Algebra (Master), Vorlesungsskript [version 10 Feb 2014 ed.]

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Algebra (Master), Vorlesungsskript Irene I. Bouw Wintersemester 2013/2014

Inhaltsverzeichnis 1 K¨ orpererweiterungen 1.1 Algebraische K¨ orpererweiterungen 1.2 Faktorisieren von Polynomen . . . 1.3 Endliche K¨ orper . . . . . . . . . . 1.4 Algebraisch abgeschlossene K¨orper

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3 3 6 9 13

2 Galois-Theorie 2.1 Einf¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Der Zerf¨ allungsk¨ orper eines Polynoms . . . 2.3 K¨ orpererweiterungen und Automorphismen 2.4 Separable K¨ orpererweiterungen . . . . . . . 2.5 Die Kreisteilungsk¨orper . . . . . . . . . . . 2.6 Charakterisierung von Galois-Erweiterungen 2.7 Der Hauptsatz der Galois-Theorie . . . . . 2.8 Die Galois-Gruppe eines Polynoms . . . . . 2.9 Der Satz vom primitiven Element . . . . . .

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16 16 18 20 23 25 27 30 35 38

3 Ringe, Teilbarkeit und Ideale 3.1 Einf¨ uhrung: Faktorisieren in Z . . . 3.2 Ringen und Ideale . . . . . . . . . . 3.3 Der chinesische Restsatz . . . . . . . 3.4 Primideale und maximale Ideale . . 3.5 Faktorielle Ringen . . . . . . . . . . 3.6 Beispiele faktorieller Ringen . . . . . 3.7 Hauptideal- und euklidische Ringen .

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42 42 43 45 47 49 52 56

4 Moduln 4.1 Definitionen und Beispiele . . . . . . . 4.2 Beispiel: Vektorb¨ undeln auf dem Kreis 4.3 Freie Moduln und Matrizen . . . . . . 4.4 Moduln u ¨ber einem Hauptidealring . . 4.5 Moduln u ¨ber K[t] . . . . . . . . . . .

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60 60 62 65 69 79

1

5 Kommutative Algebra und algebraische 5.1 Affine algebraische Mengen . . . . . . . 5.2 Morphismen . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Noethersche Ringen und der Hilbertsche 5.4 Hilbertscher Nullstellensatz . . . . . . . 5.5 Radikalideale . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Affine Variet¨ aten . . . . . . . . . . . . . 5.7 Ganze Ringerweiterungen . . . . . . . . 5.8 Lokalisieren . . . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Diskrete Bewertungen . . . . . . . . . .

2

Geometrie . . . . . . . . . . . . . . Basissatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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85 . 85 . 88 . 91 . 94 . 96 . 99 . 101 . 107 . 113

1

K¨ orpererweiterungen

1.1

Algebraische K¨ orpererweiterungen

In diesem Abschnitt wiederholen wir einige wichtige Definitionen und S¨atze aus der Vorlesung Elemente der Algebra ([3, Abschnitt 4.1, 4.2]) und beschrieben diese so wie wir sie im n¨ achsten Kapitel brauchen werden. Definition 1.1.1 (a) Sei K ein K¨orper. Eine K¨orpererweiterung von K ist ein K¨ orper L, der K als Teilk¨orper enth¨alt. Bezeichnung: L/K. (b) Sei L/K eine K¨ orpererweiterung und S ⊂ L eine beliebige Teilmenge. Der K¨ orper K(S) ist der kleinste Teilk¨orper K ⊂ K(S) ⊂ L, der S enth¨alt. Wir sagen, dass K(S) aus K durch Adjungation der Elemente aus S ensteht. Ist S = {α}, dann schreiben wir K(α) f¨ ur K(S). Eine Erweiterung K(α)/K heißt einfach und α heißt primitives Element. (c) Der Grad einer K¨ orpererweiterung L/K ist die Dimension von L als KVektorraum (Bezeichnung [L : K]). (d) Eine Erweiterung L/K heißt endlich, wenn [L : K] < ∞ ist. (e) Sei L/K eine K¨ orpererweiterung. Ein Element α ∈ L heißt algebraisch u ber K, wenn ein Polynom f ∈ K[x] mit f 6= 0 und f (α) = 0 existiert. ¨ Ansonsten heißt α transzendent u ¨ber K. (f) Eine K¨ orpererweiterung L/K heißt algebraisch, wenn jedes Element α ∈ L algebraisch u ¨ber K ist. Ansonsten heißt sie transzendent. Die Erweiterung L/K heißt rein transzendent, wenn jedes Element α ∈ L \ K transzendent u ¨ber K ist. Beispiel 1.1.2 Wir geben ein Beispiel einer transzendenten Erweiterung. Dazu benutzen wir die Konstruktion des Quotientenk¨orpers, die wir jetzt beschreiben. Sei R ein Integrit¨ atsring ([3, Def. 3.1.4]), d.h. R 6= {0} ist ein kommutativer Ring mit einem 1-Element, in dem 0 der einzige Nullteiler ist. (Ein Nullteiler a ist ein Element, sodass ein b 6= 0 existiert mit a · b = 0.) Der Quotientenk¨orper K = Q(R) von R ist ein K¨orper, der R als Unterring enth¨ alt und sodass jedes Element a ∈ R \ {0} eine Einheit in K ist. Die Konstruktion des Quotienk¨ orpers ist eine Verallgemeinerung der Konstruktion von Q aus Z. Wir betrachten die Menge aller Paaren M = {(a, b) | a, b ∈ R, b 6= 0}. Wir ¨ definieren eine Aquivalenzrelation auf M durch (a, b) ∼ (c, d),

falls

ad = bc.

¨ Wir definieren K als die Menge der Aquivalenzklassen und schreiben die ¨ Aquivalenzklasse von (a, b) als a/b. Die Addition und Multiplikation auf K sind definiert durch c ad + bc a c ac a + = , · = . b d bd b d bd 3

¨ Die Uberpr¨ ufung, dass diese Operationen wohldefiniert sind und dass K ein ¨ K¨ orper ist, u (siehe auch ¨berlassen wir der Leserin/dem Leser als Ubungsaufgabe [2, Abschnitt 2.7]). Ist K ein K¨ orper, schreiben wir K(x) f¨ ur den Quotentenk¨orper des Polynomringes K[x]. Die Elemente von K(x) sind rationale Funktionen f /g mit f, g ∈ K[x] und g 6= 0. Der Unterring K besteht aus den konstanten Polynomen. Offensichtlich ist kein Polynom aus K(x) \ K algebraisch u ¨ber K. Also ist K(x)/K rein transzendent. Wir bemerken, dass dies insbesondere impliziert, dass [K(x) : K] = ∞. Der folgende Satz beschreibt eine Konstruktion einfacher algebraischer K¨orpererweiterungen. In Korollar 1.1.6 werden wir zeigen, dass alle einfache algebraische K¨ orpererweiterungen von dieser Form sind. Satz 1.1.3 (a) Sei f ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom und L = K[x]/(f ). Wir k¨onnen K in L einbetten. Dies macht L/K zur K¨orpererweiterung mit [L : K] = Grad(f ). (b) Das Polynom f besitzt in L eine Nullstelle. Beweis: Das Ideal (f ) ist maximal, da f irreduzibel ist. Insbesondere ist L ein K¨ orper ([3, Satz 3.3.10.(b)]). Die Abbildung K → K[x] induziert ein K¨ orperhomomorphismus ψ : K → L. Der Kern von ψ ist ein Ideal in K. Da K ein K¨ orper ist, ist I = (0) und ψ injektiv. Mit Hilfe dieser Abbildung k¨onnen wir L als K¨ orpererweiterung von K auffassen. Die Elemente von L sind die Linksnebenklassen g+(f ) mit g ∈ K[x]. Division mit Rest ([3, Satz 3.3.1]) zeigt die Existenz eindeutiger Polynome q, r ∈ K[x] mit g = qf + r, Grad(r) < Grad(f ) =: n. Dies zeigt, dass die Linksnebenklassen αi := xi + (f ) mit i = 0, . . . n − 1 ein Erzeugendensystem von L als K-Vektorraum bilden. Die Eindeutigkeit der Polynome q, r in der Division mit Rest impliziert, dass 1, α, . . . , αn−1 auch K-linear unabh¨ angig sind. Dies beweist (a). Da f (x) = 0 in L, ist α = x + (f ) eine Nullstelle von f in L. Dies zeigt (b). 2 Korollar 1.1.4 (Kronecker) Sei K ein K¨orper und f ∈ K[x] ein Polynom. Es existiert ein K¨orpererweiterung L/K Q in dem f in Linearfaktoren zerf¨allt, d.h. es existieren c, αi ∈ L mit f (x) = c i (x − αi ). Beweis: Dies folgt aus Satz 1.1.3.(b) mit vollst¨andiger Induktion nach dem Grad von f . 2 Satz 1.1.5 Sei L/K eine K¨orpererweiterung und α ∈ L ein Element, das algebraisch u ur das ¨ ber K ist. Es existiert ein eindeutiges Polynom f ∈ K[x], f¨ gilt: 4

(a) f ist normiert und irreduzibel, (b) f (α) = 0. Dieses Polynom f heißt das Minimalpolynom von α bez¨ uglich des K¨orpers K. Bezeichnung: f = minK (α). Beweis: Die Menge I := { g ∈ K[x] | g(α) = 0 } ist ein Ideal. Dieses Ideal ist nicht das 0-Ideal, da α algebraisch ist. Da K[x] ein Hauptidealring ist ([3, Theorem 3.3.4]), existiert ein f ∈ K[x] mit I = (f ). (Die Definition von Hauptidealring wird in Definition 3.2.7 wiederholt.) Wir d¨ urfen annehmen, dass f normiert ist. Mittels Division mit Rest zeigt man, dass f 6= 0 das eindeutig bestimmte, normierte Polynom minimalen Grades in I ist ([3, Theorem 3.3.4]). Die Irreduzibilit¨at von f leitet man leicht hieraus ab (siehe den Beweis von [3, 4.2.3]). 2 Korollar 1.1.6 (a) Sei L/K eine K¨orpererweiterung und α ∈ L algebraisch u ¨ ber K. Sei f = minK (α) das Minimalpolynom von α u ¨ ber K. Die Abbildung ∼ K[x]/(f ) → K(α), g + (f ) 7→ g(α) ist ein Isomorphismus. Insbesondere ist [K(α) : K] = minK (α). (b) Eine einfache Erweiterung K(α)/K ist genau dann algebraisch, wenn [K(α) : K] < ∞ ist. Beweis: Sei ϕ : K[x] → K(α), g 7→ g(α) die nat¨ urliche Abbildung. Dies ist offensichtlich ein surjektiver Ringhomomorphismus. Im Beweis von Satz 1.1.5 haben wir gesehen, dass ker(ϕ) = (f ) ist. Daher folgt (a) aus dem ersten Isomorphiesatz f¨ ur Ringe (Satz 3.2.10.(a)) und Satz 1.1.3.(a). Aussage (b) folgt aus (a). 2 √ Beispiel 1.1.7 Sei α := 3 2 die relle 3te Wurzel aus 2 und Q(α) ⊂ R der kleinste Teilk¨ orper von R der α enth¨allt. Sei f := x3 − 2. Offensichtlich ist α eine Nullstelle von f . Das Polynom f besitzt u ¨ber Q offensichtlich keine Nullstellen, also keine Faktoren von Grad 1. Da Grad(f ) = 3 folgt hieraus, dass f ∈ Q[x] irreduzibel ist. (F¨ ur √ eine alternative Methode siehe Beispiel 1.2.4).) Wir schließen, dass f = minQ ( 3 2). Korollar 1.1.6 zeigt, dass Q(α) ' Q[x]/(x3 − 2) ist. Jedes Element von Q(α) l¨asst sich daher eindeutig als a0 + a1 α + a2 α2 , 5

ai ∈ Q

darstellen. Die andere Nullstellen von f in C sind αζ3 und αζ32 , wobei ζ3 := e2πi/3 eine primitive 3te Einheitswurzel ist. Die K¨orper Q(αζ3i ) mit i = 1, 2 sind daher ebenfalls isomorph zu Q[x]/(x3 − 2), also auch zu Q(α). Als abstrakte K¨orper sind diese nicht unterscheidbar. Dies ist aber m¨oglich nachdem man K(α) in C eingebetet hat: Eine solche Einbettung ist durch eine Wahl einer Nullstelle von f bestimmt. Satz 1.1.8 verallgemeinert diese Beobachtung. ˜ ein K¨orperisomorphismus. Sei f ∈ K[x] irreduzibel. Satz 1.1.8 Sei ϕ : K → K ˜ ˜ Wir schreiben f ∈ K[x] f¨ ur das irreduzible Polynom, das wir erhalten indem wir ϕ auf die Koeffizienten von f anwenden. Sei α (bzw. α ˜ ) eine Nullstelle von f ˜ Es existiert ein eindeutiger (bzw. f˜) in einer K¨orpererweiterung von K (bzw. K). Isomorphismus ˜ α), ψ : K(α) → K(˜ sodass ψ(α) = α ˜ und ψ(a) = ϕ(a) f¨ ur alle a ∈ K. Beweis: Der Isomorphismus ϕ induziert ein Ringisomorphismus X X ˜ ϕ : K[x] → K[x], ai xi 7→ ϕ(ai )xi . i

i

Dieser Ringisomorphismus bildet das Ideal (f ) auf das Ideal (f˜) ab und induziert ˜ daher ein Isomorphismus ψ : K[x]/(f ) → K[x]/( f˜) der Faktorringe. Die Aussage des Lemmas folgt indem man dieser Isomorphismus mit den Isomorphismen ˜ α) ' K[x]/( ˜ K(˜ f˜)

K(α) ' K[x]/(f ),

2

aus Korollar 1.1.6.(a) verkn¨ upft.

1.2

Faktorisieren von Polynomen

¨ In diesem Abschnitt besprechen wir Methoden, zur Uberpr¨ ufung der Irreduzibilit¨ at eines Polynoms. In Abschnitt 1.1 haben wir gesehen, dass dies beim Beschreiben von einfachen algebraischen K¨orpererweiterungen hilfreich ist. In diesem Abschnitt betrachten wir Polynome f ∈ Q[x] mit Koeffizienten in Q. Dies ist eine Vorbereitung auf das n¨ achste Kapitel, wo wir haupts¨achlich K¨orpererweiterungen von Q betrachten. Satz 1.2.1 (Gauß) Sei f ∈ Z[x] ein irreduzibles Polynom u ¨ ber Z. Dann ist f auch irreduzibel u ber Q. ¨ Beweis: Sei f ∈ Z[x] ein irreduzibles Polynom u ¨ber Z. Wir nehmen an, dass eine nicht-triviale Zerlegung f = g · h u ¨ber Q existiert, d.h. g, h ∈ Q[x] sind nicht-konstante Polynome. Es existiert ein n = a · b ∈ Z und eine Zerlegung nf = g (1) · h(1) 6

mit g (1) = a · g, h(1) = b · h ∈ Z[x]. W¨ahle f¨ ur n beispielsweise Ps das Produkt der Nenner der Koeffizienten von g und h. Schreibe g (1) = i=0 gi xi und h(1) = Pt j j=0 hj x . Sei p ein Primfaktor von n. Wir behaupten, dass p entweder alle Koeffizienten von g (1) oder alle Koeffizienten von h(1) teilt. Nehmen wir an, dies w¨ urde nicht gelten. Seien i und j minimal mit p - gi und p - hj . Da p | n, teilt p den Koeffizienten ci+j von xi+j in g (1) h(1) . Es gilt ci+j =

i+j X

hk gi+j−k .

k=0

Die Wahl von i und j impliziert, dass p jeden Term der Summe außer hj gi teilt. Dies liefert einen Widerspruch, da p außerdem ci+j teilt. OBdA d¨ urfen wir annehmen, dass p alle Koeffizienten von g (1) teilt. Schreibe n = pn1 und g (1) = pg (2) . Nach K¨ urzung des Faktors p, erhalten wir n1 f = g (2) h(1) . Wiederholtes Anwenden des Arguments liefert eine Faktorisierung ¯ f = g¯h ¯ ∈ Z[x] und g¯ = αg und h ¯ = βh f¨ mit g¯, h ur α, β ∈ Z, ist dies eine nicht-triviale Zerlegung von f u ¨ber Z. Dies widerspricht die Irreduzibilit¨at von f u ¨ber Z. 2 Beispiel 1.2.2 Wir benutzen die Idee des Satzes von Gauss (Satz 1.2.1) um Nullstellen von f ∈ Q[x] zu finden. Nach Multiplikation mit einer geeigneten Pn ganzen Zahl, d¨ urfen wir annehmen, dass f (x) = i=0 ai xi ∈ Z[x] ganze Koeffizienten besitzt. Außerdem d¨ urfen wir oBdA annehmen, dass an 6= 0 und a0 6= 0. Sei α = b/c ∈ Q eine Nullstelle von f mit ggT(b, c) = 1 und c > 0. Dann gilt f = (cx − b)g,

mit g ∈ Z[x].

Koeffizientenvergleich liefert, dass b | a0 und c | an . Diese Bedingungen liefern eine (endliche) Liste von m¨oglichen Nullstellen. Einsetzen dieser m¨oglichen Nullstellen in f , liefert die Nullstellen. Sei zum Beispiel f = 2x3 + x2 − x + 3. F¨ ur b kommen nur die Werte ±1, ±3 in Frage. F¨ ur c kommen nur die Werte 1, 2 in Frage. Ausprobieren aller 8 M¨ oglichkeiten liefert, dass α = −3/2 die einzige rationale Nullstelle von f ist. Theorem 1.2.3 (Eisenstein-Kriterium) Sei f (x) =

n X

ai xi ∈ Z[x].

i=0

Sei p ∈ Z eine Primzahl, sodass 7

(a) p - an , (b) p | ai ,

i = 0, . . . an−1 ,

(c) p2 - a0 . Dann ist f irreduzibel u ¨ ber Q. Beweis: Sei f wie in der Aussage des Theorems. Es reicht zu zeigen, dass fPirreduzibel u ¨ber Z ist (Satz Pt 1.2.1).j Wir nehmen an, dass f = g · h mit g = s i g x ∈ Z[x] und h = i j=0 hj x ∈ Z[x] nicht-konstante Polynome. Es gilt i=0 a0 = g0 h0 . Da p | a0 und p2 - a0 , schließen wir, dass entweder p | g0 oder p | h0 . OBdA d¨ urfen wir annehmen, dass p | g0 und p - h0 . Annahme (a) impliziert, dass p nicht alle Koeffizienten von g teilt. Sei i minimal mit p - gi . Es gilt i X ai = gk hi−k . (1) k=0

Da s = Grad(g) < Grad(f ) = n ist, folgt, dass i < n ist. Insbesondere ist p ein Teiler von ai . Die Primzahl p teilt alle Termen der rechten Seite von (1) außer gi h0 . Dies liefert einen Widerspruch. Wir schließen, dass f irreduzibel u ¨ber Z ist. 2 Beispiel 1.2.4 Das Eisenstein–Kriterium mit p = 2 zeigt, dass xn − 2 ∈ Q[x] f¨ ur alle n irreduzibel ist. Eine weitere M¨ oglichkeit ein Polynom f ∈ Z[x] auf Irreduzibilit¨at zu u ¨berpr¨ ufen, ist es modulo p zu reduzieren: Pn Satz 1.2.5 Sei f (x) = i=0 ai xi ∈ Z[x] und p eine Primzahl mit p - an . Falls die Reduktion f¯ ∈ Fp [x] von f modulo p irreduzibel ist, ist f irreduzibel in Q[x]. Beweis: Die Annahme p - an impliziert, dass Grad(f¯) = Grad(f ). Ist f ∈ Z[x] reduzibel, existieren nicht-konstante Polynome g, h ∈ Z[x] mit f = gh. Da ¯ folgt, dass Grad(g) = Grad(¯ Grad(f ) = Grad(f¯) und f¯ = g¯h, g ) und Grad(h) = ¯ ¯ ¯ ∈ Fp [x] auch reduzibel ist. Grad(h). Wir schließen, dass f = g¯h 2 Im Rest des Abschnittes wiederholen wir einige Eigenschaften von Polynomen. Sei f ∈ K[x] ein Polynom und α ∈ K eine Nullstelle von f . Es existiert ein Polynom g ∈ K[x] mit f (x) = (x − α)m g(x),

und g(α) 6= 0.

Wir nennen m die Vielfachheit der Nullstelle α. Ist m > 1, heißt α eine mehrfache Nullstelle von f . 8

Satz 1.2.6 Sei K ein K¨orper und sei f ∈ K[x] ein Polynom von Grad n. Das Polynom f besitzt h¨ochstens n Nullstellen in K gez¨ahlt mit Vielfachheit. Beweis: Seien α1 , . . . , αr ∈ K die Nullstellen von f , wobei die Nullstelle αi die Vielfachheit ni besitzt. Es existiert also ein Polynom g ∈ K[x] mit f (x) = g(x)

r Y

(x − αi )ni .

i=1

Pr

ni ≤ Grad(f ) = n. Pn Sei f (x) = i=0 ai xi . Wir definieren die formale Ableitung von f als

Also ist

i=1

f 0 (x) :=

n X

2

iai xi−1 .

i=1

F¨ ur K = R ist die formale Ableitung nichts anders als die Ableitung von f nach x. Die formale Ableitung erf¨ ullt die gleichen Rechenregeln wie die Ableitung. Beispielsweise gilt (f + g)0 = f 0 + g 0 und (f · g)0 = f 0 g + f g 0 . Insbesondere ist eine Nullstelle α eines Polynoms f ∈ K[x] genau dann eine mehrfache Nullstelle, wenn f 0 (α) = 0 ist. Dies zeigt die folgende Aussage. Lemma 1.2.7 Sei α eine mehrfache Nullstelle von f ∈ K[x] \ {0}. Dann gilt (x − α) | ggT(f, f 0 ).

1.3

Endliche K¨ orper

In diesem Abschnitt klassifizieren wir alle K¨orper mit endlich vielen Elemente (endlichen K¨orper). Wir zeigen zuerst, dass jeder endliche K¨orper eine Erweiterung von Z/pZ f¨ ur eine Primzahl p ist. Dies impliziert, dass die Kardinalit¨at eines endlichen K¨ orper ein Primzahlpotenz q = pn ist. Wir werden zeigen, dass f¨ ur jede Primzahlpotenz q = pn ein K¨orper mit q Elementen existiert (Theorem 1.3.3). Zwei endliche K¨ orper mit gleicher Kardinalit¨at sind isomorph (Theorem 1.3.9). Diesen K¨ orper mit q Elementen werden wir h¨aufig mit Fq bezeichnen. Beachte, dass Z/mZ nur dann ein K¨orper ist, wenn m eine Primzahl ist. F¨ ur q = pn mit n 6= 1 ist Fq 6= Z/qZ. F¨ ur jeden Ring R definiert ψ : Z → R,

n 7→ n · 1

(2)

einen Ringhomomorphismus, wobei f¨ ur n > 0 positiv n · 1 = 1 + · · · + 1 (n-mal) und (−n) · 1 = −(n · 1) ist. Der Kern von ψ ist ein Ideal von Z, also ker(ψ) = mZ f¨ ur ein m ≥ 0. Diese Zahl m heißt Charakteristik von R. (Bezeichnung: Char(R).) Falls Char(R) = m 6= 0, ist m die kleinste positive Zahl, sodass m · 1 = 0 in R gilt. Beispielsweise besitzt Z/mZ die Charakteristik m. Lemma 1.3.1 Die Charakteristik Char(K) eines K¨orpers K ist entweder 0 oder eine Primzahl. 9

Beweis: Sei ψ : Z → K wie in (2) und sei I := ker(ψ) = mZ. Wir nehmen an, dass m eine zusammengesetzte Zahl ist, also existieren a, b ∈ N \ {1, m} mit m = ab. Es gilt 0 = ψ(m) = ψ(ab) = ψ(a)ψ(b) = (a · 1)(b · 1). Aus der Minimalit¨ at von m folgt, dass (a · 1) 6= 0 und (b · 1) 6= 0. Also ist m · 1 ∈ K ein Nullteiler und daher nicht invertierbar. Dies liefert einen Widerspruch zur Annahme, dass K ein K¨ orper ist. 2 F¨ ur ein K¨ orper K der Charakteristik 0 ist die Abbildung ψ : Z → K injektiv. Hieraus folgt, dass Q ein Teilk¨orper von K ist. Insbesondere ist K nicht endlich. Falls K ein K¨ orper der Charakteristik p > 0 ist, ist Fp = Z/pZ ein Teilk¨orper von K. Der kleinste Teilk¨ orper eines K¨orpers K heißt Primk¨orper. Lemma 1.3.2 Sei F ein endlicher K¨orper mit Char(F ) = p > 0. Die Anzahl der Elemente von F ist q = pn . Beweis: Ein endlicher K¨orper F der Charakteristik p > 0 enth¨alt Fp als Primk¨ orper und ist daher eine K¨orpererweiterung von Fp von endlichem Grad. Sei n = [F : Fp ] der Grad der K¨orpererweiterung. Dann ist F ein n-dimensionaler Fp -Vektorraum. Die Kardinalit¨at von F ist also q = pn . 2 Theorem 1.3.3 Sei q = pn eine Primzahlpotenz. (a) Es existiert ein K¨orper k mit q Elementen. (b) Die Elemente von k sind Nullstellen des Polynoms fq (x) := xq − x. Dieses Polynom zerf¨allt in Linearfaktoren u ¨ ber k. (c) Die Gruppe k × ist zyklisch. Der Beweis von Theorem 1.3.3 benutzt folgendes Lemma. Teil (b) heißt auf English freshman’s dream. Lemma 1.3.4 Sei p eine Primzahl und k ein K¨orper der Charakteristik p.  (a) F¨ ur i = 1, . . . , p − 1 gilt p | pi ∈ Z. (b) F¨ ur alle α, β ∈ k gilt (α + β)p = αp + β p ∈ k. (c) Die Abbildung F : k → k, x 7→ xp ist ein injektiver K¨orperhomomorphismus. (Name: Frobenius-Homomorphismus.) Beweis: Teil (a) folgt unmittelbar aus der Definition des Bimonialkoeffizienten. Teil (b) folgt aus (a) und dem binomischen Lehrsatz. Teil (b) zeigt, dass F ein K¨ orperhomomorphismus ist. (Die Gleichung (αβ)p = αp β p ist trivial.) Der Homomorphismus F ist injektiv, da ker(F ) < K ein Ideal, also trivial, ist. 2 Wir beweisen Theorem 1.3.3.(a)+(b). (Teil (c) folgt aus Satz 1.3.7.) 10

Beweis: Wir beweisen zuerst (b). Sei k ein K¨orper mit q Elementen. Die multiplikative Gruppe k ∗ = k \ {0} enth¨alt q − 1 Elemente. Die Ordnung eines Elements α ∈ k ∗ ist also ein Teiler von q − 1 und daher eine Nullstelle von fq = xq − x. Da 0 ∈ k auch eine Nullstelle von fq ist, besitzt fq genau q verschiedene Nullstellen in k. Wir schließen, dass Y fq (x) = (x − α). α∈k

Dies zeigt (b). Wir beweisen die Existenz eines K¨orpers k mit q Elementen. Teil (b) impliziert, dass die Elemente von k genau die Nullstellen von fq sind. Sei L/Fp eine K¨ orpererweiterung, in dem fq in Linearfaktoren zerf¨allt. Diese existiert nach Korollar 1.1.4. Sei F ⊂ L die Menge der Nullstellen von fq : F = {α ∈ L | αq = α}. Lemma 1.2.7 impliziert, dass fq keine mehrfache Nullstellen besitzt, da fq0 (x) = qxq−1 − 1 = −1 ∈ Fp [x]. Also ist |F | = q. Wir behaupten, dass F ein K¨orper ist. Seien α, β ∈ F . Es gilt (αβ)q = αq β q ,

(−α)q = −α,

(1/α)q = 1/αq .

Aus Lemma 1.3.4.(b) folgt mit Induktion, dass (α + β)q = (αp + β p )p

n−1

= · · · = αq + β q ∈ L.

Insbesondere ist α + β ∈ F . Wir schließen, dass F ein K¨orper ist.

2

Beispiel 1.3.5 Sei q = 32 = 9. Wir faktorisieren das Polynom f9 = x9 − x in irreduzible Faktoren in F3 [x]: x9 − x = x(x − 1)(x + 1)(x2 + 1)(x2 − x − 1)(x2 + x − 1). Wir k¨ onnen F9 darstellen als F9 ' F3 [x]/(x2 + 1) = {a0 + a1 α | aj ∈ F3 , α2 = −1}.

(3)

Der Beweis von Theorem 1.3.3 impliziert, dass xq − x u ¨ber F9 in Linearfaktoren zerf¨ allt. Wir rechnen dies nach. Wir berechnen dazu die Nullstellen von x2 + 1, x2 − x − 1 und x2 + x − 1 in F9 : x2 + 1 = (x + α)(x − α),

x2 − x − 1 = (x + α + 1)(x − α + 1),

x2 + x − 1 = (x − α − 1)(x + α − 1). Der K¨ orper F := F3 [x]/(x2 − x − 1) besitzt auch 9 Elemente. Sei β eine Nullstelle von x2 − x − 1 ist. Dann definiert F → F9 ,

β 7→ α − 1.

ein K¨ orperisomorphismus, da α − 1 ∈ F9 auch eine Nullstelle von minF3 (β) = x2 − x − 1 ist. 11

Als n¨ achstes zeigen wir, dass F× q eine zyklische Gruppe ist. Definition 1.3.6 Ein Element α eines K¨orpers K mit αn = 1 heißt n-te Einheitswurzel. Im folgenden Satz nehmen wir nicht an, dass der K¨orper K endlich ist. Theorem 1.3.3.(c) ist ein Spezialfall dieses Satzes. Satz 1.3.7 Sei K ein K¨orper und H eine endliche Untergruppe von K × mit n Elementen. Die Gruppe H ist zyklisch und besteht genau aus den n-ten Einheitswurzeln in K. Beweis: Sei H ⊂ K × eine Untergruppe mit n Elemente. Die Ordnung eines Elements α ∈ H ist ein Teiler von n, also ist α eine Nullstelle des Polynoms xn − 1. Satz 1.2.6 sagt, dass xn − 1 h¨ochstens n Nullstellen in K besitzt. Die Elemente von H sind also die einzige Nullstellen von xn − 1. Wir schließen, dass die Elemente von H genau die n-ten Einheitswurzeln in K sind. Der Beweis, dass die Gruppe zyklisch ist, ist komplizierter. Sei a ∈ H ein Element maximaler Ordnung m, und sei Hm ⊂ H die Untergruppe, bestehend aus allen Elemente deren Ordnung ein Teiler von m ist, d.h. die m-te Einheitswurzeln in K. Das obige Argument zeigt, dass Hm genau m Elemente besitzt. Die Gruppe Hm besitzt ein Element a der Ordnung m = |Hm | und ist daher zyklisch. Wir behaupten, dass H = Hm ist. Falls nicht, existiert ein Element b ∈ H \ Hm der Ordnung ` ≤ m. Da H abelsch ist, ist ab ein Element der Ordnung kgV(`, m). Aus der Annahme b 6∈ Hm folgt, dass ` - m, also, dass kgV(`, m) > m ist. Dies liefert einen Widerspruch zur Wahl von a. Wir schließen, dass H = Hm ist. Insbesondere ist H zyklisch. 2 Bemerkung 1.3.8 (a) Sei k = Fq ein K¨orper mit q = pn Elemente. Es existiert ein Element α ∈ k der Ordnung q − 1 (Theorem 1.3.3.(c)). Dies bedeutet, dass jedes Element in k × eine Potenz von α ist: k × = {α, α2 , . . . , αq−1 = 1}. Insbesondere ist k = Fp (α). Beachten Sie, dass nicht jedes Element α mit k = Fp (α) auch die Gruppe k × erzeugt. Das Element α aus Beispiel 1.3.5 besitzt Ordnung 4 und erzeugt daher k × nicht. Das Element β ist aber ein Erzeuger dieser Gruppe. (b) Die Aussage von Satz 1.3.7 stimmt im Allgemeinen nicht, wenn K kein K¨ orper ist. Beispielsweise ist (Z/8Z)× ' Z/2 × Z/2Z. In diesem Fall besitzt das Polynom x2 − 1 ∈ (Z/8Z)[x] also 4 Nullstellen. Satz 1.2.6 stimmt also hier auch nicht. Das n¨ achste Theorem zeigt, dass bis auf Isomorphie nur ein K¨orper mit q = pn Elemente existiert (vergleichen Sie mit Beispiel 1.3.5). Dies rechtfertigt die Bezeichung Fq f¨ ur den K¨orper mit q Elemente. Theorem 1.3.9 Sei q = pn eine Primzahlpotenz und seien k, k 0 zwei K¨orper mit q Elementen. Die K¨orper k und k 0 sind isomorph. 12

Beweis: Seien k, k 0 zwei K¨orper mit q Elemente und sei α ein Erzeuger der zyklischen Gruppe k × . Dann ist k = Fp (α) (Bemerkung 1.3.8.(a)). Sei f (x) = minFp (α). Da α auch eine Nullstelle des Polynoms fq (x) = xq − x ist, folgt aus Satz 1.1.5, dass f | fq . Das Polynom fq (x) zerf¨ allt auch in k 0 in Linearfaktoren (Theorem 1.3.3.(b)). Insbesondere besitzt f eine Nullstelle α0 ∈ k 0 . Es folgt, dass k ' Fp [x]/(f ) ' Fp (α0 ) ⊂ k 0 . Da k und k 0 die gleiche Kardinalit¨at haben, folgt k 0 ' k. 2

1.4

Algebraisch abgeschlossene K¨ orper

Definition 1.4.1 a) Ein K¨orper K heißt algebraisch abgeschlossen, falls jedes Polynom f ∈ K[x] eine Nullstelle in K besitzt. (b) Eine K¨ orpererweiterung L/K heißt der algebraischer Abschluss von K, wenn L/K eine algebraische Erweiterung ist und L algebraisch abgeschlos¯ oder K alg ). sen ist (Bezeichnung: K Bemerkung 1.4.2 (a) Sei K ein algebraisch abgeschlossener K¨orper. Dann zerf¨ allt jedes Polynom f ∈ K[x] in Linearfaktoren. Dies folgt mit Induktion aus Definition 1.4.1.(a). (b) Ein K¨ orper K ist genau dann algebraisch abgeschlossen, wenn keine echte algebraische K¨ orpererweiterung K ( L existiert. Sei n¨amlich K ( L eine echte algebraische K¨ orpererweiterung und α ∈ L \ K. Sei f := minK (α) das Minimalpolynom von α. Da K algebraisch abgeschlossen ist, zerf¨allt f u ¨ber K in Linearfaktoren. Da f als Minimalpolynom irreduzibel ist, besitzt f Grad 1. Also ist f = (x − α) ∈ K[x] und α ist ein Element von K. Dies liefert einen Widerspruch. Der K¨ orper C ist algebraisch abgeschlossen. Dieser Satz heißt der Fundamentalsatz der Algebra. Wir skizzieren den Beweis in Abschnitt 2.9. F¨ ur einem Beweis mit Methoden der Analysis verweisen wir auf [1, Theorem 13.9.1]. Theorem 1.4.3 (Fundamentalsatz der Algebra) Jedes nicht-konstantes Polynom f ∈ C[x] besitzt eine Nullstelle in C. Der folgende Satz beschreibt beispielsweise den algebraischen Abschluss von Teilk¨ orpern von C. Satz 1.4.4 Sei L/K eine K¨orpererweiterung. (a) Die Menge M ⊂ L aller u ¨ ber K algebraischer Elemente ist ein K¨orper. (b) Ist L algebraisch abgeschlossen, dann ist M ein algebraischer Abschluß von K.

