Dinge sammeln: Annäherungen an eine Kulturtechnik [1. Aufl.] 9783839429402

Kinder Eggs, stamps, beer coasters - trivial collectables are in constant demand. What fascinates collectors, what meani

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German Pages 350 [351] Year 2015

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Dinge sammeln: Annäherungen an eine Kulturtechnik [1. Aufl.]
 9783839429402

Table of contents :
Cover Dinge sammeln
Inhalt
Vorwort
Einleitung
1. Das Phänomen des Sammelns
1.1 Das Sammeln von trivialen Objekten: Einige Vorüberlegungen
1.2 Ein kurzer Überblick zur Geschichte des Sammelns
1.2.1 Von der Steinzeit bis zum Mittelalter
1.2.2 In der Renaissance, im Barock und in der Aufklärung
1.2.3 Tendenzen im 18. bis 20. Jahrhundert und in der Gegenwart
1.3 Zum Forschungsstand
1.3.1 Das Sammelphänomen in anderen Wissenschaftsdisziplinen
1.3.2 Das Sammeln als Thema in der Erziehungswissenschaft
2. Erwachsenenbildung und Bildung Erwachsener: Theoretische Hintergründe und Konzepte
2.1 Perspektiven und Transformationen
2.1.1 Im Spannungsfeld von Wissensvermittlung und Wissensaneignung
2.1.2 Zwischen Entgrenzung und Universalisierung
2.1.3 Umgang mit Wissen als pädagogische Kommunikation
2.2 Selbst und Welt in der Kommunikation
2.2.1 Zum Lebenswelt-Begriff
2.2.2 Das Konzept der Sozialen Welten
3. Methodologische Vorüberlegungen, Begründung der Forschungsmethoden und Datengrundlage
3.1 Anforderungen an den qualitativen Forschungsprozess
3.2 Forschungswege
3.2.1 (Lebensweltliche) Ethnographie
3.2.2 Grounded Theory als Verfahren datenbasierter Theoriebildung
3.3 Methodischer Zugang, Felderschließung und Materialauswahl
3.3.1 Teilnehmende Beobachtungen
3.3.2 Interviews
3.3.3 Internetforen
3.4. Verlassen des Forschungsfeldes
4. Datenauswertung
4.1 Untersuchungsvorgehen
4.2 Auswertungsprozess und Analyseschema
4.2.1 Datenaufbereitung
4.2.2 Fragenkatalog
4.2.3 Themenbereiche und Kategorien
5. Das Sammeln trivialer Objekte im Vergleich: Zur Konstitution sozialer Welten
5.1 Die Sammelgebiete
5.1.1 Füllfederhalter
5.1.2 Barbie-Puppen
5.1.3 Briefmarken
5.2 Rahmenbedingungen der Wissenskommunikation
5.2.1 Generierung von Kommunikationswelten
5.2.2 Umgangsformen
5.2.3 Typisierungen: Formen und Ausprägungen
5.2.4 Hierarchieformen
5.3 Wissenskommunikation
5.3.1 Wissensformen: Basiswissen und Fachwissen
5.3.2 Themen der Wissenskommunikation
6. Pädagogische Kommunikation in Sammelwelten
6.1 Pädagogische Kommunikation: Voraussetzungen und Bedingungen
6.1.1 Zeitebene
6.1.2 Sachebene
6.1.3 Sozialebene
6.2 Anlässe von pädagogischer Kommunikation
6.2.1 Aushandlungsprozesse
6.2.2 (Weiter-)Entwicklung von Wissensbeständen
6.2.3 Überprüfungsprozesse
6.2.4 Vorbildfunktion
6.2.5 Sicherungs- und Standardisierungsprozesse
7. Epilog: Wege und Grenzlinien
Anhang
Frageleitfaden
Themenauflistung der untersuchten Internetforen
a. Füllfederhalter-Internetforum
b. Barbie-Puppen-Internetforum
c. Briefmarken-Internetforum
Glossar
Abbildungsverzeichnis und Bildnachweise
Literatur
Abschließender Dank

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Denise Wilde Dinge sammeln

Edition Kulturwissenschaft | Band 62

Denise Wilde (Dr. phil.) arbeitet am Lehrstuhl Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Allgemeine Erziehungswissenschaft, Qualitative Forschungsmethoden, Materialität von Erziehung und Bildung, Ethnographie sozialer Praktiken sowie Ästhetische Bildung.

Denise Wilde

Dinge sammeln Annäherungen an eine Kulturtechnik

Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine überarbeitete Fassung einer von der Bergischen Universität Wuppertal, Fachbereich G – Bildungsund Sozialwissenschaften angenommenen Dissertation.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagabbildung: Philipp Wix, imaging-dissent.net, Berlin, 2014 Lektorat & Satz: Denise Wilde Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-2940-8 PDF-ISBN 978-3-8394-2940-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

»Der Spieler, der Abenteurer, der Künstler, der Entdecker, der Sammler: allesamt Figuren, die es leicht haben, unsere Neugierde auf sich zu ziehen und unsere Phantasie zu beleben. Es sind Existenzen, die gleichsam rein und ausschließlich etwas verkörpern, was jeder von uns in sich spürt, zeitweise ist und gänzlich sein könnte. Sie zu beobachten heißt stets auch, die eigenen Möglichkeiten – und seien es auch unergriffen vergangene – dadurch zu erkunden, daß man sie von anderen gelebt und entfaltet sieht. Ob in der gesellschaftlich erfahrbaren oder der literarisch erdichteten Wirklichkeit: in jenen Typen, Charakteren, Gestalten begegnen wir einem Stück unserer selbst.« MANFRED SOMMER 2002

Inhalt

Vorwort | 11 Einleitung | 13 1.

Das Phänomen des Sammelns | 35

1.1 Das Sammeln von trivialen Objekten: Einige Vorüberlegungen | 36 1.2 Ein kurzer Überblick zur Geschichte des Sammelns | 40 1.2.1 Von der Steinzeit bis zum Mittelalter | 42 1.2.2 In der Renaissance, im Barock und in der Aufklärung | 45 1.2.3 Tendenzen im 18. bis 20. Jahrhundert und in der Gegenwart | 51 1.3 Zum Forschungsstand | 57 1.3.1 Das Sammelphänomen in anderen Wissenschaftsdisziplinen | 58 1.3.2 Das Sammeln als Thema in der Erziehungswissenschaft | 64 2.

Erwachsenenbildung und Bildung Erwachsener: Theoretische Hintergründe und Konzepte | 79 Perspektiven und Transformationen | 82

2.1 2.1.1 Im Spannungsfeld von Wissensvermittlung und Wissensaneignung | 83 2.1.2 Zwischen Entgrenzung und Universalisierung | 84 2.1.3 Umgang mit Wissen als pädagogische Kommunikation | 91 2.2 Selbst und Welt in der Kommunikation | 99 2.2.1 Zum Lebenswelt-Begriff | 100 2.2.2 Das Konzept der Sozialen Welten | 102 3.

Methodologische Vorüberlegungen, Begründung der Forschungsmethoden und Datengrundlage | 107 3.1 Anforderungen an den qualitativen Forschungsprozess | 108 3.2 Forschungswege | 109 3.2.1 (Lebensweltliche) Ethnographie | 109

3.2.2 Grounded Theory als Verfahren datenbasierter Theoriebildung | 113 3.3 Methodischer Zugang, Felderschließung und Materialauswahl | 121 3.3.1 Teilnehmende Beobachtungen | 122 3.3.2 Interviews | 130 3.3.3 Internetforen | 140 3.4. Verlassen des Forschungsfeldes | 149

4.

Datenauswertung | 151

4.1 Untersuchungsvorgehen | 152 4.2 Auswertungsprozess und Analyseschema | 156 4.2.1 Datenaufbereitung | 158 4.2.2 Fragenkatalog | 159 4.2.3 Themenbereiche und Kategorien | 162 5.

Das Sammeln trivialer Objekte im Vergleich: Zur Konstitution sozialer Welten | 165 5.1 Die Sammelgebiete | 166 5.1.1 Füllfederhalter | 166 5.1.2 Barbie-Puppen | 167 5.1.3 Briefmarken | 169 5.2 Rahmenbedingungen der Wissenskommunikation | 176 5.2.1 Generierung von Kommunikationswelten | 176 5.2.2 Umgangsformen | 179 5.2.3 Typisierungen: Formen und Ausprägungen | 181 5.2.4 Hierarchieformen | 197 5.3 Wissenskommunikation | 201 5.3.1 Wissensformen: Basiswissen und Fachwissen | 201 5.3.2 Themen der Wissenskommunikation | 203 6.

Pädagogische Kommunikation in Sammelwelten | 261

6.1 Pädagogische Kommunikation: Voraussetzungen und Bedingungen | 261 6.1.1 Zeitebene | 264 6.1.2 Sachebene | 265 6.1.3 Sozialebene | 267 6.2 Anlässe von pädagogischer Kommunikation | 274 6.2.1 Aushandlungsprozesse | 275 6.2.2 (Weiter-)Entwicklung von Wissensbeständen | 276 6.2.3 Überprüfungsprozesse | 277 6.2.4 Vorbildfunktion | 279 6.2.5 Sicherungs- und Standardisierungsprozesse | 280 7. Epilog: Wege und Grenzlinien | 283

Anhang | 291

Frageleitfaden | 291 Themenauflistung der untersuchten Internetforen | 297 a. Füllfederhalter-Internetforum | 297 b. Barbie-Puppen-Internetforum | 298 c. Briefmarken-Internetforum | 301 Glossar | 305 Abbildungsverzeichnis und Bildnachweise | 311 Literatur | 313 Abschließender Dank | 345

Vorwort »Der Basissatz des Sammelns ist […]: […] Nur ein Sammler versteht einen Sammler. Leute, die mit Sammeln nichts am Hut haben, die sagen: Was für ein Spinner. Wie kann man nur? Was macht der da?« FÜLLFEDERHALTER-SAMMLER JENS SCHULZ1

Mit dem Sammeln von trivialen Objekten bietet das scheinbar Neben-Sächliche ertragreiche Perspektiven auf die Wissenskommunikation von Erwachsenen und weiterführend auf das Verhältnis von Erwachsenen zu ihrer Gegenstandswelt. Das Sammeln umschließt ein Wissen und Erfahrungsräume, die sich von dem unterscheiden, was wir allgemein als Gewissheit annehmen, selbst wenn wir uns seltsam dem Sammeln verbunden fühlen mögen. Während der Forschungsphase sah es manchmal danach aus, dass sich das Phänomen des trivialen Sammelns erfolgreich entzieht; sich das Sammeln gleichsam als »Ruheort für die Erkenntnisse« bezeichnen ließe, wie es der Briefmarken-Sammler Marcel König in einem der durchgeführten Interviews beschreibt (vgl. Interview mit Marcel König: 438-439). Vorschnell ließe sich das Sammeln als eine sinnlose bzw. sinnbefreite Tätigkeit abtun, die durch die moderne Überflussgesellschaft genährt wird. Der Ruheort für die Erkenntnisse ist jedoch nicht mit einem Friedhof zu verwechseln, auf dem Erkenntnisse vergraben und befriedet sind. Im Ruhen der Erkenntnisse an einem Ort wie dem des

1

Um die Lesbarkeit der Interview- bzw. Internetforenzitate zu garantieren, werden die Zitate hinsichtlich verwendeter Dialekte und sprachlicher Färbungen nachfolgend weitestgehend geglättet, während letztere bei der Transkription berücksichtigt wurden (vgl. Dittmar 2009).

12 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK

Sammelns kann sich ein kommunikativer Wissensumgang entfalten, der sichtbar werden lässt, dass vermeintliche Banalitäten des Alltagslebens in die Untiefen wissenschaftlicher Erkenntnis führen können. Die Beleuchtung ihrer eigenen Ränder bringt die Erziehungswissenschaft an neue Orte, deren Bedeutung für pädagogisches Denken zu ergründen ist. Ein Vertraut-machen mit Geschichte(n) des Sammelns sowie das Zurückstellen von Vor-Urteilen gegenüber dem Sammeln als Marotte par excellence ermöglicht es, einerseits erziehungswissenschaftlich aufschlussreiche Entwicklungen des Sammelns im historischen Verlauf zu skizzieren, um ein Verständnis des trivialen Sammelns der Gegenwart zu entfalten. Andererseits kommen Sammler/-innen2 in ihrer Wissenskommunikation selbst zu Wort.

2

In der Arbeit wird eine geschlechtergerechte Sprache benutzt, die sich durch die verwendete Schrägstrichvariante, z.B. Sammler/-in auszeichnet. In Zitaten wird die Schreibweise der jeweiligen Autor/-innen beibehalten.

Einleitung »Und zwar insofern, in dem man vielleicht das gesammelte Wissen, was man sich denn […] über diese speziellen Dinge angeeignet hat [...]. Zum Beispiel: Ja, dass es nicht verloren geht. […] [D]as wäre eigentlich schade. Wenn das, wenn das einfach so […] im Orkus der Geschichte verschwinden würde.« BRIEFMARKEN-SAMMLER MARCEL KÖNIG

Das Thema Sammeln bewegt sich zwischen den Polen Faszination und Abwertung. Es eröffnet Assoziationen zu prestigeträchtigen Sammlungen in Museen, Bibliotheken und Archiven oder zu extremen Sammelformen wie dem MessiePhänomen. Weiter gefasst lässt sich an ein mehr oder minder immaterielles Sammeln von Erinnerungen oder Erlebnissen, beispielsweise durch den sammelnden Besuch von Fußballstadien – genannt Groundhopping (vgl. Heinisch 2000) – denken. Gleichzeitig gesellschaftlich gegenwärtig und marginal hingegen ist das Sammeln von trivialen Objekten, von dem diese Arbeit handelt. Dabei verfolgt der verwendete Begriff des Trivialen nicht eine banalisierende oder abwertende Betrachtung des Sammelns, sondern zielt darauf, ausgehend von einem scheinbar gewöhnlichen Phänomen das bisher Unbekannte desselbigen zu fokussieren (vgl. Kluge 2002: 930). Denn dieses gleichermaßen selbstverständliche wie unverstandene Sammeln durch Erwachsene ist in der Gegenwart weitverbreitet 1

1

Die Zahl der Sammler/-innen weltweit lässt sich nicht exakt ermitteln. Es ist anzunehmen, dass es allein in Deutschland mehrere Millionen von ihnen gibt (vgl. Segeth 1989: 21). Geschlechterthematiken und daraus resultierende Verhältnisbestimmungen, wie sie in anderen Überlegungen angedacht werden (vgl. Bausinger 2007; auch Se-

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und entspricht in seinem Erscheinungsbild nicht einer viel zitierten und angeprangerten Konsum- und Wegwerfgesellschaft, in der das Verbrauchen und dauerhafte Entsorgen von Gegenständen eine zentrale wirtschaftliche Aufgabe und Herausforderung darstellt (vgl. Sommer 2002: 36). Aus dem umfangreichen Spektrum möglicher Sammelobjekte stechen besonders handliche Gegenstände hervor, die dem Alltag durch das Sammeln enthoben werden: Angefangen bei Dingen aus der Natur wie Steine und Fossilien über Sammelklassiker wie Briefmarken bis hin zu Füllfederhaltern oder Kinderspielzeug in Form von Barbie-Puppen, die in Alben, Schatullen und Vitrinen aufbewahrt werden (vgl. Ilgen/Schindelbeck 1997 153ff.; auch Boehncke/Bergmann 1987). Das Sammeln selbst findet vielfach unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. »Längst ist Sammeln als legitimer Ausdruck von Privatheit Teil unserer modernen Lebenswelt« (Ilgen/Schindelbeck 1997: 8). Es legitimiert sich vordergründig als Ausdruck einer Konsumkultur, als Teil dekorativer Alltagsausstaffierung sowie als Akt freizeitlicher Betätigung oder Lifestyle 2 (vgl. Breuer 1999). Hintergründig ist das Sammeln eine kulturelle 3 Praxis, mit der Kommunikation von Wissen einhergeht.

geth 1989: 42), erscheinen mir für eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Sammelns wenig ertragreich und zudem problematisch, »wenn die Spezifik weiblichen Sammelns als eigenes Thema aus[ge]lote[t]« (Köstlin 1994: 7) werden soll, bei der vermutet wird, »daß Frauen oft näher am Leben sammeln, näher an den Biographien orientiert und damit vielleicht unauffälliger und alltäglicher als Männer« (ebd.) sammeln. An dieser Stelle ist es nicht möglich, eine grundlegende Auseinandersetzung mit der normierenden und in einer feministisch-emanzipatorischen Perspektive problematischen und zu problematisierenden Setzung von Kategorien zu führen. Auch wenn in manchen Sammelgebieten Geschlechtszugehörigkeiten bzw. -zuschreibungen relevant werden können, so erscheint diese Dimensionierung für das hier fokussierte Sammeln nicht entscheidend. Berücksichtigt werden nur Überlegungen zu den Geschlechtern, insofern sie von den Sammler/-innen selbst geäußert werden. 2

Das Wort Lifestyle bezeichnet die ästhetische Gestaltung des Lebens unter medial be-

