stichprobe in Prozent (VoWe 1)

AR %

14% 26% 33% 22%

Ursprung mathematischer Leistung

DB %

72%

35% 27% 17%

5%

3% 12% 7% DA %

60%

47%

Strukturelle Sichtweise auf Mathematik

11% 11% 10%

(Alltags- bzw. lebensweltlicher) Nutzen

40%

59%

Arbeitsformen

Fachsystematik

20%

Mathematik als Rechnen

36% 33% 22%

Einstellung zur Mathematik

kognitive Kompetenzen

80%

66% 72% 63%

Mathematik als Rechnen

allgemeine Anforderungen

60%

DA %

DB %

Abbildung 44: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 1 je Stichprobe in Prozent (VoWe 2)

Innerhalb der ersten Gedanken zur Mathematik zeigen alle drei Stichprobengruppen sowohl in Frage 1a als auch in Frage 1b eine deutliche Tendenz zur Assoziation der Mathematik als Rechnen. Häufig werden Rechenoperationen, wie ‚Plus‘ und ‚Minus‘, aber auch ‚Multiplizieren‘ und ‚Dividieren‘, ‚Zahlen‘ und das ‚1x1‘ genannt. Daneben sind bei der Frage nach Stichworten, solche zu finden, die der strukturellen Sichtweise und der Einstellung zur Mathematik zuzuordnen sind. Die Einstellung zur Mathematik in Form von Antworten, wie ‚Angst‘, ‚Ich hasse Mathematik‘ aber auch ‚Schönes Fach, wenn man es versteht‘, findet sich am häufigsten bei den Teilnehmenden der Stichprobe DB (s. Abbildung 41). Erklären die Teilnehmenden was Mathematik ist, lassen sich die Antworten aller drei Stichproben zu über 20% dem alltags- bzw. lebensweltlichen Nutzen der Mathematik zuordnen. Dieser findet sich seltener bei den zuvor erfragten Stichworten.

197

6 Darstellung der Ergebnisse

Werden die Teilnehmenden nach den ersten zehn

Fragen

und

bereits

Fallen dir weitere Stichworte ein, die etwas mit Mathematik zu tun haben?

vorgegebenen

Stichworten erneut gefragt, ob ihnen zusätzliche Stichworte

einfallen,

ergänzen

36%

0%

arabischsprachigen Teilnehmenden, 21% der

häufigsten finden sich Antworten der Probanden

Einstellung zur Mathematik

1% 2% 2%

allgemeine Anforderungen

3% 3% 2%

kognitive Kompetenzen

3% 1% 2%

der Stichprobe AR die dem alltags- bzw. lebensweltlichen Nutzen der Mathematik Gefolgt von

Stichworten zur

als

strukturellen

Sichtweise.

Assoziationen

Rechnen

zum

Bis

und auf

Ursprung

zur die

Arbeitsformen

der

mathematischen Leistung finden sich unter

1% 4% 1%

Fachsystematik

1% 4% 0%

(Alltags- bzw. lebensweltlicher) Nutzen

3% 2%

Unterkategorien. Beim Vergleich der drei Stichprobengruppen der

dargestellten

Verteilung

der

Antworten zeichnen sich erste Gemeinsamkeiten

1% 1% 0%

Instrumente

den ergänzten Stichworten Antworten aus allen

anhand

5% 7% 5%

Strukturelle Sichtweise auf Mathematik

weitere Stichworte (s. Abbildung 45). Am

Mathematik

11% 7% 5%

Mathematik als Rechnen

Stichprobe DA und 13% der Stichprobe DB

entsprechen.

10% 20% 30% 40%

der

Ursprung mathematischer Leistung

und Unterschiede ab. Die Häufigkeit der Nennung der Strukturellen Sichtweise auf Mathematik ist bei den Teilnehmenden der AR und DA in den

Sonstiges

17%

0% 0% 0% 3% 1% 1%

Frage 1a und 1b ähnlich hoch, während diese in Gesamt

der Stichprobe DB über 10% seltener zugeordnet

13%

21%

36%

werden kann. Bei der Frage nach Stichworten zur AR %

Mathematik (Frage 1a) ist zudem der Bezug zum alltags- bzw. lebensweltlichen Nutzen ebenfalls ähnlich häufig (AR: 16%; DA 20%). Hier zeigt sich

DA %

DB %

Abbildung 45: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 1 je Stichprobe in Prozent (VoWe 3)

hingegen eine deutliche Differenz zu den Teilnehmenden der DB (5%). Bei der erneuten Gelegenheit zur Äußerung von Stichworten verändert sich dieses Verhältnis jedoch, da hier die arabischsprachigen Teilnehmenden mehr als 10% häufiger Stichworte zum alltags- bzw. lebensweltlichen Nutzen der Mathematik nennen. Bei der Betrachtung der Differenzen zwischen einzelnen Stichproben zeigt sich, dass sich die Stichproben AR und DA im Bereich der Fachsystematik in den ersten beiden Fragen deutlich unterscheiden. Assoziationen zu dieser Subkategorie finden sich deutlich häufiger bei den Teilnehmenden der DA. Bei den Einstellungen zur Mathematik und den kognitiven

198

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Kompetenzen, also Begriffen wie ‚Denken‘, ‚Logik‘, ‚Kopf anschalten‘ und ‚Zusammenhänge erkennen‘ unterscheiden sich die arabischsprachigen Teilnehmenden in Frage 1a hingegen von der Stichprobe DB. Während die Einstellungen zur Mathematik häufiger in der Stichprobe DB zu finden sind, werden kognitive Kompetenzen häufiger von der Stichprobe AR genannt. Innerhalb der Frage 1b unterschieden sich die Stichprobe DA und DB bei der Assoziation zum Nutzen der Mathematik hingegen deutlich.

Dimensionen zur Beschreibung des Bildes von Mathematik Zur Beschreibung des Bildes, das die Teilnehmenden von der Mathematik haben, liegen basierend auf der Forschung von Grigutsch et al. (1998) fünf Dimensionen vor (s. Abschnitt 3.2.3). Die Rekonstruktion des Mathematikbildes als Teil der Vorstellungen über das Wesen der Mathematik, erfolgt anhand von zehn theoriegleitet ausgewählter Stichworte (s. Abschnitt 5.2.2). Abbildung 46 zeigt die prozentuale Verteilung der Antworten ‚ja‘ und ‚nein‘ zu jedem Stichwort für jede Stichprobe.

Haben diese Stichwörter etwas mit Mathematik zu tun?

Verstehen

Fehler

Formeln

Üben

Auswendig lernen

Logisches Denken

AR ja

89%

DA

DB

97%

90%

nein 11%2%8% ja

43%

nein

74%

56%

ja nein

23%

72%

28%

100% 3%

96%

95%

5%

ja

91%

100%

93%

nein 9%7% ja

78%

nein

20% 12% 13%

ja

87%

98%

87%

96%

96%

4%

nein

4%

Beweisen, Begründen

Kreativität

2%

ja nein

73% 24%

ja nein

31% 67%

78% 18% 17%

45% 52% 82%

68%

30%

Abbildung 46: Verteilung der Antworten zu vorgegebenen Stichworten je Stichprobe in Prozent

199

6 Darstellung der Ergebnisse

Während fünf der acht Stichworte von fast allen Teilnehmenden als Bestandteil der Mathematik gewertet werden gibt es andere, bei denen die Einschätzungen variieren. Das Üben, Formeln und Verstehen werden in allen drei Stichproben zu mehr als 90% mit ja beantwortet. Das Auswendiglernen gehört für deutlich mehr Teilnehmende der Stichproben DA und DB zur Mathematik als innerhalb der Stichprobe AR. Auch das Stichwort Fehler wird unterschiedlich eingeschätzt. Jeweils 87% der Antworten der DA und DB ordnen ‚Fehler‘ der Mathematik zu, während 20% der arabischsprachigen Teilnehmenden dies verneinen. Anhand der Begründung wird hierbei deutlich, dass ‚Fehler‘ unterschiedlich interpretiert werden. Während in den Stichproben DA und DB die eigenen Fehler als Teil der Mathematik betrachtet werden und Fehler einen Anlass zum Lernen darstellen, begründen einige arabischsprachige Teilnehmende, dass Mathematik als Lerngegenstand resp. als Wissenschaft fehlerfrei sei. Das Stichwort Kreativität zeigt im Rahmen der Begründungen eine gewisse Mehrdeutigkeit. Die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB kreuzen bei diesem Stichwort häufiger nein als ja an. Begründet wird dies zum Teil damit, dass Mathematik nichts mit Kunst zu tun habe und dass man Mathematikaufgaben lösen kann, auch wenn man nicht malen resp. zeichnen kann. Die Begründungen der Teilnehmenden der Stichprobe AR machen deutlich, dass das Stichwort Kreativität unklar blieb, auch wenn ja angekreuzt ist: •

Kreativität wird mit Talent resp. Begabung gleichgesetzt: „Ein talentierter Mensch kennt sich mit Mathe aus“ (AR0508) „Man kann in der Mathematik eine Begabung haben“ (AR0601)



Kreativität wird mit Können gleichgesetzt: „Kreativ bei Rechenschnelligkeit“ (AR0803)



Mathematik wird als Voraussetzung für Kreativität betrachtet: „Verstärkt die Kreativität“ (AR1102)

Andererseits wurde das Stichwort im Sinne der Gestaltung als kreativer Arbeitsprozess verstanden, also im Sinne des Ausprobierens, des Findens alternativer Lösungen als Gegensatz zum unverstandenen Auswendiglernen: „Wenn man die Aufgaben auf mehrere Arten schlau löst“ (AR0906). Zudem beziehen die Teilnehmenden Kreativität nicht auf die mathematischen Inhalte, sondern auf deren Nutzen im Leben: „Ja es gibt Kreativität im Ingenieurwesen, bei eine Gebäude und allgemein in der Mathematik“ (AR1214). Besonders bei den Stichworten Kreativität und Fehler ist bei der Interpretation der Einschätzung die Deutung der Stichworte zu berücksichtigen. Neben der Beurteilung durch die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten wurden die Teilnehmenden dazu aufgefordert ihre Antwort zu begründen. Die Begründung zu jedem Stichwort wurden den fünf Dimensionen nach Grigutsch (1995) zugeordnet. Die Verteilung der Häufigkeit der Dimension über die Stichworte hinweg zeigt Abbildung 47.

200

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Begründung zu "Haben diese Stichwörter etwas mit Mathematik zu tun?" 0% Sonstiges Anwendungsaspekt

10%

20%

30%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

10% 10% 9%

Formalismusaspekt Prozessaspekt

22% 19%

Schemaaspekt rigide Schema-Orientierung

40%

4% 2% 6% 2% 1% 1%

37% 33% 32%

36%

2% 2% 2%

Gesamt

70% 74%

AR %

DA %

88%

DB %

Abbildung 47: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 10 je Stichprobe in Prozent (VoWe 4)

Nicht alle Teilnehmenden haben Begründungen notiert. Die Stichprobe AR hat zu 88%, die Stichprobe DA zu 70% und die Stichprobe DB zu 74% an dieser Aufgabe teilgenommen. Bezogen auf die reduzierte Anzahl erfolgt die Umrechnung der Prozentangaben, um einen Vergleich zwischen den Stichproben zu ermöglichen. Vier der fünf Dimensionen lassen sich bei allen drei Gruppen ähnlich häufig zuordnen. Hierzu zählen der Anwendungsaspekt (AR: 2%, DA: 1%, DB: 1%), der Formalismusaspekt (AR: 10%, DA: 10%, DB: 9%), der Schemaaspekt (AR: 33%, DA: 32%, DB: 36%) und die rigide Schema-Orientierung (AR: 2%, DA: 2%, DB: 2%). Dem Prozessaspekt können hingegen die Begründungen der arabischsprachigen Teilnehmenden deutlich häufiger zugeordnet werden (AR: 37%, DA: 22%, DB: 19%). Der Prozessaspekt stellt somit die einzige Dimension dar, bei der die Antworten im Vergleich der Stichproben mit mehr als 10% Differenz voneinander abweichen.

Vorstellungen über Ursachen und Bedingungen Die Vorstellungen über Ursachen und Bedingungen (mathematischer) Leistung sind eng verknüpft mit Motivation und Selbstbild der Lernenden. Besteht die Überzeugung etwas nicht ändern oder beeinflussen zu können, wie etwa der angenommene Zusammenhang zwischen der eigenen Begabung oder dem Geschlecht, kann sich dies entsprechend auf die Anstrengungsbereitschaft auswirken. Aber auch die individuellen Erfahrungen wirken sich auf diesen

Vorstellungsbereich

aus.

Besonders

im

schulischen

Kontext

werden

die

Teilnehmenden regelmäßig mit ihren eigenen Leistungen konfrontiert. Es bilden sich subjektive Annahmen über das Zustandekommen mathematischen Könnens. Um die Faktoren zu analysieren, die von den Teilnehmenden als Ursachen und Bedingungen mathematischer Leistung angesehen werden, werden im Folgenden die Antworten aus den Fragen 5, 8 und 9 dargestellt. Mittels der Frage: ‚Was ist nötig, um gut in Mathematik zu sein?‘ werden Vorstellungen über notwendige Voraussetzungen rekonstruiert.

201

6 Darstellung der Ergebnisse

Die Fragen 8 und 9 geben mögliche Bedingungen vor, die von den Teilnehmenden bewertet werden müssen. Gefragt wird, ob Mathematik etwas mit Begabung resp. dem Geschlecht zu tun hat. Anhand vorgegebener Skalen wird der Zusammenhang bewertet. Anschließend werden die Teilnehmenden gebeten ihre Einschätzung zu begründen. Die aus den Antworten gebildeten Kategorien werden anhand der Häufigkeit ihres Auftretens für jede Stichprobe näher beschrieben.

Vorstellung über notwendige Voraussetzungen Die Antworten der Teilnehmenden aller Stichproben zur Vorstellung über notwendige Voraussetzungen guter Leistungen in Mathematik lassen sich in 16 Unterkategorien klassifizieren. Abbildung 48 zeigt die Häufigkeit der Antworten der jeweiligen Unterkategorie für jede Stichprobe in Prozent.

Was ist nötig, um gut in Mathematik zu sein? 0%

10%

alles ist nötig

0% 0% 1%

nichts ist nötig

1% 1% 1%

Individuelle Voraussetzungen

30%

16% 16%

allgemeine kognitive Kompetenzen Lesekompetenz/Textverständnis

0% 0% 2%

Arbeitstempo

1% 2% 1% 4% 6%

Verstehen/ Verständnis

2%

19% 23% 21%

6%

4% 2% 1%

Rechnen/Zählen

9%

Inhalts-/ strukturbezogene mathematische Konzepte/ Kompetenzen

5% 9% 6%

Hilfe/Erkärung (gute Erklärung, nachfragen...)

1%

Nachhilfe/ Privatunterricht

1% 2%

Sonstiges AR %

55% 50%

8% 10%

8% 0% 2%

60%

14%

5% 4%

Lernzeit/-dauer (viel lernen, oft üben)

Instrumente (Hilfsmittel)

50%

41%

positive Einstellung

(Fach-) Sprache

40%

40%

Schülertugenden

Organisatorische Bedingungen (Schule, Lehrer, Klasse, Umwelt)

Äußere Bedingungen

20%

DA %

13%

19%

7% 10% 7%

3% 1% 2%

DB %

Abbildung 48: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 5 je Stichprobe in Prozent (VoUB1)

202

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Das Spektrum der Antworten reicht hierbei von sehr allgemein bis hin zu sehr konkreten Vorstellungen über die notwendigen Voraussetzungen. Antworten, die den Subkategorien alles ist nötig und nichts ist nötig zugeordnet werden können, sind jedoch in allen drei Stichprobengruppen eher selten. Besonders häufig werden Schülertugenden genannt, wie ‚Fleiß‘, ‚Ausdauer‘, ‚Lernbereitschaft‘ und ‚Konzentration auf den Unterricht‘ (AR: 55%, DA: 41%, DB: 50%). Von den Teilnehmenden der Stichprobe DA werden zudem zu 40% allgemeine kognitive Kompetenzen als Bedingung guter Leistungen in Mathematik angesehen. Dies ist bei den Teilnehmenden der Stichproben AR und DB nur zu 16% der Fall. Aus dem Bereich der individuellen Voraussetzungen werden von 8% bzw. 10% der Stichroben DA und DB positive Einstellungen und von 14% der DA-Teilnehmenden das Verständnis genannt. Aus dem Bereich der äußeren Bedingungen, wird die Beherrschung konkreter Inhalte, wie Zählen und Rechnen in allen drei Stichproben genannt (AR: 9%, DA: 13%, DB: 19%), aber auch die Beherrschung bzw. das Verständnis von komplexeren mathematischen Inhalten, die über

das

bloße

Rechnen

hinausgehen

(Kategorie:

inhalts-/strukturbezogene

mathematische Kompetenzen), werden in allen drei Stichproben genannt (AR: 5%, Da: 9%, DB: 6%). 23% bzw. 25% der Teilnehmenden der DA und DB sehen die vorhandene Lernzeit bzw. Lerndauer als wichtige Voraussetzung an. Hierunter subsummiert sich sowohl die zur Verfügung stehende Lernzeit als auch die tatsächliche Dauer des Übens, Trainierens und Lernens. Für 19% der Teilnehmenden der Stichprobe AR stellen organisatorische Bedingungen, wie u.a. eine gute Lehrkraft, die für Ruhe sorgt und gut erklärt, eine gute Schule, die viele Mathestunden ermöglicht, aber auch die allgemeine Möglichkeit des Schulbesuchs, eine Bedingung dar. Die Unterrichtssprache sowie die Komplexität der Sprache (Kategorie: (Fach-)Sprache) wird von den arabischsprachigen Teilnehmenden zu 9% und von 2% der Stichprobe DB als Bedingung guter mathematischer Leistung gesehen. Im Vergleich der drei Stichproben zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den Stichproben AR und DB bei der Anzahl der Antworten in der Subkategorie allgemeine kognitive Kompetenzen mit jeweils 16%. Dies wird mit 40% deutlich häufiger in den Antworten der Teilnehmenden der Stichprobe DA genannt. Unterschiede zu den arabischsprachigen Teilnehmenden zeigen sich in bei der Häufigkeit der Antworten, die sich den organisatorischen Bedingungen und der Lernzeit/-dauer zuordnen lassen. Während die Lernzeit/-dauer deutlich häufiger in den Antworten der Stichproben DA und DB genannt wird, beziehen sich die Teilnehmenden der Stichprobe AR auffallend häufiger auf organisatorische Rahmenbedingungen. Bei der Betrachtung von Unterschieden zwischen einzelnen Stichproben fallen die Subkategorien Schülertugenden und Verstehen/Verständnis auf. Während die Schülertugenden von den arabischsprachigen Teilnehmenden deutlich häufiger

203

6 Darstellung der Ergebnisse

genannt werden (AR: 55%, DA: 41%), findet sich bei den Probanden der Stichprobe DA die Vorstellung der Notwendigkeit des Verstehens öfter (AR: 4%, DA: 14%). In allen drei Stichproben sind Vorstellungen zu individuellen Voraussetzungen sowie äußeren Bedingungen zu finden. Gemeinsamkeiten zeigen sich im Vergleich der drei Stichproben sowohl bei den individuellen als auch den äußeren Aspekten, wohingegen bei den Unterschieden zwischen einzelnen Stichproben nur die Häufigkeit der Antworten zu einzelnen individuellen Voraussetzungen auffällig sind.

Vorstellung über den Zusammenhang zwischen Begabung und Mathematik Ergänzend zu der im vorherigen Abschnitt vorgestellten offenen Frage zu Vorstellungen über notwendige

Voraussetzungen

guter

mathematischer

Leistungen,

beurteilen

die

Teilnehmenden aller drei Stichproben den Zusammenhang zwischen Mathematik und Begabung anhand einer fünfstufigen Skala. Die Verteilung der Antworten ist in Abbildung 49 dargestellt. Über die Stichproben hinweg finden sich Teilnehmende, die angeben, dass Mathematik gar nichts oder aber sehr viel mit Begabung zu tun hat. Die häufigste Antwort ist jedoch mittelmäßig, gefolgt von viel. 44% 38% 33%

50% 40% 30% 20% 10%

18% 13% 8%

15% 11% 11%

gar nichts

weniger

33% 23% 25% 11% 6% 6%

3% 1% 2%

0% mittelmäßig AR

DA

viel

sehr viel

keine Antwort

DB

Abbildung 49: Verteilung der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Begabung je Stichprobe in Prozent (VoUB2)

Um die Einschätzung nachvollziehen zu können, geben fast alle Probanden Begründungen an (AR: 96%, DA: 88%, DB: 91%), die sich zwölf Subkategorien zuordnen lassen. Die Häufigkeit der Antworten der Kategorie je Stichprobe ist in Abbildung 50 dargestellt. Die arabischsprachigen Teilnehmenden antworten mit 32% am häufigsten, dass es begabte Menschen gibt. Begabung umfasst hier auch mathematisches Können. Subsummiert sind also Begründungen wie: •

„Es gibt Menschen die schnell sind“ (AR0105)



„Die Beziehung zu Mathe, es gibt manche, die die Begabung haben schnell zu rechnen und Addition und Substitution“ (AR0303)



„Meiner Meinung nach, gibt es Begabung in der Mathematik. Es gibt Menschen, die mit einer Begabung geboren worden sind und manche haben diese Begabung nicht“ (AR0401)

204

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen



„Ja Mathe hat viel mit Talent zu tun, weil es gibt Menschen, die können irgendwas in wenigen Sekunden berechnen oder lösen“ (AR0809)

Dieser Subkategorie lassen sich die Antworten von 26% Teilnehmenden der Stichprobe DB und von 21% der Teilnehmenden der Stichprobe DA zuordnen. Durch die Antworten der Teilnehmenden lässt sich somit die verbreitete Vorstellung in allen drei stichprobengruppen rekonstruieren, dass tendenziell ein Zusammenhang zwischen Mathematik und Begabung gesehen wird, der aber aufgrund der überwiegend ‚mittelmäßigen‘ Einschätzung schwach ausgeprägt ist. Die Begründungen der Probanden dieser

Hat Mathematik etwas mit Begabung zutun?

beiden Stichproben lassen sich mit je 24% fast ebenso häufig zu Mathematik kann man

0% 10% 20% 30% 40%

lernen klassifizieren. Wohingegen nur 14% der Stichprobe AR dieser Kategorie entsprechen.

beiden Subkategorien angesprochen werden: •

„Für manche kann die Mathematik leicht sein, aber wird leichter durch Konzentration und Übung“ (AR0506)



„Ja teilweise, weil wer nicht begabt ist, kann es auch durch kontinuierliches Lernen und nicht aufgeben, lernen“ (AR0406)





„Ja, auf jeden Fall, doch wenn man dann nicht übt hat man schlechte Karten“ (DA0314) „Manche sind sehr gut in Mathe und müssen nicht viel bis gar nichts lernen. Andere müssen sehr viel lernen“ (DA0405)

kein Zusammenhang

wiederholt Begründungen, in denen diese

Zusammenhang

Es finden sich in den Stichproben AR und DA

Diese Teilnehmenden gehen also davon aus,

DA, die sich der Subkategorie Begabte haben es (allgemein) leichter zuordnen lassen.

Mathematik können ist ein Talent

7% 3% 2% 13% 10% 9%

Mathematik ist Denken/ Kognition/…

32% 21% 26%

Es gibt begabte Menschen Begabte haben es leichter (allgemein)

6%

Begabung hilft beim Verstehen,…

8% 6% 2%

kein Zusammenhang, ohne Begründung

5% 1% 9%

10%

14%

Mathematik kann man lernen Interesse an Mathematik Mathematik ist kein Talent, sondern… Mathematik ist eine Schülertugend…

Frageunabhängige Antwort

23%

24% 24%

3% 4% 7% 1% 0% 1% 3% 4% 3%

3% 1%

11%

.

Mathematik gibt, man sich durch Lernen aber in den 23% der Begründungen der Stichprobe

5% 7% 7%

7% Begabung ist 0% unabhängig von… 0%

dass es zwar eine grundsätzliche Begabung für trotzdem verbessern kann. Dies zeigt sich auch

Zusammenhang, ohne Begründung

Sonstiges

AR %

DA %

0% 4% 5%

DB %

Abbildung 50: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 8 je Stichprobe in Prozent (VoUB 2)

205

6 Darstellung der Ergebnisse

Darüber hinaus gibt es weitere Erklärungen für das (nicht) Vorhandensein der Zusammenhänge, die von allen Stichproben ähnlich häufig genannt werden. Bei der Betrachtung der Differenzen zwischen den Stichproben fällt auf, dass sich die Subkategorie Begabte haben es leichter von den Teilnehmenden der DA häufiger als Begründung angeben wird als in den Stichproben AR und DB. Die Antworten, die in der Kategorien Mathematik kann man lernen subsummiert werden, sind mit 24% häufiger bei den Teilnehmenden der DA und DB zu finden als bei den arabischsprachigen Teilnehmenden (14%). Weitere Unterschiede zwischen einzelnen Stichproben zeigen sich in der Subkategorie Es gibt begabte Menschen. Hier lassen sich 32% der Antworten der Stichprobe AR zuordnen und nur 21% der Antworten der DA. Eine deutliche Differenz zeigt sich auch bei der Anzahl frageunabhängiger Antworten. Immerhin 11% der Teilnehmenden der Stichprobe AR notieren Begründungen, die keinen Zusammenhang zur eigentlichen Frage (Frageunabhängige Antwort) aufweisen. Dies ist hingegen nur bei 3% der Teilnehmenden der DA und 1% der DB der Fall.

Vorstellung über den Zusammenhang zwischen Geschlecht und Mathematik Neben der Einschätzung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Begabung wird die Vorstellung hinsichtlich des Einflusses des Geschlechts auf die mathematische Leistung abgefragt. Die Teilnehmenden aller Stichproben schätzen anhand einer fünfstufigen Skala ein, ob Mathematik etwas mit dem Geschlecht zu tun hat. Die Verteilung der Einschätzung ist in Abbildung 51 für jede Stichprobe dargestellt. 100%

84% 76%73%

80% 60% 40% 20%

11% 3% 6%

5% 5% 4%

5% 1% 4%

5% 3% 1%

5% 6% 2%

weniger

mittelmäßig

viel

sehr viel

keine Antwort

0% gar nichts

AR

DA

DB

Abbildung 51: Verteilung der Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Geschlecht je Stichprobe in Prozent (VoUB3)

Die überwiegende Zahl der Teilnehmenden aller drei Stichproben geben an, dass es gar keinen Zusammenhang zwischen Mathematik und dem Geschlecht, also ob man Junge oder Mädchen ist, gibt (AR: 76%, DA: 73%, DB: 84%). 11% der Stichprobe DA, 3% der Stichprobe AR und 6% der Stichprobe DB schätzen ein, dass Mathematik wenig mit dem Geschlecht zu tun hat. Einen mittelmäßigen Zusammenhang geben je 5% der Stichprobe AR und DB an, ebenso wie 4% der Stichprobe DA. Jeweils 5% der arabischsprachigen Teilnehmenden geben

206

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

an, dass Mathematik viel bzw. sehr viel mit dem Geschlecht zu tun hat. Ein vertiefender Blick in die Daten zeigt, dass bei der Verteilung der Geschlechter innerhalb der Stichproben und der Einschätzung keine Tendenz zu erkennen ist. Die Möglichkeit, dass sich das eigene Geschlecht der Teilnehmenden in der Beurteilung der Frage widerspiegelt, zeigt sich nicht. Es zeigt sich kein Unterschied, wenn die Verteilung der Einschätzung innerhalb der Stichproben nach Geschlecht aufgeteilt wird (s. Anhang 10.3.2). Die Begründung zu den vorab getroffenen

Hat Mathematik etwas mit dem Geschlecht (Mädchen/Junge) zu tun?

Einschätzungen

Zusammenhang

0% 10% 20% 30% 40% 50%

Geschlechtsspezifische Begabung (die einen sind besser) Lernen ist geschlechtabhängig

sich

1% 3% 2%

kein Zusammenhang

Geschlechtsunabhängige Voraussetzungen

24% 27%

Mathematik hängt vom Denken ab (Kognition/Intelligenz)

45%

27%

Abbildung

Unterkategorien

deren

52

Häufigkeit

aufgeführt

ist.

in Die

Begründungen für einen Zusammenhang vertreten.

Zum

einen

wird

der

Zusammenhang zwischen Mathematik und

6% 1% 0%

dem 16% 16% 17%

Geschlecht

durch

geschlechts-

spezifische Begabungen erklärt, indem angegeben wird, dass ein Geschlecht Mathematik besser könne. Zum anderen

9% 11%

4%

zehn

sind in allen drei Stichproben ähnlich häufig

11% 12%

0%

in

subsummieren,

Jeder Mensch ist gleich (gut)

der und

der Stichprobe DA. Die Antworten lassen

Geschlecht spielt keine Rolle, ohne Begründung

Jeder darf Mathematik lernen

94%

Teilnehmenden

ebenso 94% der Stichprobe DB, sowie 79%

6% 7% 6%

Mathematik lernt man (unabhängig vom Geschlecht)

beantworten

arabischsprachigen

wird angegeben, dass das Lernen vom 25%

12%

Geschlecht abhängig sei.

7% 3% 1%

Deutlich vielfältiger sind die Begründungen,

Einstellung gegenüber Mathematik (Interesse)

2% 3% 1%

häufigsten

Frageunabhängige Antwort

3% 1% 1%

spielt, jedoch nicht weiter darauf eingehen.

Sonstiges

1% 4% 2%

Teilnehmenden

.

Schülertugend

AR %

DA %

DB %

Abbildung 52 Häufigkeit der Antworten der Kategorie 9 je Stichprobe in Prozent (VoUB 3)

die keinen Zusammenhang erklären. Am finden

sich

Antworten

die

betonen, dass das Geschlecht keine Rolle (AR: 45%, DA 24%, DB: 27%). 27% der antworten, unabhängig

der

dass vom

Stichprobe man

DB

Mathematik

Geschlecht

lernen

kann. Diese Antworten finden sich bei 11% der arabischsprachigen Teilnehmenden und 12% der Stichprobe DA.

207

6 Darstellung der Ergebnisse

Die arabischsprachigen Probanden begründen zudem in 25% der Antworten, dass Mathematik vom Denken abhängt, also der Kognition bzw. Intelligenz. Diese Begründung wird von 12% der Teilnehmenden der Stichprobe DB genannt und von 4% der Teilnehmenden der Stichprobe DA. In allen drei Stichproben finden sich gleich häufig Antworten, die sich der Kategorie Jeder Mensch ist gleich (gut) zuordnen lassen. Bei der Betrachtung der Antworthäufigkeiten der Subkategoiren zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den Stichproben. So begründen die Teilnehmenden der Stichprobe DB mit 27% deutlich häufiger, dass man Mathematik unabhängig vom Geschlecht lernen kann. Dieser Kategorie lassen sich nur 11% bzw. 12 % der Antworten der Stichproben AR und DA zuordnen. Die arabischsprachigen Teilnehmenden unterscheiden sich hingegen deutlich in den Begründungen, dass das Geschlecht keine Rolle spielt (ohne eine vertiefende Begründung anzugeben) und dass Mathematik vom Denken abhängt. In beiden Kategorien lassen sich deutlich mehr Antworten der Stichprobe AR zuordnen. Unterschiede zwischen einzelnen Stichproben zeigen sich bei den Antworten der Stichproben AR und DB in der Begründung, dass es keinen Zusammenhang gibt, da es von geschlechtsunabhängigen Voraussetzungen abhängt. Dieser Kategorie lassen sich die Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden nicht zuordnen.

6.4.2 Selbstbild als Mathematiklernende Die schulische Leistung steht, wie empirisch bereits wiederholt betrachtet, in Zusammenhang mit dem Selbstkonzept als Lernende. Die Beurteilung des eigenen Könnens wirkt sich jedoch auch auf schulische Lernsituationen aus, da sich das enge Zusammenspiel von Motivation und Selbstkonzept im Sine des Self-Enhancements auf Lernprozesse auswirkt. Der zweite Bereich zur

Rekonstruktion

der

mathematikbezogenen

Vorstellungen

widmet

sich

daher

lernrelevanten Aspekten des Selbstbildes unter dem Fokus des Mathematiklernens. Zur Betrachtung des Selbstbildes als Mathematiklernende werden die Teilnehmenden zum einen zur Einschätzung der eigenen mathematischen Kompetenz angeregt und zum anderen zu ihrer Einstellung gegenüber Mathematik in vier Teilbereichen befragt. Im Folgenden werden die Resultate aus fünf Fragen näher betrachtet.

Einschätzung mathematischer Kompetenz Um die individuelle Einschätzung der mathematischen Kompetenz der Teilnehmenden abbilden zu können, beantworten diese die Frage ‚Wie schätzt du dich in Mathematik ein?‘ anhand einer vorgegebenen Skala. Da das Verständnis für das in Deutschland übliche

208

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Bewertungssystem anhand von sechs Schulnoten nicht bei allen Teilnehmenden vorausgesetzt werden kann, erfolgt die Skalierung anhand von fünf Stufen. Die Verteilung der Einschätzung ist in Abbildung 53 für die jeweiligen Stichproben in Prozent angegeben. 50%

44% 38% 33%

40%

33%

30% 20% 10%

23% 18% 13% 8%

25%

15% 11% 11%

11% 6% 6%

3%

1% 2%

0% nicht gut

weniger gut

mittelmäßig AR

DA

gut

sehr gut

keine Antwort

DB

Abbildung 53: Verteilung der Einschätzung der eigenen Leistung in Mathematik je Stichprobe in Prozent (MaKo)

Die arabischsprachigen Teilnehmenden schätzen ihre Leistungen zu 33% ‚mittelmäßig‘ ein. 23% beurteilen sich selbst als ‚gut‘ und 11% als ‚sehr gut‘. Ebenfalls 11% der Teilnehmenden dieser Stichprobe schätzen sich als ‚weniger gut‘ und 18% als ‚nicht gut‘ ein. 3% möchte keine Antwort geben. Die Teilnehmenden der Stichprobe DA antworten zu 38%, dass ihre Leistungen ‚mittelmäßig‘ seien und zu 33%, dass sie ‚gut‘ in Mathematik sind. 15% schätzen sich als ‚weniger gut‘ und 8% als ‚nicht gut‘ ein. Ebenso wie in der Stichprobe DB geben 6% der Teilnehmenden der DA an, dass sie sehr gut in Mathematik sind. Die Teilnehmenden der DB geben mit 44% am häufigsten an, dass ihre Leistungen ‚mittelmäßig‘ sind. 25% beurteilen sich als ‚gut‘, 11% als ‚weniger gut‘ und 13% als ‚nicht gut‘. Um die Einschätzung der Teilnehmenden tiefergehend betrachten zu können, folgt im Anschluss die Begründung der zuvor angekreuzten Beurteilung. Die Antworten auf die Frage, wie sich die Teilnehmenden die zuvor getroffene Selbsteinschätzung erklären, sind in 13 Subkategorien klassifiziert (s. Abbildung 54). In allen drei Stichproben finden sich gehäuft Erklärungen, die individuelle Aspekte wie das Verständnis der Themen oder das Engagement sowie die Lerndauer beinhalten. Für die arabischsprachigen Teilnehmend und die Teilnehmenden der Stichprobe DB sind die Begründungen am häufigsten solche, die sich der Kategorie Einstellung bzw. Selbstbild zuordnen lassen. Hierunter werden sowohl Antworten gefasst, die die Einstellung zur Mathematik wiedergeben, wie: •

„Ich kann Mathe nicht lösen, weil ich es nicht gemocht und es in der Türkei nicht gelernt habe. Das schwierige ist, ich mag Mathe nicht und deshalb ist es sehr schwer für mich“ (AR0301)



„Ich kann gut rechnen“ (AR0605)



„Mathe ist kein Fach, was mir Spaß macht“ (DA0518)

209

6 Darstellung der Ergebnisse

Aber

auch

solche,

die

die

Einstellung

Wie erklärst du dir das? (deine Selbsteinschätzung)

hinsichtlich der Bedeutung und somit eine indirekte positive bzw. negative Sicht auf

0%

Mathematik beinhalten: „Es hilft mir besser zu denken“ (AR0305)



„gut und nützlich“ (AR0508)



„Ich finde das Mathe leicht ist“ (DA0101)



„Ich kann das Mathe, was ich brauche; der Rest ist uninteressant“ (DB0819)

Einstellung bzw. Selbstbild

20% 5%

Begabung/ Kognition

Individuelle Aspekte



10% 20% 30% 40%

Der Kategorie Begabung resp. Kognition der

Stichprobe

15%

Verständnis

25% 19% 20% 20% 19%

Engagement 9% 11%

Lerndauer

6% 5% 2% 2%

Arbeitstempo

DA

Antworten,

die

sich

der

Organisatorische Bedingungen (Lehrer,…

Kategorie

Verständnis zuordnen lassen, werden zu DA genannt, nur 15% der arabischsprachigen Teilnehmenden Antworten.

nennen

Die

entsprechende

Teilnehmenden

der

Stichprobe DB liegen mit 19% dazwischen.