13

Beweis: Seien α, β ∈ M \ {0}. Wir m¨ ussen zeigen, dass α + β, αβ, −α und α−1 auch algebraisch u ¨ber K sind. Korollar 1.1.6 impliziert, dass [K(α) : K] < ∞ ist. Da β algebraisch u ¨ber K ist, ist es auch algebraisch u ¨ber dem gr¨oßeren K¨ orper K(α). Bemerke, dass K(α)(β) = K(α, β). Also ist [K(α, β) : K(α)] < ∞. Es gilt, dass [K(α, β) : K] = [K(α, β) : K(α)] · [K(α) : K] ([3, Thm. 4-2-10]). Insbesondere ist [K(α, β) : K] < ∞. F¨ ur jedes Element γ ∈ K(α, β) und n gen¨ ugend groß sind daher 1, γ, γ 2 , . . . , γ n linear abh¨angig u ¨ber K. Dies impliziert, dass γ algebraisch u ¨ber K ist. Die oben erw¨ahnte Elemente sind alle im K¨ orper K(α, β) enthalten und daher algebraisch. Dies beweist (a). Wir bemerken, dass M/K per Definition algebraisch ist. Sei f ∈ K[x] ein nicht-konstantes Polynom. Da L algebraisch abgeschlossen ist, besitzt f eine Nullstelle α ∈ L. Dieses Element ist algebraisch u ¨ber K, also in M enthalten. Aussage (b) folgt. 2 ¯ = {α ∈ C | α algebraisch u Beispiel 1.4.5 (a) Der K¨ orper Q ¨ber Q} ist ein algebraischer Abschluß von Q. Die Zahlen e und π sind transzendent ([10, Chapter ¯ ( C. 24]), also gilt Q (b) Der K¨ orper Fp := ∪n Fpn ist ein algebraischer Abschluß von Fp . Sei n¨amlich f ∈ Fp [x]. Das Polynom besitzt nur endlich viele Koeffizienten ungleich Null, also existiert ein n mit f ∈ Fpn [x]. Satz 1.1.3 impliziert, dass f eine Nullstelle in einer endlichen Erweiterung von Fpn , also auch in Fp , besitzt. Dies zeigt, dass Fp algebraisch abgeschlossen ist. Die Erweiterung Fp /Fp ist auch algebraisch, da jedes Element α ∈ Fp in einem Fpn enthalten ist. Wir skizzieren den Beweis der Existenz eines algebraischen Abschlusses. F¨ ur mehr Details verweisen wir auf [2, Theorem 3.4]. Sei K ein K¨orper. Wir m¨ochten einen algebraisch abgeschlossenen K¨orper L, der K enth¨alt, konstruieren. Mit Satz 1.4.4 folgt hieraus die Existenz eines algebraischen Abschlusses. In Satz 1.1.3 haben wir eine (endliche) Erweiterung von K konstruiert, in dem ein gegebenes Polynom eine Nullstelle besitzt. In L soll jedes Polynom f ∈ K[x] eine Nullstelle besitzen. Es ist schwer L zu konstruieren, in dem man an K eine Nullstelle jedes irreduziblen Polynoms adjungiert: Man muss extrem aufpassen, dass die getroffenen Wahlen kompatibel sind. Wir skizzieren hier einen anderen Beweis, der auf Emil Artin zur¨ uck geht. Der Beweis benutzt das Lemma von Zorn. Dies ist eine ziemlich technische Aussage der Mengenleere. Die Aussage ist ¨aquivalent zur Auswahlaxiom und kann daher als Axiom der Mengenleere aufgefast werden. F¨ ur eine Diskussion des Lemmas von Zorn verweisen wir auf [9, Chapter 6]. Theorem 1.4.6 Jeder K¨orper besitzt ein algebraischer Abschluß. 14

Beweisskizze: Sei K ein K¨orper. Es reicht einen algebraisch abgeschlossenen K¨ orper L, der K enth¨ alt, zu konstruieren. Wir betrachten die Menge I aller nicht-konstanten Polynome in K[x]. Wir betrachten den Polynomring R := K[(Xf ) | f ∈ I]. Der Polynomring enth¨ alt also eine Variable f¨ ur jedes nicht-konstante Polynom aus I. Wir definieren ein Ideal I = hf (Xf ) | f ∈ Ii < R erzeugt von allen f (Xf ), d.h. die Elemente von I sind endliche Summen n X

gi fi (Xfi )

i=1

mit gi ∈ R. Wir betrachten jedes f also als Polynom in der zu f geh¨origen Variable Xf . Behauptung I: Es gilt I ( R. Wir nehmen an, dass I = R. Also ist 1 ∈ I und es existieren Polynome gi ∈ R mit n X

gi fi (Xfi ) = 1.

(4)

i=1

Wir schreiben xi = Xfi f¨ ur i = 1, . . . , n. Die endlich viele Polynome gi enthalten nur endlich viele Monome, also auch nur endlich viele Variablen. Wir bezeichnen die u ¨berige Variablen, die in den gQ i vorkommen mit xn+1 , . . . , xm . Korollar 1.1.4 angewandt auf i fi zeigt die Existenz einer endlichen Erweiterung M/K, in dem alle fi eine Nullstelle αi besitzen. Wir fassen (4) als Gleichung in M [x1 , . . . , xm ] auf und substituieren xi = αi f¨ ur i = 1, . . . , n und xi = 0 f¨ ur i = n + 1, . . . , m. Da f (αi ) = 0, liefert (4) einen Widerspruch. Dies zeigt die Behauptung. Behauptung II: Das Ideal I ist in einem maximalen Ideal m enthalten. Wir betrachten die Menge aller Idealen J ( R, die I enthalten. Bez¨ uglich die Inklusion ist dies eine partiel geordenete Menge. Das Lemma von Zorn sagt, dass die Menge ein maximales Element besitzt. Dies ist das gesuchte maximale Ideal. (Mehr Details finden Sie in [2, Satz 3.4.6].) Wir definieren L1 = R/m. Dies ist ein K¨orper, der (eine Kopie von) K enth¨ alt. Wir k¨ onnen L1 daher als K¨orpererweiterung von K auffassen. In L1 besitzt jedes Polynom f ∈ K[x] eine Nullstelle, n¨amlich die Linksnebenklasse Xf + m. Dies ist das gleiche Argument wie im Beweis von Satz 1.1.3. Der K¨ orper L1 ist noch nicht notwendigerweise algebraisch abgeschlossen, da es Polynome in L1 [x] \ K[x] geben kann, die in L1 keine Nullstelle besitzen. 15

Wir wiederholen daher die Konstruktion f¨ ur L1 [x] und erhalten einen K¨orper L2 , in dem alle Polynome aus L1 [x] eine Nullstelle besitzen. Wir f¨ uhren dieses Verfahren weiter und erhalten eine K¨orperkette K = L0 ⊂ L1 ⊂ L2 ⊂ · · · Li ⊂ Li+1 ⊂ · · · Wir definieren L=

[

Li

i≥0

als Vereinigung dieser K¨ orper. Behauptung III: Der K¨ orper L ist ein algebraisch abgeschlossener K¨orper, der K enth¨ alt. Es ist offensichtlich, dass L ein K¨orper ist, der K = L0 enth¨alt. Sei f ∈ L[x]. Dann besitzt f nur endlich viele Koeffizienten ungleich Null. Diese Koeffizienten sind daher in Li f¨ ur i groß genug enthalten. Nach Konstruktion besitzt f eine Nullstelle in Li+1 und daher auch in L. Dies zeigt die Behauptung. 2 Bemerkung 1.4.7 Man kann zeigen, dass zwei algebraische Abschl¨ usse eines K¨ orpers isomorph sind ([2, Korollar 3.4.10]). Der Beweis benutzt die Beweisstrategie von Satz 1.4.4, zusammen mit Korollar 2.2.6 aus dem n¨achsten Kapitels.

2 2.1

Galois-Theorie Einfu ¨ hrung

Die Galois-Theorie ist entstanden aus der Frage nach der L¨osbarkeit von Polynomgleichungen f (x) = an xn + an−1 xn−1 + · · · + a0 = 0,

ai ∈ Z

mit Hilfe von Radikalen. Grob gesagt, ist f (x) = 0 mit Hilfe von Radikalen aufl¨ osbar, wenn man die Nullstellen der Gleichung mit den Operationen Addition, Multiplikation und ziehen k-ter Wurzeln aus den Koeffizienten ai berechnen kann. Die bekannte Mitternachtsformel sagt, dass die Nullstellen eines Polynoms f (x) = ax2 + bx + c 2ten Grades durch x=

−b 1p 2 ± b − 4ac 2a 2a

gegeben sind. Quadratische Gleichungen sind daher mit Hilfe von Radikalen aufl¨ osbar. Im Prinzip wussten babylonische Mathematiker schon um 400 v.Chr. wie man quadratische Gleichungen l¨ost, obwohl der Begriff einer Gleichung noch nicht bekannt war: Man findet in alten babylonischen Texten eine algorithmische L¨ osung von Probleme, die in moderner Sprache formuliert, eine quadratische Gleichung liefern. 16

Der Beweis, dass kubische Gleichungen mit Hilfe von Radikale aufl¨osbar sind, ist von Scipione dal Ferro um 1515. Wahrscheinlich konnte er nur Gleichungen von der Form x3 + 3px = 2q mit p, q > 0 aufl¨osen. Man kann zeigen, dass man den allgemeinen Fall auf diesem Spezialfall zur¨ uckf¨ uhren kann. Die Formel f¨ ur die (eindeutige reelle) Nullstelle lautet im Spezialfall: q p p 3 x = p + p2 + q 3 + 3 p − p2 + q 3 . ¨ Uber verschiedene Umwegen landete der Formel bei Girolamo Cardano, der es in 1545 in seinem Buch Ars Magma publizierte. In 1540 gelangte Cardanos Sch¨ uler Ludovico Ferrarri den Beweis der L¨osbarkeit von Gleichungen von Grad 4. F¨ ur die faszinierende Geschichte, siehe www-history.mcs.st-and.ac.uk/HistTopics/Quadratic etc equations.html

Der erste Mathematiker, der behauptete, dass man die “allgemeine” Gleichung 5ten Grades nicht mit Hilfe von Radikale aufl¨osen kann, war Paolo Ruffini (1799). Sein Beweis, der einige L¨ ucken enth¨alt, beruht auf der Theorie der Permutationsgruppen. Eine allgemeine Definition einer Gruppe gab es zu dieser Zeit noch nicht. Der erste vollst¨andige Beweis ist von Niels Abel (1824). Die Charakterisierung aller Gleichungen deren Nullstellen mit Hilfe von Radikalen aufl¨ osbar sind, gelang letztendlich Evariste Galois in 1831. Seine Ergebnisse wurde in 1846, erst lange nach Galois’ Tod, von Liouville publiziert. Diese Ergebnisse bilden die Grundlagen der Galois-Theorie. Mehr u ¨ber das kurze aber dramatische Leben von Galois lesen Sie auf der MacTutor-Webseite http://www-history.mcs.st-andrews.ac.uk/Biographies/Galois.html

Galois’ Ergebnisse zu verstehen ist das Ziel dieses Kapitels. Die Idee der Galois-Theorie Wir skizzieren kurz die Idee der Galois-Theorie. Sei K ein K¨ orper (z.B. Q). Einfachheitshalber nehmen wir in der Einleitung an, dass Char(K) = 0 ist. Sei f (x) ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom von Grad n. Adjungation aller Nullstellen von f an K liefert einen K¨orper L, in dem f ∈ L[x] in Linearfaktoren zerf¨allt. Dieser K¨orper heißt Zerf¨allungsk¨orper von f (Abschnitt 2.2). In der Galois-Theorie wird die Gruppe der Permutationen der Nullstellen von f in Beziehung zur algebraischen Struktur der Erweiterung L/K gesetzt. Wir m¨ ochten diese Beziehung an einem einfachen Beispiel erl¨autern. Beispiel 2.1.1 Sei f (x) = x2 +1 ∈ R[x]. Das Polynom zerf¨allt in Linearfaktoren f (x) = (x + i)(x − i) u ¨ber C ' R[x]/(x2 + 1). Die Nullstellen ±i kann man in dieser Konstruktion nicht auseinander halten (Vergleich Beispiel 1.1.7 und Satz 1.1.8). Die komplexe Konjugation ι : z = a + bi 7→ a − bi vertauscht die beiden Nullstellen und l¨ asst die reellen Zahlen fest. Man kann die Gruppe G(f ) := hιi als Symmetriegruppe der Nullstellen von f auffassen. Diese Gruppe heißt GaloisGruppe von f (oder der Erweiterung L/K.) Sei nun f ∈ K[x] ein Polynom von Grad n dessen Nullstellen in einem Zerf¨ allungsk¨ orper L paarweise verschieden sind. Die Galois-Gruppe G(f ) (Definition 2.3.1) besteht aus Isomorphismen von L dessen Einschr¨ankung auf K die 17

Identit¨ at ist. Wir werden zeigen, dass die Elemente von G(f ) die Nullstellen von f permutieren. Wir k¨ onnen G(F ) daher als Untergruppe von Sn auffassen. Ist f mit Hilfe von Radikalen aufl¨osbar, nennen wir die Gruppe G(f ) aufl¨osbar ([2, Abschnitt 6.1]). Man kann zeigen, dass alle Untergruppe von S4 aufl¨osbar sind und das S5 nicht aufl¨ osbar ist. Um den Satz von Abel–Rufini zu zeigen, muss man also ein Polynom mit Galois-Gruppe G(f ) ' S5 finden. Man kann zeigen, dass das Polynom f (x) = x5 − 6x + 3 Galois-Gruppe S5 besitzt ([10, Chapter 15]). In dieser Vorlesung diskutieren wir diese Geschichte nicht weiter.

2.2

Der Zerf¨ allungsk¨ orper eines Polynoms

Sei f ∈ K[x] ein Polynom. Es existiert eine endliche Erweiterung L/K, in dem f in Linearfaktoren zerf¨ allt (Korollar 1.1.4). Der kleinste K¨orper mit dieser Eigenschaft heißt Zerf¨ allungsk¨orper: Definition 2.2.1 Sei L eine K¨orperweiterung und f ∈ K[x] ein Polynom. Wir sagen, dass L ein Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K ist, falls: (a) f ∈ L[x] zerf¨ allt in Linearfaktoren, (b) L ist die kleinste K¨ orpererweiterung von K, in der f in Linearfaktoren zerf¨ allt, d.h. ist K ⊂ M ( L eine echte Teilerweiterung, dann zerf¨allt f in M [x] nicht in Linearfaktoren. Bemerkung 2.2.2 Die Bedingung (b) aus Definition 2.2.1 ist ¨aquivalent zu: (b’) L = K(α1 , . . . , αn ), wobei αi ∈ L die Nullstellen von f sind. Der folgende Satz folgt aus Korollar 1.1.4. Satz 2.2.3 Sei K ein K¨orper und f ∈ K[x] ein Polynom. Es existiert ein Zerf¨allungsk¨orper L von f u ¨ ber K. Beispiel 2.2.4 (a) In Beispiel 1.1.7 haben wir gesehen, dass √ √ √ 3 3 3 f := x3 − 2 = (x − 2)(x − 2ζ3 )(x − 2ζ32 ) ∈ C[x]. √ √ √ Da 3 2ζ3 ∈ / Q( 3 2), ist Q( 3 2) kein ¨ber K = Q. √ Zerf¨allungsk¨orper von f u Wir behaupten, dass L = Q( 3 2, ζ3 ) ein Zerf¨allungsk¨orper von f ist. Offensichtlich enth¨ alt L alle drei Nullstellen von f , also zerf¨allt f u ¨ber L in Linearfaktoren. Jede K¨ orpererweiterung von Q, die alle drei Nullstellen von f enth¨alt, enth¨ alt auch ζ3 , da ζ3 der Quotient der ersten √ √ beiden Nullstellen ist. Dies zeigt 3 die Behauptung. Es gilt auch L = Q( 2, −3) Die √ primitive 3te Einheitswur√ zel erf¨ ullt ζ3 = (−1 + −3)/2, also, da ζ3 = (−1 + −3)/2 eine primitive 3te Einheitswurzel ist. √ 3 Das Minimalpolynom von ζ3 u ¨ber Q ist x2 + x + 1.√Also ist [L : Q( 2)] ≤ 3 [Q(ζ Q( 2) ( L, also ist [L : √3 ) : Q] = 2. Wir haben schon gesehen, √ dass √ Q( 3 2)] = 2. Es folgt, dass [L : Q] = [L : Q( 3 2)][Q( 3 2) : Q] = 2 · 3 = 6. 18

(b) Wir betrachten das Polynom x4 +4 ∈ Q[x]. Mittels quadratische Erg¨anzung finden wir x4 + 4 = (x4 + 4x2 + 4) − 4x2 = (x2 + 2)2 − (2x)2 = (x2 + 2x + 2)(x2 − 2x + 2). Alternativ kann man auch Koeffizientenvergleich mit der Ansatz x4 + 4 = (x2 + ax + b)(x2 + cx + d) benutzen. Das Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) zeigt, dass die Polynome x2 ± 2x + 2 ∈ Q[x] irreduzibel sind. Die Nullstellen sind ±1 ± i. Also ist Q(i) ein Zerf¨allungsk¨orper des Polynoms. (c) Sei k ein K¨ orper der Charakteristik p > 0 und a ∈ k × . Sei f (x) = p x − x − a ∈ k[x]. Ist α eine Nullstelle von f in einem Erweiterungsk¨orper, dass sind die andere p − 1 Nullstellen α + 1, α + 2, . . . , α + p − 1 (Lemma 1.3.4). Es folgt, dass k(α) der Zerf¨ allungsk¨orper von f u ¨ber k ist. Aus dem Beweis von Satz 2.2.3 wird nicht klar, ob der Zerf¨allungsk¨orper von den getroffenen Wahlen abh¨angt. Wir werden sehen, dass dies nicht der Fall ist: Zwei Zerf¨ allungsk¨ orper von f u ¨ber K sind isomorph (Korollar 2.2.6). Der Beweis beruht auf Satz 1.1.8. Wir wiederholen die Situation. ˜ induziert einen Ringisomorphismus Jeder K¨ orperisomorphismus ϕ : K → K ˜ ϕ : K[x] → K[x],

f (x) =

n X

ai xi 7→ f˜ =

i=0

n X

ϕ(ai )xi .

(5)

i=0

Die irreduzible Faktoren von f werden durch ϕ auf dem irreduziblen Faktoren von f˜ = ϕ(f ) abgebildet. ˜ ein K¨orperisomorphismus. Sei f (x) ∈ K[x] ein nichtSatz 2.2.5 Sei ϕ : K → K ˜ ˜ Zerf¨allungsk¨orper konstantes Polynom und sei f˜ = ϕ(f ) ∈ K[x]. Seien L und L ˜ ˜ f¨ ur f und f . Es existiert ein Isomorphismus ψ : L → L, sodass ψ(α) = α ˜ und ψ(a) = ϕ(a) f¨ ur alle a ∈ K: ∼ ˜ /L L ψ

K

∼ ϕ

˜ / K.

˜ und ϕ = Id im obigen Satz nehmen, erhalten wir die Falls wir K = K Eindeutigkeit (bis auf Isomorphie) des Zerf¨allungsk¨orpers. Dies zeigt folgendes Korollar. Wir werden oft vom Zerf¨allungsk¨orper eines Polynoms sprechen. Korollar 2.2.6 Alle Zerf¨allungsk¨orper von f ∈ K[x] sind isomorph u ¨ ber K. Beweis des Satzes: Wir beweisen den Satz mit Induktion nach Grad(f ). ˜ in Linearfaktoren. In Zerf¨ allt f u ¨ber K in Linearfaktoren, zerf¨allt f˜ u ¨ber K ˜ ˜ diesem Fall gilt L = K, L = K und ψ = ϕ und die Aussage stimmt.

19

Wir nehmen also an, dass f u ¨ber K nicht in Linearfaktoren zerf¨allt. Sei f nichtkonstant und g ein irreduzibler Faktor von f . Wir schreiben g˜ f¨ ur den ˜ eine Nullstelle von f entsprechenden Faktor von f˜. Sei α ∈ L (bzw. α ˜ in L) ˜ α) (bzw. f˜). Nach Satz 1.1.8 existiert ein K¨orperisomorphismus ψ : K(α) → K(˜ mit ψ(α) = α ˜ und ψ(a) = ϕ(a) f¨ ur alle a ∈ K. Der K¨orper L ist auch der Zerf¨ allungsk¨ orper von h(x) = f (x)/(x − α) u ¨ber dem gr¨oßeren K¨orper K(α): L

K(α)

K



˜ /L



˜ α) / K(˜

ψ

∼ ϕ

˜ / K.

Der Satz folgt mit Induktion nach dem Grad von f .

2.3

2

K¨ orpererweiterungen und Automorphismen

Nachdem wir uns im letzten Abschnitt mit den Nullstellen von Polynome befasst haben, betrachten wir in diesem Abschnitt Automorphismen von Erweiterungen. Wir zeigen in Satz 2.3.2, dass solche Automorphismen die Nullstellen von Polynome permutieren. Dies f¨ uhrt zur Definition von Galois-Erweiterungen und die Galois-Gruppe (Definition 2.3.5). Definition 2.3.1 Sei L/K eine K¨orpererweiterung. Ein K-Automorphismus von L ist ein K¨ orperisomorphismus ϕ : L → L mit ϕ(c) = c f¨ ur alle c ∈ K. Die Gruppe aller K-Automorphismen von L bezeichnen wir mit AutK (L). Wir bezeichnen mit Aut(L) die Automorphismengruppe von L bestehend aus allen K¨ orperisomorphismen von L. Die Gruppe AutK (L) ist eine Untergruppe von Aut(L). Der folgende Satz zeigt, dass die Elemente von AutK (L) die Nullstellen in L eines Polynoms f (x) ∈ K[x] permutieren. Der Satz ist ein wichtiges Hilfsmittel bei der Bestimmung der Gruppe AutK (L) in konkreten F¨allen. Satz 2.3.2 Sei f ∈ K[x] und ϕ ∈ AutK (L). Sei α ∈ L algebraisch u ¨ ber K. Dann ist ϕ(α) eine Nullstelle des Minimalpolynoms minK (α). Pn Beweis: Sei α ∈ L algebraisch u das Minimalpo¨ber K und f = i=0 ai xi P n lynom von α u ur ϕ ∈ AutK (L) gilt, dass f (ϕ(α)) = i=0 ai ϕ(α)i = ¨ber K. F¨ ϕ(f (α)), da ai ∈ K ist. Wir schließen, dass ϕ(α) auch eine Nullstelle von f ist. 2

20

Beispiel 2.3.3 (a) In Beispiel 2.1.1 haben wir die Erweiterung C ' R[x]/(x2 + 1)/R betrachtet. Die komplexe Konjugation ι ist ein R-Homomorphismus von C. Sei ϕ ∈ AutR (C) beliebig. Dann ist ϕ insbesondere auch eine R-lineare Abbildung und wird daher von ϕ(1) = 1 und ϕ(i) bestimmt.√Es folgt, dass AutR (C) = hιi. √ 3 3 (b) Wir betrachten die K¨orpererweiterung Q( 2)/Q. Das Element 2 ist die √ √ 3 3 3 2) = x − 2 in Q( 2) (Beispiel einzige Nullstelle des Minimalpolynom min ( Q √ 1.1.7). Also ist AutQ (Q( 3 2)) = {1}. (c) In diesem Kapitel betrachten wir die Gruppe AutK (L) haupts¨achlich f¨ ur endliche Erweiterungen L/K. Die Endlichkeit wird in Definition 2.3.1 aber nicht gefordert. Wir betrachten wir beispielsweise die Erweiterung C(x)/C. Sei L ein Zerf¨ allungsk¨ orper von f (x) ∈ K[x]. Der Beweis des folgenden Satzes gibt eine Beschreibung der K-Automorphismen von L in Termen der Nullstellen von f in L. Dieses Ergenis ist die Motivation der Definition der Galois-Erweiterungen (Definition 2.3.5). Satz 2.3.4 Sei L der Zerf¨allungsk¨orper u ¨ ber K eines Polynoms f (x) ∈ K[x]. (a) Dann gilt | AutK (L)| ≤ [L : K]. (b) Besitzt f ∈ L[x] nur einfache Nullstellen, dann haben wir Gleichheit in (a). Ein Polynom mit einfache Nullstellen in seinem Zerf¨allungsk¨orper heißt separabel. Wir betrachten diese Eigenschaft genauer in Abschnitt 2.4. Beweis: Wir beweisen den Satz mit Induktion nach [L : K] wie im Beweis von Korollar 2.2.6. Ist [L : K] = 1, dann ist L = K und AutK (L) = {1} und die Aussage stimmt. Wir nehmen an, dass [L : K] > 1 ist. In diesem Fall besitzt f mindestens einen irreduziblen Faktor g mit Grad(g) > 1. Wir w¨ahlen eine feste Nullstelle α ∈ L von g. Sei ψ ∈ AutK (L). Dann ist β := ψ(α) auch eine Nullstelle von g (Satz 2.3.2) und ψ induziert ein Isomorphismus ϕ : K(α) → K(β): L

K(α)

K

∼ ψ

∼ ϕ

Id

/L / K(β) / K.

Umgekehrt existiert f¨ ur jede Nullstelle β ∈ L von g ein Isomorphismus ϕ : K(α) → K(β) mit ϕ(α) = β und ϕ(a) = a f¨ ur alle a ∈ K (Satz 1.1.8). Satz 2.2.5 21

impliziert, dass ϕ zu einem K-Isomorphismus von L fortgesetzt werden kann. Wir schließen, dass die Anzahl der Isomorphismen ϕ : K(α) → K(β) genau die Anzahl der Nullstellen von g ist. Dies ist offensichtlich kleiner gleich Grad(g) = [K(α) : K] mit Gleichheit genau dann, wenn g in L einfache Nullstellen besitzt. Das Polynom g ist ein Teiler von f . Wenn f einfache Nullstellen besitzt, besitzt also auch g einfache Nullstellen. Der K¨ orper L ist auch ein Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K(α). Es gilt [L : K(α)] < [L : K]. Wir k¨onnen also die Induktionshypothese auf L/K(α) anwenden. Jeder K-Isomorphismus ϕ : K(α) → K(β) besitzt AutK(α) (L) viele Fortsetzungen ψ : L → L. Die Induktionshypothese sagt, dass | AutK(α) (L)| ≤ [L : K(α)] mit Gleichheit, wenn f einfache Nullstellen besitzt. Der Satz folgt also aus [L : K] = [L : K(α)][K(α) : K]. 2 Definition 2.3.5 Eine endliche K¨orpererweiterung heißt galoisch, wenn gilt: | AutK (L)| = [L : K]. In diesem Fall nennt man die Gruppe der K-Automorphismen von L die GaloisGruppe von L/K. Wir schreiben auch Gal(L/K) := AutK (L). Ist L der Zerf¨ allungsk¨ orper von f ∈ K[x], schreiben wir auch G(f ) f¨ ur Gal(L/K). Beispiel 2.3.6 (a) Die Erweiterung C/R ist eine Galois-Erweiterung mit GaloisGruppe hιi ' Z/2Z (Beispiel 2.3.3.(a)). √ (b) Die Erweiterung L := Q( 3 2)/K := Q ist keine Galois-Erweiterung, da | AutK (L)| = 1 6= 3 = [L : K] (Beispiel 2.3.3.(b)). √ (c) Sei f (x) = x3 −2 ∈ Q[x] und sei L = Q( 3 2, ζ√ allungsk¨orper von 3 ) der Zerf¨ 3 f u ¨ber Q (Beispiel 2.2.4.(a)). Wir schreiben α1 = 2, α2 = α1 ζ3 , α3 = α1 = ζ32 mit ζ3 = e2πi/3 eine primitive 3te Einheitswurzel. In Beispiel 2.2.4.(a) haben wir gezeigt, dass [L : K] = 6. Satz 2.3.4 impliziert, dass | AutQ (L)| = 6. Die Elemente von AutQ (L) permutieren die αi . Dies definiert ein Gruppenhomomorphismus AutQ (L) → S3 , der injektiv ist, weil L = Q(α1 , α2 , α3 ) ist. Beide Gruppen haben Kardinalit¨at 6, also ist AutQ (L) ' S3 . Die folgende Tabelle listet die Elemente von AutQ (L) auf: Id ϕ1 ϕ2 ϕ22 ϕ1 ◦ ϕ2 ϕ1 ◦ ϕ22

α1 α1 α2 α2 α3 α1 α3

α2 α2 α1 α3 α1 α3 α2

α3 α3 α3 α1 α3 α2 α1

2 ζ3 = α α1 ζ3 ζ32 ζ3 ζ3 ζ32 ζ32

22

ζ32 ζ32 ζ3 ζ32 ζ32 ζ3 ζ3

Elt. in S3 e (1 2) (1 2 3) (1 3 2) (2 3) (1 3).

(6)

(d) Sei q = pn . Theorem 1.3.3 zeigt, dass Fq der Zerf¨allungsk¨orper von fq = xq − x u uft, dass ¨ber Fp ist. Im Beweis des Theorems haben wir u ¨berpr¨ fq einfache Nullstellen besitzt. Satz 2.3.4 zeigt daher, dass Fq /Fp eine GaloisErweiterung ist. Wir bestimmen die Galois-Gruppe. Wir betrachten die Abbildung F : Fq → Fq , x 7→ xp . Lemma 1.3.4.(c) sagt, dass F ein injektiver K¨orperhomomorphismus ist. Da Fq endlich ist, folgt aus dem Schubfachprinzip, dass F ein Isomorphismus ist. Die Elemente b ∈ Fp erf¨ ullen bp = b, also ist F ∈ Gal(Fq /Fp ). Wir nennen F der FrobeniusAutomorphismus. n Die Elemente α ∈ Fq erf¨ ullen αq = α, also gilt F n (α) = αp = αq = α und daher ist F n = Id auf Fq . Keine kleinere Potenz von F erf¨ ullt dieser Eigenschaft, also besitzt F Ordnung n. Da | Gal(Fq /Fp )| = [Fq : Fp ] = n, ist F ein Erzeuger der Galois-Gruppe und Gal(Fq /Fp ) ist zyklisch.