3

Der Kulturbegriff erfährt in jüngerer Zeit – auch im pädagogischen Diskurs – seman-

einflusstem Gebrauch von Konsummöglichkeiten (vgl. Hitzler 2005). tische und inhaltliche Korrekturen und Umdeutungen, da eine normative Fassung von Kultur, wie sie in der Aufklärung als subjektive Bildung und als Kennzeichen der bürgerlichen Gesellschaft verstanden wurde, seitens der Kulturwissenschaften grundlegend in Frage gestellt wird. Thematisiert wird der Widerspruch einer Kulturdeutung, die wesentlich durch Inklusions- und Exklusionsmechanismen (Teilhabe vs. Nichtteilhabe), Sinn- und Bedeutungszuschreibungen (vgl. Geertz 1983a), Individualisierungs-

E INLEITUNG

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Die vorliegende Untersuchung erforscht die drei Sammelgebiete Füllfederhalter, Barbie-Puppen und Briefmarken. Die Studie legt erstens – ausführlich exemplifiziert am Beispiel von Internetforenkommunikation – soziale Kommunikationswelten frei. In diesen wenden Sammler/-innen zweitens spezifische Praktiken an, um ausgewählte Sammelobjekte zu suchen sowie ihren Bestand in Sammlungen für die Zukunft zu sichern. Drittens vollzieht sich beim Sammeln eine kommunikative Wissensgenese und ein Wissensaustausch, die sich aus der Beschäftigung der Sammler/-innen mit den Objekten, einem Wissen über das Gesammelte sowie einem Wissen um die Bedeutung des Gesammelten speisen: »Wissen […] [entsteht] also […] in Organisationen, Familien, in Gruppen, die Briefmarken tauschen […] [und, Erg. D.W.] in Nachbarschaftsverhältnissen« (Luhmann 1984: 451). Wissensgenese und -umgang weisen das Sammeln als eine sinnstiftende Tätigkeit aus, in der pädagogische Intentionalität eingewoben ist. Demnach ist das triviale Sammeln nicht nur als ein alltägliches Phänomen zu fassen, sondern es lassen sich hieraus Rückschlüsse auf sozialweltliche Formen der Wissenskommunikation ziehen sowie Anregungen für eine im weitesten Sinn pädagogisch ausgerichtete Deutungstendenz des Sammelns durch Erwachsene herausarbeiten. Zum Zusammenhang von Sammeln, Wissen und Kommunikation Das Sammeln erfährt seit einiger Zeit innerhalb unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen Aufmerksamkeit (vgl. Grote 1994; Heesen/Spary 2001; Schloz 2000). Im Zentrum der Überlegungen steht einerseits der Umgang mit Objekten als Ausdruck einer materialen Kultur und andererseits die Fragen danach, in welcher Verbindung Wissenschaft und Sammeln stehen und wie durch Sammeln Wissen geprägt wird und ersteres durch letzteres bestimmt ist. Generell bedienen sich Geisteswissenschaften sowie andere Wissenschaften des Sammelns, um Wissen zu generieren. 4 Das Sammeln bewegt sich unabhän-

tendenzen sowie Verhaltens- und Ritualmuster bestimmt scheint. Außerdem wird die bis dato von westlichen Denk- und Lesarten dominierte Verortung von Kultur in den cultural studies und postcolonial studies problematisiert und die einseitige Perspektive auf eine Hochkultur kritisiert. Hierdurch erlangen neue bzw. andere Formen der Vermittlung und Aneignung als auch Aushandlung von Kultur, wie beispielsweise die Alltags- und die sogenannte Popkultur, Aufmerksamkeit (vgl. Casale 2009). 4

Auch in Romanen wird das Sammeln thematisiert und die mit Objekten entstehenden Möglichkeiten der Erinnerung, Systematisierung, Transformation, Verarbeitung, Konstruktion und Zerstörung angesprochen (vgl. Westerwinter 2008). So arbeitet Jonathan Safran Foer in seinem Werk Everything is illuminated (2002) das Sammeln von Ob-

16 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK

gig von der sich stetig vollziehenden Ausdifferenzierung einzelner Wissenschaftsdisziplinen und damit einhergehender Abgrenzungen. »[D]er größte Teil der Gegenstände, die in den Geisteswissenschaften zum Thema oder zum Ausgangspunkt von Untersuchungen gemacht werden, [befindet sich] in Sammlungen oder Museen, Bibliotheken oder Archiven« (Sommer 2002: 428). Entweder wird das Sammeln anderer für eigene Forschungs- und Erkenntnisfragen genutzt oder es werden selbst unterschiedliche Artefakte für die wissenschaftliche Arbeit gesammelt (vgl. Brandt 1994). Sammeln und Wissenschaft sind demnach zusammenzudenken, aber ihre Verhältnisbestimmung ist schwierig. »Die Verbindung zwischen Sammeln und Wissenschaft ist wesentlich komplexer, als es die Vorstellung von einer diffusen Anhäufung zur möglichen späteren Wissensgenerierung oder von einem gezielten, systematischen Vervollständigen des Wissens nahelegen möchte« (Heesen/Stary 2001a: 7).

Sammeln lässt sich folglich als Grundlage von Wissenschaft annehmen und als wissenschaftliche Forschung im Sinne eines absichtsvollen und systematischen Sammelns von Erkenntnissen beschreiben. Beide Typisierungen des Zusammenhangs von Wissenschaft und Sammeln schlagen jedoch in ihrer idealisierenden Setzung fehl. Das Sammeln ist als unerlässliches Element wissenschaftlicher Praxis zu fassen, da mit ihm materiale Fundstücke und gedanklichen Skizzen in systematische Erkenntnisse verwandelt werden und Wissen entwickelt wird (vgl. ebd.: 13). Da die Bedeutung der Generierung wissenschaftlichen Wissens durch das Sammeln als hoch eingeschätzt wird, werden insbesondere historische Sammelformen und -vorstellungen in Kunst- und Wunderkammern5 der frühen Neuzeit –

jekten als einen zentralen Aspekt der Narration heraus und verbindet auf diese Weise Erleben und Erinnern miteinander (vgl. auch Foer 2005). In Orhan Pamuks Roman Das Museum der Unschuld (2008) sammelt der Romanheld (Fund-)Stücke seiner sich letztlich nicht erfüllenden Liebe. Im Jahr 2012 wurde parallel zu der im Verlauf der fiktionalen Erzählung wachsenden Sammlung ein wirkliches Museum in Istanbul eröffnet, in dem im Roman auftauchende Objekte präsentiert und somit eine künstlerische Schnittstelle zwischen Erzählen und Erleben geschaffen wird. Auch Susan Sontag widmet sich in ihrem Roman The Volcano Lover dem Sammeln, Sammler/-innen und ihren Sammlungen. Echtes Sammeln vereint hier Begehren und Selbstzweck (vgl. Sontag 1993). 5

Zeitgenössisch wurden die Kunst- und Wunderkammern beispielsweise auch Raritätenkabinette oder Naturalienkammern genannt. Der Kunstbegriff ist in der Zeit des 16.

E INLEITUNG

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beispielsweise unter den Aspekten der Ordnung und Systematisierung von Wissen – untersucht. Vorrangig werden mehr oder minder institutionalisierte Sammelformen fokussiert, die als Orte der Kommunikation gelten (vgl. ebd.: 16). Wenn sich Sammeln als Teil wissenschaftlicher Praxis verstehen lässt, um Wissen zu generieren, lässt sich weiter argumentieren, dass es außerdem Teil alltäglicher Praktiken der Wissensgenese ist und sozialweltliche Kommunikationsräume und unterschiedliche Sammelformen umschließt. Dieses wird nachfolgend anhand nicht prestigeträchtiger Sammelformen systematisch erforscht und analysiert. Für die Erziehungswissenschaft ergeben sich – die vorangehenden Überlegungen zum Verhältnis von Wissenschaft und Sammeln einbeziehend – zwei Anknüpfungspunkte zur Untersuchung des trivialen Sammelns: Einerseits eine Perspektive auf den Umgang mit Objekten als mögliche leiblich-sinnliche Erfahrung, durch die (ästhetische) Bildung freigesetzt werden kann (vgl. beispielsweise Parmentier 2001; Priem/König/Casale 2012). Diese Perspektive ist nicht explizit Gegenstand dieser Arbeit, wenngleich sie in ihrem Erscheinen bei der Thematisierung des Sammelns nachfolgend nicht negiert werden soll. Andererseits lässt sich das Sammeln als eine kulturelle Praxis verstehen, mit der eine spezifische Wissenskommunikation einhergeht, in der sich pädagogische Intentionalität ausbildet, weshalb das von Jochen Kade und Wolfgang Seitter entfaltete Konzept pädagogischer Kommunikation als theoretischer Rahmen berücksichtigt wird (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a). Dabei verweist das Konzept auf das systemtheoretische Denken Niklas Luhmanns, bleibt jedoch von anderen erziehungswissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Systemtheorie abgespalten (vgl. Benner 1979; Luhmann 1987; Luhmann/Schorr 1987; Oelkers 1987; Oelkers/Tenorth 1987). Das Konzept löst sich von einem traditionellen Bildungsbegriff sowie einem klassischen Institutionenverständnis deutlich ab (vgl. Kade/Seitter 2007f). Pädagogische Kommunikation ist darum bemüht, pädagogische Intentionalität auf Basis der sozialen Institutionalisierung von Wissen zu fassen, die durch den Umgang mit Wissen entsteht. Hierdurch bietet es einerseits einen Anschluss zur Analyse sozialweltlich orientierter Aneignungsformen von Wissen. Andererseits unterliegt das Konzept in seinem technokratischen Selbstverständnis jedoch deutlichen Begrenzungen in seiner Reich- und Tragweite und ist daher aus erziehungswissenschaftlicher Sicht zu diskutieren.

und 17. Jahrhunderts weit umschrieben und umfasst handwerklich hergestellte Objekte sowie Naturalien, durch die die Schöpfungskraft Gottes ersichtlich werden sollte (vgl. Bujok 2004: 9f.).

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Die Verbreitung des Sammelns von trivialen Objekten ermöglicht es, das Phänomen als eine Schnittstelle zwischen Individualisierung und Kollektivierung innerhalb des alltäglichen Lebens zu beschreiben: »Sammeln wird zwar meist individuell betrieben, ist aber gleichwohl als kollektives Phänomen ernst zu nehmen« (Ilgen/Schindelbeck 1997: 8). Es ist zwar tendenziell vorstellbar und möglich, dass Sammler/-innen allein agieren und sich nicht mit Gleichgesinnten austauschen. Anzunehmen ist jedoch, dass der Austausch – auch über Ländergrenzen hinweg – notwendiger Bestandteil des Sammelns ist (vgl. Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 8): Durch das Sammeln von und den Umgang mit Objekten manifestiert sich ein Umgang mit Wissen von Einzelnen und Gruppen, anhand dessen soziale Beziehungen von Menschen durch Kommunikation und soziale Institutionalisierungen von Wissen veranschaulicht werden können. Neben der Wissensgenese und -sicherung eines Kollektivs durch Kommunikation spiegeln sich im Sammeln biografische Spuren der einzelnen Sammler/ -innen wider, die in die Wissenskommunikation eingebunden und mit ihr verknüpft werden. Jedoch ist hiermit noch nichts darüber ausgesagt, was Wissen als Wissen ausmacht. In einer Subjekt-Perspektive lässt sich Wissen »als persönlicher geistiger Besitz« (Grimm J./Grimm W. 1893: 746; Herv. i.O.) fassen. In einer Objekt-Perspektive »[wird] wissen in zunehmenden masze der ausdruck für geistige kenntnisse und erkenntnisse, vor allem seitdem wissenheit mit beginn des 17. jhs. seltener wird und wissenschaft mehr und mehr in die objective bedeutung übergeht« (ebd.; Herv. i.O.).6 Wie Ulrike Bollmann herausstellt, »[wird] [d]as Wissensproblem traditionell im Zusammenhang mit dem Problem der Erkenntnis behandelt. Aus diesem Grund ist es nicht nur schwer zugänglich, sondern tritt auch nur selten als eigenes Problem hervor« (Bollmann 2001: 32).

6

Diese zwei Perspektiven des Wissens zeichnen sich in der Begriffsgeschichte des Wortes wissen ab: wissen entstammt dem mhd. wizzen für »wissen, kennen, ahd. wizzan für »wissen, erkennen, verstehen, erfahren«, as. witan für »wissen«, germ. *witan für »gesehen haben, wissen, kennen«, idg. *ṷoida-, »gesehen haben, wissen«, zu idg. *ṷeid- für »sehen, erblicken, finden«, zu idg. *aṷ für »sinnlich wahrnehmen, auffassen«. In der Grundbedeutung des griechischen eĩdon meint es »ich erblickte, ich erkannte«, im altirischen ro-finnadar steht es für »findet heraus, entdeckt«. Wissen meint »Kennen eines Umstandes«, »Kenntnis«, »Kunde«, »Nachricht«. Das mhd. wizzen steht für »Wissen«, ahd. wazzen für »Wissen«, Lüt. lat. scientia für »Wissen«, neben mhd. wizzen für »Wissen, Einsicht, Gewissenhaftigkeit, Redlichkeit, Gewissen« (vgl. Grimm J./Grimm W. 1893: 742ff.; Kluge 2002: 994).

E INLEITUNG

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Aus Abgrenzungen und Distanzierungen, was nicht Wissen ist, stellt sich die Frage, was vom Wissen übrig bleibt und worin sein Kern zu suchen ist. Seit den Anfängen eines Wissensbegriffs in der Antike, mit dem die Frage nach seiner Begründung aufkommt, ist das Wissen von einem Meinen oder Glauben zu differenzieren. »Die platonische Hierarchie von wahrer Erkenntnis (Episteme), – hier noch vor der Abspaltung des wissenschaftlichen Wissens –, und bloßem Meinen (Doxa), setzt sich im bildungstheoretischen Diskurs bis heute in der Unterscheidung zwischen eigentlicher Bildung und bloßem Wissenserwerb fort« (ebd.: 33).

In der Moderne wird das Wissensproblem zu einem eigenständigen Thema (vgl. ebd.: 32ff.). Wissen ist unverzichtbares Moment menschlichen Lebens, allgegenwärtig im Sagen und Tun des Menschen, und »[es wird] rätselhaft, sobald man es selbst zum Gegenstand erhebt« (Fried/Süßmann 2001: 8). Den Ausgangspunkt bildet die Spannung zwischen vermeintlichem Wissen und (sehr umfangreichem) Nichtwissen7: Menschen wissen sehr viel, doch je mehr sich Wissen ausweitet, desto mehr wächst die Einsicht in den Umfang dessen, was nicht gewusst ist. Der Erkenntnisfortschritt hat seine Quelle in der Beobachtung der Welt und die dadurch immer wieder entstehende Spannung zwischen Wissen und Nichtwissen. Es existiert ein innerer Widerspruch zwischen vermeintlichem Wissen und Tatsachen. Schnell lässt sich vermuten, dass Wissen auf erfolgreichem Problemlösen basiert. Doch diese Lösungsvorschläge sind noch kein Wissen, wenn sie aber der Kritik standhalten, d.h. den Versuchen, sie zu widerlegen, sind sie als vorläufiges Wissen akzeptiert. Vorläufigkeit und Beweglichkeit des Wissens haben eine hohe Bedeutung, denn es gibt kein endgültiges Wissen. Wissen besteht demnach immer nur in versuchsweisen Lösungen und schließt prinzipiell die Möglichkeit ein, dass es sich als Irrtum herausstellen wird. Eine permanente kritische Prüfung von Annahmen, Hypothesen und Theorien erscheint als unumgänglich (vgl. Popper 1984: 11ff.). Die Schwierigkeit, Wissen als Wissen zu fassen, führt dazu, den besonderen Charakter des Wissens herauszustreichen.

7

In der Wissensgesellschaft und den Ausformungsversuchen eines zunehmend präziseren Wissens wird die Präsenz des Nichtwissens sichtbarer. »Nichtwissen erweist sich als die avancierte Gestalt des Wissens in der Wissensgesellschaft« (Kocyba 2004: 305). Die Auseinandersetzung mit Nichtwissen erhält dementsprechend zunehmend Beachtung und wird in seiner pädagogischen Bedeutung herausgearbeitet (vgl. Ruhloff 2011).

20 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK

Denn Wissen ist stets ein Wissen von etwas: »wissen besagt, dasz man etwas erfahren hat oder – in einem noch weiteren sinne genommen – dasz etwas einem nicht unbekannt geblieben ist. Damit hängt es zusammen, dasz wissen allein keine nähere kenntnis zum ausdruck bringen kann, sondern nur eine seite des objects umgreift« (Grimm J./Grimm W. 1893: 751; Herv. i.O.).

