Diskurse des Niedergangs: Reflexionen über das Eigene und das Fremde in osmanischen und türkischen Reiseberichten [1. Aufl.] 978-3-658-26531-1;978-3-658-26532-8

Aydın Süer befasst sich mit dem historischen Narrativ vom Niedergang des Osmanischen Reiches, welches den Blick osmanisc

1,235 155 2MB

German Pages XI, 269 [278] Year 2019

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Diskurse des Niedergangs: Reflexionen über das Eigene und das Fremde in osmanischen und türkischen Reiseberichten [1. Aufl.]
 978-3-658-26531-1;978-3-658-26532-8

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XI
Einleitung (Aydın Süer)....Pages 1-6
Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund (Aydın Süer)....Pages 7-43
Text und Bedeutung (Aydın Süer)....Pages 45-79
Methodische Vorgehensweise (Aydın Süer)....Pages 81-120
Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches (Aydın Süer)....Pages 121-148
Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten (Aydın Süer)....Pages 149-198
Schlussbetrachtung (Aydın Süer)....Pages 199-214
Back Matter ....Pages 215-269

Citation preview

Islam in der Gesellschaft

Aydın Süer

Diskurse des Niedergangs Reflexionen über das Eigene und das Fremde in osmanischen und türkischen Reiseberichten

Islam in der Gesellschaft Reihe herausgegeben von Rauf Ceylan, Osnabrück, Deutschland Naika Foroutan, Berlin, Deutschland Andreas Zick, Bielefeld, Deutschland

Die neue Reihe Islam in der Gesellschaft publiziert theoretische wie empirische Forschungsarbeiten zu einem international wie national aktuellem Gegenstand. Der Islam als heterogene und vielfältige Religion, wie aber auch kulturelle und soziale Organisationsform, ist ein bedeutsamer Bestandteil von modernen Gesellschaften. Er beeinflusst Gesellschaft, wird zum prägenden Moment und erzeugt Konflikte. Zugleich reagieren Gesellschaften auf den Islam und Menschen, die im angehören bzw. auf das, was sie unter dem Islam und Muslimen verstehen. Der Islam prägt Gesellschaft und Gesellschaft prägt Islam, weil und wenn er in Gesellschaft ist. Die damit verbundenen gesellschaftlichen Phänomene und Prozesse der Veränderungen sind nicht nur ein zentraler Aspekt der Integrations- und Migrationsforschung. Viele Studien und wissenschaftlichen Diskurse versuchen, den Islam in der Gesellschaft zu verorten und zu beschreiben. Diese Forschung soll in der Reihe Islam in der Gesellschaft zu Wort und Schrift kommen, sei es in Herausgeberbänden oder Monografien, in Konferenzbänden oder herausragenden Qualifikationsarbeiten. Die Beiträge richten sich an unterschiedliche Disziplinen, die zu einer inter- wie transdisziplinären Perspektive beitragen können: - Sozialwissenschaften, Soziologie - Islamwissenschaft - Integration- und Migrationsforschung - Bildungswissenschaft - Sozialpsychologie - Kulturwissenschaften - Geschichtswissenschaft und - weitere Wissenschaften, die Forschungsbeiträge zum Thema aufweisen

Weitere Bände in dieser Reihe http://www.springer.com/series/14772

Aydın Süer

Diskurse des Niedergangs Reflexionen über das Eigene und das Fremde in osmanischen und türkischen Reiseberichten

Aydın Süer Islamische Theologie / ­Religionspädagogik Pädagogische Hochschule Weingarten Weingarten, Deutschland Zgl. Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2017

ISSN 2569-6203 ISSN 2569-6211  (electronic) Islam in der Gesellschaft ISBN 978-3-658-26532-8  (eBook) ISBN 978-3-658-26531-1 https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung

In den verschiedenen Phasen meiner Dissertation haben mich viele Menschen begleitet, ohne deren Hilfe und Unterstützung die vorliegende Arbeit nicht zustande gekommen wäre. Ganz besonders danken möchte ich zunächst meinem Doktorvater Prof. Dr. Klaus Eder für seine unermessliche Geduld und die großartige Betreuung. Er stand mir von Anfang an kritisch und konstruktiv zur Seite und verhalf mir mit neuen Denkanstößen immer wieder dazu, meine nicht selten etwas verworrenen Gedanken zu ordnen und weiterzuentwickeln. Prof. Dr. Armando Salvatore danke ich herzlichst für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie seine freundliche und ermutigende Unterstützung. Der Berlin Graduate School of Social Sciences (BGSS) und ihren Mitarbeitern möchte ich für die Ermöglichung mehrerer Forschungsaufenthalte in der Türkei sowie meiner Teilnahme an zahlreichen Konferenzen und nicht zuletzt für die Bereitstellung eines hervorragenden Arbeitsumfeldes meinen Dank aussprechen. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang auch den sehr fruchtbaren Austausch mit anderen Mitgliedern der BGSS, allen voran mit Bettina Wagner, Marcus Engler, Mehtap Söyler, Petra Ahrens, Reyhan AtasüTopçuoğlu, Sören Carlson und Stefan Solleder. Für ihre umfassenden Kenntnisse und wertvollen Anregungen während des gesamten Entstehungsprozesses dieser Arbeit gilt mein Dank Prof. Dr. Ahmet Çiğdem, Dr. Ali H. Zaidi, Yrd. Doç. Dr. Bülent Küçük, Prof. Dr. Cemil Aydın, Dr. Esra Özyürek, Prof. Dr. Gökçe Yurdakul, Dr. Jörn Thielmann, Prof. Dr. Klaus Kreiser, Prof. Dr. Lejla Demiri, Dr. Levent Tezcan, Prof. Dr. Mustafa Gencer, Prof. Dr. Naika Foroutan, Dr. Parvez Manzoor, Prof. Dr. Syed Farid Alatas, Prof. Dr. Werner Schiffauer und Dr. Zafer Çelik. Insbesondere Prof. Dr. Roland Eckert, der mich gleich zu Beginn meines Studiums bei der Hand nahm und mich für die Soziologie begeisterte, bin ich zu tiefstem Dank verpflichtet. Auch mein privates Umfeld trug maßgeblich zum Gelingen dieser Arbeit bei. Hier gilt mein erster Dank meinen Eltern Mehmet und Naile Süer, die immer an mich geglaubt und mir mit viel Aufopferung eine akademische Ausbildung überhaupt erst möglich gemacht haben. Von ganzem Herzen danke ich auch meinen Schwestern Aynur, Ayşe und Rabiye für ihren Beistand in jeglicher Hinsicht. Trotz der großen Entfernungen zwischen uns sind sie mir stets eine wichtige Stütze im Leben gewesen. Ebenso liegt es mir am Herzen, meinen Freunden zu danken. David Benforado, Dietrich Hattenhauer, Engin Karahan, Ercan Uslu, Etuka Begashvili,

VI

Danksagung

Feyzullah Yeşilkaya, Fuat Tufan, Hakan Tosuner, Michael Raddatz, Nilden Vardar, Nina Mühe, Philipp von Rothkirch, Sarah Albrecht, Türker Süer und viele andere sind es gewesen, die über diese nicht immer einfache Zeit zu mir gehalten und mir so den nötigen Rückhalt gegeben haben. Andrea Dernbach möchte ich zudem für ihre nützlichen Ratschläge danken, die mir immer dann zur Hilfe kamen, wenn ich mit dem Schreiben wieder ins Stocken geriet. Meinem Cousin Gökhan Gözegü danke ich dafür, dass er unermüdlich und mehrere Tage hintereinander in den Bibliotheken Istanbuls ausharrte, um mit mir zusammen Dutzende von Büchern und Aufsätzen zu fotokopieren. Für seine sprachlichen Hilfen, die ich allzu häufig in Anspruch nahm, und die gemeinsame Suche nach besseren Formulierungen möchte ich meinem langjährigen Freund İstiklal Özkan danken. Mein letzter Dank gilt meiner Ehefrau Fatma und meinem Sohn Nedim. Ohne ihre Nachsicht und ihr Verständnis und ohne die Kraft und Zuversicht, die sie mir gaben, hätte ich diese Arbeit schlicht nicht schreiben können.

Inhaltsverzeichnis

1

Einleitung ..................................................................................................... 1

2

Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund ............... 7 2.1 2.1.1

Der Unilateralismus der frühen osmanischen Diplomatie .......... 8

2.1.2

Der allmähliche Sinneswandel ................................................. 15

2.1.3

Veränderungen des Gesandtschaftswesens unter Sultan Selim III. .............................................................. 20

2.2

Reiseberichte als Textform ................................................................ 23

2.2.1

Die europäische Reiseliteratur .................................................. 24

2.2.2

Die osmanische und türkische Reiseliteratur ............................ 32

2.3 3

Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa ........... 7

Weitere Quellen des Wissens über Europa ....................................... 41

Text und Bedeutung ................................................................................. 45 3.1

Die Geburt des Autors ....................................................................... 45

3.1.1

Der Mensch als Subjekt ............................................................ 45

3.1.2

Das Subjekt als Autor ............................................................... 50

3.2

Die Dezentrierung des Subjekts ........................................................ 51

3.3

Diskurs und Wirklichkeit .................................................................. 54

3.3.1

Die diskursive Konstitution von Bedeutung ............................. 54

3.3.2

Das Verhältnis zwischen struktureller und symbolischer Ebene .................................................................. 57

3.4

Diskurs und Intertextualität ............................................................... 61

3.4.1

Die diskurstheoretische Analyse eines Textes .......................... 61

3.4.2

Der Tod des Autors .................................................................. 64

3.5 3.5.1

Diskurs und Wandel .......................................................................... 66 Die Diskurstheorie nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe . 66

VIII

Inhaltsverzeichnis 3.5.2

4

Reproduktion und Wandel ........................................................ 72

Methodische Vorgehensweise .................................................................. 81 4.1

Vorüberlegungen ............................................................................... 81

4.2

Diskurse als Narrationen ................................................................... 87

4.3

Wahl der Themen .............................................................................. 89

4.4

Kontextanalyse .................................................................................. 91

4.5

Textanalyse ....................................................................................... 93

4.6

Bestimmung des Textkorpus ............................................................. 95

4.6.1

Hacı Zağanos – Ungarn (1495)................................................. 99

4.6.2

İbrahim Paşa – Österreich (1719) ............................................. 99

4.6.3

Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi – Frankreich (1720-1721) .......................................................... 100

4.6.4

Mustafa Efendi – Österreich (1730) ....................................... 101

4.6.5

Mehmed Efendi – Polen (1730) .............................................. 102

4.6.6

Mustafa Hattî Efendi – Österreich (1748) .............................. 102

4.6.7

Ahmed Resmî Efendi – Österreich (1757-1758) .................... 103

4.6.8

Ahmed Resmî Efendi – Preußen (1763-1764) ........................ 103

4.6.9

Ahmed Vâsıf Efendi – Spanien (1787-1788) ......................... 104

4.6.10

Ahmed Azmî Efendi – Preußen (1790-1792) ......................... 105

4.6.11

Ebûbekir Râtib Efendi – Österreich (1791-1792) ................... 106

4.6.12

Yusuf Âgâh Efendi – England (1793-1796) ........................... 107

4.6.13

Giritli Ali Aziz Efendi – Preußen (1797-1798) ...................... 107

4.6.14

Amedî Mehmed Said Galib Efendi – Frankreich (1802) ........ 108

4.6.15

Seyyid Mehmed Emin Vâhid Efendi – Frankreich (1806) ..... 109

4.6.16

Mustafa Sâmi Efendi – Frankreich (1838) ............................. 109

4.6.17

Ömer Faiz Efendi – Europa (1867) ........................................ 110

4.6.18

Ahmet İhsan – Europa (1891 & 1911).................................... 111

4.6.19

Mehmet Enisî – Frankreich (1895) ......................................... 112

Inhaltsverzeichnis

5

6

7

IX

4.6.20

Ali Kemal – Frankreich (1895)............................................... 113

4.6.21

Şerafeddin Mağmumi – Europa (1897-1898 & 1914-1915) ... 114

4.6.22

Ferit Kam – Europa (1913) ..................................................... 115

4.6.23

Ahmet Haşim – Deutschland (1932) ...................................... 116

4.6.24

Übersicht ................................................................................ 117

Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches .................... 121 5.1

Niedergang als Metapher in historischen Narrativen ...................... 122

5.2

Das Niedergangsparadigma in der osmanischen Geschichtsschreibung ...................................................................... 127

5.3

Modernisierungstheoretische Ansätze ............................................. 133

Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten ................................... 149 6.1

Das osmanische Selbst und der europäische Andere ....................... 149

6.2

Der osmanische Überlegenheitsdiskurs: Gesandtschaftsberichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts ............. 158

6.3

Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust: Reiseberichte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ............................. 175

Schlussbetrachtung ................................................................................ 199

Literaturverzeichnis ....................................................................................... 215

Hinweise zur Aussprache türkischer Buchstaben

 â Î î Û û

=

lange Vokale in Fremdwörtern und zur Unterscheidung sonst gleichgeschriebener Wörter

C c

=

stimmhaftes dsch wie in Dschungel

Ç ç

=

stimmloses tsch wie in Tscheche

E e

=

meist offen gesprochenes e wie in etwas

ğ

=

bewirkt die Dehnung des vorausgegangenen Vokals

I ı

=

kurz und dumpf, ähnlich dem unbetonten e in haben

İ i

=

in der Regel kurz ausgesprochenes i wie in bin

J j

=

wie das j im französischen journal

S s

=

stimmloses s wie in Fluss

Ş ş

=

wie das sch in Schwester

V v

=

wie das w in Wasser

Z z

=

stimmhaftes s wie in Sonne

1

Einleitung

„Die einzige wahre Reise, der einzige Jungbrunnen wäre für uns, wenn wir nicht neue Landschaften aufsuchten, sondern andere Augen hätten, die Welt mit den Augen eines anderen, von hundert anderen betrachten, die hundert verschiedenen Welten sehen könnten, die jeder einzelne sieht, die jeder von ihnen ist“. Marcel Proust, Die Gefangene (Proust 2000, S. 366–367) Ab etwa der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende Reisetätigkeit von Osmanen nach Europa und speziell in die europäischen Hauptstädte London, Paris, Wien, Berlin, Warschau, Madrid oder Stockholm beobachten. Begründet wird dies in der Regel damit, dass das Osmanische Reich zu jener Zeit erstmals begonnen habe, sich eingehend mit Europa zu beschäftigen und seine Aufmerksamkeit gen Westen zu richten. Inwieweit diese Erklärung Gültigkeit besitzt, wird im Folgenden noch zu überprüfen sein. Tatsache ist jedoch, dass im achtzehnten Jahrhundert mit dem Reisen selbst auch das Berichten darüber deutlich zunimmt. Bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein sind es allen voran offizielle Gesandte des osmanischen Staates, die von ihren diplomatischen Missionen erzählen, aber darüber hinaus auch ihre sonstigen Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen in den jeweiligen Ländern schriftlich festhalten. Später dann weitet sich der Wunsch, Europa zu bereisen und unmittelbar zu erleben, auch auf andere Teile der osmanischen Elite aus. Mit den Reiseberichten, die aus der Feder dieser – wie noch zu erläutern sein wird: neuen – Eliten stammen, entsteht letztlich eine bis dahin im Osmanischen Reich nicht dagewesene Textgattung, die einer immer breiter werdenden Leserschaft Europa quasi aus erster Hand näherbringt. Kennzeichnend für die Reiseberichte – die älteren ebenso wie die neueren – ist unter anderem, dass ihre Autoren die Berichterstattung über Europa auf auffällige Weise und sehr häufig in den Dienst einer Kritik an der eigenen Gesellschaft stellen. Damit erzeugen und verstärken sie nach und nach das Bild von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_1

2

1 Einleitung

einem im Aufstieg begriffenen Europa, demgegenüber das Osmanische Reich zumindest potentiell einer Gefahr des Untergangs ausgesetzt ist. Die Selbstverortung nicht nur angesichts dieser Gefahr, sondern insbesondere auch in Bezug auf Europa als den explizit Anderen bildet sodann das Grundmotiv ausnahmslos aller Reiseberichte. Wissenschaftliche Untersuchungen zu osmanischen und türkischen Reiseberichten hingegen, angefangen von den allerersten Texten bis zu den Monographien der Gegenwart, gibt es zuhauf. Ob bloße Transkriptionen einzelner Schriftstücke oder deren Übersetzungen in verschiedene Sprachen, die Darlegung der Umstände, welche zu ihrer Entstehung geführt haben, oder die Porträtierung einzelner ihrer Autoren, ob mehr oder minder exakte Beschreibungen der Reiserouten oder die ständig aktualisierten Listen und Kataloge der bisher bekannten Dokumente, immer wieder haben Historiker das Thema des Reisens von Osmanen und Türken und ihrer Berichte darüber aufgegriffen und zum Gegenstand ihrer Arbeit gemacht. Bereits eine erste Durchsicht ergibt jedoch, dass sich die hierzu vorliegenden Studien zumeist damit begnügen, bis dato unbekanntes Faktenwissen über die Reisenden oder ihre Reisen zutage zu bringen. Auch widmen sich viele der Veröffentlichungen – unter bisweilen sehr vielversprechenden Überschriften wie Die Rolle Ahmed Resmî Efendis in der türkischen Geschichte der Reformen oder Die Ansichten eines türkischen Diplomaten Ende des achtzehnten Jahrhunderts zu internationalen Beziehungen – einzelnen Berichten, die sie dann, wenn sie sie nicht einfach nur zusammenfassen, mit Blick auf eine bestimmte Frage mehr oder weniger ausgiebig zitieren. Bei denjenigen Arbeiten hingegen, die mehr als nur einen Reisebericht zum Gegenstand haben, handelt es sich vorwiegend um thematische Ordnungen der Textinhalte und damit weniger um Vergleichsstudien als um Nachschlagewerke. Im Ergebnis werden zwar eine Menge – mitunter voreilige – Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ansichten und Einstellungen der Reisenden oder ihrer Charaktereigenschaften gezogen. Tatsächlich gibt es aber, bis auf einige wenige Ausnahmen, keine Publikationen, die eine Vielzahl von osmanischen und/oder türkischen Reiseberichten vor dem Hintergrund einer konkreten und klar umrissenen Problemstellung analysieren und dabei die Texte nicht isoliert, sondern im Verhältnis zueinander oder zu anderen Texten betrachten. Der geschichtswissenschaftlichen Arbeiten zuweilen entgegengebrachte Vorwurf der „Theoriearmut“ (Wehler 1972, S. 19) scheint sich also zumindest in diesem Fall zu bestätigen. Wie noch ausführlich zu erörtern sein wird, handelt es sich bei Reiseberichten um ein Textgenre, welches „das Sich-selbst-Sehen der Menschheit und ihres Schicksals“ (Weber 1963, S. 21) auf spezifische Weise widerspiegelt. Daher liegt es nahe oder ist es sogar fast trivial, davon auszugehen, dass sich ein

1

Einleitung

3

langfristiger Wandel der Denkweisen darüber, was das Selbst und das eigene Schicksal ausmacht, in irgendeiner Form auch in dieser speziellen Gattung von Text niederschlagen müsste. Zugleich gilt es zu berücksichtigen, dass gerade die Auseinandersetzung mit dem Fremden, wie es in Reiseberichten naturgemäß der Fall ist, Herausforderungen und Reflexionsleistungen – auch mit dem Eigenen – in Gang setzt, die zu wichtigen Zäsuren im Zuge historischer Entwicklungen werden können (Fuchs und Trakulhun 2003, S. 8). Obwohl also in diesem Sinne auch „Berichte über subjektive Erfahrungen […] uns zweifellos vieles über gesellschaftliche Veränderungen sagen“ (Lipset 1972, S. 143) könnten, scheint sich die bisherige Forschung zu osmanischen und türkischen Reiseberichten offenbar nicht wirklich für diesen Zusammenhang interessiert zu haben. Was stattdessen zu finden ist, ist, dass nicht nur die Wandlungsprozesse im Osmanischen Reich häufig mit allzu vereinfachenden Begriffen wie Europäisierung oder Verwestlichung beschrieben werden, sondern dass darüber hinaus Reiseberichte nahezu ausschließlich dafür herangezogen werden, um ihre Autoren jeweils einer bestimmten gesellschaftlichen Elitegruppe bzw. einem bestimmten politischen Lager zuzuordnen. Wie aber das Verhältnis der Texte selbst zu den Veränderungen zu bewerten wäre, darauf wird allenfalls oberflächlich eingegangen. So erscheinen Reiseberichte, ähnlich wie im Übrigen andere im Osmanischen Reich verfasste Texte auch, lediglich als individuelle Werke wie auch immer bedeutsamer Persönlichkeiten. Diese mögen zwar durchaus zu bestimmten Elitegruppen gehört haben. Die soziologischen Probleme solcher Elitebildungen selbst werden jedoch kaum in die Analyse mit einbezogen (Elias 1972, S. 63). In Anbetracht dessen ist daher festzustellen, dass es nur den allerwenigsten der einschlägigen Untersuchungen gelingt, anhand von Reiseberichten gesellschaftliche Prozesse überhaupt zu erklären. Der Großteil der Arbeiten legt, selbst wenn eine längere Zeitspanne untersucht wird, keine Mechanismen des Wandels offen, sondern benennt lediglich einen Universalbegriff, unter den daraufhin die historischen Ereignisse subsumiert werden (Bühl 2003, S. 44–45). Getreu dem positivistischen Ideal, „durch Anhäufung von Einzelforschung, im kumulativen Verfahren, ‚die‘ Geschichte in den Griff zu bekommen“ (Wehler 1972, S. 20), wird also davon ausgegangen, dass ein Prozess durch den bloßen Aufweis seiner Chronologie verstanden werden könne. Die vorliegende Arbeit möchte versuchen, genau diese Lücke zu schließen. Ziel wird dabei sein, das, was in der bisherigen Geschichtsforschung oft als „unstrukturierter Hintergrund“ (Elias 1972, S. 70) erscheint, in den Vordergrund zu rücken und als die innere Struktur eines dynamischen Geschehens zu erfassen. Dies bedeutet „mehr als einen Hinweis darauf, daß man in einem Zeitalter so gedacht, gefühlt, gedichtet, gemalt, gewirtschaftet hat und in einem anderen

4

1 Einleitung

Zeitalter wieder anders. Zur eigenen Vollendung kommt diese Lehre nur dadurch, daß sie zunächst diesen mannigfachen Veränderungen ein Prinzip der Ordnung zu entreißen vermag“ (Mannheim 1964c, S. 248–249; Herv. i. O.). Ferner bedeutet dies auch nicht das bloße „Aufpfropfen sozialwissenschaftlicher Theorie auf die traditionelle historische Prosa“ (Hughes 1972, S. 228). Mithilfe der soziologischen Erschließung der Geschichte als Materialquelle wird hier angestrebt, nicht etwa „die Vergangenheit an und für sich“ (Bühl 2003, S. 31) aufzudecken, sondern allgemeine Aussagen über Mechanismen gesellschaftlicher Transformationsprozesse zu treffen (Burke 1989, S. 20). Auch wenn zwangsläufig immer wieder auf geschichtswissenschaftliche Literatur zurückgegriffen wird, können die von Historikern bereits gelieferten Resultate und Erklärungen daher nicht eins zu eins übernommen werden. Vielmehr gilt es, die Quellen unter der gegebenen Fragestellung neu auszuwerten (Tilly 1972, S. 127; Lipset 1972, S. 153–154). Vor dem Hintergrund des bisher Gesagten wird es in der vorliegenden Arbeit also darum gehen, das wechselseitige Verhältnis zwischen insgesamt siebenundzwanzig Berichten von nach Europa gereisten Osmanen und Türken einerseits und der zeitgleichen gesellschaftlichen Veränderungen im Osmanischen Reich und der Türkei andererseits systematisch zu eruieren. Im Fokus wird dabei die Vorstellung vom drohenden Niedergang des Osmanischen Reiches stehen, welche – so wird noch zu zeigen sein – den Blick osmanischer Eliten auf sich selbst und auf Europa maßgeblich beeinflusst hat. Reiseberichte eignen sich als Forschungsobjekt für eine solche Fragestellung insofern besonders, als sie die Wahrnehmung, Darstellung und Deutung einer unmittelbar erlebten fremden Wirklichkeit und damit die Reflexionen darüber, was das Eigene und das Fremde ausmacht, auf eigentümliche Weise dokumentieren. Da es sich bei Reiseberichten, allgemein ausgedrückt, um Texte handelt, die Aussagen ihrer Autoren über die Wirklichkeit enthalten, bedarf es für ihre angemessene Auswertung zweifelsohne auch einer theoretischen wie methodologischen Ausarbeitung eben jener Begriffe: Text, Aussage, Autor und Wirklichkeit. Diese Begriffe sind es nun, die zugleich den konzeptuellen Kern diskurstheoretischer Modelle bilden, weshalb sich auch die vorliegende Arbeit im Wesentlichen auf jene Modelle stützen wird. Auf diese Weise soll ermöglicht werden, nicht nur die strukturellen Bedingungen für das Tätigen von Aussagen und damit die Produktion von Bedeutung zu beschreiben, sondern auch und vor allem aufzuzeigen, von wo aus und unter welchen diskursiven Voraussetzungen historische Subjekte – hier: die Autoren der jeweiligen Berichte – sprechen (Sarasin 2011, S. 83). Mithilfe des von Julia Kristeva entlehnten Konzepts der Intertextualität wird zudem versucht, die Eingebettetheit der Berichte in historisch entstandene Bedeutungszusammenhänge offenzulegen und auf dieser Grundlage auch

1

Einleitung

5

ihr Transformationspotential im Hinblick auf etablierte diskursive Strukturen zu ergründen. Im Anschluss an diese Einleitung soll jedoch zunächst im zweiten Kapitel der Arbeit die eingangs erwähnte erhöhte Reisetätigkeit von Osmanen nach Europa ab dem achtzehnten Jahrhundert in ihrem geschichtlichen Kontext näher beleuchtet werden. Entsprechend wird die These vom sich allmählich nach Europa öffnenden Osmanischen Reich einer genaueren Betrachtung unterzogen und vor dem Hintergrund der osmanischen Selbstwahrnehmung vis-à-vis dem europäischen Anderen ausführlich diskutiert. Da es sich bei den ersten Reiseberichten um Berichte von Diplomaten handelt, und es, wie sich herausstellen wird, hinsichtlich der Fragestellung dieser Arbeit ebenfalls von Relevanz ist, soll außerdem das sich wandelnde Diplomatieverständnis des Osmanischen Reiches ab dem fünfzehnten Jahrhundert historisch nachgezeichnet werden. Darüber hinaus wird im zweiten Kapitel der Reisebericht als gesondertes Genre der osmanischtürkischen Literatur näher vorgestellt, und zwar im Vergleich zu seinem europäischen Pendant sowie in Anbetracht des Bedeutungswandels, den das Reisen im Laufe der Jahrhunderte im Osmanischen Reich erfuhr. Das dritte Kapitel wird den in Ansätzen bereits skizzierten theoretischen und begrifflichen Rahmen dieser Arbeit noch einmal eingehend erarbeiten. Ausgehend von philosophisch-soziologischen Diskussionen über Subjektivität und der daran anknüpfenden Frage nach der Rolle des Autors bei der Textproduktion wird das Problem der Konstitution von Bedeutung im Lichte verschiedener diskurstheoretischer Ansätze erörtert. Mit Blick auf die Zielsetzung, gesellschaftliche Transformationsprozesse zu erfassen, werden schließlich die Theorien Michel Foucaults sowie Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes hinsichtlich ihrer Tauglichkeit zur Erklärung von Wandel rezipiert und bewertet. Kapitel vier widmet sich der methodischen Vorgehensweise der Arbeit. Da die Auffassung, das Osmanische Reich sei im Niedergang begriffen, Merkmale einer Erzählung aufweist, welche in der Vergangenheit beginnt und bis in das jeweilige Hier und Jetzt der Reisenden hineinreicht, werden in diesem Kapitel zunächst allgemeine Überlegungen über narrative Strukturen von Diskursen angestellt, bevor dann das genaue Vorgehen in der Text- und Kontextanalyse beschrieben wird. Im Anschluss wird, nachdem die Kriterien für die Korpusbildung diskutiert worden sind, die genaue Bestimmung des Textkorpus – sprich: des vor dem Hintergrund der Forschungsfrage zu untersuchenden empirischen Materials – vorgenommen. Es folgt eine kurze Vorstellung aller im Textkorpus enthaltenen Reiseberichte, ihrer Autoren sowie ihrer Entstehungsumstände. Im fünften Kapitel der Arbeit wird sodann der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches selbst aufgegriffen und als eigenständiges Narrativ in historischen Darstellungen und soziologischen Studien identifiziert. Herangezo-

6

1 Einleitung

gen werden hierfür Quellen sowohl der osmanischen, wie auch der nichtosmanischen Geschichtsschreibung. Mit besonderem Fokus auf modernisierungstheoretische Ansätze wird zudem dargelegt, wie der Niedergang als Paradigma historischer Erzählungen auch in soziologische Theorien Einzug genommen und sich bis in die Gegenwart hinein aufrechterhalten hat. Konkret zusammengeführt und umgesetzt werden die vorangegangenen historischen, theoretischen und methodologischen Ausführungen anschließend im sechsten Kapitel. Hier werden die siebenundzwanzig Reiseberichte des Textkorpus auf Spuren des Niedergangsdiskurses hin untersucht und ausgewertet. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Frage, wie die Reisenden angesichts der von ihnen unmittelbar erfahrenen unbekannten Welt des Anderen jeweils das Eigene bestimmen und spezifisch verorten. Da sich die Entstehung der Reiseberichte über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten erstreckt, werden die einschlägigen Textpassagen ferner zu den langfristigen gesellschaftlichen Veränderungen im Osmanischen Reich in Bezug gesetzt. Die Schlussbetrachtung im siebten und letzten Kapitel fasst die zentralen Ergebnisse der Arbeit noch einmal zusammen und unterzieht sie insbesondere vor dem Hintergrund verschiedener Identitätsentwürfe im späten Osmanischen Reich und der heutigen Türkei einer erneuten abschließenden Bewertung. Es sei zuletzt noch angemerkt, dass die Übersetzungen aller im Folgenden aus türkischen und osmanischen Quellen übernommenen Zitate – sofern nicht anders kenntlich gemacht – vom Verfasser dieser Arbeit stammen. Die bei der Angabe osmanischer Quellen mit einem H. gekennzeichneten Jahreszahlen – wie zum Beispiel bei (Çelebi 1889 [H. 1306]) – verweisen dabei auf die sogenannte Hidschri- oder islamische Zeitrechnung. Diese beginnt mit dem Jahr 622 n. Chr., dem Jahr der Auswanderung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina, und orientiert sich am Lauf des Mondes. Im Osmanischen Reich wurde offiziell dieser islamische Mondkalender verwendet, bis er 1917 n. Chr. durch den gregorianischen Kalender abgelöst wurde (Feroz 2003, S. 80).

2

Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

Die Entwicklung des Reisens im Osmanischen Reich weist eine Fülle von Aspekten und Problemen auf. Seien es die entscheidenden sozialhistorischen oder individuell-biographischen Impulse, die die Menschen dazu veranlasst haben, fremde Länder zu erkunden, oder die Herausbildung einer spezifischen Reisekultur, es ließe sich mit Sicherheit eine Vielzahl von Fragestellungen formulieren, die die verschiedenen Facetten des Reisens abdecken und Gegenstand fundierter wissenschaftlicher Untersuchungen sein könnten. Entsprechend ihrer Fragestellung wird jedoch die vorliegende Arbeit ihre Aufmerksamkeit grundsätzlich nur auf diejenigen Reisen richten, von denen auch Berichte vorliegen, also bei denen die Reisenden ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Fremde schriftlich festgehalten haben. Hier gilt es jedoch, eine erneute Einschränkung vorzunehmen, zumal, wie noch zu zeigen sein wird, die Reiseliteratur des Osmanischen Reiches eine breite Palette an Textformen umfasst, obwohl die schiere Anzahl der Berichte selbst bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein doch recht gering blieb. Erst mit der verstärkten Entsendung von osmanischen Diplomaten in die europäischen Hauptstädte stieg diese Zahl, und es bildete sich in der osmanischen Literatur allmählich ein eigenständiges Genre des Reiseberichts heraus. Die Gründe und näheren Umstände, die zu dieser Entwicklung im achtzehnten Jahrhundert geführt haben, sollen nun im Einzelnen dargelegt werden.

2.1

Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

Die erste ständige diplomatische Vertretung des Osmanischen Reiches im Ausland wurde im Jahre 1793 in London errichtet (Fıkırkoca 1984, S. 65). Darauf folgten 1796 die Botschaften in Berlin und Wien (Güngördü 1987, S. 39) sowie 1797 die Botschaft in Paris (Bacqué-Grammont et al. 1991, S. 117). Während sich die osmanischen Delegationen noch mit den Anfangsschwierigkeiten ihrer jeweiligen Missionen herumschlagen mussten, konnten die europäischen Mächte zu jener Zeit bereits auf eine jahrhundertelange diplomatische Tradition zurückblicken. Denn in Europa hatte sich – mit der venezianischen Diplomatie in führender Position – schon im fünfzehnten Jahrhundert ein ständiges Gesandtschaftssystem entwickelt (Kohler 2008, S. 32). Der zeitliche Abstand, der durch© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_2

8

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

aus den Eindruck einer mehr als dreihundertjährigen Verspätung der Osmanen erweckt (Yalçınkaya 1996a, S. 45), bedarf daher einer näheren Erläuterung. 2.1.1

Der Unilateralismus der frühen osmanischen Diplomatie

Ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang üblicherweise ins Feld geführt wird, ist – wie so oft – die Religion (Hurewitz 1961, S. 146; Kuran 1988, S. 10–11; Lewis 1993, S. 19; Naff 1977, S. 97; Shaw 1971, S. 185). Demnach sei die Ursache für die so unterschiedlichen Entwicklungen in Europa und im Osmanischen Reich „in der Staatskonzeption des klassischen Islams zu suchen, nach der der muslimische Staat nach den Grundsätzen des religiösen Rechts […] in allen seinen Bereichen bestmöglich geleitet wird und von daher allen nichtmuslimischen Regierungsformen überlegen ist“ (Sanaç 1992, S. 8). Indes war das politische Ideal, an dem sich die Osmanen orientierten, ein äußerst komplexes theoretisches Gebilde, welches sich aus den Quellen der hellenistischen, arabischen, persischen und osmanischen Philosophie sowie den politischen Traditionen Zentralasiens, des Byzantinischen und des Persischen Reiches speiste (Şirin 2009, S. 97; Oğuzoğlu 2000, S. 165–214). Das Erklärungsmodell hingegen, welches auf gleichsam reduktionistische Weise die Religion ins Zentrum rückt, stützt sich in erster Linie auf die islamisch-rechtlichen Territorialkonzepte des Dar al-Islam (Gebiet des Islams) und des Dar al-Harb (Gebiet des Krieges). Während Ersteres ein Land – oder genauer: ein Hoheitsgebiet – bezeichnet, in dem die Bestimmungen des Islams geltend sind und das der Herrschaft eines muslimischen Souveräns untersteht, steht Letzteres für dasjenige Territorium, welches noch nicht zu dem des Islams gehört. Wie auch der Begriff nahelegt, ist Dar al-Harb dementsprechend – aktuell oder potentiell – Kriegsschauplatz, bis es durch Eroberung in Dar al-Islam verwandelt wird. Zumindest theoretisch ist der islamische Staat daher in einem dauernden Kriegszustand mit der nichtmuslimischen Welt (Kelsay 2004a, 2004b; Djalili 1995; Peters 1995). Obgleich zahlenmäßig nicht immer überlegen, war der Islam als der Glaube der Sultane und der herrschenden Eliten zweifelsohne die dominante Religion im Osmanischen Reich (Imber 2009, S. 1). Daraus lässt sich jedoch nicht zwangsläufig ableiten, dass er zugleich auch politisches Leitprinzip gewesen sei. Vielmehr lässt sich feststellen, dass die Sultane ihr Handeln nicht vorrangig von religiösen Motiven leiten ließen, sondern stets einen politischen Pragmatismus an den Tag legten, der sich nicht wesentlich von dem der zeitgenössischen europäischen Herrscher unterschied (Faroqhi 2007b, S. 28). Die auf Krieg ausgerichtete expansive Außenpolitik des Osmanischen Reiches ist daher weniger Indiz für einen religiösen Drang, die Ungläubigen zu bekämpfen oder

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

9

gar zu bekehren, sondern trägt vielmehr die charakteristischen Züge eines auf der Weltbühne agierenden Imperiums (Yurdusev 2004, S. 17–21; Münkler 2005, S. 59–67). Der Islam nahm in diesem Zusammenhang lediglich eine legitimierende Funktion ein, die dazu diente, die Herrschaftsstellung des Sultans als Hüter des wahren Glaubens zu festigen. Es sei in diesem Zusammenhang noch angemerkt, dass sich die Beziehungen des Osmanischen Reiches zur nicht-muslimischen Welt keineswegs auf kriegerische Auseinandersetzungen bzw. deren Vorbereitung beschränkten, sondern – wie noch zu sehen sein wird – sich viel komplexer gestalteten als die Begriffe des Dar al-Islam und des Dar al-Harb vermuten lassen (Faroqhi 2007b, S. 10). Dass diese Kategorien nicht wirklich maßgebend für die osmanische Außenpolitik waren, verdeutlichen auch die vom sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert geführten Kriege gegen die persischen Safawiden im Osten des Reiches. Von einem gegen die christliche Welt vereinigten islamischen Block kann hier daher keineswegs die Rede sein. Eher war das Gegenteil der Fall. Denn für das Osmanische Reich galt in vielerlei Hinsicht nicht Europa, sondern das Safawidenreich als Hauptbedrohung (Karamanly 1999, S. 502; Imber 2009, S. 36–37). Zu Europa hingegen pflegten die Osmanen einen regen Kontakt. Schon ihre Angewiesenheit auf Bündnisse, die sich aufgrund der sich ständig ändernden Machtkonstellationen auf internationaler Ebene ergab, zwang sie immer wieder – selbst zu Blütezeiten unter Süleyman I. (reg. 1520-1566) –, in diplomatische Beziehungen mit europäischen Mächten zu treten – nicht zuletzt auch, um diese gegeneinander auszuspielen (Arı 2004, S. 37). Wenn es die Situation erforderte, wussten die Sultane also sehr wohl, die dichotome territoriale Aufteilung der Welt in Kriegs- und Friedensgebiet zu übergehen. Weder die Lehrsätze des islamischen Rechts, noch die Auslegungen islamischer Juristen im Hinblick auf Krieg und Frieden reichen daher aus, um das außenpolitische Handeln des Osmanischen Reiches über die Jahrhunderte vollständig zu erklären (İslamoğlu-İnan und Keyder 1987, S. 43; Kafadar 1995, S. 19). „It would certainly be unrealistic to deny the centrality of Islam; but in my perspective, it was exactly because the elites had no doubt about this centrality that they were able to react to the ‚people outside the pale‘ with much more pragmatism than would be possible for an elite whose members felt that the basis of their rule was under constant threat, and therefore in need of permanent defence. As a result the rules of the political game were quite often developed and brought into play without there being a great need for day-to-day references to religious law“ (Faroqhi 2007b, S. 3).

10

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

Die Behauptung, dass Krieg und Eroberung die einzigen außenpolitischen Mittel seien, derer sich die osmanischen Herrscher bedienten, lässt sich also nicht halten (Veinstein 2012, S. 717). Auch ist die im Vergleich zu Europa sehr späte Errichtung ständiger Botschaften im Ausland nicht, wie es häufig getan wird (Shaw 1971, S. 5; Rasim 1989, S. 74; Bayram 2000, S. 13), als mangelndes Interesse an den Geschehnissen außerhalb der eigenen Grenzen misszuverstehen (Faroqhi 2007b, S. 1; Veinstein 2003, S. 167). Gerade die Aufgeschlossenheit, die viele Sultane insbesondere den europäischen Wissenschaften entgegenbrachten, widerlegen eine solche These und zeugen im Gegenteil von einem durchaus vorhandenen und zudem sehr ausgeprägten Interesse (İhsanoğlu 1992, S. 38–44). Auger Ghiselin de Busbecq, Botschafter Ferdinands I. in Istanbul von 1555 bis 1562 (Dalle 2008, S. 143, S. 185), beschreibt diese Offenheit in einem Brief aus dem Jahre 1560 folgendermaßen: „Aucune nation ne s’est montrée moins hostile à adopter les inventions utiles des autres; par exemple, ils se sont approprié les gros et petits canons, et biens d’autres de nos découvertes“ (Dalle 2008, S. 229). So berief der Palast schon im fünfzehnten Jahrhundert eine Gruppe von europäischen Wissenschaftlern – tâife-i efrenciyân (Gruppe der Europäer)1 – ein, die er damit beauftragte, sich Kenntnisse über die neusten wissenschaftlichen Entwicklungen in Europa zu verschaffen und diese im Osmanischen Reich zur Anwendung zu bringen (Murphey 1983, S. 288). Als besonders hervorstechendes Beispiel für die Unbefangenheit im Umgang nicht nur mit den Wissenschaften, sondern auch und vor allem mit den Künsten Europas gilt gemeinhin Sultan Mehmed II. (reg. 1444-1446 und 1451-1481) (Kuran 2004b, S. 131; AsutayEffenberger und Rehm 2009, S. 10–11; Meyer zur Capellen 2009, S. 141), wenngleich es nicht immer bloß wissenschaftliche oder künstlerische Neugierde war, die ihn antrieb, sondern es ihm vor allem auch darum ging, die Ursachen für die Erfolge großer historischer Gestalten des Abendlandes in Erfahrung zu bringen (Babinger 1953, S. 548–549). Auch die Diplomatie war, wie bereits erwähnt wurde, kein unbekanntes Terrain für die osmanischen Herrscher. Beginnend mit den ersten Jahrzehnten nach der Reichsgründung, wurden immer wieder diplomatische Beziehungen zu anderen Staaten aufgenommen und auch mehr oder weniger langfristig aufrechterhalten (Karamuk 1975, S. 108; Rudolph 2005, S. 295). Das sie von dem euro1

Obwohl das Wort Efrenc wörtlich übersetzt Franke bedeutet, bezeichnet es im osmanischen Sprachgebrauch vor allem auch die große Gruppe der Europäer (Pakalın 1993, S. 635).

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

11

päischen Diplomatieverständnis grundlegend unterscheidende Charakteristikum der osmanischen Diplomatie hingegen war ihr unilateraler Ansatz (Kürkçüoğlu 2004, S. 131). Denn die politische und militärische Vormachtstellung der Osmanen gegenüber Europa, die sie gewiss auch als natürliche Folge ihrer religiösen Überlegenheit verstehen wollten, verlieh ihnen bei zwischenstaatlichen Verhandlungen stets eine vorteilhafte Position, so dass sie ihre Forderungen durchsetzen konnten, ohne je gegen größere Widerstände ankämpfen zu müssen. Dieser Umstand hielt die osmanischen Herrscher lange Zeit – nämlich bis ins achtzehnte Jahrhundert – davon ab, die europäischen Mächte als ihnen ebenbürtige Akteure in der weltpolitischen Arena anzuerkennen. Demzufolge kam es für die Osmanen überhaupt nicht in Frage, sich der zwischen europäischen Staaten gängigen Praxis der gegenseitigen Entsendung ständiger Botschafter anzuschließen. Die Beteiligung an einer im Wesentlichen auf Reziprozität beruhenden Diplomatie (Black 2010, S. 68–69; Contini 2000, S. 63; Mattingly 1988, S. 87) wäre nämlich einer Aufwertung der europäischen Monarchen gleichgekommen und hätte sie auf dieselbe Stufe gestellt wie der über allen erhabene Sultan, der Schatten Gottes auf Erden (zillullah fi’l-arz) (Önal 2009, S. 60). Es war also nicht Ignoranz oder gar religiöser Dogmatismus, sondern die den diplomatischen Gepflogenheiten innewohnende hohe Symbolträchtigkeit, die die osmanischen Herrscher daran hinderte, ständige Botschaften im Ausland zu errichten. Stattdessen begnügten sie sich mit einer Art Ad hoc-Diplomatie (Arı 2004, S. 36) und entsendeten ihre Delegationen nur zu ganz konkreten Anlässen an ausländische Höfe. Hierzu zählten unter anderem das Überbringen von Briefen, die Mitteilung der Thronbesteigung, der Absetzung oder des Todes eines Sultans, das Aushändigen von ratifizierten Vertragstexten oder Geschenken sowie nicht zuletzt das Austragen von Verhandlungen (Karamuk 1975, S. 109– 110). Gemäß dem diplomatischen Grundsatz el-kâdimu yuzâru (etwa: nur wer kommt, wird besucht) handelte es sich bei diesen Missionen jedoch überwiegend um Gegenbesuche, denen eine Gesandtschaft aus dem jeweiligen Land vorausgegangen sein musste (Savaş 2007, S. 45–46). Auf diese Weise wurde die Vorrangstellung des Sultans gegenüber anderen Herrschern nochmals mit Nachdruck hervorgehoben. Zudem wurde großer Wert darauf gelegt, die eigene Superiorität auch in den Ausstattungen der jeweiligen Missionen symbolhaft zur Schau zu stellen. So gehörten beispielsweise edle Pferde, kostbare Geschenke sowie eine hochwertige Bekleidung von Delegationsmitgliedern zum Standartinventar. Diese wurden sorgfältig und dem Missionszweck angemessen ausgewählt und von einem eigens dafür erstellten Budget finanziert (Unat 2008, S. 24–28).2 2

Die Zurschaustellung der eigenen Überlegenheit im Kontext diplomatischer Beziehungen scheint in der Tat eine dermaßen große Rolle gespielt zu haben, dass sie sogar Thema literarischer Texte wurde. Bekanntestes Beispiel hierfür ist wohl die im Jahre 1917 erstmals erschienene Erzählung

12

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund „For the Ottoman Empire, then, unilateral diplomacy was not simply the politically naive reaction of a militarily and morally complacent empire, as is sometimes suggested. On the contrary, it was a system that had distinct political and diplomatic advantages, which is why other states have preferred it as well. Unilateral diplomacy was certainly unusual by the standard of relations between great powers or powers of similar rank […]. However, it was by no means rare in relations between great powers and lesser states; this is as true now as it was in the early modern period“ (Berridge 2004a, S. 121).

Obgleich die Osmanen also die reziproke Diplomatie für sich bewusst ablehnten, so waren sie doch stets wichtige Akteure innerhalb eines europa- oder sogar weltweiten diplomatischen Netzwerks, als dessen Zentrum lange Zeit die Stadt Venedig galt. Hier trafen sich die Vertreter des Osmanischen Reiches häufig mit europäischen Delegationen, um sich mit ihnen über wichtige außenpolitische Belange auszutauschen (Pedani-Fabris 1996, S. 192). Später dann ließen die Osmanen aber auch die Eröffnung ausländischer Gesandtschaften in Istanbul zu. Bedenkt man allerdings, dass gemäß diplomatischem Usus die Errichtung einer ständigen Botschaft, wie bereits erwähnt wurde, gleichbedeutend war mit einer Respekterweisung gegenüber dem Gastgeberland, erscheint dies durchaus nachvollziehbar. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang nur, dass sich die europäischen Mächte offenbar erst nach der Zunahme der militärischen Niederlagen gegen die Osmanen zu dem Entschluss durchringen konnten, ihre diplomatischen Beziehungen zum Osmanischen Reich in dieser Form weiterzuführen. Die Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmed II. im Jahre 1453, die auf eine unaufhaltsame Expansion des Osmanischen Reiches hinzudeuten schien (Brummett 2013, S. 45) und in Europa deshalb einen Diskurs der Türkengefahr auslöste (Höfert 2003, S. 57), markiert diesbezüglich einen Wendepunkt. „Als dann am 29.5.1453 das letzte Vorwerk des abendländischen Wesens, Konstantinopel, in die Hände der Ungläubigen gefallen war, mußte auch der letzte Funke Hoffnung auf einen Umschwung Pembe İncili Kaftan (Der Kaftan mit den rosa Perlen) von dem bedeutenden spätosmanischen Schriftsteller Ömer Seyfettin (1884-1920) (Seyfettin 1999). Noch heute wird in öffentlichen Debatten über die türkische Außenpolitik immer wieder aus diesem Werk zitiert. Auch der französische Dramatiker Molière (1622-1673) nahm sich dieses Themas an. In seiner Komödie Le Bourgeois Gentilhomme, die er 1670 im Auftrag des Königs Ludwig XIV. niederschrieb (Molière 1883), verspottete er den osmanischen Gesandten Süleyman Ağa, der während der Audienz beim König diesen aufgefordert hatte, sich zu Ehren des Sultans zu erheben (Klinkenberg 2009, S. 98).

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

13

versinken. Wiederholt hatte das Abendland den Versuch gemacht, der Ausdehnung des türkischen Großreiches Schranken zu setzen, aber alle waren sie mißlungen, und dieser Mißerfolg hatte auch der Idee des Kreuzzuges, der noch die christlichen Heere bei Nikopolis 1396 beseelt hatte, den Todesstoß versetzt. Auch der Fall Konstantinopels vermochte sie, allen Anstrengungen, selbst denen Pius II. zum Trotz, nicht mehr zu heller Flamme anzufachen. […] Einem feindlichen Auftreten gegen den neuen Herrn am Bosporus standen vor allem die italienischen Handelsrepubliken ablehnend und skeptisch gegenüber. Ihr Handel hatte gerade durch die Kreuzzüge den Hauptaufschwung erhalten, und sie glaubten nach den bisherigen Erfahrungen nicht mehr an die Möglichkeit einer Niederwerfung der osmanischen Großmacht. So galt es für Venedig und Genua, sich so rasch wie möglich mit den gegebenen Tatsachen abzufinden, besonders da sie trotz ihrer Beteiligung am Todeskampf des alten griechischen Kaiserstaates von den Türken glimpflich behandelt wurden. Daneben beeilten sich jede der beiden Republiken, der anderen zuvorzukommen, um so die umfangreichen Privilegien zu erhalten“ (Spuler 1935, S. 1–3). Es zeigt sich also, dass die osmanischen und europäischen Machthaber durchaus eine gemeinsame diplomatische Sprache sprachen, die im Übrigen nur einen Teil des viel umfassenderen „Shared Discourse of the Ottoman and European Worlds“ (Kafadar 1994, S. 320) ausmachte. Denn nicht nur die diplomatischen Konventionen als solche, sondern auch und vor allem deren symbolischer Gehalt – in diesem Fall der Entsendung ständiger Botschafter – war ihnen allen geläufig. Dies belegt abermals, dass das Osmanische Reich und Europa sich eben nicht als zwei dichotome Einheiten gegenüberstanden, sondern dass eine kontinuierliche Interaktion zwischen ihnen stattgefunden haben muss. So war es die Republik Venedig, die im Jahre 1454 die erste ausländische Vertretung auf osmanischem Boden eröffnete. Dazu wurde, da mit der Einnahme Konstantinopels das Byzantinische Reich zu seinem Ende gekommen war, der bis dahin dort sesshafte Gesandte kurzerhand zum venezianischen Botschafter im Osmanischen Reich ernannt (Veinstein 2012, S. 719). Auf Venedig folgten dann der Reihe nach die Vertretungen Polens im Jahre 1475, Russlands (1497), Frankreichs (1525), Österreichs (1528), Englands (1583), Hollands (1612), Schwedens (1737), des Königreichs Neapel (1740), Dänemarks (1756), Preußens (1761) und Spaniens (1787) (Kołodziejczyk 2000, S. 171; Müller 2005, S. 261; Müller 2006, S. 188; Berridge 2004b, S. 151; Arı 1999, S. 497; Yalçınkaya 1999, S. 662–663;

14

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

Özkul 2013, S. 242). Mit anderen Worten: binnen kurzer Zeit wurde Istanbul zu einem der bedeutendsten diplomatischen Zentren der Welt (Savaş 2007, S. 37). Das Demonstrieren der eigenen Überlegenheit gegenüber den jeweils anderen übte in diesem Zusammenhang, wie wir gesehen haben, eine wichtige Funktion aus. Die Entscheidung der europäischen Staaten, eine ständige diplomatische Vertretung in Istanbul zu errichten, ist vor diesem Hintergrund daher als Eingeständnis der eigenen Unterlegenheit zu bewerten. „Die Ausrichtung einer Gesandtschaft verkörperte einen Akt der ostentativen Ehrerbietung gegenüber dem Empfänger, gleichzeitig demonstrierte der Absender den eigenen Gesprächsbedarf und begab sich damit in die Position des potenziell Unterlegenen. Es war ein Spiel des lange Zeit von beiden Seiten als ungleich wahrgenommenen Kräfteverhältnisses, daß die osmanischen Sultane nicht nur seltener Gesandtschaften endsandten, sondern in der Regel auch rangniedrigere […]. Der Form, in welcher der Absender seine Gesandtschaft ausrichtete, und der Art und Weise, wie sein Kontrahent diese empfing, kam deshalb eine hohe symbolische Bedeutung zu. Hier ging es nicht nur um Politik, sondern um die Inszenierung von Politik. Die Ausgestaltung des Zeremoniells war somit neben dem Kriegsschauplatz ein zweiter Konfliktaustragungsort, auf dem gelegentlich genauso erbittert gestritten wurde wie auf dem Schlachtfeld“ (Rudolph 2005, S. 295). Daraus erklärt sich auch die Geringschätzung, die die Osmanen den ausländischen Botschaftern entgegenbrachten (Savaş 2007, S. 17). Nicht nur wurden sämtliche protokollarische Abläufe, von der Einreise über die Audienz beim Sultan – so es denn überhaupt eine gab – bis hin zur Abreise, von den Osmanen selbst vorgegeben (Savaş 2007, S. 71–77); auch wurden Gesandte mitunter grob behandelt und sogar Beleidigungen ausgesetzt (Berridge 2004a, S. 118; Şirin 2009, S. 138). Achille Harlay de Sancy, der von 1610 bis 1619 französischer Botschafter war (Bacqué-Grammont et al. 1991, S. 17), fühlte sich offenbar dermaßen gedemütigt, dass er seine Empörung darüber in einem Brief offen zur Sprache brachte. Die von den Osmanen praktizierte Form der Diplomatie sei eine Verletzung der Ehre des französischen Königs, hieß es darin (Veinstein 2012, S. 730). Die Osmanen hingegen sahen in der Errichtung von ausländischen Gesandtschaften in Istanbul eine zusätzliche Würdigung ihrer ohnehin evidenten Vormachtstellung. Die Erteilung der Erlaubnis, überhaupt eine Botschaft eröffnen zu dürfen, wurde von ihnen daher naturgemäß als eine Art der Privilegierung lanciert (Savaş 2007, S. 43; Beydilli 2009, S. 292). Diese herablassende Güte

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

15

drückte sich unter anderem auch darin aus, dass sie die Kosten für die ausländischen Missionen als Gastgeber selbst übernahmen (Unat 2008, S. 14–15). Es sei jedoch betont, dass die Möglichkeit, in die osmanische Hauptstadt zu kommen, auch von den Gästen selbst als Privileg empfunden wurde. Gleich zu Beginn versuchten die Ankömmlinge in Istanbul daher, die Eröffnung weiterer Botschaften zu verhindern (Arı 2004, S. 39). Auch zeigen die immer wieder offen zutage getretenen Konkurrenzkämpfe, wie sehr die Vertreter der verschiedenen Länder sich bemühten, in die Gunst des Sultans zu gelangen. Selbst die Lage der Botschaftsgebäude spielte dabei eine bedeutende Rolle. Denn die räumliche Nähe zur Hohen Pforte (Bâb-ı Âli; Bezeichnung für den Sultanspalast in Istanbul) galt zugleich als Ausdruck von großer Ehrfurcht vor der Erhabenheit des Sultans (Veinstein 2012, S. 727).

2.1.2

Der allmähliche Sinneswandel

Im siebzehnten Jahrhundert allerdings geriet die universelle Hochachtung gegenüber dem Sultan (Veinstein 2012, S. 730), welche den ausländischen Vertretern gleichsam abgenötigt wurde, nach und nach ins Wanken. Bereits im Jahre 1606, zum Zeitpunkt des Friedens von Zsitvatorok, war es erkennbar geworden, dass sich die Kräfteverhältnisse zwischen den europäischen Mächten und dem Osmanischen Reich zuungunsten des Letzteren verschoben hatten. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte waren die Osmanen gezwungen, einen Vertrag zu akzeptieren, in dem sie Zugeständnisse machen mussten (Schaendlinger 1983, S. 89). Dabei hatten sie bis dahin Friedensverträge, die eigentlich nur Waffenstillstandsvertäge gewesen waren, grundsätzlich nur geschlossen, indem sie ihre eigenen Forderungen der Gegenseite diktierten. Friedensvorschläge kamen stets von den Gegenparteien, und die Vertragstexte wurden in einem entsprechend überheblichen Ton abgefasst und den Gegnern oft unter entwürdigenden Umständen in Istanbul ausgehändigt (Karamuk 1975, S. 24). Der Vertrag von Zsitvatorok hingegen war das Ergebnis echter Verhandlungen zwischen bevollmächtigten Vertretern. Hinzu kam, dass der Ort der Verhandlungen und der Vertragsunterzeichnung nicht wie bislang der Sultanshof war, sondern „ein öder Punkt im Niemandsland zwischen den Herrschaftsbereichen der Habsburger und der Osmanen“ (Matschke 2004, S. 318). „Bei den Unterhandlungen, welche den Frieden von Sitvatorko (11. November 1606) herbeiführten, fügten sich die Türken zum erstenmal in die diplomatischen Formen europäischen Völkerrechts, welches Ebenbürtigkeit der Souveränität unter den Völkern

16

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund voraussetzt und nicht nur wechselseitige gleiche Behandlung der Bevollmächtigten erfordert, sondern auch Uebereinstimmung der beiderseitigen Urkunden im Vertrage, und nicht blos einseitige Capitulation, vom Sieger dem Nacken des Besiegten unter beleidigenden Formen aufgezwängt, ohne Anerkennung gegenseitiger Gleichheit und unabhängiger Souveränität. Bisher waren die Waffenstillstandsverträge, welche den Frieden nur auf die kurze Frist von höchstens acht Jahren sicherten, unter jährlicher Entrichtung einer Summe Geldes, welche der Kaiser Ehrengeschenk, der Sultan aber Tribut nannte, als wahre Capitulationen ‚vom immer siegreichen Sultan dem immer besiegten ungläubigen König von Wien allergnädigst gewährt‘“ (Hammer-Purgstall 1837, S. 165).

Mit dem Frieden von Zsitvatorok wurde das vom Kaiser an den Sultan gezahlte Ehrengeschenk in Höhe von jährlich 30.000 Dukaten also eingestellt und das bisherige Tributverhältnis endgültig beendet. Stattdessen sollten nun „zum letzten- und ein- für allemahl zweymahlhunderttausend Thaler abgeführt, künftighin aber nur alle drey Jahre durch Botschafter freywillige Geschenke ohne Werthbestimmung von beyden Seiten gegeben werden“ (Hammer 1829, S. 393–394). Der zweite Artikel des Vertrages legte zudem ausdrücklich fest, dass von nun an der Sultan im gegenseitigen Schriftverkehr mit den Habsburgern anstelle der bisherigen Bezeichnungen Beç Kralı (König von Wien) oder Nemçe Kralı (König von Österreich) den Titel Romayi Çasar (Römischer Kaiser) verwenden sollte (Esterházy 1932, S. 4). Für die Osmanen stellte dies einen besonders großen Prestigeverlust dar, zumal nun für die diplomatischen Beziehungen zwischen ihnen und der Habsburgermonarchie der Grundsatz der Gleichberechtigung aufgestellt wurde. Dabei waren sie es gewohnt, gerade durch die zuweilen abschätzigen und herabsetzenden Titulaturen, die sie anderen Herrschern zugestanden, ihren Machtanspruch und ihr imperiales Selbstverständnis zum Ausdruck zu bringen. So pflegten sie beispielsweise, den 1531 zum römisch-deutschen König gewählten Ferdinand I. als Ferenduş Kral (König Ferdinand) oder dessen Bruder, den römischen Kaiser Karl V., bloß als Vilâyet-i İspanya Kralı (König der Provinz Spanien) zu titulieren. Die römischen Kaiser Maximilian II. (reg. 15641576) und Rudolf II. (reg. 1576-1612) hingegen wurden abfällig Alaman Kralı (Deutscher König) genannt (Köhbach 1992, S. 223–225). Die Schwäche des Osmanischen Reiches, die es zu solchen Zugeständnissen zwang, war also nicht mehr zu verbergen und zudem nun schriftlich dokumentiert. Unmittelbar nach den Friedensverhandlungen von Zsitvatorok begannen jedoch auf Osmanischer Seite auch die Bemühungen, die Ursachen für den nunmehr offensichtlich gewordenen Machtverfall zu ergründen. Eine im Jahre

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

17

1630 verfasste und dem damaligen Sultan Murat IV. (reg. 1623-1640) zugedachte kritische Abhandlung über die Missstände im Staat ist hierfür ein gutes Beispiel. Der Autor, Koçi Bey, „welcher durch sein Werk über den Zerfall des osmanischen Reiches den Nahmen des türkischen Montesquieu verdient“ (Hammer 1834a, S. 349), versuchte darin, die wirtschaftlichen, institutionellen, politischen und sozialen Bedingungen des Verfalls zu ermitteln (Akün 2002, S. 144–145). Korruption und Missbrauch, die nach Auffassung Koçi Beys den gesamten osmanischen Verwaltungsapparat durchdrungen hatten, wurden detailliert thematisiert, und auch der Sultan selbst wurde wie folgt auf geradezu unverfrorene Weise ermahnt: „Wenn sich in irgend einer Provinz des islamischen Reichs auch nur ein Atom Ungerechtigkeit gegen einen Einzelnen vorfindet, so wird darüber am Tage der Auferstehung von den Königen, nicht von den Würdenträgern des Reichs Rechenschaft gefordert werden, und jene werden sich vor dem Herrn der Geschöpfe nicht damit verantworten können, dass sie sagen: Wir haben diesen die Verwaltung übergeben“ (Behrnauer 1861, S. 306; Herv. i. O.). Obgleich der als großer Reformer geltende Sultan Murad IV. (Shaw 1971, S. 6) die offenen Worte Koçi Beys zu Herzen nahm (Schaendlinger 1983, S. 89), brach die Serie militärischer Niederlagen für die Osmanen nicht ab. Die herben Rückschläge gegen die Truppen des Habsburgerkaisers im osmanischösterreichischen Krieg von 1663-1664, welcher durch den Friedensvertrag von Eisenburg/Vasvár beendet wurde (Matschke 2004, S. 354–357), sowie die misslungene zweite Belagerung Wiens im Jahre 1683 bildeten diesbezüglich zwei weitere Marksteine. 1686 mussten die Osmanen unter anderem das prestigereiche Ungarn an das Habsburgerreich sowie weitere Gebiete an Polen, Russland und Venedig abtreten. Diesen sogenannten Großen Türkenkriegen (Matschke 2004, S. 348) folgte dann der Friedensschluss von Karlowitz im Jahre 1699, der den Beginn des allmählichen Rückzugs der Osmanen aus Europa einläutete. Von nun an gingen sie den europäischen Mächten gegenüber in Defensivstellung und zielten nicht mehr auf die Errichtung einer Weltherrschaft, sondern lediglich auf die Beibehaltung des Status quo (Karamuk 1975, S. 27; Savaş 2007, S. 30). Ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein als Großmacht schien allerdings nach wie vor ungebrochen (Neumann 2006, S. 51). Denn trotz der folgenschweren territorialen Verluste, die sie in den Jahren zwischen 1683 und 1699 hatten hinnehmen müssen, legten sie während der Gespräche in Karlowitz ein beachtliches diplomatisches Geschick an den Tag, gepaart mit solidem Wissen über die Interessenlage ihrer Verhandlungspartner (Abou-El-Haj 1967, S. 498–499). Nichtsdesto-

18

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

trotz verdeutlichte Karlowitz – und später auch der Friede von Passarowitz (1718), der ebenfalls mit wichtigen Gebietsabtretungen verbunden war und eigentlich nur noch „die urkundliche Bestätigung der Ohnmacht des Osmanenreiches“ (Schaendlinger 1983, S. 90) darstellte – die neue Mächtekonstellation, in der sich das Osmanische Reich nunmehr befand. Die vielleicht wichtigste Einsicht, zu der die Aufeinanderfolge militärischer Niederlagen im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert die Osmanen zwang, war dahingehend, dass sie ganz offenkundig nicht mehr im Stande waren, ihr Reich eigenständig gegen Angriffe von außen zu verteidigen. Sie waren angewiesen auf Bündnisse mit den Europäern (Savaş 2007, S. 35). Denn auf ihre eigene militärische Überlegenheit konnten sie sich bei Verhandlungen nicht mehr stützen. Diese war geschwunden, weshalb es ihnen auch nicht mehr möglich war, ihre Forderungen der Gegenseite aufzuoktroyieren. Es bedurfte also anderer diplomatischer Fähigkeiten, und zwar solcher, die sich grundlegend von der Art der Diplomatie unterschieden, die sie seit jeher praktiziert und für sich beansprucht hatten (Naff 1977, S. 96). Ganz abgesehen von dem Fehlen des hierzu nötigen Know-hows, verfügte die Hohe Pforte zu jener Zeit noch nicht einmal über einen Stab, der eigens für den Außendienst geschult gewesen wäre, zumal es sich bei den bisherigen Gesandtschaften der Osmanen stets um außergewöhnliche – und nicht ständige – diplomatische Missionen gehandelt hatte (Karamuk 1975, S. 114). Mit zunehmender Häufigkeit wurden daher im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts die ausländischen Botschafter in Istanbul um Rat gefragt, von denen einige sogar eine wichtige Rolle bei der Formulierung der neuen osmanischen Außenpolitik spielen sollten (Findley 1980, S. 127; Naff 1977, S. 96). Die Entwicklungen im siebzehnten und zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts sowie die zuweilen vernehmbare Ratlosigkeit stimmten die osmanischen Eliten zwar mitunter pessimistisch. Damit einher ging jedoch auch eine Einsicht in die Notwendigkeit von Reformen; mit anderen Worten: „the first change in Ottoman attitudes toward the West from haughtiness to reconciliation, from indifference to attention and from that of a ruler to that of a participant“ (Göçek 1987, S. 9). Ein zu jener Zeit äußerst einflussreicher Traktat gibt Aufschlüsse darüber, was das Wesentliche der damaligen Reformideen ausmachte. 1732 veröffentlichte İbrahim Müteferrika, ein osmanischer Gelehrter und Staatsmann ungarischer Herkunft (Afyoncu 2000, S. 324), seine Schrift Usûlü’lHikem fî Nizâmi’l-Ümem (Die Grundlagen der Weisheit über die Ordnung der Völker), in der er die Verwaltung, das Heerwesen sowie die Auslandsbeziehungen des Osmanischen Reiches auf eine neue Grundlage zu stellen versuchte. Das Bahnbrechende an Müteferrikas Ansatz bestand darin, dass er nicht nur – wie andere Texte der gleichen Art – konkrete Reformvorschläge formulierte, sondern vor allem auch die Reformidee als solche neu dachte.

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

19

„During the seventeenth and eighteenth centuries […], when increasing dangers threatened the empire on which their privileges depended, the ‚reforms‘ which they introduced were merely efforts to restore the past, without the realization that what had been successful in the sixteenth century could not possibly succeed against the power developed in Europe since that time“ (Shaw 1971, S. 5–6). Während also der Reformbegriff bislang immer nur im Sinne eines Wiedererstehens der guten alten Zeiten – namentlich der Ära Süleymans I. (reg. 1520-1566) – aufgefasst worden war (Kuran 2004c, S. 108), wies Müteferrika als einer der ersten auf die Notwendigkeit substanzieller Neuerungen hin, die sich zudem explizit an den Entwicklungen in Europa orientieren sollten (Ágoston 2011, S. 106). So liest sich sein Traktat als ein umfassendes Reformprojekt, welches verschiedene Regierungsformen analysiert, die Bedeutung der Wissenschaften für die politische Ordnung eines Staates hervorhebt und darüber hinaus einen großen Schwerpunkt auf das Militärwesen legt (Şen 1995, S. 73–74). In letzterer Hinsicht spiegelt Müteferrikas Schrift allerdings durchaus das Klima wider, welches unter den zeitgenössischen osmanischen Eliten herrschte. Als Folge der katastrophalen Niederlagen bildete nämlich bei diesen für gewöhnlich das Militär den Hauptinhalt ihrer Reformideen. Dementsprechend war das vorrangige Ziel ihrer Bestrebungen zunächst die Stärkung der osmanischen Kriegsmacht. „As a consequence of the Ottoman defeats, the first sphere in Ottoman society to be transformed […] was military practice. Although the Ottomans had adapted Western practice in warfare from the onset of their empire as they utilized innovations such as artillery and handguns, Western shipbuilding techniques and Western-style charts, recent military developments in the West required much more extensive structural changes, ranging from the systematic training of the corps to fully equipped hospitals“ (Göçek 1996, S. 68). In der Verfolgung dieses Ziels wurden osmanische Diplomaten, die im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts zunehmend an verschiedene europäische Höfe entsandt wurden, zusätzlich damit beauftragt, ein besonderes Augenmerk auf das Militärwesen der jeweiligen Länder zu richten. Die meisten Gesandten waren bereits mit dem Traktat İbrahim Müteferrikas vertraut und hatten eine zumindest ungefähre Vorstellung von den militärischen Entwicklungen in Europa (Korkut 2007, S. 106). Die mit ihrer Hilfe aus dem Ausland gewonnenen Erkenntnisse bildeten

20

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

sodann die Grundlage für die Errichtung von technischen Schulen und Akademien in Istanbul, an denen Experten für das Heerwesen ausgebildet werden sollten (Kuran 2004c, S. 108). Die Aneignung neuer Kriegstechnologien war vor allem auch deshalb von Bedeutung, da die Legitimität des Sultans unmittelbar an dessen militärische Erfolge geknüpft war. Als Souverän einer expansiv ausgerichteten Imperialmacht, die zumindest theoretisch die Weltherrschaft anstrebte, war er nämlich gezwungen, Siege vorzuweisen. Denn, wie die Beispiele Mehmeds IV. (reg. 1648-1687) und Mustafas II. (reg. 1695-1703) deutlich zeigen, konnten große Niederlagen einem Sultan mitunter auch den Thron kosten (Faroqhi 2007b, S. 117). Es sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass der Prozess des Sinneswandels – verkörpert durch Protagonisten wie Koçi Bey oder İbrahim Müteferrika –, der hier beschrieben wurde, historisch betrachtet, keineswegs ein Unikum darstellt. Vielmehr wäre er analog zu den bereits erwähnten Umdenkprozessen, welche nach der Eroberung Konstantinopels im Jahre 1453 in Europa eingesetzt haben, zu betrachten. Die Behauptung, dass das Aufkommen von Reformideen als Reaktion auf militärische Misserfolge ein spezifisch osmanisches Phänomen sei (İnalcık 1996, S. 427), lässt sich daher nicht halten. 2.1.3

Veränderungen des Gesandtschaftswesens unter Sultan Selim III.

Das Erkennen der Notwendigkeit einer Neuorganisation des Heerwesens nach europäischem Vorbild sowie die Abkehr von den Gebräuchen der typisch einseitigen osmanischen Diplomatie erfolgten, wie dargelegt wurde, nahezu zeitgleich im Laufe des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts. Nichtsdestotrotz lag der Fokus eindeutig auf dem Militär, zumal die Osmanen davon ausgingen, dass die Wiederherstellung ihrer ursprünglichen militärischen Stärke sie dazu befähigen würde, auch in der Diplomatie wieder die Oberhand zu gewinnen. Erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als die territorialen Verluste sich häuften, setzte sich allmählich auch die Einsicht durch, dass sich die in Angriff genommenen strukturellen Veränderungen nicht auf das Heerwesen beschränken durften, sondern ausgeweitet werden mussten auf andere Institutionen des Staates (Kuran 2004e, S. 21–22). Vor diesem Hintergrund erschien nunmehr auch der Übergang zur reziproken Diplomatie nach europäischem Muster – das heißt die Errichtung ständiger Gesandtschaften im Ausland, um unmittelbar vor Ort Einfluss auf die politischen Entwicklungen nehmen zu können – erforderlich (Kuran 2004a, S. 54).

2.1 Die Notwendigkeit von ständigen Gesandtschaften in Europa

21

„Im Zusammenhang mit den Reformen auf dem Gebiete der Diplomatie kam das Bedürfnis nach unmittelbarem und ständigem diplomatischen Verkehr mit dem Ausland zur Sprache, das durch die im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert nun deutlich spürbare Unzulänglichkeit der Unilateralität erweckt wurde und das den Schritt zur gegenseitigen Diplomatie begründete“ (Karamuk 1975, S. 117). Fast ein ganzes Jahrhundert nach dem Friedensschluss von Karlowitz sollte dieser Schritt unter der Regierung Selims III. (reg. 1789-1807) begangen werden. Selim III., der nach vier Sultanen fortgeschrittenen Alters mit nur achtundzwanzig und bezeichnenderweise im Jahre der Französischen Revolution 1789 den Thron bestieg, gilt gemeinhin als großer Reformer, der eine neue Ära in der Geschichte des Osmanischen Reiches einläutete (Şakul 2009b, S. 514). Anders als seine Vorgänger, die ihre Entscheidungen ausschließlich im Hohen Reichsdivan (Dîvân-ı Hümâyun), der Regierung des Osmanischen Reiches, zu treffen pflegten, unternahm er erstmals den Versuch, die gesamte osmanische Führungsschicht durch Konsultationen in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. So berief er unmittelbar nach seiner Thronbesteigung eine beratende Versammlung (Meclis-i Meşveret) ein, deren Mitglieder – über zweihundert an der Zahl – er aufforderte, Reformvorschläge zu formulieren und ihm zu unterbreiten (Shaw 1971, S. 72–73). Über zwanzig Memoranda wurden daraufhin eingereicht, darunter das des in Istanbul geborenen armenischen Historikers und Diplomaten in schwedischen Diensten Ignatius Mouradgea D’Ohsson, Autor des Tableau Général De L’Empire Othoman (D’Ohsson 1787-1820). Selim hatte D‘Ohsson ausdrücklich darum gebeten, die Themen Wissenschaft und Militärwesen eingehend zu erörtern. Infolge der Beratungen bildete Selim III. schließlich eine Reformkommission, die das Programm der sogenannten Nizâm-ı Cedîd (Neue Ordnung) aufstellte. Obwohl das Programm insgesamt zweiundsiebzig Artikel umfasste, die von der Gesetzgebung über das Heerwesen bis hin zu Aspekten der zentralen und lokalen Verwaltung die verschiedensten Themen abdeckten, machten sich die Reformen vor allem in den Bereichen des Militärs und der Diplomatie bemerkbar. Die Gründung einer neuen – zusätzlichen – Armee, die ebenfalls den Namen Nizâm-ı Cedîd trug, im Jahre 1794 war in diesem Zusammenhang die vielleicht sichtbarste und zugleich kontroverseste Erneuerung. Die neuen Truppen wurden mit Ausrüstungen und Uniformen europäischen Stils ausgestattet und sollten sich insbesondere durch ihre europäische Militärdisziplin auszeichnen. Darüber hinaus wurden weitere auf das Kriegswesen spezialisierte Schulen und Akademien gegründet (Şakul 2009a, S. 434–435) sowie Ingenieure, Architekten und Offizie-

22

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

re aus Europa – vermittelt unter anderem durch D’Ohsson – nach Istanbul eingeladen (Göçek 1996, S. 95). Die signifikanteste Veränderung im osmanischen Gesandtschaftswesen, die im Zuge der Reformen durchgeführt wurde, war der endgültige Bruch mit der Unilateralität und die daraus folgende Institutionalisierung der Diplomatie durch Errichtung ständiger Botschaften im Ausland (Odaka 1999, S. 677; Korkut 2007, S. 62). „The open-ended way in which Selim III solicited his advisers‘ recommendations before launching his ‚New Order‘ and the wide range of reforms that were debated (many more than were implemented) implied a fundamental change in thinking, replacing deference to custom with planning and systematisation. The evidence on Selim’s ‚New Order‘ reflects an emerging Ottoman awareness of the ‚systematising spirit‘ for which the European Enlightenment was known. Selim’s adoption of permanent, reciprocal diplomatic representation instead of the old temporary embassies exemplifies the range of his reforms“ (Findley 2006, S. 79). Schon als Kronprinz hatte Selim III. einen Gesandten, İshak Bey, an den Hof des französischen Königs Ludwig XVI. geschickt, um die Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und Frankreich zu festigen und die Weichen für eine Allianz gegen Russland und Österreich zu stellen (Karal 1940, S. 5). Zudem sollte İshak Bey während seines dortigen Aufenthaltes die französische Sprache lernen – der ranghohe Diplomat und Hofdolmetscher des Königs, Pierre Ruffin, erteilte ihm persönlich Unterricht –, sich mit den Wissenschaften des Kriegswesens befassen sowie Arsenale, Häfen und Werften besichtigen. Wenngleich İshak Beys Mission letztlich erfolglos blieb – er widmete sich lieber den Vergnüglichkeiten, die die Stadt Paris ihm bot –, illustriert dieses Ereignis doch auf recht deutliche Weise die Zugewandtheit Selims zu Frankreich (Uzunçarşılıoğlu 1938, S. 204; Dehérain 1929, S. 57–60). Nicht nur war er wohl vertraut mit der Kultur dieses Landes, sondern hegte bereits als Prinz Pläne, weitreichende Reformen nach französischem Muster im Osmanischen Reich einzuführen (Kürkçüoğlu 2004, S. 148). Daher mag es zunächst auch verwundern, dass die erste ständige Botschaft, die Selim im Ausland errichten ließ, sich nicht in Paris, sondern in London befand. Da sich aber zu jener Zeit nahezu alle europäischen Monarchien gegen das revolutionäre Frankreich gestellt hatten und ein solcher Zug einem Affront jenen Mächten gegenüber gleichgekommen wäre, sah Selim vorerst davon ab, einen Diplomaten nach Frankreich zu entsenden (Kuran 1988, S. 13).

2.2 Reiseberichte als Textform

23

So reiste der erste Dauergesandte des Osmanischen Reiches, Yusuf Agâh Efendi, am 14. Oktober 1793 aus Istanbul ab und erreichte am 21. Dezember 1793 sein Ziel London (Yalçınkaya 1996a, S. 46–47). Es bleibt abschließend zu bemerken, dass die beschriebenen Veränderungen im Gesandtschaftswesen unter Selim III. ihrerseits einen Teil der Erneuerungen im gesamten Verwaltungsapparat bildeten, die weitgehend mit den Reformen des Nizâm-ı Cedîd einsetzten. Selims Reformwerk war die erste tiefgreifende und systematisch geplante Neuerungsbewegung, die in der osmanischen Geschichte seit dem Beginn des Machtverfalls anzutreffen war. Das letztliche Scheitern dieser Bewegung (Shaw 1971, S. 378–383) sollte nicht dazu verleiten, ihre Bedeutung für das osmanische Staatsleben zu unterschätzen. Denn obwohl die früheren Sultane des achtzehnten Jahrhunderts ihre Überzeugung von der Selbstgenügsamkeit des Staates auch weitgehend aufgegeben und die Nützlichkeit der europäischen Einrichtungen erkannt hatten, so war es doch erstmals Selim III., der seine völlige Abwendung von den Autarkieprinzipien, die die osmanische Staatsführung trotz allem bisher beherrscht hatten, offen bekundete (Karamuk 1975, S. 89).

2.2

Reiseberichte als Textform

Als erzählende Darstellung einer realen Reise gehört der Reisebericht zu den ältesten Gattungen der Weltliteratur. Dabei hat das jeweilige soziale Umfeld, in das die verschiedenen historischen Erscheinungsformen des Reisens eingebettet waren, immer auch ihre Spuren in den einzelnen Texten hinterlassen. Um die spezifische Bedeutung sowie den Bedeutungswandel des Reisens und des Schreibens darüber im Osmanischen Reich herausstellen zu können, sollen nun im Folgenden die Entstehungskontexte osmanischer und türkischer Reiseberichte im Vergleich zur europäischen Reiseliteratur rekonstruiert werden.

24 2.2.1

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund Die europäische Reiseliteratur

Im europäischen Kontext weist der Begriff der Reiseliteratur eine große Vielfalt und Variationsbreite auf, angefangen von Reiseführern und sachlichen Informationen für Reisende über wissenschaftliche Reisebeschreibungen bis hin zu dichterisch ausgestalteten Reiseschilderungen, entweder in Form der Wiedergabe tatsächlicher Reiseerlebnisse oder in fiktionalen Formen wie dem Reiseroman. Alle genannten Formen finden sich bereits in der Antike (Habicht und Lange 1988, S. 180), obgleich hinzugefügt werden muss, dass ebenfalls seit der Antike Reisende immer im Ruf standen zu lügen. So haben sich viele Berichte als Fiktionen erwiesen, und selbst glaubwürdige Autoren hielten sich in ihren Erzählungen nicht zurück vor Übertreibungen oder gar Angebereien (Reichert 2001, S. 18). Oft füllten sie ihre Unkenntnis mit Angelesenem oder erfanden gar, was sie noch nie erlebt hatten (Coşkun 2009, S. 13). Eine der ältesten noch erhaltenen Reiseschriften stammt aus dem achten Jahrhundert und beschreibt – aus der Feder einer Nonne – die Reise des Missionars und Bischofs Willibald von Eichstätt nach Rom (Cuddon 1991, S. 997). Das bekannteste Beispiel aus dem Mittelalter hingegen ist der um das Jahr 1300 erschienene Bericht Marco Polos Il Milione über seine Reise in die Mongolei, der bis ins späte Mittelalter die europäischen Vorstellungen vom Fernen Osten prägte (Guignard 1983, S. 443–445). Ab dem sechzehnten Jahrhundert wuchs das Interesse am Nahen, Mittleren und Fernen Osten, und auch Teile Afrikas wurden immer häufiger bereist und auskundschaftet. Die dadurch zunehmende Kenntnis über andere Teile der Welt schlug sich unter anderem nieder in der deutlich ansteigenden Zahl von – teilweise in lateinischer Sprache verfassten – Reiseberichten (Brenner 1990, S. 57). Die Reisenden selbst stammten aus nahezu allen gesellschaftlichen Gruppen, so dass das europäische Spätmittelalter durchaus als „eine Epoche ausgeprägter (horizontaler) Mobilität“ (Reichert 2001, S. 12) angesehen werden könnte. Anlass der Reisen zu jener Zeit war allen voran die Pilgerschaft zu den heiligen Stätten des Christentums (Sherman 2002, S. 24). Dies waren die Orte, an denen sich Gott – etwa durch das Wirken von Heiligen – den Menschen unmittelbar oder mittelbar offenbart hatte. Zwar wurden sie auch schon im Früh- und Hochmittelalter von vielen Gläubigen besucht. Jedoch übertraf das späte Mittelalter die früheren Epochen zum einen durch die schiere Zahl der Waller und Wallfahrtsorte sowie zum anderen durch die Art und Weise, in der das fromme Geschehen reguliert wurde. „Kommen und Gehen der Pilger wurden betreut, ihr Aufenthalt und geistliches Handeln durchgreifend organisiert. Ablässe in

2.2 Reiseberichte als Textform

25

wachsendem Umfang standen ihnen zu. Der Pilger konnte sich ausrechnen, welche Risiken er auf sich nahm, welche Leistungen er beanspruchen durfte, wieviel geistlichen Gewinn er schließlich einstreichen konnte“ (Reichert 2001, S. 14). Diese Pilgerfahrten könnten in gewisser Weise vielleicht sogar als Vorläufer des modernen Tourismus betrachtet werden, zumal sie das Gastgewerbe beförderten, bestimmten Routen folgten, und es auch am Wallfahrtsziel ein mehr oder weniger festgelegtes Programm gab. Dabei waren es vor allem die drei Fernpilgerzentren Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela, die eine enorme spirituelle Anziehungskraft auf die Gläubigen ausübten (Brenner 1990, 47, 54-55). Die zentrale Bedeutung des Pilgerns innerhalb der christlichen Tradition, in der das Leben selbst mitunter als Reise versinnbildlicht wurde, trug im Mittelalter folglich zu einem beträchtlichen Anwachsen der Reiseliteratur bei (Hulme und Youngs 2002, S. 2). Weniger eine spirituelle Zielsetzung als vielmehr berufsbedingte Motive lagen den Reisen von Fernkaufmännern zugrunde. Hier waren es Unternehmergeist und Gewinnstreben, welche die Betroffenen zum Reisen veranlassten. Auch war in diesem Fall die für die Pilgerfahrten charakteristische Zugangsmöglichkeit für alle gesellschaftlichen Gruppen und Altersstufen nicht gegeben. Obwohl aber das kaufmännische Reisen – insbesondere während des achtzehnten sowie im Zuge der kapitalistischen Expansion des neunzehnten Jahrhunderts – deutlich zunahm (Bridges 2002, S. 59–63), zeichneten sich reisende Kaufmänner nicht unbedingt durch eine besondere Schreibfreudigkeit aus. Denn das Reisen zu Messen oder Märkten im Ausland war in erster Linie geschäftlicher Natur und beinhaltete daher allzu spezielles Wissen, über welches nicht gerne und ausführlich geschrieben wurde. Darüber hinaus mögen diese Reisen aus Sicht der Kaufmänner auch eine zu alltägliche Erfahrung gewesen sein, als dass sie sie für wert erachteten, niedergeschrieben zu werden. Es existieren daher vergleichsweise wenige Reiseberichte, die aus der Feder von Kaufleuten stammen. Diese blieben „weitgehend stumm“ (Reichert 2001, S. 17). Auch Geistliche waren viel unterwegs. Päpste reisten im Kirchenstaat umher, oder Erzbischöfe kamen zu verschiedenen Anlässen in Rom ein. Erwähnenswert sind hier insbesondere auch die lang andauernden und kräftezehrenden Reisen, die in päpstlichem Auftrag durchgeführt wurden. Legaten machten Beschlüsse des Papstes bekannt, Prediger warben für Kirchenreform und Türkenkrieg, und Kollektoren sammelten Subsidien in den ihnen zugewiesenen Diözesen.

26

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund „Nimmt man dann noch die unregelmäßigen Visitationen in der Gesamtkirche, die regelmäßigen in den Orden, die Reisen von Äbten zu den jeweiligen Generalkapiteln und die Inspektion fernliegender Besitzungen durch Bischöfe, Äbte oder ihre Beauftragten hinzu, kann man ermessen, wieviel Mobilität und Einsatz die spätmittelalterliche Kirche von ihren Amtsträgern verlangte“ (Reichert 2001, S. 13).

Auch seien in diesem Zusammenhang die Missionstätigkeiten außerhalb Europas genannt, die eine nicht ganz unwesentliche Stellung innerhalb des Genres der Reiseliteratur einnehmen. Nachdem das Christentum sich bis zur Mitte des vierzehnten Jahrhunderts nahezu kontinuierlich ausgebreitet hatte, ließ das Vordringen des Islams im Nahen Osten sowie in Teilen Afrikas die Idee von der weltweiten Verbreitung des christlichen Glaubens zwar für eine Weile als eine recht aussichtslose erscheinen. Spätestens mit dem Beginn des sogenannten Zeitalters der Entdeckungen im fünfzehnten Jahrhundert jedoch erfuhr der Missionsgedanke gleichsam eine Wiederbelebung. Denn 1492 endete nicht nur die fast 800jährige muslimische Herrschaft auf der iberischen Halbinsel, sondern erreichte Kolumbus auch die Karibik. 1498 entdeckte dann der Portugiese Vasco da Gama den Seeweg nach Indien (Powell 1998, S. 624–644). „War der direkte Weg nach Osten durch die Türken verlegt, so mußte es, schon um des lukrativen Gewürzhandels willen, ein lockendes Ziel sein, den türkischen Sperrriegel durch Vorstöße nach Süden und Westen zu umgehen und dabei womöglich den legendären Priesterkönig Johannes aufzufinden, mit dessen Hilfe der Islam wirksam bekämpft werden könnte. Portugal wurde das erste Zentrum der neuen Bewegung, denn hier ergab sich von selbst der Übergang von der ‚Re-conquista‘, der Abwehr des Islam im eigenen Bereich, zur ‚Conquista‘ im nichtchristlichen Raum, bei der Machtausdehnung und Missionierung eng zusammengehörten“ (Gensichen 1961, S. 1). Der historische Erfolg der neuzeitlichen Missionsbewegung vollzog sich also vornehmlich in der Phase der europäischen Expansion und ist daher stets in deren Kontext zu betrachten (Ustorf 1995, S. 11). Zwar ebbte der Missionswille mit dem Aufkommen des Rationalismus im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert in Kontinentaleuropa stark ab. Jedoch konzentrierte er sich stattdessen immer mehr in England (Gensichen 1961, S. 31). Die im Jahre 1795 gegründete London Missionary Society sowie die 1799 gegründete Church Missionary

2.2 Reiseberichte als Textform

27

Society förderten dabei nicht nur die Missionsarbeit als solche, sondern auch und vor allem deren schriftliche Dokumentierung (Bridges 2002, S. 56). So sammelte sich – zumal Missionare häufig auch produktive Schreiber waren (Johnston 2003, S. 3) – bis in die Gegenwart hinein ein umfangreiches Archiv von Reiseberichten an, welches detaillierte Aufschlüsse über die jeweiligen Erfahrungen und Begegnungen der Missionare gibt (Peel 1996, S. 71). Während sich die ersten Generationen der Missionare nicht unbedingt durch einen allzu hohen Bildungsgrad auszeichneten, gewann für die Rekrutierung die formale Bildung vor allem im neunzehnten Jahrhundert immer mehr an Bedeutung. Demgemäß wurden für die Missionsarbeit zunehmend Gelehrte mit profundem theologischem Wissen ausgewählt (Walls 1996, S. 187–188). Nichtsdestotrotz ist aber die sogenannte Gelehrtenreise, eine ebenfalls bereits im Mittelalter vorzutreffende Form des Reisens, gesondert zu betrachten. Die sogenannte Scholarenwanderung oder Peregrinatio Academica galt als fester Bestandteil des akademischen Lebens im Mittelalter, zumal schon zu Beginn einer Gelehrtenkarriere der Bezug einer Universität nicht selten einen Ortswechsel erforderte. Allerdings war auch die Suche nach antiken Texten oder Handschriften häufig der Grund für Reisen (Reichert 2001, S. 13). Der mehrfache Hochschulwechsel war daher sowohl unter Professoren, wie auch unter Studierenden hoch angesehen, und die an ausländischen Universitäten – allen voran den italienischen und französischen, die eine vorzügliche Reputation besaßen – erworbenen Grade versprachen exzellente Karriereaussichten (Irrgang 2002, S. 39–46). Später im achtzehnten Jahrhundert vollzog sich dann mit der Gelehrtenreise allmählich der Übergang zum verbürgerlichten Reisen, in dessen Zuge die vermehrte Reisetätigkeit der Gebildeten einen grundlegenden Perspektivwandel in Gang setzte (Bödeker 1986a, S. 283). Als Ausdruck bürgerlicher Wertvorstellungen, in deren Zentrum Begriffe wie Wissen, Tugend und Vernunft standen, galt das Reisen nunmehr als ein Mittel zur Verwirklichung des bürgerlichen Ideals, Weltkenntnis zu erwerben (Batten 1978, S. 84). Von den Aufklärern wurde das Reisen als eine wichtige – wenn nicht gar die einzige – Möglichkeit angesehen, den traditionell vorgegebenen Erfahrungsraum zu erweitern. „Reisen waren für die Gebildeten das Mittel der Aufklärung schlechthin“ (Bödeker 1986b, S. 95). So hebt Rousseau in seinem erstmals im Jahre 1755 erschienenen Diskurs über die Ungleichheit die Bedeutung von Reisen für den Erwerb von Wissen über die Menschheit auf unmissverständliche Weise hervor.

28

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund „[Wir kennen] nach meiner Überzeugung unter allen Menschen nur den Europäer genau. Außerdem scheint jedermann unter dem prunkenden Namen einer Studie über den Menschen auf Grund der lächerlichen Vorurteile, die selbst unter den Schriftstellern noch nicht ausgestorben sind, kaum mehr zu liefern als eine Studie über die Menschen seines Landes. […] Wird man niemals jene glücklichen Zeiten neu entstehen sehen, in denen die Völker sich nicht mit dem Philosophieren abgaben, aber in denen Männer wie Platon, Thales und Pythagoras von glühender Wißbegier beseelt die größten Reisen unternahmen, einzig und allein, um sich zu belehren, in die Ferne gingen, um das Joch der nationalen Vorurteile abzuschütteln, die Menschen in ihrer Gleichartigkeit und Ungleichartigkeit kennen zu lernen und jene allgemeingültigen Kenntnisse zu erlangen, die nicht ausschließlich einem Jahrhundert oder einem Land gehören, sondern, da sie immer und überall gelten, sozusagen die gemeinsame Wissenschaft der Weisen sind“ (Rousseau 1971a, S. 131–133).

Im Jahre 1789 schließt sich Kant, der bekanntermaßen ein großer Verehrer Rousseaus war (Cassirer 1921, S. 92; Ritzel 1985, S. 2), diesem Gedanken an und schreibt: „Zu den Mitteln der Erweiterung der Anthropologie im Umfange gehört das Reisen, sei es auch nur das Lesen der Reisebeschreibungen“ (Kant 1917, S. 120; Herv. i. O.). Johann Gottfried Herder, seinerseits Schüler Kants, scheint diese Worte sehr stark verinnerlicht zu haben. Denn wie kaum ein anderer griff er zu den Reisebeschreibungen seiner Zeit, um sie in seinem Werk zu zitieren und zu verarbeiten (Jäger 1986, S. 182–183). Die Wichtigkeit des Reisens für die persönliche Entwicklung eines Menschen deutet Herder bereits 1768 in einem Brief an seinen Lehrer an. Darin äußert er seinen Wunsch, „meinen Ort zu verlaßen u. die Welt zu sehen. Es ist Zweck meines Hierseyns [in Riga], mehr Menschen kennen zu lernen, u. manche Dinge anders zu betrachten, als Diogenes sie aus seinem Faße sehen konnte“ (Herder 1977, S. 120). Neben dem Reisen selbst sind jedoch auch Reisebeschreibungen von unschätzbarem Wert für Herder, da sie zum einen zahlreiche Aufschlüsse für Natur- und Geschichtsforscher enthalten (Herder 1967b, S. 46), zum anderen aber auch – und dies ist womöglich der weitaus wichtigere Aspekt für ihn – der Verbreitung der Idee von Humanität dienlich sind.