Sprache Äußere Bedingungen

25% von den Teilnehmenden der Stichprobe

zugeordnet

werden.

Vor

Aspekte

allem

.

individuellen

12%

3% 0% 1% 14% 13% 13% 3% 3% 2%

Hilfe

4% 0% 2%

Schulnote

können die Begründungen den übrigen der

5% 7%

Abhängig vom Thema

Einschätzung anderer

In allen drei Stichproben ähnlich häufig Subkategorien

3% 1% 1%

Tagesform

subsummieren (AR: 5%, DA: 19%, DB: 7%).

19%

7%

lassen sich vor allem die Antworten der Teilnehmenden

33% 33%

Sonstiges

4%

18% 15%

1% 3% 4%

die

Begründung anhand der Schulnote findet sich bei den Teilnehmenden der DA (18%) und der DB (15%). Die Erklärung, dass die

AR %

DA %

DB %

Abbildung 54: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 5 je Stichprobe in Prozent (MaKo)

Einschätzung abhängig vom jeweiligen Thema sei, findet sich in allen drei Stichproben gleichermaßen häufig, gefolgt von organisatorischen Rahmenbedingungen. Bei der Betrachtung der Differenzen zwischen einzelnen Stichproben zeigt sich, dass sich die Begründung der Stichproben AR und DB ähnlich häufig den Kategorien Einstellung bzw. Selbstbild und Begabung resp. Kognition zuordnen lassen, wohingegen die Teilnehmenden der Stichprobe DA seltener ihre Einstellung gegenüber dem Lerngegenstand äußern und dafür häufiger die Begabung oder die Fähigkeit denken zu können (Kognition) angeben. Die

210

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

arabischsprachigen Teilnehmenden unterscheiden sich bei der Antworthäufigkeit innerhalb der Subkategorie Schulnote von den anderen beiden Stichproben. Diese Erklärung findet sich bei der Stichprobe AR deutlich seltener. Unterschiede zwischen einzelnen Stichproben zeigen sich in der Subkategorie Verständnis. Diese wird von den Teilnehmenden der Stichprobe DA häufiger angesprochen als von den arabischsprachigen Teilnehmenden.

Einstellung zur Mathematik Die Einstellungen der Teilnehmenden gegenüber der Mathematik werden in vier Teilbereichen genauer betrachtet. Zum einen wird die Relevanz der Schulnote anhand einer fünfstufigen Skala und der anschließenden Begründung der Einschätzung erfragt. Zum anderen wird die Einstellung bezüglich der Relevanz des Unterrichts und des Umgangs mit Problemen betrachtet. Daneben wird von den Teilnehmenden die Frage beantwortet, welche Strategien sie zur Bewältigung mathematischer Probleme nutzen.

Relevanz der Schulnote Die Bedeutung, die die Teilnehmenden der Schulnote zukommen lassen, wird mit der Frage ‚Wie wichtig ist für dich die Schulnote im Fach Mathematik‘ erhoben. Die arabischsprachigen Teilnehmenden beantworten diese Frage unter dem Fokus auf die Relevanz der Schulnote in ihrem Heimatland. In allen drei Stichprobengruppen zeichnet sich ab, dass die Schulnote für die Teilnehmenden (große) Bedeutung hat. So geben 58% der arabischsprachigen Teilnehmenden an, dass die Schulnote im Fach Mathematik sehr wichtig für sie ist, ebenso wie 54% der Stichprobe DB und 42% der Stichprobe DA (s. Abbildung 55). 70% 58%

60%

54%

50% 40%

40% 30%

23%

20% 10%

42%

14%14%15% 9% 6% 1%

12%

3% 3% 2%

3%

1% 0%

0% nicht wichtig weniger wichtig mittelmäßig AR

DA

wichtig

sehr wichtig

keine Antwort

DB

Abbildung 55: Verteilung der Einschätzung der Bedeutung der Schulnote im Fach Mathematik je Stichprobe in Prozent (Ema1)

Die Teilnehmenden der Stichprobe DA geben ebenso mit 40% der Einschätzungen fast ebenso häufig an, dass ihnen die Schulnote wichtig ist. Die Antwort mittelmäßig wird in allen

211

6 Darstellung der Ergebnisse

drei Stichproben ähnlich häufig mit 14% bzw. 15% gewählt. Nur wenige Teilnehmende (AR: 11%, DA 4%, DB: 8%) antworten, dass ihnen die Schulnote im Fach Mathematik weniger oder gar nicht wichtig sei. Die Begründunge der zuvor getroffenen

Warum (ist dir deine Schulnote so wichtig, wie vorher angegeben)?

Beurteilung der Relevanz der Schulnoten

0% 10% 20% 30% 40% 28% 23% 27%

Einstellung / Interesse

Individuelle Gründe

(alltäglicher) Nutzen

13% 10%

0% 1%

Leistungsrückmeldung Keine Leistungsrückmeldung

12%

35%

3% 3% 2%

1% 1% 0%

Lebensumstände (Flucht)

1% 0% 0%

Frageunabhängige Antwort

1% 0%

Sonstiges

AR %

DA %

drei

individuellen

besonders von den Stichprobe DA und der

Teilnehmenden 24%

Belohnung

die

allen

beruflichen Chancen (Beruf/Arbeit) wird

Antworten 22%

Strafe

in

DB angegeben, wohingegen nur 16% der arabischsprachigen dieser

Subkategorie

zuzuordnen sind. In allen Stichproben finden sich Gründe, die die Einstellung bzw.

das

Interesse

am

Fach

thematisieren. Innerhalb der Stichprobe AR wird zudem der alltägliche Nutzen der Lerninhalte des Fachs als Grund angegeben: 14%

.

Äußere Gründe

38% 35%

0% 0% 2%

1% 1% 0%

überwiegen

Relevanz der Schulnote für die späteren

6% 4% 6%

Anforderungen der Schule Ansehen (bspw. Eltern, Lehrkräfte)

Hierbei

Begründungen (s. Abbildung 56). Die

16%

Beruf/Arbeit

und fünf äußere Einflüsse unterteilen. Stichproben

7%

allgemeiner Zukunftsbezug

lässt sich in sechs individuelle Gründe

3% 0% 2%

DB %

Abbildung 56: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 11 je Stichprobe in Prozent (EMa1)



„Weil wir das Rechnen überall benutzen“ (AR0204)



„Für mich war es wichtig, weil es mir im Alltag sehr stark hilft.“ (AR0513)



„Weil ist in unserem Alltag sehr wichtig z.B.: Shoppen, Markt usw.“ (AR0707)

Hier wird deutlich, dass die Relevanz der Schulnote anhand der Bedeutung dessen gemessen wird, was in Mathematik gelernt wird. Für einzelne Teilnehmenden ist die Schulnote relevant, da sie eine Rückmeldung über die eigene Leistung (Leistungsrückmeldung) darstellt (AR: 6%, DA: 4%, DB: 6%). Im Bereich der äußeren Gründe vertreten 22% der Stichprobe AR, 35% der Stichprobe DA und 24% der Stichprobe DB die Ansicht, dass die Schulnote von Bedeutung ist, da sie Anforderung der Schule ist, um in die nächste Klasse versetzt zu werden oder den Schulabschluss zu erhalten.

212

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Beim Vergleich der Häufigkeiten der Begründungen zwischen den Stichproben ist zu sehen, dass sich die Teilnehmenden der Stichprob DA in der Kategorie Anforderungen der Schule unterscheiden. Diese wird von den Stichproben AR und DB mit einer Differenz von mehr als 10% deutlich seltener angegeben. Die arabischsprachigen Teilnehmenden unterscheiden sich von den anderen beiden Stichproben in den drei Subkategorien (alltäglicher) Nutzen, Beruf/Arbeit und Frageunabhängige Antwort. Der Kategorie Beruf/Arbeit sind mit über 20% deutlich mehr Antworten der Stichproben DA und DB zuzuordnen, während mehr als 10% der Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden in den anderen beiden Kategorien subsumiert werden. Differenzen zwischen einzelnen Stichproben zeigen sich bei der Begründung der Relevanz der Schulnote nicht.

Einstellung bezüglich der Relevanz des Unterrichtsfachs Die Einstellung gegenüber der Mathematik als Unterrichtsfach wurde anhand der Beantwortung und Begründung der Frage rekonstruiert, ob sie Mathematik als Schulfach wählen würden, wenn ihnen dies freigestellt wäre. Hierzu wurde zwei Antwortmöglichkeiten (ja/nein) vorgegeben und anschließend gefragt, warum die Teilnehmenden sich für das Fach entschieden haben. In allen drei Stichproben entscheiden sich mehr als die Hälfte der Befragten aller drei Stichproben für Mathematik als Schulfach (s. Abbildung 57). Innerhalb

100% 66%

62%

der

Stichprobe

DB

antworten jedoch auch fast die

54%

50%

34%

38%

46%

Hälfte (46%) der Teilnehmenden, dass sie Mathematik nicht wählen

0%

ja

nein AR

DA

DB

Abbildung 57: Verteilung der Antworthäufigkeiten bei der Wahl des Schulfachs Mathematik je Stichprobe in Prozent (EMa2)

würden. Gefolgt von 38% der Teilnehmenden der DA und 34% der

arabischsprachigen

Teilnehmenden.

Um die Gründe für die Entscheidung vertiefend betrachten zu können, wurden die Teilnehmenden aufgefordert ihre Antwort zu erläutern. Die Resultate der Frage, warum sie Mathematik als Schulfach wählen würden, lassen sich in sieben Subkategorien einteilen, die Gründe für das Fach und sechs Subkategorien, die Gründe gegen das Fach beschreiben. Die Verteilung der Antworten ist in Abbildung 58 dargestellt. Die Gründe der Teilnehmenden für die Wahl des Fachs Mathematik lassen sich am häufigsten den drei Kategorien positive Einstellung, allgemeiner Zukunftsbezug und allgemein wichtig zuordnen. Die arabischsprachigen Teilnehmenden äußern in 24% der Antworten, eine positive Einstellung gegenüber dem Fach. Dies ist bei 21% der Antworten der Stichprobe DA und bei 19% der Antworten der Stichprobe DB der Fall. Einen Zukunftsbezug im Sinne des

213

6 Darstellung der Ergebnisse

alltäglichen Nutzens, der Bedeutung für die

Warum (würdest du Mathematik als Schulfach wählen)?

berufliche Karriere oder der Relevanz für das

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30%

positive Einstellung (Lieblingsfach, es fällt mir leicht, ich mag es....)

Gründe für Mathematik

Lernen (Ich möchte es lernen)

24% 21% 19%

jeweils

24%

der

sowie

15%

der

Stichprobe

DB.

Die

Mathematik ist allgemein wichtig findet

allgemeiner Zukunftsbezug (Alltag, Karriere, Arbeit, man…

Grundwissen (Relevanz bestimmter Themen)

beschreiben

Teilnehmenden der Stichproben AR und DA Begründung Mathematik ist überall resp.

5% 0% 3%

15%

24% 24%

14% 18% 19%

allgemein wichtig (Mathe ist überall)

Leben

sich bei 14% der Antworten der Stichprobe AR, 18% der Stichprobe DA und 19% der Stichprobe DB. Die übrigen Subkategorien werden

von

einzelnen

Teilnehmenden

beschrieben. Obwohl die Teilnehmenden nur

0% 2% 6%

nach einer Begründung für die Wahl des Fachs gefragt werden, äußern sich auch

Verständnisfach (kein Lernfach)

1% 1% 0%

einige Probanden, warum sie sich gegen den Mathematikunterricht

Fördert allgemeine Kognition

0% 0%

5%

entscheiden.

Hier

finden sich am häufigsten Gründe, die eine negative Einstellung oder die hohen

4% 5%

10%

Anforderungen

der

beschreiben.

der

10%

Lerninhalte Stichprobe

AR

Ich verstehe es nicht

0% 1% 0%

äußern, dass sie Mathematik nicht als

Engagement (man muss sich konzentrieren)

1% 1% 1%

schwer ist. Dieser Kategorie lassen sich 4%

unnötig (man braucht es nicht)

1% 1% 2%

Antworten der DB zuordnen. Negative

Schulfach wählen würden, da es ihnen zu der Antworten der Stichprobe DA und 5% der Einstellungen gegenüber dem Fach finden 7% 10% 10%

negative Einstellung (ich mag es nicht)

Andere Fächer sind besser

3% 0% 1%

Frageunabhängige Antwort

3% 0% 0%

sich

bei

Stichprobe

Sonstiges

0% 1% 0%

7% AR

der und

Teilnehmenden jeweils

10%

der der

Teilnehmenden der Stichprobe DA und DB. Bei der Betrachtung von Gemeinsamkeiten zwischen den Stichproben zeigen sich weder zwischen

.

Gründe gegen Mathematik

es ist schwer

allen

dreien

noch

zwischen

einzelnen Stichproben Differenzen die mehr als 10% betrachten. Die Antworten aller

AR %

DA %

DB %

Abbildung 58: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 13 je Stichprobe in Prozent (EMa3)

214

Teilnehmenden lassen sich ähnlich häufig den Subkategorien zuordnen.

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Umgang mit Problemen Die Einstellungen gegenüber der Mathematik lassen sich über die Bedeutung der Mathematik im schulischen Kontext hinaus auch im Umgang mit Problemen betrachten. So ist es neben der allgemeinen Einschätzung der Relevanz von Schulnoten und Unterricht von Bedeutung, wie die Teilnehmenden aller drei Stichproben den alltäglichen Umgang mit Mathematik erleben und wie sie eigenen Angaben zufolge auftretende Probleme bewältigen. Dies erfolgt anhand der Frage ‚Hast du im Alltag manchmal das Gefühl, du brauchst Mathematik, aber du kannst das nicht?‘. Zur Beantwortung dieser Frage werden den Teilnehmenden die zwei Antwortmöglichkeiten ‚ja‘ und ‚nein‘ vorgegeben. Die Verteilung der Antworten ist in Abbildung 59 zu sehen. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden aller

76%

80%

drei Stichproben geben mit 53%, 76% und 60%

57%

53%

47%

57% an, dass sie in alltäglichen Situationen

43%

keine Schwierigkeiten haben, die sie nicht

40%

auch lösen können. Während entsprechend

24%

nur 24% der Stichprobe DA mit ‚ja‘ antworten,

20%

sind es in der Stichproben AR 47% und in der Stichprobe DB 43%. Die Teilnehmenden

0% ja

nein AR

DA

dieser

DB

beiden

Stichproben

geben

somit

deutlich häufiger an, dass sind im Alltag

Abbildung 59: Verteilung der Antworten hinsichtlich des Nutzens der Mathematik im Alltag je Stichprobe in Prozent

mathematisches Wissen benötigen, über das sie nicht verfügen.

Um die Bewältigungsstrategien in solchen Situationen rekonstruieren zu können, schließt sich die Folgefrage ‚Was machst du dann?‘ an die zuvor mit ‚ja‘ beantwortete Frage an. Die Antworten

lassen

sich

zehn

Subkategorien

unterteilen,

die

drei

übergeordneten

Strategieformen zugeordnet werden können: •

Eigenständige Lösung durch Nachdenken, (allgemeines) Kopfrechnen, aber auch Lernen oder einen späteren Versuch



Unterstützung durch andere in Form von Nachhilfe oder das Bitten um Hilfe



Verwendung von Hilfsmitteln, wie Taschenrechnern, das Nachlesen in Büchern oder dem Internet sowie Zettel und Stift bei schriftlichen Rechnungen

Einige

Teilnehmenden

beschreiben

hingegen

nur

unterschiedlich

Rechnen

konkret,

und

welche

Schwierigkeit sie haben, ohne zu erklären, wie sie das Problem lösen. Andere geben an, dass sie nichts (zielführendes) tun. Abbildung 60 zeigt die Anzahl der Teilnehmenden, deren Antworten sich der jeweiligen Subkategorie zuordnen lassen je Stichprobe in Prozent. In der folgenden Darstellung fließen die Antworten von 47% der Stichproben AR, 24% der Stichprobe DA und 43% der Stichprobe DB ein.

215

6 Darstellung der Ergebnisse

Die

arabischsprachigen

Teilnehmenden

Was machst du dann?

geben mit 14% der Antworten am häufigsten

(wenn du im Alltag etwas Mathematisches nicht kannst)

an, Probleme durch Nachdenken oder (Kopf)Rechnen

zu

lösen.

12%

0%

der

(im Handy) oder fragen um Hilfe (9%). Eine Beschreibung der Schwierigkeiten, ohne zu erläutern, wie das Problem gelöst wird,

Eigenständige Lösung

Teilnehmenden nutzen den Taschenrechner

der Stichprobe AR. Die 24% der Teilnehmenden der Stichprobe

Unterstützung durch andere

findet sich bei ebenfalls 12% der Antworten

Lernen

später nochmal versuchen Nachhilfe

Taschenrechner benutzen (4%). Ebenfalls

Nachlesen

Hilfsmittel

nachlesen (6%), nachdenken (4%) oder den

Die Bewältigungsstrategien der Probanden

.

.

Problem ohne Angabe einer Lösung.

Nachlesen oder das Fragen um Hilfe. Die

.

der Stichprobe DB sind zu 10% das

7%

1% 0% 0%

1% 1% 1% 9% 11% 10% 1%

Taschenrechner (im Handy) nutzen Schriftliche Rechnung

4% der Teilnehmenden beschreiben das

4% 4% 1% 2%

ich tue nichts (zielführendes) Beschreibung der Schwierigkeit (ohne… Sonstiges

20% 14%

Um Hilfe fragen

DA, die zuvor mit ‚ja‘ geantwortet haben, geben an, dass sie um Hilfe fragen (11%),

10%

Nachdenken, Rechnen, Kopfrechnen

6%

4% 5%

10% 12%

2% 1% 0% 0%

3% 10%

4% 2% 1% 0%

12%

4%

Angabe nichts (zielführendes) zutun, findet sich ebenfalls in 10% der Antworten. 7% geben

an,

zu

Lernen

Taschenrechner zu nutzen.

und

5%

den

AR %

DA %

DB %

Abbildung 60: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 3 je Stichprobe in Prozent (EMa4)

Betrachtet man die Verteilung der Antworten zeigen sich keine Differenzen zwischen den Stichproben. Die Häufigkeit, mit der sich die Erklärungen den Subkategorien zuordnen lassen, ist zwischen den Teilnehmenden der drei Stichproben ähnlich. Bei der Betrachtung von Unterschieden, die mindestens 10% betragen, zeigen sich solche nur zwischen einzelnen Stichproben. So unterscheiden sich die Stichproben AR und DA in der Kategorie Nachdenken bzw. (Kopf)Rechnen, da sich die Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden hier deutlich häufiger zuordnen lassen. Eine Beschreibung der Schwierigkeit ohne nähere Begründung findet sich ebenfalls häufiger bei den Teilnehmenden der Stichprobe AR. Antworten, die sich der Subkategorie Ich tue nichts (zielführendes) zuordnen lassen, sind bei den Teilnehmenden der Stichprobe DB deutlich häufiger als bei den Teilnehmenden der Stichprobe DA.

216

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Einstellung hinsichtlich der Bewältigungsstrategien Auch im Mathematikunterricht kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten beim Verständnis mathematischer Inhalte. Ergänzend zu den Bewältigungsstrategien in alltäglichen Situationen, wird auch die Einstellung zu Problemen im Mathematikunterricht rekonstruiert. Anhand der Aufgabe ‚Stell dir vor du hast im Mathematikunterricht etwas nicht verstanden‘, beschreiben die Teilnehmenden was sie in einer solchen Situation tun. Die Antworten lassen sich in vier Bereiche gliedern, die sich aus insgesamt neun Subkategorien zusammensetzen. Die Verteilung der Häufigkeit der Antworten in Prozent ist für jede Stichprobe in Abbildung 61 dargestellt.

Stell dir vor du hast im Mathematikunterricht etwas nicht verstanden. Was machst du dann?

Hilfe (intern)

0% 20% 40% 60% 80%100%

Wiederholen lassen durch andere (Lehrer, Mitschüler)

14% 0% 0%

Erklären lassen (Lehrer, Mitschüler)

15% 6% 7% 31%

.

Keine Lösung

Eigenständige Lösung

Hilfe (extern)

Um Hilfe bitten/nachfragen (Lehrer; Mitschüler)

Privatunterricht/ Nachhilfe

Hilfe der Familie

Nachlesen /Recherche (Internet, Bücher) sich selbst bemühen (lernen, nochmal probieren, nachdenken)

Am

häufigsten

antworten

die

Teilnehmenden der Stichproben DA und DB mit 80% und 79%, dass sie Um Hilfe bitten indem sie bei der Lehrkraft oder Mitschülern

nachfragen.

Dieser

Kategorie lassen sich 31% der Antworten der Stichprobe AR zuordnen. Hilfen, die sich die Teilnehmenden intern, also von 80% 79%

anderen während des Unterrichts holen, zählen

somit

zur

verbreitetsten

19% 8% 4%

Bewältigungsstrategie

10% 6% 5%

Teilnehmenden konkretisiert die Art der

3% 6% 9%

beschreiben, dass sie bei der Lehrkraft

21% 23% 11%

Ich tue nichts

6% 4% 5%

Wut, Ärger, Frustration, Scham, Flucht, Auszeit nehmen

4% 1% 0%

Frageunabhängige Antwort

2% 0% 0%

Stichproben. Hilfe, oder

Die

indem bei

in

allen

drei

arabischsprachigen

14%

der

Mitschülern

Antworten um

eine

Wiederholung der Inhalte bitten oder sich das Thema noch einmal erklären lassen (15%). Die Hilfe durch die Erklärung anderer findet sich auch in den Antworten

der

Stichproben

(DA:

anderen 6%,

DB:

beiden 7%).

Besonders unter den Teilnehmenden der Stichprobe AR finden sich Antworten, die externe Hilfe in Form von Nachhilfe

AR %

DA %

DB %

Abbildung 61: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 12 je Stichprobe in Prozent (EMa2)

resp.

Privatunterricht

(19%)

beschreiben, diese Kategorie findet sich

217

6 Darstellung der Ergebnisse

in den Antworten der anderen beiden Stichproben deutlich seltener (DA: 8%, DB: 4%). Die Hilfe durch die Familie wird in allen Stichproben ähnlich häufig beschrieben (AR: 10%, DA: 6%, DB: 5%). Die eigenständige Lösung des Problems ohne Hilfe durch selbstständige Bemühungen, wie lernen, erneutes Probieren oder nachdenken, beschreiben 21% der Teilnehmenden der Stichprobe AR und 23% der Stichprobe DA. Die Antworten der Teilnehmenden

der

Stichprobe

DB

lassen

sich

gleichermaßen

den

Kategorien

Nachlesen/Recherche (9%) und sich selbst bemühen (11%) zuordnen. Einzelne Antworten lassen sich auch dem Bereich Keine Lösung zuordnen. Im Vergleich der drei Stichproben zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den Teilnehmenden der AR und der DA in der Kategorie sich selbst bemühen. Diese Strategie findet sich hier deutlich häufiger als bei den Teilnehmenden der Stichprobe DB. In den Kategorien

Wiederholen

lassen

durch

andere

(Lehrer,

Mitschüler),

Um

Hilfe

bitten/nachfragen (Lehrer; Mitschüler) und Privatunterricht/Nachhilfe unterschieden sich die Antworthäufigkeiten der Stichprobe AR hingegen deutlich von den anderen beiden Stichproben. Die Differenz beim Bitten um Hilfe ist mit 48% sehr deutlich. Nimmt man die übrigen internen Hilfsstrategien zusammen, lassen sich insgesamt 60% der Antworten Hilfen zuordnen, die von der Lehrkraft oder den Mitschülern ausgehen. Auch zusammengenommen ist der Unterschied noch sehr deutlich. Der Rückgriff auf externe Hilfe in Form von Privatunterricht ist hingegen mit mehr als 10% Differenz eine deutlich häufiger genannte Bewältigungsstrategie der arabischsprachigen Teilnehmenden.

6.4.3 Vorstellungen über Einflussfaktoren auf äußerer Ebene Neben den Vorstellungen über Einflussfaktoren auf individueller Ebene und dem Selbstbild als Mathematiklernende

prägen

auch

die

Vorstellungen

über

äußere

Einflüsse

die

mathematikbezogenen Vorstellungen und können sich auf die individuelle Motivation zur Auseinandersetzung mit Mathematik und den damit verbundenen schulischen Lernprozess auswirken. Zur Betrachtung dieser Vorstellungen werden im Folgenden die Antworten der Teilnehmenden in drei Konstrukten beschrieben. Zum einen wird die Vorstellung über Präsenz, Bedeutung und Nutzen der Mathematik rekonstruiert. Zum anderen nennen die Teilnehmenden Merkmale guten Mathematikunterrichts und bewerten ihren eigenen Unterricht. In Anlehnung an die Resultate zur Betrachtung der Schulmathematik im Kontext Migration (Deseniss 2015), werden die Aspekte Kultur und Sprache konkret thematisiert. Über zuvor genannte Konstrukte hinaus werden die Teilnehmende somit gezielt zum Zusammenhang zwischen Mathematik und Sprache, aber auch zum Zusammenhang zwischen Mathematik und Kultur befragt.

218

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Vorstellungen

über

Präsenz,

Bedeutung

und

Nutzen

der

Mathematik Einen Faktor auf äußerer Ebene stellen die Vorstellungen über Präsenz, Bedeutung und den Nutzen der Mathematik dar, die unter anderem beschreiben, wie relevant die Mathematik im alltäglichen Leben ist. Das Maß an Wichtigkeit, also der Wert, der der Mathematik beigemessen wird, wirkt sich auf die Vorstellung über den allgemeinen wie auch subjektiven Nutzen aus. Diese Vorstellungsdimension wird anhand von drei Fragen innerhalb des Fragebogens erhoben. Zunächst beschreiben die Teilnehmenden ihre Vorstellung über die Präsenz der Mathematik im alltäglichen Leben. Hierbei wird betrachtet, ob die Mathematik im Sinne des Anwendungsaspektes im Alltag wahrgenommen wird. Ausgehend hiervon wird nach konkreten Merkmalen der Präsenz gefragt, um anschließend die Motivation zum Lernen im schulischen Kontext zu analysieren. Hierbei wird der Nutzen des schulischen Lernens im Fach Mathematik für das alltägliche Leben betrachtet.

Vorstellungen über die Präsenz der Mathematik im alltäglichen Leben Mittels der Frage ‚Wo brauchst du in deinem Leben Mathematik‘ beschreiben die Teilnehmenden die Präsenz der Mathematik. Die Antworten reichen von sehr allgemeinen, unspezifischen Antworten, wie ‚ich brauch es nicht‘ bis hin zu ‚überall‘. Dazwischen zeigen sich verschiedene, teils deutlich konkretere Ausführungen. Diese lassen sich den drei Bereichen Schule, Alltag und Beruf zuordnen. Mathematik wird zum einen in der Schule benötigt, aber auch in alltäglichen Situationen, wie beim Einkaufen. Zum anderen werden berufliche Anwendungen konkret beschrieben. Die Verteilung der Antworthäufigkeiten ist in Abbildung 62 für die Teilnehmenden jeder Stichprobe in Prozent dargestellt. Die Betrachtung der Abbildung zeigt, dass die meisten Teilnehmenden aller drei Stichproben konkrete lebensweltliche Situationen beschrieben, innerhalb derer sie Mathematik benötigen (AR: 63%, DA: 63%, DB: 50%). So führt ein Teilnehmer beispielsweise auf: „Jederzeit und in jedem Ort, weil Mathe wird gebraucht bei: Shoppen, Supermarkt, Bank usw.“ (AR0707). Daneben finden sich häufig Antworten, die Mathematik als wichtig für den späteren Beruf oder die Karriere bezeichnen (AR: 36%, DA: 28%, DB: 37%). Auch die Beschreibung konkreter beruflicher Anwendungen ist in den Antworten der Teilnehmenden zu finden (AR: 22%, DA: 13%, DB: 18%). 18% der arabischsprachigen Teilnehmenden beschreiben konkrete mathemathematische Anwendungen, die sie in ihrem Leben benötigen. Ähnlich viele Teilnehmende aller drei Stichproben geben an Mathematik überall zu benötigen. Das Mathematik (nur) in der Schule gebraucht wird, geben 18% der Teilnehmenden der Stichprobe

219

6 Darstellung der Ergebnisse

AR, 12% der Stichprobe DA und 16% der Stichprobe DB an. Antworten, die beinhalten,

Wo brauchst du in deinem Leben Mathematik?

dass man Mathematik nicht braucht, finden sich

0%

nur vereinzelt (AR: 0%, DA: 1%, DB: 2%). Alltag

Bei

der

Betrachtung der

Häufigkeiten der

Antworten der jeweiligen Subkategorien zeigen sich

Gemeinsamkeiten

zwischen

sie Mathematik in konkreten lebensweltlichen Situationen benötigen. Dies findet sich bei den Antworten der Stichprobe DB mit mehr als 10% deutlich

seltener.

Die

arabischsprachigen Teilnehmenden schreiben zudem häufiger, dass sie Mathematik im Alltag brauchen, ohne konkrete Beispiele zu nennen.

konkrete lebensweltliche…

Ich brauch es nicht Überall

man

die

Sonstiges

konkreten

Schilderungen zusammen mit dem allgemeinen Nutzen innerhalb der drei Bereiche, zeigt sich zudem, dass die Teilnehmenden der Stichprobe

AR %

63% 63%

22% 13% 18% 0% 2% 1% 18%

konkrete 0% mathematische… 0%

den anderen beiden Stichproben um mehr als Betrachtet

50%

konkrete berufliche Anwendung konkrete schulische Anwendung

80%

18% 12% 16%

Schule

Hierin unterschiedet sich die Stichprobe AR von 10%.

60%

36% 28% 37%

den

AR und DA äußern gleichermaßen häufig, dass

40%

20% 10% 6%

Beruf

Stichproben. Die Teilnehmenden der Stichproben

Differenz

20%

0% 1% 2% 14% 17% 19% 1% 6% 2% DA %

DB %

Abbildung 62: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 2a je Stichprobe in Prozent (VoPBN1)

AR am häufigsten angeben Mathematik im Alltag zu benötigen (AR: 83%, DA: 73%, DB: 56%). Im Bereich Beruf lassen sich zusammengenommen gleichermaßen ähnlich viele Antworten der Stichproben AR und DB zuordnen (AR: 58%, DA: 41%, DB: 55%). Der Bereich Schule ist in allen drei Stichproben zusammengenommen ähnlich häufig vertreten (AR: 18%, DA: 14%, DB:

17%).

Konkrete

mathematische

Anwendungen

werden

ebenfalls

von

den

arabischsprachigen Teilnehmenden häufiger beschrieben. Den übrigen Subkategorien lassen sich die Antworten der Teilnehmenden aller drei Stichproben ähnlich häufig zuordnen. Grundsätzlich ist hierbei zu beachten, dass Mehrfachantworten möglich und auch vorhanden sind. Theoretisch kann also ein einzelner Schüler alle Kategorien in seiner Antwort nennen.

Vorstellungen über die Merkmale der Mathematik im alltäglichen Leben Um die zuvor beschriebene Präsenz der Mathematik konkreter betrachten zu können, werden die Teilnehmenden dazu befragt, woran sie merken, dass die zuvor genannte Situation etwas mit Mathematik zu tun hat. Die Antworten lassen sich zum einen konkreten Bereichen der Vorstellungen über das Wesen der Mathematik, wie der Ansicht Mathematik ist Rechnen,

220

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

der strukturellen Sichtweise oder allgemeinen Anforderungen zuordnen. Daneben finden sich Merkmale, die konkrete beruflichen Situationen, wie beispielsweise die Arbeit als Architekt oder Ingenieur, alltägliche Situationen, die vor allem durch mathematische Einheiten deutlich werden oder dem Bezug zur Schule beschreiben. Die Häufigkeit der Antworten ist in Abbildung 63 für die jeweilige Stichprobe dargestellt. In allen drei Stichproben finden sich gehäuft

Woran merkst du, dass die zuvor genannte Situation mit Mathematik zu tun hat? 0%

20%

40%

Mathematik ist Rechnen

46% 6%

Strukturelle Sichtweise

allgemeine Anforderungen

1% 3% 1%

Arbeitsformen

3% 1% 0%

Instrumente

Fachsystematik

Rechnen

die

Die

als

arabisch-

sprachigen Teilnehmenden beschreiben

58% 60%

darüber hinaus sehr viel häufiger einen Lebensweltbezug u.a. durch Merkmale

26% 35%

von Mengen- oder Größenangaben in alltäglichen Situationen. In den Antworten hingegen

häufiger

die

strukturelle

1% 0% 0%

Sichtweise auf Mathematik. Bis auf den

0% 0% 3%

Sinne konkreter beruflicher Anwendungen,

Bezug zu beruflichen Situationen im

68%

26% 25%

häufig

finden,

sich

in

den

nur

die durch

übrigen einzelne

Antworten der Teilnehmenden vertreten. Gemeinsamkeiten

2% 6% 8%

Stichproben DB %

Antworten,

Abbildung 63: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 2b je Stichprobe in Prozent (VoPBN2)

im

zeigen

Subkategorien. DA %

der

sind

Subkategorien

0% 0% 1%

Sonstiges

Mathematiker,

Stichproben AR und DB gleichermaßen

3% 2% 5%

Schulbezug

wie u.a. die Arbeit als Ingenieur, Architekt oder

16% 9% 17%

Berufsbezug

AR %

Mathematik

beschreiben.

der Stichproben DA und DB findet sich

Alltags-/Lebensweltbezug (Einheiten, Währung, etc.)

Wissen ist Sicherheit

Erläuterungen,

60%

die

In

der sich

Vergleich sich

in

Häufigkeit der

der drei der

Kategorie

Mathematik ist Rechnen zuordnen lassen, ähneln sich die Stichproben AR und DA, im

Gegensatz zu den Teilnehmenden der DB mit mehr als 10% Differenz. In der Strukturellen Sichtweise

und

dem

Alltags-

bzw.

Lebensweltbezug

unterscheiden

sich

die

arabischsprachigen Teilnehmenden von den übrigen beiden Stichproben. Merkmale wie ‚Einheiten‘, ‚Währung‘ und ähnliches werden sehr viel häufiger mit mehr als 20% Differenz von den Teilnehmenden der Stichprobe AR genannt. Die Strukturelle Sichtweise wird von den Teilnehmenden der Stichproben DA und DB ähnlich häufig genannt, während sie bei den arabischsprachigen Teilnehmenden deutlich seltener Erwähnung findet.

221

6 Darstellung der Ergebnisse

Vorstellungen

über

die

Verbindung

zwischen

(Schul-)Unterricht

und

alltäglichem Leben Eine weitere Vertiefung der Betrachtung der

Inwiefern hilft dir in der zuvor genannten Situation das, was du im Mathematikunterricht lernst?

Vorstellungen über Präsenz, Bedeutung und Nutzen der Mathematik wird anhand der Frage vorgenommen,

inwiefern

das

0% 10% 20% 30% 40%

im

Mathematikunterrichte Gelernte in der zuvor Teilnehmende aller drei Stichproben äußern ob

es

hilft,

Begründung

ohne

eine

abzugeben.

Daneben finden sich Antworten, die den Erwerb bestimmter beruflichen

Kompetenzen resp.

bzw.

finanziellen

den

Bei

der

Einschätzung

Mathematikunterrichts

für

des die

Nutzens im

des Leben

benötigten Inhalte geben über die Hälfte der arabischsprachigen Teilnehmenden an, dass das Gelernte ‚(sehr) hilfreich‘ sei. Die Antworten der anderen beiden Stichproben sind in diesem

Sonstiges

Bereich etwas stärker verteilt. Etwas mehr Teilnehmende (DA: 18%, DB: 15%) antworten

3% 0% 1% 20% 19% 0% 4%

sehr hilfreich, ohne Begründung

mittelmäßig hilfreich, ohne Begründung

34% 31%

15% 17% 18%

Erwerb alltagstauglicher… beruflicher Nutzen/ finanzielle Sicherheit

Nutzen

konkretisieren (s. Abbildung 64).