Wissen bewegt sich in kontinuierlichen Übergängen und an Polen, an deren Schnittstellen sich Wissenspraxen ausbilden. Sigrid Nolda hat in ihrer Studie zu Interaktion und Wissen dargelegt, dass der Wissenscharakter des Wissens nur durch Kommunikation gesichert ist (vgl. Nolda 1996). Kommunikation setzt immer eine Differenz zwischen dem, was man bereits weiß und dem, was man durch Kommunikation – auch über sich selbst – wissen kann bzw. in Erfahrung zu bringen sucht, voraus. Der Begriff Wissen schließt an die Überlegung an, dass eine, als relevant eingestufte, Information zu Wissen wird, wenn jene in einen Erfahrungskontext gesetzt und verarbeitet wird. Wissen durchläuft also Selektionsprozesse der Bedeutung in kulturellen Kontexten (vgl. Willke 1998: 11f.). Dokumentierte Prozesse und die Expertise des Wissensumgangs bieten die Möglichkeit, sowohl Geltungsansprüche des Wissens als auch seine unterschiedlichen Formen zu kontrastieren. Es sind an Wissen bestimmte Erfordernisse zu stellen, die sich folgendermaßen strukturieren lassen: • •







Wissen muss begründbar sein, demnach fernab von subjektiven Eingebungen oder Meinungen anzusiedeln sein. Wissen muss sowohl in logischer als auch sprachlicher Hinsicht systematisch sein. Die Systematik erhöht die Eindeutigkeit des Wissens und bestimmt die Verhältnisse, in denen Wissen steht. Wissen muss intersubjektiv vermittelbar sein. Andere Kommunikationsteilnehmer/-innen müssen demnach zu denselben Ergebnissen gelangen, wenn sie ein bestimmtes Wissen anwenden. Wissen muss in seiner inhaltlichen, sozialen und zeitlichen Dimensionierung erfasst werden. »Zeit stellt ein grundlegendes Strukturmerkmal von Wissen dar. Wissen veraltet nicht nur einfach, wie in zahlreichen Diagnosen zur Wissensgesellschaft zu lesen ist, sondern ist geprägt von Ungleichzeitigkeiten und dem Nebeneinander von Wissensformen mit differenter zeitlicher Struktur« (Höhne 2009: 906). Der performative Charakter von Wissen muss beachtet werden, um seine Geltung zu legitimieren: »Wissen bildet nicht nur, wie in der klassischen Erkenntnistheorie unterstellt, Wirklichkeit ab. Es ist performativ, schafft

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Wirklichkeit, eröffnet Handlungsfelder, definiert Vorgaben guter Praxis und richtiger Lebensführung« (Kocyba 2004: 304). Wissen hat einen Inhalt und damit eine sinnliche Komponente.

Diese Anforderungen dienen dazu, die Überprüfbarkeit von Wissen zu garantieren und seine Begründungszusammenhänge kenntlich zu machen. Immer sind mit den genannten Erfordernissen spezifische Ansprüche auf Allgemeinverbindlichkeit, Sicherheit und auf Wahrheit des Wissens verbunden (vgl. Bollmann 2001: 32). Kommunikation kann in diesem Sinne zunächst als Konglomerat für Wissensgenese, Wissensvermittlung, Wissensaneignung und Wissenskonservierung stehen. Dabei bedeutet die Evolution der Genese, Weitergabe und Speicherung von Wissen durch Neuerungen technischer und gesellschaftlicher Art – vom mündlich überlieferten Wissen über das Buch bis hin zu Techniken und Medien mit einer enormen Veränderungsenergie wie dem Computer und dem Internet – zugleich eine Pluralität und Revolution dessen, was Wissen ist und wo es vorzufinden ist. In vorangegangenen Epochen war Wissen primär an Bücher gebunden: »Wissen generierte sich nicht zuletzt durch beständige Lektüre und Relektüre der vorhandenen Bücher« (Büttner/Friedrich/Zedelmaier 2003a: 7). Die allmähliche Veränderung der Wissensspeicherung und -weitergabe von einem mündlichen Wissen über Buch, Computer und Internet zeigt, so variantenreich die Arten des Wissens sind, so vielfältig sind die Plattformen, auf denen Wissen repräsentiert und gespeichert wird. »Interaktivität, Virtualität, Digitalität, Multimedialität, Vernetzung [und, Erg. D.W.] Entlinearisierung« (Höhne 2009: 902) gelten als Kennzeichnen der Wissensoperateure der Gegenwart.8 Kommunikation, soziale Institutionalisierung von Wissen und pädagogische Intentionalität beim Sammeln Der Zusammenhang zwischen Sammeln und Kommunikation ist in die Praxis des Sammelns eingelagert: Sammeln ist eine zeitintensive und sozial bedeutsame Kulturtechnik im Leben vieler Menschen, mit der Kommunikation untrennbar verbunden ist. Es lässt sich konstatieren, dass jedes Geschehen sozialer Art zwar Kommunikation (vgl. Durkheim 1965 [1895]; Bourdieu 1982; Luhmann 1990), aber nicht notwendigerweise immer pädagogisch relevant ist. Unter Einbezug

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Jedoch bleibt die mediale Kompetenz und Kritikfähigkeit, die einen solchen, virtuell gerahmten, Umgang mit Wissen notwendig macht, oftmals hinter den Entwicklungen und Möglichkeiten des Wissens zurück. Innerhalb der Medienpädagogik wird diese Kontroverse diskutiert und es werden Konzepte entwickelt, um mediale Kompetenzen zu fördern (vgl. beispielsweise Nolda 2002).

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des Konzepts der pädagogischen Kommunikation nach Kade und Seitter (vgl. Kade/Seitter 2002, 2003, 2005, 2007, 2007a) untersucht die Studie das Sammeln von trivialen Objekten durch Erwachsene hinsichtlich des Umgangs mit Wissen und Formen der (sozialen) Institutionalisierung von Wissen durch Kommunikation. Soziale Institutionalisierungen von Wissen sind als Verbindung von Vermittlung, Aneignung und Überprüfung von Wissen gefasst, aus der (oftmals implizite, aber vitale) pädagogische Absichten hervorgehen, wie beispielsweise die Sicherung von Kommunikation(sanschlüssen) oder Wissensressourcen, die Aushandlung von Sinn und Verstehen sowie die Vereinbarung menschlicher Handlungsorientierungen, sozialer Regelungen und Praktiken. Durch das Konzept pädagogischer Kommunikation werden Prozesse der sozialen Konstitution des Pädagogischen, d.h. aneignungsbezogene Formen von Wissensvermittlung, erfasst. Als eine erste Frage stellte sich hier: Über welches Wissen müssen Sammler/ -innen verfügen, um in der Kommunikation mit Gleichgesinnten nicht fortlaufend Unverständnis oder Irritation hervorzurufen? Demnach gehört zum Sammeln nicht nur das Suchen und das nachgelagerte Ordnen von Objekten, sondern auch ein Instandhalten und ein spezifisches Wissen über und Interesse an etwas Gegenständlichem. Folglich lässt sich das Sammeln als eine explizite Praxis definieren. Das Sammeln offenbart eine besondere Kommunikationskultur, in die pädagogische Intentionalität eingewoben ist und die sich in Anlässen pädagogischer Kommunikation manifestiert. Dabei werden die Bedingungen des trivialen Sammelns unter verschiedenen Blickwinkeln thematisiert: Einerseits werden aktuelle Kommunikation bzw. die entsprechenden Akteure zum Gegenstand, andererseits erfolgt eine Perspektivierung des Phänomens aus erziehungswissenschaftlicher Warte, von der aus das Sammeln nicht ohne seinen historischen Wandel beschrieben werden kann. Während die bisherige Forschung zum Sammeln im Wesentlichen den Zusammenhang von Sammeln, Motivlagen und Funktionen ergründet, will diese Studie den Fokus um kommunikative und somit sozio-strukturelle Perspektiven erweitern. Im Zentrum steht die Frage, wie Sammler/-innen kommunikativ mit Wissen umgehen und welche kommunikativen Praktiken und Strukturen beim Sammeln von Gegenständen entstehen. Weiterführend wird gefragt, welche Formen pädagogischer Kommunikation sich in diesen Strukturen und Praktiken entwickeln und inwiefern sie für eine Bildung Erwachsener in sozialen Welten bedeutsam sind. In der Kommunikation von Sammler/-innen lässt sich eine Selbstdifferenzierung zwischen echten und unechten Sammler/-innen feststellen. Zudem lassen sich verschiedene Typen wie beispielsweise Laien und Expert/-innen klassifizieren. Aus diesen kommunikativen Markierungen der Sammelnden erwächst ein pädagogisches Potential: Die echten Sammler/-innen konstituieren – im Gegen-

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satz zu den unechten – soziale Kommunikationsräume, in denen sie spezifische Praktiken anwenden, um den eigenen Sammelbestand zu erweitern (vgl. Stagl 1998: 45) und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Als einfachste Form des Zusammenschlusses von Sammler/-innen können mehr oder minder organisierte Gruppierungen wie Arbeitsgemeinschaften oder Vereine gelten. Diese bilden eine Plattform, auf der sich die Sammeltätigkeit durch (Aus-)Tausch, Kritik und Bewunderung entfalten kann. Je nach Spezialität und Verbreitung des Sammelns beschränkt sich die Organisation auf lockere, gelegentliche oder feste lokale Kontakte, oder aber es werden überregionale bzw. internationale Organisationen ausgebildet. In bestimmten Sammelgebieten verdienen Händler mit dem Verkauf von Sammelobjekten ihren Lebensunterhalt. Auch »Sammler machen ihr Hobby zum Beruf und bilden Märkte, auf denen hohe Gewinne […] zu machen sind. Oftmals verlängert das Sammeln die berufliche Qualifikation wie bei Menschen, die sich als ›pragmatische‹ Sammler verstehen und hochwertiges Arbeitsgerät für ihren Beruf sammeln« (Köstlin 1994: 14).

Es werden mitunter eigene Sammlerklubs mit Vorzugs- oder Sonderangeboten ausgebildet. Weitere Fund-, Informations-, und Kommunikationsquellen sind Flohmärkte und Tauschbörsen, die als Sammelparadies gelten, sowie Spezialbzw. Fachzeitschriften (vgl. Bausinger 2007: 4), Auktionen, Antiquitätenläden oder Antiquariate und zunehmend Online-Angebote. Durch die wachsende Mobilität der Menschen und das Internet9 wird die Suche nach Sammlungsobjekten vereinfacht und selbst Seltenes oder Ausgefallenes wie z.B. rare Pflanzensamen werden für Sammler/-innen zugänglich. Das Internet bietet eine doppelte Betrachtungsperspektive an: Einerseits stellt es ein kulturelles Artefakt dar, welches auch im Alltag von Sammler/-innen eine Rolle spielt. Andererseits handelt es sich um einen eigenständigen Kommunikationsort mit spezifischen kulturellen Segmentierungen und sozialen Regelungen (vgl. Hine 2000: 14ff.). Hier erhält die Arbeit eine medienwissenschaftliche Dimension, denn durch die Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Kommunikationsmittel erschließen sich Sammler/

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Auch in Blogs (oder Web-Logs), einem von Personen oder Organisationen geführten virtuellen Tagebuch zu diversen Themen (vgl. Fischer/Hofer 2011: 119), werden Sammlungen dokumentiert und präsentiert, so beispielsweise in einem Blog namens „A Collection a Day“ (vgl. http://collectionaday2010.blogspot.de). Dort wurden im Jahr 2010 jeden Tag unterschiedliche Kollektionen durch Fotografien, Zeichnungen oder Bilder gezeigt und im Anschluss auch in Buchform veröffentlicht (vgl. http://collectionaday.com).

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-innen in jüngerer Zeit neben den oben genannten Flohmärkten und Tauschbörsen zusätzliche Kommunikationsorte wie z.B. Internetforen, die aufgrund ihrer örtlich und zeitlich flexiblen Zugangsmöglichkeit einen immer größer werdenden Stellenwert im kommunikativen Austausch von Menschen einnehmen (vgl. Höflich 1996; Wehner 1997; Thimm 2000; auch Meder 2000). 10 Der verwendete Ortsbegriff lässt sich im Anschluss an Anthony Giddens dementsprechend als sozial konstruierter Ort und gleichzeitiger Aneignungsort von Wissen fassen (vgl. Giddens 1992: 426). Diese veränderten Dimensionen des Sammelns führen zu einem Wandel in der Kommunikationskultur der Sammler/-innen. Während im 19. Jahrhundert das Reisen eine der wichtigsten Strategien des Sammelns von Gegenständen darstellte, lassen sich in der Gegenwart Sammelgegenstände bequem per Internet suchen. Durch die so entstehenden und genutzten unterschiedlichen Kommunikationsorte11 erfolgt eine implizite Generierung (vgl. Hitzler/ Honer/Maeder 1994) sowie Vermittlung und Aneignung von Wissen (vgl. Marquard 1994; Raptor 2000), in die pädagogische Kommunikation eingebunden ist.12 Sammler/-innen erschaffen scheinbar beiläufig sowohl kommunikative Orte des Wissens jenseits institutioneller Gebundenheit als auch eine Kultur des Verstehens und Erinnerns von Zeitgeschichte(n) (vgl. Benjamin 1983: 271), in der das kollektive, kommunikative Gedächtnis13 der modernen Wissensgesellschaft angereichert wird. In dieser Hinsicht schließt das Sammeln an eine Konjunktur des Erinnerns und der Erinnerung an (vgl. Halbwachs 1967; Assmann 1999). Die Untersuchung lenkt – am Beispiel eines verbreiteten sozialen Phänomens und

10 Zur Entstehung und Verbreitung des Internets sowie seiner kulturellen, gesellschaftlichen, sozialen und politischen Bedeutung sind in den vergangenen Dekaden unzählige Publikationen entstanden (vgl. z.B. Münker/Roesler 1997; Bunz 2008; Gross/Marotzki/Sander 2007; Warnke 2011). 11 Zu virtuellen Kommunikationsorten wie z.B. Chats und Internetforen wird in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen geforscht (vgl. Haase/Huber/Krumreich/Rehm 1997; Runkehl/Schlobinski/Siever 1998). 12 Es existieren aber auch Sammler/-innen, Sammelformen sowie Sammelgebiete, bei denen das Sammeln weniger kommunikativ ist, einen geringeren Grad von Komplexität aufweist oder vorrangig auf eine dekorative Verschönerung des Alltags ausgerichtet ist. 13 Aleida und Jan Assmann haben den von Maurice Halbwachs geprägten Begriff des kollektiven Gedächtnisses weiter differenziert, indem sie ihn in ein kommunikatives Gedächtnis (mémoir collective) einerseits und ein kulturelles Gedächtnis (mémoir culturelle) andererseits unterteilen (vgl. Halbwachs 1967; Assmann 1992; Assmann 1999).

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vermittelt über ein Konzept pädagogischer Kommunikation – die Aufmerksamkeit auf die Genese von sozialen Welten und die darin vollzogenen Praktiken, die Rückschlüsse auf die Bildung Erwachsener zulassen. Innerhalb der Erziehungswissenschaft müssen jedoch ein vieldeutiger Wissensbegriff und unreflektierter Wissensgebrauch sowie die Annahme einer vielfältigen pädagogischen Intentionalität hinsichtlich ihrer Befunde und ihrer Reichweite bestimmt werden. Hierdurch lassen sich Aussagen darüber treffen, was beim Sammeln unter Wissen verstanden werden kann und wie mit diesem Wissensverständnis hinsichtlich einer pädagogischen Intentionalität umzugehen ist. Weiterhin lässt sich ermitteln, welcher Stellenwert dem Phänomen des trivialen Sammelns zukommt. Durch die Rekonstruktion von Wissen in seiner thematischen, zeitlichen und vor allem sozialen Dimension und die Untersuchung des Wissensumgangs von Sammler/-innen können jedoch nicht alle möglichen Elemente des Zusammenhanges von Sammeln und Wissen herausgearbeitet werden. Es ist daher das Forschungsziel, soziale Formierungen von Wissen aufzudecken. Deshalb bildet eine Analyse der Kommunikationscharakteristika die Grundlage, um die in der Kommunikation enthaltenen Systematiken zu erhellen. Dieses sind deutliche Hinweise, das Vorgehen auf der qualitativen Forschungsebene anzusiedeln (vgl. König 1995). Dementsprechend orientiert sich diese Arbeit in theoretischer Perspektive am Soziale Welten-Ansatz von Anselm L. Strauss (1991, 1993a) und dem bereits erwähnten Konzept pädagogischer Kommunikation von Jochen Kade und Wolfgang Seitter, welche als (Vor-)Wissen berücksichtigt werden. Diskursive Rahmung Als diskursiver Hintergrund der Thematisierung von Prozessen der Wissenskommunikation lässt sich in jüngerer Zeit eine erziehungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Formen der sozialen Institutionalisierung von Wissen nennen (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a), durch die die Differenz von Bildungsund Lernprozessen inner- und außerhalb von Bildungsorganisationen aufgehoben und eine erweiterte Perspektive auf Bildung ermöglicht werden soll. Demnach lassen sich die Folgen des Übergangs einer industriellen zu einer postindustriellen Gesellschaft (vgl. Touraine 1971; Bell 1973) innerhalb der Erziehungswissenschaft seit den 1970er/1980er Jahren – an späterer Stelle stärker exemplifiziert anhand der Teildisziplin Erwachsenenbildung14 – als eine Aus-

14 Der Begriff Erwachsenenbildung wird an dieser Stelle synonym mit dem Begriff Weiterbildung verwendet. Erwachsenenbildung/Weiterbildung meint institutionell organisierte Formen des Lernens und der Bildung von Erwachsenen (vgl. Wittpoth 2003).

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dehnung der pädagogischen Landschaft skizzieren, die begrifflich durch eine »Entgrenzung« der Pädagogik (vgl. Kade 1997) und eine »Pluralisierung« von Lern- und Bildungsorten gefasst werden kann (vgl. beispielsweise Münch 1977; auch Arnold/Münch 1996; Kade/Seitter 2002): »Bildungs- und Lernprozesse Erwachsener finden [demnach; Erg. D.W.] heute in großer Zahl außerhalb pädagogischer, d.h. auf Bildung und Lernen spezialisierter Institutionen und jenseits professioneller Betreuung […], an verschiedensten sozialen Orten und in unterschiedlichsten Räumen statt« (Kade 1997: 19).