2.2 Reiseberichte als Textform

29

„Zu dieser Anerkennung der Menschheit im Menschen führen treue Reisebeschreibungen viel sicherer als Systeme. Mich freute es, daß Ihr Brief unter denen, die sich in die Sitten fremder Völkerschaften innig versetzt, auch Pages nannte. Man lese seine Gemählde vom Charakter mehrerer Nationen in Amerika, der Völker auf den Philippinen, und was er vom Betragen der Europäer gegen sie hie und da urtheilt; wie er sich der Denkart der Hindu’s, der Araber, der Drusen u. f. auch durch Theilnahme an ihrer Lebensweise gleichsam einzuverleiben suchte. – Reisebeschreibungen solcher Art, deren wir (Dank sei es der Menschheit!) viele haben[,] erweitern den Gesichtskreis und vervielfältigen die Empfindung für jede Situation unsrer Brüder. Ohne darüber ein Wort zu verlieren, predigen sie Mitgefühl, Duldung, Entschuldigung, Lob, Bedauern, vielseitige Cultur des Gemüths, Zufriedenheit, Weisheit“ (Herder 1967a, S. 250; Herv. i. O.). Herder hegt hier also nicht bloß erkenntnistheoretische Motive, sondern bringt darüber hinaus auch ausdrücklich sein moralisches Anliegen zur Sprache. Das Reisen sowie die Lektüre von Reiseberichten sollen zwar unter anderem die wissenschaftliche Neugier befriedigen. Prinzipiell geht es ihm aber um die Förderung einer allgemeinen humanitären Kultur. Auch die steigende Nachfrage nach Reiseliteratur im späten achtzehnten wie frühen neunzehnten Jahrhundert zeugt von der allgemeinen Wertschätzung des Reisens zu jener Zeit. So wurden auf dem literarischen Markt Reisebeschreibungen nur noch von Romanen und Journalen übertroffen (Bödeker 1986a, S. 277). Im Großen und Ganzen wurde das Reisen also als eine notwendige Voraussetzung für eine breite Anschauung menschlicher Lebensweisen angesehen. Kant betont jedoch, dass man „aber doch vorher zu Haufe durch Umgang mit seinen Stadt- oder Landesgenossen sich Menschenkenntniß erworben haben [muss], wenn man wissen will, wornach man auswärts suchen solle, um sie in größerem Umfange zu erweitern. Ohne einen solchen Plan (der schon Menschenkenntniß voraussetzt) bleibt der Weltbürger in Ansehung seiner Anthropologie immer sehr eingeschränkt. Die Generalkenntniß geht hierin immer vor der Localkenntniß voraus, wenn jene durch Philosophie geordnet und geleitet werden soll: ohne welche alles erworbene Erkenntniß nichts als fragmentarisches Herumtappen und keine Wissenschaft abgeben kann“ (Kant 1917, S. 120; Herv. i. O.). Mit anderen Worten: Vom aufgeklärten Reisenden wurde verlangt, sich zunächst einen gründlichen Wissensfundus – auch mithilfe von Büchern – anzueignen und sich erst im Anschluss daran auf die Reise zu begeben. Es galt, über die Stufe des bloßen Akkumulierens von Wissen hinauszugelangen und die Stu-

30

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

fen des Vergleichens zu erreichen. Denn erst daraus konnten sich nach damaliger Überzeugung Einsichten entwickeln (Bödeker 1986b, S. 97). Kurzum: Die Reisenden und die von ihnen verfassten Berichte waren daher Folge und Ursache von Aufklärung sowie von kritischer und philosophischer Aneignung von Welt (Bödeker 1986a, S. 277). Denn „[the] eighteenth century […] saw the writing of a travel account as an important undertaking for the well-educated man or woman who, having made a trip, wished to convey in an artistically pleasing fashion the information he had gleaned“ (Batten 1978, S. 3). Somit bildete sich im Laufe des späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhunderts die wissenschaftliche Reisebeschreibung als neue Gattungsform heraus. Obwohl die Tradition der Forschungsreisen bis in das Zeitalter der Entdeckungen zurückreicht (Rothermund 2003, S. 292–293), etablierte sie sich in ihrer institutionalisierten Form – d.h. als eine systematisch geplante wissenschaftliche Veranstaltung – erst in der nachaufklärerischen Periode. Viele Expeditionen – auch solche, die nicht ausschließlich Forschungszwecken dienten – wurden von Wissenschaftlern begleitet und durch gezielte, meist von Akademien erarbeitete Direktiven auf die Durchführung bestimmter naturwissenschaftlicher und ethnographischer Forschungsvorhaben verpflichtet (Brenner 1990, S. 443). Insofern drückt sich der reisegeschichtliche Übergang von der Aufklärung zum neunzehnten Jahrhundert vor allem darin aus, dass sich der Rezeptionskreis von wissenschaftlichen Reiseberichten von einer allgemein interessierten bürgerlichen Öffentlichkeit hin zum Publikum der wissenschaftlichen Einzeldisziplinen verlagerte. „In diesem wissenschaftsgeschichtlichen – und nicht nur in einem literaturhistorischen – Rahmen sind die Berichte über Forschungsreisen des 19. Jahrhunderts zu sehen. Sie werden nur verständlich im disziplingeschichtlichen und politischen Umfeld, aus dem heraus die Reisen unternommen wurden und das ihre spezifische Interessenlage und damit ihre literarische Form prägte“ (Brenner 1990, S. 445). Eine weitere Form des Reisens, welche – im Gegensatz zu vielen anderen – von grundlegend politischer Natur ist, ist die der diplomatischen Missionen. Obgleich diese Reisen zu den unterschiedlichsten außenpolitischen Anlässen unternommen wurden, erfüllten sie doch stets eine bestimmte für sie geradezu charakteristische Funktion. So gehörte es – und gehört es sicherlich noch heute – zu den vielleicht wichtigsten Tätigkeiten eines Diplomaten im Ausland, Informationen jeglicher Art zu sammeln und zu verschriftlichen (Black 2010, S. 14). Es kann

2.2 Reiseberichte als Textform

31

deshalb davon ausgegangen werden, dass neben dem Reisen auch das Schreiben schon immer Teil des Alltags von Diplomaten war. Bedingt durch ihre Aufgaben wie etwa die Durchführung von Verhandlungen oder der Abschluss von zwischenstaatlichen Verträgen (Asendorf et al. 1994, S. 153) verbrachten Gesandte oftmals einen vergleichsweise langen Aufenthalt im Ausland. Hinzu kommt, dass insbesondere nach der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts die Entstehung eines ständigen Gesandtschaftswesens systematisch vorangetrieben wurde, um das regelmäßige Sammeln von Informationen und das Beobachten wichtiger Vorgänge auch langfristig zu gewährleisten (Kohler 2008, S. 34). Sowohl die Dauer der Reise, als auch der spezifische Inhalt ihrer Mission gewährten den Diplomaten daher Einblicke, welche anderen Reisenden vorenthalten blieben. Paul Rycaut, seinerseits Englischer Konsul im Osmanischen Reich in den Jahren 1667 bis 1678 (Darling 1994, S. 72), hebt diesen Aspekt des Gesandtenwesens wie folgt hervor: „I had opportunity by the constant access and the practice with the chief Ministers of State, and variety of Negotiations which passed through my hands in the Turkish Court, to penetrate farther into the Mysteries of this Polity, which appear so strange and barbarous to us, than hasty Travellers could do, who are forced to content themselves with a superficial knowledge“ (Rycaut 1682, S. x). Der spezifisch politische Charakter der Diplomatenreisen führte jedoch nicht dazu, dass auch die Reiseschilderungen der Gesandten ausschließlich politischen Inhalts waren. Vielmehr war das Gegenteil der Fall. So finden sich in den Berichten aufschlussreiche Darstellungen von persönlichen Erlebnissen, von Land und Leuten, Klima, Geographie, Kunst und Geschichte (Kröger 2009, S. 9–10). Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass das Schreiben offenbar schon immer einen wesentlichen Teil des Reisens ausgemacht hat (Sherman 2002, S. 17). Über die Jahrhunderte sowie je nach Art der Reise nahmen die Berichte aber, wie gezeigt wurde, sehr unterschiedliche Formen an. Es erscheint daher schwierig, die einen Reisebericht konstituierenden und differenzierenden Merkmale herauszustellen und somit den Reisebericht als eigenständige Gattung eindeutig zu definieren. Auf diese – nach wie vor kontrovers geführte – literaturhistorische Diskussion (Brenner 1990, S. 19–25; Sherman 2002, S. 30) soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen werden. Stattdessen soll lediglich ein typisches Muster, welches sich vor allem seit dem achtzehnten Jahrhundert in den meisten Texten wiederfindet, grob nachgezeichnet werden. Bei Reiseberichten handelt es sich demnach um nicht-fiktionale Texte, in denen Reisen, die tatsächlich stattgefunden haben, sprachlich wiedergegeben werden. Ihr zentraler

32

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

Gegenstand ist die persönliche Erfahrung eines Reisenden. Neben einem narrativ-chronologischen Rahmen, welcher Hin- und Rückreise beinhaltet, besitzen sie zudem einen deskriptiven Hauptteil. Die Gewichtung der beiden Teile kann durchaus variieren (Batten 1978, S. 36). Auch können sich fiktionale Elemente, deren Authentizität nicht mehr zweifelsfrei nachweisbar ist, in Erzählung und Beschreibung mischen. Entscheidend ist jedoch, dass die narrativ-deskriptive Struktur beibehalten wird (Hupfeld 2007, S. 20; Bridges 2002, S. 56–57).

2.2.2

Die osmanische und türkische Reiseliteratur

Obwohl im Osmanischen Reich häufig und zu den verschiedensten Anlässen gereist wurde, blieb die Zahl der schriftlich verfassten Reisebeschreibungen bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts dennoch recht gering (Coşkun 2009, S. 13). Anders als im europäischen Kontext gehörte das Schreiben für die Osmanen also offenbar nicht immer zum Reisen dazu. „In other words, the problem was not the lack of travels or travellers, but the lack of ‚travel writing‘ as a genre“ (Palabıyık 2010, S. 78). Zurückgeführt wird dieser Umstand zuweilen auf die Tatsache, dass die Osmanen große Distanzen immer nur zu ganz bestimmten Anlässen zurücklegten und sich niemals um des Reisens selbst willen auf den Weg begaben (Coşkun 2009, S. 13; Palabıyık 2010, S. 78). Allerdings muss – mit Blick auf die europäische Reiseliteratur – dagegengehalten werden, dass sich das Motiv und die Umstände des Reisens zwar durchaus auf Form und Inhalt der jeweiligen Berichte auswirken konnten, sie für das Verfassen eines solchen Berichts selbst jedoch kein grundsätzliches Hindernis darstellten. Auch die Begründung, dass das Reisen oft mit Strapazen verbunden war und daher als eine eher negative und nicht unbedingt schriftlich zu verewigende Erfahrung erachtet wurde (Palabıyık 2010, S. 80), hält nicht stand. Denn die Mühseligkeiten des Reisens wurden bisweilen nicht nur in Geduld und völliger Gottergebenheit schlichtweg hingenommen (Levend 1973, S. 52), sondern in zahlreichen Reisebeschreibungen auch ausdrücklich thematisiert (Coşkun 2006, S. 328–329; Korkut 2007, S. 56–61; Savaş 1996, S. 54). In der Tat kommt allerdings der Frage, weshalb das Niederschreiben ihrer Erfahrungen keinen allzu hohen Stellenwert für osmanische Reisende besaß, eine hohe Bedeutung zu. Die Tatsache, dass in der osmanischen Literatur bis ins späte achtzehnte Jahrhundert zumeist abstrakte Inhalte vorherrschend waren, mag in

2.2 Reiseberichte als Textform

33

diesem Zusammenhang eine gewichtige Rolle gespielt haben (Halman 2011, S. 39). Irdische und göttliche Liebe, weibliche Sinnlichkeit und Ästhetik, aber auch männliche Heldentümer und philosophische, politische oder soziale Fragen waren die überwiegenden Themen der sogenannten klassischen Epoche (Levend 1973, S. 53; Gibb 1902, S. 7; Bilkan 1999, S. 670). Dabei wurde zudem großer Wert auf die Kürze und den gleichsam aphoristischen Charakter der Verskunst gelegt (Banarlı 1983, S. 341). Es waren also nicht nur die bevorzugten Inhalte der klassischen osmanischen Literatur, sondern auch deren Form, welche das Themenspektrum von vornherein einschränkten. Ausführliche Reiseschilderungen dürften demnach als redundant und künstlerisch nicht sehr hochwertig betrachtet worden sein. Ein weiterer – wenn nicht gar elementarer – Aspekt, der in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben sollte, ist der grundsätzlich patrimoniale Charakter sämtlichen künstlerischen Schaffens im Osmanischen Reich. Die Bedingungen geistiger und künstlerischer Arbeit waren demnach vor allem bestimmt durch das osmanische Patronagesystem, welches gleichsam das Strukturprinzip der osmanischen Gesellschaft schlechthin bildete und zugleich auch die Voraussetzungen dafür schuf, dass sich die Künste und Wissenschaften überhaupt entfalten konnten. Denn nur im Dienste eines ihm wohlgesinnten Patrons konnte ein Künstler seiner Kreativität freien Lauf lassen. Gleichzeitig musste er jedoch darauf achten, nicht dessen Missmut auf sich zu ziehen. Denn einerseits war die Konkurrenz unter Künstlern und Wissenschaftlern, die allesamt um die Gunst eines Gönners buhlten, sehr groß, und andererseits konnte ein ungeziemendes Verhalten diesem gegenüber mitunter auch Verbannung oder sogar den Tod zur Folge haben. Umgekehrt war ein Patron – allen voran der Sultan als der oberste von ihnen – darauf erpicht, bedeutende Künstler, Dichter und Wissenschaftler um sich zu versammeln, deren Werke nichts Anderes als seine eigene Größe und Erhabenheit repräsentieren sollten (İnalcık 2003, S. 15–17). Explizit geschah dies vor allem in der Hofhistoriographie, durch die der Sultan ein Monopol über die osmanische Geschichtsschreibung zu etablieren versuchte – was ihm, wohlgemerkt, nicht immer gelang – und die nicht zuletzt auch die Verherrlichung und Überhöhung seiner Person zum Zweck hatte (Tezcan 2007, S. 169). Das Patronagesystem wirkte sich jedoch auch auf die Inhalte anderer Werke unmittelbar aus. So war es nicht nur üblich, dass Wissenschaftler ihre Schriften explizit einem Patron widmeten (Rogers 2009, S. 78), sondern es entwickelte sich darüber hinaus auch ein eigenständiges Genre der Lobesdichtung. Kennzeichnend für diese im Osmanischen als Kasîde bezeichnete Art der Poesie ist die gleichsam zur literarischen Perfektion getriebene Form der Glorifizierung eines Sultans, Wesirs oder anderen Patrons (Pala 2001, S. 565).

34

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

Das für ein Patronagesystem charakteristische Abhängigkeitsverhältnis zwischen Patron und Künstler, welches im Übrigen in ähnlicher Form auch an anderen zeitgenössischen Höfen existierte (Ames-Lewis 1993, S. 217; Kernbauer 2007, S. 20), mag also ebenfalls der Entstehung einer osmanischen Reiseliteratur vor dem neunzehnten Jahrhundert entgegengewirkt haben, zumal die Niederschrift von Reiseerfahrungen vor diesem Hintergrund sicherlich als eine allzu persönliche Angelegenheit erschien und auch den Ansprüchen eines Patrons nicht sonderlich entgegenkam. „It is a commonplace in Ottoman studies that, prior to the midnineteenth century, diaries, letters and collections of personal papers of the sort that has enriched Western European biography are lacking for comparable Ottoman dignitaries“ (Zilfi 1977, S. 157). Wenngleich sich der Reisebericht aber in der klassischen Epoche nicht als spezifische Gattung hat herausbilden können, so finden sich im Osmanischen Reich doch bereits ab dem fünfzehnten Jahrhundert die ersten schriftlichen Reiseschilderungen. Die älteste gegenwärtig bekannte Reisebeschreibung stammt aus dem Jahre 1422 und trägt den Titel Acâibü’l-Letâif (etwa: Sonderbare Lieblichkeiten). Niedergeschrieben wurde sie von Hoca Gıyaseddin Nakkaş, einem Stickkünstler, Buchmaler und Kalligraphen, der sich für drei Jahre einer diplomatischen Delegation nach China angeschlossen hatte (Nakkaş 1913 [H. 1331]; Eğri 2012, S. 417–418). Auch das im Jahre 1515 verfasste Hıtâînâme (Buch über China) aus der Feder des Kaufmanns Ali Ekber-i Hıtâî enthält ausführliche Beschreibungen über einen insgesamt fünfjährigen Chinaaufenthalt. Ali Ekber schrieb seinen Bericht unmittelbar nach seiner Rückkehr in Istanbul und präsentierte ihn dem damaligen Sultan Selim I. (reg. 1512-1520) sowie später auch dessen Nachfolger Sultan Süleyman I. (reg. 1520-1566) (Eğri 2012, S. 414). Obgleich sowohl Hoca Gıyaseddin, als auch Ali Ekber ihre Berichte auf Persisch verfassten, werden heute beide Schriften der türkischen Literatur zugerechnet, zumal im Osmanischen Reich persisch die Sprache der Literaten war und bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein von nahezu der gesamten Elite beherrscht wurde (Halman 2011, S. 2). Überdies wurden beide Texte auch ins Osmanische/Türkische übersetzt – ersterer im achtzehnten und letzterer im späten sechzehnten Jahrhundert (Gökyay 1973, S. 459). Der wohl bekannteste Reisebericht in der Geschichte des Osmanischen Reiches ist das insgesamt zehn Bände umfassende Seyahatnâme (Reisebuch) des Chronisten Evliya Çelebi (Çelebi 1996-2008). Çelebi hielt darin – in türkischer

2.2 Reiseberichte als Textform

35

Sprache – all jene Beobachtungen fest, die er während seiner insgesamt über vierzig Jahre dauernden Reisen machte (Tezcan 2009, S. 16). „[P]erhaps the best of all 17th c. travel books [is] the ten volumes written by Evliya Celebi in the course of his travels through the Ottoman Empire in Europe, Asia and Africa. Evliya was born in Istanbul in 1611 and died in 1682. He is one of the great travelwriters and his works give an extraordinary amount of information on the history, geography, customs, folklore etc. of the many countries he visited“ (Cuddon 1991, S. 998). Jedoch ist es nicht nur der schiere Umfang oder die große Bekanntheit, die das Werk Çelebis auszeichnet, sondern auch und vor allem die Tatsache, dass es, wie schon der Titel offenbart, das Reisen als solches in den Mittelpunkt stellt. Während, wie noch zu sehen sein wird, alle anderen osmanischen Reiseberichte vor und nach dem Seyahatnâme das Hauptaugenmerk auf den Anlass der Reise richteten, findet dieser bei Çelebi lediglich als Detail Erwähnung (Palabıyık 2010, S. 94). Insofern nimmt das Seyahatnâme eine Sonderstellung innerhalb der osmanischen Reiseliteratur ein, wenngleich es doch stellenweise die seinerzeit übliche osmanische Sicht auf die Welt wiedergibt und widerspiegelt (Dankoff 2004, S. 7). Sowohl Evliya Çelebis Seyahatnâme, als auch zahlreiche andere Berichte aus dem Zeitraum zwischen dem fünfzehnten und dem neunzehnten Jahrhundert, auf die hier nicht im Einzelnen eingegangen werden soll (Gökyay 1973; Unat 2008; Yazıcı 2009; Coşkun 2006, 2009; Asiltürk 2009), belegen also die faktische Existenz einer osmanischen Reiseliteratur. Die Behauptung, dass es im Osmanischen Reich bis ins neunzehnte Jahrhundert kein der europäischen Reiseliteratur analoges Genre gegeben habe, kann daher keineswegs das Fehlen jeglicher Reiseschilderungen in Textform implizieren. Vielmehr weist sie auf die Tatsache hin, dass der Großteil der Reiseberichte aus dem besagten Zeitraum nicht als solcher niedergeschrieben wurde, sondern als Reisebeschreibungen in andere Textformen integriert war. Denn das vergleichsweise seltene Vorkommen von Reiseschilderungen überhaupt trifft allenfalls auf die kurze Zeitspanne zwischen der Mitte des achtzehnten und der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zu (Asiltürk 2000, S. 25). Es soll daher nun der Versuch unternommen werden, Reisenarrative als Bestandteile verschiedenartiger Schriften derart zu klassifizieren, dass der Anlass bzw. der Kontext der Entstehung des Narrativs in den Fokus gerückt wird. Gleich zu Beginn fällt dabei auf, dass ein wesentlicher Teil der vor dem neunzehnten Jahrhundert verfassten Reiseberichte aus der Feder von Kriegsdich-

36

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

tern stammt. Aufgrund des bereits erwähnten imperialen und expansiven Charakters der osmanischen (Außen-)Politik verwundert dies jedoch keineswegs. Denn Kriege waren für die Osmanen nicht nur etwas Alltägliches, sondern darüber hinaus eben auch oft ein Anlass für weite Reisen. Insofern finden sich in der osmanischen Literatur auch eine Fülle von Prosa- und Verstexten, die die verschiedenen Feldzüge aus nächster Nähe beschreiben. Das Leben von Soldaten, passierte Landschaften und Regionen, eroberte Städte sowie Begegnungen mit anderen Menschen bilden in diesem Zusammenhang die überwiegenden Themen. Da Kriegsdichter den Kriegen allerdings nur im Gefolge ihrer Patronen beiwohnten, bestand ihr eigentlicher Auftrag darin, diese in ihren Darstellungen besonders gut dastehen zu lassen. Gerade die im Osmanischen als Gazavatnâme (Schrift über die Feldzüge gegen Ungläubige) bezeichneten Texte sind es, die weniger den Kriegsverlauf als solchen beschrieben als vielmehr den Mut und die Heldentaten einer einzigen Person. Häufig wurden die Namen jener Personen daher bereits im Titel genannt – wie Gazavât-ı Hayrettin Paşa oder Gazavât-ı Hüseyin Paşa (Die Feldzüge des Hayrettin bzw. Mustafa Paşa) –, und wenn die Schlacht gar vom Sultan persönlich geführt wurde, so erhielt der Bericht auch gleich dessen Namen – beispielsweise Selimnâme oder Süleymannâme (Schrift über Selim bzw. Süleyman) (Erkan 1996, S. 439; Levend 1956). „The soldier-poets participated in war within the entourage of their patrons; hence they were both paid and esteemed for writing about the courage of the master and his successful administration of the campaign. Their narration contributed to the image of his grandeur; hence his legitimate authority was consolidated in the eyes of the public. The practical purpose, on the other hand, was the writer’s intention to give information on the conduct of the Ottoman campaign to those who would intend to participate in similar military activities in the future. […] To sum up, these earlier pieces had both a legitimizing and informing impact on the Ottoman society“ (Palabıyık 2010, S. 83). Eine ebenfalls häufig anzutreffende Form des Reisens im Osmanischen Reich war die Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten des Islams in Mekka und Medina. Niedergeschrieben wurden die Reiseerlebnisse allerdings weitaus seltener. „Unlike for Christian pilgrims, it is hard to consider the fascination of travel among the principal motivations for Ottoman pilgrims generally, since they undertook the journey not for pleasure or out of curiosity but for the required performance of the hajj

2.2 Reiseberichte als Textform

37

[pilgrimage]. The Muslim pilgrims’ principal concern was to reach the Hijaz [the site of Islamic holy places] in time, and after the performance of the hajj to come back home safely. In other words, they made the journey not to see and write interesting things but to perform a religious duty“ (Coşkun 2012, S. 75). Die religiöse Pflichterfüllung – die Pilgerfahrt gehört zu den sogenannten fünf Säulen oder Hauptpflichten des Islams – stand bei den Reisen nach Mekka und Medina also im Vordergrund. Daher wurden Beschreibungen jener Reisen auch fast ausschließlich in Form von Führern für andere Pilger verfasst – der bekannteste und literarisch hochwertigste unter ihnen sicherlich das Tuhfetü’lHarameyn (Geschenk aus den Zwei Heiligen Stätten) des Dichters Yusuf Nâbî (1642-1712) (Nâbî 1849 [H. 1265]; Coşkun 2012, S. 72). Diese in der osmanischen Literatur als Menâsik-i Hac (Gebetsorte der Pilgerreise) bekannten und zumeist in Versform geschriebenen Führer gaben den Reisenden praktische Hinweise über die Reiseroute, die zu besuchenden Orte, die Regeln und Rituale des Pilgerns sowie über die unterwegs aufzusuchenden Herbergen und Raststätten. Obwohl selten in der Ich-Form verfasst, beinhalteten sie dennoch auch oft Reflexionen des Autors und gaben mehr oder weniger detailliert dessen persönliche Eindrücke wieder (Karataş 2012, S. 80). Sie nehmen daher noch heute eine bedeutende Stellung innerhalb der osmanischen Reiseliteratur der klassischen Epoche ein. Ähnliches gilt auch für die geographischen Schriften jener Zeit, von denen das Kitâb-ı Bahriye (Buch der Seefahrt) des Admirals und Kartographen Pîrî Reis (1470-1553) wohl das bekannteste sein dürfte (Bostan 2007, S. 285; Sarıcaoğlu 2002, S. 72). Neben den äußerst detailgetreuen Angaben zu den physisch-geographischen Merkmalen des Mittelmeers enthält das über 400 Seiten umfassende Werk zudem zahlreiche Abhandlungen zur Schifffahrtskunde, zur Astronomie und zur Meteorologie. Allein die Anzahl der Karten – insgesamt 290 – deutet jedoch bereits darauf hin, dass Pîrî Reis‘ hauptsächliches Anliegen die Geographie war und sein Interesse nicht oder zumindest nicht vorrangig den Menschen galt. Dennoch sind im Kitâb-ı Bahriye auch die Begegnungen Pîrî Reis‘ mit den Bewohnern verschiedener Städte und Länder dokumentiert. Die ausführlichen Schilderungen der Lebensweisen und des Alltags der Bevölkerungen sind dabei häufig ergänzt durch selbst angefertigte Zeichnungen von Bauwerken und Monumenten (Pîrî Reis 1624 [H. 1033]). Eine Sonderstellung innerhalb der osmanischen Reiseliteratur nehmen ohne Zweifel die Gesandtschaftsberichte (sefâretnâme) der in die Hauptstädte der auswärtigen Mächte entsandten Botschafter ein. Dass die osmanischen Sultane schon unmittelbar nach der Reichsgründung im Jahre 1299 diplomatische

38

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

Beziehungen ins Ausland aufnahmen, wurde bereits ausführlich dargelegt. Gesandtschaftsberichte aus jener Zeit sind gegenwärtig jedoch nicht bekannt. So ist der älteste bis heute entdeckte Bericht das Sefâretnâme des Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts nach Österreich entsandten Hacı Zağanos (Yalçınkaya 1996b, S. 324–325). Während Zağanos darin aber nur sehr knapp den Inhalt der von ihm geführten Gespräche wiedergab (Karamuk 1992, S. 391–393), fügten viele Gesandte nach ihm außer der Beschreibung ihrer Reise und dem Bericht über die Verhandlungen, die den Zweck ihrer Reise bildeten, häufig auch Bemerkungen über die Verhältnisse in den von ihnen bereisten Ländern und an dem Hof, an dem sie akkreditiert waren, ein. Aus diesem Grunde wurden Sefâretnâmes auch immer wieder in die Werke von Reichshistoriographen aufgenommen und werden heute sowohl der Reiseliteratur, als auch der politischen Literatur des Osmanischen Reiches zugerechnet (Taeschner 1963, S. 331–332; Aksan 2004, S. 15). „Die osmanischen Gesandtschaftsberichte […] können einzeln betrachtet sowohl als Memoiren als auch als Memoranden verstanden werden. In ihrer Eigenschaft als Memoiren beschränken sie sich allerdings auf einen verhältnismässig kurzen Zeitraum. Nach verschiedenen Entwicklungsphasen im Laufe einiger Jahrzehnte prägte sich ein bestimmter, in der Anlage durch erstarrte Schemen gekennzeichneter Sefaretname-Typus aus. Im Ausdruck der Sprache und in der Wahl des zu erzählenden Stoffes jedoch sind unter den einzelnen Berichten, dem Bildungsniveau und den Neigungen des jeweiligen Verfassers entsprechend, deutliche Unterschiede erkennbar“ (Karamuk 1975, S. 123). Ab etwa der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts wurden speziell die nach Europa entsandten Botschafter – zu jener Zeit eindeutig die Mehrheit (Unat 2008, S. 229–234) – ausdrücklich aufgefordert, sich in ihren Berichten nicht bloß auf die protokollarischen Abläufe oder die Empfänge am Hof zu beschränken, sondern alles nach ihrem Ermessen Wissenswerte über die Zustände Europas (Mardin 2007b, S. 10) schriftlich festzuhalten. Eine systematische Erörterung jener Zustände setzte jedoch nur allmählich und erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts, d.h. etwa zur Zeit der Errichtung der ständigen Gesandtschaften durch Selim III., ein. Insofern gewährten jene Gesandtschaftsberichte den Osmanen nicht etwa, wie oft hervorgehoben wird, nur einen „Einblick in die damalige politische und soziale Struktur der europäischen Staaten“ (Karamuk 1975, S. 93), sondern spiegelten in sich bereits einen veränderten Blick auf Europa wider. Vor diesem Hintergrund ist auch die häufig verwendete Metapher von den Sefâretnâmes als Fenster zu Europa (Korkut 2007, S. 13) in Frage zu stellen.

2.2 Reiseberichte als Textform

39

Denn, wie gezeigt wurde, war der Blick der Osmanen von Beginn an auch auf Europa gerichtet. Die Gesandten des späten achtzehnten Jahrhunderts verkörperten lediglich eine veränderte Sichtweise. Die Zäsur bestand also nicht darin, dass sich die Osmanen etwa erstmals gen Europa geöffnet hätten, sondern vielmehr in einer sich darin zeigenden neuartigen Perzeption Europas. Das Fehlen explizit politischer Themen und Inhalte in einigen Sefâretnâmes sollte daher auch nicht dazu verleiten, die historische Relevanz dieser Berichte per se in Abrede zu stellen (Beydilli 2009, S. 289). Eine derartige Haltung wäre nämlich nicht nur nicht im Stande, die besagte Perspektivenverschiebung im späten achtzehnten Jahrhundert hinreichend zu kontextualisieren, sondern würde zudem verkennen, dass selbst – oder gerade – die mangelhafte Systematik der früheren Berichte auf einen ganz spezifischen historischen Entstehungszusammenhang verweist. Generell lässt sich jedoch sagen, dass „[c]ompared to the previous pieces, they [the sefâretnâmes] were more detailed in terms of describing the travels of the Ottoman envoys to the distant parts of Europe, Asia, as well as Africa. What is more, they were closer to the genre of travelogue in modern sense, since they followed a linear temporal narrative regarding the journey and a detailed description of the cities visited and the peoples encountered“ (Palabıyık 2010, S. 90). Es sei noch angemerkt, dass der Großteil der Sefâretnâmes, die eben jenem Muster entsprachen, aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt. Spätestens nach dem Wiener Kongress von 1814-1815, der die Grundlagen für die sogenannte moderne Diplomatie schuf (Black 2010, S. 153), und nicht zuletzt auch aufgrund der verstärkten Anwendung moderner Kommunikationsmethoden nahm die Dokumentierung diplomatischer Missionen jedoch neuartige Formen an (Beydilli 2009, S. 293). Der klassische Sefâretnâmetypus verschwand. Hingegen stieg ab etwa der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts – also fast zeitgleich – die Zahl von veröffentlichten Reiseberichten insgesamt sprunghaft an. Diese in der osmanischen Geschichte als Tanzimat (Neuordnung) bekannte Periode tiefgreifender Reformen, die mit den Regierungszeiten Abdülmecids I. (reg. 18391861) und Abdülaziz‘ (reg. 1861-1876) zusammenfiel, zeichnete sich vor allem aus durch die „Ottoman accession to the European concert“ (Hanioğlu 2008, S. 73). Mit der Annäherung einher ging zudem eine regelrechte Faszination, welche Europa insbesondere auf die bürokratischen Eliten ausübte (Hanioğlu 2008, S. 95). Dass die steigende Reisetätigkeit nach Europa – allerdings auch in andere Teile der Welt – just in jene Zeit fiel, mag daher kaum verwundern. Denn nachdem bereits im Jahre 1825 auf Anordnung Sultan Mahmuds II. (reg. 1808-1839) insgesamt hundertfünfzig Studenten an europäische Universitäten geschickt worden waren (Aynî 1995, S. 33), zog es nun auch verstärkt Bürokraten, Wissenschaftler, Beamte, Seefahrer, Offiziere, Ärzte, Literaten und sogar Imame nach Europa (Gökyay 1973, S. 461). Selbst Sultan Abdülaziz schloss sich die-

40

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund

sem Trend an. Als erster osmanischer Sultan überhaupt bereiste er verschiedene europäische Hauptstädte wie unter anderem London, Paris oder Wien (Kutay 2012, S. 11). „Towards the mid-nineteenth century, the Ottoman intellectuals systematically began to perceive the external world as a subject to be studied ‚scientifically‘ in order to prevent and even reverse the decline of the Empire. This perception contributed to the reemergence of travel literature, this time in a modern sense. This generalization needs to be elaborated further; it does not necessarily mean that the Ottoman intellectuals of the classical age were totally incognizant of the external developments. It does not also mean that before the nineteenth century they had never engaged in ‚scientific‘ analysis of the world. Contrarily, the decline of Ottoman military power together with internal disturbances starting from the late seventeenth century onwards forced the Ottoman intellectuals to examine the reasons for this decline. One of the most significant results of this consideration is the renewed emphasis on the concept of ‚science‘ (ilm)“ (Palabıyık 2010, S. 97–98; Herv. i. O.). Mit anderen Worten: die bloße Lektüre europäischer Werke, die vor allem seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts vermehrt in Umlauf gekommen waren (Strauss 2003, S. 42–43), schien nicht auszureichen, um sich ein Urteil über Europa bilden zu können. So erhofften sich zumindest Einige, durch das tatsächliche Bereisen europäischer Länder auch wichtige Einsichten über die objektiven Ursachen ihrer Überlegenheit zu erlangen. Viele der Reisenden schrieben ihre Erfahrungen anschließend nieder und publizierten sie als Monographie oder ließen sie in Zeitungen oder Zeitschriften drucken (Asiltürk 2000, S. 36). Die immer heterogener werdende Presselandschaft sowie die insgesamt enorm ansteigenden Auflagenzahlen zu jener Zeit verhalfen wiederum zu einer zunehmenden Verbreitung der Texte. Während sich die Berichte der vergangenen Jahrhunderte also noch an eine „exclusive Ottoman audience“ (Göçek 1987, S. 17) gerichtet hatten, sprach die Reiseliteratur der Tanzimat-Ära eine weitaus breitere Leserschaft an. Dadurch verlor auch das für Patronagesysteme so charakteristische Anliegen von Autoren, nämlich ihren Patron und allem voran den Sultan von sich zu beeindrucken, zusehends an Bedeutung. Das Grundmotiv vieler Autoren war nunmehr „to express opinions and educate the citizenry“ (Karpat 1964, S. 258). Nicht mehr die literarische Qualität der Texte und schon gar nicht die Verherrlichung einer Person stand im Vordergrund, sondern die

2.3 Weitere Quellen des Wissens über Europa

41

Vermittlung von – bisweilen auch dem Sultan gegenüber äußerst kritischen – Gedanken und Meinungen. Sprachlich drückte sich dies in einer bis dato nicht dagewesenen Simplizität aus, und es entstand unter Literaten und Journalisten geradezu eine Bewegung, die die prinzipielle Vereinfachung der türkischen Schriftsprache zwecks ihrer allgemeinen Verständlichkeit für ein wichtiges und unumgängliches gesellschaftliches Projekt erachtete (Sağol 1999, S. 507). „The lively debate in the press also stimulated the evolution of Ottoman Turkish from a flowery language of poets and a stilted idiom of bureaucrats to a dynamic medium for the exchange of new ideas among a wider public“ (Hanioğlu 2008, S. 94). Die Tanzimat-Periode zeichnete sich also nicht nur durch die erhöhte Anzahl der Reisenden aus, sondern auch und vor allem durch die neue Bedeutung, die dem Reisen nunmehr zugeschrieben wurde. Sowohl das Reisen, als auch das Berichten darüber galten demnach als wichtige Mittel der Erkenntnis über die Welt wie über gesellschaftliche Grundfragen und -probleme. Beide zählten gleichsam zu den Errungenschaften des zeitgenössischen Europa und somit der Zivilisation schlechthin.

2.3

Weitere Quellen des Wissens über Europa

Es dürfte nun deutlich geworden sein, dass die Behauptung, die Osmanen hätten sich vor dem achtzehnten Jahrhundert für Geschehnisse außerhalb ihrer territorialen Grenzen und besonders in Europa nicht interessiert, nicht aufrechtzuerhalten ist. Das Gegenteil war vielmehr der Fall. Schon allein aufgrund ihrer geographischen Nähe zu Europa hatten sie recht früh Kontakte gen Westen. Auf politischer Ebene war das Osmanische Reich bereits ab dem sechzehnten Jahrhundert – wenn nicht gar früher – immer wieder Teil von Netzwerken europäischer Allianzen (Faroqhi 2007b, S. 73). Nicht nur ging damit einher, dass die Osmanen regelmäßig Verhandlungen auf internationaler Ebene beiwohnten, sondern dies erforderte zudem einen regen Austausch mit den Vertretern verschiedener Länder auch in der Hauptstadt Istanbul. Die Rolle der Übersetzer ist an dieser Stelle besonders hervorzuheben. Denn es sind vor allem sie, die in diesem Zusammenhang nicht nur eine wichtige Informationsquelle für die Osmanischen Eliten waren, sondern auch deren Europabild maßgeblich prägten (Naff 1963, S. 299– 301).

42

2 Osmanische Reiseberichte – Der geschichtliche Hintergrund „The foreign diplomatic community in Istanbul is perhaps the most colorful of the sources of information available to the Ottomans. The dispatches and memoirs of all the diplomats of the period [the eighteenth century] can be plumbed for their observations about the Ottoman court and its knowledge (or ignorance) of European affairs“ (Aksan 2004, S. 16).

Gerade in Anbetracht der häufig prekären politischen Lage auf internationaler Ebene hatten die osmanischen Sultane überdies ein äußerst effektiv arbeitendes Spionagesystem errichtet, welches ebenfalls den stetigen Zufluss von Informationen aus und über Europa gewährleistete (Arı 2004, S. 45). Als Wissensquelle ebenso wichtig sind zudem osmanische Kaufleute, die geschäftliche und nicht selten auch familiäre Kontakte in die verschiedenen europäischen Handelszentren wie Venedig, Genua, Florenz oder Amsterdam pflegten. Auch durch europäische Händler, die regelmäßig osmanische Hafenund Handelsstädte wie Izmir, Thessaloniki, Edirne und natürlich Istanbul aufsuchten, erlangten die Osmanen ihr Wissen über Europa (Faroqhi 2007b, S. 137– 160; İslamoğlu-İnan und Keyder 1987, S. 51; Elibol 2005, S. 69–70). Nicht zu vergessen ist hier natürlich auch die ethnische, religiöse und kulturelle Diversität des Osmanischen Reiches selbst. Trotz einiger siedlungspolitischer Maßnahmen des Staates, durch die beispielsweise Nicht-Muslimen die Niederlassung in der unmittelbaren Nachbarschaft von Moscheen verboten wurde, waren die Bevölkerungen osmanischer Städte dennoch überaus heterogen und durchmischt (Kenanoğlu 2004, S. 317–327). Wesentliche Anteile insbesondere der Minderheitengruppen wiederum hatten verwandtschaftliche Verbindungen ins Ausland – zwar nicht nur, aber auch in das europäische (Barkey 2008, S. 82, S. 138). Als weitere Quellen des Wissens über Europa wären schließlich noch die europäischen Kriegsgefangenen zu nennen, die mitunter nach ihrer Gefangenschaft bedeutende und einflussreiche Positionen innerhalb der osmanischen Gesellschaft einnehmen konnten. Eines der prominenteren Beispiele hierfür ist sicherlich der 1610 als Wojciech Bobowski geborene osmanische Musikgelehrte und Hofkomponist polnischer Abstammung, Ali Ufkî (Kut 1989, S. 456–457). Übersetzungen europäischer Werke und Texte ins Osmanische, ausländische Zeitungen, die in Istanbul oder anderen größeren Städten gedruckt wurden sowie die jungen Männer, die zum Studieren an die Universitäten Europas gingen, gehören ab dem achtzehnten Jahrhundert ebenfalls zu den Vermittlern von Wissen aus und über Europa in das Osmanische Reich (Aksan 2004, S. 18–19; Yalçınkaya 1996b, S. 334).

2.3 Weitere Quellen des Wissens über Europa

43

Für das Folgende bleibt festzuhalten, dass neben dem unmittelbaren Erleben der europäischen Wirklichkeit gewiss auch dasjenige Wissen über Europa in die Reiseberichte Einzug erhielt, welches den jeweiligen Autoren bereits vor dem Antritt ihrer Reise mehr oder minder aus unterschiedlichen Quellen zugänglich war. Entscheidend ist jedoch, wie die einzelnen Wissensfragmente bzw. Wissenselemente seitens der Autoren und in Anbetracht der konkreten Reiseerfahrung jeweils zusammengefügt wurden, und wie auf diese Weise unter Umständen neue Bedeutungszusammenhänge entstehen konnten. Für die Beantwortung dieser Fragen – zumal vor dem Hintergrund zeitgleicher gesellschaftlicher Entwicklungen und Veränderungen – bedarf es eines begrifflichen Instrumentariums, welches nun im Anschluss theoretisch ausgearbeitet werden soll.

3

Text und Bedeutung

Dieses Kapitel hat zum Ziel, die theoretische Verortung der vorliegenden Arbeit vorzunehmen. Ausgehend von der Frage nach dem Subjekt in philosophischen und soziologischen Theorietraditionen wird dabei versucht, die Rolle bzw. Funktion des Autors bei der Produktion eines Werkes oder eines Textes zu ermitteln. Mit Blick auf das wechselseitige Verhältnis von gesellschaftlichen Voraussetzungen und der Entstehung von Texten soll schlussendlich ein konzeptueller Rahmen erarbeitet werden, der später bei der Auswertung von Reiseberichten als einer spezifischen Form nicht-fiktionaler Texte zugrunde gelegt wird (Campbell 2002, S. 262).

3.1

Die Geburt des Autors

3.1.1

Der Mensch als Subjekt

Die Frage nach dem Menschen und seiner Subjektivität ist ohne Zweifel eines der zentralen Elemente der Ideengeschichte (van den Hengel 1982, S. 179). Bereits im antiken Griechenland galt der Mensch „als höchste Aufgabe und als höchstes Kunstwerk“ (Schloeßer 1947, S. 4) und stand daher im Mittelpunkt jeglichen Denkens und Schaffens. Sowohl für die bildenden Künste, als auch für die Philosophie, die sich von den ionischen Naturphilosophen mit ihrem Problem des Kosmos hin zum Problem des Menschen als zoon politikon entwickelt hat, sowie auch und vor allem für die griechische Dichtung waren Mensch, Menschwerdung und Menschendasein durch die Jahrhunderte ein unerschöpfliches Thema (Müller 1980, S. 10–22). Zwei vielzitierte Forderungen des frühgriechischen Denkens dienten dabei als Leitmotive: der dem Dichter Pindar (5. Jh. v. Chr.) zugeschriebene Satz „Werde, der du bist!“ (Jaeger 1954, S. 285) sowie das Mahnwort des Gottes Apollon „Erkenne dich selbst“ (Yang 2005, S. 150). Während der erste Satz offenkundig eine Aufforderung an den Menschen ist, Mensch zu werden, d.h. ein seinem wahren Selbst entsprechendes Leben zu führen, ist der zweite eine Aufforderung, eben jenes Selbst zu erkennen. Das Orakel Apollons ist zugleich aber auch eine Belehrung an den Menschen, sich der Grenzen seiner Erkenntnis gewahr zu werden, den Menschen also in seiner Begrenzung zu erkennen (Yang 2005, S. 150). Erkenne dich selbst heißt dem© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_3

46

3 Text und Bedeutung

nach auch und vor allem erkenne dein Maß. Denn „[wir] kommen vom Begriffe des Maßes nicht los, wenn wir griechisches Menschentum deuten wollen, ob wir zurückschauen zu Homer oder vorwärts zu Platon und Aristoteles […]. Vom ältesten Drama bis zum letzten, das wir kennen, spricht der Chor des Sophokles vom Unmaß als der Wurzel alles Übels für die Menschen“ (Schloeßer 1947, S. 12). Aus diesem Grunde hat der Mensch stets seinen „ihm gottbestimmten Raum“ (Schloeßer 1947, S. 13) zu wahren. Der altgriechische Geist hat den Menschen also immer im Gegensatz zur Gottheit gedacht und in seiner Auffassung des Menschen dessen Unvollkommenheit scharf von der Vollkommenheit Gottes abgegrenzt. So ist es nicht das eigene Wesen oder gar ein individueller Charakter, aus dem menschliche Antriebe und Fähigkeiten aufsteigen, sondern göttliche Kräfte, die diese bewirken. Mit anderen Worten: Die Antike denkt den Menschen als einen, der grundsätzlich von außen bestimmt ist. Erst das Eingreifen der Götter in das Geschehen verursacht eine Handlung. Exemplarisch für diese frühgriechische Auffassung menschlicher Handlungen sind, wie Bruno Snell feststellt, die homerischen Erzählungen. „Wo immer ein Mensch mehr leistet oder mehr sagt, als sein bisheriges Verhalten erwarten läßt, führt Homer dies, wenn er es erklären möchte, auf das Eingreifen eines Gottes zurück. Vor allem echte, eigene Entscheidungen des Menschen kennt Homer noch nicht“ (Snell 1993, S. 28). Somit stellt sich in der Tat heraus, dass, wie Snell an einer anderen Stelle ausführt, Vieles, „was die Griechen an Wesentlichem für das europäische Denken gewonnen haben, in Formen hervorgetreten [ist], die […] uns vertrauter zu sein pflegen aus der Sphäre des Religiösen als aus der Geistesgeschichte“ (Snell 1993, S. 9). Im Zuge der Aufklärung zeichnet sich sodann ein allmählicher Bruch mit der gesamten religiös-theologischen aber auch der philosophischen Tradition ab. Die traditionelle prinzipielle Voraussetzung des Menschenbegriffs, der Gedanke des Transzendierens des Natürlichen als Wesensbestimmung des Menschen wird immer mehr verdrängt. Das Bild vom Menschen ist nunmehr ein anthropozentrisches, und es ertönt die Forderung, den Menschen als ein radikal auf sich selbst gestelltes und nur aus sich selbst zu verstehendes Wesen zu denken (Bödeker 1982, S. 1112). Ludwig Feuerbach formuliert dies wie folgt: „Wo aber der Mensch den Grund seiner Humanität außer sich hat in einem, wenigstens seiner Vorstellung nach, nicht menschlichen

3.1 Die Geburt des Autors

47

Wesen, wo er also aus nicht menschlichen, aus religiösen Gründen menschlich ist, da ist er eben auch noch kein wahrhaft menschliches, humanes Wesen. Ich bin nur dann Mensch, wenn ich aus mir selbst das Menschliche tue, wenn ich die Humanität als die notwendige Bestimmung meiner Natur, als die notwendige Folge meines eigenen Wesens erkenne und ausübe“ (Feuerbach 1981, S. 240). Während, wie dargelegt, der Mensch der Antike fremdbestimmt – d.h. heteronom – ist, gilt im neuzeitlichen Denken die Autonomie als das bestimmende Moment menschlichen Handelns. Im Sinne Kants bedeutet Autonomie in erster Linie moralische Autonomie, d.h. sie ist das einzige Prinzip aller moralischen Gesetze. „Das Prinzip der Autonomie ist also: nicht anders zu wählen als so, daß die Maximen seiner Wahl in demselben Wollen zugleich als allgemeines Gesetz mit begriffen seien“ (Kant 1911a, S. 440). Heteronomie hingegen ist, wenn der Wille „in der Beschaffenheit irgend eines seiner Objecte das Gesetz sucht, das ihn bestimmen soll […]. Der Wille giebt alsdann sich nicht selbst, sondern das Object durch sein Verhältnis zum Willen giebt diesem das Gesetz“ (Kant 1911a, S. 441). Mit anderen Worten: alle Maximen, die mit der eigenen allgemeinen Gesetzgebung des Willens nicht zusammen bestehen können, sind heteronom und daher unsittlich. Heteronom verhält sich somit jeder, der geltende Moralvorstellungen – selbst wenn sie zustimmungsfähig sein sollten – ungeprüft zum Prinzip seines Handelns macht. Autonomie hingegen lässt keine Verbindlichkeit zu, die der eigenen Einsicht entzogen ist. Genau in diesem Sinne bedeutet sie „Selbstgesetzgebung“ und „Selbstbestimmung“ (Ritter 1971, S. 701). Ganz im Gegensatz zum Christentum also, für welches Christus „das Menschenbild schlechthin“ (Zsifkovits 1981, S. 18) ist und welches die Verwirklichung der Wesensnatur des Menschen nur durch Jesus Christus möglich sieht, wird nun der neue, rein mundane Mensch auserkoren als einzig „vollständiger Mensch“ (Bödeker 1982, S. 1113). Das Wesen des Menschen wird nicht mehr durch wie auch immer näher zu definierendes Göttliches bestimmt, sondern fortan beschrieben mit dem Begriff der als ahistorisch verstandenen Natur des Menschen (Parekh 2006, S. 17). Diese wiederum wird als eine dynamische begriffen. Menschsein ist demnach nicht einfach ein Zustand, in den der Mensch hineingeboren wird, sondern vielmehr „eine Aufgabe, der er durch bewußte Entwicklung seiner Fähigkeit“ (Bödeker 1982, S. 1080) zu genügen hat. Es

48

3 Text und Bedeutung

zeichnet sich vor allem aus durch ständige Tätigkeit und Schöpfungskraft. Während also noch Aristoteles ein beschauliches und kontemplatives Leben als das menschlichste von allen – weil der Gottheit am meisten verwandt – ansah (Aristoteles 1985, S. 251–253), ist für neuzeitliche Denker wie beispielsweise Spinoza oder Hegel die Entfaltung menschlicher Kräfte und Fähigkeiten allein durch ständige Tätigkeit möglich, nie durch bloße Kontemplation oder Rezeptivität. Denn erst durch „diesen produktiven Prozeß verwirklicht der Mensch sein eigenes Wesen, er kehrt zu seinem eigenen Wesen zurück“ (Fromm 1980, S. 38). Dies verändert die Stellung des Menschen im Kosmos in entscheidendem Maße. Denn er ist jetzt nicht mehr das Werkzeug irgendwelcher Götter, sondern mehr und mehr Schöpfer seines eigenen Lebens (Beer 2004, S. 82). Der neuzeitliche Umbruch beginnt also damit, dass der Mensch das Universum, die Natur und die Welt und schließlich sich selbst mit anderen Augen sieht. Er entdeckt die allgemeine Gesetzmäßigkeit des Universums ebenso wie seine Andersartigkeit und Sonderstellung als Vernunftwesen in diesem Universum. Schießpulver, Buchdruckerkunst, mechanische Uhren, Magnetnadel, Fernrohr und Mikroskop – all diese und andere mit dem sechzehnten Jahrhundert beginnenden naturwissenschaftlichen Errungenschaften lassen die Natur nunmehr als Substrat erscheinen, das sich der Mensch mit Instrumenten und Technik heranholt und bearbeitet (Hüllen 1990, S. 30–31). Kurzum: Der Mensch tritt an die Stelle Gottes. Er sieht sich nicht mehr einer gottgegebenen Ordnung ausgeliefert, sondern kann diese durch Aneignung von Wissen über die natürlichen Gesetze mithilfe der Wissenschaften aktiv gestalten und sich dienstbar machen. Der Glaube an einen wissenschaftlich-technischen Fortschritt setzt sich allmählich durch. Die Gestaltbarkeit von Welt beschränkt sich jedoch nicht auf die natürliche Umwelt des Menschen. Auch die soziale Ordnung verliert den Charakter ihrer Unveränderlichkeit. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit erscheint die Möglichkeit der bewussten Steuerung gesellschaftlicher Prozesse. Mehr noch, der Mensch selbst avanciert zum Subjekt eben jener seiner Geschichte, die fortan als das Ergebnis spezifisch menschlicher Leistungen erachtet wird (Gans 1999). Auch politische Herrschaft definiert sich demzufolge nicht mehr zeitlos aus sich selbst als natürlich oder göttlich gegeben, sondern ist letztlich ein Produkt des erkennenden und handelnden Menschen. Sie basiert auf einem Vertrag zwischen dem selbstbestimmten Subjekt, der damit seinen politischen Partizipationsanspruch zum Ausdruck bringt, und den staatlichen Akteuren, die von nun an ihr Handeln gegenüber den Bürgern rechtfertigen müssen (Eisenstadt 2006a, S. 49). Gerade an den kontraktualistischen Theorien, welche die Gründung und Legitimation der Gesellschaft auf eben jenen Akt einer Übereinkunft separierter und am eigenen Nutzenkalkül orientierter Subjekte zurückführen (Hobbes 1999;

3.1 Die Geburt des Autors

49

Rousseau 1971b), wird deutlich, dass die (politische) Philosophie der Aufklärung das Subjekt stets als etwas betrachtet hat, das dem Prozess der Gesellschaftsbildung vorangeht (Beer und Grundmann 2004, S. 2–3). Denn die Subjekte „possess their identity and their essential human capacities apart from and prior to their membership in any particular social and political order“ (MacIntyre 1988, S. 210). Mit der sich durchsetzenden bürgerlichen Gesellschaft entwickelt sich also eine Vorstellung von Subjektivität, welche frei von all jenen Bezügen und Abhängigkeiten konzipiert wird, die den Menschen früher bestimmten. Der Anspruch der Aufklärung, dass der Mensch sich „aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ (Kant 1912, S. 35) befreie, spiegelt sich daher in sämtlichen Konstruktionen des neuzeitlichen Subjekts wider (Keupp und Hohl 2006, S. 11). „Individuals, understood as self-determining, autonomous sovereigns, authors in charge of their own life’s work, became the central actors on the social stage“ (Sampson 1989, S. 915). Ohne ein Urteil darüber fällen zu müssen, ob die Subjektmetaphysik denn tatsächlich das einzige Thema der modernen Philosophie gewesen sei (Carr 1999, S. 4), lässt sich doch feststellen, dass „[the] isolation of the human subject from its environment and its emergence in the loneliness of doubt and in the clarity of its self-assertion found its celebrated meditation in the philosophy of René Descartes‘ methodical doubt and the search for a new certainty placed the subject and the problem of subjectivity at the center of the modern philosophical project“ (van den Hengel 1982, S. 1–2). Ähnlich wie die „extrasozietale Bestimmung“ (Hillebrandt 1999, S. 31) des Menschen, welche ihn – wenn auch theoretisch – aus der sozialen Ordnung herauslöst, wird das Subjekt nun also auch der gegenständlichen, materiellen Welt gegenübergestellt, die es zu erkennen und auf die sich sein Denken und Handeln zu richten hat. Aus jener Relation zwischen Subjekt und Objekt resultiert menschliches Erkennen, wobei die zunehmende Orientierung an der aktiven Erkenntnisleistung des Subjekts kennzeichnend für die Philosophie der Aufklärung ist (Beer 2004, S. 84). Kant geht sogar so weit zu schreiben: „Denn wir kennen Natur nicht anders als den Inbegriff der Erscheinungen, d.i. der Vorstellungen in uns, und können daher das Gesetz ihrer Verknüpfung nirgend anders als von den Grundsätzen der Verknüpfung derselben in uns, d.i. den Bedingungen der nothwendigen Vereinigung in einem Bewußtsein, welche die Möglichkeit der Erfahrung ausmacht, hernehmen. [...] und in Ansehung

50

3 Text und Bedeutung der letztern ist Natur und mögliche Erfahrung ganz und gar einerlei; und da in dieser die Gesetzmäßigkeit aus der nothwendigen Verknüpfung der Erscheinungen in einer Erfahrung […] mithin auf den ursprünglichen Gesetzen des Verstandes beruht, so klingt es zwar anfangs befremdlich, ist aber nichts desto weniger gewiß, wenn ich in Ansehung der letztern sage: der Verstand schöpft seine Gesetze (a priori) nicht aus der Natur, sondern schreibt sie dieser vor“ (Kant 1911b, S. 319–320).

Spätestens mit Kant erfährt also das Subjektive eine massive Aufwertung im Erkenntnisprozess, weshalb der Philosoph im Übrigen mitunter als „Begründer einer ‚deutschen‘ Tradition des soziologischen Denkens bezeichnet [wird], die das Subjekt und seinen Willen in den Mittelpunkt stellt“ (Wagner 2006, S. 165). Das menschliche Bewusstsein wird demgemäß zu einer Bedeutung konstituierenden Instanz stilisiert, und fortan gilt der Mensch als schöpferisches Subjekt.

3.1.2

Das Subjekt als Autor

Die Auffassung, dass das Subjekt der ihm äußerlichen materiellen und sozialen Umwelt gegenübertritt und auf diese Weise Bedeutung generiert, findet sich auch wieder in der neuzeitlichen Vorstellung vom kreativen Autor. In der griechischen Antike gilt der Autor noch als unbewusster Übermittler göttlicher Wahrheiten, der in Folge von Eingebungen gleichsam zur Instanz einer Offenbarung wird. Der Autor bringt zwar den Text in einem materiellen Sinne hervor, ist jedoch keineswegs Urheber seiner Äußerungen. Vielmehr ist es göttliche Kraft, die durch ihn spricht (Plato 1977, S. 17). Erst gegen Ende des Mittelalters, für das ebenfalls die Hervorhebung überindividueller Instanzen kennzeichnend ist (Jannidis et al. 1999, S. 5), beginnt sich das (Kunst-)Schaffen zu subjektivieren, und die Quelle, Ursache und Herkunft künstlerischen Wirkens verlagert sich allmählich auf das schaffende Subjekt. Dennoch kann hier noch nicht von einer Subjektivität im modernen Sinne gesprochen werden. Denn obgleich der Autor sich nicht mehr als Übersetzer der göttlichen Wahrheit in die unvollkommene menschliche Sprache betrachtet, drängen sich ihm nunmehr neue Grenzen auf – nämlich die Ordnung der Wirklichkeit, die er abbildet. Anders als in der Antike ist das Werk für den Autor zwar ein Produkt des bewussten Willens und der Geschicklichkeit. Seine Persönlichkeit spielt als Inspirationsquelle des Schaffens jedoch keine Rolle. Der Wert eines Kunstwerks liegt demzufolge nicht darin, dass es „seinen Autor ausdrückt, sondern darin, daß es die Ordnung und Regeln der Natur trifft. Daher ist für ihn

3.2 Die Dezentrierung des Subjekts

51

auch das Urteil über ein Kunstwerk keine Angelegenheit des persönlichen Geschmacks, sondern eine ganz objektiv begründbare Beurteilung“ (Mukařovský 1974, S. 69). Im Zuge einer fortschreitenden Ausdifferenzierung der Gesellschaft ändert sich dieses Verhältnis zwischen Künstler und Werk bzw. Autor und Text im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, und es bildet sich die Vorstellung von einem freien Autor als einem einmaligen und unverwechselbaren Schöpfer individueller Werke heraus. Der Schaffensvorgang individualisiert sich und „der Ausdruck subjektiver Empfindungen [wird] zum Maßstab originaler Autorschaft“ (Klausnitzer 2012, S. 265). Erstmals fühlt sich der Autor unabhängig von der Ordnung der äußeren Wirklichkeit und sieht sich als Schöpfer und „Erschaffer eines bestimmten Universums“ (Mukařovský 1974, S. 71). Durch dieses neue Bewusstsein werden sämtliche überindividuellen Instanzen in den Hintergrund gedrängt und der Autor nimmt hinsichtlich der Konstitution von Bedeutung sogleich eine zentrale Rolle ein. Denn es sind sein persönliches Erlebnis sowie sein spezifisches Verhältnis zu der ihn umgebenden Welt, die sich im Text niederschlagen (Dilthey 1965, S. 139–140). Demzufolge bezieht sich auch die Rezeption eines Textes stets auf denjenigen, der es hervorgebracht hat, „als ‚spräche sich‘ durch die mehr oder weniger durchsichtige Allegorie der Fiktion hindurch letztlich immer die Stimme ein und derselben Person ‚aus‘, nämlich des Autors“ (Barthes 2006, S. 58; Herv. i. O.). Genau in diesem Sinne ist der Autor eine moderne Figur (Barthes 2006, S. 57).

3.2

Die Dezentrierung des Subjekts

Es dürfte nun deutlich geworden sein, dass die Vorstellung vom Menschen als einem autonomen, souveränen Subjekt – obwohl sie im Zuge der historischen Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschaft gleichsam als ontologische Bestimmung des menschlichen Wesens schlechthin erschien – „kulturell keineswegs universal und auch in Europa geschichtlich reichlich jung“ (Gebhardt 1988, S. 294) ist. Auch Norbert Elias verweist darauf, dass dieses Konzept des von der Umwelt abgeschlossenen und mit einem ureigenen Innenleben ausgestatteten Subjekts – des „homo clausus“ (Elias 1970, S. 128) – keineswegs eine Universalie ist, sondern selbst das Produkt eines langen Zivilisationsprozesses (Elias 2001, S. 168). Indes ist das Individuum für Elias unauflösbar in soziale Beziehungen verwoben. Mit anderen Worten: Die überwiegend monologische Orientierung der spezifisch modernen Identitätsdiskurse (Taylor 2009, S. 19), die von einem „eigentlichen, unveräußerlichen, in den verschiedenen Lebenslagen sich durchhaltenden ‚Ich‘“ (Gebhardt 1988, S. 294) ausgehen, verkennen also, dass

52

3 Text und Bedeutung

der Mensch in erster Linie ein Ergebnis und Produkt sozialer Formungsprozesse ist. Er existiert nicht an sich, als singuläre Substanz, sondern nur in der sozialen Bezugnahme, und erkennt sich erst im Blick des Anderen. Die Entstehung und Entfaltung einer Ich-Identität setzt daher einen intersubjektiven, dialogischen Prozess voraus (Mead 1987). In diesem Gedanken George Herbert Meads, der sich auch bei Simmel (Simmel 1992, S. 56) und, wie bereits angedeutet, bei Elias (Elias 1970, S. 98) findet, wird nun also ein relationaler Subjektbegriff formuliert, der davon ausgeht, dass Präferenzen erst in intersubjektiven Formationen Gestalt annehmen. Das Subjekt ist demnach nicht mehr Urheber einer sozialen Ordnung, sondern es sind, wie Karl Marx in seinen Thesen über Feuerbach beschreibt, umgekehrt die gesellschaftlichen Verhältnisse, die den Menschen überhaupt erst hervorbringen. „[Das] menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individuum inwohnendes Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ (Marx 1978, S. 6). Marx dekonstruiert das Subjekt hier gewissermaßen und reiht sich somit ein in die Riege der von Paul Ricœur als die „drei Meister des Zweifels“ (Ricœur 1974, S. 47) bezeichneten Denker – Nietzsche, Freud und Marx –, von denen jeder auf seine Weise die Vorrangstellung des subjektiven Bewusstseins anfechtet und somit das wirklichkeitsstiftende Prinzip in die außersubjektive Sphäre verlagert (van den Hengel 1982, S. 7). Das Subjekt ist nunmehr weder autonomer Agent der eigenen Geschichte, noch Zentrum des eigenen Tuns. Es ist nicht einmal mehr „Herr in seinem eigenen Haus“ (Freud 1955, S. 11). Wenn nun also die Entstehung von Identität nicht mehr als ich-zentrierter, monologischer Prozess entworfen werden kann, sondern vielmehr als kommunikativer, dialogischer Prozess begriffen werden muss, so lässt sich schlussfolgern, dass auch Bedeutung sich erst in der Interaktion mit anderen konstituiert (Mead 1972, S. 6). „The home of meaning is not consciousness but something other than consciousness“ (Ricœur 1970, S. 55).3 3

Im französischen Original lautet dieser Satz wie folgt: „[Le] foyer du sens n’est pas la ‚conscience‘ mais autre que la conscience“ (Ricœur 1995, S. 66). In der deutschen Fassung desselben Textes hingegen heißt es: „[Der] Brennpunkt des Sinns ist nicht das ‚Bewußtsein‘, sondern Anderes als das Bewußtsein“ (Ricœur 1974, S. 69). Da jedoch das deutsche Wort Brennpunkt nicht die exakte Bedeutung des Wortes foyer, welches man mit Heim oder Heimstätte übersetzen könnte, wiedergibt, wurde an dieser Stelle einmalig auf die englische Übersetzung zurückgegriffen.

3.2 Die Dezentrierung des Subjekts

53

Mit dieser Infragestellung des klassischen Subjekts setzt nun ein Prozess der Dezentrierung desselben ein, die einhergeht mit gesellschaftlichen Veränderungen, wie sie gemeinhin unter den Stichworten Postmoderne (Lyotard 1988) oder reflexive Modernisierung (Beck et al. 1996) gehandelt werden. Das Subjekt als Basiskategorie sozialwissenschaftlicher Theoriebildung, welches, so wurde dargelegt, ganz offensichtlich epochenspezifisch ist, steht folglich auf dem Prüfstand. Dies soll jedoch keineswegs einer Proklamation des Endes der modernen Gesellschaft gleichkommen. Vielmehr „zeichnet sich eine nachhaltige Radikalisierung der seit dem 18. Jahrhundert ablaufenden Modernisierungsprozesse mit zum Teil paradoxen Folgen ab. Denn nun greift die Modernisierung, die von Max Weber als fortlaufende ‚Entzauberung‘ der Welt beschrieben worden war, auf die Grundlagen der Moderne selbst über. Sachverhalte, die lange Zeit als ‚natürliche‘ Basis der Moderne aufgefasst worden waren, werden als soziale Konstrukte erkannt und gerade deshalb fragwürdig. Hierzu gehören nicht nur die Annahmen eines permanenten technischen Fortschritts und einer stetig wachsenden Beherrschung von innerer und äußerer Natur, sondern auch die spezifisch modernen Konstruktionen von ‚Individuum‘ und ‚Gesellschaft‘“ (Keupp und Hohl 2006, S. 9).4 Die Dezentrierung des Subjekts muss folglich auch als Kritik an einer Anthropologisierung des Subjektbegriffs gelesen werden. Wenngleich dieser Schritt als evident erscheint, so bleibt er doch nicht ohne Folgen für den Autonomiebegriff, welcher gemäß Kant die Lage des Subjekts am Eintritt in die Moderne kennzeichnete. Denn wenn nicht angenommen werden soll, „dass in der Interaktion mit anderen nur erkannt wird, was das eigene Ich ist, das schon vorher in genau gleicher Weise vorhanden, nur noch nicht bewusst wahrgenommen war, dann hat diese Interaktion immer auch eine substanzielle Wirkung auf die Formung des Ich. […] Wörtlich betrachtet, liegt somit aber keine Autonomie, sondern Heteronomie vor“ (Wagner 2006, S. 173; Herv. i. O.). Ob das Subjekt gänzlich von außen bestimmt wird, ihm also vollkommene Ohnmacht bezüglich seines eigenen Denkens und Handelns zuzuschreiben wäre, oder ob es nicht vielleicht doch irgendeine Form der Handlungsmächtigkeit besitzt, soll nun im Folgenden mittels verschiedener diskurstheoretischer Ansätze näher erörtert werden.

4

Vgl. hierzu auch Jürgen Habermas Die Moderne – Ein unvollendetes Projekt (Habermas 1990).

54

3 Text und Bedeutung

3.3

Diskurs und Wirklichkeit

3.3.1

Die diskursive Konstitution von Bedeutung

Jacques Lacan, Jacques Derrida und später auch Michel Foucault stellten im Frankreich der 1970er Jahre alle Kategorien, die für die moderne wissenschaftliche Rationalität und das abendländische Denken bis dahin als grundlegend angesehen wurden, in Frage. Zentral für die Infragestellung – genauer: die Dekonstruktion – der Kategorien wie Subjektivität, Objektivität und Wahrheit war dabei ihr Verständnis von Sprache: Sprache spiegelt nicht die soziale Realität wider, sondern konstruiert diese (Keller 2011a, S. 15–16). Mit anderen Worten: „[C]onstruction is communication“ (Stråth 2000, S. 24), wobei der „Schein der Faktizität“ (Tomaschek 2003, 43; Herv. A.S.) die Bedingung jeder Kommunikation darstellt. Sprache als Kommunikationsmedium ist demzufolge auch ein „medium of the construction of reality“ (Zehfuss 2001, S. 70). Infolgedessen wohnt der Sprache nicht mehr eine wirklichkeitsabbildende Funktion inne, sondern sie wird stattdessen als Handeln definiert (Bänsch 1997, S. 46). Wenngleich bereits George Herbert Mead Sprache als Teil der Herstellung einer Situation begreift (Mead 1972, S. 78), muss doch herausgestellt werden, dass die Wirklichkeit keine festen Bedeutungen hat, die durch Sprache zum Ausdruck gebracht werden können. Vielmehr sind es verschiedene Sprachen oder verschiedene Diskurse innerhalb einer Sprache, die die Welt unterteilen und ihr unterschiedliche Bedeutungen zuschreiben. Kernthese in diesem Zusammenhang ist, dass der Gegenstand eines Diskurses durch den Diskurs selbst konstituiert wird. Die verschiedenen Bedeutungen können nicht auf gemeinsame Begriffe, die eine unverrückbare Wirklichkeit widerspiegeln, zurückgeführt werden. Bedingung der Möglichkeit von Diskursen sind Verständigungsgemeinschaften, die als „Konstrukteure von ‚Wahrheiten‘“ (Reich 2001, S. 56) regeln, welche Konstrukte Geltung haben, was auch Wahrheitsansprüche, Ansprüche auf Wahrhaftigkeit und Richtigkeit von Aussagen einschließt. Bourdieu bezeichnet den Diskurs als Feld kultureller Produktion (Bourdieu 1993). Wer spricht, lebt daher immer schon in einer menschlichen Gemeinschaft, die sich durch ihre Sprache eine Lebenswelt konstruiert hat. Als konstitutiv für den Menschen als soziales Wesen gilt daher nicht, „was er von Natur aus sein mag oder nicht oder was sich metaphysisch über ihn vermuten lässt, sondern wie er sich und seine Lebenswelt in der Sprache konstituiert vorfindet und weiterkonstruiert“ (Bänsch 1997, S. 104). Aufgrund der Tatsache, dass immer mehr Verständigungsgemeinschaften nach- und nebeneinander existieren, kann von einer Erhöhung der Wahrheitsrelativierungen gesprochen werden – von „various levels of ‚reality‘“ (Stråth 2000, S. 23).

3.3 Diskurs und Wirklichkeit

55

Dem diskursiven Ansatz liegt, so dürfte deutlich geworden sein, eine konstruktivistische Ontologie zugrunde. Das heißt jedoch nicht, dass es diesem Ansatz zufolge keine Objekte, keine Erfahrungen und keine Konzepte gibt; diese erhalten aber erst im Diskurs ihre Bedeutung. Der Diskurs schreibt ihnen eine bestimmte Bedeutung zu, wodurch sie erst für uns wirklich werden. Wenn also von diskursiver Bedeutungs- oder Wirklichkeitskonstruktion die Rede ist, so heißt dies nicht, dass der Diskurs selbst Akteursqualität hätte und der Schöpfer seiner Wirklichkeit wäre. Vielmehr ist gemeint, dass der Diskurs bestimmte symbolische Ressourcen bereitstellt, auf die die Diskursteilnehmer zurückgreifen müssen. Insofern sind nicht sie, sondern ist der Diskurs die Quelle von Bedeutung. „While the argument about the importance of conventions dates back to Hume, much of our standard understanding about the function of language was based, until recently, on a conception of language as a mirror of reality. […] It is sufficient to point out that the decisive impulse […] came from Wittgenstein’s ‚linguistic turn‘ in his Philosophical Investigations (1953), where the problem of meaning found a new solution. The meaning of a term consisted no longer in its exact correspondence to an object in the ‚outer world‘ but in its use in speech. In other words, the later Wittgenstein directed our attention to the conventional and pragmatic character of language“ (Kratochwil 2001, S. 19–20; Herv. i. O.). Der Diskurs ist jedoch kein von den individuellen Äußerungen gelöstes Abstraktum, sondern setzt sich aus diesen Äußerungen zusammen. Jede Äußerung trägt zur Reproduktion des Diskurses und somit zur Konstitution einer spezifischen Bedeutung bei. „A discourse, i.e. a system of statements in which each individual statement makes sense, produces interpretive possibilities by making it virtually impossible to think outside of it. A discourse provides discursive spaces, i.e. concepts, categories, metaphors, models, and analogies by which meanings are created“ (Doty 1993, S. 302; Herv. i. O.). Es handelt sich daher insofern um eine diskursive Konstitution von Bedeutung, als ein Text nicht unabhängig von anderen Texten gesehen werden kann, sondern in den Diskurs eingespannt ist. Der Einzelne ist hier also an der diskursiven

56

3 Text und Bedeutung

Konstruktion beteiligt. Eine kollektive oder soziale Konstruktion ist dies insofern, als Diskurse durch die Sprache transportiert werden und Sprache ein soziales Phänomen ist. Nichtsdestotrotz ist der Begriff der diskursiven Konstitution von Bedeutung gegenüber dem der kollektiven oder sozialen vorzuziehen, da nämlich diskursiv in diesem Zusammenhang auf ein kommunikatives Aushandeln von Bedeutungen hindeutet. Das Verständnis von kollektiven Wirklichkeitskonstruktionen als Ergebnis kommunikativer Aushandlungsprozesse – wie es beispielsweise bei Berger und Luckmann entwickelt wird (Berger und Luckmann 1987) – ist dem Diskursansatz jedoch fremd. Denn, wie bereits angedeutet, spielt das Individuum in der Diskurstheorie nur eine untergeordnete Rolle. Sein Handlungsspielraum und seine Intentionalität sind gering. Wie das Individuum über Dinge denkt und spricht, ist durch den Diskurs vorstrukturiert, obschon dies, wie noch zu sehen sein wird, nicht als ein sozialdeterministischer Fatalismus zu verstehen ist, zumal das Individuum diesen vorgegebenen Strukturen nicht völlig ausgeliefert ist. Das Individuum bewegt sich demnach ausschließlich in diskursiven Kontexten und reproduziert die im Diskurs zirkulierenden Konstruktionen. Das erfolgt gleichsam automatisch, da der Diskursteilnehmer den Diskursgegenstand gar nicht anders denken und artikulieren kann. Infolgedessen verfügt er über wenig Sprachspielraum. „Um sprechen zu können, um überhaupt etwas Neues sagen zu können, müssen wir uns zuallererst in den bestehenden Sprachbeziehungen plazieren. Es gibt keine Äußerung, die so neuartig und kreativ wäre, dass sie nicht schon die Spuren dessen zeigt, wie diese Sprache bereits gesprochen worden ist, bevor wir unseren Mund auftaten. Etwas Neues zu sagen bedeutet zuallererst, erneut die Spuren der Vergangenheit zu bestätigen, die in den von uns benutzten Wörtern eingeschrieben sind“ (Hall 1999, S. 85–86). An dieser Stelle treten die strukturalistischen Wurzeln der Diskurstheorie zum Vorschein (Keller 2011a, S. 14–18). Der Akteur hat nur wenig Eigenes zu melden. Zumindest kann er nicht mit anderen Akteuren über seine und deren Wirklichkeiten verhandeln und versuchen, seine Realität als kollektiv geteilte Wirklichkeit zu etablieren, wie es beispielsweise sozialkonstruktivistische Ansätze nahelegen, die in der Tradition von Peter L. Berger und Thomas Luckmann stehen.

3.3 Diskurs und Wirklichkeit 3.3.2

57

Das Verhältnis zwischen struktureller und symbolischer Ebene

Es stellt sich nun zwangsläufig die Frage, inwieweit es gesellschaftliche Strukturen sind, die die Produktion von Wissen oder die diskursive Konstitution von Bedeutung beeinflussen bzw. auf diese einwirken. Mit anderen Worten: wie müsste das Verhältnis zwischen der strukturellen und der symbolischen Ebene näher bestimmt werden? Hier ist es die Marx’sche Theorie, in der erstmals diese Beziehung – in der Marx’schen Terminologie ausgedrückt: das Verhältnis zwischen gesellschaftlichem Sein und Bewusstsein – angesprochen wird. Marx wendet sich in diesem Zusammenhang gegen eine idealistische Philosophie, die allein geistige Faktoren als geschichtlich wirkmächtig ansieht und so „die religiöse Illusion zur treibenden Kraft der Geschichte“ (Marx und Engels 1978, S. 39) macht. Marx kehrt dieses Verhältnis um, indem er die realen gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Arbeits- und Produktionsverhältnisse, als Determinanten des Bewusstseins identifiziert. „Das Bewußtsein ist also von vornherein schon ein gesellschaftliches Produkt und bleibt es, solange überhaupt Menschen existieren“ (Marx und Engels 1978, S. 30–31). Es besteht damit ein Determinationsverhältnis zwischen ökonomischer und sozialer Basis und ideologischem Überbau. Wenngleich dieses Determinationsverhältnis nicht mechanistisch simplifiziert werden darf und Marx auch die Determinationskraft geistiger Faktoren berücksichtigte, so liegt doch das Schwergewicht der Marx’schen Analyse in der Betonung der materiellen Faktoren. Friedrich Engels hat später die Gültigkeit des Basis-Überbau-Modells allerdings deutlich relativiert. „Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase. Die ökonomische Lage ist die Basis, aber die verschiedenen Momente des Überbaus – politische Formen des Klassenkampfs und seine Resultate – Verfassungen, nach gewonnener Schlacht durch die siegende Klasse festgestellt usw. – Rechtsformen, und nun gar die Reflexe aller dieser wirklichen Kämpfe im Gehirn der Beteiligten,

58

3 Text und Bedeutung politische, juristische, philosophische Theorien, religiöse Anschauungen und deren Weiterentwicklung zu Dogmensystemen, üben auch ihre Einwirkung auf den Verlauf der geschichtlichen Kämpfe aus und bestimmen in vielen Fällen vorwiegend deren Form. Es ist eine Wechselwirkung aller dieser Momente, worin schließlich durch alle die unendliche Menge von Zufälligkeiten (d.h. von Dingen und Ereignissen, deren innerer Zusammenhang untereinander so entfernt oder so unnachweisbar ist, daß wir ihn als nicht vorhanden betrachten, vernachlässigen können) als Notwendiges die ökonomische Bewegung sich durchsetzt. Sonst wäre die Anwendung der Theorie auf eine beliebige Geschichtsperiode ja leichter als die Lösung einer einfachen Gleichung ersten Grades“ (Engels 1967, S. 463; Herv. i. O.).

Die grundlegende These der Determiniertheit des Denkens durch gesellschaftliche Faktoren und Verhältnisse wird von Karl Mannheim zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wieder aufgegriffen. Der Begriff der Seinsverbundenheit des Denkens steht dabei für die soziale Bedingtheit des Wissens und der Erkenntnis. Zum seinsverbundenen Denken gehören für Mannheim das historische und politische Denken, das Denken in den Geistes- und Sozialwissenschaften sowie das Denken des Alltags (Mannheim 1964b, S. 569). Die Seinsverbundenheit ist dabei jedoch nicht nur eine Fehlerquelle für das scheinbar objektive, von allen sonstigen Anhaftungen befreite Denken, sondern zugleich eine Erkenntnischance, wenn sie dem Soziologen Einblick in die eigene Seinsgebundenheit erlaubt und somit eine systematische Erforschung der Seinsfaktoren ermöglicht. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass es Mannheim dabei nicht um die Eliminierung der Seinsfaktoren zum Zwecke einer höheren Objektivität geht, sondern lediglich um die Kenntnis und die Einbeziehung dieser Faktoren in das Denken (Frieß 2000, S. 12–13). Ein weiterer Beitrag zur Frage nach dem Zusammenhang von struktureller und symbolischer Ebene in der klassischen Wissenssoziologie stammt von Max Scheler. In Anlehnung an seine anthropologischen Grundannahmen, wonach zum Wesen des Menschen Geist und Trieb gehören, unterscheidet er zwischen Realfaktoren und Idealfaktoren. Realfaktoren sind die triebhaft bedingten Lebensverhältnisse, wie Machtverhältnisse, ökonomische Produktionsfaktoren, Bevölkerungsverhältnisse, geographische Faktoren usw., die den Gegenstandsbereich der Realsoziologie konstituieren. Idealfaktoren hingegen sind geistige Faktoren, wie Religion, Kunst, Wissenschaft usw., die den Gegenstand der Kultursoziologie bilden. Scheler nimmt zwar das Marx’sche Basis-Überbau-Modell ernst. Er vermeidet auf der anderen Seite jedoch die in diesem Modell angelegte

3.3 Diskurs und Wirklichkeit

59

Auszeichnung der ökonomischen Basis und die damit einhergehende einseitige Determinationsrichtung. Die Gegenüberstellung von Real- und Idealfaktoren berücksichtigt die Gleichwertigkeit beider Ebenen (Scheler 1960, S. 18–23). Ein zentrales Thema der klassischen Wissenssoziologie war also die Bestimmung der Beziehung zwischen materiellen und geistigen Faktoren. Es gelang der klassischen Wissenssoziologie allerdings nicht, ihr Forschungsprogramm über den Stand der Problemformulierung hinauszutreiben. Zudem stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Dichotomie zwischen materiellen und geistigen Faktoren überhaupt sinnvoll war. „War das nicht der Fall, so würde sich auch die gesamte Fragestellung der Wissenssoziologie als obsolet erweisen. Und schließlich musste die Ambivalenz, in der die Vermittlung zwischen sozialen Strukturen und Ideen gefasst war, gegenüber den immer schärfer gefassten Standards kausalempirischer Sozialforschung zunehmend unbefriedigend erscheinen. Weder die Kategorie der ‚Entsprechung‘ noch die der ‚Wechselwirkung‘ hatte zureichenden Erklärungsgehalt. Die weitergehende Frage nach soziologisch fassbaren Mechanismen, die die Vermittlung bzw. die kausale Verknüpfung zwischen sozialen Strukturen und Ideen leisteten, blieb unbeantwortet“ (Weingart 1976, S. 26). Nichtsdestotrotz besteht kein Zweifel daran, dass Wissen, insofern es als sozialstrukturell bedingt und handlungsbestimmend aufgefasst wird, eine soziale Kategorie ist, die für die soziologische Analyse relevant bleibt (Weingart 1976, S. 240). Bezogen auf die Diskurstheorie ist das Basis-Überbau-Modell für heutige wissenssoziologische Erfordernisse jedoch nicht mehr tragfähig, zumal es in modernen ausdifferenzierten Gesellschaften verschiedene Lebensbereiche gibt, die ihre jeweils eigene Dynamik besitzen und ihre jeweils eigenen Diskursformationen (Keller 2011a, S. 68) bilden und sich daher nicht unter bloße Überbauphänomene subsumieren lassen. Darüber hinaus ist die dominante Determinationsrichtung von der Basis zum Überbau bereits frühzeitig fragwürdig geworden. Infolgedessen sind Wechselwirkungen – insbesondere zwischen den Bereichen des Überbaus – angenommen worden. „Je nach der konkreten Verfassung einer Gesellschaft kann die Eigendynamik der ökonomischen, der politischen, der religiösen oder generell intellektuellen Sphäre dominieren. […] Für moderne Gesellschaften ist es charakteristisch, dass die Eigendynamik nicht

60

3 Text und Bedeutung für eine oder zwei Lebenssphären typisch ist. Vielmehr entfaltet sich in einer immer größeren Zahl von Daseinsbereichen eine eigenständige Entwicklung. Die Frage ist nur, in welcher Weise diese verschiedenen Dynamiken einander beeinflussen. Ganz offenbar wird man hier ein komplexes Gefüge von Wechselwirkungen unterstellen müssen. Im Einzelfall wird es deshalb immer schwieriger, diese zwischen den Subsystemen ablaufenden Beziehungen und Beeinflussungen zu verfolgen. Als Grundthese gilt freilich, dass die Eigendynamik eines Subsystems zwar durch strukturelle Isolation weitgehend abgekoppelt werden kann von der Eigendynamik anderer Subsysteme. Es bleibt indessen bestehen, dass diese Entwicklungen gleichwohl unter Kompatibilitätsbedingungen stehen“ (Hahn 1979, S. 501–502).

Für die Diskurstheorie bedeuten diese Ausführungen, dass der Diskurs des Wissens bzw. der Wirklichkeitskonstruktion um den Diskurs der Macht ergänzt werden muss, zumal dieser den Diskurs des Wissens um eine Beobachtung von normativen Voraussetzungen erweitert, die immer dann auftreten, wenn Wahrheiten in Diskursen an den Anfang gesetzt werden: als Einstieg, als Ausgangspunkt, als das Eine, von dem aus nun argumentativ fortgeschritten wird und das hilft, anderes auszuschließen (Reich 2001, S. 62). Nach Foucault können wir dem Dispositiv der Macht niemals entkommen, selbst in dem noch so rein erscheinenden Diskurs des Wissens nicht, der sich vermeintlich nur um die Wahrheit kümmert. Es ist – so Foucault – in erster Linie der Diskurs, der das Feld konstituiert, auf dem Individuen, Gruppen und Institutionen sich zu positionieren versuchen und auf dem sie um symbolische Macht kämpfen. „Following Michel Foucault, it is primarily discourse which constitutes the ‚field‘ where individuals, as much as groups and institutions, struggle for self-positioning and symbolic power. But, an important distinction needs to be made. Since discourse as a ‚formational system‘ is highly structured by power relations and access, it makes a difference whether we deal with everyday discursive practices, performed by single individuals (obeying the communicative requirements and conditions of face-to-face interaction) or discourses which reach large portions of the population, because they are mediated“ (Schneider 2001, S. 354).

3.4 Diskurs und Intertextualität

61

Aus diesem Grunde erscheint nun die Frage nach der Macht als einem grundlegenden Prinzip, das immer neben dem Wissen zu berücksichtigen ist. Niemand konstruiert seine Wirklichkeit gänzlich aus freien Stücken, dies ist die eine Seite, aber auch keine Konstruktion – selbst von einem scheinbar Unterlegenen – ist ohne Bedeutung und Macht für einen anderen – auch einem scheinbar eindeutig Überlegenen (Keller 2011a, S. 43–56). Der Machtaspekt und seine Bedeutung speziell für einen diskursanalytischen Ansatz wird später im Zusammenhang mit den Theorien Michel Foucaults sowie Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes eingehender diskutiert werden. Zunächst aber sollen mithilfe des Konzepts der Intertextualität die Historizität von Texten sowie die diskursiven Zwänge, die bei deren Produktion zum Wirken kommen, beschrieben werden.

3.4

Diskurs und Intertextualität

3.4.1

Die diskurstheoretische Analyse eines Textes

Bevor nun mit der diskurstheoretischen Analyse der Produktion von Texten begonnen wird, ist es wichtig, das Verhältnis von Texten und Diskursen zur Wirklichkeit ein erneutes Mal herauszustellen. Generell kann gesagt werden, dass die Wirklichkeit als eine Zusammenstellung von Konstruktionen charakterisiert werden kann, die durch den Diskurs geformt werden. Hierzu Michel Foucault: „Wir müssen uns nicht einbilden, daß uns die Welt ein lesbares Gesicht zuwendet, welches wir nur zu entziffern haben. Die Welt ist kein Komplize unserer Erkenntnis. Es gibt keine prädiskursive Vorsehung, welche uns die Welt geneigt macht. Man muß den Diskurs als eine Gewalt begreifen, die wir den Dingen antun; jedenfalls als eine Praxis, die wir ihnen aufzwingen“ (Foucault 2012, S. 34–35). Es existiert also keine von Diskursen unabhängige, äußerliche Welt, welche mehr oder weniger erkennbar für den Menschen ist. Allein Diskurse sind es, durch die überhaupt erst ein Zugang zur Realität erlangt werden kann. Denn sie sind es, die unsere Wahrnehmung der Wirklichkeit bestimmen. Die Frage nach der de facto Existenz des Realen spielt in diesem Zusammenhang übrigens eine eher untergeordnete Rolle. Denn nicht die faktische Existenz von Dingen oder Ereignissen ist hier ausschlaggebend, sondern vielmehr wie diese Dinge und Ereignisse inter-

62

3 Text und Bedeutung

pretiert und innerhalb eines Bedeutungssystems positioniert werden (Mills 2007, S. 54). „The fact that every object is constituted as an object of discourse has nothing to do with whether there is a world external to thought, or with the realism/idealism opposition. An earthquake or the falling of a brick is an event that certainly exists, in the sense that it occurs here and now, independently of my will. But whether their specificity as objects is constructed in terms of ‚natural phenomena‘ or ‚expressions of the wrath of God‘, depends upon the structuring of a discursive field. What is denied is not that such objects exist externally to thought, but the rather different assertion that they could constitute themselves as objects outside any discursive condition of emergence“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 108; Herv. i. O.). An dieser Stelle lässt sich auch herauslesen, dass sich die Konstitution von Bedeutung durch diskursive Strukturen nicht nur auf die materielle Welt, sondern auch auf (historische) Ereignisse bezieht. Entscheidend dabei ist, dass sämtliche Aussagen über die Realität in einen diskursiven Rahmen eingebettet sind, d.h. in Beziehung zu anderen Aussagen über die Realität stehen. „One of the important elements which defines a discourse is its relation to other discourses, rather that its role in expressing an individual‘s ‚feelings‘ or ‚opinions‘“ (Mills 1991, S. 9). Aussagen über die – materielle wie historische – Wirklichkeit existieren daher nicht isoliert. Allein als Bestandteil einer Struktur von sich aufeinander beziehenden Aussagen – als Teil einer diskursiv konstituierten Wissensformation – lassen sie jene Wirklichkeit überhaupt erst real und sinnhaft werden, und nur dann können sie eine Wirkung entfalten. Mit anderen Worten: Erst ihre Eingebettetheit in diskursive Strukturen ermöglicht es, dass Aussagen überhaupt formuliert werden können. Damit geht jedoch einher, dass wiederum andere Aussagen über die Realität durch den Diskurs ausgeschlossen werden, zumal Diskurse nicht nur als die Ermöglichung von Aussagen zu charakterisieren sind, sondern auch und vor allem als die Begrenzung des Objektfeldes. „Thus a discourse is a reduction of possibilities. […] A discourse is always constituted in relation to what it excludes“ (Jørgensen und Phillips 2012, S. 27).

3.4 Diskurs und Intertextualität

63

Die Art und Weise, wie die Welt verstanden und gedeutet wird, vollzieht sich daher stets innerhalb von Grenzen diskursiver Zwänge. Dies gilt insbesondere auch für die Produktion von Texten, zumal sie – wie jede andere Handlung auch – eingebettet ist „in a horizon of affect and meaning. This internal environment is one toward which the actor can never be fully instrumental or reflexive. It is, rather, an ideal resource that partially enables and partially constrains action“ (Alexander 2003, S. 12). Texte, ganz gleich welcher Art, sind daher stets Produkte des sie umschließenden diskursiven Rahmens, auf das sie gezwungenermaßen Bezug nehmen und in dessen Bedeutungszusammenhang sie folglich ihre Sinnhaftigkeit erlangen. „Over the years I have come to realise more and more that work, any work, even literary creative work, is not the result of an individual genius but the result of a collective effort. There are so many inputs in the actual formation of an image, an idea, a line of argument and even sometimes the formal arrangement. The very words we use are a product of a collective history“ (wa Thiongʾo 1994, S. x–xi). Dieser Gedanke, dass jedem Text gleichsam eine kollektive Geschichte innewohnt, findet sich auch bei Julia Kristevas Begriff der Intertextualität wieder (Kristeva 1972, S. 347–348). Ähnlich wie die oben beschriebene Interrelation von Aussagen, besagt das Konzept der Intertextualität, dass jeder Text prinzipiell auf andere Texte verweist, zumal er erst dadurch überhaupt konstruiert werden und Sinnhaftigkeit erlangen kann. Somit beinhaltet jeder Text Bruchstücke anderer Texte, auf die er mehr oder weniger explizit Bezug nimmt – oder, wie Roland Barthes es formuliert: jeder Text ist in gewisser Weise „ein Geflecht von Zitaten“ (Barthes 2006, S. 61). Zudem unterstreicht das Konzept der Intertextualität die Historizität von Texten, von denen jeder für sich jeweils ein zusätzliches Glied einer bereits existierenden Kommunikationskette darstellt (Bakhtin 1986, S. 94). Positiv ausgedrückt, mag dies zwar bedeuten, dass – und darauf deutet wa Thiong’o im oben aufgeführten Zitat hin – die kollektive Geschichte durchaus ein reichhaltiges Repertoire an Bedeutungen zur Verfügung stellt, auf das jede Textproduktion zurückgreifen kann. Gleichzeitig erinnert dieses Zitat allerdings auch an das Foucault’sche Konzept des Archivs. Denn auch für Foucault besitzen Diskurse eine Geschichte. Mit dem Archiv-Begriff gilt es nun, grundsätzlich „die Bedingungen des Auftauchens von Aussagen, das Gesetz ihrer Koexistenz mit anderen, die spezifische Form ihrer Sichtweise und die Prinzipien freizulegen, nach denen sie fortbestehen, sich transformieren und verschwinden“

64

3 Text und Bedeutung

(Foucault 2013, S. 184). Unter Archiv versteht Foucault also nicht aufbewahrte Texte oder Dokumente einer bestimmten Tradition. Vielmehr formiert das Archiv für die Bedingungen von Aussagen einen historischen Rahmen – „ein historisches Apriori“ (Foucault 2013, S. 184) –, der zu erklären hilft, warum bestimmte Dinge sagbar sind und andere wiederum nicht. Auch geht es Foucault nicht darum, wer, wann, was gesagt hat, sondern generell um die Frage der Aussagbarkeit. Aussagenanalyse ist deshalb für Foucault „eine historische Analyse, die sich aber außerhalb jeder Interpretation hält: sie fragt die gesagten Dinge nicht nach dem, was sie verbergen, was in ihnen und trotz ihnen gesagt wurde, nach dem Nicht-Gesagten, das sie verbergen, dem Gewimmel von Gedanken, Bildern oder Phantasmen, die sie bewohnen. Sondern umgekehrt, auf welche Weise sie existieren, was es für sie heißt, manifestiert worden zu sein, Spuren hinterlassen zu haben und vielleicht für eine eventuelle Wiederverwendung zu verbleiben; was es für sie heißt, erschienen zu sein – und daß keine andere an ihrer Stelle erschienen ist“ (Foucault 2013, S. 159). Der Archiv-Begriff bei Foucault erfasst also diskursive Mechanismen, die Aussagen nicht nur ermöglichen, sondern darüber hinaus einschränken, was zu welcher Zeit in welcher Form gesagt werden kann und was als wert erachtet wird, gewusst und erinnert zu werden (Mills 2007, S. 67). Eine der Implikationen dieses Ansatzes ist freilich, dass jedem Diskurs Mechanismen der Ausschließung innewohnen, die begrenzen, was gesagt werden kann und was als Wissen Geltung besitzt. Dies hat nicht nur eine gewisse „Hartnäckigkeit der Themen“ (Foucault 2013, S. 54) zur Folge, sondern auch, dass man „nicht in irgendeiner Epoche über irgendetwas sprechen kann; es ist nicht einfach, etwas Neues zu sagen“ (Foucault 2013, S. 68).