Erwerb kognitiver Kompetenzen

Einschätzung ohne Begründung

nur

weiterführende

11%

Erwerb von (mathematischen)…

.

hierbei

Beschreibung des Nutzens

beschriebenen Situation hilfreich ist. Einige

Erwerb von Basiskompetenzen

10%

nicht hilfreich, ohne Begründung

25%

4% 9%

hilfreich, ohne Begründung

wenig hilfreich, ohne Begründung

36%

18% 15%

27%

7% 7% 10% 1% 6% 2% 4% 6% 8% 5% 6% 10%

hier, dass es ‚hilfreich‘ sei, der Unterschied zu AR %

den anderen Einschätzungsgraden ist jedoch

DA %

DB %

deutlich geringer als bei den Teilnehmenden der Abbildung 64: Häufigkeit der Antworten der Stichprobe AR (27%). Bei der Beschreibung des

Kategorie 2c je Stichprobe in Prozent (VoPBN3)

Nutzens in Form des Erwerbs konkreter Kompetenzen werden von den Teilnehmenden der DA und DB mit 34% und 31% der Antworten deutlich häufiger Grundlegende Basiskompetenzen beschrieben: •

„Ich lerne das Rechnen, Multiplizieren, Addieren und Dividieren“ (AR1517)



„Ja sie hilft mir beim Einkaufen, weil ich Zahlen und Rechnen gelernt habe.“ (AR0606)



„Ich kenne die Zahlen“ (DA0212)



„Man lernt schnell, richtig und sicher zu rechnen“ (DA0314)



„Das Grundwissen + - : * und mehrere Sachen“ (DB0117)



„Ja, weil wir Kopfrechnen gelernt haben“ (DB0514)

222

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Aber auch 11% der Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden lassen sich dieser Subkategorie zuordnen. Den Erwerb von (mathematischen) Kompetenzen, die über die Aneignung von Rechen- und Zahlwissen hinausgehen, äußern die Teilnehmenden aller drei Stichproben ähnlich häufig (AR: 15%, DA: 17%, DB: 18%). Die arabischsprachigen Teilnehmenden nennen mit 36% deutlich häufiger alttagstaugliche Kompetenzen. Diese werden von den Stichproben DA und DB nur zu 20% und 19% thematisiert. Die Betrachtung des Vergleichs der drei Stichproben zeigt, dass Differenzen vor allem zwischen der Stichprobe AR gegenüber der Stichprobe DA sowie DB bestehen. Die arabischsprachigen Teilnehmenden äußern deutlich häufiger, dass ihnen das im Mathematikunterricht Gelernte sehr hilft und sie alltagstaugliche Kompetenzen erwerben. Den Erwerb von Basiskompetenzen beschreiben hingegen mit einer Differenz von mehr als 20% deutlich mehr Teilnehmende der Stichproben DA und DB. Unterschiede zwischen einzelnen Stichproben zeigen sich in der Beschreibung des beruflichen Nutzens resp. der finanziellen Sicherheit und der Begründung, dass der Mathematikunterricht hilfreich sei ohne dies näher zu Begründen. Hier unterscheiden sich die Stichproben AR und DB.

Vorstellungen über guten Mathematikunterricht (VoMu) Die Vorstellungen darüber, was guten (Mathematik)Unterricht ausmacht, ist für die Einstellung gegenüber dem Lerngegenstand von Bedeutung. Um Hinweise für die didaktische Gestaltung unter Berücksichtigung möglicher Unterschiede zwischen den Stichproben ableiten zu können, wie es die Perspektive der hier vorliegenden Studie ist, gilt es einerseits Merkmale guten Mathematikunterrichts zu identifizieren und andererseits zu betrachten, wie die Teilnehmenden ihren bisher erlebten Mathematikunterricht beurteilen.

Vorstellung über Merkmale guten Mathematikunterrichts (allgemein) Auf die Frage ‚Was ist nötig, damit der Mathematikunterricht gut ist?‘ antworten die Teilnehmenden mit sehr vielfältigen Merkmalen. Diese lassen sich in sechs Bereiche gliedern: Neben didaktischen, methodischen und inhaltlichen Aspekten spielen personenbezogene (Lehrkraft aber auch das zwischenmenschliche Lernklima) ebenso wie individuelle Aspekte und äußere Rahmenbedingungen eine Rolle (s. Abbildung 65). Die Antworten der Teilnehmenden aller drei Stichproben lassen sich am häufigsten den personen-bezogenen Aspekten zuordnen. Insbesondere der Lehrkraft wird hier große Bedeutung beigemessen (AR: 56%, DA: 62%, DB: 39%). Das Lernklima thematisieren 20% der arabischsprachigen Teilnehmenden und 18% der Teilnehmenden der Stichprobe DB. In der Stichprobe DA erwähnen nur 8% das Lernklima. Auf der individuellen Ebene nennen die Teilnehmenden aller drei Stichproben die Schülertugenden als Merkmal guten

223

6 Darstellung der Ergebnisse

Unterrichts. Demnach ist es für die Probanden wichtig, dass sie eine kompetente Lehrkraft haben. Es kommt aber auch darauf an, dass jeder einzelne das Angebot auch nutzt: •

„Konzentration und ein Lehrer, der langsam redet und ruhige Schüler und Aufmerksamkeit“ (AR0602)



„eine gute Erklärung; Motivation“ (DA0111)

20% 8% 18%



6% 16% 6%

„Lehrer, konzentrieren und lernen können“ (DA0413)



„Man muss (DB0405)



„gut aufpassen; alles mitschreiben“ (DB0509)

Was ist nötig, damit Mathematikunterricht gut ist?

Personenbezogene Aspekte

0% 20% 40% 60% 80% Lehrkraft

39%

Lernklima (Klassenklima, Lehrer-Schüler-Beziehung)

Didaktische Aspekte

Unterrichtsstruktur

Lernmenge (zu hoch/zu niedrig)

Methodische Aspekte

Internetzugang

.

Schülertugenden

Äußere Aspekte

Individuelle Aspekte

Instrumente Inhaltsbereiche

.

3% 6% 6%

Lernmöglichkeit (Zeit/Verstehen,… Tempo

17% 10% 6% 10% 0% 4% 1% 0% 0%

Einstellung (des Lernenden) Bildungssystem/ Schule

1% 1% 1%

äußere Rahmenbedingungen (Menge an Bildung,…

0% 0% 2%

1% 1% 0%

gut, ohne Begründung

0% 0% 1%

kein Mathe zu haben

0% 3% 3%

Sonstiges

AR %

DA %

zwischen den Stichproben zeigt, dass

den

Subkategorie

struktur

6% 0% 1%

Zusätzliche Unterstützung (Nachhilfe, Förderung,…

Der Vergleich der Antworthäufigkeiten

in 22% 23% 30%

3% 3% 6%

lernen“

den Teilnehmenden der Stichprobe DA

7% 4% 6%

7% 4% 3%

(viel)

sich die Stichproben AR und DB von

1% 4% 3%

Individuelle Ressourcen (Begabung; Kognition)

Sprache

56% 62%

1% 1% 3%

DB %

und

Unterrichts-

Lernklima

unter-

scheiden. Während das Lernklima besonders sprachigen

von

den

arabisch-

Teilnehmern

und

den

Probanden der beruflichen Schule genannt

wird,

Unterrichtsstruktur gewählten Stichprobe Merkmal

stellt im

der

16%

der

Methode für DA dar.

ein

die

Sinne

bedeutendes

Gemeinsamkeiten

zwischen den Stichproben AR und DA zeigen sich in der Häufigkeit der Antworten, die sich der Subkategorie Lehrkraft

zuordnen

lassen.

Die

Differenz zur Stichprobe DB, die mehr als 10% beträgt, ist hier sehr deutlich. In

den

Subkategorien

Tempo

unterscheiden sich die Stichproben AR Abbildung 65: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 14 je Stichprobe in Prozent (VoMu1)

224

und DA hingegen. Die Geschwindigkeit

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

des Unterrichts (Tempo) stellt besonders für die Arabischsprachigen ein relevantes Merkmal dar, ebenso wie die Lernmöglichkeiten. In der Menge der zur Verfügung stehenden Möglichkeit zum Üben und Verstehen, unterscheiden sich die arabischsprachigen Probanden von der Stichprobe DB.

Einschätzung des eigenen Mathematikunterrichts Einen weiteren relevanten Faktor des äußeren Einflusses stellen die gesammelten Erfahrungen

und

dadurch

bedingten

Einstellung

gegenüber

der

Mathematik

im

Zusammenhang mit dem eigenen Mathematikunterricht dar. Daher erfolgt im Anschluss an die Beschreibung der Merkmale guten Mathematikunterrichts die Einschätzung des eigenen Mathematikunterrichts anhand einer fünfstufigen Skala. Die getroffene Einschätzung wird darüber hinaus begründet, um die Entscheidung besser nachvollziehen zu können. Abbildung 66 zeigt die Verteilung der Einschätzung bei der Beurteilung des eigenen Unterrichts für die Teilnehmenden der jeweiligen Stichprobe in Prozent. 50% 38%

40% 31% 30% 20% 10%

26%

26% 19%

18%18%

15% 5%

35% 32%

15%

9% 4% 4%

1% 0%

4%

0% nicht gut

weniger gut

mittelmäßig AR

gut DA

sehr gut

keine Antwort

DB

Abbildung 66: Verteilung der Einschätzung des eigenen Mathematikunterrichts je Stichprobe in Prozent (VoMu2)

Die Mehrheit der Teilnehmenden der Stichproben AR und DA bewerten ihren Mathematikunterricht als ‚gut‘ bis ‚sehr gut‘. In der Stichprobe DB empfindet die Mehrheit der Teilnehmenden ihren Unterricht als ‚mittelmäßig‘ bis ‚gut‘. Nur 15% der Teilnehmenden der Stichprobe DB bewerten ihren Unterricht als ‚sehr gut‘. In den Stichproben DA und AR beantworten jeweils 18% Probanden die Frage nach der eigenen Unterrichtsqualität mit ‚mittelmäßig‘. Anders als in der Stichprobe DA geben 19% der arabischsprachigen Teilnehmenden und 15% der Probanden der beruflichen Schulen an, dass ihr Unterricht ‚nicht gut‘ sei. Die Antwortmöglichkeit ‚weniger gut‘, wird am seltensten in allen drei Stichproben gewählt. Neben der wiederholten Einschätzung ohne tiefergehende Begründung lassen sich die Antworten der Teilnehmenden in die gleichen Subkategorien wie die Merkmale guten Mathematikunterrichts einordnen (s. Abbildung 67).

225

6 Darstellung der Ergebnisse

Insgesamt lassen sich sechs übergeordnete Bereiche

erkennen.

Neben

Begründung zu "Wie ist dein Mathematikunterricht?"

personen-

bezogenen Aspekten, wie der Lehrkraft oder und

individuelle

Aspekte

genannt. Aber auch äußere Aspekte und gute Noten sind relevante Beurteilungskriterien.

Einschätzung ohne Begründung

inhaltliche

0% 20% 40% 60% gut, ohne Begründung

Personenbezogene Aspekte

dem Klassenklima, werden didaktische,

Lehrkraft

9% 1% 2%

mittelmäßig, ambivalent, ohne…

3% 3% 5%

schlecht, ohne Begründung

2% 0% 0%

Für die Teilnehmenden aller Stichproben ist die Lehrkraft von besonderer Bedeutung. Gefolgt von den Lernmöglichkeiten, also der zur Verfügung stehenden Zeit aber auch der 10% der Antworten benennen die arabischsprachigen Probanden darüber hinaus die Unterrichtssprache.

einigen Teilnehmenden anhand der Lehrkraft begründet

wird.

Dieser

Subkategorie

entsprechen am häufigsten die Antworten der

Inhaltsbereiche Schülertugenden

Stichprobe DA. Gefolgt mit 10% Differenz die und wiederum mehr als 10% die Antworten der Stichprobe DB. Im Bereich der didaktischen Aspekte äußern als

Merkmale

Sprache

unterscheiden

Stichproben DB und AR.

226

sich

die

2% 1% 0%

11% 0% 1%

0% 0% 3%

kein Mathe zu haben

0% 1% 0%

.

Sonstiges

arabischsprachigen Teilnehmenden genannt. Unterrichts

11% 11% 15%

gute Noten

Sprache wird hingegen am häufigsten von den

des

1% 1% 1%

8% äußere 0% Rahmenbedingungen… 1%

ihres

In der Häufigkeit der Antworten zum Tempo

4% 5% 9%

Einstellung (des Lernenden)

Unterrichts. Ebenso ist es mit der Einstellung der Lernenden (individuellen Ebene). Die

3% 3% 5%

2% Zusätzliche 0% Unterstützung… 0%

alle drei Gruppen gleichermaßen häufig die Lernmöglichkeiten

Individuelle Ressourcen (Begabung; Kognition)

Bildungssystem/ Schule Äußere Aspekte

Antworten der arabischsprachigen Probanden

0% 4% 10%

Tempo

Unterschiede ist zu erkennen, dass die Entscheidung stichprobenübergreifend von

17% 15% 15%

Lernmöglichkeit (Zeit/Verstehen,…

.

und

2% 10% 3%

Individuelle Aspekte

Gemeinsamkeiten

5% 9% 5%

Lernmenge (zu hoch/zu niedrig)

Im Vergleich der drei Stichproben hinsichtlich beobachtbarer

6% 11% 6%

Lernklima (Klassenklima, Lehrer-Schüler-… Unterrichtsstruktur

Didaktische Aspekte

Einstellung der Lernenden. Mit mehr als

47% 57% 35%

AR %

DA %

5% 1% 6% DB %

Abbildung 67: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 14 je Stichprobe in Prozent (VoMu2)

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Vorstellungen

über

das

Verhältnis

von

Mathematik

und

ausgewählten äußeren Einflussfaktoren (VoVe) Unter dem besonderen Fokus der Herkunftssprache und der Mehrsprachigkeit wird für den interkulturellen Vergleich der drei Stichproben auch die Vorstellungen über das Verhältnis von Mathematik und Sprache sowie von Mathematik und Kultur als ausgewählte Einflussfaktoren auf äußerer Ebene betrachtet.

Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen Mathematik und Sprache Um den jeweils individuellen Bezug zu analysieren, den die Teilnehmenden dem Verhältnis von Mathematik und Sprache zuschreiben, erfolgt die Einschätzung anhand einer fünfstufigen Skala (s. Abbildung 68). 40% 30% 20%

30%

30% 26% 15%

11%

33% 26% 28%25%

15%

13%

10%

16%

12% 6%

4%

viel

sehr viel

2%

6%

2%

0% gar nichts

weniger

mittelmäßig AR

DA

keine Antwort

DB

Abbildung 68: Verteilung der Einschätzung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Sprache je Stichprobe in Prozent (VoVe1)

Während besonders die Teilnehmenden der Stichprobe DA antworten, dass Mathematik ‚gar nicht‘, ‚wenig‘ oder wenn nur ‚mittelmäßig‘ mit Sprache zusammenhängt, geben 33% der arabischsprachigen Teilnehmenden an, dass Mathematik ‚sehr viel‘ mit Sprache zu tun hat. Auch in der Stichprobe DB sind vor allem die Antworten ‚gar nichts‘ und ‚mittelmäßig‘ vertreten. Einige Teilnehmende dieser Stichprobe geben jedoch auch an, dass Mathematik ‚(sehr) viel‘ mit Sprache zu tun hat. Hier zeigt sich somit, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden der Stichprobe DA eher keinen

Zusammenhang

zwischen

Mathematik

und

Sprache

sehen.

Die

meisten

Teilnehmenden der Stichprobe DB geben an, dass Mathematik ‚gar nichts‘, oder ein bisschen (‚mittelmäßig‘) mit Sprache zu tun hat, während die Mehrheit der arabischsprachigen Teilnehmenden den Zusammenhang als ‚sehr ausgeprägt‘ oder ‚mittelmäßig‘ beurteilt. Die Begründungen der Probanden zu den zuvor getroffenen Einschätzungen lassen sich in drei große Bereiche einordnen. Zum einen geben einige Teilnehmende eine erneute Einschätzung ab, ohne dieser näher zu Begründen. Daneben werden Gründe für den Zusammenhang und Aspekte gegen einen solchen genannt. Die Verteilung der Antworthäufigkeiten der jeweiligen Kategorien zeigt Abbildung 69.

227

6 Darstellung der Ergebnisse

Die Teilnehmenden der Stichproben AR wie

Begründung zu "Hat Mathematik etwas mit Sprache zutun?" Einschätzung ohne Begründung

0%

10% 20% 30%

Zusammenhang, ohne Begründung

5% 0% 2%

mäßiger Zusammenhang, ohne Begründung

5% 1% 3%

kein Zusammenhang, ohne Begründung Rechnen hat mit Sprache zutun Ohne Sprache kein Rechnen/Mathe

Zusammenhang kein Zusammenhang

Sprache sind (AR: 26%, DA: 16%, DB: 27%).

Sprache

dem

der Stichprobe DB. Die Relevanz der Muttersprache thematisieren mit 7%, 11% und 10%ähnlich viele Teilnehmende in allen

20% 7% 15%

Stichproben.

2% 4% 6% 16%

26% 27%

Sprache ist bei 1% 0% Situationsbezügen… 0%

Begründungen zur Erklärung, dass es keinen Zusammenhang zwischen Sprache und Mathematik gibt, sind vor allem bei den Teilnehmenden der Stichprobe DA und DB zu

Erklärungen

5% 4% 6%

Fachsprache

5% 7% 6%

Mathe ist eine (eigene) Sprache

0% 4% 0%

Mathe ist in jedem Land anders

3% 2% 2%

finden. Begründet wird, dass Rechnen bzw. Zahlen nichts mit Sprache zu tun haben. Dies geben 28% der Teilnehmenden der Stichprobe DA und 20% der Stichprobe DB an. Nur bei 8% der arabischsprachigen

7% 11% 10%

Rechnen/Zahlen hat nichts mit Sprache zutun

8%

Mathe/Zahlen sind überall gleich

4% 6% 7%

Teilnehmenden findet sich diese Antwort. 20%

28%

1% 0% 0%

Einige Teilnehmende aller drei Stichproben geben an, dass Zahlen resp. Mathematik überall

gleich

ist.

Auch

Darstellungen

bräuchten, so 1% der Stichprobe AR, keine

0% 1% 3%

Sprache.

.

Frageunabhängige Antwort

dient

arabischsprachigen Teilnehmenden und 15%

1% 1% 2%

Aufgaben sind Sprache

Darstellungen brauchen keine Sprache

Zudem

Verständnis, so die Antworten von 20% der

5% 1% 4%

Relevanz der Muttersprache…

häufiger als die Probanden der Stichprobe DA damit, dass Aufgaben in Mathematik

7% 5% 10%

Sprache dient zum Verständnis Relevanz der Kommunikation

auch DB begründen den Zusammenhang

Sonstiges

4% 2%

11%

Die Analyse von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen den Stichproben

AR %

DA %

DB %

Abbildung 69: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 6 je Stichprobe in Prozent (VoVe1)

zeigt, dass die Stichproben AR und DB gleichermaßen

häufig

angeben,

dass

Aufgaben Sprache sind. Der Subkategorie

Rechnen hat nichts mit Sprache zutun wird von den beiden Stichproben DA und DB mit einer Differenz von mehr als 10% deutlich häufiger entsprochen, als dies in den Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden der Fall ist. Die Begründung des Zusammenhangs durch Antworten, die der Subkategorie Sprache dient dem Verständnis zuzuordnen sind, findet sich häufiger bei den Stichprobe AR und DB als bei der Stichprobe DA.

228

6.4 Mathematikbezogene Vorstellungen

Vorstellungen über den Zusammenhang zwischen Mathematik und Kultur Inwiefern die Teilnehmenden einen Zusammenhang zwischen Mathematik und Kultur sehen, wird zunächst anhand einer fünfstufigen Skala eingeschätzt und anschließend durch die Teilnehmenden begründet. Dies dient zur genaueren Betrachtung des angegeben Ausprägungsgrades

der

Verknüpfung.

Abbildung

70

stellt

die

Einschätzung

des

Zusammenhangs für alle drei Stichproben dar. 70%

60%

60% 50%

41%

41%

40% 30%

22%

20%

13% 10% 7%

10%

17% 14% 12%

11%

16% 9%10%

4% 6%

5%

2%

0% gar nichts

weniger

mittelmäßig AR

DA

viel

sehr viel

keine Antwort

DB

Abbildung 70: Verteilung der Einschätzung des Zusammenhangs zwischen Mathematik und Kultur je Stichprobe in Prozent (VoVe2)

Während die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB sehr häufig angeben, dass Mathematik ‚gar nichts‘ mit Kultur zu tun hat, ist dies nur bei 22% der arabischsprachigen Teilnehmenden der Fall. 41% dieser Stichprobe geben hingegen an, dass Mathematik ‚sehr viel‘ mit Kultur zu tun hat. Die drei Antwortmöglichkeiten ‚weniger‘, ‚mittelmäßig‘ und ‚viel‘ sind in allen drei Stichproben ähnlich häufig vertreten. Vor allem in der Stichprobe DA möchten einige Probanden (16%) die Frage nicht beantworten. Die Begründungen der Teilnehmenden lassen sich in drei Bereiche unterteilen. Einige Probanden geben an, dass es einen bzw. keinen Zusammenhang gibt, ohne dies näher zu erläutern. Begründungen für die Verknüpfung zwischen Kultur und Mathematik beschreiben die Teilnehmenden in Antworten, die sich in sieben Subkategorien zusammenfassen lassen. Acht Subkategorien zählen zu dem Bereich kein Zusammenhang. Die Verteilung der Antworthäufigkeiten auf die jeweiligen Subkategorien ist in Abbildung 71 für jede Stichprobe in Prozent dargestellt. Die arabischsprachigen Teilnehmenden begründen einen Zusammenhang zu 11% damit, dass es kulturelle Unterschiede gibt, die sich vor allem in den Inhalten und der didaktischen Gestaltung zeigen. Den historischen resp. kulturellen Ursprung geben 11% der Teilnehmenden der Stichprobe DA an. Den übrigen Subkategorien zur Beschreibung der Verknüpfung sind in allen drei Stichproben weniger als 10% der Antworten zuzuordnen.

229

6 Darstellung der Ergebnisse

Bei den Begründungen der Einschätzung, dass Mathematik nichts mit Kultur zu tun hat, finden sich in der Stichprobe AR Antworten die sich den Kategoiren Mathematik ist Bildung (und Allgemeiner Fortschritts

Nutzen (alle

im

Sinne

Kulturen

des

brauchen

Mathematik) (27%) subsumieren lassen. 25% der Antworten der Probanden der Stichprobe DB entsprechen der Kategorie Mathematik ist überall (gleich). Hierbei wird betont, dass

Begründung zu "Hat Mathematik etwas mit Kultur zu tun?" 0% 10% 20% 30%

Einschätzung ohne Begründung

hat somit nichts mit Kultur tun) (16%) und

Zusammenhang, ohne Begründung

3% 1% 2%

kein Zusammenhang, ohne Begürndung

5% 11%

es überall (die gleiche) Mathematik gibt.

Mathe ist ein Kulturgut

3% 1% 2%

Dieser Kategorie lassen sich auch 11% der

Kulturbedingte Relevanz (in manchen Kulturen…

2% 1% 3%

übrigen

Kategorien

dieses

Bereichs

entsprechen weniger als 10% der Antworten der drei Stichproben. Der Subkategorie kein Zusammenhang,

ohne

entsprechen

der

28%

Begründung Antworten

Zusammenhang

Antworten der Stichprobe DA zuordnen. Den

Es gibt kulturelle Unterschiede (andere… Mathe ist nicht überall (gleich)

Stichprobe DB und 11% der Antworten der

Mathe ist keine Allgemeinbildung

Gemeinsamkeiten

zwischen

den

2% 1% 0%

lassen sich die Antworten der Stichproben AR und DA gleichermaßen seltener zuordnen als es bei der Stichprobe DB der Fall ist. Die arabischsprachigen

Teilnehmenden

kein Zusammenhang

Zusammenhang ohne Begründung. Hier

unterscheiden sich in den Kategorien Mathe ist Bildung und Allgemeiner Nutzen (alle Kulturen brauchen Mathe) mit mehr als 10% von

den

des

aufgrund

des

1% 1%

Mathe ist Allgemeinwissen

3% 0% 1%

16%

1% 7% 6%

Mathe ist Denken

9% 5% 5%

Allgemeiner Nutzen (Fortschritt, alle…

8% 4%

Mathematik ist kein Kulturgut

beiden

Begründung

Mathe ist Bildung

Mathe ist Rechnen

25%

4% 4% 4%

27%

1% 0% 1%

Frageunabhängige Antwort

5% 4% 4%

.

Die

anderen

9% 11%

Wurzeln/Ursprung der Mathematik ist gleich…

Mathematik ist überall (gleich) und kein

Stichproben.

0% 11% 3%

Mathe ist überall (gleich)

drei

Stichproben zeigen sich in den Kategorien

Differenz

5% 0% 0%

Sprache

Stichprobe DA.

11% 9% 6% 1% 0% 2%

historischer/kultureller Ursprung

der

28%

Zusammenhangs

Sonstiges

historischen/kulturellen Ursprungs findet sich mit 11% häufiger bei den Teilnehmenden der Stichprobe DA als bei der Stichprobe AR (0%).

230

AR %

DA %

2% 0% 0% DB %

Abbildung 71: Häufigkeit der Antworten der Kategorie 7 je Stichprobe in Prozent (VoVe2)

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte Der bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Kontext der Teilnehmenden ist bei der Analyse der mathematischen Kompetenz als relevantes Bedingungsgefüge zu betrachten, das primären, aber auch sekundären Einfluss hat. Umweltbedingte Faktoren und individuelle Voraussetzung stehen in wechselseitiger Verbindung (s. Abschnitt 3.3.1). Sekundär können Auswirkungen der individuellen (migrationsbedingten) Erfahrungen auf die Herausbildung spezifischer

mathematikbezogener

Vorstellungen

angenommen

werden.

Durch

die

Betrachtung ausgewählter Aspekte der sozialen Ebene des Mehrebenenmodells, die sich hier in den Lebensbedingungen und Bildungserfahrungen widerspiegeln, werden in diesem Bereich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Stichproben analysiert. Entsprechend der besonderen Bedingungen der arabischsprachigen Teilnehmenden werden im Rahmen des hier vorliegenden Abschnittes auch die (migrations-)spezifischen Bildungsbedingungen

näher

betrachtet.

Zunächst

erfolgt

die

Darstellung

der

sozioökonomischen Rahmenbedingungen anhand der Betrachtung der Familien- und Wohnsituation, aber auch der Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse der Eltern. Neben konkreten bildungsbiografischen Aspekten, wie Dauer und Umfang des Schulbesuchs sowie außerschulischen

Bildungserfahrungen,

werden

daher

auch

die

Herkunft

und

migrationsbiografische Hintergründe analysiert. Aufgrund der erwartbaren sprachlichen Vielfalt

und

der

Relevanz

der

Mehrsprachigkeit

als

Teil

des

multifaktoriellen

Bedingungsgefüges mathematischer Kompetenzen, erfolgt zudem die Rekonstruktion des Sprachhintergrundes. Die Erhebung der zuvor beschriebenen Aspekte findet für alle Teilnehmenden durch die Beantwortung des Fragebogens BiSSoz statt. Dieser gliedert sich entsprechend des Fragebogenschemas in vier zentrale Bereiche (s. Abschnitt 5.2.2). Beginnend mit allgemeinen Fragen geben die Teilnehmenden Auskunft über sich selbst. Hier werden Angaben zu personenbezogenen Daten gesammelt und darüber hinaus Fragen zur Herkunft gestellt. Der zweite Teil des Fragebogens widmet sich den Bildungserfahrungen der Probanden. Neben verschiedenen Fragen zur (vor)schulischen Bildung wird auch die Nutzung außerschulischer Angebote erhoben. Im dritten Teilbereich des Fragebogens geben die Teilnehmenden Auskunft über ihre sprachlichen Fähigkeiten. Aufgrund methodischer Grenzen geht es hierbei nicht um die detaillierte Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten. Vielmehr werden durch Selbstauskünfte Daten gesammelt, die zur Beurteilung der Mehrsprachigkeit anhand der gesprochenen Sprachen verwendet werden. Der vierte und letzte Teil des Fragebogens umfasst Fragen zum Thema Ausbildung und Beruf. Neben den Berufserfahrungen der Probanden werden hier auch die Bildungserfahrungen sowie Geburtsländer der Eltern erfasst.

231

6 Darstellung der Ergebnisse

Abschnitt 6.5.1 beschreibt die bildungsrelevanten sozioökonomischen Hintergründe der Teilnehmenden aller drei Stichproben. Als entscheidender Faktor für den Bildungserfolg gelten die sozialen Hintergründe der Familie. Demzufolge wird das Lebensumfeld, im Sinne der Lebens- und Wohnsituation, der Probanden ebenso wie die beruflichen und schulischen Bildungsbedingungen ihrer Eltern betrachtet. Zur Analyse der familiären Bildungserfahrungen werden die Resultate in den Bereichen (Schul)Bildung sowie Beruf der Eltern dargestellt. Die Darstellung der bildungsbiografischen Erfahrungen der Teilnehmenden erfolgt in Abschnitt 6.5.2. Begonnen mit dem Besuch des Kindergartens werden im Anschluss an die frühe Bildung Informationen zum Schulbesuch analysiert. Neben Aussagen über Beginn und Dauer des Schulbesuchs werden auch die Schulleistungen der Teilnehmenden erfragt. Erfahrungen hinsichtlich der Berufspraxis werden unter dem Aspekt der beruflichen Bildung beschrieben. Für die arabischsprachigen Teilnehmenden werden anschließend Umfang und Art der Bildung in Deutschland betrachtet. In Abschnitt 6.5.3 werden die migrationsbiografischen Hintergründe in Form von Herkunft und Migrationshintergrund analysiert. Anhand der Informationen über das eigene Geburts- und Heimatsland, persönliche Migrationserfahrungen sowie der Herkunft der Eltern wird im Anschluss an die Deskription dieser Bereiche der Grad des Migrationshintergrundes rekonstruiert. Der sprachbiografische Hintergrund wird abschließend in Abschnitt 6.5.4 beschrieben. Hierbei werden die Aspekte Mehrsprachigkeit und Sprachverwendung analysiert. Neben der Darstellung der jeweils im speziellen gesprochenen Sprachen erfolgt die Rekonstruktion der Familiensprache. Für die arabischsprachigen Teilnehmenden werden im Bereich Deutscherwerb Dauer und Umfang des Lernprozesses der deutschen Sprache betrachtet. Zeichnen sich in einzelnen Teildimensionen tendenzielle Gemeinsamkeiten zwischen den Stichproben ab, wird die differenzierte Betrachtung unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen

Kompetenzstufe

vorgenommen.

Dargestellt

werden

anschließend

ausgewählte relevante Ergebnisse, die diese Beobachtungen stützen oder weiterführende Tendenzen abbilden. Aufgrund des Aufbaus des BiSSoz Fragebogens werden einzelne Fragen nur den Teilnehmenden der Stichprobe AR gestellt. Bei der Darstellung der Antworten dieser Fragen erfolgt die Analyse zunächst für die Gesamtstichprobe und anschließend unter besonderer Berücksichtigung der erreichten Kompetenzstufen.

6.5.1 Sozioökonomische Rahmenbedingungen Die

sozioökonomischen

Rahmenbedingungen

werden

für

alle

Teilnehmenden

an

verschiedenen Stellen des Fragebogens erfasst. Während das Lebensumfeld anhand von zwei offenen Fragen rekonstruiert wird, werden die Bildungs- und Berufserfahrungen der

232

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Eltern durch vorgegebene Antwortmöglichkeiten erhoben, die Möglichkeiten für Ergänzungen bieten. Die Ergebnisse werden codiert bzw. kategorisiert und in ihrer prozentualen Häufigkeit innerhalb der drei Stichproben dargestellt.

Lebensumfeld Zur Betrachtung des Lebensumfeldes geben die Teilnehmenden Auskunft über ihre Lebenssituation im Sinne der (familiären) Wohnsituation. Hierbei wird bewusst auf die Vorgabe von Antwortmöglichkeiten verzichten, um den Teilnehmenden den Freiraum zu geben die Personen aufzuzählen, die für sie zu ihrer Familie gehören. Bei allgemeinen Antworten wie ‚alle‘ wurden die Probanden während der Erhebung gebeten, ihre Angabe zu konkretisieren.

Lebenssituation Durch die Aufzählung der Menschen, mit denen die Teilnehmenden zusammenleben bzw. in ihrem Heimatland zusammengelebt haben, lässt sich die (familiäre) Wohnsituation rekonstruieren. Hierbei lassen sich die Antworten in acht zentrale Bereiche einordnen. Neben der klassischen Kernfamilie bestehend aus ein bzw. zwei Eltern und Kind(ern), zeigen sich Konstellationen mit anderen Verwandten, wie die Mehrgenerationen- oder Großfamilie. In einzelnen Fällen leben die Teilnehmenden ohne ihre Eltern bei Verwandten. Daneben finden sich auch Familienkonstellationen, die über Verwandtschaftsverhältnisse hinausgehen. Hierzu zählen: Patchworkfamilien, Wohnen/Leben in einer Partnerschaft, Fremdunterbringung und alleinlebend. Bei den Antworten innerhalb der jeweiligen Subkategorien ist zu beachten, dass es sich bei den arabischsprachigen Teilnehmenden um die Wohnsituation in ihrem Heimatland handelt. Aufgrund der Zielsetzung der Studie wurden keine Daten der Stichprobe AR über die Lebenssituation in Deutschland erhoben. Entscheidend für die Betrachtung beeinflussender Variablen auf die mathematische Kompetenz werden die langfristigen Lebensbedingungen analysiert und verglichen. Abbildung 72 zeigt die Verteilung der Häufigkeit der jeweiligen Wohnsituation je Stichprobe in Prozent. Die Rekonstruktion der (familiären) Wohnsituation zeigt, dass die überwiegende Anzahl der Teilnehmenden aller drei Stichproben mit der Kernfamilie zusammenwohnt. Hierzu zählen sowohl Wohnsituationen, in denen ein Elternteil mit einem oder mehreren Kindern wie auch Familien mit zwei Elternteilen und deren Kind(ern) zusammenleben. Während die alleinerziehenden Eltern besonders in der Stichprobe DB mit 23% zu finden sind und sich die Teilnehmenden der Stichprobe DA mit 18% anschließen, leben die arabischsprachigen Probanden mit 78% am häufigsten mit beiden Elternteilen zusammen. Die übrigen Konstellationen finden sich in allen Stichproben zu weniger als 10%.

233

6 Darstellung der Ergebnisse

Familiäre Wohnsituation (Konstellation) 8%

Ein-Eltern-Familie

18% 23%

Zwei-Eltern-Familie Ein-Eltern-Familie mit Großeltern

Zwei-Eltern-Familie mit Groß-Eltern

43%

Zwei-Elternfamilie mit Großeltern und Verwandten

0% 2% 0%

Zwei-Eltern-Familie mit Verwandten

3% 0% 0%

Patchwork PartnerIn der Eltern

0% 1% 1%

Mit PartnerIn

0% 0% 2%

Mit Familie des Partners/der Partnerin

0% 0% 1%

Pflegefamilie

0% 1% 2%

(Jugend/Kinder)Heim

0% 0% 2%

.

alleinstehend/-lebend

Partnerschaft

0% 1% 0%

Fremdunterbringung

0% 2% 6%

Patchwork Stiefeltern und -geschwister

Ohne Eltern

Wohngruppe

0% 0%

1% 0% 1%

Großeltern (ohne Eltern)

1% 1% 1%

Tante/Onkel (ohne Eltern)

0% 0% 1%

Tante/Onkel und Großeltern (ohne Eltern)

0% 1% 0%

DA

8%

1% 1% 5%

Geschwister (ohne Eltern)

AR

78%

3% 6% 3% 1% 0% 2%

Patchwork Stiefvater/-mutter

65%

1% 1% 1%

Ein-Eltern-Familie mit Verwandten

Patchworkfamilie

Großfamilie

Mehrgenerationenfamilie Kernfamilie

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

DB

Abbildung 72: Verteilung der Häufigkeit der Beschreibung der Wohnsituation je Stichprobe in Prozent

Neben der Wohnsituation in Bezug auf die Familienmitglieder wird separat die Anzahl der im gleichen Haushalt lebenden Geschwister als Teilaspekt der Familiengröße betrachtet. Die Verteilung der Häufigkeiten je Stichprobe ist in Abbildung 73 dargestellt.

234

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

71%

42%

40%

36% 34% 26%

19% 21% 7% Ein-Kind-Familie

Zwei-Kinder-Famiie AR

DA

Mehr-Kinder-Familie

DB

Abbildung 73: Verteilung der Häufigkeit der Geschwisterkonstellation hinsichtlich der Wohnsituation je Stichprobe in Prozent

Es zeigt sich, dass mit 71% besonders innerhalb der Stichprobe AR die Zahl der ‚Mehr-KinderFamilien‘ hoch ist. Die Teilnehmenden der Stichprobe DA leben überwiegend (42%) in Familien mit mindestens zwei Kindern und 40% der Teilnehmenden der Stichprobe DB geben an in einem Haushalt ohne Geschwister zu leben. Daneben wohnen auch 34% dieser Stichprobe in Familien mir mehr als zwei Kindern. Im Vergleich der drei Stichproben zeigt die Verteilung der Geschwisterkonstellationen im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Wohnsituationen,

hinsichtlich

der

älteren

bzw.