An den expandierten, pluralen Lern- und Bildungsorten übernehmen bestimmte Systeme wie Expertensysteme oder ein spezifisches Wissen (z.B. Erfahrungswissen) oftmals vitale Funktionen zum Erhalt und zum Ausbau der Wissensorte. Neben den institutionellen werden daher lebensweltliche Bildungs- und Aneignungsprozesse, neben formellen werden informelle Bildungsformen15 von Erwachsenen wissenschaftlich ergründet, thematisiert und in den Diskurs, was Erziehungswissenschaft respektive Erwachsenenbildung ist oder sein soll, inkludiert. Pädagogische Intentionalität, d.h. pädagogisch absichtsvolle Wissensvermittlung und -aneignung, wird nicht mehr nur in Institutionen, sondern an unzähligen und ungezählten Orten vermutet. Mit einer »Universalisierung« des Pädagogischen (vgl. Kade 1989; Lüders 1994) wird eine Ausweitung des Pädagogischen in alle Lebensbereiche diagnostiziert16 und ein Gestaltwandel der Wissenskategorie propagiert: »Seit den 70er-Jahren beinhalten die soziostrukturellen, kulturellen und ökonomischen Veränderungen elementare Transformationen einschließlich seiner Vermittlungs- und Aneignungsformen. Pluralisierung, Individualisierung, die Orientierung an Kompetenzen auf der einen Seite, aber auch (Re-)Standardisierungen und Modularisierung auf der ande-

15 Informelles Lernen und informelle Bildung Erwachsener finden sowohl auf bildungsund gesellschaftspolitischer Ebene (vgl. Europäische Kommission 2001; BMBF 2005) als auch im erziehungswissenschaftlichen Diskurs (vgl. Dohmen 2001; Fischer 2003; Künzel 2005; Kade/Seitter 2006) dementsprechend eine zunehmende Beachtung. Diese Entwicklung geht mit einer fortschreitenden globalen Ausrichtung der Bildungspolitik unter dem Gesichtspunkt eines lebenslangen Lernens einher (vgl. Dohmen 1996; Schreiber-Barsch 2007). 16 Auch aus der systemtheoretischen Sicht Niklas Luhmanns ist das Bildungs- und Erziehungssystem mehr durch multiperspektivische, fluide Formen der Bildung Erwachsener als durch feste Bildungsorte bzw. -settings geprägt (vgl. Luhmann 1984, 2002).

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ren Seite stellen hierbei wichtige, teilweise paradoxe Tendenzen der Formveränderung von Wissen dar« (Höhne 2009: 903).

In der sozialwissenschaftlichen (Zeit-)Diagnose der »reflexiven Modernisierung« (vgl. Beck/Giddens/Lash 1996) findet diese Entwicklung ihren Ausdruck. Dabei beschreibt das soziologische Konzept Wissensgesellschaft den Kern dieser zweiten, reflexiven Moderne. Wissen und Kommunikation sind neben Kapital und Arbeit zu entscheidenden Produktionsfaktoren innerhalb der Gesellschaft avanciert (vgl. Bell 1973; Stehr 1994; Höhne 2003). 17 Während sich zunächst die Produktivkraft des Wissens in der Wissensgesellschaft hervorheben lässt, ergibt sich bei eingehenderer Prüfung ein gespaltenes Bild dieses Wissens: Die Individualisierung der Wissenserzeugung und -verbreitung sowie des Wissenserwerbs erfordert von Seiten der Pädagogik neue pädagogische Konzepte, wie beispielsweise solche zu Schlüsselqualifikationen und Kompetenzen, aber auch zunehmend ein sogenanntes Wissensmanagement. Mit diesen Konzepten gehen maßgeblich Flexibilisierungs- und Funktionalisierungstendenzen des Umgangs mit Wissen einher. Es werden gleichermaßen soziale Einschlüsse und Ausschlüsse produziert (vgl. Höhne 2009: 903f.). Das zum Kapital gewordene Wissen soll sich je nach Ausrichtung und Form sozial, kulturell oder ökonomisch bezahlt machen (vgl. Bourdieu 1997 [1983]: 49ff.). Dieses Wissensbild »[bringt] relativ unmittelbar soziale Vorteile bzw. Nachteile in der Form von Einfluss, Ansehen, Macht und Herrschaft mit sich« (Stehr 1994: 185) und bricht mit einer gedanklichen Verknüpfung von Erkenntnis, Bildung und Menschsein. »Das alte Prinzip, wonach der Wissenserwerb unauflösbar mit der Bildung des Geistes und selbst der Person verbunden ist, verfällt mehr und mehr. Die Beziehung der Lieferanten und Benutzer der Erkenntnis zu dieser strebt und wird danach streben, sich in der Form darzustellen, die das Verhältnis der Produzenten und Konsumenten von Waren zu

17 Der Topoi Wissensgesellschaft lässt sich nach Thomas Höhne diskurstheoretisch in zwei Phasen gliedern: »Die frühen Konzepte der 60er- und 70er-Jahre in der Diskussion um die postindustrielle Gesellschaft bilden den älteren Wissensgesellschaftsdiskurs« (Höhne 2009: 898), an die neuere Überlegungen zur Abhängigkeit der gesellschaftlichen Systeme von Wissen und seiner Organisierung anschließen (vgl. Höhne 2009: 899). Hermann Kocyba kommt zu dem Schluss, dass »[i]n gewisser Weise die Wissensgesellschaft von heute nicht die direkte Nachfolgerin der ›postindustriellen Gesellschaft‹ Daniel Bells [ist], sondern die recycelte Gestalt postmodernistischer Zeitdiagnosen der achtziger und neunziger Jahre« (Kocyba 2004: 302).

28 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK diesen auszeichnet: die Wertform. Das Wissen ist und wird für seinen Verkauf geschaffen […], und es wird für seine Verwertung in einer neuen Produktion konsumiert […]: in beiden Fällen, um getauscht zu werden. Es hört auf, sein eigener Zweck zu sein, es verliert seinen ›Gebrauchswert‹« (Lyotard 2009 [1979]: 31; Herv. i.O.; vgl. auch ebd.: 23ff.).

Mit der kapitalen Aufladung des Wissens verliert es seine begriffliche Kontur (vgl. Kocyba 2004: 300). »Immer ungreifbarer wird, was in all den Diskursen über Wissen als Wettbewerbsfaktor, über Wissensgesellschaft, Wissensökonomie und Wissensmanagement eigentlich unter Wissen verstanden wird« (ebd.). Bedingt durch die soziale und räumliche Mobilität der Gesellschaft oszillieren Wissen und Kommunikation und die damit verbundenen Ansprüche auf Wahrheit oder Gültigkeit nahezu in allen gesellschaftlichen Teilbereichen. Luhmann spricht von einer »funktionalen Differenzierung der modernen Gesellschaft« (Luhmann 2002: 113). Die Selbstcharakterisierung von Gegenwartsgesellschaften als Wissensgesellschaften respektive die systemtheoretische Übernahme dieser Formulierung von den Sozialwissenschaften als selbige, suggeriert eine reflexive Beziehung ihrer Gesellschaftsmitglieder zum Wissen (vgl. Tänzler/Knoblauch/Soeffner 2006: 8). Die Frage des Umgangs mit einer solchen diagnostizierten Verfasstheit der Gesellschaft fordert die Erziehungswissenschaft und ihre Teildisziplinen zunehmend heraus (vgl. Wittpoth 2001). Die Erziehungswissenschaft scheint aufgerufen, durch Minimierung von Wissensdefiziten (vgl. beispielsweise Nolda 2001) und durch eine Institutionalisierung des Lernens in allen Lagen (Lebenslanges Lernen) zu reagieren. Methodik In einem Ausschnitt wird nachfolgend der Umgang mit Wissen von Sammler/ -innen auch empirisch erforscht. Um ein umfassendes Bild des Sammelphänomens nachzuzeichnen, liegt es nahe, dass sich das Forschungsprojekt methodisch an einem triangulativen Vorgehen orientiert: Es wurde zunächst eine Kombination aus teilnehmender Beobachtung und narrativ-ero-epischen Interviews als Grundlage des Forschungsprozesses gewählt sowie im Anschluss anhand der Internetforenkommunikation als erweitertes soziales System (vgl. Luhmann 1984) der Umgang mit Wissen auf Basis der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (vgl. Mayring 2002, 2010) untersucht. Durch die methodische Pluralität konnten sowohl spezifische Gemeinschafts- als auch Kommunikationsformen im Phänomen des Sammelns ermittelt und analysiert werden. Zwei methodologische Grundideen bilden die Hintergrundfolie des Vorgehens: Erstens verortet es sich im Feld der heuristischen Forschung lebensweltlicher Ethnographie, wie sie in Deutschland beispielsweise Anne Honer und Ro-

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nald Hitzler mit ihrem »lebensweltlichen Ansatz« begründet haben (vgl. Hitzler/Honer 1988; Honer 1985, 1989, 1991, 1993). »Wenn wir vom ›lebensweltlichen Ansatz‹ sprechen, dann meinen wir ein Forschungsverfahren, das sich aus der Verbindung von Ethnographie und Phänomenologie ergibt« (ebd. 1991: 320). Ethnographie dient als »Rahmenverfahren« (Krotz 2005: 285) der Untersuchung. Das Forschungsprojekt orientiert sich zweitens an der Forschungshaltung der Grounded Theory, wie sie Anselm L. Strauss und Barney Glaser, später dann Anselm L. Strauss gemeinsam mit Juliet M. Corbin, entwickelt haben (vgl. Schütze 2002; Strauss/Corbin 1996, Glaser/Strauss 1998). Beiden Ansätzen ist zum Einen gemeinsam, dass auf Basis von Kommunikation eine Verständigung zwischen Forscherin und den im Rahmen der Untersuchung befragten Menschen ermöglicht werden soll, um Theorie(n) zu generieren. Beide Gruppierungen – Forscherin und Beforschte – können demnach prinzipiell an denselben als auch unterschiedlichen kulturellen und sozialen Verbindungen durch Kommunikation teilhaben. Zum Anderen fokussieren beide Forschungswege einen hohen Partizipations- und Reflexionsgrad der Forscherin im Forschungsfeld. Außerdem richtet sich das Vorgehen bei beiden Verfahren immer am Untersuchungsgegenstand aus und lässt damit einzelne Schritte von Grounded Theory und Ethnographie sehr gut kombinieren. Forschungsdesiderat Innerhalb der Erziehungswissenschaft ist das triviale Sammeln durch Erwachsene bislang kaum bzw. unter dem Aspekt des Umgangs mit Wissen noch gar nicht untersucht worden. Pädagogische oder pädagogisch intendierte Studien zum Sammeln konzentrieren sich vorrangig auf das kindliche Sammeln (Duncker 1990; 1992; 2001; 2004; 2006; auch Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999, Duncker/Kremling 2010a) bzw. auf die Deskription von Sammler/-innen als Kulturträger und -bewahrer (vgl. Segeth 1989). Beim kindlichen Sammeln wird neben phänomenologisch beschreibenden Überlegungen (vgl. Fatke/Flitner 1983) und Formen von kindlicher Weltaneignung (vgl. Duncker/Kremling 2010a) hauptsächlich die Aufbereitung des Phänomens als Ausgangspunkt zur Nutzbarmachung für Lernen und Bildung in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Museen herausgearbeitet. Seine schultheoretische Bedeutung für unterschiedliche Lernkulturen wird in zahlreichen grundschuldidaktischen Handreichungen manifestiert (vgl. Duncker 1995, 2007; Meiers 2007; Melzer 2007;

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Neubert 2007; Pohl 2007; Tabbert 2007).18 Besonders wird die im Sammeln angelegte Selbsttätigkeit, Selbststeuerung und der bildende Gedanke des Sammelns hervorgehoben, die auch das Sammeln im Erwachsenenalter zu tangieren scheinen (Duncker 2001, 2004, 2010). Unter dem Aspekt des Wissensumgangs, mit der pädagogische Intentionalität einhergeht, stellt der Einbezug des Konzeptes pädagogischer Kommunikation in sozialweltliche Kommunikationswelten ein Novum dar. Es ist ferner festzustellen, dass psychologische Diagnosen, Deutungen und Wertungen des Sammelns, die dieses z.B. als Ausdruck von Ängsten oder Störungen begreifen, innerhalb der Pädagogik Anklang gefunden haben. Diese psychologisch motivierte Orientierung sowie (ökonomische) Rechtfertigungsstrategien werden dem Phänomen aus erziehungswissenschaftlicher Sicht keinesfalls gerecht, denn sie verengen die Perspektive, anstatt nach alternativen Deutungen des Sammelns zu fragen (vgl. Segeth 1989). Die Beschäftigung mit dem Thema Sammeln erfordert eine genaue Beschreibung des Phänomens, seiner Hintergründe und der Intentionalität, die mit dem Phänomen verbunden ist. Eine empirische Studie zur Unmittelbarkeit des sozialen Lebens ist insofern eine Herausforderung, als dass das Thema Sammeln sich neben anderen alltäglichen Ereignissen und Phänomen gegenwärtig einer zunehmenden Beliebtheit in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung erfreut (vgl. Wissenschaftsrat 2011), über die mit dem Sammeln verbundenen Prozesse des Umgangs mit Wissen und der Kommunikation, die mit der Tätigkeit verbunden sind, jedoch wenig bekannt ist. Kapitelaufbau Die vorangegangen Ausführungen berücksichtigend bauen sich die Kapitel im Buch folgendermaßen auf: Im ersten Kapitel wird das Phänomen des trivialen Sammelns in Bezug auf seine sozialweltliche Bedeutung in der modernen Gesellschaft umrissen, da innerhalb von Gesellschaft und Wissenschaft unterschiedliche (medial vermittelte) Bilder über das Sammeln existieren (vgl. Peter/Volk 1994). Dem Sammeln wohnen z.B. Vorstellungen von Leidenschaft und Leiden inne (vgl. Garatwa 1994).19 Die hierzu entfaltete Geschichte des Sam-

18 Jedoch wird von Ludwig Duncker auch betont, dass es nicht darum gehen kann, jegliche Tätigkeiten von Kindern didaktisch zu instrumentalisieren (vgl. Duncker 1992). 19 Stefanie Peter und Annette Volk stellen durch eine sprachliche Analyse von Zeitungsartikeln zur Thematik des Sammelns heraus, dass sich bei der Art der Darstellung des Sammelns und der Sammler/-innenpersönlichkeiten in den Medien »eine bestimmte Wortwahl geradezu wie ein roter Faden durch die Artikel zieht« (Peter/Volk 1994:

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melns ist auch die Geschichte eines sich sozialräumlich ausweitenden Wissens über Gegenstände und deren Geschichte, Funktionen und Bedeutungen. Durch Kommunikation und Wissensexplikation bilden sich bis zur Gegenwart bei gleichzeitiger Zunahme der verfügbaren Gegenstände Formen der Spezialisierung des Sammelns und Wissens aus. Anhand der Veränderung und Entwicklung von Sammlungen und damit einhergehend des Wandels der Sammler/-innenschaft lässt sich eine gesellschaftliche Differenzierung im Bereich des Zusammenhangs von Wissen und Sammeln nachvollziehen. Bildungstheoretisch lässt sich dieses als Weiterführung einer geschichtlichen Entwicklungslinie des Sammelns und eines damit verbundenen Wissens beschreiben, die mit der Renaissance20 aufkeimt. Das Sammeln erfährt im geschichtlichen Verlauf nicht einen Funktions- und Bedeutungsverlust, sondern einen Wandel in seiner Funktion und Bedeutung. Außerdem werden die historischen mit aktuellen Forschungsüberlegungen zum Sammeln abgeglichen, um ein fundiertes Verständnis der trivialen Ausprägung des Phänomens zu erhalten. Die Entfaltung der Dimension des Sammelns als Wissenskommunikation führt auf die Problematik der Kommunikation und den Aufbau sozialer Sinn- bzw. Lebenswelten. Auf dieser Grundlage wird im zweiten Kapitel ein systematisch-theoretischer Rekurs auf institutionelle Bezugspunkte der Bildung Erwachsener entfaltet, der den Rahmen der Arbeit darstellt. Zunächst wird ein Einbezug lebensweltlicher Bildungs- und Aneignungsprozesse in den erwachsenenbildnerischen Diskurs erörtert (vgl. Geißler/Kade 1982). Das Konzept der »Entgrenzung« (vgl. Kade 1989, 1997) und die These einer »Universalisierung« des Pädagogischen (vgl. ebd. 1989; Lüders 1994) dienen der Deskription eines Perspektivwechsels auf den Institutionalisierungsbegriff innerhalb der Erwachsenenbildung. 21 Daran an-

62): Die Betonung des Leidenschaftlichen, also des Sammelns als Obsession oder Fieber (vgl. Donath 1920; Theewen 1994), gleicht einem Standard, der das Phänomen zu beschreiben sucht. Das hier hinter aber ein Stereotyp liegt, welches auch von Sammler/-innen selbst als Klischee aufgegriffen wird, bleibt zumeist unerwähnt (vgl. Peter/Volk 1994). 20 Ulrike Bollmann arbeitet die Begriffsgeschichte und -zuschreibung der Epoche der Renaissance heraus und macht in Bezug auf ihren Beginn im 15. und 16. Jahrhundert deutlich, dass »Renaissance […] nicht nur Wiederholung oder Nachahmung, sondern immer auch Erneuerung und zugleich Verbesserung oder Überbietung des Alten [bedeutet]« (Bollmann 2001: 21; vgl. auch Ruhloff 1986: 16ff.). 21 Erwachsenenbildung wird hier als systemisches Gebilde aufgefasst. »Die Systembildung der Erwachsenenbildung/Weiterbildung verweist auf den Tatbestand, daß das