3.4.2

Der Tod des Autors

Welche Konsequenzen hat dies nun für den Autor eines Textes? „The concept of an ‚author‘ as a free creative source of the meaning of a book belongs to the legal and educational forms of the liberal humanist discourse that emerged in the late eighteenth and early nineteenth centuries; it is not a concept that exists within discourses that have developed recently“ (Macdonell 1986, S. 3). Erneut ist es Foucault, der die diskursanalytische Bestimmung des Autors entscheidend geprägt hat. Er stellt die gängige Sichtweise vom Autor als Schöpfer eines Textes radikal in Frage. Denn für ihn ist der Autor keineswegs bloß ein

3.4 Diskurs und Intertextualität

65

sprechendes Individuum, das einen Text gesprochen oder geschrieben hat, sondern vielmehr ein „Prinzip der Gruppierung von Diskursen, als Einheit und Ursprung ihrer Bedeutungen, als Mittelpunkt ihres Zusammenhalts“ (Foucault 2012, S. 20). Die Rolle des Autors als Textproduzent wird hier also stark eingeschränkt und das schreibende Individuum gleichsam zu einem mehr oder weniger zufälligen Kreuzungspunkt überindividueller Prozesse degradiert (Lauer 1999, S. 220). Der Autor, der zuvor als Subjekt betrachtet wurde, welcher durch sein integrierendes Bewusstsein und sein intentionales Schreiben seine Texte erzeugte, verliert somit die Herrschaft über sein Produkt und erfüllt unter der Macht des Diskurses selbst nur eine Funktion der Diskursregulierung (Baasner und Zens 2005, S. 144). „[Der] Autor ist genau genommen weder der Eigentümer seiner Texte, noch ist er verantwortlich dafür; er ist weder ihr Produzent noch ihr Erfinder“ (Foucault 1974b, S. 7). Auch Roland Barthes beschränkt die Funktion des Autors auf die Selektion von Diskurselementen, die selbst anderer Herkunft sind. Er ersetzt den Autor – ähnlich wie Foucault – durch das Konzept eines Schnittpunkts von Diskursen und knüpft damit an Julia Kristevas Verabschiedung des Autors zugunsten einer universalen Intertextualität an (Jannidis et al. 1999, S. 3). Barthes ersetzt den Autor-Gott durch den Schreiber (écrivain) als bloßen Verknüpfer von Zitaten, dessen einzige Macht darin besteht, „die Schreibweisen zu mischen, sie dergestalt gegeneinander auszuspielen, daß er sich nie auf eine von ihnen stützt; wollte er sich ausdrücken, so sollte er zumindest wissen, daß die innerliche ‚Sache‘, die er sich zu ‚übersetzen‘ anmaßt, selbst wieder nur ein völlig zusammengesetztes Wörterbuch ist, dessen Wörter sich nur durch andere Wörter erklären lassen, und dies ad finitum“ (Barthes 2006, S. 61; Herv. i. O.). Nicht nur erscheint der Autor in diesem Zusammenhang als völlig irrelevant für die Erklärung der Bedeutung seiner Texte; schlussendlich finden die Ausführungen Barthes‘ ihren Höhepunkt darin, dass er den „Tod des Autors“ (Barthes 2006, S. 57) ausruft. Obgleich also der Schreiber den Text zu Papier bringt, ist es nicht er, der spricht, sondern der Diskurs, der durch ihn zu Wort kommt. In diesem Sinne bezeichnet Autor lediglich eine Funktion (Foucault 1974b, S. 18). Diese völlig veränderte Sichtweise auf den Autor reflektiert den Versuch, das cartesianische Subjektmodell zu überwinden, welches ein aufgrund von Denken und Vernunft einzigartiges, geschlossenes und von anderen distinktes Subjekt postulierte. Die Weigerung, sich auf das Subjekt als einheitliche Größe zu beziehen, richtet sich zugleich gegen die Humanwissenschaften, die davon ausgingen, dass man den Menschen in seiner endgültigen Form erfassen könnte

66

3 Text und Bedeutung

(Foucault 1974a, S. 413–462). Foucault hingegen hält es für sinnvoller, das Subjekt im Prozess zu analysieren. Auf diese Weise kritisiert er auch die Vorstellung eines ahistorischen Subjekts und möchte „ein durch unterschiedliche Wissenssysteme geformtes Subjekt benennen, das in der Abfolge der Wissen (Plural!) in der Geschichte keine Konstante bilden kann“ (Ruoff 2013, S. 205). So steht das Individuum nicht mehr für den Ursprung eines Diskurses, sondern es tritt als Subjekt in eine Form des Diskurses ein. Wenn man nun an dieser Stelle Foucaults Frage, „Wer spricht?“ (Foucault 2013, S. 75) aufgreift, so lässt sich zusammenfassend sagen: Es spricht das Subjekt, das aber nicht Individuum ist. Denn es tritt nur als Sprecher des Diskurses und nicht als Individuum in der Funktion des Sprechers auf (Ruoff 2013, S. 87).

3.5

Diskurs und Wandel

Nachdem bisher dargelegt wurde, dass Bedeutung nicht durch schöpferische Subjekte erzeugt, sondern erst in diskursiven Zusammenhängen generiert wird, muss nun aber auch zur Kenntnis genommen werden, dass es keineswegs einen gesellschaftsübergreifenden Gesamtdiskurs gibt, welcher gleichsam das gesamte diskursive Feld dominiert und vereinheitlicht. Im Gegenteil: Diskurse sind niemals vollständig etabliert. Sie befinden sich immer im Konflikt mit anderen Diskursen, die die Realität anders definieren und somit andere Bedeutungen konstruieren. Genau diesen diskursiven Antagonismus versuchen Ernesto Laclau und Chantal Mouffe mithilfe ihrer Diskurstheorie begrifflich zu erfassen.

3.5.1

Die Diskurstheorie nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe

Der Kerngedanke, der der Diskurstheorie von Laclau und Mouffe zugrunde liegt, ist der, dass soziale Prozesse niemals abgeschlossen oder allumfassend sind. Das Postulat von Norbert Elias, dass Gesellschaft nicht als Zustand, sondern als Prozess zu verstehen ist (Elias 1970, S. 127), findet sich hier also wieder. Ernesto Laclau und Chantal Mouffe formulieren ihre Sozialtheorie gewissermaßen am Kreuzungspunkt zweier wichtiger Theorietraditionen, indem sie diese miteinander kombinieren und gleichzeitig jeweils einer Modifikation unterziehen. Bei diesen Traditionen handelt es sich einerseits um den Marxismus sowie andererseits um den Strukturalismus. Während der Marxismus den Ausgangspunkt ihres Nachdenkens über das Soziale im Allgemeinen bildet, dient ihnen hingegen der Strukturalismus als Stütze für eine Theorie der Konstitution von Bedeutung. Beide dieser Traditionen werden zu einer Gesellschaftstheorie

3.5 Diskurs und Wandel

67

vereinigt, die das Soziale als ein Zusammenspiel von Prozessen der Bedeutungsproduktion versteht (Jørgensen und Phillips 2012, S. 25). Zwei wesentliche Aspekte der marxistischen Theorie, mit der sich Laclau und Mouffe kritisch auseinandersetzen, seien hier genannt: das von ihnen als „a new variant of essentialism“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 98) bezeichnete BasisÜberbau-Modell einerseits sowie die teleologische Geschichtsphilosophie andererseits. Das Marx’sche Axiom vom Konfliktcharakter der Gesellschaft wird allerdings übernommen und findet seinen Niederschlag im Konzept des Antagonismus (Laclau und Mouffe 1985, S. 122–127). Demnach zeichnet sich Gesellschaftlichkeit in erster Linie aus durch eine unabgeschlossene und offene Auseinandersetzung um eine Fundierung der Gesellschaftsordnung. Es ist jedoch wichtig, dass der Begriff des Antagonismus nicht auf einen Machtkampf zwischen sozialen Gruppen oder Individuen reduziert und auch nicht als ein quasilogischer Widerspruch innerhalb einer gesellschaftlichen Struktur gedacht wird, sondern sich einer „diskurs- und differenztheoretischen Reformulierung“ (Reckwitz 2006, S. 345) unterzieht. Denn der Ausgangsbegriff der Theorie Laclaus und Mouffes ist der des Diskurses, nicht der der Gesellschaft. Auch hierin spiegelt sich die Kritik Laclaus und Mouffes an vielen Sozialtheorien und insbesondere am Marxismus wider, zumal eine als objektive Totalität verstandene Gesellschaft, in der es klar voneinander abgrenzbare Gruppen – wie beispielsweise Klassen – gibt, die wiederum in einem eindeutig bestimmbaren Verhältnis zueinander stehen, für sie ein Ding der Unmöglichkeit ist. „Here we arrive at a decisive point in our argument. The incomplete character of every totality necessarily leads us to abandon, as a terrain of analysis, the premise of ‚society‘ as a sutured and self-defined totality“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 111; Herv. i. O.). Mit anderen Worten: Gesellschaft ist für Laclau und Mouffe nichts Anderes als eine „Agglomeration von Diskursen“ (Reckwitz 2006, S. 341). Alle sozialen Praktiken gelten demzufolge als Bestandteile von Diskursen, zumal es sich bei diesen nicht bloß um mentale, sprachliche oder textuelle Phänomene handelt, sondern um „tatsächlich materiale, sinnhaft konstituierte Komplexe von Praktiken“ (Reckwitz 2006, S. 342). Der relationale Sinnzusammenhang, den der Diskurs-Begriff bei Laclau und Mouffe bezeichnet, manifestiert sich daher ebenso in Praktiken des Umgangs mit der Welt wie in mündlicher Kommunikation oder schriftlichen Texten. Hierzu analog verhält sich auch die soziale Konstitution von Bedeutung, die Laclau und Mouffe vor allem als Prozess der Fixierung von Bedeutung ver-

68

3 Text und Bedeutung

stehen (Laclau und Mouffe 1985, S. 112). Es ist hier, wo der Einfluss Ferdinand de Saussures zum Vorschein kommt. Nach dessen strukturalistischer Linguistik ist nämlich Sprache in erster Linie ein geordnetes System von Zeichen. Wichtig dabei ist, dass dem System eine Vorrangstellung gegenüber seinen Elementen – also den Zeichen – eingeräumt wird. Diese haben keine vom System unabhängige Existenz, sondern werden erst durch ihre Beziehung zu den jeweils anderen Zeichen desselben Systems definiert (Rolf 2008, S. 11). Der Inhalt bzw. die Bedeutung der Zeichen rührt also nicht von ihrer Beziehung zur Realität her, sondern leitet sich ab aus der Differenz zu den jeweils anderen Zeichen. Die Beziehung zwischen Bezeichnendem (signifiant) und Bezeichnetem (signifié) ist somit willkürlich (arbitraire) und beruht lediglich auf Konvention (Bußmann 2002, S. 658). Dies hat eine entscheidende Konsequenz hinsichtlich der Beziehung der Sprache zur Wirklichkeit. Wenn nämlich die Bedeutung eines Zeichens ausschließlich durch dessen Differenz zu anderen Zeichen, d.h. durch seine Position im lexikalen System, bestimmt wird, so heißt dies, dass Sprache ein in sich geschlossenes – mit Niklas Luhmann könnte man vielleicht sagen: selbstreferentielles (Luhmann 2009, S. 244) – System bildet, für das es kein Außen gibt (van Leeuwen 1981, S. 74). „Wie die Sprache nun aber einmal ist, kann es in ihr, von welcher Seite man auch an sie herantritt, nichts Einfaches geben; überall und immer dieses selbe beziehungsreiche Gleichgewicht von Gliedern, die sich gegenseitig bedingen. Mit anderen Worten: die Sprache ist eine Form und nicht eine Substanz“ (Saussure 2001, S. 146; Herv. i. O.). Wörter verweisen demnach nicht auf die Realität, sondern immer bloß auf jeweils andere Wörter. „The reference to reality is blocked by the imprisonment of the sign within the system“ (van den Hengel 1982, S. 21). Den Gedanken des Strukturalismus, dass Zeichen ihre Bedeutung nicht durch ihre Beziehung zur Realität, sondern durch die Interrelation innerhalb eines Netzwerks von Zeichen erlangen, übernehmen auch Laclau und Mouffe in ihrer Diskurstheorie. Sie wandeln ihn jedoch in einem entscheidenden Punkt ab – indem sie nämlich die Auffassung von der stabilen, dauerhaften und in sich geschlossenen Struktur der Sprache verwerfen. Während der Strukturalismus noch davon ausging, dass jedes Zeichen eine eindeutige Position im lexikalen System

3.5 Diskurs und Wandel

69

einnimmt, dass seine Beziehung zu den jeweils anderen Zeichen auf diese Weise determiniert und somit seine Bedeutung festgelegt ist, lehnen Laclau und Mouffe jede Art der vollständigen und endgültigen Determiniertheit von Bedeutung ab (Laclau und Mouffe 1985, S. 112–113). Obgleich sie also nach wie vor der Meinung sind, dass ein Zeichen seine Bedeutung aufgrund seiner Differenz zu anderen Zeichen erlangt, stellen sie doch fest, dass die Zeichen, von denen es sich abgrenzt, je nach Kontext variieren können (Jørgensen und Phillips 2012, S. 11). Demnach existiert zwar eine Struktur, aber nicht Beständigkeit und Stabilität sind ihre kennzeichnenden Merkmale, sondern Unbeständigkeit und Instabilität. Der Eindeutigkeit von Zeichen im Strukturalismus stellen Laclau und Mouffe also deren Mehrdeutigkeit gegenüber. Genau an dieser Stelle erfolgt nun die Verknüpfung des Strukturalismus mit der Marx’schen Grundannahme von der prinzipiellen Konflikthaftigkeit von Gesellschaft. Laclau und Mouffe konstatieren nämlich, dass es trotz – oder gerade wegen – der beschriebenen Mehrdeutigkeit von Zeichen, stets Bestrebungen gibt, Bedeutung zu fixieren, d.h. Eindeutigkeit zu schaffen. Dies ist jedoch ein unmögliches Unterfangen, zumal jede Fixierung von Bedeutung letzten Endes kontingent bleiben muss. So kommt es zu einem fortwährenden Kampf um die Konstitution und Etablierung von Bedeutung. Formiert sich ein solcher Bedeutungszusammenhang, in dem jedes Zeichen einen fixen Punkt im Gesamtnetzwerk einnimmt und sich daher in einem (vergleichsweise) klaren Verhältnis zu allen anderen Zeichen befindet, sprechen Laclau und Mouffe von Diskurs. Die Etablierung einer Beziehung zwischen den Zeichen selbst hingegen nennen sie Artikulation. „In the context of this discussion, we will call articulation any practice establishing a relation among elements such that their identity is modified as a result of the articulatory practice. The structured totality resulting from the articulatory practice, we will call discourse“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 105; Herv. i. O.). Diese partielle – weil temporäre – Fixierung wird primär erreicht durch die Exklusion sämtlicher alternativer Bedeutungszusammenhänge, sprich: anderer Möglichkeiten der Verknüpfung von Zeichen. Die Gesamtheit all jener anderen Möglichkeiten, die durch den Diskurs ausgeschlossen werden, nennen Laclau und Mouffe „field of discursivity“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 111). „[The] field of discursivity is understood as everything outside the discourse, all that the discourse excludes. But exactly because a discourse is always constituted in relation to an outside, it is

70

3 Text und Bedeutung always in danger of being undermined by it, that is, its unity of meaning is in danger of being disrupted by other ways of fixing the meaning of the signs“ (Jørgensen und Phillips 2012, S. 27).

Ein elementares Problem eines jeden Diskurses ist daher, den Bedeutungsüberschuss des diskursiven Feldes bewältigen und begrenzen zu müssen – eine Aufgabe, die dem Luhmann’schen Konzept der Reduktion von Komplexität gleichkommt (Luhmann 2005, S. 147). Denn, wie bereits ausgeführt, sind Diskurse keineswegs endgültige Fixierungen von Bedeutung. Mehrdeutigkeiten sowie die Gefahr, von der Bedeutungsvielfalt im diskursiven Feld untergraben zu werden, bestehen nach wie vor. Anders als in der Tradition de Saussures, gemäß welcher Zeichen ein in sich geschlossenes System bilden, ist ein Diskurs nach Laclau und Mouffe niemals geschlossen im Saussure’schen Sinne. Es gibt immer alternative Formen der Bedeutungsgenerierung, die die diskursive Struktur aufweichen, unterminieren oder transformieren können. In diesem Sinne handelt es sich bei Diskursen um gewissermaßen unvollständige und vorläufige Konstrukte, die sich stets in einer – im Gegensatz zur marxistischen Theorie – ergebnisoffenen Konfliktkonstellation mit anderen Diskursen befinden. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass jeder Diskurs seine Identität erst über die Abgrenzung von seinem jeweiligen Außen, d.h. vom diskursiven Feld, gewinnt (Reckwitz 2006, S. 344). Trotz der offenkundigen Parallelen zu Pierre Bourdieus Konzept der symbolischen Kämpfe (Bourdieu 1988, S. 57), die hier bestehen, muss doch festgehalten werden, dass die Diskurstheorie Laclaus und Mouffes nicht die klassentheoretischen Konnotationen aufweist, die sich bei Bourdieu finden. Auch mit Blick auf Foucault, dessen Idee von einer „Disziplinargesellschaft“ (Foucault 1977, S. 269) eher stabile Verhältnisse suggeriert, muss an dieser Stelle das Postulat von der Uneindeutigkeit und relativen Unkontrollierbarkeit in Laclaus und Mouffes Ansatz herausgestellt werden. In Anlehnung an Antonio Gramscis Hegemonie-Begriff sprechen Laclau und Mouffe in diesem Zusammenhang von „hegemonic practices“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 134), durch die versucht wird, Bedeutung festzulegen – oder genauer: nur eine bestimmte Bedeutung als die einzig mögliche zu präsentieren. Hegemoniale Diskurse sind demzufolge all jene Diskurse, denen es gelingt, sich als universal und alternativlos zu etablieren und auf diese Weise – wenn auch zeitweise – einen gesellschaftlichen Konsens zu schaffen. Die Parallele zum Hegemonie-Konzept Gramscis besteht hier darin, dass auch dieser den konsensuellen Aspekt politischer Kontrolle hervorhebt. Gramsci bestreitet jedoch keineswegs den per se antagonistischen Charakter der sozialen Wirklichkeit. Vielmehr betont er, dass es innerhalb einer stabilen sozialen Ordnung ein Min-

3.5 Diskurs und Wandel

71

destmaß an Eintracht geben muss, die so wirkmächtig ist, dass sie Störungen, die von konfligierenden Interessen herrühren, standhalten kann. „Hegemonic rule is the rule through ‚consent‘ (consenso)“ (Femia 1981, S. 35; Herv. i. O.). Hegemonie impliziert also, dass Antagonismen, die prinzipiell jeder Form von Gesellschaftlichkeit zugrunde liegen, verborgen bleiben. So wird gesellschaftliche Spannung gleichsam in gemeinschaftliche Harmonie überführt (Körner 1997, S. 23). Gramscis Theorie der Hegemonie legt nahe, dass sich die Generierung von Bedeutung im gesellschaftlichen Überbau abspielt. Insofern unterscheidet sie sich zwar von der historisch materialistischen Sichtweise, dass die wesentlichen sozialen Prozesse im Unterbau stattfinden. Letzten Endes ist es für Gramsci aber doch wieder der Unterbau, der die Entwicklungen im Überbau bewirkt. Denn es sind die ökonomischen Verhältnisse, welche für Gramsci die wahren Interessen der Menschen bestimmen und somit die Aufteilung der Gesellschaft in verschiedene Klassen bedingen. Ebenso wie der historische Materialismus betrachtet auch Gramsci soziale Klassen als objektive gesellschaftliche Gruppen, zu denen Menschen gehören – und zwar unabhängig davon, ob ihnen dies bewusst ist oder nicht (Ives 2004, S. 152). Genau aus diesem Grunde enthält Gramscis Hegemoniekonzept für Laclau und Mouffe immer noch einen ökonomistischen Restbestand, und es gelingt ihm daher auch nicht, den dem Marxismus inhärenten Essentialismus zu überwinden. „For Gramsci, even though the diverse social elements have a merely relational identity, […] there must always be a single unifying principle in every hegemonic formation, and this can only be a fundamental class. Thus two principles of the social order – the unicity of the unifying principle, and its necessary class character – are not the contingent result of hegemonic struggle, but the necessary structural framework within which every struggle occurs. Class hegemony is not a wholly practical result of struggle, but has an ultimate ontological foundation. […] This is the inner essentialist core which continues to be present in Gramsci’s thought“ (Laclau und Mouffe 1985, S. 69; Herv. i. O.). Wie auch aus diesem Zitat deutlich wird, kann es für Laclau und Mouffe keine objektiven Gesetze geben, als Folge derer die Gesellschaft sich in bestimmte

72

3 Text und Bedeutung

Gruppen aufteilt. Denn Gruppenformation und -identitäten sind immer ein Ergebnis diskursiver Prozesse (Jørgensen und Phillips 2012, S. 43–45). Es bleibt die Frage, wie es den hegemonialen Diskursen gelingt, eine – wenn auch, wie bereits ausgeführt, relative – Stabilität herzustellen. Anders gefragt: Wie gelingt es einem bestimmten Diskurs, andere Diskurse zu dominieren? Wie bereits ausgeführt, setzt sozialer Antagonismus für Laclau und Mouffe voraus, dass Diskurse einander ausschließen. Dabei bildet jeder einzelne Diskurs eine eigenständige Identität aus und ist somit Teil des diskursiven Feldes der jeweils anderen Diskurse. Sobald sich jedoch ein Antagonismus abzeichnet, stellt alles von einem Diskurs Ausgeschlossene eine Gefahr für dessen spezifische Ausformung der Bedeutungsstruktur dar. Die Kontingenz dieser Struktur sowie die Kontingenz der durch sie gebildeten Identität treten nunmehr zum Vorschein. Antagonismen finden sich daher überall dort wieder, wo Diskurse, die sich ohnehin in einer mehr oder weniger latenten Konfliktkonstellation bewegen, kollidieren. Eine Möglichkeit der Lösung von Antagonismen sind die sogenannten hegemonialen Interventionen, d.h. Artikulationen, mithilfe derer – womöglich gewaltsam – Eindeutigkeit wiederhergestellt wird. Mit anderen Worten: Ein Diskurs wird von seinem diskursiven Feld unterhöhlt. Dies hat zur Folge, dass seine innere Struktur zerbröckelt. Schließlich vereinnahmt ihn ein anderer Diskurs, indem er die Elemente des ersten Diskurses neu ordnet – oder mit Laclau und Mouffe ausgedrückt: re-artikuliert (Laclau und Mouffe 1985, S. 7). Eine hegemoniale Intervention gilt also dann als erfolgreich, wenn es einem Diskurs gelingt, in Folge eines Konfliktes Dominanz zu erlangen und der Antagonismus sich daraufhin (vorerst!) auflöst. Ergebnis der Intervention ist die Formierung eines Diskurses, d.h. die neue Fixierung von Bedeutung (Jørgensen und Phillips 2012, S. 48).

3.5.2

Reproduktion und Wandel

Denkt man nun die Begriffe Sprache, Artikulation, Struktur, Bedeutung, Diskurs, Intertextualität und Archiv zusammen, so ergibt sich folgendes Bild: Allgemein ausgedrückt, lässt sich zunächst sagen, dass Sprache für das Individuum ein Instrument zur Aneignung des sozialen Wissens- und Wertebestandes darstellt. Die Verknüpfung von sprachlichen Zeichen und Bedeutungen ist jedoch nicht a priori gegeben, sondern sozial vermittelt. Der Einzelne wird also in eine Sprachgemeinschaft hineingeboren, in der sich ihm die Sprache von außen aufdrängt. Im Durkheim’schen Sinne handelt es sich bei Sprache somit um einen sozialen Tatbestand (Durkheim 1965, S. 105–114). Andererseits aber gewinnt der

3.5 Diskurs und Wandel

73

Mensch erst durch Sprache die Möglichkeit, anderen etwas mitzuteilen, sich auszudrücken und sich auch über den Bereich einer konkreten Situation hinaus zu verständigen. Durch Sprache werden Dinge überhaupt erst sagbar. Mit dem Begriff des Diskurses lässt sich hingegen erfassen, welche Regeln und Mechanismen dahingehend wirken, dass bestimmte Aussagen getätigt werden können und andere wiederum nicht. Diskurse sind nämlich nicht bloß eine Ansammlung von Aussagen, die sich um ein Thema gruppieren, sondern hochgradig regulierte Gruppierungen von Aussagen oder Meinungen mit internen Regeln, die für den jeweiligen Diskurs spezifisch sind (Mills 2007, S. 51). Dabei sind es im Wesentlichen Ausschlusspraktiken, durch die diese Regeln die Sagbarkeit von Dingen bestimmen. Das, was gesagt werden kann, mag also natürlich und evident erscheinen. Die Natürlichkeit und Evidenz ist jedoch das Ergebnis von Ausschlüssen. In diesem Sinne wird die Produktion des Diskurses „zugleich kontrolliert, selektiert, organisiert und kanalisiert […] – und zwar durch gewisse Prozeduren, deren Aufgabe es ist, die Kräfte und die Gefahren des Diskurses zu bändigen, sein unberechenbar Ereignishaftes zu bannen“ (Foucault 2012, S. 11). Diskurse sind also stets Zwängen und Restriktionen ausgesetzt, die den Zufall in Grenzen halten. Da auf diese Weise Diskurse sowohl der materiellen, als auch der sozialen Realität ihre Gegenständlichkeit und Sinnhaftigkeit verleihen, sind sie angewiesen auf ein historisch gewachsenes Bedeutungsreservoir, aus dem sie schöpfen können. Diese Funktion erfüllt das Foucault’sche Konzept des Archivs, welches, wie dargelegt wurde, einen kollektiven – und aufgrund von Ausschlusspraktiken einzig legitimen – Wissensbestand bezeichnet, der den Äußerungen innerhalb eines diskursiven Zusammenhangs eine ganz bestimmte Bedeutung auferlegt. Es erklärt, so Foucault, dass „der Diskurs nicht nur einen Sinn oder eine Wahrheit besitzt, sondern auch eine Geschichte, und zwar eine spezifische Geschichte“ (Foucault 2013, S. 184–185). „The main advantage of the concept of an archive, however, is that it reminds us of the limits within which discourse operates, of the constraints on choice and creativity in discourse. These limits are historical“ (Blommaert 2005, S. 103). Sämtlichen Aussagen, die innerhalb einer diskursiven Formation getätigt werden, ist daher eine mehr oder minder direkte Referenz auf das Archiv inhärent. Dies gewährleistet allerdings auch, dass sie überhaupt verständlich – oder, je nachdem, auch missverständlich – sein können (Blommaert 2005, S. 40). Insofern gründet das Archiv eine Art Common Sense (Fairclough 1992, S. 87), des-

74

3 Text und Bedeutung

sen restriktiven Charakter wiederum Clifford Geertz wie folgt zum Ausdruck bringt: „As a frame for thought, and a species of it, common sense is as totalizing as any other: no religion is more dogmatic, no science more ambitious, no philosophy more general. Its tonalities are different, and so are the arguments to which it appeals, but like them – and like art and ideology – it pretends to reach past illusion to truth, to, as we say, things as they are“ (Geertz 1983, S. 84). Es erscheint an dieser Stelle sinnvoll, das Verhältnis zwischen Sprechen und Text einer gesonderten Aufmerksamkeit zu unterziehen. Ginge man nun davon aus, dass es sich bei Texten bloß um eine schriftliche Fixierung des Diskurses handelte, müsste schlussgefolgert werden, dass die Schrift dem Phänomen des Sprechens nichts Substantielles hinzufügt. Paul Ricœur widerspricht allerdings dieser Behauptung und hebt nachdrücklich hervor, dass es sehr wohl einen fundamentalen Unterschied geben müsse. „Was durch die Schrift fixiert wird, ist also eine Rede, die man zwar hätte sprechen können, die man aber genau deshalb schreibt, weil man sie nicht spricht“ (Ricœur 2005, S. 80–81). Allem voran sei das Verhältnis zwischen Schreiben und Lesen ein qualitativ anderes als das zwischen Sprechen und Antworten. Die Schrift verlange nach Lektüre und trenne den Akt des Schreibens und den Akt des Lesens in zwei Vorgänge, die nicht miteinander in Verbindung stünden. Auf diese Weise bewirke der Text „eine doppelte Ausblendung des Lesers und des Schriftstellers“ (Ricœur 2005, S. 81). Die Enthebung aus der konkreten Sprechsituation reißt also eine Kluft zwischen Autor und Leser, die in der dialogischen Beziehung nicht gegeben ist. Andererseits verleiht dies dem Text jedoch eine gewisse Autonomie und ermöglicht es ihm, diejenigen Zwänge, die ihre Wirkung durch die Unmittelbarkeit der Situation beziehen, zu transzendieren (van den Hengel 1982, S. 38). Genau hier setzt das Konzept der Intertextualität noch einmal ein. Laut Kristeva impliziert diese nämlich, „das Eindringen der Geschichte (der Gesellschaft) in den Text“ (Kristeva 1972, S. 351). Dadurch, dass Texte – implizit oder explizit – auf andere, ihnen historisch vorangegangene Texte Bezug nehmen und sie somit gleichsam in die Gegenwart tragen, gewährleisten sie die historische Kontinuität eines Diskurses (Fairclough 1992, S. 84). Auf diese Weise gelingt es dem Diskurs, sich über einen langen Zeitraum zu reproduzieren. Zugleich ver-

3.5 Diskurs und Wandel

75

weist der Begriff der Intertextualität aber auch auf die Verbindung der Makromit der Mikro-Ebene, indem er nämlich konkret aufzeigt, wie Strukturen auf individueller Ebene wirksam werden (Blommaert 2005, S. 48). Letzten Endes läuft jene Verbindung aber, so scheint es, darauf hinaus, dass die strukturellen Zwänge dem Subjekt gar keinen kreativen Spielraum mehr lassen. Denn der Diskurs „erlaubt zwar, etwas anderes als den Text selbst zu sagen, aber unter der Voraussetzung, daß der Text selbst gesagt und in gewisser Weise vollendet werde“ (Foucault 2012, S. 20). Bedeutet dies nun, dass ständig und immer alles wiederholt wird oder dass tatsächlich nur „wenige Dinge insgesamt gesagt werden können“ (Foucault 2013, S. 174)? Ist es in der Tat so, dass trotz der geradezu unendlichen Möglichkeiten der Kombination von sprachlichen Elementen, Foucault recht hat, wenn er schreibt: „Das Neue ist nicht in dem, was gesagt wird, sondern im Ereignis seiner Wiederkehr“ (Foucault 2012, S. 20)? Fairclough verneint diese Frage und betont die Notwendigkeit einer Diskurstheorie, die die Dichotomie zwischen Stabilität und Wandel aufbricht. „What is at issue more generally is the exclusively top-down view of power and ideology in […] which accords with the emphasis […] on social stasis rather than change, social structures rather than social action, and social reproduction rather than social transformation. There is a need for a social theory of discourse based upon a revaluation of these dualisms as poles in relationship of tension, rather than opting for one member of each pair and rejecting the other as if they were mutually exclusive“ (Fairclough 1992, S. 29). Ferner gilt es, das Dilemma zwischen Objektivismus und Subjektivismus zu überwinden. Denn „[the] first (abstract objectivism) sees language as happening entirely outside the person, while the second (individualistic subjectivism) treats language as completely inside the person“ (Holquist 1990, S. 42). Die Diskurstheorie Foucaults kritisiert Fairclough insbesondere dahingehend, dass sie trotz ihrer Stärken nicht imstande sei, Wandel hinreichend zu erklären. Viel zu sehr suggeriere sie stabile Verhältnisse und widme diskursiven Konflikten nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit (Fairclough 1992, S. 56–57). Dabei biete die – freilich auch bei Foucault vorhandene – Vorstellung von der Interrelation zwischen Diskursen das notwendige Fundament zur Erklärung von Wandel. Vor allem das Konzept der Intertextualität (Fairclough verwendet in diesem Zusammenhang auch den etwas weiteren Begriff der Interdiskursivität) erlaube es, das Transformationspotential von Texten und im weiteren

76

3 Text und Bedeutung

Sinne auch Diskursen zu erfassen. Denn die Eingebettetheit eines Textes in historisch entstandene Bedeutungszusammenhänge müsse nicht zwangsläufig zu deren Reproduktion führen. Vielmehr wohne jedem Prozess der Textproduktion auch ein kreatives Moment inne, da die Referenz auf andere Texte die Möglichkeit biete, Elemente verschiedener Diskurse auf neuartige Weise miteinander zu verknüpfen. Gerade der historistische Kern des intertextuellen Ansatzes ermögliche es also, den schöpferischen Aspekt der Textproduktion herauszustellen (Fairclough 1992, S. 85). Dennoch muss an dieser Stelle zur Kenntnis genommen werden, dass die Möglichkeiten für das kreative Zusammenfügen von verschiedenen – und unter Umständen miteinander konkurrierenden – Diskursen sehr stark eingeschränkt sind aufgrund bestehender Machtkonstellationen. Diese sind es nämlich, die den Zugang verschiedener Akteure zu verschiedenen Diskursen bestimmen. „Genauer gesagt: nicht alle Regionen des Diskurses sind in gleicher Weise offen und zugänglich; einige sind stark abgeschirmt (und abschirmend), während andere fast allen Winden offenstehen und ohne Einschränkung jedem sprechenden Subjekt verfügbar erscheinen“ (Foucault 2012, S. 26). Grundsätzlich lässt sich jedoch festhalten, dass „texts are produced in the interaction and clashing of a variety of constraining factors“ (Mills 1991, S. 69). Hieraus lässt sich nun schließen, dass jedes in einem Text enthaltene Element gleichsam die Einbeziehung oder gar Erwiderung diverser diskursiver Einflüsse widerspiegelt. Dies macht Texte in sich heterogen, komplex, ambivalent und mitunter widersprüchlich. „Intertextuality entails an emphasis upon the heterogeneity of texts, and a mode of analysis which highlights the diverse and often contradictory elements and threads which go to make up a text. Having said that, texts vary a great deal in their degrees of heterogeneity, depending upon whether their intertextual relations are complex or simple. Texts also differ in the extent to which their heterogeneous elements are integrated, and so in the extent to which their heterogeneity is evident on the surface of the text. […] Intertextuality is the source of much of the ambivalence of texts. If the surface of a text may be multiply determined by the various other texts which go into its composition, then elements of that textual surface may not be clearly placed in relation to the text’s intertextual network, and their meaning may be ambivalent;

3.5 Diskurs und Wandel

77

different meanings may coexist, and it may not be possible to determine ‚the‘ meaning“ (Fairclough 1992, S. 104–105). Insofern besitzt ein Text, selbst wenn er, wie dargelegt wurde, bloß das Glied einer langen Kommunikationskette ist, das Potential zur Generierung neuen Wissens und somit der Konstitution neuer Bedeutungen. Diskurs zeichnet sich demnach nicht nur durch Zwänge und Restriktionen aus, sondern ist zugleich „an open and, in principle, unlimited process of creation of meaning“ (van Leeuwen 1981, S. 78). Mit Kristevas Worten ausgedrückt, impliziert Intertextualität nicht nur das Eindringen der Geschichte in den Text, sondern auch „des Textes in die Geschichte“ (Kristeva 1972, S. 351). Gleichzeitig wäre es jedoch zu vereinfachend, wenn behauptet würde, dass allein der dialogische Prozess für die gesellschaftliche Transformation verantwortlich sei. Vielmehr ist es die Heterogenität und Komplexität des diskursiven Feldes, auf dem sich jener Prozess abspielt. Denn die unterschiedlichen sozialen Positionen der Akteure eröffnen diesen den Zugang zu jeweils verschiedenen Diskursen und ebnen somit den Weg für eine Vielfalt von Artikulations- und Reartikulationsmöglichkeiten. „Yet each recuperation creates something that was not there before: its meanings are the product of a particular conjuncture. Discourses are embedded in contemporaneous networks of meanings and social relationships, with their own histories of transformation, that come together in a specific combination and are thereby mutually reconfigured. Thus while particular cultural themes may be repeated, each repetition has new resonances and produces new meanings and effects“ (Rose 1999, S. 229). Wenngleich also das Konzept des Archivs bei Foucault auf die Begrenztheit der Wahlmöglichkeiten und der Kreativität in Diskursen verweist, erlaubt es nichtsdestotrotz, Wandel zu erklären. Die Tatsache, dass nämlich die neuen Aussagen aus jenem Archiv heraus formuliert werden, bedingt, dass sie weiterhin verständlich bleiben und somit – um abermals Luhmann heranzuführen – die Anschlussfähigkeit der Kommunikation (Luhmann 1991a, S. 200) gewährleisten. Dies wiederum deutet auf einen längerfristigen Veränderungsprozess hin, bei dem die Produktion von neuem Wissen stets auf der Grundlage des bereits bestehenden Wissens erfolgt, ohne dass ein offen sichtbarer Bruch stattfinden muss (Williams 1965). Hier kommt erneut die Rolle des Autors bzw. des Subjekts ins Spiel. Ob nun vollständig oder partiell, es ist eben jene seine Determiniertheit durch diskursive Strukturen, die überhaupt erst Kreativität ermöglicht und somit Trans-

78

3 Text und Bedeutung

formation bedingt. Analog zu Simmels Modell von der Schnittmenge sozialer Kreise (Simmel 1992, S. 466) muss der Autor also prinzipiell verschiedenen diskursiven Beschränkungen ausgesetzt sein, um deren Elemente in einen neuartigen Bedeutungszusammenhang einflechten zu können. Denn „to disturb the previous state of [a] structure so that it is developmentally transformed into another state […] implies a considerable amount of agreement with it, a considerable ability to assimilate it. [...] Only an individual who corresponds to the structure which he is to affect in his dispositions and their hierarchy will appear as a strong developmental factor“ (Mukařovský 1977, S. 173). Inwieweit nun die Rekonfiguration diskursiver Elemente durch das Subjekt auf dessen individuelle Reflexionsgabe zurückführbar ist, steht hier nicht zur Disposition (Stivers 1993, S. 423–424). Entscheidend ist, dass jedweder diskursiver Bestimmtheit auch ein schöpferisches Moment innewohnt. Auch Foucault leugnet übrigens nicht die Existenz kreativer Subjekte. Obwohl für ihn die Funktion des Autors primär in der Einschränkung des Zufalls besteht, sieht auch er genau darin die Voraussetzung für Kreativität. „Gewöhnlich sieht man in der Fruchtbarkeit eines Autors, in der Vielfältigkeit der Kommentare, in der Entwicklung einer Disziplin unbegrenzte Quellen für die Schöpfung von Diskursen. Vielleicht. Doch ebenso handelt es sich um Prinzipien der Einschränkung, und wahrscheinlich kann man sie in ihrer positiven und fruchtbaren Rolle nur verstehen, wenn man ihre restriktive und zwingende Funktion betrachtet“ (Foucault 2012, S. 25). Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die Kombination von Elementen unterschiedlicher diskursiver Formationen nicht nur den Wandel der jeweiligen Diskurse selbst impliziert, sondern darüber hinaus auch die Produktion neuer und unter Umständen komplexerer Diskurse mit sich bringt (Fairclough 1992, S. 108). Dies kann mitunter die Verschiebung, Aufweichung oder gar Aufhebung diskursiver Grenzen zur Folge haben (Jørgensen und Phillips 2012, S. 87). Die Verständlichkeit auch der daraus sich ergebenden neuartigen Aussagen gewährleistet dabei die prinzipielle Offenheit für Rezeption. Die Situation der Rezipienten hingegen ist analog zu der des Autors zu betrachten. Denn die Einzigartigkeit ihrer jeweiligen Positionen im diskursiven Feld bestimmt – ähnlich wie beim Textproduzenten – die aus der Rezeption resultierende spezifische Bedeutung. Insofern ist jede Rezeption eines Textes zugleich auch dessen Reproduktion – oder genauer: Transformation. Der Akt des Rezipierens kommt nämlich keineswegs einer Erschließung der Autorintention gleich. Diese muss dem Rezipienten aufgrund der beschriebenen diskursiven Konstellationen unzugänglich bleiben.

3.5 Diskurs und Wandel

79

Vielmehr ist er zu verstehen als die Generierung neuer Bedeutungsmomente, als gleichsam kreativer Akt. Es scheint, als geselle sich zum Autor-Gott von Roland Barthes nun auch ein Leser-Gott hinzu. Barthes selbst bemerkt hierzu jedoch Folgendes: „Die Geburt des Lesers muß mit dem Tod des ‚Autors‘ bezahlt werden“ (Barthes 2006, S. 63). Diese Schlussfolgerung – das dürfte aus dem bisher Gesagten deutlich geworden sein – ist mehr als zweifelhaft. Fakt ist aber, dass die Rolle des Rezipienten bei der Konstitution von Bedeutung den Autor seines Status‘ als privilegierter Interpret seines eigenen Textes enthebt (Jannidis et al. 1999, S. 19). Es versteht sich von selbst, dass der diffuse und heterogene Charakter des diskursiven Feldes die Mannigfaltigkeit der sich darin abspielenden Kämpfe erhöht. Dies macht nicht nur den Ausgang der Konflikte in hohem Maße unvorhersehbar, sondern erklärt darüber hinaus, warum ein lineares oder gar teleologisches Entwicklungsmodell getreu der marxistischen Geschichtsphilosophie von vornherein auszuschließen ist. Auch darf der Begriff der hegemonialen Interventionen von Laclau und Mouffe nicht dazu verleiten, Transformation als einen einseitig verlaufenden Top Down-Prozess zu deuten, in welchem der hegemoniale Diskurs alle anderen Diskurse gleichsam überrennt. Tatsächlich impliziert der Begriff, dass der Diskurs „von Natur aus der Gegenstand eines Kampfes“ (Foucault 2013, S. 175) ist, und es demzufolge auch Widerstand gegen Oktroyierungen von oben geben kann (Fairclough 1992, S. 9). Auch lokale Diskurse (Blommaert 2005, S. 102) haben somit prinzipiell die Möglichkeit, sich auf jenes umkämpfte Terrain zu begeben. „Creative practice, then, is something that has to be situated in the borderline zone of existing hegemonies. It develops within hegemonies while it attempts to alter them, and so may eventually effectively alter them by shifting the borders and by creating new (contrasting) forms of consciousness; it produces ‚supplements‘ to what is already in the ‚archive‘, so to speak“ (Blommaert 2005, S. 106; Herv. i. O.).

4

Methodische Vorgehensweise

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die diskurstheoretischen Grundlagen dieser Arbeit geklärt wurden, soll nun im Folgenden über „die ‚Passungen‘ von Fragestellung, Datenmaterial und Methoden“ (Keller 2011a, S. 65) reflektiert werden, um sodann die konkrete empirisch-methodische Vorgehensweise näher zu bestimmen.

4.1

Vorüberlegungen

Jede Diskursanalyse beginnt in der Regel mit einer Frage- oder einer Problemstellung und hat somit einen mehr oder minder klar umrissenen Forschungsgegenstand (Tonkiss 2004, S. 376; Viehöver 2008, S. 234). Gegenstand der vorliegenden Arbeit soll im Folgenden die empirische Untersuchung von Diskursen über den Machtverfall des Osmanischen Reiches in ihrem geschichtlichen Wandel sein. Anhand einer Auswahl von osmanischen und türkischen Reiseberichten – der genaue Textkorpus wird noch näher einzugrenzen sein – soll der Frage nachgegangen werden, wie und warum Machtverfalls-Diskurse im historischen Prozess entstehen und sich verändern konnten und auf welche Weise sie somit eine veränderte Wirklichkeit hervorbrachten. In diesem Sinne versteht sich die Arbeit als eine historische Diskursanalyse. „Die zentrale Fragestellung der historischen Diskursanalyse zielt auf das Bemühen, die Wissens-, Wirklichkeits- und Rationalitätsstrukturen vergangener Gesellschaften aufzudecken. Das Ziel dieses Ansatzes ist daher sicherlich ungewohnt und paradox. Indem die historische Diskursanalyse sich auf diejenigen Gegebenheiten konzentriert, die zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt als ‚wahr‘ und ‚wirklich‘ gewusst wurden, stellt sie sich gerade nicht die Aufgabe, Verdecktes zu entdecken oder Verborgenes erscheinen zu lassen. Vielmehr versucht sie, das ans Tageslicht zu holen, was so selbstverständlich und unmittelbar geworden ist, dass es gerade deswegen nicht mehr wahrgenommen werden kann“ (Landwehr 2009, S. 165; Herv. i. O.). © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_4

82

4 Methodische Vorgehensweise

Ausgehend von dem theoretischen Grundsatz, dass die gesellschaftlichen Akteure, die als Sprecher in Diskursen in Erscheinung treten, dies aus ihrer jeweiligen Sprecherposition heraus tun und daher über unterschiedliche und ungleich verteilte Ressourcen der Artikulation verfügen, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass Diskurse niemals die Welt als solche abbilden, sondern Wirklichkeit in spezifischer Weise konstituieren (Keller 2011a, S. 67). Prozesse der Textproduktion sind daher stets „constrained by the available members‘ resources, which are effectively internalized social structures, norms and conventions, including orders of discourse, […] and which have been constituted through past social practice and struggle“ (Fairclough 1992, S. 80). Der Gebrauch von Sprache ist demzufolge eine Handlung sowie gleichermaßen die Prozessierung und Zuschreibung von Sinn bzw. Bedeutung. Beide Dimensionen „können als sozialer und zugleich sozial strukturierter Prozess verstanden werden. Dabei besteht eine dialektische Beziehung zwischen Diskursen und der ihren Kontext bildenden Sozialstruktur: beide wirken wechselweise als Bedingungen und Effekte. Diskurse konstituieren Welt, und sie werden umgekehrt durch sie konstituiert; sie (re-)produzieren und transformieren Gesellschaft; sie leisten die Konstruktion sozialer Identitäten, die Herstellung sozialer Beziehungen zwischen Personen und die Konstruktion von Wissensund Glaubenssystemen“ (Keller 2011a, S. 29). Mit anderen Worten: Es geht der Diskursanalyse nicht um die Erfassung der Realität hinter dem Diskurs oder dessen, was „hinter dem Papier“ (Landwehr 2001, S. 103) liegt. „For the discourse analyst, the purpose of research is not to get ‚behind‘ the discourse […]. The starting point is that reality can never be reached outside discourses and so it is discourse itself that has become the object of analysis“ (Jørgensen und Phillips 2012, S. 21). Hieraus ergibt sich gleichermaßen, dass die Frage nach dem eigentlich gemeinten Sinn, der Mentalität oder den leitenden Interessen des Autors für die Diskursanalyse ebenfalls nicht im Vordergrund steht. Im Gegenteil: die Vorstellung, dass ein Text nur durch die Erschließung der Beweggründe seines Autors verstanden werden könne, wird hier grundsätzlich in Frage gestellt. Der diskursanalytische Ansatz geht vielmehr davon aus, dass der latente Sinn unabhängig von den Intentionen der Sprecher produziert wird. Obgleich also, wie bereits ausführlich dargelegt wurde, die Subjektpositionen in Diskursen eine wesentliche Rolle spielen, enthalten Aussagen stets mehr als den von Sprechern subjektiv gemeinten Sinn (Gee 2008, S. 121).

4.1 Vorüberlegungen

83

Wirklichkeitskonstruktionen sind daher in erster Linie nicht als Ergebnis individuell motivierter und intendierter Aussagen zu verstehen, sondern vielmehr als Resultat eines Diskurses oder genauer: der Interrelationalität von Diskursen. Das kreative Moment der Textproduktion geht dabei jedoch keineswegs verloren. Denn die Aufeinanderbezogenheit von Diskursen und die damit einhergehende intertextuelle Eingebettetheit eines jeden Textes hält, wie gezeigt wurde, die Möglichkeit offen, Diskurse auf neuartige Weise miteinander zu verbinden oder – um es mit Laclau und Mouffe auszudrücken – Elemente verschiedener Diskurse zu re-artikulieren. Dies wiederum macht Texte nicht nur in sich heterogen und komplex, sondern schließt darüber hinaus die Offenlegung einer widerspruchsfreien und eindeutig identifizierbaren Autorenmeinung prinzipiell aus. „[T]raditional research assumed people have consistent attitudes to ‚objects‘ […], whereas discourse analysis shows not only that people produce different and even contradictory evaluations of an object according to the context, but also that the object itself is constructed differently depending upon its evaluation“ (Fairclough 1992, S. 24). Vor diesem Hintergrund erscheint es nun notwendig, dass die sozialen Bedingungen, welche zu dem diskursiven Ereignis der Textproduktion geführt haben, in die Analyse mit einbezogen werden. Andererseits müssen wiederum die Diskurse selbst eingegrenzt werden, wenn sie die Bedingung erfüllen wollen, einer qualitativ orientierten Analyse zugänglich zu sein. Obgleich es keine richtigen und falschen Begrenzungen gibt, sondern nur mehr oder weniger plausible, will auch die Art der Eingrenzung begründet sein. Daher muss die Auswahl der Erhebungs- und Analyseverfahren stets in Abstimmung mit den spezifischen diskurstheoretischen Grundannahmen und den Forschungsinteressen erfolgen (Keller 2011a, S. 75). Nun steht aber die Diskursanalyse vor dem generellen Problem, dass es für sie keine umfassende und einzig gültige Methode gibt. Denn der Begriff der Diskursanalyse „formuliert zuallererst einen Gegenstandsbereich und ein Untersuchungsprogramm, aber keine eigenständige Methode. […] Das konkrete methodische Vorgehen bei sozialwissenschaftlichen Diskursanalysen läßt sich aus diesem Grunde nicht vorab, ein für allemal festlegen oder auf eine spezifische Methode einengen“ (Keller 2011b, S. 149). Die diskursanalytische Literatur selbst bietet also wenig Aufschlussreiches über konkrete Analysewerkzeuge. Laclau und Mouffe, auf deren Diskurstheorie sich die vorliegende Arbeit im Wesentlichen stützt, bilden in dieser Hinsicht keine Ausnahme, da auch sie sich kaum zur empirischen Umsetzung ihrer Theorie äußern (Glasze 2008, S. 195; Jørgensen und Phillips 2012, S. 49). Ent-

84

4 Methodische Vorgehensweise

sprechend finden sich nur relativ allgemein gehaltene Anregungen mit den immer wieder auftauchenden Hinweisen, dass es „nicht nur einen Untersuchungsweg zur Erkenntnis“ (Landwehr 2009, S. 100) geben könne und daher nach Variation Ausschau zu halten sei (Tonkiss 2004, S. 376). Ebenso, wie jedem Wissensprozess prinzipiell ein interpretatives Moment innewohnt (Stivers 1993, S. 422), ist auch die Diskursanalyse in ihrer empirischmethodischen Umsetzung letzten Endes „immer und notwendig ein Prozess hermeneutischer Textauslegung“ (Keller 2011a, S. 76). Sie ist daher in der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik verortet, weshalb vor allem der Interpretationsleistung des Forschers eine wesentliche Rolle zukommt. Denn „[t]he text is a dumb object which only the act of interpretation-by-placement can force to speak“ (Bauman 1978, S. 230). Konkurrierende Interpretationen und alternative Vorgehensweisen sind in diesem Zusammenhang immer möglich und gerechtfertigt (Gee 2008, S. 128; Keller 2011a, S. 77). „To remain true to its task, hermeneutics had now to extend its concerns beyond the faithful description and structural analysis of the text. It had to interpret, to advance hypotheses regarding the hidden meaning of the text. The text itself could only advise the reader as to the plausibility of his interpretation; it could not offer conclusive proof that the choice had been right. Indeed, one could establish whether descriptions were true or false; but one could at best speak of the ‚plausibility‘ or ‚implausibility‘ of interpretations“ (Bauman 1978, S. 10). Im Gegensatz zur sprachwissenschaftlichen Diskursanalyse bleiben linguistische und grammatikalische Aspekte für die sozialwissenschaftliche Diskursanalyse weitgehend uninteressant. Ihr geht es in erster Linie um „die Rekonstruktion der Wirklichkeitsordnung, die durch den Diskurs und im Diskurs konstituiert wird“ (Keller 2011b, S. 152). Dementsprechend interessiert sie sich für „Aussagen, Praktiken und Dispositive als Manifestationen der strukturierten Prozessierung kontingenter gesellschaftlicher Wissensvorräte“ (Keller 2011a, S. 69). Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie denn ein Text im Einzelnen zu lesen ist, d.h. wie durch methodische Schritte Diskurse aus dem Diskursmaterial herausanalysiert werden können. „Man erkennt Diskurse aufgrund einer Regelhaftigkeit, mit der sie gebildet werden; diese wird entweder aus dem Aussagenmaterial direkt ersichtlich oder ist aus in der Aussage enthaltenen

4.1 Vorüberlegungen

85

Diskurselementen oder -partikeln sowie weiteren Aussagen- und Textelementen zu erschließen“ (Bublitz 2011, S. 267). Als Glied einer bereits existierenden Kommunikationskette – als „kommunikative Okkurenz“ (Beaugrande und Dressler 1981, S. 3) – enthält also jeder einzelne Text derlei implizite wie explizite Verweise auf diskursive Zusammenhänge. Die Auswertung des Textmaterials dürfte daher bestimmte sich wiederholende Muster zutage fördern, die nicht nur – ganz im Sinne Foucaults – die Grenzen des Sagbaren festlegen, sondern darüber hinaus auch die Verbindungslinien zu eben jenen Diskursen bilden (Viehöver 2011, S. 194). Hier besteht jedoch die Schwierigkeit, dass gerade historische Texte, da sie oft institutionellen und damit auch archivalisch überlieferten Kontexten entstammen, häufig eine in hohem Maße normierte Form aufweisen. Dies lässt sie mitunter als für eine diskursanalytische Untersuchung ungeeignet erscheinen, wo doch ihre Gleichförmigkeit kaum noch Spezifika erkennen lässt (Landwehr 2009, S. 115). Zudem erschwert dieser Umstand das ohnehin schwierige Problem der methodischen Konzeptualisierung von diskursivem Wandel. Denn obgleich sich die Komplexität diskursiven Geschehens allein schon aus theoretischen Gründen nicht auf eine monokausale Linie zurückführen lässt, es also nicht Ziel sein kann, den zentralen Motor oder ersten Beweger von Diskursen ausfindig zu machen – „denn Diskursforschung ist keine Theologie“ (Landwehr 2010a, S. 377) –, muss es gelingen, begriffliche Werkzeuge zu entwerfen, anhand derer sich Wandel konkret erfassen lässt (Landwehr 2010b, S. 16). An dieser Stelle sei noch einmal daran erinnert, dass gerade im Zuge langfristiger Veränderungsprozesse die Produktion von neuem Wissen immer auf der Grundlage bereits bestehenden Wissens geschieht (vgl. Kapitel 3.5.2). Diskurstheoretisch formuliert, drückt sich Wandel also stets als die ReArtikulation von bereits bestehenden diskursiven Elementen aus. Wiederholungen sind demnach keineswegs als Indiz für Beweglosigkeit zu deuten. „Für die Frage nach dem diskursiven Wandel erscheint mir die Wiederholung auf jeden Fall unverzichtbar […]. Diskurse als strukturelle Gebilde ‚leben‘ davon, dass sie ‚bearbeitet‘ werden – andernfalls würden sie als irrelevant im Orkus der Geschichte entschwinden. Ohne Wiederholungen verlören Diskurse also jegliche Bedeutung – wobei Wiederholung keineswegs mit Kopie gleichzusetzen ist. Wiederholungen sind keine identischen Klone einer vorhergehenden Situation, sondern zeichnen sich durch – wenn auch minimale – Abweichungen und Aneignungsformen aus. Und gerade diese Nuancen an Veränderungen sind es, die – sicherlich

86

4 Methodische Vorgehensweise nicht weniger wichtig als in radikalen diskursiven Brüchen – dafür sorgen, dass diskursiver Wandel vonstattengeht. Wiederholungen sorgen für die Reproduktion, Transformation und dann auch wieder erneute Produktion von Diskursen. Diese Trias gilt es im Blick zu behalten, wenn diskursiver Wandel beschrieben und erklärt werden soll“ (Landwehr 2010a, S. 380).

Abweichungen und Nuancierungen verdienen jedoch auch deshalb Beachtung, weil es vor allem untypische Aussagen sind, die die Regelhaftigkeit von Diskursen noch einmal in besonderer Weise deutlich machen. Grundsätzlich gilt es dabei, der Gefahr entgegenzuwirken, dass „nur jene Texte bzw. Textpassagen berücksichtigt werden, die den impliziten Erwartungen der Wissenschaftler(innen) entsprechen“ (Glasze 2008, S. 201). Dazu gehört auch, über die Frage zu reflektieren, weshalb bestimmte diskursive Elemente in einigen Texten nur rudimentär aufgegriffen werden oder sogar überhaupt nicht zur Sprache kommen. Denn auch das „Schweigen [ist] ein Akt der Kommunikation“ (Burke 1994, S. 65). Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Texte durchaus als Indikatoren für soziale Veränderungen angesehen werden können. Aufgrund ihrer intertextuellen wie interdiskursiven Eingewobenheit sind sie „Zeugnisse andauernder Prozesse wie der Neudefinition sozialer Beziehungen, der Rekonstruktion von Identitäten und jener von Wissen“ (Titscher et al. 1998, S. 187). Für die sozialwissenschaftliche Diskursanalyse sind daher neben textinternen auch textexterne Bedingungen von Bedeutung. Demgemäß sind auch Reiseberichte nicht bloß als Produkte subjektiver Reiseerfahrungen, sondern als materiale Manifestationen gesellschaftlicher Wissensordnungen zu verstehen. „Thus, it is not necessary to read travel writing as expressing the truth of the author’s life, but rather, it is the result of a configuration of discursive structures with which the author negotiates“ (Mills 1991, S. 9). Um nun aber die verschiedenen diskursiven Elemente in den untersuchten Reiseberichten jeweils wiedererkennen zu können, bedarf es der Benennung der entsprechenden Diskurse und ihrer Regelhaftigkeit noch vor der diskursanalytisch-methodischen Rekonstruktion (Bublitz 2011, S. 267). Dies geht einher mit der Frage, wie denn der außersprachliche Kontext der untersuchten Reiseberichte schlussendlich zu definieren und mit welchen konkreten Analysewerkzeugen er zu analysieren ist. Angesichts der Tatsache, dass der osmanische MachtverfallsDiskurs, auf welchen hin die Reiseberichte im Folgenden untersucht werden

4.2 Diskurse als Narrationen

87

sollen, die Struktur einer Erzählung bzw. eines Narrativs (White 1973, S. 7) aufweist, die sich nicht zuletzt auf einen Gründungsmythos sowie den Mythos eines goldenen Zeitalters unter der Herrschaft Süleymans I. (reg. 1520-1566) stütz, erscheint es zunächst sinnvoll, sich zu diesem Zweck des Konzepts der Narration zu bedienen.

4.2

Diskurse als Narrationen

Verschiedene Ansätze der Diskursforschung betonen die Rolle von narrativen Mustern, von sogenannten story lines, roten Fäden oder plots, durch welche die einzelnen Bestandteile einer Aussage zu einer kleineren oder größeren Erzählung bzw. Geschichte verbunden werden (Keller 2011a, S. 110). „[S]ocial life is itself storied and […] narrative is an ontological condition of social life“ (Somers 1994, S. 613–614; Herv. i. O.). Mit anderen Worten: der Mensch ist ein „Homo Narrans“ (Fisher 1985, S. 74). Unter Narration ist jedoch nicht das chronologische Auftreten von Ereignissen, Akteuren und Objekten zu verstehen (White 1987, S. 5–6), sondern vielmehr „eine Matrix, die der Geschichte Sinn, Kohärenz, zeitliche und räumliche Strukturen verleiht und Beziehungen zwischen Objekten, Ereignissen, Akteuren und der Orientierungen herstellt“ (Viehöver 2011, S. 203). Erzählungen lassen sich demnach in mehrere strukturelle Einheiten – Episoden – aufgliedern, die zeitlich und/oder kausal miteinander verknüpft sind und der Geschichte somit ihre formale Struktur geben (Somers 1994, S. 616–617). Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik zufolge das interpretative Forschen eine apriorische Strukturierung nach deduktiv entwickelten Merkmalen nicht zulässt. Demnach muss das Strukturierungskriterium aus der Empirie abgeleitet werden. Die regelmäßigen Verknüpfungen von Elementen, welche Beziehungen einer spezifischen Qualität herstellen, werden dabei als narrative Muster gefasst, die sich wiederum in umfassendere Narrationen einfügen. Insofern werden Narrationen selbst in konkreten Texten vielfach nur teilweise reproduziert. Deshalb ist nicht der einzelne Text als die Quelle von Narrationen zu betrachten, sondern Diskurse als kollektive, übersituative und intertextuelle Zusammenhänge von Äußerungsformen (Glasze 2008, S. 204–205). Narrationen bilden dabei die Regelsysteme, welche eben jene Diskurse strukturieren (Viehöver 2011, S. 194). Die soziale Praxis der Narrativisierung, d.h. die durch den Erzähler vorgenommene Verortung von Personen – einschließlich der eigenen –, von Ereig-

88

4 Methodische Vorgehensweise

nissen und Objekten in eine Geschichte (Viehöver 2011, S. 195), lässt sich auch in den hier untersuchten Reiseberichten wiederfinden. Indem die Reisenden beispielsweise implizit oder explizit auf historische Hintergründe rekurrieren, betten sie das Durchlebte und Erfahrene in einen Handlungsablauf (Plot) ein. Unmittelbar erlebte Ereignisse – ja sogar einzelne Wörter (Wittgenstein 1969, S. 311; Gee 2008, S. 15) – erhalten auf diese Weise ihre ganz bestimmte, sich aus dem narrativen Sinnzusammenhang ergebende Bedeutung und Kohärenz. Die Einarbeitung neuartiger Situationen in bestehende narrative Rahmen hingegen eröffnet dabei die prinzipielle Möglichkeit für kollektive Lernprozesse (Eder 1999, S. 202–203). „The connectivity of parts is precisely why narrativity turns ‚events‘ into episodes, whether the sequence of episodes is presented or experienced in anything resembling chronological order. This is done through ‚emplotment‘. It is emplotment that gives significance to independent instances, not their chronological or categorical order. And it is emplotment that translates events into episodes. As a mode of explanation, causal emplotment is an accounting (however fantastic or implicit) of why a narrative has the story line it does. […] Without attention to emplotment, narrativity can be misperceived as a non-theoretical representation of events. Yet it is emplotment that permits us to distinguish between narrative on the one hand, and chronicle or annales, on the other“ (Somers 1994, S. 616–617; Herv. i. O.). Zugleich stellen Reiseberichte ihrerseits ein Medium der Zirkulation von Narrativen dar. Ihre Verfasser selektieren und transformieren – bewusst oder unbewusst – die ihnen zur Verfügung stehenden Narrative, schreiben diese ihrerseits fort und speisen sie wiederum in das Reservoir verfügbarer Narrative ein. Unter Umständen trifft in Reiseberichten somit eine Vielzahl von Narrativen aufeinander. Auf Reisen bzw. im Zuge der anschließenden Verarbeitung des Erlebten in Berichten lassen sich daher Prozesse der Verortung innerhalb einander überlappender und sich kreuzender Narrative in besonders verdichteter Form beobachten (Nolde 2006, S. 275). Der Diskurs über den Machtverfall des Osmanischen Reiches weist nicht nur, wie bereits angedeutet, eine narrative Struktur auf, sondern trägt zugleich die Züge sogenannter Master- bzw. Meta-Narrationen (Somers 1994, S. 619). Es handelt sich bei diesen um große Geschichtsnarrative, die den kulturellen Traditionen von Gesellschaften zugrunde liegen und daher als vergleichsweise stabil gelten (Colby 1966, S. 793; Kittsteiner 2002, S. 185). Analog zu großen Erzäh-

4.3 Wahl der Themen

89

lungen aus anderen Kontexten – wie beispielsweise dem Modernitäts-, dem Säkularisierungs- oder dem Industrialisierungsnarrativ (Hillebrandt 2010, S. 160– 171; Borutta 2010, S. 347; Mergel 1996, S. 63) – dient in den untersuchten Reiseberichten die Erzählung vom allmählichen Niedergang des Osmanischen Reiches oft als Referenzrahmen für weitere, thematisch gebundene Narrationen und Diskurse. In diesem Sinne grenzt die Meta-Narration gleichsam die Resonanz themenspezifischer Narrationen ein (Viehöver 2011, S. 200–201). Diese wiederum fungieren als Kategorien, mit denen die vom Machtverfalls-Diskurs konstituierte Wirklichkeit ausgestattet und anhand derer sie organisiert wird (Landwehr 2009, S. 22). Aus diesem Grunde kommt den thematischen Referenzen im analysierten Textmaterial eine zentrale Bedeutung zu.

4.3

Wahl der Themen

Die Tatsache, dass der diskursanalytische Ansatz in erster Linie auf die Erfassung der Regelhaftigkeit von Diskursen abzielt, könnte zunächst zu der Annahme verleiten, dass die Gegenstände oder Themen eines Diskurses nicht im Fokus stehen dürfen. Denn ein Diskurs „kann vielfältige und verschiedene, in sich möglicherweise vollkommen heterogene Gegenstände hervorbringen, die nach derselben Regel […] gebildet werden. Gegenstände werden ihrerseits multidiskursiv und damit nach verschiedenen Regeln gebildet. In ihnen kreuzen sich also unterschiedliche Diskurse und damit auch Regeln; sie bilden, so gesehen, den Kreuzungspunkt von Diskursen und eine Bündelung von Regelhaftigkeiten“ (Bublitz 2011, S. 266). Hieraus folgt allerdings auch, dass Diskurse in der Konstitution ihres referenziellen Bezuges unterschiedliche Elemente benennen und zu einer spezifischen Gestalt der Phänomenkonstitution verbinden (Keller 2011a, S. 103). Die vom Diskurs auf spezifische Weise (Regelhaftigkeit) konstituierte Wirklichkeit schließt also stets eine thematisch-semantische Organisation ein, welche innerhalb konkreter sozialer und historischer Kontexte stattfindet (Höhne 2008, S. 424). Themen, so Luhmann, gehören zu den Voraussetzungen jeglicher Kommunikation. „Unter ‚Themen‘ wollen wir bezeichnete, mehr oder weniger unbestimmte und entwicklungsfähige Sinnkomplexe verstehen, über die man reden und gleiche, aber auch verschiedene Meinungen haben kann: das Wetter, das neue Auto des Nachbarn, die Wiedervereinigung, der Motorlärm von Rasenmähern, das Steigen der Preise, der Minister Strauß. Solche Themen liegen als Struktur jeder Kommunikation zugrunde, die als Interaktion zwischen mehre-

90

4 Methodische Vorgehensweise ren Partnern geführt wird. Sie ermöglichen ein gemeinsames Sichbeziehen auf identischen Sinn und verhindern das Aneinandervorbeireden. Eine Kommunikation kann nicht beginnen ohne Unterstellung gemeinsam möglicher Gegenstände der Kommunikation, und solche Vorverständigungen erhärten sich im Laufe der Kommunikation zu mehr oder weniger festen Systemgrenzen in einer gemeinsam akzeptierten, unartikuliert vorausgesetzten Lebenswelt. Kommunikation setzt mithin außer der gemeinsamen Sprache noch zwei verschiedene Ebenen der Sinnfixierung voraus: die Wahl eines Themas und die Artikulation von Meinungen über dieses Thema; und erst innerhalb dieser Differenz kann die Differenz von übereinstimmenden und nichtübereinstimmenden Meinungen sich konstituieren. Entsprechend kann auch die Ablaufgeschichte eines Kommunikationssystems Sinnveränderungen auf diesen beiden Ebenen mit sich bringen – Veränderungen der Thematik und Veränderungen in den fixierten Meinungen. Beide Variationen werden typisch voneinander abhängen; das heißt: die Themenwahl wird nicht unabhängig von absehbaren oder sich herausstellenden Konsens- oder Dissenschancen getroffen werden“ (Luhmann 1971, S. 13).

Da nun aber Themen diskursspezifisch sehr unterschiedlich behandelt werden können, dürfen sie nicht als Kriterium für die Unterscheidung oder Abgrenzung von Diskursen geltend gemacht werden. Noch weniger kann von Themen als Bedingung für die Einheit und Geschlossenheit von Diskursen die Rede sein. Vielmehr lässt sich mit dem Begriff des Themas die Komplexität eines Diskurses erfassen, insofern, als die tatsächlich aktualisierten Aussagen zu einem Thema stets nur einen Teil der potentiell möglichen Aussagen ausmachen. Aus den verschiedenen Verweisungen und Verknüpfungen, die entsprechend der diskursiven Eingebundenheit eines Themas variieren können, ergeben sich alsdann die jeweils unterschiedlichen Grade der thematischen Komplexität von Diskursen. In dem Maße, also, „wie die Sinnkontingenz eines Diskursuniversums möglicher Thematisierungen durch Themenbildung verringert wird, findet ein Aufbau thematischer Komplexität durch aktualisierte Diskurse statt“ (Höhne 2008, S. 427). Trotz der Vielfalt ihrer Ausdrucksformen kreisen gesellschaftliche Diskurse somit doch um eine begrenzte Zahl thematisch relevant gemachter Probleme (Knoblauch 2011, S. 234). Für die Textanalyse erfolgt die Wahl der Themen – sowie insbesondere deren Eingrenzung – nicht etwa gemäß objektiver Kriterien, sondern enthält durchaus auch interpretative Momente. Gleichwohl kommt sie nicht völlig ohne

4.4 Kontextanalyse

91

Vorwissen aus. Die thematische Organisation des osmanischen MachtverfallsDiskurses soll daher Gegenstand des fünften Kapitels dieser Arbeit sein. Hinsichtlich der Textanalyse selbst bleibt festzuhalten, dass in der konkreten Vorgehensweise stets darüber zu reflektieren ist, auf welche Themen die untersuchten Textpassagen jeweils verweisen (Landwehr 2001, S. 106–107; Titscher et al. 1998, S. 97).

4.4

Kontextanalyse

Aus den bisher angestellten methodologischen Überlegungen dürfte ersichtlich geworden sein, dass die sozialwissenschaftliche – und somit auch historische – Diskursanalyse keine reine Textforschung sein kann. Erst die Einbettung des untersuchten Materials in einen gesellschaftlichen Kontext erlaubt es, sinnvolle Aussagen über die Gehalte, die Tendenzen und die historischen Verschiebungen von Diskursen zu machen (Landwehr 2009, S. 110). Denn „Geschichten müssen erzählt werden, was bedeutet, dass wir nicht nur etwas über die Geschichten, sondern auch über die Erzähler dieser Geschichten wissen müssen. Das konstituiert den Kontext […], in dem ein Symbol einen besonderen Wert annehmen kann“ (Eder 2007, S. 202). Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit bedeutet dies nun, dass die Diskursanalyse nicht nur die gesellschaftliche Stellung und den Wissenstand der jeweiligen Reiseberichtautoren zu berücksichtigen hat (Hupfeld 2007, S. 28), sondern auch der sozialen Situiertheit der einzelnen Aussageereignisse Rechnung tragen muss. Denn um das Neuartige für sich überhaupt erst begreiflich zu machen, greifen die Reisenden bei der Wahrnehmung, Darstellung und Deutung des Erlebten zwangsläufig auf die ihnen zugänglichen Deutungsmuster, Erklärungskategorien und Wertvorstellungen zurück (Hupfeld 2007, S. 26). Mit anderen Worten: Diskurse sind historisch und können nur im Zusammenhang mit dem Kontext verstanden werden (Titscher et al. 1998, S. 181). „It is generally agreed that in order to fully understand discourse we need to understand it in its ‚context‘. Yet, whereas linguistics, discourse studies, conversation analysis, psychology and the social sciences have for decades paid detailed attention to the properties of talk or text […], the contexts of language use have usually been ignored, taken for granted or studied as ‚variables‘ of the social situation“ (van Dijk 2009, S. 1).

92

4 Methodische Vorgehensweise

Der Zusammenhang zwischen dem Kontext und den einzelnen Textdokumenten erschließt sich daher keineswegs von selbst. Vielmehr sind beide Dimensionen zunächst analytisch unabhängig voneinander zu betrachten, um erst anschließend im Zuge der Auswertung ihre Beziehung herausarbeiten zu können (Keller 2011a, S. 100). Aus dieser analytischen Trennung erwachsen allerdings zwei grundlegende Probleme. Erstens stellt sich die Frage nach der Hierarchie zwischen Text und Kontext und somit auch nach dem Ausgangspunkt der Fragestellung. Soll es der Diskursanalyse darum gehen, mittels einer sorgfältigen Lektüre des Textmaterials zu der historischen Situation, d.h. dem Kontext, durchzudringen, oder ist ihr Anliegen vielmehr umgekehrt die Ermittlung kontextueller Einflüsse in dem jeweils untersuchten Text? Hierauf ist zu antworten, dass die Diskursanalyse weder die eine, noch die andere Form der Priorisierung zulässt. Ihr geht es vielmehr darum, die Wechselwirkungen zwischen den beiden Bereichen zum Gegenstand ihrer Untersuchungen zu erheben. Sowohl der Kontext, als auch die in jenem Kontext getätigten Äußerungen verdienen daher gleichermaßen Berücksichtigung, „und zwar nicht nur als ergänzender Aspekt neben dem Diskurs, sondern hinsichtlich [ihrer] Wechselwirkungen mit dem Diskurs“ (Landwehr 2009, S. 162; Herv. i. O.). Das zweite Problem, das sich aus der analytischen Trennung von Text und Kontext ergibt, betrifft die konkrete Eingrenzung des Kontextes. Einher geht dies mit der Frage, welche Aspekte des Kontextes in die Analyse einbezogen werden und welche aus ihr ausgeschlossen bleiben. Hier sei vorangestellt, dass die Definition einer Situation – und somit auch die ihres Kontextes – nicht nach objektiven, sondern vielmehr nach subjektiven Gesichtspunkten erfolgt. Es ist deshalb von der Prämisse auszugehen, dass „a context is what is defined to be relevant in the social situation by the participants themselves“ (van Dijk 2009, S. 5; Herv. i. O.). Das Konzept der Relevanz verweist in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur auf den Sprecher oder Autor eines Textes, sondern schließt zudem ausdrücklich auch den Rezipienten ein. „Thus […] we limit the concept of ‚context‘ to those properties of the communicative situation that are relevant for discourse, and we further stipulate that this is so either for speakers, and hence for the production of discourse, and/or for recipients, and hence for the understanding of discourse“ (van Dijk 2009, S. 4; Herv. i. O.). Die Kontextualisierung einer Aussage seitens des Forschers ist insofern als ein Akt des Verstehens und somit als eine interpretative Handlung zu charakterisieren, die sich zwar analog zu der seitens des Sprechers/Autors verhält, jedoch mit

4.5 Textanalyse

93

ihr nicht übereinstimmen muss. Daran zeigt sich erneut die Nähe der Diskursanalyse zu hermeneutischen Vorgehensweisen. Denn auch die Kontextualisierung des Daten- und Textmaterials im Forschungsprozess verläuft nicht objektiv. „However, before an interpreter can draw upon either context of situation, or indeed sequential context, to interpret the force of an utterance, she must have arrived at an interpretation of what the context of the situation is. This is analogous to interpreting text: it involves an interplay between cues and members’ resources, but the members’ resources in this case is in effect a mental map of the social order. Such a mental map is necessarily just one interpretation of social realities which are amenable to many interpretations […]. Pin-pointing the context of the situation in terms of this mental map provides two bodies of information relevant to determining how context affects the interpretation of text in any particular case: a reading of the situation which foregrounds certain elements, backgrounds others, and relates elements to each other in certain ways; and a specification of which discursive types are likely to be relevant“ (Fairclough 1992, S. 82–83; Herv. A. S.). Die Kontextualisierung des in der vorliegenden Arbeit zu untersuchenden Textmaterials – oder genauer: einzelner Passagen daraus – wird sich, in Anbetracht des bisher Vorgetragenen, vornehmlich an den thematischen Referenzen der jeweiligen Texte orientieren. Es wird also davon ausgegangen, dass die Reisenden die für ihre partikuläre Kommunikationssituation aus ihrer Sicht relevanten Diskurse mehr oder minder bewusst über „Themenaufhänger“ (Keller 2011a, S. 85) heranziehen und aktualisieren. Themen werden „in der Interaktion konkret und zugleich kontingent gewählt“ (Luhmann 1991b, S. 571; Herv. A. S.). Eine solche Vorgehensweise verspricht, so wird gehofft, nicht nur wichtige Aufschlüsse über die Relevanzstruktur – und somit über den Kontext – der jeweils beschriebenen Situationen, sondern bezieht zugleich auch deren bereits angesprochene Multidiskursivität in die Analyse ein.

4.5

Textanalyse

Der Begriff der Multidiskursivität impliziert, dass sowohl in den thematischen Referenzen, als auch innerhalb einzelner Aussagen im Text unterschiedliche Diskurse sich überschneiden, Texte also gleichsam Kreuzungspunkte verschie-

94

4 Methodische Vorgehensweise

dener Diskurse enthalten. Bedenkt man darüber hinaus, dass jeder Diskurs für sich genommen nichts Anderes ist als eine Kombination von anderen Diskursen (Interdiskursivität), so lässt sich folgern, dass jeder Text entsprechend seiner interdiskursiven Verflochtenheit einen mehr oder weniger hohen Grad an Komplexität aufweist. Das Ziel der Textanalyse besteht nunmehr darin, die einzelnen Diskurse, auf die ein Text rekurriert, zu identifizieren sowie ihre spezifische Art der Kombination und Re-Artikulation zu ergründen (Fairclough 2003, S. 128). Da jedoch nicht davon auszugehen ist, dass Diskurse in einem Dokument vollständig artikuliert wiederzufinden sind, muss sich die Diskursanalyse auf die Detailanalyse einer als angemessen erachteten Menge einzelner Aussageereignisse stützen (Keller 2011a, S. 91). Dabei gilt es, diejenigen Aussagen aus den Texten herauszufiltern, die für die Fragestellung der eigenen Untersuchung von Bedeutung sind. Die Auswertung der einzelnen Aussagen wiederum sollte das von den theoretischen Überlegungen herrührende Erkenntnisinteresse widerspiegeln. „Welche epistemische Struktur offenbaren die Aussagen? Welches Wissen wird vorausgesetzt? Welche Kategorisierungen, Kausalitäten, Wertehierarchien lassen die Aussagen erkennen? Welches Wissen wird in den Aussagen unterdrückt, nicht zugelassen, nicht berücksichtigt? In welchem Zusammenhang tauchen die Aussagen auf? Welche sich widerstreitenden Aussagen lassen sich in verschiedenen Texten beobachten? Wer versucht mit welchen Mitteln bestimmte Aussagen zu platzieren?“ (Landwehr 2009, S. 126) Grundsätzlich läuft die Textanalyse also darauf hinaus, die Spuren, die die Textproduktion in den Texten hinterlassen hat, auszumachen und sie anhand einschlägiger Textpassagen zu interpretieren. Wie bereits angedeutet, können hier selbst einzelne Wörter als Hinweise auf bestimmte Bedeutungszusammenhänge oder Diskurse ausgelegt werden, zumal Diskurse sich mitunter durch ein wiedererkennbares Vokabular auszeichnen. Dass jedoch ein und dasselbe Wort durchaus auch in unterschiedlichen diskursiven Strängen auftauchen kann und daher die ihm zugeschriebenen Bedeutungen – wenn auch nuanciert – variieren können, darf dabei nicht außer Acht gelassen werden (Fairclough 2003, S. 129–133). Gleichwohl soll es bei der Textanalyse im Wesentlichen nicht darum gehen, jedes einzelne Wort in die Untersuchung einzubeziehen oder gar quantitativ zu ermitteln, welche Worte wie häufig vorkommen. Ferner soll auf das Methodeninstrumentarium der Linguistik nur insoweit zurückgegriffen werden, als es für die Forschungsfrage insgesamt geeignet erscheint, zumal die vollständige Übernahme detailgenauer, linguistischer Verfahren schon allein aufgrund der Spra-

4.6 Bestimmung des Textkorpus

95

che, in der die untersuchten Reiseberichte verfasst sind, den Rahmen dieser Arbeit gänzlich sprengen würde. „Ziel einer solchen Textuntersuchung im Rahmen der historischen Diskursanalyse ist es nicht, den gesamten Text in all seinen Einzelheiten zu bestimmen, wie es die Sprachwissenschaft möglicherweise tun würde. Die historische Diskursanalyse will den Text und die Sprache nicht zum Selbstzweck werden lassen. Vielmehr sind beide Informationsträger Grundlage für den größeren historischen Zusammenhang des Diskurses, den es zu identifizieren und zu untersuchen gilt. Daher wird auch der jeweilige Einzeltext nicht als Entität untersucht, sondern es werden bestimmte, die Untersuchung leitende Merkmale in den Mittelpunkt gerückt. Die verallgemeinerte leitende Fragestellung bezieht sich auf die Darstellungshaltung, die der Text zu einem Umstand, einer Situation, einem Argument, einer sozialen Gruppe etc. einnimmt“ (Landwehr 2001, S. 113–114).

4.6

Bestimmung des Textkorpus

Osmanische Reiseberichte lassen zu großen Teilen eine Sensibilisiertheit ihrer Autoren hinsichtlich des Machtverfalls des Osmanischen Reiches gegenüber einem allmählich erstarkenden – aber dennoch unterschiedlich perzipierten und rezipierten – Europa erkennen. So finden sich in nahezu allen Berichten unmittelbare wie mittelbare Äußerungen sowie zum Teil sehr ausführliche Schilderungen, die sich mit der Thematik auseinandersetzen. Der osmanische Machtverfall stellt allerdings nicht nur eines der Leitmotive dieser Reiseberichte dar, sondern bildet, wie noch zu zeigen sein wird, darüber hinaus einen der stärksten Indikatoren für die Auseinandersetzung mit Europa überhaupt. Ausgehend von der Annahme, dass einzelne Texte niemals einen Diskurs vollständig abbilden, sondern allenfalls den Status von Diskursfragmenten haben können, wird nun ein wichtiges Kriterium für die Korpusbildung die Wiederholung und die Gleichförmigkeit von immer wieder ähnlich Gesagtem bzw. Geschriebenem bilden. Es ist diese Eigenschaft „diachroner Reihung und synchroner Häufigkeit von miteinander verbundenen Aussagen“ (Landwehr 2001, S. 106), welche die Diskursanalyse empirisch begründet. Dies erfordert zwar eine ausreichende Quantität an Texten. Letzten Endes kann aber auch eine noch so große Menge an Daten- oder Textmaterial keinen Anspruch auf vollständige Repräsentativität für die jeweiligen Diskurse erheben. Mit anderen Worten:

96

4 Methodische Vorgehensweise

„there is no ideal size for a corpus“ (Flowerdew 2004, S. 18). Hier tut sich nun ein Dilemma auf, mit dem jede diskursanalytische Studie sich konfrontiert sieht. Einerseits erfordert die Einzelfallorientierung, die Rekonstruktion von Bedeutung und die konfliktuelle Dimension diskursiver Prozesse eine detaillierte Analyse diskursiver Auseinandersetzungen. Andererseits aber übersteigt die Summe der Diskursbeiträge zu jenen Auseinandersetzungen meist die Reichweite qualitativer Analyseverfahren. Somit bewegen sich diskursanalytische Studien prinzipiell immer in einem Spannungsfeld zwischen Detaillierungszwang und Verallgemeinerungsgebot (Schwab-Trapp 2011, S. 298). Aus diesem Grund sei an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betont, dass die vorliegende Arbeit lediglich ein spezifisches Textgenre – nämlich das der Reiseberichte – im Hinblick auf ihre Produktion, Stabilisierung und Veränderung kollektiver Wissensvorräte zu untersuchen beabsichtigt. Das zugrundeliegende Material ist in diesem Sinne ein spezialisierter Textkorpus, bei dem sich die Forschungsfrage qua Definition auf eine bestimmte, in einer angegebenen Situation – nämlich der des Reisens – entstandene Textform bezieht (Connor und Upton 2004, S. 2). „Specialised corpus [is a] corpus of texts of a particular type, such as newspaper editorials, geography textbooks, academic articles in a particular subject, lectures, casual conversations, essays written by students etc. It aims to be representative of a given type of text“ (Hunston 2002, S. 14). Um aber die Repräsentativität des Textmaterials für das ausgewählte Genre zumindest annähernd sicherstellen und überdies der Dynamik des diskursiven Wandels über eine längere Periode Genüge leisten zu können, sollten die zu untersuchenden Elemente der Diskurse in ausreichender Anzahl vorhanden sein und sich seriell über einen gewissen Zeitraum erstrecken (Landwehr 2009, S. 103; Kennedy 1998, S. 60–61). Es stellt sich hier deshalb die Frage nach der vorzunehmenden zeitlichen Eingrenzung des Korpus. Damit einher geht aber das grundsätzliche Problem der zeitlichen Eingrenzung historischer Ereignisse überhaupt. Denn, wie bereits ausführlich dargelegt wurde, erhalten Ereignisse ihre Bedeutung erst und nur innerhalb eines (geschichtlichen) Narrativs. Jedwede Datierung bzw. Festlegung eines Anfangs oder Endes von Ereignissen – oder Ereignisketten – kommt demzufolge der Neuerzählung eines ganz bestimmten, an sich kontingenten Narrativs gleich (Bearman et al. 1999, S. 503). Getreu dem Luhmann’schen Konzept der Beobachtung aber, welches besagt, dass jede Beobachtung „in ihrer Unterscheidungsabhängigkeit sich selber latent“ (Luhmann 1991a, S. 91) bleibe und Beobachtung ohne den bei der einsetzenden Unterscheidung zwangsläufig übrigbleibenden blinden Fleck (Luhmann 2000, S. 127)

4.6 Bestimmung des Textkorpus

97

daher gar nicht erst möglich sei, muss hier nun ein zeitlicher Rahmen bestimmt werden, der gleichwohl auch zu begründen ist. In der geschichtswissenschaftlichen Literatur besteht allgemeiner Konsens darüber, dass die Ernennung des Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi 5 zum Botschafter in Paris im Jahre 1720 – also unmittelbar nach dem Frieden von Passarowitz (1718) – einen Wendepunkt in der osmanischen Außenpolitik markiert. Zu jener Zeit befanden sich die Osmanen gegenüber Europa in einer Defensivstellung, und die Entsendung rangniedriger Botschafter an die europäischen Höfe gehörte nunmehr der Vergangenheit an (Şirin 2009, S. 160). Zudem wurde einem Gesandten erstmalig die Anweisung auferlegt, neben seiner diplomatischen Mission auch andere Beobachtungen über das besuchte Land anzustellen und zu dokumentieren. Tatsächlich findet sich in dem vom damaligen Großwesir Damad İbrahim Paşa (1662-1730) an Mehmed Efendi ausgehändigten Schreiben über den diplomatischen Auftrag der ausdrückliche Vermerk, dass „mit der dafür gebotenen Gewissenhaftigkeit Nachforschungen über die Mittel der Zivilisation und die Bildung zu betreiben sowie anschließend über deren Anwendbarkeit ausführlich zu berichten“ (Arıkan 1988, S. 60) sei. Somit stellt der Gesandtschaftsbericht Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendis nicht nur einen der ersten Versuche der Osmanen dar, Europa in seinem Wesen zu verstehen (Korkut 2007, S. 27; Arıkan 2013, S. 552), sondern er prägte auch im Nachhinein das Bild des Abendlandes in der Vorstellungswelt der Osmanen entscheidend mit (Karamuk 1975, S. 134; Tanpınar 1982, S. 44). Aus diesen Gründen erscheint es angebracht, den Beginn des zu untersuchenden Zeitabschnitts bei diesem Bericht anzusetzen. Das Ende des Untersuchungszeitraums hingegen ergibt sich aus der Fragestellung der Arbeit selbst, zumal die Entscheidung für osmanische Reiseberichte es notwendigerweise auf das Ende des Osmanischen Reiches, d.h. auf November 1922 (Findley 2010, S. 224), festlegt. Aus Gründen des Vergleichs sollen jedoch zwei Reiseberichte aus der Zeit vor 1720 sowie eines aus der Zeit nach 1922 zusätzlich untersucht werden. Die Tatsache, dass ab etwa der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der klassische Gesandtschaftsrapport (sefâretnâme) allmählich verschwand und aufgrund der zunehmenden Reisetätigkeit der Osmanen nach Europa durch allgemeinere Reisebeschreibungen (seyahatnâme) ersetzt wurde (vgl. Kapitel 2.2.2), bedingt zudem, dass für den genannten Zeitraum beide Texttypen in den Korpus aufgenommen werden müssen. Dies erscheint vor allem deshalb gerechtfertigt, da die klassischen Sefâretnâmes des achtzehnten Jahrhunderts ohnehin keine geheimen Geschäfts5

Der Titel Efendi deutet im osmanischen Sprachgebrauch in der Regel auf einen hohen Bildungsgrad der genannten Person und schließt sämtliche gesellschaftliche Gruppen und Glaubensgemeinschaften ein (Pakalın 1993, S. 505–506).

98

4 Methodische Vorgehensweise

berichte waren, die Bemerkungen über den Inhalt der politischen Verhandlungen enthielten, sondern – teilweise sehr ausführliche – Schriften, in denen das anderweitig Erlebte und der äußere Rahmen der Verhandlungen geschildert wurden; „Eindrücke also, die in den regelmässig verschickten Depeschen über die laufenden Geschäfte nicht festgehalten werden konnten. Es sind dies Schriften, die zugleich für nichtamtliche gebildete Leserkreise bestimmt waren und in denen die Gesandten nach ihrem Ermessen Wissenswertes für ein ausgewähltes türkisches Publikum aufzeichneten“ (Karamuk 1975, S. 127). Allerdings stellt sich hier nun die grundsätzliche Schwierigkeit einer jeden historisch orientierten Diskursanalyse – namentlich die der Verfügbarkeit historischer Quellen (Paltridge 2008, S. 162). Um dieses – wahrlich methodologische – Problem möglichst umgehen zu können, sollen im Folgenden deshalb nur diejenigen Texte ausgewählt werden, die als Reiseberichte verfasst und publiziert wurden. Mit anderen Worten: Briefe 6, Gefangenschaftsberichte7 und literarische Texte wie beispielsweise Romane oder Gedichte, in die die im Ausland gesammelten Erfahrungen einflossen8, werden nicht oder nur am Rande berücksichtigt werden. Dadurch wird zugleich dem Begriff des spezialisierten Korpus entsprochen, gemäß welchem „specialized corpora include complete texts for a specific purpose instead of sample sections of texts“ (Connor und Upton 2004, S. 2). Zusammenfassend lässt sich der dieser Arbeit zugrundeliegende Textkorpus nun wie folgt bestimmen: Von den aus dem Untersuchungszeitraum insgesamt 23 noch erhaltenen Gesandtschaftsberichten (sefâretnâme), welche aus der Feder eines nach Europa entsendeten Botschafters oder Delegationsmitglieds stammen9, werden vierzehn in den Korpus aufgenommen. Die Anzahl der Reisebeschreibungen (seyahatnâme) hingegen, die nicht im Kontext einer diplomatischen Mission entstanden sind, beträgt zehn. Mit den drei weiteren Berichten, die vor bzw. nach dem Zeitabschnitt zwischen 1720 und 1922 datiert sind, liegt die Zahl der insgesamt untersuchten Texte somit bei 27. Bevor die einzelnen Texte und ihre Autoren im Folgenden näher vorgestellt werden, sei abschließend noch angemerkt, dass die Selektion des Korpus selbstverständlich immer hypothesengeleitet ist und daher niemals den Anspruch auf – eine wie auch immer verstandene – Vollständigkeit erheben kann. Es gilt 6

7 8 9

zum Beispiel die von Abdülhak Hâmid (Hâmid 1995) oder Namık Kemal (Kemal 1967, S. 81– 220) zum Beispiel der von Osman Ağa (Osman Ağa 1962) wie zum Beispiel bei Mehmed Akif Ersoy (Ersoy 1966) Aufgrund der unterschiedlich vorgenommenen Klassifikationen ist die Zahl der erhaltenen Gesandtschaftsberichte unter Historikern bisher umstritten (Yalçınkaya 1996b; Korkut 2007; Unat 2008).

4.6 Bestimmung des Textkorpus

99

zwar, die Materialauswahl vor allem im Hinblick auf die theoretischen Grundannahmen zu begründen und die Auswertung vor diesem Hintergrund methodologisch reflektiert durchzuführen. Nichtsdestotrotz muss jedoch eingeräumt werden, dass „no corpus can be everything to everyone“ (Reppen und SimpsonVlach 2010, S. 93). „Any corpus in the end ‚is a compromise between the desirable and the feasible‘“ (Paltridge 2008, S. 163).