2.4

Separable K¨ orpererweiterungen

Eine wichtige Bedingung in Satz 2.3.4 ist, dass ein Polynom in seinem Zerf¨allungsk¨orper einfache Nullstellen besitzt. In diesem Abschnitt betrachten wir diese Bedingung genauer. Definition 2.4.1 Sei K ein K¨orper. (a) Ein Polynom f ∈ K[x] heißt separabel, falls f keine mehrfache Nullstelle in seinem Zerf¨ allungsk¨orper besitzt. Ein irreduzibles Polynom, dass nicht separabel ist heißt inseparabel. (b) Sei L/K eine K¨ orpererweiterung. Ein algebraisches Element α ∈ L heißt separabel u ¨ber K, falls das Minimalpolynom minK (α) separabel ist. (d) Eine algebraische K¨ orpererweiterung L/K heißt separabel, falls jedes Element α ∈ L separabel ist. Die folgende Aussage folgt direkt aus Satz 2.3.4. Im n¨achsten Abschnitt werden wir zeigen, dass die Umkehrung auch gilt. Dies liefert dann eine vollst¨andige Charakterisierung der Galois-Erweiterungen. Korollar 2.4.2 Sei L der Zerf¨allungsk¨orper u ¨ ber K eines separablen Polynoms f (x) ∈ K[x]. Dann ist L/K galoisch. Beispiel 2.4.3 (a) Wir geben ein Beispiel eines inseparablen Polynoms. Sei K = Fp (t) (Beispiel 1.1.2). Dies ist eine rein transzendente Erweiterung von Fp . Wir betrachten f (x) = xp −t ∈ K[x]. Sei L/K der Zerf¨allungsk¨orper von f . Das Polynom f besitzt mindestens eine Nullstelle α ∈ L. Diese Nullstelle erf¨ ullt f (α) = αp − t = 0, also ist α eine p-te Wurzel aus t. Offensichtlich ist α 6∈ K. In L[x] zerf¨ allt f als f (x) = xp − t = xp − αp = (x − α)p , 23

(7)

(Lemma 1.3.4), da K ein K¨orper der Charakteristik p ist. Also ist α eine Nullstelle von f mit Vielfachheit p. Als letztes beweisen wir die Irreduziblit¨at von f . Alternativ kann man dies auch mit einer Verallgemeinerung des Eisenstein-Kriteriums beweisen (siehe Beispiel 3.6.9). Sei g ∈ K[x] ein Faktor von f vom Grad 0 < m < p. OBdA d¨ urfen wir annehmen, dass g normiert ist. Dann ist   m m m g(x) = (x − α) = x − αxm−1 + · · · + (−1)m αm ∈ K[x]. 1 Die Bedingung an m = Grad(f ) impliziert −m ∈ F× p . Der Koeffizient −mα von xm−1 in g ist also ungleich Null. Es folgt, dass α ∈ K ist. Dies widerspricht die Tatsache, dass K/Fp eine rein transzendente Erweiterung ist. Da f nur eine Nullstelle in seinem Zerf¨allungsk¨orper L besitzt, ist die Galois-Gruppe AutK (L) = {1} trivial und L/K nicht galoisch. Dies zeigt, dass die Bedingung der Separabilit¨at in Korollar 2.4.2 notwendig ist. (b) Sei q = pn eine Primzahlpotenz. Sei α ∈ Fq . Theorem 1.3.3 impliziert, dass minFp (α) | xq − x separabel ist. Dies zeigt, dass Fpn /Fp separabel ist. Das Polynom f (x) = xp − a ∈ Fq [x] besitzt auch eine p-fache Nullstelle. Die Surjektivit¨ at des Frobenius-Morphismus (Beispiel 2.3.6.(d)) impliziert die Existenz von b ∈ Fq mit bp = a. Insbesondere ist f (x) = (x−b)p ∈ K[x] und f ist reduzibel. Das zeigt nochmals, dass das Argument aus (a) u ¨ber Fq nicht funktioniert. Der folgende Satz sagt, dass inseparable Polynome nur in positiver Charakteristik existieren. Satz 2.4.4 Sei K ein K¨orper der Charakteristik 0. Jedes irreduzible Polynom f ∈ K[x] ist separabel. Beweis: Sei K ein K¨ orper der Charakteristik 0 und f (x) ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom. Die formale Ableitung f 0 ist ein Polynom von Grad n−1. (Hier benutzen wir die Annahme Char(K) = 0.) Ist f inseparabel, dass besitzt f eine mehrfache Nullstelle α in seinem Zerf¨ allungsk¨orper und es gilt (x − α) | g := ggT(f, f 0 ) ∈ K[x] (Lemma 1.2.7). Das Polynom g ist ein Teiler von f 0 und besitzt daher Grad kleiner gleich n − 1. Das Polynom g ist also eine echte Teiler des irreduziblen Polynoms f , was unm¨ oglich ist. 2 Der folgende Satz gibt eine Charakterisierung von inseparablen Polynome. Der Beweis ist eine Verallgemeinerung des Beweises von Satz 2.4.4. F¨ ur einem Beweis verweisen wir auf [2, Satz 3.6.2].

24

Satz 2.4.5 Sei Char(K) = p > 0 und f ∈ K[x] ein irreduzibles Polynom. r W¨ahle r maximal, sodass f (x) = g(xp ) mit g(x) ∈ K[x]. Dann ist g ein irreduzibles, separables Polynom. Insbesondere ist f genau dann inseparabel, wenn r > 0 ist. Beispiel 2.4.6 Sei f (x) = xp − t ∈ K[x] wie in Beispiel 2.4.3.(a). Dann ist f (x) = g(xp ) mit g(x) = x − t. Die Inseparabilit¨at von f folgt daher auch aus Satz 2.4.5. Wir bemerken, dass f 0 = 0, also ggT(f, f 0 ) = f . Der Beweis von Satz 2.4.5 funktioniert hier also in der Tat nicht.

2.5

Die Kreisteilungsk¨ orper

Als Beispiele von Galois-Erweiterungen von Q betrachten wir in diesem Abschnitt die Kreisteilungsk¨ orper, den wir jetzt definieren. Sei µn ⊂ C× die Untergruppe der nten Einheitswurzeln. Dies ist eine zyklische Gruppe mit Erzeuger ζn := cos(2π/n) + i sin(2π/n). Die Ordnung von ζni ∈ µn ist genau dann n, wenn ggT(i, n) = 1 ist. Die Elemente von µn der Ordnung n sind die primitiven Einheitswurzeln. Wir schreiben ϕ(n) := |(Z/nZ)∗ | = |{0 < i < n | ggT(i, n) = 1}| f¨ ur die Anzahl der primitiven nten Einheitswurzel. Die Funktion ϕ heißt euQ lersche ϕ-Funktion. Wir schreiben n = i pai i mit pi paarweise verschiedene Primzahlen. Mit Hilfe des chinesischen Restsatzes (Abschnitt 3.3) zeigt man Y ϕ(n) = pai i (pi − 1). i

Die K¨ orper Kn := Q(ζn ) heißen Kreisteilungsk¨orper. Wir bestimmen das Minimalpolynom von ζn u ¨ber Q. Dazu definieren wir das nte Kreisteilungspolynom als Y Φn (x) := (x − ζni ). i∈(Z/nZ)∗

Wir werden zeigen, dass Φn = minQ (ζn ) ist. Zun¨achst ist Φn (x) ein Polynom mit Koeffizienten in C. Das folgende Lemma zeigt, dass Φn (x) ∈ Z[x] ist. Lemma 2.5.1

(a) Es gilt: xn − 1 =

Q

d|n

Φd .

(b) F¨ ur alle n ≥ 1, ist Φn (x) ein normiertes Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten. Beweis: Wir bemerken zuerst, dass xn − 1 =

n−1 Y

(x − ζni ) ∈ C[x].

i=0

Falls d | n, ist jede dte Einheitswurzel auch ein nte Einheitswurzel. Insbesondere n/d ist ζd = ζn . Teil (a) folgt hieraus. 25

Wegen (a) kann man Φn rekursiv berechnen, indem man xn − 1 durch alle Φd mit d | n und d < n teilt. Die Polynome xn − 1 und Φ1 (x) = x − 1 sind normiert und besitzen ganzzahlige Koeffizienten. Division mit Rest in Z[x] impliziert daher, dass (xn − 1)/(x − 1) auch normiert ist und ganze Koeffizienten besitzt. Mit Induktion folgt, dass alle Φn diese Eigenschaften besitzen. 2 Beispiel 2.5.2

(a) Sei p eine Primzahl. Lemma 2.5.1.(a) impliziert, dass Φp (x) =

xp − 1 = xp−1 + xp−2 + · · · + 1. x−1

Wir zeigen, dass Φp irreduzibel ist. Dazu definieren wir f (x) := Φp (x + 1). Wir berechnen, dass p   (x + 1)p − 1 X p i−1 x . f (x) = = i x i=1 Aus dem Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) folgt mit Lemma 1.3.4.(a), dass f , und also auch Φp , irreduzibel ist. (b) F¨ ur n ≤ 10 zusammengesetzt finden wir mit dem rekursiven Verfahren aus dem Beweis von Lemma 2.5.1: n Φn 4 x2 + 1 6 x2 − x + 1 8 x4 + 1 6 9 x + x3 + 1 4 10 x − x3 + x2 − x + 1 Satz 2.5.3 Das Kreisteilungspolynom Φn ist das Minimalpolynom von ζn u ¨ ber Q. Beweis: Der Beweis geht zur¨ uck auf Dedekind. Sei f = minQ (ζn ). Wir wissen, dass Φn (ζn ) = 0 und Φn (x) ∈ Q[x]. Also ist f ein Teiler von Φn . Wir m¨ ussen zeigen, dass f = Φn ist. Dazu reicht es zu zeigen, dass f (ζni ) = 0 f¨ ur alle i mit ggT(i, n) = 1. Jedes solches i l¨asst sich als Produkt von Primzahlen schreiben. Daher reicht es, dies f¨ ur Primzahlen p mit ggT(p, n) = 1 zu zeigen. Wir schreiben Φn = f ·g mit g ∈ Z[x]. Die Polynome Φn und f sind normiert, also ist auch g normiert. Sei p eine Primzahl teilerfremd zu n. Wir nehmen an, dass f (ζnp ) 6= 0 ist. Dann ist g(ζnp ) = 0. Es folgt, dass ζn eine Nullstelle von g(xp ) ist, also ist f (x) ein Teiler von g(xp ). ¯ n , f¯, g¯ f¨ Wir schreiben Φ ur die Reduktion von Φn , f, g modulo p. Alle drei Po¯ n , f¯, g¯ nicht das Nullpolynom. Lemma 1.3.4.(b) lynome sind normiert, also sind Φ p p impliziert, dass g(x ) ≡ g(x) (mod p). Da f (x) ein Teiler von g(xp ) ist, folgt f¯(x) | g¯(xp ) ≡ [¯ g (x)]p 26

(mod p).

¯ n und Φ ¯ n besitzt doppelte Nullstellen. Da p - n Also ist f¯2 ein Teiler von Φ besitzt (xn − 1) ∈ Fp [x] keine mehrfache Nullstellen (Lemma 1.2.7). Dies liefert einen Widerspruch. Wir schließen, dass f (ζnp ) = 0. Hieraus folgt, dass Φn = f = minQ (ζn ). 2 Satz 2.5.4 Die K¨orpererweiterung Q(ζn )/Q ist galoisch. Die Galois-Gruppe ist Gal(Q(ζn )/Q) ' (Z/nZ)∗ . Beweis: Der Kreisteilungsk¨orper Q(ζn ) ist der Zerf¨allungsk¨orper des separablen Polynom Φn (x) u ¨ber Q. Korollar 2.4.2 zeigt also, dass die Erweiterung Q(ζn )/Q galoisch ist (Definition 2.3.5). Ist ggT(i, n) = 1, dann definiert ϕi : Q(ζn ) → Q(ζn ),

ζn 7→ ζni

ein Q-Automorphismus von Q(ζn ). Die Abbildung Φ : Gal(Q(ζn )/Q) → (Z/nZ)∗ ,

ϕi 7→ i

ist offensichtlich ein Gruppenisomorphismus.

2.6

2

Charakterisierung von Galois-Erweiterungen

In diesem Abschnitt charakterisieren wir Galois-Erweiterungen (Theorem 2.6.4). Dies ist ein zentrales Ergebnis der Galois-Theorie und ist vieleicht sogar wichtiger als das Ergebnis aus dem n¨achsten Abschnitt, das Hauptsatz der GaloisTheorie heißt (Theorem 2.7.1). Wir endlichen K¨ orpererweiterungen L/K die Gruppe AutK (L) zugeordnet. Theorem 2.6.4 sagt unter Andere, dass man diese Konstruktion auch umdrehen kann. Hierzu ordnen wir jede endliche Gruppe von Automorphismen eine K¨ orpererweiterung zu. Definition 2.6.1 Sei L ein K¨orper und G ⊂ Aut(L) eine endliche Gruppe von Automorphismen. Der Fixk¨orper von G ist definiert als K := LG = {x ∈ L | ϕ(x) = x f¨ ur alle ϕ ∈ G}. Man u uft leicht, dass K := LG ein Teilk¨orper von L mit G ⊂ AutK (L) ¨berpr¨ ist. Das n¨ achste Ergebnis (Satz 2.6.3) sagt, dass die Erweiterung L/K galoisch ist. Wir beweisen zuerst ein Hilfsergebnis, dass das Minimalpolynom minK (α) f¨ ur α ∈ L explizit berechnet. Lemma 2.6.2 Sei G < Aut(L) eine endliche Gruppe und K := LG der Fixk¨orper.

27

(a) Sei α ∈ L. Wir schreiben G(α) = {α = α1 , . . . , αm } f¨ ur die Bahn von α unter der Gruppenwirkung von G. Dann ist α algebraisch u ¨ ber K und Y minK (α) = (x − αi ). i

Insbesondere ist [K(α) : K] ein Teiler von |G|. (b) Die Erweiterung L/K ist separabel. Beweis: Wir schreiben g :=

m Y

(x − αi ) =

i=1

m X

ai xi ∈ L[x].

i=0

i F¨ ur ϕ ∈ Q G schreiben wir g˜ := i ϕ(ai )x ∈ L[x] wie in (5). Offensichtlich gilt g˜ = i (x − ϕ(αi )). Der Automorphismus ϕ permutiert die αi , also gilt g˜ = g. Wir schließen, dass die Koeffizienten von g im Fixk¨orper K sind, d.h. g(x) ∈ K[x]. Sei f = minK (α). Das Polynom g ∈ K[x] besitzt α als Nullstelle, also gilt f | g. Sei αi eine beliebige Nullstelle von g. Per Definition existiert ein Element ϕ ∈ G mit ϕ(α) = αi . Satz 2.3.2 zeigt daher, dass αi auch eine Nullstelle von f ist. Hieraus folgt, dass f = g ist. Der Bahn–Stabilizatorsatz ([3, Satz 2.1.9]) impliziert, dass m = |G(α)| ein Teiler von |G| ist. Aussage (b) folgt. Aussage (a) impliziert, dass das Minimalpolynoms jedes Elements α ∈ L separabel ist. Dies zeigt Aussage (b). 2

P

Satz 2.6.3 Sei L ein K¨orper, G ⊂ Aut(L) eine endliche Gruppe von Automorphismen und K = LG der Fixk¨orper. (a) Der K¨orper L ist der Zerf¨allungsk¨orper eines separablen Polynoms g(x) ∈ K[x]. (b) Die Erweiterung L/K ist galoisch mit Galois-Gruppe G. Beweis: Wir haben schon gesehen, dass G < AutK (L) ist. Wir m¨ ussen daher zeigen, dass |G| = | AutK (L)| = [L : K]. Behauptung: Es gilt [L : K] ≤ |G|. Lemma 2.6.2 sagt, dass jedes Element α ∈ L algebraisch u ¨ber K ist. Also ist auch die Erweiterung L/K algebraisch. Der K¨orper L ist also die Vereinigung aller K¨ orper K(α) mit α ∈ L. Angenommen, wir haben [L : K] > |G|. Dann existiert eine endliche Zwischenerweiterung L0 /K mit [L0 : K] > |G|. Wir w¨ ahlen beliebige Elemente α1 , . . . , αn ∈ L mit n > m := |G|. Wir werden zeigen, dass die αi linear abh¨angig u ¨ber K sind. Die Behauptung folgt

28

hieraus. Sei G = {ϕ1 = 1, . . . , ϕm }. Wir betrachten das folgende lineare Gleichungssystem u ¨ber L: ϕ1 (α1 )X1 + · · · + ϕ1 (αn )Xn = 0 .... .. ϕm (α1 )X1 + · · · + ϕm (αn )Xn = 0.

(8)

Die Annahme n > m impliziert, dass diese Gleichungssystem eine nicht-triviale L¨ osung in L besitzt. Wir w¨ahlen eine nicht-triviale L¨osung (c1 , . . . , cn ) ∈ Ln mit so wenig wie m¨ oglich Koeffizienten ungleich Null. Nach Umnummerierung d¨ urfen wir annehmen, dass c1 6= 0 ist. Indem wir alle ci mit c−1 1 multiplizieren, d¨ urfen wir annehmen, dass c1 = 1 ist, also insbesondere, dass c1 ∈ K ist. Falls alle ci ∈ K sind, liefert die erste Gleichung von (8) die erw¨ unste lineare Relation c1 α1 + · · · + cn αn = 0. (Hier haben wir benutzt, dass ϕ1 = 1 ist.) Wir nehmen also an, dass ci 6= K f¨ ur ein 1 < i ≤ n. Dann existiert ein j 6= 1, sodass ϕj (ci ) 6= ci . Bemerke, dass {ϕj ϕi , . . . , ϕj ϕn } eine Permutation von {ϕ1 = 1, . . . , ϕm } ist. Anwendung von ϕj auf den Koeffizienten des Gleichungssystems (8) liefert also das gleiche Gleichungssystem. Wir schließen, dass (ϕj (c1 ) = c1 , . . . , ϕj (cn )) auch eine L¨osung von (8) ist. Hieraus folgt, dass (ϕj (c1 ) − c1 = 0, ϕj (c2 ) − c2 . . . , ϕj (cn ) − cn ) ebenfalls eine L¨osung des Gleichungssystem (8) ist. Diese L¨osung ist nicht die Nullvektor, da ϕj (ci ) − ci 6= 0. Die neue L¨ osung besitzt aber mehr Eintr¨age gleich Null als die urspruchliche L¨ osung, da zus¨ atzlich der erste Koeffizient verschwindet. Dies widerspicht der Wahl der L¨ osung (ci ). Wir schließen, dass die αi linear anh¨angig u ¨ber K sind. Die Behauptung folgt. Die Behauptung impliziert, dass L/K endlich ist. W¨ahle Erzeuger β1 , . . . , βs von L/K. Wir definieren gi = minK (βi ) und g = kgV(g1 , . . . , gs ). Dann ist L der Zerf¨ allungsk¨ orper von g ∈ K[x]. In Lemma 2.6.2 haben wir gezeigt, dass die gi separabel sind. Da die gi ∈ K[x] als Minimalpolynome auch irreduzibel sind, gilt f¨ ur alle i, j, dass gi = gj oder ggT(gi , gj ) = 1. Es folgt, dass g auch separabel ist. Dies zeigt (a). Da G < AutK (L) folgt aus Satz 2.3.4.(a), dass |G| ≤ | AutK (L)| ≤ [L : K]. Die Behauptung impliziert also, dass |G| = | AutK (L)| = [L : K]. Dies zeigt (b). 2 Wir kommen nun zum Hauptergebnis des Abschnittes. Theorem 2.6.4 Sei L/K eine K¨orpererweiterung. Die folgende Aussagen sind a ¨quivalent: (a) Der K¨orper L ist der Zerf¨allungsk¨orpers eines separablen Polynoms. 29

(b) Es existiert eine endliche Gruppe G AutM2 (L)

trivial sind. Aufgrund von (a) folgt aber aus der ersten Implikation die Umkehrung der zweiten und aus der zweiten Implikation die Umkehrung der ersten. Damit ist auch (b) bewiesen. Die Aussage (c) ist offensichtlich. Wir beweisen (d). Sei H < G eine Untergruppe und M := LH der zugeh¨orige Zwischenk¨ orper. Satz 2.2.5 impliziert, dass jedes Element von AutK (M ) die Einschr¨ ankung eines Elements aus G = AutK (L) ist. Sei ϕ ∈ G. Die Einschr¨ankung ϕ|M : M → L ist eine Einbettung von M in L. Zwei Automorphismen ϕ, ϕ˜ definieren die gleiche Einbettung von M in L, wenn ϕ ◦ ϕ˜−1 ∈ H = AutM (L). Dies zeigt, dass die Anzahl solcher Einbettungen [M : K] = [G : H] = |G|/|H| ist. Wir nehmen an, dass M/K galoisch ist. Dann ist [M : K] = | AutK (M )|. Die obige Beobachtung zeigt, dass dies genau dann der Fall ist, wenn alle Einschr¨ ankungen ϕ : M → L Automorphismen sind, d.h. es gilt ϕ(M ) = M . Die Untergruppe von G, die den K¨orper ϕ(M ) fixiert, ist ϕHϕ−1 wie man durch explizites nachrechnen leicht u ¨berlegt. Da M/K galoisch ist, gilt also ϕHϕ−1 = H f¨ ur alle ϕ ∈ G und H  G ist ein Normalteiler. Ist umgekehrt H  G ein Normalteiler, dann ist der Faktorgruppe G/H < AutK (M ) eine Untergruppe mit |G/H| = [G : H] = [M : K]. In diesem Fall ist M/K daher eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G/H. 2 Wir schließen dieser Abschnitt mit einigen Beispiele ab. √ Beispiel 2.7.2 Wir haben gesehen, dass L = Q( 3 2, ζ3 )/Q = K eine GaloisErweiterung mit Galois-Gruppe G ' S3 ist (Beispiel 2.3.6.(c)). Der K¨orper L ist der Zerf¨ allungsk¨ orper von x3 − 2. Das folgende Diagram listet die Untergruppen von S3 auf. Hierbei bedeutet einen Strich, dass die obere Gruppe in der unteren enthalten ist. {1}

h(1 2)i

h(1 3)i

h(2 3)i

h(1 2 3)i

G Wir berechnen die zugeh¨orige Teilk¨orper von L. Wir betrachten zuerst die Untergruppe H3 := h(1 2)i und schreiben M3 = LH3 . Es gilt [M3 : K] = [G : √ 3 ¨ H3 ] = 3. Das Element α3 = 2ζ32 wird von H3 festgelassen (6). Ahnlich sieht √ 3 man, dass H := h(1 3)i (bzw. H := h(2 3)i) das Element α = 2ζ (bzw. 2 1 2 3 √ α1 = 3 2) festl¨ asst. Die K¨ orpererweiterungen Q(αi )/Q haben Grad 3 = [Mi : K], also ist LHi = Q(αi ). 32

Sei nun N := h(1 2 3)i. Die explizite Beschreibung der Wirkung in (6) zeigt, dass LN = Q(ζ3 ) ist. Die folgende Abbildung zeigt die den obigen Untergruppen entsprechenden Teilk¨ orper. L

Q(α3 )

Q(α2 )

Q(α1 )i

Q(ζ3 )

K=Q Die Untergruppen Hi sind konjugiert in S3 und daher keine Normalteiler. Dies entspricht die Tatsache, dass die Erweiterung Q(αi )/Q nicht galoisch ist (Beispiel 2.3.6.(b)). Die Teilk¨orper Q(αi ) sind alle isomorph. Wir schreiben ϕ1 f¨ ur der Automorphismus von L, der die Permutation (1 2 3) entspricht. Die Einschr¨ ankung von ϕ1 zu Q(αi ) induziert ein Isomorphismus ϕ1 : Q(αi ) → Q(αi+1 ), wobei die Indizes modulo 3 gerechnet werden. (Vergleichen Sie zum Beweis von Theorem 2.7.1.(d).) Die Untergruppe N  G ist ein Normalteiler. Es gilt AutQ (Q(ζ3 )) ' G/N ' Z/2Z. Beispiel 2.7.3 Sei ζ = ζ8 eine primitive 8-te Einheitswurzel und L = Q(ζ8 ). Wir haben gesehen, dass L/Q eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G := Gal(Q(ζ8 ))/Q) ' (Z/8Z)∗ = {¯1, ¯3, ¯5, ¯7} ist (Satz 2.5.4). Diese Gruppe enth¨alt kein Ellement der Ordnung 4, also ist Gal(Q(ζ8 ))/Q) ' Z/2Z × Z/2Z. Wir berechnen die Fixk¨ orper der 3 Untergruppen von der Ordnung 2. Sei H7 = h¯ 7i < (Z/8Z)∗ . Der zu ¯7 geh¨orige Q-Automorphismus erf¨ ullt ϕ7 (ζ8 ) = ζ87 (siehe den Beweis von Satz 2.5.4). Die Bahn von ζ unter 8 √ √ H7 −1 H7 ist also {ζ8 , ζ8−1 }. Also ist ζ√ + ζ = 2 ein Element von L . Da [Q( 2) : 8 8 Q] = [G : H1 ], ist LH7 = Q( 2). Sei H3 = h¯ 3i ⊂ (Z/8Z)∗ und sei ϕ3 (ζ8 ) = ζ83 der zu ¯3 geh¨ √ orige Automorphismus von Q(ζ8 ). Wie oben u uft man, dass ζ8 +ζ83 = i 2 von ϕ3 festgelassen ¨berpr¨ wird. Wir schließen √ LH3 = Q(i 2). Sei H5 = h¯ 5i ⊂ (Z/8Z)∗ . Das Element ζ8 + ζ85 wird von ϕ5 festgelassen. Es 5 gilt ζ8 + ζ8 = ζ8 − ζ8 = 0, also ist dies kein Erzeuger von LH5 u ur ζ82 = i ¨ber Q. F¨ 2 10 2 gilt, dass ϕ5 (ζ8 ) = ζ8 = ζ8 , also ist LH3 = Q(i). Die Galois-Gruppe (Z/8Z)∗ ist abelsch, also ist jede Untergruppe einen Normalteiler. Dies impliziert, dass die Erweiterungen LHi /Q auch galoisch mit 33

Galois-Gruppe G/Hi ' Z/2Z sind. Beispielsweise ist G/H7 erzeugt von √ der √ Linksnebenklasse von ϕ3 und es gilt ϕ¯3 ( 2) = ϕ¯3 (ζ8 + ζ8−1 ) = ζ83 + ζ85 = − 2. p √ Beispiel 2.7.4 Sei α = 2 + 2 ∈ R und L = Q(α). Wir behaupten, dass L/Q eine Galois-Erweiterung mit Galois-Gruppe G ' Z/4Z ist. Wir berechnen zuerst das Minimalpolynom minQ (α). Wir berechnen: √ √ α2 = 2 + 2, α4 = 6 + 4 2. Der Ansatz a + bα2 + cα4 = 0 liefert das Polynom f (x) := 2 − 4x2 + x4 mit f (α) = 0. Das Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) zeigt, dass f irreduzibel ist. Wir berechnen die Nullstellen von f . Die Mitternachtsformel liefert √ x2 = 2 ± 2. Die Nullstellen der Gleichung f = 0 sind daher q √ ± 2 ± 2. √ Wir bemerken, dass dies reelle Zahlen sind, da 2 > 2 ist. Wir behaupten, dass L = Q(α) der Zerf¨allungsk¨orper von f ist. Es gilt q q √ √ √ 2 + 2 · 2 − 2 = 2 = α2 − 2 ∈ L. Also gilt ist auch

√ q √ 2 β := 2 − 2 = p √ ∈ L. 2+ 2

(9)

Dies zeigt, dass L der Zerf¨allungsk¨orper von f ∈ Q[x] ist. Es folgt, dass L/Q galoisch ist. Die Galois-Gruppe G = AutQ (L) besitzt Ordnung 4. Also ist G entweder zyklisch oder isomorph zur Kleinsche Vierergruppe ([3, Kor. 1.8.8]). Es existiert 2 ein Q-Automorphismus √ √ ϕ ∈ Aut √ Q (L) mit ϕ(α) = β. Offensichtlich gilt ϕ(α ) = 2 β = 2 − 2, also ϕ( 2) = − 2. Gleichung (9) impliziert, dass √ √ ϕ(α)ϕ(β) = ϕ( 2) = − 2 = −ϕ(α)ϕ(β). Hieraus folgt, dass ϕ2 α = ϕ(β) = −α. Wir schließen, dass ϕ Ordnung 4 besitzt. Dies zeigt G = hϕi ' Z/4Z. Die Gruppe G = hϕi ' Z/4Z besitzt nur eine Untergruppe H der Ordnung √ 2, n¨ amlich H = hϕ2 i. Die obige Berechnung zeigt, dass 2 ∈ L invariant unter √ ϕ2 ist. Wir schließen, dass LH = Q( 2) ist.

34

2.8

Die Galois-Gruppe eines Polynoms

Sei f (x) ∈ K[x] ein separables Polynom und L/K der Zerf¨allungsk¨orper von f . Theorem 2.6.4 sagt, dass L/K galoisch ist. Wir schreiben G(f ) = AutK (L) und nennen diese Gruppe auch die Galois-Gruppe von f . In L besitzt f genau n verschiedene Nullstellen α1 , . . . , αn . Jedes Element ϕ ∈ G(f ) permutiert die Nullstellen αi von f (Satz 2.3.2). Ist f = g ·h reduzibel u ¨ber K, dann permutiert G(f ) auch die Nullstellen von g (bzw. h). Der folgende Satz ist eine genaue Version dieser Beobachtung. Wir erinnern uns, dass die Wirkung einer Gruppe G auf einer Menge X transitiv ist, wenn f¨ ur jedes α, β ∈ X ein g ∈ G mit g · α = β existiert. (Alternativ: X ist eine Bahn.) Satz 2.8.1 Sei f ∈ K[x] ein separables Polynom von Grad n. (a) Dann ist G(f ) eine Untergruppe von Sn . Insbesondere ist |G(f )| ≤ n!. (b) Ist f irreduzibel u ¨ ber K, dann is G(f ) eine transitive Untergruppe von Sn . Beweis: Sei f ∈ K[x] ein separables Polynom und L der Zerf¨allungsk¨orper. Wir schreiben α1 , . . . , αn ∈ L f¨ ur die Nullstellen von f . Wir haben gesehen, dass ϕ ∈ G(f ) eine Permutation σ(ϕ) ∈ S({α1 , . . . , αn }) ' Sn der Nullstellen definiert. Die αi erzeugen L als Erweiterung von K, also existiert f¨ ur jede Permutation σ ∈ S({α1 , . . . , αn }) h¨ochstens einen K-Automorphismus von L. Der Gruppenhomomorphismus ρ : AutK (L) ,→ Sn ,

ϕ 7→ σ(ϕ)

ist also injektiv. Dies zeigt (a). Wir nehmen an, dass f irreduzibel ist. Seien α, β ∈ L Nullstellen von f . Der Beweis von Satz 2.3.4 zeigt die Existenz eines K-Automorphismus ϕ : L → L mit ϕ(α) = β. Also wirkt G(f ) transitiv auf die Nullstellen von f . 2 Beispiel 2.8.2 Wir betrachten das Polynom f (x) = x4 + 4 ∈ Q[x] aus Beispiel 2.2.4.(b). Das Polynom ist separabel aber nicht irreduzibel u ¨ber Q. Die Nullstellen von f sind ±1 ± i und der Zerf¨allungsk¨orper ist Q(i). Die Galois-Gruppe wird erzeigt durch ϕ : i 7→ −i. Nach geeignete Nummerierung der Nullstellen entspricht dies die Permutation (1 2)(3 4) < S2 × S2 . Ist f ∈ Q[x], dann gibt Satz 2.8.1 eine erste Einschr¨ankung auf G(f ). Eine weitere Unterscheidung liefert die Diskriminante, die wir jetzt einf¨ uhren. Im Rest des Abschnittes wenden wir diese Ideen an, um die Galois-Gruppe G(f ) falls Grad(f ) ∈ {2, 3} ist, zu bestimmen. Ist n = Grad(f ) > 3, enth¨alt die Gruppe Sn viele Untergruppen und wird es dementsprechend schwieriger die Galois-Gruppe zu bestimmen.