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schließend wird das Konzept der »pädagogischen Kommunikation« (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007b) und das Konzept »Sozialer Welten« (vgl. Strauss 1991, 1993) dargestellt. Diese bilden den Analysehintergrund für die Wissenskommunikation in den exemplarischen Sammelgebieten – dem Sammeln von Füllfederhaltern, Barbie-Puppen und Briefmarken. Mit der Fokussierung der Kategorien Wissen und Kommunikation im erziehungswissenschaftlichen Feld der Gegenwart wird eine soziale, zeitliche und räumliche Dimensionierung von Wissensprozessen ermöglicht, die neben der Entwicklung und Entfaltung von Wissen durch den Menschen dessen Suche nach Anschlussmöglichkeiten für Wissenskommunikation transparent werden lässt. Im dritten Kapitel wird das methodische Gerüst entfaltet, wie das alltägliche Phänomen des Sammelns für eine wissenschaftliche Bearbeitung zugänglich und aufbereitet werden kann, ohne es in seiner alltäglichen Vielseitigkeit zu beschneiden. Im Anschluss werden die Felderschließung und Datengrundlage dargestellt sowie über die Anwendung der Forschungsmethoden berichtet. Es wurde ein Datenmaterial zugrunde gelegt, das die Zusammenhänge der komplexen und divergenten Verhältnisse zwischen dem Sammeln und der Kommunikation darüber möglichst nicht verdeckt, so dass die (Re-)Konstruktionen der Kommunikation über das Sammeln erfolgen können. Als Ausgangspunkt wurden Beobachtungen sowie Interviews in gegenwärtigen Sammelkontexten durchgeführt, bevor ein besonderes und erweitertes Augenmerk auf soziale Netzwerke – insbesondere Internetforen – gelegt wurde. Im vierten Kapitel wird die Datenauswertung und -interpretation dargelegt, die auf der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (2010) beruht sowie die Entwicklung von Kategorien anhand des Materials nachgezeichnet. Innerhalb des fünften Kapitels wird die Analyse erarbeitet, bei der die Beschreibungen zur Wissenskommunikation in ein Ensemble aus sozialen, zeitlichen und inhaltlichen Strukturierungen überführt werden. Es erfolgt eine Vorstellung des Kommunikationsmaterials und seiner Kategorisierungen, um die sozialen Bezugspunkte der pädagogischen Kommunikation zu veranschaulichen. Im sechsten Kapitel werden Anlässe pädagogischer Kommunikation, die sich innerhalb der Kommunikation über das Sammeln entdecken lassen, präsentiert und auf ihren pädagogischen (Absichts-)Gehalt überprüft. Es erfolgt im abschließenden siebten Kapitel die Reflexion des Forschungsprozesses sowie die Einordnung und Bestimmung der Reichweite der entdeckten

Lernen Erwachsener in ausdifferenzierten Gesellschaften im Hinblick auf das Medium ›Wissen‹ zu einer universellen Kategorie geworden ist« (Olbrich 1999: 170).

E INLEITUNG

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Erkenntnisse über das Sammeln in Bezug auf systemtheoretische und bildungstheoretische Bezugspunkte der Erziehungswissenschaft.

1. Das Phänomen des Sammelns »Bei mir ist es so: […] Sammeln ist mein Leben. Weil ich lebe davon, von dem Sammlerbedarf und auch von dem Sammeln. Also es ist […] kompletter Lebensinhalt daraus geworden. Auch wenn ich im Urlaub unterwegs bin. Also […] ich kann an keinem Antikladen vorbeigehen […]. Egal, wo ich bin. […] Da wird mal gestöbert und geguckt, ob man nicht doch noch irgendetwas finden kann […] Und […] das ist ... tagesausfüllend.« FÜLLFEDERHALTER-SAMMLER JENS SCHULZ

Zunächst bedarf der mit dem Sammeln verbundene (Sammel-)Objektbegriff einer kurzen Ordnung. Wissenschaftlich betrachtet werden unterschiedliche (begriffliche) Fassungen und Bezüge auf Gegenstände, Dinge und Objekte erarbeitet, deren Vielfalt an dieser Stelle nicht ausführlich nachgegangen werden kann, da nicht die Sammelobjekte selbst im Zentrum der Überlegungen stehen, sondern die Kommunikation über sie und das hierdurch entstandene und entstehende Wissen. Beispielsweise beschäftigt sich die Philosophie mit der Frage nach dem Status der Dinge als »Zeug« – im Gebrauch und ihrer Dienlichkeit (vgl. Heidegger 1954 und 1977). Mit dem Aufkommen virtueller Gemeinschaften und digitaler Bildwelten wurde zuweilen ein Verschwinden der Dinge prophezeit. Es lässt sich jedoch nicht von einem Dingverlust als vielmehr von einer Hinwendung zum Materialen im material turn sprechen, indem die Bedeutung und die Präsenz von Dingen – auch bildungstheoretisch (vgl. Mollenhauer 1987; MeyerDrawe 1999; Parmentier 2001; Priem/König/Casale 2012) – herausgearbeitet werden. Zudem entsteht eine spezifische Dingkultur, die die Dinge nicht als Ar-

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tefakte, sondern in ihrer Lebendigkeit, ihrem (möglichen) Eigenleben sowie ihrer eigenen Dynamik und Gestalt zu fassen versucht (vgl. Ecker/Breger/Scholz 2002; Holm 2008).

1.1 DAS S AMMELN VON TRIVIALEN OBJEKTEN: EINIGE VORÜBERLEGUNGEN Für das hier fokussierte Sammeln trivialer Objekte ist es relevant, dass die Wirklichkeit der Gegenstände in der Welt der Sammler/-innen unbestritten ist. Das sammelnde Subjekt benötigt ein Objekt, um Sammler/-in zu sein. »Der Mensch ist […] mit den ihn umgebenden Gegenständen auf die gleiche innige und intime Weise verbunden wie mit den Organen seines eigenen Körpers« (Baudrillard 1991a: 39). Die zum Objekt gewordenen Gegenstände bereichern das Leben der Sammler/-innen und umgeben Menschen jenseits ihres Gebrauchs als Anschauungsobjekte, an denen sie sich erfreuen. In der Regel geben die Sammler/ -innen den Objekten Sinn und Ordnung (vgl. Benjamin 1983: 271) und die Objekte geben den Sammler/-innen Orientierung und Halt. »So ist das Dasein des Sammlers dialektisch gespannt zwischen den Polen der Unordnung und der Ordnung« (Benjamin 1972: 389). Durch die Materialität der Objekte und ihre (dauerhafte) Präsenz wird das Sammelleben bereichert, erleichtert und manchmal erschwert (vgl. Csikszentmihalyi 2010).1 In der Interdependenz der Dinge mit kulturellen Praxen wie dem Sammeln entwickeln sich zeitliche, soziale und inhaltliche Schwerpunkte bezüglich der Vermittlung und Aneignung von Dingen (vgl. Selle 1997a) – aber vor allem von mit den Dingen zirkulierendem und verbundenem Wissen. Die Abgrenzung von der Stofflichkeit der Dinge verweist auf die Kommunikation und Vermittlung, die durch einen Objektumgang entstehen. Hieraus ergibt sich ein Potential, die Wissenskommunikation zu untersuchen, die Menschen über Objekte eingehen. Hinsichtlich des trivialen Sammelns hätte sich mit dem Aufkommen der Massenproduktion von Ver- und Gebrauchsgütern im 19. Jahrhundert eine Zäsur, wenn nicht sogar ein Rückgang des Sammelns einstellen können. Jedoch begann stattdessen eine Konjunktur des Sammelns banaler Alltagsgegenstände, die bis zur Gegenwart anhält. Sicherlich wird dieses Sammeln durch Möglichkeiten von Besitz und Haben bei einer breiten Bevölkerung begünstigt, während

1

Mit den Gegenständen bzw. ihrer Herstellung sind mitunter Lebensgefährdungen verbunden, z.B. durch ökologische Probleme bei der Verbreitung von Plastikgegenständen (vgl. Selle 1997: 18; Csikszentmihalyi 2010: 22).

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sich das Sammeln von der Renaissance bis in die Aufklärung hinein als Ausdruck privilegierter Besitz- und Lebensweisen verstehen lässt (vgl. Jakob 2004). Gleichwohl reicht dieser Erklärungsansatz des Besitzen- und Habenwollens nicht aus, denn mit dem Sammeln geht zumeist eine Beschäftigung mit dem Gesammelten einher (vgl. Benjamin 1983). Die Objekte der Masse und Massen erlangen aufgrund ihrer Neuheit Präsenz und zirkulieren in unterschiedlichen Kontexten und Verweisungszusammenhängen (vgl. Jakob 2004; auch König 2009). In ihrem Ansehen bleiben sie aber dennoch ambivalent: Während das triviale Sammeln im Rahmen von Kunst (vgl. Groys 1997) und der Präsentation in Museen in der Regel gesellschaftliche Anerkennung und Zuspruch findet, wird das in den Alltag eingelagerte triviale Sammeln, welches alle Gesellschaftsschichten durchzieht, vorschnell in die Banalität abgedrängt. Sammeln ist demnach nicht gleich Sammeln. Es gibt deutliche Unterschiede bezüglich der Funktionen, des Ansehens und der Bewertung des trivialen Sammelns. Für den Fortgang der Überlegungen wird jedoch nicht die Differenz zwischen einzelnen Gegenständen entscheidend sein (vgl. Sommer 2002: 25f.), sondern die Kommunikation und der Umgang mit Wissen bei der Beschäftigung mit trivialen Objekten. Zunächst lässt sich das hier anvisierte Sammeln2 von anderen Tätigkeiten unterscheiden, für die im alltäglichen Sprachgebrauch ebenfalls das Wort Sammeln verwendet wird. Grundlegend ist die kategoriale Differenz zwischen einem Sammeln als Form der Lebensgestaltung in Abgrenzung zu einem – zumeist ebenfalls als Sammeln bezeichnetes – Horten bzw. Bevorraten als Lebenserhaltung: Sammler/-innen horten nicht, sie legen in dem Sinne keine Vorräte und Reserven an. Ersatzteile oder Dubletten dienen dazu, wieder in den Kreislauf des Sammelns – gemeint ist Suchen, Finden, Bewahren und Weitergeben – zurück zu kehren und auf diese Weise bei Gelegenheit für die eigene Sammlung oder

2

Das Wort sammeln, das sprachlogisch ein transitives Verb ist, hat das mhd. samenen abgelöst, das die Verwandtschaft mit dem Adverb zusammen und dem Suffix -sam (beispielsweise gemeinsam) eindeutiger zeigt. Zusammen meinte ursprünglich nach demselben Ort hin. -sam war ein autonomes Wort, welches von gleicher Beschaffenheit bedeutete (wie in Englisch the same). Urverwandt sind lateinisch similis (ähnlich) und simul (zugleich) sowie griechisch hάmos (derselbe) (vgl. Grimm J./Grimm W. 1893: 1741ff.; Kluge 2002: 783). Im Englischen finden wir zwei Wörter zur Bezeichnung des Sammelns, die wir im Deutschen schlicht mit dem Verb sammeln beschreiben: Gemeint sind das Verb (to) collect und das engere Verb (to) gather (abgesehen von (to) glean). Der Ausdruck collecting umfasst alle Sammelformen, während sich gathering nur speziell auf das zusammenraffende und aufhäufende Sammeln bezieht (vgl. auch Sommer 2002: 432).

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die anderer Menschen zur Verfügung zu stehen. Sammeln ist als eine aktive und absichtliche Tätigkeit aufzufassen, die sich von einem bloßen Geschehen oder naturhaftem Ereignis klar abgrenzen lässt (vgl. Hinske 1984; Sommer 2002).3 Das Wort Sammeln bildet eine Begriffsgruppe (vgl. Schloz 2000: 178ff.): Es existiert nicht die Tätigkeit des Sammelns als solche, denn das Sammeln besteht aus einer Reihe von Einzelaktivitäten, weshalb das Sprechen von dem Sammeln schwierig ist. Anhand diverser Verben, die die Tätigkeit des Sammelns umschreiben, lässt sich dieses darlegen, beispielsweise suchen, stöbern, sichten und betrachten. Das Sammeln repräsentiert sowohl einen Prozess als auch ein Ergebnis dieser Tätigkeit, die jemand ausführt. Das Sammeln von Kunst lässt sich als die akzeptierte Ausrichtung des Sammelns begreifen. In Kunstsammler/-innen kann »das Urbild des Sammlers, der Prototyp des homo collector [gesehen werden, Erg. D.W.]. Kunstsammeln ist Sammeln in seiner reinsten und höchsten Form [...]« (Sommer 2002: 84). Kunst und Sammeln gehören demnach zusammen (vgl. Theewen 1994a) – sowohl Künstler/-innen als auch Sammler/-innen lassen sich als kreative Menschen begreifen, die Welt und Wirklichkeit erzeugen, aufnehmen und in ihren unterschiedlichen kulturellen Formen ausdrücken (vgl. Irrek 1994: 7). Aus den Sammlungen von (privaten) Sammler/-innen bzw. mit deren finanzieller oder ideeller Hilfe gehen häufig Museen hervor, die der breiten Öffentlichkeit einen Zugang zur Kunst ermöglichen. Dabei hat sich die Sammlung, Lagerung und Ausstellung von Kunstwerken zu einer eigenen Kunst entwickelt (vgl. Demand 2010). Immer spektakulärere Museums- und Ausstellungsorte verdeutlichen dieses. Nicht zuletzt ist das Sammeln von Kunst zentraler Bestandteil kulturellökonomischer Wertschöpfung, weshalb Unternehmen eigene Kunstsammlungen

3

Etwas sammelt sich, z.B. Homogenes wie Staub auf Büchern oder Heterogenes wie Müll. Hier sprechen wir von ansammeln, dieses reflexive sich ansammeln »[kann] die Aufgabe haben, auf die Abwesenheit jeglichen Täters und auf das Fehlen jeglichen Tuns aufmerksam zu machen« (Sommer 2002: 18; vgl. auch ebd.: 17ff). Ferner gerät das Sammeln von Rabatt- und Bonuspunkten, Flugmeilen und Sammelbildern zu bestimmten Produkten zu einer scheinbar zunehmend ungebremsten Sammellust oder auch einem Sammelfrust des Menschen (vgl. Tesan 2011: 18). Das Sammeln dient hier zumeist dazu, in der Zukunft bestimmte Prämien oder Rabatte zu erhalten. Aber auch das (An-)Sammeln von Freund/-innen in virtuellen Netzwerken bei gleichzeitiger Vorratsdatensammlung der Betreiber wie z.B. bei Facebook ist höchst populär. Letztlich entspricht auch das Sammeln von Geld oder Sachspenden für Bedürftige nicht dem Sammeln, wie es hier verstanden wird. Denn Zahlungsmittel und Sachspenden dienen der Weitergabe und dem Verbrauch.

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anlegen (vgl. Dippel 2011a) bzw. Galerien Kunst anbieten. Einerseits sind Museen und speziell Kunstsammlungen oftmals durch ökonomische Motive geprägt, andererseits wird hierdurch Kunst finanziell unterstützt, um Formen künstlerischer Auseinandersetzung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Sammeln im institutionalisierten, professionellen Kontext bewegt sich somit oftmals zwischen der Abhängigkeit von finanzieller Unterstützung und der Unabhängigkeit künstlerischen Schaffens. Das selbstverständlich und fast banal wirkende Sammeln von Objekten durch Künstler/-innen offenbart Widersprüche und Ambivalenzen, die besonders hier – im Bereich des künstlerischen Sammelns – hervortreten. »Während eine konventionelle Sammlung das ausbreitet, auffüllt und ergänzt, was Gegenstand dieser konkreten Sammlung ist (Schmetterlinge, Bücher, Dokumente), verläuft das künstlerische Sammeln offener, weniger zielgewiß, reflektierter, in sich gebrochener. Kunstwerke, die aus Gesammeltem bestehen, beziehen sich ihre Kraft daraus, daß in ihnen auch immer thematisiert wird, wie paradox das Sammeln ist« (Winzen 1997: 10).

Künstler wie z.B. Daniel Spoerri, Jean Tinguely oder Christian Boltanski befassen sich in ihren Werken mit dem Sammeln von (Alltags-)Gegenständen und begegnen dem institutionalisierten Sammeln auch kritisch (vgl. Schaffner/Winzen 1997). Es lässt sich auf Anhieb gar kein großer Unterschied zwischen dem künstlerischem Sammeln oder anderen Sammelformen finden. Denn auch Künstler/innen achten auf das Rückständige, das Verborgene und Abtrünnige beim Sammeln und das nachgelagerte Archivieren oder Speichern (vgl. Winzen 1997). »Das Interesse an dem, was beim Sammeln nie ganz aufgeht, hält die künstlerische Rückgewinnung von Fragwürdigkeit hinter den Selbstverständlichkeiten des Sammelns in Gang« (ebd.: 10). Durch die Hinwendung zum vermeintlich Banalen und Alltäglichen wird das scheinbar Wertlose, Übersehene und Lächerliche nobilitiert und in seiner Präsenz und Durchdringungskraft erfasst, wie sich nachfolgend anhand einer geschichtlichen Rekapitulation des Sammelns verdeutlicht.