4.6.1

Hacı Zağanos – Ungarn (1495)

Dieser undatierte und sehr kurze Bericht des Hacı Zağanos gilt unter einigen Historikern als das bisher älteste noch erhaltene schriftliche Zeugnis der osmanischen Diplomatie (Unat 2008, S. 43). Über den Verfasser ist – bis auf seinen Namen – nicht viel bekannt. Vermutet wird, dass er ein Angehöriger des Hofstabs von Sultan Bayezid II. (reg. 1481-1512) gewesen sei, der mit diplomatischen Missionen betraut war und dessen Auftrag darin bestand, im Jahre 1495 in Fünfkirchen (Pécs) einen Waffenstillstandsvertrag mit dem böhmischungarischen König Vladislav II. zu unterzeichnen (Karamuk 1992, S. 399). Der Bericht, aus dem unter anderem hervorgeht, dass die Verhandlungen nicht sehr einfach verliefen, „ist in einem äusserst einfachen Stil abgefasst und […] weist zudem eine erstaunliche Sachlichkeit auf, die mit der gedrängten Knappheit vieler Einzelheiten zusammenhängt und nicht die Berichterstattung eines ungeschulten Emissärs sein kann. Hacı Zağanos zeigt vielmehr ein geübtes Auge für das zu erfassende Wesentliche“ (Karamuk 1975, S. 300).

4.6.2

İbrahim Paşa – Österreich (1719)

Der Verfasser des Berichts über die Gesandtschaft İbrahim Paşas (gest. 1720), der zur Bestätigung des Passarowitzer Friedens im Jahre 1719 von Sultan Ahmed III. (reg. 1703-1730) nach Wien geschickt wurde, ist nicht bekannt. Aus dem Inhalt des Textes lässt sich jedoch herauslesen, dass es sich dabei um ein nicht sonderlich gebildetes Delegationsmitglied niedrigen Ranges gehandelt haben muss (Korkut 2007, S. 26; Unat 2008, S. 52). İbrahim Paşa und sein Gefolge, das aus über 700 Mitgliedern bestand, blieb insgesamt neun Monate in Wien, „während welcher Zeit die üblichen Antritts- und Abschieds-Audienzen beim Kaiser Karl VI. und dem Hofkriegsrat-Präsidenten Prinzen Eugen stattfanden, die Sehenswürdigkeiten Wiens besichtigt, Jagden und andere Belustigungen abgehal-

100

4 Methodische Vorgehensweise

ten wurden; ja sogar das Fest des mohammedanischen Ḳurban-Bairam, der auf den 24.-26. Oktober 1719 fiel, wurde im Absteigquartier des Groß-Botschafters nach orientalischer Sitte gefeiert“ (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 3).

4.6.3

Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi – Frankreich (1720-1721)

Der Bericht Fransa Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Frankreich) Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendis (1670-1731) über seine Entsendung nach Frankreich in den Jahren 1720-1721 ist, so heißt es, der „‚star‘ among Ottoman embassy reports“ (Faroqhi 2007b, S. 188). Sein Verfasser Çelebi Mehmed – den Beinamen Yirmisekiz (achtundzwanzig) trug er aufgrund seines Dienstes in der achtundzwanzigsten Kompanie des Janitscharenkorps – war ein angesehener Staatsmann, der schon den Verhandlungen von Passarowitz beigewohnt hatte und nach gründlichen Überlegungen von Sultan Ahmed III. (reg. 1703-1730) für die als sehr wichtig erachtete Gesandtschaft nach Frankreich auserwählt wurde (Tuncer 1987, S. 131; Toros 1970, S. 6). In der Gefolgschaft Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendis befand sich unter anderem auch sein Sohn Mehmed Said, der seinerseits in den Jahren 1730 und 1741 diplomatische Missionen nach Russland, Schweden und Frankreich übernehmen und später unter Sultan Osman III. (reg. 1754-1757) das Amt des Großwesirs bekleiden sollte (Afyoncu 2003, S. 524–525). Wie bereits angedeutet, reflektiert die Entsendung Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendis nach Frankreich und insbesondere die ihm dabei auferlegte Mission eine veränderte Sichtweise der Osmanen auf Europa. Dementsprechend hoch ist auch die Bedeutung, die seinem Gesandtschaftsbericht im Allgemeinen zugeschrieben wird. Schon die formalen Neuheiten, die dieser enthielt, machten ihn zu einer bahnbrechenden Schrift innerhalb des Genres der SefâretnâmeLiteratur (Faroqhi 2007b, S. 6). Nie zuvor war das Leben der Pariser Société, deren Umgangsformen, Kleidungs- und Essgewohnheiten derart in einem Gesandtschaftsbericht thematisiert worden. Ausführlich schilderte Yirmisekiz Çelebi darin, wie – und vor allem dass – Frauen am gesellschaftlichen Leben teilnahmen, er machte eine Inhaltsangabe der Opern und Ballettvorstellungen, die man ihn hatte sehen lassen, und er hielt seine Eindrücke von der Architekturund Parklandschaft Frankreichs fest. In Istanbul stießen die detailgenauen Beschreibungen offenbar auf ein reges Interesse. Sultan Ahmed III., dem Yirmisekiz Çelebi eigens ein Exemplar überreicht hatte, war so angetan von dem Bericht, dass er ihn ins Französische übersetzen und als höfliche Aufmerksamkeit an den Hof Ludwigs XV. übersenden ließ (Akyavaş 1993, VII; Faroqhi 2007a, S. 368–369). Darüber hinaus scheint der Bericht eine große Neugier an allem Euro-

4.6 Bestimmung des Textkorpus

101

päischen geweckt zu haben. Denn unmittelbar nach seinem Erscheinen machte sich in der osmanischen Oberschicht eine ausgeprägte Neigung zu europäischer Lebensart bemerkbar (Göçek 1990, S. 80–83). Somit gilt der Gesandtschaftsbericht Yirmisekiz Çelebis auch als Wegbereiter der sogenannten Tulpenzeit (Lâle Devri) – einer Ära in der Geschichte des Osmanischen Reiches, in der die kulturelle Öffnung nach Europa zur vollen Entfaltung kam (Uçman 1975, S. 14; Yalçınkaya 1996b, S. 322; Korkut 2007, 28, 181-182). „Nach dem Muster von Versailles wurden märchenhafte Paläste und Gärten angelegt. In Mode kamen immer häufiger Stühle und Sessel als Sitzgelegenheiten anstelle von Kissen und ‚Ottomanen‘. 1727 wurde durch den ungarischen Renegaten Müteferrika İbrahim auf Nevşehirli Damat İbrahim Paschas Veranlassung und im Auftrag des Sultans offiziell der Buchdruck eingeführt; die in der Folgezeit zahlreichen gedruckten Werke trugen nicht unwesentlich zur kulturellen Blüte bei“ (Matuz 1990, S. 197).10 Trotz aller Ausführlichkeit und Themenvielfalt, die das Sefâretnâme-i Fransa von Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi auszeichnen, ist doch zu konstatieren, dass dieser Gesandtschaftsbericht einer tiefgehenden und systematischen Analyse der Zustände in Frankreich völlig entbehrt. Wenngleich also die ungewöhnlich hohe Beobachtungsgabe Yirmisekiz Çelebis immer wieder gerühmt wird, bleibt festzuhalten, dass „[he did not produce] a systematic and detailed report on European institutions, nor did [he] inquire into the philosophy which underpinned these institutions or the civilization of eighteenth-century Europe“ (Stein 1985, S. 221).

4.6.4

Mustafa Efendi – Österreich (1730)

Auch wenn in Bezug auf den Bericht Istılâh-ı Nemçe (Fachwissen über Österreich) von Mustafa Efendi (1698/1699-1749) noch immer nicht von einer ausgeklügelten Systematik gesprochen werden kann, so lässt dieser Text doch einen tiefergehenden Blick auf das Staatswesen des besuchten Landes erkennen, als es noch bei Yirmisekiz Çelebi der Fall war. Mustafa Efendi, der im Jahre 1730 zur 10

Sowohl die genaue Datierung der Tulpenzeit (1718-1730 oder 1703-1730), als auch die Frage, ob in diesem Zusammenhang überhaupt von einer eigenständigen Epoche gesprochen werden kann, sind heute höchst umstritten. Eine ausführliche Diskussion hierzu findet sich bei Can Erimtans Ottomans Looking West? (Erimtan 2008) und Ariel Salzmanns The Age of Tulips (Salzmann 2000).

102

4 Methodische Vorgehensweise

Mitteilung der Thronbesteigung Sultan Mahmuds I. (reg. 1730-1754) an den Hof Kaiser Karls VI. nach Wien entsandt wurde, widmet sich darin ausführlich der Geschichte Österreichs, stellt insbesondere dessen Heerwesen heraus und versucht, die Ursachen des Spanischen Erbfolgekrieges von 1701-1714 zu ergründen (Unat 2008, S. 65–66). Dieses ausgeprägte Interesse an militärischen Belangen kommt auch in einer Abhandlung zum Ausdruck, die Mustafa Efendi im Jahre 1746 durch Zuhilfenahme von eigens dafür übersetzten europäischen Geschichtsquellen – der Übersetzer war kein Geringerer als İbrahim Müteferrika (vgl. Kapitel 2.1.2) – über den toskanischen Großherzog und Kaiser Franz I. verfasste. Auf Anordnung des Sultans wurde die Abhandlung als Nachtrag dem Gesandtschaftsbericht von 1730 beigefügt (Korkut 2007, S. 30).

4.6.5

Mehmed Efendi – Polen (1730)

Ein zweiter Botschafter, der im Jahre 1730 den Auftrag hatte, die Nachricht über die Thronbesteigung Sultan Mahmuds I. zu übermitteln, wurde nach Warschau geschickt. Außer dem Namen Mehmed Efendi ist über den Botschafter selbst nichts weiter bekannt. Erhalten ist nur sein vergleichsweise kurzer Bericht mit dem Titel Lehistan Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Polen), der ebenfalls keinerlei biografischen Informationen enthält, sondern lediglich die Hintergründe der damaligen diplomatischen und politischen Gegebenheiten zu beleuchten versucht (Aktepe 1971, S. 136–137). Jedoch scheint der Bericht insgesamt die Behauptung zu bestätigen, „that Ottoman knowledge of Poland was not very deep“ (Kołodziejczyk 1999, S. 100). 4.6.6

Mustafa Hattî Efendi – Österreich (1748)

1748 wurde Mustafa Hattî Efendi (ca. 1680-1760) mit dem Range eines Envoyé nach Wien entsandt, um dort – erstmalig in der osmanischen Geschichte überhaupt – die Verewigung des bestehenden zwischenstaatlichen Friedensabkommens mit den Habsburgern zu ratifizieren (Köhbach 1999, S. X). Insofern fiel seine Gesandtschaft in eine friedliche und spannungsfreie Phase der wechselvollen osmanisch-habsburgischen Beziehungen und war trotz ihrer vergleichsweise kurzen Dauer von nur 164 Tagen für beide Seiten von großer Bedeutung (Savaş 1991, S. 244, 1997, S. 51, 1999, S. 8–11). Obwohl diese Gesandtschaft nach Wien gleichsam einen Bruch in der Geschichte der Auslandsbeziehungen des Osmanischen Reiches darstellte, zeugt der Bericht Nemçe Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Österreich) von Mustafa Hattî Efendi durchaus von

4.6 Bestimmung des Textkorpus

103

einem demonstrativen Überlegenheitsgebaren, den er anscheinend seinen Gastgebern gegenüber mitunter an den Tag legte (Unat 2008, S. 92–96).

4.6.7

Ahmed Resmî Efendi – Österreich (1757-1758)

Die Biografie des im Jahre 1700 auf der Insel Kreta geborenen Ahmed bin İbrahim – sein Beiname Resmî lässt sich auf seine Geburtsstadt Rethymno (türk. Resmo) zurückführen (Atsız 1980, S. 8) – ist geradezu beispielhaft für einen Angehörigen der im späten achtzehnten Jahrhundert wesentlich an Bedeutung gewinnenden bürokratischen Elite des Osmanischen Reiches (Findley 1980, S. 65). Nicht zuletzt unter der Patronage des einflussreichen Mustafa Efendi (vgl. Kapitel 4.6.4), dessen Schwiegersohn er später wurde, besetzte er nach seiner Ankunft in Istanbul im Jahre 1733 verschiedene Positionen innerhalb der osmanischen Staatsverwaltung (Aksan 1995, S. 23–28; Unat 2008, S. 102–103; Birbenli 1999, S. 12). Mit dem Auftrag, die Thronbesteigung Sultan Mustafas III. (reg. 17571774) bekannt zu machen, wurde Ahmed Resmî am 02. Dezember 1757 in Begleitung einer über 60 Mitglieder zählenden Delegation nach Wien geschickt (Aksan 1995, S. 47; Kütükoğlu 1989, S. 121). Nach seiner Rückkehr verfasste er sein Viyana Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Wien), das sich vor allem durch ein umfangreiches (historisches) Wissen über Europa im Allgemeinen und Österreich im Besonderen auszeichnet (Atsız 1980, S. 11; Aksan 1995, S. 38). Eines sticht durch die Ausführungen Ahmed Resmîs allerdings besonders hervor: auf eine bis dahin nicht anzutreffende Weise offenbaren sie nämlich eine Einsicht darin, dass sich das Osmanische Reich nunmehr in einer Phase des Niedergangs befindet (Parmaksızoğlu 1993, S. 527). Dementsprechend gestaltet sich auch die außenpolitische Vision Ahmed Resmîs, welche der Friedenspolitik oberste Priorität zuschreibt. Der Friedensschluss mit anderen Mächten sollte, so Resmî Efendi, nicht mehr als temporäre Lösung in Form von Waffenstillstandsvereinbarungen angesehen werden, sondern zum höchsten außenpolitischen Ziel der Hohen Pforte überhaupt avancieren (Yurdaydın 1994, S. 70).

4.6.8

Ahmed Resmî Efendi – Preußen (1763-1764)

Der Bericht Prusya Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Preußen), ebenfalls von Ahmed Resmî Efendi, handelt von dessen diplomatischer Mission nach Berlin in den Jahren 1763-1764. Geschrieben wurde er jedoch erst

104

4 Methodische Vorgehensweise

im Jahre 1772, also acht Jahre nach Ahmed Resmîs Rückkehr nach Istanbul (Özkaya 1987, S. 265). Neben den Ausführungen über die politische Situation, in der sich der damalige preußische Staat befand, enthält der Bericht auch die persönlichen Eindrücke Ahmed Resmîs von der Stadt Berlin. Ein besonderes Merkmal dieses Gesandtschaftsberichtes ist jedoch – neben der Tatsache, dass er das erste Sefâretnâme über Preußen überhaupt ist (Unat 2008, S. 233) – die Ausführlichkeit, in der Ahmed Resmî darin Friedrich den Großen porträtiert. Während es bis dahin durchaus üblich war, dass Diplomaten ihre Berichte mit einer mehr oder weniger extensiven Würdigung des Sultans einleiteten – so auch Ahmed Resmî –, endet das Prusya Sefâretnâmesi auf ungewöhnliche Weise mit einer Lobeshymne auf ein fremdes Staatsoberhaupt. Das lässt vermuten, dass Ahmed Resmî, indem er Friedrich II. als einen weisen und beispielhaften König darstellte, zugleich auch seinem Unbehagen über den Führungsstil des Sultans und der Hohen Pforte Ausdruck zu verleihen versuchte (Aksan 1999, S. 203– 204; Ercilasun 1976, S. 143). Auf Gegenseitigkeit beruhten Ahmed Resmîs Sympathien gegenüber Friedrich allerdings offenbar nicht, zumal dieser sich in ganz anderen Tönen über den osmanischen Botschafter äußerte (Beydilli 1985, S. 89–90) – so auch in einem Brief vom 17. November 1763, den er seinem Bruder Heinrich schrieb. „Den minderwertigen Eindruck, den er von den Türken gewonnen, schilderte der König noch an demselben Tage dem Prinzen Heinrich: ‚Ich habe alle Türken von Berlin gesehen, und ich schwöre Dir, daß ihre Personen nicht dem großen Namen entsprechen, den ihr Reich sich erworben hat. Dieses Volk hat etwas von Juden und von Panduren an sich; sie sind alle so eigennützig, daß der Effendi [Ahmed Resmî] vorgeschlagen hat, man solle statt des Festmahles ihm Geld geben. Sein Gefolge ist entsprechend habgierig; es war so schamlos, zu betteln […]‘“ (Volz 1907, S. 40). 4.6.9

Ahmed Vâsıf Efendi – Spanien (1787-1788)

Der aus Bagdad stammende Ahmed Vâsıf Efendi (ca. 1730-1806) war zwar nicht der erste osmanische Diplomat, der nach Madrid ging – bereits 1649 war eine Delegation zur Bekanntmachung der Thronbesteigung Sultan Mehmeds IV. (reg. 1648-1687) dorthin entsandt worden (Unat 2008, S. 228) –, jedoch handelt es sich bei seinem İspanya Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Spanien) um den einzigen osmanischen Gesandtschaftsbericht zu Spanien (Woodhead 2002b, S. 162; Korkut 2007, S. 36). In einer Epoche schwindender

4.6 Bestimmung des Textkorpus

105

Macht war es dem Osmanischen Reich zu jener Zeit ein Anliegen geworden, durch Friedens- und Handelsverträge seine politischen und ökonomischen Interessen auf der internationalen Bühne einigermaßen zu wahren. So diente die Gesandtschaft nach Spanien in den Jahren 1787-1788 unter anderem auch der Befestigung der noch jungen Beziehungen zwischen beiden Staaten (Köhbach 1983, S. 146). Ahmed Vâsıf, der als „eitel, geizig, neidisch und boshaft bis zum Übermaß“ (Babinger 1927, S. 336) galt, genoss nichtsdestotrotz ein hohes Ansehen als erfahrener Staatsmann und ist heute vor allem bekannt als bedeutender Vak’anüvis (wörtl.: Ereignisschreiber; Bezeichnung für die offiziellen Reichshistoriographen des Osmanischen Reiches) des achtzehnten Jahrhunderts (İlgürel 2012, S. 535–537; Woodhead 2002a, S. 57).

4.6.10

Ahmed Azmî Efendi – Preußen (1790-1792)

Unter dem Vorwand, die beim letzten Thronwechsel übermittelten Glückwünsche zu erwidern, in Wirklichkeit jedoch um beim preußischen König bestimmte Abmachungen gegen Russland zu erwirken, wurde Ahmed Azmî Efendi (ca. 1740-1821) am 12. November 1790 nach Berlin gesandt. Ahmed Azmî war Neffe des oben genannten Ahmed Resmî Efendi (vgl. Kapitel 4.6.7 und 4.6.8) und war mit diesem im Jahre 1763 bereits einmal in Berlin gewesen. Nun wurde er selbst zum Botschafter erkoren und als außerordentlicher Gesandter der Hohen Pforte an den Hof Friedrich Wilhelms II. beordert (Müller-Kolshorn 1918, S. 23–24; Karamuk 1975, S. 206–207). Wie aus seinem Bericht Prusya Sefâretnâmesi hervorgeht, wurde er zwar mit großer Feierlichkeit in Berlin aufgenommen. Jedoch blieb seine diplomatische Mission, den preußischen König zum Krieg gegen Russland zu bewegen, letztlich erfolglos (Özkaya 1987, S. 267). Der Gesandtschaftsbericht Ahmed Azmî Efendis stellt sowohl inhaltlich, wie auch stilistisch ein Musterbeispiel für den klassischen Sefâretnâmetypus dar. Im ersten von insgesamt zwei Hauptteilen werden die Reise- und Missionserlebnisse wiedergegeben. Der zweite Teil hingegen widmet sich der Zivil- und Militärverwaltung Preußens sowie der aus Sicht Azmî Efendis dort herrschenden Sitten und Gebräuche. Offensichtlich setzte Azmî Efendi seinen Bericht – zumindest in Teilen – auch als eine Art Leitfaden für den reformgewillten Sultan Selim III. (reg. 1789-1807) auf. Denn unter dem Eindruck seiner Beobachtungen schließt er seine Ausführungen mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Voraussetzungen, von denen seiner Auffassung nach das Wohl des Osmanischen Reiches abhing (Karamuk 1975, S. 208; Unat 2008, S. 152).

106 4.6.11

4 Methodische Vorgehensweise Ebûbekir Râtib Efendi – Österreich (1791-1792)

Ebûbekir Râtib Efendi (1750-1799), ein enger Vertrauter Sultan Selims III. bereits vor dessen Thronbesteigung sowie einflussreicher Reformer innerhalb der bürokratischen Elite, verkörpert in gewisser Weise den neuen osmanischen Diplomatentypus des späten achtzehnten Jahrhunderts (Tuncer 1979, S. 73; Uçman 1989, S. 156). Als Sohn eines religiösen Gelehrten, der nicht in die Fußstapfen des Vaters trat, sondern – auf dessen Betreiben, wohlgemerkt – eine Laufbahn als Bürokrat einschlug (Yeşil 2002, S. 27), sah Râtib Efendi noch lange vor seiner Entsendung nach Wien im Jahre 1791 eine Notwendigkeit darin, sich zusätzlich zu dem Persischen und dem Arabischen auch Kenntnisse europäischer Sprachen anzueignen (Uçman 2012, S. XI). Wenngleich er diese Sprachen nie wirklich beherrschte und auch sein Wissen über die europäischen Denker und Philosophen, die er in seinem Bericht mehrfach erwähnt, eher als oberflächlich zu erachten sind (Bayram 2000, S. 9), zeugt sein Interesse für derlei Dinge doch von einer veränderten Wahrnehmung hinsichtlich der Bedeutung Europas für die Zukunft des Osmanischen Reiches. Dementsprechend ragt das Nemçe Sefâretnâmesi (Bericht über die Gesandtschaft nach Österreich) Ebûbekir Râtib Efendis im Vergleich zu früheren Gesandtschaftsberichten vor allem in einem Punkt heraus. Während, wie bereits erwähnt, die Sefâretnâmes vor ihm eine eher unsystematische Wiedergabe von Erlebnissen und Eindrücken gewesen waren, befasste sich Râtib Efendis Bericht viel eingehender mit den verschiedenen Institutionen in Österreich. „In a stay of about six months, Râtip Efendi investigated every conceivable Austrian institution, from the army to the national lottery“ (Stein 1985, S. 223). Der Gesandtschaftsbericht Ebûbekir Râtib Efendis verstand sich daher explizit als ein Programm für die von Sultan Selim III. später einzuleitenden institutionellen Reformen des Nizâm-ı Cedîd (vgl. Kapitel 2.1.3) (Arıkan 1994, S. 278; Yeşil 2011, S. 186–187). „Later reports by Ottoman envoys contain even more of such ‚socio-economic‘ information. A good example is the work of Ebubekir Râtib Efendi […]. In a sense, this text resulted from the order of Sultan Selim III, then recently enthroned, to collect information on European institutions which might be adapted to Ottoman conditions and thus help to ensure the Empire’s survival. However, the ambassador’s interests were not limited to matters of

4.6 Bestimmung des Textkorpus

107

immediate applicability. Thus an institution that he described in most detail was the Viennese Academy of Oriental Studies, where future translators and occasionally also other embassy personnel received instruction in Arabic, Persian and Ottoman Turkish. A library in the Transylvanian town of Sibiu was also described in considerable detail“ (Faroqhi 2007b, S. 188).

4.6.12

Yusuf Âgâh Efendi – England (1793-1796)

Das Havâdisnâme-i İngiltere (Schrift über die Ereignisse in England) ist der Bericht des ersten ständigen Botschafters des Osmanischen Reiches im Ausland, Yusuf Âgâh Efendi (1744-1824). Dieser war als Diplomat im Dienste Sultan Selims III. an den Hof Georgs III. beordert worden und hielt sich in den Jahren 1793-1796 in London auf (Unat 2008, S. 168; Korkut 2007, S. 40; Güngör 1950, S. 414). Als bedeutender Staatsmann, der sich auf dem politischen Parkett durchaus darzustellen wusste, hinterließ Yusuf Âgâh Efendi offenbar einen bleibenden Eindruck bei der Londoner High Society und genoss zugleich die hohe Aufmerksamkeit der englischen Bevölkerung und Presse (Yalçınkaya 1996a, S. 47–48). Wohl scheint sich Yusuf Âgâh in London allerdings dennoch nicht gefühlt zu haben. Denn unmittelbar nach Ablauf seiner dreijährigen Dienstzeit drängte er darauf, möglichst bald nach Istanbul zurückkehren zu dürfen und bat darum, einen Nachfolger zu schicken. Der Grund für diese Eile war nicht zuletzt das äußerst schlechte Gehalt, welches der osmanische Staat seinen Diplomaten im Ausland zu zahlen pflegte – ein Problem, über das sich viele der Gesandten ebenfalls offen beklagten (Yalçınkaya 2001, S. 407; Karal 1940, S. 18–28). Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, die die Gründung der ersten ständigen Botschaft im Ausland für die Osmanen mit sich brachte, bleibt allerdings festzuhalten, dass „Yusuf Agah’s embassy set the pattern for subsequent missions in many ways“ (Naff 1963, S. 304).

4.6.13

Giritli Ali Aziz Efendi – Preußen (1797-1798)

Als erster ständiger Gesandter des Osmanischen Reiches in Preußen traf der aus Kreta (osm./türk.: Girit) stammende Staatsmann, Dichter und Mystiker Ali Aziz Efendi (ca. 1749-1798) am 04. Juni 1797 in Berlin ein (Okay 1991, S. 333). Die Tatsache, dass zum ersten Mal in der osmanischen Geschichte ständige Gesandte an die europäischen Residenzen geschickt wurden, führte zu einem peinlichen Missverständnis bei der Ankunft der diplomatischen Delegation. Aufgrund einer

108

4 Methodische Vorgehensweise

fehlerhaften Meldung, die von den Osmanen an den preußischen Gesandten in Istanbul herangetragen worden war, war der hohe diplomatische Rang Ali Aziz Efendis verkannt worden. Dementsprechend blieb auch der erwartete große Empfang für ihn aus (Cevdet Paşa 1994a, S. 1620–1621; Naff 1963, S. 308). Auch musste Ali Aziz feststellen, dass keinerlei Vorkehrungen für eine angemessene Unterkunft getroffen worden waren. Erst nach tagelangem Hin und Her und nachdem sogar der französische Gesandte eingeschaltet werden musste, wurde er schließlich von Friedrich Wilhelm II. empfangen (Aziz Efendi 1990, S. 11). Ali Aziz Efendi verstarb am 29. Oktober 1798 in Berlin und wurde auf einem von Friedrich Wilhelm III. eigens dafür zur Verfügung gestellten Grundstück beigesetzt (Schmiede 1987, S. 4–6). Über die diplomatischen Tätigkeiten Ali Aziz Efendis in Berlin ist kaum etwas bekannt. Dies mag daran liegen, dass er sich während seines dortigen Aufenthaltes wohl mehr der Literatur und der Philosophie widmete als den politischen Geschäften (Kuran 2004b, S. 132). So soll er sich in einem regen Austausch mit europäischen Gelehrten über wissenschaftliche Probleme befunden haben. Vor allem aber pflegte er regelmäßigen Schriftverkehr mit dem Orientalisten und damaligen preußischen Gesandten in Istanbul Heinrich Friedrich von Diez, mit dem er Fragen über verschiedene Bereiche der Wissenschaften, jedoch insbesondere über die islamische Philosophie diskutierte (Tietze 1948, S. 250; Kuran 1988, S. 42). Das berühmteste Werk Ali Aziz Efendis trägt den Titel Muhayyelât (Phantasien) (Aziz Efendi 1852 [H. 1268]) und gilt als das „erste literarische Werk unter europäischem Einfluß“ (Köhbach 1985, S. 107) sowie „as the first modern educational novel in Turkish“ (Tietze 1960, S. 391). 4.6.14

Amedî Mehmed Said Galib Efendi – Frankreich (1802)

Die im Jahre 1798 begonnene Ägyptische Expedition Napoleon Bonapartes hatte dazu geführt, dass sich das Osmanische Reich zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts in einem de facto-Kriegszustand mit Frankreich befand. Sultan Selim III. aber beabsichtigte, sich für die Umsetzung seines umfassenden Reformprogramms Nizâm-ı Cedîd das militärische Know-how vor allem der Franzosen zunutze zu machen und hierfür französische Offiziere und Experten nach Istanbul einzuladen. Dies wiederum erforderte die Wiederherstellung freundschaftlicher Verhältnisse zwischen den beiden Staaten (Köprülü 1996, S. 330). Der osmanische Botschafter in Paris seit 1797, Moralı Seyyid Ali Efendi (ca. 17571809), der das Vorhaben Napoleons nicht hatte absehen können und dessen diplomatische Mission daher offenkundig ein Misserfolg gewesen war (Refik 1912 [H. 1328], S. 1132), wurde zurückbeordert. Selim III. war anscheinend dermaßen

4.6 Bestimmung des Textkorpus

109

aufgebracht über die Unachtsamkeit Seyyid Ali Efendis, dass er dessen Depesche mit dem Vermerk „Was für ein Esel!“ (Herbette 1997, XXVII) versah. Statt seiner ging nun Amedî Mehmed Said Galib Efendi (1763-1829) nach Paris, und zwar mit dem Ziel, einen Friedensvertrag mit Frankreich zu schließen (Unat 2008, S. 181). In seinem unvollständigen Gesandtschaftsbericht – wobei nicht geklärt ist, ob der Bericht nie zu Ende geschrieben wurde oder ob nur ein Teil bis heute erhalten geblieben ist (Uzunçarşılıoğlu 1937, S. 359) – beschreibt Amedî Galib Efendi die Umstände, die zu seiner Entsendung nach Frankreich führten, seine Anreise sowie die verschiedenen Erlebnisse, die er während seines Aufenthalts in Frankreich hatte (Altuniş-Gürsoy 1997, S. 918). 4.6.15

Seyyid Mehmed Emin Vâhid Efendi – Frankreich (1806)

Die Gesandtschaft Seyyid Mehmed Emin Vâhid Efendis (gest. 1828) im Jahre 1806 nach Frankreich gehört ebenfalls zu denjenigen, die hinsichtlich ihres diplomatischen Auftrags eher erfolglos blieben (Çetin 2003, S. 468). Trotz starker Bemühungen des Botschafters gelang es nicht, wie beabsichtigt, die Franzosen zu einer Allianz mit den Osmanen gegen Russland zu bewegen. Der Bericht über die Gesandtschaft beschreibt die lange Reise Vâhid Efendis über Wien nach Warschau, wo er sich mit Napoleon Bonaparte traf, sowie die anschließende Fahrt nach Paris, zu einem zweiten Treffen mit Napoleon (Ercan 1991, S. 80).

4.6.16

Mustafa Sâmi Efendi – Frankreich (1838)

Das Avrupa Risâlesi (Abhandlung über Europa) ist eine Schrift, die Mustafa Sâmi Efendi (gest. 1855) während seines Dienstes als erster Sekretär an der Pariser Botschaft im Jahre 1838 verfasste (Andı 2006, S. 356). Nicht nur Paris, sondern auch viele andere europäische Städte, die auf der Route lagen oder die Sâmi Efendi während seiner Reise besuchte – z.B. Rom, Florenz, Wien, Prag, Berlin, Frankfurt, Brüssel und London – werden darin mehr oder weniger ausführlich beschrieben. Diese Abhandlung Sâmi Efendis ist der letzte Gesandtschaftsbericht, der dem klassischen Typus des osmanischen Sefâretnâme zuzurechnen wäre (Unat 2008, S. 214). In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sie sich jedoch von allen anderen Texten ihres Genres. Zum ersten Mal nämlich richtet sich ein Reisebericht dieser Art nicht an den Sultan persönlich, sondern benennt das Volk als sein ausdrückliches Zielpublikum. Dies mag durchaus als ein Indiz dafür gelten, dass im späten neunzehnten Jahrhundert das osmanische Weltbild

110

4 Methodische Vorgehensweise

mit dem Sultan als kosmologischen Mittelpunkt allmählich ins Wanken geriet und das Zentrum sich in Richtung Volk verschob (Şirin 2009, S. 251). 4.6.17

Ömer Faiz Efendi – Europa (1867)

Ömer Faiz Efendi (gest. 1875), damaliger Bürgermeister von Istanbul, befand sich im Jahre 1867 im Gefolge Sultan Abdülaziz‘ (reg. 1861-1876), der sich – als erster und einziger osmanischer Sultan überhaupt – auf eine Reise nach Europa begab. Es sei an dieser Stelle kurz darauf hingewiesen, dass diese Reise des Sultans gleich in mehrfacher Hinsicht mit der bisherigen Tradition der Hohen Pforte brach. Denn selbst nach dem Übergang von der unilateralen zur reziproken Diplomatie war es für die Osmanen zuvor undenkbar gewesen, dass nicht etwa ein Gesandter, sondern der Sultan persönlich einem fremden Staatsoberhaupt einen Besuch abstattete. So verwundert es auch nicht, dass diese Reise innerhalb der osmanischen Führungsschicht zunächst ein gewisses Unbehagen verursachte (Timur 1984a, S. 42). Dass Abdülaziz zwei Prinzen – seine Neffen Murad (der spätere Sultan Murad V.) und Abdülhamid (der spätere Sultan Abdülhamid II.) – in sein Gefolge aufnahm und sich von ihnen auf seiner Reise begleiten ließ (Kutay 2012, S. 10), brach ebenfalls mit einer Tradition der osmanischen Dynastie. Denn während es noch bis zur Regierungszeit Ahmeds I. (reg. 1603-1617) Brauch gewesen war, dass die männlichen Nachkommen und somit potentiellen Thronfolger der Sultane als Statthalter in verschiedene Provinzen geschickt wurden, war es seit dem Tod Ahmeds I. üblich, dass die Prinzen im Palast unter strengem Hausarrest – im sogenannten Kafes (wörtl.: Käfig), einem abgetrennten Bereich des Palastes – gehalten wurden. Solange ihre Väter die Herrschaft ausübten, lebten sie in relativer Freiheit und erhielten eine gute Ausbildung. Verstarb ihr Vater, wurde ihnen jegliche Kontaktaufnahme zur Außenwelt untersagt. Besuch – beispielsweise von einem Arzt oder der Mutter eines Prinzen – wurde nur unter Aufsicht und ausdrücklicher Genehmigung des Sultans zugelassen. Ursprünglich eine Maßnahme, durch die die im Osmanischen Palast gängige Praxis des Brudermordes unterbunden werden sollte, führte die Institution des Kafes aber letztlich dazu, dass die möglichen Thronfolger eines Sultans niemals den Palast verließen (Uzunçarşılı 1988, S. 113–116). Auch die Sultane selbst hielten sich fast ausschließlich in Istanbul auf und entfernten sich kaum von ihrem Palast. „By the mid-sixteenth century, however, the notion of the sultan personally leading his armies to victory was an anachronism. The

4.6 Bestimmung des Textkorpus

111

huge extension of the Empire’s boundaries between 1517 and 1540 meant that it was no longer possible to add vast territories to the Empire in a single year’s campaigning. Warfare instead became prolonged with no spectacular conquests, and requiring the army for years in succession to overwinter near the front. At the same time, the increase in the Empire’s size added to the complexity of its administration. In these circumstances, the removal of the sultan from the capital for the whole length of a campaign became impossible and, from the reign of Selim II [reg. 1566-1574], the sultans rarely took to the field with their army“ (Imber 2009, S. 108). Nicht nur, dass Abdülaziz nach Europa reiste, sondern allein die Tatsache, dass er sich überhaupt auf eine weitere Reise begab, bildete insofern ein Novum in der Geschichte der osmanischen Sultane. Anlass der Reise hingegen war der Besuch der Pariser Weltausstellung, zu der der Sultan als Ehrengast Kaiser Napoleons III. eingeladen worden war und an der das Osmanische Reich mit insgesamt über 4000 Ausstellern teilnahm (Tekdemir 2013, S. 9; Timur 1984b, S. 384). In seinem Rûzname (Tagebuch) beschreibt Ömer Faiz die insgesamt eineinhalb Monate andauernde Reise, die neben Paris auch Orte wie London und Wien einschloss (Asiltürk 2009, S. 935).

4.6.18

Ahmet İhsan – Europa (1891 & 1911)

Unmittelbar nach der Tanzimat-Ära (vgl. Kapitel 2.2.2) formierte sich im Osmanischen Reich des späten neunzehnten Jahrhunderts eine Gruppe größtenteils junger Schriftsteller, „die einerseits die vorhergehende Schriftstellergeneration des Reformzeitalters verehrt und ihre Leistungen anerkannt hatte, andererseits aber die Literatur in einen neuen, authentischeren Rahmen zu stellen suchte“ (Caner 1998, S. 107). Im Gegensatz zu ihren Vorgängern aus der Tanzimat-Zeit ging es dieser neuen Generation von Künstlern daher nicht darum, die abendländische Literatur nachzuahmen, sondern vielmehr darum, eine eigene Literatur nach europäischen Maßstäben – die Edebiyât-ı Cedîde (Neue Literatur) – zu schaffen. Auch war nicht ihr Ziel, wie die Literaten der vorigen Generation das Volk zu erreichen oder gar zu erziehen. Ihre Literatur war bewusst eine elitäre (Banarlı 1983, S. 963–964, S. 1014–1017; Kudret 2004, S. 168). Versammelt hatte sich diese neue Gruppe um die literarische Zeitschrift Servet-i Fünûn (Reichtum der Wissenschaften), die mit mehreren Unterbrechungen von 1891 bis 1944 erschien. Der erste Leiter und Herausgeber der Zeitschrift war der Journa-

112

4 Methodische Vorgehensweise

list, Übersetzer, Verleger und später auch Politiker Ahmet İhsan 11 (1868-1942) (Işık 2006a, S. 3532–3533). Mit der Absicht, sich einen Eindruck über die dortigen Druckereien und Verlage zu verschaffen, in erster Linie jedoch um als Tourist seine Neugier über Europa zu stillen, reiste Ahmet İhsan im Jahre 1891 in verschiedene europäische Städte (Servantie 2007, S. xiv). Vor dem Hintergrund seiner in Europa gesammelten Erfahrungen widmete Ahmet İhsan sich dann später in seiner 1930 und 1931 veröffentlichten zweibändigen Autobiographie Matbuat Hatıralarım (Meine Erinnerungen an die Presse) ausführlich der Entwicklung des Verlags- und Pressewesens im Osmanischen Reich und der späteren Türkei (Tokgöz 2012). Die Erlebnisse seiner dreimonatigen Europareise hingegen schrieb er in dem separat publizierten Reisebericht Avrupa’da Ne Gördüm (Was ich in Europa gesehen habe) nieder. Ein zweiter Reisebericht Ahmet İhsans beschreibt seine im Jahre 1911 unternommene einwöchige Dampferfahrt von Passau nach Constanţa und trägt den Titel Tuna’da Bir Hafta (Eine Woche auf der Donau). 12

4.6.19

Mehmet Enisî – Frankreich (1895)

Wie das Beispiel Ahmet İhsans zeigte und auch im Kapitel 2.2.2 bereits angedeutet wurde, nahm im späten neunzehnten Jahrhundert innerhalb der osmanischen Eliten nicht nur das Interesse an Europa, sondern damit einhergehend auch die Reisetätigkeiten in verschiedene europäische Länder und Städte spürbar zu. Dass das auf den jeweiligen Reisen Erfahrene und Erlebte zunehmend in Form von Reiseberichten für ein mehr oder weniger breites Publikum veröffentlicht wurde, ist ebenfalls kennzeichnend für die Zeit nach der Tanzimat. Denn anders als die Gesandten der Vor-Tanzimat-Ära, die ausschließlich im Auftrag des Sultans handelten, sahen sich die Verfasser jener Reiseberichte als gesellschaftliche Akteure, die ihre Ideen und Gedanken an die Öffentlichkeit herantrugen, um auf diesem Weg zu einer Verbesserung der Zustände des im Niedergang begriffenen Osmanischen Reiches beizutragen (Soylu 2013, S. 61–62). Diese Absicht bringt

11 12

Auch Ahmet İhsan Tokgöz Die Frankophilie Ahmet İhsans, die im Übrigen nicht ungewöhnlich für die gebildete Schicht des damaligen Osmanischen Reiches war (Strauss 2003, S. 42), macht sich unter anderem darin bemerkbar, dass die ersten Ausgaben beider Reiseberichte – obwohl vollständig auf Osmanisch verfasst – jeweils mit einem französischen Untertitel versehen waren: Ce que J’ai vu en Europe. France, Angleterre, Belgique, Hollande, Allemagne, Suisse, Italie, Autriche & Hongrie bzw. Une Semaine sur le Danube de Passau à la Mer Noire (İhsan 2007c).

4.6 Bestimmung des Textkorpus

113

auch Mehmet Enisî13 im Vorwort seines Reiseberichts Avrupa Hâtırâtım (Meine Erinnerungen an Europa) offen zur Sprache (Enisî 2008, S. 18). Trotz seiner zahlreichen Veröffentlichungen ist über Mehmed Enisî selbst – außer, dass er wahrscheinlich im Jahre 1870 zur Welt kam und in den 1930’er Jahren starb – heute allerdings kaum etwas bekannt (Daşcıoğlu und Gürses 2012, S. 317; Özalp 2008, S. 14). Aus seinem bereits genannten Reisebericht und seiner Publikation Alman Ruhu (Über den deutschen Geist) (Enisî 1912 [H. 1330]), welche Briefe enthält, die er aus Deutschland schrieb, geht lediglich hervor, dass er besonders reisefreudig gewesen sein muss und im Jahre 1895 als 25-jähriger Marineoffizier für eine zweijährige Weiterbildung nach Frankreich ging.

4.6.20

Ali Kemal – Frankreich (1895)

In seiner Autobiographie Ömrüm (Mein Leben) beschreibt der Journalist und Literat Ali Kemal (1867-1922), wie sehr er schon im Alter von siebzehn Jahren, als er an der Istanbuler Verwaltungsakademie studierte, die französische Sprache bewunderte. Weder der Französischunterricht an der Akademie, noch der Besuch verschiedener Kurse außerhalb seien für ihn jedoch zufriedenstellend gewesen, so dass er schließlich keinen anderen Weg sah, als zusammen mit einem Freund für längere Zeit nach Paris zu reisen (Kemal 1985, S. 73–76). Im Jahre 1886 dann, noch bevor er sein Studium abgeschlossen hatte, setzte er seine Idee in die Tat um und ging für insgesamt etwa neun Monate nach Paris und Genf. Unmittelbar nach seiner Rückkehr im Jahre 1888 wurde er unter dem Vorwurf, Mitglied einer geheimen Vereinigung zu sein, zunächst verhaftet und anschließend nach Aleppo verbannt, wo er über fünf Jahre blieb. Nach einem kurzen (illegalen) Aufenthalt in Istanbul flüchtete er schließlich im Jahre 1894 nach Paris und kehrte nicht vor 1908 nach Istanbul zurück (Işık 2006b, S. 247; Yeşil 2014, S. 2). Neben seiner Tätigkeit als Korrespondent für die Istanbuler Tageszeitung İkdam, für die er wöchentlich aus Paris berichtete, widmete sich Ali Kemal dem Studium der politischen Wissenschaften an der École Libre des Sciences Politique, welches er im Jahre 1899 abschloss (Uzun 1989, S. 405). Seine Berichte, die er im Jahre 1913 unter dem Titel Paris Musâhabeleri (Pariser Gespräche) selbst noch einmal herausgab, waren jedoch keinesfalls politischer Natur. Ausdrücklich betont er im Vorwort, dass er in seinen Schilderungen das Thema Politik bewusst außen vor gelassen habe und es sein oberstes Ziel gewesen sei, der türkischen Jugend den Reichtum und die Tiefe des französischen Gedankenguts näherzubringen (Kemâl 2014, S. 12–13). 13

Auch Mehmet Enisî Yalkı

114 4.6.21

4 Methodische Vorgehensweise Şerafeddin Mağmumi – Europa (1897-1898 & 1914-1915)

Unter der Bezeichnung İttihâd-ı Osmânî Cemiyeti (Gesellschaft für Osmanische Einheit) gründeten Studenten der Istanbuler Militärärztlichen Akademie im Jahre 1889 ein politisches Geheimkomitee, welches später unter dem Namen Osmanlı İttihad ve Terakkî Cemiyeti (Osmanische Gesellschaft für Einheit und Fortschritt) bekannt werden sollte und heute als die wichtigste Organisation der sogenannten jungtürkischen Bewegung gilt. Die Opposition ihrer Mitglieder richtete sich in erster Linie gegen den damaligen Sultan Abdülhamid II. (reg. 18761909) und bezweckte die Errichtung einer konstitutionellen Staatsform. Der Name Jungtürken bezeichnete aber keineswegs eine homogene Gruppe von Oppositionellen, sondern umfasste höchst unterschiedliche Denkrichtungen und Fraktionen, die innerhalb wie außerhalb der Grenzen des osmanischen Staates gegen das von ihnen als despotisch erachtete Regime Abdülhamids II. agierten (Hanioğlu 2008, S. 144–145). Das gemeinsame Ziel war die Entmachtung des Sultans, jedoch nicht die Abschaffung des Sultanats als solchem. „Trying to steer a course between ethnic revolts and foreign intervention, both of which threatened the empire’s survival, the Young Turks proved conservative revolutionaries. They wanted not to destroy the sultanate but to change it“ (Findley 2010, S. 164–165; Herv. A. S.). Şerafeddin Mağmumi (1869-1927), seinerseits Absolvent der Militärärztlichen Akademie, gehörte zu den Pionieren der Jungtürkenbewegung. Aufgrund von Querelen innerhalb der Gruppenführung – Mağmumi nahm eine vergleichsweise gemäßigte Haltung gegenüber Abdülhamid II. ein und war trotz seines szientistischen Weltbilds der Religion nicht ganz so abgeneigt wie andere Anführer der Bewegung – sah er sich jedoch im Jahre 1897 gezwungen, nach Paris zu fliehen (Polat 2002, S. 28–34; Hanioğlu 2008, S. 140, 2001, S. 305–308). Seine drei Reiseberichte Brüksel ve Londra’da (In Brüssel und London), Londra’da On Beş Gün (Fünfzehn Tage in London) und Fransa ve İtalya ve İsviçre’de (In Frankreich, Italien und der Schweiz) entstanden während seiner Zeit im europäischen Exil. Ebenfalls vorhanden ist ein vierter Reisebericht mit dem Titel 1914 Senesi Ortasında Afrika-yı Şimâlîden Avrupa-yı Şimâlîye Azimet ve Avdet (Die Hin- und Rückreise von Nordafrika nach Nordeuropa in der Mitte des Jahres 1914), den Mağmumi während seines Aufenthalts in Deutschland und Frankreich in den Jahren 1914-1915 verfasste. Im Vorwort schreibt Mağmumi, dass er zunächst zwar nicht beabsichtigt habe, diesen Bericht zu veröffentlichen, jedoch habe er aufgrund der Tatsache, dass noch während seines Deutschlandaufenthalts der

4.6 Bestimmung des Textkorpus

115

Erste Weltkrieg ausgebrochen sei, seine Meinung geändert (Mağmumi 2008a, S. 397). Mağmumi kehrte nie wieder nach Istanbul zurück und starb im Jahre 1927 in Kairo (Polat 2008, S. 13).

4.6.22

Ferit Kam – Europa (1913)

Ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts begann sich im Osmanischen Reich allmählich eine türkischsprachige Presse- und Medienlandschaft zu etablieren. Die erste in Istanbul herausgegebene Zeitung wurde zwar bereits im Jahre 1795 gedruckt. Gleichwohl handelte es sich dabei nicht um eine osmanische, sondern um eine französische Zeitung. Das Bulletin de Nouvelles, so ihr Name, wurde von der französischen Botschaft in Istanbul herausgegeben und verstand sich in erster Linie als Sprachrohr der Pariser Revolutionsregierung. Schon im darauffolgenden Jahr begann die zweite französischsprachige Zeitung in Istanbul – die Gazette Française de Constantinople – zu erscheinen (Topuz 1996, S. 19–20). Die erste türkischsprachige Zeitung hingegen erblickte im Jahre 1831 unter dem Namen Takvîm-i Vekayi (Ereigniskalender) das Licht der Welt.14 Obwohl sie nichts Anderes war als ein von Sultan Mahmud II. (reg. 1808-1839) in Auftrag gegebenes offizielles Presseorgan der Regierung (Yazıcı 2010, S. 490), trug die Takvîm-i Vekayi wesentlich zur Popularisierung der osmanisch-türkischen Presselandschaft und somit zur Bildung einer mehr oder minder politischen Öffentlichkeit bei (Karpat 1964, S. 257). Binnen kurzer Zeit sprossen zunächst die erste kommerzielle Zeitung – die ab dem Jahr 1840 von dem Briten William Churchill herausgegebene Ceride-i Havadis (Nachrichtenzeitung) – sowie ab 1860 die heute als Wiege des türkischen Journalismus geltende Tercüme-i Ahval (Übersetzer der Ereignisse) – die erste Zeitung, die explizit eine politische Agenda verfolgte – hervor (Şapolyo 1969, S. 115). „Unlike Churchill’s newspaper, which sought chiefly to spread news, the Tercüman sought to express opinions and educate the citizenry“ (Karpat 1964, S. 258; Herv. i. O.). Mit den anderen relativ zeitnah hinzukommenden Blättern wie Tasvîr-i Efkâr (Darstellung von Gedanken) ab 1862, Muhbir (Der Berichterstatter), Vatan (Vaterland) und Ayniyye-i Vatan (Spiegel des Vaterlandes) ab 1866 begannen osmanische Intellektuelle nun, sich – trotz der gelegentlichen Intervenierungsversuche 14

Unter dem Namen Le Moniteur Ottoman erschien ebenfalls ab 1831 auch eine französische Ausgabe der Takvîm-i Vekayi (Oral 1967, S. 62).

116

4 Methodische Vorgehensweise

durch den Sultan – angesichts der politischen Entwicklungen im Lande öffentlich zu positionieren (Şapolyo 1969, S. 99–150). Auch eine Gruppe von islamisch-religiösen Intellektuellen beteiligte sich ab dem Jahr 1908 in dieser Form an den öffentlichen Debatten. Ihre wöchentlich erscheinende Zeitung, die zunächst den Namen Sırât-ı Mustakîm (Der rechte Pfad – ein dem Koran entlehnter Begriff) trug und später ab 1912 Sebîlürreşâd (Der richtige Weg – ein ebenso aus dem Koran stammender Begriff) hieß, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die islamische Welt aus ihrem Schlaf zu wecken und mit Rat und Tat zu ihrer Wiederbelebung zu verhelfen (Efe 2009, S. 251). Dies wiederum setze, so verlautete es in einer Ausgabe, zunächst einen intensiven Gedankenaustausch mit den Muslimen aus anderen Teilen der Welt sowie nicht zuletzt auch ein gemeinsames Europa- und Zivilisationsverständnis voraus (Kara 2000, S. 15–16). Tatsächlich gelang es den Herausgebern der Zeitung, innerhalb kurzer Zeit eine große Leserschaft aufzubauen, die bis nach China, Russland oder Japan reichte. Um sich jedoch auch ein unvoreingenommenes Bild von Europa machen zu können, war es unumgänglich, dass sich ein Angehöriger der Gruppe um Sebîlürreşâd für eine Weile gen Westen begab und von dort für die Zeitung berichtete. Mit dem ausdrücklichen Auftrag, so wörtlich, die Zustände in Europa eingehend zu studieren sowie Kontakte zu dortigen Wissenschaftlern und Philosophen herzustellen, wurde deshalb im Jahre 1913 der Dichter, Schriftsteller und Hochschullehrer Ferit Kam (1864-1944) nach Europa geschickt (Bolay 2001, S. 271). Dort entstanden seine Avrupa Mektupları (Briefe aus Europa), die als Serie in der Sebîlürreşâd erschienen. 4.6.23

Ahmet Haşim – Deutschland (1932)

Der in Bagdad geborene Dichter und Schriftsteller Ahmet Haşim (1887-1933) gehört zu den wenigen Literaten des späten Osmanischen Reiches und der jungen Türkischen Republik, die sich von den Debatten ihrer im fundamentalen Wandel begriffenen Gesellschaft weitestgehend heraushielten (Okay 1989, S. 88–89). Sein Frankfurt Seyahatnâmesi (Frankfurter Reisebericht), das er während eines zweimonatigen Aufenthalts in Frankfurt am Main niederschrieb und später als Buch herausgab (Hulûsi 1947, S. XVII), ist deshalb auch nicht – wie die meisten anderen Reiseberichte jener Zeit – als ein Diskussionsbeitrag oder gar ein alternativer Gesellschaftsentwurf zu verstehen. Dies mag vielleicht mit den Umständen zusammenhängen, die ihn im Jahre 1933 nach Frankfurt führten. Haşim litt nämlich an Nierenleiden und Herzinsuffizienz und ließ sich dort behandeln (Hisar 1963, S. 156). Nichtsdestotrotz sind seine Eindrücke von

4.6 Bestimmung des Textkorpus

117

Deutschland, das sich damals fast schon in den Kriegsanfängen befand, mehr als bloße Reisetagebucheintragungen eines todkranken Dichters. „Sie sind ein kleiner analytischer, gleichsam ein prophetischer Zukunftsausblick, eine Hommage an die guten Eigenschaften des von ihm bewunderten europäischen Landes, im gleichen Atemzug ist jedoch eine dunkle, beängstigende Vorahnung darin enthalten. Sie sind vor allem eine im Geist des Dichters gebrochene Spiegelung. Er filtert seine Eindrücke und Erfahrungen in erster Linie als Ästhet – er unterrichtete Ästhetik an der Kunsthochschule in Istanbul –, dann erst als Dichter, schließlich als Privatperson. In allen seinen Beschreibungen schwingen also mehrere Dimensionen seiner Weltbetrachtung und seiner Persönlichkeit mit“ (Caner 2008, S. 9). Die Reise nach Frankfurt war nicht die erste Ahmet Haşims nach Europa. Zuvor war er bereits zweimal – in den Jahren 1924 und 1928 – in Paris gewesen und befand sich in regem Austausch mit der dortigen literarischen Szene. So war es offenbar auch die Lektüre französischer Werke, die in ihm das Interesse für Literatur überhaupt erst entfachte (Hulûsi 1947, S. XI, S. XVI–XVII). Ahmet Haşims Frankfurter Reisebericht gilt heute als eines der bekanntesten Werke der türkischen Literatur über Deutschland (Caner 2008, S. 7). Die Tatsache, dass in Frankfurt kurz nach seiner Abreise die ersten Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten begannen, lässt die zuweilen distanzierte oder gar ablehnende Haltung Haşims gegenüber manch einer Begebenheit, die er beobachtete, in einem besonderen Licht erscheinen (Caner 2008, S. 9).

4.6.24

Übersicht

Nachdem die einzelnen Reiseberichte, die dieser Arbeit zugrunde liegen, nun näher vorgestellt wurden, soll die folgende Tabelle abschließend eine Übersicht über den gesamten Textkorpus geben. Es sind darin jeweils das Jahr der Reise, das bereiste Land, der Verfasser des Berichts, dessen Titel sowie die verwendeten Quellen aufgeführt. Die Bezeichnung Europa in der zweiten Spalte der Tabelle soll darauf hindeuten, dass im genannten Fall mehrere europäische Länder Ziel der Reise waren, obwohl auch andere Berichte unter Umständen mehr als nur ein Land zum Inhalt haben können. Die letzte Spalte hingegen umfasst neben den Originalen bzw. Nachdrucken der Reiseberichte auch die gegebenenfalls bei der Analyse berücksichtigten Übersetzungen.

118

4 Methodische Vorgehensweise

Jahr der Reise

Bereistes Land

Verfasser

Titel des Reiseberichts

Verwendete Quelle(n)

1495

Ungarn

Hacı Zağanos

Ohne Titel

(Karamuk 1992, S. 391–393); (Karamuk 1975, S. 285–287) (deutsche Übersetzung)

1719

Österreich

Unbekannt

Ohne Titel

(Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 8–64); (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 9–65) (deutsche Übersetzung)

17201721

Frankreich

Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi

Fransa Sefâretnâmesi

(Çelebi 1889 [H. 1306]); (Çelebi 1970) (modernes Türkisch)

1730

Österreich

Mustafa Efendi

Istılâh-ı Nemçe

(Sanaç 1992, S. 140– 178); (Sanaç 1992, S. 179– 205) (deutsche Übersetzung)

1730

Polen

Mehmed Efendi

Lehistan Sefâretnâmesi

(Aktepe 1971, S. 137– 140)

1748

Österreich

Mustafa Hattî Efendi

Nemçe Sefâretnâmesi

(Hattî Efendi 1999); (Hammer 1823) (deutsche Übersetzung)

17571758

Österreich

Ahmed Resmî Efendi

Viyana Sefâretnâmesi

(Resmî Efendi 1887 [H. 1304]); (Resmî Efendi 1980a) (modernes Türkisch); (Resmî Efendi 1809a) (deutsche Übersetzung)

4.6 Bestimmung des Textkorpus

119

Jahr der Reise

Bereistes Land

Verfasser

Titel des Reiseberichts

Verwendete Quelle(n)

17631764

Preußen

Ahmed Resmî Efendi

Prusya Sefâretnâmesi

(Resmî Efendi 1886 [H. 1303]); (Resmî Efendi 1980b) (modernes Türkisch); (Resmî Efendi 1809b) (deutsche Übersetzung)

17871788

Spanien

Ahmed Vâsıf Efendi

İspanya Sefâretnâmesi

(Menchinger 2010, S. 360–366); (Menchinger 2010, S. 351–360) (englische Übersetzung)

17901792

Preußen

Ahmed Azmî Efendi

Prusya Sefâretnâmesi

(Karamuk 1975, S. 222–279) (deutsche Übersetzung); (Müller-Kolshorn 1918, S. 27–86) (deutsche Übersetzung)

17911792

Österreich

Ebûbekir Râtib Efendi

Nemçe Sefâretnâmesi

(Râtib Efendi 2012a)

17931796

England

Yusuf Âgâh Efendi Havâdisnâme-i İngiltere

(Hammer 1834b) (englische Übersetzung)

17971798

Preußen

Giritli Ali Aziz Efendi

Ohne Titel

(Schmiede 1989); (Schmiede 1990, S. 34– 37) (modernes Türkisch)

1802

Frankreich

Amedî Mehmed Said Galib Efendi

Fransa Sefâretnâmesi

(Altuniş-Gürsoy 1997, S. 929–941)

1806

Frankreich

Seyyid Mehmed Fransa Emin Vâhid Efendi Sefâretnâmesi

(Vahid Efendi 1887 [H. 1304]); (Ercan 1991, S. 85– 125) (modernes Türkisch)

120

4 Methodische Vorgehensweise

Jahr der Reise

Bereistes Land

Verfasser

Titel des Reiseberichts

Verwendete Quelle(n)

1838

Frankreich

Mustafa Sâmi Efendi

Avrupa Risâlesi

(Sami Efendi 1996)

1867

Europa

Ömer Faiz Efendi

Rûzname

(Faiz Efendi 2012)

1891

Europa

Ahmet İhsan

Avrupa’da Ne Gördüm

(İhsan 2007a)

1895

Frankreich

Mehmet Enisî

Avrupa Hâtırâtım

(Enisî 2008)

1895

Frankreich

Ali Kemal

Paris Musâhabeleri

(Kemâl 2014)

18971898

Europa

Şerafeddin Mağmumi

Brüksel ve Londra’da

(Mağmumi 2008b)

1898

England

Şerafeddin Mağmumi

Londra’da On Beş Gün

(Mağmumi 2008d)

1899

Europa

Şerafeddin Mağmumi

Fransa ve İtalya (Mağmumi 2008c) ve İsviçre’de

1911

Europa

Ahmet İhsan

Tuna’da Bir Hafta

(İhsan 2007b)

1913

Europa

Ferit Kam

Avrupa Mektupları

(Kam 2000)

19141915

Europa

Şerafeddin Mağmumi

1914 Senesi Ortasında Afrika-yı Şimâlîden Avrupa-yı Şimâlîye Azimet ve Avdet

(Mağmumi 2008a)

1932

Deutschland

Ahmet Haşim

Frankfurt Seyahatnâmesi

(Haşim 1933); (Haşim 2008) (deutsche Übersetzung)

5

Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

Niedergang gehört – ähnlich wie Fortschritt oder Aufstieg (Koselleck 1975, S. 352) – zu den vielleicht am häufigsten erfahrenen, beobachteten und gedeuteten Vorgängen der Geschichte und ist somit ein immer wieder verwendetes Motiv in der Historiographie (Koselleck 1980a, S. 7). Beispielhaft hierfür speziell in den jüdischen, christlichen und islamischen Traditionen sind die urgeschichtlichen Erzählungen vom Sündenfall Adams und Evas (Bibel, Genesis 3: 1-24; Koran, Sure 7: 19-25). Indem sie nämlich die (moralische) Verfehlung des Menschen und dessen daraus resultierende Vertreibung aus dem Paradies – den Fall – an den Anfang der Menschheitsgeschichte stellen, treffen diese Erzählungen nicht nur grundsätzliche Aussagen über das Wesen des Menschen, sondern (re-)produzieren darüber hinaus auch eine Vorstellung von Geschichte als einem allgemeinen Verfallsprozess (Burke 1976, S. 145). Der Mythos vom verlorenen Paradies ist gewiss älter als die drei monotheistischen Religionen und findet sich in ähnlicher Form auch in den großen Schöpfungsgeschichten anderer, älterer Kulturen wieder (Phillips 1987, S. 13– 18; Töpfer 1999, S. 5–57). Zudem versteht sich von selbst, dass er innerhalb der verschiedenen Traditionen jeweils unterschiedlich rezipiert und interpretiert wurde (Gürkan 2003, S. 6–13; Öztürk 2010, S. 147–155). Eines haben diese Schöpfungsgeschichten jedoch trotz ihrer Diversität gemeinsam: Sie alle gehen von der Annahme aus, dass am Beginn der menschlichen Entwicklung ein idealer Zustand existiert habe. „Zu jenem in unterschiedlichen Formen auftretenden Vorstellungskomplex von einer Idealzeit am Beginn der Menschheitsgeschichte gehören die Vorstellung vom paradiesischen Zustand in der jüdischen und der christlichen Überlieferung, die bei Griechen und Römern verbreitete Annahme eines Zeitalters, in dem Kronos bzw. Saturn die Welt lenkten, und schließlich die zuerst in der griechischen Überlieferung bezeugte, wohl an babylonische Vorbilder anknüpfende Vorstellung einer durch das Gold symbolisierten Anfangsphase der menschlichen Entwicklung“ (Töpfer 1999, S. 2).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_5

122

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

In all ihren unterschiedlichen Ausprägungen greifen die Erzählungen vom Sündenfall des Menschen – seiner Entfernung vom ursprünglichen Idealzustand – also schlussendlich ein Verfalls- oder Niedergangsparadigma auf, welches auch das Leitmotiv zahlreicher späterer historiographischer Werke bilden sollte. Zu den bekanntesten darunter zählt sicherlich Edward Gibbons zwischen 1776 und 1788 erschienenes sechsbändiges The History of the Decline and Fall of the Roman Empire (Gibbon 1994c, 1994b, 1994a). Auch Jacob Burckhardt widmete ein ganzes Kapitel seines Buches über die Zeit Konstantins des Großen der „Alterung des antiken Lebens und seiner Cultur“ (Burckhardt 1853, S. 281). Auf ähnlich pessimistische Weise wie Nietzsche, der bereits in seiner Geburt der Tragödie den Niedergang der griechischen Kultur beklagt hatte (Nietzsche 1972, S. 143–145), prophezeite Oswald Spengler schließlich in seinem sprichwörtlich gewordenen Hauptwerk über den Untergang des Abendlandes diesem nunmehr den endgültigen und unumgänglichen Verfall (Spengler 1981). Auch in der osmanischen Geschichtsschreibung15 taucht der Niedergangsbegriff, wie noch ausführlich darzulegen sein wird, häufig auf und bildet den Bezugsrahmen für die Deutung historischer Ereignisse insbesondere nach dem sechzehnten Jahrhundert. Als gleichsam symptomatisches Beispiel sei an dieser Stelle nur Alan Palmers offenkundig auf Gibbon anspielender Titel The Decline and Fall of the Ottoman Empire genannt (Palmer 1994). Es soll im Folgenden jedoch nicht eine begriffsgeschichtliche Erörterung vorgenommen, sondern lediglich darauf hingewiesen werden, dass es sich bei dem Begriff des Niedergangs um eine Metapher handelt, die dazu dient, geschichtliche Entwicklungen für die jeweils Beteiligten oder deren Beobachter verständlich – oder, mit Hans Blumenberg ausgedrückt, „vorstellig“ (Blumenberg 1998, S. 25) – zu machen. Denn „[g]enuin geschichtliche Begriffe, die es mit der geschichtlichen Zeit zu tun haben, gibt es zunächst nicht. Immer handelt es sich um Metaphern. Wir werden im Folgenden also auf den metaphorischen Gehalt unserer Begriffe achten müssen, um ihre geschichtliche Aussagekraft abwägen zu können“ (Koselleck 1980b, S. 216).

5.1

Niedergang als Metapher in historischen Narrativen

Die Sprache der Poeten, so der britische Schriftsteller Percy Bysshe Shelley in seinem Essay A Defence of Poetry, sei „vitally metaphorical: that is, it marks the 15

Die Bezeichnung osmanische Geschichtsschreibung, so, wie sie hier verwendet wird, schließt alle historiographischen Darstellungen von Ereignissen im Osmanischen Reich ein. Dazu zählen osmanische ebenso wie nicht-osmanische Quellen.

5.1 Niedergang als Metapher in historischen Narrativen

123

before unapprehended relations of things and perpetuates their apprehension, until the words which represent them become, through time, signs for portions or classes of thoughts instead of pictures of integral thoughts“ (Shelley 1852, S. 7). Ein weiterer, im selben Essay formulierter Gedanke Shelleys, wonach „every author is necessarily a poet, because language itself is poetry“ (Shelley 1852, S. 7), legt nun die Schlussfolgerung nahe, dass das Metaphorische nicht nur eine Eigenart der dichterischen Sprache ist, sondern durchaus als ein jeder Form von Sprache zugrunde liegendes Prinzip verstanden werden kann. Schon Aristoteles hob in seiner Theorie der Dichtung die Wichtigkeit des Metaphorischen hervor. Er fügte aber zugleich hinzu, dass anders als die bezeichnenden Nomina, die zur Klarheit der Sprache verhülfen, Metaphern etwas der gewöhnlichen Sprache Fremdartiges und daher gleichsam Rätselhaftes seien. In der Dichtkunst hingegen seien sie unabdingbar und zeugten – bei angemessener Verwendung, wohlgemerkt – von höchster schöpferischer Geisteskraft (Aristoteles 1950, S. 423; Mahon 1999, S. 78). Denn „dieses [das Metaphorische] allein kann man nicht bei anderen lernen, sondern ist das Zeichen von Begabung. Denn gut zu übertragen bedeutet das Verwandte erkennen zu können“ (Aristoteles 1950, S. 425). Insofern hebt sich Shelley gewissermaßen von der aristotelischen Rhetoriktradition ab, welche die Metapher allenfalls als sprachliches Stilmittel behandelt hatte (Kraus 2005, S. 96; Kienpointner 2005, S. 366). „Throughout the history of Rhetoric, metaphor has been treated as a sort of happy extra trick with words, an opportunity to exploit the accidents of their versatility, something in place occasionally but requiring unusual skill and caution. In brief, a grace or ornament or added power of language, not its constitutive form“ (Richards 2001, S. 60; Herv. i. O.). Dieser konstitutive Charakter aller Metaphorik kommt – ihre bei Aristoteles beschriebene Rätselhaftigkeit gleichsam anerkennend – auch in der Metaphorologie Hans Blumenbergs zum Ausdruck. Demnach dienen bestimmte Metaphern – Blumenberg nennt sie absolute Metaphern – gerade bei „nicht erreichter oder nicht erreichbarer Eindeutigkeit“ (Blumenberg 1983, S. 442), das heißt, wenn sich Gegenstände der begrifflichen Erkenntnis entziehen, als bevorzugtes Element der Rhetorik. Sie beziehen sich auf von Blumenberg als „Totalhorizonte“ (Blumenberg 1983, S. 441) bezeichnete Phänomene wie beispielsweise die Welt als Ganzes, die Geschichte, das Leben, den Menschen, das Sein, die Freiheit oder Gott, deren – wenn auch nur implizites – Verständnis nur durch eben jene absoluten Metaphern erlangt werden kann (Mende 2009, S. 9). Exemplarisch ausgeführt wird dieser Ansatz von Blumenberg mit Hilfe von Einzeldarstellungen wie

124

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

des Lichtes als Metapher für Wahrheit (Blumenberg 1957), der Seefahrt als Daseinsmetapher oder als Metapher für den menschlichen Lebensgang (Blumenberg 1979) sowie schließlich der Buchmetaphorik im Zusammenhang mit der Lesbarkeit der Welt. „Von der Welt Erfahrung zu machen, wie man sie einem Buch oder einem Brief verdanken kann, setzt nicht nur Alphabetismus, nicht nur die Vorprägung der Wünsche auf Sinnzugang durch Schrift und Buch voraus, sondern auch die kulturelle Idee des Buches selbst, insofern es nicht mehr bloßes Instrument des Zugangs zu anderem ist“ (Blumenberg 1986, S. 10–11). Unabhängig von der Frage also, ob Metaphern denn überhaupt einen Einblick in die tatsächliche Beschaffenheit der Dinge ermöglichen können (Black 1977, S. 456), ist zu konstatieren, dass sie sich uns als ein Repertoire an überlieferten Bedeutungen offenbaren und daher „ausgezeichnete historische ‚Indizien‘“ (Mende 2009, S. 10) dafür sind, wie eine Zeit über diese Dinge gedacht hat. Mit anderen Worten: Denken – und somit auch Sprache – ist per se metaphorisch. „That metaphor is the omnipresent principle of language can be shown by mere observation. We cannot get through three sentences of ordinary fluid discourse without it […]. And this is the more true, the more severe and abstract the philosophy is. As it grows more abstract we think increasingly by means of metaphors that we profess not to be relying on. The metaphors we are avoiding steer our thought as much as those we accept“ (Richards 2001, S. 61; Herv. i. O.). Weit über ihre bei Aristoteles noch dominierende Funktion als bloße sprachliche Vergleiche oder Substitutionen hinaus dienen Metaphern folglich als „Artikulationsmittel des Unbegreifens und Vorbegreifens“ (Blumenberg 1957, S. 432) und verweisen auf eine untergründige Schicht, eine „Substruktur“ (Haverkamp 1983, S. 20) des Denkens. „Nach diesen Einschränkungen fragen wir erneut nach der Relevanz der absoluten Metaphern, nach ihrer historischen Wahrheit. Ihre Wahrheit ist, in einem sehr weiten Verstande, pragmatisch. Ihr Gehalt bestimmt als Anhalt von Orientierungen ein Verhalten, sie geben einer Welt Struktur, repräsentieren das nie erfahrbare, nie übersehbare Ganze der Realität. Dem historisch verstehenden

5.1 Niedergang als Metapher in historischen Narrativen

125

Blick indizieren sie also die fundamentalen, tragenden Gewißheiten, Vermutungen, Wertungen, aus denen sich die Haltungen, Erwartungen, Tätigkeiten und Untätigkeiten, Sehnsüchte und Enttäuschungen, Interessen und Gleichgültigkeiten einer Epoche regulierten. What genuine guidance does it give? Diese Form der ‚Wahrheitsfrage‘, wie sie der Pragmatismus entworfen hat, ist hier, in einem allerdings ganz und gar biologiefreien Sinne, in Geltung. Eine Frage wie ‚Was ist die Welt?‘ ist ja in ihrem ebenso ungenauen wie hypertrophen Anspruch kein Ausgang für einen theoretischen Diskurs; wohl aber kommt hier ein implikatives Wissensbedürfnis zum Vorschein, das sich im Wie eines Verhaltens auf das Was eines umfassenden und tragenden Ganzen angewiesen weiß und sein Sich-einrichten zu orientieren sucht. Dieses implikative Fragen hat sich immer wieder in Metaphern ‚ausgelebt‘ und aus Metaphern Stile von Weltverhalten induziert. Die Wahrheit der Metapher ist eine vérité à faire. Obwohl es seit Kants Antinomien müßig ist, über das Ganze der Welt theoretische Aussagen zu machen, ist es doch keineswegs gleichgültig, nach den Bildern zu fahnden, die dieses als Gegenständlichkeit unerreichbare Ganze ‚vertretend‘ vorstellig machen“ (Blumenberg 1998, S. 25; Herv. i. O.). In diesem Sinne ist auch der historische Begriff des Niedergangs als eine Metapher zu verstehen, welche die Gegenwart in eine temporale Perspektive rückt und sie innerhalb eines als negativ empfundenen historischen Verlaufs verortet. Diskurstheoretisch von Belang sind Metaphern nun insofern, als sie, genau wie andere diskursive Elemente auch, nie neutral sind, sondern einen kognitiven Gehalt besitzen. Dieser kognitive Gehalt kommt im Wesentlichen dadurch zustande, dass die Metapher „mit dem metaphorischen ‚focus-word‘ ein Set von common-place-Konnotationen aufruft, die die übliche, konventionelle Bedeutung des denotierten ‚Hauptgegenstandes‘ durch Interaktion der beiden Terme überlagert. Dadurch stellt sie ein neues Set von Bedeutungen her, das als ‚Filter‘ funktioniert: Metaphern ermöglichen die Wahrnehmung bestimmter Teile der Wirklichkeit und blenden damit andere systematisch aus“ (Sarasin 2011, S. 75; Herv. i. O.). Ohne ontologische Festlegungen über das Ziel der Geschichte vorzunehmen und unabhängig davon, ob die Gesamtrichtung der Menschheitsgeschichte prinzipiell als Verfall gedeutet wird oder nicht (Rousseau 1971a, S. 213), orientieren sich Niedergangskonzeptionen stets an einer Norm und konstruieren somit einen Prozess, der sich in zeitlicher Erstreckung von einer normativ höher gewer-

126

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

teten Ausgangssituation entfernt (Widmer 1980, S. 13). Allein die historische Erfahrung, dass sich ein Zustand innerhalb einer Zeitspanne in einen anderen verwandelt, impliziert also zunächst keine spezifisch normative Haltung. Diese entfaltet sich erst durch die konkrete Besetzung jener Zustände. „Belegt man dann einen derartigen Wandel mit dem Begriff ‚Niedergang‘, so nahm man damit keineswegs eine neutrale ‚Relationsbestimmung‘ temporaler Verläufe vor, sondern vielmehr hat man – und das ist entscheidend – diesen Wandel bewertet, indem man sich mit dem ersten Zustand als einer akzeptierbaren Norm des Guten identifiziert und sich von dem zweiten Zustand als Verlust oder gar Perversion dieser Norm hin zum Schlechten distanziert“ (Melville 1980, S. 104). Die Normenvorgaben können freilich ganz unterschiedlicher Art sein, was wiederum insofern Einfluss auf die Niedergangsnarrative hat, als der Verfall dann dementsprechend als vorrangig politischer, ökonomischer, moralischer, religiöser, kultureller oder gar kosmischer interpretiert wird. Die verschiedenen narrativen Rahmen wiederum, von denen jeder eine jeweils spezifische paradigmatische Achse (Moger 1982, S. 136) der Erzählung erzeugt, befördern voneinander abweichende Versuche, den Niedergang zu erklären, oder stellen gegebenenfalls die mögliche Abwendung eines drohenden Untergangs in Aussicht. „In case of specific decline – of the church, of Spanish agriculture, of Italian painting – there was always the possibility of some kind of revival, reform, or regeneration. Some thinkers of the early seventeenth century even believed in the possibility of a ‚universal reform,‘ as they called it“ (Burke 1976, S. 144). Es versteht sich von selbst, dass auch das Paradigma eines Narrativs einen Wandel durchlaufen kann, ohne dass damit zwangsläufig das Paradigma als solches verloren geht. Unterschiedliche Erzählungen können daher durchaus „in der Identifizierung eines Paradigmas übereinstimmen, ohne sich über seine vollständige Interpretation oder abstrakte Formulierung einig zu sein oder auch nur zu versuchen, eine solche anzugeben“ (Kuhn 1976, S. 58; Herv. i. O.). Denn Geschichte – oder genauer: Geschichtsschreibung – als „arbeitendes, verarbeitendes Bewußtsein und gestaltende Erinnerung“ (Günther 1980, S. 31) beschreibt einen Prozess, in dem stets neue Erfahrungen verarbeitet und neue Erwartungen aufgeworfen werden. Niedergangskonzeptionen bilden in dieser Hinsicht keine Ausnahme.

5.2 Das Niedergangsparadigma in der osm. Geschichtsschreibung

127

„Niedergangsreflexionen werden dann in einen anderen ideologischen Komplex eingebettet; die Musterbeispiele, nach denen sich ein Problemlösungsverfahren richtet, haben sich geändert und der überkommene Fragen- und Antwortraster ist für die anstehende Sachlage ungeeignet“ (Widmer 1980, S. 23–24).

5.2

Das Niedergangsparadigma in der osmanischen Geschichtsschreibung

Viele der Erzählungen über die osmanische Geschichte beginnen mit einem Traum, den Osman I. (reg. 1288-1326) – Begründer, Namensgeber und erster Sultan des Osmanischen Reiches – eines nachts im Hause des Sufischeichs Edebali gehabt haben soll. „As Osman Ghazi slept he saw that a moon arose from the holy man’s [Edebali’s] breast and came to sink in Osman Ghazi’s breast. A tree then sprouted from his navel, and its shade compassed the world. Beneath this share there were mountains, and streams flowed forth from the foot of each mountain. Some people drank from these running waters, others watered gardens, while yet others caused fountains to flow. (When Osman awoke he went and) told the story to the sheykh, who said, ‚Osman, my son, congratulations, for God has given the imperial office to you and your descendants, and my daughter Malkhun shall be your wife.‘ He married them forthwith and gave his daughter to Osman Ghazi“ (Lindner 1983, S. 37). Diese Überlieferung, die erst ab dem späten fünfzehnten Jahrhundert – also über ein Jahrhundert nach dem Tod Osmans – in den Quellen auftaucht, gilt gemeinhin als Gründungsmythos des Osmanischen Reiches. Die darin enthaltenen explizit religiösen Referenzen dienten nicht nur dazu, der osmanischen Herrscherdynastie (göttliche) Legitimität zu verleihen (Temizkan und Aktaş 2012, S. 16; Kuzubaş 2007, S. 307), sondern lange Zeit auch zur Erklärung für deren maßgebliche militärische Erfolge. Der Aufstieg des Osmanischen Reiches war gleichsam gottgewollt (Köprülü 1988, S. 6–8; Finkel 2005, S. 2). Jener Aufstieg ist es auch, der in der osmanischen Historiographie bis weit in die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts hinein als das kennzeichnende Merkmal der – nach der Gründung – zweiten Phase der osmanischen Geschichte galt. Ihm folgten die Phasen der Stagnation, des Niedergangs und

128

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

schließlich des Zerfalls. Obgleich unter Historikern nie wirklich Einigkeit über die genauen Datierungen der einzelnen Phasen bestand, und zudem gegenwärtig die Epochengliederung als solche zunehmend in Kritik gerät (Genç 2012, S. 40; Findley 2005, S. 118; Karpat 1974, S. 79; Kreiser 1983, S. 42), bleibt festzuhalten, dass der mögliche Niedergang des Reiches seit jeher ein Leitmotiv in der osmanischen politischen und historiographischen Literatur gewesen ist. Denn „[t]he theme of the ‚fall of empires‘ dominated not only the writing of retrospective universal history, but also accounts of contemporary Ottoman society and politics. The Ottomans‘ historical consciousness was strongly imbued with an awareness of the fragility of royal power“ (Murphey 1989, S. 244). So wurden bereits im sechzehnten Jahrhundert, als sich die Osmanen gerade im Zenit ihrer Macht befanden, erste Stimmen laut, die eine aufrichtige Sorge um das Schicksal und das zukünftige Wohlergehen des Reiches zum Ausdruck brachten. Exemplarisch hierfür ist ein Großwesir unter Sultan Süleyman I., Lütfi Pascha (ca. 1488-1563), der in seinem Traktat Âsafnâme (Schrift eines Großwesirs) auf zahlreiche Fehlentwicklungen innerhalb des Staatsapparats hinwies und vor einem in absehbarer Zeit bevorstehenden möglichen Machtverfall warnte (Lütfi Paşa 1982, S. 11; İpşirli 1991, S. 456, 2003, S. 234). 16 Die Behauptung, dass die Osmanen sich der Unbeständigkeit ihrer Macht lange Zeit nicht bewusst gewesen seien (Palmer 1994, S. 6), lässt sich also nicht halten. Das Gegenteil war vielmehr der Fall. Noch während der sogenannten osmanischen Blütezeit unter Süleyman I. (reg. 1520-1566) entstand ein recht umfangreiches Korpus von Abhandlungen und Schriften – gleichsam eine neue literarische Gattung –, die explizit einen eventuellen Verlust der Großmachtstellung des Reiches problematisierten. „By the middle of the seventeenth century these political tracts formed a literary genre of political and social commentary, peculiar to the Ottomans, to which later writers consciously contributed. […] Clearly, the value of these works lies in their elucidation of the contemporary intellectual debate, and is not diminished by their sometimes faulty factual material or inaccurate historical reasoning. These texts reveal a crucial dialogue among Ottoman intellectuals of the post-Süleymānic age concerning the bases of Ottoman sovereignty and legitimacy“ (Howard 1988, S. 54).

16

Eine deutschsprachige Übersetzung der Âsafnâme von Lütfi Pascha findet sich in Rudolf Tschudis Das Aṣafnâme des Luṭfi Pascha nach den Handschriften zu Wien, Dresden und Konstantinopel (Tschudi 1910).

5.2 Das Niedergangsparadigma in der osm. Geschichtsschreibung

129

Das Bild vom Niedergang des Osmanischen Reiches war also zuallererst das Erzeugnis von Debatten innerhalb der osmanischen Elite und diente dort der Bezeichnung einer tatsächlich vorhergesehenen oder bloß befürchteten geschichtlichen Entwicklung nach der Ära Süleymans I. (Lewis 1962, S. 73–74; Goffman 2004, S. 192). Die spätere Übersetzung der Niedergangsliteratur in europäische Sprachen wiederum hatte zur Folge, dass dieses Bild sich – obgleich, wie noch zu zeigen sein wird, in abgewandelter Form – im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts auch in den modernen (Geistes-)Wissenschaften allmählich zu etablieren begann (Howard 1988, S. 53; Shaw 1976, S. 169) und schließlich die Metapher vom kranken Mann am Bosporus hervorbrachte (Çırakman 2002, S. 164). Tatsächlich verwendet wurde der Begriff des Niedergangs erstmalig vom moldauischen Historiker und Universalgelehrten Dimitrie Cantemir (1673-1723), der sich in den Jahren 1688 bis 1710 in Istanbul im Exil befunden hatte und anschließend von 1714 bis 1716 sein Werk Historia Incrementorum atque Decrementorum Aulae Othomanicae verfasste (Kantemir 2008, S. 28–30; Maner 2008, S. 90; Tuncel 1975, S. 31).17 Die als normativ höhergestellte Ausgangssituation, von der sich das Osmanische Reich im Prozess ihres Niedergangs immer mehr zu entfernen schien, war, so dürfte nun deutlich geworden sein, die Herrschaftszeit Sultan Süleymans I. (reg. 1520-1566). Als Maßstab, an dem sich die Beurteilungen der jeweils eigenen zeitgenössischen Situation immer wieder orientierten, stellt sie daher ein wichtiges Element des Niedergangsdiskurses dar. Obwohl Vorstellungen von einem goldenen Zeitalter der osmanischen Denktradition eher fremd waren (Kafadar 1993, S. 40), und natürlich auch keineswegs eine eindeutige Rezeption der Ära Süleymans existiert, so tauchten doch schon sehr bald nach dessen Tod die ersten politischen Schriften auf, welche die guten alten Zeiten unter seiner Herrschaft heraufbeschworen (Goffman 2004, S. 112; Quataert 2003, S. 2). Gewiss war Süleyman selbst an der Schaffung seines derart hohen Ansehens maßgeblich beteiligt, zumal er, wie jeder andere Sultan auch, direkten Einfluss auf die Historiographie seiner Zeit und somit auf die Darstellung seiner Rolle in der osmanischen Geschichte zu nehmen versuchte (Woodhead 1995, S. 166–167; Tezcan 2007, S. 169). Entscheidend ist jedoch, dass die kritischen Stimmen bezüglich seiner Herrschaft, die es, wie bereits erwähnt, durchaus gegeben hat, weniger wurden und somit nach und nach ein Mythos sowohl um die Person, als auch um die Regierungszeit Süleymans kreiert wurde (Woodhead 1995, S. 181).

17

In deutscher Sprache erschien das Buch im Jahre 1745 unter dem Titel Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen (Kantemir 1745).

130

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches „Whereas the older Islamic tradition of advice literature in the ‚mirrors for princes‘ style frequently resorted to models of exemplary behaviour in the very distant or semi-legendary past – amongst the pre-Islamic kings of Iran, the early caliphs, dominant personalities like Harun-i Raşid or Mahmud of Ghazna – seventeenth-century Ottoman commentators looked preferably to the nearest example of good practice, and elevated it into their model“ (Woodhead 1995, S. 185).

Zu seiner vollständigen Entfaltung kam der Niedergangsdiskurs also erst als unmittelbare Folge jenes Mythos. Einhergehend mit den verheerenden Territorialverlusten – während der Herrschaftszeit Süleymans I. hatte die geographische Ausdehnung des Reiches ihren Höhepunkt erreicht –, die für viele das Indiz für den Niedergang schlechthin darstellten (Lewis 2002a, S. 26) und obendrein das Ideal von den ewig siegreichen Grenzen zunehmend ins Wanken brachten (Aksan 1993, S. 56), wurde er zum wesentlichen Bestandteil des postsüleymanischen historischen Bewusstseins (Kafadar 1993, S. 38). Ihren entsprechenden Niederschlag fand diese Wahrnehmung schließlich in einer umfangreichen politischen Literatur, die sich ab dem späten sechzehnten Jahrhundert verstärkt der Frage nach den Ursachen des Verfalls widmete. Eines der kennzeichnenden Merkmale dieser Literatur war die betont nach innen gewandte Argumentation ihrer Autoren. „In the seventeenth century the perspective of Ottoman political literature was overwhelmingly domestic, and Ottoman statehood was discussed entirely in its own terms, not in connection with its linkages to the outside world“ (Neumann 2006, S. 52). Die Gründe für den mehr oder weniger offensichtlichen Machtverlust des Osmanischen Reiches lagen demnach an den Fehlentwicklungen innerhalb der eigenen Staatsgrenzen (Shaw 1968, S. 30). Im Zuge dieser Debatte, die bis in die jüngste Vergangenheit – ja, bis in die Gegenwart – andauerte, wurden unterschiedliche Faktoren erörtert und, je nach Gewichtung seitens der einzelnen Autoren, als primäre, sekundäre oder unter Umständen als marginale Ursachen klassifiziert.18 18

Die Wiedergabe und Beurteilung der weitschweifenden und sich über eine große Zahl von akademischen Disziplinen erstreckenden Diskussion über die Gründe für den Zerfall des Osmanischen Reiches würde sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Deshalb sei an dieser Stelle lediglich auf einen Teil der weiterführenden Literatur hingewiesen. Ein erster Überblick über die Rolle politischer, militärischer, sozialer und wirtschaftlicher Faktoren und deren Zusammenspiel findet sich bei Stanford J. Shaw (Shaw 1976, S. 169–298). Die

5.2 Das Niedergangsparadigma in der osm. Geschichtsschreibung

131

Die heutige osmanische Geschichtsschreibung hat, wie bereits angedeutet, das Niedergangsparadigma, wenn auch nicht gänzlich verworfen, so doch revidiert. Gleichsam in der Tradition des rumänischen Historikers Nicolae Jorga (1871-1940), der bereits Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts schrieb, dass „[für] uns und für unsere Zeit überhaupt […] die türkische Geschichte zu ernst [ist], um anekdotisch und dichterisch, und zu groß, um nach kleinlichen Gesichtspunkten betrachtet werden zu können“ (Jorga 1908, S. vi), stellt sie die gängige fünfteilige Epochengliederung nunmehr grundsätzlich in Frage. Auch sollen nicht mehr die Regierungsjahre der Sultane als Kriterium für die Periodisierung der osmanischen Geschichte gelten, sondern „die Ereignisse selbst“ (Kreiser 1983, S. 32). Demgegenüber ist eines der wesentlichen Momente des Niedergangsparadigmas die allmähliche Schwächung der Macht des Sultans und somit der zentralen Regierung in Istanbul. Denn „a weak central government by definition denotes a feeble society, and an incompetent monarch must pull his kingdom down with him. Consequently, the rise of the decentralized state – that is, the emergence of tax farmers, provincial elites, and cities that rivaled Istanbul – becomes merely a symptom of a state and society in crisis because the ‚great man‘ who heads it lacks ability“ (Goffman 2004, S. 123). Einer solchen Lesart liegt erkennbar die Norm eines geradezu allmächtigen Alleinherrschers zugrunde. „Man stellt die Linse der Beobachtung in erster Linie auf Veränderungen ein, die mit einzelnen Menschen vor sich gehen oder von denen man glaubt, daß sie sich zureichend auf einzelne Menschen als ihre Urheber zurückführen lassen“ (Elias 2002, S. 31). Die Aufmerksamkeit der Geschichtsschreiber richtet sich somit auf Individuen, „die als Einzelne kraft ihrer Leistungen für einen bestimmten Staat oder für irgendeine Gruppierung von Menschen als besonders bedeutsam bewertet werden“ (Elias 2002, S. 31). Der damit einhergehende Versuch, für jedes geschichtliche Phänomen einen individuellen Urheber zu finden, tendiert deshalb auch dazu, die Bedeutung der zunehmenden Spannungen zwischen der Istanbuler Zentralregierung und den lokalen Provinzen wird ausgeführt bei Halil İnalcık (İnalcık 1977), İ. Metin Kunt (Kunt 1983) und Yücel Özkaya (Özkaya 1977). Die Bereiche der politischen Institutionen und der Administration werden bei İ. Metin Kunt (Kunt 2003) und Rhoads Murphey (Murphey 1993) erörtert. Ein besonderes Augenmerk auf die osmanische Bürokratie wirft Carter V. Findley (Findley 1980, 1989). Die ökonomischen und monetären Dimensionen werden ausführlich diskutiert bei Şevket Pamuk (Pamuk 2003, 2009), Mehmet Genç (Genç 2012) und İlkay Sunar (Sunar 1987). Unter militärischen und militärhistorischen Gesichtspunkten beleuchtet wird die Frage bei Mesut Uyar und Edward J. Erickson (Uyar und Erickson 2009).

132

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

persönlichen Eigenschaften der Mitglieder der – in diesem Fall osmanischen – Dynastie zu überbetonen. Die Verschiebung der Machtverhältnisse zum Nachteil des Sultans impliziert jedoch keineswegs einen Verfall als solchen, sondern deutet indes auf eine Ausdifferenzierung oder Dezentralisierung der Macht hin. Dies ist mit ein Grund, weshalb sich die neuere osmanische Geschichtsschreibung immer mehr von jener Form des „declinism“ (Findley 2005, S. 118) entfernt und in Bezug auf die Zeit nach dem sechzehnten Jahrhundert statt von Niedergang bevorzugt von Transformation spricht. „The emerging new scholarship is revealing an Ottoman state (society and economy) in the process of continuous transformation, rather than a decline or fall from idealized norms of the past […]. In this new understanding, the Ottoman state underwent continuous modifications in its domestic policy, an ongoing evolution in which there is no idealized form, since change itself is understood as the norm“ (Quataert 2003, S. 4). Aus der Abkehr sowohl vom Begriff, als auch vom Paradigma des Niedergangs resultiert in der jüngeren Literatur wiederum mitunter ein neues historisches Narrativ, welches die enorme Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit der Osmanen während der letzten Phase ihres Reiches hervorzuheben versucht. Demnach bleibe es zu erklären, weshalb es angesichts eines in jener Zeit militärisch und wirtschaftlich deutlich überlegenen Europas – Europa wird im achtzehnten Jahrhundert die industrielle Revolution verwirklicht haben – dem Osmanischen Reich dennoch gelungen sei, sich derart lange zu behaupten (Genç 2012, S. 41– 42; Murphey 1989, S. 243). Ohne nun an dieser Stelle die verschiedenen Positionen dieser Debatte im Einzelnen zu referieren, sei zusammenfassend angemerkt, dass die Einwände gegen das Niedergangsmodell sich vor allem auf dessen Unzulänglichkeit beziehen, wenn es darum gehe, der Komplexität der Entwicklungen im späten Osmanischen Reich Rechnung zu tragen. „This complex system [between state and society] changed profoundly between 1603 and 1838. Scholars long envisaged these changes as a decline, following the empire’s earlier rise and preceding its nineteenth-century reform era. However, if certain things fell in this period, others rose. These two centuries do not display a single upward or downward trend. Even shorter-term

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

133

trends mask divergent trajectories followed by different parts of the imperial system“ (Findley 2006, S. 65).

5.3

Modernisierungstheoretische Ansätze

In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts erfuhr das Niedergangsparadigma insofern einen Bedeutungswandel, als es aus modernisierungstheoretischer Perspektive wieder aufgegriffen und innerhalb dieses Rahmens neu interpretiert wurde. Die zwei zentralen historischen Ereignisse, die zu der schnellen Verbreitung dieser Herangehensweise führten, waren zum einen der Kalte Krieg und zum anderen die Dekolonialisierung. „Der ‚Westen‘ ist im Grunde eine Erfindung der Nachkriegszeit“ (Osterhammel 2000, S. 22). Beide Erfahrungen beförderten die Vorstellung von der Universalität des Nationalstaats nach westlichem Modell sowie die Annahme, dass die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in Europa als Maßstab auch für andere Teile der Welt zu gelten hatten (Emrence 2007, S. 138). Im Zentrum auch der Untersuchungen insbesondere des späten Osmanischen Reiches stand daher die westeuropäische Erfahrung als Gradmesser für die Erklärung von Niedergang und Verfall. Diese Betrachtungsweise implizierte zuvorderst die Annahme von einer inhärenten Verbindung zwischen dem Westen einerseits und gesellschaftlichem Wandel andererseits. So bildete das westliche Europa des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts die Ausgangsbasis für zahlreiche Untersuchungen und Theorien sozialen Wandels, die gleichwohl einen – mehr oder minder – universellen Erklärungsanspruch erhoben. Einhergehend mit dem Ideal, „alle solchen [historischen] Wandlungen mit den gleichen Begriffen zu erfassen“ (Bendix 1970a, S. 183), rekurrierte der Begriff der Verwestlichung somit auf Transformationsprozesse, an deren Ende Gesellschaften eine relative Ähnlichkeit mit dem Westen vorweisen würden. „‚Westernization‘ was […] used in differentiating those who ‚developed and progressed‘ after the Western mode from those who had not. It became a very significant force in human history, one that united, for the first time in human experience, the whole world under a single imagined social construct and thus provided a

134

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches single, worldwide framework for understanding and assessing human activities“ (Göçek 1996, S. 6–7).