‚erwachsenen‘

Haushaltsmitglieder,

Unterschiede auf. Bei der Rekonstruktion des Lebensumfelds zeigt sich, dass die Mehrzahl aller Probanden mit mindestens einem Elternteil und (sofern vorhanden) den Geschwistern zusammenlebt. Die Familiengröße, betrachtet an der Zahl der Nennungen der Eltern und Geschwister, zeigt, dass die arabischsprachigen Probanden überwiegend in Familien mit mehr als zwei Kindern, die Teilnehmenden der Stichprobe DA häufiger in Familien mit zwei Kindern und die der Stichprobe DB mehrheitlich ohne Geschwister oder mit mehr als zwei Geschwistern leben.

Bildung der Eltern Ein zentraler Bestimmungsfaktor der sozioökonomischen Rahmenbedingungen sind die Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse der Eltern. Zunächst wird die Schulbildung der Eltern näher beschrieben. Anschließend wird betrachtet, über welche weiterführende Bildung im Sinne von Studien- und Ausbildungsabschlüssen die Eltern verfügen.

Allgemeine Bildung (Schule) Die Schulabschlüsse werden anhand vorgegebener Antwortmöglichkeiten separat für jedes Elternteil beurteilt. Insofern die Bezugspersonen für die Teilnehmenden andere waren, werden bei den Angaben der Mütter auch Stiefmütter und bei den Vätern auch Stiefväter berücksichtig. Insofern ein Elternteil nicht bekannt ist, geben die Probanden dies im Feld Sonstiges an. Die Antwort wird entsprechend codiert und berücksichtigt. Nullantworten wie „ich weiß nicht“ deren

235

6 Darstellung der Ergebnisse

Interpretation (bspw. ich weiß nicht was die Antwort ist oder ich weiß nicht was ich machen soll) nicht eindeutig möglich ist, werden im Folgenden nicht berücksichtigt. Abbildung 75 und Abbildung 74 zeigen die Verteilung der Häufigkeit der Schulabschlüsse der Mütter und Väter je Stichprobe anhand der Antwortmöglichkeiten sowie der erweiterten Codierung in Prozent.

Schulbildung der Mutter 0%

keinen Schulabschluss

10%

20%

Abschluss der Sekundarstufe (Realschulabschluss)

18%

Allgemeine Hochschulreife (Abitur)

18%

0% 0%

unbekannt/ kein Kontakt

AR

keinen Schulabschluss

35%

4%

4% DA

DB

Abbildung 75: Verteilung der Schulabschlüsse der Mütter je Stichprobe in Prozent

40%

28% 31%

22% 27% 16%

Allgemeine Hochschulreife (Abitur) Universität

30%

20%

Abschluss der Sekundarstufe (Realschulabschluss)

25% 30%

20%

20% 20%

5%

mittlerer Schulabschluss (Hauptschulabschluss)

27% 30%

20%

0% 0%

10%

27%

16%

Universität

0%

40%

30%

3%

mittlerer Schulabschluss (Hauptschulabschluss)

Schulbildung des Vaters

30%

18%

27% 33%

4% 0% 1%

Fachabitur/ Abschluss der weiterführenden Schule

1% 0% 1%

unbekannt/ kein Kontakt

0% 1%

AR

DA

6% DB

Abbildung 74: Verteilung der Schulabschlüsse der Väter je Stichprobe in Prozent

Die Schulbildung der Mütter zeigt, dass vor allem in den Stichproben AR und DB mit 30% bzw. 27% kein Schulabschluss erreicht wurde. Dies Zahl der Teilnehmenden der Stichprobe DA, deren Mütter keinen Schulabschluss haben, liegt hingegen bei 3%. Den mittleren Schulabschluss19 resp. Hauptschulabschluss haben ähnlich viele Mütter der Stichproben DA und DB, hier sind es hingegen nur 16% der Stichprobe AR. Im Abschluss der Sekundarstufe ähneln sich die Zahlen der Stichproben AR und DB. Wohingegen die Mütter der Teilnehmenden der Stichprobe DB im Vergleich mit den anderen Stichproben am seltensten die allgemeine Hochschulreife besitzen. Innerhalb der Stichprobe DA findet sich diese hingegen am häufigsten. Für die Stichprobe DB zeigt sich, dass die Anzahl der Mütter eher

Der Abschluss der 9. Klasse wird übersetzt als mittlerer Schulabschluss bezeichnet (s. Abschnitt 5.2.1) und entspricht hierbei dem Hauptschulabschluss 19

236

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

keinen (27%) oder den Hauptschulabschluss (30%) haben, jeweils 18% erreichen den Abschluss der Realschule und das Abitur. Unter den Teilnehmenden der Stichprobe AR haben die meisten Mütter (30%) keinen Schulabschluss. 25% der Mütter dieser Stichprobe besitzen das Abitur, 20% den Abschluss der Sekundarstufe und 16% den mittleren Schulabschluss. Bei den Teilnehmenden der Stichprobe DA zeigt sich, dass die Mütter vor allem den Realschulabschluss (35%) besitzen, gefolgt vom Abitur (30%) und dem Hauptschulabschluss (27%). Ohne Schulabschluss sind hier nur 3% der Mütter. Die Betrachtung der Schulabschlüsse der Väter zeigt eine ähnliche Verteilung (s. Abbildung 74).

Innerhalb

der

Stichprobe

AR

haben

etwas

mehr

Väter

als

Mütter

den

Hauptschulabschluss. Die Anzahl der Väter mit dem Abschluss der Sekundarstufe oder dem Abitur sind mit je 2% Differenz ähnlich groß wie bei den Müttern dieser Stichprobe. Innerhalb der Stichprobe DB reduziert sich die Zahl der Väter ohne Schulabschluss im Vergleich zu den Müttern. Die übrigen Abschlüsse werden ähnlich häufig angegeben. Unter den Teilnehmenden der Stichprobe DA ändert sich der am häufigsten erreichte Schulabschluss. So besitzen die meisten Väter (33%) das Abitur wohingegen 27% den Realschulabschluss absolviert haben. Hier zeichnen sich Unterschiede zwischen den drei Stichproben ab. Innerhalb der Stichprobe AR besitzen die meisten Eltern keinen Schulabschluss. Die darauffolgende zweithäufigste Kategorie beschreibt hingegen Formen der höheren Bildung (Abitur). Innerhalb der Stichprobe DA finden sich am häufigsten Eltern mit mittlerer bis höherer Schulbildung und innerhalb der Stichprobe DB mit niedriger bis mittlerer Schulbildung. Zur genaueren Betrachtung der Unterschiede erfolgt die differenzierte Analyse der Schulabschlüsse der Eltern unter Berücksichtigung der jeweiligen Teilstichprobengruppen. Die Verteilung der Schulabschlüsse der Mütter der jeweiligen Teilstichprobe ist in Abbildung 76 und die der Väter in Abbildung 77 dargestellt. 75%

80%

67%

70% 55%

60% 50% 40% 30% 20%

53%

50% 44% 33% 21% 20%24%22% 17% 15%

50%

48%

43%

40%

39% 33%

29%

28%

22%

37% 31% 25%

21%

17%

12% 5% 6%

10%

31%

16%15% 13%

8%

33% 28% 21%

29% 14%

3%

0% ARK1

ARK2

ARK3

ARK4

DAK1

DAK2

Stichprobe AR

DAK3

DAK4

DAK5

DBK1

Stichprobe DA keinen Schulabschluss

mittlerer Schulabschluss

Abschluss der Sekundarstufe

Allgemeine Hochschulreife

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

Abbildung 76: Verteilung der Schulabschlüsse der Mütter je Teilstichprobengruppe in Prozent

237

6 Darstellung der Ergebnisse

In den Stichproben AR und DA ist bei zunehmender Kompetenzstufe die Zahl der Mütter ohne Schulabschluss beziehungsweise mit dem Hauptschulabschluss rückläufig, wohingegen die Häufigkeit der Realschulabschlüsse und des Abiturs tendenziell zunimmt. Dies zeichnet sich auch, wenn auch nicht so deutlich, unter den Teilnehmenden der Stichprobe DB ab. Mit Ausnahme der drei Probanden der DBK4 reduziert sich die Anzahl der Mütter ohne Schulabschluss bei zunehmender Kompetenzstufe. Hingegen nehmen innerhalb dieser Stichprobe der Haupt- und Realschulabschluss zu. 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

75% 67% 60% 48%

47% 30% 32% 29% 25% 25% 25% 26% 19% 18% 13% 13%

ARK1

ARK2

ARK3

33% 33%

23%

11%

6%

DAK1

DAK3

18%

17%

16%

8%

4%

DAK2

Stichprobe AR

21%

37%

32% 28%

32%

29%

16%

ARK4

39%

36% 34%

32%

DAK4

DAK5

DBK1

Stichprobe DA

33%

17% 14% 11%

DBK2

20%

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

keinen Schulabschluss

mittlerer Schulabschluss

Abschluss der Sekundarstufe

Allgemeine Hochschulreife

Abbildung 77: Verteilung der Schulabschlüsse der Väter je Teilstichprobengruppe in Prozent

Die Verteilung der Schulabschlüsse der Väter innerhalb der Teilstichprobengruppen zeigt ein weniger deutliches Bild. Zwar zeichnen sich einzelne Zunahmen und Reduktionen ab, diese sind jedoch nicht über alle vier resp. fünf Kompetenzstufen hinweg zu beobachten. Deutlich ist der steigende Anteil der Väter, die über die allgemeine Hochschulreife verfügen, innerhalb der

Stichprobe

DA.

Innerhalb

dieser

Stichprobe

wird

die

Häufigkeit

des

Hauptschulabschlusses bei zunehmender Kompetenzstufe ebenfalls geringer. Diese Tendenzen zeigen sich jedoch nicht eindeutig innerhalb der Stichproben AR und DB. Dennoch zeigt die Betrachtung der sichtbaren Unterschiede hinsichtlich der Bildung der Eltern, unter Berücksichtigung der erreichten Kompetenzstufe, dass in allen Stichproben bei zunehmender mathematischer Kompetenz tendenziell eine Veränderung der Schulabschlüsse der Mütter und Väter zu beobachten ist.

Weiterführende (berufliche) Bildung Neben den Bildungsabschlüssen der Eltern gilt es zur Betrachtung des sozioökonomischen Hintergrundes auch die Ausbildungsabschlüsse der Mütter und Väter der Teilnehmenden zu berücksichtigen. Ebenso wie bei der Erfassung der Schulabschlüsse werden hier Antwortmöglichkeiten vorgegeben, die um weitere nicht enthaltene Antworten im Feld

238

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Sonstiges ergänzt werden können. Besonders häufig abweichende Antworten wie die Angabe der Schulstufe bzw. des Schulabschlusses wurden nachträglich der Codierung hinzugefügt. Abbildung 78 und Abbildung 79 zeigen die Häufigkeiten der Ausbildungs- und Studienabschlüsse der Mütter bzw. Väter je Stichprobe in Prozent. Auch hier werden weitere Bezugspersonen berücksichtigt, indem auch für Stiefeltern o.ä. Angaben gemacht werden. Innerhalb der Kategorie Sonstiges finden sich Antworten, wie die konkrete Beschreibung einer Berufstätigkeit oder einer angefangen (aber nicht abgeschlossenen) Ausbildung.

Ausbildung/Studium (Vater)

Ausbildung/Studium (Mutter) 0%

20%

keine Berufsausbildung

40%

16%

53%

41%

abgeschlossenes Studium

8%

18% 21%

11%

keine Berufsausbildung

54%

Angabe Schulstufe/Schulabschluss

unbekannt/kein Kontakt

1% 0% 1%

unbekannt/kein Kontakt

Sonstiges

2% 1% 0%

Sonstiges

DB

Abbildung 78: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Mütter je Stichprobe in Prozent

AR

40%

60% 47%

24%

10%

50% 47%

16% 24% 12%

abgeschlossenes Studium

0% 0%

DA

13%

Lehre/abgeschlossene Ausbildung

Angabe Schulstufe/Schulabschluss

AR

20%

44%

10%

Lehre/abgeschlossene Ausbildung

0%

60%

0% 1%

16%

1% 1% 3% 1% 0% 1% DA

DB

Abbildung 79: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Väter je Stichprobe in Prozent

Die Betrachtung der Ausbildungsabschlüsse der arabischsprachigen Teilnehmenden zeigt, dass über die Hälfte der Mütter mit 53% keine Berufsausbildung haben. 10% der Mütter dieser Stichprobe konnten eine Ausbildung und 18% ein Studium abschließen. In 1% der Antworten finden sich Angaben zur Schulstufe bzw. zum Schulabschluss. Innerhalb der Stichprobe DA sind die Mütter mit abgeschlossener Ausbildung mit 54% die größte Gruppe, gefolgt von denen mit abgeschlossenem Studium (21%). 16% der Antworten zeigen, dass deren Mütter keine (abgeschlossene) Berufsausbildung haben. Die Mütter der Stichprobe DB haben ähnlich häufig keine (44%) oder eine abgeschlossene Berufsausbildung (41%). Ein abgeschlossenes Studium haben hingegen nur 8%. Hier zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen den Stichproben DB und AR in der Häufigkeit der Angabe keine Berufsausbildung. Wohingegen sich die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB in der Anzahl der abgeschlossenen Berufsausbildungen und die Stichproben DA und AR beim abgeschlossenen Studium ähneln.

239

6 Darstellung der Ergebnisse

Die Ausbildungsabschlüsse der Väter weisen in allen drei Stichproben mit geringfügen Unterschieden von 2 bis 6% eine ähnliche Verteilung wie die der Mütter auf. Lediglich hinsichtlich der Anzahl der Väter ohne Berufsausbildung zeigt sich ein Unterschied in der Stichprobe DB. Während 44% der Mütter der Teilnehmenden dieser Stichprobe keine Berufsausbildung haben, sind es nur 24% der Väter. Ob sich diese Ähnlichkeiten zwischen den Stichproben bei der differenzierten Betrachtung anhand der Teilstichprobengruppen fortsetzen, ist in Abbildung 80 und Abbildung 81 dargestellt. 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

73%

68%

63% 52%

63%

59%

29% 20% 22% 22% 15% 11%

18% 7%

ARK1

ARK2

ARK3

57%

54%

50%50%

49% 49% 41% 44%

33%

30%

43%

33%33%33%

27%

21% 11%

ARK4

Stichprobe AR keine Berufsausbildung

DAK1

8%

DAK2

11%

DAK3

10%

8%

DAK4

DAK5

DBK1

Stichprobe DA

5%

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

Lehre/abgeschlossene Ausbildung

abgeschlossenes Studium

Abbildung 80: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Mütter je Teilstichprobengruppe in Prozent

Im Vergleich der Teilgruppen der jeweiligen Stichprobe zeigen sich zum Teil deutliche Tendenzen hinsichtlich der Ausbildungsabschlüsse der Mütter. Vor allem innerhalb der Stichprobe DA nimmt die Anzahl der Mütter mit einer abgeschlossenen Lehre bei steigender Kompetenzstufe der Probanden ab. Ein abgeschlossenes Studium tritt hingegen bei zunehmender

Kompetenzstufe

häufiger

auf.

Die

Mütter

der

arabischsprachigen

Teilnehmenden höherer Kompetenzstufen haben seltener keine Berufsausbildung. Die Teilstichprobengruppe ARK4 sei an dieser Stelle aufgrund der geringen Antwortzahl (n=2) nicht weiter berücksichtigt. Die Anzahl der Mütter mit einer abgeschlossenen Lehre nehmen leicht zu. Der Verlauf der Häufigkeit eines abgeschlossenen Studiums variiert geringfügig. Unter den Teilnehmenden der verschiedenen Teilstichproben der beruflichen Schule zeichnet sich keine deutliche Tendenz ab. Vielmehr sind die Mütter ohne Berufsausbildung und die mit einer abgeschlossenen Lehre unter den Teilnehmenden der DBK1, DBK2 und DBK4 ähnlich häufig vertreten. Unter den Vätern der drei Stichproben zeichnen sich ebenfalls Tendenzen ab. So nimmt die Häufigkeit der Väter mit einem abgeschlossenen Studium in der Stichprobe DA und AR bei steigender Kompetenzstufe zu. Innerhalb der Stichprobe DB lässt sich dies für die Anzahl der Väter mit einer abgeschlossenen Ausbildung beobachten. Berücksichtigt man die

240

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Teilstichproben ARK4 und DBK4 aufgrund der geringen Teilnehmerzahl nicht, zeigt sich für die übrigen Teilgruppen eine Reduktion der Häufigkeit der Väter ohne Berufsausbildung bei steigender Kompetenzstufe. 67%

70% 60%

56%

67%

67%

67%

50%

54%

50%

50%

51%

42%

40%

33%

30% 20%

13% 11%

10%

22%19%

9%

33%

29%

26% 25%25%

14%

21%

6%

67% 60%

56%

40% 33%

36%

13%15% 12%

4%

0%

ARK1

ARK2

ARK3

ARK4

DAK1

Stichprobe AR

DAK2

DAK3

DAK4

DAK5

DBK1

Stichprobe DA

keine Berufsausbildung

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

Lehre/abgeschlossene Ausbildung

abgeschlossenes Studium

Abbildung 81: Verteilung der Ausbildungsabschlüsse der Väter je Teilstichprobengruppe in Prozent

Insgesamt zeigen sich stichprobenbezogen nur geringe Unterschiede zwischen den Müttern und Vätern hinsichtlich der Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse. Im Vergleich der Stichproben zeigt sich, dass sich die Stichproben AR und DB besonders hinsichtlich der nicht vorhandenen Abschlüsse ähneln. Vergleichbare Häufigkeiten zeigen sich zwischen den arabischsprachigen Probanden und den Teilnehmenden der Stichprobe DA bei den höheren Abschlüssen. Zudem zeigt sich, dass innerhalb der Stichprobe DB Abschlüsse, die einem höheren

Bildungsgrad

entsprechen,

seltener

sind

als

solche

eines

niedrigeren

Bildungsgrades. Stichprobe AR weist im Vergleich mit den anderen beiden Stichproben eher Extremwerte (kein Schul-/ Ausbildungsabschluss oder Abitur/Studium) auf.

Berufliche Situation der Eltern Ergänzend zu den skizzierten Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen der Eltern erfolgt in diesem Abschnitt die Darstellung der Berufe der Eltern anhand des Umfangs der Berufsausübung und der gelernten sowie tatsächlich ausgeübten Berufe. Die Einteilung der beruflichen Beschäftigung anhand der EPG-Klassen (s. Abschnitt 3.3.1), wie es in anderen (internationalen) Studien zur Kompetenzerfassung vorgenommen wird, ist für die Teilnehmenden dieser Erhebung nicht möglich. Die benötigten Informationen zur Stellung im Beruf, zur Weisungsbefugnis und den erforderlichen Qualifikationen können mittels des Fragebogens nicht ausreichend erfasst werden. Die Antworten der Teilnehmenden werden anhand der Klassifikation der Berufe 2010 den vorliegenden Berufshauptgruppen zugeordnet und zu den Berufsbereichen zusammengefasst (s. Abschnitt 3.3.1). Die Kategorisierung anhand der Berufsgattungen ist basierend auf den Ergebnissen der Befragung nicht möglich.

241

6 Darstellung der Ergebnisse

Stattdessen erfolgt die Betrachtung des Umfangs der Berufstätigkeit, die Gast et al. (1985) als Einflussfaktor der schulischen Leistungen betonen.

Umfang resp. Art der Anstellung Der Umfang der Berufsausübung wurde, ebenso wie Herkunft und Bildungsabschlüsse, getrennt für Mütter und Väter erhoben. Anhand vorgegebener Antwortmöglichkeiten geben die Teilnehmenden Auskunft über die Art resp. den Umfang der Anstellung der Eltern. Finden sich die Teilnehmenden in den Vorgaben nicht wieder, können weitere Antworten unter sonstiges ergänzt werden. Durch die Erweiterung der Berücksichtigung.

Abbildung

82

und

Codierung finden die Ergänzungen

Abbildung

83

zeigen

die

Häufigkeit

des

Beschäftigungsumfang der Mütter und Väter für die jeweiligen Stichproben in Prozent.

Art der Anstellung (Mutter) 0%

Art der Anstellung (Vater)

10% 20% 30% 40% 50%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%

19%

vollzeitbeschäftigt

23% 24%

53%

vollzeitbeschäftigt

46%

teilzeitbeschäftigt

46% 31%

teilzeitbeschäftigt

10% 6% 6%

5%

selbstständig

9% 7…

arbeitssuchend

5% 7%

arbeitsunfähig

0% 1% 1%

Aus-/Weiterbildung

0% 1% 0%

27% 20% 16%

selbstständig 16%

arbeitssuchend

5% 2% 8%

arbeitsunfähig

1% 0% 2%

Sprachkurs

0% 0% 2%

Sprachkurs

0% 0% 2%

Elternzeit

0% 0% 2%

(Früh)rente

0% 1% 4%

(Früh)rente

0% 1% 1%

verstorben

0% 3% 5%

verstorben

0% 1% 2%

Hausfrau/Hausmann zuhause (nicht auf der Suche nach Arbeit)

11%

Hausfrau/Hausmann

0% 0% 1%

zuhause (nicht auf der Suche nach Arbeit)

1% 0% 1%

45% 20%

4% 0% 2%

kein Kontakt

2% 0% 1%

kein Kontakt

sonstiges

1% 1% 2%

sonstiges

AR

DA

DB

Abbildung 82: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Mütter je Stichprobe in Prozent

242

62%

5%

AR

1% 1% 5% 0% 0% 1%

DA

DB

Abbildung 83: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Väter je Stichprobe in Prozent

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Die Betrachtung des Beschäftigungsumfangs der Väter zeigt, dass in allen drei Stichproben die Mehrheit der Väter vollzeitbeschäftigt ist (AR: 53%, DA: 62%, DB: 46%). Teilzeitbeschäftigt sind 10% der Väter der Stichprobe AR und jeweils 6% der Stichproben DA und DB. Vor allem unter den arabischsprachigen Teilnehmenden finden sich mit 27% selbstständige Väter, gefolgt von 20% der Väter der Stichprobe DA und 16% der Stichprobe DB. Anders als unter den Müttern ist die Zahl der arbeitssuchenden Väter in allen drei Stichproben deutlich geringer (AR: 5%, DA: 2%, DB: 8). Mit jeweils 5% der Antworten finden sich in Stichprobe DB die meisten Teilnehmenden deren Väter verstorben sind (DA: 3%, AR: 0%) oder zu denen nur wenig bis kein Kontakt besteht (DA: 1%, AR: 1%). Hierbei ist zu beachten, dass dies nicht zwingend der tatsächlichen Anzahl der (Halb)Waisen entspricht. Die Antwortmöglichkeit „verstorben“ wird im Fragebogen nicht vorgegeben. Vielmehr geben 5% der Teilnehmenden der Stichprobe DB freiwillig diese Auskunft. Die stichprobenübergreifende Betrachtung zeigt, dass die Unterschiede im Umfang der Beschäftigung der Väter nicht so stark ausgeprägt sind, wie es unter den Müttern zu erkennen ist. Die Häufigkeit der Angaben innerhalb der Stichprobe AR ähnelt denen der anderen beiden Stichproben mit Differenzen von weniger als 10% bei allen Antwortmöglichkeiten. Die Teilnehmenden der Stichprobe DB unterscheiden sich in zwei Subkategorien von jeweils einer anderen Stichprobe mit mehr als 10% Differenz. In der Subkategorie ‚vollzeitbeschäftigt‘ unterscheiden sie sich von den Probanden der Stichprobe DA und nennen diese Antwort seltener. Gegenüber der Stichprobe AR werden Antworten der Kategorie ‚selbstständig‘ seltener genannt. Zur differenzierten Betrachtung der ähnlichen Antworthäufigkeiten innerhalb der Stichproben wird der Umfang der Berufstätigkeit unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe der Teilnehmenden analysiert. Abbildung 84 zeigt die Häufigkeit des jeweiligen Beschäftigungsumfangs der Mütter und Abbildung 85 die der Väter der entsprechenden Teilstichproben. Hierbei zeigt sich für den Beschäftigungsumfang der Mütter, dass die Verteilung der Beschäftigungsarten innerhalb der Stichprobe AR über die Kompetenzstufen hinweg gleichbleibend ist. Dabei wird ARK4 aufgrund der geringen Teilnehmerzahl (n=3) nicht beachtet. Innerhalb der Stichprobe DA ist auffällig, dass die Mütter von Teilnehmenden mit einer Kompetenz der Stufen 4 oder 5 deutlich häufiger in Teilzeit arbeiten als die der Teilnehmenden einer niedrigeren Kompetenzstufe. Bei Betrachtung der Stichprobe DB zeigt sich, dass mit steigender Kompetenz die Anzahl der arbeitsuchenden Mütter steigt, dafür aber die Anzahl der Hausfrauen sinkt. Auch bei der Stichprobe DB wir die Kompetenzstufe 4 aufgrund der geringen Teilnehmerzahl (n=3) nicht beachtet.

243

6 Darstellung der Ergebnisse

67%

70%

67% 60%

60% 48%

50%

45%

44%

43%

40%

41%

40%

35%

33%

20%

22%

20% 18%

10%

25%

14% 7%

5%

ARK1

ARK2

24%

20%

18%

15% 15% 10% 5%

11%

19% 13% 12% 12% 7%

8% 8% 6%

33% 33% 29% 29%

33%33%

32%

30%

15% 10%

9% 4%

8%

14%

0% ARK3

ARK4

DAK1

DAK2

Stichprobe AR

DAK3

DAK4

DAK5

DBK1

Stichprobe DA

vollzeitbeschäftigt

teilzeitbeschäftigt

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

selbstständig

arbeitssuchend

Hausfrau/Hausmann

Abbildung 84: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Mütter je Teilstichprobengruppe in Prozent

Die Anzahl der Väter, die ‚Teilzeit beschäftigt‘, ‚selbstständig‘ oder ‚arbeitssuchend‘ sind, ist kompetenzstufenübergreifend weitestgehend ähnlich. Eine geringfügige Tendenz in der Häufigkeit der vollzeittätigen Väter deutet sich bei zunehmender Kompetenzstufe in allen drei Stichproben an. 100%

100%

100%

90% 80%

75% 68%

70%

62%

60%

60% 50%

20% 10%

51%

50%

49% 44%

40% 40%

38%

40% 30%

68%

33% 29%

28%

26%

14%

20% 15% 10%

11%11%

6%

5%

25%

21%

18%

16% 10%

8%

20% 15%

10% 7%

8% 3%

2%

0% ARK1

ARK2

ARK3

ARK4

Stichprobe AR vollzeitbeschäftigt

DAK1

DAK2

DAK3

DAK4

DAK5

Stichprobe DA teilzeitbeschäftigt

selbstständig

DBK1

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB arbeitssuchend

Abbildung 85: Verteilung des Beschäftigungsumfangs der Väter je Teilstichprobengruppe in Prozent

Insgesamt zeigt sich, dass der Anstellungsumfang unter den Vätern ähnlicher ist als unter den Müttern. Die Väter der Stichproben AR und DA ähneln sich tendenziell, wohingegen sehr große Unterschiede unter den Müttern bestehen. Während sich in der Teilstichprobe ARK3

244

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

weniger Väter in Vollzeitbeschäftigung befinden als in der Teilstichprobe DAK3 finden sich die Väter der erstgenannten im Vergleich häufiger in der Selbstständigkeit. Wie bei den anderen beiden Stichproben zeigt sich bei DB, dass die meisten Väter in Vollzeit arbeiten, allerdings tendenziell weniger als in den anderen beiden Stichproben. Auffällig ist, dass in den Teilstichproben DBK1 und DBK2 viele Schüler keine zuordenbare Antwort gegeben haben.

Beruf der Eltern (ausgeübt) Die Kategorisierung der Antworten der Teilnehmenden in die zehn Berufsbereiche der Klassifikation der Berufe 2010 ermöglicht den Vergleich der drei Stichproben hinsichtlich der ausgeübten und gelernten Tätigkeit der Eltern. Hierbei wird jeweils die Anzahl der Mütter und Väter zugrunde gelegt, die eine Anstellung bzw. einen Studien-/Ausbildungsabschluss besitzen. So werden für beispielsweise Hausfrauen/Hausmänner oder Arbeitssuchende keine Angaben zum Beruf gemacht und diese bei den im Folgenden dargestellten ausgeübten Berufe nicht berücksichtigt. Insgesamt wurde die Frage nach dem ausgeübten Beruf von 46 Teilnehmenden der Stichprobe AR, 112 der Stichprobe DA und 73 der Stichprobe DB für die Mütter der Teilnehmenden und von 113, 124 und 89 für die Väter der Teilnehmenden beantwortet. Die Anzahl der Väter und Mütter mit einer Tätigkeit im jeweiligen Berufsbereich ist anhand der prozentualen Häufigkeit in Abbildung 86 und Abbildung 87 aufgeführt. Zur genaueren Betrachtung der ausgeübten Berufe der Eltern werden neben den dargestellten Berufsbereichen auch vertiefende Informationen zur konkreten Berufs(haupt)gruppe hinzugezogen. Die Daten sind tabellarisch im Anhang 10.3.3 aufgeführt. Abbildung 86 zeigt, dass die meisten Mütter mit 57% (AR), 35%(DA) und 30% (DB) im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung arbeiten. Hierbei sind es in allen drei Stichproben vor allem Tätigkeiten als Arzt- und Praxishilfe, im Bereich der Gesundheits- und Kranken- sowie Altenpflegen aber auch der Erziehung, Sozialarbeit und Lehrtätigkeit (in verschiedenen Bereichen). 13 % der Mütter der arabischsprachigen Teilnehmenden üben einen Beruf im Bereich der Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung und 11% im Bereich der Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung aus. Hierbei sind vor allem die Berufsgruppen Geschäftsführung und Vorstand, Unternehmensorganisation und -strategie, Büro und Sekretariat, Steuerberatung sowie Verwaltung vertreten. Diesen beiden Bereichen gehören 7% und 19% der Stichprobe DA sowie 11% und 10% der Stichprobe DB an. Die Mütter dieser beiden Stichproben lassen sich mit 17% und 16% auch dem Bereich Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus zuordnen. Nur 7% der Mütter der Stichprobe AR üben einen Beruf dieses Bereichs aus. Dem Bereich Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit lassen sich mit 15% am häufigsten Mütter der Stichprobe DB zuordnen. Hierbei werden in allen drei Stichproben überwiegend Tätigkeiten der Berufsgruppe Reinigung genannt.

245

6 Darstellung der Ergebnisse

Ausgeübter Beruf (Mutter)

Ausgeübter Beruf (Vater)

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% LAND-, FORST- UND TIERWIRTSCHAFT UND GARTENBAU

2% 1% 4% 13% 7% 11%

ROHSTOFFGEWINNUNG, PRODUKTION UND FERTIGUNG BAU; ARCHITEKTUR; VERMESSUNG UND GEBÄUDETECHNIK NATURWISSENSCHAFT, GEOGRAFIE UND INFORMATIK

VERKEHR; LOGISTIK; SCHUTZ UND SICHERHEIT

0% 0% 1% 2% 4% 0% 4% 7%

KAUFMÄNNISCHE DIENSTLEISTUNGEN, WARENHANDEL, VERTRIEB,… UNTERNEHMENSORGANISATION; BUCHHALTUNG; RECHT UND VERWALTUNG

7%

15% 17% 16%

11% 19% 10%

GESUNDHEIT, SOZIALES, LEHRE UND ERZIEHUNG SPRACH-, LITERATUR-, GEISTES-, GESELLSCHAFTS- UND WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTE… MILITÄR

0% LAND-, FORST- UND TIERWIRTSCHAFT UND GARTENBAU ROHSTOFFGEWINNUNG, PRODUKTION UND FERTIGUNG BAU; ARCHITEKTUR; VERMESSUNG UND GEBÄUDETECHNIK NATURWISSENSCHAFT, GEOGRAFIE UND INFORMATIK VERKEHR; LOGISTIK; SCHUTZ UND SICHERHEIT KAUFMÄNNISCHE DIENSTLEISTUNGEN, WARENHANDEL,… UNTERNEHMENSORGAN ISATION; BUCHHALTUNG;…

35% 30%

57%

0% 0% 0%

MILITÄR

Nullantwort

unbekannt

0% 0% 4%

unbekannt

allgemeine Antwort (nicht zuzuordnen)

4% 5% 3%

allgemeine Antwort (nicht zuzuordnen) aufgabenunabhängige Antwort

2% 1% 1% DA

20%

30%

5% 9% 12% 19% 15%

5% 10% 7% 2%

8% 8% 17% 15% 10%

6%

11%

5% 2%

25%

13%

10% 4% 7%

SPRACH-, LITERATUR-, 5% GEISTES-, 2% GESELLSCHAFTS- UND… 0%

2% 3% 0%

0% 3% 4%

AR

1%

GESUNDHEIT, SOZIALES, LEHRE UND ERZIEHUNG

Nullantwort

aufgabenunabhängige Antwort

10%

DB

Abbildung 86: Verteilung der ausgeübten Berufe der Mütter je Stichprobe in Prozent

AR

4% 0% 2%

0% 0% 0% 1% 1% 2% 5% 4% 5% 0% 0% 1% DA

DB

Abbildung 87: Verteilung der ausgeübten Berufe der Väter je Stichprobe in Prozent

Die Häufigkeit der Väter, die eine Tätigkeit des jeweiligen Berufsbereichs ausüben ist in einigen Kategorien ähnlich (s. Abbildung 87). In zwei der zehn Berufsbereiche zeigen sich Unterschiede von mehr als 10%. Einen Beruf der Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus haben 25% der Väter der Stichprobe AR, 11% der Stichprobe DA und 6% der Stichprobe DB. Besonders Berufe aus den Berufsgruppen ‚Handel‘, ‚Verkauf (ohne Produktspezialisierung)‘, ‚Verkauf von Bekleidung, Elektronik, Kraftfahrzeugen und Hardware‘ sowie ‚Verkauf von Lebensmitteln‘ sind in der Stichprobe AR im Vergleich zu den anderen beiden Stichproben häufiger vertreten (s. Anhang 10.3.3). Im Bereich Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung sind mit 13%

246

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

die Väter der Stichprobe DA am häufigsten vertreten. Hier zeigt sich mit mehr als 10% ein deutlicher Unterschied zur Stichprobe DB (2%). 5% der Väter der Stichprobe AR haben eine Tätigkeit in diesem Berufsbereich. Während die Väter der arabischsprachigen Teilnehmenden überwiegend der Berufsgruppe ‚Geschäftsführung und Vorstand‘ zuzuordnen sind, verteilen sich die Tätigkeiten der Väter der Stichprobe DA über alle Berufsgruppen des Bereichs. In allen drei Stichproben mit mehr als 10% vertreten sind zudem die Berufsbereiche Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung (AR: 12%, DA: 19%, DB: 15%) und Verkehr, Logistik, Schutz und Sicherheit (AR: 17%, DA: 15%, DB: 10%). Den übrigen Subkategorien lassen sich nur die Antworten einzelner Teilnehmenden zuordnen. Während sich unter den ausgeübten Berufen der Mütter mit einem Anteil von mindestens 30% eine deutliche Tendenz im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung abzeichnet, sind die ausgeübten Berufe der Väter vielfältiger über die Kategorien verteilt.

Beruf der Eltern (gelernt) Ergänzend zu den zuvor analysierten ausgeübten Berufen erfolgt die Betrachtung der beruflichen Lebenssituation anhand der Darstellung der gelernten Berufe. Da aufgrund der geringen Informationslage die Einordnung des sozioökonomischen Status nicht möglich ist, wird betrachtet inwiefern sich die Mütter und Väter der Stichproben in den verschiedenen Berufsbereichen unterscheiden. Die Verteilung der gelernten Berufe der Mütter ist in Abbildung 88 und die der Väter in Abbildung 89 für die jeweilige Stichprobe in Prozent dargestellt. Insgesamt wurde die Frage nach dem gelernten Beruf von 31% der Stichprobe AR, 79% der Stichprobe DA und 59% der Stichprobe DB für die Mütter der Teilnehmenden und von 76% (AR), 88% (DA) und 72% (DB) für die Väter der Teilnehmenden beantwortet. Unter den Müttern der Teilnehmenden aller drei Stichproben haben die meisten (AR: 44%, DA: 49%, DB: 53%) eine Ausbildung bzw. ein Studium im Berufsbereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung absolviert (s. Abbildung 88). Innerhalb der Stichprobe AR sind dies überwiegend Berufe, die sich der Berufsgruppe ‚Lehrtätigkeit an allgemeinbildenden Schulen‘ zuordnen lassen, gefolgt von Berufen der Gruppe ‚Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe‘. Die Mütter der Stichprobe DA, deren Beruf diesem Bereich entspricht, lassen sich am häufigsten der Berufshauptgruppe ‚Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege‘ zuordnen, gefolgt von den Gruppen ‚Arzt- und Praxishilfe‘, ‚Körperpflege‘ sowie ‚Lehrtätigkeit an allgemeinbildenden Schulen‘. Die Mütter der Stichprobe DB absolvierten überwiegend die Ausbildung bzw. das Studium eines Berufs der Gruppen ‚Gesundheits- und Krankenpflege, Rettungsdienst, Geburtshilfe‘ sowie ‚Körperpflege‘. Vergleichend zeigt sich, dass sich Berufe der Gruppe Körperpflege vor allem unter den Antworten der Stichproben DA und DB finden. Wohingegen die Mütter der Stichproben AR und DA ähnlich häufig Berufe der Gruppe Lehrtätigkeit an allgemeinbildenden Schulen lernten.