35

Definition 2.8.3 Sei f (x) ∈ K[x] ein Polynom von Grad n und seien α1 , . . . , αn die Nullstellen im Zerf¨ allungsk¨orper. Die Diskriminante von f ist definiert als Y ∆(f ) = (αi − αj )2 . i 0 existieren.) Insbesondere sind alle primitive Polynome in R[x]. (b) Jedes Polynom f ∈ K[x] l¨asst sich als f = cont(f ) · f0 mit f0 primitiv darstellen. Pn i (c) Ein Polynom f = i=0 ai x ∈ R[x] ist genau dann primitiv, wenn ggT(a0 , . . . , an ) = 1 ist. Beispiel 3.6.4 Wir w¨ ahlen R = Z. Das Polynom f (x) = x/2 − 2/3 ist nicht primitiv: Der Inhalt ist 1/6. Wir k¨onnen es als f (x) =

1 (3x − 4) 6

darstellen, wobei 3x − 4 primitiv ist. Lemma 3.6.5 Seien f, g ∈ K[x] und p ∈ P. Es gilt (a) vp (f · g) = vp (f ) + vp (g), (b) cont(f · g) = cont(f ) · cont(g). (c) Sind f und g primitiv, dann ist auch f g primitiv.

53

Beweis: Der Beweis von (a) ist dem Beweis des Satzes von Gauß f¨ ur R = Z (Satz 1.2.1) ¨ ahnlich. Wir skizzieren den Beweis im allgemeinen Fall. Seien f, g ∈ R[x] und sei p ∈ R irreduzibel. Wir schreiben f = c · f0 ,

g = d · g0

mit c = cont(f ) ∈ R, d = cont(g) ∈ R und f0 , g0 primitiv (Bemerkung 3.6.3.(b)). Insbesondere gilt f0 , g0 ∈ R[x] (Bemerkung 3.6.3.(a)). Es reicht zu zeigen, dass vp (f0 g0 ) = 0. Dies folgt mit einem Koeffizientenvergleich wie im Beweis von Satz 1.2.1. Aussagen (b) und (c) folgen direkt aus (a). 2 Das folgende Lemma entspricht die Aussage von Satz 1.2.1 f¨ ur R = Z. Lemma 3.6.6 Seien f, g ∈ R[x] mit g primitiv. Ist g ein Teiler von f in K[x], dann ist g auch ein Teiler von f in R[x]. Beweis: Sei g ∈ R[x] primitiv und f ∈ R[x]. Wir nehmen an, dass g ein Teiler von f in K[x] ist. Es existiert ein Polynom h ∈ K[x] mit f (x) = g(x) · h(x). Lemma 3.6.5.(b) impliziert, dass cont(f ) = cont(g) · cont(h) = cont(h), da g primitiv ist. Es folgt, dass cont(h) = cont(f ) ∈ R (Bemerkung 3.6.3.(a)), also h ∈ R[x]. 2 Der folgende Satz ist das Hauptergebnis des Abschnittes. Satz 3.6.7 (Gauß) Sei R ein faktorieller Ring. Dann ist auch R[x] faktoriel und die Menge der Primelemente besteht aus (a) die Primelemente von R, (b) die primitive Polynomein R[x], die in K[x] irreduzibel sind. Beweis: Sei f ∈ R[x] \ {0} keine Einheit. Wir erinnern uns, dass die Einheiten in R[x] genau die Einheiten in R sind. Das Polynom f ist also nicht konstant. Wir schreiben f (x) = c · f1 · · · fr mit c ∈ K ∗ eine Einheit und fi ∈ K[x] irreduzibel. Nach Multiplikation mit geeigneten Konstanten k¨ onnen wir annehmen, dass die fi primitiv sind. Lemma 3.6.5.(b) impliziert also, dass cont(f ) = c. Da f ∈ R[x] ist, folgt, dass c ∈ R ist. Der Ring R ist faktoriel. Wir k¨onnen c also als c = p1 · · · ps 54

mit pi ∈ R irreduzibel schreiben. Insgesamt erhalten wir eine Zerlegung f = p1 · · · ps · f1 · · · fr mit Elemente wie (a) und (b). Wir behaupten, dass diese Elemente auch Primelemente in R[x] sind. Fall (a): Sei p ∈ R ein Primelement und p | f · g f¨ ur f, g ∈ R[x]. Aus Lemma 3.6.5.(a) folgt, dass 0 < vp (f · g) = vp (f ) + vp (g). Wegen vp (f ), vp (g) ≥ 0 folgt daraus, dass p | f oder p | g. Also ist p ∈ R[x] ein Primelement. Fall (b): Sei f ∈ R[x] ein primitives Polynom, das in K[x] irreduzibel ist. Seien g, h ∈ R[x] mit f | g · h. Da f in K[x] irreduzibel ist, teilt f einer der Polynome g, h in K[x]. OBdA d¨ urfen wir annehmen, dass f | g. Lemma 3.6.6 impliziert, dass f ein Teiler von g in R[x] ist. Wir schließen, dass f ein Primelement in R[x] ist. Wir haben gezeigt, dass jedes Element f ∈ R[x] \ {0}, das keine Einheit ist, sich als Produkt von Primelemente der Form (a) und (b) darstellen l¨aßt. Indem man diese Aussage auf ein beliebiges irreduzibles Element f ∈ R[x] anwendet, folgt, dass jedes irreduzibles von der Form (a) oder (b) ist. Insbesondere sind alle irreduzible Elemente prim. Der Satz folgt also aus Satz 3.5.8. 2 Korollar 3.6.8 Sei K ein K¨orper und n ∈ N. Die Ringe K[x1 , . . . , xn ],

Z[x1 , . . . , xn ]

sind faktoriel. Beweis: Dies folgt mit Induktion aus Satz 3.6.7, da Z und K[x1 ] faktoriel sind. 2 Die Irreduzibilit¨ atskriterien aus Abschnitt 1.2 wie Eisenstein-Kriterium (Theorem 1.2.3) und Reduktion modulo p (Satz 1.2.5) lassen sich ohne Probleme auf die allgemeinere Situation u ¨bertragen. (Ersetze Z durch einen beliebigen faktoriellen Ring und Primzahl durch Primelement. Siehe beispielsweise [2, Abschnitt 2.8].) Wir verzichten hier auf eine ausf¨ uhrliche Diskussion und geben stattdessen einige Beispiele. Beispiel 3.6.9 (a) Das Polynom f := x2 + y 2 − 1 ∈ C[x, y] ist irreduzibel. Der totale Grad des Polynoms ist 2. Jeder nichttriviale irreduzible Faktor besitzt daher Grad 1. Wir schreiben f = g · h mit g = ax + by + c und h = a ˜x + ˜by + c˜. Koeffizientenvergleich liefert einen Widerspruch, also ist f irreduzibel. Geometrisch kann man dies leicht verstehen. Einfachheitshalber betrachten wir dazu f ∈ R[x, y]. Selbstverst¨andlich ist f auch als Polynom in R[x, y] irreduzibel. 55

Die Nullstellenmenge von f ist ein Kreis S 1 ⊂ R2 . W¨are die Gleichung f u ¨ber R reduzibel, d.h. f = g · h mit g, h vom totalen Grad 1, dann w¨are der Kreis die Vereinigung der beiden Geraden g = 0 und h = 0, was offensichtlich nicht der Fall ist. (b) Wir betrachten das Polynom F := xp − t ∈ Fp [t, x] aus Beispiel 2.4.3.(a). Sei R = Fp [t], dann ist Fp [t, x] = R[x]. Wir fassen F als Polynom in x mit Koeffizienten in R auf. Bemerke, dass t ∈ R irreduzibel ist. Das EisensteinKriterium (Theorem 1.2.3) erweitert auf dieser Situation zeigt daher, dass F irreduzibel ist. Alternativ kann man F auch als Polynom in (Fp [x])[t] auffassen und benutzen, dass degt (F ) = 1.) (c) Das Polynom g(x) = x2 + xy + 1 ∈ (Z[y])[x] = Z[x, y] ist irreduzibel. Wir betrachten die Reduktion modulo (y). Es gilt g ≡ x2 + 1

(mod (y)) ∈ Z[x, y]/(y) ' Z[x].

Das Polynom x2 + 1 ∈ Z[x] ist irreduzibel. Bemerke, dass die f¨ uhrende Term von g nicht durch y teilbar ist. Satz 1.2.5 zeigt daher, dass g auch irreduzibel ist.

3.7

Hauptideal- und euklidische Ringen

Hauptidealringe haben wir schon in [3, Abschnitt 3.2] betrachtet. In diesem Abschnitt zeigen wir, dass alle Hauptidealringe faktoriel sind. Satz 3.7.1 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring. Dann ist R faktoriel. Beweis: Sei a ∈ R \ {0} keine Einheit. Wir zeigen zuerst die Existenz einer Zerlegung in irreduziblen Elementen (Definition 3.5.6.(a)). Ist a irreduzibel, gibt es nichts zu zeigen. Ansonsten existiert eine Zerlegung a = a1 · b1 mit Nichteinheiten a1 , b1 ∈ R. Wir wenden das Verfahren rekursiv auf a1 und b1 an. Die Frage ist, ob dieses Verfahren immer nach endlich vielen Schritten abbricht. Angenommen, dies sei nicht der Fall. Dann existiert eine unendliche Folge a = a0 , a1 , a2 . . ., sodass an+1 eine echte Teiler von an ist, d.h. an+1 | an

an - an+1 .

Wir erhalten eine aufsteigende Kette von Hauptidealen (Lemma 3.2.3): (a) ( (a1 ) ( (a2 ) ( · · · Wir definieren I := ∪n≥o (an ). Man u ¨berlegt sich leicht, dass I ein Ideal von R ist. Da R nach Voraussetzung ein Hauptidealring ist, existiert ein Element c ∈ R mit I = (c). Da an ∈ I, gilt also c | an f¨ ur alle n. Andererseits liegt c in einem der Ideale (an ), also existiert ein m mit am | c. Dies impliziert, dass an | c,

∀n ≥ m. 56

Dies impliziert, dass c ∼ an f¨ ur alle n ≥ m, also insbesondere am+1 ∼ am . Dies ist ein Widerspruch zur Annahme. Dies zeigt die Existenz einer Zerlegung wie in Definition 3.5.6. Wir zeigen die Eindeutigkeit der Zerlegung. Nach Satz 3.5.8 reicht es zu zeigen, dass jedes irreduzibles Element prim ist. Sei a ∈ R irreduzibel und b, c ∈ R mit a | b · c. Das Ideal I = (a, b) ist ein Hauptideal, wir schreiben I = (d). Insbesondere ist d ∈ (a, b), also existieren x, y ∈ R mit d = xa + yb. Außerdem sind a, b in (d), d.h. d | a und d | b. Da a irreduzibel ist, gilt d ∼ a oder d ∈ R∗ . Im ersten Fall ist a auch ein Teiler von d und daher auch von b. Im zweiten Fall d¨ urfen wir annehmen, dass d = 1 ist. Also ist 1 = xa + yb und daher c = cxa + y(bc). Wir haben angenommen, dass a | bc. Wir schließen, dass a ein Teiler von c ist. Dies zeigt, dass a prim ist. 2 Wir haben schon gezeigt, dass in einem faktoriellen Ring R ggTs existieren (Korollar 3.5.10). Ist R sogar ein Hauptidealring, dann hat man folgende etwas genauere Aussage. Lemma 3.7.2 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und seien a, b ∈ R \ {0}. Ist (a, b) = (d), dann ist d ein gr¨oßter gemeinsamer Teiler von a und b und es existieren x, y ∈ R mit g = xa + yb. Beweis: Sei I = (a, b) und g ein Erzeuger von I, d.h. I = (a, b) = (g). Die Existenz von x, y ∈ R mit g = xa + yb folgt aus g ∈ (a, b). Aus a, b ∈ (g) folgt, dass g ein gemeinsamer Teiler von a und b ist. Sei e ein weiterer gemeinsamer Teiler von a und b. Dann existieren c, d ∈ R mit a = ce und b = de. Also gilt g = xa + yb = e(xc + yd). Wir schließen, dass e | g. 2 Bemerkung 3.7.3 Sei nun R = Z[x]. Der Ring R ist faktoriel. Es gilt, dass g := ggT(2, x) = 1. Man zeigt leicht, dass keine r, s ∈ R mit g = r · 2 + s · x existieren. Beispielsweise folgt dies aus der Tatsache, dass Z[x]/(2, x) ' F2 , was nicht der Nullring ist. Also ist g = 1 ∈ / (2, x). In diesem Fall ist ggT(2, x) also kein Erzeuger des Ideals (2, x). Aus der Tatsache, dass g = 1 ∈ / (2, x) folgt, dass (2, x) kein Hauptideal ist. Der Ring Z[x] ist also faktoriel aber kein Hauptidealring. Dies zeigt, dass die Umkehrung von Satz 3.7.1 nicht gilt. Wir bemerken, dass die Ideale I = (2) und J = (x) in R = Z[x] nicht teilerfremd sind, da I + J 6= R ist (Definition 3.3.3), obwohl ggT(2, x) = 1 ist. In einem faktoriellen Ring, der kein Hauptidealring ist, ist Teilerfremdheid von Elemente nicht das selbe wie Teilerfremdheit von Ideale. Das folgende Lemma gibt eine weitere Eigenschaft von Hauptidealringe. Diese Eigenschaft kann manchmal benutzt werden, um zu zeigen, dass ein Ring kein Hauptidealring ist.

57

Lemma 3.7.4 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und sei I 6= 0 ein Primideal. Dann ist I ein maximaler Ideal. Beweis: Sei I 6= 0 ein Primideal. Sei J ein Ideal mit I ⊂ J ⊂ R. Der Ring R ist ein Hauptidealring, also existieren Elemente p, a ∈ R mit I = (p) und J = (a). Die Inklusion I ⊂ J impliziert, dass a | p. Wir schreiben p = ab mit b ∈ R. Da I = (p) ein Primideal ist, ist p ein Primelement und daher irreduzibel (Satz 3.5.4). Wir schließen, dass a ∈ R∗ oder b ∈ R∗ . Ist a ∈ R∗ , dann ist J = R. Ist b ∈ R∗ , dann gilt a ∼ p und I = J. 2 In der Praxis ist es schwer nachzuweisen, ob ein gegebener Ring R ein Hauptidealring ist. Eine Methode dies zu zeigen, ist zu zeigen, dass R euklidisch ist (Definition 3.7.5). Dies verallgemeinert den Beweis, dass die Ringe Z und K[x] mit K einem K¨ orper Hauptidealringe sind ([3, Satz 3.2.10, Theorem 3.3.4]). In diesen Beweisen wurde ausgenutzt, dass die Ringe Z und K[x] einen euklidischen Algorithmus besitzen, d.h. ein Algorithmus zur Berechnung des ggTs zweier Elemente. Der Grundlage des Algorithmus ist Division mit Rest. Definition 3.7.5 Ein euklidische Ring ist ein Paar (R, δ), wobei R ein Integrit¨ atsring ist und δ : R \ {0} → Z≥0 eine Abbildung, sodass folgende Eigenschaft erf¨ ullt ist: F¨ ur alle a, b ∈ R mit b 6= 0 existieren q, r ∈ R mit a = qb + r, wobei r die Bedingung r = 0 oder δ(r) < δ(b) erf¨ ullt. Beispiel 3.7.6 (a) Der Ring Z ist ein euklidischer Ring mit δ = | · | dem Absolutbetrag. (b) Ist K ein K¨ orper, dann ist K[x] ein euklidischer Ring mit δ = Grad(·) dem Grad. Der Beweis des folgenden Satzes ist analog zu den Beweisen von [3, Satz 3.2.10, Theorem 3.3.4]. Satz 3.7.7 Jeder euklidischer Ring ist ein Hauptidealring. Beweis: Sei (R, δ) ein euklidischer Ring und I ( R ein Ideal. OBdA d¨ urfen wir annehmen, dass I 6= (0) ist. Sei n = min{δ(a) | a ∈ I \ {0}}. Wir w¨ ahlen b ∈ I mit δ(b) = n. Es gilt (b) ⊂ I. Wir behaupten, dass I = (b). Sei a ∈ I. Da R euklidisch ist, existieren q, r ∈ R mit a = qb + r und r = 0 oder δ(r) < δ(b). Wir nehmen an, dass r 6= 0 ist. Es ist r = a − qb ∈ I. Dies widerspricht der Wahl von b. Also gilt r = 0 und a ∈ (b). 2

58



Beispiel 3.7.8 (a) Der Ring Z[ 1+ 2−19 ] ist ein Hauptidealring, aber nicht euklidisch. F¨ ur dem Beweis verweisen wir auf [5, Beispiele nach Prop. 8.1.5 und Prop. 8.2.9]. (b) Der Ring Z[i] ist ein euklidischer Ring bez¨ uglich der Norm N (a + bi) = a2 + b2 . Wir skizzieren den Beweis. Mehr Details finden Sie in [4, Abschnitt 7.3]. Hier finden Sie auch eine Beschreibung der irreduziblen Elementen. Seien α, β ∈ Z[i] mit β 6= 0. Wir betrachten α = u + vi ∈ Q(i). β Es existieren u0 , v 0 ∈ Z mit |u − u0 | ≤ 1/2 und |v − v 0 | ≤ 1/2. (Man w¨ahlt u0 ∈ {buc, due} je nachdem was n¨aher an u ist.) Dann erf¨ ullen q = u0 + v 0 i und r = α − qβ die Bedingungen. Mit einem analogen Argument kann man auch zeigen, dass Z[ζ3 ] ein euklidischen Rung ist. Bemerkung 3.7.9 Der bekannte euklidische Algorithmus zur Berechnung der ggT zweier ganzen Zahlen funktioniert genau so in jeden euklidischen Ring R. Ebenso kann man mit dem erweiterten euklidischen Algorithmus Elemente x, y ∈ R mit ggT(a, b) = xa + yb berechnen. Der Unterschied zwischen euklidischen und Hauptidealringe ist, dass in einem euklidischen Ring einen effizienten Algorithmus zur Berechnung des ggTs. Mit Hilfe des euklidischen Algorithmus kann man auch Erzeuger von Ideale berechnen (Lemma 3.7.2). Zusammenfassend haben wir folgende Inklusionen kommutativer Ringen: K¨ orper ( euklidische Ringen ( Hauptidealringen ( faktorieller Ringen ( Integrit¨ atsringen. Alle Inklusionen sind strikt: Z√ist ein euklidischer Ring (Beispiel 3.7.6.(a)), aber kein K¨ orper, der Ring Z[(1 + −19)/2] ist ein nicht-euklidischer Hauptidealring (Beispiel 3.7.8.(a)), Z[x] ist √ ein faktorieller Ring, der kein Hauptidealring ist (Bemerkung 3.7.3) und Z[ −5] ist nicht faktoriel (Beispiel 3.5.7.(b)).

59

4 4.1

Moduln Definitionen und Beispiele

In diesem Kapitel bezeichnet R stets einen kommutativen Ring mit 1, wenn nicht explizit anders erw¨ ahnt. Definition 4.1.1 Ein R-Modul ist eine abelsche Gruppe (M, +) mit einer Skalarmultiplikation R × M → M, (r, m) 7→ r · m, sodass f¨ ur alle m, m0 ∈ M und r, s ∈ R gilt: (M1) 1 · m = m, (M2) (rs) · m = r · (s · m), (M3) (r + s) · m = r · m + s · m, (M3) r · (m + m0 ) = r · m + r · m0 . Ein Untermodul eines R-Moduls M ist eine Untergruppe N von (M, +), die bez¨ uglich der Skalarmultiplikation abgeschlossen ist. Ein R-Modulhomomorphismus (oder R-Homomorphismus) ist ein Gruppenhomomorphismus ϕ : M → M 0 mit ϕ(r · m) = rϕ(m) f¨ ur alle r ∈ R und m ∈ M. Bemerkung 4.1.2 (a) Ist R = K ein K¨orper, sind R-Moduln nichts anderes als K-Vektorr¨ aume. Diese Beobachtung motiviert auch die obige Definition. (b) Ist R ein nichtkommutativer Ring, unterscheidet man zwischen Linksund Rechtsmoduln. Moduln wie in Definition 4.1.1 nennt man in diesem Fall ¨ R-Linksmoduln. Ahnlich definiert man auch R-Rechtsmoduln, wobei man die Skalarmultiplikation als M × R → M,

(m, r) 7→ m · r

schreibt. Anstatt (M2) fordert man diesmal also m · (r · s) = (m · r) · s. Ist R kommutativ, gilt rs = sr. In diesem Fall sind Linksmoduln auch Rechtsmoduln. Daher unterscheiden wir diese in Definition 4.1.1 nicht. Beispiel 4.1.3 (a) Der Modul M = (0) ist ein R-Modul f¨ ur jedem Ring R (der triviale Modul). (b) Wir betrachten den Fall, dass R = Z ist. Sei (M, +) eine beliebige abelsche Gruppe. Mit der Skalarmultiplikation ( m + · · · + m a Mal , a ∈ Z≥0 , a · m := −|a| · m a ∈ Z m. Wir nehmen an, dass ein R-Isomorphismus ∼

ϕ : Rn → Rm existiert. Also existieren Matrizen B = M (ϕ−1 ) ∈ Mn,m (R)

A = M (ϕ) ∈ Mm,n (R), mit BA = En ,

AB = Em .

68

˜ B ˜ ∈ Mn,n (R), indem wir die fehWir definieren quadratische Matrizen A, lende Zeilen (bzw. Spalten) mit Nullen erg¨anzen:    A ˜ ˜= B 0 . A= , B 0 Mit Matrixmultiplikation folgt: ˜ · A˜ = B · A = En . B Lemma 4.3.7.(a) impliziert, dass ˜ det(A) ˜ = det(En ) = 1. det(B) ˜ eine Null-Spalte und Wir haben angenommen, dass n > m ist, also dass B ˜ A eine Null-Zeile enth¨ alt. Die Definition der Determinante (15) impliziert also, ˜ = det(A) ˜ = 0. Es gilt also, dass 0 = 1 ist. Dies ist aber nur m¨oglich, dass det(B) wenn R = {0} der Nullring ist. Dies beweist (a) und daher den Satz. 2

4.4

Moduln u ¨ ber einem Hauptidealring

In diesem Abschnitt klassifizieren wir endlich erzeugten Moduln u ¨ber einem Hauptidealring. Als Spezialf¨alle enth¨alt dieser Satz sowohl die Klassifikation von endlich erzeugten abelschen Gruppen, alsauch der Jordan-Normalform. Definition 4.4.1 Sei R ein Integrit¨atsring und M ein endlich erzeugter RModul. (a) Wir definieren Mtor = {x ∈ M | ∃r ∈ R \ {0} r · x = 0} der Torsionsanteil von M . Ist M = Mtor , dann heißt M Torsionsmodul. Ist Mtor = {0}, dann heißt M torsionsfrei. (b) Sei N < M ein Untermodul. Wir definieren Ann(N ) = {r ∈ R | r · n = 0 ∀n ∈ N } der Annihilator von N . Der Torsionsanteil Mtors ⊂ M ist ein Untermodul. Der Annihilator Ann(N ) < R ist ein Ideal. Beispiel 4.4.2 (a) Ist M ein freier R-Modul, dann ist Mtor = {0} und Ann(M ) = (0). Dies folgt aus der Definition der linearen Unabh¨angigkeit. Die Umkehrung gilt nicht. Wir betrachten M := (2, x) < Z[x] = R. Dies ist kein Hauptideal. Beispiel 4.3.5.(b) impliziert daher, dass M nicht frei als R-Modul ist. Da R ein Integrit¨atsring ist, folgt, dass Mtor = {0}. 69

In Lemma 4.4.5 werden wir zeigen, dass die Umkehrung gilt, wenn R ein nullteilerfreien Hauptidealring ist. (b) Sei M = Z/nZ × Z/mZ und R = Z. Dann ist M = Mtor und Ann(M ) = kgV(n, m)Z < Z. (c) Sei M = hviR ein zyklischer R-Modul, wobei R ein Integrit¨atsring ist. Sei I = Ann(M ) = (a) < R. Wir betrachten den (surjektiven) R-Homomorphismus ϕ : R → M,

r 7→ r · v.

Ist I 6= (0), dann ist M = Mtor und M ist nicht frei. In diesem Fall folgt aus dem 1. Isomorphiesatz f¨ ur Moduln, dass M ' R/(a). Ist I = (0), dann ist ϕ ein R-Isomorphismus und M ist frei von Rang 1. (d) Ist M ein Modul mit M 6= Mtor , dann ist Ann(M ) = {0}. Im Rest des Abschnittes nehmen wir an, dass R ein nullteilerfreier Hauptidealring ist. In diesem Fall k¨onnen wir einige zus¨atzlichen Eigenschaften von freien Moduln beweisen. Theorem 4.4.3 Sei R ein nullteilerfreien Hauptidealring und M ein freier RModul von Rang m < ∞. Sei N < M ein Untermodul. Dann ist N frei von Rang n ≤ m. Wir haben schon verschiedene Spezialf¨alle von Theorem 4.4.3 gesehen. Ist R = K ein K¨ orper, dann ist dies aus der Lineare Algebra bekannt. F¨ ur M = R = Z sagt das Theorem, dass alle Untergruppen von Z zyklisch sind ([3, Thm. 1.3.1]). Beispiel 4.3.5.(d) ist ein Beispiel f¨ ur die Aussage des Theorems. Die Aussage des Theorems gilt auch ohne die Annahme, dass M endlich erzeugt ist (siehe [8, Theorem 111.7.1]). Beweis: Sei S = (v1 , . . . , vm ) eine Basis von M . Definiere Mi = hv1 , . . . , vi iR < M,

Ni = Mi ∩ N < N.

Wir beweisen die Aussage mit Induktion nach i. Induktionsanfang: Wir betrachten N1 = hv1 iR ∩ N . Wir nehmen an, dass N1 6= {0} ist. Dann ist N1 < hv1 iR = M1 , also existiert ein a1 ∈ R mit N1 = ha1 v1 iR . Dies zeigt, dass N1 frei von Rang 1 ist. Induktionsschritt: Wir nehmen an, dass Ni frei von Rang ≤ i ist. Sei Ii+1 die Menge der Elemente a ∈ R, sodass ein x ∈ N existiert, dass als x = b1 v1 + · · · + bi vi + avi+1

(16)

geschrieben werden kann, wobei bi ∈ R ist. Dann ist Ii+1 < R ein Ideal. Bemerke, dass die Menge x aus (16) genau Ni+1 ist. Der Ring R ist ein Hauptidealring, also existiert ein ai+1 ∈ R, sodass Ii+1 = (ai+1 ). Ist I = (0), dann ist Ni+1 = Ni frei von Rang ≤ i ≤ i + 1 und wir sind fertig mit der Induktionsschritt. 70

Wir betrachten daher den Fall, dass Ii+1 6= (0) ist. Die Definition von Ii+1 impliziert, dass ein wi+1 ∈ Ni+1 mit wi+1 = b1 v1 + · · · + bi vi + ai+1 vi+1 existiert. Bemerke, dass w ∈ / Ni ist, da ai+1 6= 0. Sei nun x = β1 v1 + · · · + βi vi + αvi+1 ∈ Ni+1 beliebig. Aus der Definition von Ii+1 folgt, dass α ∈ Ii+1 = (ai+1 ), d.h. ai+1 | α. Wir schreiben α = ai+1 · c. Es folgt, dass x − cwi+1 ∈ Ni ist. Also gilt Ni+1 = Ni + hwi+1 i. (17) Wir haben schon gesehen, dass Ni+1 ∩hwi+1 i = {0}. Dies impliziert, dass Ni+1 = Ni ⊕ hwi+1 i frei von Rang(Ni+1 ) = Rang(Ni ) + 1 ≤ i + 1 ist: Die Elemente wj mit 1 ≤ j ≤ i + 1 und Ij 6= {0} sind eine Basis von Ni+1 . Die Aussage des Theorems folgt mit Induktion. 2 Wir bemerken, dass der Beweis von Theorem 4.4.3 angibt, wie man eine Basis des Untermoduls N < M ' Rm konstruieren kann. Das Vorgehen ist ahnlich zum Beweis, dass jeder endlich-dimensionaler Vektorraum eine Basis ¨ besitzt. Beispiel 4.4.4 (a) Wir betrachten Beispiel 4.3.5.(d). Sei V < Z3 =: M wieder gegeben durch die Gleichung 3x1 + 2x2 − 4x3 = 0. Wir schreiben (v1 , v2 , v3 ) f¨ ur die Standardbasis von Z3 . Wir benutzen die Bezeichnung aus dem Beweis von Theorem 4.4.3 und finden V1 = V ∩ hv1 iZ = (0),   2 V2 = V ∩ hv1 , v2 iZ = hw2 = −3i, 0   0 V3 = V = hw2 , w3 = 2i, 1

I1 = (0), I2 = (3),

I3 = (1).

In der Tat ist (w2 , w3 ) eine Basis von V . (b) Die Aussage von Theorem 4.4.3 ist falsch, wenn R kein Hauptidealring ist: Ist I < R kein Hauptideal, dann ist I nicht frei (Beispiel 4.3.5.(b)). Das folgende Lemma gibt eine Charakterisierung von freien Moduln u ¨ber einem Hauptidealring. Wir haben schon gesehen, dass Mtor = (0), falls M frei ist. Lemma 4.4.5 Sei R ein nullteierfreier Hauptidealring und M ein endlich erzeugter R-Modul mit Mtor = (0). Dann ist M frei. Beweis: Wir d¨ urfen oBdA annehmen, dass M 6= (0) ist. Sei S = (v1 , . . . , vm ) ein endliches Erzeugendensystem. Sei n maximal, sodass eine linear unabh¨angige Teilmenge T ⊂ S mit Kardinalit¨at n existiert. Nach Umnummerieren d¨ urfen wir 71

annehmen, dass T = (v1 , . . . , vn ). Der Modul F := hT iR ist ein freier Untermodul von M , da T linear unabh¨angig ist. Theorem 4.4.3 impliziert, dass n ≤ m ist. Der Wahl von T impliziert, dass T ∪ {vj } f¨ ur alle j > n linear anh¨angig ist. F¨ ur n < j ≤ m existieren also a1 , . . . , an , bj ∈ R mit bj 6= 0 und a1 v1 + · · · + an vn + bj vj = 0. Insbesondere gilt bj vj = −(a1 v1 + · · · + an vn ) ∈ F. Wir definieren b=

m Y

(18)

bj ∈ R.

j=n+1

Gleichung (18) impliziert, dass bM < F ist. Wir betrachten den R-Homomorphismus ϕ : M → M, m 7→ bm. Es gilt im(ϕ) = bM und ker(ϕ) = {m ∈ M | b · m = 0} < Mtor = {0}. Der 1. Isomorphiesatz impliziert daher, dass M ' im(ϕ) = bM < F . Der Modul M ist als Untermodul eines freien Moduls auch frei (Theorem 4.4.3). 2 Beispiel 4.4.6 Dieses Beispiel ist eine Fortsetzung von Beispiel 4.4.4. Wir betrachten R = Z und     2 0 U = Z3 /V, V = hw2 = −3 , w3 = 2i. 0 1 Sei (e1 , e2 , e3 ) die Standardbasis von Z3 . Wir schreiben ui = ei +W ∈ U . Offensichtlich ist (u1 , u2 , u3 ) ein Erzeugendensystem von U . Wir behaupten, dass U frei ist. Anstatt zu zeigen, dass Utor = (0), wenden wir hier eine alternative Methode an. mehr Details finden Sie in [1, § 12.5]. Die Erzeugenden wi von V liefern folgende Relationen zwischen die Erzeuger ui von U : ( 2u1 + −3u2 = 0, 2u2 + u3 = 0. Wir schreiben diese Relationen mittels einer Relationsmatrix   2 0 A = −3 2 . 0 1 Wir k¨ onnen die Matrix A durch elementare Zeilenoperationen in folgende einfachere Gestallt bringen:       2 0 −1 0 −1 0 A ∼ −3 0 ∼ −3 0 ∼  0 0 . 0 1 0 1 0 1 72

Dies entspricht eine Basiswechsel auf Z3 mit Basiswechselmatrix      1 1 1 1 1 1  0 1  0 1 −2 = −3 −2 Q = −3 1 1 1 1

 4 . 1

Bemerke, dass det(Q) = 1 ∈ Z∗ , also ist Q in der Tat invertierbar. Bez¨ uglich die neue Basis von Z3 sind die Relationen also e˜1 = e˜3 = 0. Wir schließen, dass U = Z3 /V ' Z frei von Rang 1 ist. Wir geben eine Beschreibung von U in Termen einem R-Homomorphismus. Die Matrix A definiert einen R-Homomorphismus ϕ : Z2 → Z3 ,

x 7→ Ax

mit im(ϕ) = V =: AZ2 . Der Modul U = Z3 /V = Z3 / im(ϕ) heißt Kokern von ϕ. Der folgende Satz bildet die Grundlage f¨ ur das Klassifikationsergebnis. Satz 4.4.7 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und M ein endlich erzeugter R-Modul. (a) Der Modul M/Mtor ist frei. (b) Es existiert ein freier Untermodul F < M mit F ⊕ Mtor = M . Der Rang von F ist eindeutig bestimmt. Beweis: (a) Seien M und R wie in der Aussage des Satzes. Sei F˜ = M/Mtor und sei ϕ : M → M/Mtor die kanonische Abbildung. Es gilt F˜tor = (0). Lemma 4.4.5 impliziert, dass F˜ frei ist. Dies beweist (a). (b) Sei S = (v1 , . . . , vn ) eine Basis von F˜ . Wir w¨ahlen mi ∈ M mit ϕ(mi ) = vi . Man zeigt leicht, dass S linear unabh¨angig ist. Wir schließen, dass F := hm1 , . . . , mn iR < M ein freier Untermodul ist. Behauptung: Es gilt M = F ⊕ Mtor . Sei ψ : F × Mtor → M,

(x, y) 7→ x + y.