Abgelöst wurde der Begriff der Verwestlichung allmählich von dem der Modernisierung. Auch unter starkem amerikanischem Einfluss wurde dieser dann bis in die 1970er Jahre hinein zu einem zentralen Begriff in den Sozialwissenschaften (Latham 2008, S. 232–234). Die Implikation war, dass der Verwestlichungsbegriff den Blick lediglich auf die Beziehungen des Westens zu nichtwestlichen Gesellschaften richte, während Modernisierung tendenziell die gesamte Menschheit umfasse und daher ein globales Phänomen zu erfassen versuche. Doch „[in] reality, what ‚modernization‘ actually did was to eliminate the reference of the process to the unique experience of a number of European societies […], and make the European political and economic transformations of the eighteenth century a universal experience“ (Göçek 1996, S. 7). Nach wie vor waren der Blick also eurozentrisch und der Anspruch universal (Kocka 2006, S. 65). „Im Bereich der Soziologie hat das Prädikat ‚Modernisierung‘ seit etwa 1960 eine spezifische Verwendung zur Bezeichnung der Entwicklungsbemühungen in Ländern der Dritten Welt gefunden. Die Tatsache, daß dieses Substantiv kaum zur Benennung politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wandels der Industrienationen gebraucht wird, mag in Zusammenhang stehen mit der Einsicht in die Ungleichzeitigkeit beider Arten von Veränderungstendenzen. Modernisierung in den Entwicklungsländern ist – wenigstens aus unserer Perspektive – von dem Ziel bestimmt, auf verschiedenen Ebenen das gegenwärtige Niveau der Industrienationen zu erreichen, verläuft also in einer überschaubaren Etappe zwischen Dekolonialisierung und unserer eigenen Gegenwart“ (Gumbrecht 1978, S. 129). Auf dieser Grundlage konstruierten sozialwissenschaftliche Theorien der 1950er und 1960er Jahre schließlich eine Dichotomie zwischen Moderne einerseits und Tradition andererseits. Dies war gewissermaßen eine Fortsetzung der vorangegangenen soziologisch-historischen Theoriebildung, welche ebenfalls die – zunächst jedoch nicht als explizit modern bezeichnete – Gegenwartsgesellschaft von sogenannten traditionellen Gesellschaften abgegrenzt hatte. Als eines der Themen der Soziologie, durch welche diese sich als Wissenschaft definierte (Hillebrandt 2010, S. 156), wurde Modernisierung entsprechend als ein langer

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

135

Prozess gesellschaftlichen Übergangs von der Tradition zur Moderne konzeptualisiert. „The bridge across the Great Dichotomy between modern and traditional societies is the Grand Process of Modernization“ (Huntington 1971, S. 288). Eine zufriedenstellende Definition dessen, was Traditionalität in diesem Zusammenhang kennzeichnet, blieben die klassischen Modernisierungstheorien jedoch schuldig. Traditionale Gesellschaften wurden lediglich mit denjenigen Merkmalen charakterisiert, die zu ihrer Abgrenzung von modernen Gesellschaften dienten. Mit anderen Worten: traditionale Gesellschaften waren nichts Anderes als bloß nicht- oder vormoderne Gesellschaften. Der dynamischen und im ständigen Wandel begriffenen Eigenart der Moderne wurde somit das statische und unbewegliche Wesen der Tradition entgegengestellt (Gusfield 1967, S. 352–353). Modernisierung wurde zum Synonym für gesellschaftlichen Wandel schlechthin. In der Konfrontation mit denjenigen Gesellschaften, die diese als universal und unumkehrbar vorausgesetzte Entwicklung nicht durchlaufen hatten, konnten sich die westlichen Gesellschaften nun als Endpunkt einer sozialen Evolution begreifen, welche die nichtwestlichen Gesellschaften noch nachzuholen hatten. In der traditionellen Beschaffenheit dieser Gesellschaften wiederum lag gemäß den theoretischen Annahmen der Modernisierungstheorie auch die Ursache ihrer Unterentwicklung (Wehling 1992, S. 118). Demnach war Modernisierung nicht nur ein „Typus des sozialen Wandels, der seinen Ursprung in der englischen Industriellen Revolution […] und in der politischen Französischen Revolution […] hat“ (Bendix 1970b, S. 506), sondern der Modernisierungsprozess war darüber hinaus auch deshalb bedeutsam für andere Gesellschaften, „weil der ökonomische und politische Durchbruch, der sich am Ende des 18. Jahrhunderts in England und Frankreich vollzog, jedes andere Land der Welt in die Situation relativer Rückständigkeit gebracht hat. Diese Aufteilung der Welt in entwickelte Gesellschaften und Nachzügler ist eines der grundlegenden Elemente der Definition der Modernisierung“ (Bendix 1970b, S. 507; Herv. i. O.). Parsons drückte diese Unterscheidung in seinem Konzept der evolutionären Universalien aus. Bei diesen handelte es sich um strukturelle Innovationen oder Erfindungen, die jeweils den Übergang von Gesellschaften zu verschiedenen Entwicklungsniveaus kennzeichneten. Diejenigen Gesellschaften, die diese Innovationen durchführten, steigerten ihre generelle Anpassungsfähigkeit, wohingegen diejenigen, die über diese Innovationen nicht verfügten, „im Prozess der natürlichen Auslese relativ benachteiligt [waren]; das heißt nicht, daß sie

136

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

zum Aussterben verurteilt sind, aber sie haben nicht die Möglichkeit, weitere Entwicklungsschritte einzuleiten“ (Parsons 1970, S. 71). Mit anderen Worten: steigende Arbeitsteilung und institutionelle Differenzierung bildeten das Leitbild gesellschaftlicher Entwicklung schlechthin. Die Idee, dass diese letztlich zu immer komplexeren Gesellschaftsformationen führen müsse, stützte zudem die Annahme, dass gesellschaftliche Entwicklung zwangsläufig entlang einer „unilinearen und präformierten Stufenfolge“ (Schmid 1998, S. 388) fortschreite. Modernisierungsprozesse zeichneten sich also nicht nur durch ihre Irreversibilität aus, sondern auch und vor allem durch ihre Fortschrittlichkeit. Gesellschaften kamen demnach nicht darum herum, die genannten strukturellen Innovationen zu verwirklichen, wenn sie ihre Anpassungskapazitäten steigern wollten (Berger 1996, S. 52). Taten sie dies nicht, dann war dies einerseits ein Indiz für ihre relative Rückständigkeit sowie andererseits Grund für ihren Niedergang. „The analysts quite often assume a functionalist teleology; that is to say, they presume that its genesis is adequately explained, once they can demonstrate that the kind of system they are describing works well, and they can argue that the system is ‚superior‘ in its mode of functioning to prior systems. In this sense, the genesis assumes a quasi-inevitable character, situated in the logic of history and tied to setting in motion the particular kind of system. As for demise, this is explained in the case of defunct systems not by the inherent contradictions in the system (for every system has contradictions) but by the asserted inferiority of its mode of functioning, which inevitably gave way to presumably superior modes of functioning“ (Wallerstein 2001, S. 126). In diesem Sinne wurde Fortschritt als ein „genuin geschichtliches Prinzip“ (Koselleck 1975, S. 368) aufgefasst und mit Geschichte als solcher gleichgesetzt. Dementsprechend galten Gesellschaften, deren Entwicklung nicht entlang dieses unilinearen Pfades zur Moderne verlief, als von der Geschichte Ausgeschlossene – als „people ‚without history‘“ (Wolf 2010, S. 4). Eng verbunden mit dem Fortschrittsbegriff ist, so sei an dieser Stelle noch erwähnt, der Begriff der Zivilisation. Bereits im neunzehnten Jahrhundert brachte dieser ein europäisches Selbstbewusstsein zum Ausdruck, an der Spitze einer umfassenden weltgeschichtlichen Fortschrittsbewegung zu stehen (Elias 1989b, S. 1–2). Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg aber wurde er mehr und mehr ausschließlich für eine spezielle, hochentwickelte Kultur verwendet: die moderne westliche. Zivilisation war demnach primär eine europäische Beson-

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

137

derheit und wurde auf einer einlinigen Fortschrittsskala gesehen, auf der der Zivilisationsgrad aller Gesellschaften und Völker eingeordnet werden konnte. Die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Abstufungen und Klassifizierungen waren „eine unvermeidliche Folge der Fortschrittsmodelle und des Axioms der Vergleichbarkeit, daß der Zivilisationsstand aller Völker mit einem einzigen Maßstab gemessen werden könne“ (Fisch 1992, S. 744). Nicht selten wurden die Errungenschaften jener als singulär verstandenen Zivilisation auf den christlichen Charakter Europas zurückgeführt. Während Max Weber die moderne Kultur als eine „aus dem Geist der christlichen Askese“ (Weber 2000, S. 152; Herv. i. O.) geborene verstand, ging Talcott Parsons – ganz in Webers Tradition – noch einen Schritt weiter und sah in der Moderne nichts Anderes als die Verwirklichung, sprich: die Institutionalisierung, der christlichen Ethik schlechthin (Parsons 1963, S. 61). Um diesen vom christlichen Europa vorgegebenen, jedoch als universal postulierten Weg der Geschichte zu durchlaufen oder – überspitzt formuliert – um überhaupt gesellschaftlichen Wandel verwirklichen zu können, mussten sich alle nichteuropäischen Gesellschaften daher zwangsläufig am westlichen Modell orientieren. „Wir werden in der Tat behaupten, daß das moderne System sich über Europa hinaus nur auf dem Wege der Kolonisierung ausbreitete, oder, wie im Falle Japans, durch Prozesse, die auf den modernen Westen als Modell angewiesen waren“ (Parsons 2003, S. 10). Solange sie sich also nicht am modernen Westen als Vorbild orientierten, waren laut diesem theoretischen Postulat nichtchristliche Gesellschaften nicht in der Lage, sich zu verändern und mussten unter Umständen sogar einen Niedergang erleiden. Angesichts der Vorstellung einer Singularität von Zivilisation kam dieser freilich dem Verlust eines normativen Zustands gleich. Speziell die islamischen Gesellschaften, zu denen das Osmanische Reich naturgemäß gezählt wurde, bekamen im Lichte dieser Argumentation daher „den Anstrich eines kolossal missglückten geschichtlichen Abenteuers, das wegen seiner grundlegenden Lebensuntüchtigkeit unweigerlich danebengehen musste“ (Al-Azmeh 1999, S. 460). Jedoch waren es nicht nur die in Max Webers Tradition stehenden Theorien, die den mehr oder weniger möglichen Wandel in nichtwestlichen Gesellschaften auf diese Weise zu erklären versuchten. Auch marxistische Analysen wiesen diesbezüglich eine ähnliche Herangehensweise auf. Die Prämisse, dass alle Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen sei (Marx und Engels 1977, S. 462), verleitete allen voran Marx selbst zu der Aussage, dass Gesellschaften wie beispielsweise die indische in diesem Sinne unhistorisch seien.

138

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches „Die indische Gesellschaft hat überhaupt keine Geschichte, zum mindesten keine bekannte Geschichte. Was wir als ihre Geschichte bezeichnen, ist nichts andres als die Geschichte der aufeinanderfolgenden Eindringlinge, die ihre Reiche auf der passiven Grundlage dieser widerstandslosen, sich nicht verändernden Gesellschaft errichteten“ (Marx 1960, S. 220; Herv. A. S.).

Die grundlegende Unterscheidung zwischen orientalischen und okzidentalischen Gesellschaften, die bereits bei Hegels Geschichtsphilosophie auftauchte und nach der ebenfalls „die Inder keine Geschichte als Historie haben“ (Hegel 1986a, S. 204), fand sich – wenn auch vom Kopf wieder auf die Füße gestellt (Engels 1962, S. 293) – an dieser Stelle also auch bei Marx wieder. Demnach konnten die stagnierenden Gesellschaften Asiens nur dann einen gesellschaftlichen Wandel vollziehen, wenn die dynamischen Elemente des kapitalistischen Westens von außen an sie herangetragen wurden. Denn das „industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft“ (Marx 1975, S. 2). England habe in Indien, so Marx, daher „eine doppelte Mission zu erfüllen: eine zerstörende und eine erneuernde – die Zerstörung der alten asiatischen Gesellschaftsordnung und die Schaffung der materiellen Grundlagen einer westlichen Gesellschaftsordnung in Asien“ (Marx 1960, S. 221). Eine logische Konsequenz dieses Arguments war indes, „that capitalist colonialism is a historical necessity and the brutality which accompanies colonial armies is ultimately justifiable“ (Turner 1978, S. 15). Speziell im Hinblick auf das Osmanische Reich wäre aus Sicht von Marx und Engels die Aufrechterhaltung des dortigen Status quo daher ein Armutszeugnis gewesen – „ein Eingeständnis der völligen Unfähigkeit der herrschenden [europäischen] Mächte, irgend etwas für den Fortschritt oder die Zivilisation zu tun“ (Marx und Engels 1960, S. 6). „Den Status quo in der Türkei erhalten! Ebensogut könnte man versuchen, den Kadaver eines toten Pferdes in einem bestimmten Stadium der Fäulnis zu erhalten, in dem er sich befindet, ehe die vollständige Verwesung erfolgt. Die Türkei verfault und wird immer mehr verfaulen, solange das jetzige System des ‚europäischen Gleichgewichts‘ und die Aufrechterhaltung des Status quo andauern“ (Marx und Engels 1960, S. 7). Das gewohnte orientalistische Bild vom aktiven Westen versus dem passiven Orient (Said 2003, S. 109) trat hier also erneut zu Tage. Sowohl Marx, als auch Engels sowie zahlreiche in ihrer Denktradition stehende Theoretiker sahen dem-

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

139

nach Europa in der Pflicht (Turner 1978, S. 25–38; Göçek 1996, S. 14–18). Insofern blieb auch die „Lösung des türkischen Problems […] – wie die Lösung so vieler anderer Probleme – der europäischen Revolution vorbehalten“ (Engels 1960, S. 33). Infolge all der genannten Vorannahmen, die der modernisierungstheoretischen Lesart historischer Prozesse zugrunde lagen, erschien nunmehr die Geschichte des Osmanischen Reiches in ihrem Kern als nichts Anderes als die bloße Summe von Reaktionen auf die zunehmenden Einflüsse aus dem Westen (Lewis 2002b, S. 3–17; İnalcık 1996, S. 427; Davison 1964, S. 102). Denn als durch und durch traditionale Gesellschaft, deren primäres Merkmal der Stillstand war (İslamoğlu-İnan und Keyder 1987, S. 45), blieb den Osmanen – so der Tenor – schlichtweg nichts Anderes übrig, als hoffnungsvoll auf ihre (Re-)Vitalisierung durch die rettende Hand Europas zu warten (Abou-El-Haj 1991, S. 105). Die Erfüllung solcher Hoffnungen stieß jedoch auf schier unüberwindbare Hindernisse, unterschied sich das Osmanische Reich doch in seiner Beschaffenheit diametral von den europäischen Gesellschaften. Nach der Herrschaftstypologie Max Webers beispielsweise fiel das osmanische politische System unter den Begriff der traditionalen – im Gegensatz zur okzidental-rationalen – Form der Herrschaft. Speziell der Patrimonialismus, den Weber als „jede primär traditional orientierte, aber kraft vollen Eigenrechts ausgeübte“ (Weber 1980, S. 134) Herrschaft beschrieb und der „im Höchstmaß der Herrengewalt […] zum Sultanismus“ (Weber 1980, S. 133; Herv. i. O.) führte, war es, der das Wesen der osmanischen Gesellschaft ausmachte. Denn „[n]icht der Islâm als Konfession der Individuen hinderte die Industrialisierung […]. Sondern die religiös bedingte Struktur der islâmischen Staatengebilde, ihres Beamtentums und ihrer Rechtsfindung“ (Weber 1980, S. 643; Herv. i. O.). So war es auch die Entwicklung des orientalischen Sultanismus, „also der – an unserem okzidentalen ‚Rechtsstaat‘ gemessen – modernen Staatsformen fernstgelegenen, streng patriarchalen Spielart von patrimonialer Herrschaft“ (Weber 1980, S. 640), die dafür verantwortlich war, dass im Osmanischen Reich die dynamischen Kräfte des Wandels letztlich nicht über die Kräfte der Tradition siegen konnten. Die modernisierungstheoretische Reproduktion des Niedergangsdiskurses erfolgte also mitunter dadurch, dass die Ursachen des Verfalls konsequent in der Natur traditionaler Gesellschaften (İnalcık 1964) gesucht wurden. So rekurrierte die osmanische Geschichtsschreibung immer wieder auf die Herrschaftstypologie Max Webers und sah in der patrimonialen bzw. sultanistischen Struktur des osmanischen Staates zuweilen den Hauptgrund für dessen Trägheit hinsichtlich der Entwicklung zur Moderne und letzten Endes auch für dessen Niedergang (İnalcık 1992, S. 50–51).

140

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

Eng verbunden mit dieser Dichotomie von Patrimonialismus auf der einen Seite und dem Modell einer rationalen oder bürgerlich-liberalen Gesellschaft auf der anderen ist das ebenfalls in der Historiographie häufig auftauchende Bild vom orientalischen Despotismus (Adanır 2001, S. 83), für welches das Osmanische Reich immer wieder als Musterbeispiel herangeführt wurde (Curtis 2009, S. 52; Sayyid 2005, S. 35). Orientalische Despotien zeichneten sich, so beispielsweise Karl Wittfogel in Anlehnung an Max Webers Sultanismusbegriff, in erster Linie durch die Starrheit von Staat und Gesellschaft aus. Sie seien nicht in der Lage, sich aus sich selbst heraus zu verändern und seien deshalb grundsätzlich zum Scheitern verurteilt. Denn „it is clear that when such a transformation occured, it occured only through the direct or indirect influence of external forces“ (Wittfogel 1967, S. 423). „On the whole, Oriental Despotism became a short-hand explanation for why Asia did not develop“ (İslamoğlu 2001, S. 353). Vor diesem Hintergrund erschien der Niedergang des Osmanischen Reiches daher folgerichtig als das Ergebnis eines verspäteten oder gar fehlgeschlagenen Versuchs, auf die modernisierenden Kräfte aus dem Westen zu reagieren. Denn gänzlich entziehen konnte sich die osmanische Gesellschaft diesen Kräften nicht. Dies gebot laut den theoretischen Annahmen die Globalität von Modernisierungsprozessen (Berger 1996, S. 49). Die Tatsache, dass die westeuropäischen Gesellschaften den Durchbruch zur Moderne bereits geschafft hatten, war insofern auch für die Osmanen bedeutsam – allerdings mit dem Unterschied, dass das Osmanische Reich in diesem Zusammenhang lediglich den „Countries of reactive, or externally induced, modernization“ (Therborn 2003, S. 299) zugerechnet wurde. So schien es auch wenig überraschend, dass die erst sehr – oder gar zu – spät in Angriff genommenen Reformbestrebungen im Osmanischen Reich im Ergebnis nur zu einer „partiellen Modernisierung“ (Rüschemeyer 1970, S. 383) führen konnten. Die Diffusion moderner soziokultureller Errungenschaften in einer Gesellschaft mit deutlich niedrigerem Entwicklungsniveau konnte nämlich keine größeren Erfolge zeitigen, so das Postulat, welches auch heute noch viele historische Narrative der osmanischen Geschichtsschreibung weiterhin bemühen (Akbayrak 2012, S. 5–10; Quataert 2003, S. 2; Findley 2005, S. 138). Einer der Faktoren, welcher die mögliche Tendenz in Richtung auf vollständige Transformation einer „Empfängergesellschaft“ (Rüschemeyer 1970, S. 383) einzuschränken schien und daher als eine der Hauptursachen für deren letztlich defizitäre Modernisierung galt, war die Religion. Während es für Max Weber gerade die Religion – nämlich der asketische Protestantismus – gewesen

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

141

war, die den kapitalistischen Geist der Moderne hervorgebracht hatte, zeichnete sich indes der entwickelte Kapitalismus dadurch aus, dass er den religiösen Enthusiasmus der Anfangszeit überwunden hatte und deshalb ohne die ethischmoralischen Überzeugungen des Protestantismus auskam. „Ihre volle ökonomische Wirkung entfalteten […] jene mächtigen religiösen Bewegungen, deren Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung ja in erster Linie in ihren asketischen Erziehungswirkungen lag, regelmäßig erst, nachdem die Akme des rein religiösen Enthusiasmus bereits überstiegen war, der Krampf des Suchens nach dem Gottesreich sich allmählich in nüchterne Berufstugend aufzulösen begann, die religiöse Wurzel langsam abstarb und utilitarischer Diesseitigkeit Platz machte“ (Weber 2000, S. 149; Herv. i. O.). Diesen Prozess des Auseinandertretens der Kriterien religiöser Pflichterfüllung und der Bedingungen des ökonomischen Handelns bezeichnete Weber als Säkularisation. Säkularisation war jedoch nicht einfach als ein Fortfallen von Glauben und Religiosität zu verstehen, sondern vielmehr als Ablösung eines religiös motivierten Handlungstypus durch einen Handlungstypus, der sich an den Bedingungen des je besonderen Handlungsfeldes orientierte. Ähnlich wie Durkheim (Durkheim 1992, S. 224–225) argumentierte also auch Weber, dass das Entstehen einer funktional differenzierten Gesellschaft die Religion mehr und mehr aus dem öffentlichen Leben verdrängen und Teile der Gesellschaft sich aus der Herrschaft religiöser Institutionen und Symbole emanzipieren würden (Weber 1980, S. 383). Zentral in diesem Zusammenhang war der Weber’sche Begriff der Entzauberung, welcher implizierte, dass nunmehr „die Vorgänge der Welt […] ihren magischen Sinngehalt verlieren, nur noch ‚sind‘ und ‚geschehen‘, aber nichts mehr ‚bedeuten‘“ (Weber 1980, S. 308). Kurzum: Säkularisierung war ein mit Modernisierungsprozessen direkt im Zusammenhang stehender Vorgang der Abnahme der gesellschaftlichen Bedeutung von Religion (Pollack 2003, S. 5). Dieser Gedanke, der später zur Prämisse der sogenannten Säkularisierungsthese werden sollte, deutete an, dass die Religion aus dem öffentlichen Leben in die fernen Nischen der Privatsphäre abgeschoben werden würde (Luckmann 1996, S. 25). Die langfristige Prognose war jedoch – obgleich dies noch immer nicht, wie vorhergesagt, eingetreten ist (Eder 2002, S. 331) –, dass als Folge von Modernisierungsprozessen Religion eine Erosion erfahren und schließlich vollkommen verschwinden würde (Casanova 1994, S. 19). Für Max Weber war der Prozess der Säkularisierung allerdings eine dem Westen eigentümliche Entwicklung, mit den Wurzeln tief im antiken Judentum

142

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

und dem Stamm im Protestantismus und im wachsenden Kapitalismus. Im Zentrum dieses Prozesses lagen die zwei Begriffe Rationalität und Rationalisierung, und zwar aller Lebensbereiche (Tenbruck 1975, S. 667–671). Anderen Weltreligionen jedoch, so schien es für Weber, fehlten die „praktischen Antriebe zum Handeln“ (Weber 1988, S. 238), die im Okzident zu eben jener Rationalisierung der Lebensführung geführt hatten. Vor diesem Hintergrund nun wurde die Bezugnahme auf die christliche Reformation zu einem wiederkehrenden Leitmotiv vieler Arbeiten zum Thema Islam und Moderne. Die Suche nach einem islamischen Pendant zum Protestantismus oder gar die Frage nach der Möglichkeit einer „Protestantisierung des Islams“ (Stauth 2006, S. 1) bildete dabei den Ausgangspunkt. Getreu der Maxime aber, dass „Islam has always been traditionalist“ (Grunebaum 1955, S. 6), wurde den islamischen Gesellschaften die Fähigkeit zur Ausdifferenzierung der nichtreligiösen Lebensbereiche aus der Sphäre des Religiösen häufig abgesprochen (Lewis 1993, S. 136; Gellner 1984, S. 1). „Islam is therefore held responsible for the imposition of constraints on functional social differentiation which have otherwise been promoted by Protestantism and the division of labor in modern society“ (Stauth 1998, S. 174). Das Potential zu einer Rationalisierung sämtlicher Lebensbereiche im Weber’schen Sinne barg der Islam also – im Unterschied zum Calvinismus – nicht in sich, weshalb muslimische Gesellschaften auch entsprechend als „per se […] unmodernisable“ (Masud und Salvatore 2009, S. 42; Herv. i. O.) galten. Gleichwohl gab es auch Autoren, die im Sinne einer grundsätzlichen Kompatibilität von Islam und Moderne argumentierten und der These, die Entwicklung einer kapitalistischen Gesellschaftsformation sei dem Islam wesensfremd, widersprachen (Rodinson 1971, S. 90–91). Unabhängig von den einzelnen Schlussfolgerungen blieb jedoch die Tatsache, dass bei Vergleichen mit Modernisierungsprozessen in Westeuropa die Religion stets als maßgebliches Kriterium herangezogen wurde und „the reliance on Islam as the only key to the understanding of the Middle East“ (Karpat 1968, S. 70) vorherrschte. In der Historiographie fand dies seinen begrifflichen Niederschlag in der Vorstellung von einer Geschichte islamischer Gesellschaften, sprich: in der Auffassung von einer islamischen Essenz, welche den Verlauf der Geschichte dieser Gesellschaften ihrem inneren Wesen gemäß determinierte. Mancherorts wurde sogar von der islamischen Gesellschaft – im Singular – gesprochen, wodurch die essentialistischen Implikationen noch deutlicher zum Vorschein kamen, als sei der Islam „a single, clearly established fact, unchanged and unchanging, with which the Muslims are totally impreg-

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

143

nated“ (Al-Azmeh 1996, S. 56). Ob im Singular oder im Plural, in jedem Fall schien es so, als zeichnete sich die Geschichte jener islamischen Gesellschaften seit ihrer Blütezeit im frühen Mittelalter vor allem durch einen kontinuierlichen Niedergang und Verfall aus (Owen 1976, S. 113). Das Osmanische Reich bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Denn nicht nur war der Islam dort die dominante Religion (Imber 2009, S. 1), sondern er bildete vielmehr auch die Grundlage aller staatlichen und gesellschaftlichen Organisation. „[The Ottoman] Empire had been built up in accordance with certain Moslem principles […]. It owed its structure, indeed, to the guidance provided by these principles for those who controlled its destinies, in the particular circumstances in which it had grown and maintained itself in being“ (Gibb und Bowen 1951, S. 20). Ein signifikantes Merkmal der nicht selten auch zur „muslimischsten […] Nation unter allen Muhammedanern“ (Jäschke 1951, S. 154) stilisierten osmanischen Gesellschaft war nun naheliegenderweise „its hostility towards change and consequent stifling of initiative“ (Gibb und Bowen 1951, S. 215). Auch Marx und Engels sahen entsprechend eine Beziehung zwischen dem Islam und dem Scheitern der „Anläufe zur Zivilisation seitens der türkischen Regierung“ (Marx und Engels 1960, S. 8). Der Zusammenhang zwischen dieser gegenüber Wandlungen widerstandsfähigen Religion der Osmanen und dem historischen Verfall schien also hergestellt. Zurückgegriffen wurde auf „the internal dynamics of Islam to explain Ottoman nonchange in the eighteenth and nineteenth centuries; this ‚retrogression‘ stems from the emergence of heterodox Islam and the mystical tradition contained within it. As Islamic mysticism replaces the dynamic perception of life with a static one based on patience and resignation, the Islamic civilization starts to wane“ (Göçek 1996, S. 13). Auf Grundlage dieser der Religion zugeschriebenen Bedeutung wurden folglich auch die sozialen Gruppen im Osmanischen Reich unter den zwei dichotomen Kategorien konservativ-religiös einerseits und modern bzw. westlich orientiert andererseits subsumiert. Uneingedenk des damit betriebenen Reduktionismus wurde ein Dualismus zwischen Reaktionären und Reformern konstruiert, der nicht weniger als den Niedergang erklärbar machen sollte (Berkes 1964, S. 61–63). Es waren demnach die religiösen Kräfte – „the stronghold of traditionalism in Ottoman government and society“ (İnalcık 1964, S. 44) –, welche die rechtzeitige Umsetzung der an Westeuropa orientierten Lösungsmodelle und damit die Abwendung der Gefahr des Zusammenbruchs verhinderten. Viel zu spät wurde die Notwendigkeit erkannt, gesellschaftlichen Entwicklungen nicht

144

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

mit einem islamischen Fatalismus, sondern mit wissenschaftlicher Klarsicht zu begegnen (Mardin 1960, S. 436). Schlussendlich wurde mit derartigen Erklärungsversuchen nicht nur völlig ausgeblendet, dass es auch innerhalb der religiösen Gelehrtenschaft rigorose Verfechter der sogenannten Verwestlichung gab (Özkul 2009, S. 181–182; Heyd 1993, S. 39–53), sondern durch den nahezu ausschließlichen Fokus auf den Faktor Religion vielmehr auch der Irrtum begangen, das Handeln der verschiedenen Akteure monokausal zu begründen. Religion spielt auch eine zentrale Rolle im Konzept der multiple modernities von Shmuel N. Eisenstadt. Bereits in seinen früheren Schriften hatte Eisenstadt sich der Frage nach dem Verhältnis religiöser Orientierungen zu Prozessen des Wandels oder Verfalls von Imperien gewidmet (Eisenstadt 1961, S. 96–97, 1969, S. 50–68). Später richtete sich sein Forschungsinteresse konkreter auf unterschiedliche Formen und Strukturen von Modernisierungsprozessen. Er schloss sich dabei explizit Max Weber an, insofern, als er ebenfalls davon ausging, dass das „kulturelle Programm der Moderne“ (Eisenstadt 2000a, S. 10) ihren Ursprung in Westeuropa habe. Gleichzeitig jedoch schlug er eine neue Lesart Webers und speziell der Gesammelten Aufsätze zur Religionssoziologie vor (Eisenstadt 2006c, S. 162). Seine Kritik an den klassischen WeberInterpretationen bestand im Wesentlichen darin, dass diese kein ausreichendes Verständnis für die Vielfalt der Moderne in der heutigen Welt entwickeln könnten, zumal sie davon ausgingen, dass nichteuropäische Gesellschaften nur insoweit wirklich modern würden, als sie Äquivalente zur protestantischen Ethik entwickelten (Eisenstadt 2000a, S. 12). Modernisierung sei jedoch, so Eisenstadt, keineswegs ein eingleisiger demografischer, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Prozess, sondern müsse vielmehr als „eine Reihe von Prozessen mit einem gemeinsamen Kern, der ähnliche Probleme schafft“ (Eisenstadt 1979, S. 7) betrachtet werden. Die Lösungen, die angesichts dieser Probleme entwickelt würden, seien nun von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden, so dass sich letztlich jeweils verschiedene Typen moderner Gesellschaften herausbildeten (Eisenstadt 1979, S. 8). Mit seiner Neufassung der klassischen Modernisierungstheorien wendete Eisenstadt sich also zunächst gegen deren Konvergenzannahme, nach welcher das in Westeuropa entwickelte kulturelle Programm der Moderne auch außerhalb Europas zu einem westlichen Typ der Moderne führen müsste. Nichtwestliche Gesellschaften würden demnach im Zuge ihrer Modernisierung zwangsläufig dem Westen ähnliche institutionelle Merkmale entwickeln (Eisenstadt 1979, S. 50). Eisenstadt erkannte zwar durchaus an, dass „viele Kulturen außerhalb Europas empfänglich für die von der westlichen Moderne propagierten Themen waren“ (Eisenstadt 2006a, S. 16), betonte aber zugleich, dass die Suche nach Lö-

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

145

sungen für die Herausforderungen, die sich damit ergaben, in erheblichem Maße von den Traditionen jener Kulturen geprägt sei (Eisenstadt 1979, S. 231). Eisenstadt schlug hier gewissermaßen eine Neuinterpretation der von den klassischen Modernisierungstheorien als zentral angesehenen Unterscheidung zwischen Tradition und Moderne vor und übte zugleich Kritik an dem „Dogma der Modernisierungstheorie und der Theorie der modernen Gesellschaft, die Modernisierung im Anschluss an Weber als Enttraditionalisierung beschreibt“ (Preyer 2011, S. 38). Denn Modernisierungsprozesse schwächten zwar sehr wohl bestimmte Aspekte der Tradition, führten jedoch gleichzeitig auch „zu einer kontinuierlichen Rekonstruktion anderer Aspekte der Tradition“ (Eisenstadt 1979, S. 233). Die Hervorhebung historischer Kontinuitäten sowie die Neuauslegung von Modernisierungsprozessen als „Entfaltung traditioneller Kräfte“ (Eisenstadt 1979, S. 133) bildeten also den Kern der Kritik Eisenstadts. „Paradoxically, the most emphatically innovative episodes of the modern transformation appear as the most revealing symptoms of dependence on traditional sources“ (Arnason 2005, S. 38). Diese Kritik an klassischen Modernisierungstheorien mithilfe des Konzeptes der multiple modernities verknüpfte Eisenstadt nun im Rahmen seiner vergleichenden historischen Zivilisationsanalyse mit dem von Karl Jaspers entlehnten Begriff der Achsenzeit. Dieser hatte sich in seinem 1949 erstmals erschienenen Buch Vom Ursprung und Ziel der Geschichte ausdrücklich gegen christliche und nach-christliche Geschichtsphilosophien gewandt. Von Augustin bis Hegel sowie darüber hinaus sei stets von einer universalen Struktur der geschichtlichen Bewegung ausgegangen worden. Geschichte aber sei nichts Anderes als Interpretation und im Wesentlichen vom Standpunkt und der Perspektive des Beschreibens und Beurteilens historischer Ereignisse bestimmt. „Der christliche Glaube aber ist ein Glaube, nicht der Glaube der Menschheit. Der Mangel ist, daß solche Ansicht der Universalgeschichte nur für gläubige Christen Geltung haben kann“ (Jaspers 1955, S. 14; Herv. i. O.). Jaspers sprach also europäisch-christlichen – genauer: eurozentrischen – Geschichtsbildern das Monopol auf die Deutung der Weltgeschichte ab und legte somit die Grundlage für ein multizentrisches Verständnis von Geschichte. Demnach entwickelte jeder Kulturkreis sein eigenes Geschichtsbewusstsein, und es gab keinen übergeordneten Standpunkt der Geschichtsschreibung (Preyer 2011,

146

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

S. 36). Eisenstadt übernahm diesen Geschichtsbegriff und sprach gleichermaßen von Axial Civilizations und World Histories im Plural (Eisenstadt 2006c, S. 164). „No single homogeneous world history emerged, nor were the different types of civilizations similar or convergent. Rather, there emerged a multiplicity of different, divergent, yet continuously mutually impinging world civilizations, each attempting to reconstruct the world in its own mode, according to its basic premises, and either to absorb the others or consciously to segregate itself from them“ (Eisenstadt 2000b, S. 9). Die Übersetzung der Gedanken Jaspers‘ in die Sprache der historischvergleichenden Soziologie vollzog Eisenstadt insofern, als er die enge Beziehung zwischen den allgemeinen institutionellen Mustern und den kulturellen Ausrichtungen der verschiedenen Achsenzivilisationen jeweils in den Fokus seiner Untersuchungen rückte. Zentrale Annahmen vorheriger Gesellschaftstheorien standen damit zur Disposition. Insbesondere das evolutionistische Paradigma vom Schwinden religiöser und kultureller Traditionen zugunsten einer allumfassenden und einheitlichen Moderne wich dem Bestreben, gesellschaftliche Wandlungsprozesse im Kontext unterschiedlicher zivilisatorischer Bedingungen zu analysieren (Eisenstadt 1980, S. 842; Wittrock 2005, S. 57–58). Tradition wurde dabei als ein in den jeweiligen Zivilisationen verankertes kulturelles Programm verstanden, welches überall unterschiedlich und unterschiedlich schnell die Wandlungsprozesse antrieb oder steuerte. Somit wurden nicht nur Traditionen nicht mehr als Residuen einer als längst überwunden geglaubten Vorzeit interpretiert, sondern es wurde zugleich ermöglicht, nichtwestliche Gesellschaften als dynamische zu betrachten, auch wenn ihre Dynamiken sich von denjenigen in Europa unterschieden und entsprechend andere gesellschaftliche Veränderungsprozesse in Gang setzten (Knöbl 2001, S. 239). Mithilfe dieser „civilizational frameworks of change“ (Arnason et al. 2005a, S. 5), welche Eisenstadt in den Mittelpunkt seiner vergleichenden Analyse stellte, galt es nun, die verschiedenen Achsenzeitkulturen in Beziehung zu den jeweiligen sozialen Strukturen zu setzen und sie im Hinblick auf ihre ordnungserhaltenden und ordnungsverändernden Funktionen zu untersuchen (Preyer und Sussman 2016, S. 5). Die Selbstbeschreibung der westlichen Gesellschaft als Inbegriff von Modernisierung verlor für die vergleichende Zivilisationsforschung somit an normativer Geltung, so dass die westliche Moderne, ihre historische Verwurzeltheit in einer bestimmten Tradition und ihr Verhältnis zu ihren welthistorischen Anderen neu reflektiert werden musste (Arnason et al. 2005b, S. 15).

5.3 Modernisierungstheoretische Ansätze

147

„Die Neufassung der Modernisierungstheorie als zentrales Thema der soziologischen Theorie verdeutlicht, dass es nicht nur einen einzigen Weg der Modernisierung gibt, sondern dass strukturell unterschiedliche Versionen von Modernisierungen nachweisbar sind, die vor dem Hintergrund der muslimischen, indischen, buddhistischen, konfuzianischen und japanischen Kulturen und dem westlichen Einfluss auf diese Kulturen vom westlichen Entwicklungspfad abweichen“ (Preyer 2011, S. 52). In der osmanischen Geschichtsschreibung wurde die Theorie der multiple modernities jedoch kaum rezipiert. Dies mag auf den ersten Blick erstaunen, zumal, wie bereits ausführlich dargelegt wurde, modernisierungstheoretische Annahmen seit jeher eine wichtige Rolle in den Untersuchungen zur osmanischen Geschichte gespielt hatten. Die Tatsache, dass die klassischen Modernisierungstheorien zunehmend in Misskredit gerieten, fand bei den einschlägigen Historikern jedoch keinen entsprechenden Widerhall (Findley 2010, S. 2). Ein Grund hierfür könnte sein, dass der analytische Rahmen, den Eisenstadts vergleichende Zivilisationsforschung lieferte, hinsichtlich der Bestimmung der genauen Untersuchungseinheiten außerordentlich vage blieb. Obgleich die verschiedenen Achsenzivilisationen namentlich genannt wurden – und eine von ihnen war die islamische (Eisenstadt 2000b, S. 4) –, waren die konkreten Gegenstände des Vergleichs nicht klar gekennzeichnet (Döring 2006, S. 30). Selbst die Frage, ob es überhaupt nur eine islamische Zivilisation gebe und nicht eher mehrere, blieb weitestgehend unbeantwortet (Arnason 2003, S. 25). Eisenstadt bleibe, so eine verbreitete Kritik an seinem Werk, die historische empirische Belegung seiner theoretischen Ausführungen schuldig (Thielmann 2006, S. 73), so dass letztlich noch nicht einmal klar werde, worin genau die signifikanten Unterschiede zwischen der westlichen und den nichtwestlichen Modernen bestünden (Schmidt 2006, S. 80). Sodann blieb vor diesem Hintergrund auch der Vorwurf des Eurozentrismus nicht aus. Anders als sein Anspruch, nicht wie Max Weber die europäische Sonderentwicklung, sondern vielmehr die unterschiedliche Gestaltung der Moderne auch außerhalb der europäischen Zivilisation zu erklären, beschreibe Eisenstadt die westliche Moderne als eine Art Idealtyp, auf dessen Grundlage alle anderen Zivilisationen untersucht und dem Vergleich unterzogen würden (Bhambra 2006, S. 21). Entgegen seiner ursprünglichen Intention, sich von den klassischen Modernisierungstheorien abzugrenzen, gründe das Konzept der multiple modernities daher gleichermaßen auf der Prämisse, dass die Moderne nur im christlichen Westen zu ihrer endgültigen Reife erlangt sei (Delanty 2006, S. 27).

148

5 Der Diskurs vom Niedergang des Osmanischen Reiches

In der Geschichtsschreibung führte die Abkehr von modernisierungstheoretischen Axiomen, die den Niedergang des Osmanischen Reiches anhand des entsprechenden begrifflichen Instrumentariums zu erfassen versuchten, daher nicht unweigerlich zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit Eisenstadts Konzept der multiple modernities. Außer seinen eigenen – im Gesamtwerk verstreuten – Betrachtungen zum Osmanischen Reich (Eisenstadt 1998, S. 24–25, 2003, S. 633, 2006b, S. 308), gab es bisher nur einige wenige Beiträge, die, ausgehend von Eisenstadts zivilisationsanalytischem Forschungsprogramm, gesellschaftliche Veränderungen im Osmanischen Reich zu erklären versuchten (Gerber 2002; Weber 2009). „Despite its revisionist stance, this approach [multiple modernities] does not give a genuine chance of imagining multiple cultural programs of modernity arising in different parts of the world. In the final analysis, what is accorded to the rest of the world is limited to a ‚creative appropriation‘ of the ‚real thing‘ that developed in Europe. This is not very different from the canonical treatment of Ottoman modernization, which starts either with the invasion of Egypt by the French led by Bonaparte in 1798, the British demands related to the British-Ottoman Trade Agreement of 1838, or some other event connected with Europe that put pressure on the Ottomans to modernize. A growing body of scholars have criticized this approach and instead have argued for the importance of internal dynamics that were transforming Ottoman society long before the nineteenth century as opposed to privileging external dynamics emanating from Europe“ (Tezcan 2007, S. 167–168). In Anbetracht des bisher Gesagten ergibt sich nun einmal mehr das grundsätzliche Problem der Kontextualität aller Sozialtheorie und der damit einhergehenden Schwierigkeit des Vergleichs in den Sozialwissenschaften (Tilly 1984, S. 2; Wallerstein 2001, S. 168–177, 2006, S. 70). Diese Thematik kann und soll an dieser Stelle zwar nicht näher erörtert werden. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass auch Eisenstadt immer wieder über die Frage nach der Übertragbarkeit westlich geprägter Begriffe auf nichtwestliche Kontexte reflektiert. Neben der Gefahr eines verzerrten Blicks auf soziale Realität berge jener Akt des Übertragens jedoch auch ein erhebliches kreatives Potenzial in sich (Eisenstadt 2002, S. 159; Eisenstadt und Schluchter 2001, S. 15).

6

Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

In diesem Kapitel sollen nun die vorangegangenen theoretischen Überlegungen auf das empirische Material angewendet und die Gesandtschafts- und Reiseberichte dahingehend untersucht werden, inwieweit und in welcher Form der Diskurs des Niedergangs in ihnen seinen Niederschlag findet. Dabei wird nicht streng chronologisch vorgegangen, sondern der Fokus auf die thematische Komplexität des Niedergangsdiskurses gelegt. Wie bereits erörtert wurde (vgl. Kapitel 4.3 und 4.4), hat diese Herangehensweise, da sie Themen als Kreuzungspunkt verschiedener Diskurse begreift, den Vorteil, dass sie Aussagen in ihrem multidiskursiven Kontext betrachtet und dabei die grundsätzliche Offenheit von Diskursen mitberücksichtigt. Es sei noch darauf hingewiesen, dass die im Folgenden aus den Berichten zitierten Passagen in der Regel als exemplarisch für die jeweils behandelten Aspekte zu verstehen sind. Ähnliche Textstellen werden meistens nur dann wiedergegeben, wenn sie zur Veranschaulichung eines weiteren Teilaspekts dienen und keine bloße Wiederholung des bereits Gesagten darstellen.

6.1

Das osmanische Selbst und der europäische Andere

Identitätskonstruktionen – und zwar sowohl des Individuums, als auch von Kollektiven – gehen stets einher mit der Konstruktion von Differenz. Ihnen liegt daher die soziale Kategorisierung nicht nur des Selbst, sondern auch des Anderen zugrunde. Der Andere wird dabei als verschieden im Hinblick auf Rasse, Religion, Sprache, Kaste, Geschlecht, Alter, Klasse, Lebensstil oder ähnliches impliziert (Oommen 1994, S. 3). „[I]dentity and difference are inextricably entwined. You can not have one without the other – e.g., there cannot be an upper class without other classes, or whites without blacks, or men without women, or heterosexuals without gays and lesbians. Interrogating identity is to highlight how ‚otherness‘ is constructed“ (Schram 1993, S. 267).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_6

150

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Die Identität eines Phänomens festzustellen bedeutet demnach, dessen Differenz zu einem anderen Phänomen zu bezeichnen. Zwischen den isoliert differenzierten Phänomenen können dann Beziehungen – etwa der Kausalität oder der Dependenz – festgestellt werden. Differenz wird dabei jedoch vorkonstituiert, und somit wird prätendiert, etwas unmittelbar und positiv zu bezeichnen, was doch erst durch Absetzung von dem, mit dem es nicht identisch ist, geschaffen wird (Luhmann 1998, S. 60–78). Im Hinblick auf die Konstruktion von kollektiven Identitäten bedeutet dies nun, dass „collective identity is a relation between two human collectives, that is, it always resides in the nexus between the collective self and its others, and not in the self seen in isolation“ (Neumann 1998, S. 399). In diesem Sinne ist der Andere als Bedingung für die Behauptung einer (kollektiven) Identität zu begreifen. Wirklichkeitskonstruktion im Allgemeinen und Identitätskonstruktion im Besonderen bedürfen demzufolge der Stereotypisierung. Stereotype sind in diesem Zusammenhang als Komplexe von Eigenschaften zu verstehen, die Personen oder Gruppen zugeschrieben werden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um individuelle, sondern vielmehr um gesellschaftlich hervorgebrachte Wahrnehmungsmuster und vorgeformte Kategorien (Weller 2001, S. 13). Menschen werden also bestimmten sozialen Kategorien zugeordnet. Da nun aber die Konstruktion des Anderen Bedingung für die Konstruktion des Selbst ist, beziehen sich Stereotype nicht nur auf die Anderen, sondern auch auf das Selbst und die eigene Gruppe. Autostereotype stehen Heterostereotypen gegenüber (Roth 1998, S. 25– 29). Dieses Muster findet auch bei den in dieser Arbeit untersuchten Reiseberichten immer wieder seine Entsprechung. So stellen ausnahmslos alle Autoren eine Differenz zwischen sich selbst oder dem Osmanischen Reich einerseits und dem von ihnen bereisten Europa andererseits her. Der Begriff Europa selbst jedoch taucht zuerst bei Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendis Bericht aus den Jahren 1720-1721 auf (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 104). Der viel ältere Bericht des Hacı Zağanos aus dem Jahre 1495 sowie der Text über die Reise İbrahim Paşas nach Österreich von 1719 erwähnen lediglich die verschiedenen Glaubenszugehörigkeiten als Unterscheidungsmerkmal, ohne dies aber in eine allgemeinere Vorstellung von einem einheitlichen Europa einzubetten (Karamuk 1992, S. 392; Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 34). Erst im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts etabliert sich allmählich das Verständnis von Europa als einer Einheit (Yapp 1992, S. 138–139), was sich wiederum in der zunehmenden Häufigkeit des verwendeten Begriffs auch in den untersuchten Reiseberichten niederschlägt. Der im osmanischen Sprachgebrauch negativ konnotierte und viel ältere und

6.1 Das osmanische Selbst und der europäische Andere

151

populärere Begriff Frengistan19 hingegen kommt zwar selbst in den spätesten Reiseberichten noch vor, findet mit der Zeit jedoch immer seltener Verwendung. Der in den Jahren 1791-1792 als Gesandter in Wien beauftragte Ebûbekir Râtib beispielsweise spricht sowohl von den „Gesetzen und Prinzipien Frengistans“ (Râtib Efendi 2012b, S. 28), als auch von den „Prinzipien europäischer Staaten“ (Râtib Efendi 2012b, S. 6). Auch Seyyid Vâhid wechselt einige Male hin und her, indem er von seinem „Aufbruch nach Frengistan“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 11) oder den „in Frengistan erhobenen Steuern“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 66) berichtet, zugleich aber auch die „europaweit“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 23) nahezu einzigartigen Fähigkeiten der Anatomen Wiens lobpreist oder in einem anderen Zusammenhang die „Flüsse Europas“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 67) beschreibt. Ihre letzte Erwähnung finden die Frenkler (Franken/Europäer) schließlich in Şerafeddin Mağmumis Bericht aus den Jahren 1897-1898 (Mağmumi 2008b, S. 94). Die Verdrängung Frengistans aus osmanischen Texten im Allgemeinen (Şakiroğlu 1996, S. 199) und den hier untersuchten Reiseberichten im Besonderen sowie seine sukzessive Ersetzung durch den Begriff Europa deutet möglicherweise auf zwei miteinander im Zusammenhang stehende Entwicklungen hin. Zur selben Zeit – d.h. im achtzehnten Jahrhundert – befand sich Europa in einer Phase, in der die Idee bzw. das Ideal von einer größeren europäischen Gemeinschaft begann, über die Grenzen kleiner Eliten hinaus Verbreitung zu finden und sich somit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen allmählich eine Art europäisches Bewusstsein entfaltete (Lowenthal 2000, S. 316). Diskurstheoretisch ausgedrückt, reflektiert die zunehmende Verwendung des EuropaBegriffs seitens der osmanischen Reisenden daher gleichsam eine Erweiterung des diskursiven Rahmens, innerhalb dessen sie ihre Aussagen tätigen. Mit anderen Worten: der Europa-Begriff in einem osmanischen Text stellt ein neues diskursives Element dar, eine Referenz auf jene nunmehr auch für Osmanen zugänglichen Europa-Diskurse, die gleichwohl wieder in einen bereits existierenden historisch entstandenen osmanischen Bedeutungszusammenhang eingeflochten, d.h. aus einem „Ottoman cultural framework“ (Göçek 1996, S. 120) heraus neu gedeutet werden. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die Europa-Rezeptionen der osmanischen Reisenden ähnlich oder gar identisch gewesen seien. Ein diskurstheo19

Wörtlich übersetzt bedeutet Frengistan zwar das Land der Franken, bezeichnet jedoch im Allgemeinen die Gruppe aller europäischen Länder (Pakalın 1993, S. 635). Da sich die Beziehungen des Osmanischen Reiches ins Ausland zu Beginn vor allem auf Italien konzentrierten, wurde der Begriff zunächst als Synonym für Italien gebraucht. Später umfasste er auch Frankreich, Deutschland und ab etwa der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts alle anderen europäischen Länder (Şirin 2009, S. 47).

152

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

retischer Ansatz ließe eine solche Schlussfolgerung gar nicht erst zu. Beobachtbar ist aber, dass in allen hier untersuchten Reiseberichten ein Bild von Europa als einem einheitlichen Gebilde vorherrscht. Dies kommt schon allein darin zum Ausdruck, dass selbst bei Schilderungen aus einem einzigen Land oft von Europa die Rede ist – so beispielsweise bei Mustafa Efendi in Wien (Sanaç 1992, S. 142), Ahmed Resmî in Berlin (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 9), Ahmed Vâsıf in Spanien (Menchinger 2010, S. 361–362), Yusuf Agâh in London (Hammer 1834b, S. 497), Mehmed Said Galib in Paris (Altuniş-Gürsoy 1997, S. 934) oder Ahmet Haşim in Frankfurt (Haşim 1933, S. 17, S. 34, S. 36). Ahmed Resmî schreibt zudem in seinem Berliner Reisebericht, nachdem er insgesamt fünfzehn verschiedene Orts- und Ländernamen aufgezählt hat, dass „diese genannten Orte heute von den Geografen als Europa bezeichnet werden“ (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 22). Mustafa Sâmi, Ahmet İhsan, Mehmet Enisî und Ferit Kam nehmen sogar das Wort Europa in die Titel ihrer Reiseberichte auf (Sami Efendi 1996; İhsan 2007a; Enisî 2008; Kam 2000). Die Unterschiedlichkeit der einzelnen europäischen Länder sowie die innere Vielfalt Europas werden dabei nicht etwa aus den Augen verloren. Im Gegenteil: sie werden sogar ausdrücklich thematisiert. Nicht nur finden sich immer wieder Verweise auf „die Länder Europas“ (Râtib Efendi 2012b, S. 12; Faiz Efendi 2012, S. 58), sondern es werden gelegentlich auch ausführliche Vergleiche zwischen diesen Ländern hergestellt (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 48–49). Mehmet Enisî beispielsweise erwähnt die besondere Vorliebe der Franzosen für Wein (Enisî 2008, S. 164). Ferit Kam schildert gleich auf mehreren Seiten die aus seiner Sicht größten Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen (Kam 2000, S. 85–90), während Ahmet İhsan die Eigenheiten der Engländer beschreibt und kommentiert (İhsan 2007a, S. 167). Deutsche wiederum, so Ahmet İhsan an einer anderen Stelle, stächen im Vergleich zu anderen durch ihre Diszipliniertheit heraus, und sobald man einen Fuß auf Deutschland setze, werde offensichtlich, „dass wir uns nun in einem Militärstaat befinden“ (İhsan 2007a, S. 270). Ömer Faiz hingegen hebt die Besonderheit und Bedeutung Wiens als kulturelles Zentrum Europas hervor (Faiz Efendi 2012, S. 93). Şerafeddin Mağmumi geht sogar so weit, die Zugehörigkeit Italiens zu Europa in Frage zu stellen. Denn die Stadt Genua, so Mağmumi bei seiner Ankunft im Jahre 1899, habe „überhaupt keine Ähnlichkeit mit Europa“ (Mağmumi 2008c, S. 245). „Europäische Reisende beteuern stets: ‚Unmittelbar nach der Ankunft am Bahnhof von Sirkeci [in Istanbul] endet Europa, und es beginnt der Orient. Die Kleidungen, der Zustand des Landes, die Landschaft, die Art zu leben und zu arbeiten, alles ändert sich.‘ Ich aber sage, dass dieses Urteil zwar richtig sein mag. Es ist aber un-

6.1 Das osmanische Selbst und der europäische Andere

153

vollständig. Denn Europa endet nicht am Bahnhof von Sirkeci, sondern bereits am Bahnhof von Genua in Italien“ (Mağmumi 2008c, S. 245). All diese und ähnliche Aussagen zeigen, dass die Autoren der Reiseberichte von einer wie auch immer gearteten Essentialität des Europäischen ausgehen, einem Wesenskern also, der Europa zu dem macht, was es ist. Auf vielleicht prägnanteste Weise wird dies 1867 von Ömer Faiz formuliert, der seine Gedanken während der Überquerung des Ärmelkanals auf dem Weg von Frankreich nach England wie folgt zu Papier bringt: „Das gesamte Europa bildet eine Welt, die neben einigen wesentlichen Gemeinsamkeiten viele verschiedene Seiten hat“ (Faiz Efendi 2012, S. 194). Jene Gemeinsamkeiten sind es dann auch, welche Europa aus Sicht der osmanischen Reisenden vom Osmanischen Reich unterscheiden. Die Bestimmung des europäischen Wesens bleibt jedoch zunächst diffus. Während die früheren Berichte eher die religiösen Differenzen hervorheben und von den „Ungläubigen“ (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 34; Hattî Efendi 1999, S. 30) sprechen oder die Gemeinsamkeit der europäischen Länder in deren gemeinsamen Religion, dem Christentum, sehen (Sanaç 1992, S. 144; Hattî Efendi 1999, S. 32; Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 8), richten spätere Berichte ihre Aufmerksamkeit vielmehr darauf, dass „europäische Gepflogenheiten in unserem Land nicht gängig sind“ (Menchinger 2010, S. 361), auf die Art, sich europäisch zu kleiden (Faiz Efendi 2012, S. 152; İhsan 2007b, S. 515), oder Dinge wie die europäische Reisekultur (Mağmumi 2008d, S. 204). Auch „das außerordentlich gute Benehmen der Europäer“ (Kam 2000, S. 83) wird des Öfteren thematisiert und mit dem der Orientalen verglichen (İhsan 2007b, S. 515–516). Ahmet İhsan spricht in diesem Zusammenhang von einem „Europäer durch und durch“ (İhsan 2007b, S. 534), und Ömer Faiz trifft sogar eine Unterscheidung zwischen einem „tête Turque“ und einem „tête Européenne“ (Faiz Efendi 2012, S. 182). Die kontrastierenden Vergleiche zwischen dem europäischen Anderen und dem Osmanischen Reich, dem sich die osmanischen Reisenden naturgemäß zugehörig fühlen, bilden also ein Motiv, das in sämtlichen Berichten seinen Ausdruck findet und unterschiedliche Formen annehmen kann. Besondere Beachtung verdient hierbei das Gegensatzpaar Europa-Orient, welches erst ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts in den Berichten in Erscheinung tritt (Faiz Efendi 2012, S. 187; Enisî 2008, S. 103; Kemâl 2014, S. 15; Mağmumi 2008b, S. 69; Kam 2000, S. 87). Denn übernommen wird hier ein Orient-Begriff, der – in dem

154

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Sinne, wie er hier verwendet wird – ein Produkt insbesondere französischer und britischer Orientalismusdiskurse des späten achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts ist und den Orient als solchen in der Vorstellung überhaupt erst erzeugt und benennt. „Knowledge of the Orient […] in a sense creates the Orient, the Oriental, and his world“ (Said 2003, S. 40; Herv. i. O.). Der Gebrauch des Orient-Begriffs (osm./türk.: Şark) in der osmanischen Reiseliteratur zeigt daher nicht nur, wie Reisende bestehende Diskursgrenzen überschreiten und als „Agenten und Multiplikatoren“ (Eßer 2003, S. 82) die Einführung neuer Konzepte, Vorstellungen, Ideologien und Argumentationsmuster bewirken. Weit darüber hinaus wird hier das einem Text innewohnende Potential zur Generierung neuen Wissens – nämlich auch über einen selbst – und somit der Konstitution neuer Bedeutungen erkennbar. Die Öffnung diskursiver Grenzen eröffnet also zugleich die Möglichkeit, das Selbst (auch) aus der Sicht des Anderen zu betrachten und zu rezipieren. Die Selbstbezeichnung osmanischer Reisender als Orientale demonstriert dies auf beispielhafte Weise und veranschaulicht – wie auch immer der Begriff letztlich konnotiert sein mag –, wie „the modern Orient, in short, participates in its own Orientalizing“ (Said 2003, S. 325). Der Versuch der osmanischen Reisenden, sich in einem von ihnen als derart anders wahrgenommenen europäischen Umfeld zu bewähren, bringt sie mitunter in schwierige Situationen, in denen sie ganz offenkundig auch überfordert sind. Die Vielzahl neuer Eindrücke, die sie bewältigen, verarbeiten und schließlich schriftlich formulieren müssen, führt bei ihnen daher nicht selten zu Irritationen und Fremdheitserfahrungen (Hupfeld 2007, S. 47). Ein Beispiel hierfür ist die von einigen Reisenden als geradezu aufdringlich empfundene große Neugier der lokalen Bevölkerung. Yirmisekiz Çelebi und Ahmed Vâsıf klagen darüber, dass sie sogar beim Essen nicht zur Ruhe kämen, da jedes Mal große Gruppen von Menschen ihnen dabei zuschauen wollten (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 54–55; Menchinger 2010, S. 364). Auch Ahmed Azmî und Mehmed Said Galib berichten von ähnlichen Erlebnissen (Karamuk 1975, S. 246–247; Altuniş-Gürsoy 1997, S. 936–937). Für Ahmed Resmî ist die Menschenmasse, die um ihn herumsteht, nichts weiter als nur ein „seltsamer Haufen, der noch nie in seinem Leben einen Moslem gesehen hat“ (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 31–32). Ebûbekir Râtib löst das Problem einfach, indem er der Bevölkerung per Zeitungsannonce mitteilt, dass man ihn doch bitte nur zu bestimmten Zeiten aufsuchen solle (Yeşil 2011, S. 117). Eine ganze Reihe von weiteren, wie Ahmed Azmî sie nennt, „sonderbaren Gebräuche[n] Europas“ (Karamuk 1975, S. 246) lösen bei den osmanischen

6.1 Das osmanische Selbst und der europäische Andere

155

Reisenden immer wieder Befremden aus. So wirkt Ali Aziz bei seiner Ankunft in Berlin im Jahre 1797 zunächst ein wenig unbeholfen, bis ihm der dortige französische Botschafter ein wenig Unterstützung leistet (Schmiede 1989, S. 227). Seyyid Vâhid wiederum erzählt von den Schwierigkeiten, die ihm 1807 die Nutzung der öffentlichen Bäder Wiens bereitet habe. Denn die Wiener, Pariser und Warschauer, so Seyyid Vâhid, „begnügen sich damit, wie eine Ente nur kurz in die Wanne zu tauchen und wieder aufzustehen“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 30), ohne sich – wie er es sonst gewohnt sei – unter fließendem Wasser abzuwaschen. Ahmed Vâsıf schließlich schildert, wie qualvoll es für ihn gewesen sei, während eines Essens mit dem spanischen König der dort gespielten Musik und den „ihnen eigentümlichen Instrumenten“ (Menchinger 2010, S. 364) zuzuhören. Als Folge solch absonderlicher Erlebnisse, welche in den Berichten – um es ein erneutes Mal zu betonen – ausdrücklich auf die Andersartigkeit von Europäern und Osmanen zurückgeführt werden, fühlen sich gerade die früheren Reisenden sichtlich unwohl in der Fremde. Als Unerfahrene, die ihr Land zum ersten Mal verlassen haben und die zudem die Sprache des Gastlands nicht beherrschen, bringen sie daher immer wieder ihre Sehnsucht nach der Heimat Istanbul zum Ausdruck (Resmî Efendi 1887 [H. 1304], S. 15, 1886 [H. 1303], S. 54; Herbette 1997, S. 18; Yeşil 2011, S. 117). Anders stellt sich dies bei den späteren Berichten dar, d.h. den Berichten derer, die ab etwa der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts nach Europa reisen. Wie bereits dargelegt wurde, wird hier die Dichotomie zwischen Europa und dem Osmanischen Reich zwar beibehalten. Ebenso tritt auch bei diesen Berichten gelegentlich eine Sehnsucht nach Istanbul zutage, so wie etwa bei Ahmet İhsan (İhsan 2007a, S. 76, S. 433, S. 478) oder Mehmet Enisî (Enisî 2008, S. 43– 44). Die späteren Berichte unterscheiden sich von den früheren jedoch vor allem darin, dass ihre Autoren offenbar viel sicherer mit den – auch schwierigeren – Ereignissen umgehen, die ihnen auf ihrer Reise widerfahren. Nicht nur sprechen die meisten von ihnen mindestens eine europäische Sprache, sondern viele Dinge, die von ihren Vorgängern noch als europäische Kuriositäten empfunden worden waren, gelten für sie nunmehr als Selbstverständlichkeiten. Bei Konversationen mit Menschen, die ihnen auf ihrer Reise begegnen, wirken sie daher souveräner, und es lassen sich in der Tat auch mehr gemeinsame Gesprächsthemen finden (İhsan 2007a, S. 19, S. 281, S. 345–346; Enisî 2008, S. 164–168; Kemâl 2014, S. 26; Mağmumi 2008b, S. 94–95). Ahmet İhsan beklagt sich an einer Stelle jedoch darüber, dass die von ihm als Etikette bezeichneten Regeln, die die europäische Lebensart den Menschen auferlege, zuweilen etwas anstrengend seien, obwohl Reisende wie er von vielen dieser Regeln ausgenommen würden (İhsan 2007a, S. 12). Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist aber vor allem das Verhalten Ferit Kams, der sich 1913

156

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

auf einer Zugfahrt von Marseille nach Paris mit einem Fahrgast unterhält. Während des Gesprächs begeht Ferit Kam, wie er selbst findet, einen Fauxpas, den er zwar geschickt überspielt, für den er sich aber außerordentlich schämt. In seinem Reisebericht kommentiert er den Vorfall mit den Worten „Ich vergaß, dass ich in Europa war“ (Kam 2000, S. 55). Obgleich Ferit Kam hier ein wenig verunsichert wirkt, so offenbart sein Kommentar doch ein hohes Maß an Reflexion. Ganz im Gegensatz zu der Irritiertheit und der teilweisen Hilflosigkeit früherer Reisender nämlich, sind Ferit Kam die europäischen Umgangsformen durchaus geläufig. Allein deshalb wird ihm die Ambivalenz der erlebten Situation überhaupt erst bewusst. Denn diese ergibt sich für ihn aufgrund seiner orientalischen Verhaltensweise in einem von ihm als europäisch definierten Handlungszusammenhang. Sein eigenes Urteil über die Unangemessenheit seines Verhaltens setzt somit ein bestimmtes Wissen sowohl über den Orient, als auch über Europa voraus – Wissen, welches den ersten Reisenden nicht zur Verfügung stand. Im Text schlägt sich diese Art der Aktualisierung unterschiedlicher Wissensbestände oder – diskurstheoretisch ausgedrückt – der Einbeziehung verschiedener diskursiver Einflüsse wiederum, wie hier deutlich wird, als Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten nieder. Auf ähnliche Weise berichtet auch Ömer Faiz, seinerseits Bürgermeister von Istanbul, von einer Begegnung mit seinem Pariser Kollegen im Jahre 1867. Während des Gesprächs, in dem es um die Reinigung von Straßen geht, stellt der namentlich nicht genannte Bürgermeister von Paris die Frage, wie denn die Straßen von Istanbul gewaschen würden. Ömer Faiz ist peinlich berührt und gesteht seinen Lesern, dass er, bis er nach Paris kam, gar nicht gewusst habe, dass die regelmäßige Reinigung der Straßen zu den Aufgaben einer Stadtverwaltung gehöre. „Ich hatte mich sogar gewundert“, so schreibt er weiter, „als ich in den frühen Morgenstunden des ersten Tages nach unserer Ankunft sah, wie mit Wagen, die von jeweils einem Pferd gezogen wurden und die aufgrund von Vorkehrungen an ihren Rädern nur wenig Lärm machten, die großen Straßen gewaschen wurden“ (Faiz Efendi 2012, S. 65). Entscheidend an dieser Stelle ist, dass Ömer Faiz nicht schreibt, dass diese Praxis etwa nur in Paris, in Frankreich oder in Europa üblich sei. Vielmehr macht er sich das gerade erst erlangte Wissen über die Aufgaben einer Stadtverwaltung völlig zu eigen und reflektiert auf dessen Grundlage über sein bestehendes Wissen als Bürgermeister. Anders als Ferit Kam in dem oben genannten Beispiel bezieht sich die Reflexion bei Ömer Faiz jedoch nicht bloß auf die erlebte Situation, sondern hat eine allgemeine Regel zum Gegenstand. Daher verleihen die Ausführungen Ömer Faiz‘ der Aussage, dass eine Stadtverwaltung für die Reinigung der Straßen verantwortlich sei, eine gewisse Normativität, vor deren Hintergrund das eigene Wissen ebenso wie die eigene bisherige Praxis als fehlerhaft und defizitär erscheint.

6.1 Das osmanische Selbst und der europäische Andere

157

Da nun aber das Postulat der Dichotomie zwischen Europa und dem Osmanischen Reich von jenen Reflexionen unberührt bleibt, berichten auch die späteren Autoren weiterhin von Fremdheitserfahrungen. Wie ein Dialog zwischen Ahmet Haşim und der ihn behandelnden Krankenschwester in einem Frankfurter Krankenhaus zeigt, geht die Auseinandersetzung mit ihnen bei den späteren Reisenden allerdings weit über die bloße Feststellung der Differenzen hinaus. Stellvertretend für die vielen anderen Erzählungen soll deshalb diese mit dem Titel Ein Unterschied in der Mentalität überschriebene Episode aus Ahmet Haşims Reisebericht von 1933 vollständig wiedergegeben werden. „‚Die Lüge‘ ist eine Kostbarkeit! Die alten Griechen, die bis heute als das Volk der größten und nahezu unübertroffenen Zivilisation der Antike bezeichnet wird, haben aufgrund ihrer geistigen Disposition einen jungen, schönen Gott namens Hermes als ihren Vertreter der ‚Lüge‘ auserkoren. Aus seinem Mund ergossen sich die Worte wie goldene Ketten. Sie ließen die Worte der Zuhörer versiegen und waren der Lügen verzauberte Zügel. Jene Menschen, die sich auch nur ein wenig mit Ästhetik beschäftigen, werden wissen, dass die getreue Wiedergabe tatsächlich geschehener Ereignisse meist nur schwache literarische Werke hervorbringt. Solange sich die heilige Inspiration der Lüge nicht über sie ergießt, werden sie weder zu Musik, noch zum Bild, ebenso wenig wie zu Skulpturen oder sonstigen Kunstwerken. Das ‚Schöne‘ ist eben das Kind der ‚Lüge‘! Die Lüge fand in den alten Ländern des Orients die kunstvollste Form der Verwendung. Bevor das heutige Schweigen sie besiegte, waren die Märchen und die Geschichten des Orients goldene Blüten der Lüge. Je tiefer man in die Geheimnisse des Orients einzudringen vermag, umso klarer wird man erkennen, dass die Lüge auch im Leben eine verhältnismäßig große Rolle spielt. In den feinen und künstlerischen Geschichten der Japaner kommt das Wort ‚Nein‘ gar nicht erst vor! Die Krankenschwester, die in der Frankfurter Klinik für den Nachtdienst eingeteilt war, war ein junges, sehr sportliches Mädchen. Es war nicht schwer, in ihren Augen die Reinheit ihrer Seele zu erkennen. Von acht Uhr abends bis acht Uhr morgens war sie mit dem immergleichen freundlichen Lächeln für die Patienten da, ganz gleich, ob nachts die Klingeln schrillten, ob sie alten oder jungen, hysterischen oder senilen Kranken die Schmerzen lindern sollte, ob man zimperlich war oder sich zusammennahm. In alle

158

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten Zimmer, die sie betrat, brachte sie eine nüchterne, aber auch innige Ruhe. Ich war mit ihrem Diensteifer so zufrieden, dass ich sie eines Tages loben wollte und eher nebenbei bemerkte: ‚Ich nehme dich nach Istanbul mit!‘ Natürlich hatte ich das nicht ernst gemeint. Das war eine freundliche Geste, eine höfliche Lüge. Sie antwortete mir nicht gleich. Aber nach zehn Tagen kam sie eines Abends in mein Zimmer, ohne dass ich sie gerufen hatte. Sie strahlte vor Glück: ‚Ihr Angebot habe ich in einem Brief meinen Eltern mitgeteilt. Jetzt habe ich ihre Antwort erhalten. Sie erlauben mir, mit Ihnen nach Istanbul zu fahren …‘ Ich war vor Schreck wie erstarrt!“ (Haşim 2008, S. 54–55)

6.2

Der osmanische Überlegenheitsdiskurs: Gesandtschaftsberichte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts

Die etablierte Kosmogonie der klassischen Epoche des Osmanischen Reiches, d.h. der Zeit vom vierzehnten bis zum siebzehnten Jahrhundert (İnalcık 2009, S. IX), setzte die Person des Sultans ins Zentrum der diesseitigen Existenz. Der Sultan bildete den Dreh- und Angelpunkt aller weltlichen Macht. Sowohl das Territorium des Reiches, als auch alle Untertanen galten als sein persönliches Eigentum. Er konnte – zumindest in der Theorie – über alles und jeden in seinem Staat frei verfügen. Seine Gunst verhalf zum politischen und gesellschaftlichen Aufstieg, und umgekehrt war seine Missgunst Grund genug für den politischen und gesellschaftlichen Abstieg eines jeden Untergebenen (Uzunçarşılı 1988, S. 50–51; Findley 2006, S. 77). Die osmanische Sozialstruktur basierte folglich auf der persönlichen Übertragung von Autorität durch den Sultan und reproduzierte sich in erster Linie über eine durch Loyalität und Gehorsam dem Sultan gegenüber definierte soziale Identität (Uzunçarşılı 1988, S. 298–299; Göçek 1996, S. 24). „It was a dynastic Empire in which the loyalty demanded of its multifarious inhabitants was allegiance to the sultan, and even this consisted usually of no more than not rebelling and paying taxes. It was in the end the person of the sultan and not religious, ethnic or other identity that held the Empire together“ (Imber 2009, S. 3). Die Figuration – im Elias’schen Sinne (Elias 1970, S. 139–145) – der osmanischen Gesellschaft legt daher nahe, dass „proximity to the sultan was a source of

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

159

power“ (Imber 2009, S. 80). Die Machtbalance innerhalb der osmanischen Sozialstruktur – um in der Terminologie der Figurationssoziologie Elias‘ zu bleiben, die die gegenseitigen Abhängigkeiten von Individuen nicht aus den Augen verliert (Elias 1970, S. 96–99) – ergab daher grundsätzlich immer einen Machtsaldo zugunsten derer, die sich in relativer Nähe zu der Person des Sultans befanden. Nähe ist in diesem Zusammenhang jedoch keineswegs gleichzusetzen nur mit einer vergleichsweise hohen Position innerhalb etwa der politischen Hierarchie. Vielmehr bezieht sie sich auch auf die tatsächliche räumliche Nähe eines Untergebenen zum Sultan. So ist bekannt, dass beispielsweise Palasteunuchen, Leibgarden und nicht zuletzt die Sultansmütter erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Sultans haben konnten (Uzunçarşılı 1988, S. 156–157, S. 175, S. 475; Neumann 2006, S. 48). Mithin formierte sich um den Sultan herum ein weitreichendes und stark verzweigtes Netzwerk von Individuen, die bemüht waren, in eine möglichst nachhaltige Beziehung zu einflussreicheren Individuen zu treten, um so ihre relative Nähe zum Sultan zu gewährleisten. Hergestellt und gefestigt werden konnten diese Verbindungen vor allem, wenn es den Beteiligten gelang, „Güter und Personen auszutauschen“ (Mauss 1990, S. 181). Persönliche Freundschaften, Geschenke, Patronagen, Heiraten sowie andere Formen der Trans- und Interaktion dienten deshalb der Aufrechterhaltung, Reproduktion und unter Umständen auch der Veränderung des bestehenden Beziehungsgeflechts (Findley 2006, S. 71; Imber 2009, S. 82; Göçek 1996, S. 25–26). Rekrutierungen und Beförderungen innerhalb des Staatsapparates erfolgten demnach weniger nach Kompetenzen als vielmehr auf der Grundlage von Verwandtschaft und Patronage (Naff 1977, S. 95). Der Gehorsam und die Loyalität gegenüber dem Sultan bildeten dabei – netzwerktheoretisch gesprochen – die stories jener Verbindungen (White 2008, S. 28–30; White et al. 2007, S. 549–550; Azarian 2005, S. 51–53). „In the terms of Harrison White, Margaret Somers, and Charles Tilly, social relationships consist of ‚stories‘ relating ‚identities‘. The term ‚story‘ refers to the historic nature of relationships – they evolve over time in the course of transactions, by building up, modifying, and discarding interpersonal expectations. But it also refers to a narrative approach: personal relationships are shaped by the self-descriptions as narrated within the relationships and to others. These stories work on the intersubjective rather than the subjective level – even though a subjective understanding obviously has to be involved“ (Fuhse 2009, S. 61; Herv. i. O.).

160

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Die identitätsstiftende Wirkung jener stories dürfte auf der Hand liegen. Nicht nur verlieh die mittelbare oder unmittelbare Verbindung zum Sultan den Akteuren gleichsam eine Daseinsberechtigung, eine soziale Existenz, sondern die Nähe und Loyalität zur Person des Sultans war zugleich Grundlage für die relative Macht und Überlegenheit gegenüber anderen. In letzter Konsequenz bedeutete dies, dass jeder Einzelne, unabhängig von seiner konkreten Position innerhalb der osmanischen Gesellschaftsstruktur, in seiner Eigenschaft als Untergebener des Sultans als jedem anderen außerhalb dieses Netzwerks überlegen erachtet wurde. Mit anderen Worten: allein die Tatsache, ein Osmane, d.h. Diener des Sultans, zu sein, reichte aus, sich Nicht-Osmanen und somit auch Europäern gegenüber als höhergestellt zu empfinden. Dieses Überlegenheitsgefühl spiegelt sich auch im Habitus der osmanischen Reisenden sowie im allgemeinen Duktus ihrer Texte wider. So finden sich häufig Treuebekundungen und wortreiche Lobpreisungen auf den Sultan. Es ist von „der glorreichen Majestät dem Padischah, dem Zufluchtsort der Welt“ (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 37) die Rede, dem „erhabenen, großen und mächtigen Herrscher des Islams“ (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 58), dem „Herrscher der Welten, dem Schatten Gottes, des absolut Erhabenen, dem glückhaften, mächtigen, erhabenen, ehrfurchtgebietenden Padischah des Erdkreises, dem Krone vergebenden, dem Chosraw vom Range Süleymans 20, dem Weltherrscher, dem Augenlicht der Erde und des Himmels, dem Schmuck der Welt und der Religion, dem würdigen Sultan“ (Sanaç 1992, S. 179), der „erhabenen, wie der Himmel geachteten Schwelle S. M. des Herrschers und Dieners der drey heiligen Städte, Mekka’s der geehrten, Medina’s der erlauchten, und Jerusalem’s der gesegneten, des Sultans der Sultane, des Besitzers zweyer Erdtheile und zweyer Meere, des himmelthronenden Padischah’s, des weltbelohnenden Schehinschah’s [Königs der Könige], von jugendlichem Glücke und salomonischem Geschicke, meines glorreichsten, mächtigsten, größten, prächtigsten, gnädigsten Herren“ (Hammer 1823, S. 304). Derartige, bisweilen pathosgeladene Formulierungen dienen jedoch keineswegs nur als feierliche Einleitungen in die jeweiligen Berichte, sondern sie werden von den Autoren auch immer wieder deutlich gekennzeichnet als eigene Zitate aus Gesprächen unter anderem bei der Audienz eines Königs oder einer Königin, eines Kaisers oder einer Kaiserin. Zudem wird des Öfteren wiedergegeben, wie ein gastgebender Monarch oder eine gastgebende Monarchin ebenfalls ausdrücklich den Sultan gewürdigt habe. Yusuf Agâh zum Beispiel hebt ausdrücklich hervor, mit welch großer Ehrfurcht der britische König George III. das hoheitliche Schreiben von Sultan Selim III. entgegengenommen habe 20

Gemeint ist König Salomo.

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

161

(Hammer 1834b, S. 501). Mustafa Hattî wiederum berichtet von der „außerordentlichen Freude und Dankbarkeit des Kaisers und der Kaiserinn für die große Gnade S. M. des Weltherrschers“ (Hammer 1823, S. 447). An anderer Stelle lässt er in einem direkten Zitat Kaiserin Maria Theresia vom Sultan als „dem großmächtigen Padischah, der Zuflucht der Welten“ (Hammer 1823, S. 305) sprechen. Spätestens an dieser Stelle könnte jetzt die Frage eingeworfen werden, ob die Dinge sich wohl tatsächlich so, wie sie in den Berichten beschrieben werden, zugetragen haben mögen oder nicht. Denn der Verdacht, dass das Erlebte vielleicht unvollständig oder falsch wiedergegeben ist, dass anderen Personen – wie im oben genannten Beispiel Maria Theresia – unter Umständen Worte in den Mund gelegt werden, liegt durchaus nahe. Schließlich war gerade denjenigen Reisenden, die sich in offizieller Mission im Ausland befanden, bewusst, dass ihre Berichte von hohen Staatsbeamten oder gar vom Sultan persönlich gelesen werden würden. Dass die Autoren deshalb bemüht gewesen sein könnten, sich selbst in möglichst gutem Licht erscheinen zu lassen, ist also zumindest nicht völlig abwegig. Aus diskursanalytischer Perspektive kann diesem Einwand jedoch in zweierlei Hinsicht entgegnet werden. Erstens ist es nicht Ziel der Diskursanalyse, die historische Korrektheit oder Vollständigkeit der in einem Text getätigten Aussagen zu überprüfen. Ihr Fokus liegt vielmehr auf der Art und Weise, wie die Wirklichkeit vom jeweiligen Autor verstanden, interpretiert und wiedergegeben wird. Zweitens geht die Diskursanalyse von der Prämisse aus, dass jeder Text in einen Bedeutungszusammenhang eingebettet ist, der im Text selbst auf unterschiedliche Weise reflektiert wird und auf den jede darin getätigte Aussage zwangsläufig Bezug nimmt. Unabhängig von der Frage, ob ein Autor die Wahrheit sagt oder nicht, geht es ihr daher im Prinzip darum, die Regeln und Grenzen des Sagbaren systematisch offenzulegen. Selbst wenn Mustafa Hattî also die oben zitierten Worte tatsächlich in den Mund der Kaiserin gelegt haben sollte, kann die Diskursanalyse dennoch aus der Textpassage Folgerungen im Hinblick darauf ziehen, welchen diskursiven Zwängen er bei der Produktion seines Textes ausgesetzt gewesen ist. Mit anderen Worten: die Tatsache, dass Mustafa Hattî es für erforderlich hielt, jenen Abschnitt in der gegebenen Form zu verfassen, deutet auf die zu Anfang dargestellten Zwänge hin und kann daher konkret als die Reproduktion des osmanischen Überlegenheitsdiskurses in einer spezifischen Situation gelesen werden. Die Anerkennung der osmanischen Überlegenheit – aus Sicht der Reisenden, wohlgemerkt – bringen die Gastgeber jedoch nicht nur verbal zum Ausdruck, sondern auch und vor allem durch ihr symbolträchtiges Verhalten. Eine in diesem Zusammenhang von vielen der Reisenden sehr häufig erwähnte Geste ist

162

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

das Aufstehen der Gastgeber bei der Ankunft des osmanischen Botschafters, des Repräsentanten des Sultans. Bei İbrahim Paşa im Jahre 1719 heißt es, dass bei der Audienz Kaiser Karls VI. „[d]er Kaiser stand“ (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 39). Bei der Verabschiedung İbrahim Paşas hingegen „nahm auch der König ein wenig seinen Hut ab und grüßte“ (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 51). Yirmisekiz Çelebi schreibt, dass während eines Empfangs bei einem Marschall dieser „aufstand, den Hut abnahm, uns entgegenkam und seine Freude und Zuneigung zum Ausdruck brachte“ (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 38)21. Dass sämtliche Anwesenden – auch der König – sich erhoben, wenn er den Raum betrat, erwähnt Yirmisekiz Çelebi mehrmals (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 58, S. 63–64, S. 115). Die Begegnung mit dem habsburgischen Hofkriegsratspräsidenten 1748 schildert Mustafa Hattî mit den Worten „Sobald er uns sah, stand er von seinem Sessel auf, ging uns einige Schritte entgegen […]. Wie wir von unserem Sessel aufstanden stand auch er von dem seinigen auf“ (Hammer 1823, S. 303). Bei der späteren Ankunft am kaiserlichen Hof, zu dem sie mit dem eigens für sie gesendeten sechsspännigen Staatswagen hinfahren, steigt Mustafa Hattî, so erwähnt er scheinbar beiläufig, auf dem Stein ab „welcher dem Kaiser selbst zum Absteigen dient“ (Hammer 1823, S. 303). Auch Ahmed Resmî weist darauf hin, dass während der Audienzen sowohl in Wien der Kaiser, als auch in Berlin der König standen (Resmî Efendi 1887 [H. 1304], S. 13, 1886 [H. 1303], S. 45), ebenso Ahmed Vâsıf in Spanien (Menchinger 2010, S. 362) und Ahmed Azmî in Preußen (Karamuk 1975, S. 240, S. 242). Seyyid Vâhid schließlich kann es sich nicht verkneifen, davon zu berichten, dass ihn der französische Außenminister Talleyrand entgegen des Protokolls und nur, um ihm seine Nähe und Achtung zu demonstrieren, sogar in seiner Unterkunft besucht habe (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 42). Im Übrigen sind die protokollarischen Bestimmungen bei Audienzen oder Empfängen ein weiteres Thema, welches im Zusammenhang mit dem Überlegenheitsdiskurs eine wichtige Rolle spielt – nicht zuletzt deshalb, weil derlei Anlässe gute Gelegenheiten bieten, die eigene Überlegenheit dem anderen gegenüber zu inszenieren und abermals zu bekräftigen. Was die Festlegung des Ablaufs diplomatischer Zeremonielle betrifft, zeigen sich die osmanischen Botschafter in ihren Berichten folglich als äußerst selbstsicher und fordernd. Verstößt der Gastgeber, wie das Beispiel mit dem französischen Außenminister Talleyrand zeigt, zugunsten des osmanischen Botschafters gegen eine diplomatische Gepflogenheit, wird dies nicht beanstandet. Wenn beispielsweise ein König 21

Die Bemerkung, dass der Marschall seinen Hut abgenommen habe, fehlt in dem Druck aus dem Jahr 1889 und findet sich nur bei der modernen Version des Textes (Çelebi 1970, S. 30). Der Unterschied rührt von den verschiedenen Handschriften her, die den beiden Texten jeweils zugrunde lagen.

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

163

dem Gesandten seine eigene Kutsche zur Verfügung stellt (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 52; Menchinger 2010, S. 362; Karamuk 1975, S. 239), dem Gast ungewöhnlich viele Geschenke gemacht werden (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 46) oder zu seinen Ehren ein sonst unübliches prunkvolles Mahl serviert wird (Karamuk 1975, S. 243–244), wird dies wohlwollend zur Kenntnis genommen und fast als Selbstverständlichkeit gewertet. Entspricht aber das Essen – oder vielmehr das Drumherum – nicht den eigenen Vorstellungen, werden ebenderselbe Talleyrand und in seiner Person die Europäer im Allgemeinen von ebendemselben Seyyid Vâhid als „niederträchtige Wesen“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 39) beschimpft. Ebenso führen Meinungsverschiedenheiten über scheinbare Kleinigkeiten wie, wer von den Anwesenden zuerst vom Pferd zu steigen habe (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 20), ob die Leibgarde des Botschafters ihre Gewehre mit der Spitze nach oben oder nach unten halten solle (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 34), ob die Säbel der Offiziere aus der Scheide gezogen werden dürften oder nicht (Hattî Efendi 1999, S. 21), wer wen zuerst empfangen oder besuchen müsse (Karal 1940, S. 12–15; Hattî Efendi 1999, S. 23– 24; Menchinger 2010, S. 361–362) und schließlich die unwürdigen Umstände während der Quarantäne bei der Anreise (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 20–21; Hattî Efendi 1999, S. 19; Menchinger 2010, S. 360; Karamuk 1975, S. 233) zu teils bizarren Situationen oder gar Wortgefechten. Allerdings ist in all den genannten Fällen das ausdrückliche oberste Anliegen der Botschafter die Wahrung des Ansehens des Hohen Reiches – ergo des Sultans –, und laut ihren Darstellungen nimmt dieses schließlich auch nie wirklich einen Schaden. Entweder setzen sie ihren Willen mit allen Mitteln durch, oder die anderen lassen ihrem Fehlverhalten jedes Mal Einsicht und eine Bitte um Entschuldigung folgen. Kommentiert wird dies in den Berichten, wie im Folgenden bei Mustafa Hattî, bisweilen mit Worten, deren abschätziger Unterton kaum zu überhören ist. „Auf vermittelnde Fürbitte wurde ihre Unverschämtheit verziehen, und in der That in der Folge nichts mehr dergleichen gesehen“ (Hammer 1823, S. 142). Selbst die, wie beschrieben, als lästig empfundene große Neugier der Bevölkerung scheint für viele der Botschafter ein Beleg für das hohe Ansehen des Osmanischen Staates zu sein und wird daher in den meisten Gesandtschaftsberichten letztlich auch als eine Form der Ehrerbietung gesehen (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 24, S. 30-31, S. 48, S. 53-54; Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 32; Karamuk 1975, S. 238–239; Hammer 1834b, S. 500; Faiz Efendi 2012, S. 84).

164

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Der Ruhm und die Herrlichkeit des Osmanischen Reiches sind aus Sicht der Botschafter also evident, und dies wird in den Berichten mitunter offen kundgetan. Seyyid Vâhid beispielsweise beteuert gleich zu Beginn seiner Ausführungen und in Anlehnung an eine Überlieferung des Propheten Mohammed, dass die Überlegenheit des osmanischen Sultans anderen Herrschern gegenüber doch wohl offensichtlich sei (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 3). Diese Gewissheit bringt er während einer Audienz bei Napoleon durch seine, wie er schreibt, „bewegungslose und mannhafte Körperhaltung“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 76) zum Ausdruck. Ihr Besuch, so sind andere Botschafter überzeugt, verleihe dem Oberhaupt des jeweiligen Gastgeberlandes – und sogar seinen Nachfahren – in allen anderen Staaten Ruhm und Ehre (Hattî Efendi 1999, S. 32; Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 9; Karamuk 1975, S. 241). Mustafa Efendi verwendet in diesem Zusammenhang, indem er auf osmanische Gesandte vor ihm verweist, die Metapher eines gelegentlich über Österreich aufgehenden Sterns. „Da alle christlichen Könige und insbesondere die christliche Gemeinde beobachtet haben, daß der von Zeit zu Zeit strahlende Stern der hohen, ewig währenden Pforte über einen von den erwähnten Herzögen und Großherzögen aufgeht, unterwarfen sie sich Österreich“ (Sanaç 1992, S. 181). Im Übrigen sei „schon seit langer Zeit bekannt, daß die Österreicher für den großherrlichen osmanischen Staat kein starker Feind sind“ (Sanaç 1992, S. 204). Auch für Ahmed Resmî scheint die Tatsache, dass Österreich dem Osmanischen Reich nicht ebenbürtig sei, „so klar wie die Mittagssonne“ (Resmî Efendi 1887 [H. 1304], S. 30) zu sein. In seinem Berliner Gesandtschaftsbericht hingegen schreibt Ahmed Resmî über die Polen, dass sie „ein bequemes und ängstliches Volk“ (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 29) seien. Gott sei auf der Seite der Osmanen (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 38). Es scheint auf den ersten Blick etwas eigenartig, dass die Botschafter ausgerechnet zu Zeiten einer Serie von militärischen Misserfolgen der Osmanen (vgl. Kapitel 2) ein derartiges Überlegenheitsgebaren an den Tag legen. Erklärbar wäre dieser „superiority complex“ (Faroqhi 2007b, S. 24) sicherlich damit, dass im achtzehnten Jahrhundert trotz der Aufeinanderfolge von Niederlagen gegen europäische Staaten das Osmanische Reich nach wie vor eine ernstzunehmende militärische Macht war (Korkut 2007, S. 71). Entscheidend ist jedoch, dass in den Berichten, wie gezeigt wurde, diese Überlegenheit stets mittelbar oder unmittelbar mit der Person des Sultans in Verbindung gebracht wird. Sie ergibt sich für die Autoren also im Wesentlichen aus der Tatsache, dass sie Untergebene des Sultans sind. Die – immer noch – große politische und militärische

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

165

Bedeutung des Osmanischen Reiches sehen sie allenfalls als notwendige Folge der Allerhabenheit ihres weltlichen Gebieters. Nichtsdestotrotz ist ihnen natürlich gleichzeitig bewusst, dass den militärischen Rückschlägen der letzten Jahre auf irgendeine Weise entgegenzuwirken ist. Mit ihrer Entsendung nach Europa verbinden sie daher die Hoffnung, sich Einblicke vor allem in das europäische Militär- und Heerwesen zu verschaffen, um so Wege für die Stärkung der Kriegsmacht des Osmanischen Reiches zu finden. Entsprechend legen die Gesandten ihren Schwerpunkt mitunter auf die Möglichkeit und Notwendigkeit militärischer Reformen. Selbst Yirmisekiz Çelebi, der dieses Thema eher außen vor lässt, kann, als ihm einige Modelle von Grenzfestungen gezeigt werden, seine Bewunderung nicht verbergen (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 81–83). Ohnehin sind detaillierte Beschreibungen von militärischen Festungen ein wiederkehrendes Thema der Gesandtschaftsberichte (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 16–18; Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 14– 15). Einige Stellen in Mustafa Efendis Bericht hingegen lesen sich schon fast als Abhandlung über die europäische Kriegs- und Militärgeschichte mit detaillierten Zahlen und Fakten (Sanaç 1992, S. 149–153). Es ist jedoch allen voran Ebubekir Ratib, der jenen „heavily military focus of Ottoman thinking about reform in this period“ (Findley 1995, S. 51) verkörpert. Denn nicht nur widmet sich sein Reisebericht diesem Thema, sondern auch ein Großteil seiner nach der Wiener Gesandtschaft 1791-1792 verfassten Schriften befassen sich eingehend und systematisch mit den Strukturen und Institutionen der habsburgischen Armee (Bilim 1990a, S. 261–262; Findley 1995, S. 46; Yeşil 2011, S. 240–326). Ähnlich wie andere Diplomaten, die nach ihrer Rückkehr nach Istanbul in wichtige Ämter befördert wurden (Beydilli 2003, S. 382; Çetin 2003, S. 468; Gencer 1988, S. 292–293; Kuran 2004d, S. 13; Talay 1994, S. 35), machte Ebubekir Ratib ebenfalls eine steile politische Karriere. Zudem gehörte er zu den Beratern und engsten Vertrauten Sultan Selims III. (reg. 1789-1807) und hatte somit den nötigen politischen Einfluss zur Verwirklichung seiner reformerischen Ideen (Karal 1960, S. 349). Diese konzentrierten sich in erster Linie auf die Errichtung militärischer Akademien nach europäischem Vorbild. Die Einsicht, die Ahmed Azmî in seinem Bericht mit den Worten „Das Kriegswesen gilt in Europa gemeinhin als eine Kunst“ (Karamuk 1975, S. 275) formuliert, scheint also auch Ebubekir Ratib geteilt zu haben. Er legte nämlich großen Wert auf die Etablierung militärischer Bildungseinrichtungen, an denen von eigens dafür aus Europa eingeladenen Experten Unterweisungen in der europäischen Kriegskunst durchgeführt werden sollten. In seiner Zeit als Staatskanzler (osm.: reîsülküttâb) in den Jahren 1785-1786 ersuchte er deshalb den französischen Wohlfahrtsausschuss, die Comité du salut public, um die Entsendung von insgesamt dreizehn Offizieren und Technikern nach Istanbul (Bayram 2000, S. 23).