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1.2 EIN KURZER ÜBERBLICK ZUR GESCHICHTE DES S AMMELNS Das von Odo Marquard entwickelte Phasenmodell des Sammelns (Vorsorgen, Entdecken und Bewahren), welches unterschiedlichen Sammelepochen bestimmte geschichtliche Weltanschauungsmodelle zuordnet (vgl. Marquard 1994: 911ff.), verweist auf die unterschiedliche Ausprägung des Sammelns in verschiedenen Zeitphasen. Die Ursprünge sammlerischen Tuns bleiben dabei ähnlich den Anfängen von Kunst und Kultivierung im Verborgenen (vgl. Grote 1994a: 11). Abgesehen von den in den einzelnen Epochen mit dem Sammeln jeweils verbundenen Ordnungen, Systematiken und Logiken der Vervollständigung verändert sich das Phänomen bis zur Gegenwart fortlaufend. Die »sich fortschreibende[…] Aktualisierung des Themas« (Speck 1998: 20) ermöglicht es, noch nicht bearbeitete oder neue Aspekte des Sammelns zu erforschen. Eine geschichtliche Kontextualisierung des Phänomens Sammeln unter dem Aspekt von Wissen verdeutlicht die Reichweite des Phänomens. Der Forschungsstand zum Sammeln im Allgemeinen und innerhalb der Erziehungswissenschaft im Besonderen zeigt auf, dass dem Thema Sammeln innerhalb der Wissenschaften eine virulente Bedeutung zugesprochen wird. Durch die Erarbeitung geschichtlicher und systematischer Abgrenzungen des Phänomens werden Bezugspunkte für die angestrebte Analyse des Umgangs mit Wissen von Sammler/-innen trivialer Objekte verdeutlicht. Die nachfolgenden Überlegungen zur Geschichte des Sammelns folgen erstens der These, dass das Sammeln von Objekten ein zentraler Vorgang in der gesellschaftlichen Genese von Wissen ist. Zweitens findet das gegenwärtige Sammeln trivialer Objekte einen wichtigen Bezugspunkt in der Neuzeit, in der sich das Wissen zunehmend verbreitet und zugleich mehr und mehr spezialisiert. Neuzeit lässt sich im Anschluss an Ulrike Bollmann als »Kennzeichnung der wissenschaftlich-technischen Tradition« (Bollmann 2001: 27) begreifen. Diese signiert die Moderne und offenbart zugleich ihre »inhärente Krise« (Bollmann 2001: 27), da in ihr »neuzeitliche Geltungsansprüche[…]« (ebd.) verfestigt werden, obwohl differente Wirklichkeits-, Gesellschafts- und Wissenschaftsvorstellungen sich durch diese Fixierung nicht auflösen lassen. Der Bruch mit den großen Erzählungen (vgl. Lyotard 2009 [1979]) und die Hinwendung zu einem postmodernen, poststrukturalistischen und dekonstruktiven Denken (vgl. ebd.; Derrida 2004) etabliert dann im 20. Jahrhundert neben einem einheitsstiftenden einen anderen Denkstil, der diese differenten Vorstellungen von Gesellschaft, Wirklichkeit und Wissenschaft (wieder) aufgreift. »Die Postmoderne setzt sich somit einerseits von den Einheitsprogrammen der Moderne ab, andererseits ›ra-

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dikalisiert‹ sie die in der Moderne bereits angelegte Pluralität: Spezifisch für die Postmoderne ist dabei, daß die Pluralität als ›Befreiung und Chance‹ erfahren wird« (Bollmann 2001: 32; Herv. i.O.). Es bleibt noch offen, ob dieser postmoderne Ausbruchsversuch aus der Eindeutigkeit gelingt oder ob sich mit ihm nicht zugleich ein anderer, weiterer Geltungsanspruch von gesellschaftlichen Vorstellungen durchsetzt, deren Hintergründe und Legitimierungen es vielmehr zunächst noch einmal zu analysieren gälte. Als eine sich abzeichnende Schnittstelle in der Symmetrie eines einheitsstiftenden und aufbrechenden Denkens wird das vermeintlich Selbstverständliche wie Sprache, Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur zum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung und Reflexion. Die Wirkmächtigkeit der trivialen Dinge und die mit ihnen einhergehenden Wissensformen und Machtgeflechte erlangen (wieder) kommunikative Präsenz. Es bildet sich ein Wissen aus, mit dem Menschen sowohl unterschiedlich als auch spezifisch umgehen und das sie zu Spezialist/-innen und Expert/-innen über das Alltägliche macht (vgl. Hörning 2001: 13f.). Durch einen historischen Rückblick auf Sammlungstypen der vergangenen Jahrhunderte als Vorgeschichte heutiger Museumsformen und Wissenschaften verdeutlicht sich das gegenwärtige triviale Sammeln. In Abgrenzung zu der Frage, wie sich die Entwicklung von der paläolithischen Sammelexistenzwirtschaft bis zu trivialen Sammelformen der Gegenwart ausgestaltet, stellt sich die bildungstheoretische Fundierung des Sammelns und seine Transformation innerhalb der Gesellschaft – als Form einer äußerlichen und innerlichen Differenzierung – heraus. Die Ausführungen richten sich nicht nur an einer bloßen Beschreibung geschichtlicher Entwicklungslinien aus, sondern veranschaulichen auch gedankliche Bezugspunkte und Brüche in der Wissensgenese. 4 Eine sowohl umfassende als auch zusammenfassende Darstellung der Geschichte des Sammelwesens ist – wenn überhaupt – so an dieser Stelle nicht möglich. In einem skizzenhaften Überblick zeichnet sich jedoch die enge Verbindung zwischen Menschen und dem Umgang mit Objekten – vor allem durch Wissenskommunikation – ab.

4

Dieses Vorgehen orientiert sich an der Zuordnung spezifischer Sachverhalte zu einem bestimmten mehr oder minder fixierbaren Zeitraum (oftmals als Epoche, Ära oder Dekade deklariert), der ein zwar systematisierender, aber zumeist nachgelagerter Vorgang ist (vgl. Bollmann 2001: 19).

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1.2.1 Von der Steinzeit bis zum Mittelalter In oftmals ideologisierenden wissenschaftlichen Betrachtungen wird davon ausgegangen, dass das wildbeuterische Sammeln und Horten – insbesondere von Nahrungsmitteln – während einer großen Episode der Menschheitsgeschichte den Fortbestand der menschlichen Existenz schützt (Ingold/Riches/Woodburn 1991; auch Sommer 2002: 88). Menschen benötigen zur Ausübung dieser Sammeltätigkeit Kenntnisse über die Jagd, das Zerlegen und Verarbeiten von Tieren sowie die Nahrungslagerung. Das erzeugte und weitergegebene Wissen darüber erfüllt die Funktion der Sicherung des Lebenserhalts. Sammeln und Wissen sind in dieser Perspektive zunächst weniger Kultur- als Lebensgüter, die der Lebenserhaltung dienen.5 »Vom Sammeln als Kulturtechnik kann jedoch erst dann gesprochen werden, wenn der symbolische Wert des Angesammelten dessen Nutzwert übersteigt« (Tesan 2011: 11). Um ca. 9000 – 5500 v. Chr. vollzieht sich die sogenannte neolithische Revolution6 und damit eine Zäsur der Erfahrungssammlung (vgl. vgl. Bolzoni 1994: 132): Nomadische werden durch sesshafte Lebensformen erweitert bzw. abgelöst. Neben der Sammlung der hergestellten Güter werden diese verwaltet, indem Wissen um diese Güter gesammelt und aufbereitet wird. Ein kultureller Stil der systematischen Erfahrungssammlung entwickelt sich: Erfahrungswissen wird produziert, in Zeichen- und Symbolsystemen aufbewahrt und geordnet, das »materielle Verwandeln der Welt nimmt seinen Anfang« (Fried/Süßmann 2001: 15). Formen der Sammeltätigkeit werden außerdem bei Pharaonen-Dynastien um 3000 v.Chr. vermutet. Es lässt sich nur spekulieren, welche Rolle und Bedeutung dieses Sammeln, welches durch Ausgrabungen von Gegenstands(an-)sammlungen in Grabmälern belegt ist, einnimmt (vgl. Segeth 1989: 4). In der klassischen Antike lassen sich unterschiedliche Sammlungen von Büchern zur Bildung und/oder persönlichen Freude belegen. Bekannte Sammler sind z.B. Polykrates von Samos oder Euripides (vgl. ebd.: 13).

5

In manchen Erdregionen sind unterschiedlich ausdifferenzierte Formen des Jagens

6

Der Begriff Neolithische Revolution geht auf den Archäologen Vere Gordon Childe

und Sammelns bis in die Gegenwart beobachtbar (vgl. Kuhn/Stiner 2006). zurück, der diesen in den 1930er Jahren im Anschluss an den Begriff der Industriellen Revolution entwickelt. Mit der Neolithischen Revolution wird eine grundlegende Veränderung in der Gewinnung von Nahrung beschrieben (vgl. Childe 1936: 159f.; vgl. auch Junker 2006).

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»Für diese Epoche hervorzuheben sind [außerdem, Erg. D.W.] die ›Schatzhäuser‹ in den großen Heiligtümern wie Delphi oder Olympia. Es handelt sich dabei um kleine tempelartige Bauwerke, in denen griechische Stadtstaaten ihre Weihungen und Geschenke an das jeweilige Heiligtum bzw. die dort ansässige Gottheit sammelten, die der Öffentlichkeit jedoch nicht zugänglich waren« (Verbund Oberösterreichischer Museen 2009: 21).

Ferner »[ist] [h]insichtlich der griechisch römischen Antike die Anzahl der Überlieferungen über einen lebhaften Handel mit Originalen und Kopien reichhaltig« (Irrek 1994: 9), jedoch handelt es sich vielfach nur um Vermutungen. Auch »[m]useale Souvenirs sind keineswegs eine Erfindung unserer Zeit. […] Bereits für die Epoche des Hellenismus (ca. 300 v. Chr.) belegen antike Quellen, daß die Reisenden kleine Stückchen von Statuen oder Bauwerken abbrachen, um sie als Erinnerungsstück mit nach Hause zu nehmen« (Brock 1999: 62). Daher wurden Kopien von begehrten Objektteilen, sogenannte Spolien angefertigt, die dann stückweise verkauft wurden. Objekte »für den Einsatz in [symbolischen, Erg. D.W.] Kulthandlungen wurden auch schon in der Antike in Massenproduktion hergestellt« (ebd.: 64), so z.B. Tonfiguren als kostengünstige Opferbeigabe. Seit dem 6. Jahrhundert nach Christus werden – anknüpfend an ältere Traditionen7 – kirchliche und fürstliche Schatzkammern als Sammlungstypus geführt. Sie demonstrieren Reichtum sowie Einfluss und bewahren vor Armut und Machtverlust, wenn die in den Schatzkammern gelagerten Güter bedarfsabhängig als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Die Schatzkammern repräsentieren den göttlichen bzw. mythischen Schutz von Institutionen – nicht von Individuen. Die Inhalte der europäischen Schatzkammern ändern sich ständig; Materialien wie Gold oder Metalle werden bei Bedarf veräußert oder eingeschmolzen und umgewandelt. In Klöstern und Kirchen werden handschriftliche Aufzeichnungen gesammelt. »Durch den blühenden Handel mit Reliquien kam eine Vielzahl […] kostbarer, merkwürdiger und rarer Gegenstände in die kirchlichen Sammlungen. Auch hinsichtlich einer kolonialen Einverleibung des Fremden bilden sich die Vorläufer der fürstlichen Kunst- und Wunderkammern, die sich

7

Mit dem Begriff Tradition wird oftmals suggeriert, es »[würden] Gegenstände, Praktiken und Werte unverändert von einer Generation zur nächsten weitergegeben« (Burke 2000: 15). Dieses statische Wandern von Traditionen ist – wenn nicht generell fraglich – so doch in Frage zu stellen. So werden i.d.R. traditionelle Perspektiven nicht einfach übernommen, sondern es finden mit der Übernahme von Traditionen auch Adaptionen und Veränderungen derselben statt (vgl. ebd.).

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nach der Entdeckung Amerikas mit einem schier unübersehbaren Reichtum bis dahin völlig unbekannter Dinge füllten« (Tesan 2011: 13).8 Im Mittelalter erlauben es die künstlerische und technische Entwicklung von Schrift und Verschriftlichung durch Buchdruck und Illustrationen, das Spektrum einer Sprache in seiner Originalität und Genialität abzubilden und sie zeitlich und formal zu verfestigen (vgl. Bolzoni 1994: 133). Durch die Sammlung von Informationen in beispielsweise Lexika können umfangreiche Wissensbestände geordnet und ein Wissensaustausch angeregt werden (vgl. Kintzinger 2003), der mit der Verbreitung des Lesens und später mit einer zunehmenden Alphabetisierung der einfachen Bevölkerung einhergeht. 9 Dem Sammeln als Tätigkeit Einzelner scheint in der Zeit des Mittelalters keine besondere Bedeutung zuzukommen (vgl. Pomian 1994: 109), obwohl z.B. das Sammeln von Kräutern bei Kräuterfrauen eine alltägliche Tätigkeit gewesen sein mag. »Eine wirkliche Wende in der Geschichte der Schatzkammern [tritt] erst mit der Einnahme Konstantinopels durch die Kreuzritter ein« (ebd.: 108). Geraubte Gegenstände werden in den Okzident transportiert und beflügeln das Interesse an der Antike. Die Schatzkammern verändern sich allmählich zu einem anderen Sammlungstypus, in dem die Besitzer eine wirkliche Sammlerrolle einnehmen. Als ein bedeutender Sammler lässt sich beispielsweise der italienische Dichter und Geschichtsschreiber Francesco Petrarca nennen, der seine Büchersammlung dem venezianischen Staat mit der Bedingung vererbte, diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit einer veränderten Erfahrungssammlung löst sich das Sammeln nach und nach aus einer unmittelbaren existentiellen Notwendigkeit heraus und wird zu einem enzyklopädischen Tun.

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Die Aneignung des und der Umgang mit dem ›Fremden‹ thematisiert Elke Bujok in ihrer Arbeit Neue Welten in europäischen Sammlungen. Africana und Amerciana in Kunstkammern bis 1670. Sie erarbeitet den historischen und ideengeschichtlichen Hintergrund von Kunstkammern und die Rezeption von Ethnographica in den Kunstkammern der Frühen Neuzeit (vgl. Bujok 2004).

9

Der Umgang mit Wissen im höfischen Kontext – in Abgrenzung zur städtischen, universitären oder klösterlichen Wissenskultur – zeigt spezifische Charakteristika des Wissens dieser Zeit und den damit verbundenen Kulturtransfer auf (vgl. Grebner/Fried 2008).

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1.2.2 In der Renaissance, im Barock und in der Aufklärung Mit der Renaissance – einer Zeit, die wesentlich durch die Entfaltung von heterogenen Wirklichkeits- und Weltvorstellungen und ersten Individualisierungstendenzen geprägt ist und sich nicht als vereinheitlichende Weltordnung beschreiben lässt (vgl. Bollmann 2001: 23f.) – beginnt die Blütezeit des Sammelns luxurierender Gegenstände bzw. von Gegenständen, die der Welterkenntnis dienen. Das Sammeln und mit ihm das Wissen über die gesammelten Gegenstände dehnt sich aus – systematisch wird mit den Sammlungen Wissen vermittelt. Im 14. Jahrhundert entstehen erste Privatsammlungen von Gelehrten, Fürsten und anderen Obrigkeiten (vgl. Donath 1920). In der Zeit von 1450 bis ca. 1630 kommt eine spezifische Sammler/-innenschaft auf, die Raritäten und Kostbarkeiten wie beispielsweise antike griechische und lateinische Handschriften oder Münzen, Statuen, Pflanzen, aber auch Kuriositäten sammelt (vgl. Daston 1994: 35ff.; Pomian 1994: 112). In den Kuriositäten- und Raritätenkabinetten10 wird ein dekontextualisiertes Konglomerat aus unterschiedlichen Dingen zunächst scheinbar wahllos bzw. zufällig aneinander gereiht (vgl. Schlosser 1978: 180ff.; Becker 1996: 39ff.), zunehmend aber geordneter dargestellt.11 Die grobe Gliederung der Sammlungsgegenstände in Naturalia (z.B. Objekte aus der Tier-, Gesteins- und Pflanzenwelt) einerseits und Artificialia (z.B. Skulpturen und Gefäße) andererseits ist zu dieser Zeit geläufig und zeigt die Grenzen des Sammelbaren auf (vgl. beispielsweise ebd.: 67f.). Neben den Naturalien und Artefakten gehörten jedoch auch Scientifica (z.B. wissenschaftliche Instrumente und andere Objekte) zu den Sammlungsbeständen sowie vielfach auch eine Bib-

10 Das Studiolo, ein Raum, der u.a. der Beschäftigung mit Kunst dient (vgl. z.B. das Studiolo des Federico da Montefeltro in Urbino, Italien), lässt sich als ein Vorläufer des Kuriositätenkabinetts benennen. Innerhalb dieses spezifisch genutzten Raumes besteht die Möglichkeit, sich umfassend mit Wissen auseinanderzusetzen und es sich anzueignen (vgl. Liebenwein 1977). 11 Mit der Ausdehnung der modernen Privatsammlungen seit dem 15. Jahrhundert entsteht eine sehr verschiedenartige Literaturgattung, in der eine verstärkte Auseinandersetzung mit Sammlungen erfolgt: Es handelt sich hierbei um Deskriptionen von beispielsweise Kabinetten, Privatmuseen oder Reiseerlebnissen. Im 17. Jahrhundert werden vermehrt spezifische Auktionskataloge, Zeitschriftenartikel, Inventarlisten von Sammlungen sowie Biographien von Sammler/-innen oder Künstler/-innen verfasst. Ferner entstehen bebilderte Ratgeber zum Sammeln von Kunst und ihrer Präsentation (vgl. Pomian 1993: 9f.).