Der R-Homomorphismus ψ ist surjektiv, da ψ|F : F → M/Mtor = F˜ surjektiv ist. Es gilt ker(ψ) = F ∩ Mtor = Ftor = (0), da F frei ist. Es gilt Rang(F ) = Rang(F˜ ), also ist Rang(F ) eindeutig bestimmt. Die Aussage des Satzes folgt. 2

73

Definition 4.4.8 Sei M ein endlich erzeugter R-Modul mit R ein nullteilerfreier Hauptidealring. Der (freie) Rang von M ist der Rang des freien Moduls F aus Satz 4.4.7. Satz 4.4.7 sagt, dass jeder endlich erzeugter Modul M u ¨ber einem Hauptidealring das Produkt M = F ⊕ Mtor eines freien Moduls F mit seinem Torsionsanteil ist. Der freie Modul F ' Rr ist durch seinem Rang r bestimmt. Es reicht also den Torsionsanteil zu klassifizieren. Wir schreiben Mtor als Produkt zyklischer Moduln. Es gibt zwei Varianten des Klassifikationsergebnises. Ist R = Z, so sind die Aussagen von Theorem 4.4.9 und Theorem 4.4.10 bekannt als Hauptsatz der endlich erzeugten abelschen Gruppen (siehe Beispiel 4.4.17). Theorem 4.4.9 (Invariante Faktoren) Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und M ein endlich erzeugter Torsionsmodul. Dann ist M isomorph zu M = R/(a1 ) ⊕ R/(a2 ) ⊕ · · · ⊕ R/(as ) mit 0 6= ai ∈ R \ R∗ , sodass a1 | a2 | · · · as . Die Elemente ai sind eindeutig bis auf Multiplikation mit einem Einheit, d.h. die Ideale (ai ) sind eindeutig. Theorem 4.4.10 (Elementarteiler) Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und M ein endlich erzeugter Torsionsmodul. Dann ist M isomorph zu α2 αs 1 M = R/(pα 1 ) ⊕ R/(p2 ) ⊕ · · · ⊕ R/(ps )

wobei die pi nicht notwendigerweise verschiedene Primelemente von R sind. Die i Ideale (pα i ) sind eindeutig bis auf Reihenfolge. Definition 4.4.11 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring und M ein eindlich erzeugter R-Modul. Die Elemente ai assoziiert zu Mtor in Theorem 4.4.9 heißen i invariante Faktoren von M . Die Elemente pα i assoziiert zu Mtor in Theorem 4.4.10 heißen Elementarteiler von M . Beispiel 4.4.12 Sei G eine abelsche Gruppe mit 12 Elemente. Dann ist G isomorph zu einer der folgenden Gruppen: G1 = Z/12Z ' Z/4Z × Z/3Z, G2 = Z/2Z × Z/6Z ' Z/2Z × Z/2Z × Z/3Z. Die invarianten Faktoren von G1 (resp. G2 ) sind also a1 = 12 (resp. a1 = 2 α2 1 2, a2 = 6). Die Elementarteiler von G1 (resp. G2 ) sind also pα 1 = 2 , p2 = 3 α1 α2 α3 (resp. p1 = p2 = 2, p3 = 3).

74

Sei M = Mtor endlich erzeugt u ¨ber einem Hauptidealting R. Sei x ∈ M . Dann ist hxiR < M zyklisch. Der Annihilator Ann(hxiR ) ist ein Hauptideal. Wir schreiben I = (a). Es gilt hxiR ' R/(a) (Beispiel 4.3.5.(b)). Sei nun p ∈ R ein Primelement. Wir schreiben M (p) = {x ∈ M | Ann(Rx) = (pα ) f¨ ur α ≥ 0}. Dies ist ein Untermodul von M . Wir nennen es der p-Anteil von M . (Englisch: p-primary component.) Wie in Abschnitt 3.5 w¨ ahlen wir ein Vertretersystem P f¨ ur die Primelementen von R. Lemma 4.4.13 Sei M = Mtor endlich erzeugt. Dann gilt M = ⊕p∈P M (p). Beweis: Sei M ein endlich erzeugter Torsionsmodul. Wir schreiben Ann(M ) = (a). Da M ein endlich erzeugter Torsionsmodul ist, ist a 6= 0. Wir nehmen zus¨ atzlich an, dass M 6= (0) ist. Dann ist a außerdem keine Einheit. Der Ring R ist ein Hauptidealring und daher insbesondere faktoriel. Wir k¨onnen a daher als Produkt mn 1 a = pm 1 · · · pn schreiben, wobei die pi paarweise verschiedenen Primelementen und mi 6= 0 sind. Ist n = 1, dann ist Ann(M ) = (p1 ). In diesem Fall ist M = M (p1 ) und die Aussage folgt. mn 1 2 Wir nehmen an, dass n > 1 ist. Sei b = pm und c = a/b = pm 1 2 · · · pn . Dann ist ggT(b, c) = 1, also existieren x, y ∈ R mit 1 = xb + yc (Lemma 3.7.2). Wir definieren M (p1 ) = {m ∈ M | bm = 0} M 0 = {m ∈ M | cm = 0}. Behauptung: Es gilt M = M (p1 ) ⊕ M 0 . Das Lemma folgt mit Induktion aus der Behauptung. Sei m ∈ M . Es gilt m = 1 · m = (xb + yc) = xbm + ycm. Aus der Wahl von a als Erzeuger von Ann(M ) folgt, dass c · xbm = bc · xm = a · xm = 0,

b · ycm = 0.

Wir schließen, dass xbm ∈ M 0 und ycm ∈ M (p1 ). Es folgt M = M (p1 ) + M . Sei nun m ∈ M (p1 ) ∩ M 0 , d.h. bm = cm = 0. Dann ist 0 = xbm + ycm = 1 · m. 75

Also m = 0. Wir schließen, dass M = M (p1 ) ⊕ M 0 .

2

Beweis des Theorems: Wir beweisen nun die Existenzaussage von Theorem 4.4.10. Wir d¨ urfen annehmen, dass M 6= {0} ist. Lemma 4.4.13 impliziert, dass es reicht M = M (p) zu betrachten, wobei p ein Primelement ist. Wir m¨ ussen zeigen, dass M = R/(pδ1 ) ⊕ · · · ⊕ R/(pδt )

(19)

eine direkte Summe zyklischer Moduln ist. Wir haben angenommen, dass R ein nullteilerfreier Hauptidealring, also faktoriel, ist. Wir beweisen die Aussage mit Induktion. Da M = M (p) endlich erzeugt ist, existiert ein β > 0 mit Ann(M ) = (pβ ). Es existiert also ein x ∈ M , sodass pβ−1 x 6= 0 ist. Dies bedeutet, dass Ann(hxiR ) = ur jedes anderes Element y ∈ M \ {0} gilt Ann(hyiR ) = (pβy ) mit (pβ ) ist. F¨ βy ≤ β. ur M gilt und schreiben Sei M = M/hxiR . Wir nehmen an, dass die Aussage f¨ M = R/(pα1 ) ⊕ · · · ⊕ R/(pαs ). Wir w¨ ahlen einen Erzeuger y i des Untermoduls R/(pαi ) < M . Der Annihilator von y i in M wird von pαi erzeugt. Behauptung: F¨ ur jedes i existiert ein Element yi ∈ M mit yi ≡ y i (mod hxiR ) und AnnM (hyi i) = AnnM (hy i i) = (pαi ). W¨ ahle zun¨ achst ein beliebiges Element zi ∈ M , dass nach y i ∈ M abbildet, d.h. zi + hxiR = y i . Es gilt pαi y i = 0 ∈ M , also pαi zi ∈ hxiR . Wir schreiben pαi zi = pγi cx,

p - c,

γi ≤ β.

(20)

Ist γi = β, dann ist pαi zi = pβ cx = 0 und die Behauptung gilt. Wir nehmen an, dass γi < β ist. Dann ist AnnM (hzi iR ) = (pαi +β−γi ). Es gilt n¨ amlich, dass pαi +β−γi zi = pβ−γi pγi cx = cpβ x = 0. Offensichtlich ist αi + β − γi die kleinste Potenz von p mit dieser Eigenschaft. Insbesondere gilt αi +β−γi ≤ β. (Hier haben wir die Definition von β benutzt.) Dies ist ¨aquivalent zu αi ≤ γi . Wir betrachten nun yi := zi − pγi −αi cx. Offensichtlich gilt yi ≡ zi ≡ y i (mod hxi). Außerdem gilt wegen (20), dass pαi yi = pαi zi − pγi cx = 0. Dies zeigt die Behauptung. Wir definieren nun N = hy1 , . . . , ys iR < M . Per Konstruktion gilt, dass hxi ∩ N = {0}. Außerdem ist {x, y1 , . . . , ys } ein Erzeugendensystem von M . Wir schließen, dass M = R/(pβ ) ⊕ R/((pα1 ) ⊕ · · · ⊕ R/(pαs ) ist. Die Existenz der Zerlegung aus Theorem 4.4.10 folgt nun mit Induktion. 2

76

Bemerkung 4.4.14 Im obigen Beweis wurde nicht genau gesagt, nach was wir Induktion gemacht haben. Im Hauptteilerring R ist der Primideal (p) auch maximal (Lemma refprimmaxlem). Es folgt, dass Kp := R/(p) ein K¨orper ist. Wir definieren M [pα ] = {x ∈ M | pα · x = 0}. Der Untermodul M [p] ist ein (endlich erzeugter) Kp -Vektorraum. Insbesondere ist d1 := dimKp M [p] wohldefiniert. Allgemeiner ist M [pα ]/M [pα−1 ] auch α α−1 ein (endlich dimensionaler) Kp -Vektorraum. Schreibe dP ]. α := dimKp M [p ]/M [p F¨ ur ein endlich erzeugter Torsionsmodul M ist N := i di endlich. Wir haben die Existenzaussage von Theorem 4.4.10 mit Induktion nach N bewiesen. Man kann zeigen, dass N = γ1 + · · · + γt in der Bezeichnung von (19). Beweis des Theorems: Wir zeigen als n¨achstes die Existenzaussage von Theorem 4.4.9. Wir benutzen hier den chinesischen Restsatz (Satz 3.3.5). Wie im Beweis der Existenzaussage von Theorem 4.4.10 d¨ urfen wir annehmen, dass M = Mtor ist. Wie in der Aussage von Lemma 4.4.13 schreiben wir M = M (p1 )⊕· · ·⊕M (pt ) mit pi 6∼ pj falls i 6= j. Wir zerlegen M (pi ) als direkte Summe zyklischer Moduln: β

β

M (pi ) = M (pi i,1 ) ⊕ M (pi i,2 ) ⊕ · · · ,

βi,1 ≤ βi,2 ≤ · · · .

Wir erg¨ anzen die Menge {βi,j } f¨ ur festes i mit Nullen, sodass die Anzahl s der Faktoren f¨ ur jedes i gleich ist. Wir definieren nun β

β

aj = p1 1,j · · · pt t,j . Offensichtlich gilt aj | aj+1 f¨ ur alle j. Wir haben angenommen, dass die Primelemente pi paarweise nicht assoziiert β0 β sind. Dies bedeutet, dass die Ideale (pi i,j ) und (pi0i ,j ) f¨ ur i 6= i0 und βi0 ,j βi,j 6= 0 teilerfremd sind. Aus der chinesischen Restsatz (Satz 3.3.5) folgt daher, dass β

β

R/(aj ) ' R/(p1 1,j ) ⊕ · · · ⊕ R/(pt t,j ) 2

zyklisch ist.

Beispiel 4.4.15 Wir illustrieren an einem Beispiel wie man die invarianten Faktoren aus dem Elementarteiler berechnet. Wir w¨ahlen wieder R = Z und betrachten die abelsche Gruppe G = Z/2Z × Z/4Z × Z/4Z × Z/3Z × Z/27Z. Beachte, dass G in der Form von Theorem 4.4.10 gegeben ist. Wir ordnen die β Faktoren pi i,j wie im Beweis der Existenz der invarianten Faktoren und finden: Primelement p1 = 2 p2 = 3

βi,1 1 0

βi,2 2 1

Wir finden also a1 = 2 · 1, a2 = 4 · 3, a3 = 4 · 27. 77

βi,3 2 3.

Die Eindeutigkeitsaussagen von den Theoreme 4.4.9 und 4.4.10 formulieren wir als Satz. Dies vervollst¨andigt der Beweis der beiden Theoreme. Satz 4.4.16 Sei R ein nullteilerfreier Hauptidealring. (a) Zwei endlich erzeugten R-Moduln M1 und M2 sind genau dann isomorph, wenn sie den gleichen freien Rang und die gleichen invarianten Faktoren haben. (b) Zwei endlich erzeugten R-Moduln M1 und M2 sind genau dann isomorph, wenn sie den gleichen freien Rang und die gleichen Elementarteiler haben. Beweis: Wir beweisen (b). Aussage (a) folgt a¨hnlich. Haben M1 und M2 den gleichen freien Rang und die gleichen Elementarteiler, dann sind M1 und M2 offensichtlich isomorph. Wir nehmen an, dass M1 und M2 isomorph sind. Dann gilt M1,tor ' M2,tor , also auch Rr1 ' M1 /M1,tor ' M2 /M2,tor ' Rr2 . Wir schließen, dass M1 und M2 den gleichen freien Rang haben (Satz 4.3.6.(a)). Um (b) zu beweisen d¨ urfen wir also annehmen, dass M1 und M2 Torsionsmodule sind. Sei p ∈ R ein Primelement. Jeder R-Isomorphismus zwischen M1 und M2 induziert ein R-Isomorphismus M1 (p) ' M2 (p). Es reicht also zu zeigen, dass M1 (p) und M2 (p) die gleiche Elementarteiler haben. Wir nehmen an, dass Mi = Mi (p) und schreiben Ann(M1 ) = (pβ )(= Ann(M2 )). Wir beweisen die Aussage mit Induktion nach β. Sei M1 = M1 (p) ' R/(pα1 ) ⊕ · · · ⊕ R/(pαt ),

1 ≤ α1 ≤ · · · ≤ αt ≤ β.

Wir betrachten M1 [p] := {m ∈ M1 | p · m = 0}. (Beachte den Unterschied zwischen M1 (p) und M1 (p).) Wir errinnern uns, dass Kp := R/(p) ein K¨orper ist (Bemerkung 4.4.14). Der Untermodul M1 [p] ist ein Kp -Vektorraum und dimKp M1 [p] ist genau die Anzahl t der Elementarteiler. Bemerke, dass dimKp M1 [p] = dimKp M2 [p], also haben M1 und M2 die gleiche Anzahl von Elementarteiler. Die Aussage f¨ ur β = 1 folgt hieraus. Sei j maximal mit αj = 1. Die Elementarteiler des Untermoduls pM1 von M1 sind 1 ≤ αj+1 − 1 ≤ · · · ≤ αt − 1 ≤ β − 1. Bemerke, dass wir die Elementarteiler mit αi − 1 = 0 weggelassen haben. Wir schreiben s f¨ ur die Anzahl der Elementarteiler von pM1 . Die Anzahl der Elementarteiler p von M1 ist also t − s = j. Die Annahme M1 ' M2 impliziert auch, dass pM1 ' pM2 . Mit Induktion d¨ urfen wir annehmen, dass pM1 und pM2 die gleiche Elementarteiler haben, d.h. pM1 ' R/(pαj+1 −1 ) ⊕ R/(pαt −1 ) ' pM2 . Dies impliziert, dass M1 und M2 die gleiche Elementarteiler ungleich p haben. Die Gesamtanzahl t der Elementarteiler ist auch gleich. Die Aussage des Satzes folgt. 2

78

Beispiel 4.4.17 (a) Der Beweis von Satz 4.4.16 liefert eine Methode zur Berechnung der Elementarteiler. Wir erl¨autern dies an einem Beispiel. Sei G = (Z/24 Z)∗ . Dies ist eine endliche abelsche Gruppe mit Kardinalit¨at ϕ(24 ) = 23 . Beachte, dass G eine multiplikative Gruppe ist. Die Z-Modulstruktur ist also durch i · x = xi gegeben. Wir bestimmen die Elementarteiler von G. Die Ordnung jedes Elements von G teilt 23 , also gilt G = G(2). Man rechnet nach, dass G[2] = {x ∈ G | x2 = 1 (mod 24 )} = {1, 7, −7, −1} ' Z/2Z × Z/2Z. Die Anzahl der Elementarteiler ist also t = 2. Wir ersetzen nun G durch 2G = {x2 | x ∈ G} = {1, 9} ' Z/2Z. Der Untermodul 2G besitzt nur einen Elementarteiler 2. Wir schließen, dass G ' Z/2Z × Z/4Z. (b) Wir bestimmen die Anzahl der nicht-isomorphen abelschen Gruppen G der Ordnung 23 · 32 · 5. Wir bemerken, dass G(2) ∈ {Z/8Z, Z/2Z × Z/4Z, Z/2Z × Z/2Z × Z/2Z}, G(3) ∈ {Z/9Z, Z/3Z × Z/3Z}, G(5) ' Z/5Z. Insgesamt gibt es also 3 · 2 · 1 = 6 M¨oglichkeiten. Satz 4.4.16 impliziert, dass alle diese M¨ oglichkeiten nicht isomorph sind.

4.5

Moduln u ¨ ber K[t]

Als Spezialfall der Ergebnisse aus Abschnitt 4.4 betrachten wir endlich erzeugten Moduln u ¨ber R = K[t], wobei K ein K¨orper ist. Wir errinnern uns, dass R ein Hauptidealring ist. Sei V ein endlich dimensionaler K-Vektorraum und T : V → V eine linearePAbbildung. Wir nehmen einfachheitshalber an, dass V 6= (0) ist. Sei n i r = i=0 ri t ∈ R und v ∈ V . Wir definieren eine R-Modulstruktur auf V durch n X r·v = ri T i (v), i=0 i

wobei T = T ◦ · · · ◦ T die i-fache Verkn¨ upfung von T ist. Man u ¨berlegt sich leicht, dass dies in der Tat einen R-Modulstruktur definiert: Die R-Modulaxiome folgen in dieser Situation direkt aus der Tatsache, dass V ein K-Vektorraum und T eine K-lineare Abbildung ist. Wir schreiben VT f¨ ur diesem R-Modul um die Abh¨ angigkeit des Modulstrukturs der linearen Abbildung zu unterstreichen. Beispiel 4.5.1 Wir betrachten R = K[t] und V = K 2 und schreiben (e1 , e2 ) f¨ ur die Standardbasis von V als K-Vektorraum. Wir definieren zwei verschiedene R-Modulstrukture Mi auf V durch die lineare Abbildungen     0 1 0 1 T1 = , T2 = . 0 0 −1 0 79

Wir bemerken, dass T12 = 0 (die Nullmatrix) und T22 = −E2 ist. Hierbei ist E2 die 2 × 2-Einheitsmatrix. Pn Pn Sei r = i=0 ri ti ∈ R. Dann ist r(T ) := i=0 ri T1i = r0 E2 + r1 T1 und r wirkt auf M1 = V als die Matrix   r0 r1 . (21) 0 r0 Insbesondere gilt T1 (e2 ) = e1 . Das Element e1 ist also ein Erzeuger von M1 als R-Modul und M1 ist zyklisch. Es gilt r ∈ Ann(M1 ) genau dann, wenn die Matrix (21) verschwindet, also wenn r0 = r1 = 0. Dies ist ¨aquivalent zu t2 | r. Es folgt, dass Ann(M1 ) = (t2 ). Aus der ersten Isomorphiesatz folgt, dass M1 ' R/(t2 ) ist (Beispiel 4.4.2.(c)). Wir betrachten nun den R-Modul M2 geh¨orig zu T2 . In diesem Fall ist Ann(M2 ) = (t2 + 1). Der R-Modul M2 ist ebenfalls zyklisch: Ein Erzeuger ist beispielsweise e1 , da (e1 , T2 (e1 ) = −e2 ) eine Basis von V als K-Vektorraum ist. Es folgt, dass M1 ' R/(t2 + 1). Wir betrachten einen R-Modul VT wie oben. Sei S = (v1 , . . . , vn ) eine KBasis von V . Dann ist S auch ein Erzeugendensystem von VT als R-Modul. Insbesondere ist VT endlich erzeugt. Alternativ kann man auch benutzen, dass dimK R = ∞. Diese Beobachtung impliziert sofort, dass der freien Rang von VT als R-Modul Null ist. Es folgt, dass VT = (VT )tor ein Torsionsmodul ist. Der Annihilator eines endlich erzeugten Torsionsmoduls ist ungleich Null. Also ist Ann(VT ) = (f ) < K[t] f¨ ur einem nicht-konstanten Polynom f ∈ K[t]. Wir d¨ urfen annehmen, dass f normiert ist. Dann ist f eindeutig bestimmt. Definition 4.5.2 Sei V ein endlich-dimensionaler K-Vektorraum und T : V → V eine lineare Abbildung. Das Minimalpolynom von T ist das (eindeutig bestimmte) normierte Polynom mT (t) mit Ann(VT ) = (mT ). Ander gesagt: mT ist das normierte Polynom kleinsten Grades mit mT (T ) = 0. (Hierbei ist mT (T ) die Matrix, die wir erhalten, wenn wir T f¨ ur die Variable t einsetzen.) Beispiele hierf¨ ur haben wir im Beispiel 4.5.1 gesehen. Theorem 4.4.9 impliziert die Existenz von Polynome ai ∈ K[t] mit a1 | · · · | as , sodass VT ' R/(a1 ) ⊕ · · · ⊕ R/(as ), a1 | · · · | as . Die invariante Faktoren ai sind eindeutig bis auf Einheiten. Nehmen wir also an, dass die ai normiert sind, dann sind sie eindeutig. Der Annihilator ist erzeugt vom gr¨ oßten invarianten Faktor as . Es gilt also mT = as und alle invarianten Faktoren von VT teilen das Minimalpolynom mT . Wir beschreiben die zyklischen Moduln M = R/(a), wobei a = tn +cn−1 tn−1 + · · · + c0 ∈ K[t]. Dazu w¨ ahlen wir die Basis S = (1, t, . . . , tn−1 ) von M als KVektorraum. Multiplikation mit t definiert ein R-Homomorphismus von M , also auch eine K-lineare Abbildung T : K n → K n . In der obigen Bezeichung ist also

80

M = VT , wobei V = K n ist. Bez¨ uglich der Basis S gilt   0 −c0 1 −c1    MS (T ) =  ..  . ..  . .  1 −cn−1 Diese Matrix heißt Begleitmatrix des Polynoms a(t). Wir benutzen die Bezeichnung Ba f¨ ur die Begleitmatrix des Polynoms a(t). Das folgende Lemma beweist man mit Induktion und die Laplace-Entwicklung des Determinanten. Wir schreiben cA (t) := det(tI − A) f¨ ur das charakteristische Polynom einer quadratischen Matrix A ∈ Mn,n (K). (Diese Definition sorgt daf¨ ur, dass cA ein normiertes Polynom ist.) Lemma 4.5.3 Sei Ba die Begleitmatrix des Polynoms a(t). Dann gilt cBa (t) = a(t). Dies liefert eine Normalform f¨ ur Matrizen, die sogenannte rational kanonische Normalform. Wir illustrieren dies zuerst in einem Beispiel. Beispiel 4.5.4 Wir betrachten V = K 3 und die lineare Abbildung T : V → V bez¨ uglich die Standardbasis (e1 , e2 , e3 ) von V gegeben durch die Matrix   1 1 0 A = 0 1 0 . 0 0 1 Es gilt, dass (A − E3 )2 = 0, also (t − 1)2 ∈ Ann(VT ). Die einzige nichttriviale Teiler von (t − 1)2 in R = K[t] ist t − 1, aber A 6= E3 . Wir schließen, dass Ann(VT ) = ((t − 1)2 ) und das Minimalpolynom ist mT (t) = (t − 1)2 . Wir berechnen die invarianten Faktoren. Bemerke, dass dimK R/((t − 1)2 ) = 2 < 3. Es gibt also eine weitere invariante Faktor außer mT . Wir bemerken, dass V1 = he1 , e2 iK = he2 iR ,

V2 = he3 iK = he3 ir

zyklische Untermoduln von VT sind. Der Grund ist, dass T (Vi ) ⊂ Vi , d.h. die Vi sind Untervektorr¨ aume von V , die von T invariant gelassen werden. Es gilt Ann(V1 ) = ((t − 1)2 ) und Ann(V2 ) = (t − 1). Die invariante Faktoren von VT sind also a1 = t − 1, a2 = (t − 1)2 . (Alternativ folgt dies auch aus Satz 4.5.5.) Wir berechnen die Begleitmatrix von T . Dazu beschr¨anken wir uns zun¨achst auf den zyklischen Untermoduln V1 , V2 . Die Begleitmatrix von T |V1 ist   0 −1 , 1 2 da das Minimalpolynom (t − 1)2 = t2 − 2t + 1 ist. Die zugeh¨orige Basis von V1 als K-Vektorraum ist (e2 , y := T (e2 ) = e1 + e2 ). Die Begleitmatrix von T |V2 ist die 1 × 1-Einheitsmatrix. 81

Die Matrix von T bez¨ uglich der Basis (e3 , e2 , y) von V als K-Vektorraum ist   1 M (T ) =  0 −1 . 1 2 Wir betrachten wieder eine beliebige lineare Abbildung T : V → V .Wir schreiben a1 , . . . , as f¨ ur die invariante Faktoren und Cai f¨ ur die Begleitmatrix des Polynoms ai . Dann existiert eine Basis S von V als K-Vektorraum, sodass   Ca1   .. MS (T ) =  . . Cas Dieser Normalform heißt rational kanonischer Form der linearen Abbildung T . Aus Theorem 4.4.9 folgt, dass diese Normalform eindeutig ist. Satz 4.5.5 Sei K ein K¨orper und A ∈ Mn,n (K) eine Matrix mit invarianten Faktoren a1 , . . . , as . Dann gilt: Qs (a) Das charakteristische Polynom cA von A erf¨ ullt cA = i=1 ai . (b) (Cayley–Hamilton) Das Minimalpolynom mA teilt das charakteristische Polynom cA . Insbesondere gilt cA (A) = 0. (c) Es existiert ein α ∈ N, sodass cA | mα A. Beweis: Aussage (a) folgt aus Lemma 4.5.3. Aussage (b) folgt aus der Tatsache, dass mA (t) = as (t) die gr¨oßte invariante Faktor ist. Aussage (c) folgt aus a1 | a2 | · · · | as . 2 Beispiel 4.5.6 Sei A ∈ M3,3 (K) eine Matrix mit cA (t) = (t − 1)3 . Dann ist mA (t) = (t − 1)i mit i ∈ {1, 2, 3}. Ist mA (t) = t − 1, dann ist A = E3 . Die invariante Faktoren sind a1 (t) = a2 (t) = a3 (t) = t − 1. Ist mA (t) = (t−1)2 , dann sind die invariante Faktoren (t−1), (t−1)2 . Dieser Fall haben wir im Beispiel 4.5.4 betrachtet. Ist mA (t) = cA (t) = (t − 1)3 = t3 − 3t2 − 3t + 1, dann ist VT zyklisch und die rational kanonischer Form ist   0 0 −1 1 0 3  . 0 1 3 Wir betrachten nun die Aussage von Theorem 4.4.10 (Elementarteiler). Wir nehmen daf¨ ur einfachheitshalber an, dass K ein algebraisch abgeschlossener K¨ orper ist. Die Primelemente von R = K[t] sind daher die linearen Polynome t − a, a ∈ K und jedes Polynom in K[t] zerf¨allt in Linearfaktoren. 82

Sei T : V ' K n → V eine lineare Abbildung und sei VT wieder der entsprechende R-Modul. Wir schreiben Y cT (t) = (t − λi )αi , i

wobei die Eigenwerte λi paarweise verschieden sind. Theorem 4.4.10 impliziert, dass VT ein Produkt zyklischer Moduln der Form R/(t − λi )k ,

k ≤ αi

ist. Der Grund ist, dass alle relevante Primelemente Teiler von mT | cT sind. Wir beschreiben die zyklische Faktoren M = R/(t − λ)k . Dazu betrachten wir die Basis fj = (t − λ)j , j = 0, . . . , k − 1 von M als K-Vektorraum. Die lineare Abbildung T eingeschr¨ankt auf M entspricht die Multiplikation mit t auf M . Die Abbildung T wirkt daher als T fj = t · (t − λ)j = [λ + (t − λ)](t − λ)j ( λfj + fj+1 j + 1 < k, = λfj j + 1 = k. Wir haben benutzt, dass Ann(M ) = ((t − λ)k ), also ist Multiplikation mit fk = (t − λ)k Null auf M . Die Matrix von T bez¨ uglich der K-Basis (fk−1 , . . . , f0 ) von M ist also   λ 1    0 . . . . . . .    ..  . 1 λ Dies entspricht einen Jordan-Block. Theorem 4.4.10 sagt also, dass eine K-Basis von V existiert, bez¨ uglich der die Matrix von T in Jordan-Normalform ist. Die Jordan-Bl¨ocke sind eindeutig bis auf Reihenfolge. Wir bemerken, dass T genau dann diagonalisierbar ist, wenn alle Jordan-Bl¨ ocke 1 × 1-Bl¨ocke sind. Dies ist ¨aquivalent zur Aussage, dass die Elementarteiler alle Grad 1 als Polynom in t besitzen. F¨ ur die Existenz einer Jordan-Basis u ¨ber K reicht es, dass das charakteristische Polynom u ¨ber K in Linearfaktoren zerf¨allt. Dies ist ¨aquivalent zur Aussage, dass alle Eigenwerte λi in K sind. Beispiel 4.5.7 (a) Wir betrachten  1 0 A = 0 0 0 1

 0 −2 ∈ M3,3 (R). 3

83

Wir bemerken, dass V1 := he1 i und V2 := he2 , e3 i von A invariant gelassenen Untervektorr¨ aume von V = R3 sind. Es folgt, dass V1 und V2 R-Untermoduln von VA sind. Die Einschr¨ ankung von A auf Vi eine Begleitmatrix: Es gilt A|V1 = Ba1 mit a1 = t − 1 und A|V2 = Ba2 mit a2 = t2 − 3t + 2. Die Matrix A ist also genau dann in rational kanonischer Form, wenn a1 | a2 . Dies ist der Fall, da a2 (t) = (t − 1)(t − 2). Satz 4.5.5 impliziert, dass das characteristische Polynom cA (t) = a1 · a2 = (t − 1)2 (t − 2) und das Minimalpolynom mA (t) = a2 (t) ist. Wir schließen, dass VA ' R/(t − 1) ⊕ R/((t − 1)(t − 2)) ist. Die Polynome (t − 1) und (t − 2) sind teilerfremd. Der chinesische Restsatz (Satz 3.3.5) impliziert, dass R/((t − 1)(t − 2)) ' R/(t − 1) ⊕ R/(t − 2) ist. Die Elementarteiler sind also t − 1, t − 1, t − 2. Die Matrix A ist also diagonalisierbar. (b) Sei A ∈ Mn,n (K) mit Ak = En und Ak−1 6= En . Es folgt, dass tk − 1 ∈ Ann(VA ), also mA | (tk − 1). Sei K ein K¨orper, der eine primitive k-te Einheitswurzel enth¨ alt. (Beispielsweise k¨onnen wir K = C w¨ahlen.) Dann zerf¨ allt tk − 1 in Linearfaktoren, n¨amlich (tk − 1) =

k−1 Y

(t − ζki ) ∈ K[t].

i=0

Insbesondere sind alle Nullstellen von tk − 1, und daher auch von mA , paarweise verschieden. Dies impliziert, dass alle Elementarteiler von A Grad 1 haben. Insbesondere ist die Matrix A diagonalisierbar. (c) Wir betrachten die Matrix   1 1 B= ∈ M2,2 (Fp ). (22) 0 1 Mit Induktion zeigt man, dass Bk =



1 0

 k . 1

Wir sehen, dass B k 6= E2 f¨ ur 1 ≤ k ≤ p−1 und B p = E2 . Also ist B eine Matrix mit Ordnung p, aber B ist nicht diagonalisierbar. Der Grund ist, dass (tp − 1) = (t − 1)p ∈ Fp [x]. Das Minimalpolynom mB von B ist (t−1)2 . Der Unterschied zu der Situation in Charakteristik 0 ist, dass 1 in Charakteristik p die einzige p Einheitswurzel ist. Die Matrix B besitzt in Charakteristik 0 unendliche Ordnung.