166

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Letztendlich ermöglichten der Ausbau bestehender Militärschulen sowie die Gründung neuer Akademien, an denen europäische Fachkräfte eingesetzt wurden und die über Bibliotheken mit mehrheitlich französischen Werken zur Kriegskunst und den Naturwissenschaften verfügten, den Absolventen neben militärischem Fachwissen jedoch auch die bestmögliche Allgemeinbildung im Lande. Somit wurden die Voraussetzungen zur Herausbildung einer neuen intellektuellen Offiziersschicht, der osmanischen Elite des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, geschaffen (Karamuk 1975, S. 100–101). „The result of all this was to create a new social element – a corps of young army and naval officers, familiar with some aspects of Western civilization through study, reading, and personal contact, acquainted with at least one Western language – usually French – and accustomed to look up to Western experts as their mentors and guides to new and better ways“ (Lewis 2002a, S. 59–60). Spätestens im Juli 1789, als Napoleon Bonaparte seinen ägyptischen Feldzug startete, zeigte sich für viele, dass dem Niedergang allein mit Änderungen im Heerwesen nicht entgegenzuwirken war. So wurden die Maßnahmen auch auf nicht-militärische Bereiche ausgeweitet (Kuran 2004c, S. 108, 2004e, S. 22). Zum Beispiel erfolgte 1821 die Eröffnung des sogenannten Übersetzungsbüros (osm./türk.: tercüme odası), welches als primäre Ausbildungsstätte für zukünftige Bürokraten und Diplomaten fungierte (Bilim 1990b, S. 35–42; Balcı 2006, S. 96). Ebenfalls unter Heranziehung europäischer Lehrkräfte wurde 1827 eine Medizinschule gegründet, aus der später die Universität Istanbul hervorgehen sollte (Taeschner 1963, S. 332–333). Die erste wissenschaftliche Akademie nach europäischem Vorbild hingegen wurde per Dekret Sultan Abdülmecids (reg. 1839-1861) im Jahre 1851 ins Leben gerufen (Uçman 1995, S. 177). Auch gab es zahlreiche freiwillige wissenschaftliche Assoziationen, unter anderem die Cemiyet-i İlmiye-i Osmaniye (Osmanische Wissenschaftsgemeinschaft), die sich als Gelehrtengesellschaft zur Förderung und Vermittlung der (modernen) Wissenschaften verstand und an der İsmail Ferruh Efendi, von 1797 bis 1800 osmanischer Botschafter in London, maßgeblich beteiligt war (Yalçınkaya 2001, S. 381; Kuran 2004d, S. 13). Kurzum: mit der Gründung sowohl militärischer, als auch ziviler Bildungseinrichtungen nach europäischem Vorbild in der Zeit vom späten achtzehnten bis etwa zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wurde also letztlich das Ziel verfolgt, eine neue soziale Gruppe zu kreieren, welche den verschiedenartigen Herausforderungen, mit denen sich das Osmanische Reich insbesondere auf internationaler Ebene konfrontiert sah, entgegentreten konnte. Dass die Sultane

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

167

in dieser Hinsicht oft selbst die Initiatoren waren, zeigt, dass sie mithilfe der getroffenen Maßnahmen die Stärkung auch ihrer eigenen Position erhofften, nicht zuletzt deshalb, weil dies für sie gleichbedeutend war mit der Aufrechterhaltung des Reiches als solchem. In der Tat brachten die neuen Schulen und Akademien eine gesellschaftliche Gruppe von Offizieren und zivilen Staatsdienern hervor, die die neue osmanische Führungselite bildeten. Entgegen der Erwartungen erzeugten sie bei dieser Gruppe jedoch keineswegs eine starke Loyalität dem Sultan gegenüber. Das Gegenteil war der Fall. Denn „these students developed allegiances to each other, proceeded to expand the state at the expence of the sultan“ (Göçek 1996, S. 67). Der Aufbau neuer institutioneller Strukturen hatte nämlich die Entstehung neuer Beziehungsnetzwerke begünstigt, welche sich außerhalb der unmittelbaren und mittelbaren Kontrolle des Sultans und daher auch nicht mehr in Abhängigkeit von dessen Gönnerschaft und Wohlwollen befanden. Ihr Zugang zu alternativen Wissensressourcen stattete die neue Elite zudem mit kulturellem Kapital aus, welches die Machtbalance zu ihren Gunsten verschob und sie damit zu einem mit dem Sultan rivalisierenden Machtzentrum machte. Diese Veränderung der Beziehungsstrukturen wiederum hatte zur Folge, dass auch die bereits erwähnten stories einen Wandel erfuhren. Konkret bedeutete dies, dass gesellschaftliche Prozesse nicht mehr (nur) von der Person des Sultans ausgehend interpretiert wurden. Erste Ansätze hierfür finden sich bereits bei den Gesandtschaftsberichten selbst. Ebubekir Ratib beispielsweise widmet sich in seinem Text unter anderem auch der Wissenschaft von der Politik. Er beobachtet, dass es in Europa eine Unmenge an Büchern und Abhandlungen zu diesem Thema gebe. Im Zusammenhang mit einem Besuch an der Orientalischen Akademie in Wien, bei dem ihn einige Studierende fragen, weshalb denn die Osmanen sich nicht für das Studium der Politik interessierten, weist er – ein wenig verwundert über die Ignoranz der Fragenden – darauf hin, dass auch die Osmanen eine beachtliche Literatur zu dieser Wissenschaft besäßen. Um jedoch, so schreibt er weiter, ein wahres Verständnis von Politik zu bekommen und um allgemeine Regeln der Politik herleiten und erkennen zu können, sei die Lektüre von Werken aus verschiedenen Ländern unabdingbar. Auch betont er an zahlreichen Stellen die Wichtigkeit des Studiums der Geschichte für die – insbesondere militärischen – Erfolge eines Staates (Râtib Efendi 2012b, S. 55–56; Bayram 2000, S. 91–95; Korkut 2007, S. 94–95). Ahmed Resmîs Bericht zu seiner Gesandtschaft nach Preußen geht ebenfalls auf dieses Thema ein. In einem ausführlichen Porträt über Friedrich den Großen preist er diesen unter anderem als „in allen, insbesondere aber den historischen Wissenschaften bewanderter Herrscher“ (Resmî Efendi 1886 [H. 1303],

168

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

S. 55). Eines der Gespräche mit Friedrich hingegen, von dem Ahmed Resmî besonders beeindruckt worden zu sein scheint, gibt der deutsche Historiker Gustav Berthold Volz in seinem Aufsatz über die Gesandtschaft Ahmed Resmîs am preußischen Hof folgendermaßen wieder. „Sie bewunderten seine [Friedrichs] Erfolge[,] wenn sie auch nicht das Verdienst an diesen ihm allein beimaßen, sondern glaubten, darin den Orientalen nicht verleugnend, sie größtenteils seinen astrologischen Berechnungen zuschreiben zu müssen, die ihn in den Stand gesetzt hätten[,] die glücklichen Augenblicke jeder Unternehmung und die tüchtigsten Feldherren zu wählen […]. So hatte denn auch [Sultan] Mustapha seinem Gesandten befohlen, den König um drei seiner Astrologen zu bitten. Als Achmed [Resmî] seines Auftrages sich entledigt hatte, berief ihn Friedrich, wahrscheinlich während seines Besuches in Potsdam, zu sich, und mit ihm ans Fenster tretend, unter dem die Wachtparade aufzog, sagte er ihm: ‚Ich habe drei Mittel gefunden, meine Länder von innen wohl zu regieren und von außen gegen jeden Feind zu verteidigen. Erstlich habe ich mir aus Geschichte und Erfahrung gewisse Kenntnisse zu erwerben gesucht, welche zur guten Regierung der Länder und zum Kriegführen unentbehrlich sind. Weil es aber mit den eigenen Kenntnissen nicht ausgemacht ist, wenn man nicht zugleich die erforderliche Gewalt in Händen hat, um jeden Widerstande von innen und außen zu bekämpfen: so unterhalte ich zweitens beständig eine wohl unterwiesene Armee in hinreichender Anzahl und Rüstung, welche selbst zu Friedenszeiten täglich geübt wird, gleich als ob sie im Kriege begriffen wäre, wovon Ihr‘ – bei diesen Worten wies der König auf die Wachtparade – ‚die Probe hier vor Euch sehet. Und da solche Armee weder furchtbar bleiben noch lange zu ihren Zwecken würde gebraucht werden können, wenn es an Mitteln fehlte, sie immer im streitbaren Stande zu erhalten und zu jeder Stunde in Bewegung zu setzen: so sorge ich drittens dafür, daß mein Schatz immer mit Gelde angefüllt sei, um stets die Kriegskosten in Bereitschaft zu haben und von keines Menschen gutem Willen abhängig zu sein. Diese drei Dinge,‘ so schloß der König, mit dem Befehl, es dem Sultan zu melden, ‚sind meine Astrologen, andere habe ich nicht.‘“ (Volz 1907, S. 46–47; Herv. A. S.)

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

169

Ohne im Einzelnen auf deren Inhalte einzugehen, scheint also aus Sicht einiger Gesandten eine Wissenschaft, welche gesellschaftliche, politische und historische Prozesse zu ihrem Gegenstand hat, für den Fortgang des Osmanischen Reiches von Bedeutung zu sein. Ahmed Resmî leistete seinen Beitrag dazu unter anderem durch die Übersetzung eines Werkes mit dem Titel Neue Geographie ins Osmanische (Kütükoğlu 1989, S. 122). Nun darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Geschichtsschreibung eine Tätigkeit war, die bereits seit den Anfängen des Osmanischen Reiches existierte. Ganz gleich, ob sich die früheren Chroniken durch „jenes Gepräge einer unterentwickelten, kindlich-einfachen Darstellung, wie sie allen Geschichtsschreibungsversuchen derber, urwüchsiger Völker eignet“ (Babinger 1927, S. 7), auszeichneten oder nicht, handelte es sich bei ihnen doch um eine Form der Historiographie. Hinzu kommt, dass es sich bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein bei dieser sogar um eine etablierte „tradition of a pluralist historiography“ (Tezcan 2007, S. 179) handelte, welche alternative, voneinander abweichende Narrative im Hinblick auf den Sultan und seine Dynastie hervorbrachte. Auch war sowohl den Geschichtsschreibern, wie auch dem Sultan die politische Instrumentalisierbarkeit historischer Deutungen wohl bewusst, versuchten sie doch alle, ihre jeweilige Art der Darstellung und Interpretation gegen zum Teil große Widerstände durchzusetzen. Entscheidend ist aber, dass bei all den Deutungskämpfen die Figur des Herrschers stets das Zentrum und den wichtigsten Bezugspunkt der Erzählungen bildete (Akbayrak 2012, S. 22). Als eine Wissenschaft, die den Zusammenhang von Ereignissen systematisch zu ergründen und diese als eine kontinuierliche Entwicklung zu deuten versucht (Rohbeck 2004, S. 16), war die Geschichtsschreibung unter der osmanischen Gelehrtenschaft zu jener Zeit also noch nicht anerkannt. Von einer Entpersönlichung der Geschichtsschreibung in diesem Sinne kann erst ab etwa dem späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert gesprochen werden (Timur 1998, S. 102; Başaran Alpugan 1999, S. 263; Öztürk 1999, S. 259). Reflektiert wird dies auch in dem erhöhten Interesse der damaligen osmanischen Eliten an den Werken Ibn Khalduns (1332-1406). Dieser hatte 1377 in seinem umfangreichen Werk al-Muqaddima (Die Einleitung) eine Wissenschaft mit eigenständiger Methodologie zur Untersuchung menschlicher Gesellschaften und ihrer Entwicklungen ausgearbeitet. Unter Einbeziehung ökonomischer, politischer, klimatischer, sozialer und kultureller Faktoren geht Ibn Khaldun der Frage nach, worin genau die Ursachen für den Aufstieg und den Niedergang von Gesellschaften liegen (İbn Haldun 1988, 1991). Das kennzeichnende und sie vor allem von vorherigen Ansätzen unterscheidende Merkmal seiner Geschichtstheorie besteht nun in dem Postulat, dass gesellschaftliche Prozesse eigenen, ihnen inhärenten Gesetzmäßigkeiten folgen. Diese wiederum sind nicht auf Anhieb

170

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

erkennbar, sondern verbergen sich hinter den uns sichtbaren Ereignissen (Arslan 1997, S. 77). „Society for Ibn Khaldun, as for Durkheim, is that domain in which social phenomena occur. Both thinkers considered society itself a natural phenomenon subject to laws. […] Thus, to Ibn Khaldun, society is a reality, sui generis. Similar to Durkheim’s views, this reality is above and apart from the individual“ (Baali 1988, S. 28–29; Herv. i. O.). Die zunehmende Bedeutung Ibn Khalduns innerhalb der osmanischen gebildeten Schicht äußert sich auch in den hier untersuchten Gesandtschaftsberichten. So schenkt Ebubekir Ratib der Wiener Orientalischen Akademie während seines bereits erwähnten Besuchs eine Ausgabe der al-Muqaddima (Korkut 2007, S. 95). Ahmed Resmî und Ahmed Azmî rezipieren sogar explizit die Geschichtstheorie Ibn Khalduns, kommen aber zu jeweils unterschiedlichen Schlüssen. Während Ersterer davon ausgeht, dass dem preußischen Staat ein Aufstieg bevorstehe (Resmî Efendi 1887 [H. 1304], S. 33), sieht Letzterer, ausgehend von Preußen, Europa in seiner Gesamtheit als im Niedergang begriffen. „Wie in der Mukaddima des İbn Haldun geschrieben und dargelegt ist, dass, wie das menschliche Leben in ein Alter des Wachstums, eines des Stillstandes und eines des Niederganges zerfällt, so auch die Lebensdauer der Staaten, mit dem Leben der Menschenkinder von jeher verglichen, in drei Abschnitte zerfalle, so sei in der letzten Periode eines jeden Staates seine Bevölkerung zu Prunk und Wohlleben geneigt, wodurch seine Kampfkraft geschwächt werde. Nun sind die meisten Staaten Europas gegenwärtig an der Altersgrenze angekommen. Ausserdem sind auch die Kräfte dieser Epoche geschwächt, und die Natur der Bevölkerung hat sich vom Urzustand zu verfeinertem Leben umgewandelt. Da jedermann zu Prunk und Bequemlichkeit neigt, hat das Bestreben, durch Kampf und Streit die Grenzen zu erweitern wie zu früheren Zeiten, bei jedem Staate nachgelassen“ (Karamuk 1975, S. 257–258). Die Gedanken Ibn Khalduns legen natürlich in letzter Konsequenz nahe, dass auch das Osmanische Reich irgendwann vom Niedergang heimgesucht werden könnte, zumal sein Schicksal, ebenso wie das anderer Staaten, von historischen Gesetzmäßigkeiten bestimmt wird. Die Zuhilfenahme Ibn Khalduns deutet hier also bereits eine bevorstehende und mehr oder weniger systematische Reflexion

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

171

über den prinzipiell möglichen Zerfall des Osmanischen Reiches an. Der wesentliche Unterschied zur bereits vorhandenen Niedergangsliteratur aus dem sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert (vgl. Kapitel 5.2) besteht aber darin, dass gesellschaftlichen Prozessen nunmehr eine objektive Realität zugeschrieben wird. Hieraus ergeben sich zwei Implikationen. Die Anerkennung objektiver und allgemeingültiger Gesetze nimmt erstens dem Osmanischen Reich seine Einzigartigkeit und macht es prinzipiell mit anderen Staaten und Gesellschaften vergleichbar. Dies wiederum erfordert zugleich eine eingehende Auseinandersetzung mit eben jenen Staaten und Gesellschaften, um, wie auch der obige Verweis auf Ebubekir Ratibs Gesandtschaftsbericht andeutete, ein wahres Verständnis von gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen erlangen zu können. Die Nach-innen-Gewandtheit der früheren Niedergangsliteratur wird hier also überwunden, und es findet eine „geographisch-horizontale Ausweitung des Referenzbereichs“ (Fuchs und Trakulhun 2003, S. 14) statt, die Europa in die historischen Betrachtungen einbezieht. Exemplarisch hierfür ist Ahmed Vâsıf, selbst Historiker und osmanischer Botschafter in Spanien von 1787 bis 1788. In seinem hier untersuchten Gesandtschaftsbericht finden sich zwar keinerlei Reflexionen über Geschichte. Jedoch geht Vâsıf in seinem mehrbändigen Hauptwerk explizit auf Ereignisse in Europa ein und setzt sie in Beziehung zu denen im Osmanischen Reich. Zudem erkennt er erstmalig Berichte von osmanischen Gesandten in Europa als historische Quellen an (Menchinger 2014, S. 36–37; Aksan 1995, S. 61). Insofern – und nicht zuletzt auch, weil er sich in seiner Arbeit mehrfach auf Ibn Khaldun beruft – fügt sich Vâsıf mit seiner Methodik in eine osmanische Geistesströmung des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts ein, die zuweilen als Ibn Khaldunismus bezeichnet wird und für ein neuartiges, wissenschaftliches Verständnis von Geschichte eintritt (Okumuş 2006, S. 142). Wichtigster Repräsentant dieser Strömung ist ohne Zweifel Ahmed Cevdet (1822-1895), ebenfalls Historiker und Übersetzer der al-Muqaddima ins Türkische. Cevdet selbst sieht sich nicht nur in einer Linie mit Vâsıf (Findley 1989, S. 56), sondern er übernimmt zudem wesentliche Elemente der Ibn Khaldun’schen Geschichts- und Gesellschaftstheorie – allen voran den Solidaritätsbegriff (arab.: asabiyya) –, denkt und entwickelt diese weiter. Mit Begriffen wie Staat, Gesellschaft und eben nicht zuletzt Geschichte versucht er, die von ihm postulierte objektive historische Realität zu konzeptualisieren und zu erfassen (Meriç Yazan 1992, S. 30; Halaçoğlu und Aydın 1993, S. 446). Genau dieses Bewusstsein von einem ganz und gar andersartigen Blick auf gesellschaftliche Prozesse schlägt sich sodann nieder in seinem zwölfbändigen Werk Tarih-i Cevdet (Chronik des Cevdet), welches er einleitet mit einem Kapitel über Die Notwendigkeit und Nutzen der Geschichtswissenschaft (Cevdet Paşa 1994b, S. 25–26).

172

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Zweitens ist die Wiederentdeckung Ibn Khalduns innerhalb der osmanischen Gelehrtenschaft ein Indiz für den Bedeutungsverlust des Sultans und seiner Dynastie. Denn das Verständnis von einer objektiven gesellschaftlichen Realität bedingte letztlich auch eine entpersönlichte Lesart historischer Prozesse. Dies wiederum ging einher mit einer Neudefinition des Verhältnisses zwischen Sultan und Untergebenen. Die Loyalität der bereits erwähnten neuen Eliten galt daher nicht mehr der Person des Sultans, sondern zunehmend der Institution des Sultanats und schlussendlich der abstrakten Idee vom osmanischen Staat (Tunaya 2010, S. 30–31). „A new age had begun, characterised by strong sultans during some reigns and consistently by new elites, civil and military. Ironically, despite [the Sultans] Selim and Mahmud’s desire to replace the households with better educated elites loyal to the sultan, some of these elites would shift their loyalty to an abstract ideal of the state instead. In time, the constitutionalist opposition to centralising authoritarianism would emerge from their midst“ (Findley 2006, S. 80). Diese Entfremdung der Untertanen von ihrem Sultan (Bayram 2000, S. 75–79) ist auch Thema im Gesandtschaftsbericht Ebubekir Ratibs. Vor dem Hintergrund seines klassisch-osmanischen Staatsverständnisses, gemäß dem es keine kategorische Unterscheidung zwischen Staat und Sultan gibt, ist dies für Ratib ein Problem, dem sich das Osmanische Reich freilich zu stellen habe. Obgleich ihm Namen wie Montesquieu und Rousseau offenkundig ein Begriff sind (Râtib Efendi 2012b, S. 14), ist er jedoch weit davon entfernt, einen auf Volkssouveränität oder einem Gesellschaftsvertrag gründenden Staat zu propagieren. Letzteres wird später Ahmet Cevdet aufgreifen (Meriç Yazan 1992, S. 41–42). Nichts desto trotz fällt auf, dass Ratib in diesem Zusammenhang für die Bezeichnung der Untertanen des Sultans nicht den klassischen Begriff reâyâ (wörtl.: Herde) verwendet, sondern stattdessen von millet spricht, was am Ehesten mit dem Wort Gemeinschaft ins Deutsche übersetzt werden könnte. Wenn auch nicht ausdrücklich in seinem Gesandtschaftsbericht, so gebraucht Ebubekir Ratib doch in vielen seiner anderen Schriften millet im Sinne einer Gruppe von Menschen, die in einem durch territoriale Grenzen definierten Gebiet leben und ein mehr oder weniger ausgeprägtes Bewusstsein als Staatsbürger besitzen. Damit kommt er dem Nationenbegriff recht nahe, ohne jedoch das Wort selbst jemals zu benutzen, und er nimmt die Idee von einer osmanischen Nation, die etwa zwanzig Jahre nach ihm aufkommen wird, gewissermaßen bereits vorweg (Yeşil 2011, S. 217; Öz 2007, S. 490; Kuran 1968, S. 109–110).

6.2 Der osmanische Überlegenheitsdiskurs

173

Das sich wandelnde historische Narrativ umfasste allerdings nicht nur das Verhältnis des Sultans zu seinen Untertanen, sondern veränderte auch den Bedeutungszusammenhang seiner Legitimität als Kriegsherr und Eroberer (vgl. Kapitel 2.1.2). Angestoßen durch Ahmed Resmî, der nach seinen Aufenthalten in Wien und Berlin verschiedene politische Schriften verfasste und darin eine prinzipiell am Frieden orientierte Staatspolitik vertrat, geriet auch dieser Aspekt der sultanischen Autorität zunehmend ins Wanken (Naff 1977, S. 104–105). „Drawing on his own experiences of the misery and pain of war, Ahmed Resmi was clearly interested in convincing his reader of the necessity and benefits of peace as the principle tenet of government policy. He was equally convinced of the wisdom of joining the European state system which had devised through negotiations and alliances a means of checking one another’s power. He had, after all, seen the European system in action, as ambassador to both Vienna and Berlin. […] The subjects raised by Ahmed Resmi became a common part of Ottoman political discourse by the 1780s“ (Aksan 1995, S. 199–200). Auch lange vor Ahmed Resmî hatte es hinsichtlich der Frage nach Krieg und Frieden durchaus unterschiedliche Positionen und mitunter heftig ausgetragene Konflikte innerhalb der osmanischen Elite gegeben (Faroqhi 2007b, S. 5; AbouEl-Haj 1967, S. 498). Gleichwohl standen diese lediglich in Verbindung mit konkreten Entscheidungen bezüglich einer Kriegserklärung oder der Beteiligung an einem bestimmten Krieg. Die grundsätzlich expansive Ausrichtung des imperialen Staates stand in jenen Fällen selbst für die Befürworter des Friedens niemals zur Disposition. Mit Ahmet Resmî bahnte sich deshalb ein Paradigmenwechsel an, der den jeweiligen Stellenwert von Krieg und Frieden in der osmanischen Politik neu artikulierte und sich zumindest in Teilen der osmanischen Elite bald durchsetzen sollte. Man fühlt sich hier ein wenig an Auguste Comtes Dreistadiengesetz erinnert, laut dem sich das positive Stadium, also der Endpunkt des menschheitsgeschichtlichen Verlaufs, unter anderem dadurch auszeichne, dass „der Krieg endlich rein nebensächlich“ (Comte 1923, S. 121) geworden sei und „im tiefsten Grunde nur mehr eine Ausnahme“ (Comte 1923, S. 130) bilde. In der Tat scheint Comte für das Osmanische Reich eine Tendenz in diese Richtung erhofft zu haben. Denn in einem Brief von 1853 an Reşid Pascha, einem bedeutenden Staatsmann, lobte er diesen für seine führende Rolle dabei, die Entwicklungen in seinem Land in die richtigen Bahnen zu lenken (Laffey 1965, S. 55–56).

174

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Keineswegs war sich aber die osmanische Elite in allen Belangen einig, und die Formulierung neuer Ideen wurde auch niemals einhellig begrüßt. Mit der Einbringung neuer diskursiver Elemente und der Reartikulation bestehender Bedeutungszusammenhänge ging vielmehr, wie beschrieben wurde, ein gesellschaftlicher Transformationsprozess einher, der sich in der zunehmenden Heterogenität des diskursiven Feldes und der gleichzeitigen Produktion neuer Narrative und Identitäten niederschlug. Die Gesandtschaftsberichte fungierten dabei einerseits als Reflexionsfläche der Veränderungsprozesse sowie andererseits als Träger eben jener neuen Elemente. Die Diversifizierung der (Re-)Artikulationsmöglichkeiten war dabei Ausdruck der zunehmenden Diversität der osmanischen Elite selbst (Findley 2006, S. 74–75). Der offene Widerstreit entgegengesetzter Ansichten über die legitime Sicht von sozialer Welt (Bourdieu 1985, S. 22) und die dadurch entfachten Intra-Eliten-Konflikte (Bayram 2000, S. 18; İslamoğluİnan und Keyder 1987, S. 54) wiederum unterschieden sich in einem entscheidenden Punkt von den Konflikten – und Intrigen – zuvor. Während bisher „[t]he Ottoman culture of popular protest was articulated around the concept of sultanic justice that projected the paternalistic image of the just and benevolent ruler“ (Gara 2011, S. 102), änderte sich der Referenzrahmen von Protest und Opposition (Mardin 2007c, S. 177), und die neuen Ideen orientierten sich nunmehr auch an allgemeineren und abstrakteren Konzepten von Identität und Loyalität. Auch die Position und die Legitimität des Sultans erfuhren dabei einen fundamentalen Bedeutungswandel. Denn die aus den Akademien und Schulen hervorgegangene neue Elite wandte ihr neu erlangtes Wissen der positiven Wissenschaften auf die eigene osmanische Gesellschaft an und entwickelte so neue Gesellschaftsmodelle und -visionen, die das Alte und das Neue auf spezifische Weise miteinander verbanden (Göçek 1996, S. 75). Diskurstheoretisch ausgedrückt, gab es also eine bislang nicht dagewesene Vielfalt von Artikulationen, die sich auf das umkämpfte Terrain der Bedeutungsfixierung begaben. Entgegen der ursprünglichen Intention des Sultans, eine ihm gegenüber loyale Elite zu kreieren, setzte ein gesellschaftlicher Wandel ein, der das Ergebnis von diskursiven Kämpfen zwischen hegemonialen Interventionen durch die zentrale Staatsmacht einerseits und den vielen anderen Akteuren andererseits war. Während aber noch im siebzehnten Jahrhundert diese Kämpfe auf der Grundlage der unhinterfragten Legitimität des Sultans als Herrscher stattfanden – hier bestand Konsens –, liefen sie mit der Zeit darauf hinaus, dass die Komplexität des diskursiven Feldes zunahm – unter anderem aufgrund neu hinzugekommener diskursiver Elemente aus dem Ausland –, sich dementsprechend neue Bedeutungszusammenhänge bildeten und letzten Endes eine völlig neue diskursive Ordnung etablierte. Dies schlug sich auch darin nieder, dass der vormalige Konsens bezüglich der Legitimität des Sultans allmählich zu bröckeln

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

175

begann und neue Machtkonstellationen vorgetragen wurden. Der Konsens schien nunmehr der zu sein, dass sich das Osmanische Reich in irgendeiner Form zu modernisieren bzw. auf die Moderne zu reagieren habe. Der Dissens hingegen zeigte sich im Hinblick auf die Art und Weise der Re-Organisation des Staates und der Gesellschaft. Vor diesem Hintergrund wäre es daher auch am treffendsten, von einer Vielfalt osmanischer Modernitäten zu sprechen anstatt von der osmanischen oder gar der türkischen Modernisierung im Singular (Karpat 2002; Türköne 2006). „Characteristically the Ottomans attempted to achieve this transformation from top down, via central state power. Reform and finally modernity often clashed not only with conservative interests but also with those of certain sectors of society favouring other types of transformation. Little research has been done on why Ottoman society did not embark on a more holistic approach, and why there have been numerous Ottoman modernities rather than a single version of the modernity project“ (Neumann 2006, S. 60). Wie sich diese Entwicklungen auf den osmanischen Überlegenheitsdiskurs übertrugen, wird nun im Folgenden zu zeigen sein.

6.3

Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust: Reiseberichte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts

In kaum einem der hier untersuchten Reiseberichte, die ab etwa der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts verfasst wurden, findet sich eine ausdrückliche Referenz auf die Person des Sultans. Die große Ausnahme bildet der Text von Ömer Faiz, bei dem sich jedoch die häufige Erwähnung des Sultans allein dadurch ergibt, dass der Autor den damaligen Sultan Abdülaziz (reg. 1861-1876) auf dessen Reise nach Europa im Jahre 1867 begleitete (vgl. Kapitel 4.6.17) und eben deshalb zwangsläufig über das gemeinsam Erlebte erzählt. Bereits Mustafa Sâmi aber leitet den Bericht über seine Europareise 1838 mit den Worten ein, er wolle mit dem vorliegenden Text nur „meinem Volk dienen“ (Sami Efendi 1996, S. 14). Damit läutet Mustafa Sâmi gleichsam eine neue Epoche ein, in der sowohl das Reisen selbst, als auch das Berichten darüber für jemand oder etwas Anderes getätigt wird als für den Sultan. Dieser bildet nicht mehr den Fixpunkt jedweden Denkens und Handelns und somit auch des Schreibens (Şirin 2009, S. 251).

176

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Ahmet İhsan richtet sich in seinem Buch sogar direkt an seine Leser. Im Einleitungsteil erläutert er, er habe sich bei der Auswahl der berichteten Ereignisse maßgeblich an dem Gedanken orientiert, „was alles möglicherweise Ihre Neugierde auf sich ziehen“ (İhsan 2007a, S. 4) würde. Der Reisebericht als Textform durchlief hier also offenkundig eine Entwicklung, die sich weg vom Schreiben in des Sultans Dienst hin zu einer Ausdifferenzierung in verschiedene literarische Gattungen wie die Erziehungs- oder Unterhaltungsliteratur bewegt. In den Pariser Gesprächen Ali Kemals beispielsweise kommt dessen Hoffnung zur Sprache, dass „vor allem unsere Jugend bei Gelegenheit von diesen Schriften in höchstem Maße inspiriert“ (Kemâl 2014, S. 12) werde. Mehmet Enisî hingegen betont gleichermaßen den Nutzen seines Berichts für die Leserschaft sowie auch seinen Wunsch, „das eigene dahinfließende Leben“ (Enisî 2008, S. 18) autobiografisch festzuhalten. Am Ende seiner Einleitung dankt er nicht etwa dem Sultan, sondern Johannes Gutenberg – dafür nämlich, dass es erst dank ihm möglich gewesen sei, den Reisebericht überhaupt drucken zu lassen (Enisî 2008, S. 28). Noch weiter in sich kehrt Ahmet Haşim, der seinen Reisebericht charakterisiert als „mein kleines, ereignisloses Buch, in dem weniger Äußerlichkeiten als vielmehr innere Erlebnisse geschildert werden“ (Haşim 2008, S. 14). Vor diesem Hintergrund drückt sich die Überlegenheit gegenüber Europa bei den Autoren entsprechend in einer im Vergleich zu den Gesandten zuvor komplexeren Identität aus, bei der Elemente wie die Zugehörigkeit zum Osmanischen Staat, das Türkisch- oder Muslimsein jeweils unterschiedlich gewichtet werden (Zürcher 2005, S. 19). Mehmet Enisî zum Beispiel rühmt die Erhabenheit und die weltweiten Errungenschaften des Osmanentums, dessen Größe und Heldenhaftigkeit selbst in der Geschichtsschreibung fremder Völker als vorbildlich gelte (Enisî 2008, S. 21). An anderer Stelle berichtet Enisî von seinem Besuch im osmanischen Konsulat in Marseille und davon, wie der dortige stellvertretende Konsul mit seinem Entgegenkommen und seiner Hilfsbereitschaft unter Beweis gestellt habe, „dass er wahrhaftig ein osmanischer Beamter ist“ (Enisî 2008, S. 70; Herv. A. S.). Auch die lange Lobesrede, die ein älterer englischer Mitpassagier auf der Schifffahrt nach Marseille auf die Türken und ihre Menschlichkeit hält, gibt Enisî zustimmend in seinem Bericht wieder (Enisî 2008, S. 68– 69). Die Besatzung eines osmanischen Militärschiffes, die Şerafeddin Mağmumi am Hafen von Genua zufällig antrifft, wird von diesem ebenfalls in höchsten Tönen gelobt. Die „vollkommene Tugend- und Ehrenhaftigkeit der osmanischen Offiziere und Soldaten“ (Mağmumi 2008c, S. 247) sei bei den Soldaten anderer Länder noch nicht einmal zu einem Tausendstel vorhanden, so Mağmumi. Ahmet İhsan wiederum ist mit Stolz erfüllt, als er an der Fassade eines Kaufhauses im französischen Trouville neben vielen anderen auch die osmanische Flagge hängen sieht. Die „vollkommene Erhabenheit, in der sie flattert“ (İhsan 2007a, S.

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

177

150) ergreift ihn so sehr, dass er sich für eine Weile auf eine Parkbank auf der gegenüberliegenden Straßenseite setzt und die Flagge von dort betrachtet. Ähnlich berührt ist Şerafeddin Mağmumi, als er 1914 während seiner Besichtigung des Neuen Marstalls in Berlin unter den Ausstellungsstücken auch einige mit dem osmanischen Emblem versehene Geschenke des Sultans Abdülhamid II. (reg. 1876-1909) entdeckt, die er aber bezeichnenderweise als „wertvolle Werke des Volkes“ (Mağmumi 2008a, S. 424) charakterisiert. Ebenfalls in Berlin, beschreibt Ferit Kam, wie ein Besuch im Königlichen Museum im Jahre 1913 sein „türkisches Blut in Wallung versetzt“ (Kam 2000, S. 97) habe. Der Anblick der dort ausgestellten Werke der, wie er schreibt, türkischen Stickkunst veranlasst ihn zu der Bemerkung, dass „all diejenigen, die behaupten, den frühen Türken sei der Sinn für Kunst nicht zuteil gewesen, angesichts dieser Blume ganz sicher erröten werden“ (Kam 2000, S. 98). Denn sie sei „ebenso zierlich und graziös wie die Blumen, die heutzutage mit Singer-Maschinen gestickt werden“ (Kam 2000, S. 98). Die genannten Beispiele lassen einige Aspekte zutage treten, die im Zusammenhang mit dem Überlegenheitsdiskurs von Relevanz sind und daher einer näheren Ausführung bedürfen. Zunächst einmal impliziert Kams Vergleich der türkischen Stickereien mit den Erzeugnissen einer Singer-Maschine eine Art Würdigung eben dieser und somit auch des technisch-maschinellen Fortschritts in Europa insgesamt. Während nämlich die Autoren der früheren Gesandtschaftsberichte angesichts der „bisher ungesehenen Gerätschaften“ (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 123), der „seltsamen Geräte und Maschinen“ (Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 20) und der von ihnen als „Kunststücke“ (Hattî Efendi 1999, S. 38) bezeichneten technischen Experimente mit völlig unreflektiertem Staunen begegneten, sind die neueren Reiseberichte geradezu durchsetzt mit der ausdrücklichen Wertschätzung der „heute unbestreitbaren [technischen] Errungenschaften der Europäer“ (Sami Efendi 1996, S. 24). Denn „allein mit der Kraft der Wissenschaften und des Könnens sind sie erstarkt“ (Sami Efendi 1996, S. 56). Sie haben „mit der Kraft der Mechanik große Berge ausgehöhlt“ (Sami Efendi 1996, S. 39). In ihren Fabriken „werden aus einem Stück Erde binnen fünf Minuten mithilfe ganz vieler Maschinen weiße Schalen, Lampen, Krüge hergestellt“ (Kemâl 2014, S. 38). Zudem „gibt es, ob groß oder klein, nicht einen einzigen unnachgiebigen Berg, der nicht mit dem Automobil oder dem Fahrrad bis zum Gipfel erklommen werden könnte, [da] mithilfe von Fertigkeit und Geschick ihre Hänge zu Straßen geebnet“ (Enisî 2008, S. 100) wurden. Seine Eisenbahnen (Mağmumi 2008c, S. 209), elektrischen Straßenbahnen (İhsan 2007a, S. 385; Enisî 2008, S. 70; Mağmumi 2008d, S. 157), Kanäle (Sami Efendi 1996, S. 39), nachts hell erleuchteten Straßen und Parks (Enisî 2008, S. 88; Mağmumi 2008b, S. 42–43), Krankenhäuser (Sami Efendi 1996, S. 45; Haşim 1933, S. 23–27), Telegrafen

178

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

und Telefone (İhsan 2007a, S. 42; Sami Efendi 1996, S. 53), „kurzum: die unzähligen Neuschöpfungen und Gaben“ (Kemâl 2014, S. 229) machen Europa in den Augen der Reisenden zum „Zentrum des Fortschritts“ (İhsan 2007a, S. 128) und seine Städte zu „Quellen des Wissens“ (Mağmumi 2008c, S. 219–220). Zugleich bilden diese Eigenschaften jedoch auch den größten Unterschied Europas zum Osmanischen Reich. Mit anderen Worten: die Reisenden erkennen in dieser Hinsicht die Rückständigkeit des Osmanischen Reiches ausdrücklich an (Şirin 2009, S. 298). Bei Ömer Faiz kommt dies besonders an einer Stelle zum Ausdruck, an der er schildert, wie er gemeinsam mit dem Kronprinzen Murad das zu später Stunde hell erleuchtete Pariser Hôtel de Ville betrachtet. „[Murad:] ‚Welch seltsamer und bemerkenswerter Anblick. Tatsächlich haben sich diese Männer doch derart angestrengt und bemüht. Es ist, als hätten sie die Sonnenstrahlen genommen und aufbewahrt, um sie jetzt dafür zu verwenden, die Dunkelheit der Nächte zu erhellen.‘ Ich konnte nicht widerstehen, und da ich um seiner Nachsichtigkeit wusste, antwortete ich: ‚Mein Herr, auch bei uns gibt es welche, die sich mit der Sonne beschäftigen.‘ Der Kronprinz erstaunte plötzlich und fragte: ‚Ach! Und wer könnte das sein?‘ Ich erklärte: ‚Unsere Dichter, mein Herr. Unsere Dichter beschäftigen sich mit der Sonne. Sie vergleichen ihre Geliebten mit der Sonne, die ihre Nächte in Tage verwandelt. Einen Band nach dem anderen verfassen sie Gedichte und komponieren sie Lieder. Auch hier beschäftigen sie sich zwar mit der Sonne, aber ihres sind Chemiker, Wissenschaftler. Es gibt eben diesen kleinen Unterschied zwischen uns!‘ Der Kronprinz hatte all die Eleganz und Intelligenz [Sultan] Abdülmecids, möge er ins Paradies kommen, geerbt. Er würdigte mich eines weisen Blickes und seufzte dann über unser beider Kummer“ (Faiz Efendi 2012, S. 168–169). Ali Kemal greift das Thema der osmanischen Dichter ebenfalls auf. Er kehrt es jedoch um und stellt es als ein Element osmanischer Überlegenheit dar. „Jetzt wird mir klar, dass wir in der Dichtkunst im Vergleich viel weiter sind“ (Kemâl 2014, S. 195).

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

179

Diese Art der Gegenüberstellung der eigenen – höheren – Qualitäten einerseits und des speziell technisch-materiellen Fortschritts Europas andererseits bildet in der Tat ein häufig auftretendes Muster in den untersuchten Reiseberichten und dient offenkundig immer wieder der Vergewisserung der eigenen Überlegenheit. „Paris ist ein Ort“, schreibt Ferit Kam, „wo niemand wirklich etwas über den anderen weiß. Als bildeten sie die verschiedenen Teile einer riesigen Maschine, sind die Menschen dort ständig in Bewegung. In jener großen Welle, die wir als Betriebsamkeit der Zivilisation zu bezeichnen pflegen, haben sich die Köpfe dermaßen dem Gewirr hingegeben, dass kein einziger von ihnen mehr die Fähigkeit besitzt, sich für eine Minute in seine eigene Welt zurückzuziehen und der Ruhe oder den naiven Freuden des Lebens etwas abzugewinnen“ (Kam 2000, S. 67). Diese Beobachtung Ferit Kams deckt sich mit Max Webers Beschreibung des kapitalistischen Lebensstils, welcher sich „[m]it voller Gewalt […] vor allem gegen eins: das unbefangene Genießen des Daseins und dessen, was es an Freuden zu bieten hat“ (Weber 2000, S. 139; Herv. i. O.), wende. Für Simmel wiederum ist dieser Lebensstil eine spezifische Erscheinung der Geldwirtschaft. „[D]ie vorstellungsmäßigen Elemente des Handelns wachsen objektiv und subjektiv zu berechenbaren, rationellen Verbindungen zusammen und schalten dadurch die gefühlsmäßigen Betonungen und Entscheidungen mehr und mehr aus, die sich nur an die Cäsuren des Lebensverlaufs, an die Endzwecke in ihm, anschließen. […] Eben dies ist ersichtlich auch die Charakterlosigkeit des Geldes. Wie es an und für sich der mechanische Reflex der Wertverhältnisse der Dinge ist und allen Parteien sich gleichmäßig darbietet, so sind innerhalb des Geldgeschäftes alle Personen gleichwertig, nicht, weil jede, sondern weil keine etwas wert ist, sondern nur das Geld“ (Simmel 1989, S. 594–595). Parallel hierzu wird in den Reiseberichten auch die große Bedeutung, die in Europa dem Geld beigemessen wird, häufig missbilligt. „Zeit darf nicht verschwendet werden! Denn Zeit ist Geld, oder etwa nicht?“ (İhsan 2007a, S. 183) heißt es hierzu bei Ahmet İhsan. „Was die persönlichen Beziehungen angeht“, so Ferit Kam spöttisch, „kostet jeder Atemzug einen Franc; ‚bonjour monsieur‘ gibt es für einen Franc, ‚bonsoir monsieur‘ für zwei Francs, einen Franc für den Gruß, einen Franc für das Gespräch“ (Kam 2000, S. 58). Viele der Reisenden halten Europa also eine gewisse Oberflächlichkeit und Gefühlsarmut vor, die ihrer Wahrnehmung nach mit dem materiellen Fortschritt einhergeht und im unmittelbaren Zusammenhang steht. „Ohne große Bedenken kann man wohl behaupten“, heißt es etwa 1932 bei Ahmet Haşim,

180

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

„dass die europäische Zivilisation, der Philosophie der ‚Aktion‘ verpflichtet, eher Wert auf das Äußere legt als auf innere Werte. Was für eine Gesinnung man auch haben mag: ein Europäer muss, um diese Bezeichnung zu verdienen, eine ordentliche Jacke, eine Hose und eine Kopfbedeckung tragen. Diese ausdruckslose und langweilige Aufmachung ist die Uniform der Zivilisation“ (Haşim 2008, S. 34). „Deutschland ist ein großer, roter Apfel“, schreibt Haşim an anderer Stelle, „[a]ber innen ist er faul“ (Haşim 2008, S. 40). Mehmet Enisî wiederum fühlt sich beängstigt durch die, wie er schreibt, Scheinheiligkeit, die ihm in Monte Carlo begegnet, welches „außen lächelnd und funkelnd, aber innen wie ein glückloses Herz“ (Enisî 2008, S. 135–136) sei. „Nach Emotionen handeln“, so Ferit Kam, „existiert in Europa nur noch als Wort, ja, noch nicht einmal mehr das. In ihren Augen sind Menschen, die sich den Bedürfnissen ihrer Gefühle hingeben, Kinder mit mangelndem Urteilsvermögen. Antrieb, Art und Ziel des Handelns ist meistens von nichts Anderem bestimmt als dem eigenen Interesse. Selbst die herzlichen Worte, die während eines Gesprächs ausgetauscht werden, sind, wie das Rasseln von faulen Nüssen in einem Sack, nichts weiter als hohle Phrasen“ (Kam 2000, S. 86–87). Ähnliche Worte finden sich auch bei Ahmet İhsan, als er seinen Aufenthalt in London zusammenfasst. „Wir haben in London Vieles gesehen und gelernt. Wir haben die Industrie, den Handel und die Überlegenheit dieser Welt bewundert und bestaunt, haben uns jedoch gelangweilt. Denn dieser Ort hier ist wie eine große Maschine, eine rundum funktionierende Maschine! Hier nun mehr Harmonie, mehr Schönheit und mehr Freude zu suchen, als eine funktionierende Maschine bieten kann, wäre deshalb wohl nicht notwendig gewesen“ (İhsan 2007a, S. 217). Die – mit Norbert Elias gesprochen – im Zuge der Zivilisation zunehmende Affektneutralität oder Affektlosigkeit des Verhaltens der Menschen (Elias 1989a, S. 373–374) prangern die Reisenden durchweg an und kontrastieren sie immer wieder mit dem, was für sie selbst das Eigene ausmacht. So wird in ihren Ausführungen die allein zweckrationale (Weber 1980, S. 13) Auseinandersetzung mit der Natur und dem Menschen des Öfteren angeklagt und stellenweise sogar vollkommen abgelehnt. „Mein Gott, gibt es denn nichts, was von Menschenhand unberührt geblieben ist und dem kein Gewand der Nutzbarkeit übergestülpt wurde?“ (Kam 2000, S. 67)

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

181

Der Zivilisationsbegriff als solcher, der innerhalb der osmanischen gebildeten Schicht spätestens seit den 1820er Jahren verbreitet war und sowohl auf Französisch (civilisation), als auch auf Osmanisch (medeniyet) verwendet wird (Baykara 1992, S. 27–32), kann dabei freilich verschiedene Bedeutungen annehmen und wird jeweils unterschiedlich positiv oder negativ konnotiert. Bei Ahmet İhsan beispielsweise wird er an einer Stelle im Sinne von Zivilisiertheit, also als Synonym für eine gute Erziehung, gebraucht. „Bei der Beurteilung der allgemeinen Gesittung der Länder ist das Thema Kinder im Übrigen völlig ausreichend. In den Ländern, deren allgemeine Gesittung und Zivilisiertheit nicht vollkommen ist, verhalten sich die Kinder draußen so unartig, wie sie es zu Hause auch tun; sie weinen, schreien, trampeln herum. Die Eltern denken aber nicht daran, wie sehr sich die Menschen in der Umgebung dadurch gestört fühlen könnten. Als ich hingegen die zivilisierten Städte Europas bereiste, habe ich auch viele Kinder gesehen und habe Gruppen von Kindern in Gärten zugeschaut. Bei keinem von ihnen habe ich etwa Lärm oder ein die Menschen belästigendes unangemessenes Benehmen erlebt“ (İhsan 2007b, S. 522). Auch Şerafeddin Mağmumi verwendet den Zivilisationsbegriff im Sinne bloß eines höflichen Verhaltens, als er sich nämlich darüber ärgert, dass am Pariser Bahnhof niemand einer jungen Dame beim Tragen ihres Gepäcks behilflich ist. „Eure Zivilisation ist doch bloß ein Lippenbekenntnis“, schreibt er vorwurfsvoll, „sie beschränkt sich nur auf die Dinge, von denen ihr euch einen Vorteil versprecht“ (Mağmumi 2008b, S. 95). Auffällig ist, dass Mağmumi, indem er von Eurer Zivilisation spricht, den Zivilisationsbegriff eindeutig als europäisch konnotiert. Auch impliziert sein Protest eine durchaus positive Zivilisationsauffassung, obgleich diese zugleich als Grundlage für die Kritik an einem konkreten Aspekt der – europäischen – Zivilisation selbst dient. „Die Kritik an der Zivilisation oder der Kultur erfolgt vom Standpunkt der wahren Zivilisation oder Kultur“ (Fisch 1992, S. 741). Mağmumi misst Europa also an dessen eigenen Maßstäben. Er bedient sich eines genuin europäischen und eindeutig positiv besetzten Begriffs 22, nimmt situativ Bezug auf einen europäischen Referenzrahmen, eignet sich diesen gleichsam an, um schließlich auf dieser Grundlage die eigene Überlegenheit gegenüber dem 22

Tatsächlich gebraucht Mağmumi hier das französische Wort civilisation.

182

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

europäischen Anderen zu demonstrieren. In der beschriebenen Begebenheit am Pariser Bahnhof ist er es nämlich, der der jungen Dame hilft. „Ich gab ihr meinen Schirm und nahm die Taschen. Nicht nur das arme zierliche Mädchen, selbst ich hatte Schwierigkeiten, sie zu tragen. Schwer wie Blei. Ich wüsste nicht, was in ihnen war. Alle zwei Schritte sagte sie: ‚Sie sind doch so schwer. Sie bereiten Ihnen solche Umstände, Monsieur.‘ Was auch immer sie sagte, wir mussten die Sache nun zu Ende bringen. Um sie zu beruhigen […] sagte ich zu ihr: ‚Seien Sie beruhigt, Mademoiselle! Ich bin ein Türke. Die ganze Welt wird Ihnen bestätigen, wie stark die Türken sind. Vielleicht haben Sie auch schon einmal die Wendung stark wie ein Türke gehört.‘ Ganz erstaunt sagte sie: ‚Ach! Sie sind ein Türke?‘ Ich antwortete voller Stolz: ‚Ja!‘“ (Mağmumi 2008b, S. 95; Herv. A. S.) In die Spitze getrieben wird diese Form der Kritik an Europa – nämlich anhand seiner eigenen Maßstäbe – bei Mehmed Enisî. Sehr ausführlich und missbilligend lässt dieser sich darüber aus, dass „die philosophischen Reden Voltaires, die weise Stimme Spencers, die göttlichen Reden Émile Zolas und Jules Simons“ (Enisî 2008, S. 139) von den schönen Fassaden und prunkvollen Sälen imposanter Gebäude nicht mehr zu vernehmen sei. Eine ungeheure Kraft aber gebe es, so Enisî, die auf alles wirke und sich alles und jeden unterwerfe. Aus dem Munde dieser Kraft schreibt Enisî schließlich Folgendes: „Kurzum: trotz meines Einflusses und meiner Macht, die in der Welt der Menschen eine so große Verehrung genießen, trage ich einen recht einfachen und schlichten Namen: Geld!“ (Enisî 2008, S. 142) In den meisten Fällen, in denen ausdrücklich von Zivilisation – immer im Singular – gesprochen wird, rekurrieren die hier untersuchten Reiseberichte jedoch auf einen technik- und fortschrittsfixierten Zivilisationsbegriff (Hinz 1997, S. 51). Anders als die früheren Gesandtschaftsberichte aber, in denen Entwicklungen im Bereich der Technik und der Wissenschaft in Europa ebenfalls dokumentiert sind, betten sie die materiellen Objekte, mit denen die Reisenden in Berührung kommen, in einen neuen diskursiven Zusammenhang ein und verleihen ihnen somit eine neue – oder vielmehr: überhaupt eine – Bedeutung (Dant 2006, S. 298). Elemente und Vorgänge des materiellen Lebens erscheinen nun nicht mehr als sinnlose Zaubereien, sondern als zivilisatorische Errungenschaften. So ist

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

183

etwa die Eisenbahn aus Sicht Mehmet Enisîs „ein Vogel des Wissens und der Zivilisation“ (Enisî 2008, S. 71), und es ist stellenweise sogar von den technischen „Wundern der Zivilisation“ (İhsan 2007a, 283, 478; Enisî 2008, S. 21) die Rede. Sowohl der Zivilisationsbegriff, als auch der Bedeutungszusammenhang insgesamt, auf den er verweist, bilden nun aber zugleich den Referenzrahmen für eine in den Reiseberichten mal punktuell und mal systematisch und ausführlich vorgebrachte Zivilisationskritik. Die Anonymität der „größten und überfülltesten“ (Mağmumi 2008d, S. 194) Städte der Welt und „das laute Durcheinander der Zivilisation“ (Enisî 2008, S. 195), das „für jemanden wie mich, der neunundvierzig Jahre im stillen Herzen des Orients gelebt hat“ (Kam 2000, S. 59) nicht zu ertragen sei, bildet dabei ein Moment dieser Kritik und wurde bereits angesprochen. „In der Tat habe ich diesen spirituellen Anblick [Istanbuls] weder im Pariser Fontainebleau oder Versailles, noch in den Gärten Monacos […] gesehen. Wer tatsächlich an ein Paradies auf Erden glaubt, für den ist Istanbul ein Paradies“ (Enisî 2008, S. 43). Der Kontrast, der hier zwischen der Hektik der Zivilisation einerseits und der Stille und Spiritualität des Eigenen andererseits hergestellt wird, ist jedoch keinesfalls der Ausdruck von bloßem Heimweh. Vielmehr dient er einer fortwährenden Selbstvergewisserung angesichts der bezeugten materiellen Wunder und des damit einhergehenden Gefühls, dem Anderen in der technologischen Entwicklung hinterherzuhinken. Selbst die Stadtgärten, Parks und Grünanlagen, die als Stätten der Erholung und Beschaulichkeit ausführlich und teils mit großer Bewunderung beschrieben werden, und nicht zuletzt auch die mit Bäumen eingefassten Alleen der Großstädte sind aus Sicht der Reisenden letztlich Erzeugnisse der Zivilisation. Ob es die von Ali Kemal in Paris besuchte Rosenschau ist (Kemâl 2014, S. 147–148), der „göttliche Anblick“ (Mağmumi 2008b, S. 46) eines Springbrunnens in einem Brüsseler Park, von dem Şerafeddin Mağmumi begeistert erzählt, oder die „aus ihrem natürlichen Zustand genommenen und in allerhand Formen gebrachten Bäume“ (İhsan 2007a, S. 76) bei Ahmet İhsan, alles ist, zwar vortrefflich, aber doch von Menschenhand bearbeitet. Vor so viel Makellosigkeit rebelliert Ahmet Haşim schließlich. „Es gibt keinen Stein, der nicht am richtigen Platz ist, keine einzige offene Grube! In dieser unerbittlich messerscharfen und perfekten Geometrie, die hier in den Himmel ragt, wird mir etwas klamm. So viel kultivierte Vollkommenheit ist einfach zu viel für

184

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten mich. Wie Ruskin es treffend sagte: Damit die Fantasie eine gesegnete Arbeit vollbringen kann, muss sie ein wenig Schutt erblicken“ (Haşim 2008, S. 78).

Der Botanische Garten von Paris etwa, in dem Ferit Kam spazieren geht, diene unter anderem dem Zweck der Bildung und sei deshalb wie ein „Klassenzimmer, nur ohne Bücher“ (Kam 2000, S. 59). Auch der bereits erwähnte Wald von Fontainebleau sei überall erforscht und beschildert, und mithilfe des berühmten Plans von Claude-François Denecourt könne man „sehr schön im Wald spazieren“ (İhsan 2007a, S. 84). Selbst „in den Wüsten und Bergen sind beschriftete Säulen aufgestellt, die sogar einem Fremden aus Indien Orientierung bieten und ihm die Möglichkeit geben, in die gewünschte Stadt, Provinz oder das gewünschte Dorf zu gelangen, ohne jemanden zu fragen“ (Sami Efendi 1996, S. 50). In Bois de Boulogne wiederum füge die elektrische Tram im Wald „dieser natürlichen Schönheit eine Schönheit der Zivilisation“ (İhsan 2007a, S. 64) hinzu, schreibt Ahmet İhsan. Gleichzeitig heißt es bei ihm aber, dass „unser Bosporus mit keinem anderen Ort der Welt vergleichbar“ (İhsan 2007a, S. 76) sei. Über denselben Wald schreibt auch Ferit Kam. „Neben all seiner Schönheit aber ist auch der Wald zivilisiert und seiner Natürlichkeit entledigt. Zumindest kam es mir so vor. Was gab es nicht alles außer dem Wald selbst? Läden, Kasinos und ich weiß nicht, was noch alles. Überall war es wie in einem Ameisennest; tausende Automobile, die Trambahn, der Bus, Pferdewagen! Sie fuhren ununterbrochen“ (Kam 2000, S. 61). Wenn auch deutlich seltener, finden sich in den Reiseberichten gewiss hin und wieder auch Darstellungen unberührter Naturlandschaften. Meistens werden diese im Zusammenhang einer Fahrt von einem Ort zu einem anderen thematisiert. Ferit Kam beispielsweise, der auf der Zugstrecke von Paris nach Genf durch einen solchen Landstrich fährt, schreibt über seine Erleichterung und darüber, dass er für eine kurze Zeit endlich wieder habe tief Luft holen können (Kam 2000, S. 68). Da sie aber wie hier nun in den allermeisten Fällen als Nebenschauplätze auftauchen, erwecken diese Landschaften ein wenig den Eindruck einer vorübergehenden Unterbrechung der eigentlichen Reise. „Die Distanz zwischen den eigentlich interessierenden Orten schrumpft zu einer Entfernungsangabe zusammen, so dass nur noch Städte und Dörfer in den Blick geraten. Das dazwischen verschwindet (fast) vollständig. Damit ist auch bereits ein Hinweis auf

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

185

dasjenige gegeben, was nicht im Text steht, für die Konstitution von Aussagen und Diskursen aber von großer Bedeutung ist. Denn hier […] kommt die Landschaft kaum vor, es sei denn als Hindernis oder Gefahr, die es zu überwinden gilt, beziehungsweise als Wegstrecke, die man hinter sich zu bringen hat“ (Landwehr 2009, S. 116–117). Selbst die Beschreibung solcher Landschaften geschieht also vor dem Hintergrund bestimmter Annahmen, sprich: sie nimmt implizit oder explizit Bezug auf bestimmte Bedeutungszusammenhänge. Demnach sind es nach wie vor die Großstädte, die den Hauptschauplatz der Zivilisation bilden und diese im Wesentlichen ausmachen. „In this respect, the production of landscape narratives was not an unproblematic description of geography, but was a calculated and collective act of representation. Narratives functioned not only to bring landscapes to readers‘ attention, but, more importantly, to service the claims – geographical, scientific, and reputational – which their authors wished to make“ (Keighren und Winters 2012, S. 25). Bezeichnenderweise wundert sich Mehmet Enisî in seinem Bericht darüber, weshalb es denn jene unberührten Landschaften überhaupt noch gibt. „[Wie kommt es], dass diese Orte von den Erscheinungen der Zivilisation und der Gesellschaft verschont geblieben sind? Warum hat die fortschreitende Zivilisation hier keine hohen Brücken errichtet?“ (Enisî 2008, S. 196) An dem Kontrast dieser Orte zur zivilisierten Welt hält Enisî also zunächst fest. Die Antwort, die er auf seine eigenen Fragen liefert, ist allerdings umso aufschlussreicher. Für ihn sind dies nämlich Orte, in die sich die Menschen aus der Zivilisation bei Bedarf zurückziehen können, Orte also, die ebenfalls einen ganz bestimmten Zweck erfüllen. Es ist bemerkenswert, dass selbst die Unberührtheit einer Naturlandschaft von Enisî auf eine bewusst vorgenommene Entscheidung zurückgeführt wird. Was er damit tut, ist nicht nur die – freilich unbewusste – Reproduktion des Bildes vom in allen Belangen rational handelnden Europäer; auch in anderen Berichten wird bisweilen darauf hingewiesen, dass „die Europäer all ihre Dinge wie ein Räderwerk organisiert haben [und] dank ihres Geschicks und ihres Könnens die Beschaffenheit, den Nutzen und den Schaden von

186

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

allem kennen“ (Sami Efendi 1996, S. 44). Vielmehr schreibt Enisî, indem er – mit Luhmann gesprochen – eine Kommunikation über die Natur in der Gesellschaft voraussetzt, jene Natur eben dieser Gesellschaft zu. Denn wenn, so Luhmann, „Kommunikationsthemen auftauchen, wächst die Gesellschaft mit ihnen. Sie wachsen der Gesellschaft an. Sie können nicht externalisiert, nicht als Sache ihrer Umwelt betrachtet werden“ (Luhmann 1991b, S. 555). Somit wird also selbst die unangetastete Naturlandschaft Teil der Gesellschaft. Mit anderen Worten: die Distanz zwischen den eigentlich interessierenden Hauptschauplätzen der Zivilisation – den Städten – schrumpft nicht nur, sondern sie verschwindet vollständig. Die Zivilisation erlangt somit gleichsam eine Omnipräsenz, die alles unter ihrem Primat der Zweckdienlichkeit vereinnahmt – oder wie Ferit Kam es in seinem Bericht ausdrückt: „Ganz egal von welchem Ort Europas die Rede ist, zuallererst muss man feststellen, dass es dort nichts Anderes gibt als Zivilisation und Fortschritt“ (Kam 2000, S. 78). Die Annahme von der grundsätzlichen Andersartigkeit jener Zivilisation und des Fortschritts, ihres essentiellen Charakteristikums, einerseits und dessen, was das Selbst ausmacht, andererseits wird von den Reisenden unbeirrt aufrechterhalten. Egal, wohin sie auch schauen, es ist für sie „offensichtlich, dass wir in eine Welt hinein fuhren, in der der Mensch mit einem völlig anderen Leistungsvermögen ausgestattet war“ (Haşim 2008, S. 28). Kurzum: „Die Steine, die Erde, die Menschen und die Tiere dieser Länder waren ganz anders“ (Faiz Efendi 2012, S. 225), wie es Ömer Faiz in seinem Bericht ausdrückt. Die Anerkennung der Fortschrittlichkeit des europäischen Anderen bringt sodann, wie bereits angedeutet wurde, zwangsläufig auch die Einsicht in die eigene Rückständigkeit mit sich. Sie bildet ferner die Grundlage für die Vergleiche zwischen Europa und dem Osmanischen Reich, die die Reisenden gelegentlich vornehmen. Herausgestellt werden dabei mitunter der Wissensdurst der Europäer und ihre allgemeine Begeisterung für die Wissenschaften. Das „gesamte europäische Volk ist des Lesens und Schreibens mächtig“ (Sami Efendi 1996, S. 42), schreibt etwa Mustafa Sâmi, und eine „hochgradige Liebe zu den Wissenschaften“ (Mağmumi 2008c, S. 222) will Şerafeddin Mağmumi erkannt haben. In der eigenen Heimat hingegen sehe es ganz anders aus. So heißt es beispielsweise bei Ömer Faiz: „In diesem fruchtbaren Fluss von Wissen und Weisheit habe ich noch tiefer gespürt, was genau in meinem Land fehlte und worin die eigentliche Leere bestand, und seien Sie versichert, ich habe geweint“ (Faiz Efendi 2012, S. 216). „Aber hätten wir uns beizeiten diese Vollkommenheit des Abendlandes doch bloß mehr angeeignet, dann wären wir heute in der

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

187

Wissenschaft, im Denken und in der Politik nicht so tief gesunken“ (Kemâl 2014, S. 14). Dass selbst in den kleineren Orten Europas vorhandene wissenschaftliche Einrichtungen „noch immer nicht in unserer osmanischen Hauptstadt gegründet wurden“ (Mağmumi 2008c, S. 409), findet Mağmumi beklagenswert. Speziell in der medizinischen und psychiatrischen Krankenpflege liege das Osmanische Reich weit hinter Europa zurück. Während in der Heimat noch immer „nach dem Leitspruch ‚ein Irrer ist mit Stockhieben zu erziehen‘“ (Sami Efendi 1996, S. 48) gehandelt werde, sei die zivilisierte Welt darum bemüht, der Menschheit zu dienen, indem sie selbst Taubstumme mithilfe eigens dafür errichteter Schulen ausbilde (Kemâl 2014, S. 133–134). Ohnehin könne man „ruhigen Gewissens behaupten, dass bei uns der Patient fast noch wie vor tausend Jahren behandelt wird. So wenig der Ochsenkarren eine Evolution durchgemacht hat, so wenig ist dies bei uns dem Begriff ‚Patient‘ widerfahren“ (Haşim 2008, S. 51). „Wenn in unserem Land dem lebenswichtigen Thema des Fortschritts in der Bildung Beachtung und Sorgfalt gewidmet“ (Mağmumi 2008d, S. 151) werde, wäre dies folglich ein wertvoller Dienst an der Allgemeinheit. Denn selbst die Italiener, die den Osmanen in vielerlei Hinsicht am ähnlichsten seien (İhsan 2007a, S. 404, S. 412–466), legten großen Wert auf die Etablierung der Zivilisation und des Fortschritts in ihrem Land (Mağmumi 2008c, S. 339–340). „Kurzum: wir müssen für uns aus dem Wissen, den Wissenschaften und den Erneuerungen dieses Landes einen Nutzen ziehen“ (Kemâl 2014, S. 169). Vor dem Hintergrund der bereits ausführlich behandelten technologischen Errungenschaften Europas in den Augen der Reisenden tragen derlei Formulierungen nun mit dazu bei, dass ein Bild vom wissbegierigen und fleißigen Europäer konstruiert wird, welches in den früheren Gesandtschaftsberichten in dieser Form noch nicht existierte und erst im neunzehnten Jahrhundert sich abzuzeichnen beginnt (Korkut 2007, S. 153). Mağmumis über den Brüsseler Place de la Bourse getätigte Aussage, „welch große Früchte das Zusammenkommen von Fleiß und menschlichem Eifer“ (Mağmumi 2008b, S. 67) hervorbringen könne, ist nur eine der vielen – teils schon zitierten – Textstellen, an denen dies unmittelbar zum Ausdruck kommt. Allerdings wird diese Euphorie durch andere Aussagen, die ebenfalls vielerorts zu finden sind, deutlich relativiert. „[U]nd ich habe es noch einmal gesagt“, heißt es dazu bei Ahmet İhsan, „wenn wir Europa sagen, können wir nicht mutmaßen, dass selbst seine Dorfbewohner Gelehrte seien“ (İhsan 2007a, S. 109). Vor seiner Reise nach Europa, schreibt İhsan an anderer

188

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

Stelle, habe er geglaubt, „dass Wissen in Europa und insbesondere in Paris allgemein verbreitet sei. Dem ist aber nicht so“ (İhsan 2007a, S. 129). Was die Wertschätzung der Männer des Wissens angeht, notiert Ali Kemal: „Doch wie bedauerlich, in Paris gibt es unzählige solcher Absolventen, die glücklich werden, wenn sie schließlich eine Arbeitsstelle im Kaufhaus ‚Le Bon Marché‘ finden. Einige vom Pech Verfolgte geben sich sogar als Wagenfahrer zufrieden. Ja, unter den Wagenfahrern von Paris soll es tatsächlich welche geben, die eine Urkunde der Juristischen Fakultät besitzen“ (Kemâl 2014, S. 151; Herv. i. O.). Auch Şerafeddin Mağmumi wundert sich auf einer Zugfahrt von Marseille nach Paris über die Ignoranz eines Mitfahrers, der seit acht Jahren in Paris lebe, aber dennoch „darauf beharrt, dass der Eiffelturm nicht die Tour d’Effeil, sondern ein Fabrikschornstein sei“ (Mağmumi 2008c, S. 207–208). Diese Widersprüchlichkeit in den Beurteilungen ist nun vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Intra-Eliten-Konflikte im Osmanischen Reich zu betrachten, die sich vor allem im neunzehnten Jahrhundert um die Frage drehten, ob und inwieweit Europa für das Osmanische Reich eine Vorbildfunktion erfüllen könnte. Dem wiederum lag das Anliegen zugrunde, angesichts der offensichtlichen (technisch-)zivilisatorischen Überlegenheit Europas – und hier bestand, wie auch aus den Reiseberichten hervorgeht, breiter Konsens – die eigene Rückständigkeit zu überwinden und somit langfristig das Osmanische Reich am Leben zu erhalten. Spätestens hier also müssen die Aussagen in ihrer Relation zum Niedergangsdiskurs gesehen und interpretiert werden. Denn wie auch das obige Zitat von Mağmumi beispielhaft demonstriert, war das Aufholen des europäischen Fortschritts aus Sicht der osmanischen Eliten, allen voran der staatlichen Autorität, eine überlebenswichtige Aufgabe (Tunaya 2010, S. 52). Gleichwohl gab es auch die Befürchtung, eine zu starke Orientierung an Europa könnte die Besonderheiten der eigenen Identität gefährden (Çiğdem 2007, S. 69; Droste 2003, S. 223). Im Zusammenspiel des Niedergangs- und des Zivilisationsdiskurses, die beide für sich – mit Laclau und Mouffe ausgedrückt – vergleichsweise geschlossen waren, herrschte also hinsichtlich der Bedeutung Europas offenbar keine Eindeutigkeit. Dass es sich bei den oben zitierten, den Fleiß und den Wissensdurst der Europäer hinterfragenden Aussagen größtenteils um negativ formulierte Aussagen handelt, ist zwar ein Indiz dafür, dass bereits eine relative Bedeutungsfixierung stattgefunden haben muss, zumal die Reisenden explizit darauf rekurrieren. Allein die Möglichkeit der Formulierung alternativer Aussagen aber weist zugleich darauf hin, dass Mehrdeutigkeiten nach wie vor bestanden (Kahraman 2007, S. 126). Es stellt sich nun die Frage, was genau aus Sicht der Reisenden das Eigene war, das es zu bewahren galt. Einige in ihren Berichten geschilderte Situationen, in denen sie in klarer Abgrenzung zu den Europäern ihr Osmanisch- oder

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

189

Türkischsein herausstellen, wurden bereits erwähnt. Obwohl seltener, gibt es auch Textstellen, die die Zugehörigkeit zum Islam als einen elementaren Teil ihrer Identität unterstreichen (Enisî 2008, S. 26; Kemâl 2014, S. 20; Mağmumi 2008b, S. 61; Kam 2000, S. 61, S. 96). Häufig verwenden die Reisenden in diesem Zusammenhang auch den Begriff des Orients bzw. des Orientalen. „Wir müssen die Eigenheiten des Orients bewahren“, schreibt etwa Ferit Kam, „Der Wille, uns zu erneuern und Europa anzunähern, sollte uns nicht dazu veranlassen, all jenen Dingen zu entsagen, auf die wir als Volk stolz sind“ (Kam 2000, S. 80). „Sobald ich mich mit derselben Gewissheit eben jener zivilisierten Welt zugewandt hatte, verstand ich, dass die Orientalen nur unter einer Bedingung dem Abendland und dessen hohen Verdiensten etwas abgewinnen können: wenn sie nämlich, angefangen von seiner Sprache und besonders allen Vorzügen seiner Sprache bis hin zu seinen Notwendigkeiten, den Orient nicht vergessen, niemals vergessen. Denn nehmen wir an, ich hätte etwa in Paris so Einiges für mich mitgenommen, was die Rechtsprechung, die Medizin, die Wissenschaften, die Literatur und Vieles andere angeht, und ich hätte so Manches erlebt, nicht wahr? Wenn ich aber unsere Sprache, unseren Orient nicht kenne, kein tiefergehendes Wissen über den Orient besitze, wieviel wäre dann all das Mitgenommene noch wert? […] Während meines Aufenthaltes in jenen fremden Ländern habe ich mich durch solch stetige Bemühungen und die hier vorliegenden Schriften nicht damit begnügt, die ewige Verbindung zu unserem Volk, unserer Nation und unserer Sprache für den Orient lediglich zu bewahren. Ich habe sie möglichst verstärkt, so dass all diejenigen, die nach mir in die zivilisierte Welt reisen, das Türkentum und die türkische Sprache nun nicht mehr belächeln“ (Kemâl 2014, S. 15). Was sich in den hier genannten Identitätsbezeichnungen – Osmane, Türke, Muslim, Orientale – niederschlägt, sind die diversen Kollektivitätsentwürfe osmanischer Intellektueller des neunzehnten Jahrhunderts. Mit Blick auf die Entwicklungen im Innern des Reiches – der Sultan besaß keine einheitsstiftende Wirkung mehr, unter den christlichen Minderheiten verbreiteten sich zunehmend nationalistische Ideen – ging es diesen nämlich darum, ein neues Loyalitätsprinzip geltend zu machen, welches die Einheit des Osmanischen Staates gewährleisten und

190

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

damit dem drohenden Zerfall entgegenwirken sollte (Akçura 1995, S. 17). Der Osmanismus beispielsweise sah unter der Prämisse der Gleichberechtigung und ungeachtet ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeiten die Integration aller Bürger des Reiches in einer Art Osmanischen Nation vor (Mardin 2012, S. 21– 31; Kuran 1968, S. 109–110). Der (Pan-)Türkismus hingegen idealisierte die politische Vereinigung aller Turkvölker, wobei der gemeinsamen Sprache, Kultur, Religion oder Rasse dieser Völker jeweils unterschiedliche Wichtigkeit beigemessen wurde (Gökalp 1996, S. 16–23; Hanioğlu 2012, S. 551–552). Ähnliches strebte auch der (Pan-)Islamismus an, nur eben unter dem Vorzeichen des Islams als primärem Identitätsmerkmal (Tunaya 2010, S. 71–75; Türköne 2001, S. 60). Bei all diesen Kollektivitätsentwürfen, die den Sultan nicht mehr als identitätsstiftenden Fokus ansahen und ihn seines Loyalitätsmonopols entledigten, handelt es sich um Ideologien, die von Ideen unter anderem der Aufklärung und der Französischen Revolution beeinflusst worden waren. Als „the first great movement of ideas in western Christendom that had any real effect on the world of Islam“ (Lewis 1953, S. 105) lieferte die Französische Revolution nämlich den osmanischen Intellektuellen des neunzehnten Jahrhunderts alternative Vorstellungen von Gemeinschaft, Loyalität, Freiheit, Souveränität, Recht und Repräsentativität, die allesamt die Basis neuer Gesellschaftsmodelle bilden sollten (Hanioğlu 2008, S. 208–209; Mardin 2007a, S. 84–86; Ortaylı 1983, S. 80–81; Davison 1968, S. 96–105; Hobsbawm 1996, S. 55). „Rather than interpret the West through the Ottoman cultural framework, this new ‚cohort‘ of individuals who shared the same life experience gave meaning to their own society through the Western framework“ (Göçek 1996, S. 120). Der Begriff Orient schließlich zeugt nicht nur, wie bereits dargelegt wurde, von einer stetig wachsenden osmanischen Rezeption europäischer Orientalismusdiskurse im neunzehnten Jahrhundert. Gerade in dem hier angeführten Kontext ist er zugleich ein erkennbares Indiz dafür, wie sehr die Dichotomie des fortschrittlichen Europas und des rückständigen Orients, ein wesentlicher Aspekt jener Diskurse nämlich, bereits verinnerlicht worden war. Seinen unmittelbaren Ausdruck fand dies unter anderem in einer spezifisch osmanischen Variante des Orientalismus, der die osmanisch-türkische Elite Istanbuls im Vergleich vor allem zur arabischen Peripherie des Reiches als fortschrittlich und zivilisiert charakterisierte (Makdisi 2002, S. 770). Auf diese Weise wurde die Fortschrittlichkeit Europas gleichsam für sich vereinnahmt und in Form einer Überlegen-

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

191

heitsmanier gegenüber den relativ zurückgebliebenen Bevölkerungsgruppen und Regionen innerhalb der eigenen Grenzen neu artikuliert. An dieser spezifischen Lesart des Orientalismus zeigt sich nun ein Identitätsdilemma auf, dem sich die osmanischen Eliten des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts tatsächlich ausgesetzt sahen. Die Aneignung des europäischen Orientalismus kam für sie nämlich dem Eingeständnis der eigenen Rückständigkeit gleich und barg zudem die Gefahr in sich, im Bestreben, Europa nachzueifern, die eigene Identität völlig aufgeben zu müssen. Andererseits aber bedeutete die Ablehnung des europäischen Orientalismus gleichzeitig die Ablehnung auch des Fortschrittsglaubens per se, was wiederum jedwede Orientierung an Europa ad absurdum geführt hätte. Ein Teil der Eliten schlug schließlich den pragmatischen mittleren Weg ein und nahm eine substantielle Trennung zwischen den Begriffen osmanisch und orientalisch vor. Das Objekt des Orientalismus waren nunmehr nicht sie selbst, sondern andere. „Not surprisingly, the system worked pretty well. By creating the categories of the civilised Ottoman and the savage Oriental, most members of the elite made peace with an ideology that had been originally designed against them“ (Eldem 2010, S. 28). Auch in den Reiseberichten tritt diese osmanisch-orientalistische Haltung stellenweise zutage. Ahmet İhsan, der von sich behauptet, er sei, seitdem er in Paris sei, „vornehm geworden“ (İhsan 2007a, S. 113), beklagt sich äußerst lang und ausführlich über die orientalischen Zustände auf dem Schiff, mit dem er in die Heimat zurückfährt. Über die mitreisenden Offiziere schreibt er zum Beispiel, bei keinem von ihnen sei „auch nur die kleinste Spur der militärischen Disziplin zu sehen, der man in Deutschland und Österreich begegnet. Einige hatten sich auf den Kanapees breitgemacht und die Schuhe ausgezogen! Kurzum: ganz und gar unser Orient! Was auch immer wir tun, es ist vergeblich. Bis der Orient erwachsen wird und den zivilisierten Völkern ähnelt, wird es noch viel Zeit brauchen“ (İhsan 2007b, S. 528–529). Bei dem faszinierenden Anblick eines farbig beleuchteten Springbrunnens in einem Brüsseler Park denkt Şerafettin Mağmumi, „Orientalen wie wir könnten dem Glauben verfallen, die Märchen aus Tausendundeiner Nacht seien Wirklichkeit geworden, Feen hätten sich in der Mitte des Brunnens versammelt und erleuchteten die Umgebung“ (Mağmumi 2008b, S. 46; Herv. i. O.). Die in den Reiseberichten abwechselnde sowie teils synonyme und teils antonyme Verwendung der genannten Identitätsbezeichnungen zeigt nun, dass offenbar keiner dieser Begriffe eindeutig definiert und von den jeweils anderen klar abgrenzbar war. Sie sind vielmehr Projektionen der Ungewissheit und Re-

192

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

flexion darüber, was den Kern der eigenen Identität ausmacht und in welchem Verhältnis diese folglich zum europäischen Anderen stehen muss. Diskurstheoretisch gesprochen, spiegeln diese Begriffe also die Gemengelage verschiedenster diskursiver Stränge und somit einen – bis in die Gegenwart – nicht abgeschlossenen Kampf um die Konstitution und Etablierung von Bedeutung wider. Sie sind Ausdruck einer angesichts des drohenden Niedergangs und des Verlustes der alten Identität notwendig gewordenen Identitätsrevision, die wiederum laut Jeffrey Alexander das Symptom für ein kollektiv erlebtes kulturelles Trauma ist. „‚Experiencing trauma‘ can be understood as a sociological process that defines a painful injury to the collectivity, establishes the victim, attributes responsibility, and distributes the ideal and material consequences. Insofar as traumas are so experienced, and thus imagined and represented, the collective identity will become significantly revised. This identity revision means that there will be a searching re-remembering of the collective past, for memory is not only social and fluid but deeply connected to the contemporary sense of the self. Identities are continuously constructed and secured not only by facing the present and future but also by reconstructing the collectivity’s earlier life“ (Alexander 2003, S. 103). Dieser suchende Blick in die Vergangenheit als Folge des traumatischen Verlustes – das Reich war im Begriff zu zerfallen, und es war ungewiss, ob es jemals gelingen würde, den Fortschritt Europas aufzuholen – nimmt in den Reiseberichten schließlich eine Form der Nostalgie ein, die typisch für imperiale Endzeitstimmungen zu sein scheint (Koch 2001, S. 174). Der Verweis Ferit Kams auf die frühen Türken in der bereits zitierten Textstelle, in der er die in einem Museum ausgestellten Kunstwerke mit den Erzeugnissen einer Singer-Maschine vergleicht, ist beispielhaft für eine solche nostalgische Fixierung (Morone 2006, S. 148). Ursprünglich die medizinische Bezeichnung für eine krankhafte Sehnsucht nach der Heimat, bewirkt durch die Angst vor einer neuen und als fremdartig empfundenen Umgebung, ist der Nostalgie-Begriff soziologisch insofern interessant, als er auch kollektive Erfahrungen von Heimatlosigkeit zu erfassen vermag. „A sociology of nostalgia, therefore, is concerned with tracking down the sources of nostalgic experience in group life and determining what general relevance and meaning nostalgia has for

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

193

our present life and, somewhat more abstractly, what consequences it has for society as a whole“ (Davis 1979, S. vii; Herv. i. O.). Einen metaphysischen Heimatverlust attestieren beispielsweise Berger et al. dem modernen Menschen, wenn sie schreiben, dass „modern man has suffered from a deepening condition of ‚homelessness‘. […] It goes without saying that this condition […] has therefore engendered its own nostalgias – nostalgias, that is, for a condition of ‚being at home‘ in society, with oneself and, ultimately, in the universe“ (Berger et al. 1974, S. 77; Herv. i. O.). Als ein sozialer Diskurs impliziert der nostalgische Blick in die Vergangenheit also zunächst die, wie Turner ausführt, unmittelbare Erfahrung eines historischen Verfalls und der Entfernung von einem idealisierten Zustand des Beheimatetseins. Zugleich liegt ihm das Bewusstsein vom Verlust einer Ganzheit sowie der eigenen Autonomie und Authentizität zugrunde (Turner 1987, S. 150–151). In Situationen kollektiver Entfremdung, die eine Anpassung – oder eben Revision – der eigenen Identität erfordern, kann Nostalgie daher die Quelle von Identitäten sein und somit zur Überwindung des Verlusts verhelfen. In dieser beschriebenen Form waren nostalgische Diskurse jedoch keineswegs ein osmanisches Spezifikum. Auch im Europa des neunzehnten Jahrhunderts stellten sie in Anbetracht des Problems der gesellschaftlichen Integration und der nationalen Identitäten den Referenzrahmen für die Erfindung von Traditionen bereit (Hobsbawm 2013, S. 4–5) und bildeten das Fundament dafür, sich als „an entirely ‚unique‘ society, against the outside world“ (Robertson 1990, S. 48) zu behaupten. Es zeigt sich also, dass nostalgische Diskurse – in ihrer Eigenschaft als Diskurse – gegenwärtig Erfahrenes mit der Vergangenheit sinnvoll verknüpfen und folglich eine narrative Struktur des Verlustes bzw. Niedergangs einer alten Ordnung aufweisen, in der die Beziehungen zwischen Ereignissen, Objekten und Akteuren auf eine bestimmte Weise hergestellt werden. Insofern ist Nostalgie nicht nur eine Erzählung über den Verlauf historischer Geschehnisse, sondern je nach räumlicher und zeitlicher Struktur der Erzählung kreiert sie darüber hinaus auch Akteure, die darin eine sinnvolle Rolle einnehmen. Dies wiederum stellt die Basis für die Konstitution gegenwärtiger Identitäten dar. Wenn beispielsweise Ömer Faiz in seinem Reisebericht von den vergangenen Fehlern der Osmanen spricht, die „reihte man sie aneinander, noch nicht einmal in Wien hineinpassen, sondern bis nach Istanbul reichen würden“ (Faiz Efendi 2012, S. 90), konstruiert seine Aussage die Osmanen als Akteure und verortet sie innerhalb einer Geschichte des Niedergangs. Mehmed Enisîs Äußerung über die vergangenen Heldentaten des Osmanentums (Enisî 2008, S. 21) bettet nun das Motiv einer glor-

194

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

reichen Vergangenheit explizit in dieses Niedergangsnarrativ ein und kommt damit einer nostalgischen Suche nach Authentizität in eben jener Vergangenheit gleich. Indem hingegen Ali Kemal die großen Dienste hervorhebt, „die der Orient in alten Zeiten den schönen Künsten erwiesen hat“ (Kemâl 2014, S. 36), lokalisiert er die verlorengegangene Heimat im Orient. An anderer Stelle spricht er ausführlich von der Rechtschaffenheit und den Wohltaten vergangener islamischer Herrscher, die – im Gegensatz zum „Christentum jener Zeit“ (Kemâl 2014, S. 144; Herv. A. S.) – die Religionen und Bräuche der von ihnen eroberten Länder geachtet hätten. Hier richtet sich der nostalgische Blick also auf eine islamische Vergangenheit, die eine Überlegenheit der islamischen gegenüber der als christlich bezeichneten europäischen Geschichte belegen soll. Ohne eine genaue Identitätsbezeichnung zu verwenden, beteuert schließlich Ferit Kam, dass „unsere Vorfahren […] sowohl ihre Religion, als auch ihre Welt viel besser verstanden hatten als wir. Weder haben sie sich mit törichter Engstirnigkeit in den Abgrund der hilflosen Einsamkeit gestürzt, noch haben sie je mit gedankenlosem Philosophengehabe den Kreis der Vernunft und der Logik verlassen. Ich selbst bin von der Größe unserer Vorfahren sowie davon, dass sie uns in jeglicher Hinsicht überlegen waren, überzeugt“ (Kam 2000, S. 101–102). Charakteristisch für den nostalgischen Blick in die Vergangenheit ist also sein spezifisches Zeitverständnis, welches sich auf Niedergangsnarrative stützt und demgemäß vordergründig das Verlorengeglaubte und Altbewährte wieder herbeigesehnt wird. In diesem Sinne ist Nostalgie eine Form des Konservatismus, wie ihn Karl Mannheim in seinem Aufsatz über das konservative Denken umschreibt. „[D]er Progressive erlebt die jeweilige Gegenwart, als den Anfang der Zukunft, während der Konservative die Gegenwart als die letzte Etappe der Vergangenheit erlebt“ (Mannheim 1964a, S. 439). Die Diskrepanz, die die Nostalgie zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit erzeugt und die besonders im letzten Zitat aus Ferit Kams Reisebericht noch einmal deutlich zum Vorschein kommt, darf jedoch keineswegs als bloße Gegenwartsflucht abgetan werden. Denn Nostalgie in dem hier verstandenen Sinne ist nicht ein Gemütszustand, sondern vielmehr eine diskursive Praxis, die aus einer bestimmten Position im diskursiven Feld heraus Wissen in der Gegenwart generiert. Diese gegenwärtige Position ist es nun, die die Sprecher – oder in diesem Fall die reisenden Autoren – befähigt, die Vergangenheit auf neuartige Weise zu rezipieren und sie somit zu transformieren (Tannock 1995, S. 457). Deshalb ist es auch richtig, diese Vergangenheit nicht als irgendeine, sondern als „The ‚Special‘ Past of Nostalgia“ (Davis 1979, S. 13) zu beschreiben. Eine strik-

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

195

te Trennung zwischen Gegenwart und Vergangenheit ist aus diskurstheoretischer Perspektive entsprechend nicht aufrechtzuerhalten. Auch in den früheren Gesandtschaftsberichten finden sich durchaus Textstellen, in denen die Autoren wehmütig an die glorreiche Vergangenheit des Osmanischen Reiches zurückdenken (Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 18; Vahid Efendi 1887 [H. 1304], S. 16). Betrauert wird hier jedoch lediglich der Verlust bestimmter Territorien, wohingegen die Nostalgie der Reiseberichte des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts den diskursiven Bezugspunkt für die Thematisierung und das Hinterfragen des eigenen Selbstverständnisses bildet. Mustafa Sâmi zum Beispiel schreibt, dass „wenn das Wissen und die Vollkommenheit, unser wahres Erbe, wie einst in der Vergangenheit wieder unter der Bevölkerung der islamischen Länder verbreitet wird, dann werden wir mit Sicherheit viel Nutzen daraus ziehen […] und unser Wissen und unsere Vollkommenheit werden auf der ganzen Welt noch mehr Berühmtheit erlangen als die Europäer“ (Sami Efendi 1996, S. 56–57; Herv. A. S.). Von einer Zusammenkunft in Istanbul, die nach seiner Europareise stattfindet und an der neben dem Großwesir auch viele andere hohe Würdenträger teilnehmen, berichtet Ömer Faiz. Es wird über die Frage diskutiert, was genau das Osmanische Reich nun von Europa übernehmen könnte oder sollte. Während ein Großteil der Anwesenden die Lösung darin sieht, die Wissenschaften und die Technologie Europas zu übernehmen, ohne sich dabei von den eigenen Wurzeln zu entfernen, wirft Ömer Faiz eine provokante These in den Raum. „Als ich an der Reihe war, sagte ich: ‚Mein Pascha!23 Wir sollten von diesen Ländern alles übernehmen, ja, sogar den Islam.‘ Wie ich es geahnt hatte, erschauderten alle, auch der Großwesir. Nur auf Fuad Paschas24 klugem Gesicht meinte ich, ein leichtes Lächeln erkennen zu können. Ich unterbrach diese plötzliche tiefe Stille im Raum, indem ich fortfuhr: ‚Ja, mein Pascha. Ja, mein Herr. Sogar den Islam sollten wir von diesen Ländern übernehmen. Denn obwohl sie eigentlich christlich sind, befolgen sie mit ihrem Wissen, ihrer Weisheit, ihrer Zivilisiertheit, ihrem Fleiß, ihrer Gerechtigkeit, ihrem Gleichheitsgrundsatz all die wesentlichen Gebote des Islams. Sie sind daher Bekehrte, ohne dass es ihnen bewusst wäre. Das, was wir am meisten fürchten, wovor wir uns am meisten scheuen und schützen wollen, weil dies vermeintlich Länder 23

24

Gemeint ist Mehmed Emin Âli Pascha, der von 1867 bis 1871 Großwesir des Osmanischen Reiches war. Keçecizade Mehmet Fuad Pascha, ein ebenfalls bedeutender Staatsmann und osmanischer Außenminister von 1867 bis 1869

196

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten des Unglaubens seien, existiert nämlich gar nicht. Wenn wir dies begreifen, ist der Rest ein Leichtes. Denn wenn wir Osmanen begreifen, dass Zivilisiertheit, Wohlstand und Fortschritt zu unseren spirituellen und religiösen Grundpflichten gehören, ja, mein Herr, dann ist der Rest ein Leichtes. Denn sowohl als Persönlichkeiten, wie auch als Gemeinschaft sind wir ihnen in all unseren Eigenschaften überlegen. Wenn wir uns statt der Unwissenheit das Wissen, statt der Rückständigkeit die Zivilisation, statt der Faulheit den Fleiß, statt der verzweifelnden Handarbeiten die Maschine, statt des Drecks in Städten und Dörfern die Sauberkeit, statt des Aberglaubens die Medizin, statt des Kamels die Eisenbahn, statt des Segelschiffs den Propellerantrieb aneignen, gemeinsam mit Frauen und Männern ein vereintes Volk werden, dann können wir das Überleben und die ehrenwerte Zukunft sowohl unserer Religion, als auch unseres Landes gewährleisten. Wir müssen uns erst einmal dazu entschließen. Wir müssen erkennen und uns eingestehen, dass dies unsere wesentliche und göttliche Pflicht ist. Der Rest ist ein Leichtes, mein Herr.‘ Die Anwesenden hörten mir schweigsam zu. Niemand fügte jedoch etwas hinzu. Ich glaube, dass sie alle, insbesondere der Großwesir und der Außenminister, mit mir vollkommen einer Meinung waren“ (Faiz Efendi 2012, S. 113–114; Herv. i. O.).