247

6 Darstellung der Ergebnisse

Gelernter Beruf (Mutter)

Gelernter Beruf (Vater)

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% LAND-, FORST- UND TIERWIRTSCHAFT UND GARTENBAU

0% 5% 2% 7% 6% 5%

ROHSTOFFGEWINNUNG, PRODUKTION UND FERTIGUNG BAU; ARCHITEKTUR; VERMESSUNG UND GEBÄUDETECHNIK NATURWISSENSCHAFT, GEOGRAFIE UND INFORMATIK VERKEHR; LOGISTIK; SCHUTZ UND SICHERHEIT

ROHSTOFFGEWINNUNG, PRODUKTION UND FERTIGUNG

3%

3%

5% 8%

KAUFMÄNNISCHE DIENSTLEISTUNGEN, WARENHANDEL,…

15%

UNTERNEHMENSORGANISATION; BUCHHALTUNG;…

10% 16%

7%

44% 49% 53% 20%

3% 2%

3%

6% 9%

0% 0% 3%

Nullantwort

0% 0% 0%

Nullantwort

0% 0% 0%

unbekannt

0% 0% 0%

aufgabenunabhängige Antwort

AR

allgemeine Antwort (nicht zuzuordnen)

0% 0% 2% 0% 0% DA

12%

DB

Abbildung 88: Verteilung der gelernten Berufe der Mütter je Stichprobe in Prozent

31%

2%

MILITÄR

allgemeine Antwort (nicht zuzuordnen)

9% 9%

8% 11%

0% 0% 0%

0% 6% 11%

8% 11%

3% 4% 5%

GESUNDHEIT, SOZIALES, LEHRE UND ERZIEHUNG SPRACH-, LITERATUR-, GEISTES-, GESELLSCHAFTS- UND…

36%

6% 8% 8%

MILITÄR

unbekannt

28% 11% 16% 16%

VERKEHR; LOGISTIK; SCHUTZ UND SICHERHEIT

0% 1% 2%

GESUNDHEIT, SOZIALES, LEHRE UND ERZIEHUNG SPRACH-, LITERATUR-, GEISTES-, GESELLSCHAFTS- UND WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTE…

3% 3% 3%

NATURWISSENSCHAFT, GEOGRAFIE UND INFORMATIK

2% 7%

0%

UNTERNEHMENSORGANISATION; BUCHHALTUNG; RECHT UND VERWALTUNG

LAND-, FORST- UND TIERWIRTSCHAFT UND GARTENBAU

BAU; ARCHITEKTUR; VERMESSUNG UND GEBÄUDETECHNIK

0% 0% 2%

KAUFMÄNNISCHE DIENSTLEISTUNGEN, WARENHANDEL, VERTRIEB,…

0% 10% 20% 30% 40%

6% 5% 3%

aufgabenunabhängige Antwort

0% 0%

AR

DA

20%

DB

Abbildung 89: Verteilung der gelernten Berufe der Väter je Stichprobe in Prozent

Die übrigen Berufsbereiche sind in allen drei Stichproben deutlich seltener vertreten. Innerhalb der Stichprobe AR ist der Berufsbereich Sprach-, Literatur-, Geistes-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medien, Kunst, Kultur und Gestaltung mit 20% häufiger vertreten als in den anderen beiden Stichproben. Die Mütter der Stichprobe DA haben etwas häufiger Berufe des Bereichs Unternehmensorganisation, Buchhaltung, Recht und Verwaltung (AR: 10%, DA: 16%, DB: 7%) gelernt. Die Differenz in diesem Bereich liegt jedoch

248

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

unterhalb von 10% und ist somit nicht auffällig. Ebenso verhält es sich im Bereich Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus, dem sich vergleichsweise etwas häufiger die Antworten der Stichprobe DB zuordnen lassen (AR: 5%, DA: 8%, DB: 15%). Die übrigen Bereiche werden in keiner Stichprobe in mehr als 10% der Antworten der Teilnehmenden angegeben. 12% der arabischsprachigen Teilnehmenden geben frageunabhängige Antworten, wie „einen Abschluss“ (AR1206), „Abitur Uni“ (AR1221) und „9. Klasse“ (AR1308). Abbildung 89 zeigt, dass die Verteilung der gelernten Berufe der Väter hinsichtlich der Berufsbereiche zwischen den Stichproben stärker variiert. Während die meisten Väter der arabischsprachigen Teilnehmenden einen Beruf des Bereichs Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung gelernt haben (AR: 31%, DA: 8%, DB: 11%), lassen sich die Berufe der Väter der anderen beide Stichproben am häufigsten dem Bereich Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung zuordnen (AR: 3%, DA: 28%, DB: 36%). Hier zeigen sich mit über 20% deutliche Unterschiede zwischen den Vätern der Teilnehmenden der Stichproben AR im Vergleich zu den Stichproben DA und DB. Mit 11% (AR), 16% (DA) und 16% (DB) wird von den übrigen Berufsbereich nur der Bereich Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik stichprobenübergreifend mit mehr als 10% der Antworten angesprochen. Dem Bereich Naturwissenschaften, Geografie und Informatik lassen sich nur innerhalb der Stichprobe DB mehr als 10% der Antworten zuordnen. Ebenso wie bei der Darstellung der ausgeübten Berufe, zeigt sich unter den gelernten Berufen der Mütter mit einem Anteil von mindestens 40% eine deutliche Tendenz im Bereich Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung in allen drei Stichproben ab. Die gelernten Berufe der Väter sind hingegen ebenso wie die ausgeübten Berufe vielfältiger über die Berufsbereiche verteilt. Bei den gelernten Berufen zeigen sich jedoch deutliche Tendenzen zu einem Berufsbereich, diese Bereiche unterscheiden sich allerdings. In den ausgeübten Berufen lässt sich diese Tendenz so nicht erkennen. Inwiefern die ausgeübten Tätigkeiten den gelernten Berufen entsprechen, wird im Folgenden für alle drei Stichproben vergleichend betrachtet.

Vergleichende Betrachtung der ausgeübten und gelernten Berufe Über die zuvor vorgenommene Deskription anhand der Antworten der Teilnehmenden hinaus wird analysiert, ob sich deutliche Abweichungen im Vergleich der gelernten und ausgeübten Berufe abzeichnen. Jeweils für die Mütter und Väter der Teilnehmenden der drei Stichproben wird betrachtet, ob der gelernte und der ausgeübte Beruf hinsichtlich des Berufsbereichs wie auch der Berufshauptgruppe übereinstimmen (s. Abbildung 90, Abbildung 91). Zur Analyse werden die Daten herangezogen, bei denen die Teilnehmenden für die Mutter resp. den Vater sowohl zum gelernten als auch zum ausgeübten Beruf auswertbare Antworten gegeben

249

6 Darstellung der Ergebnisse

haben. Insgesamt lassen sich hierbei 23 Mütter der Stichprobe AR, 81 der Stichprobe DA und 47 der Stichprobe DB betrachten. Die Fallzahlen der Berufsangaben der Väter sind mit n=24 (AR), n=84 (DA) und n=37 (DB) ähnlich gering. 90%

90%

80% 70%

80%

71% 70% 65%

63% 58%

60%

70% 57%

50% 29%30%

30%

72%

70%

72%

64% 58%

60% 42% 43% 38%

35%

40%

83%

50%

42% 36%

40%

30%

30%

20%

20%

10%

10%

26%

26% 17%

0%

0% gleich

ungleich

Berufsbereich

AR

gleich

ungleich

Berufshauptgruppe

DA

DB

gleich

ungleich

Berufsbereich

AR

gleich

ungleich

Berufshauptgruppe

DA

DB

Abbildung 90: Berufsvergleich (gelernt/ausgeübt) Abbildung 91: Berufsvergleich (gelernt/ausgeübt) der Mütter je Stichprobe in Prozent der Väter je Stichprobe in Prozent

Abbildung 90 zeigt, dass in allen drei Stichproben mindestens 65% der Mütter im gleichen Berufsbereich tätig ist, in dem sie eine Ausbildung resp. ein Studium absolviert haben. Von den 23 arabischsprachigen Teilnehmenden, deren Antworten für die Analyse genutzt werden können, bleibt der Berufsbereich, sowie die Berufshauptgruppe der Mütter am häufigsten gleich, gefolgt von den Teilnehmenden der Stichprobe DA. Der Vergleich zeigt, dass die Verteilung in allen drei Stichproben sehr ähnlich ist. Die Differenzen liegen unterhalb von 10%. Die ausgeübte Tätigkeit der Väter entspricht bei den Stichproben AR und DB mit 83% bzw. 72% innerhalb der Berufsbereiche und 70% bzw. 72% innerhalb der Berufshauptgruppen noch häufiger den gelernten Berufen (s. Abbildung 91). Die Väter der Teilnehmenden der Stichprobe DA üben hingegen etwas weniger häufig einen Beruf des gleichen Bereichs bzw. der gleichen Hauptgruppe aus, innerhalb dessen eine Ausbildung resp. ein Studium absolviert wurde. Hier zeigen sich deutliche Differenzen zwischen den Stichproben. Während die Väter der arabischsprachigen Teilnehmenden am häufigsten im gleichen Berufsbereich tätig sind, reduziert sich die Anzahl bei genauerer Betrachtung des Berufs. Gegenüber der 83% der Väter, die im gleichen Bereich arbeiten, üben nur 70% einen Beruf der gleichen Hauptgruppe aus. Die Angaben der Stichprobe DB zeigen, dass die 72% der auswertbaren 37 Väter sowohl im gleichen Berufsbereich wie auch in der gleichen Berufshauptgruppe tätig sind, innerhalb derer sie eine Ausbildung absolviert haben. Unter den Vätern der Stichprobe DA finden sich am häufigsten solche, die in einem anderen Berufsbereich, sowie einer anderen Berufshauptgruppe arbeiten, als es ihrer Ausbildung bzw. ihrem Studium entspricht. Die Zahl

250

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

der Berufswechsel hinsichtlich der Bereiche und Hauptgruppen ist somit in der Stichprobe DA tendenziell mit mehr als 10% bzw. mehr als 20% deutlich höher als in den anderen beiden Gruppen. Einschränkend zu beachten ist hierbei jedoch, dass die Zahl der verwertbaren Antworten besonders in den Stichproben AR und DB sehr gering ist. Zudem lässt sich aus der Analyse nicht entnehmen, ob es sich um Quereinstiege, weiterbildungsbasierte Berufswechsel oder angelernte Tätigkeiten handelt.

6.5.2 Bildungsbiografie Neben den sozioökonomischen Rahmenbedingungen, die unter anderem durch familiäre Faktoren bestimmt werden, stellen die Bildungsbiografien der Teilnehmenden ebenfalls ein wesentliches Merkmal dar, das die Teilhabe auf äußerer Ebene moderiert. Hierbei werden stichprobenübergreifend drei Stadien näher betrachtet. Begonnen mit der frühen resp. vorschulischen Bildung im Sinne des Kindergartenbesuchs, über die Schulbildung bis hin zu ersten Erfahrungen im Beruf wird die Bildungsbiografie der Teilnehmenden aller Stichproben skizziert. Die Fragen konzentrieren sich innerhalb der Stichprobe AR auf die Bildung im Heimatland. Ergänzend werden Informationen zur Bildungserfahrungen in Deutschland erhoben. Die Daten dieser Fragen werden zunächst bezogen auf die gesamte Stichprobe AR beschrieben. Anschließend erfolgt die detaillierte Betrachtung unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (s. Abschnitt 6.1.2).

Frühe Bildung Zur Beschreibung der vorschulischen Bildungserfahrungen werden die Teilnehmenden aller drei Stichproben befragt, wie lange sie den Kindergarten besucht haben. Auch in den Heimatländern der arabischsprachigen Teilnehmenden gibt es Einrichtungen, die mit den deutschen Kindertageseinrichtungen vergleichbar sind. Zur Beantwortung der Frage stehen den

Probanden

drei

Antwortmöglichkeiten

zur

Verfügung.

Die

Verteilung

der

Antworthäufigkeiten je Stichprobe ist in Abbildung 92 dargestellt. Insgesamt beantworten 97% der Teilnehmenden der Stichprobe AR, 99% der Stichprobe DA und 99% der Stichprobe DB die Frage anhand einer der drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten. Die übrigen Probanden geben keine Antwort oder äußern sich unabhängig zur Frage. Hierbei zeigt sich, dass mit 96% vor allem die Probanden der Stichprobe DA den Kindergarten für mehr als ein Jahr besuchen, gefolgt von 70% der Teilnehmenden der Stichprobe DB. Dies findet sich innerhalb der Stichprobe AR hingegen deutlich seltener mit nur 11%. 29% der arabischsprachigen Teilnehmenden besuchen den Kindergarten für maximal ein Jahr und 57% gar nicht. Die Zahl der Probanden der Stichproben

251

6 Darstellung der Ergebnisse

DA und DB, die den Kindergarten nur für bis zu ein Jahr besuchen ist mit unter 10% der Antworten sehr gering. Während nur 2% der Stichprobe DA den Kindergarten nicht besuchten, sind es 22% der Teilnehmenden der Stichprobe DB. 96%

100% 80%

70% 57%

60% 40%

29%

20%

22%

11% 1%

7%

2%

0% ja, länger als ein Jahr

ja, ein Jahr oder kürzer AR

DA

nein

DB

Abbildung 92: Häufigkeit der Dauer des Kindergartenbesuchs je Stichprobe in Prozent

Insgesamt

zeigt

sich,

dass

sich

alle

Stichproben

hinsichtlich

der

Dauer

des

Kindergartenbesuchs deutlich unterschieden. Während weniger als die Hälfte der arabischsprachigen Teilnehmenden ein solches vorschulisches Bildungsangebot überhaupt besucht haben, besuchen fast alle Probanden der Stichprobe DA den Kindergarten länger als ein Jahr. Die Antworthäufigkeiten der Stichprobe DB liegen dazwischen und ähneln mit Differenzen von mehr als 20% keiner der beiden anderen Stichproben.

Schulbildung Begonnen mit der Darstellung der vorschulischen Bildungserfahrungen anhand des Kindergartenbesuchs, erfolgt die Betrachtung der schulischen Bildungsbiografie detaillierter. Im folgenden Abschnitt wird die Schulbildung anhand von drei Bereichen analysiert: Schulbeginn, Schulzeit und Schulabschluss (Ende der Sekundarstufe I). Hierbei finden sich verschiedene Fragen, die nur an die arabischsprachigen Teilnehmenden gerichtet sind, die unter anderem den Besuch weiterführender Bildungsangebote (Sekundarbereich II) betreffen. Diese Fragen werden den Teilnehmenden der Stichprobe DB nicht gestellt, da es sich beim Übergangssystem des berufsschulischen Bereichs um eine Form von Alternativangebot handelt. Die berufsvorbereitenden Bildungsgänge stehen Schulabsolventen offen, die den Hauptschulabschluss besitzen oder ohne Abschluss die Schule verlassen (KMBW 2018). Die Rekonstruktion der Schulbildung bezieht sich innerhalb der Stichprobe AR auf die Erfahrungen der Probanden in deren Heimatland. Zur Schulbildung in Deutschland werden anschließend darüber hinaus gezielt Informationen erfragt. Insgesamt zeigt sich, dass alle Teilnehmenden der drei Stichproben zur Schule gegangen sind, was vor allem innerhalb der Stichprobe AR für den Schulbesuch im Heimatland nicht als grundsätzlich gegeben angenommen werden

252

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

kann. Auch unter den arabischsprachigen Probanden haben alle Befragten geantwortet, dass sie zur Schule gingen und sich entsprechend zu den darauffolgenden Detailfragen geäußert.

Schulbeginn Zur Rekonstruktion des Schulbeginns geben die Teilnehmenden ihr Alter zum Beginn des Schulbesuchs an. Abbildung 93 zeigt die Verteilung der Häufigkeit des Eintrittsalters für die jeweilige Stichprobe in Prozent. 80%

74%

70% 60%

53% 55%

50% 40%

34%

32%

30% 18%

20% 10% 0%0%1%

0%1%1%

1 Jahr

4 Jahre

6%5% 3%

5% 3% 0%

1%0%1%

1%0%0%

8 Jahre

12 Jahre

13 Jahre

0% 5 Jahre

6 Jahre AR

DA

7 Jahre DB

Abbildung 93: Verteilung des Alters zum Schulbeginn je Stichprobe in Prozent

Die Teilnehmenden aller drei Stichproben sind überwiegend sechs oder sieben Jahre alt. Während innerhalb der Stichprobe DA etwa 20% mehr Probanden mit sechs Jahren die Schule erstmals besuchen, gehen 34% der Stichprobe AR und 32% der Stichprobe DB erst mit sieben Jahren in die 1. Klasse. Während die Streuung des Altersbereichs in den Stichproben AR und DB etwas weiter ist, sind die Probanden der 9. Klasse nicht älter als sieben Jahre zu Beginn des Schulbesuchs. 5% geben an, die 1. Klasse bereits im Alter von fünf Jahren zu besuchen und 1% bereits mit vier Jahren. Die arabischsprachigen Teilnehmenden zeigen eine Altersspanne von minimal fünf und maximal 13 Jahren. Die Probanden der Stichprobe DB sind jüngstens vier und ältestens zwölf Jahre alt. Abweichungen vom mittleren Alter von 6 resp. 7 Jahren sind jedoch nur bei einzelnen Teilnehmenden zu vermerken. Deutlich werden Gemeinsamkeiten zwischen den Teilnehmenden der Stichproben AR und DB gegenüber der Stichprobe DA. Trotz der mit um die 20% Differenz deutlichen Unterschiede der Häufigkeit des Alters von sechs Jahren, sind in allen drei Stichproben mehr als die Hälfte der Teilnehmenden zum Schulbeginn sechs Jahre alt. Mit einer Differenz von mehr als 10% zeigt sich auch im Eintrittsalter von sieben Jahren eine deutliche Tendenz hinsichtlich einer Gemeinsamkeit zwischen den Teilnehmenden der Stichproben AR und DB im Unterschied zur Stichprobe DA.

253

6 Darstellung der Ergebnisse

Schulzeit Der Verlauf der Schulzeit lässt sich in Form der Dauer des Schulbesuchs beschreiben. Hierbei wird keine Betrachtung der Qualität des Schulbesuchs angestrebt, da diese Faktoren im Rahmen der vorliegenden Studie nicht angemessen erfasst werden können. Die Einstellung gegenüber dem Lerngegenstand und die Einstellung zum Mathematikunterricht werden durch die Erhebung der mathematikbezogenen Vorstellungen analysiert (s. Abschnitt 6.4.2, 6.4.3). Die Dauer des bisherigen Schulbesuchs wird von den Teilnehmenden in Jahren angegeben. Anhand der erhobenen Daten kann die Dauer in Halbjahresschritten dargestellt werden. Die Häufigkeit der angegebenen Dauer ist in Abbildung 94 für die jeweilige Stichprobe in Prozent dargestellt. 70%

64%

60%

50% 40%

33%

32%

26%

30%

21%

20%

15% 14%

11%

10%

AR

15 Jahre

14 Jahre

13 Jahre

12 Jahre

11 Jahre

10 Jahre

10,5 Jahre

9 Jahre

9,5 Jahre

8 Jahre DA

8,5 Jahre

7 Jahre

6 Jahre

5 Jahre

5,5 Jahre

4 Jahre

3 Jahre

3,5 Jahre

2 Jahre

1 Jahr

1,5 Jahre

0%

DB

Abbildung 94: Verteilung der Dauer des Schulbesuchs in Jahren je Stichprobe in Prozent

Innerhalb der Stichprobe DA zeigt sich mit einer Häufigkeit von 64% der Teilnehmenden eine deutliche Tendenz gegenüber den übrigen Probanden hinsichtlich eines neunjährigen Schulbesuchs. Die Mehrheit (65%) der Stichprobe DB geht zehn oder elf Jahre zur Schule. Die Dauer des Schulbesuchs der arabischsprachigen Teilnehmenden ist deutlich verteilter. Die meisten Probanden besuchen mit einer Anzahl von 26% die Schule für neun Jahre. Sieben Jahre besuchen 15% der Stichprobe AR die Schule, gefolgt von 14%, die eine Schulbesuchsdauer von 8 Jahren aufweisen. Mit 10 Jahren besuchen auch 11% der Stichprobe AR und 21% der Stichprobe DA die Schule länger als der Durchschnitt der übrigen Probanden dieser Stichproben. Mit einem Spektrum von einem bis 15 Jahren, zeigt sich eine große Spanne der Schulbesuchsdauer, wobei sowohl die eine geringere Dauer als sieben sowie eine höhere Dauer als elf Jahre mit weniger als 10% nur von einzelnen Teilnehmenden der Stichproben angegeben werden. Inwiefern besonders kurze Besuchszeiträume der tatsächlichen Gesamtdauer der Schulzeit entsprechen oder aber die Dauer des Schulbesuchs der aktuellen Schule betreffen, kann anhand der vorliegenden Daten nicht bestimmt werden.

254

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Im Umfang des Schulbesuchs unterscheiden sich die Teilnehmenden aller drei Stichproben mit Differenzen größer 20% sehr deutlich. Insgesamt liegt die Schulbesuchsdauer der meisten Teilnehmenden jedoch im Bereich zwischen sieben bis elf Jahren, wobei der Schulbesuch der Stichprobe AR eher kürzer und der der Stichprobe DB eher länger ist.

Schulabschluss resp. Schulende Zur Rekonstruktion des Schulendes werden die arabischsprachigen Teilnehmenden gefragt, welche Klassenstufe sie zuletzt besucht haben und wann der letzte Besuchszeitpunkt war. Diese Fragen werden den beiden anderen Stichproben nicht gestellt, da die Teilnehmenden der Stichprobe DA zum Zeitpunkt der Erhebung am Ende der 9. Klasse sind und die Probanden der Stichprobe DB nach dem Besuch der 9. Klasse (mit oder ohne Schulabschluss) ins Bildungssystem der berufsvorbereitenden Bildungsgänge gewechselt sind. Die folgenden Informationen

zeigen

somit

ausschließlich

die

Antworten

der

arabischsprachigen

Teilnehmenden. Abbildung 95 zeigt die Verteilung der Häufigkeit der jeweils letzten besuchten Klassenstufe der Stichprobe AR in Prozent. Gefolgt von einer differenzierten Betrachtung anhand der Auswertung der Antworten unterteilt nach den Teilstichprobengruppen der erreichten mathematischen Kompetenzstufen (ARK1-ARK4) in Abbildung 96. 26%

30% 18%

20% 12% 10% 1%

1%

2%

2. Klasse

3. Klasse

4. Klasse

13%

9%

4%

6%

7%

0% 5. Klasse

6. Klasse

7. Klasse

8. Klasse

9. Klasse 10. Klasse 11. Klasse 12. Klasse

Abbildung 95: Verteilung der Häufigkeit der letzten besuchten Klassenstufe der Stichprobe AR (%)

Die Höhe der letzten besuchten Klassenstufe variiert unter den Teilnehmenden der Stichprobe AR stark. Vom Ende des Schulbesuchs nach der 2. Klasse bis hin zur 12. Klasse finden sich alle Stufen. Mit 26% besuchen die meisten Teilnehmenden die 9. Klasse. Dies ähnelt der Schulbesuchsdauer von neun Jahren (s. Abbildung 95). Dicht gefolgt wird dies von den 18% der Teilnehmenden, die zuletzt die 8. Klasse besuchten. 12% der Probanden geben die 6. Klasse und 13% die 7. Klasse an. Eine höhere als die 9. und eine niedrigere als die 6. Klassenstufe wird jeweils von weniger als 10% der Probanden angegeben. Setzt man die letzte besuchte Klassenstufe der erreichten mathematischen Kompetenzstufe gegenüber, ist zu sehen, dass Teilnehmende der ARK1 in allen angegebenen Klassenstufen zu finden sind (s. Abbildung 96). Die meisten Probanden, deren Mathematische Kompetenz der Stufe 1 entspricht, haben zuletzt die 8. Klasse besucht (24%), gefolgt von 20% der 9.

255

6 Darstellung der Ergebnisse

Klasse. 13% und 16% besuchten zuletzt die Klassenstufen 6 und 7 in ihrem Heimatland. In den Antworten der Teilnehmenden mit der Kompetenzstufe 2 finden sich, abgesehen von der 2. Klasse, ebenfalls alle Stufen. Unter Berücksichtigung der geringen Zahl von neun resp. drei Probanden der Teilgruppen ARK3 und ARK4 zeigt sich, dass die Schüler deren Leistung der Kompetenzstufe 3 entsprechen, mindestens die 7. Klasse und maximal die 11. Klasse besucht haben. Die Teilnehmenden der ARK4 geben die 8., 9. und 12. Klasse an. 40%

33%

30%

24% 16%

20%

9%

10% 1%

1% 2%

3% 2%

5%

35% 33% 22% 20%

14% 13% 11% 11% 11%

33%

33%

22%

9% 9%

4%

9% 5%

7% 3%

0% 2. Klasse 3. Klasse 4. Klasse 5. Klasse 6. Klasse 7. Klasse 8. Klasse 9. Klasse 10. Klasse 11. Klasse 12. Klasse

Kompetenzstufe 1

Kompetenzstufe 2

Kompetenzstufe 3

Kompetenzstufe 4

Abbildung 96: Verteilung der Häufigkeit der letzten besuchten Klassenstufe der Teilstichproben ARK

Aufgrund der geringen Zahl der Probanden innerhalb der Teilstichprobengruppen mit höheren mathematischen Kompetenzen, lassen sich zwar Tendenz hinsichtlich einer höheren Klassenstufe erkennen, diese sind jedoch nicht zu verallgemeinern. Die Streuung der Klassenstufen der ARK1 und ARK2 zeigen hingegen deutlich, dass sich für diese Gruppen keine klare Tendenz abzeichnet. Aufgrund der zum Teil sehr unterschiedlich langen Zeit zwischen dem Verlassen des Heimatlandes und der Ankunft in Deutschland resp. im deutschen Schulsystem, werden die arabischsprachigen Teilnehmenden nach dem Zeitpunkt des letzten Schulbesuchs im Heimatland befragt. Hierbei geben die Probanden das Jahr an, in dem sie zuletzt im Heimatland die Schule besucht haben. Die Verteilung der Antworten anhand der Häufigkeit je Jahr ist in Abbildung 97 dargestellt. In Abbildung 98 findet sich die Betrachtung des letzten Besuchszeitpunktes differenziert anhand der erreichten mathematischen Kompetenzstufe der Probanden. 22%

25%

15%

10%

10% 5%

23%

18%

20% 11%

5% 1%

1%

1%

2006

2008

2009

2%

1%

2016

2017

0% 2010

2011

2012

2013

2014

2015

Abbildung 97: Verteilung der Häufigkeit des letzten Besuchszeitpunktes der Stichprobe AR (%)

256

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Der letzte Besuchszeitpunkt liegt bei der Mehrheit der Teilnehmenden der Stichprobe AR zwischen den Jahren 2013 und 2015. Mit 23% besuchten die meisten Probanden zwei Jahre vor der Durchführung dieser Studie (2017/18) zuletzt die Schule in ihrem Heimatland, gefolgt von 22% der Teilnehmenden im Jahr 2014. 18% besuchten 2013 zuletzt die Schule, 11% der Probanden 2012 und 10% der Probanden 2011. Der letzte Besuchszeitpunkt variiert zwischen den Jahren 2006 und 2017 stark. Während bei einzelnen Teilnehmende über 10 Jahre seit dem letzten Schulbesuch im Heimatland vergangen sind, ist bei anderen nur bis zu einem Jahr vergangen. Die Unterteilung der Daten anhand der Teilstichprobengruppen zeigt, dass der Abstand zwischen dem letzten Schulbesuch im Heimatland und der Teilnahme an der Studie bei den Probanden der ARK1 stark unterschiedlich ausfällt (s. Abbildung 98). Der letzte Besuchszeitpunkt dieser Teilnehmenden findet sich in allen angegebenen Jahren. In der Teilstichprobengruppe ARK2 liegt der Schulbesuch maximal sieben Jahre zurück. 2% dieser Gruppe besuchten die Schule zuletzt im gleichen Jahr, in dem die Studie durchgeführt wurde. Die neun Teilnehmenden der ARK3 besuchten mit 44% der Antworten am häufigsten im Jahr 2015 zuletzt die Schule. Die Spanne reicht hier vom Jahr 2011 bis 2015. Die Probanden der ARK4 besuchten die Schule zuletzt in den Jahren 2012, 2013 und 2014. Ebenso wie anhand der letzten besuchten Klassenstufe zeigen sich hier keine eindeutigen Tendenzen. Ein langer Zeitraum zwischen letztem Besuchszeitpunkt und Teilnahme an der Studie weist keine niedrige mathematische Kompetenz auf, ebenso zeigt sich keine höhere mathematische Kompetenz bei einem geringeren Abstand. 50%

44%

40%

33%

30%

22%

20% 10%

1%

3%

4%

5% 5%

14% 11% 8%

13% 7%

33%

19% 16% 11%

33% 25% 22%

23% 21%

11% 1%4%

1% 2%

0% 2006

2008

2009

Kompetenzstufe 1

2010

2011

Kompetenzstufe 2

2012

2013

2014

Kompetenzstufe 3

2015

2016

2017

Kompetenzstufe 4

Abbildung 98: Verteilung der Häufigkeit des letzten Besuchszeitpunktes der Teilstichproben ARK (%)

Schulleistung Neben der Einschätzung der eigenen mathematischen Kompetenz, wie sie im Rahmen der Befragung zur mathematikbezogenen Vorstellung erhoben wurde, werden die Schulleistungen in den Fächern Deutsch resp. Arabisch und Mathematik erfasst. Hierbei geben die Teilnehmenden anhand einer offenen Frage Auskunft über ihre Schulleistungen anhand der zuletzt erhaltenen Note bzw. Punktzahl. Zum besseren Vergleich werden die Noten mit der

257

6 Darstellung der Ergebnisse

Formel zur Umrechnung ausländischer Noten der Technischen Universität München in das Notensystem von 1 bis 6 übertragen (s. Abschnitt 5.5.2). Abbildung 99 und Abbildung 100 zeigen die Verteilungen der Schulleistungen je Fach. Dargestellt ist der Prozentsatz der Teilnehmenden, deren Angabe der jeweiligen Beurteilung (umgerechnet in das Notensystem von sehr gut bis ungenügend) entspricht.

Schulleistungen Arabisch/Deutsch 0%

sehr gut, super

20%

1% 2%

ungenügend

AR

24% 18% 23% 30% 32% 29%

51%

22% 25%

5% 1% 8% 1% 0% 2% DA

40%

9% 6% 6%

mittelmäßig, befriedigend 42%

10%

20%

gut

38%

30%

mittelmäßig, befriedigend

0%

sehr gut, super

23% 21%

ausreichend, bestanden, nicht so gut

Schulleistungen Mathematik 60%

14%

gut

schlecht, mangelhaft, nicht bestanden

40%

ausreichend, bestanden, nicht so gut

13%

schlecht, mangelhaft, nicht bestanden

14% 11% 9%

ungenügend

Sonstiges

DB

Abbildung 99: Verteilung Leistung im Fach Deutsch resp. Arabisch je Stichprobe in Prozent

AR

30% 31%

5% 2% 2% 1% 0% 0% DA

DB

Abbildung 100: Verteilung Leistung im Mathematik je Stichprobe in Prozent

Die Verteilung der Leistungen im Fach Deutsch bzw. Arabisch zeigen, dass die arabischsprachigen Probanden tendenziell etwas bessere Noten angeben als die Teilnehmenden der anderen beiden Stichproben (s. Abbildung 99). Mit 14% (sehr gut) und 38% (gut) geben mehr als die Hälfte dieser Stichprobe an, dass ihre Leistungen den Noten 1 bzw. 2 entsprechen. Die Probanden der Stichproben DA und DB geben am häufigsten an, dass ihre Leistungen mittelmäßig, also befriedigend, sind. In allen drei Stichproben finden sich nur einzelne Teilnehmende, die schlechte oder ungenügende Leistungen in Deutsch bzw. Arabisch haben. Im Vergleich der drei Stichproben ist zu sehen, dass die Antworten zu den Leistungen in Deutsch innerhalb der Stichproben DA und DB mit Differenzen kleiner 10% sehr ähnlich verteilt sind. Hierin unterschieden sich diese von den arabischsprachigen Teilnehmenden.

258

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Bei den Angaben der Noten im Fach Mathematik ist die Häufigkeit sehr gleichmäßig verteilt. Während ungenügende und mangelhafte, aber auch sehr gute Beurteilungen eher selten vorkommen, geben die meisten Probanden in allen drei Stichproben Noten an, die befriedigenden bzw. guten Leistungen entsprechen. Nur bei der Anzahl der Teilnehmenden mit ausreichenden Leistungen unterscheiden sich die arabischsprachigen Probanden von den anderen beiden Stichproben, diese werden von ihnen deutlich seltener angegeben. Zu beachten ist, dass fehlende und frageunabhängige Antworten nicht aufgeführt sind, wodurch im Diagramm nicht 100% der Resultate aufgeführt sind. Im Gegensatz zu den Leistungen in den Fächern Deutsch bzw. Arabisch, ähneln sich die Verteilungen im Fach Mathematik im Vergleich der drei Stichproben sehr. Bei fünf der sechs Noten liegen die Differenzen nicht über 10%.

Weiterführender Schulbesuch Aufgrund des Alters der arabischsprachigen Teilnehmenden und deren zum Teil doch umfangreichen Bildungserfahrungen werden für die Probanden dieser Stichprobe Fragen zum weiteren Schulbesuch gestellt. Begonnen mit der Selektionsfrage, ob und mit welcher Leistung der mittlere Schulabschluss am Ende der Sekundarstufe I erzielt wurde, schließen sich Fragen zum Besuch weiterführender Schulen an. Die Anzahl der Teilnehmenden, die den mittleren Schulabschluss erreicht und bestanden haben und nach der Sekundarstufe I eine weiterführende Schule besuchten, liegt bei 56% und 54% (s. Abbildung 101, Abbildung 102).

Abbildung 101: Prozentuale Häufigkeit des Mittleren Schulabschlusses der Stichprobe AR

Abbildung 102: Prozentuale Häufigkeit des Besuchs einer weiterführenden Schule der Stichprobe AR

Von den 54% der arabischsprachigen Teilnehmenden, deren schulische Bildung sich nach der Sekundarstufe I fortsetzt und die mit dem Erlangen des mittleren Schulabschlusses die 9. Klasse nicht wiederholen müssen, geben 81% an auf welche Schule sie gehen (s. Abbildung 103). Mit fast der Hälfte Antworten, gehen 49% der Probanden auf die Sekundarschule und 22% besuchen eine dem Gymnasium entsprechende Bildungseinrichtung. Privat-, Berufs- und technische Schule werden nur von einzelnen Teilnehmenden der Stichprobe AR besucht. Die Antworten von 7% der Teilnehmenden fallen in die Kategorie ‚Sonstiges‘ und 4% der Antworten beziehen sich nicht auf die Frage.