84

5

Kommutative Algebra und algebraische Geometrie

In diesem Kapitel ist R 6= {0} stets ein kommutativer Ring mit 1 und K ein K¨ orper mit unendlich vielen Elementen. (Siehe Bemerkung 5.1.1 f¨ ur eine Begr¨ undung.) Eine Referenz f¨ ur diesem Kapitel ist [5, Kapitel 15]. K¨ urzere Einf¨ uhrungen finden Sie in [2, Abschnitt 3.9] und [1, Abschnitt 10.8].

5.1

Affine algebraische Mengen

Sei K ein K¨ orper. F¨ ur n ∈ N bezeichnen wir AnK := K n = {P = (a1 , . . . , an ) | ai ∈ K} und nennen dies die affine Standardraum der Dimension n u ¨ber K. Die Elemente P = (a1 , . . . , an ) ∈ AnK heißen Punkte von AnK . Bemerkung 5.1.1 Jedes Polynom f ∈ K[x1 , . . . , xn ] definiert eine Abbildung AnK → K,

P 7→ f (P ) ∈ K.

Die Funktionen x := (x1 , . . . , xn ) sind die Standardkoordinaten des affinen Raumes AnK . Wir schreiben auch K[x] = K[x1 , . . . , xn ]. Wir erinnern, dass zwei Polynome genau dann gleich sind, wenn alle Koeffizienten gleich sind. Da wir annehmen, dass K unendlich viele Elemente besitzt, definieren zwei verschiedene Polynome f, g ∈ K[x] auch verschiedene Funktionen. Wir k¨ onnen m¨ ussen deshalb nicht zwischen das Polynom f und die von f definierte Abbildung unterscheiden. Dies gilt nicht, wenn K = Fq endlich ist: Beispielsweise verschwindet xq − x f¨ ur alle x ∈ Fq . Definition 5.1.2 Sei K ein K¨orper und I < K[x] ein Ideal. Wir bezeichnen mit Z(I) = {P ∈ AnK | f (P ) = 0 ∀f ∈ I} die Menge der gemeinsamen Nullstellen aller Polynome aus I. Eine Teilmenge Z ⊂ AnK der Form Z = Z(I) heißt (affine) algebraische Menge. Sind f1 , . . . , fm Erzeuger eines Ideals I < K[x1 , . . . , xn ], dann gilt offensichtlich Z(I) = {P ∈ AnK | f1 (P ) = · · · = fm (P ) = 0}. Wir schreiben in dieser Situation manchmal auch Z(f1 , . . . , fm ) anstatt Z(I). Im n¨ achsten Abschnitt werden wir zeigen, dass alle Ideale I < K[x1 , . . . , xn ] endlich erzeugt sind (Theorem 5.3.6). Es ist also keine Einschr¨ankung nur solche Ideale zu betrachten.

85

Beispiel 5.1.3 (a) Ist A ∈ Mm,n (K) eine Matrix und b ∈ K n , dann definiert die L¨ osungsmenge des linearen Gleichungssystems Axt = b eine affine algebraische Menge. Insbesondere ist jeder Punkt P = (a1 , . . . , an ) als Nullstellenmenge des Ideals (x1 − a1 , . . . , xn − an ) < K[x] algebraisch. (b) Die Ideale I = (x2 ) und J = (x22 ) von K[x1 , x2 ] definieren die gleiche algebraische Menge. Satz 5.1.4 Seien I, J < K[x] Ideale. (a) Ist I < J, dann ist Z(I) ⊃ Z(J). Die Abbildung Z ist also Inklusionsumkehrend oder kontravariant. (b) Die Vereinigung zweier algebraischen Mengen ist auch algebraisch und es gilt Z(I) ∪ Z(J) = Z(I · J) = Z(I ∩ J). (c) Es gilt Z(I)∩Z(J) = Z(I+J). Allgemeiner ist eine beliebige Schnittmenge algebraischer Mengen ∩i Z(Ii ) auch allgebraisch. 2

¨ Beweis: Ubungsaufgabe.

Bemerkung 5.1.5 Satz 5.1.4 erlaubt die Definition einer Topologie auf Z(I): Die abgeschlossenen Mengen sind die algebraischen Mengen. Wir bemerken, dass ∅ = Z(1) und AnK = Z(0) algebraisch sind. Diese Topologie heißt ZariskiTopologie. Ist K = R oder K = C, dann ist diese Topologie gr¨ober als die u ¨bliche Topologie. Die Zariski-Topologie ist u ¨ber einen beliebigen K¨orper definiert. Beispiel 5.1.6 (a) Sei I = (x) < J = (x, y) < K[x, y]. Dann ist Z(I) die y-Achse und Z(J) der Ursprung und es gilt Z(I) ⊃ Z(J). (b) Wir betrachten I = (x), J = (y) < K[x, y]. Dann ist I ·J = I ∩J = (x·y). Wir sehen, dass Z(I · J) = Z(I) ∪ Z(J) die Vereinigung der y- mit der x-Achse ist. Sei Z ⊂ AnK eine algebraische Menge. Wir haben gesehen, dass verschiedene Ideale mit Nullstellenmenge Z existieren (Beispiel 5.1.3.(b)). Es existiert aber ein endeutig bestimmtes gr¨oßtes Ideal I mit Z = Z(I). Definition 5.1.7 Sei Z ⊂ AnK eine beliebige Menge. Wir definieren I(Z) := {f ∈ K[x1 , . . . , xn ] | f (P ) = 0 f¨ ur alle P ∈ Z} und nennen I(Z) das Verschwindungsideal von Z. Man sieht leicht, dass I(Z) in der Tat ein Ideal von K[x1 , . . . , xn ] ist.

86

Ist Z = Z(I) eine affine algebraische Menge, dann heißt K[Z] = K[x1 , . . . , xn ]/I(Z) der Koordinatenring von Z. Beispiel 5.1.8 (a) Es gilt I(AnK ) = (0), also K[AnK ] = K[x1 , . . . , xn ]. (Hier haben wir benutzt, dass |K| = ∞ ist.) (b) Sei I = (y 2 ) < K[x, y]. Dann ist Z = Z(I) die y-Achse und es gilt I(Z) = (y). Der Koordinatenring ist K[Z] = K[x, y]/(y) ' K[x]. (c) Sei Z = Z(y 2 − x3 ) ⊂ A2K . Sei P = (a, b) ∈ Z. Es gilt also, dass b2 = a3 . Ist a 6= 0, dann ist auch b 6= 0. Wir definieren c = (b/a). Es gilt  2 b = c2 , a= a

 3 b b= = c3 . a

Außerdem ist a = 0 genau dann, wenn b = 0. Wir schließen, dass Z = {(c2 , c3 ) ∈ K 2 }. Wir m¨ ochten zeigen, dass I(Z) = (y 2 − x3 ) ist. Sei dazu f ∈ K[x, y] beliebig. Wir schreiben f (x, y) = f0 (x) + f1 (x)y + g(x, y)(x3 − y 2 ). Jedes Polynom f kann man so schreiben, da {xi y j | i ≥ 0, j ∈ {0, 1}} eine K-Basis von K[x, y]/(x3 − y 2 ) bildet. Die Bedingung f (P ) = 0 f¨ ur alle P = (c2 , c3 ) ∈ Z ist ¨ aquivalent zu f0 (c2 ) + f1 (c2 ) · c3 = 0

f¨ ur alle c ∈ K.

(23)

Wir schreiben f0 (x) =

X

αi xi ,

f1 (x) =

i 2

X

βi x i .

i

Dann enth¨ alt f0 (c ) = i αi c nur gerade Potenzen von c und f1 (c2 ) · c3 = P 2i+3 nur ungerade Potenzen. Die Bedingung (23) ist also ¨aquivalent zu i βi c f0 = f1 = 0, also zu f ∈ (y 2 − x3 ). Wir schließen, dass I(Z) = (y 2 − x3 ). Siehe auch Beispiel 5.5.7 f¨ ur einem alternativen Beweis. Der Koordinatenring von Z ist K[Z] = K[x, y]/(y 2 − x3 ). Das obige Argument zeigt, dass P

2i

K[Z] = K[x, y]/(y 2 − x3 ) ' K[t2 , t3 ] ( K[t], ∼

wobei ϕ := K[x, y]/(y 2 − x3 ) → K[t2 , t3 ] durch x 7→ t2 , y 7→ t3 definiert wird. Im Abschnitt 5.5 charakterisieren wir das Verschwindungideal I(Z) genauer. Dies macht die Bestimmung des Ideals wie in Beispiel 5.1.3.(c) einfacher.

87

Bemerkung 5.1.9 Sei Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge und K[Z] der Koordinatenring. Die Elemente f ∈ K[Z] k¨onnen wir als Funktionen f : Z → K auffassen. F¨ ur Z = AnK haben wir dies schon gesehen (Bemerkung 5.1.1). Seien f, g ∈ K[x1 , . . . , xn ] zwei Polynome mit f ≡ g (mod I(Z)). Wir schreiben f = g + h mit h ∈ I(Z). Dann ist h(P ) = 0 f¨ ur alle P ∈ Z und es gilt f (P ) = g(P ). Umgekehrt definieren f, g ∈ K[x1 , . . . , xn ] genau die gleiche Funkktion von Z nach K, wenn f − g ∈ I(Z) ist. Lemma 5.1.10 Seien A, B ⊂ AnK Teilmengen. (a) Ist A ⊂ B, dann ist I(B) ⊂ I(A). (b) Es gilt I(A ∪ B) = I(A) ∩ I(B). (c) F¨ ur jedes Ideal I gilt I ⊂ I(Z(I)). (d) Ist Z ⊂ AnK , dann ist Z ⊂ Z(I(Z)) mit Gleichheit genau dann, wenn Z eine affine algebraische Menge ist. 2

¨ Beweis: Ubungsaufgabe.

5.2

Morphismen

In diesem Abschnitt beschreiben wir Abbildungen zwischen affinen algebraischen Mengen. Dazu f¨ uhren wir zuerst einige Begriffe ein. Definition 5.2.1 Sei R ein kommutativer Ring (mit 1). Eine R-Algebra ist ein kommutativer Ring A zusammen mit einem injektiven Ringhomomorphismus ϕ : R ,→ A. Ist A eine R-Algebra, dann k¨onnen wir R via ϕ als Teilring von A auffassen. Wir sagen manchmal auch, dass A eine Ringerweiterung von R ist und schreiben A/R. Wir k¨ onnen eine R-Algebra A auch als R-Modul auffassen: Die R-Modulstruktur ist als r · a := ϕ(r)a f¨ ur r ∈ R und a ∈ A definiert. Sei A/R eine Ringerweiterung und S ⊂ A eine beliebige Teilmenge. Wir bezeichnen mit R[S] ⊂ A der von S u ¨ber R erzeugte Unteralgebra, d.h. die kleinste R-Algebra von A, die S enth¨ alt. Die R-Algebra A ist (algebraisch) endlich erzeugt, wenn A = R[S] mit |S| < ∞. Beachten Sie den Unterschied zwischen endlich erzeugt als R-Algebra und als R-Modul: Der Polynomring K[x] ist endlich erzeugt als K-Algebra, aber nicht endlich erzeugt als K-Modul.

88

Bemerkung 5.2.2 Definition 5.2.1 ist nicht die allgemeinst m¨ogliche Definition. In der Literatur erlaubt man auch, dass A nichtkommutativ und ϕ nicht injektiv ist (beispielsweise in [5, Abschnitt 10.1]). Ist A nichtkommutativ, dann fordert man, dass das Bild ϕ(R) im Zentrum {x ∈ A | ax = xa ∀a ∈ A} von A enthalten ist. Wir betrachten dies hier nicht: Wir nehmen weiterhin an, dass alle Ringen kommutativ mit 1 sind. Definition 5.2.3 Seien A und B zwei R-Algebren. Ein R-Algebrahomomorphismus ist ein Ringhomomorphismus ψ : A → B mit ψ(r · a) = r · ψ(a) f¨ ur alle r ∈ R und a ∈ A. Der Koordinatenring K[Z] = K[x1 , . . . , xm ]/I(Z) einer affinen algebraischen n Menge ist eine endlich erzeugte K-Algebra. Seien Z ⊂ Am K und W ⊂ AK affine algebraische Mengen und ϕ : K[Z] → K[W ] ein K-Algebrahomomorphismus (Definition 5.2.3). Der folgende Satz zeigt, dass man zu ϕ eine Abbilding ψ : W → Z mit der Eigenschaft ϕ(f ) = f ◦ ψ assozieren kann. Definition 5.2.5 definiert die entsprechende Abbildungen zwischen algebraische Mengen. Wir betrachten zun¨achst ein Beispiel. Beispiel 5.2.4 Wir betrachten den K-Algebrahomomorphismus ϕ : A = K[x] ,→ B = K[x, y]/(y 2 − x) induziert von der offensichtlichen Einbettung von A in B, d.h. wir fassen B = A[y]/(y 2 − x) als Erweiterung von A auf. Ist f (x) ∈ K[x], dann ist ϕ(f (x)) = f (x) ∈ B. Wir schreiben A = K[A1K ] und B = K[W ]. Die zugeh¨ orige Abbildung algebraischer Mengen ist ψ : W → A1K ,

(x, y) 7→ x.

Ist n¨ amlich f (x) ∈ K[x], dann ist f ◦ ψ : W → K,

y 7→ f (x)

ein Element von B. Dies ist genau die Abbildung ϕ. n Definition 5.2.5 Seien Z ⊂ Am K und W ⊂ AK affine algebraische Mengen. Eine Abbildung ψ : W → Z heißt Morphismus, wenn Polynome ψ1 , . . . , ψm ∈ K[x1 , . . . , xn ] mit ψ(P ) = (ψ1 (P ), . . . , ψm (P ))

f¨ ur alle P = (a1 , . . . , an ) ∈ W existieren. Der Morphismus ψ ist ein Isomorphismus, wenn ein Morphismus ψ 0 : Z → W mit ψ ◦ ψ 0 = 1Z und ψ 0 ◦ ψ = 1W existiert.

89

Beispiel 5.2.6 Wir betrachten nochmals B = K[x, y]/(y 2 − x) = K[W ]. Es gilt B ' K[y]. Dies entspricht der Isomorphismus W → A1K ,

(x, y) 7→ y.

Die Umkehrabbildung ist y 7→ (y 2 , y). Die Abbildung ψ : W → A1K , (x, y) 7→ x aus Beispiel 5.2.4 ist kein Isomorphismus, da ψ keine Bijektion ist. n Satz 5.2.7 Seien Z ⊂ Am K und W ⊂ AK affine algebraische Mengen.

(a) Ist ψ : W → Z ein Morphismus, dann definiert ψ ∗ : K[Z] → K[W ],

f 7→ f ◦ ψ

ein K-Algebrahomomorphismus. (b) Sei ϕ : K[Z] → K[W ] ein K-Algebrahomomorphismus. Dann existiert ein eindeutiger Morphismus ψ mit ϕ = ψ ∗ . (c) Sind ψ1 : V → W und ψ2 : W → Z Morphismen, dann gilt (ψ1 ◦ ψ2 )∗ = ψ2∗ ◦ ψ1∗ : K[Z] → K[V ]. (d) Der Morphismus ψ : W → Z ist genau dann ein Isomorphismus, wenn ψ ∗ ein K-Algebraisomorphismus ist. ¨ Beweis: Wir beweisen (a) und (b) und u ¨berlassen (c) als Ubungsaufgabe. Aussage (d) folgt direkt aus (c). Wir schreiben x1 , . . . , xn f¨ ur die Standardkoordinaten auf AnK und y1 , . . . , ym f¨ ur die Standardkoordinaten auf Am K um Verwirrung zu vermeiden. (a) Sei ψ : W → Z ein Morphismus und seien ψ1 , . . . , ψm ∈ K[x1 , . . . , xn ] wie in Definition 5.2.5. Sei f ∈ K[y1 , . . . , ym ] ein Polynom. Dann ist f ◦ ψ = f (ψ1 , . . . , ψm ) ein Polynom in K[x1 , . . . , xn ]. Ist f ∈ I(Z), dann ist f (P ) = 0 f¨ ur alle P ∈ Z. F¨ ur Q ∈ W ist P = ψ(Q) ∈ Z und (f ◦ ψ)(Q) = f (ψ(Q)) = f (P ) = 0. Es gilt daher f ◦ ψ ∈ I(W ). Es folgt, dass ψ eine Abbildung ψ ∗ : K[Z] → K[W ],

f 7→ f ◦ ψ

induziert. Man u uft leicht, dass dies ein K-Algebrahomomorphismus ist. ¨berpr¨ (b) Sei nun ϕ : K[Z] = K[y1 , . . . , ym ]/I(Z) → K[W ] = K[x1 , . . . , xn ]/I(W ) ein K-Algebrahomomorphismus. Wir w¨ahlen Repr¨asentanten ξi ∈ K[x1 , . . . , xn ] der Restklassen ϕ(yi ) + I(W ). Dies definiert einen Morphismus ϕ˜ : AnK → Am K,

P = (a1 , . . . , an ) 7→ (ξ1 (P ), . . . , ξn (P )).

Wir m¨ ussen zeigen, dass ϕ˜ Punkte von W auf Punkte von Z abbildet Sei P ∈ W und Q = ϕ(P ˜ ) ∈ Am K.

90

Betrachte f ∈ I(Z). Nach Definition von K[Z] ist f (y1 , . . . , ym ) = 0 ∈ K[Z]. Also gilt auch ϕ(f ) = 0 ∈ K[W ]. Die Abbildung ϕ : K[Z] → K[W ] ist ein KAlgebrahomomorphismus. Dies impliziert, dass 0 = ϕ(f (y1 , . . . , ym )) = f (ϕ(y1 ), . . . , ϕ(ym )) ∈ K[W ]. Einsetzen von Q = ϕ(P ˜ ) liefert also f (Q) = f (ϕ(P ˜ )) = ϕ(f (P )) = 0. Wir schließen, dass f (Q) = 0 f¨ ur alle f ∈ I(Z). Dies bedeutet, dass Q ∈ Z(I(Z)) ist. Lemma 5.1.10.(d) sagt, dass Z(I(Z)) = Z ist. Dies zeigt, dass ϕ˜ : W → Z ein Morphismus ist. Aussage (b) folgt. 2

5.3

Noethersche Ringen und der Hilbertsche Basissatz

In diesem Abschnitt besch¨ aftigen wir uns mit noetherschen Ringen. Noethersche Ringen sind eine Verallgemeinerung von Hauptidealringen und spielen eine wichtige Rolle in der algebraischen Geometrie. Obwohl wir in diesem Kapitel nur noethersche Ringen ben¨otigen, betrachten wir zun¨achst eine etwas allgemei¨ nere Definition. Der Grund ist, dass Satz 5.3.3 ohne Anderungen auch in der allgemeineren Situation gilt. Definition 5.3.1 Sei R ein kommutativer Ring. (a) Ein R-Modul M heißt noethersch, wenn jeder Untermodul von M endlich erzeugt ist. (b) Ein Ring R heißt noethersch, wenn R noethersch als R-Modul ist, d.h. wenn jedes Ideal I < R endlich erzeugt ist. Beispiel 5.3.2 (a) Jeder nullteilerfreie Hauptidealring, wie Z oder K[x], ist offensichtlich noethersch. Noethersche Ringen sind daher eine Verallgemeinerung von Hauptidealringen. (b) Der Ring Z[x1 , x2 , . . .] mit abz¨ahlbar unendlich vielen Erzeuger ist nicht noethersch, da das Ideal I = (x1 , x2 , . . .) nicht endlich erzeugt ist. (c) Der Ring C[0, 1] der stetigen Funktionen auf dem Intervall [0, 1] ist nicht ¨ noethersch (Ubungsaufgabe). Ein noetherscher Ring kann beliebig lange, aber endliche, aufsteigende Ketten von Idealen besitzen. Beispielsweise ist (pn ) ( (pn−1 ) ( · · · ( (p) eine Kette der L¨ ange n von Idealen in Z. Ein noetherscher Ring kann unendlich lange absteigende Ketten von Idealen besitzen. Beispielsweise ist (p) ) (p2 ) ) (p3 ) ) · · · eine unendliche lange absteigende Kette von Idealen in Z. 91

Satz 5.3.3 Sei M ein R-Modul. Folgende Bedingungen sind ¨aquivalent. (a) Der R-Modul M ist noethersch. (b) Jede aufsteigende Kette von Untermoduln N1 ⊂ N2 ⊂ N3 ⊂ · · · ⊂ M von M ist schließlich konstant, d.h. es existiert ein n, sodass Nn = Nm f¨ ur alle m ≥ n. Solche Ketten heißen station¨ar ist. (c) Jede nichtleere Menge von Untermoduln besitzt ein maximales Element bez¨ uglich Inklusion. Wir erinnern an die Definition von Maximalit¨at. Sei N eine Menge. Ein Element N ∈ N heißt maximal (bez¨ uglich Inklusion), wenn f¨ ur alle N 0 ∈ N mit 0 0 N ⊂ N gilt, dass N = N ist. Beweis: “(a)⇒(b)”: Sei M noethersch und N1 ⊂ N2 ⊂ · · · eine aufsteigende Kette von Untermoduln von M wie in (b). Die Vereinigung N = ∪i Ni ist auch ein Untermodul von M . Da M noethersch ist, ist N endlich erzeugt. Sei N = hx1 , . . . , xr iR ein Erzeugendensystem. Jedes xi ∈ N ist in einem Nji enthalten Es existiert ein Index n, sodass xi ∈ Nn f¨ ur alle i. (Beispielsweise n = maxi (ji ).) Also ist N ⊂ Nn und es folgt, dass Nn = Nm = N f¨ ur alle m ≥ n. “(b)⇒(c)”: Wir nehmen an, dass (b) gilt. Sei N eine nichtleere Menge von Untermoduln von M . W¨ ahle N1 ∈ N . Ist N1 maximal, gilt (c). Wir nehmen also an, dass N1 nicht maximal ist. Es existiert also ein Element N2 ∈ N mit N1 ( N2 ⊂ M . Induktiv finden wir eine unendliche, streng aufsteigende Kette von Untermoduln N1 ( N2 ( N3 ( · · · ,

Ni ∈ N .

Dies widerspricht (b). “(c)⇒(a)”: Wir nehmen an, dass (c) gilt. Sei N ⊂ M ein Untermodul. Wir betrachten die Menge N aller endlich erzeugten Untermoduln von N . Die Menge N ist nichtleer, da (0) ∈ N ist. Aussage (c) impliziert, dass N ein maximales Element N 0 enth¨ alt. Wir zeigen, dass N = N 0 ist. Hieraus folgt, dass N endlich erzeugt ist. Ist N 0 ( N , dann existiert ein Element x ∈ N \ N 0 . Der Modul N 00 = 0 N + hxiR ist auch endlich erzeugt und N 0 ( N 00 ⊂ N . Dies widerspricht die Maximalit¨ at von N 0 . Wir schließen, dass N = N 0 ist. 2 Korollar 5.3.4 Sei R ein noeterscher Ring und I ( R ein Ideal. Dann existiert ein maximales Ideal m mit I < m. 92

Bemerkung 5.3.5 Die Aussage von Korollar 5.3.4 gilt auch f¨ ur nicht-noethersche Ringen. Der Beweis der allgemeinen Version benutzt das Lemma von Zorn. (Siehe auch Behauptung II im Beweis von Theorem 1.4.6.) Der folgende Satz ist ¨ ahnlich zu Satz 3.6.7. Theorem 5.3.6 (Hilbertscher Basissatz) Sei R ein noetherscher Ring. Dann ist R[x] ebenfalls noethersch. Beweis: Sei R ein noetherscher Ring und I < R[x] ein Ideal. F¨ ur alle j ∈ N definieren wir Jj ⊂ R als die Menge Jj = {a ∈ R | ∃f (x) = axj + Terme kleineren Grades inI} ∪ {0}, der Elemente a ∈ R, sodass ein Polynom mit f¨ uhrendem Term axj in I exististiert, vereinigt mit 0. Bemerke, dass Jj < R ein Ideal ist. Ist f ∈ I ein Polynom mit f¨ uhrendem Term axj , dann ist xf auch in I und besitzt einen f¨ uhrenden Term axj+1 . Wir schließen, dass J1 ⊂ J2 ⊂ · · · ⊂ R eine aufsteigende Ketten von Ideale in R ist. Da R noethersch ist, folgt aus Satz 5.3.3, dass diese Kette station¨ar ist. Sei n ∈ N, sodass Jm = Jn f¨ ur alle m ≥ n. Die Ideale Jj sind endlich erzeugt. F¨ ur 1 ≤ j ≤ n w¨ahlen wir (endlich viele) Erzeuger aj,1 , . . . , aj,sj von Jj . F¨ ur alle Paare (j, k) w¨ahlen wir außerdem ein Polynom fj,k ∈ I mit f¨ uhrendem Term aj,k xj . Behauptung: Die Polynome fj,k erzeugen I. Sei I 0 das Ideal erzeugt von den Polynome fj,k . Es gilt I 0 ⊂ I. Wir nehmen an, dass I 0 ( I echt kleiner als I ist. W¨ahle ein Polynom g ∈ I \ I 0 minimalen Grades. Sei bxd der f¨ uhrende Term von g. Setze m = min(n, d). Dann ist b ∈ Jm , also existieren ck ∈ R mit sm X ck am,k . b= k=1

Das Polynom g 0 := g − xd−m

sm X

ck fm,k

k=1

Psm ist auch ein Element von I. Beachte, dass das Polynom xd−m k=1 ck fm,k den gleichen f¨ uhrenden Term wie g besitzt, auch wenn d > m ist. Der Grad von g 0 ist also echt kleiner als der Grad von g. Die Wahl von g impliziert daher, dass g 0 ∈ I 0 ist. Aber dann ist auch g = g 0 + xd−m

sm X

ck fm,k ∈ I 0 .

k=1

Dies zeigt die Behauptung und damit den Satz.

93

2

Korollar 5.3.7 Die Polynomringe Z[x1 , . . . , xn ] und K[x1 , . . . , xn ], wobei K ein K¨orper ist, sind noethersch. Bemerkung 5.3.8 Sei K ein K¨orper. Dann ist K[x] = K[x1 , . . . , xn ] noethersch (Korollar 5.3.7), also ist jedes Ideal I < K[x] endlich erzeugt. Wir schreiben I = (f1 , . . . , fr ). Dann ist Z(I) = Z(f1 ) ∩ · · · ∩ Z(fr ) (Satz 5.1.4). Jede affine algebraische Menge ist also die Schnittmenge von endlich vielen Hyperebenen.

5.4

Hilbertscher Nullstellensatz

Wir greifen nochmals Beispiel 5.1.3.(a) auf. Sei P = (a1 , . . . , an ) ∈ AnK ein Punkt und mP := (x1 − a1 , . . . xn − an ). Dann ist P = Z(mP ). Das folgende Lemma zeigt, dass I(P ) = mP ist. Lemma 5.4.1 Das Ideal mP < K[x1 , . . . , xn ] ist ein maximales Ideal und es gilt mP = I(P ). Beweis: F¨ ur f ∈ K[x1 , . . . , xn ] existieren Polynome gi ∈ K[x1 , . . . , xn ] mit f (x) = f (P ) +

n X

(xi − ai )gi (x).

i=1

Dies ist die mehrdimensionale Taylor-Entwicklung ersten Grades. Ist also f (P ) = 0, dann ist f ∈ mP . Dies zeigt, dass I(P ) ⊂ mP . Die Inklusion mP ⊂ I(P ) ist offensichtlich, also gilt I(P ) = mP . Wir betrachten den Evaluierungshomomorphismus ϕP : K[x1 , . . . , xn ] → K

f 7→ f (P ).

Dies ist ein surjektiver Ringhomomorphismus mit Kern I(P ) = {f | f (P ) = 0}. Der 1. Isomorphiesatz f¨ ur Ringen (Satz 3.2.10.(a)) impliziert also, dass K[X1 , . . . , xn ]/I(P ) ' K ein K¨ orper ist. Also ist I(P ) = mP maximal (Satz 3.4.2.(b)). Das Lemma folgt. 2 Satz 5.4.2 (Schwache Form des Nullstellensatzes) Sei K ein algebraisch abgeschlossener K¨orper. Ist m < K[x1 , . . . , xn ] ein maximales Ideal, dann existiert ein eindeutig bestimmter Punkt P = (a1 , . . . , an ) ∈ AnK mit m = mP = (x1 − a1 , . . . , xn − an ). 94

Beweisskizze: Da m maximal ist, ist L := K[x1 , . . . , xn ]/m ein K¨orper. Der K¨ orper L wird als Erweiterung von K durch die Restklassen xi + m erzeugt. Insbesondere ist L/K endlich erzeugt als K-Algebra. Wir werden sp¨ater zeigen, dass hieraus folgt, dass L/K eine algebraische Erweiterung ist (Korollar 5.7.12). Da K algebraisch abgeschlossen ist, gilt also L = K (Bemerkung 1.4.2.(b)). Dies impliziert die Existenz von Elementen ai ∈ K mit xi ≡ ai

(mod m),

i = 1, . . . , n,

d.h. xi − ai ∈ m. Wir definieren P = (a1 , . . . , an ). Das Ideal mP ist maximal (Lemma 5.4.1) und es gilt mP < m. Offensichtlich ist 1 ∈ / m, also m ( K[x1 , . . . , xn ]. Wir schließen, dass m = mP . 2 Korollar 5.4.3 Sei K algebraisch abgeschlossen. Dann definiert die Zuordnung P 7→ mP eine Bijektion zwischen den affinen Raum AnK und die Menge der maximalen Ideale in K[x1 , . . . , xn ]. Korollar 5.4.4 Sei K algebraisch abgeschlossen und Z = Z(I). Die Punkte von Z entsprechen genau die maximalen Idealen von K[Z]. Beweis: Die Aussage folgt aus der 3. Isomorphiesatz f¨ ur Ringen (Satz 3.2.10.(b)). 2 Korollar 5.4.5 Sei K algebraisch abgeschlossen und f1 , . . . , fr ∈ K[x1 , . . . , xn ]. Dann besitzt das algebraische Gleichungssystem f1 (x) = · · · = fr (x) = 0 genau dann eine L¨osung P ∈ AnK , wenn das Ideal I := (f1 , . . . , fr ) von K[x1 , . . . , xn ] verschieden ist. Beweis: Gilt I = K[x1 , . . . , xn ], dann existieren Polynome g1 , . . . , gr ∈ K[x1 , . . . , xn ] mit r X 1= gi fi . i=1

F¨ ur jedes P ∈

AnK

gilt 1=

r X

gi (P )fi (P ).

i=1

Es existiert also mindestens ein i mit fi (P ) 6= 0 und P ist keine L¨osung des Gleichungssystems. Wir betrachten den Fall, dass I ( K[x1 , . . . , xn ] ist. Es existiert ein maximales Ideal m mit I < m (Korollar 5.3.7). Satz 5.4.2 sagt, dass m = mP f¨ ur ein 95

P ∈ AnK . Aus Satz 5.1.4.(a) folgt, dass Z(I) ⊃ Z(mP ) = {P }. Also ist P eine L¨ osung des Gleichungssystems. 2 Beispiel 5.4.6 Sei Z = Z(x2 +y 2 −1) < A2R . Das Polynom x2 +y 2 −1 ∈ R[x, y] ist irreduzibel (Beispiel 3.6.9.(a)). Es gilt, dass K[Z] = R[x, y]/(x2 + y 2 − 1). (Man kann sich direkt u ¨berlegen, dass I(Z) = (x2 + y 2 − 1) oder argumentieren als in Beispiel 5.5.7.) Betrachte J = (x2 + y 2 − 1, x − 2) < R[x, y]. Man zeigt, dass J maximal ¨ Es gilt aber, dass Z(J) = ∅. Korollar 5.4.5 gilt also nicht, ist (Ubungsaufgabe). wenn K nicht algebraisch abgeschlossen ist. Das Gleichungssystem ( x2 + y 2 = 1, x =2 besitzt Nullstellen u ¨ber dem algebraischen Abschluß C, n¨amlich x = 2, y = √ ± 3i. Dies bedeutet, dass J aufgefasst als Ideal in C[x, √ y] nicht maximal ist: Das Ideal J ist enthalten in den Idealen (x − 2, y − ± 3i) < C[x, y]. Korollar 5.4.7 Sei ψ : W → Z ein Morphismus. Ist P ∈ W und Q = ψ(P ), dann ist mQ = (ψ ∗ )−1 (mP ). ur die Beweis: Wir nehmen an, dass Z ⊂ AnK und schreiben x1 , . . . , xn f¨ Standardkoordinaten auf AnK . Sei Q = (a1 , . . . , an ). Wie im Beweis von Satz 5.2.7 gilt, dass ψ ∗ (xi )(P ) = xi (ψ(P )) = xi (Q) = ai . Also ist ψ ∗ (xi − ai )(P ) = 0 und xi − ai ∈ (ψ ∗ )−1 (mP ). Wir erhalten die Inklusion mQ = (x1 − a1 , . . . , xn − an ) ⊂ (ψ ∗ )−1 (mP ). Das Ideal mP ist maximal, also ist mP ( K[Z] und daher auch (ψ ∗ )−1 (mP ) ( K[W ]. Da mQ maximal ist, folgt mQ = (ψ ∗ )−1 (mP ). 2

5.5

Radikalideale

In diesem Abschnitt m¨ ochten wir die Verschwindungsideale algebraischer Mengen Z charakterisieren. Wir haben gesehen, dass verschiedene Ideale die gleiche Nullstellenmengen haben k¨ onnen (Beispiel 5.1.3.(b)). Es existiert aber ein kleinstes Ideal I mit Z(I) = Z. Dieses Ideal ist ein sogenanntes Radikalideal. Definition 5.5.1 Sei R ein kommutativer Ring und I < R ein Ideal. (a) Das Radikal von I ist die Menge rad(I) = {a ∈ R | an ∈ I f¨ ur ein n ≥ 1}. (b) Das Radikal rad(0) des Nullideal heißt Nullradikal.