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liothek (vgl. Jochum 2004). Die Sammlungen veranschaulichen das Weltbild am Anbruch der Neuzeit. »Im Dienste der Herrschaftsbehauptung agierte […] zunehmend die Kategorisierung von Norm und Abweichung, womit sich das Faible für das Kuriose, Bizarre, insgesamt das Unregelmäßige in den ›Raritätenkabinetten‹ des 16. und 17. Jahrhunderts erklärt« (Tesan 2011: 13).

Es wäre verfehlt, aufgrund dieser Art der Anordnung auf eine Geringschätzung der Gegenstände zu schließen. In dem Wort Kuriosität 12 spiegeln sich Subjektund Objektvorstellungen wider, da manchmal Personen und manchmal Objekten das Attribut kurios verliehen wurde (vgl. Stewart 1997: 291). Im Hinblick auf das gesammelte Objekt entspricht der Begriff Kuriosität geradezu einer gesteigerten Form der Wertschätzung und Sorge. Die Sammlungsgegenstände werden durch die besondere Achtung, die sie erfahren, geeint. Sie vermitteln die persönlichen Motive der Sammler/-innen und zeigen die Bedeutungsinvestition auf, der sie obliegen. Die Wertschätzung orientiert sich an Wertmaßstäben wie Seltenheit und Aufwand bei der Beschaffung, Herstellung oder Verarbeitung. Diese Gegenstandsordnung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Grenzen zwischen Natur und Kunst nicht beachtet. Die Gegenstände sind ihrer (Gebrauchs-)Funktion enthoben, selbst wenn es sich um Gebrauchsobjekte wie Werkzeuge oder Töpfe handelt. Ihre Besonderheit wird durch ihre Beobachtung und durch die damit verbundene ästhetische Art des Wahrnehmens und Beschreibens sichtbar (vgl. Irrek 1994; Becker 1996). Neben Ästhetik entfaltet sich außerdem das Interesse an einem Wissen um und über Gegenstände: z.B. haben sie einen Tauschwert13

12 Dabei veranschaulicht das lateinische cura, auf welches das Wort Kuriosität zurückgeht, das Bedeutungsspektrum des möglichen Subjekt- und Objektbezugs. So umfasst das Wort cura erstens sowohl die (Für-)Sorge, Sorgfalt, Bemühung oder Interesse als auch die Pflege und (ärztliche) Behandlung. Weiterhin bezeichnet cura zweitens Aufsicht, Verwaltung und Amt sowie Neugier, Forschung, Studium und (schriftliche) Formen der Arbeit. In einer weiteren Ausrichtung bündelt cura drittens die Liebessorge, den Liebeskummer und die Liebesqual sowie die Geliebte, den Schützling und den Liebling (vgl. Georges 1988 [1913]: 1819ff.). Die emotionale oder sachliche Sorge um jemanden oder etwas stellt eine Subjekt-Objektbeziehung her und verdeutlicht die Anerkennung des Anderen in Bezug auf das eigene Selbst. 13 Mit Wolfgang Fritz Haugs Kritik der Warenästhetik (1971) lassen sich Fragen nach dem Gebrauch und Tausch von Gütern als auch zu deren Wert(en) und Nutzen aufwerfen.

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und dienen der (Re)-Präsentation und Legitimation von Herrschaft, von Weltsichten und der Persönlichkeit der Sammler/-innen. Weltliche und geistliche Größen versuchen mit ihren universalistischen Sammlungen ein Abbild des Kosmos einzufangen, um »den Makrokosmos in den Mikrokosmos [...] [zu] projizieren« (Pomian 1994: 113).14 Solche Sammlungen verfügen nach heutigen Vorstellungen nicht über angemessene Systematisierungskategorien, wenngleich sie gemäß einer enzyklopädischen Aufbereitung als harmonische – vollständige, systematisch erkundbare und geordnete – Weltordnung verstanden werden wollten. Dennoch kommt den Kunst- und Wunderkammern bzw. Raritätenkabinetten eine besondere Bedeutung zu: In ihnen sind Universalismus und Erfahrung mit Vernunft und Wissenschaft vereint (vgl. Duncker 1990 auch 1993). Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts treten dann Sammlungen von wissenschaftlichen Gesellschaften in den Vordergrund, die zunächst weiterhin die Abbildung der Schöpfung als Ausgangs- und Mittelpunkt beinhalten, sich jedoch zunehmend neu ordnen und spezialisieren (vgl. Becker 1996; Pomian 1994: 116). Beide Sammlungstypen machen letztlich die Welt an-fass-bar sowie be-greif-bar und bilden den Ausgangspunkt für heutige Museumsformen (vgl. Schlosser 1978; auch Bollmann 2001: 22).15 In diesem Zusammenhang ist auf die Veränderung der Neugierde bzw. Wissbegierde einzugehen, da sich erst hierdurch das wissenschaftliche Interesse zur Erforschung von bzw. die Hinwendung zu Objekten angemessen verstehen lässt. Neugierde war über einen langen Zeitraum nicht als Tugend, sondern als Laster deklariert. Die Tabuisierung der Neugierde seit der Augustinischen Zeit bis ins das 16. Jahrhundert hinein begründete sich darin, dass die Neugierde als Laster von Gottes Vorbestimmung und Gnade ablenkt und aufgrund ihres vermeintlichen Selbstzweckes der Todsünde des Stolzes nahe steht (vgl. Daston 2001: 81ff.; Bujok 2004: 62ff.). Ähnlich schildert es Hans Blumenberg im Prozeß der theoretischen Neugierde »mit der Unreflektiertheit des Gebrauchs der Vernunft, die als solche schon Verweigerung und Dankesschuld für die Kreatürlichkeit ist« (Blumenberg 1966: 298). Er beschreibt analog zum Wandel des

14 Bujok beschreibt, dass zwischen fürstlichen und bürgerlichen Sammlungen Differenzen bestehen: Während erstere bis spät ins 17. Jahrhundert hinein vorrangig universalistische Prinzipien verfolgen, widmen sich bürgerliche Sammlungen neben dem universalistischen Anspruch zu diesem Zeitpunkt bereits wissenschaftlichen Interessen (vgl. Bujok 2004: 46). 15 Bis zur Gegenwart spiegelt sich dieses auch in der Übernahme von in den Kunst- und Wunderkammern gängigen Präsentationsformen wie Regalen, Schaukästen und Vitrinen im öffentlichen und privaten Raum wider.

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Wahrheitsbegriffs in der Neuzeit einen Wandel der Neugierde bzw. einen Wandel ihres Hervortretens. In diesem Zusammenhang stellt er heraus, dass sich in dieser Zeitepoche das seit der Antike vernachlässigte Zusammendenken von Neugierde und Wissbegierde (curiositas) wieder entfaltet und sich somit der Raum des Erkennen- und des Wissenkönnens verbreitert (vgl. ebd.: 207ff., auch Blumenberg 1973). Die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Jennifer Daston führt in ihren Untersuchungen (vgl. beispielsweise Daston 1994) diese Wandlung der Neugierde bzw. Wissbegierde hinsichtlich ihres Charakters und ihres Ausdrucks im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte weiter fort, indem sie näher auf den Kontext, in dem die Emotion Neugierde auftritt, eingeht: »Dasjenige, was wir die Struktur einer Emotion nennen möchten, ändert sich mit ihrem Kontext – zwar bleibt sie als solche erkennbar, doch entstehen neue Möglichkeiten der Gegenstände und Haltungen, welche einer Emotion erst einen Ausdruck und einen [sic!] Kontur verliehen« (ebd.: 1994: 37).

Durch Staunen und Bewunderung fand die Neugierde demnach ihre besondere Ausprägung im 17. Jahrhundert. Sie kann als die Quelle angesehen werden, die »die wissenschaftliche Forschung auf Gegenstände verlagerte, welche viel mit Gebrauchsgütern gemeinsam haben, insbesondere auf die Meisterstücke der Schöpferkraft der Natur und ihrer verborgenen Geheimnisse« (ebd.: 36). Die Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Gegenständen sorgen dafür, dass es neben den Luxusgütern verstärkt Gebrauchsgüter sind, mit denen Adjektive wie selten, neuartig, schön und kurios in Verbindung gebracht werden. Eine Perspektive auf Gegenstände jenseits ihres Gebrauchs tritt hervor, die die Differenzierung von Gegenständen in Gebrauchs- und Genussobjekte aufhebt bzw. als nicht mehr so entscheidend herausstellt (vgl. hierzu auch Blumenberg 1966: 299ff.). Neugierde ist im 17. Jahrhundert der Motor des Entdeckens und Aufdeckens von Unbekanntem und von Geheimnissen. Der Einsatz der Neugierde ist nicht wahllos, sondern gezielt, konzentriert und aktiv auf bestimmte Gegenstände des Erkennens und auf das Erlangen von Selbst-Erkenntnis gerichtet. Das Sammeln von Gegenständen dient somit dem Sammeln von Wissen. Die Ausrichtung bzw. Ausweitung auf triviale Objekte stellt einen vergrößerten Bedeutungs- und Erkenntnisrahmen dar. Die Verbindung von Staunen und curiositas löst sich am Ende des 17. Jahrhunderts zugunsten der Neugierde auf. Das Staunen verkörpert jetzt Unwissenheit: »Der Stern der Neugier war im Aufstieg, der des Staunens dagegen im Sinken begriffen« (Daston 2001: 79). Um die Bedeutung der in der Spätrenaissance zu findenden Sammlungen zu erschließen, sind daher die damals vorherrschenden Denk- und Anschauungs-

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weisen zu berücksichtigen: Nach der kopernikanischen Wende beginnt unter anderem mit Galileo Galilei und dem englischen Philosophen und Staatsmann Francis Bacon16 eine neue wissenschaftliche Ära (vgl. Duncker 1990: 454). Im 16. und 17. Jahrhundert zeichnet sich mit dem Aufkommen der neuen Wissenschaft innerhalb der Gesellschaft ein Wechsel des epistemologischen Verständnisses bezüglich der Weltsicht im Allgemeinen und hinsichtlich der Sammlungstypen im Besonderen ab: Sammlungen werden nicht mehr nur durch die Spitzen der Macht und zur Demonstration der letzteren angelegt. Jetzt sammeln Wissenschaftler/-innen, aber auch Patrizier und Richter/-innen und vereinzelt das einfache Bürgertum Sammlungen.17 Auf diese Weise unterstützt das Auftauchen dieser Sammlungen einen kulturellen Aufbruch – auch des Wissens –, der sich Schritt für Schritt in Richtung Moderne vollzieht (vgl. MacGregor 1994) und dessen Wirkmächtigkeit erst in einer Retrospektive sichtbar wird.18 Die im Mittelalter vereinten Anschauungen von Wirklichkeit und Mythos lösen sich allmählich in zwei getrennte Vorstellungen auf. Durch experimentelles Forschen entsteht langsam ein neuzeitliches Bewusstsein, das neue Wissensformen und Einteilungen von Wissen hervorbringt (vgl. Bollmann 2001). Eingeleitet wird dieser Übergang der Sammlungen aus dem Bereich des äußeren Machtkorpus in den des Wissenserwerbs und verinnerlichter Machtstrukturen durch die Humanisten. Mit Norbert Elias lässt sich diese Innerlichkeit insofern beschreiben, dass die Externalisierung des Gedächtnisses die Internalisierung der Selbstpräsentation vorantreibt, und zwar in Form einer intimen Gedankenwelt, in der Fragmente von Rationalität treiben. Das Sammeln lässt sich hier als eine so gelagerte Tätigkeit aufgreifen (vgl. Elias 1987; auch Becker 1996). In der Epoche der Aufklärung intensiviert sich diese

16 Francis Bacon hat mit seinen Werken Historia Naturalis et Experimentalis de Ventis (vgl. Bacon 1622) und Historia Vita et Mortis (vgl. ebd. 1623) die Sammlung von Überlegungen permanent erweitert und die Devise, dass Wissen Macht ist, hierdurch eindrucksvoll gestärkt. 17 Die Sammlungsräume sind nicht dem Privatleben der Eigentümer vorbehalten, sondern dienen im Rahmen von geschäftlichen Angelegenheiten z.B. als Arbeitsraum oder zu Repräsentationszwecken (vgl. Stewart 1995). 18 Die Vorstellungen bzw. Auffassungen des Modernen entwickeln sich erst nach und nach und enden in einem Begriff von Moderne, der den Gegenwartszustand der Gesellschaften möglichst präzise beschreiben soll. Dieser Begriff ist nicht mit Modernität, Mode oder modern zu verwechseln, denn er versucht, epochale Entwicklungen zusammenzufassen und dadurch zu veranschaulichen (vgl. Bollmann 2001: 24ff.).

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Innerlichkeit und findet ihren Abschluss erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (vgl. Burke 2001). In vielen Überlegungen zur Aufklärung werden emanzipatorische Entwicklungen auf die allmähliche Abschwächung ökonomischer Privilegierungen verkürzt, obwohl sich deutlich eine Segmentierung des Bildungsgedankens vollzieht (vgl. Elias 1989). Letzterer dringt aus höfischen Strukturen in breitere Gesellschaftsformationen ein und sorgt für eine kulturelle Genese. Die Modernisierung der Gesellschaft zieht eine Entzauberung und Ausblendung des Mythischen nach sich. Beim Phänomen des Sammelns äußert sich dieses durch eine weiterführende Sozialisierung des Sammelns und eine Demokratisierung des Wissens – das Sammeln zieht in das Bürgertum ein. Zeitgleich verabschieden sich einerseits zunehmend bestehende Sammlungsordnungen. Andererseits entwickeln sich neben den privaten Sammlungen nach und nach öffentliche Sammlungen. Die Differenz zwischen öffentlichen und privaten Sammlungen wird maßgeblich – bis zur Gegenwart – unter anderem dadurch hergestellt, dass die öffentlichen Sammlungen andere Kriterien bei der Auswahl der in die Sammlung aufzunehmenden Objekte zugrunde legen: Neben der Relevanz des Objektes für die Sammlung muss die eventuelle Endgültigkeit des Ankaufes berücksichtigt werden. Auch in den öffentlichen Sammlungen ist ein interessengeleitetes Vorgehen kein Mangel, jedoch wird hier eine gezielte Sammelpolitik betrieben, die Kriterien wie Sachlichkeit, Zeit und Verantwortung für die Zukunft der Sammlung miteinander verbinden muss (vgl. Koepplin 1994). Durch das allgemein wachsende Interesse an Sammlungen gewinnen verstärkt öffentliche Sammlungen gegenüber den enzyklopädischen19 Sammlungen des Typs Kunst- und Wunderkammern bzw. Kuriositäten- oder Raritätensammlungen an Bedeutung (vgl. Pomian 1994; Duncker 1993). Letztere können aufgrund ihrer inneren Logik und fehlender finanzieller Mittel nicht mit den zunehmend öffentlich zugänglichen Sammlungen und den langsam entstehenden Museen mit ihren Systematisierungen konkurrieren. Jedoch weisen die entstehenden öffentlichen Sammlungen weiterhin noch nicht

19 Frank Büttner, Markus Friedrich, Helmut Zedelmaier u.a. (vgl. Büttner/Friedrich/Zedelmaier 2003) untersuchen die Wissenskompilatorik in der frühen Neuzeit. Sie gehen der Frage nach, wie sich der Umgang mit gelehrtem Wissen sowie die Beweglichkeit und Auswirkungen des gesammelten Wissens in der frühen Neuzeit darstellen. Dieses lässt sich auch als »Metamorphosen des Wissens« (Büttner/Friedrich/Zedelmaier 2003a: 7) zusammenfassen. Die in der frühen Neuzeit angelegten Enzyklopädien dienten Gelehrten als Werkzeuge der Wissensverwaltung: Die Enzyklopädien sollten das durch Lektüre exzerpierte Wissen ordnen und den Leser/-innen somit Orientierung bei der Einordnung bestehenden als auch neuen Wissens bieten.

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solche Spezialisierungsgrade wie gegenwärtige Museen und Sammlungen auf (vgl. Duncker 1990: 453). »Mit der thematischen Unterscheidung der Sammlungen findet auch ihre gesellschaftliche Differenzierung statt« (Pomian 1994: 113). Fragestellungen, die ihre Quelle in Mystik und Aberglauben haben, werden durch ein Streben nach nützlichem und speziellem Wissen ersetzt. Mit den beschriebenen Entwicklungen ändern sich die Ordnungsprinzipien, nicht nur im Bereich des Aufbaus der Sammlungen sondern auch im Bereich der Sammler/ -innenschaft, die sich in breitere Gesellschaftskreise ausdehnt. Bildung und Kultivierung sind nicht mehr nur Attribute eines Adels, der sich diesen durch seine bloße Vermehrung und seines Erbes rühmt, sondern werden zu aufklärerischen Manifesten eines breiteren Bürgertums (vgl. Heesen 1997). Dadurch werden neben den durch das Sammeln fokussierbaren Orten des Wissensaustausches begünstigte oder sich verändernde Herrschaftsverhältnisse sichtbar.