259

6 Darstellung der Ergebnisse

Weiterführende Schulform 0%

10%

20%

30%

40%

50%

Sekundarstufe/Sekundarschule

60%

49%

Gymnasium

22%

Privatschule

4%

Berufsschule

4%

Technische Schule

2%

Sonstiges

7%

Aufgabenunabhängige Antwort

4%

Abbildung 103: Verteilung der Häufigkeit der weiterführenden Schulform der Stichprobe AR (%)

Unterteilt man die Teilnehmenden der Stichprobe AR anhand der gezeigten Mathematischen Kompetenzen (Teilstichprobengruppen) zeigt sich bei der Betrachtung des Mittleren Schulabschlusses,

dass

je

höher

die

mathematische

Kompetenzstufe

steigt,

die

Teilnehmenden tendenziell häufiger über den mittleren Schulabschluss verfügen (s. Abbildung 104). Für die Gruppen ARK3 und ARK4 bleibt zu berücksichtigen, dass es sich um 9 resp. 3 Probanden handelt. Während innerhalb der Teilnehmenden ARK1 der Anteil derer ohne mittleren Schulabschluss mit 52% zu 48% etwas höher ist, dreht sich dieses Verhältnis in der ARK2 mit einer Differenz größer 20% bereits deutlich um. 100%

89%

80% 60%

67%

61% 48% 52% 39%

40%

33% 11%

20%

0% ARK1

ARK2

ARK3 ja

ARK4

nein

Abbildung 104: Verteilung der Antworthäufigkeit zum mittleren Schulabschluss je Teilstichprobengruppe (ARK)

Ob die Teilnehmenden eine weiterführende Schule besuchen und welche, zeigt hingegen keine deutliche Tendenz hinsichtlich des Anstiegs der Kompetenzstufe (s. Abbildung 105). Sowohl Teilnehmende der ARK1 wie auch der ARK3 besuchen ähnlich häufig eine weiterführende Schule, wohingegen gleichermaßen viele Teilnehmende der ARK2 und ARK4 (n=2) den Schulbesuch fortsetzen wie auch nicht. Ob der weiterführende Schulbesuch somit als Indiz für die gezeigte mathematische Leistung herangezogen werden kann, spiegelt sich in den vorliegenden Daten nicht wider.

260

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

63%

62% 50% 50%

50% 50%

38%

37%

ARK1

ARK2

ARK3 ja

ARK4

nein

Abbildung 105: Verteilung der Antworthäufigkeit zum Besuch einer weiterführenden Schule je Teilstichprobengruppe (ARK)

Bei der Betrachtung des Besuchs einer weiterführenden Schule unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzen zeigen sich keine Auffälligkeiten, die als deutliche Indizien ein tendenzielles Zusammenwirken vermuten lassen.

Berufliche Bildung Während zu erwarten ist, dass die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB im Rahmen der Berufsorientierung erste berufliche Erfahrungen sammeln konnten, ist anzunehmen, dass auch die arabischsprachigen Probanden Berufserfahrungen besitzen (vgl. Baumann & Riedl 2015). Ergänzend zur vorschulischen und schulischen Bildungsbiografie wird daher anhand der gesammelten Berufserfahrungen der Bereich der beruflichen Bildung betrachtet. Erfasst werden sowohl Berufstätigkeit als auch Praktika. Abbildung 106 verdeutlicht, dass mit 89% und 92% vor allem die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB über berufliche Erfahrungen verfügen, wohingegen nur 36% der arabischsprachigen Probanden angeben bereits gearbeitet oder ein Praktikum gemacht zu haben. Hier unterschiedet sich die Stichprobe AR deutlich von den anderen beiden. 0%

100%

1%

2%

10%

6%

89%

92%

80% 64% 60% 40% 20%

36%

0% AR ja

nein

DA keine Angabe

DB

Abbildung 106: Verteilung der Angaben zu den gemachten Berufserfahrungen je Stichprobe (%)

Die

Gemeinsamkeiten

zwischen

den

Stichproben

DA

und

DB

gegenüber

den

arabischsprachigen Teilnehmenden zeichnet sich in Form einer leichten Tendenz auch bei

261

6 Darstellung der Ergebnisse

zunehmender Kompetenzstufe ab (s. Abbildung 107). Hier nimmt der Anteil der Berufserfahrungen mit steigender Kompetenzstufe tendenziell eher ab. Dieser Verlauf ist jedoch nicht konsistent. Unter den Arabischsprachigen Probanden ist die Häufigkeit kompetenzstufenübergreifend mit Differenzen von maximal 17% weitestgehend ähnlich. 98%

96%

100% 80%

83% 70%

67%

70% 60%

83%

86% 79%

67%

67%

53% 47%

50% 40%

95%

92%

90%

33%

30%

33%

33%

30% 17%

17%

20% 4%

10%

21% 14% 7%

2%

1%

0% ARK1

ARK2

ARK3

ARK4

DAK1

Stichprobe AR

DAK2

DAK3

DAK4

Stichprobe DA ja

nein

DAK5

DBK1

2% 1%

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

keine Angabe

Abbildung 107: Verteilung der Angaben zu den gemachten Berufserfahrungen je Teilstichprobe (%)

Zur genaueren Betrachtung der Berufserfahrungen geben die Teilnehmenden Auskunft über den Bereich und die Dauer der Berufstätigkeit. Die Erfahrungen können den Berufsbereichen der Klassifikation der Berufe 2010 zugeordnet werden (s. Abbildung 108). Hierbei liegen die Antworten von 57 Teilnehmenden der Stichprobe AR, 125 der Stichprobe DA und 114 der Stichprobe DB zugrunde, die die Folgefrage zu den vorhandenen Berufserfahrungen beantwortet haben. Während im Bereich der Rohstoffgewinnung, Produktion und Fertigung mit 35%, 40% und 43% und im Bereich Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik mit 12%, 12% und 15% ähnlich viele Teilnehmende aller drei Stichproben Berufserfahrungen gemacht haben, unterscheiden sich die Stichproben in zwei anderen Berufsbereichen deutlich. Die arabischsprachigen Probanden geben mit einer Differenz von mindestens 10% auffallend häufiger den Bereich Kaufmännische Dienstleistungen, Warenhandel, Vertrieb, Hotel und Tourismus an, wohingegen die Stichproben DA und DB mit mehr als 20% Differenz häufiger Tätigkeiten des Bereichs Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung ausgeübt haben. Im Bereich Land-, Forst- und Tierwirtschaft und Gartenbau lassen sich 10% der genannten Tätigkeiten der Teilnehmenden der Stichprobe DA und 8% der Antworten der Stichprobe DB, jedoch keine Antworten der arabischsprachigen Probanden zuordnen. Die übrigen Bereiche werden in allen drei Stichproben von weniger als 10% der Teilnehmenden genannt.

262

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Berufserfahrung (Bereich) 0% LAND-, FORST- UND TIERWIRTSCHAFT UND GARTENBAU

10% 0%

20%

4% 6% 0% 5% 6% 7%

KAUFMÄNNISCHE DIENSTLEISTUNGEN, WARENHANDEL, VERTRIEB, HOTEL UND…

29% 32%

9%

0% 0% 0%

Nullantwort

0% 0% 0%

unbekannt

0% 0% 0%

AR

38%

49%

2% 1% 1%

MILITÄR

aufgabenunabhängige Antwort

42%

2% 6% 4%

GESUNDHEIT, SOZIALES, LEHRE UND ERZIEHUNG

allgemeine Antwort (nicht zuzuordnen)

60%

12% 12% 15%

VERKEHR; LOGISTIK; SCHUTZ UND SICHERHEIT

SPRACH-, LITERATUR-, GEISTES-, GESELLSCHAFTS- UND…

50%

35% 40% 43%

BAU; ARCHITEKTUR; VERMESSUNG UND GEBÄUDETECHNIK

UNTERNEHMENSORGANISATION; BUCHHALTUNG; RECHT UND VERWALTUNG

40%

10% 8%

ROHSTOFFGEWINNUNG, PRODUKTION UND FERTIGUNG

NATURWISSENSCHAFT, GEOGRAFIE UND INFORMATIK

30%

9% 5% 3% 2% 1% 1% DA

DB

Abbildung 108: Häufigkeit der Bereiche der Berufserfahrungen je Stichprobe in Prozent

Die Dauer der Berufserfahrung gibt Aufschluss über die Art der Tätigkeit (Praktika, Nebenjob, Arbeit, Ausbildung) und den Umfang der Tätigkeit (Länge/Häufigkeit des /der Praktika). Hierbei werden von den Teilnehmenden, die über Berufserfahrungen verfügen, zum Teil mehr als eine Form der Dauer angegeben. Besonders innerhalb der Stichprobe DA, werden verschiedene Erfahrungen angeben. Von den 124 Teilnehmenden werden insgesamt 160 Antworten erfasst. Abbildung 109 zeigt die Häufigkeit der Form resp. Dauer der Tätigkeit für die jeweilige Stichprobe in Prozent. Zugrunde liegen 56 Angaben der Stichprobe AR, 160 der Stichprobe DA und 136 der Stichprobe DB.

263

6 Darstellung der Ergebnisse

Berufserfahrung (Dauer) 0% Tagesprakitkum (einmalig) Tagespraktikum (wiederholt)

Praktikum

Tagespraktikum (mehrere Tage)

Wochenpraktikum (einwöchig) Wochenpraktikum (mehrwöchig) Monatspraktikum (einmonatig)

Monatspraktikum (mehrere Monate) Jahrespraktikum (einjährig)

.

Arbeit Ausbildung

AR

20%

30%

40%

50%

60%

0% 2% 0% 0% 0% 4% 0% 1%

13%

0%

57%

10% 2%

10%

40%

0% 2% 4% 23%

1% 0%

10% 9% 6%

Nebenjob

. .

10%

7% 3%

13% 12% 54% 13%

0% 1% 1% DA

DB

Abbildung 109: Häufigkeit der Dauer der Berufserfahrungen je Stichprobe in Prozent

Besonders unter den Stichproben DA und DB handelt es sich bei den gesammelten Erfahrungen mit 85% (DA) und 76% (DB) überwiegend um unterschiedlich lange Praktika. Während 54% der arabischsprachigen Teilnehmenden Berufserfahrungen im Rahmen einer Arbeit gemacht haben, geben 13% die Tätigkeit in einem Nebenjob und 34% ein Praktikum an. Der Umfang der Praktika zeigt, dass die Teilnehmenden der Stichprobe DA vor allem Tages- und Wochenpraktika absolviert haben. Innerhalb der Stichprobe DB finden sich häufiger Wochen, Monats und Jahrespraktikum, aber auch Teilnehmende, die bereits Arbeitserfahrungen haben. Auffällig bei den Praktikanten unter der Stichprobe AR ist, dass es sich in fast allen Fällen um ein längeres Praktikum handelt. Diese langen Praktika scheinen in Deutschland eher unüblich zu sein. Bezüglich der Dauer resp. der Art der Berufstätigkeit unterscheiden sich die drei Stichproben deutlich voneinander. Mit Differenzen von mehr als 40% verfügen die arabischsprachigen Probanden deutlich häufiger über Arbeitserfahrungen, wohingegen die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB eher Praktika absolviert haben. Innerhalb der Art der Praktika unterscheiden sich diese Stichproben wiederum um mehr als 30%. Die kürzesten Praktika finden sich bei der Stichprobe DA. Praktika mittlerer Länge (mehrwöchige Praktika) machen

264

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

die Teilnehmenden der Stichprobe DB, wohingegen langfristige Praktika (mehrere Monate und Jahrespraktika) sich vor allem in der Stichprobe AR finden.

Bildung in Deutschland Die nähere Betrachtung der in Deutschland gesammelten Bildungserfahrungen wird in zwei Bereichen durchgeführt. Dies beinhaltet einerseits die Frage nach der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland, die den Teilnehmenden der Stichprobe AR gestellt wird. Hier wird differenzierend betrachtet, ob sich Tendenzen hinsichtlich der Bildung in Deutschland unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (Teilstichproben ARK) zeigen. Andererseits werden ergänzend in allen Stichproben Daten zu den außerschulischen Unterstützungsformen im Sinne von Nachhilfe oder Privatunterricht erhoben, um zu rekonstruieren, ob die Teilnehmenden neben dem schulischen Unterricht (professionelle) Hilfe beim Erlernen mathematischer Inhalte erhalten.

Schulbesuch in Deutschland Die Antworten der arabischsprachigen Teilnehmenden zur Dauer des Schulbesuchs in Deutschland lassen sich in fünf Kategorien zusammenfassen. Die Verteilung der Besuchsdauer für die Stichprobe AR ist in Abbildung 110 dargestellt. Für einen kurzen Zeitraum von null bis fünf Monaten und sechs bis zwölf Monaten besuchen 14% bzw. 11% der Probanden die Schule in Deutschland. Einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren oder mehr als drei Jahren geben 17% und 7% der Befragten an. Am häufigsten besuchen die Teilnehmenden mit 49% der Antworten die Schule in Deutschland seit ein bis zwei Jahren. 60%

49%

50% 40% 30% 14%

20%

17%

11%

7%

10% 0%

0 bis 5 Monate

6 bis 12 Monate

1 bis 2 Jahre

2 bis 3 Jahre

mehr als 3 Jahre

Abbildung 110: Verteilung der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland der Stichprobe AR in Prozent

Die Betrachtung der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland unter Berücksichtigung der erreichten

mathematischen

Kompetenzstufe

zeigt,

dass

die

Teilnehmenden

der

Teilstichprobengruppen ARK1 und ARK2 die Schule sehr unterschiedlich lange besuchen (s. Abbildung 111). Der Hauptteil der Probanden dieser Gruppen besucht die Schule mit 49% und 51% seit ein bis zwei Jahren. Für die arabischsprachigen Teilnehmenden, deren mathematische Kompetenz der Stufe 3 bzw. 4 entspricht, ist zu sehen, dass die maximale Schulbesuchsdauer bei nicht mehr als drei Jahren liegt.

265

6 Darstellung der Ergebnisse

60% 49% 51%

50% 40%

33% 33%

33% 33%

30% 18% 13% 11%

20%

22% 18% 14%

11% 8%

10%

33%

9%

5%

0%

0% 0%

0% 0 bis 5 Monate 6 bis 12 Monate ARK1

1 bis 2 Jahre ARK2

2 bis 3 Jahre

ARK3

mehr als 3 Jahre

ARK4

Abbildung 111: Verteilung der Dauer des Schulbesuchs in Deutschland je Teilstichprobengruppe (ARK) in Prozent

Insgesamt ist die Dauer des Schulbesuchs in Deutschland in allen Teilstichprobengruppen vielfältig. Klare Tendenzen hinsichtlich des möglichen Zusammenspiels einer kurzen, mittleren oder langen Besuchsdauer auf die gezeigte mathematische Leistung ist auf der Basis dieser Verteilung nicht zu erkennen. Die Dauer der Migration und weitere Aspekte des Migrationsprozesses werden in Abschnitt 6.5.3 näher betrachtet.

Mathematikkurs Neben der schulischen Bildung, die die arabischsprachigen Teilnehmenden bereits in Deutschland

erhalten

haben,

werden

in

allen

Stichproben

außerschulische

Unterstützungsmaßnahmen analysiert. Gefragt wird, ob die Teilnehmenden außerhalb der Schule einen Kurs für Mathematik besuchen. Hilfe durch die Familie oder Freunde wird hierbei folglich nicht näher betrachtet. Wie Abbildung 112 zeigt, ist die Zahl derer, die ein außerschulisches Bildungsangebot für Mathematik nutzen in allen drei Stichproben gering. Mit 26% der Teilnehmenden wird am häufigsten in der Stichprobe DA ein solcher Kurs besucht. Hier unterscheidet sich diese Stichprobe von den anderen beiden um mindestens 10%, da nur 16% der Probanden der Stichprobe AR und 13% der Stichprobe DB angeben einen Mathematikkurs zu besuchen. 100%

87%

84%

74%

80% 60% 40% 20%

26%

16%

13%

0% AR

DA ja

DB

nein

Abbildung 112: Häufigkeit des Besuchs eines Mathematikkurses je Stichprobe in Prozent

266

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Betrachtet man die Art und den Umfang der Kurse zeigt sich, dass die Teilnehmenden der Stichproben DA und DB prozentual mit 86% und 88% gleichermaßen häufig Nachhilfe erhalten (s. Abbildung 113). Hierbei gilt jedoch zu beachten, dass die Zahl der Antworten abhängig von der vorher getroffenen Angabe ‚ja‘ ist. Der folgenden Abbildung liegen nur geringe Teilnehmerzahlen zugrunde.

Mathematikkurs (Art) 0%

20%

Förderunterricht Hilfe der Familie Kurs an der Uni

0%

5% 6% 9%

Aufgabenunabhängige Antwort

60%

80%

100%

6% 4% 5% 0% 17%

Nachhilfe Privatlehrer

40% 26%

86% 88%

17%

0% 0%

26%

3% 0% AR

DA

DB

Abbildung 113: Häufigkeit der Art des Mathematikkurses je Stichprobe in Prozent

Unter den Antworten der arabischsprachigen Probanden findet sich mit 26% (entspricht 6 Teilnehmenden) am häufigsten Förderunterricht, der ergänzend zum Schulunterricht angeboten wird. Nachhilfe und den Unterricht durch einen Privatlehrer geben jeweils 17% der Teilnehmenden der Stichprobe AR an. Bezüglich des Umfangs der Unterstützung ist zu erkennen, dass Zeit, Regelmäßigkeit und Dauer zum Teil sehr unterschiedlich ausfallen (s. Anhang 10.3.3). Da nur wenige der Teilnehmenden den Umfang anhand aller drei Aspekte detailliert beschrieben haben, lassen sich hieraus keine fundierten Tendenzen ableiten.

6.5.3 Herkunft und Migrationshintergrund Ein

für

die

hier

vorliegende

Studie

wesentliches

Element

der

soziokulturellen

Rahmenbedingungen stellen die Herkunft und der migrationsbiografische Hintergrund dar. Zunächst wird die im Rahmen der Stichprobenbeschreibungen skizzierte Herkunft der Teilnehmenden genauer betrachtet. Differenziert wird hierbei nach Geburtsort, Heimatland und Volkszugehörigkeit. Als Heimatland geben die Teilnehmenden an, in welchem Land sie aufgewachsen sind. Die Wahl der Begriffe Heimatland, Volkszugehörigkeit und Nationalität werden aufgrund der Verständlichkeit für die Teilnehmenden getroffen, wie es die Ergebnisse

267

6 Darstellung der Ergebnisse

der Pilotierung nahelegen (s. Abschnitt 5.3). Anschließend erfolgt die Darstellung der Geburtsländer der Eltern, um daraus Informationen über die Migrationshintergründe der Teilnehmenden zu ziehen. Im Abschnitt zur Migration erfolgt neben der Deskription der Migrationshintergründe auch die Betrachtung der Migrationsprozesse. Informationen zur Dauer der Migration und dem Zeitpunkt des Verlassens des Heimatlandes liegen nur von den arabischsprachigen Teilnehmenden vor. Hier erfolgt die differenzierte Betrachtung der Antworten unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (s. Abschnitt 6.1.2).

Herkunft Zur Rekonstruktion der Herkunft der Teilnehmenden werden im Folgenden die Geburtsländer, die Ethnien sowie die Heimatländer beschrieben. Im Rahmen einer Sekundäranalyse dienen die Informationen der Geburts- und Heimatländer der Probanden sowie die Geburtsländer der Eltern zur Ermittlung des Vorliegens sowie des Grades des Migrationshintergrundes (s. Abschnitt 3.3.1).

Geburtsort der Teilnehmenden (Länder) Wie bereits in der Beschreibung der Stichprobe in Abschnitt 5.4 skizziert zeigt sich innerhalb der Stichproben AR eine deutliche Tendenz des Geburtslandes, wohingegen sich dies in Stichprobe DB heterogener darstellt. In Abbildung 114, Abbildung 115 und Abbildung 116 sind die Geburtsländer der Stichproben in Prozent aufgeführt und grafisch anhand eines Flächenkartogramms dargestellt. Land

AR

Syrien

75,0%

Irak

18,2%

Algerien

1,4%

Libyen

1,4%

Mauretanien

1,4%

Eritrea

0,7%

Jemen

0,7%

Saudi-Arabien Ver. Arabische Emirate

0,7% 0,7%

Abbildung 114: Häufigkeit der Geburtsländer der Stichprobe AR

Wie in Abbildung 114 deutlich wird, stammen die Teilnehmenden der Stichprobe AR aus Ländern des Nahen Ostens und Nordafrika. Deutlich über der Hälfte der Stichprobe (75%) gibt an, dass sie in Syrien geboren sind, weitere 18,2% geben den Irak als Geburtsland an. In den übrigen Ländern, zu denen Algerien, Libyen, Mauretanien, Eritrea, der Jemen, Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate zählen, sind nur wenige Teilnehmende geboren.

268

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Land

DA

Deutschland

87,2%

Afghanistan

2,1%

Rumänien

1,4%

Kosovo

1,4%

Syrien

1,4%

Italien

0,7%

Lettland

0,7%

Polen

0,7%

Russland

0,7%

Slowakei

0,7%

Türkei

0,7%

Iran

0,7%

Japan

0,7%

Neuseeland

0,7%

Abbildung 115: Häufigkeit der Geburtsländer der Stichprobe DA

Die Teilnehmenden der Stichprobe DA sind zu 87,2% in Deutschland geboren (s. Abbildung 115). Afghanistan geben 2,1 % der Probanden an. In den übrigen Ländern, die mit Ausnahme von Neuseeland in Europa und Asien bzw. Eurasien liegen, sind 0,7 bis 1,4% (entspricht ein bis zwei Teilnehmenden) der Stichprobe geboren. Hinsichtlich der Geburtsorte der Teilnehmenden der Stichprobe DB zeigt sich mit 23 verschiedenen Ländern auf vier verschiedenen Kontinenten eine deutlich höhere Heterogenität (s. Abbildung 116). Land

DB

Land

DB

Deutschland

56,5%

Polen

0,8%

Afghanistan

12,1%

Russland

0,8%

Syrien

8,9%

Österreich

0,8%

Irak

3,2%

Pakistan

0,8%

Thailand

2,4%

Jemen

0,8%

Italien

1,6%

Libanon

0,8%

Rumänien

1,6%

Süd-Korea

0,8%

Iran

1,6%

Eritrea

0,8%

Albanien

0,8%

Gambia

0,8%

Nigeria Togo Argentinien

0,8% 0,8% 0,8%

Bosnien und Herzegowina Bulgarien

0,8% 56,5%

Abbildung 116: Häufigkeit der Geburtsländer der Stichprobe DB

Hierbei wird mit 56,5% von etwas mehr als der Hälfte der Probanden ein Geburtsort in Deutschland genannt. In Afghanistan sind 12,1% und in Syrien 8,9% der Stichprobe geboren. 3,2% der Teilnehmende nennen den Irak und 2,4% Thailand als Geburtsland und jeweils 1,6% der Probanden Italien, Rumänien und den Iran. Die übrigen 15 Länder finden sich in wenigen

269

6 Darstellung der Ergebnisse

Antworten. Insgesamt sind somit 43,5% der Teilnehmenden der Stichprobe DB nicht in Deutschland geboren und besitzen folglich einen Migrationshintergrund erster Generation. Die genauere Betrachtung dessen sowie weiterer Aspekte der Migration erfolgt im unteren Teil dieses Abschnitts. Innerhalb aller drei Stichproben zeigt sich eine mehrheitlich gleiche Herkunft aus den Ländern Syrien (Stichprobe AR) und Deutschland (Stichprobe DA und DB). Die übrigen Länder sind mit jeweils maximal 18,2% deutlich seltener innerhalb der Stichproben vertreten.

Volkszugehörigkeit Aufgrund der zum Teil sehr vielfältigen Ethnien der Teilnehmenden, die sich besonders in den Ländern des Nahen Ostens als Merkmal der Beschreibung der eigenen Person abzeichnen, erfolgt die Betrachtung der Volkszugehörigkeit der Teilnehmenden aller drei Stichproben. In Tabelle 32 ist die Häufigkeit der Ethnien je Stichprobe in Prozent dargestellt. Tabelle 32: Häufigkeit der Ethnien je Stichprobe in Prozent

Ethnien (AR) Arabisch Kurdisch Jesidisch Türkisch Saudi-Arabisch Eritrea

Ethnien (DA) 78% 19% 3% 1% 1% 1%

Deutsch Türkisch Russisch Albanisch Italienisch Afghanisch Rumänisch Bosnisch Griechisch Kosovarisch Arabisch Lettisch Polnisch Portugiesisch Slowakisch Georgisch Kurdisch Japanisch Philippinisch Libanesisch Amerikanisch Argentinisch

Ethnien (DB) 78% 10% 4% 3% 3% 3% 2% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1%

Deutsch 49% Afghanisch 13% Türkisch 9% Arabisch 8% Kurdisch 7% Italienisch 3% Thai 2% Libanesisch 2% Albanisch 2% Polnisch 2% Russisch 2% Persisch 2% Bosnisch 1% Bulgarisch 1% Griechisch 1% Litauisch 1% Gagausisch 1% Montenegrinisch 1% Portugiesisch 1% Rumänisch 1% Serbisch 1% Pakistanisch 1% Jemen* 1% Koreanisch 1% Gambianisch 1% Nigerianisch 1% Togo* 1% Argentinisch 1% * keine genauere Angabe zur Volkszugehörigkeit

In allen drei Stichproben können durch die vorliegenden Daten mehrere Volkszugehörigkeiten einzelner Teilnehmenden nicht näher beschrieben werden. Die Deskription konzentriert sich auf die Häufigkeit einer Ethnie innerhalb der gesamten Stichprobe. Wie viele Teilnehmende

270

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

sehen sich beispielsweise als Deutsche? Ob hierbei auch zusätzlich eine russische Volkszugehörigkeit

wahrgenommen

wird,

wird

nicht

beschrieben.

Die

Einflüsse

migrationsspezifischer Aspekte erfolgt anhand der Betrachtung des Migrationshintergrundes durch die Herkunft der Teilnehmenden sowie der Geburtsländer deren Eltern. Es gilt zu beachten, dass es sich bei den Teilnehmenden der Stichprobe AR aufgrund der Auswahl anhand des Kriteriums der Erhebungssprache um keine repräsentative Gruppe konkreter Länder handelt. Die Anzahl der Volkszugehörigkeiten gibt somit keinen Rückschluss auf die tatsächliche Vielfalt der Ethnien innerhalb der Länder. Innerhalb der Stichprobe AR werden sechs verschiedene Volkszugehörigkeiten angeben (s. Tabelle 32). Als Araber oder Araberin sehen sich 78% der Teilnehmenden. Eine kurdische Volkszugehörigkeit geben 19% der arabischsprachigen Probanden an. Hierbei ist zu beachten, dass dies keine Verbindung zu den Ländern Syrien und Irak zulässt. In beiden Ländern leben Araber wie auch Kurden. Mit 78% geben mehr als die Hälfte der Teilnehmenden der Stichprobe DA ihre Volkszugehörigkeit als Deutsche an. Eine türkische Volkszugehörigkeit besitzen 10%. Vereinzelt werden von den Teilnehmenden andere Volkszugehörigkeiten, wie afghanisch arabisch oder kurdisch genannt. Innerhalb der Stichprobe DB werden, ebenso wie bei der Vielfalt der Geburtsländer, mit einer Anzahl von 28 die meisten Ethnien genannt. Deutsch ist mit 49% der Antworten die häufigste Volkszugehörigkeit, gefolgt von 13% der Teilnehmenden, die sich als Afghanen bezeichnen. 9% geben die Ethnie Türkisch, 8% die Ethnie Arabisch und 7% die Ethnie kurdisch an. Die übrigen Volkszugehörigkeiten werden von 1% bis 3% der Probanden genannt. Die Angaben Jemen und Togo sind nicht genauer spezifiziert und lassen sich somit keiner genauen Ethnie zuordnen.

Heimatland Unter dem Begriff des Heimatlandes erfolgt die Darstellung der Länder, innerhalb der die Teilnehmenden aufgewachsen sind. Die Differenzierung zwischen Geburts- und Heimatland ist

im

Rahmen

der

vorliegenden

Studie

relevant,

um

migrationsspezifische

Rahmenbedingungen rekonstruieren zu können. Das Heimatland wird als Begriff verwendet, um von den Teilnehmenden die Information zu erhalten in welchem Land sie aufgewachsen sind (s. Abschnitt 5.2.2). Im Rahmen der Pilotierung hat sich der Begriff des Heimatlandes als zielführend erwiesen (s. Abschnitt 5.3). Diejenigen, die innerhalb der Stichproben DA und DB nicht in Deutschland aufgewachsen sind, geben an, ab wann sie zugezogen sind. Auch innerhalb der Stichprobe AR werden ergänzend zur Frage des Heimatlandes erfasst, wann sie nach Deutschland migriert sind und wann die Teilnehmenden ihr Heimatland verlassen haben.

271

6 Darstellung der Ergebnisse

Abbildung 117, Abbildung 118 und Abbildung 119 zeigen die Häufigkeit der Heimatländer je Stichprobe in Prozent und stellen diese grafisch anhand eines Flächenkartogramms dar. Land

AR

Syrien

75,7%

Irak

18,9%

Palästina

1,4%

Algerien

1,4%

Jemen

0,7%

Saudi-Arabien

0,7%

Eritrea

0,7%

Mauretanien

0,7%

Abbildung 117: Häufigkeit der Heimatländer der Stichprobe AR

Innerhalb der Stichprobe AR ist Syrien mit 75,7% der Nennung das Heimatland der Mehrzahl der arabischsprachigen Teilnehmenden (s. Abbildung 117). 18,9% geben den Irak an. Die übrigen sechs Länder, von denen zwei in Afrika und vier im Nahen Osten liegen, werden von 0,7% bis 1,4% (entspricht ein bis zwei) der Probanden genannt. Land

DA

Deutschland

87,2%

Afghanistan

2,1%

Rumänien

1,4%

Kosovo

1,4%

Syrien

1,4%

Italien

0,7%

Lettland

0,7%

Polen

0,7%

Russland

0,7%

Slowakei

0,7%

Türkei

0,7%

China

0,7%

Iran

0,7%

Neuseeland

0,7%

Abbildung 118: Häufigkeit der Heimatländer der Stichprobe DA

Unter den Teilnehmenden der Stichprobe DA ist Deutschland das häufigste Heimatland mit 87,2% der Antworten (s Abbildung 118). Die übrigen 12,8% der Probanden nennen neben Afghanistan zwölf weitere Länder Europas und Asiens. Hierzu zählen Rumänien, Italien, der Kosovo, Lettland, Polen und die Slowakei. Darüber hinaus werden Russland, Syrien, China, der Iran und Neuseeland genannt. Ebenso wie bei der Angabe der Geburtsländer zeigt sich die Verteilung der Heimatländer der Teilnehmenden der Stichprobe DB vielfältiger als in den anderen beiden Stichproben. Insgesamt werden 23 Länder genannt (s. Abbildung 119). Deutschland ist hierbei mit 57,3%

272

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

am häufigsten vertreten, gefolgt von Afghanistan mit 12,9% und Syrien mit 8,9%. Neben dem Irak, Thailand und Italien die das Heimatland von jeweils 3,2%, 2,4% und 1,6% der Probanden sind, werden die übrigen 17 Länder von 0,8% aufgeführt. Land

DB

Land

DB

Deutschland

57,3%

Rumänien

0,8%

Afghanistan

12,9%

Russland

0,8%

Syrien

8,9%

Iran

0,8%

Irak

3,2%

Pakistan

0,8%

Thailand

2,4%

Jemen

0,8%

Italien

1,6%

Libanon

0,8%

Albanien

0,8%

Süd-Korea

0,8%

Eritrea

0,8%

Gambia

0,8%

Bosnien und Herzegowina

0,8%

Bulgarien

0,8%

Nigeria

0,8%

Moldawien

0,8%

Togo

0,8%

Polen

0,8%

Argentinien

0,8%

Abbildung 119: Häufigkeit der Heimatländer der Stichprobe DB

Insgesamt sind innerhalb der Stichprobe DB somit im Vergleich mit den Teilnehmenden der anderen beiden Stichproben sowohl hinsichtlich der Geburts- wie auch Heimatländer die größte Heterogenität zu sehen. Auch die Ethnien der Probanden dieser Stichprobe sind vielfältig. Inwiefern sich die Geburts- und Heimatländer der Teilnehmenden unterscheiden und ob ein Migrationshintergrund 1. Generation (s Abschnitt 3.3.1) vorliegt wird im Anschluss an die Darstellung der Herkunft der Eltern näher betrachtet.

Herkunft der Eltern Zur

Rekonstruktion

der

soziokulturellen

Rahmenbedingungen, und zur Ermittlung des

Geburtsländer der Eltern (AR) 0%

20%

40%

60%

Vorliegens eines Migrationshintergrundes 2. Generation über die Migration eines oder

78% 77%

Syrien 15% 16%

beider Elternteile (s. Abschnitt 3.3.1), werden

Irak

die Teilnehmen nach den Geburtsländern

Algerien

2% 2%

ihrer Eltern gefragt. Abbildung 120, Abbildung

Mauretanien

2% 1%

121 und Abbildung 122 zeigen die Häufigkeit

Eritrea

1% 1%

der Heimatländer der Mütter und Väter

Jemen

1% 1%

innerhalb

Kuwait

1% 1%

Deutschland

1%

der

jeweiligen

Stichproben

in

Prozent. Innerhalb der Stichprobe AR sind 78% der Mütter und 77% der Väter in Syrien geboren (s. Abbildung 120).

80% 100%

Mütter

Väter

Abbildung 120: Häufigkeit der Geburtsländer der Eltern der Stichprobe AR

273

6 Darstellung der Ergebnisse

Geburtsländer der Eltern (DA) 0%

0% 10% 20% 30% 40% 50%

64% 59%

Deutschland Türkei

Geburtsländer der Eltern (DB)

20% 40% 60% 80%

6% 11%

Kosovo

3% 3%

Afghanistan

3% 2%

Rumänien

3% 2%

40% 37%

Deutschland 13% 14%

Afghanistan

10% 10%

Syrien

7% 11%

Türkei Irak

5% 5%

Albanien

2% 1%

Russland

2% 2%

Polen

2% 2%

Argentinien

1% 1%

Rumänien

2% 1%

Bosnien und Herzogowina

1% 1%

Russland

2% 2%

Griechenland

1% 1%

Kasachstan

2% 1%

Indien

1% 1%

Libanon

2% 2%

Kasachstan

1% 1%

Kirgistan

1% 1%

Lettland

1% 1%

Albanien

1% 2%

Argentinien

1% 1%

Bosnien und Herzogowina

1% 2%

Polen

1% 1%

Portugal

1% 1%

Bulgarien

1% 1%

Slowakei

1% 1%

Eritrea

1% 1%

Syrien

1% 1%

Gambia

1% 1%

1% Vereinigten Staaten… 1%

Italien

1% 3%

Nigeria

1% 1%

Nordkorea

1% 1%

China

1%

Georgien

1%

Japan

1%

Kuba

1%

Pakistan

1% 1%

Portugal

1% 1%

Moldawien

1%

Philippinen

1%

Serbien

1% 1%

Togo

1%

Togo

1% 1%

Weißrussland

1%

Thailand

Italien

2%

Iran

1%

Bhutan

1%

Kosovo

1%

Irak

1%

Litauen

1%

Kolumbien

1%

Montenegro

1%

Liberia

1%

Spanien

1%

Mazedonien

1%

Moldawien

1%

Marokko

1%

Pakistan

1%

Slowenien Tadschikistan Mütter

1%

Vereinigte Arabische…

1%

Väter

Abbildung 121: Häufigkeit der Geburtsländer der Eltern der Stichprobe DA

274

Mütter

2%

1%

Väter

Abbildung 122: Häufigkeit der Geburtsländer der Eltern der Stichprobe DB

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Aus dem Irak stammen 15% der Mütter und 16% der Väter. Fünf Länder (Algerien, Mauretanien, Eritrea, der Jemen und Kuwait) werden von weniger als 10% der arabischsprachigen Teilnehmenden aufgeführt. Der Vater eines Probanden ist in Deutschland geboren. Zu sehen ist, dass die Väter und Mütter ähnlich häufig aus den jeweiligen Ländern stammen. Hierbei handelt es sich um die Deskription der Häufigkeit, Schlüsse über die Konstellation der Elternpaare hinsichtlich der Geburtsländer werden hierbei nicht angestrebt. Die Mütter der Stichprobe DA sind zu 64% in Deutschland geboren, die Väter zu 59% (s. Abbildung 121). Das zweit häufigste Geburtsland ist bei beiden Elternteilen die Türkei mit 6% und 11%. Darüber hinaus werden von den übrigen 36% und 41% der Probanden 34 weitere Länder genannt. Hier zeigt sich eine deutlich größere Vielfalt als in den Geburts- und Heimatländern der Teilnehmenden dieser Stichprobe. Die Geburtsländer der Eltern der Stichprobe DB zeigen ein anders verteiltes Bild. Während in den Stichproben AR und DA zwischen dem häufigsten Geburtsland und den übrigen Ländern Differenzen von über 60% innerhalb der Stichprobe AR und über 40% innerhalb der Stichprobe DA liegen, ist die Differenz zwischen Deutschland und Afghanistan innerhalb der Stichprobe DB nur bei maximal 27% (s. Abbildung 122). Auch hier ist Deutschland das Geburtsland der meisten Mütter und Väter mit 40% bzw. 37%, gefolgt von Afghanistan mit 13% und 14% sowie Syrien mit jeweils 10%. Aus der Türkei stammen 11% der Väter und 7% der Mütter und aus dem Irak jeweils 5% der Eltern. Von den übrigen Teilnehmenden werden 27 weitere Länder genannt, in denen jeweils bis zu drei Mütter oder bis zu vier Väter geboren wurden.