96

(c) Ein Ideal mit I = rad(I) heißt Radikalideal. (d) Ein Ring R heißt reduziert, wenn rad(0) = {0}. Bemerkung 5.5.2 (a) Das Nullradikal besteht aus allen Elemente a ∈ R mit ak = 0 f¨ ur ein k ∈ N. Dies sind die nilpotente Elemente von R. Ein Ring R ist also genau dann reduziert, wenn 0 das einzige nilpotente Element ist. (b) Ein Primideal ℘ < R ist ein Radikalideal. Sei n¨amlich f ∈ R mit f n = f · f n−1 ∈ ℘. Da ℘ prim ist, folgt f ∈ ℘ or f n−1 ∈ ℘. Mit Induktion folgt also f ∈ ℘. Beispiel 5.5.3 Q (a) Wir betrachten ein Ideal I = (n) ( Z. Dann wird rad(I) erzeugt von p|n p, wobei das Produkt l¨auft u ¨ber alle Primzahlen, die n teilen. (b) Das Ideal (xy) < K[x, y] ist ein Radikalideal und K[x, y]/(xy) ist reduziert. (c) Der Ring K[x, y]/(y 2 ) ist nicht reduziert: y ist ein nicht-trivialer Nullteiler. Ist I = (y 2 ) < K[x, y] dann ist rad(I) = (y) < K[x, y]. Satz 5.5.4 Sei R ein kommutativer Ring und I < R ein Ideal. (a) Das Radikal rad(I) ist ein Ideal, das I enth¨alt. (b) Das Ideal rad(I)/I < R/I ist das Nullradikal von R/I. Insbesondere ist I genau dann ein Radikalideal, wenn R/I reduziert ist. Beweis: Wir zeigen zuerst, dass das Nullradikal rad(0) eines beliebigen kommutativen Ringes ein Ideal ist. Da 0 ∈ rad(0), ist rad(0) 6= ∅. Sei x ∈ rad(0) und n ∈ N mit xn = 0. F¨ ur r ∈ R gilt dann (rx)n = rn xn = 0, also r · x ∈ rad(0). Sei nun y ∈ rad(0) ein weiteres Element und sei m ∈ N mit y m = 0. Dann gilt n+m X n + m  (x + y)n+m = xi y n+m−i ∈ R. i i=0  Bemerke, dass wir die Binomialkoeffizienten n+m ∈ Z als Elemente von R i auffassen k¨ onnen. Ist i < n, dann ist n + m − i > m. F¨ ur jedes 0 ≤ i ≤ n + m ist also xi = 0 oder y n+m−i = 0. Es folgt, dass (x + y)n+m = 0 und x + y ∈ rad(0). Dies zeigt, dass rad(0) < R ein Ideal ist. Sei nun I < R ein Ideal. Offensichtlich ist I ⊂ rad(I). Das Nullradikal radR/I (0) < R/I entspricht rad(I) unter der Korrespondenz des dritten Isomorphiesatzes (Satz 3.2.10.(b)). Es folgt, dass rad(I) auch ein Ideal ist. Dies zeigt (a) und die erste Aussage von (b). Die zweite Aussage von (b) folgt aus Bemerkung 5.5.2. 2 Korollar 5.5.5 Sei Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge. Das Verschwindungsideal I := I(Z) ist ein Radikalideal und K[Z] ist reduziert.

97

Beweis: Sei I = I(Z) und f ∈ rad(I). Sei m ∈ N mit f m ∈ I. F¨ ur alle P ∈ Z gilt f m (P ) = (f (P ))m = 0. Der K¨orper K ist nullteilerfrei, also folgt, dass f (P ) = 0. Also ist f ∈ I. Die Aussage des Korollars folgt nun aus Satz 5.5.4. 2 Satz 5.5.6 (Starke form des Nullstellensatzes) Sei K ein algebraisch abgeschlossener K¨orper und I < K[x1 , . . . , xn ] ein Ideal. Dann gilt rad(I) = I(Z(I)). Beispiel 5.5.7 (a) Sei I = (x2 + y 2 − 1) < C[x, y]. In Beipiel 3.6.9 haben wir gezeigt, dass x2 + y 2 − 1 ein irreduzibles Polynom ist. Da C[x, y] ein faktorieller Ring (Korollar 3.6.8) ist, ist I ein Primideal (Satz 3.5.8). In Bemerking 5.5.2.(b) haben wir gesehen, dass I = rad(I) ein Radikalideal ist. Satz 5.5.6 impliziert also, dass I = Z(I) ist. Dies liefert einen neuen Beweis der Aussage aus Beispiel 5.1.8.(c). (b) Beispiel 5.4.6 zeigt, dass die Aussage von Satz 5.5.6 ohne die Bedingung, dass K algebraisch abgeschlossen ist, nicht gilt. F¨ ur das Ideal J(x2 + y 2 − 1, x − 2) < R[x, y] gilt n¨ amlich J = rad(J), aber Z(J) = ∅. Beweis: Wir beweisen Satz 5.5.6. Die Inklusion “⊂” folgt aus Korollar 5.5.5, da Z(I) eine affine algebraische Menge ist. Wir beweisen “⊃”. Das Ideal I ist endlich erzeugt (Hilbertscher Basissatz, Theorem 5.3.6). Wir w¨ ahlen Erzeuger I = (f1 , . . . , fm ). Sei g ∈ I(Z(I)). Wir f¨ uhren eine neue Variable xn+1 ein und definieren I 0 := (f1 , . . . , fm , xn+1 g − 1) < K[x1 , . . . , xn+1 ]. Wir behaupten, dass Z(I 0 ) = ∅. Sei n¨amlich P = (a1 , . . . , an+1 ) ∈ Z(I). Da g ∈ I(Z(I)) ist, gilt g(P ) = 0 und die Funktion xn+1 g − 1 verschwindet nicht in P . Also ist I 0 = K[x1 , . . . , xn+1 ] (Korollar 5.4.5). Insbesondere ist 1 ∈ I 0 und es existieren Polynome h1 , . . . , hm+1 ∈ K[x1 , . . . , xn+1 ] mit 1 = h1 f1 + · · · + hm fm + hm+1 (xn+1 g − 1).

(24)

Wir definieren y = x−1 ugend grossen n+1 , multiplizieren (24) mit einer gen¨ Potenz y N und erhalten y N = h01 f1 + · · · + h0m fm + h0m+1 (g − y),

h0i ∈ K[x1 , . . . , xn , y].

Substutition von y = g in dieser Gleichung liefert g N = h001 f1 + · · · + h00m fm ∈ I. Dies zeigt, dass g ∈ rad(I) ist und der Satz ist bewiesen.

98

2

Korollar 5.5.8 Sei K ein algebraisch abgeschlossener K¨orper. Die Abbildung I definiert eine Bijektion {affine algebraische Mengen} → {Radikalideale},

Z 7→ I(Z)

mit Umkehrabbildung Z : I 7→ Z(I). Beweis: Sei Z ⊂ AK eine affine algebraische Menge und I < K[x1 , . . . , xn ] ein Ideal. Die Gleichheit Z = Z(I(Z)) ist Lemma 5.1.10.(e). Die Gleicheit I = I(Z(I)) ist Satz 5.5.6. 2

5.6

Affine Variet¨ aten

Algebraische Eigenschafte entsprechen h¨aufig geometrische Eigenschaften von Z. Ein erstes Beispiel hierf¨ ur liefert die geometrische Eigenschaft der Irreduzibilit¨ at. Definition 5.6.1 Eine affine algebraische Menge Z ⊂ AnK heißt reduzibel, wenn echte affine algebraische Teilmengen Zi ( Z mit Z = Z1 ∪ Z2 existieren. Eine irreduzible affine algebraische Menge heißt affine Variet¨at. Ein Beispiel einer reduziblen algebraischen Menge haben wir in Beispiel 5.1.6.(b) gesehen. Satz 5.6.2 Sei Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge. Die folgende Aussagen sind ¨aquivalent: (a) Z ist irreduzibel. (b) Das Verschwindungsideal I(Z) ist ein Primideal. (c) Die Koordinatenring K[Z] ist nullteilerfrei. ¨ Beweis: Die Aquivalenz “(b) ⇔ (c)” haben wir in Satz 3.4.2.(a) gezeigt. “(b)⇒(a)” Sei Z reduzibel. Wir schreiben Z = Z1 ∪ Z2 , wobei die Zi ( Z echte algebraische Teilmengen sind. Sei I = I(Z) und Ji = I(Zi ). Lemma 5.1.10.(b) impliziert, dass I = J1 ∩ J2 . Da Zi = Z(Ji ) ( Z = Z(I) eine echte Teilmenge ist, gilt I ( Ji f¨ ur i = 1, 2. Es existieren also Funktionen fi ∈ Ji \ I. Die Funktion fi verschwindet auf Zi , aber nicht auf Z. Da Z = Z1 ∪ Z2 ist, verschwindet die Funktion f1 · f2 auf Z und f1 · f2 ∈ I. Wir schließen, dass I kein Primideal ist. “(a)⇒(b)” Wir nehmen an, dass I := I(Z) kein Primideal ist. Dann existieren Funktionen f1 , f2 ∈ K[x1 , . . . , xn ] mit f1 · f2 ∈ I(Z), aber fi ∈ / I(Z) f¨ ur i = 1, 2. Wir definieren Zi = Z ∩ Z(fi ). Satz 5.1.4.(c) impliziert, dass Zi eine affine algebraische Menge ist. Da fi ∈ / I, ist Zi ( Z eine echte Teilmenge. Da f1 · f2 ∈ I folgt, dass Z ⊂ Z(f1 · f2 ) = Z1 ∪ Z2 . Wir schliessen, dass Z reduzibel ist. 2

99

Beispiel 5.6.3 Das Beispiel ist [6, Exercise 1.11]. Wir illustrieren das Bilder hilfreich, aber manchmal auch irref¨ uhrend sein k¨onnen. (a) Die algebraische Menge Z := Z(x2 + y 2 − 1) ∪ Z(y − 2 − x2 ) ⊂ A2K ist reduzibel. Ist K = R, dann ist Z die (disjunkte) Vereinigung eines Kreises mit einem Parabel (Abbildung 1).

Abbildung 1: Die Menge Z := Z(x2 + y 2 − 1) ∪ Z(x − 2 − y 2 ) Ist K = C dann schneiden sich Z(x2 + y 2 − 1) und Z(y − 2 − x2 ) in 4 (nicht reelle) Punkte. (b) Das Polynom f = y 2 − x(x2 − 1) ∈ K[x, y] ist irreduzibel. (Argumentiere wie in Beispiel 3.6.9.(a).) Also ist (f ) < K[x, y] ein Primideal und E := Z(f ) eine algebraische Variet¨ at. Die Variet¨at E ist eine elliptische Kurve (in Charakteristik ungleich 2.) W¨ ahlt man K = R, dann ist E ⊂ R2 mit der u ¨blichen Topologie nicht zusammenh¨ angend (Abbildung 2). Beide Teilen sind aber nicht die Nullstellenmenge eines Polynoms, also keine algebraischen Mengen.

Abbildung 2: Die elliptische Kurve Z(y 2 − x(x2 − 1))

100

Bemerkung 5.6.4 Ist Z ⊂ AnK eine affine algebraische Variet¨at, dann ist der Koordinatenring A := K[Z] also nullteilerfrei (Satz 5.6.2). Also ist der Quotientenk¨ orper definiert (Beispiel 1.1.2). Wir nennen K(Z) := Q(K[Z]) der Funktionenk¨orper von Z. F¨ ur mehr Details verweisen wir auf Abschnitt 5.9.

5.7

Ganze Ringerweiterungen

Die folgende Definition ist eine Verallgemeinerung von [11, Def. 2.4.1] Definition 5.7.1 Sei A/R eine Ringerweiterung. (a) Ein Element a ∈ A heißt ganz u ¨ber R, wenn a die Nullstelle eines normierten Polynoms f (x) ∈ R[x] ist. (b) Der Ring A heißt ganz u ¨ber R, wenn jedes a ∈ A ganz u ¨ber R ist. (c) Der ganze Abschluss von R in A ist die Menge der Elemente von A, die ganz u ¨ber R sind. Der Ring R heißt ganz abgeschlossen in A, wenn R gleich sein ganzer Abschluß in A ist. (d) Sei R ein Integr¨ atsring. Der ganze Abschluss von R in seinem Quotientenk¨ orper Q(R) heißt die Normalisierung. Ist R zus¨aztlich ganz abgeschlossen, dann heißt R normal. Beispiel 5.7.2 (a) Sei K ein Zahlk¨orper, d.h. eine endliche Erweiterung von Q. Der ganze Abschluss OK von Z in K heißt Ganzheitsring. (Korollar 5.7.5 zeigt, dass dies in der Tat ein Ring ist.) (b) Ist L/K eine K¨ orpererweiterung, dann ist L genau dann ganz u ¨ber K, wenn L/K algebraisch ist. Sei n¨amlich a ∈ L algebraisch u ¨ber K. Dann ist minK (a) normiert, also ist a ganz u ¨ber K. Das folgende Lemma ist eine Verallgemeinerung von [11, Lem. 2.4.2]. Der Beweis ist ¨ ahnlich. Satz 5.7.3 Sei A/R eine Ringerweiterung und a ∈ A. Dann sind ¨aquivalent: (a) a ist ganz u ¨ ber R, (b) R[a] ist endlich erzeugt als R-Modul, (c) es existiert ein R-Algebra S ⊂ A, der a enth¨alt, sodass S endlich erzeugt als R-Modul ist. Beweis: “(a)⇒(b)” Sei a ∈ A ganz u ¨ber R. Sei f (x) = xn + cn−1 xn−1 · · · + c0 ∈ R[x] ein normiertes Polynom mit f (a) = 0. Dann ist an = −(cn−1 an−1 + · · · + c0 ), also ist R[a] = h1, a, . . . , an−1 iR endlich erzeugt. Die Implikation “(b)⇒(c)” ist trivialerweise erf¨ ullt. (W¨ahle S = R[a].) 101

“(c)⇒(a)” Sei S wie in (c). Wir w¨ahlen ein endliches Erzeugendensystem (α1 , . . . , αs ) von S als R-Modul, d.h. S = hα1 , . . . , αs iR . Da S ein Ring ist, ist aαi ∈ S und es existieren ci,j ∈ R mit aαi =

s X

ci,j αj .

j=1

Umgeformt liefert dies das Gleichungssystem 0=

s X

(δi,j a − ci,j )αj ,

i = 1, . . . s,

(25)

j=1

wobei δi,j das Kronecker-Delta ist. Wir definieren B = (δi,j a − ci,j )i,j ∈ Ms,s (R) und α = (α1 , . . . , αs )t . Das Gleichungssystem (25) l¨ asst sich als Bα = (0) schreiben. Wir multiplizieren von links mit der Kofaktormatrix B ∗ und erhalten mit der Cramerschen Regel (Lemma 4.3.7.(b)) det(B)αi = 0,

i = 1, . . . , s.

Wir haben 1 ∈ S, also ist 1 ein R-Linearkombination der αi . Es folgt, dass det(B) = 0. Nach Definition ist B = a · Es − C, wobei C = (ci,j ) ist. Also ist a eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms cC (t) := det(tEn − C) von C. Das Polynom Cc ist normiert und (a) folgt.

2

Bemerkung 5.7.4 Der Beweis der Aussage “(c)⇒(a)” beweist im Wesentliche, dass der Eigenwert a von C eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms von C ist. In dieser Allgemeinheit hatten wir dies noch nicht gezeigt. Teil (b) des folgenden Korollars ist eine Verallgemeinerung von [11, Thm. 2.4.4]. Teil (c) ist eine Verallgemeinerung von [11, Kor. 4.3.1]. Der Beweis von (a+b) ist dem Beweis von Satz 1.4.4.(a) ¨ahnlich. Korollar 5.7.5 Sei A/R eine Ringerweiterung und a, b ∈ A. (a) Sind a, b ganz u ur a ± b und a · b. ¨ ber R, dann gilt dies auch f¨ (b) Der ganze Abschluss von R in A ist ein Teilring von A, der R enth¨alt. (c) Ist A/R ganz und B/A ganz, dann ist B auch ganz u ¨ ber R.

102

Beweis: Seien a, b ∈ A ganz u ¨ber R. Satz 5.7.3 zeigt, dass R[a] und R[b] endlich erzeugt als R-Moduln sind. Es folgt, dass R[a, b] auch endlich erzeugt ist als R-Modul. Aussage (a) folgt aus Satz 5.7.3, da a ± b, ab ∈ R[a, b] sind. Aussage (b) folgt aus (a). Wir beweisen (c). Sei b ∈ B. Das b ist ganz u ¨ber A, also existiert Pn Element i c x ∈ A[x] mit g(b) = 0. Die ci sind ein normiertes Polynom g(x) = i=0 i Elemente von A und daher ganz u ¨ber R. Wir betrachten C = R[c0 , . . . , cn ] und D = C[b]. Die Erweiterung C ist endlich erzeugt als R-Modul. Da b ganz u ¨ber C ist, ist auch D endlich erzeugt als R-Modul. Satz 5.7.3 impliziert also, dass b ganz u 2 ¨ber R ist. Dies zeigt (c). Korollar 5.7.6 Sei B/R eine Ringerweiterung und A der ganze Abschluss von R in B. Dann ist A ganz abgeschlossen in B. Satz 5.7.7 Sei A ein faktorieller Ring. Dann ist A ganz abgeschlossen. Beweis: Sei A ein faktorieller Ring und K = Q(A). Sei α ∈ K ein Element, das ganz u ussen zeigen, dass α ∈ A ist. ¨ber A ist. Wir m¨ Wir schreiben α = b/c mit b, c ∈ A, c 6= 0 und ggT(b, c) = 1. Nach Annahme existiert ein normiertes Polynom f (x) = xn + an−1 xn−1 + · · · + a0 ∈ A[x] mit f (α) = 0. Umformen der Gleichung liefert bn = −(an−1 bn−1 c + · · · a0 cn ). Die rechte Seite ist offensichtlich durch c teilbar, also gilt c | bn . Da c und b teilerfremd sind, ist c eine Einheit. Es folgt α ∈ A, wie gew¨ unscht. 2 Beispiel 5.7.8 Sei Z = Z(y 2 − x3 ) ⊂ A2K . In Beispiel 5.5.7 haben wir gezeigt, dass I = (y 2 − x3 ) ein Primideal ist, also ist A := K[Z] = K[x, y]/(y 2 − x3 ) ein Integrit¨ atsring. Wir behaupten, dass A nicht ganz abgeschlossen ist. Dazu betrachten wir das Element z := y/x im Quotientenk¨orper L := Q(A) von A. Es gilt z2 =

y2 = x ∈ A. x2

Also ist z eine Nullstelle des normierten Polynoms f (t) = t2 − x ∈ A[t] und damit ganz u / A. Somit ist A nicht ganz abgeschlossen. Aus Satz ¨ber A. Aber z ∈ 5.7.7 folgt, dass A kein faktorieller Ring ist. Der Ring A˜ := K[z] ist ein faktorieller Ring, da z transzendent u ¨ber K ist. Satz 5.7.7 impliziert, dass A˜ ganz abgeschlossen ist. Bemerke, dass x = z 2 und ˜ Es folgt, dass A˜ der ganze Abschluss von A in seinem y = z 3 , also x, y ∈ A. Quotientenk¨ orper L = K(Z) ist. ˜ = A. ˜ Wir Sei Z˜ die affine Gerade mit Standardkoordinate z, d.h. K[Z] ˜ ˜ schreiben ψ : Z → Z f¨ ur dem zur Inklusion A ⊂ A geh¨origen Morphismus (Satz 5.2.7.(b)). Die obige Berechnung zeigt, dass ψ : Z˜ → Z,

c 7→ (c2 , c3 ). 103

Im Beispiel 5.1.3.(c) haben wir gezeigt, dass ψ eine Bijektion ist. Da A ( A˜ ist, ist ψ aber kein Isomorphismus (Satz 5.2.7.(d)). Es existiert also keinen ˜ der ein Morphismus ist. Umkehrabbildung Z → Z, Wir k¨ onnen dies auch direkt u ufen. Wir nehmen dazu an, dass χ : ¨berpr¨ Z → Z˜ eine Abbildung mit ψ ◦ χ = 1Z ist. Dann gilt χ(a, b) = b/a =: c. Nach Definition 5.2.5 ist χ ∈ K[x, y] ein Polynom. Es existiert kein solches Polynom, da y/x ∈ / K[x, y]. Dies zeigt, dass χ kein Morphismus ist. Definition 5.7.9 Sei K ein K¨orper und A eine K-Algebra. Elemente t1 , . . . , tn ∈ A heißen algebraisch unabh¨angig u ¨ber K, wenn kein Polynom 0 6= f ∈ K[x1 , . . . , xn ] mit f (t1 , . . . , tn ) = 0 existiert. Die Elemente t1 , . . . , tn ∈ A sind genau dann algebraisch unabh¨angig u ¨ber K, wenn K[x1 , . . . , xn ] → K[t1 , . . . , tn ], xi 7→ ti ein K-Algebraisomorphismus ist. Die folgende Aussage gibt eine sehr n¨ utzliche Strukturaussage f¨ ur endlich erzeugte k-Algebren. Hieraus werden wir der fehlenden Teil im Beweis des Nullstellensatzes (Satz 5.4.2) ableiten. Theorem 5.7.10 (Das Noethersche Normalisierungslemma) Sei K ein K¨orper mit unendlich vielen Elementen. Sei A eine endlich erzeugte K-Algebra. Dann existiert eine algebraisch unabh¨angige Menge (t1 , . . . , tn ) von Elemente aus A, sodass R := K[t1 , . . . , tn ] ⊂ A eine ganze Ringerweiterung ist. Beispiel 5.7.11 Wir betrachten den Hyperbel H := {(x, y) | xy = 1} ⊂ A2K . Der Koordinatenring ist K[H] = K[x, y]/(xy−1). Die Erweiterung K[x] ⊂ K[H] ist nicht ganz, da y nicht ganz u ¨ber K[x] ist. Der Grund ist, dass der Erzeuger f := xy − 1 von I(H) nicht normiert als Element von (K[x])[y]/(xy − 1) ist. Geometrisch entspricht die Einbettung K[x] ⊂ K[H] die Projektion π : H → A1K auf der x-Achse. Die Tatsache, dass die Erweiterung K[x] ⊂ K[H] nicht ganz ist, entspricht die Eigenschaft, dass die Projektion nicht surjektiv ist, auch nicht u ¨ber einem algebraisch abgeschlossener K¨orper. (Vergleichen Sie zum Beweis von Korollar 5.4.7.) Wir definieren eine neue Koordinate z = x − y und betrachten g = f (z + y, y) = (z + y)y − 1 = y 2 + zy − 1 ∈ K[z, y]. (Im Beweis von Theorem 5.7.10 benutzen wir eine etwas andere Transformation, da dies der Beweis vereinfacht.) Wir finden also einen K-Algebraisomorphismus ϕ : K[H] = K[x, y]/(xy − 1) ' K[z, y]/(y 2 + zy − 1). Das Element y ist ganz u ¨ber K[z] und K[H]/K[z] ist eine ganze Ringerweiterung. 104

Der Morphismus, der die Ringerweiterung K[z] ⊂ K[H] entspricht, ist die Projektion auf die z-Achse ψ : H → A1K ,

(z, y) 7→ z.

Ist K algebraisch abgeschlossen, dann ist der Morphismus ψ surjektiv. Beweis: Wir beweisen Theorem 5.7.10. Dazu w¨ahlen wir ein Erzeugendensystem r1 , . . . , rm von A als K-Algebra. Sind r1 , . . . , rm algebraisch unabh¨angig u ¨ber K, dann sind wir fertig. Wir nehmen also an, dass die ri algebraisch abh¨ angig sind und betrachten ein Polynom 0 6= f ∈ K[x1 , . . . , xm ] mit f (r1 , . . . , rm ) = 0. (26) P Wir schreiben f = i ci xi , wobei i = (i1 , . . . , im ). Sei d der Totalgrad von f , d.h. d = max i1 + · · · + im . i:ci 6=0

Nach eventuelles Umnummerieren der Variablen durfen wir annehmen, dass ein i mit ci 6= 0 und im 6= 0 existiert. Dies sagt also, dass f aufgefasst als Polynom in xm nicht konstant ist. Wir m¨ochten f mittels einer geeigneten Koordinatentransformation “normalisieren”. i Wir definieren αi = (1 + d)i ∈ K × und yi = xi − xα ur 1 ≤ i ≤ m − 1. Sei m f¨ αm−1 1 , xm ) ∈ K[y1 , . . . , ym−1 , xm ]. g(y1 , . . . , ym−1 , xm ) := f (y1 +xα m , . . . , ym−1 +xm

Wir fassen g als Polynom in xm mit Koeffizienten in K[y1 , . . . , ym−1 ] auf. Sei ci xi einen Term von f mit ci 6= 0. Der Beitrag dieser Term zu g ist Ti = ci ximm =

m−1 Y

j ij (yj + xα m)

j=1 Pm−1 im + j=1 αj ij ci x m

(27) + Terme kleineren Grades in xm .

Der Grad von Ti in xm ist δ(i) := im +

m−1 X

αj ij = im +

j=1

m−1 X

(1 + d)j ij .

j=1

Pm Die Definition von d impliziert, dass j=1 ij ≤ d, also insbesondere ij ≤ d < d + 1 f¨ ur alle j. Die Zahlen ij sind daher Koeffizienten der Entwicklung von δ(i) zur Basis d + 1. Insbesondere ist δ(i) 6= δ(i0 ) f¨ ur i 6= i0 . Sei N := degxm (g). Dann existiert ein eindeutiger Index i mit N = δ(i). Der f¨ uhrende Term von g als Polynom in xm ist also der f¨ uhrendende Term von Ti als Polynom in xm . Gleichung (27) impliziert, dass sich g als d−1 × g = γxN und gi ∈ K[x1 , . . . , xm−1 ]. m + g1 xm + · · · + gm mit γ ∈ K

105

(28)

schreiben l¨ asst. (Der wichtige Beobachtung ist hier, dass der Koeffizient γ ∈ K × konstant ist.) Wir beweisen die Aussage des Theorems mit Induktion nach m. αi Wir definieren si = ri − rm f¨ ur i = 1, . . . , m − 1. Substutition von yi = si und xm = rm in (28) liefert 1 1 g(s1 , . . . , sm−1 , rm ) = f (r1 , . . . , rm ) = 0, γ γ wobei die letzte Gleichheit aus (26) folgt. Das Element rm erf¨ ullt also eine normierte Gleichung u ¨ber K[s1 , . . . , sm−1 ]. Die Aussage des Satzes folgt also mit Induktion. Wir bemerken, dass die Kardinalit¨at n des algebraisch unabh¨angigen Systems aus der Aussage des Theorems n ≤ m erf¨ ullt. 2 Das folgende Korollar vervollst¨andigt den Beweis von Satz 5.4.2. Korollar 5.7.12 Sei L/K eine K¨orpererweiterung, die als K-Algebra endlich erzeugt ist. Dann ist L/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Beweis: Theorem 5.7.10 zeigt die Existenz eines Systems (t1 , . . . , tn ) von algebraisch unabh¨ angigen Elemente ti ∈ L, sodass A := K[t1 , . . . , tn ] ⊂ L ganz ist. Es reicht zu zeigen, dass A ein K¨orper ist. Der Ring A = K[t1 , . . . , tn ] ist ein Polynomring, also nur dann ein K¨orper, wenn n = 0 ist. Die Aussage des Korollars folgt aus der Behauptung, da ganze K¨orpererweiterungen auch algebraisch sind. Sei nun a ∈ A \ {0}. Dann ist a−1 ∈ L ganz u ¨ber A, also existieren ci ∈ A mit (a−1 )m + cm−1 (a−1 )m−1 + · · · + c0 = 0. Multiplikation mit am−1 liefert a−1 = −(cm−1 + · · · + c0 am−1 ) ∈ A. 2

Es folgt, dass A ein K¨ orper ist.

Bemerkung 5.7.13 Sei Z ⊂ AnK eine affine Variet¨at und A˜ < K(Z) der ganze Abschluss von K[Z] im Funktionenk¨orper K(Z) (Bemerkung 5.6.4). Der Ring A˜ ist als Unterring des K¨ orpers K(Z) nullteilerfrei. Wir w¨ahlen algebraisch unabh¨ angige Elemente ti , sodass A := K[t1 , . . . , tm ] ⊂ A˜ eine ganze Ringerweiterung ist, wie im Noether-Normalisierungslemma (Theorem 5.7.10). Dann ist A˜ endlich erzegut als A-Modul. Es existiert eine Zahl N und ein Ideal I, sodass A˜ ' K[x1 , . . . , xN ]/I. 106

˜ der Koordinatenring einer affinen algebraischen Menge Z. ˜ Also ist A˜ = K[Z] Man zeigt, dass Z˜ auch irreduzibel, also eine affine Variet¨at, ist. Wir nennen Z˜ die Normalisierung von Z. Da A ⊂ A˜ ein Teilring ist, existiert ein Morphismus ψ : Z˜ → Z (Satz 5.2.7). Beispiel 5.7.8 gibt ein Beispiel einer Normalisierung. Sei Z ⊂ AnK eine affine Variet¨at und A := K[Z]. Dann ist A ein Integrit¨ atsring. Als Quotient von K[x1 , . . . , xn ] ist A außerdem noethersch. Sei R = K[t1 , . . . , td ] ⊂ A wie in der Aussage des Noether-Normalisierungslemmas (Theorem 5.7.10), d.h. die Elemente (t1 , . . . , td ) sind algebraisch unabh¨angig u ¨ber K und A ist ganz u orper Q(R) = K(t1 , . . . , td ) von R ist eine rein tran¨ber R. Der Quotientenk¨ szendente Erweiterung von K (Definition 1.1.1). Korollar 5.7.12 impliziert, dass K(Z)/Q(R) eine algebraische Erweiterung ist. Da A noethersch ist, ist diese Erweiterung auch endlich. Wir schließen, dass K(Z) eine endliche Erweiterung einer rein transzendenten K¨orpererweiterung von K ist. Die Zahl d heißt Transzendenzgrad von K(Z). Wir bemerken, dass R = K[AdK ] der Koordinatenring des d-dimensionalen afinen Raums ist. In diesem Fall ist der Transzendenzgrad d von K(AdK ) = Q(R) ist die “Dimension” des affinen Raumes AdK . F¨ ur die affine Variet¨at Z definieren wir ebenfalls die Dimension von Z als der Transzendzgrad d von K(Z). Die Inklusion R ⊂ A entspricht ein Morphismus ψ : Z → AdK . Das Urbild ψ −1 (Q) besteht immer aus endlich vielen Punkte. Dies motiviert die Definition der Dimension von Z.