Indem Ömer Faiz hier die Europäer ironischerweise zu den eigentlichen Muslimen erklärt, nimmt er also eine völlig neuartige Definition der islamischen Identität selbst vor. Innerhalb des situativen Zusammenwirkens von Niedergangs-, Überlegenheits-, Zivilisations- und Nostalgiediskursen erlangt diese nämlich eine zuvor nicht dagewesene Komplexität und Vieldeutigkeit. Paradoxerweise ist die Rückbesinnung auf das Eigene zum Zweck der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung der Überlegenheit gegenüber Europa daher im Kern nichts Anderes als das Werben für eine Europäisierung der eigenen Identität – eine Verwestlichung gegen den Westen also (Deren 2007, S. 383) oder, wie Daryush Shayegan es ausdrückt, eine Form der kulturellen Schizophrenie. „The ‚delay‘ between what I project and what is there before me represents, not just a chronological dislocation, but an ontological divide. Objects have changed a lot more quickly than my perceptions of reality. The changes have scrambled my references, tangled my route-maps, but they have not modified the deeper zones of my psyche. My tendency to ‚mythologize‘ reality is such

6.3 Von der Überlegenheit zum Identitätsverlust

197

that I believe much more firmly in the unchanging essences of a substantial vision than in the historical process of the evolution of things. […] And by the way, where, strictly speaking, am I? My historical coordinates are altogether different. I do not calculate in terms of centuries, sixteenth, seventeenth or eighteenth; or in terms of the historical breaks which mark the transition from the Middle Ages to the Renaissance, or distinguish classical from modern periods. The sequence of historical periods means nothing to me. I tend to scramble the order of the centuries, because the qualitative discontinuities which punctuate Western history have no concrete representation in my mind. I have a past which – because I continually refer to and resuscitate it – is confused with the present; and a present which is my future“ (Shayegan 1997, S. 6– 7). Ob Schizophrenie oder nicht, es dürfte deutlich geworden sein, dass die Ambivalenzen und Widersprüchlichkeiten der vielen Identitätsentwürfe des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts letztlich eine Folge des Niedergangsnarrativs waren, welches sich im Osmanischen Reich jener Zeit als hegemonialer Diskurs im Laclau’schen und Mouffe’schen Sinne durchgesetzt hatte. Als solcher vereinnahmte er alle anderen gesellschaftlichen Diskurse und bestimmte weitestgehend – um nicht zu sagen: völlig – die Wirklichkeit der Eliten und nicht zuletzt auch, wie gezeigt wurde, der Autoren der hier untersuchten Reiseberichte. In der Tat findet sich in keinem der Texte auch nur der Ansatz einer Problematisierung – geschweige denn einer Ablehnung – des Niedergangsdiskurses. Vielmehr sind alle getätigten Aussagen eine direkte oder indirekte Bezugnahme darauf, wenngleich sie auch inhaltlich sehr stark variieren mögen. Dass die früheren Gesandtschaftsberichte vergleichsweise detaillierte Informationen über Themen wie etwa die Organisation der Staatsverwaltungen, der Militärs oder die Besteuerung in den jeweils besuchten Ländern beinhalten, ist ein Indiz dafür, dass der Glaube daran, das Osmanische Reich könnte seine ursprüngliche Größe und Macht zurückerlangen, offenkundig noch bestand und auch die Themenauswahl der Autoren bestimmte. Die späteren Reiseberichte hingegen scheinen sich mit dem Machtverfall des Reiches abgefunden zu haben, drücken dies mehr oder weniger explizit aus und wählen ihre Themen dementsprechend anders. Während es den Autoren der frühen Berichte an Selbstbewusstsein nicht mangelt, ringen die späteren Reisenden damit, sich in einer für sie immer komplexer und unverständlicher werdenden Welt verorten zu müssen. Die Grenzen ihrer Sprache, mit der sie all das, was um sie herum geschieht, nicht ausreichend erfassen können, sind ihnen dabei mehr als bewusst. Nicht zuletzt

198

6 Der Niedergangsdiskurs in den Reiseberichten

deshalb fordern sie so vehement die Übersetzung europäischer Werke ins Türkische – auch diejenigen über sie selbst (Sami Efendi 1996, S. 59; Kemâl 2014, 97, 139). Obwohl sie hoffnungsvoll in die Zukunft schauen möchten, ist die Angst davor, alles – sogar die eigene Identität – endgültig zu verlieren, in ihren Texten allgegenwärtig. In der Widersprüchlichkeit zweier Aussagen Ahmet İhsans kommt dieses Dilemma besonders deutlich zum Ausdruck. „Ich erinnerte mich an eine Unterhaltung, die sich laut Überlieferung während einer Reise ereignet haben soll, die ein früherer Minister zusammen mit einem früheren englischen Diplomaten nach Istanbul unternahm. Unser Minister, sehr nachdenklich, soll mit dem englischen Diplomaten das folgende Gespräch geführt haben: Der englische Diplomat: ‚Der betrübte Ausdruck in Ihrem Blick auf die Umgebung und Ihre Nachdenklichkeit; ist es, weil Sie die Orte, an denen wir gerade vorbeifahren, einst verloren haben?‘ Unser Minister: ‚Nein, ich trauere nicht den Orten nach, die wir verloren haben. Ich zerbreche mir den Kopf darüber, wie wir die, die wir noch haben, erhalten können.‘“ (İhsan 2007b, S. 521) „Angesichts dieser wiederauflebenden und schmerzhaften Erinnerungen bleibt dem Menschen nur ein einziger Wille und ein einziges Ziel: mit vollkommener Entschlossenheit und Einigkeit für den Erhalt dessen, was vom Vaterland geblieben ist, zu arbeiten, unaufhörlich zu arbeiten, in jedem einzelnen Moment zu arbeiten!“ (İhsan 2007b, S. 523)

7

Schlussbetrachtung

Die vorangegangenen Ausführungen dürften deutlich gemacht haben, dass die Vorstellung vom Verfall des Osmanischen Reiches das geradezu allgegenwärtige Hauptmotiv der hier untersuchten Reiseberichte bildet. Nicht nur berufen sich die Autoren immerzu auf diese bis in das sechzehnte Jahrhundert zurückgehende Lesart der osmanischen Geschichte (vgl. Kapitel 5.2), sondern der Niedergang formiert als Referenzpunkt zugleich auch den historischen Rahmen, der – diskurstheoretisch ausgedrückt – das Tätigen bestimmter Aussagen überhaupt erst möglich macht. Insofern stellt der Niedergangsdiskurs ein Archiv sowohl im gewöhnlichen, wie auch im Foucault’schen Sinne (vgl. Kapitel 3.4.1) dar. In seiner Eigenschaft als Metapher für den Verlauf historischer Ereignisse wiederum (vgl. Kapitel 5.1), die von den Reisenden fortwährend bemüht wird und dennoch begrifflich diffus bleibt, reflektiert das Niedergangsmotiv gleichsam die Irritation und Desillusioniertheit der Reisenden angesichts ihrer Erlebnisse in Europa (Saunders 2016, S. 103–104). Wie ebenfalls gezeigt wurde, verorten sich die osmanischen Reisenden – zunehmend sichtbarer ab etwa der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts – innerhalb eines überaus facettenreichen Repertoires verschiedener, sich mitunter überlappender oder kreuzender Diskurse, mit denen sie vor, während oder nach der Reise in Berührung kommen (vgl. Kapitel 4.2). Trotz der Beibehaltung der Dichotomie von Eigenem und Fremdem lässt sich in den Berichten daher eine immer größere Vielfalt der Bezugnahmen feststellen. Implizit orientieren sich die Reisenden demnach weniger in einem bipolaren als vielmehr einem multipolaren System von Beziehungen. Denn durch die Reise nach Europa und den damit einhergehenden direkten Kontakt mit anderen Bevölkerungen – sowie materiellen Objekten – erweitert sich auch das Repertoire der Diskurse, zu denen sie sich ins Verhältnis setzen. Die Anderen und ihre Narrative nehmen ebenso konkret wie differenziert Gestalt an, und die Herausforderung, sich zu der daraus resultierenden Vielzahl von Narrativen in Bezug zu setzen, erhöht zwangsläufig auch die Komplexität der eigenen Identität. Diese Ausweitung des diskursiven Referenzrahmens und die damit einhergehende Verschiebung von Bedeutungszusammenhängen im Sinne Laclaus und Mouffes (vgl. Kapitel 3.5.1) sind es nun, die zugleich auf eine sich verändernde Macht- und Konfliktkonstellation im Osmanischen Reich des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts verweisen. Während im siebzehnten Jahrhundert © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8_7

200

7 Schlussbetrachtung

die politische Elite noch maßgeblich von Palastbediensteten, dem Janitscharenkorps sowie den Religions- und Rechtsgelehrten aus dem unmittelbaren Umfeld des Sultans dominiert war, bildete sich mit dem achtzehnten und besonders dem neunzehnten Jahrhundert eine Hegemonie der zivilen Bürokraten (Findley 1989, S. 151), die sich immer mehr vom Einfluss des Sultans emanzipierten. „The eighteenth century was also an age of the ‚men of the pen‘ (kalemiye)“ (Neumann 2006, S. 54; Herv. i. O.). „Indeed, in the eighteenth century Ottoman bureaucrats came into their own, and under their influence the state was eventually transfigured from a military to a bureaucratic empire […]. These men of the pen, while on the whole only a little less traditionally minded than their peers, tended to be more pragmatic, more open to new ideas and thus more inclined towards reform“ (Naff 1977, S. 89–90). Zu jener bürokratischen Elite zählen auch die im achtzehnten Jahrhundert nach Europa entsandten Diplomaten, von denen in den vorangegangenen Kapiteln die Rede gewesen ist. Indem sie neben ihren Erlebnissen auch die dortigen Narrative und ihre eigene Positionierung dazu schriftlich in Form von Reiseberichten weitergaben, erweiterten sie das Reservoir der im Osmanischen Reich verfügbaren Narrative, erhöhten somit die Komplexität der lokalen Diskurse (vgl. Kapitel 3.5.2) und gaben zugleich die Herausforderung, sich zu dieser Komplexität und Vielfalt in Bezug zu setzen, weiter (Nolde 2006, S. 285). Nichts Anderes ist aus historisch-diskursanalytischer Perspektive die im achtzehnten Jahrhundert einsetzende und oft verkürzt als Öffnung nach Westen bezeichnete veränderte Sichtweise des Osmanischen Reiches auf Europa (vgl. Kapitel 2.2.2). Als Folge dieser veränderten Sichtweise etablierte sich neues Wissen aus Europa immer mehr als Teil des diskursiven Repertoires der osmanischen Eliten. Infolgedessen nahmen, wie es auch die hier untersuchten Reiseberichte gezeigt haben, die darauf rekurrierenden Aussagen stetig zu. Zentral war dabei die Frage nach der Bewahrung des Alten neben dem Neuen, sprich: auf welche Weise neue und alte diskursive Elemente miteinander zu verknüpfen waren. Die verschiedenen Antworten auf diese Frage brachten eine Reihe neuer Kollektivitäts- und Identitätsentwürfe hervor, die wiederum eine neue und bis dahin in der Form nicht dagewesene Konfliktkonstellation innerhalb der osmanischen Eliten erzeugten. Vor diesem Hintergrund sind auch die gelegentlichen Bestrebungen des Sultans, durch diverse Zentralisierungsmaßnahmen hegemonial zu intervenieren (vgl. Kapitel 3.5.1), zu bewerten. Der Versuch, seine ursprüngliche Macht zu-

7

Schlussbetrachtung

201

rückzuerlangen, das heißt eine Identität zu konstituieren, die auf der Loyalität gegenüber seiner Person basierte, zielte nämlich nicht auf die Wiederherstellung eines Ancien Régime ab, sondern auch dieses spezielle Narrativ machte sich die neuen epistemologischen Elemente zu eigen und war somit Produkt eines nunmehr ausgeweiteten diskursiven Referenzrahmens. Die Errichtung einer neuen Armee nach europäischem Vorbild, die Modernisierung der Verwaltung oder die Gründung einer Universität, in der Professoren aus Europa als Lehrkräfte – bezeichnenderweise auch für das Studienfach Alte Orientalische Völker (Aynî 1995, S. 78) – eingestellt wurden, sind nur einige der Maßnahmen, die die zentrale Machtstellung des Sultans erneut stärken sollten (Hanioğlu 2008, S. 205). Kurzum: die Antagonismen des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts spiegeln nicht nur die Grenzverschiebungen innerhalb der osmanischen Eliten wider, sondern auch die miteinander konkurrierenden Vorstellungen darüber, was fortan als das Eigene und das Fremde zu gelten hatte. „Die polaren Relationsbegriffe vom Eigenen und Fremden sind nicht ein für allemal festgelegt und damit keine statischen, sondern dynamischen Kategorien. Ihre Inhalte unterliegen selbst geschichtlichem Wandel […]. Die Bestimmung von Kulturgrenzen ist historischen Transformationsprozessen ausgesetzt, in denen sich die Bedeutungs- und Interpretationshorizonte dessen, was jeweils als das Eigene und das Fremde zu gelten habe, gemeinsam mit den Voraussetzungen geschichtlich gebundener Diskurspraktiken und Wertaxiome verschieben und verwandeln“ (Fuchs und Trakulhun 2003, S. 15–16; Herv. i. O.). So waren es unter anderem auch islamistische Narrative, die sich aus vielerlei Diskursen aus Europa speisten und auf dieser Grundlage entsprechend neue Vorstellungen von einem islamischen Kollektiv entwarfen. Ausgehend vom Postulat des Niedergangs, welches in den Erzählungen die Muslime als Verlierer vis-à-vis Europa platzierte, nahmen sie nämlich ebenfalls Bezug zu europäischen Themen. Demnach mussten die Ursachen für den Niedergang des Osmanischen Reiches in erster Linie in einem falsch verstandenen Islam liegen, zumal die gewöhnlich mit Europa in Verbindung gebrachten Eigenschaften wie Rationalismus, Wissenschaft oder technologischer Fortschritt wesentlich islamische Werte waren. Es galt daher, diesen wahren Islam, der im Laufe der vergangenen Jahrhunderte abhandengekommen war, wieder zum Leben zu erwecken, um so dem Reich zu seiner alten Blüte zu verhelfen (Halim Paşa 1987, S. 40–41). Die Formulierung, zu einem als authentisch verstandenen Islam zurückkehren zu müssen, enthielt also ganz offenkundig Elemente, die den damals geläufigen

202

7 Schlussbetrachtung

europäischen Orientalismus- und Zivilisationsdiskursen entstammten und auf neuartige Weise mit religiösem Wissen kombiniert wurden (Kara 2005, S. 35– 42). Mit der immer wieder vorgebrachten Behauptung, dass der wahre Islam kein Hindernis für den Fortschritt sei, sondern im Gegenteil diesen befördere, lehnte sich der Islamismus nicht nur gegen ein traditionell-osmanisches Verständnis von Religion und damit auch die bestehenden Institutionen – einschließlich der Legitimität des Sultans und der sie stützenden religiösen Gelehrten – auf, sondern lieferte mit seiner Interpretation auch eine in höchstem Maße weltzugewandte Lesart der religiösen Quellen (Ocak 2001, S. 88–89; Heyd 1993, S. 53). „The challenge and penetration of the west in the 19 th century was central to [the] formation of the early modern Islamic identity too. Islamic political identity was a construction in response to the western penetration in, domination on and resulting humiliation of the Muslims. Early Islamic thinking was provoked by the western challenge. Writings of Namik Kemal, Afghani, Said Halim Pasa and later Mehmet Akif addressed to the issue of the west/western civilization attempting to develop an Islamic response to the western challenge“ (Dağı 2001, S. 2–3). In Aussagen wie denen von Ferit Kam, der sich als ein islamischer Intellektueller verstand (vgl. Kapitel 4.6.22), findet die Kombination der genannten diskursiven Stränge sodann ihren spezifischen Ausdruck. In Kams Reisebericht heißt es hierzu: „Obwohl die erhabene Religion Mohammeds uns bereits vor eintausenddreihundert Jahren von diesem zivilisatorischen Moment unterrichtete, haben wir uns gänzlich dem Gegenteil verpflichtet“ (Kam 2000, S. 62). Die – gleichwohl wenigen – religiösen Referenzen früherer Reiseberichte hingegen lassen eine solche Fokussiertheit auf die Gestaltbarkeit dieser Welt nicht erkennen. Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi zum Beispiel zitiert eine Überlieferung des Propheten Mohammed, wonach das Diesseits „für die Gläubigen ein Gefängnis und für die Ungläubigen ein Paradies“ (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 99) sei und richtet die religiöse Motivation von Gläubigen damit auf das Jenseits. Auffällig ist hier zudem, dass während Europäer zuvor noch mit dem Etikett der Ungläubigen (Kraelitz-Greifenhorst 1908, S. 34; Hattî Efendi 1999, S. 30) oder der Christen (Sanaç 1992, S. 144; Hattî Efendi 1999, S. 32; Resmî Efendi 1886 [H. 1303], S. 8) versehen und als eindeutig Andere gekennzeichnet wurden, das Merkmal der – europäischen – Zivilisiertheit nunmehr als etwas genuin Islamisches erscheint. Die Grenzen zwischen dem, was das Eigene ausmacht und was dem Anderen zugeschrieben wird, werden diffus.

7

Schlussbetrachtung

203

Generell lässt sich bei Identitätsnarrativen, die angesichts des zerfallenden Osmanischen Reiches formuliert wurden, beobachten, dass sie hinsichtlich der Verortung des Selbst häufig dieselben Themen aufgriffen (vgl. Kapitel 4.3) – zum Beispiel Militär, Verwaltung, Wissenschaft, Technik, Architektur, Religion oder eben Identität. Diese wurden allerdings in jeweils unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen rezipiert. Dadurch ergaben sich eine Vielzahl von multidiskursiven Schnittpunkten, aus denen zwar ein gemeinsames Vokabular hervorging. Die Bedeutung dieses Vokabulars aber erschloss sich keineswegs unmittelbar und eindeutig. Ein anschauliches Beispiel bildet in diesem Zusammenhang die wechselseitige Verschränkung der islamistischen mit den türkistischen, später türkischnationalistischen, Diskursen und die sich dadurch entfaltenden Mehrdeutigkeiten der zwei Begriffe islamisch und türkisch. Obgleich diese zwei Kollektivitätsentwürfe einander nie kategorisch ausschlossen, legten sie doch hinsichtlich der Frage, was die eigene Identität im Wesentlichen ausmache, jeweils andere Schwerpunkte, nämlich entweder auf das Türkische oder auf das Islamische. Freilich gab es stets auch Bemühungen, diese Entwürfe auf irgendeine Weise zu synthetisieren. Vor allem mit dem Aufkommen nationalistischer Ideen unter den verschiedenen – insbesondere arabischen – Bevölkerungsgruppen im Reich jedoch verbreitete sich zunehmend die Auffassung, dass die Bewahrung des islamischen Erbes einzig und allein den Türken vorbehalten sei. Daher sei es erforderlich, den wahren – nämlich den Fortschritt befördernden – Islam von allen arabisch-kulturellen Einflüssen zu befreien (Mardin 2013, S. 60). Durch diese Überlappung und gegenseitige Vereinnahmung der islamistischen und türkistischen Diskurse – im Zusammenspiel mit den europäisch-orientalistischen (vgl. Kapitel 6.3) – formierte sich somit ein neuer Diskurs, der nunmehr ein islamischtürkisches bzw. türkisch-islamisches Kollektiv konstituierte. Mitunter – so auch in einigen der hier untersuchten Reiseberichte – wurden die Begriffe türkisch und islamisch daher auch synonym verwendet (Çetinsaya 2005, S. 436). Das Narrativ des Osmanismus wiederum, ein Projekt, welches angesichts des vonstattengehenden Zerfalls ebenfalls die Bewahrung des Eigenen anstrebte, formulierte eine Identität, die die religiösen und ethnischen Minderheiten des Reiches explizit einschloss.25 Vielmehr als die Zurückeroberung verlorengegangener Territorien stand dabei im Mittelpunkt die Schaffung einer „modern civic identity, linking disparate actors by the simple conviction that the Ottoman Empire must survive“ (Taglia 2016, S. 284). Der Osmanismus des neunzehnten Jahrhunderts war demnach eine Art ökumenischer Nationalismus (Blumi 2016, 25

Erste Erwähnung der Vorteile eines solch inklusiven Prinzips finden sich ansatzweise bereits in den Schriften Ebubekir Ratibs (Korkut 2007, S. 91–94).

204

7 Schlussbetrachtung

S. 295), der sich mit dem Machtverfall des Reiches gleichsam abgefunden hatte und nun im Kampf mit anderen Identitätsdiskursen seine spezifische Definition des Selbst zu etablieren versuchte. Dieser diskursive Antagonismus, der gewiss auch wechselseitige Referenzen zwischen den einzelnen Diskursen beinhaltete, manifestierte sich schließlich in mehreren Texten des späten Osmanischen Reiches, namentlich dem sultanischen Reformedikt (Gülhane Hatt-ı Hümâyunu) von 1839, dem Erneuerungserlass (Islahat Fermanı) von 1856 und der osmanischen Verfassung (Kânûn-ı Esâsî) von 1876. Neben vielen anderen Erneuerungen erwirkten diese Dokumente eine schrittweise Durchsetzung der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller osmanischen Untertanen, und zwar unabhängig von ihren ethnischen oder religiösen Zugehörigkeiten (Ülken 2013, S. 30; Findley 2010, S. 92–94). „Alle Untertanen des osmanischen Reiches“, hieß es im Artikel acht des Verfassungstextes von 1876, „welcher Religion oder Sekte sie auch angehören mögen, heißen ohne Ausnahme ‚Osmanen‘“ (KraelitzGreifenhorst 1919, S. 32). Dass zugleich der elfte Artikel den Islam als Staatsreligion festlegte und Artikel achtzehn die offizielle Sprache als Türkisch – und nicht Osmanisch – benannte (Kraelitz-Greifenhorst 1919, S. 33), mag zunächst paradox erscheinen. Die Ursache hierfür liegt freilich in den Referenzen auf islamistische und türkistische Diskurse, die diesem Text innewohnten und die ihn daher ambivalent, komplex und letzten Endes auch in sich widersprüchlich machten (vgl. Kapitel 3.5.2). Diese Inkohärenzen hinsichtlich der eigenen Identität endgültig auszuräumen, war nun das erklärte Ziel der Republikgründung im Jahre 1923. Diskurstheoretisch gesprochen, sollten also mithilfe einer hegemonialen Intervention der Konflikt beigelegt, die Mehrdeutigkeiten aufgehoben und ein einziger Diskurs als alternativlos durchgesetzt werden. So war es der türkische Nationalismus – genauer: eine spezifische Lesart dessen – die zur Staatsdoktrin erhoben wurde. „In sum, a transformation from Islamic communalism (ümmet) first to Ottoman multinationalism, then to Islamism, and finally to Turkish nationalism occurred“ (Uzer 2016, S. 22; Herv. i. O.). Anders, als das obige Zitat suggeriert, folgten die genannten Kollektivitätsentwürfe jedoch nicht chronologisch aufeinander, sondern befanden sich, wie dargelegt wurde, stets in einem antagonistischen Verhältnis zueinander. Denn auch der Nationalismus der Türkischen Republik des zwanzigsten Jahrhunderts trug durchaus religiöse Züge. Allem voran sprach die erste Verfassung der jungen Republik von 1924 noch immer vom Islam als der Religion des Staates; der entsprechende Artikel wurde erst 1928 gestrichen (Berkes 1964, S. 477). Zudem

7

Schlussbetrachtung

205

wurde, ebenfalls im Jahre 1924, das offizielle Amt für Religiöse Angelegenheiten (türk.: Diyanet İşleri Başkanlığı) gegründet, welches bis heute als die höchste religiöse Autorität des Landes gilt und einen explizit als türkisch markierten sunnitischen Islam verkörpert (Berkes 1964, S. 484). Noch wichtiger war allerdings die Übernahme religiöser Elemente in den nationalistischen Diskurs. Ob islamische Begriffe, Symbole oder Rituale, die religiös geprägte populäre Ikonologie, die ausdrücklich religiös konnotierte Verabsolutierung der Nation oder die Stilisierung von Nationalhelden zu Heiligen oder gottähnlichen Wesen; auf für Nationalismen nicht unübliche Weise vereinnahmte auch der türkische Nationalismus diverse Elemente religiöser Diskurse und verlieh ihnen innerhalb seiner spezifischen Semantik jeweils neue Bedeutungen (Bora 2015, S. 123–124). Auch Spuren des Osmanismus finden sich in dem Verfassungstext von 1924 wieder, zumal dieser den bereits erwähnten Artikel acht aus der Verfassung von 1876 fast im Wortlaut übernahm, allerdings mit dem Unterschied, dass das Wort Osmane mit dem Wort Türke ersetzt wurde. Etwa vom Ende der 1920er bis in die 1940er Jahre hinein jedoch etablierte sich unter anderem mit Hilfe vom Staat gezielt geförderter Forschungsaktivitäten und einschlägiger Publikationen eine zunehmend auf Rasse basierende Rezeption der türkischen Identität (Nişanyan 2009, S. 382–387; Ergin 2009, S. 387–388). Kurzum: Die Aufgabe, die degenerierte Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich auf die Stufe der zeitgenössischen Zivilisation (türk.: muasır medeniyet) zu erheben, wurde nunmehr der türkischen Nation auferlegt. Den Willen dieser als homogen und von jeglichen Antagonismen befreit erachteten Nation wiederum – das Kollektivbewusstsein im Durkheim’schen Sinne also – sollte niemand anders verkörpern als die republikanische Elite (Köker 2007, S. 221–229). Betrachtet man nun die Gesamtheit der Konflikte und Interaktionen der in dieser Arbeit vorgestellten verschiedenen Diskurse, so lassen sich nicht nur die sich im Laufe der Zeit verändernden und immer komplexer werdenden Konfliktkonstellationen nachzeichnen, sondern es wird darüber hinaus auch erkennbar, welchen Wandel speziell das Niedergangsnarrativ vom fünfzehnten bis zum zwanzigsten Jahrhundert durchlaufen hat. Während der Niedergang zunächst noch vorrangig an militärischen Rückschlägen und dem Verlust von Territorien festgemacht wurde, manifestierte er sich spätestens ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts an der immer wieder beschworenen zivilisatorischen Rückständigkeit des Osmanischen Reiches. Entscheidend ist an dieser Stelle, dass trotz der großen Zeitspanne von mehreren Jahrhunderten am Paradigma vom untergehenden Imperium unbeirrt festgehalten wurde, obgleich sich historisch die Formulierungen, Interpretationen und Erklärungen stetig veränderten und die Reflexionen über den Niedergang in jeweils unterschiedliche diskursive Komplexe eingebettet wurden (vgl. Kapitel 5.1).

206

7 Schlussbetrachtung

Auch die in dieser Arbeit untersuchten Reiseberichte bilden jenen Wandel des Niedergangsnarrativs vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität des diskursiven Feldes auf mannigfache Weise ab. Während zum Beispiel die frühen Reisenden noch gewillt sind, die ursprüngliche militärische Vormacht des Osmanischen Reiches wiederherzustellen, stellen sich die späteren Reisenden die Frage, wie der versäumte Fortschritt am besten nachgeholt werden könnte. In beiden Fällen ist das Anliegen dasselbe: das Reich vor seinem Untergang zu bewahren. Die Berichte indes als bloße Projektionsfläche osmanischer Diskurse zu betrachten, würde ihrer Bedeutung nicht ausreichend gerecht werden. Denn es sind gerade die in Europa gemachten Erfahrungen ihrer Autoren, die die Eigenheit dieser Texte ausmachen und damit ihr spezifisches Potential im Hinblick auf die Transformation bestehender Diskurse zur Geltung bringen. In ihren Aussagen bilden die Reisenden diese Diskurse deshalb nicht nur ab, sondern sie rezipieren und reagieren auch auf sie, indem sie in Anbetracht ihrer Erlebnisse auf sie Bezug nehmen und sie gegebenenfalls revidieren und neu ordnen. Situationen des Dilemmas, in die die Reisenden des Öfteren hineingeraten, sind hierfür ein gutes Beispiel. So kommt es häufig vor, dass zum Beispiel die frühen Reisenden, noch immer überzeugt von der Überlegenheit des Osmanischen Reiches, ihre Bewunderung für die technischen Möglichkeiten und die organisatorische Effizienz der europäischen Armeen nicht verschweigen können. Gerade diese und ähnliche Situationen sind es aber, die, indem nämlich von ihnen berichtet wird, die Grenzen des Sagbaren aufbrechen, sprich: einen diskursiven Wandel hervorrufen. „The immediate origins and motivations of change in the discursive event lie in the problematization of conventions for producers or interpreters, which can happen in a variety of ways. […] Such problematizations have their bases in contradictions […]. When problematizations arise, people are faced with […] ‚dilemmas‘. They often try to resolve these dilemmas by being innovative and creative, by adapting existing conventions in new ways, and so contributing to discursive change. The inherent intertextuality and therefore historicity of text production and interpretation […] builds creativity in as an option. Change involves forms of transgression, crossing boundaries, such as putting together existing conventions in new combinations, or drawing upon conventions in situations which usually preclude them“ (Fairclough 1992, S. 96).

7

Schlussbetrachtung

207

Wie spürbar die Grenzen des Sagbaren für die Reisenden jeweils in ihrer realen Begegnung mit der europäischen Wirklichkeit werden, zeigt sich unter anderem auch daran, dass sie in ihren Berichten immer wieder und nachdrücklich die Übersetzung europäischer Werke ins Osmanische bzw. Türkische fordern. Obwohl das Unterlaufen diskursiver Grenzen in vielen Fällen doch unbewusst geschieht, gibt es in den Berichten, wie gezeigt wurde, auch zahlreiche Passagen, die mehr oder weniger ausführlich neue Ideen und Konzepte vorstellen oder im Osmanischen Reich geltende Normen explizit hinterfragen. Das Gespräch Ömer Faiz‘ mit dem Bürgermeister von Paris (vgl. Kapitel 6.1), die Ausführungen Ahmed Resmîs zu einer prinzipiell am Frieden orientierten Politik (vgl. Kapitel 6.2) oder Ebubekir Ratibs Erörterung des Freiheitsbegriffs im Zusammenhang mit der Französischen Revolution (vgl. Kapitel 6.3) (Bayram 2000, S. 101) sind nur einige Beispiele hierfür. Das kreative Moment solcher Textstellen besteht nun darin, dass die Autoren hier Elemente ihnen bisher unzugänglicher Diskurse übernehmen und innerhalb eines ihnen (den Autoren) geläufigen Bedeutungszusammenhangs re-artikulieren. Mit anderen Worten: es findet eine neuartige Verknüpfung von Elementen verschiedener Diskurse, „eine doppelte Bewegung von De- und Rekontextualisierung“ (Burke 2000, S. 13) statt. Wie bereits eingehend diskutiert wurde, ist ein solch kreatives Moment jedoch nicht nur der Produktion eines Textes inhärent, sondern auch seiner Rezeption, nicht zuletzt deshalb, weil, diskurstheoretisch betrachtet, die Autorintention den Rezipienten prinzipiell unzugänglich bleibt (vgl. Kapitel 3.5.2). Stattdessen sind es auch hier die spezifische Diskurskonstellation und die jeweiligen Positionen der Rezipienten darin, die die Bedeutungsmomente generieren und entsprechend neue Bedeutungen hervorbringen. Die Rezeption eines Textes kommt daher, analog zu seiner Produktion, ebenfalls einer De- und Rekontextualisierung seiner Elemente gleich. Indem diese nämlich seitens der Rezipienten intertextuell eingebettet werden, vollzieht sich jener schöpferische und transformative Akt, der verschiedene Diskurse auf neuartige Weise zusammenfügt. Es handelt sich hier also, um es erneut mit den Worten Julia Kristevas auszudrücken, um ein Eindringen sowohl der Geschichte in den Text, als auch des Textes in die Geschichte. Ein im buchstäblichen Sinne anschauliches Beispiel hierfür ist die sich verändernde Architektur im Osmanischen Reich des achtzehnten Jahrhunderts. Von Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi (vgl. Kapitel 4.6.3) weiß man, dass er die Baupläne einiger französischer Schlösser, darunter die von Versailles, nach Istanbul brachte, was wiederum die dortigen Architekten zur Übernahme französischer Stilelemente in ihren Werken inspirierte (Arıkan 1988, S. 60–61; Yenişehirlioğlu 1983, S. 157). Auch dienten beispielsweise Zeichnungen von religiösen Bauten in Italien, England und Frankreich als Vorlage bei der Erbauung der im

208

7 Schlussbetrachtung

Jahre 1755 fertiggestellten Istanbuler Nuruosmaniye-Moschee (Göçek 1996, S. 41; Kuran 1977, S. 309–315). Begreift man Architektur nun ebenfalls als ein diskursives Feld, auf dem Kämpfe um die Konstitution und Etablierung von Bedeutung ausgetragen werden (Jones 2011, S. 30), lässt sich schlussfolgern, dass auch hier neue wie alte (Stil-)Elemente auf irgendeine Weise miteinander verknüpft, im Sinne Laclaus und Mouffes also re-artikuliert werden mussten. Diese Neuordnungen architektonischer Elemente im Osmanischen Reich des achtzehnten Jahrhunderts kommen demnach der Formierung neuer Diskurse gleich, die wiederum in der Errichtung neuartiger Bauten ihren Ausdruck fanden. Es trat also eine ähnliche Situation ein wie unmittelbar nach der Eroberung Istanbuls durch die Osmanen im Jahre 1453. Auch damals wurden Stilelemente der Hagia Sophia, bis zu dem Zeitpunkt die Hauptkirche des Byzantinischen Reiches, in den Wortschatz der osmanischen Architektur übernommen und mit älteren Elementen syntaktisch verbunden, was sich letztlich in der Entstehung einer neuartigen architektonischen Grammatik niederschlug (Köksal 2012, S. 388–389). Vor allem das achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert zeichneten sich durch eine in diesem Sinne erhöhte Komplexität der architektonischen Stile aus, die mitunter – analog zur Identitätsrevision, die aus den späten Reiseberichten hervorgeht (vgl. Kapitel 6.3) – als noch nicht abgeschlossene Suche nach Identität interpretiert wird (Çelik 2012, S. 116). „These new buildings introduced contemporary Western architectural trends to the Ottoman capital and superimposed yet another layer over its already complex heritage. […] Four major styles of the period illustrate the pluralism in the architectural language of the Ottoman capital. These new styles, classical revivalism, Gothic revivalism, Islamic revivalism, and Art Noveau, commonly accompanied the new building types, such as office buildings, banks, theaters, department stores, hotels, and multistory apartment buildings. They were also occasionaly incorporated into the traditional building types, like mosques and mausoleums. When applied to the Western building types, the imported styles simply paralleled the European scene. However, when superimposed on a traditional building, they created hybrid and interesting structures that deviated sharply from the established norms of classical Ottoman architecture“ (Çelik 1993, S. 126). Unabhängig von der noch ungeklärten Frage, ob hier nun eine neue künstlerische Epoche eingeläutet wurde, die gemeinhin als Tulpenära oder Osmanischer Ba-

7

Schlussbetrachtung

209

rock bezeichnet wird, bleibt festzuhalten, dass dieses im wahrsten Sinne des Wortes kreative Zusammenfügen verschiedener Diskurse in der osmanischen Baukunst stets auch auf den Niedergangsdiskurs verwies. So ließ beispielsweise der Sultan seines schwindenden Einflusses zum Trotz immer wieder Gebäude errichten, die sowohl durch ihre bloße Existenz, als auch durch einzelne architektonische Merkmale seinen nach wie vor bestehenden Anspruch darauf, Machtzentrum des Reiches zu sein, demonstrieren sollten (Akyürek 2011, S. 72–74). Die Pluralisierung der architektonischen Stile spiegeln in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur die Ausdifferenzierung des diskursiven Antagonismus (vgl. Kapitel 3.5.1) wider, sondern sie wird mitunter auch rezipiert als Indiz für eine zerfallende Ordnung und somit den Niedergang schlechthin (Artan 2006, S. 88; Carswell 1977, S. 328). „While many contemporary critics saw these changes as signs of the breakdown of social order and the decline of the empire, they can also be viewed as symptomatic of what, in the distant context of Europe, is now known as the early modern period. Greater mobility among social and professional groups led to new social and financial aspirations, increasing material wealth, changing habits of consumption and of recreational and cultural practices, and the wearing out of stable marks of distinction. These patterns became integral to the social landscape of the city [Istanbul] and began to crystallize in its physical fabric. This climate of change was accompanied by a wider receptiveness to novelty that was equally inclusive of western and eastern, and early and classical Ottoman traditions. A new architectural idiom, profoundly hybrid in aesthetics and outlook, grew out of the dynamic that was played out in Istanbul between an urban society in flux and a state anxious to reassert its presence in the capital and revamp the image of sovereignty. Eighteenthcentury developments did not constitute a sharp break with the past. Rather, they matured in the context of emerging practices and aspirations that started consolidating in the fabric of the city“ (Hamadeh 2004, S. 34). Der hier nachgezeichnete Transformationsprozess, der, wie das obige Zitat andeutet, keinen radikalen Bruch mit der Vergangenheit aufwies, sondern vielmehr durch die Produktion von neuem Wissen auf der Grundlage bereits bestehenden Wissens erfolgte (vgl. Kapitel 3.5.2), trat analog und zeitgleich auch in den anderen Künsten ein. In der Musik beispielsweise ist es wieder Yirmisekiz Çelebi

210

7 Schlussbetrachtung

Mehmed Efendi, der vermutlich als erster türkischer Untertan des Sultans eine Oper sah und europäische klassische Musik hörte. Durch seine Berichte darüber (Çelebi 1889 [H. 1306], S. 84–88) wurden zum ersten Mal Begriffe und Wörter wie Oper in das osmanische Wortgut aufgenommen (Stajnova 1983, S. 186). Jedoch war es nicht die Vorstellung europäischer Gattungen allein, die die osmanische Musik des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts veränderten, sondern auch neue Instrumente sowie die verschiedenen Formen, Stile und Themen, die „incorporated into musical discourses and recognizable by members of an interpretive community“ (Agawu 2009, S. 43) waren und als solche, zum Beispiel in Gestalt eines melancholischen Lyrizismus, ebenfalls auf den Niedergang des Reiches rekurrierten (Tanrıkorur 2011, S. 44). „In general, however, the various European influences were assimilated and integrated into the already well-established musical tradition more easily and with more self-confidence than is usually imagined“ (Behar 2006, S. 407). Angesichts dieser Einflüsse aus Europa sowie der Tatsache, dass diese musikalische Tradition eine sowohl ethnisch, wie auch religiös heterogene gewesen ist – viele der Komponisten beispielsweise waren armenischer oder griechischer Abstammung – halten die Diskussionen darüber, welcher Name ihr nun zu geben sei, gegenwärtig noch an. Angefangen von dem Musikbegriff selbst – hier wird unterschieden zwischen dem arabischen Wort Mûsıkî, welches die traditionellen Wurzeln dieser Musik herausstellen soll, und dem phonetisch aus dem Französischen übernommenen Müzik, das wiederum das Neuartige und die Vergangenheit Überwindende Element hervorhebt –, bis hin zu der Frage, ob es sich nun um türkische, osmanische oder gar türkische Musik aus osmanischer Zeit handele, hat eine eindeutige Verortung des Alten und des Neuen noch immer nicht stattgefunden (Behar 2008, S. 7–9). Wie dieser kurze Exkurs in die osmanischen Künste des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zeigt, schlagen sich interdiskursive Transformationsprozesse (vgl. Kapitel 3.5.2) nicht nur in Worten oder Begriffen nieder. Auch musikalische Kompositionen, architektonische Bauten, Bilder oder inszenierte Handlungen sind in diesem Zusammenhang gleichermaßen als diskursive Felder zu betrachten (Reichhardt 2003, S. 45). Ergo darf sich das Konzept der Intertextualität (vgl. Kapitel 3.4.1) nicht bloß auf mündliche oder schriftliche Aussagen im engeren Sinne beschränken, sondern muss andere Ausdrucksformen als auf-

7

Schlussbetrachtung

211

einander verweisende und somit Bedeutung generierende Texte ebenfalls einschließen.26 Die Übernahme neuer diskursiver Elemente sowie die Entstehung neuer Bedeutungszusammenhänge als unmittelbare oder mittelbare Folge der Reiseberichterstattung kommt jedoch, so dürfte nun deutlich geworden sein, keinesfalls einer bloßen Nachahmung – im Übrigen auch nicht einer völligen Ablehnung – Europas seitens der Osmanen gleich. Denn genauso, wie es schwierig ist, von osmanischen Pendants zu europäischen künstlerischen Strömungen wie etwa dem Barock oder der Romantik zu sprechen (Stajnova 1983, S. 193) – obgleich es im neunzehnten Jahrhundert durchaus osmanische Künstler gab, die sich ausdrücklich als Teil eines europäischen Mainstreams verstanden (Denny 2012, S. 88–89) –, gab es mit Blick auf die Revision der eigenen Identität auch keine klaren, eindeutig voneinander differenzierbaren linearen Erzählungen. Vielmehr ging mit der zunehmenden Vielfalt von Artikulations- und Reartikulationsmöglichkeiten auch die Aufweichung, Verschiebung oder Auflösung bereits bestehender diskursiver Grenzen und somit auch die Zunahme von Mehrdeutigkeiten einher. Es ist daher wenig hilfreich, von diesem Wandel im Osmanischen Reich als einem klar nachzeichenbaren Europäisierungs- bzw. Verwestlichungsprozess zu sprechen (Lewis 2000, S. 262). „Die gröbste lineare Vereinfachung ist die ethnozentrische These von der zunehmenden ‚Verwestlichung‘ der Welt und die Postulierung einer eigenen ‚Logik des Westens‘ (Bühl 2003, S. 259; Herv. i. O.). Ebenso schablonenhaft ist es, die heutige Türkei als ein zwischen zwei Zivilisationen hin- und hergerissenes Land zu beschreiben (Huntington 1993, S. 42–43). Denn auch hier wird sich des gleichen Stereotyps bedient, demzufolge es eine 26

Vor dem Hintergrund, dass Reisende – auch die hier untersuchten – in der Regel bei ihrer Rückkehr in die Heimat nicht nur neues Vokabular mitbrachten, sondern auch verschiedene (kulturelle) Güter, wäre die Frage, ob denn materielle Objekte hier nicht ebenfalls berücksichtigt werden müssten, durchaus berechtigt (Droste 2003, S. 205–206). In der Tat gibt es Arbeiten, die sich beispielsweise mit dem veränderten Konsumverhalten der osmanischen Eliten des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts im Verhältnis zu der Entstehung neuer sozialer Gruppen auseinandersetzen (Faroqhi 2002). Sinnvoll wäre es jedoch, die Objekte selbst über ihre symbolische Bedeutung und ihre Eigenschaft als „objects of knowledge“ (Knorr Cetina 1997, S. 10) hinaus im Lichte einer objektorientierten Sozialtheorie (Harman 2016, S. 3) in die Analyse mit einzubeziehen. Was diesen Punkt anbelangt, stößt der diskurstheoretische Ansatz also an seine Grenzen, zumal er die Spezifizität materieller Objekte jeweils von der Struktur des diskursiven Feldes abhängig macht (Laclau und Mouffe 1985, S. 108). Damit übersieht er jedoch, dass auch Dinge prinzipiell am Handlungsverlauf beteiligte „vollgültige Akteure“ (Latour 2007, S. 125) und insofern Teil des Sozialen sein können.

212

7 Schlussbetrachtung

einzige lineare Entwicklung gibt, die gleichwohl in zwei Richtungen verlaufen könne, nämlich entweder in Richtung Europa oder – rückwärts – in Richtung Tradition. Entsprechend gestalte sich der gesellschaftliche Konflikt, der primär zwischen den Befürwortern der Entwicklungen in die jeweils entgegengesetzten Richtungen ausgetragen werde. Dass eine solche Darstellung jedoch der Komplexität der osmanischen Gesellschaftsstruktur und der damit einhergehenden Widersprüchlichkeiten nicht annähernd gerecht wird, wurde bereits dargelegt (vgl. Kapitel 5.3). Das Wiederaufleben alternativer Narrative in der Türkei spätestens ab der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts sowie die Formulierung von inklusiveren Kollektivitätsmodellen, die sich gegenwärtig dem dominanten Identitätsdiskurs widersetzen und damit den scheinbaren gesellschaftlichen Konsens aufbrechen (vgl. Kapitel 3.5.1), zeigen nun, dass die hegemoniale Intervention im Zuge der Republikgründung eben jene Widersprüchlichkeiten der Vergangenheit nicht aufgehoben hat (Kasaba 1998, S. 13).27 An dem Aufkommen und der aktuell zunehmenden Verbreitung des sogenannten neo-osmanistischen Diskurses – einer eigenartigen Kombination islamistischer und nationalistischer Diskurse, die, rekurrierend auf das Niedergangsnarrativ, die heutige Türkei als die Erbin einer glorreichen osmanischen Zeit versteht, sich jedoch in wesentlichen Punkten von dem hier beschriebenen Osmanismus des neunzehnten Jahrhunderts unterscheidet – wird zudem deutlich, dass ein vollständiger Bruch mit der osmanischen Vergangenheit ebenfalls nicht stattgefunden hat (Yavuz 2016; Taglia 2016, S. 288–289; Kıvanç 2015, S. 177–200). Wenngleich kein vollständiger Bruch mit der Vergangenheit, so hat sich doch, langfristig betrachtet, ein Transformationsprozess vollzogen, der sich auch auf die Wahrnehmungen im Hinblick auf das Selbst und den Anderen niedergeschlagen hat. Die vorliegende Arbeit hat versucht, diesen Prozess anhand von Reiseberichten, die in der Zeit vom fünfzehnten bis zum zwanzigsten Jahrhundert verfasst wurden, nachzuzeichnen. Dabei hat sich gezeigt, dass es allen voran das Narrativ von einem vom Niedergang bedrohten Reich war, welches die Veränderungen in Gang gesetzt und maßgeblich bestimmt hat. Letztlich jedoch hatten die Bemühungen, den befürchteten Niedergang abzuwenden, zur Folge, dass der ersehnte ideale Urzustand nicht etwa wiederhergestellt wurde, sondern paradoxerweise immer weiter in die Ferne zu rücken schien. Der Ansatz der historischen Diskursanalyse erwies sich in diesem Zusammenhang insofern als hilf27

Aufhebung kann hier durchaus auch im dreifachen Wortsinne gemäß der Hegel’schen Dialektik verstanden werden (Hegel 1986b, S. 113–115). Denn der republikanische Diskurs zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts artikulierte sich ausdrücklich als progressiv und hatte den Anspruch, die Antagonismen der Vergangenheit qua historischer Notwendigkeit vollends zu überwinden (Parla 1991, S. 30–31).

7

Schlussbetrachtung

213

reich, als er aufzeigen konnte, wie Gegebenheiten, „die zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt als ‚wahr‘ und ‚wirklich‘ gewusst wurden“ (Landwehr 2009, S. 165), sukzessiv an Geltung einbüßten und der Versuch, zur ursprünglichen Eindeutigkeit zurückzukehren, ungewollt eine zunehmende Mehrdeutigkeit mit sich brachte. Reiseberichten kam innerhalb dieser Entwicklung eine wichtige Rolle zu. Denn allein das schriftliche Festhalten außergewöhnlicher Erlebnisse und Ereignisse reichte zuweilen aus, Irritationen zu verursachen sowie die Grenzen des Sagbaren aufzubrechen und auszuweiten. Weit darüber hinaus trugen Reiseberichte jedoch wesentlich zur Formierung neuer Diskurse bei. Indem sie nämlich Elemente bis dahin unzugänglicher Diskurse aufgriffen und somit den Zugang zu diesen eröffneten oder Elemente bestehender Diskurse erstmals in neue Bedeutungszusammenhänge einbetteten, ebneten sie den Weg für eine Vielfalt von neuen Artikulations- und Reartikulationsmöglichkeiten. Angesichts ihrer intertextuellen Referenzen sowie der unterschiedlichen sozialen Positionen nicht nur ihrer Autoren, sondern auch ihrer Rezipienten erhöhte dies wiederum schrittweise die Heterogenität und Komplexität der Diskurse und zugleich auch der Konfliktkonstellationen insgesamt. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit ist es gewesen, auf eben jene interdiskursive Verflochtenheit von Texten zu verweisen und vor diesem Hintergrund auch die osmanischen Reiseberichte als Kreuzungspunkte unterschiedlichster Diskurse zu verstehen. Der Fokus auf das Konzept der diskursiven Elemente die, wie dargelegt wurde, auf mannigfache Weise miteinander verknüpft werden können, ermöglichte dabei, den Wandel gewissermaßen punktuell zu verorten, ohne dabei auf zu sehr verallgemeinernde Kategorien wie Europäisierung oder Verwestlichung zurückgreifen zu müssen. Denn eine Betrachtungsweise, die den Transformationsprozess im Osmanischen Reich, wie es häufig geschieht, als bloße Zunahme des Einflusses externer – sprich: europäischer/westlicher – Faktoren zu erklären versucht, wäre nicht nur einseitig, sondern würde auch der Komplexität jenes Prozesses nicht ausreichend Rechnung tragen. Selbst wenn die strikte Dichotomie osmanisch versus europäisch – eine Grenzziehung, die aus diskurstheoretischer Sicht problematisch ist – beibehalten würde, müssten externe Faktoren immer noch im Verhältnis zu bereits bestehenden inneren Zusammenhängen betrachtet werden. Nur dann besäßen sie überhaupt eine Erklärungskraft. „In ideological readings of Ottoman history, external factors became the disrupters of the harmonious equilibrium that had emanated from the palace to the farthest reaches of the Empire. In the approach proposed here, external factors are comprehensible

214

7 Schlussbetrachtung only through their mobilization of contradictions existing latently within the social formation“ (İslamoğlu-İnan und Keyder 1987, S. 53).

Die Verarbeitung neuer Elemente innerhalb etablierter diskursiver Strukturen sowie die dadurch sich entfaltenden Widersprüchlichkeiten und Antagonismen wurden im Zusammenhang mit den diversen Reflexionen über Identität und den damit einhergehenden neuen Kollektivitätsentwürfen im Osmanischen Reich und der heutigen Türkei ebenfalls versucht zu illustrieren. Das Problem der Bewahrung des Alten neben dem Neuen bestimmte dabei die Linien, entlang derer die Konflikte ausgetragen wurden bzw. noch immer werden. Wenngleich auf mannigfache Weise und in unterschiedlichsten Formationen, der Rekurs auf das Niedergangsnarrativ war und ist auch gegenwärtig noch omnipräsent. Trotz zahlreicher Initiativen der hegemonialen Intervention über einen Zeitraum mehrerer Jahrhunderte ist es allerdings bis heute nicht möglich gewesen, hinsichtlich der Bestimmung des Eigenen und des Fremden eine Eindeutigkeit zu schaffen. Legt man jedoch den diskurtheoretischen Ansatz zugrunde, so ist dies wenig überraschend. Denn aus dieser Sicht betrachtet, muss die Fixierung von Bedeutung grundsätzlich kontingent bleiben. Dies gilt für jede diskursive Formation gleichermaßen. Immer gibt es alternative Formen der Bedeutungsgenerierung, die etablierte Diskurse untergraben und somit das allen diskursiven Strukturen inhärente Konfliktpotential freisetzen können. Was die Definition einer türkischen Identität im Hier und Jetzt oder in der Zukunft angeht, so lässt sich abschließend nur noch sagen: auch diese Frage muss offenbleiben.

Literaturverzeichnis

Abou-El-Haj, Rifa'at A. (1967): Ottoman Diplomacy at Karlowitz. In: Journal of the American Oriental Society 87 (4), S. 498–512. Abou-El-Haj, Rifa'at A. (1991): Formation of the Modern State. The Ottoman Empire. Sixteenth to Eighteenth Centuries. Albany (NY): State University of New York Press. Adanır, Fikret (2001): Das Osmanische Reich als orientalische Despotie in der Wahrnehmung des Westens. In: Elçin Kürşat-Ahlers, Dursun Tan und Hans-Peter Waldhoff (Hg.): Türkei und Europa. Facetten einer Beziehung in Vergangenheit und Gegenwart. Frankfurt a.M.: IKO - Verlag für Interkulturelle Kommunikation, S. 83–121. Afyoncu, Erhan (2000): İbrâhim Müteferrika (ö. 1160/1747). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 21. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 324– 327. Afyoncu, Erhan (2003): Mehmed Said Paşa, Yirmisekizçelebizâde (ö. 1175/1761). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 28. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 524–526. Agawu, Kofi (2009): Music as Discourse. Semiotic Adventures in Romantic Music. Oxford et al.: Oxford University Press. Ágoston, Gábor (2011): The Ottoman Wars and the Changing Balance of Power along the Danube in the Early Eighteenth Century. In: Charles Ingrao, Nikola Samardžić und Jovan Pešalj (Hg.): The Peace of Passarowitz, 1718. West Lafayette: Purdue University Press, S. 93–108. Akbayrak, Hasan (2012): Osmanlı'dan Cumhuriyet'e Tarih Yazımı. Milletin Tarihinden Ulusun Tarihine. İstanbul: Kitabevi. Akçura, Yusuf (1995): Üç Tarz-ı Siyaset. Hg. v. Recep Duymaz. İstanbul: Boğaziçi Yayınları. Aksan, Virginia H. (1993): Ottoman Political Writing, 1768-1808. In: International Journal of Middle East Studies 25 (1), S. 53–69. Aksan, Virginia H. (1995): An Ottoman Statesman in War and Peace. Ahmed Resmi Efendi 1700-1783. Leiden et al.: E. J. Brill. Aksan, Virginia H. (1999): An Ottoman Portrait of Frederick the Great. In: Oriente Moderno 18/79 (1), S. 203–215. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 A. Süer, Diskurse des Niedergangs, Islam in der Gesellschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26532-8

216

Literaturverzeichnis

Aksan, Virginia H. (2004): Ottoman Sources of Information on Europe in the Eighteenth Century. In: Virginia H. Aksan: Ottomans and Europeans. Contacts and Conflicts. İstanbul: The Isis Press, S. 13–23. Aktepe, M. Münir (1971): Mehmed Efendi'nin Lehistan Sefâreti ve SefâretNâmesi (1730-1731). In: İstanbul Üniversitesi Edebiyat Fakültesi Tarih Enstitüsü Dergisi (2), S. 131–140. Akün, Ömer Faruk (2002): Koçi Bey. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 26. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 143–148. Akyavaş, Beynun (1993): Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi'nin Fransa Sefâretnâmesi. Ankara: Türk Kültürünü Araştırma Enstitüsü. Akyürek, Göksun (2011): Bilgiyi Yeniden İnşa Etmek. Tanzimat Döneminde Mimarlık, Bilgi ve İktidar. İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları. Al-Azmeh, Aziz (1996): Islams and Modernities. London, New York: Verso. Al-Azmeh, Aziz (1999): Genealogie, Typologie und Organismus. Islamische und andere Geschichtsverläufe. In: Evelyn Schulz und Wolfgang Sonne (Hg.): Kontinuität und Wandel. Geschichtsbilder in verschiedenen Fächern und Kulturen. Zürich: vdf Hochschulverlag an der ETH, S. 453–487. Alexander, Jeffrey C. (2003): The Meanings of Social Life. A Cultural Sociology. Oxford: Oxford University Press. Altuniş-Gürsoy, Belkıs (1997): Âmedî Galib Efendi Sefâretnâmesi. In: Erdem 9 (27), S. 911–941. Ames-Lewis, Francis (1993): Art in the Service of the Family. The Taste and Patronage of Piero di Cosimo de'Medici. In: Andreas Beyer und Bruce Boucher (Hg.): Piero de'Medici „il Gottoso“ (1416-1469). Kunst im Dienste der Mediceer. Art in the Service of the Medici. Berlin: Akademie Verlag, S. 207–220. Andı, M. Fatih (2006): Mustafa Sâmi Efendi (ö. 1855). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 31. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 356. Arı, Bülent (1999): İlk Osmanlı-Hollanda Münasebetleri. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 1 - Siyaset. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 493–501. Arı, Bülent (2004): Early Ottoman Diplomacy: Ad Hoc Period. In: A. Nuri Yurdusev (Hg.): Ottoman Diplomacy. Conventional or Unconventional? Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan, S. 36–65. Arıkan, Sema (1994): Ebûbekir Râtib Efendi (ö. 1214/1799). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 10. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 277– 278.

Literaturverzeichnis

217

Arıkan, Zeki (1988): 18. Yüzyıl Osmanlı Toplumu'nda Batı Etkisi. In: Tarih ve Toplum (60), S. 60–61. Arıkan, Zeki (2013): Yirmisekiz Çelebi Mehmed Efendi (ö. 1144/1731). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 43. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 551–552. Aristoteles (1950): Von der Dichtkunst. In: Aristoteles: Vom Himmel. Von der Seele. Von der Dichtkunst. Zürich: Artemis-Verlag, S. 349–439. Aristoteles (1985): Nikomachische Ethik. Hamburg: Felix Meiner. Arnason, Johann P. (2003): Civilizations in Dispute. Historical Questions and Theoretical Traditions. Leiden, Boston: Brill. Arnason, Johann P. (2005): The Axial Age and its Interpreters. Reopening a Debate. In: Johann P. Arnason, Shmuel N. Eisenstadt und Björn Wittrock (Hg.): Axial Civilizations and World History. Leiden, Boston: Brill, S. 19–49. Arnason, Johann P.; Eisenstadt, Shmuel N.; Wittrock, Björn (2005a): General Introduction. In: Johann P. Arnason, Shmuel N. Eisenstadt und Björn Wittrock (Hg.): Axial Civilizations and World History. Leiden, Boston: Brill, S. 1–12. Arnason, Johann P.; Eisenstadt, Shmuel N.; Wittrock, Björn (2005b): Introduction. History, Theory and Interpretation. In: Johann P. Arnason, Shmuel N. Eisenstadt und Björn Wittrock (Hg.): Axial Civilizations and World History. Leiden, Boston: Brill, S. 15–18. Arslan, Ahmet (1997): İbni Haldun'un İlim ve Fikir Dünyası. Ankara: Vadi Yayınları. Artan, Tülay (2006): Questions of Ottoman identity and architectural history. In: Dana Arnold, Elvan Altan Ergut und Belgin Turan Özkaya (Hg.): Rethinking Architectural Historiography. London, New York: Routledge, S. 85–109. Asendorf, Manfred; Flemming, Jens; Müller, Achatz von; Ullrich, Volker (1994): Geschichte. Lexikon der wissenschaftlichen Grundbegriffe. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. Asiltürk, Bâki (2000): Osmanlı Seyyahlarının Gözüyle Avrupa. İstanbul: Kaknüs Yayınları. Asiltürk, Bâki (2009): Edebiyatın Kaynağı olarak Seyahatnameler. In: Turkish Studies 4 (1), S. 911–995. Asutay-Effenberger, Neslihan; Rehm, Ulrich (2009): Einleitung. Die historische Gestalt des Sultans. In: Neslihan Asutay-Effenberger und Ulrich Rehm (Hg.): Sultan Mehmet II. Eroberer Konstantinopels - Patron der Künste. Köln et al.: Böhlau Verlag, S. 7–13.

218

Literaturverzeichnis

Atsız, Bedriye (1980): Önsöz. Ahmed Resmî Efendi ve Sefâretnâmeleri Hakkında. In: Ahmed Resmî Efendi: Ahmed Resmî Efendi'nin Viyana ve Berlin Sefaretnameleri. Hg. v. Bedriye Atsız. İstanbul: Tercüman, S. 7– 13. Aynî, Mehmed Ali (1995): Dâru'l-fünûn Tarihi. İstanbul: Pınar Yayınları. Azarian, G. Reza (2005): The General Sociology of Harrison C. White. Chaos and Order in Networks. Basingstoke: Palgrave Macmillan. Aziz Efendi, Ali (1990): Intuitionen des Herzens. Tasavvuf – der innere Weg des Islam. Hg. v. H. Achmed Schmiede. İstanbul: Türk Dünyası Araştırmaları Vakfı. Aziz Efendi, Giritli Ali (1852 [H. 1268]): Muhayyelât-ı Aziz Efendi. İstanbul: Basmahâne-i Âmire. Baali, Fuad (1988): Society, State, and Urbanism. Ibn Khaldun's Sociological Thought. Albany (NY): State University of New York Press. Baasner, Rainer; Zens, Maria (2005): Methoden und Modelle der Literaturwissenschaft. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag. Babinger, Franz (1927): Die Geschichtsschreiber der Osmanen und ihre Werke. Leipzig: Otto Harrassowitz. Babinger, Franz (1953): Mehmed der Eroberer und seine Zeit. Weltenstürmer einer Zeitenwende. München: F. Bruckmann. Bacqué-Grammont, Jean-Louis; Kuneralp, Sinan; Hitzel, Frédéric (1991): Représentants permanents de la France en Turquie (1536-1991) et de la Turquie en France (1797-1991). Recueil publié à l'occasion du quatre cent cinquante-cinquième anniversaire de l'établissement des relations diplomatiques permanentes entre la France et la Turquie. İstanbul, Paris: Éditions Isis. Bakhtin, Mikhail Mikhaĭlovich (1986): The Problem of Speech Genres. In: Mikhail Mikhaĭlovich Bakhtin: Speech Genres and Other Late Essays. Austin: University of Texas Press, S. 60–102. Balcı, Sezai (2006): Osmanlı Devleti'nde Tercümanlık ve Bab-ı Ali Tercüme Odası. Doktora Tezi. Ankara Üniversitesi, Ankara. Banarlı, Nihad Sâmi (1983): Resimli Türk Edebiyâtı Târihi. Destanlar Devrinden Zamânımıza Kadar. İstanbul: Millî Eğitim Basımevi. Bänsch, Alexandra (1997): „Wie hältst du’s mit der Wirklichkeit?“. Kleine Einübung in die konstruktivistischen Diskussionen. Berlin: HumboldtUniversität zu Berlin. Barkey, Karen (2008): Empire of Difference. The Ottomans in Comparative Perspective. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Barthes, Roland (2006): Das Rauschen der Sprache. Kritische Essays IV. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

Literaturverzeichnis

219

Başaran Alpugan, Betül (1999): Geç Dönem Osmanlı İmparatorluğu'nda Tarih Yazıcılığı ve Tarih Kitapları. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 8 - Bilim. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 262–270. Batten, Charles L. (1978): Pleasurable Instruction. Form and Convention in Eighteenth-Century Travel Literature. Berkeley et al.: University of California Press. Bauman, Zygmunt (1978): Hermeneutics and Social Science. New York: Columbia University Press. Baykara, Tuncer (1992): Osmanlılarda Medeniyet Kavramı ve Ondokuzuncu Yüzyıla Dair Araştırmalar. İzmir: Akademi Kitabevi. Bayram, Fatih (2000): Ebûbekir Râtib Efendi as an Ottoman Envoy of Knowledge between the East and the West. Masters Thesis. Bilkent University, Ankara. Bearman, Peter; Faris, Robert; Moody, James (1999): Blocking the Future. New Solutions for Old Problems in Historical Social Science. In: Social Science History 23 (4), S. 501–533. Beaugrande, Robert-Alain de; Dressler, Wolfgang Ulrich (1981): Einführung in die Textlinguistik. Tübingen: Max Niemeyer Verlag. Beck, Ulrich; Giddens, Anthony; Lash, Scott (Hg.) (1996): Reflexive Modernisierung. Eine Kontroverse. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Beer, Raphael (2004): Das Subjekt zwischen Auflösung und Erfindung. Ein ideengeschichtlicher Essay über die gleichzeitige Fragilität und Stabilität des Subjekts. In: Matthias Grundmann und Raphael Beer (Hg.): Subjekttheorien interdisziplinär. Diskussionsbeiträge aus Sozialwissenschaften, Philosophie und Neurowissenschaften. Münster: LIT Verlag, S. 79–98. Beer, Raphael; Grundmann, Matthias (2004): Manifestationen des Subjektiven. In: Matthias Grundmann und Raphael Beer (Hg.): Subjekttheorien interdisziplinär. Diskussionsbeiträge aus Sozialwissenschaften, Philosophie und Neurowissenschaften. Münster: LIT Verlag, S. 1–7. Behar, Cem (2006): The Ottoman musical tradition. In: Suraiya N. Faroqhi (Hg.): The Cambridge History of Turkey. Volume 3: The Later Ottoman Empire, 1603-1839. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 393–407. Behar, Cem (2008): Musıkiden Müziğe. Osmanlı/Türk Müziği: Gelenek ve Modernlik. İstanbul: Yapı Kredi Yayınları. Behrnauer, Walter F. A. (1861): Koģabeg's Abhandlung über den Verfall des osmanischen Staatsgebäudes seit Suleiman dem Grossen. Nach Wiener und St. Petersburger Handschriften. In: Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesellschaft 15, S. 272–332.

220

Literaturverzeichnis

Bendix, Reinhard (1970a): Die vergleichende Analyse historischer Wandlungen. In: Wolfgang Zapf (Hg.): Theorien des sozialen Wandels. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, S. 177–187. Bendix, Reinhard (1970b): Modernisierung in internationaler Perspektive. In: Wolfgang Zapf (Hg.): Theorien des sozialen Wandels. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, S. 505–512. Berger, Johannes (1996): Was behauptet die Modernisierungstheorie wirklich – und was wird ihr bloß unterstellt? In: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft 24 (1), S. 45–62. Berger, Peter L.; Berger, Brigitte; Kellner, Hansfried (1974): The Homeless Mind. Modernization and Consciousness. Harmondsworth Middlesex (UK): Penguin Books. Berger, Peter L.; Luckmann, Thomas (1987): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag. Berkes, Niyazi (1964): The Development of Secularism in Turkey. Montreal: McGill University Press. Berridge, Geoff R. (2004a): Diplomatic Integration with Europe before Selim III. In: A. Nuri Yurdusev (Hg.): Ottoman Diplomacy. Conventional or Unconventional? Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan, S. 114– 130. Berridge, Geoff R. (2004b): Dragomans and Oriental Secretaries in the British Embassy in Istanbul. In: A. Nuri Yurdusev (Hg.): Ottoman Diplomacy. Conventional or Unconventional? Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan, S. 151–166. Beydilli, Kemal (1985): Büyük Friedrich ve Osmanlılar. XVIII. Yüzyılda Osmanlı-Prusya Münâsebetleri. İstanbul: İstanbul Üniversitesi Yayınları. Beydilli, Kemal (2003): Mahmud Râif Efendi (ö. 1807). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 27. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 382–383. Beydilli, Kemal (2009): Sefâretnâme (Osmanlılar'da). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 36. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 289–294. Bhambra, Gurminder K. (2006): From Civilisational Analysis to Connected Histories and Cosmopolitanisms. A Response to Professor Eisenstadt's 'Culture and Power'. In: Erwägen Wissen Ethik 17 (1), S. 20–22. Bilim, Cahit (1990a): Ebubekir Ratıb Efendi, Nemçe Sefaretnamesi. In: Belleten 54 (209), S. 261–293. Bilim, Cahit (1990b): Tercüme Odası. In: Osmanlı Araştırma ve Uygulama Merkezi Dergisi 1 (1), S. 29–43.

Literaturverzeichnis

221

Bilkan, Ali Fuat (1999): Osmanlı Şiirinde Tefekkür. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 9 - Kültür ve Sanat. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 669– 677. Birbenli, Safinaz (1999): Ahmed Resmî Efendi ve Sefaretnâmeleri. Master Tezi. Gazi Üniversitesi, Ankara. Black, Jeremy (2010): A History of Diplomacy. London: Reaktion Books. Black, Max (1977): More about Metaphor. In: Dialectica 31 (3-4), S. 431–457. Blommaert, Jan (2005): Discourse. A Critical Introduction. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Blumenberg, Hans (1957): Licht als Metapher der Wahrheit. Im Vorfeld der philosophischen Begriffsbildung. In: Studium Generale 10 (7), S. 432– 447. Blumenberg, Hans (1979): Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Blumenberg, Hans (1983): Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit. In: Anselm Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 438–454. Blumenberg, Hans (1986): Die Lesbarkeit der Welt. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Blumenberg, Hans (1998): Paradigmen zu einer Metaphorologie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Blumi, Isa (2016): Reorientating European Imperialism. How Ottomanism Went Global. In: Die Welt des Islams 56 (3-4), S. 290–316. Bödeker, Hans Erich (1982): Menschheit, Humanität, Humanismus. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 3. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 1063–1128. Bödeker, Hans Erich (1986a): Reisebeschreibungen im historischen Diskurs der Aufklärung. In: Hans Erich Bödeker, Georg G. Iggers, Jonathan B. Knudsen und Peter H. Reill (Hg.): Aufklärung und Geschichte. Studien zur deutschen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, S. 276–298. Bödeker, Hans Erich (1986b): Reisen: Bedeutung und Funktion für die deutsche Aufklärungsgesellschaft. In: Wolfgang Griep und Hans-Wolf Jäger (Hg.): Reisen im 18. Jahrhundert. Neue Untersuchungen. Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, S. 91–110. Bolay, Süleyman Hayri (2001): Kam, Ömer Ferit (1864-1944). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 24. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 271– 273.

222

Literaturverzeichnis

Bora, Tanıl (2015): Türk Sağının Üç Hâli. Milliyetçilik, Muhafazakârlık, İslâmcılık. İstanbul: Birikim Kitapları. Borutta, Manuel (2010): Genealogie der Säkularisierungstheorie. Zur Historisierung einer großen Erzählung der Moderne. In: Geschichte und Gesellschaft 36 (3), S. 347–376. Bostan, İdris (2007): Pîrî Reis (ö. 960/1553). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 34. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 283–285. Bourdieu, Pierre (1985): Sozialer Raum und "Klassen". Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre (1988): Homo academicus. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Bourdieu, Pierre (1993): The Field of Cultural Production. Or: The Economic World Reversed. In: Pierre Bourdieu: The Field of Cultural Production. Essays on Art and Literature. New York: Columbia University Press, S. 29–71. Brenner, Peter J. (1990): Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte. Tübingen: Max Niemeyer Verlag. Bridges, Roy (2002): Exploration and travel outside Europe (1720-1914). In: Peter Hulme und Tim Youngs (Hg.): The Cambridge Companion to Travel Writing. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 53–69. Brummett, Palmira (2013): Ottoman expansion in Europe, ca. 1453-1606. In: Suraiya N. Faroqhi und Kate Fleet (Hg.): The Cambridge History of Turkey. Volume 2: The Ottoman Empire as a World Power, 1453-1603. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 44–73. Bublitz, Hannelore (2011): Differenz und Integration. Zur diskursanalytischen Rekonstruktion der Regelstrukturen sozialer Wirklichkeit. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 245–282. Bühl, Walter L. (2003): Historische Soziologie. Theoreme und Methoden. Münster: LIT Verlag. Burckhardt, Jakob (1853): Die Zeit Constantin's des Großen. Basel: Druck und Verlag der Schweighauser'schen Verlagsbuchhandlung. Burke, Peter (1976): Tradition and Experience. The Idea of Decline from Bruni to Gibbon. In: Dædalus 105 (3), S. 137–152. Burke, Peter (1989): Soziologie und Geschichte. Hamburg: Junius. Burke, Peter (1994): Randbemerkungen zu einer Sozialgeschichte des Schweigens. In: Peter Burke: Reden und Schweigen. Zur Geschichte sprachlicher Identität. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, S. 63–81.

Literaturverzeichnis

223

Burke, Peter (2000): Kultureller Austausch. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Bußmann, Hadumod (Hg.) (2002): Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart: Alfred Kröner Verlag. Campbell, Mary Baine (2002): Travel Writing and its Theory. In: Peter Hulme und Tim Youngs (Hg.): The Cambridge Companion to Travel Writing. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 261–278. Caner, Beatrix (1998): Türkische Literatur. Klassiker der Moderne. Hildesheim et al.: Georg Olms Verlag. Caner, Beatrix (2008): Vorwort. In: Ahmet Haşim: Frankfurter Reisebericht. Hg. v. Beatrix Caner. Frankfurt a.M.: Literaturca Verlag, S. 7–10. Carr, David (1999): The Paradox of Subjectivity. The Self in the Transcendental Tradition. Oxford, New York: Oxford University Press. Carswell, John (1977): From the Tulip to the Rose. In: Thomas Naff und Roger Owen (Hg.): Studies in Eighteenth Century Islamic History. Carbondale et al.: Southern Illinois University Press, S. 328–355. Casanova, José (1994): Public Religions in the Modern World. Chicago: The University of Chicago Press. Cassirer, Ernst (1921): Kants Leben und Lehre. Berlin: Bruno Cassirer. Çelebi, Evliya (1996-2008): Evliya Çelebi Seyahatnâmesi. 1. - 10. Kitap. İstanbul: Yapı Kredi Yayınları. Çelebi, Yirmisekiz Mehmed (1889 [H. 1306]): Paris Sefâretnâmesi. İstanbul: Matbaa-i Ebüzziya. Çelebi, Yirmisekiz Mehmed (1970): Fransa Sefaretnamesi. In: Yirmisekiz Mehmed Çelebi: Yirmisekiz Mehmet Çelebi'nin Fransa Seyahatnamesi. Hg. v. Şevket Rado. İstanbul: Hayat Yayınları, S. 21–79. Çelik, Zeynep (1993): The Remaking of Istanbul. Portrait of an Ottoman City in the Nineteenth Century. Berkeley et al.: University of California Press. Çelik, Zeynep (2012): Architecture. In: Metin Heper und Sabri Sayarı (Hg.): The Routledge Handbook of Modern Turkey. London, New York: Routledge, S. 115–124. Çetin, Atilla (2003): Mehmed Emin Vahîd Paşa (ö. 1828). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 28. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 468–469. Çetinsaya, Gökhan (2005): İslâmcılıktaki Milliyetçilik. In: Yasin Aktay, Tanıl Bora und Murat Gültekingil (Hg.): İslâmcılık. İstanbul: İletişim (Modern Türkiye'de Siyasî Düşünce, Cilt 6), S. 420–451. Cevdet Paşa, Ahmed (1994a): Tarih-i Cevdet. Cild 3. İstanbul: Üçdal Neşriyat. Cevdet Paşa, Ahmed (1994b): Tarih-i Cevdet. Cild 1. İstanbul: Üçdal Neşriyat. Çiğdem, Ahmet (2007): "Türk Batılılaşması"nı Açıklayıcı Bir Kavram: Türk Başkalığı. Batılılaşma, Modernite ve Modernizasyon. In: Uygur

224

Literaturverzeichnis

Kocabaşoğlu (Hg.): Modernleşme ve Batıcılık. İstanbul: İletişim (Modern Türkiye'de Siyasî Düşünce, Cilt 3), S. 68–81. Çırakman, Aslı (2002): From the "Terror of the World" to the "Sick Man of Europe". European Images of Ottoman Empire and Society from the Sixteenth Century to the Nineteenth. New York et al.: Peter Lang. Colby, Benjamin N. (1966): Cultural Patterns in Narrative. Are there cultural patterns in the folk tales and myths of a people which can be objectively described? In: Science 151 (3712), S. 793–798. Comte, Auguste (1923): Soziologie. II. Band: Historischer Teil der Sozialphilosophie. Theologische und metaphysische Periode. Jena: Verlag von Gustav Fischer. Connor, Ulla; Upton, Thomas A. (2004): Introduction. In: Ulla Connor und Thomas A. Upton (Hg.): Discourse in the Professions. Perspectives from corpus linguistics. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins Publishing Company, S. 1–8. Contini, Alessandra (2000): Aspects of Medicean Diplomacy in the Sixteenth Century. In: Daniela Frigo (Hg.): Politics and Diplomacy in Early Modern Italy. The Structure of Diplomatic Practice, 1450-1800. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 49–94. Coşkun, Menderes (2006): Seyahatname ve Sefaretnameler. In: Talât Sait Halman, Osman Horata, Yakup Çelik, Nurettin Demir, Mehmet Kalpaklı, Ramazan Korkmaz und M. Öcal Oğuz (Hg.): Türk Edebiyatı Tarihi. 2. Cilt. Ankara: TC Kültür ve Turizm Bakanlığı Yayınları, S. 327–344. Coşkun, Menderes (2009): Seyahatnâme (Türk Edebiyatı). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 37. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 13–16. Coşkun, Menderes (2012): Ottoman Attitudes Towards Writing About Pilgrimage Experience. In: Millî Folklor 24 (95), S. 72–82. Cuddon, John Anthony (1991): A Dictionary of Literary Terms and Literary Theory. Oxford, Cambridge (MA): Blackwell Reference. Curtis, Michael (2009): Orientalism and Islam. European Thinkers on Oriental Despotism in the Middle East and India. Cambridge et al.: Cambridge University Press. D’Ohsson, Ignatius Mouradgea (1787-1820): Tableau Général De L'Empire Othoman. Bde. 1-3. Paris: Imprimerie De Monsieur; Didot. Dağı, İhsan D. (2001): Islamic Political Identity in Turkey. Rethinking the West and Westernization (Center for Policy Studies Report). Dalle, Ignace (2008): Un Européen chez les Turcs. Auger Ghiselin de Busbecq (1521-1591). Paris: Fayard.

Literaturverzeichnis

225

Dankoff, Robert (2004): An Ottoman Mentality. The World of Evliya Çelebi. Leiden, Boston: Brill. Dant, Tim (2006): Material civilization: things and society. In: The British Journal of Sociology 57 (2), S. 289–308. Darling, Linda T. (1994): Ottoman Politics through British Eyes. Paul Rycaut's "The Present State of the Ottoman Empire". In: Journal of World History 5 (1), S. 71–97. Daşcıoğlu, Yılmaz; Gürses, Mürsel (2012): Mehmed Enisî Yalkı'nın 'Alman Ruhu' Adlı Seyahatnamesine İmgebilimsel Bir Yaklaşım. In: Turkish Studies 7 (4), S. 315–328. Davis, Fred (1979): Yearning for Yesterday. A Sociology of Nostalgia. New York: The Free Press. Davison, Roderic H. (1964): Enviromental and Foreign Contributions. Turkey. In: Robert E. Ward und Dankwart A. Rustow (Hg.): Political Modernization in Japan and Turkey. Princeton: Princeton University Press, S. 91–116. Davison, Roderic H. (1968): The Advent of the Principle of Representation in the Government of the Ottoman Empire. In: William R. Polk und Richard L. Chambers (Hg.): Beginnings of Modernization in the Middle East. The Nineteenth Century. Chicago, London: The University of Chicago Press, S. 93–108. Dehérain, Henri (1929): La Vie de Pierre Ruffin. Orientaliste et Diplomate. 1742-1824. Tome Premier. Paris: Librairie Orientaliste Paul Geuthner. Delanty, Gerard (2006): The Exhaustion of the Axial Age? Remarks on Eisenstadt's Civilizational Theory of Modernity. In: Erwägen Wissen Ethik 17 (1), S. 26–28. Denny, Walter B. (2012): Fine Arts. In: Metin Heper und Sabri Sayarı (Hg.): The Routledge Handbook of Modern Turkey. London, New York: Routledge, S. 87–95. Deren, Seçil (2007): Kültürel Batılılaşma. In: Uygur Kocabaşoğlu (Hg.): Modernleşme ve Batıcılık. İstanbul: İletişim (Modern Türkiye'de Siyasî Düşünce, Cilt 3), S. 382–402. Dilthey, Wilhelm (1965): Das Erlebnis und die Dichtung. Lessing, Goethe, Novalis, Hölderlin. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Djalili, Mohammad-Reza (1995): Dar al-Harb. In: John L. Esposito (Hg.): The Oxford Encyclopedia of the Modern Islamic World. Vol. 1. New York, Oxford: Oxford University Press, S. 337–338. Döring, Ole (2006): Scheingefechte auf dem kulturalistischen Holzweg. Aporien eines unempirischen Ansatzes im Licht kulturphilosophischer Ethik. In: Erwägen Wissen Ethik 17 (1), S. 28–31.

226

Literaturverzeichnis

Doty, Roxanne Lynn (1993): Foreign Policy as Social Construction. A PostPositivist Analysis of US Insurgency Policy in the Philippines. In: International Studies Quarterly 37 (3), S. 297–320. Droste, Heiko (2003): Unternehmer in Sachen Kultur. Die Diplomaten Schwedens im 17. Jahrhundert. In: Thomas Fuchs und Sven Trakulhun (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 1500-1850. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, S. 205–226. Durkheim, Emile (1965): Die Regeln der soziologischen Methode. Neuwied, Berlin: Luchterhand. Durkheim, Emile (1992): Über soziale Arbeitsteilung. Studie über die Organisation höherer Gesellschaften. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Eder, Klaus (1999): Societies Learn and yet the World is Hard to Change. In: European Journal of Social Theory 2 (2), S. 195–215. Eder, Klaus (2002): Europäische Säkularisierung. Ein Sonderweg in die postsäkulare Gesellschaft? Eine theoretische Anmerkung. In: Berliner Journal für Soziologie 12 (3), S. 331–343. Eder, Klaus (2007): Die Grenzen Europas. Zur narrativen Konstruktion europäischer Identität. In: Petra Deger und Robert Hettlage (Hg.): Der europäische Raum. Die Konstruktion europäischer Grenzen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 187–208. Efe, Adem (2009): Sebîlürreşâd. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 36. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 251–253. Eğri, Sadettin (2012): Hıtây Sefâretnâmesi ve Kanunnâme-i Çin ü Hıtây'da İpek Yolu İzlenimleri. In: Turkish Studies 7 (2), S. 411–422. Eisenstadt, Shmuel N. (1961): The Causes of Disintegration and Fall of Empires. Sociological and Historical Analyses. In: Diogenes 9 (34), S. 82–107. Eisenstadt, Shmuel N. (1969): The Political Systems of Empires. New York: The Free Press. Eisenstadt, Shmuel N. (1979): Tradition, Wandel und Modernität. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Eisenstadt, Shmuel N. (1980): Cultural Orientations, Institutional Entrepreneurs, and Social Change. Comparative Analysis of Traditional Civilizations. In: American Journal of Sociology 85 (4), S. 840–869. Eisenstadt, Shmuel N. (1998): Sectarianism and the Dynamics of Islamic Civilization. In: Georg Stauth (Hg.): Islam – Motor or Challenge of Modernity. Hamburg: LIT Verlag (Yearbook of the Sociology of Islam, 1), S. 15–33.

Literaturverzeichnis

227

Eisenstadt, Shmuel N. (2000a): Die Vielfalt der Moderne. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Eisenstadt, Shmuel N. (2000b): The Civilizational Dimension in Sociological Analysis. In: Thesis Eleven 62 (1), S. 1–21. Eisenstadt, Shmuel N. (2002): Concluding Remarks. Public Sphere, Civil Society, and Political Dynamics in Islamic Societies. In: Miriam Hoexter, Shmuel N. Eisenstadt und Nehemia Levtzion (Hg.): The Public Sphere in Muslim Societies. Albany (NY): State University of New York Press, S. 139–161. Eisenstadt, Shmuel N. (2003): Frameworks of the Great Revolutions. Culture, Social Structure, History and Human Agency. In: Shmuel N. Eisenstadt: Comparative Civilizations and Multiple Modernities. Part II. Leiden, Boston: Brill, S. 613–639. Eisenstadt, Shmuel N. (2006a): Die großen Revolutionen und die Kulturen der Moderne. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Eisenstadt, Shmuel N. (2006b): Public Spheres and Political Dynamics in Historical and Modern Muslim Societies. In: Johann P. Arnason, Armando Salvatore und Georg Stauth (Hg.): Islam in Process. Historical and Civilizational Perspectives. Bielefeld: transcript (Yearbook of the Sociology of Islam, 7), S. 306–318. Eisenstadt, Shmuel N. (2006c): The Protestant Ethic and Modernity. Comparative Analysis with and beyond Weber. In: Karl-Siegbert Rehberg (Hg.): Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede. Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München 2004. Teilband 1. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag, S. 161– 184. Eisenstadt, Shmuel N.; Schluchter, Wolfgang (2001): Introduction: Paths to Early Modernities. A Comparative View. In: Shmuel N. Eisenstadt, Wolfgang Schluchter und Björn Wittrock (Hg.): Public Spheres & Collective Identities. New Brunswick, London: Transaction Publishers, S. 1–18. Eldem, Edhem (2010): Ottoman and Turkish Orientalism. In: Architectural Design 80 (1), S. 26–31. Elias, Norbert (1970): Was ist Soziologie? München: Juventa Verlag. Elias, Norbert (1972): Soziologie und Geschichtswissenschaft. In: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Geschichte und Soziologie. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 53–77. Elias, Norbert (1989a): Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bd. 2: Wandlungen der Gesellschaft. Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

228

Literaturverzeichnis

Elias, Norbert (1989b): Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen. Bd. 1: Wandlungen des Verhaltens in den weltlichen Oberschichten des Abendlandes. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Elias, Norbert (2001): Die Gesellschaft der Individuen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Elias, Norbert (2002): Die höfische Gesellschaft. Untersuchungen zur Soziologie des Königtums und der höfischen Aristokratie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Elibol, Numan (2005): XVIII. Yüzyıl Osmanlı Dış Ticaretiyle İlgili Bazı Değerlendirmeler. In: Eskişehir Osmangazi Üniversitesi Sosyal Bilimler Dergisi 6 (1), S. 61–76. Emrence, Cem (2007): Three Waves of Late Ottoman Historiography, 19502007. In: Middle East Studies Association Bulletin 41 (2), S. 137–151. Engels, Friedrich (1960): Was soll aus der europäischen Türkei werden? In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 9. Berlin: Dietz Verlag, S. 31–35. Engels, Friedrich (1962): Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 21. Berlin: Dietz Verlag, S. 259–307. Engels, Friedrich (1967): Engels an Joseph Bloch. 21./22. September 1890. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 37. Berlin: Dietz Verlag, S. 462–465. Enisî, Mehmed (1912 [H. 1330]): Alman Ruhu. İstanbul: Nefaset Matbaası. Enisî, Mehmet (2008): Bir Denizcinin Avrupa Günlüğü (Avrupa Hâtırâtım). Hg. v. N. Ahmet Özalp. İstanbul: Kitabevi. Ercan, Yavuz (1991): Seyyid Mehmed Emin Vahîd Efendi'nin Fransa Sefaretnamesi. In: Osmanlı Tarih Araştırma ve Uygulama Merkezi Dergisi (2), S. 73–125. Ercilasun, Bilge (1976): Ahmed Resmî Efendi'nin Türk Yenileşme Tarihindeki Yeri. In: Erol Güngör, M. Necmettin Hacıeminoğlu, Mustafa Kafalı und Osman F. Sertkaya (Hg.): Atsız Armağanı. İstanbul: Ötüken, S. 127–146. Ergin, Murat (2009): "Bizden Irkçı Olmaz". Türk Kimliği ve Irksal Sözlükler. In: Ömer Laçiner (Hg.): Dönemler ve Zihniyetler. İstanbul: İletişim (Modern Türkiye'de Siyasî Düşünce, Cilt 9), S. 386–412. Erimtan, Can (2008): Ottomans Looking West? The Origins of the Tulip Age and its Development in Modern Turkey. London, New York: Tauris Academic Studies. Erkan, Mustafa (1996): Gazavatnâme. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 13. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 439–440.

Literaturverzeichnis

229

Ersoy, Mehmed Akif (1966): Berlin Hâtıraları. In: Mehmed Akif Ersoy: Safahat. Hg. v. Ömer Rıza Doğrul. İstanbul: İnkılâp ve Aka Kitabevleri, S. 330– 352. Eßer, Raingard (2003): Migrationsgeschichte und Kulturtransferforschung. In: Thomas Fuchs und Sven Trakulhun (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 1500-1850. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, S. 69–82. Esterházy, Miklós (1932): Türkische Schriften aus dem Archive des Palatins Nikolaus Esterházy 1606-1645. Redigiert von Ludwig Feteke. Budapest. Fairclough, Norman (1992): Discourse and Social Change. Cambridge: Polity Press. Fairclough, Norman (2003): Analysing Discourse. Textual analysis for social research. London, New York: Routledge. Faiz Efendi, Ömer (2012): Ömer Faiz Efendi'nin Ruznâmesi'nden derlenmiş sahifeler. In: Cemal Kutay: 47 Gün. Sultan Abdülaziz'in Avrupa Günlüğü. İstanbul: ABM Yayınevi, S. 51–242. Faroqhi, Suraiya (2002): Stories of Ottoman Men and Women. Establishing Status, Establishing Control. İstanbul: Eren. Faroqhi, Suraiya (2007a): Der Osmanische Blick nach Osten. Dürrî Ahmed Efendi über den Zerfall des Safawidenreichs 1720-1721. In: Michael Rohrschneider und Arno Strohmeyer (Hg.): Wahrnehmungen des Fremden. Differenzerfahrungen von Diplomaten im 16. und 17. Jahrhundert. Münster: Aschendorff, S. 367–391. Faroqhi, Suraiya (2007b): The Ottoman Empire and the World Around It. London, New York: I.B. Tauris. Femia, Joseph V. (1981): Gramsci's Political Thought. Hegemony, Cosciousness, and the Revolutionary Process. Oxford: Clarendon Press. Feroz, Ahmad (2003): The Making of Modern Turkey. London, New York: Routledge. Feuerbach, Ludwig (1981): Vorlesungen über das Wesen der Religion. Nebst Zusätzen und Anmerkungen. Berlin: Akademie Verlag. Fıkırkoca, Çağpar (1984): Bir Osmanlı Gözlemcinin İngiliz Siyasal Sistemine Bakışı. In: Tarih ve Toplum (10), S. 65–67. Findley, Carter Vaughn (1980): Bureaucratic Reform in the Ottoman Empire. The Sublime Porte, 1789-1922. Princeton: Princeton University Press. Findley, Carter Vaughn (1989): Ottoman Civil Officialdom. A Social History. Princeton: Princeton University Press. Findley, Carter Vaughn (1995): Ebu Bekir Ratib's Vienna Embassy Narrative. Discovering Austria or Propagandizing for Reform in Istanbul? In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 85, S. 41–80.

230

Literaturverzeichnis

Findley, Carter Vaughn (2005): The Turks in World History. Oxford et al.: Oxford University Press. Findley, Carter Vaughn (2006): Political culture and the great households. In: Suraiya N. Faroqhi (Hg.): The Cambridge History of Turkey. Volume 3: The Later Ottoman Empire, 1603-1839. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 65–80. Findley, Carter Vaughn (2010): Turkey, Islam, Nationalism, and Modernity. A History, 1789-2007. New Haven, London: Yale University Press. Finkel, Caroline (2005): Osman's Dream. The Story of the Ottoman Empire 1300-1923. New York: Basic Books. Fisch, Jörg (1992): Zivilisation, Kultur. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 7. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 679–774. Fisher, Walter R. (1985): The Narrative Paradigm: In the Beginning. In: Journal of Communication 35 (4), S. 74–89. Flowerdew, Lynne (2004): The argument for using English specialized corpora to understand academic and professional language. In: Ulla Connor und Thomas A. Upton (Hg.): Discourse in the Professions. Perspectives from corpus linguistics. Amsterdam, Philadelphia: John Benjamins Publishing Company, S. 11–33. Foucault, Michel (1974a): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Foucault, Michel (1974b): Was ist ein Autor? In: Michel Foucault: Schriften zur Literatur. München: Nymphenburger Verlagshandlung, S. 7–31. Foucault, Michel (1977): Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Foucault, Michel (2012): Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch Verlag. Foucault, Michel (2013): Archäologie des Wissens. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Freud, Sigmund (1955): Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse. In: Sigmund Freud: Gesammelte Werke. Bd. 12. London: Imago Publishing, S. 1–12. Frieß, Frank (2000): Wissen in der differenzierten Gesellschaft. Soziologische und erkenntnistheoretische Grundlagen der Wissenssoziologie aus konstruktivistisch-systemtheoretischer Sicht. Sankt Ingbert: Röhrig. Fromm, Erich (1980): Das Menschenbild bei Marx. Mit den wichtigsten Teilen der Frühschriften von Karl Marx. Frankfurt a.M.: Europäische Verlagsanstalt. Fuchs, Thomas; Trakulhun, Sven (2003): Kulturtransfer in der frühen Neuzeit. Europa und die Welt. In: Thomas Fuchs und Sven Trakulhun (Hg.): Das

Literaturverzeichnis

231

eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 15001850. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, S. 7–24. Fuhse, Jan A. (2009): The Meaning Structure of Social Networks. In: Sociological Theory 27 (1), S. 51–73. Gans, Michael (1999): Das Subjekt der Geschichte. Studien zu Vico, Hegel und Foucault. Hildesheim: Georg Olms Verlag. Gara, Eleni (2011): Popular Protest and the Limitations of Sultanic Justice. In: Eleni Gara, M. Erdem Kabadayı und Christoph K. Neumann (Hg.): Popular Protest and Political Participation in the Ottoman Empire. Studies in Honor of Suraiya Faroqhi. İstanbul: İstanbul Bilgi Üniversitesi Yayınları, S. 89–104. Gebhardt, Eike (1988): Die Stadt als moralische Anstalt. Zum Mythos der kranken Stadt. In: Klaus R. Scherpe (Hg.): Die Unwirklichkeit der Städte. Großstadtdarstellungen zwischen Moderne und Postmoderne. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch-Verlag, S. 279–303. Gee, James Paul (2008): Social Linguistics and Literacies. Ideology in discourses. London, New York: Routledge. Geertz, Clifford (1983): Local Knowledge. Further Essays in Interpretive Anthropology. New York: BasicBooks. Gellner, Ernest (1984): Muslim Society. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Genç, Mehmet (2012): Osmanlı İmparatorluğu'nda Devlet ve Ekonomi. İstanbul: Ötüken. Gencer, Ali İhsan (1988): Abdürrahim Muhib Efendi (ö. 1821). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 1. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 292– 293. Gensichen, Hans-Werner (1961): Missionsgeschichte der neueren Zeit. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Gerber, Haim (2002): The Public Sphere and Civil Society in the Ottoman Empire. In: Miriam Hoexter, Shmuel N. Eisenstadt und Nehemia Levtzion (Hg.): The Public Sphere in Muslim Societies. Albany (NY): State University of New York Press, S. 65–82. Gibb, Elias John Wilkinson (1902): A History of Ottoman Poetry. Vol. II. London: Luzac & Co. Gibb, Hamilton A. R.; Bowen, Harold (1951): Islamic Society and the West. A Study of the Impact of Western Civilization on Modern Culture in the Near East. Vol. 1: Islamic Society in the Eighteenth Century, Part I. Oxford et al.: Oxford University Press.

232

Literaturverzeichnis

Gibbon, Edward (1994a): The History of the Decline and Fall of the Roman Empire. Volume the Fifth (1788) and Volume the Sixth (1788). Hg. v. David Womersley. London: Allen Lane. Gibbon, Edward (1994b): The History of the Decline and Fall of the Roman Empire. Volume the Third (1781) and Volume the Fourth (1788). Hg. v. David Womersley. London: Allen Lane. Gibbon, Edward (1994c): The History of the Decline and Fall of the Roman Empire. Volume the First (1776) and Volume the Second (1781). Hg. v. David Womersley. London: Allen Lane. Glasze, Georg (2008): Vorschläge zur Operationalisierung der Diskurstheorie von Laclau und Mouffe in einer Triangulation von lexikometrischen und interpretativen Methoden. In: Historical Social Research 33 (1), S. 185– 223. Göçek, Fatma Müge (1987): East Encounters West. France and the Ottoman Empire in the Eighteenth Century. Oxford, New York: Oxford University Press. Göçek, Fatma Müge (1990): Encountering the West. French Embassy of Yirmisekiz Çelebi Mehmet Efendi: 1720-1721. In: Heath W. Lowry und Ralph S. Hattox (Hg.): IIIrd Congress on the Social and Economic History of Turkey. Princeton University 24-26 August 1983. İstanbul et al.: Isis Press, S. 79–84. Göçek, Fatma Müge (1996): Rise of the Bourgeoisie, Demise of Empire. Ottoman Westernization and Social Change. New York, Oxford: Oxford University Press. Goffman, Daniel (2004): The Ottoman Empire and Early Modern Europe. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Gökalp, Ziya (1996): Türkçülüğün Esasları. İstanbul: Millî Eğitim Basımevi. Gökyay, Orhan Şaik (1973): Türkçede Gezi Kitapları. In: Türk Dili. Aylık Dil ve Edebiyat Dergisi 27 (258), S. 457–467. Grunebaum, Gustav Edmund von (1955): Islam. Essays in the Nature and Growth of a Cultural Tradition. Menasha (WI): American Anthropological Association. Guignard, Elise (1983): Nachwort. In: Marco Polo: Il Milione. Die Wunder der Welt. Übersetzung aus altfranzösischen und lateinischen Quellen und Nachwort von Elise Guignard. Zürich: Manesse Verlag, S. 437–453. Gumbrecht, Hans Ulrich (1978): Modern, Modernität, Moderne. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 4. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 93–131.