Migration Zur Rekonstruktion des Migrationshintergrundes werden die Angaben der Teilnehmenden aller drei Stichproben, die zu den eigenen Geburts- und Heimatländern sowie zu den Geburtsländern der Eltern gemacht wurden, betrachtet. Analysiert wird zunächst, ob ein Migrationshintergrund vorliegt, der auf eigenen Migrationserfahrungen beruht oder ob ein Migrationshintergrund 2. Generation zu verzeichnen ist, indem mindestens ein Elternteil Migrationserfahrungen besitzt. Hierbei werden aufgrund der Spezifik der Stichprobe AR zwei verschiedene Formen der Migration analysiert. Einerseits wird betrachtet, ob ein biografischer Migrationshintergrund vorliegt. Also, ob das Heimatland vom Geburtsland abweicht. Dies bedeutet, dass analysiert wird, ob Teilnehmende bereits in ihrem Heimatland, das nicht Deutschland sein muss, einen Migrationshintergrund besitzen. Andererseits wird ergänzend betrachtet, wie viele Teilnehmende der Stichproben aus dem als Heimatland angegeben Land nach Deutschland migriert sind. Zu beachten gilt, dass alle Teilnehmenden derzeit in Deutschland leben. Abschließend erfolgt die Beschreibung der Migrationsprozesse.

275

6 Darstellung der Ergebnisse

Migrationshintergrund Bei der Zuschreibung des Migrationshintergrundes muss beachtet werden, welches Land der Analyse zugrunde liegt. Zunächst wird die Migration in das Heimatland, im Folgenden als biografischer Migrationshintergrund bezeichnet, betrachtet. Zu beachten ist, dass sich in jeder Stichprobe Teilnehmende befinden, die auf persönliche Migrationserfahrungen in das Heimatland zurückblicken können. Anschließend wird ergänzend zu der Häufigkeit biografischer Migrationshintergründe analysiert, ob eine Migration aus dem Heimatland nach Deutschland stattgefunden hat. Die folgende Darstellung stellt die biografischen Migrationshintergründe dar. Es geht bei der Beschreibung des Heimatlandes um das Land, in dem die Teilnehmenden aufgewachsen sind. Der Migrationshintergrund wird daher im Folgenden anhand des Vergleichs der Angaben zum Geburts- und Heimatland zugeteilt. Während alle Teilnehmenden der Stichprobe AR nach Deutschland migriert sind und somit einen Migrationshintergrund 1. Generation besitzen, zeigen die Angaben der Heimatländer, dass in den Stichproben DA und DB jeweils 12,8% und 42,7% nach Deutschland migriert sind (s. Abbildung 118, Abbildung 119). Doch auch vor der Migration nach Deutschland können unter den arabischsprachigen Teilnehmenden solche mit einem Migrationshintergrund zu finden sein. Wenn die Probanden oder deren Eltern ursprünglich in einem anderen Land geboren wurden als dem Heimatland, liegt ein Migrationshintergrund 1. Oder 2. Generation vor. Abbildung 123 zeigt die Häufigkeit des Vorliegens des jeweiligen (biografischen) Migrationshintergrundes je Stichprobe in Prozent. 100%

91%

80%

70% 60%

60% 38%

40%

27%

20%

6%

3%

2%

3%

0% kein Migrationshintergrund

Migrationshintergrund 2. Generation AR

DA

Migrationshintergrund 1. Generation

DB

Abbildung 123: Beschreibung des Migrationshintergrundes (biografisch) je Stichprobe in Prozent

Die Analyse, der zur Beurteilung des Migrationshintergrundes benötigten Informationen zeigt, dass innerhalb der Stichprobe DA die meisten Teilnehmenden mit Migrationshintergrund zu finden sind. Hierbei überwiegt die Zahl derer, die einen Migrationshintergrund 2. Generation besitzen mit 38% gegenüber den Probanden der Stichproben DB (27%) und AR (3%). Hier

276

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

weicht das Geburtsland resp. die Geburtsländer der Eltern vom Heimatland der Befragten ab. Über eigene Migrationserfahrungen verfügen in allen drei Stichproben weniger als 10% der Teilnehmenden bei der Betrachtung der Migration ins Heimatland. 100% 90%

88%

100%

94%

100%

78%

80%

76% 67%

65%

70%

74%

69%

57%

60%

50% 50%

50%

43%

43% 43% 35%

40% 30%

30%

24%

20%

8% 4%

10%

23% 17%16%

11%11% 2% 4%

14% 3%

1%

0% ARK1

ARK2

ARK3

ARK4

Stichprobe AR kein Migrationshintergrund

DAK1

DAK2

DAK3

DAK4

Stichprobe DA Migrationshintergrund 2. Generation

DAK5

DBK1

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB Migrationshintergrund 1. Generation

Abbildung 124: Beschreibung des biografischen Migrationshintergrundes je Teilstichprobe in Prozent

In Bezug zu den Teilstichproben zeigt sich, dass über die Kompetenzstufen hinweg Teilnehmende mit Migrationshintergrund vertreten sind. So sind beispielweise sowohl in DAK2 wie auch DAK5 mit 35% und 3% ähnlich viele Teilnehmende mit Migrationshintergrund.

Migrationsprozess Die Beschreibung der Migrationsprozesse beruht auf der Betrachtung der Migration nach Deutschland. Hierbei wird die Migration nach Deutschland näher betrachtet. Abbildung 125 zeigt, dass innerhalb der Stichprobe AR alle Teilnehmenden, in Stichprobe DB 43% und in Stichprobe DA 13% aus dem Heimatland nach Deutschland migriert sind. 100%

100%

90% 80% 70% 60% 50%

43%

40% 30% 20%

13%

10% 0% AR

DA

DB

Abbildung 125: Beschreibung der Häufigkeit der nach Deutschland migrierten Teilnehmenden je Stichprobe in Prozent

277

6 Darstellung der Ergebnisse

Insgesamt

erfolgt

die

Darstellung

der

Aufenthaltsdauer in Deutschland somit für alle

Dauer des Aufenthalts in Deutschland

arabischsprachigen Teilnehmenden sowie 14% der Stichprobe DA und 43% der Stichprobe DB.

0%

Für die Probanden der Stichprobe AR werden ergänzend Informationen zum Zeitpunkt des Verlassens des Heimatlandes sowie der Dauer

0;1-0;5 0;6-0;11

20%

innerhalb der Stichproben AR und DB die

28%

Teilnehmenden mit 53% und 55% seit 2;0 bis 2;11 Jahren in Deutschland sind (s. Abbildung

13%

2;0-2;11 3;0-3;11

Mehrheit der nach Deutschland migrierten

80% 100%

9% 4%

1;0-1;11

Die Analyse der Aufenthaltsdauer zeigt, dass

60%

3% 5%

der Migration nach Deutschland erhoben und im Folgenden dargestellt.

40%

32% 5% 9%

4;0-4;11

1% 5% 4%

5;0-5;11

1% 2%

53% 55%

32%

126). Innerhalb der Stichprobe DA leben mit jeweils 32% gleichermaßen viele Teilnehmende seit 2;0 bis 2;11 Jahren bzw. 3;0 bis 3;11 Jahren in Deutschland. 16% der Teilnehmenden dieser Stichprobe geben eine Aufenthaltsdauer an, die zwischen 6;0 und 6;11 Jahren liegt. In den Stichproben AR und DB sind hingegen eher kürzere Zeiten zu beobachten. So dauert der Aufenthalt von 28% der arabischsprachigen Teilnehmenden 1;0 bis 1;11 Jahre, ebenso wie von 13% der Probanden der Stichprobe DB. Zeitangaben von unter einem Jahr finden sich in allen drei Stichproben bei weniger als 10% der

6;0-6;11 7;0-7;11

11 Monate findet sich ebenfalls in keiner der

9;0-9;11

zeigen

sich

tendenziell

ähnliche

Aufenthaltszeiträume innerhalb der Stichproben AR

und

DB,

wohingegen

sich

die

Teilnehmenden der Stichprobe DA hiervon mit Differenzen

von

unterscheiden.

278

über

10%

deutlich

5%

10;0-10;11

11;0-11;11 12;0-12;11 13;0-13;11 14;0-14;11

2% 2% 5%

2%

15;0-15;11 16;0-16;11

Stichproben bei mehr als 10% der Befragten. Hier

2%

8;0-8;11

nach Deutschland migrierten Teilnehmenden. Eine längere Aufenthaltsdauer als 6 Jahre und

16%

Gesamt

4% 100%

13%

AR

43%

DA

DB

Abbildung 126: Häufigkeit der Aufenthaltsdauer in Deutschland je Stichprobe (%)

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Um die biografischen Rahmenbedingungen der arabischsprachigen Teilnehmenden gezielt betrachten zu können, werden weitere Informationen zum Migrationsprozess nach Deutschland gesammelt, wie der Zeitpunkt des Verlassens des Heimatlandes und die Dauer der Migration anhand der Angaben des Verlassens und der Ankunft. Weitere Angaben, wie beispielsweise Transitländer, sind für die Fragestellung der vorliegenden Studie nicht zielführend. Abbildung 127 zeigt die prozentuale Anzahl der Teilnehmenden der Stichprobe AR, die im jeweiligen Jahr ihr Heimatland verlassen haben. 46%

50% 40% 30% 20%

13%

10%

1%

1%

2009

2010

6%

6%

2011

2012

16% 9% 2%

0% 2013

2014

2015

2016

2017

Abbildung 127: Häufigkeit des Verlassens des Heimatlandes pro Jahr der Stichprobe AR in Prozent

Hierbei zeigt sich deutlich, dass die meisten Probanden mit 46% im Jahr 2015 aufgebrochen sind. Mit 30% Differenz folgt das Jahr 2014 mit 16% der Teilnehmenden. Im Jahr 2013 haben 13% der Stichprobe AR ihr Heimatland verlassen. Die Spanne der Jahre des Aufbruchs reichen von 2009 bis 2017. Wobei innerhalb die Jahre bis 2012 und ab 2016 von weniger als 10% der Teilnehmenden angegeben werden. 67%

70% 60% 49% 46%

50% 40%

33%

30% 20% 10%

33% 22%

3%

1%

8%5%

9% 5%

13% 11%

22%

15% 14%

22% 10% 7%

5%

0% 2009

2010

2011

2012 ARK1

2013 ARK2

ARK3

2014

2015

2016

2017

ARK4

Abbildung 128: Häufigkeit des Verlassens des Heimatlandes pro Jahr der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent

Die differenzierte Betrachtung der beschriebenen Daten unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe (Teilstichprobengruppe ARK) zeigt, dass Teilnehmende der ARK1 ihr Heimatland in den Jahren 2009 bis 2016 verlassen haben. (s. Abbildung 128).

279

6 Darstellung der Ergebnisse

Die meisten Probanden dieser Teilstichprobengruppe nennen das Jahr 2015. Mit deutlicher Differenz folgen die Jahre 2014, 2013 und 2016. Die Teilnehmenden der ARK2 sind frühstens 2011 und spätestens 2017 aufgebrochen. Hierbei ist ebenfalls das Jahr 2015 mit 49% am häufigsten angegeben. Mit mehr als 30% Differenz verlassen 14% der Teilstichprobengruppe ARK2 ihre Heimat im Jahr 2014, gefolgt vom Jahr 2013. Die Probanden der ARK3 nennen ein Spektrum von drei Jahren. Mit 33% der Angaben kommt das Jahr 2013 in dieser Teilstichprobengruppe am häufigsten vor. Jeweils zwei Probanden geben die Jahre 2014, 2015 und 2016 an. Im Jahr 2014 hat ein und im Jahr 2015 haben zwei Probanden der ARK4 ihr Heimatland verlassen. Aus den Angaben des Zeitpunkts des Verlassens des Heimatlandes und der Ankunft in Deutschland lässt sich die Dauer der Migration rekonstruieren. Tiefergehende Analysen, wie die Analyse der Migrationsdauer in Bezug zum Heimatland werden aufgrund der Zielsetzung der Studie nicht vorgenommen. Hierbei zeigt sich, wie in Abbildung 129 dargestellt, dass mit 39% bei den meisten Teilnehmenden ein Zeitraum von bis zu fünf Monaten vorliegt. Mit deutlichem Abstand von mehr als 20% Differenz folgt die Dauer von einem bis fast zwei Jahren (17%) und von mindestens einem halben bis zu einem Jahr (11%). Eine Dauer von zwei bis fast drei Jahren liegt bei 12% der Teilnehmenden vor. Zunehmend längere Zeiträume weisen eine geringer werdende Häufigkeit auf. Eine Dauer von 6 Jahren liegt bei 2% der arabischsprachigen Teilnehmenden vor. 50%

40%

39%

30%

20%

17% 12%

11%

8%

10%

7% 3%

2%

0% 0;1-0;5

0;6-0;11

1;0-1;11

2;0-2;11

3;0-3;11

4;0-4;11

5;0-5;11

6;0

Abbildung 129: Häufigkeit der Dauer der Migration innerhalb der Stichprobe AR in Prozent

Hinsichtlich des Verlassens des Heimatlandes und der Dauer der Migration zeigt sich, dass, obwohl die Teilnehmenden aller Teilstichprobengruppen überwiegend im und um das Jahr 2015 herum aufgebrochen sind, die Dauer der Migration besonders für die drei Teilnehmenden der ARK4 auffällig kurz ist (s. Abbildung 130).

280

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

100%

100% 90% 80% 70% 60% 50%

44%

40%

33% 33%

30% 20%

13% 11% 10%

22% 19% 16%

22% 13% 11%

10%

11% 10% 6%

11% 4%

6%

3%

0% 0;1-0;5

0;6-0;11

1;0-1;11 ARK1

2;0-2;11 ARK2

3;0-3;11 ARK3

4;0-4;11

5;0-5;11

6;0

ARK4

Abbildung 130: Häufigkeit der Dauer der Migration innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK (%)

Wohingegen die neun Probanden der ARK3 eine Dauer von wenigen Monaten bis hin zu fast 4 Jahren angeben. Die Häufigkeit der Dauer der Migration unterschiedet sich im Vergleich der Teilstichprobengruppen innerhalb der kurzen Zeit von bis zu fünf Monaten. Hier lassen sich mit 44% deutlich mehr Teilnehmende der ARK2 zuordnen, als mit mehr als 10% Differenz für die ARK1 und ARK3 vorliegen. Eine Dauer von sechs bis elf Monaten ist in den drei Teilstichprobengruppen ähnlich häufig, ebenso wie die Zeit von ein bis fast zwei Jahren. Angaben von zwei bis fast drei Jahren finden sich etwas häufiger innerhalb der ARK3. Insgesamt nimmt die Anzahl der Teilnehmenden bei steigender Dauer der Migration über die Teilstichproben hinweg ab.

6.5.4 Sprachhintergrund Zur Beschreibung der bildungsbiografischen, sprachlichen und soziokulturellen Aspekte als wesentliche Bestandteile des multifaktoriellen Bedingungsgefüges wird der sprachliche Hintergrund der Teilnehmenden rekonstruiert. Hierbei werden die Teildimensionen Sprachverwendung, Mehrsprachigkeit und der Erwerb der deutschen Sprache (kurz: Deutscherwerb) näher betrachtet. Die sprachlichen Fähigkeiten, also das konkrete sprachliche Können, wird hierbei aufgrund der Zielsetzung des Forschungsprojektes nicht näher betrachtet, da nicht der Zusammenhang zwischen den Sprachfähigkeiten und der mathematische Leistung, sondern die Betrachtung der mathematischen Kompetenz unter Berücksichtigung verschiedener Einflüsse im Fokus steht. Innerhalb dieser Einflüsse stellen die sprachlichen Rahmenbedingungen einen Teilaspekt dar.

281

6 Darstellung der Ergebnisse

Ebenso wie in den vorangegangenen Abschnitten liegt der Schwerpunkt bei der Betrachtung auf der Untersuchung möglicher Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Stichproben bzw. Teilstichprobengruppen. Liegen bei einzelnen Indikatoren nur Informationen über die arabischsprachigen Teilnehmenden vor, wie es beim Aspekt Deutscherwerb der Fall ist,

erfolgt

ausschließlich

eine

differenzierte

Betrachtung

anhand

der

erreichten

mathematische Kompetenzstufe.

Sprachverwendung Wie Deseniss (2015) bei der Betrachtung der schulischen Mathematik im Kontext Migration anführt, kann eine unterdurchschnittliche sprachliche Performanz in der Mehrheits- und Unterrichtssprache einen geringeren Bildungserfolg mitbeeinflussen. Nachfolgend wird daher anhand von Selbstauskünften analysiert, wie gut die Teilnehmenden die Mehrheitssprachen sowie ausgewählte, in Deutschland häufig vorkommende, schulische Fremdsprachen (Englisch und Französisch) sprechen. Darüber hinaus werden allgemeine Informationen zu weiteren Sprachen erhoben, die Familiensprachen rekonstruiert und situationsbezogene Sprachverwendungen dargestellt.

Unterrichtssprachen Mittels Selbsteinschätzung geben die Teilnehmenden aller drei Stichproben Auskunft, ob sie eine der vorgegebenen Sprachen sprechen. Als Antwortmöglichkeiten stehen ‚ja‘, ‚teilweise‘ und ‚nein‘ zur Verfügung. Abbildung 131 zeigt die Verteilung der Antworten je Stichprobe in Prozent. Innerhalb der Stichprobe AR geben 95% der Teilnehmenden an, dass sie arabisch sprechen. Die übrigen 5% kreuzen an, dass sie diese Sprache nur teilweise sprechen. Die Probanden der Stichprobe DA sprechen arabisch überwiegend nicht. Nur 5% geben die Antwort teilweise und 1% die Antwort ‚ja‘. In der Stichprobe DB finden sich 17% die Arabisch sprechen und 10% die dies teilweise tun. Hier zeigen sich die erwarteten deutlichen Unterschiede zwischen den Stichproben AR und DA resp. DB. Doch auch zwischen den Vergleichsstichproben zeigen sich Differenzen von mehr als 10% hinsichtlich der Anzahl der Teilnehmenden, die Arabisch sprechen. Bezüglich der deutschen Sprache geben 40% der arabischsprachigen Teilnehmenden (Stichprobe AR) an, dass sie Deutsch sprechen und 57% tun dies teilweise. Innerhalb der Stichprobe DA geben 98% an Deutsch zu sprechen und innerhalb der Stichprobe DB 91%. Hier zeigen sich keine auffälligen Differenzen zwischen den Stichproben DA und DB.

282

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

100%

95%

94%

98% 91%

93% 88%

90%

79%

80%

73%

70%

60%

57%

60%

53% 47%

50%

40%

39%38% 35%

40% 30% 20% 10%

19%

17% 1%

10% 5%5%

9% 8% 3% 2% 0%0%

0%

1%

1%2%2%

nein

ja

18% 10% 5%

0% ja

teilweise Arabisch

nein

ja

teilweise

nein

ja

Deutsch

teilweise Englisch

AR

DA

teilweise

nein

Französisch

DB

Abbildung 131: Häufigkeit des Grades der Sprachverwendung je Stichprobe in Prozent

Bezüglich der englischen Sprache geben vor allem die Teilnehmenden der Stichprobe DA mit 60% an diese zu sprechen. Die Antwort teilweise findet sich in allen drei Stichproben ähnlich häufig. Englisch nicht zu sprechen ist innerhalb der Stichprobe AR mit 53% die häufigste Antwort. Nur 8% dieser Stichprobe geben an, Englisch zu sprechen. Französisch sprechen die meisten Teilnehmenden aller drei Stichproben nicht. Mit 18% sind innerhalb der Stichprobe DA die Probanden am häufigsten, die Französisch nach eigener Auskunft teilweise sprechen, gefolgt von der Stichprobe DB mit 10% und der Stichprobe AR mit 5%.

Weitere gesprochene Sprachen Darüber hinaus können die Teilnehmenden weitere Sprachen angeben, die sie sprechen. Hier wurden mit der Einschätzung ‚ja‘ über die Stichproben hinweg 15 weitere Sprachen und mit der Einschätzung ‚teilweise‘ sechs weitere Sprachen genannt. Abbildung 132 zeigt die Häufigkeit der Sprachen je Stichprobe in Prozent. Die Sprachen Türkisch, Persisch, Spanisch und Portugiesisch werden in allen drei Stichproben genannt. Türkisch sprechen 5% der Stichprobe AR, 11% der Teilnehmenden der Stichprobe DA und 13% der Stichprobe DB. Persisch sprechen innerhalb der Stichprobe DB 10% der Probanden, während diese Sprache nur von 1% (AR) respektive 2% (DA) der anderen beiden Stichproben gesprochen wird. Spanisch und auch. Portugiesisch wird nur von sehr wenigen Teilnehmenden in allen Stichprobe gesprochen. Die kurdische Sprache wird von 19% der Stichprobe AR und 10% der Stichprobe DB gesprochen, in der Stichprobe DA finden sich keine Teilnehmer, die dieser Sprache mächtig sind.

283

6 Darstellung der Ergebnisse

Daneben findet sich in der Stichprobe DB mit

Weitere gesprochene Sprachen 0%

10% 5%

türkisch persisch

1% 2%

spanisch

1% 3% 2%

Gesprochene Sprachen

übrigen sieben Sprachen, darunter Russisch, Italienisch und Albanisch, werden in den

10%

Stichproben DA und DB von einzelnen Teilnehmenden

19% 10%

9%

albanisch

4% 3%

russisch

4% 2%

italienisch

4% 2%

rumänisch

3% 2%

Bezüglich

der

Als teilweise gesprochene Sprachen werden in allen drei Stichproben Türkisch, Kurdisch und Spanisch

genannt.

Alle

Teilweise

gesprochenen Sprachen finden sich nur bei wenigen

Teilnehmenden

Stichproben.

Das

der

teilweise

einzelnen

gesprochene

Türkisch ist in der Stichprobe AR mit 10% am häufigsten vertreten. Die übrigen Sprachen

1% 2%

türkisch

3% 1%

kurdisch

1% 1% 1%

spanisch

1% 2%

10%

werden über die Stichproben hinweg von weniger als 10% der Probanden als teilweise gesprochen angegeben. Spanisch wird von 9% der

9%

1% 1%

griechisch

Sprachen.

gesprochenen Sprachen unterscheiden sich der Stichprobe DA mit mehr als 10% Differenz.

1% 1%

polnisch

Teilnehmende. Die Probanden der Stichprobe

die Stichproben AR und DB im Kurdischen von

1% 1%

griechisch

dieser Stichproben jeweils nur ein bis drei

weitere

1%

bosnisch

Bosnisch,

AR ergänzen vergleichsweise weniger oft

1% 1%

dari

angegeben.

Griechisch und Polnisch sprechen innerhalb

kurdisch armenisch

der Stichprobe AR ebenso wie Armenisch nur von 1% der Teilnehmenden gesprochen. Die

11% 13%

1% 1% 1%

portugiesisch

Teilweise gesprochene Sprachen

einer Häufigkeit von 9% auch Dari. Dies wird in 20%

Teilnehmenden

der

Stichprobe

DA

teilweise gesprochen, von den anderen beiden Stichproben

nur

von

einzelnen

Teilnehmenden. Griechisch findet sich mit italienisch

2% 2%

russisch

2% 2% AR

DA

jeweils 1% in den Stichproben AR und DA. Italienisch und Russisch mit je 2% in den Stichproben DA und DB. Hinsichtlich der DB

Abbildung 132: Häufigkeit der verwendeten Sprachen je Stichprobe in Prozent

284

Angabe der teilweise gesprochenen Sprachen zeigen sich keine auffälligen Unterschiede im Vergleich der drei Stichproben.

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Familiensprachen Zur

präzisen

Rekonstruktion

der

sprachlichen

Rahmenbedingungen

werden

die

Teilnehmenden befragt, welche Sprachen sie in verschiedenen Situationen am häufigsten verwenden. Hierbei werden familiäre Situationen, aber auch die Gespräche mit einzelnen Familienmitgliedern,

schulische

Situationen

sowie

verschiedene

Elemente

der

Freizeitgestaltung näher betrachtet. Teilnehmende, die mehr als eine Sprache in der jeweiligen Situation sprechen, geben dies an. Zur Betrachtung der Familiensprachen werden die Antworten hinsichtlich der mit einzelnen Familienmitgliedern gesprochenen, aber auch in den angegebenen Familiensituationen (gemeinsame Mahlzeiten‘, ‚Konflikte‘ und ‚Familienfeiern‘) genannten Sprachen analysiert. Tabelle 33 zeigt die Häufigkeit der innerhalb der Familie gesprochenen Sprache(n) innerhalb der jeweiligen Stichproben in Prozent. Tabelle 33: Häufigkeit der angegebenen Familiensprache je Stichprobe in Prozent

Stichprobe AR 86% 20% 7% 3% 2% 2% 1% 1% 1% 1% 1%

Arabisch Kurdisch Englisch Deutsch Türkisch Jesidisch Französisch Portugiesisch Spanisch Armenisch Persisch Syrakisch (Syriani) Tigrinya Tigri/Tigra

1% 1% 1%

Stichprobe DA 92% 11% 4% 4% 4% 3% 3% 2% 2% 2% 1% 1% 1%

Deutsch Türkisch Englisch Russisch Albanisch Italienisch Rumänisch Griechisch Arabisch Persisch Bosnisch Polnisch Spanisch Mandarin

(hoch-chinesisch)

Französisch Lettisch Portugiesisch Slowakisch Romanes (Romani) Hindi/ Hindisch Dari Japanisch Tagalog Gebärdensprache (deutsch)

1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1%

Stichprobe DB 70% 12% 10% 10% 6% 6% 6% 4% 3% 2% 2% 2% 2% 2% 2% 1% 1% 1% 1% 1% Spanisch Deutsch Arabisch Türkisch Kurdisch Dari Englisch Persisch Italienisch Albanisch Russisch Paschto/ Paschtu Thai Französisch Polnisch Rumänisch Bosnisch Bulgarisch Litauisch Serbisch

Serbo-kroatisch Koreanisch Urdu Aramäisch Mandinka Kotocoli (tem) Pular, Soninke, Wolof Esan Punjabi

1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1% 1%

Hierbei wird keine Priorisierung der Sprache vorgenommen. Selbst wenn innerhalb der Familie verschiedene Sprachen gesprochen werden, kann nicht entschieden werden, welche Sprache

285

6 Darstellung der Ergebnisse

die primäre Familiensprache ist. Grund hierfür ist die unzureichende Datenlage bezüglich der Häufigkeit der Verwendung. Geben einzelne Teilnehmende der Stichprobe AR an, dass sie in mehr als der Hälfte der Situationen kurdisch sprechen aber in den übrigen Antworten Arabisch nennen, kann nicht entschieden werden, welche der Sprachen tatsächlich häufiger gesprochen wird. Als Familiensprachen werden im Folgenden somit alle Sprachen aufgeführt, die mindestens mit einem Familienmitglied oder in einer Familiensituation gesprochen werden. Die genaue Art der Mehrsprachigkeit erfolgt im nächsten Abschnitt. Arabisch wird in 86% der Familien der Stichprobe AR gesprochen, gefolgt von Kurdisch mit 20%. Englisch, Deutsch, Jesidisch und Türkisch nennen mehr als 1%, aber weniger als 10% der Probanden. Die übrigen acht Sprachen werden in den Familien von 1% also ein bis zwei Teilnehmenden gesprochen. Innerhalb der Stichprobe DA wird Deutsch in 92% der Familien gesprochen, gefolgt von Türkisch mit 11%. Acht Sprachen, darunter Englisch und Russisch, aber auch persisch und Arabisch, werden in 2% bis 4% der Familien gesprochen. Die übrigen 14 Sprachen werden nur in den Familien von ein bis zwei Probanden genutzt. Auch in der Stichprobe DB dominiert Deutsch als Familiensprache mit 70%. Mit über 50% Differenz zur Stichprobe AR folgen die Sprachen Arabisch (12%). Türkisch und Kurdisch werden von jeweils 10% der Familien der Stichprobe gesprochen. Jeweils 6% der Familien sprechen Dari, Englisch und Persisch. Acht Sprachen zählen zu den Familiensprachen 2% bis 6% der Familien der Stichprobe DB und die übrigen 14 zu jeweils 1% der Familien. Insgesamt zeigt sich hierbei, dass die Vielfalt der Familiensprachen insbesondere innerhalb der Stichprobe DB sehr ausgeprägt ist.

Situationsbezogene Sprachverwendung Um die sprachlichen Rahmenbedingungen differenziert abbilden zu können, wurden die Teilnehmenden darüber hinaus in vier weiteren Fragen zu den von ihnen verwendeten Sprachen in verschiedenen sozialen Situationen befragt. Zu diesen Situationen zählen Gespräche mit einzelnen Familienmitgliedern, verschiedene Familiensituationen, wie ‚gemeinsame Mahlzeiten‘, ‚Familienfeiern‘ oder ‚Konflikte‘, schulische Situationen und Aktivitäten aus dem Bereich der Freizeit. Abbildung 133, Abbildung 134 und Abbildung 135 zeigen die häufigsten Sprachen, die innerhalb der jeweiligen Situation je Stichprobe gesprochen werden anhand ihres prozentualen Anteils. Innerhalb der Stichprobe AR stellt die arabische Sprache mit mindestens 81% die am häufigsten verwendete Sprache dar. Während in schulischen Situationen, wie dem Schulunterricht aber auch in den Pausen Arabisch zu mindestens 91% genutzt wird, findet sich vor allem Kurdisch in familiären Situationen mit 20% etwas mehr als in schulischen Situationen. Den Schul- und speziell den Mathematikunterricht absolvieren dennoch 16% bzw.

286

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

9% auf Kurdisch, die übrigen 3% und 1% auf Englisch.

Besonders

innerhalb

Gesprochene Sprachen innerhalb verschiedener Situationen (AR)

der

Freizeitsituationen, also im Gespräch mit

0%

Teilnehmenden der Stichprobe AR sprechen resp.

verwenden

innerhalb

dieser

Situationen Arabisch. Aber auch Englisch wird von 28% der Probanden angegeben, gefolgt von Kurdisch mit 18%. Die deutsche Sprache geben 14% der Teilnehmenden als genutzte

Sprache

in

konkreten

Familien-situationen

verschiedene Sprachen verwendet. 96% der

englisch

schulischen Kontext sowie in der Freizeit die

Mathematikunterricht

Sprachen zeigt deutlich, dass besonders im

2% 2%

kurdisch englisch

englisch

Freizeit

arabisch

kurdisch

sprechen, findet der (Mathematik)Unterricht

95%

kurdisch

darstellt. Obwohl 20% der Teilnehmenden in (auch)

86% 20%

englisch

arabische Sprache die Sprache der Mehrheit Familiensituationen

5%

jesidisch

arabisch

von

kurdisch deutsch

80% 100% 81%

arabisch

den

Die

60%

20%

kurdisch

Probanden der Stichprobe AR verwendeten

an.

40%

arabisch kurdisch

englisch

Freizeitsituationen

20%

arabisch

Schule

digitaler wie analoger Medien, werden

Familienmitglieder

Freunden, aber auch bei der Nutzung

16% 3% 91% 9% 1% 96% 28% 18% 14%

ebenso wie Freizeitaktivitäten auf Arabisch statt. Neben einer klaren Tendenz für die Verwendung

der

arabischen

Sprache,

Abbildung 133: Häufigkeit der gesprochenen Sprachen in verschiedenen Situationen innerhalb der Stichprobe AR in Prozent

zeichnet hier deutlich ab, dass einige Probanden in verschiedenen Situationen mehrere Sprachen verwenden. Hier gilt es innerhalb der weiteren Analyse die Mehrsprachigkeit der Teilnehmenden genauer zu betrachten. Die Analyse der situationsbezogenen Sprachverwendung zeigt für die Probanden der Stichprobe DA ein noch eindeutigeres Bild (s. Abbildung 134). Sowohl im schulischen Kontext wie auch in der Freizeit geben alle Teilnehmenden an Deutsch zu sprechen. Innerhalb der familiären Situationen sind es 90% und 87%. Die zweithäufigste Sprache im Gespräch mit einzelnen Familienmitgliedern stellt mit 10% Türkisch dar, gefolgt von Russisch (4%). In den verschiedenen Familiensituationen wird von 9% der Teilnehmenden Türkisch angegeben und von 4% Russisch. Im schulischen Kontext wird ergänzend zum Deutschen von 3% Englisch genannt, im Mathematikunterricht reduziert sich dies auf 1%. Besonders innerhalb der Freizeitaktivitäten stellt Englisch für knapp ein Viertel der Teilnehmenden (23%) eine ergänzend zum Deutschen verwendete Sprache dar.

287

6 Darstellung der Ergebnisse

Gesprochene Sprachen innerhalb verschiedener Situationen (DB)

Gesprochene Sprachen innerhalb verschiedener Situationen (DA) 60%

80% 100%

deutsch

90%

türkisch russisch

10% 4%

deutsch

87%

türkisch russisch

9% 4%

Mathematikunterricht

40%

60%

deutsch

3%

albanisch

1%

deutsch englisch

100% 1% 100%

arabisch

11%

türkisch

10%

deutsch

54%

arabisch

11%

türkisch

10%

kurdisch

10%

23% 4%

98%

englisch

6%

arabisch

6%

deutsch englisch

98% 2%

deutsch

Freizeit

englisch türkisch

80% 100% 68%

deutsch englisch

deutsch

Freizeit

20%

100%

Schule

Schule

deutsch

0%

Familienmitglieder

40%

Familiensituationen

20%

Mathematikunterricht

Familiensituationen

Familienmitglieder

0%

englisch arabisch

Abbildung 134: Häufigkeit der gesprochenen Sprachen in verschiedenen Situationen innerhalb der Stichprobe DA in Prozent

98% 22% 12%

Abbildung 135: Häufigkeit der gesprochenen Sprachen in verschiedenen Situationen innerhalb der Stichprobe DB in Prozent

Während im schulischen Kontext, ebenso wie in der Freizeit, auch innerhalb der Stichprobe DB, die Verwendung der deutschen Sprache mit 98% überwiegt, zeigen sich in der familiären Sprachverwendung deutliche Unterschiede (s. Abbildung 135). Im Gespräch mit einzelnen Familienmitgliedern

sprechen

68%

der

Teilnehmenden

Deutsch,

in

konkreten

Familiensituationen, wie ‚Mahlzeiten‘, ‚Familienfeiern‘ oder ‚Konflikten‘ reduziert sich die Zahl der Probanden auf 54%. Neben dem Deutschen, werden von jeweils 10% bzw. 11% der Teilnehmenden Arabisch, Türkisch und Kurdisch angegeben. Die übrigen Teilnehmenden, die keine dieser fünf Sprachen sprechen, geben Sprachen an, die innerhalb der Stichprobe weniger als 10% der übrigen Probanden sprechen. Wie bereits bei der Betrachtung der Familiensprachen dargestellt, zeigt sich bei der Sprachverwendung der Stichprobe DB die größte Vielfalt. Im schulischen Kontext wird neben der deutschen Sprache von jeweils 6% der

288

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Stichprobe Englisch und Arabisch angegeben. Der Mathematikunterricht findet entweder auf Deutsch (98%) oder auf Englisch (2%) statt. In Freizeitsituationen sprechen 22% der Teilnehmenden Englisch und 12% Arabisch. 100% 88%

93%

100%

100%

100%

100%

100%

100%

100%

99%

100%

100%

100%

80% 60% 40% 20%

12%

5%2%

1%

0% ARK1

ARK2

ARK3

ARK4

DAK1

DAK2

Stichprobe AR

DAK3

DAK4

DAK5

DBK1

Stichprobe DA

arabisch

deutsch

kurdisch

DBK2

DBK2

DBK4

Stichprobe DB

italienisch

englisch

Abbildung 136: Häufigkeit der jeweiligen Sprachen im Kontext Schule je Teilstichprobe (%)

Die Verteilung der Schulsprachen innerhalb der Teilstichprobengruppen ist in Abbildung 136 dargestellt. Innerhalb der Teilstichprobengruppen ARK1 sind mit 12% am häufigsten Teilnehmende vertreten, deren Schulsprache nicht Arabisch ist, gefolgt von den Probanden der ARK2 mit 7%. In den Stichproben DA und DB wird überwiegend Deutsch gesprochen. Nur innerhalb der DBK1 findet sich Italienisch bei 1% der Probanden. 100% 80%

71%

82%

100%

100%

87% 71%

100%

100%

74%

71% 59% 58% 43% 41%

60% 40%

29%

20%

29%

18%

26%

67%

29% 33%

13% 0%

0%

ARK3

ARK4

0%

0%

DAK4

DAK5

0% ARK1

ARK2

DAK1

DAK2

Stichprobe AR Arabisch bzw. Deutsch

DAK3

DBK1

Stichprobe DA

DBK2

DBK3

DBK4

Stichprobe DB

Nicht Arabisch bzw. nicht Deutsch

Abbildung 137: Häufigkeit der Familiensprache je Teilstichprobengruppe in Prozent

Mit Ausnahme der Teilstichprobengruppe DBK4 zeichnet sich die Tendenz ab, dass bei steigender mathematischer Kompetenz stichprobenübergreifend eine Reduktion der Häufigkeit anderer Familiensprachen zu erkennen ist (s. Abbildung 137). Es gilt jedoch zu beachten, dass die Teilstichprobengruppe DBK4 nur drei Teilnehmenden umfasst und daher statistisch nicht aussagekräftig ist. Insgesamt zeigt die Betrachtung der Sprachverwendung, dass innerhalb der Stichproben DA und DB Deutsch und innerhalb der Stichprobe AR Arabisch die vorherrschende Sprache ist. Während für die arabischsprachigen Teilnehmenden jedoch zum Teil Kurdisch die Familienund auch Schulsprache ist, zeigt die Stichprobe DB die größte Vielfalt an verschiedenen Sprachen. Im Folgenden wird daher die Art Mehrsprachigkeit näher betrachtet.