5.8

Lokalisieren

Lokalisieren ist eine Technik, die benutzt werden kann, um einem geometrischen Objekt “lokal” zu studieren. Die folgende Konstruktion ist eine Verallgemeinerung der Konstruktion des Quotientenk¨orpers (Beispiel 1.1.2). Definition 5.8.1 Sei R ein kommutativer Ring. (a) Eine Teilmenge S ⊂ R heißt multiplikativ, wenn 1 ∈ S und aus a, b ∈ S folgt, dass a · b ∈ S ist. (b) Ist S ⊂ R multiplikativ, dann heißt der Ring S −1 R = {

a | a ∈ R, s ∈ S}/ ∼ s

die Lokalisierung von R nach S. Hierbei ist a b ∼ s t



∃x ∈ S : xat = xbc.

(29)

Bemerkung 5.8.2 (a) Man u ¨berlegt sich, dass S −1 R ein kommutativer Ring mit wohldefinierte Addition a b at + bs + = s t st 107

und Multiplikation a b ab · = s t st ist. ¨ in (29). Der Grund f¨ ur die Beachte die Definition der Aquivalenzrelation Formulierung ist, dass wir erlauben, dass S Nullteiler enth¨alt. Ist beispielsweise 0 ∈ S, dann ist S −1 R = {0}. (b) Die Abbildung a ψ : R → S −1 R a 7→ 1 definiert einen Ringhomomorphismus, den wir kanonische Abbildung nennen. Wir schreiben auch a anstatt ψ(a), wenn kein Verwirrung entsteht. Beachte, dass diese Abbildung im Allgemeinen nicht injektiv ist. Es gilt ker(ψ) = {a ∈ R | ∃s ∈ S mit a · s = 0}. Besitzt S keine Nullteiler, dann ist ψ injektiv. Dies ist also insbedondere der Fall, wenn R ein Integrit¨ atsring ist und 0 ∈ / S. (c) Der Ringhomomorphismus ψ kann man eindeutig durch folgende universelle Eigenschaft charakterisieren. F¨ ur jede Ringhomomorphismus ϕ : R → T mit ϕ(R) ⊂ T ∗ existiert ein Ringhomomorphismus χ : S −1 R → T , f¨ ur den das folgende Diagramm R

ψ

/ S −1 R

ϕ

"  T

χ

kommutiert. (Siehe beispielsweise [5, § 15.4, Theorem 28].) Beispiel 5.8.3 (a) Ist R ein Integrit¨atsring, dann ist S := R \ {0} multiplikativ und S −1 R ist der Quotientenk¨orper von R. (b) Sei 0 6= f ∈ R. Dann ist S = {f n | n ≥ 0} eine multiplikative Menge. In diesem Fall schreiben wir R[f −1 ] := S −1 R. Ist f nicht nilpotent, dann ist R[f −1 ] 6= {0} und f ist eine Einheit in R[f −1 ]. In der Literatur wird manchmal Rf f¨ ur diesem Ring geschrieben. Wir benutzen diese Bezeichnung hier nicht, um Verwirrung mit (c) zu vermeiden. (c) Sei ℘ < R ein Primideal. Die Definition von Primideal impliziert, dass S := R \ ℘ multiplikativ ist. Wir schreiben a / ℘}. R℘ := S −1 R = { ∈ R | s ∈ s Sei beispielsweise ℘ = (p) < Z mit p eine Primzahl. Dann ist a Z(p) = { ∈ Q | p - s}. s In diesem Ring ist also jede ganz Zahl, die nicht durch p teilbar ist, eine Einheit. 108

Satz 5.8.4 Sei R ein kommutativer Ring und S ⊂ R multiplikativ. Wir bezeichnen die kanonische Abbildung mit ψ : S → S −1 R. Ist I < R ein Ideal, dann schreiben wir a S −1 I := { | a ∈ I, s ∈ S} < S −1 R s f¨ ur das entsprechende Ideal von S −1 R. (a) Ist J < S −1 R ein Ideal, dann ist J = S −1 ψ −1 (J). (b) Ist J < S −1 R ein Primideal, dann ist ψ −1 J < R ebenfalls ein Primideal. (c) Ein Ideal I < R ist genau dann von der Form ψ −1 (J) f¨ ur J < S −1 R, wenn −1 −1 I = ψ (S (I)). (d) Die Abbildung ℘ 7→ S −1 ℘ definiert eine Bijektion zwischen Primideale ℘ < R mit ℘ ∩ S = ∅ und Primideale von S −1 R. Beweis: Sei J < S −1 R ein Ideal. Das Ideal ψ −1 (J) besteht aus allen Elementen a/s ∈ J, sodass ein Element a0 ∈ R und ein Element x ∈ S mit xa0 s = xa, existiert. Die Inklusion J ⊃ S −1 ψ −1 (J) ist offensichtlich. Sei a/s ∈ J mit a ∈ R und s ∈ S. Dann ist a ∈ ψ −1 (J) und daher a/s ∈ S −1 ψ −1 (J). Aussage (a) folgt. Wir nehmen an, dass J ein Primideal ist. Dann induziert ψ ein Ringhomomorphismus R/ψ −1 (J) ,→ S −1 R/J. Diese Abbildung ist injektiv, da ker(ψ) ⊂ ψ −1 (J) ist. Aus der Annahne, dass J ein Primideal ist, folgt, dass S −1 R/J ein Integrit¨atsring ist. Also ist R/ψ −1 (J) ebenfalls ein Integrit¨ atsring und ψ −1 (J) < R ist ein Primideal. Dies zeigt (b). −1 Ist I = ψ (J) mit J < S −1 R, dann zeigt (a), dass J = S −1 (ψ −1 (I)) = −1 S I. Es folgt, dass I = ψ −1 (J) = ψ −1 (S −1 (I)). Dies zeigt die Hinrichtung von (c). Die R¨ uckrichtung von (c) folgt leicht. Wir zeigen nun (d). Sei dazu ℘ < R ein Primideal von R mit ℘ ∩ S = ∅. Dann ist ℘˜ := S −1 ℘ ein Primideal von S −1 R. Wir zeigen, dass ℘ = ψ −1 (S −1 ℘) ist. Es gilt offensichtlich, dass ℘ < ψ −1 (S −1 ℘). Sei a ∈ ψ −1 (S −1 ℘). Dann existieren b ∈ ℘ und s ∈ S mit b a = , 1 s d.h. xsa = xb f¨ ur ein x ∈ S. Bemerke, dass xb ∈ ℘ ist, da b ∈ ℘ und x ∈ S ⊂ R. Aus der Multiplikativit¨ at von S folgt, dass xs ∈ S. Die Annahme ℘ ∩ S = ∅ impliziert, dass xs ∈ / ℘. Da ℘ ein Primideal ist folgt, dass a ∈ ℘. Dies zeigt, dass ℘ = ψ −1 (S −1 ℘). ˜ ebenfalls ein Ist ℘˜ ein Primideal von S −1 R, dann sagt (b), dass ℘ := ψ −1 (℘) Primideal ist. Aus ℘˜ ( S −1 R folgt, dass ℘ ∩ S = ∅. Aussage (d) ist nun gezeigt. 2 Korollar 5.8.5 Seien R und S wie in Satz 5.8.4. Ist R noethersch, dann ist auch S −1 R noethersch. 109

Beispiel 5.8.6 Sei K ein algebraisch abgeschlossener K¨orper und Z ⊂ AnK eine affine algebraische Menge. Wir schreiben A := K[Z] f¨ ur die Koordinatenring von Z. Sei P = (a1 , . . . , an ) ∈ Z und mP = (x1 − a1 , . . . , xn − an ) das entsprechende maximale Ideal. Wie in Beispiel 5.8.3.(c) betrachten wir die Lokalizierung gegeben durch OP,Z := AmP = {f =

g | g, h ∈ A, h(P ) 6= 0}. h

(Hier benutzen wir, dass mP als maximales Ideal auch ein Primideal ist.) Der Ring OP,Z heißt den lokalen Ring von Z in P . Ist f ∈ OP,Z , dann kann f als f = g/h mit g, h ∈ K[Z] und h(P ) 6= 0 dargestellt werden, also kann f an der Stelle P ausgewertet werden. Der Funktionswert g(P ) ∈K f (P ) = h(P ) ist wohldefiniert, d.h. der Wert dieser Funktion h¨angt nicht won der Wahl des Repr¨ asentanten in OP,Z ab. Ist n¨amlich g/h = g 0 /h0 als Element von OP,Z , dann ist kgh0 = kg 0 h f¨ ur einer Funktion k mit k ∈ / mP , d.h. k(P ) 6= 0. Es folgt, dass g(P )/h(P ) = g 0 (P )/h0 (P ). Sei nun Z ⊂ AnK eine affine algebraische Variet¨at. Der Funktionenk¨orper K(Z) von Z ist definiert als der Quotientenk¨orper Q(K[Z]) des Koordinatenrings: g K(Z) = {f = | g, h ∈ K[Z], g 6= 0}. h Wir definieren U := {Q ∈ Z | h(Q) 6= 0} = Z \ (Z(h) ∩ Z). Die Menge U ist offen bez¨ uglich der Zariski-Topologie (Bemerkung 5.1.5). Wie im Beispiel 5.8.6 zeigt man, dass der Funktionswert f (Q) f¨ ur alle Q ∈ U definiert ist. Also definiert f eine Funktion f : U → K,

Q 7→ f (Q) :=

g(Q) h(Q)

definiert. Die Elemente f ∈ K(Z) kann man also als Funktionen auf einer geeigneten offenen Menge U subsetZ auffassen. Dies motiviert die folgende Definition. Definition 5.8.7 Sei Z eine affine algebraische Variet¨at. Sei f ∈ K(Z) und P ∈ Z. Dann heißt f regul¨ar in P , wenn eine Darstellung f = g/h mit g, h ∈ K[Z] mit h(P ) 6= 0 existiert. Der lokale Ring OP,Z besteht aus alle Funktionen f ∈ K(Z), die regul¨ar in P sind (Beispiel 5.8.6).

110

Beispiel 5.8.8 (a) Sei ϕ(x, y, z, w) = xz − yw ∈ K[x, y, z, w]. Man zeigt leicht, dass ϕ ein irreduzibles Polynom ist, also ist Z := Z(ϕ) ⊂ AnK eine Variet¨at. Wir betrachten die Funktion x w f= = ∈ K(Z). y z Die Funktion f ist regul¨ ar in allen Punkte P = (a, b, c, d) ∈ Z mit b 6= 0 oder c 6= 0. Man kann zeigen, dass f nicht in weitere Punkte regul¨ar ist. (b) Sei E = Z(y 2 − x3 + x) ⊂ A2K , wobei K ein K¨orper der Charakteristik ungleich 2 ist. Wir behaupten, dass die Funktion t := x/y regul¨ar in P := (0, 0) ist. Dazu schreiben wir xy xy y x = 2 ∈ K(E). t= = 2 = 3 y y x −x x −1 Es folgt, dass t(P ) = 0. Beispiel 5.8.9 Dies ist eine Fortsetzung von Beispiel 5.8.6. Wir benutzen die gleiche Bezeichnungen. Das Ideal mP < A entspricht das Ideal mP OP,Z = {f =

g | g, h ∈ A, h(P ) 6= 0 g(P ) = 0} h

von OP,Z . Wir schreiben ebenfalls mP f¨ ur dieses maximale Ideal. Satz 5.8.4.(d) impliziert, dass mP das einzige maximale Ideal von OP,Z ist: Ist J < OP,Z ein Primideal, dann entspricht J ein Primideal I von K[Z] mit I ⊂ mP . Der Ring OP,Z ist daher ein lokaler Ring im Sinne der folgenden Definition. Definition 5.8.10 Ein kommutativer Ring mit nur einem einzigen maximalen Ideal m heißt lokalen Ring. Der folgende Satz gibt verschiedene ¨aquivalente Bedingungen f¨ ur lokale Ringen. Satz 5.8.11 Sei R ein kommutativer Ring. Dann sind ¨aquivalent: (a) Der Ring R ist lokal mit maximales Ideal m. (b) Die Menge m := R \ R× ⊂ R ist ein Ideal. (c) Es existiert ein maximales Ideal m < R, sodass 1+m ∈ R× f¨ ur alle m ∈ m. Beweis: “(a) ⇒ (b)”. Sei R lokal mit maximales Ideal m. Wir zeigen m = R\R× . Die Elemente von m sind keine Einheiten, da m 6= R. Also ist m ⊂ R\R× . Ist a ∈ R \ R× , dann ist (a) ( R ein echtes Ideal von R, also ist (a) im einzigen maximalen Ideal m enthalten. Es folgt a ∈ m. Insbesondere ist m = R \ R× ein Ideal. “(b) ⇒ (c)”. Wir nehmen an, dass m := R \ R× ⊂ R ein Ideal ist. Sei m ∈ m. Ist 1 + m ∈ m, dann ist auch 1 = (1 + m) − m ∈ m 111

und es folgt, dass m = R. Aber m enth¨ahlt nach Definition keine Einheiten. Wir schließen, dass 1 + m ∈ / m ist. Das Ideal m enth¨alt jede Nichteinheit und ist deswegen maximal. “(c) ⇒ (a)”. Wir nehmen an, dass Aussage (c) gilt. Sei a ∈ R \ m. Die Maximalit¨ at von m impliziert, dass (a) + m = R, also existieren b ∈ R und c ∈ m mit ab + c = 1. Aus (c) folgt, dass ab = 1 − c ∈ 1 + m ⊂ R× . Hieraus folgt, dass a ebenfalls eine Einheit ist. Dies zeigt, dass m das einzige maximale Ideal von R ist und (a) folgt. 2 Im folgenden Satz betrachten wir die Lokalisierungen eines Integrit¨atsringes R. In diesem Fall ist R enthalten in jeder Lokalisierung (Bemerkung 5.8.2.(b)). Satz 5.8.12 Sei R ein Integrit¨atsring. Dann ist R = ∩℘ R℘ = ∩m Rm die Schnittmenge der Lokalisierungen an den Primidealen ℘ < R (bzw. den maximalen Idealen m < R). Hierbei betrachten wir die Lokalisierung R℘ als Teilmenge des Quotientenk¨orpers K := Q(R) von R. Beweis: Die Inklusionen R ⊂ ∩℘ R℘ ⊂ ∩m Rm sind offensichtlich, da R ein Integrit¨atsring ist (Bemerkung 5.8.2.(b)). Es reicht also zu zeigen, dass ∩m Rm ⊂ R ist. Sei a ∈ K ein Element, dass in allen Lokalisierungen Rm mit m maximal enthalten ist. Wir betrachten I := {b ∈ R | ab ∈ R} < R. Das Element a ∈ K l¨ asst sich als a = c/b mit b, c ∈ R und b 6= 0 darstellen, also ist ab = c ∈ R und b ∈ I. Insbesondere ist I 6= ∅. Man zeigt leicht, dass I ein Ideal ist. Wir bemerken, dass a genau dann ein Element von R ist, wenn 1 ∈ I, also wenn I = R ist. Wir nehmen an, dass I ( R. Dann existiert ein maximales Ideal m < R mit I ⊂ m (Bemerkung 5.3.5). Nach Annahme ist a ∈ Rm , also k¨onnen wir a = c/b mit c ∈ R und b ∈ R \ m schreiben. Aber dann ist b ∈ I ⊂ m. Dies liefert einen Widerspruch. Die Aussage des Satzes folgt. 2 Bemerkung 5.8.13 Sei Z eine affine algebraische Variet¨at. Die Funktionen f ∈ K[Z] sind in alle P ∈ Z regul¨ar. Satz 5.8.12 sagt, dass K[Z] = ∩P ∈Z OP,Z . Also besteht K[Z] genau aus die Funktionen f ∈ K(Z), die in alle P ∈ Z regul¨ar sind. 112

Beispiel 5.8.14 Dieses Beispiel ist eine Fortsetzung von den Beispiele 5.1.8.(c) und 5.7.8. Sei Z = Z(y 2 − x3 ) ⊂ A2K . Wir definieren t = y/x ∈ K(Z). Die Funktion t ist nicht regul¨ at in P := (0, 0) ∈ Z: Es gibt keine Darstellung von t = g/h mit g, h ∈ K[Z] = K[x, y]/(y 2 − x3 ) mit h(P ) 6= 0. Die Funktionen t2 =

y2 = x, x2

t3 =

y3 =y x3

sind aber regul¨ ar in P . Der Funktionenk¨ orper K(Z) von Z ist isomorph zu K(t). F¨ ur der Koordinatenring K[Z] gilt als Teilring des Funktionenk¨orpers, dass K[Z] ' K[t2 , t3 ] ⊂ K(Z) ' K(t). In der Tat ist t ∈ / K[Z]. Dies liefert eine Illustration der Aussage von Satz 5.8.12.

5.9

Diskrete Bewertungen

Definition 5.9.1 Sei K ein K¨orper. Ein diskrete Bewertung auf K ist eine surjektive Abbildung ν : K× → Z mit folgenden Eigenschaften: (a) ν(x · y) = ν(x) + ν(y) f¨ ur alle x, y ∈ K × , (b) ν(x + y) ≥ min(ν(x), ν(y) f¨ ur alle x, y ∈ K × mit x + y 6= 0. Wir setzen ν(0) = ∞. Mit dieser Konvention gelten (a) und (b) f¨ ur alle x, y ∈ K. Der Ring Aν := {x ∈ K | ν(x) ≥ 0} heißt Bewertungsring von ν. Ein Integrit¨ atsring R heißt diskreten Bewertungsring, wenn R = Aν f¨ ur einem diskreten Bewertung ν auf dem Quotientenk¨orper K = Q(R). Beispiel 5.9.2 (a) Sei K = Q und p ∈ Z eine Primzahl. Jede Zahl α ∈ Q \ {0} l¨ asst sich eindeutig als a α = pνp (α) b mit a, b ∈ Z, sodass p - a und p - b darstellen. Die so definierte Abbildung νp : Q× → Z definiert eine diskrete Bewertung auf Q. Der Bewertungsring ist die Lokalisierung Z(p) . (b) Etwas allgemeiner betrachten wir ein faktorieller Ring R und ein Primelement π ∈ R. Dann definiert a α = π νπ (α) b mit a, b ∈ R, sodass π - a und p - b eine diskrete Bewertung auf dem Quotientenk¨ orper K = Q(R). Der Bewertungsring ist R(π) = {

a | a, b ∈ R, π - b}. b 113

Eine Verallgemeinerung dieser Konstruktion haben wir in Abschnitt 3.6 gePn sehen. Sei f (x) = i=0 ai xi ∈ R[x]. Wir definieren ν(f ) = min (νπ (ai )). i:ai 6=0

Wir setzen ν zu einer Abbildung ν : Q/R[x])× → Z definiert als   f ν = ν(f ) − ν(g) g fort. Dies definiert eine Bewertung (Lemma 3.6.1), die wir Gauss–Bewertung nennen. Satz 5.9.3 (a) Sei ν : K × → Z eine diskrete Bewertung. Der Bewertungsring Aν ist ein lokaler Ring mit maximalem Ideal mν := {x ∈ K | ν(x) > 0}. (b) Das Ideal mν ist ein Hauptideal. Ist t ∈ K mit ν(t) = 1, dann ist mν = (t). Ein solches Element t heißt uniformisierendes Element. Beweis: Definition 5.9.1 impliziert, dass mν ein Ideal von Aν ist. Definition 5.9.1.(a) impliziert, dass ν(x−1 ) = −ν(x) f¨ ur alle x ∈ K × . Die Einheiten in Aν sind also genau die Elementen mit ν(x) = 0. Also ist mν = Aν \ A× ν. Satz 5.8.11 zeigt, dass Aν ein lokaler Ring ist. Die Bewertung ν : K × → Z ist surjektiv, also existiert ein Element t ∈ K mit ν(t) = 1. Es gilt t ∈ m. Sei x ∈ m beliebig und sei n := ν(x). Dann ist x ν n = ν(x) − nν(t) = 0, t also ist u := x/tn ∈ A× eine Einheit und x ∈ (t). Dies zeigt, dass mν = (t) ein Hauptideal ist. 2 Bemerkung 5.9.4 Satz 5.9.3 zeigt, dass ein diskreter Bewertungsring R ein Hauptidealring, also insbesondere faktoriel, ist. Der Ring R ist sogar ein eukli¨ discher Ring (Ubungsaufgabe). Wir formulieren ohne Beweis folgende Verallgemeinerung von Satz 5.9.3. Satz 5.9.5 Sei R ein noetherscher lokaler Ring mit maximalem Ideal m 6= (0). Sei k = R/m. Dann sind ¨aquivalent: (a) R ist ein diskreter Bewertungsring, (b) m = (t) ist ein Hauptideal, 114

(c) dimk m/m2 = 1. Wir bemerken, dass m/m2 ein k-Vektorraum ist. Dies zeigt man, indem man bemerkt, dass m der R-Modul m/m2 annihiliert. Es folgt, dass wir m/m2 auch als k = R/m-Modul, d.h. als k-Vektorraum, auffassen k¨onnen. Dieser Vektorraum ist endlich dimensional, da R noethersch ist. Beweisskizze: Die Implikation “(a) ⇒ (b)” haben wir in Satz 5.9.3 gezeigt. Die Implikation “(b) ⇒ (c)” ist offensichtlich. Sei m wie in (c). Zeige ∩n>0 mn = (0). (30) F¨ ur a ∈ m mit a 6= 0 definieren wir ν(a) als das maximale n mit a ∈ mn . Dies existiert wegen (30). Zeige, dass ν ein diskreter Bewertung definiert. 2 Beispiel 5.9.6 (a) Sei Z = Z(x2 +y 2 −1) ⊂ A2C . Wir betrachten P = (a, b) ∈ Z. Sei OP,Z die Lokalisierung von C[Z] im maximalen Ideal mP = (x − a, y − b). ¨ Das Ideal mP < C[Z] ist kein Hauptideal (Ubungsaufgabe). Wir zeigen, dass das entsprechende Ideal mP OP,Z der Lokalisierung ein Hauptideal ist. Es gilt, dass a2 + b2 = 1 ist, also ist a 6= 0 oder b 6= 0. Wir betrachten den Fall b 6= 0. Der andere Fall ist a¨hnlich. Wir zeigen, dass y − b ∈ (x − a)OP,Z ist. Dazu schreiben wir (x − a)(x + a) = x2 − a2 = b2 − y 2 = (b − y)(b + y) ∈ C[Z]. Wir bemerken, dass (b + y)(P ) = 2b 6= 0, also ist b + y ∈ / mP . Es folgt, dass b + y eine Einheit im lokalen Ring OP,Z ist. Wir schließen, dass y−b=−

x+a (x − a) ∈ (x − a)OP,Z . y+b

Jedes Element 0 6= f ∈ mP OP,Z = (x − a) l¨asst sich also eindeutig als × f = u · (x − a)νP (f ) , mit u ∈ OP,Z und νP (f ) ≥ 0

schreiben. Die Abbildung νP l¨asst sich zu einer diskreten Bewertung νP auf Q(OP,Z ) = C(Z) fortsetzen. Der lokale Ring OP,Z ist der Bewertungsring dieser Bewertung. (b) Sei nun Z = Z(y 2 − x3 ) ⊂ A2K und P = (0, 0). Sei OP,Z der lokalen Ring von P . Wir schreiben wieder mP OP,Z f¨ ur das maximale Ideal des lokalen Rings. Wir zeigen, dass OP,Z kein diskreter Bewertungsring ist. Ist OP,Z ein diskreter Bewertungsring mit Bewertung ν, dann sagt Satz 5.9.3, dass mP OP,Z ein Hauptideal erzeugt von einem Element t mit ν(t) = 1 ist. Da × x, y ∈ mP OP,Z , existieren u1 , u2 ∈ OP,Z und n1 , n2 > 0 mit x = u1 tn1 ,

y = u2 tn2 .

Die Relation y 2 = x3 impliziert, dass 3n1 = 2n2 , also gilt ni ≥ 6. 115

Wir wissen, dass mP = (x, y), also existieren a, b ∈ OP,Z mit t = ax + by. Definition 5.9.1 impliziert, dass ν(t) ≥ min(ν(ax), ν(by)) ≥ min(ν(x), ν(y)) ≥ 6. Dies widerspricht ν(t) = 1. Alternativ kann man auch zeigen, dass mP OP,Z kein Hauptideal ist. (Dies folgt mit einem ¨ahnlichen Argument.) (c) Sei E = Z(y 2 − x3 + x) ⊂ A2K , wobei K ein K¨orper der Charakteristik ¨ ungleich 2 ist. Sei P = (0, 0) ∈ E. Ahnlich wie in (a) zeigt man, dass OP,Z ein diskreter Bewertungsring mit uniformisierendem Element y ist, da x=

y2 ∈ OP,Z −1

x2

(31)

ist. Es folgt, dass y ein Erzeuger von mP OP,Z ist und daher νP (y) = 1,

νP (x) = 2νP (y) = 2.

Betrachte t := y/x ∈ K(E). Aus Definition 5.9.1 folgt, dass νP (t) = νP (x) − νP (y) = 2 − 1 = 1 > 0. Es folgt also, dass t auch ein Erzeuger des maximalen Ideals mP OP,Z ist. Dies liefert einen alternativen Beweis von Beispiel 5.8.8.(b). Die zwei Erzeuger t und y unterscheiden sich um einer Einheit. Einsetzen von (31) liefert n¨ amlich x 1 t= =y 2 . y x −1 Im Beispiel 5.9.6 haben wir gesehen, dass ein lokaler Ring OP,Z nicht immer ein diskreter Bewertungsring ist. Im Rest des Abschnittes werden wir den Unterschied zwischen Beispiel 5.9.6.(a) und (b) mit Hilfe der Geometrie erkl¨aren. Wir beschr¨ anken uns dazu einfachheitshalber auf ebenen Kurven. Die Variet¨aten aus Beispiel 5.9.6 sind Beispielen ebener Kurven. ¯ ein algebraisch abgeschlossener K¨orper. Eine ebeDefinition 5.9.7 Sei K = K ne Kurve ist die Nullstellenmenge Z(f ) ⊂ A2K eines irreduziblen Polynoms f ∈ K[x, y]. Bemerkung 5.9.8 Im Abschnitt 5.7 haben wir die Dimension einer affinen algebraischen Variet¨ at Z als der Transzendenzgrad des Funktionenk¨orpers definiert. Ist Z = Z(f ) ⊂ A2K eine ebene Kurven, dann ist K(Z) = K(x)[y]/(f ) ein K¨ orper mit Transzendenzgrad 1. Eine ebene Kurve ist also eine affine algebraische Variet¨ at in A2K der Dimension 1. 116

¯ algebraisch abgeschlossen und Z ⊂ An eine Definition 5.9.9 Sei K = K K affine algebraische Variet¨ at der Dimension d. Wir w¨ahlen Erzeuger f1 , . . . , fm von I := I(Z). Ein Punkt P ∈ Z heißt glatt, wenn   ∂fi Rang (P ) = n − d. (32) ∂xj i,j Ansonsten heißt P singul¨ar. Die Variet¨ at Z heißt glatt, wenn jeder Punkt P ∈ Z glatt ist. In (32) bezeichnet ∂fi /∂xj (P ) die formale Ableitung von fi nach der Variable xj ausgewertet im Punkt P . Wir bemerken, dass die Jacobi-Matrix   ∂fi (P ) ∂xj i,j in P eine m × n-Matrix ist. Beispiel 5.9.10 Sei Z = Z(f ) ⊂ AnK eine algebraische Variet¨at gegeben durch eine Gleichung (d.h. eine Hyperebene), beispielsweise eine ebene Kurve. Wir bemerken, dass Z Dimension d := n − 1 besitzt. Also ist P ∈ Z genau dann ein singul¨ arer Punkt, wenn ∂f ∂f (P ) = · · · = (P ) = 0. ∂x1 ∂xn Beispielsweise ist die ebene Kurve Z = Z(y 2 −x3 ) ⊂ A2C singul¨ar in P = (0, 0) und glatt in allen anderen Punkten. Die ebene Kurve E = Z(y 2 − x3 + x) ⊂ A2C aus Beispiel 5.6.3.(b) ist glatt. Die Variet¨ at W = Z(xz − yw) ⊂ A4K aus Beispiel 5.8.8 ist glatt in allen Punkten P 6= (0, 0, 0, 0). Satz 5.9.11 Sei Z = Z(f ) ⊂ A2K eine ebene Kurve. Ein Punkt P ∈ Z ist genau dann glatt, wenn der lokale Ring OP,Z ein diskreter Bewertungsring ist. Beweis: Wir schreiben P = (a, b) und mP = (x − a, y − b) < K[x, y]. Betrachte   ∂g ∂g (P ), (P ) . θ : K[x, y] → K 2 , g 7→ ∂x ∂y Bemerke, dass θ(x − a) = (1, 0),

θ(y − b) = (0, 1)

eine Basis von K 2 bilden. Außerdem gilt θ((x − a)2 ) = θ((x − a)(y − b)) = θ((y − b)2 ) = 0. Dies impliziert, dass m2P ⊂ ker(θ) ist. Es folgt, dass θ ein K-Vektorraumisomorphismus ∼

θ0 : mP /m2P → K 2 117

induziert. Bemerke, dass P genau dann ein glatter Punkt von Z = Z(f ) ist, wenn θ(f ) 6= 0 ist. Wir nehmen an, dass P ∈ Z glatt ist. Da P ∈ Z, ist f (P ) = 0 und f ∈ mP < K[x, y]. Wir w¨ ahlen eine Funktion t ∈ mP , sodass θ(t), θ(f ) eine Basis von K 2 bilden. Wir schreiben a f¨ ur das maximale Ideal von OP,Z und fassen t als Element von a auf. Aus dem 3. Isomorphiesatz (Satz 3.2.10) und Satz 5.8.4 folgt, dass a/a2 = mP /((f ) + m2P ). Hieraus folgt, dass t + m2P ein Erzeuger von a/a2 als K-Vektorraum ist. Satz 5.9.5 impliziert, dass OP,Z ein diskreter Bewertungsring ist. ¨ Sei nun P ∈ Z ein singul¨arer Punkt. Dann ist θ(f ) = (0, 0) ∈ K 2 . Ahnlich wie im ersten Fall folgt, dass das maximale Ideal a von OP,Z kein Hauptideal ist. 2 Wir beschreiben die geometrische Bedeutung des Beweises von Satz 5.9.11. Sei P = (a, b) ∈ Z = Z(f ) < A2K ein glatter Punkt. Die mehrdimensionale Taylor-Entwicklung von f in P liefert ∂f ∂f (P )(x − a) + (P )(y − b) + m2P . f= ∂x ∂y Es gilt f (P ) = 0, weil P ∈ Z ist. Wir setzen   ∂f ∂f TP,Z := Z (P )(x − a) + (P )(y − b) ⊂ A2K ∂x ∂y Geometrisch ist TP,Z die Tangente an Z in P . Da P ein glatter Punkt ist, ist ∂f /∂x(P ) oder ∂f /∂y(P ) ungleich Null. OBdA nehmen wir an, dass ∂f /∂y(P ) 6= 0 ist. Es folgt, dass y−b≡−

∂f /∂x(P ) (x − a) ∂f /∂y(P )

(mod a2 ).

Dies zeigt, dass t := x − a ein Erzeuger von a/a2 induziert. Aus Satz 5.9.5 folgt, dass x − a ein Erzeuger von a ist. Geometrisch ist Z(t) ⊂ A2K eine Gerade, die Z in P transversal schneidet: Die Richtungsvektoren von Z(t) und TP,Z sind linear unabh¨ angig. Ist P ∈ Z singul¨ ar, dann verschwinden die partielle Ableitungen: ∂f /∂x(P ) = ∂f /∂y(P ) = 0. In diesem Fall ist die Tangente TP,Z nicht definiert und dimk a/a2 = 2. Wir nennen a/a2 den Kotangentenraum. Bemerkung 5.9.12 Die Bedingung in Satz 5.9.11, dass Z eine Kurve ist, ist essentiell. Sei Z = Z(f ) ⊂ AnK eine Hyperebene und P ∈ Z ein glatter Punkt, wobei f irreduzibel ist. In diesem Fall besitzt Z Dimension d = n − 1. Der Beweis von Satz 5.9.11 zeigt in dieser Situation, dass das maximale Ideal von OP,Z von d − 1 Elemente erzeugt werden kann. Dies ist der Dimension des Kotangentenraums dimk a/a2 . Solche Ringen heißen regul¨are Ringen. Diese Charakterisierung glatter Punkte P ∈ Z gilt auch ohne die Annahme, dass I(Z) ein Hauptideal ist. Dies behandeln wir in dieser Vorlesung nicht.

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