Literaturverzeichnis

233

Güngör, Salâhattin (1950): İlk Londra Elçimiz Yusuf Agâh Efendi İngiliz Sarayındaki Kabulünü Anlatıyor. In: Resimli Tarih Mecmuası 1, S. 414– 418. Güngördü, Nedret (1987): Osmanlılarda İlk İkamet Elçilikleri. In: Askeri Tarih Bülteni (23), S. 35–42. Günther, Horst (1980): Zeit und Bewußtsein im historischen Denken. In: Reinhart Koselleck und Paul Widmer (Hg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 31–40. Gürkan, Salime Leyla (2003): Yahudi ve İslâm Kutsal Metinlerinde İnsan'ın Yaratılışı ve Cennet'ten Düşüş. In: İslâm Araştırmaları Dergisi 9, S. 1– 48. Gusfield, Joseph R. (1967): Tradition and Modernity. Misplaced Polarities in the Study of Social Change. In: The American Journal of Sociology 72 (4), S. 351–362. Habermas, Jürgen (1990): Die Moderne – Ein unvollendetes Projekt. Philosophisch-politische Aufsätze 1977-1990. Leipzig: Reclam. Habicht, Werner; Lange, Wolf-Dieter (Hg.) (1988): Der Literatur Brockhaus. Bd. 3. Mannheim: F. A. Brockhaus. Hahn, Alois (1979): Basis und Überbau und das Problem der begrenzten Eigenständigkeit der Ideen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 31 (3), S. 485–506. Halaçoğlu, Yusuf; Aydın, Mehmet Âkif (1993): Cevdet Paşa (1823-1895). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 7. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 443–450. Halim Paşa, Said (1987): İslam ve Batı Toplumlarında Siyasal Kurumlar. İstanbul: Pınar Yayınları. Hall, Stuart (1999): Ethnizität, Identität und Differenz. In: Jan Engelmann (Hg.): Die kleinen Unterschiede. Der Cultural Studies Reader. Frankfurt a.M., New York: Campus, S. 83–98. Halman, Talat Sait (2011): A Millenium of Turkish Literature. A Concise History. Syracuse (NY): Syracuse University Press. Hamadeh, Shirine (2004): Ottoman Expressions of Early Modernity and the "Inevitable" Question of Westernization. In: Journal of the Society of Architectural Historians 63 (1), S. 32–51. Hâmid, Abdülhak (1995): Abdülhak Hâmid'in Mektupları. 2 Bände. Hg. v. İnci Enginün. İstanbul: Dergâh Yayınları. Hammer, Joseph von (1823): Gesandtschaftsbeschreibung des im Jahre 1748 nach Wien geschickten türkischen Internuntius Chatti Efendi, aus der

234

Literaturverzeichnis

Reichsgeschichte Isi’s. Blatt 190. In: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst 14 (27-86), S. 141. Hammer, Joseph von (1829): Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven. Vierter Band: Vom Regierungsantritte Murad des Dritten bis zur zweyten Entthronung Mustafa's I. 1574-1623. Pest: C. A. Hartleben's Verlag. Hammer, Joseph von (1834a): Geschichte des Osmanischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven. Zweyter Band: Vom Regierungsantritte Suleiman des Ersten bis zur zweyten Entthronung Mustafa des Ersten. 1520-1623. Pest: C. A. Hartleben's Verlag. Hammer, Ritter Joseph von (1834b): An Account of the Mission of Yusuf Agha, Ambassador from Turkey to the British Court. In: Transactions of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland 3 (3), S. 496–504. Hammer-Purgstall, Joseph von (1837): Kern der osmanischen Reichsgeschichte. Leipzig: Hartleben's Verlags-Expedition. Hanioğlu, M. Şükrü (2001): Preparation for a Revolution. The Young Turks, 1902-1908. Oxford, New York: Oxford University Press. Hanioğlu, M. Şükrü (2008): A Brief History of the Late Ottoman Empire. Princeton, Oxford: Princeton University Press. Hanioğlu, M. Şükrü (2012): Türkçülük. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 41. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 551–554. Harman, Graham (2016): Immaterialism. Objects and Social Theory. Malden (MA): Polity. Haşim, Ahmet (1933): Frankfurt Seyahatnamesi. İstanbul: Semih Lûtfi Kitabevi. Haşim, Ahmet (2008): Frankfurter Reisebericht. Hg. v. Beatrix Caner. Frankfurt a.M.: Literaturca Verlag. Hattî Efendi, Mustafa (1999): Viyana Sefâretnâmesi. Hg. v. Ali İbrahim Savaş. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi. Haverkamp, Anselm (Hg.) (1983): Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1986a): Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1986b): Wissenschaft der Logik I. Erster Teil: Die objektive Logik. Erstes Buch. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Herbette, Maurice (1997): Fransa'da İlk Daimî Türk Elçisi. "Moralı Esseyit Ali Efendi" [1797-1802]. İstanbul: Pera Turizm ve Ticaret A.Ş.

Literaturverzeichnis

235

Herder, Johann Gottfried (1967a): Briefe zur Beförderung der Humanität. In: Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke. Bd. XVIII. Hildesheim: Georg Olms Verlagsbuchhandlung, S. 1–302. Herder, Johann Gottfried (1967b): Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Erster und zweiter Teil. 1784. 1785. In: Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke. Bd. XIII. Hildesheim: Georg Olms Verlagsbuchhandlung, S. 1–441. Herder, Johann Gottfried (1977): Briefe. Bd. 1. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger. Heyd, Uriel (1993): The Ottoman 'Ulemā and Westernization in the Time of Selīm III and Maḥmūd II. In: Albert Hourani, Philip S. Khoury und Mary C. Wilson (Hg.): The Modern Middle East. A Reader. Berkeley, Los Angeles: University of California Press, S. 29–59. Hillebrandt, Frank (1999): Exklusionsindividualität. Moderne Gesellschaftsstruktur und die soziale Konstruktion des Menschen. Opladen: Leske+Budrich. Hillebrandt, Frank (2010): Modernität. Zur Kritik eines Schlüsselbegriffs soziologischer Zeitdiagnose. In: Berliner Journal für Soziologie 20 (2), S. 153–178. Hinz, Michael (1997): Probleme der Affektgeladenheit des Zivilisationsbegriffs in Soziologie und Ethnologie. Norbert Elias, Wilhelm E. Mühlmann und Hans Peter Duerr im Vergleich. In: Hans-Peter Waldhoff, Dursun Tan und Elçin Kürşat-Ahlers (Hg.): Brücken zwischen Zivilisationen. Zur Zivilisierung ethnisch-kultureller Differenzen und Machtungleichheiten. Das türkisch-deutsche Beispiel. Frankfurt a.M.: IKO - Verlag für Interkulturelle Kommunikation, S. 41–61. Hisar, Abdülhak Şinasi (1963): Ahmet Haşim. Şiiri ve Hayatı. İstanbul: Hilmi Kitabevi. Hobbes, Thomas (1999): Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Hobsbawm, Eric (1996): The Age of Revolution. 1789-1848. New York: Vintage Books. Hobsbawm, Eric (2013): Introduction: Inventing Traditions. In: Eric Hobsbawm und Terence Ranger (Hg.): The Invention of Tradition. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 1–14. Höfert, Almut (2003): Den Feind beschreiben. "Türkengefahr" und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450-1600. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag. Höhne, Thomas (2008): Die Thematische Diskursanalyse - dargestellt am Beispiel von Schulbüchern. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner

236

Literaturverzeichnis

Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 2: Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 423–453. Holquist, Michael (1990): Dialogism. Bakthin and his World. London, New York: Routledge. Howard, Douglas A. (1988): Ottoman Historiography and the Literature of "Decline" of the Sixteenth and Seventeenth Centuries. In: Journal of Asian History 22 (1), S. 52–77. Hughes, H. Stuart (1972): Historiker und Sozialwissenschaftler. In: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Geschichte und Soziologie. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 216–242. Hüllen, Jürgen (1990): Ethik und Menschenbild der Moderne. Köln, Wien: Böhlau Verlag. Hulme, Peter; Youngs, Tim (2002): Introduction. In: Peter Hulme und Tim Youngs (Hg.): The Cambridge Companion to Travel Writing. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 1–13. Hulûsi, Şerif (1947): Ahmet Haşim. Hayatı ve Seçme Şiirleri. İstanbul: Remzi Kitabevi. Hunston, Susan (2002): Corpora in Applied Linguistics. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Huntington, Samuel P. (1971): The Change to Change. Modernization, Development, and Politics. In: Comparative Politics 3 (3), S. 283–322. Huntington, Samuel P. (1993): The Clash of Civilizations? In: Foreign Affairs 72 (3), S. 22–49. Hupfeld, Tanja (2007): Zur Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in ausgewählten französischen Reiseberichten des 16. bis 18. Jahrhunderts. "Il les faut voir et visiter en leur pays". Göttingen: Universitätsverlag Göttingen. Hurewitz, Jacob C. (1961): Ottoman Diplomacy and the European State System. In: The Middle East Journal 15 (2), S. 141–152. İbn Haldun (1988): Mukaddime I. Hg. v. Süleyman Uludağ. İstanbul: Dergâh Yayınları. İbn Haldun (1991): Mukaddime II. Hg. v. Süleyman Uludağ. İstanbul: Dergâh Yayınları. İhsan, Ahmed (2007a): Avrupa'da Ne Gördüm. In: Ahmet İhsan: Avrupa'da Ne Gördüm. Tuna'da Bir Hafta. Hg. v. Alain Servantie und Fahriye Gündoğdu. İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları, S. 1–499. İhsan, Ahmed (2007b): Tuna'da Bir Hafta. In: Ahmet İhsan: Avrupa'da Ne Gördüm. Tuna'da Bir Hafta. Hg. v. Alain Servantie und Fahriye Gündoğdu. İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları, S. 500–536.

Literaturverzeichnis

237

İhsan, Ahmet (2007c): Avrupa'da Ne Gördüm. Tuna'da Bir Hafta. Hg. v. Alain Servantie und Fahriye Gündoğdu. İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları. İhsanoğlu, Ekmeleddin (1992): Ottomans and European Science. In: Patrick Petitjean, Catherine Jami und Anne Marie Moulin (Hg.): Science and Empires. Historical Studies about Scientific Development and European Expansion. Dordrecht et al.: Kluwer, S. 37–48. İlgürel, Mücteba (2012): Vâsıf Ahmed Efendi (ö. 1806). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 42. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 535– 537. Imber, Colin (2009): The Ottoman Empire, 1300-1650. The Structure of Power. Basingstoke: Palgrave Macmillan. İnalcık, Halil (1964): The Nature of Traditional Society. Turkey. In: Robert E. Ward und Dankwart A. Rustow (Hg.): Political Modernization in Japan and Turkey. Princeton: Princeton University Press, S. 42–63. İnalcık, Halil (1977): Centralization and Decentralization in Ottoman Administration. In: Thomas Naff und Roger Owen (Hg.): Studies in Eighteenth Century Islamic History. Carbondale et al.: Southern Illinois University Press, S. 27–52. İnalcık, Halil (1992): Comments on "Sultanism". Max Weber's Typification of the Ottoman Polity. In: Princeton Papers in Near Eastern Studies 1, S. 49–72. İnalcık, Halil (1996): Osmanlılar'da Batı'dan Kültür Aktarması Üzerine. In: Halil İnalcık: Osmanlı İmparatorluğu. Toplum ve Ekonomi Üzerinde Arşiv Çalışmaları, İncelemeler. İstanbul: Eren, S. 425–430. İnalcık, Halil (2003): Şâir ve Patron. Patrimonyal Devlet ve Sanat Üzerinde Sosyolojik Bir İnceleme. Ankara: Doğu Batı Yayınları. İnalcık, Halil (2009): Devlet-i 'Aliyye. Osmanlı İmparatorluğu Üzerine Araştırmalar. Cilt I: Klasik Dönem (1302-1606) Siyasal, Kurumsal ve Ekonomik Gelişim. İstanbul: Türkiye İş Bankası Kültür Yayınları. İpşirli, Mehmet (1991): Âsafnâme. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 3. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 456. İpşirli, Mehmet (2003): Lutfi Paşa (ö. 970/1563). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 27. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 234–236. Irrgang, Stephanie (2002): Peregrinatio Academica. Wanderungen und Karrieren von Gelehrten der Universitäten Rostock, Greifswald, Trier und Mainz im 15. Jahrhundert. Stuttgart: Franz Steiner Verlag.

238

Literaturverzeichnis

Işık, İhsan (2006a): Resimli ve Metin Örnekli Türkiye Edebiyatçılar ve Kültür Adamları Ansiklopedisi. Cilt: 9. Ankara: Elvan Yayınları. Işık, İhsan (2006b): Resimli ve Metin Örnekli Türkiye Edebiyatçılar ve Kültür Adamları Ansiklopedisi. Cilt: 1. Ankara: Elvan Yayınları. İslamoğlu, Huri (2001): Modernities Compared. State Transformations and Constitutions of Property in the Qing and Ottoman Empires. In: Journal of Early Modern History 5 (4), S. 353–386. İslamoğlu-İnan, Huri; Keyder, Çağlar (1987): Agenda for Ottoman history. In: Huri İslamoğlu-İnan (Hg.): The Ottoman Empire and the World Economy. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 42–62. Ives, Peter (2004): Language and Hegemony in Gramsci. London et al.: Pluto Press; Fernwood Publishing. Jaeger, Werner (1954): Paideia. Die Formung des griechischen Menschen. Bd. 1. Berlin: Walter de Gruyter. Jäger, Hans-Wolf (1986): Herder als Leser von Reiseliteratur. In: Wolfgang Griep und Hans-Wolf Jäger (Hg.): Reisen im 18. Jahrhundert. Neue Untersuchungen. Heidelberg: Carl Winter Universitätsverlag, S. 181–199. Jannidis, Fotis; Lauer, Gerhard; Martinez, Matias; Winko, Simone (1999): Rede über den Autor an die Gebildeten unter seinen Verächtern. Historische Modelle und systematische Perspektiven. In: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen: Niemeyer, S. 3– 35. Jäschke, Gotthard (1951): Der Islam in der neuen Türkei. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung. In: Die Welt des Islams 1 (1/2), S. 1– 174. Jaspers, Karl (1955): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte. Frankfurt a.M., Hamburg: Fischer Bücherei. Johnston, Anna (2003): Missionary Writing and Empire, 1800-1860. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Jones, Paul (2011): The Sociology of Architecture. Constructing Identities. Liverpool: Liverpool University Press. Jorga, Nicolae (1908): Geschichte des Osmanischen Reiches. Nach den Quellen dargestellt. Erster Band (Bis 1451). Gotha: Friedrich Andreas Perthes. Jørgensen, Marianne; Phillips, Louise (2012): Discourse Analysis as Theory and Method. London et al.: Sage Publications. Kafadar, Cemal (1993): The Myth of the Golden Age. Ottoman Historical Cosciousness in the Post-Süleymânic Era. In: Halil İnalcık und Cemal Kafadar (Hg.): Süleymân the Second and his Time. İstanbul: The Isis Press, S. 37–48.

Literaturverzeichnis

239

Kafadar, Cemal (1994): The Ottomans and Europe. In: Thomas A. Brady, Heiko A. Oberman und James D. Tracy (Hg.): Handbook of European History, 1400-1600. Late Middle Ages, Renaissance and Reformation. Volume I: Structures and Assertions. Leiden et al.: E. J. Brill, S. 589–635. Kafadar, Cemal (1995): Between Two Worlds. The Construction of the Ottoman State. Berkeley: University of California Press. Kahraman, Hasan Bülent (2007): Bir Zihniyet, Kurum ve Kimlik Kurucusu Olarak Batılılaşma. In: Uygur Kocabaşoğlu (Hg.): Modernleşme ve Batıcılık. İstanbul: İletişim (Modern Türkiye'de Siyasî Düşünce, Cilt 3), S. 125–140. Kam, Ferit (2000): Avrupa Mektupları. Hg. v. Nergiz Yılmaz. İstanbul: Dergâh Yayınları. Kant, Immanuel (1911a): Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. In: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Kant's gesammelte Schriften. Bd. IV. Berlin: Georg Reimer, S. 385–463. Kant, Immanuel (1911b): Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können. In: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Kant's gesammelte Schriften. Bd. IV. Berlin: Georg Reimer, S. 253–383. Kant, Immanuel (1912): Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? In: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Kant's gesammelte Schriften. Bd. VIII. Berlin: Georg Reimer, S. 33–42. Kant, Immanuel (1917): Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. In: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hg.): Kant's gesammelte Schriften. Bd. VII. Berlin: Georg Reimer, S. 117–282. Kantemir, Antioch (2008): Das Leben des Fürsten Demetrius Cantemir. In: Klaus Bochmann und Vasile Dumbrava (Hg.): Dimitrie Cantemir. Fürst der Moldau, Gelehrter, Akteur der europäischen Kulturgeschichte. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, S. 24–41. Kantemir, Demetrie (1745): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg: Christian Herold. Kara, İsmail (2000): Ferit Kam ve "Avrupa Mektupları" Hakkında. In: Ferit Kam: Avrupa Mektupları. Hg. v. Nergiz Yılmaz. İstanbul: Dergâh Yayınları, S. 9–38. Kara, İsmail (2005): İslâmcı Söylemin Kaynakları ve Gerçeklik Değeri. In: Yasin Aktay, Tanıl Bora und Murat Gültekingil (Hg.): İslâmcılık. İstanbul: İletişim (Modern Türkiye'de Siyasî Düşünce, Cilt 6), S. 34–47. Karal, Enver Ziya (1940): Halet Efendinin Paris Büyük Elçiliği (1802-1806). İstanbul: Kenan Basımevi.

240

Literaturverzeichnis

Karal, Enver Ziya (1960): Ebu Bekir Ratıb Efendi'nin "Nizam-ı Cedit" Islahatında Rolü. In: Türk Tarih Kurumu (Hg.): V. Türk Tarih Kongresi (Ankara 12-17 Nisan 1956). Kongreye Sunulan Tebliğler. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi, S. 347–355. Karamanly, Hüsamettin Memmedov (1999): XVI-XVIII. Yüzyıllar OsmanlıSafevî Savaşları. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 1 - Siyaset. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 502–508. Karamuk, Gümeç (1975): Ahmed Azmi Efendis Gesandtschaftsbericht als Zeugnis des osmanischen Machtverfalls und der beginnenden Reformära unter Selim III. Bern, Frankfurt a.M.: Herbert Lang; Peter Lang. Karamuk, Gümeç (1992): Hacı Zağanos'un Elçilik Raporu. In: Belleten 56 (216), S. 391–403. Karataş, Ahmet (2012): Nâlî Mehmed Efendi’nin Menâsik-i Hac Manzumeleri. In: Marmara Üniversitesi İlâhiyat Fakültesi Dergisi 42 (1), S. 77–94. Karpat, Kemal (2002): Osmanlı Modernleşmesi. Toplum, Kurumsal Değişim ve Nüfus. Ankara: İmge Kitabevi. Karpat, Kemal H. (1964): The Mass Media. Turkey. In: Robert E. Ward und Dankwart A. Rustow (Hg.): Political Modernization in Japan and Turkey. Princeton: Princeton University Press, S. 255–282. Karpat, Kemal H. (1968): The Land Regime, Social Structure, and Modernization in the Ottoman Empire. In: William R. Polk und Richard L. Chambers (Hg.): Beginnings of Modernization in the Middle East. The Nineteenth Century. Chicago, London: The University of Chicago Press, S. 69–90. Karpat, Kemal H. (1974): The Stages of Ottoman History. A Structural Comparative Approach. In: Kemal H. Karpat (Hg.): The Ottoman State and its Place in World History. Leiden: E. J. Brill, S. 79–98. Kasaba, Reşat (1998): Eski ile Yeni Arasında Kemalizm ve Modernizm. In: Sibel Bozdoğan und Reşat Kasaba (Hg.): Türkiye'de Modernleşme ve Ulusal Kimlik. İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları, S. 12–28. Keighren, Innes M.; Winters, Charles W.J. (2012): The Spectacular and the Sacred. Narrating Landscape in Works of Travel. In: Cultural Geographies 19 (1), S. 11–30. Keller, Reiner (2011a): Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Keller, Reiner (2011b): Wissenssoziologische Diskursanalyse. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 125–158.

Literaturverzeichnis

241

Kelsay, John (2004a): Dar al-Harb. In: Richard C. Martin (Hg.): Encyclopedia of Islam and the Muslim World. Vol. 1. New York et al.: Macmillan Reference USA; Thomson Gale, S. 169–170. Kelsay, John (2004b): Dar al-Islam. In: Richard C. Martin (Hg.): Encyclopedia of Islam and the Muslim World. Vol. 1. New York et al.: Macmillan Reference USA; Thomson Gale, S. 169–170. Kemal, Ali (1985): Ömrüm. Hg. v. Zeki Kuneralp. İstanbul: İSİS Yayımcılık. Kemal, Namık (1967): Namık Kemal'in Husûsî Mektupları. Cilt I: İstanbul, Avrupa ve Magosa Mektupları. Hg. v. Fevziye Abdullah Tansel. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi. Kemâl, Ali (2014): Paris Musâhabeleri. Hg. v. Kâmil Yeşil. Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları. Kenanoğlu, Macit (2004): Osmanlı Millet Sistemi. Mit ve Gerçek. İstanbul: Klasik. Kennedy, Graeme (1998): An Introduction to Corpus Linguistics. London, New York: Longman. Kernbauer, Eva (2007): Der Platz des Publikums. Kunst und Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert. Dissertation. Universität Trier. Keupp, Heiner; Hohl, Joachim (2006): Einleitung. In: Heiner Keupp und Joachim Hohl (Hg.): Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel. Zur Theorie des Subjekts in der Spätmoderne. Bielefeld: transcript, S. 7–28. Kienpointner, Manfred (2005): Aristotelische Rhetoriktradition im 20. Jahrhundert. In: Joachim Knape und Thomas Schirren (Hg.): Aristotelische Rhetoriktradition. Akten der 5. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 5.-6. Oktober 2001 in Tübingen. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 363–387. Kittsteiner, Heinz Dieter (2002): Die Rückkehr der Geschichte und die Zeit der Erzählung. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 27 (2), S. 185–207. Kıvanç, Ümit (2015): Pan-İslâmcının Macera Kılavuzu. Davutoğlu Ne Diyor, Bir Şey Diyor mu? İstanbul: Birikim Yayınları. Klausnitzer, Ralf (2012): Literaturwissenschaft. Begriffe - Verfahren Arbeitstechniken. Berlin: Walter de Gruyter. Klinkenberg, Michael F. (2009): Das Orientbild in der französischen Literatur und Malerei vom 17. Jahrhundert bis zum fin de siècle. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. Knöbl, Wolfgang (2001): Spielräume der Modernisierung. Das Ende der Eindeutigkeit. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft. Knoblauch, Hubert (2011): Diskurs, Kommunikation und Wissenssoziologie. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver

242

Literaturverzeichnis

(Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 225–243. Knorr Cetina, Karin (1997): Sociality with Objects. Social Relations in Postsocial Knowledge Societies. In: Theory, Culture & Society 14 (4), S. 1–30. Koch, Klaus (2001): The End of Empire and the Beginning of Nostalgia. In: Emil Brix, Klaus Koch und Elisabeth Vyslonzil (Hg.): The Decline of Empires. Wien, München: Verlag für Geschichte und Politik; Oldenbourg Verlag, S. 174–183. Kocka, Jürgen (2006): Die Vielfalt der Moderne und die Aushandlung von Universalien. In: Thomas Schwinn (Hg.): Die Vielfalt und Einheit der Moderne. Kultur- und Strukturvergleichende Analysen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 63–69. Köhbach, Markus (1983): Die osmanische Gesandtschaft nach Spanien in den Jahren 1787/88. Begegnung zweier Kulturen im Spiegel eines Gesandtschaftsberichts. In: Gernot Heiss und Grete Klingenstein (Hg.): Das Osmanische Reich und Europa 1683 bis 1789. Konflikt, Entspannung und Austausch. München: R. Oldenbourg Verlag, S. 143–152. Köhbach, Markus (1985): Das Osmanische Reich und der Westen. Zur Rezeption europäischer Kultur durch die Osmanen. In: Museum für Kunsthandwerk (Hg.): Türkische Kunst und Kultur aus osmanischer Zeit. Recklinghausen: Verlag Aurel Bongers, S. 105–107. Köhbach, Markus (1992): Çasar oder imparator? Zur Titulatur der römischen Kaiser durch die Osmanen nach dem Vertrag von Zsitvatorok (1606). In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 82, S. 223–234. Köhbach, Markus (1999): Geleitwort. In: Mustafa Hattî Efendi: Viyana Sefâretnâmesi. Hg. v. Ali İbrahim Savaş. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi, S. IX–X. Kohler, Alfred (2008): Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450-1559. Paderborn et al.: Ferdinand Schöningh. Köker, Levent (2007): Modernleşme, Kemalizm ve Demokrasi. İstanbul: İletişim. Köksal, Aykut (2012): Osmanlı Mimarlığının Ayasofya'yı İçselleştirmesi ve Tarihyazımının Bakışı. In: Edhem Eldem, Ersu Pekin, Aksel Tibet und Çağatay Anadol (Hg.): Bir Allame-i Cihan. Stefanos Yerasimos (19422005). 1. Cilt. İstanbul: Kitap Yayınevi, S. 385–406. Kołodziejczyk, Dariusz (1999): The Ottoman Diplomats on Eighteenth-Century Poland. Contempt or Discouragement? In: Oriente Moderno 18/79 (1), S. 97–100.

Literaturverzeichnis

243

Kołodziejczyk, Dariusz (2000): Ottoman-Polish Diplomatic Relations (15th-18th Century). An Annotated Edition of 'Ahdnames and Other Documents. Leiden et al.: Brill. Köprülü, Fuad (1988): Osmanlı Devleti'nin Kuruluşu. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi. Köprülü, Orhan F. (1996): Galib Paşa, Mehmed Said (1763-1829). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 13. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 329– 331. Korkut, Hasan (2007): Osmanlı Elçileri Gözüyle Avrupa. İstanbul: Gökkubbe. Körner, Axel (1997): Hegemonie und Gemeinschaft. Die kulturelle Konstruktion sozialer Wirklichkeit als gesellschaftliches Herrschaftsmodell bei Tönnies und Gramsci. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin. Koselleck, Reinhart (1975): Fortschritt. In: Otto Brunner, Werner Conze und Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 2. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 351–423. Koselleck, Reinhart (1980a): Einleitung. In: Reinhart Koselleck und Paul Widmer (Hg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 7–11. Koselleck, Reinhart (1980b): 'Fortschritt' und 'Niedergang'. Nachtrag zur Geschichte zweier Begriffe. In: Reinhart Koselleck und Paul Widmer (Hg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 214–230. Kraelitz-Greifenhorst, Friedrich von (1908): Bericht über den Zug des GroßBotschafters Ibrahim Pascha nach Wien im Jahre 1719. Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. 158. Band. Wien: Alfred Hölder. Kraelitz-Greifenhorst, Friedrich von (1919): Die Verfassungsgesetze des Osmanischen Reiches. Wien: Verlag des Forschungsinstitutes für Osten und Orient. Kratochwil, Friedrich V. (2001): Constructivism as an Approach to Interdisciplinary Study. In: Karin M. Fierke und Knud Erik Jørgensen (Hg.): Constructing international relations. The next generation. Armonk (NY), London: Sharpe, S. 13–35. Kraus, Manfred (2005): Zusammenhänge zwischen der aristotelischen Poetik und Rhetorik. In: Joachim Knape und Thomas Schirren (Hg.): Aristotelische Rhetoriktradition. Akten der 5. Tagung der Karl und Gertrud Abel-Stiftung vom 5.-6. Oktober 2001 in Tübingen. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S. 72–104.

244

Literaturverzeichnis

Kreiser, Klaus (1983): Clio's Poor Relation. Betrachtungen zur Osmanischen Historiographie von Hammer-Purgstall bis Stanford Shaw. In: Gernot Heiss und Grete Klingenstein (Hg.): Das Osmanische Reich und Europa 1683 bis 1789. Konflikt, Entspannung und Austausch. München: R. Oldenbourg Verlag, S. 24–43. Kristeva, Julia (1972): Bachtin, das Wort, der Dialog und der Roman. In: Jens Ihwe (Hg.): Literaturwissenschaft und Linguistik. Ergebnisse und Perspektiven. Bd. 3: Zur lingusitischen Basis der Literaturwissenschaft, II. Frankfurt a.M.: Athenäum, S. 345–375. Kröger, Martin (Hg.) (2009): Die Karawane des Gesandten und andere Reiseberichte deutscher Diplomaten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Kudret, Cevdet (2004): Türk Edebiyatında Hikâye ve Roman. I: Tanzîmat'tan Meşrutiyet'e Kadar (1859-1910). İstanbul: Dünya Yayıncılık. Kuhn, Thomas S. (1976): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Kunt, İ. Metin (1983): The Sultan's Servants. The Transformation of Ottoman Provincial Government, 1550-1650. New York: Columbia University Press. Kunt, İ. Metin (2003): Sultan, Dynasty and State in the Ottoman Empire. Political Institutions in the Sixteenth Century. In: The Medieval History Journal 6 (2), S. 217–230. Kuran, Aptullah (1977): Eighteenth Century Ottoman Architecture. In: Thomas Naff und Roger Owen (Hg.): Studies in Eighteenth Century Islamic History. Carbondale et al.: Southern Illinois University Press, S. 303–327. Kuran, Ercümend (1968): The Impact of Nationalism on the Turkish Elite in the Nineteenth Century. In: William R. Polk und Richard L. Chambers (Hg.): Beginnings of Modernization in the Middle East. The Nineteenth Century. Chicago, London: The University of Chicago Press, S. 109–117. Kuran, Ercümend (1988): Avrupa'da Osmanlı İkamet Elçiliklerinin Kuruluşu ve ilk Elçilerin Siyasi Faâliyetleri. 1793-1821. Ankara: Türk Kültürünü Araştırma Enstitüsü. Kuran, Ercüment (2004a): III. Selim Zamanında Türkiye'nin Çağdaşlaşması ve Fransa. In: Ercüment Kuran und Mümtaz'er Türköne (Hg.): Türkiye'nin Batılılaşması ve Millî Meseleler. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, S. 51–58. Kuran, Ercüment (2004b): Osmanlı Daimî Elçisi Ali Aziz Efendi'nin Alman Şarkiyatçısı Friedrich von Diez ile Berlin'de İlmî ve Felsefî Muhaberatı. In: Ercüment Kuran und Mümtaz'er Türköne (Hg.): Türkiye'nin

Literaturverzeichnis

245

Batılılaşması ve Millî Meseleler. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, S. 131–141. Kuran, Ercüment (2004c): Osmanlı İmparatorluğunda İslâm Düşüncesinin Gelişmesi. In: Ercüment Kuran und Mümtaz'er Türköne (Hg.): Türkiye'nin Batılılaşması ve Millî Meseleler. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, S. 107–115. Kuran, Ercüment (2004d): Türkiye'nin Batılılaşmasında Osmanlı Daimî Elçiliklerin Rolü. In: Ercüment Kuran und Mümtaz'er Türköne (Hg.): Türkiye'nin Batılılaşması ve Millî Meseleler. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, S. 11–20. Kuran, Ercüment (2004e): XIX. Yüzyılda Türkiye'de Kültür Değişmesi. In: Ercüment Kuran und Mümtaz'er Türköne (Hg.): Türkiye'nin Batılılaşması ve Millî Meseleler. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları, S. 21–32. Kürkçüoğlu, Ömer (2004): The Adoption and Use of Permanent Diplomacy. In: A. Nuri Yurdusev (Hg.): Ottoman Diplomacy. Conventional or Unconventional? Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan, S. 131– 150. Kut, Turgut (1989): Ali Ufkî Bey (ö. 1675 [?]). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 2. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 456–457. Kutay, Cemal (2012): 47 Gün. Sultan Abdülaziz'in Avrupa Günlüğü. İstanbul: ABM Yayınevi. Kütükoğlu, Bekir (1989): Ahmed Resmî (ö. 1783). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 2. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 121–122. Kuzubaş, Muhammet (2007): İlkellere Ait Anlatılarda Rüya Motifi. In: Turkish Studies 2 (1), S. 305–316. Laclau, Ernesto; Mouffe, Chantal (1985): Hegemony & Socialist Strategy. Towards a Radical Democratic Politics. London, New York: Verso. Laffey, John F. (1965): Auguste Comte. Prophet of Reconciliation and Reaction. In: Science and Society 29 (1), S. 44–65. Landwehr, Achim (2001): Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse. Tübingen: edition diskord. Landwehr, Achim (2009): Historische Diskursanalyse. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag. Landwehr, Achim (2010a): Abschließende Betrachtungen. Kreuzungen, Wiederholungen, Irritationen, Konflikte. In: Achim Landwehr (Hg.): Diskursiver Wandel. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 377–384.

246

Literaturverzeichnis

Landwehr, Achim (2010b): Diskurs und Wandel. Wege der Historischen Diskursforschung. In: Achim Landwehr (Hg.): Diskursiver Wandel. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 11–28. Latham, Michael E. (2008): Modernization. In: William A. Darity Jr. (Hg.): International Encyclopedia of the Social Sciences, 2nd edition. Volume 5. Detroit: Macmillan Reference USA, S. 232–234. Latour, Bruno (2007): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Lauer, Gerhard (1999): Kafkas Autor. Der Tod des Autors und andere notwendige Funktionen des Autorkonzepts. In: Fotis Jannidis, Gerhard Lauer, Matias Martinez und Simone Winko (Hg.): Rückkehr des Autors. Zur Erneuerung eines umstrittenen Begriffs. Tübingen: Niemeyer, S. 209–234. Levend, Agâh Sırrı (1956): Gazavât-Nâmeler ve Mihaloğlu Ali Bey'in Gazavâtnâmesi. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi. Levend, Agâh Sırrı (1973): Türk Edebiyatı Tarihi. I. Cilt. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi. Lewis, Bernard (1953): The Impact of the French Revolution on Turkey. Some Notes on the Transmission of Ideas. In: Journal of World History 1 (1), S. 105–125. Lewis, Bernard (1962): Ottoman Observers of Ottoman Decline. In: Islamic Studies 1 (1), S. 71–87. Lewis, Bernard (1993): Islam and the West. Oxford, New York: Oxford University Press. Lewis, Bernard (2000): The Muslim Discovery of Europe. London: Phoenix. Lewis, Bernard (2002a): The Emergence of Modern Turkey. Oxford, New York: Oxford University Press. Lewis, Bernard (2002b): What Went Wrong? Western Impact and Middle Eastern Response. Oxford et al.: Oxford University Press. Lindner, Rudi Paul (1983): Nomads and Ottomans in Medieval Anatolia. Bloomington: Research Institute for Inner Asian Studies, Indiana University. Lipset, Seymour Martin (1972): Geschichte und Soziologie. In: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Geschichte und Soziologie. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 132–156. Lowenthal, David (2000): "European Identity". An Emerging Concept. In: Australian Journal of Politics and History 46 (3), S. 314–321. Luckmann, Thomas (1996): Privatisierung und Individualisierung. Zur Sozialform der Religion in spätindustriellen Gesellschaften. In: Karl Gabriel (Hg.): Religiöse Individualisierung oder Säkularisierung.

Literaturverzeichnis

247

Biographie und Gruppe als Bezugspunkte moderner Solidarität. Gütersloh: Chr. Kaiser, Gütersloher Verlagshaus, S. 17–28. Luhmann, Niklas (1971): Politische Planung. Aufsätze zur Soziologie von Politik und Verwaltung. Wiesbaden: Springer Fachmedien. Luhmann, Niklas (1991a): Die Wissenschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (1991b): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (1998): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Bd. 1. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Luhmann, Niklas (2000): Organisation und Entscheidung. Opladen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. Luhmann, Niklas (2005): Soziologie als Theorie sozialer Systeme. In: Niklas Luhmann: Soziologische Aufklärung 1. Aufsätze zur Theorie sozialer Systeme. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 143–172. Luhmann, Niklas (2009): Einführung in die Theorie der Gesellschaft. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag. Lütfi Paşa (1982): Asafnâme. Hg. v. Ahmet Uğur. Ankara: Kültür ve Turizm Bakanlığı Yayınları. Lyotard, Jean-François (1988): Beantwortung der Frage: Was ist postmodern? In: Wolfgang Welsch (Hg.): Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Weinheim: VCH, S. 193–203. Macdonell, Diane (1986): Theories of Discourse. An Introduction. Oxford: Blackwell. MacIntyre, Alasdair (1988): Whose Justice? Which Rationality? Notre Dame (IN): University of Notre Dame Press. Mağmumi, Şerafeddin (2008a): 1914 Senesi Ortasında Afrika-yı Şimâlîden Avrupa-yı Şimâlîye Azimet ve Avdet. In: Şerafeddin Mağmumi: Avrupa'da Seyahat Hatıraları. Hg. v. Nâzım H. Polat und Harid Fedai. İstanbul: Boyut Kitapları, S. 396–459. Mağmumi, Şerafeddin (2008b): Brüksel ve Londra'da. Seyahat Hatıraları. In: Şerafeddin Mağmumi: Avrupa'da Seyahat Hatıraları. Hg. v. Nâzım H. Polat und Harid Fedai. İstanbul: Boyut Kitapları, S. 19–96. Mağmumi, Şerafeddin (2008c): Fransa ve İtalya ve İsviçre'de. Seyahat Hatıraları. In: Şerafeddin Mağmumi: Avrupa'da Seyahat Hatıraları. Hg. v. Nâzım H. Polat und Harid Fedai. İstanbul: Boyut Kitapları, S. 201–395. Mağmumi, Şerafeddin (2008d): Londra'da On Beş Gün. In: Şerafeddin Mağmumi: Avrupa'da Seyahat Hatıraları. Hg. v. Nâzım H. Polat und Harid Fedai. İstanbul: Boyut Kitapları, S. 97–200.

248

Literaturverzeichnis

Mahon, James Edwin (1999): Getting your sources right. What Aristotle didn't say. In: Lynne Cameron und Graham Low (Hg.): Researching and Applying Metaphor. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 69–80. Makdisi, Ussama (2002): Ottoman Orientalism. In: The American Historical Review 107 (3), S. 768–796. Maner, Hans-Christian (2008): Geschichtsschreibung im 18. Jahrhundert. Anmerkungen zum Werk des Fürsten Dimitrie Cantemir unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte des osmanischen Reiches. In: Klaus Bochmann und Vasile Dumbrava (Hg.): Dimitrie Cantemir. Fürst der Moldau, Gelehrter, Akteur der europäischen Kulturgeschichte. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, S. 88–100. Mannheim, Karl (1964a): Das konservative Denken. Soziologische Beiträge zum Werden des politisch-historischen Denkens in Deutschland. In: Karl Mannheim: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk. Berlin, Neuwied: Luchterhand, S. 408–508. Mannheim, Karl (1964b): Die Bedeutung der Konkurrenz im Gebiete des Geistigen. In: Karl Mannheim: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk. Berlin, Neuwied: Luchterhand, S. 566–613. Mannheim, Karl (1964c): Historismus. In: Karl Mannheim: Wissenssoziologie. Auswahl aus dem Werk. Berlin, Neuwied: Luchterhand, S. 246–307. Mardin, Şerif (2007a): 19. Yüzyılda Düşünce Akımları ve Osmanlı Devleti. In: Şerif Mardin: Türk Modernleşmesi. Makaleler 4. Hg. v. Mümtaz'er Türköne und Tuncay Önder. İstanbul: İletişim, S. 81–100. Mardin, Şerif (2007b): Batıcılık. In: Şerif Mardin: Türk Modernleşmesi. Makaleler 4. Hg. v. Mümtaz'er Türköne und Tuncay Önder. İstanbul: İletişim, S. 9–19. Mardin, Şerif (2007c): Türkiye'de Muhalefet ve Kontrol. In: Şerif Mardin: Türk Modernleşmesi. Makaleler 4. Hg. v. Mümtaz'er Türköne und Tuncay Önder. İstanbul: İletişim, S. 175–191. Mardin, Şerif (2012): Yeni Osmanlı Düşüncesinin Doğuşu. İstanbul: İletişim. Mardin, Şerif (2013): Osmanlı Modernleşmesinden Kemalizme Din. In: Şerif Mardin: Türkiye'de Din ve Siyaset. Makaleler 3. Hg. v. Mümtaz'er Türköne und Tuncay Önder. İstanbul: İletişim, S. 7–77. Mardin, Sherif (1960): The Mind of the Turkish Reformer. 1700-1900. In: Western Humanities Review 14 (1), S. 413–436. Marx, Karl (1960): Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 9. Berlin: Dietz Verlag, S. 220–226.

Literaturverzeichnis

249

Marx, Karl (1975): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Band I: Der Produktionsprozeß des Kapitals. Frankfurt a.M. et al.: Verlag Ullstein. Marx, Karl (1978): Thesen über Feuerbach. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 3. Berlin: Dietz Verlag, S. 5–7. Marx, Karl; Engels, Friedrich (1960): Britische Politik – Disraeli – Die Flüchtlinge – Mazzini in London – Türkei. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 9. Berlin: Dietz Verlag, S. 3–12. Marx, Karl; Engels, Friedrich (1977): Manifest der Kommunistischen Partei. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 4. Berlin: Dietz Verlag, S. 459–493. Marx, Karl; Engels, Friedrich (1978): Die Deutsche Ideologie. Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten. In: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke. Bd. 3. Berlin: Dietz Verlag, S. 9–530. Masud, Muhammad Khalid; Salvatore, Armando (2009): Western Scholars of Islam on the Issue of Modernity. In: Muhammad Khalid Masud, Armando Salvatore und Martin van Bruinessen (Hg.): Islam and Modernity. Key Issues and Debates. Edinburgh: Edinburgh University Press, S. 36–53. Matschke, Klaus-Peter (2004): Das Kreuz und der Halbmond. Die Geschichte der Türkenkriege. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Mattingly, Garrett (1988): Renaissance Diplomacy. New York: Dover Publications, Inc. Matuz, Josef (1990): Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. Mauss, Marcel (1990): Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Mead, George Herbert (1972): Mind, Self, and Society. From the Standpoint of a Social Behaviorist. Chicago, London: The University of Chicago Press. Mead, George Herbert (1987): Die soziale Identität. In: George Herbert Mead: Gesammelte Aufsätze. Bd. 1. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 241–249. Melville, Gert (1980): Zur geschichtstheoretischen Begründung eines fehlenden Niedergangsbewußtseins im Mittelalter. In: Reinhart Koselleck und Paul Widmer (Hg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 103–136. Menchinger, Ethan L. (2010): The Sefaretname of Ahmet Vasıf Efendi to Spain. In: History Studies 2/3, S. 351–367. Menchinger, Ethan L. (2014): An Ottoman Historian in an Age of Reform. Ahmed Vâsıf Efendi (ca. 1730–1806). Dissertation. University of Michigan.

250

Literaturverzeichnis

Mende, Dirk (2009): Vorwort. Begriffsgeschichte, Metaphorologie, Unbegrifflichkeit. In: Anselm Haverkamp und Dirk Mende (Hg.): Metaphorologie. Zur Praxis von Theorie. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Mergel, Thomas (1996): Kulturgeschichte: die neue "große Erzählung"? Wissenssoziologische Bemerkungen zur Konzeptualisierung sozialer Wirklichkeit in der Geschichtswissenschaft. In: Geschichte und Gesellschaft 16 (Sonderheft: Kulturgeschichte Heute), S. 41–77. Meriç Yazan, Ümit (1992): Cevdet Paşa'nın Toplum ve Devlet Görüşü. İstanbul: İnsan Yayınları. Meyer zur Capellen, Jürg (2009): Gentile Bellini als Bildnismaler am Hofe Mehmets II. In: Neslihan Asutay-Effenberger und Ulrich Rehm (Hg.): Sultan Mehmet II. Eroberer Konstantinopels - Patron der Künste. Köln et al.: Böhlau Verlag, S. 139–160. Mills, Sara (1991): Discourses of Difference. An Analysis of Women's Travel Writing and Colonialism. London, New York: Routledge. Mills, Sara (2007): Der Diskurs. Begriff, Theorie, Praxis. Tübingen, Basel: A. Francke Verlag. Moger, Angela S. (1982): That Obscure Object of Narrative. In: Yale French Studies 63, S. 129–138. Molière (1883): Le Bourgeois Gentilhomme. Bielefeld, Leipzig: Velhagen & Klasing. Morone, Tommaso (2006): Nostalgia. Die Sehnsucht nach der Heimat. In: curare 29 (2+3), S. 147–149. Mukařovský, Jan (1974): Studien zur strukturalistischen Ästhetik und Poetik. München: Carl Hanser Verlag. Mukařovský, Jan (1977): The Individual and Literary Development. In: John Burbank und Peter Steiner (Hg.): The Word and Verbal Art. Selected Essays by Jan Mukařovský. New Haven, London: Yale University Press, S. 161–179. Müller, Leos (2006): The Swedish Consular Service in Southern Europe, 17201815. In: Scandinavian Journal of History 31 (2), S. 186–195. Müller, Ralf C. (2005): Der umworbene „Erbfeind“. Habsburgische Diplomatie an der Hohen Pforte vom Regierungsantritt Maximilians I. bis zum „Langen Türkenkrieg“ - ein Entwurf. In: Marlene Kurz, Martin Scheutz, Karl Vocelka und Thomas Winkelbauer (Hg.): Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 22.-25. September 2004. Wien, München: R. Oldenbourg Verlag, S. 251–279.

Literaturverzeichnis

251

Müller, Reimar (1980): Menschenbild und Humanismus der Antike. Studien zur Geschichte der Literatur und Philosophie. Leipzig: Reclam. Müller-Kolshorn, Otto (1918): Azmi Efendis Gesandtschaftsreise an den preussischen Hof. Ein Beitrag zur Geschichte der diplomatischen Beziehungen Preussens zur Hohen Pforte unter Friedrich Wilhelm II. Berlin: Mayer & Müller GmbH. Münkler, Herfried (2005): Imperien. Die Logik der Weltherrschaft - vom alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Berlin: Rowohlt. Murphey, Rhoads (1983): The Ottoman Attitude towards the Adoption of Western Technology. The Role of the Efrencî Technicians in Civil and Military Applications. In: Jean-Louis Bacqué-Grammont und Paul Dumont (Hg.): Contributions à l'histoire économique et sociale de l'Empire ottoman. Leuven: Éditions Peeters, S. 287–298. Murphey, Rhoads (1989): Mustafa Ali and the Politics of Cultural Despair. In: International Journal of Middle East Studies 21 (2), S. 243–255. Murphey, Rhoads (1993): Continuity and Discontinuity in Ottoman Administrative Theory and Practice during the Late Seventeenth Century. In: Poetics Today 14 (2), S. 419–443. Nâbî, Yusuf (1849 [H. 1265]): Tuhfetü’l-Harameyn. İstanbul: Dârü't-Tıbaatü'lÂmire. Naff, Thomas (1963): Reform and the Conduct of Ottoman Diplomacy in the Reign of Selim III, 1789-1807. In: Journal of the American Oriental Society 83 (3), S. 295–315. Naff, Thomas (1977): Ottoman Diplomatic Relations with Europe in the Eighteenth Century. Patterns and Trends. In: Thomas Naff und Roger Owen (Hg.): Studies in Eighteenth Century Islamic History. Carbondale et al.: Southern Illinois University Press, S. 88–107. Nakkaş, Hoca Gıyaseddin (1913 [H. 1331]): Acâibü'l-Letâif ismiyle Hatay Sefaretnamesi. İstanbul: Kader Matbaası. Neumann, Christoph K. (2006): Political and diplomatic developments. In: Suraiya N. Faroqhi (Hg.): The Cambridge History of Turkey. Volume 3: The Later Ottoman Empire, 1603-1839. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 44–62. Neumann, Iver B. (1998): European Identity, EU Expansion, and the Integration/Exclusion Nexus. In: Alternatives: Global, Local, Political 23 (3), S. 397–416. Nietzsche, Friedrich (1972): Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik. In: Friedrich Nietzsche: Werke. Kritische Gesamtausgabe. Dritte Abteilung. Erster Band. Hg. v. Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Berlin, New York: Walter de Gruyter, S. 3–152.

252

Literaturverzeichnis

Nişanyan, Sevan (2009): Yanlış Cumhuriyet. Atatürk ve Kemalizm Üstüne 51 Soru. İstanbul: Everest Yayınları. Nolde, Dorothea (2006): Religion und narrative Identität in Reiseberichten der Frühen Neuzeit. In: Franz X. Eder (Hg.): Historische Diskursanalysen. Genealogie, Theorie, Anwendungen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 271–289. Ocak, Ahmet Yaşar (2001): Türkler, Türkiye ve İslâm. İstanbul: İletişim. Odaka, Hiroki (1999): Osmanlı Diplomasisinin Batılılaşması. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 1 - Siyaset. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 676–680. Oğuzoğlu, Yusuf (2000): Osmanlı Devlet Anlayışı. İstanbul: Eren Yayıncılık. Okay, M. Orhan (1989): Ahmed Hâşim (1887-1933). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 2. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 88–89. Okay, M. Orhan (1991): Aziz Ali Efendi (ö. 1213/1798). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 4. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 333–334. Okumuş, Ejder (2006): İbn Haldûn'un Osmanlı Düşüncesine Etkisi. In: İslâm Araştırmaları Dergisi (15), S. 141–185. Önal, Mehmet Naci (2009): Kutsalın Türk Kültüründeki İzleri. Tanrısal Simgecilik. In: Millî Folklor 21 (84), S. 57–72. Oommen, Tharaileth K. (1994): The Changing Trajectory of Constructing the Other. West-Europe and South-Asia. Hg. v. Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Berlin (Papers, P94-004). Oral, Fuat Süreyya (1967): Türk Basın Tarihi. 1728-1922, 1831-1922. Birinci Kitap: Osmanlı İmparatorluğu Dönemi. Ankara: Yeni Adım Matbaası. Ortaylı, İlber (1983): İmparatorluğun En Uzun Yüzyılı. İstanbul: Hil Yayın. Osman Ağa (1962): Der Gefangene der Giauren. Die abenteuerlichen Schicksale des Dolmetschers 'Osman Ağa aus Temeschwar, von ihm selbst erzählt. Hg. v. Richard F. Kreutel und Otto Spies. Graz et al.: Verlag Syria. Osterhammel, Jürgen (2000): Sklaverei und die Zivilisation des Westens. München: Carl Friedrich von Siemens Stiftung. Owen, Roger (1976): The Middle East in the Eighteenth Century. An 'Islamic' Society in Decline? A Critique of Gibb and Bowen's Islamic Society and the West. In: Bulletin (British Society for Middle Eastern Studies) 3 (2), S. 110–117. Öz, Mehmet (2007): Reâyâ. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 34. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 490–493.

Literaturverzeichnis

253

Özalp, N. Ahmet (2008): Sunuş. In: Mehmet Enisî: Bir Denizcinin Avrupa Günlüğü (Avrupa Hâtırâtım). Hg. v. N. Ahmet Özalp. İstanbul: Kitabevi, S. 13–15. Özkaya, Yücel (1977): Osmanlı İmparatorluğunda Âyânlık. Ankara: Ankara Üniversitesi Basımevi. Özkaya, Yücel (1987): XVIII. Yüzyılda Prusya (Almanya)da Osmanlı Elçileri ve Bu Elçilerin Sefaret-Nâmelerine Göre Almanya. In: Anadolu Üniversitesi (Hg.): I. Uluslararası Seyahatnamelerde Türk ve Batı İmajı Sempozyumu Belgeleri (28. X - 1. XI 1985). Eskişehir: Anadolu Üniversitesi Yayınları, S. 263–276. Özkul, Ali Efdal (2013): The Consuls and their Activities in Cyprus unter the Ottoman Administration (1571-1878). In: Turkish Studies 8 (2), S. 239– 283. Özkul, Osman (2009): Gelenek ile Yenilik Arasında Osmanlı Ulemâsı. Sakarya: Sakarya Üniversitesi Yayınları. Öztürk, Mustafa (2010): Âdem, Cennet ve Düşüş. In: Mustafa Öztürk: Kıssaların Dili. Ankara: Ankara Okulu Yayınları, S. 125–156. Öztürk, Necdet (1999): Osmanlılar'da Tarih Yazıcılığı Üzerine. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 8 - Bilim. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 257–261. Pakalın, Mehmet Zeki (1993): Osmanlı Tarih Deyimleri ve Terimleri Sözlüğü. Cilt I. İstanbul: Millî Eğitim Basımevi. Pala, İskender (2001): Kaside (Türk Edebiyatı). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 24. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 564–566. Palabıyık, Mustafa Serdar (2010): Travel, Civilization and the East. Ottoman Travellers' Perception of "The East" in the Late Ottoman Empire. Dissertation. Middle East Technical University, Ankara. Palmer, Alan (1994): The Decline and Fall of the Ottoman Empire. New York: Barnes & Noble Books. Paltridge, Brian (2008): Discourse Analysis. An Introduction. London, New York: Continuum. Pamuk, Şevket (2003): A Monetary History of the Ottoman Empire. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Pamuk, Şevket (2009): The Ottoman Economy and Its Institutions. Farnham: Ashgate Variorum. Parekh, Bhikhu (2006): Rethinking Multiculturalism. Cultural Diversity and Political Theory. Basingstoke: Palgrave Macmillan. Parla, Taha (1991): Türkiye'de Siyasal Kültürün Resmî Kaynakları. Cilt 1: Atatürk'ün Nutuk'u. İstanbul: İletişim.

254

Literaturverzeichnis

Parmaksızoğlu, İsmet (1993): Bir Türk Diplomatının Onsekizinci Yüzyıl Sonunda Devletler Arası İlişkilere Dair Görüşleri. In: Belleten 47 (186), S. 527–535. Parsons, Talcott (1963): Christianity and Modern Industrial Society. In: Edward A. Tiryakian (Hg.): Sociological Theory, Values, and Sociocultural Change. Essays in Honor of Pitirim A. Sorokin. New York: The Free Press of Glencoe, S. 33–70. Parsons, Talcott (1970): Evolutionäre Universalien der Gesellschaft. In: Wolfgang Zapf (Hg.): Theorien des sozialen Wandels. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, S. 55–74. Parsons, Talcott (2003): Das System moderner Gesellschaften. Weinheim, München: Juventa Verlag. Pedani-Fabris, Maria Pia (1996): Ottoman Diplomats in the West. The Sultan's Ambassadors to the Republic of Venice. In: Tarih İncelemeleri Dergisi 11, S. 187–202. Peel, John David Yeadon (1996): Problems and Opportunities in an Anthropologist's Use of a Missionary Archive. In: Robert A. Bickers und Rosemary Seton (Hg.): Missionary Encounters. Sources and Issues. Richmond (Surrey): Curzon Press, S. 70–94. Peters, Rudolph (1995): Dar al-Islam. In: John L. Esposito (Hg.): The Oxford Encyclopedia of the Modern Islamic World. Vol. 1. New York, Oxford: Oxford University Press, S. 338–339. Phillips, John A. (1987): Eva. Von der Göttin zur Dämonin. Stuttgart: Kreuz Verlag. Pîrî Reis, İbn el-Hac Mehmed (1624 [H. 1033]): Kitâb-ı Bahriye. Staatsbibliothek zu Berlin, Islamische Handschriften, Ms. or. fol. 4133. Plato (1977): Ion. In: Plato: Werke in acht Bänden. Griechisch und Deutsch. Bd. 1. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 1–39. Polat, Nâzım H. (2002): Bir Jöntürk'ün Serüveni. Dr. Şerafettin Mağmumi Hayatı ve Eserleri. İstanbul: Büke Yayınları. Polat, Nâzım H. (2008): Dr. Şerafeddin Mağmumi ve Gezi Edebiyatı. In: Şerafeddin Mağmumi: Avrupa'da Seyahat Hatıraları. Hg. v. Nâzım H. Polat und Harid Fedai. İstanbul: Boyut Kitapları, S. 12–18. Pollack, Detlef (2003): Säkularisierung. Ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland. Tübingen: Mohr Siebeck. Powell, John (Hg.) (1998): Chronology of European History. 15,000 B.C. to 1997. Volume 1: 15,000 B.C. - 1763. Chicago, London: Fitzroy Dearborn Publishers. Preyer, Gerhard (2011): Zur Aktualität von Shmuel N. Eisenstadt. Einführung in sein Werk. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Literaturverzeichnis

255

Preyer, Gerhard; Sussman, Michael (2016): Introduction on Shmuel N. Eisenstadt's Sociology. The Path to Multiple Modernities. In: Gerhard Preyer und Michael Sussman (Hg.): Varieties of Multiple Modernities. New Research Design. Leiden, Boston: Brill, S. 1–29. Proust, Marcel (2000): Die Gefangene. Frankfurt a.M.: Suhrkamp (Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 5). Quataert, Donald (2003): Ottoman History Writing and Changing Attitudes Towards the Notion of "Decline". In: History Compass 1 (1), S. 1–9. Rasim, Ahmet (1989): Osmanlı'da Batışın Üç Evresi. III. Selim, II. Mahmut, Abdülmecit. İstanbul: Evrim Yayınları. Râtib Efendi, Ebûbekir (2012a): Ebûbekir Râtib Efendi'nin Nemçe Sefâretnâmesi. Hg. v. Abdullah Uçman. İstanbul: Kitabevi. Râtib Efendi, Ebûbekir (2012b): Sefâretnâme-i Ebûbekir Râtib Efendi. In: Ebûbekir Râtib Efendi: Ebûbekir Râtib Efendi'nin Nemçe Sefâretnâmesi. Hg. v. Abdullah Uçman. İstanbul: Kitabevi, S. 1–57. Reckwitz, Andreas (2006): Ernesto Laclau. Diskurse, Hegemonien, Antagonismen. In: Stephan Moebius und Dirk Quadflieg (Hg.): Kultur. Theorien der Gegenwart. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 339–349. Refik, Ahmed (1912 [H. 1328]): Moralı Ali Efendi'nin Paris Sefareti (17971802). In: Tarih-i Osmanî Encümeni Mecmuası (18), S. 1120–1138. Reich, Kersten (2001): Konstruktivismen aus kultureller Sicht. Zur Position des „Interaktionistischen Konstruktivismus“. In: Fritz G. Wallner und Barbara Agnese (Hg.): Konstruktivismen. Eine kulturelle Wende. Wien: Braumüller, S. 49–68. Reichert, Folker (2001): Erfahrung der Welt. Reisen und Kulturbegegnung im späten Mittelalter. Stuttgart et al.: Verlag W. Kohlhammer. Reichhardt, Rolf (2003): Arbeitsperspektiven zur interkulturellen Kommunikation zwischen Ancien Régime und Moderne. In: Thomas Fuchs und Sven Trakulhun (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 1500-1850. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, S. 27–46. Reppen, Randi; Simpson-Vlach, Rita (2010): Corpus Linguistics. In: Norbert Schmitt (Hg.): An Introduction to Applied Linguistics. London: Hodder Education, S. 89–105. Resmî Efendi, Ahmed (1809a): I. Gesandtschaftsbericht des im Jahre 1171 der Hedschra (1757) nach Wien abgesandten Bothschafters Resmi Ahmed Efendi. In: Ahmed Resmî Efendi: Des Türkischen Gesandten Resmi Ahmet Efendi Gesandtschaftliche Berichte von seinen Gesandtschaften in

256

Literaturverzeichnis

Wien im Jahre 1757, und in Berlin im Jahre 1763. Hg. v. Joseph von Hammer-Purgstall. Berlin, Stettin: Friedrich Nicolai, S. 11–42. Resmî Efendi, Ahmed (1809b): II. Gesandtschaftsbericht des nach Berlin abgeschickten Gesandten der hohen Pforte Ahmed Resmi Efendi. In: Ahmed Resmî Efendi: Des Türkischen Gesandten Resmi Ahmet Efendi Gesandtschaftliche Berichte von seinen Gesandtschaften in Wien im Jahre 1757, und in Berlin im Jahre 1763. Hg. v. Joseph von HammerPurgstall. Berlin, Stettin: Friedrich Nicolai, S. 43–103. Resmî Efendi, Ahmed (1886 [H. 1303]): Sefâretnâme-i Ahmed Resmî. İstanbul: Matbaa-i Ebüzziya. Resmî Efendi, Ahmed (1887 [H. 1304]): Viyana Sefâretnâmesi. İstanbul: Matbaa-i Ebüzziya. Resmî Efendi, Ahmed (1980a): Nemçe Sefâretnâmesi. In: Ahmed Resmî Efendi: Ahmed Resmî Efendi'nin Viyana ve Berlin Sefaretnameleri. Hg. v. Bedriye Atsız. İstanbul: Tercüman, S. 15–36. Resmî Efendi, Ahmed (1980b): Prusya Sefâretnâmesi. In: Ahmed Resmî Efendi: Ahmed Resmî Efendi'nin Viyana ve Berlin Sefaretnameleri. Hg. v. Bedriye Atsız. İstanbul: Tercüman, S. 37–84. Richards, Ivor Armstrong (2001): The Philosophy of Rhetoric. Hg. v. John Constable. London, New York: Routledge. Ricœur, Paul (1970): Freud and Philosophy. An Essay on Interpretation. New Haven, London: Yale University Press. Ricœur, Paul (1974): Die Interpretation. Ein Versuch über Freud. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Ricœur, Paul (1995): De l'interprétation. Essai sur Freud. Paris: Éditions du Seuil. Ricœur, Paul (2005): Was ist ein Text? In: Paul Ricœur: Vom Text zur Person. Hermeneutische Aufsätze (1970-1999). Hamburg: Felix Meiner Verlag, S. 79–108. Ritter, Joachim (Hg.) (1971): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 1. Basel: Schwabe & Co. Ritzel, Wolfgang (1985): Immanuel Kant. Eine Biographie. Berlin, New York: Walter de Gruyter. Robertson, Roland (1990): After Nostalgia? Wilful Nostalgia and the Phases of Globalization. In: Bryan S. Turner (Hg.): Theories of Modernity and Postmodernity. London et al.: Sage Publications, S. 45–61. Rodinson, Maxime (1971): Islam und Kapitalismus. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Rogers, Michael (2009): Mehmet II. und die Naturwissenschaften. In: Neslihan Asutay-Effenberger und Ulrich Rehm (Hg.): Sultan Mehmet II. Eroberer

Literaturverzeichnis

257

Konstantinopels - Patron der Künste. Köln et al.: Böhlau Verlag, S. 77– 92. Rohbeck, Johannes (2004): Geschichtsphilosophie zur Einführung. Hamburg: Junius. Rolf, Eckard (2008): Sprachtheorien. Von Saussure bis Millikan. Berlin, New York: Walter de Gruyter. Rose, Sonya O. (1999): Cultural Analysis and Moral Discourses. Episodes, Continuities, and Transformations. In: Victoria E. Bonnell und Lynn Hunt (Hg.): Beyond the Cultural Turn. New Directions in the Study of Society and Culture. Berkeley et al.: University of California Press, S. 217–238. Roth, Klaus (1998): "Bilder in den Köpfen". Stereotypen, Mythen, Identitäten aus ethnologischer Sicht. In: Valeria Heuberger, Arnold Suppan und Elisabeth Vyslonzil (Hg.): Das Bild vom Anderen. Identitäten, Mentalitäten, Mythen und Stereotypen in multiethnischen europäischen Regionen. Frankfurt a.M. et al.: Peter Lang, S. 21–43. Rothermund, Dietmar (2003): Kultur des Wissens. Die europäische Expansion als Kenntnisgewinn. In: Thomas Fuchs und Sven Trakulhun (Hg.): Das eine Europa und die Vielfalt der Kulturen. Kulturtransfer in Europa 15001850. Berlin: Berliner Wissenschafts-Verlag GmbH, S. 291–306. Rousseau, Jean-Jacques (1971a): Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. In: Jean-Jacques Rousseau: Schriften zur Kulturkritik. Über Kunst und Wissenschaft (1750). Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen (1755). Hg. v. Kurt Weigand. Hamburg: Felix Meiner Verlag, S. 61–269. Rousseau, Jean-Jacques (1971b): Der Gesellschaftsvertrag oder Die Grundsätze des Staatsrechts. Stuttgart: Philipp Reclam. Rudolph, Harriet (2005): Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit. Herrschaftsinszenierung, Fremdheitserfahrung und Erinnerungskultur. Die Gesandtschaft des Ibrahim Bey von 1562. In: Marlene Kurz, Martin Scheutz, Karl Vocelka und Thomas Winkelbauer (Hg.): Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie. Akten des internationalen Kongresses zum 150-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 22.-25. September 2004. Wien, München: R. Oldenbourg Verlag, S. 295–314. Ruoff, Michael (2013): Foucault-Lexikon. Entwicklung – Kernbegriffe – Zusammenhänge. Paderborn: Wilhelm Fink. Rüschemeyer, Dietrich (1970): Partielle Modernisierung. In: Wolfgang Zapf (Hg.): Theorien des sozialen Wandels. Köln, Berlin: Kiepenheuer & Witsch, S. 382–396.

258

Literaturverzeichnis

Rycaut, Paul (1682): The History of the Present State of the Ottoman Empire. London: T.N. for John Starkey. Sağol, Gülden (1999): Osmanlı Döneminde Dilde Sadeleşme. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 9 - Kültür ve Sanat. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 504–517. Said, Edward W. (2003): Orientalism. London: Penguin Books. Şakiroğlu, Mahmut H. (1996): Frenk. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 13. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 197–199. Şakul, Kahraman (2009a): Nizam-ı Cedid. In: Gábor Ágoston und Bruce Masters (Hg.): Encyclopedia of the Ottoman Empire. New York: Facts on File, S. 434–436. Şakul, Kahraman (2009b): Selim III. In: Gábor Ágoston und Bruce Masters (Hg.): Encyclopedia of the Ottoman Empire. New York: Facts on File, S. 514–515. Salzmann, Ariel (2000): The Age of Tulips. Confluence and Conflict in Early Modern Consumer Culture (1550-1730). In: Donald Quataert (Hg.): Consumption Studies and the History of the Ottoman Empire, 1550-1922. An Introduction. Albany (NY): State University of New York Press, S. 83–106. Sami Efendi, Mustafa (1996): Avrupa Risâlesi. Hg. v. Remzi Demir. Ankara: Gündoğan. Sampson, Edward E. (1989): The Challenge of Social Change for Psychology. Globalization and Psychology's Theory of the Person. In: American Psychologist 44 (6), S. 914–921. Sanaç, Fuat (1992): Der Gesandtschaftsbericht Mustafa Efendis über die Gesandtschaftsreise nach Wien im Jahre 1730/31. Dissertation. Universität Wien. Şapolyo, Enver Behnan (1969): Türk Gazeteciliği Tarihi. Her Yöniyle Basın. Ankara: Güven Matbaası. Sarasin, Philipp (2011): Diskurstheorie und Geschichtswissenschaft. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 61–89. Sarıcaoğlu, Fikret (2002): Kitâb-ı Bahriyye. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 26. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 72–75. Saunders, Timothy (2016): Metaphor and Disorientation. In: Culture, Theory and Critique 57 (1), S. 92–105.

Literaturverzeichnis

259

Saussure, Ferdinand de (2001): Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin, New York: Walter de Gruyter. Savaş, Ali İbrahim (1991): Mustafa Hatti Efendi'nin Viyana Sefaret Raporu Üzerine. In: Ondokuz Mayıs Üniversitesi Eğitim Fakültesi Dergisi (6), S. 235–254. Savaş, Ali İbrahim (1996): Osmanlı Elçilerinin Sefaret Güzergâhları. In: Toplumsal Tarih 6 (27), S. 54–62. Savaş, Ali İbrahim (1997): Avusturya Basınında Bir Osmanlı Elçisi. In: Toplumsal Tarih (41), S. 51–55. Savaş, Ali İbrahim (1999): Giriş. In: Mustafa Hattî Efendi: Viyana Sefâretnâmesi. Hg. v. Ali İbrahim Savaş. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi, S. 1–16. Savaş, Ali İbrahim (2007): Osmanlı Diplomasisi. İstanbul: 3F Yayınevi. Sayyid, Salman (2005): Mirror, mirror. Western democrats, oriental despots? In: Ethnicities 5 (1), S. 30–50. Schaendlinger, Anton C. (1983): Die Entdeckung des Abendlandes als Vorbild. Ein Vorschlag zur Umgestaltung des Heerwesens und der Außenpolitik des Osmanischen Reiches zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In: Gernot Heiss und Grete Klingenstein (Hg.): Das Osmanische Reich und Europa 1683 bis 1789. Konflikt, Entspannung und Austausch. München: R. Oldenbourg Verlag, S. 89–112. Scheler, Max (1960): Probleme einer Soziologie des Wissens. In: Max Scheler: Die Wissensformen und die Gesellschaft. Bern, München: Francke Verlag, S. 15–190. Schloeßer, Irmgard (1947): Das Menschenbild der Antike in der griechischen Tragödie. Bonn: Ferd. Dümmlers Verlag. Schmid, Michael (1998): Soziologische Evolutionstheorien. In: Gerhard Preyer (Hg.): Strukturelle Evolution und das Weltsystem. Theorie, Sozialstruktur und evolutionäre Entwicklungen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 387–411. Schmidt, Volker H. (2006): Multiple Modernities or Varieties of Modernity? In: Current Sociology 54 (1), S. 77–97. Schmiede, H. Achmed (1987): 120 Jahre Türkischer Friedhof zu Berlin. Berlin: K.-H. Akram Siering. Schmiede, H. Ahmed (1989): Osmanlı ve Prusya Kaynaklarına Göre Giritli Ali Aziz Efendi'nin Berlin Sefareti. In: Ondokuz Mayıs Üniversitesi Eğitim Fakültesi Dergisi (4), S. 227–230. Schmiede, H. Ahmed (1990): Osmanlı ve Prusya Kaynaklarına Göre Giritli Ali Aziz Efendi'nin Berlin Sefareti. İstanbul: Türk Dünyası Araştırmaları Vakfı.

260

Literaturverzeichnis

Schneider, Jens (2001): Talking German. Othering Strategies in Public and Everyday Discourses. In: International Communication Gazette 63 (4), S. 351–363. Schram, Sanford F. (1993): Postmodern Policy Analysis. Discourse and Identity in Welfare Policy. In: Policy Sciences 26 (3), S. 249–270. Schwab-Trapp, Michael (2011): Diskurs als soziologisches Konzept. Bausteine für eine soziologisch orientierte Diskursanalyse. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 283–307. Şen, Adil (1995): İbrahim Müteferrika ve Usûlü'l-Hikem Fî Nizâmi'l-Ümem. Ankara: Türkiye Diyanet Vakfı Yayınları. Servantie, Alain (2007): Önsöz. In: Ahmet İhsan: Avrupa'da Ne Gördüm. Tuna'da Bir Hafta. Hg. v. Alain Servantie und Fahriye Gündoğdu. İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları, S. ix–lxvi. Seyfettin, Ömer (1999): Pembe İncili Kaftan. In: Ömer Seyfettin: Bütün Eserleri. Hikâyeler-2. İstanbul: Dergâh Yayınları, S. 124–134. Shaw, Stanford J. (1968): Some Aspects of the Aims and Achievements of the Nineteenth-Century Ottoman Reformers. In: William R. Polk und Richard L. Chambers (Hg.): Beginnings of Modernization in the Middle East. The Nineteenth Century. Chicago, London: The University of Chicago Press, S. 29–39. Shaw, Stanford J. (1971): Between Old and New. The Ottoman Empire under Selim III, 1789-1807. Cambridge (MA): Harvard University Press. Shaw, Stanford J. (1976): History of the Ottoman Empire and Modern Turkey. Volume I: Empire of the Gazis. The Rise and Decline of the Ottoman Empire, 1280-1808. Cambridge et al.: Cambridge University Press. Shayegan, Daryush (1997): Cultural Schizophrenia. Islamic Societies Confronting the West. Syracuse (NY): Syracuse University Press. Shelley, Percy Bysshe (1852): A Defence of Poetry. In: Percy Bysshe Shelley: Essays, Letters from Abroad, Translations and Fragments. Vol. I. Hg. v. Mrs. Shelley. London: Edward Moxon, S. 3–49. Sherman, William H. (2002): Stirrings and searchings (1500-1720). In: Peter Hulme und Tim Youngs (Hg.): The Cambridge Companion to Travel Writing. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 17–36. Simmel, Georg (1989): Philosophie des Geldes. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Simmel, Georg (1992): Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Şirin, İbrahim (2009): Osmanlı İmgeleminde Avrupa. Ankara: Lotus.

Literaturverzeichnis

261

Snell, Bruno (1993): Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Somers, Margaret R. (1994): The narrative constitution of identity. A relational and network approach. In: Theory and Society 23 (5), S. 605–649. Soylu, Mesut (2013): Mehmed Enisi Yalkı'nın Alman Ruhu Adlı Kitabına Edebiyat Tarihi Açısından Bir Bakış. In: Çankırı Karatekin Üniversitesi Edebiyat Fakültesi Türk Dili ve Edebiyatı Bülteni 1 (1), S. 59–67. Spengler, Oswald (1981): Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. München: Verlag C. H. Beck. Spuler, Bertold (1935): Die europäische Diplomatie in Konstantinopel bis zum Frieden von Belgrad (1739). Breslau: Priebatsch's Buchhandlung. Stajnova, Michaila (1983): Neue Richtungen im künstlerisch-literarischen Schaffen der osmanischen Türkei zu Beginn des 18. Jahrhunderts. In: Gernot Heiss und Grete Klingenstein (Hg.): Das Osmanische Reich und Europa 1683 bis 1789. Konflikt, Entspannung und Austausch. München: R. Oldenbourg Verlag, S. 179–193. Stauth, Georg (1998): Islam and Modernity. The Long Shadow of Max Weber. In: Georg Stauth (Hg.): Islam – Motor or Challenge of Modernity. Hamburg: LIT Verlag (Yearbook of the Sociology of Islam, 1), S. 163– 186. Stauth, Georg (2006): „Protestantisierung des Islams“. Authentizität, Anerkennung, Entwicklung? Johannes Gutenberg Universität Mainz, Institut für Ethnologie und Afrikastudien. Mainz (Arbeitspapiere/Working Papers, Nr. 70). Stein, Joshua M. (1985): An Eighteenth-Century Ottoman Ambassador Observes the West. Ebu Bekir Râtip Efendi Reports on the Habsburg System of Roads and Posts. In: Archivum Ottomanicum 10, S. 219–312. Stivers, Camilla (1993): Reflections on the Role of Narrative in Social Science. In: Signs. Journal of Women in Culture and Society 18 (2), S. 408–425. Stråth, Bo (2000): Europe as a Discourse. In: Bo Stråth (Hg.): Europe and the Other and Europe as the Other. Brüssel et al.: P.I.E. Lang, S. 13–44. Strauss, Johann (2003): Who Read What in the Ottoman Empire (19th-20th centuries)? In: Arabic Middle Eastern Literatures 6 (1), S. 39–76. Sunar, İlkay (1987): State and economy in the Ottoman Empire. In: Huri İslamoğlu-İnan (Hg.): The Ottoman Empire and the World Economy. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 63–87. Taeschner, Franz (1963): Die osmanische Literatur. In: Handbuch der Orientalistik (1,5,1), S. 250–335.

262

Literaturverzeichnis

Taglia, Stefano (2016): Ottomanism Then and Now. Historical and Contemporary Meanings. An Introduction. In: Die Welt des Islams 56 (34), S. 279–289. Talay, Aydın (1994): Dürrî Ahmed Efendi (ö. 1135 / 1722). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 10. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 34–35. Tannock, Stuart (1995): Nostalgia Critique. In: Cultural Studies 9 (3), S. 453– 464. Tanpınar, Ahmet Hamdi (1982): 19uncu Asır Türk Edebiyatı Tarihi. İstanbul: Çağlayan. Tanrıkorur, Cinuçen (2011): Osmanlı Dönemi Türk Mûsikîsi. İstanbul: Dergâh Yayınları. Taylor, Charles (2009): Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung. Mit Kommentaren von Amy Gutmann, Steven C. Rockefeller, Michael Walzer und Susan Wolf. Mit einem Beitrag von Jürgen Habermas. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Tekdemir, Aziz (2013): 1867 Paris Sergisi ve Sultan Abdülaziz'in Sergiyi Ziyareti. In: Trakya Üniversitesi Edebiyat Fakültesi Dergisi 3 (6), S. 1– 19. Temizkan, Abdullah; Aktaş, Erkan (2012): Türk Devlet Geleneğinde İktidarın Meşrulaştırılmasında Rüyanın Kullanımı. In: Karadeniz Araştırmaları (33), S. 13–22. Tenbruck, Friedrich H. (1975): Das Werk Max Webers. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 27 (4), S. 663–702. Tezcan, Baki (2007): The politics of early modern Ottoman historiography. In: Virginia H. Aksan und Daniel Goffman (Hg.): The Early Modern Ottomans. Remapping the Empire. Cambridge et al.: Cambridge University Press, S. 167–198. Tezcan, Nuran (2009): Seyahatnâme. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 37. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 16–19. Therborn, Göran (2003): Entangled Modernities. In: European Journal of Social Theory 6 (3), S. 293–305. Thielmann, Jörn (2006): Auf der Suche nach der öffentlichen Sphäre. In: Erwägen Wissen Ethik 17 (1), S. 72–74. Tietze, Andreas (1948): 'Azīz efendis Muhayyelat. In: Oriens 1 (2), S. 248–329. Tietze, Andreas (1960): 'Alī 'Azīz Efendi, Giridli. In: Hamilton A. R. Gibb, Johannes H. Kramers, Évariste Lévi-Provençal, Joseph Schacht, Bernard Lewis und Charles Pellat (Hg.): The Encyclopedia of Islam. New Edition. Vol. I. Leiden: E. J. Brill, S. 391.

Literaturverzeichnis

263

Tilly, Charles (1972): Clio und Minerva. In: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Geschichte und Soziologie. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 97–131. Tilly, Charles (1984): Big Structures, Large Processes, Huge Comparisons. New York: Russell Sage Foundation. Timur, Taner (1984a): Sultan Abdülâziz'in Avrupa Seyahati - I. In: Tarih ve Toplum 2 (11), S. 42–48. Timur, Taner (1984b): Sultan Abdülâziz'in Avrupa Seyahati - II. In: Tarih ve Toplum 2 (12), S. 16–25. Timur, Taner (1998): Osmanlı Kimliği. Ankara: İmge Kitabevi. Titscher, Stefan; Wodak, Ruth; Meyer, Michael; Vetter, Eva (1998): Methoden der Textanalyse. Leitfaden und Überblick. Opladen: Westdeutscher Verlag. Tokgöz, Ahmet İhsan (2012): Matbuat Hatıralarım (1888-1914). Hg. v. Alpay Kabacalı. İstanbul: Türkiye İş Bankası Kültür Yayınları. Tomaschek, Nino (2003): Der Konstruktivismus. Versuch einer Darstellung der konstruktiv(istisch)en Philosophie. Regensburg: Roderer. Tonkiss, Fran (2004): Analysing text and speech. Content and discourse analysis. In: Clive Seale (Hg.): Researching Society and Culture. London et al.: Sage Publications, S. 367–382. Töpfer, Bernhard (1999): Urzustand und Sündenfall in der mittelalterlichen Gesellschafts- und Staatstheorie. Stuttgart: Anton Hiersemann. Topuz, Hıfzı (1996): 100 Soruda Başlangıçtan Günümüze Türk Basın Tarihi. Davalar, Hapisler, Saldırılar, Faili Meçhul Cinayetler ve Holdingler. İstanbul: Gerçek Yayınevi. Toros, Taha (1970): Giriş. In: Yirmisekiz Mehmed Çelebi: Yirmisekiz Mehmet Çelebi'nin Fransa Seyahatnamesi. Hg. v. Şevket Rado. İstanbul: Hayat Yayınları, S. 5–14. Tschudi, Rudolf (1910): Das Aṣafnâme des Luṭfî Pascha nach den Handschriften zu Wien, Dresden und Konstantinopel. Dissertation. Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen. Tunaya, Tarık Zafer (2010): Türkiye'nin Siyasî Hayatında Batılılaşma Hareketleri. İstanbul: İstanbul Bilgi Üniversitesi Yayınları. Tuncel, Bedrettin (1975): Dimitrie Cantemir ve Türkler. In: Unesco Türkiye Millî Komisyonu (Hg.): Dimitrie Cantemir (1673-1723). Ankara: Kalite Basımevi, S. 5–47. Tuncer, Hüner (1979): Osmanlı Elçisi Ebubekir Ratip Efendi'nin Viyana Mektupları (1792). In: Belleten 43 (169), S. 73–105. Tuncer, Hüner (1987): Yirmi Sekiz Çelebi Mehmet Efendi'nin Fransa Sefaretnâmesi (1132-33 H./ 1720-21 M.). In: Belleten 51 (199), S. 131– 151.

264

Literaturverzeichnis

Türköne, Mümtaz'er (2001): İslâmcılık. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 23. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 60–62. Türköne, Mümtaz'er (2006): Türk Modernleşmesi. Ankara: Lotus. Turner, Bryan S. (1978): Marx and the End of Orientalism. London et al.: George Allen & Unwin. Turner, Bryan S. (1987): A Note on Nostalgia. In: Theory, Culture & Society 4 (1), S. 147–156. Uçman, Abdullah (1975): Yirmisekiz Çelebi Mehmet Efendi'nin Fransa Sefaretnamesi. İstanbul: Tercüman. Uçman, Abdullah (1989): Ebubekir Ratip Efendi'nin Nemçe Seyahatnamesi. In: Tarih ve Toplum (69), S. 27–32. Uçman, Abdullah (1995): Encümen-i Dâniş. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 11. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 176–178. Uçman, Abdullah (2012): Ebûbekir Râtib Efendi ve Sefâretnâmesi. In: Ebûbekir Râtib Efendi: Ebûbekir Râtib Efendi'nin Nemçe Sefâretnâmesi. Hg. v. Abdullah Uçman. İstanbul: Kitabevi, S. XXI–XXIX. Ülken, Hilmi Ziya (2013): Türkiye'de Çağdaş Düşünce Tarihi. İstanbul: Türkiye İş Bankası Kültür Yayınları. Unat, Faik Reşit (2008): Osmanlı Sefirleri ve Sefaretnameleri. Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları. Ustorf, Werner (1995): Die Diskussion der Missionsgeschichte im Protestantismus seit dem 16. Jahrhundert. In: Karl Müller und Werner Ustorf (Hg.): Einleitung in die Missionsgeschichte. Tradition, Situation und Dynamik des Christentums. Stuttgart et al.: Verlag W. Kohlhammer, S. 11–26. Uyar, Mesut; Erickson, Edward J. (2009): A Military History of the Ottomans. From Osman to Atatürk. Santa Barbara (CA) et al.: ABC-Clio. Uzer, Umut (2016): An Intellectual History of Turkish Nationalism. Between Turkish Ethnicity and Islamic Identity. Salt Lake City: The University of Utah Press. Uzun, Mustafa (1989): Ali Kemal (1867-1922). In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 2. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 405–408. Uzunçarşılı, İsmail Hakkı (1988): Osmanlı Devletinin Saray Teşkilâtı. Ankara: Türk Tarih Kurumu Basımevi. Uzunçarşılıoğlu, İsmail Hakkı (1937): Âmedî Galib Efendinin Murahhaslığı ve Paris'ten Gönderdiği Şifreli Mektuplar. In: Belleten 1 (2), S. 357–448.

Literaturverzeichnis

265

Uzunçarşılıoğlu, İsmail Hakkı (1938): Selim III'ün Veliaht iken Fransa Kralı Lüi XVI ile Muhabereleri. In: Belleten 2 (5/6), S. 191–246. Vahid Efendi, Seyyid (1887 [H. 1304]): Fransa Sefâretnâmesi. İstanbul: Matbaai Ebüzziya. van den Hengel, John W. (1982): The Home of Meaning. The Hermeneutics of the Subject of Paul Ricoeur. Washington, D.C.: University Press of America. van Dijk, Teun A. (2009): Society and Discourse. How Social Contexts Influence Text and Talk. Cambridge et al.: Cambridge University Press. van Leeuwen, Theodoor Marius (1981): The Surplus of Meaning. Ontology and Eschatology in the Philosophy of Paul Ricoeur. Amsterdam: Rodopi. Veinstein, Gilles (2003): Sulayman the Magnificient and Christianity. The Limits of Antagonism. In: Perceptions. Journal of International Affairs 8 (2), S. 159–172. Veinstein, Gilles (2012): İstanbul'da İlk Daimi Sefaretlerin Açılması. In: Edhem Eldem, Ersu Pekin, Aksel Tibet und Çağatay Anadol (Hg.): Bir Allame-i Cihan. Stefanos Yerasimos (1942-2005). 2. Cilt. İstanbul: Kitap Yayınevi, S. 717–733. Viehöver, Willy (2008): Die Wissenschaft und die Wiederverzauberung des sublunaren Raumes. Der Klimadiskurs im Licht der narrativen Diskursanalyse. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 2: Forschungspraxis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 233–269. Viehöver, Willy (2011): Diskurse als Narrationen. In: Reiner Keller, Andreas Hirseland, Werner Schneider und Willy Viehöver (Hg.): Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Band 1: Theorien und Methoden. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 193–224. Volz, Gustav Berthold (1907): Eine türkische Gesandtschaft am Hofe Friedrichs des Großen im Winter 1763/64. In: Hohenzollernjahrbuch 11, S. 17–54. wa Thiongʾo, Ngũgĩ (1994): Decolonising the Mind. The Politics of Language in African Literature. Harare: Zimbabwe Publishing House. Wagner, Peter (2006): Die Soziologie der Moderne und die Frage nach dem Subjekt. In: Heiner Keupp und Joachim Hohl (Hg.): Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel. Zur Theorie des Subjekts in der Spätmoderne. Bielefeld: transcript, S. 165–185. Wallerstein, Immanuel (2001): The End of the World as We Know It. Social Science for the Twenty-First Century. Minneapolis, London: University of Minnesota Press.

266

Literaturverzeichnis

Wallerstein, Immanuel (2006): European Universalism. The Rhetoric of Power. New York, London: The New Press. Walls, Andrew F. (1996): The Missionary Movement in Christian History. Studies in the Transmission of Faith. Maryknoll (NY), Edinburgh: Orbis Books, T&T Clark. Weber, Alfred (1963): Kulturgeschichte als Kultursoziologie. München: R. Piper & Co. Verlag. Weber, Max (1980): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Tübingen: J. C. B. Mohr. Weber, Max (1988): Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Vergleichende religionssoziologische Versuche. In: Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I. Tübingen: J. C. B. Mohr, S. 237–573. Weber, Max (2000): Die protestanthische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus. Weinheim: Beltz Athenäum Verlag. Weber, Stefan (2009): Entangled Modernity. Multiple Architectural Expressions of Global Phenomena: the Late Ottoman Empire. In: Modjtaba Sadria (Hg.): Multiple Modernities in Muslim Societies. Genf: Aga Khan Award for Architecture, S. 143–154. Wehler, Hans-Ulrich (1972): Einleitung. In: Hans-Ulrich Wehler (Hg.): Geschichte und Soziologie. Köln: Kiepenheuer & Witsch, S. 11–31. Wehling, Peter (1992): Die Moderne als Sozialmythos. Zur Kritik sozialwissenschaftlicher Modernisierungstheorien. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag. Weingart, Peter (1976): Wissensproduktion und soziale Struktur. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. Weller, Christoph (2001): Feindbilder. Ansätze und Probleme ihrer Erforschung. Institut für Interkulturelle und Internationale Studien. Bremen (InIISArbeitspapier, Nr. 22/01). White, Harrison; Fuhse, Jan; Thiemann, Matthias; Buchholz, Larissa (2007): Networks and Meaning: Styles and Switchings. In: Soziale Systeme 13 (1+2), S. 543–555. White, Harrison C. (2008): Identity and Control. How Social Formations Emerge. Princeton, Oxford: Princeton University Press. White, Hayden (1973): Metahistory. The Historical Imagination in NineteenthCentury Europe. Baltimore, London: The Johns Hopkins University Press. White, Hayden (1987): The Content of the Form. Narrative Discourse and Historical Representation. Baltimore, London: The Johns Hopkins University Press.

Literaturverzeichnis

267

Widmer, Paul (1980): Niedergangskonzeptionen zwischen Erfahrung und Erwartung. In: Reinhart Koselleck und Paul Widmer (Hg.): Niedergang. Studien zu einem geschichtlichen Thema. Stuttgart: Klett-Cotta, S. 12–30. Williams, Raymond (1965): The Long Revolution. Harmondsworth Middlesex (UK), Ringwood Vic. (AUS): Penguin Books. Wittfogel, Karl A. (1967): Oriental Despotism. A Comparative Study of Total Power. New Haven, London: Yale University Press. Wittgenstein, Ludwig (1969): Philosophische Untersuchungen. In: Ludwig Wittgenstein: Schriften 1. Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914-1916, Philosophische Untersuchungen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, S. 279–544. Wittrock, Björn (2005): The Meaning of the Axial Age. In: Johann P. Arnason, Shmuel N. Eisenstadt und Björn Wittrock (Hg.): Axial Civilizations and World History. Leiden, Boston: Brill, S. 51–85. Wolf, Eric R. (2010): Europe and the People Without History. Berkeley et al.: University of California Press. Woodhead, Christine (1995): Perspectives on Süleyman. In: Metin Kunt und Christine Woodhead (Hg.): Süleyman the Magnificent and His Age. The Ottoman Empire in the Early Modern World. London, New York: Longman, S. 164–190. Woodhead, Christine (2002a): Waḳ'a-nüwīs. In: Peri J. Bearman, Thierry Bianquis, Clifford E. Bosworth, Emeri van Donzel und Wolfhart P. Heinrichs (Hg.): The Encyclopedia of Islam. New Edition. Vol. XI. Leiden: Brill, S. 57. Woodhead, Christine (2002b): Wāṣif (?-1221/1806). In: Peri J. Bearman, Thierry Bianquis, Clifford E. Bosworth, Emeri van Donzel und Wolfhart P. Heinrichs (Hg.): The Encyclopedia of Islam. New Edition. Vol. XI. Leiden: Brill, S. 162–163. Yalçınkaya, Mehmet Alaaddin (1996a): Osmanlı Devleti'nin Yeniden Yapılanması Çalışmalarında İlk İkamet Elçisinin Rolü. In: Toplumsal Tarih 6 (32), S. 45–53. Yalçınkaya, Mehmet Alaaddin (1996b): Osmanlı Zihniyetindeki Değişimin Göstergesi olarak Sefaretnamelerin Kaynak Değeri. In: Osmanlı Tarih Araştırmaları Merkezi Dergisi (7), S. 319–339. Yalçınkaya, Mehmet Alaaddin (1999): Bir Avrupa Diplomasi Merkezi Olarak İstanbul. 1792-1798 Dönemi İngiliz Kaynaklarına Göre. In: Güler Eren (Hg.): Osmanlı. 1 - Siyaset. Ankara: Yeni Türkiye Yayınları, S. 660–675. Yalçınkaya, Mehmet Alaaddin (2001): İsmail Ferruh Efendi'nin Londra Büyükelçiliği ve Siyasî Faaliyetleri (1797-1800). In: Kemal Çiçek (Hg.):

268

Literaturverzeichnis

Pax Ottomana. Studies in Memoriam of Prof. Dr. Nejat Göyünç. Ankara: Sota & Yeni Türkiye Yayınları, S. 381–407. Yang, Tai-Bum (2005): Platon in der philosophischen Geschichte des Problems des Nichts. Würzburg: Königshausen & Neumann. Yapp, Malcolm E. (1992): Europe in the Turkish Mirror. In: Past & Present (137), S. 134–155. Yavuz, M. Hakan (2016): Social and Intellectual Origins of Neo-Ottomanism. Searching for a Post-National Vision. In: Die Welt des Islams 56 (3-4), S. 438–465. Yazıcı, Hüseyin (2009): Seyahatnâme. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 37. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 9–11. Yazıcı, Nesimi (2010): Takvîm-i Vekāyi'. In: Türkiye Diyanet Vakfı (Hg.): Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Ansiklopedisi. Cilt 39. İstanbul: Türkiye Diyanet Vakfı İslâm Araştırmaları Merkezi, S. 490–492. Yenişehirlioğlu, Filiz (1983): Western Influences on Ottoman Architecture in the 18th Century. In: Gernot Heiss und Grete Klingenstein (Hg.): Das Osmanische Reich und Europa 1683 bis 1789. Konflikt, Entspannung und Austausch. München: R. Oldenbourg Verlag, S. 153–178. Yeşil, Fatih (2002): III. Selim Devrinde Bir Osmanlı Bürokratı: Ebubekir Ratib Efendi. Yüksek Lisans Tezi. Hacettepe Üniversitesi, Ankara. Yeşil, Fatih (2011): Aydınlanma Çağında Bir Osmanlı Kâtibi. Ebubekir Râtib Efendi (1750-1799). İstanbul: Tarih Vakfı Yurt Yayınları. Yeşil, Kâmil (2014): Giriş. In: Ali Kemâl: Paris Musâhabeleri. Hg. v. Kâmil Yeşil. Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, S. 1–6. Yurdaydın, Hüseyin G. (1994): Ahmed Resmî Efendi ve Bazı Düşünceleri. In: Türk Tarih Kurumu (Hg.): Mustafa Reşid Paşa ve Dönemi Semineri. Bildiriler (Ankara 13-14 Mart 1985). Ankara: Türk Tarih Kurumu Yayınları, S. 65–70. Yurdusev, A. Nuri (2004): The Ottoman Attitude toward Diplomacy. In: A. Nuri Yurdusev (Hg.): Ottoman Diplomacy. Conventional or Unconventional? Basingstoke, New York: Palgrave Macmillan, S. 5–35. Zehfuss, Maria (2001): Constructivisms in International Relations. Wendt, Onuf, and Kratochwil. In: Karin M. Fierke und Knud Erik Jørgensen (Hg.): Constructing international relations. The next generation. Armonk (NY), London: Sharpe, S. 54–75. Zilfi, Madeline C. (1977): The Diary of a Müderris. A New Source for Ottoman Biography. In: Journal of Turkish Studies / Türklük Bilgisi Araştırmaları 1, S. 157–174.

Literaturverzeichnis

269

Zsifkovits, Valentin (1981): Das Menschenbild der christlichen Theologie. In: Jahrbuch für Christliche Sozialwissenschaften 22, S. 13–22. Zürcher, Erik-Jan (2005): Ottoman sources of Kemalist thought. In: Elisabeth Özdalga (Hg.): Late Ottoman Society. The Intellectual Legacy. London, New York: RoutledgeCurzon, S. 14–27.