289

6 Darstellung der Ergebnisse

Mehrsprachigkeit Zur Analyse der Mehrsprachigkeit werden die Antworten der Teilnehmenden zur Sprachverwendung in konkreten Situationen näher betrachtet. Hierbei wird zunächst die Anzahl der innerhalb der Familie gesprochenen Sprachen dargestellt. Anschließend erfolgt die Rekonstruktion der Anzahl der situationsspezifisch gesprochenen Sprachen sowie die Beschreibung der Art der Mehrsprachigkeit.

Anzahl der gesprochenen Sprachen Bei der Betrachtung der sprachlichen Hintergründe der Gesamtstichprobe zeigt sich, dass in allen drei Stichproben sowohl monolinguale als auch bi- bzw. multilinguale Probanden vertreten sind. Anhand der Angaben zu gesprochenen Sprachen in verschiedenen familiären Situationen zeigt sich, dass innerhalb der Stichprobe AR 76%, in der Stichprobe DA 62% und in der Stichprobe DB 53% der Teilnehmenden innerhalb der Familie nur eine Sprache sprechen (s. Abbildung 138). 80% 60%

76% 62%

53% 36%

40%

43%

22%

20%

2%

2%

4%

0% 1 Sprache

2 Sprachen AR

DA

3 Sprachen

DB

Abbildung 138: Häufigkeit der Anzahl der Familiensprachen je Stichprobe in Prozent

Die Verwendung von drei Sprachen findet sich stichprobenübergreifend bei weniger als 10% der Teilnehmenden, wohingegen zwei Sprachen vor allem innerhalb der Stichprobe DB (43%), gefolgt von der Stichprobe DA mit 36% gesprochen werden. Hier zeigt sich eine deutliche Differenz zur Stichprobe AR, da nur 22% der arabischsprachigen Teilnehmenden innerhalb der Familie zwei Sprachen sprechen. Unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen Kompetenzstufe zeigt sich, dass in allen Teilstichprobengruppen bilinguale Teilnehmende vertreten sind (s. Abbildung 139). In der Stichprobe DA reduziert sich die Häufigkeit bilingualer Probanden bei gleichzeitig zunehmender Kompetenzstufe mit Ausnahme der DAK5. Hier sind 42% der Teilnehmenden bilingual. Für die Teilnehmenden der Stichproben AR und DB zeigt sich ein gemischtes Bild: Von Kompetenzstufe 1 zu 2 nimmt der Anteil monolingualer Teilnehmer in ARK1 und ARK2 ab, der sich daraufhin mit 89% jedoch deutlich erhöht. Unter den Schülern der beruflichen Schule reduziert sich der Anteil bilingualer Probanden im Vergleich der Teilstichprobe DBK1 zu DBK2, um in DBK3 wieder zu steigen.

290

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

100% 80%

100%

89% 77%

80%

72%

67% 57%

60% 40% 20%

20%

57%

48% 45% 35%

30%

43%

20%

2%

11% 0%

0%

0%

2%

ARK2

ARK3

ARK4

DAK1

DAK2

3%

65%

58% 42%

36%

33%

26%

63%

62%

43%

7%

0%

0%

DAK4

DAK5

7%

0%

0%

0%0%

DBK2

DBK3

DBK4

0% ARK1

Stichprobe AR

DAK3

DBK1

Stichprobe DA monolingual

bilingual

Stichprobe DB multilingual

Abbildung 139: Häufigkeit der Anzahl der Familiensprachen je Teilstichprobe in Prozent

Insgesamt zeigt sich, dass in allen drei

Anzahl der Sprachen je Situation

Familiensituation

Familienmitglieder

0%

20%

40%

60%

1 Sprache

67% 62% 15%

2 Sprachen

3 Sprachen

84%

1 Sprache

1% 5%

geben

56%

der

arabisch-

mit vier Sprachen) an, im Rahmen ihrer Freizeit, wie unter anderem im Gespräch mit Medien oder beim Lesen von Zeitschriften,

81% 93% 73%

3 Sprachen

So

Freunden, bei der Nutzung verschiedener

16% 25% 23%

6%

verwendeten Sprachen jedoch (s. Abbildung

Sprachen, 10% mit drei Sprachen und 1% 84% 75% 77%

2 Sprachen

nach Situation verändert sich die Anzahl der

sprachigen Teilnehmenden (45% mit zwei

1% 2% 4%

2 Sprachen

innerhalb der Familie gesprochen werden. Je

142).

31% 34%

1 Sprache

Schule

Stichproben zum Teil bis zu drei Sprachen

80% 100%

19%

Zeitungen und Büchern, mehr als eine Sprache zu sprechen. Hier zeigen sich deutliche Gemeinsamkeiten zur Stichprobe

22%

DB im Gegensatz zur Stichprobe DA. Die Probanden der Stichprobe DA verwenden 44%

Freizeit

1 Sprache

43% 45%

2 Sprachen

3 Sprachen

4 Sprachen

63%

31% 42% 10% 6% 13%

mit 63% vergleichsweise deutlich häufiger nur eine Sprache, deutlich seltener hingegen mit mehr als 10% Differenz zu den anderen beiden Stichproben werden zwei oder mehr Sprachen in der Freizeit verwendet.

1%

Die Analyse der familiären Situationen zeigt,

2%

dass AR

DA

DB

Abbildung 140: Häufigkeit der Anzahl der Sprachen in verschiedenen Situationen je Stichprobe in Prozent

sich

hier

die

arabischsprachigen

Teilnehmenden von den Stichproben DA und DB mit mehr als 10% in der Anzahl der verwendeten Sprachen im Gespräch mit

291

6 Darstellung der Ergebnisse

einzelnen Familienmitgliedern deutlich unterscheiden. Innerhalb konkreter Familiensituationen ähneln sich die drei Stichproben hingegen in der Häufigkeit der Verwendung von einer bzw. zwei Sprachen. Im schulischen Kontext, innerhalb dessen, neben der gesprochenen Sprache im Unterricht auch die Pausen gezählt werden, unterscheiden sich alle drei Stichproben um mehr als 10%. Eine Sprache wird vor allem innerhalb der Stichprobe DA in der Schule von 93% der Teilnehmenden verwendet, gefolgt von 81% der Teilnehmenden der Stichproben AR. Innerhalb der Stichprobe DB liegt die Anzahl der Probanden, die in der Schule eine Sprache sprechen bei 73%. Die Häufigkeit der Verwendung von zwei Sprachen ist in den Stichproben AR und DB mit 19% und 22% ähnlich hoch, wohingegen nur 6% der Teilnehmenden der Stichprobe DA innerhalb der Schule zwei Sprachen sprechen. Anhand der Anzahl der gesprochenen Sprachen zeigt sich, dass innerhalb der drei Stichproben mehr als die Hälfte der Teilnehmenden in drei der vier Situationen monolingual sind (s. Tabelle 34). In ihrer Freizeit verwenden vor allem die Teilnehmenden der Stichproben AR und DB mehr als eine Sprache. Tabelle 34: Anzahl der ein- und mehrsprachigen Teilnehmenden je Stichprobe in Prozent Kontext Familienmitglieder Familiensituationen Schule Freizeit

einsprachig mehrsprachig einsprachig mehrsprachig einsprachig mehrsprachig einsprachig mehrsprachig

AR

DA

DB

84% 16% 84% 16% 81% 19% 44% 56%

67% 33% 75% 25% 93% 7% 63% 37%

62% 38% 77% 23% 73% 27% 43% 57%

Art der Mehrsprachigkeit Die genaue Betrachtung der Antworten zur Sprachverwendung in verschiedenen Situationen gibt Aufschluss über die Art der Mehrsprachigkeit. Die mehrsprachigen Teilnehmenden sprechen beispielsweise mit den Eltern eine andere Sprache als mit den Geschwistern oder aber im Unterricht eine andere Sprache als in der Pause (Kategorie 1). Andere Teilnehmer weisen eine primäre Familiensprache bzw. Alltagssprache auf, die mit einzelnen Personen bzw. in einzelnen Situationen durch mindestens eine weitere Sprache ergänzt wird (Kategorie 2). Eine Erweiterung der Kategorie 1 stellt Kategorie 3 dar. Sprechen die Teilnehmenden beispielsweise mit den Eltern kurdisch und mit den Geschwistern mehr als eine andere Sprache, wird diese der Kategorie 3 zugeordnet. Ebenso verhält es sich, wenn die Teilnehmenden in bestimmten Situationen (beispielsweise, bei den gemeinsamen Mahlzeiten) eine Sprache sprechen, bei Familienfeiern jedoch verschiedene andere Sprachen. Kurz gefasst lassen sich die drei Kategorien wie folgt beschreiben:

292

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte



Kategorie 1: verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen Situationen (bspw. mit Mutter und Vater Kurdisch, mit den Geschwistern Persisch; im Unterricht Arabisch, in der Pause Kurdisch)



Kategorie 2: verschiedene Sprachen mit einzelnen Personen bzw. in einzelnen Situationen (bspw. mit Mutter und Vater Kurdisch, mit den Geschwistern Kurdisch und Türkisch; im Unterricht Arabisch, in der Pause Arabisch und Türkisch)



Kategorie 3: mehrere verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen in verschiedenen Situationen (bspw. mit Mutter und Vater kurdisch, mit den Geschwistern Persisch und Türkisch; im Unterricht Arabisch, in der Pause Kurdisch und Persisch)

Abbildung 141 zeigt die Häufigkeit der Art der Mehrsprachigkeit anhand der drei Kategorien je Stichprobe in Prozent. Hierbei werden die Teilnehmenden genauer betrachtet, die zwei oder mehr Sprachen innerhalb verschiedener Situationen sprechen.

Art der Mehrsprachigkeit

Familiensituation

Familienmitglieder

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% 9%

Kategorie 1: verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen Situationen Kategorie 2: verschiedene Sprachen mit einzelnen Personen bzw. in einzelnen Situationen Kategorie 3: mehrere verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen…

0%

11% 10% 22% 29% 21%

Kategorie 1: verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen Situationen Kategorie 2: verschiedene Sprachen mit einzelnen Personen bzw. in einzelnen Situationen Kategorie 3: mehrere verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen…

66%

Schule

20% 22%

72%

80%

4% 0% 6% 19% 17% 10% 67% 69% 73%

Kategorie 2: verschiedene Sprachen mit einzelnen Personen bzw. in einzelnen Situationen 13% 13% 17%

Kategorie 3: mehrere verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen… DA

36% 61%

Kategorie 1: verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen Situationen

AR

78% 75%

0% 6% 4%

Kategorie 2: verschiedene Sprachen mit einzelnen Personen bzw. in einzelnen Situationen Kategorie 3: mehrere verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen…

91%

48% 52%

Kategorie 1: verschiedene Sprachen mit verschiedenen Personen bzw. in verschiedenen Situationen

Freizeit

41% 38%

DB

Abbildung 141: Häufigkeit der Art der Mehrsprachigkeit in verschiedenen Situationen je Stichprobe in Prozent

293

6 Darstellung der Ergebnisse

Zu beachten ist, dass sich die Verwendung der Sprachen nur auf die jeweils gefragte Situation bezieht. Die Art der Mehrsprachigkeit kann in den verschiedenen Situationen variieren. Die prozentuale Verteilung der Kategorien beruht auf der Anzahl der mehrsprachigen Teilnehmenden. Die Größe der Teilgruppen variiert somit je nachdem welche Situation betrachtet wird (s. Tabelle 34). Die Betrachtung der Art der Mehrsprachigkeit im Gespräch mit Familienmitgliedern umfasst 26 Probanden der Stichprobe AR, 48 der Stichprobe DA und 46 der Stichprobe DB. Arabischsprachige Teilnehmende sind mit 91% am häufigsten in Kategorie 2 einzuordnen. Auch die meisten Probanden der Stichprobe DB fallen in diese Kategorie, allerdings mit 52% deutlich seltener als die Stichprobe AR. Innerhalb der Stichprobe DA kommen die Kategorien 1 und 2 ähnlich oft vor (41% und 48%). Kategorie 1 können von den Teilnehmenden der Stichprobe DB mit 38% etwas weniger Probanden zugeordnet werden als von DA und aus der Stichprobe AR mit 9% nur vereinzelte Teilnehmende. Kategorie 3, also die Verwendung mehrerer verschiedener Sprachen mit verschiedenen Personen, findet sich im Gespräch mit Familienmitgliedern nicht innerhalb der Stichprobe AR. In den Stichproben DA und DB entsprechen hingegen 10% und 11% der Teilnehmenden dieser Kategorie. Sprechen die Teilnehmenden

mit

einzelnen

Mitgliedern

ihrer

Familie

unterscheiden

sich

die

arabischsprachigen Probanden mit mehr als 20% Differenz deutlich von den anderen beiden Stichproben in der Art der Mehrsprachigkeit konkret innerhalb der Kategorien 1 und 2. Die Betrachtung konkreter Familiensituationen (gemeinsame Mahlzeiten, Familienfeiern und Konflikte)

zeigt,

dass

die

Teilnehmenden

stichprobenübergreifend

am

häufigsten

verschiedene Sprachen in einzelnen Situationen sprechen (Kategorie 2). Insgesamt sind hier Gruppen einer Größe von n=23 (AR), n=25 (DA) und n=28 (DB) aufgeführt. Kategorie 1 liegt bei jeweils mehr als 20% der Probanden aller drei Stichproben vor und Kategorie 3 bei weniger als 10%. Innerhalb der Familiensituationen zeigen sich keine auffälligen Unterschiede zwischen den drei Stichproben. Im schulischen Kontext sprechen die mehrsprachigen Probanden der Stichprobe AR (n=28) mit 61% überwiegend verschiedene Sprachen in einzelnen Situationen, gefolgt von verschiedenen Sprachen in verschiedenen Situationen mit 36%. Hiervon unterschieden sich die Stichproben DA (n=10) und DB (n=32). Kategorie 2 tritt bei den Teilnehmenden dieser beiden Stichproben mit mehr als 10% Differenz deutlich häufiger, Kategorie 1 hingegen auffallend seltener auf. Kategorie 3 findet sich in allen drei Stichproben bei weniger als 10% der Teilnehmenden. Ebenso wie im Gespräch mit einzelnen Familienmitgliedern zeigen sich im schulischen Kontext somit auffallende Unterschiede zwischen den Stichproben AR und den Vergleichsstichproben.

294

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

In ihrer Freizeit sprechen die meisten mehrsprachigen Probanden aller drei Stichproben (n(AR)=83, n(DA)=52, n(DB)=71), verschiedene Sprachen in einzelnen Situationen mit 67%, 69% und 73%. Die Kategorien 1 und 3 treten stichprobenübergreifend bei mehr als 10% der Teilnehmenden auf. Ebenso wie bei den konkreten Familiensituationen zeigen sich innerhalb der Freizeitaktivitäten Ähnlichkeiten in der Form der Mehrsprachigkeit zwischen den drei Stichproben. Die Analyse der jeweils genannten Sprachen unterstreicht die Vielfalt, die bereits Baumann und Riedl (2015) im Rahmen ihrer Befragung aufgezeigten. Insgesamt zeigt sich deutliche Tendenz hinsichtlich einer heterogenen Vielsprachigkeit. Diese Tendenz stellt jedoch aufgrund der geringen Gruppengrößen nur einen ersten Hinweis dar.

Deutscherwerb Neben der Sprachverwendung und der Analyse der Mehrsprachigkeit werden innerhalb der Stichprobe AR Informationen zum Erwerb der deutschen Sprache erhoben. Ergänzend zur Dauer des Spracherwerbs werden der Ort und die beteiligten bzw. lehrenden Personen näher betrachtet, die mit dem Deutscherwerb zusammenhängen. Aufgrund der Relevanz zertifizierter Nachweise werden die Teilnehmenden befragt, ob sie über ein Deutschzertifikat verfügen und welches Niveau dieses hat. Inwiefern der Erwerb des Deutschen einen Indikator in Bezug zur gezeigten mathematischen Kompetenz darstellt, wird durch die differenzierende Betrachtung der Daten anhand der Teilstichprobengruppen (ARK) analysiert.

Informationen zum Deutscherwerb Um den Prozess des Deutschlernens der arabischsprachigen Teilnehmenden (Stichprobe AR) genauer betrachten zu können, erfolgt die Betrachtung der Dauer sowie des Ortes (Land und Organisation) und der Person mit der Deutsch gelernt wird. Abbildung 142 zeigt die Häufigkeit der Teilnehmenden deren Deutscherwerb der entsprechenden Dauer in Monaten entspricht. Hierbei zeigt sich, dass mit 47% die meisten Teilnehmenden der Stichprobe AR seit 12 bis 23 Monaten Deutsch lernen, gefolgt von einer Dauer von 24 bis 35 Monaten (26%). Ein Zeitraum von 1 bis 5 Monaten findet sich bei 11% der Teilnehmenden und 10% lernen Deutsch seit 6 bis 11 Monaten. Eine Dauer von mehr als 36 Monaten findet sich nur bei einzelnen Probanden. 60%

47%

40% 20%

26% 11%

10%

1 bis 5 Monate

6 bis 11 Monate

4%

1%

36 bis 47 Monate

48 Monate

0% 12 bis 23 Monate

24 bis 35 Monate

Abbildung 142: Häufigkeit der Dauer des Deutscherwerbs innerhalb der Stichprobe AR in Prozent

295

6 Darstellung der Ergebnisse

Die differenzierte Betrachtung der Dauer des Deutscherwerbs unter Berücksichtigung der erreichten Mathematischen Kompetenzstufe zeigt, wie in Abbildung 143 dargestellt, dass jeweils 47% der Teilstichprobengruppen ARK1 und ARK2 seit 12 bis 23 Monaten Deutsch lernen, ebenso wie 33% der ARK3 und 67% der ARK4. Der zweit häufigste Zeitraum aller Teilstichproben liegt zwischen 24 und 35 Monaten. Mit 22% findet sich innerhalb der Teilstichprobe ARK3 ein Zeitraum von 6 bis 11 Monaten häufiger als in den übrigen Gruppen. Ein Zeitraum von 1 bis 5 Monaten geben innerhalb der ARK2 und ARK3 mehr als 10% der Teilnehmenden an. Eine Dauer von mehr als 36 Monaten findet sich nur innerhalb der ARK1 und ARK2 bei einzelnen Probanden. 80%

67%

60%

47% 47% 33%

40% 20%

14% 9% 11%

22% 9%11%

30% 33% 33% 18% 4% 5%

1% 2%

0% 1 bis 5 Monate 6 bis 11 Monate

12 bis 23 Monate ARK1

ARK2

24 bis 35 Monate ARK3

36 bis 47 Monate

48 Monate

ARK4

Abbildung 143: Häufigkeit der Dauer des Deutscherwerbs innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent

Abgesehen vom Zeitraum zwischen 24 und 35 Monaten ähnelt sich die Häufigkeit der Teilnehmenden innerhalb der Gruppen ARK1 und ARK2. Im Zeitraum von 1 bis 5 Monaten ähneln sich die Teilstichprobengruppen ARK1, ARK2 und ARK3. Im Zeitraum von 6 bis 11 Monaten zeigen sich Unterschiede zwischen ARK1 und ARK2 gegenüber der ARK3. Bei einer Dauer von 12 bis 23 Monaten zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen ARK1 resp. ARK2 und den anderen beiden Teilstichproben von mehr als 10% Differenz zur ARK3 und 20% zur ARK4. Gemeinsamkeiten zeigen sich zwischen ARK1, ARK3 sowie ARK4 im Zeitraum von 24 bis 35 Monaten, wobei sich die ARK2 hier von den übrigen Teilstichproben um mehr als 10% unterscheidet. Hinsichtlich des Ortes des Deutschspracherwerbs werden von den Teilnehmenden der Stichprobe AR drei verschiedene Länder genannt. 95% der Probanden geben Deutschland an. Abbildung 144 zeigt die Verteilung der Antworten hinsichtlich der Länder und Organisationen des Deutscherwerbs, die von den Teilnehmenden der Stichprobe AR angegeben werden, in Prozent. Die Schweiz sowie Syrien werden von einem Prozent angegeben. Die übrigen 3% machen keine Angaben zum Land des Spracherwerbs. Als Organisation wird von der überwiegenden Anzahl der Teilnehmenden die Schule aufgeführt.

296

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Andere Organisationen, wie Sprachkurse, Volkshochschule, das Asylheim oder private Lerngelegenheiten finden sich nur in den Antworten einzelner Teilnehmenden. Die in Abbildung 145 dargestellte Analyse der Antworten unter Berücksichtigung der erreichten mathematischen

Kompetenzstufen

zeigt,

dass

Deutschland

in

allen

vier

Teilstichprobengruppen überwiegt. Die Schweiz findet sich bei einzelnen Probanden der ARK1 und ARK2 und Syrien nur bei 1% der Teilnehmenden der ARK1.

Ort des Deutschspracherwerbs (AR)

Ort des Deutschspracherwerbs (ARK)

0% 20% 40% 60% 80%100%

Schweiz

1%

Syrien

1%

96% 91% 100% 100%

Deutschland

95%

Land

Land

Deutschland

0% 20% 40% 60% 80%100%

Schweiz

1% 2%

1%

Schule

Asylheim

Sprachkurs

Syrien 89% 82% 78% 100%

Schule

86%

Asylheim

2%

Sprachkurs

3% 4%

1%

3%

Auf der Straße

2%

Volkshochschule

1%

Organisation

Organisation

4%

Auf der Straße

Volkshochschule

Freier Träger

Freier Träger

4%

2% 11%

1% 3%

privat privat

aufgabenunabhängige Antwort aufgabenunabhängige Antwort

11%

2% 3%

1% ARK1

Abbildung 144: Häufigkeit der Orte des Deutsch-erwerbs innerhalb der Stichprobe AR in Prozent

ARK2

ARK3

ARK4

Abbildung 145: Häufigkeit der Orte des Deutsch-erwerbs innerhalb der Teilstichprobegruppen ARK in Prozent

297

6 Darstellung der Ergebnisse

Hinsichtlich der Organisationen zeigt sich, dass die drei Teilnehmenden der ARK4 innerhalb der Schule Deutsch lernen. Hier unterscheiden sich die Probanden der ARK1 und ARK2 mit einer Differenz von 10% und die Teilstichprobengruppe ARK3 um mehr als 20%. In den Teilstichproben ARK1 und ARK2 geben einzelne Teilnehmende verschiedene andere Organisationen an. Innerhalb der ARK3 finden sich bei mehr als 10% die Angabe von Organisationen in freier Trägerschaft und privaten Lernformaten. Hier unterschiedet sich diese Teilstichprobe von den übrigen Gruppen. Die am Deutschspracherwerb beteiligten Personen sind, wie in Abbildung 146 dargestellt, bei 89% der Stichprobe AR Lehrkräfte. Mehr als 10% geben an mit ihren Freunden Deutsch zu lernen, gefolgt von 7%, die mit ihrer Familie lernen. Die (nicht leibliche) Familie innerhalb derer die Probanden in Deutschland leben, ebenso wie Mitschüler, Integrationshelfer und Mitmenschen (auf der Straße) werden von einzelnen Probanden genannt.

Deutschspracherwerb (Person) (AR)

Deutschspracherwerb (Person) (ARK)

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Freunde

Familie (eigene)

Familie (Deutschland)

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Freunde

11%

Familie (eigene)

7%

14% 7% 11%

8% 5% 33%

Familie (Deutschland)

1%

11%

84% 96% 89% 100%

Lehrer Lehrer

89% 1% Integrationshelfer

Integrationshelfer

1%

Mitschüler

1%

Mitschüler

Mitmenschen (auf der Straße) Mitmenschen (auf der Straße)

1% 2%

1% ARK1

Abbildung 146: Häufigkeit der am Deutschspracherwerb beteiligten Personen innerhalb der Stichprobe AR in Prozent

298

11%

ARK2

ARK3

ARK4

Abbildung 147: Häufigkeit der am Deutschspracherwerb beteiligten Personen innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent

6.5 Bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte

Abbildung 147 zeigt die Häufigkeit am Deutschspracherwerb beteiligten Personen innerhalb der Teilstichproben ARK. Hierbei zeigt sich, dass die Lehrkraft innerhalb aller Teilstichprobengruppen mit mehr als 80% und bis zu 100% am häufigsten genannt wird. Freunde werden von den Teilnehmenden der ARK1 und ARK3 mit mehr als 10% aufgeführt. Hier zeigen sich jedoch keine deutlichen Unterschiede zu den anderen beiden Teilstichprobengruppen. Mitschüler und die Familie in Deutschland werden nur innerhalb der ARK3 von mehr als 10% genannt. Die eigene Familie ist für einen Teilnehmenden der ARK4, neben dem Lehrer, eine nennenswerte Personengruppe beim Erlernen des Deutschen. Die Teilstichproben ARK3 und ARK4 heben sich bei Personen, die nicht ihre Lehrer sind, von den anderen Stichproben ab. Beim Deutscherwerb mit Freunden ähnelt sich die Häufigkeit hingegen stichprobenübergreifend.

Zertifikat Zur Einschätzung der sprachlichen Fähigkeiten in einer Fremdsprache dienen Sprachzertifikate, die Auskunft über das Niveau der Sprachkenntnisse in Deutsch geben. Die Befragung hinsichtlich des Vorhandenseins von Zertifikaten zur Bestätigung des Niveaus der sprachlichen Fähigkeiten im Deutschen zeigt, dass 66% der Stichprobe AR ein Deutschzertifikat besitzt (s. Abbildung 148). 31% geben an ein solches Zertifikat nicht zu besitzen und 3% geben an es nicht zu wissen.

Abbildung 148: Prozentuale Häufigkeit der Deutschzertifikate der Stichprobe AR

„Um die bei den Sprachprüfungen erzielten Ergebnisse untereinander vergleichen zu können, wurde der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen entwickelt. Dieser teilt das Sprachniveau der Lernenden in sechs verschiedene Kompetenzstufen von A1 (Anfänger) bis C2 (Experten) ein“ (GER 2019).

Die Teilnehmenden mit Zertifikat werden entsprechend gefragt, welchem Niveau ihre sprachlichen Fähigkeiten entsprechen. Abbildung 149 zeigt die Häufigkeit des jeweiligen Sprachniveaus der Stichprobe AR in Prozent. 50% 38%

40% 30%

34%

23%

20% 10%

2%

3%

B2

weiß nicht

0% A1

A2

B1

Abbildung 149: Häufigkeit des Niveaus der Deutschzertifikate innerhalb der Stichprobe AR in Prozent

 299

6 Darstellung der Ergebnisse

Mit 38% haben die meisten Teilnehmenden mit Zertifikat einen Nachweis, dass ihre sprachlichen Fähigkeiten dem Niveau A2 entsprechen, 34% erreichen das Niveau B1. Mit mehr als 10% Differenz folgt das Niveau A1 (23%). Sprachliche Fähigkeiten im Deutschen, die dem Niveau B2 entsprechen, haben nur 2% der Teilnehmenden. Die

Betrachtung

des

zertifizierten

Sprachniveaus

unter

Berücksichtigung

der

Teilstichprobengruppen ARK zeigt, dass sich die Anzahl der Teilnehmenden der ARK1, ARK3 und ARK4 stark ähneln (s. Abbildung 150). Das Niveau B2 findet sich in allen vier Gruppen ähnlich häufig. In der Häufigkeit der Niveaus A1 und A2 unterschieden sich die Teilnehmenden der ARK2 von den übrigen Teilstichproben um mehr als 10%. Deutlich mehr Probanden der ARK2 haben ein Zertifikat des Niveaus A2. Das Niveau B2 findet sich nur innerhalb der Teilstichprobe ARK1. 46%

50% 40% 30% 20%

33%33%

33%

33%33%

36% 33% 33%33%

27% 15%

10%

4%

4% 3%

0% A1

A2

B1 ARK1

ARK2

ARK3

B2

weiß nicht

ARK4

Abbildung 150: Häufigkeit des Niveaus der Deutschzertifikate innerhalb der Teilstichprobengruppe ARK in Prozent

Hinsichtlich der Sprachniveaus zeigen sich somit Ähnlichkeiten zwischen den Teilnehmenden der Stichproben ARK1 und ARK3 sowie ARK4. Die Teilnehmenden der ARK2 unterscheiden sich bezüglich des Niveaus A2, das innerhalb dieser Gruppe häufiger vorliegt. Deutliche Tendenzen, die ein Indiz für den Zusammenhang zu der erreichten mathematischen Kompetenz erkennen lassen, zeigen sich anhand der zertifizieren sprachlichen Fähigkeiten der Teilnehmenden nicht eindeutig.

300

7 Interpretation In diesem Kapitel sollen, basierend auf den zuvor dargestellten Ergebnissen, die Resultate innerhalb der folgenden zentralen Bereiche dargestellt werden: • mathematische Kompetenz (Abschnitt 7.1), • mathematische Basiskompetenzen (Abschnitt 7.2), • Intelligenz (Abschnitt 7.3), • mathematikbezogene Vorstellungen (Abschnitt 7.4), • bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte (Abschnitt 7.5) Leitend für die darauf basierende Interpretation der Daten sind die der Studie zugrundeliegenden Fragestellungen (s. Kapitel 4). Diese tragen zur Beantwortung der übergeordneten Frage bei (Abschnitt 7.6): ‚Welche Gemeinsamkeiten und Differenzen zeigen sich im Vergleich der mathematischen

Kompetenz

arabischsprachiger

und

deutschsprachiger

Jugendlicher unter Berücksichtigung verschiedener bedingender Faktoren, wie mathematische

Basiskompetenzen,

Intelligenz

und

mathematikbezogene

Vorstellungen sowie bildungsbiografische, sprachliche und soziokulturelle Aspekte?‘ Hinsichtlich der im Folgenden vorgenommenen Interpretation, die der Identifikation der blinden Flecken, bezogen auf die Wahrnehmung des Mathematiklernens im Kontext (Flucht)Migration, anhand der in Kapitel 6 dargestellten Ergebnisse, dient, sei erneut darauf hingewiesen, dass der Fokus der Studie auf der deskriptiven Darstellung der empirischen Befunde liegt. Kern und Zielsetzung der Studie ist es, anhand der Deskription des Forschungsfeldes fundierte Kenntnisse über die mathematische Kompetenz der Teilnehmenden im interkulturellen Vergleich der drei Stichproben AR, DA und DB zu gewinnen. Um allgemeine, generalisierte Aussagen über die mathematische Kompetenzen und die erhobenen den Kompetenzerwerb bedingenden Faktoren zu treffen, sind die vorliegenden Daten, u.a. aufgrund der Größe der Stichprobe und der Zielsetzung der Studie, ungeeignet. Jedes der nachfolgenden Unterkapitel umfasst zunächst eine stichprobenvergleichende Übersicht der Ergebnisse, die aus der Erhebung der befragten Teilnehmenden rekonstruiert werden konnten. Ziel der zusammenfassenden Darstellung ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Stichproben zu verdeutlichen. Hierzu werden die Ergebnisse stichprobenbezogen in Prozent dargestellt und verglichen. Zum Vergleich werden vier Kriterien herangezogen, die die Gemeinsamkeiten (

/

) zwischen allen drei Stichproben bzw. zwei

Stichproben in Abgrenzung zur dritten Stichprobe (

/

) näher betrachtet. Während die

kräftige Farbwahl eine deutliche Gemeinsamkeit markiert, zeigt eine schwache Farbnuance, eine weniger starke Ausprägung.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021 R. Höhr, Blinde Flecken in der Mathematik, https://doi.org/10.1007/978-3-658-32135-2_7

7 Interpretation

Die vergleichende Betrachtung je Teilbereich wird anschließend im Rahmen der Interpretation der Befunde zur Beantwortung der globalen Fragestellungen (Abschnitt 5.6) herangezogen. Hieraus sollen abschließend in Kapitel 1, im Rahmen des Fazits, einerseits erste Hypothesen über die mathematische Kompetenz der teilnehmenden Stichproben und die damit zusammenhängenden Variablen gewonnen werden. Andererseits dienen die gewonnen Erkenntnisse über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Stichproben zur Ableitung didaktischer Implikationen zur Verbesserung der Teilhabe. Diese können als mögliche Ansatzpunkte zur Gestaltung von Maßnahmen zur gezielten Unterstützung und Förderung neuzugewanderter Schüler mit unterschiedlichen Niveaus der deutschen Sprache dienen.

7.1 Fokus: Mathematische Kompetenz Ein zentraler Bestandteil der vorliegenden Studie stellt die vergleichende Betrachtung der mathematischen Kompetenz der drei Stichproben dar. Um im Folgenden der Beantwortung von zwei grundlegenden Fragen nachzugehen, werden zunächst die zentralen Ergebnisse der mathematischen Kompetenz, die die Teilnehmenden bei der Bearbeitung des BiMa Sek 1 zeigten, zusammenfassend dargestellt.

7.1.1 Zusammenfassung und vergleichende Betrachtung der mathematischen Kompetenz Anhand der Ergebnisse des BiMa Sek 1 ist festzustellen, dass sich die Leistungen der beiden Stichprobengruppen AR und DB bei der Betrachtung mathematischer Kompetenzen sowohl in der Anzahl bearbeiteter, richtig gelöster und durchschnittlich gelöster Aufgaben sehr ähnlich sind (s. Abschnitt 6.1). Die Teilnehmenden der Stichprobengruppe DA heben sich hingegen zum Teil mit mehr als einer Aufgabe innerhalb der Leitideen und durchschnittlich sechs Aufgaben im gesamten Testverfahren deutlich davon ab. Tabelle 35 zeigt die Ergebnisse zur Beschreibung mathematischer Kompetenzen zusammenfassend in den Bereichen Verhältnis der bearbeiteten Aufgaben zur Gesamtzahl der Testitems (30 Aufgaben), Verhältnis der richtig gelösten im Vergleich zu den bearbeiteten Aufgaben und Verteilung der erreichten Kompetenzstufen. Gemeinsamkeiten sind dann zu erkennen, wenn die Differenz zwischen zwei Stichproben kleiner 10% und gegenüber der übrigen Stichprobe größer 10% ist.

302

7.1 Fokus: Mathematische Kompetenz

Im Verhältnis der durchschnittlich bearbeiteten Aufgaben zeigen sich Ähnlichkeiten zwischen den Stichproben AR und DB. Dies ist sowohl bei der Gesamtzahl der bearbeiteten Items wie auch in Leitidee 2: Messen der Fall. In Leitidee 3: Raum und Form liegt die Differenz gegenüber der Stichprobe DA bei mindestens 20%. Insgesamt bearbeiten die Teilnehmenden der Stichprobe DA leitideenübergreifend durchschnittlich die meisten Aufgaben. Nur in Leitidee 1: Zahl werden von allen drei Stichproben ähnlich viele Aufgaben bearbeitet. Tabelle 35: Zusammenfassung der Ergebnisse zur Beschreibung mathematischer Kompetenzen

Stichprobe AR

Stichprobe DA

Stichprobe DB

Gesamt

65%

89%

69%

Leitidee 1

83%

91%

81%

Leitidee 2

82%

94%

82%

Leitidee 3

58%

85%

55%

Leitidee 4

40%

80%

52%

Leitidee 5

60%

94%

74%

Kompetenzstufen

Verhältnis richtig gelöster Aufgaben

Verhältnis bearbeiteter Aufgaben

Bereich

Gesamt

52%

59%

47%

Leitidee 1

57%

69%

53%

Leitidee 2

49%

64%

49%

Leitidee 3

51%

47%

42%

Leitidee 4

60%

60%

50%

Leitidee 5

48%

55%

38%

K1

53%

15%

60%

K2

39%

38%

32%

K3

6%1

21%

6%1

K4

2%1

18%

2%1

Zeichenerklärung: Antworten zu dieser Kategorie in allen drei Stichproben mit einer maximalen Differenz zwischen allen Stichproben