1.2.3 Tendenzen im 18. bis 20. Jahrhundert und in der Gegenwart In der Entwicklung vom 18. bis zum 20. Jahrhundert spitzt sich die Verbreitung und Demokratisierung des Sammelns zu. Zeitgleich zu der sich ausdehnenden Möglichkeit einer höheren Bildung und dem Festhalten von Wissen in Nachschlagewerken wie z.B. der 1727 erschienenen Museographia von Kaspar Friedrich Jenckel (vgl. Becker 1996), steigt die Anzahl der Sammler/-innen. Das Sammeln breitet sich in allen Bevölkerungsgruppen aus und die Zahl und Unterschiedlichkeit der Sammelobjekte und -gebiete wächst.20 Nach der Fertigstellung des Museums Fridericianum in Kassel im Jahr 1779 als eines der ersten Museen in Europa, nimmt während des gesamten 19. Jahrhunderts die Einrichtung und Bedeutung von Museen im europäischen Raum zu. Gleichzeitig erfolgen thematische Differenzierungen, aus denen dann verschiedene Museumstypen hervorgehen.21 »[D]as Wissen explodierte zeitgleich mit der Dingwelt: Im 19. Jahrhundert konnte keine Sammlung und kein Museum mehr beanspruchen, die Welt als Ganzes einzufangen« (Heesen/Lutz 2005a: 13). Das Museum kristallisiert sich als eine unverzichtbare Komponente für das kulturelle Leben heraus (vgl. Pomian 1994: 118f.). Aufgrund der steigenden Zahl

20 Vgl. hier auch die Überlegungen zum Anstieg der Gebrauchsgegenstände in Haushalten im fünften Kapitel. 21 Zu nennen sind beispielsweise historische und archäologische Museen, naturwissenschaftliche oder technische Museen sowie Kunstmuseen.

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von Schenkungen und Museen, die aus Privatsammlungen und ihrem Umfeld hervorgegangen sind, ändert sich auch die Einstellung des breiten Publikums gegenüber den Sammler/-innen. »Die privaten bürgerlichen Sammlungen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert sind – vor allem in Deutschland – an den bürgerlichen Bildungsidealen ausgerichtet. Das deutsche Bürgertum empfindet sich […] selber durchaus als Bildungsbürgertum und beruft sich in seinen Auseinandersetzungen mit dem herrschenden Adel auf seinen eigenen ›Adel des Geistes‹. Aufgrund der zentralen Bedeutung der Bildung sind auch die Darstellungsformen von Bildung wichtig. Eine Sammlung hat für ihren bürgerlichen Besitzer deshalb zweifache Bedeutung: durch sie kann er sich einerseits als gebildet erweisen, und er kann sich andererseits an ihr bilden« (Faul 1994: 88f.).

Im 19. Jahrhundert entsteht als ein neuer Sammlungstyp die kleine Sammlung.22 Deren Hauptaufgabe ist es, für ihre Besitzer/-innen und Betrachter/-innen ein kultureller und intellektueller Genuss zu sein und das gesellige Leben dekorativerheiternd auszugestalten: Bei Empfängen oder privaten Einladungen werden soziale Kontakte zu anderen Sammler/-innen gepflegt und die Sammlungen gezeigt. Durch das Hinzufügen neuer und den Tausch von doppelten oder nicht gefallenden Objekten wird die Vervollständigung der Sammlung vorangebracht (vgl. Pomian 1994: 120f.). Diese Sammelentwicklung lässt sich in pädagogischer Hinsicht als die Entstehung eines Ortes informeller Bildung begreifen, in der sich währenddessen Geselligkeit als eine pädagogische Kategorie23 ausbildet. Die Privatsammlungen erleben zwei grundlegende Veränderungen: Sie erleiden einerseits einen Bedeutungsverlust von dem Moment an, indem öffentliche Museen besucht werden können. Andererseits sind sie damit weitestgehend von der Aufgabe entbunden, Erkenntnisordnungen abzubilden. Sie brauchen keine Rücksicht auf die Postulate einer Ordnung mehr zu nehmen, die Allgemeinverbindlichkeit beansprucht. Ihre Besitzer/-innen können sich an den öffentlichen allgemeinen Ordnungen orientieren, sie sind hierzu aber nicht gezwungen. Sie können geläufige Ordnungen und Ausstellungsmuster ignorieren und ihre privaten

22 Schon im 18. Jahrhundert finden sich kleine Sammlungen von z.B. alten Münzen oder Mineralien. Vom 19. Jahrhundert an erhalten Sammlungen von Briefmarken oder ähnlichen Dingen diese Bezeichnung (vgl. Pomian 1994: 120). 23 Vgl. Friedrich D. Schleiermacher mit seinem Versuch einer Theorie des geselligen Betragens (Schleiermacher 1799), auch Wilhelm von Humboldt mit seinen Ausführungen zu einem Plan einer vergleichenden Anthropologie (o.J.) sowie die Überlegungen von Wolfgang Hinrichs (1965) oder Klaus Mollenhauer (1973).

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Sammlungen nach eigenen Vorstellungen anlegen. Die Privatsammlung kann als Ausdruck von Persönlichkeit und Identität der jeweiligen Besitzer/-innen angesehen werden. Nach ihrem Tod hinterlassen Sammler/-innen ihre Sammlungen häufig Universitäten, Städten oder Forschungseinrichtungen. In ihren eigenen Räumlichkeiten oder eigens errichteten Gebäuden entstehen Museen, die den Charakter der Sammler/-innen in dem Spektrum der gezeigten Dinge widerspiegeln (vgl. Pomian 1994: 120f.).24 Sammlungen und nachgeordnet die Museen durchlaufen mit der Zeit erhebliche Wandlungsprozesse. Boris Groys (1997) macht in seinen Überlegungen das museale Sammeln als Antrieb für kulturelle – und vor allem künstlerische – Innovationen in der Moderne ausfindig, weil dieses Sammeln ständig eine Nachfrage nach neuen Kulturprodukten erzeugt. In öffentlichen und institutionalisierten Sammelformen (vgl. ebd.; Marx/Rehberg 2006)25 erhält das Sammeln einen offiziellen Rahmen. Sie dienen der Sammlung, Archivierung und Konservierung unterschiedlichster Objekte. Besonders Museen haben die Funktion der systematischen Dokumentation und Präsentation von Kulturgütern und dem damit verbundenen Wissen inne. Hierdurch wird die gesellschaftliche Verantwortung zur Bewahrung und Achtung von Kultur als identitätsstiftend und -bildend wider gespiegelt. Im 20. Jahrhundert erfährt das Sammeln im Museum eine neuerliche Revolution: Weniger die Bewahrung und Konservierung von Artefakten als die Auswahl von Gegenständen bestimmt das Museum: »Auf die Frage: ›Was bleibt?‹ gibt es nur noch eine Antwort: Es bleibt zuviel. So werden die Museen von heute Orte einer kultur-ökologischen Zensur: Ihre Funktion ist weniger, die zum Verschwinden verurteilten Artefakte der Vergangenheit zu retten, als vielmehr aus der Masse des sich anhäufenden kulturellen Mülls eine sinnvolle Auswahl zu treffen. Sinnvoll – aber in welcher Hinsicht? Die Museen sind Orte, an denen der kulturellgeschichtliche Müll zu kulturellen Identitäten verarbeitet wird. Somit sind die Museen

24 Es gab bereits damals Sammler/-innen, deren Sammelleidenschaft ausartete und die nicht vor Diebstählen und/oder Betrügereien zurückschreckten, um an die Sammelobjekte zu gelangen. Als Beispiel wird der Marchese di Campana angeführt, der Mitte des 19. Jahrhunderts ihm anvertraute Staatsgelder unterschlug und in seine Sammlung von u.a. Kunstgegenständen und Gemälden investierte. Hierfür erhielt er eine Gefängnisstrafe. Napoleon III. kaufte die Sammlung und schenkte sie dem Louvre sowie anderen Museen (vgl. Cabanne 1963: 10; auch Siegert 1908; Segeth 1993: 76ff.). 25 Bei Kunstsammlungen werden der Wert und die Bedeutsamkeit für die Allgemeinheit herausgestellt, wodurch das Sammeln als Tun aufgewertet wird (vgl. Pomian 1993; Sommer 2002).

54 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK kulturell-ökologische Wiederaufbereitungsanlagen, Recyclingmaschinen, die die Artefakte der Vergangenheit ›präsentieren‹, d.h. in die Zeichen der Gegenwart verwandeln« (Groys 1997b: 48f.; Herv. i.O.).

Im Museum erhalten die Gegenstände eine öffentlich wirksame Ordnung, die Sammlung erhält einen Ort. Der öffentliche Bereich des Museums ist strukturiert – hier bleibt die Anordnung der Objekte nicht dem Zufall überlassen, Wissen wird aufbereitet und angeordnet. Im Verborgenen beherbergt das Museum zumeist noch unzählige Objekte, die sich der gewählten Ordnung entziehen oder aus sonstigen Gründen keinen Platz im öffentlichen Bereich erlangen. Fast jedes Museum umfasst zugleich eine Bibliothek und ein Publikationszentrum und ist zudem ein Ausstellungsort, der einen Raum der Begegnungen und der Regeneration des sozialen Gefüges darstellt (vgl. Fritschka 2011).26 Dieses verweist wiederum auf die pädagogisch relevante Perspektive der Selektion und Vermittlung sowie Aneignung von Wissen, welche auch die Aufbereitung musealer Inhalte für unterschiedliche Altersgruppen einschließt (vgl. Kade 1993: 403).27 Das Museum wird als Lern-, Bildungs- und Erkenntnisort verstanden (vgl. Spickernagel/Walbe 1976; Becker 1996; Heesen/Lutz 2005), der prinzipiell allen (vgl. Grote 1994a: 12) – zumeist nach Bezahlung eines Eintrittsgeldes – zugänglich ist und als Massenkommunikationsmittel fungiert. Der demokratischen Teilhabe am Museum steht nach Pierre Bourdieu jedoch oftmals fehlendes kulturelles Kapital entgegen, welches für einen Museumsbesuch zur Verfügung stehen muss (vgl. Bourdieu 1997 [1983]; auch 1982).

26 Die politische, aber auch wirtschaftliche Bedeutung der öffentlichen Sammlungen und Museen ist nicht zu unterschätzen: Ihre Anziehungs- und Präsentationskraft üben am jeweiligen Standort einen nicht zwangsläufig unmittelbar sichtbaren, aber zentralen Effekt auf das städtische Leben aus. Beispielsweise sorgen herausragende Schauen, moderate Eintrittspreise und Öffnungszeiten sowie moderne Architektur dafür, dass Museen (temporäre) Mittelpunkte des städtischen Geschehens und Erlebens werden und durch ihre Sogwirkung unzählige Besucher/-innen anlocken. Die Museumsbesucher/-innen nutzen bei ihrem Aufenthalt am jeweiligen Museumsort auch umliegende Geschäfte, Hotels und Gastronomie sowie den öffentlichen Nahverkehr. Die gezielte Aufwertung von Orten durch architektonisch und künstlerisch herausragende Museen wird auch als Bilbao-Effekt bezeichnet. Der Name speist sich aus der touristischen Anziehungskraft der nordspanischen Stadt Bilbao, die durch das 1997 fertiggestellte Guggenheim-Museum unter Regie des Architekten Frank O. Gehry ausgelöst wurde. 27 In Arbeiten zur Museumspädagogik spiegeln sich Überlegungen zu diesem Bereich wider (vgl. hierzu Vieregg 1994; Schulze 1999).

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Anhand der Objekte werden Botschaften an die Museumsbesucher/-innen vermittelt. Diese Botschaften ergeben sich einerseits aus dem Objekt selbst und andererseits aus dem zeit-räumlichen, inhaltlichen und sozialen Kontext, in den die Objekte gesetzt werden. Der Kontext ist medial und »macht das Museum zu einer eminent zeitgebundenen Erscheinung« (Grote 1994a: 13). Zeitgebundenheit ist dabei als Zeit(en) bindend und verbindend zu verstehen, denn im Museum wird Zeit einerseits pointiert fixiert und andererseits durch seine Kontextualisierung gleichzeitig gedehnt: »Diese durchgehende Gleichzeitigkeit hat ein Verschwinden der traditionellen Gestalt der Chronologie zur Folge« (Jeudy 1987: 12). Veränderungen in Wissenschaft, Religion und Weltanschauungen werden in die zu vermittelten Botschaften transportiert und sorgen somit zu ihrer Weiterentwicklung. Die Ansichten und das Wissen von den für die Sammlung Verantwortlichen – wie Museumsleitungen oder die Sammler/-innen selbst – werden in diesen Botschaften evident. Den Besucher/-innen wird über die Objekte nicht nur Wissen vermittelt, sondern sie gehen auch mit dem Wissen um und selektieren oder aktualisieren es für ihre Belange und Interessen. In der Weise, wie das Museum mit Inhalten gefüllt und aufgebaut wird, können sich die Besucher/-innen bilden. In der jüngeren Vergangenheit bringen multimediale, interaktive bzw. virtuelle Ausstellungsräume (historische) Ereignisse oder Gegenstände beispielsweise mit Fotos sowie Film- und Tonmaterial von z.B. Zeitzeug/-innen in Verbindung (vgl. Groys 1997a, 1997b).28 Außerdem werden Fragen zu Auswahl, Qualität und Zukunftsfähigkeit von Sammlungen und Museen erörtert (vgl. Groys 1997; Lochmann 2011)29 sowie digitale Archive angelegt (vgl. Reck 1999).30 Jenseits

28 Vgl. beispielsweise das Projekt Chronik der Mauer unter www.chronik-der-mauer.de, welches Einblicke in die deutsch-deutsche Grenzgeschichte gewährt, oder das virtuelle Audiokunstwerk Memory Loops von der Künstlerin Michaela Melián unter www.memoryloops.net, das auf einer virtuellen Stadtkarte Tonspuren für (individuelle) Stadtrundgänge durch München zum Thema Nationalsozialismus zur Verfügung stellt. 29 Vgl. die 19. Tagung der Arbeitsgruppe Sachkulturforschung und Museum, bei der unter dem Motto »Welche Zukunft hat das Sammeln? Eine museale Grundaufgabe in der globalisierten Welt« Fragen um Auswahl und Beständigkeit von Sammlungen und Museen diskutiert wurden (www.d-g-v.org/kommissionen/sachkulturforschung-undmuseum/termine/welche-zukunft-hat-das-sammeln). 30 Das Archiv als Dokumentation und Speicher des Erinnerns und des Vergessens wird – angeregt durch Michel Foucaults Archäologie des Wissens (1973) und Jacques Derridas Dem Archiv verschrieben (1997) – zum Schlüsselwort kulturwissenschaftlicher

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von örtlich gebundenen Museen und Sammlungen werden außerdem über das Internet scheinbar triviale Alltagsgegenstände und ihre Geschichte museal vermittelt.31 Diese Entwicklungen führen zu der grundlegenden Frage, ob nicht eine »Totalisierung des musealen Blicks« (Groys 1997a: 15) erfolgt, welcher »die ganze Welt als Museum […] begreif[t], wobei die Grenze zwischen Museum und seinem Außenraum verschwindet« (ebd.: 13). Das Museum formiere sich so als »Ideologie« (ebd.), der gegenüber liquide und brüchige Formen des Museums stehen (vgl. ebd.: 14f.; auch Jeudy 1987). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts zählt man in einzelnen Museen oder Sonderschauen der Bundesrepublik jährlich hunderttausende Besucher/-innen.32 Der Museumsbesuch ist längst ein ,Eventʻ und dient den unterschiedlichsten Zwecken, aber nicht unbedingt nur der eigenen Wissensbildung und Weltschau, sondern auch der Selbstpräsentation und Selbstvermarktung als Trendsetter. Aber auch in anderen bildenden Institutionen wie Schulen und Universitäten wird das Sammeln in Form von Sammlungen seit jeher mehr oder minder gepflegt und zu Bildungszwecken genutzt. Realien-Sammlungen in Schulen veranschaulichen z.B. den Schüler/-innen die Physiognomie von Tieren, während Universitätssammlungen neben der Aufbewahrung für die Institution relevanter Objekte wie Einschreibeunterlagen unterschiedlichste Instrumentarien und Objekte aus den Geistes- und Naturwissenschaften bereit halten, gegebenenfalls für neue Forschungsprojekte zugänglich machen und in jüngerer Zeit in öffentlichen Ausstellungen Sichtbarkeit erlangen (vgl. Heesen 2008; Wissenschaftsrat 2011).

Überlegungen. Als Materialfundus und Arbeitsort von historischer Forschung sowie der Status des Archivs im Zeitalter digitaler Archivierungsmöglichkeiten veranlassen Arlette Farge zur Reflexion über die Materialität des Archivs als Ort ästhetischleiblicher Erfahrungen (vgl. Farge 2011 [1989]). Das Sammeln gereicht im Archiv der Dokumentation und Aufbewahrung von unterschiedlichen Objekten, aber nicht ihrer Präsentation, wodurch sich der sinnliche Zugang oftmals unverschlüsselter gestalten kann. 31 Vgl. beispielsweise ein Online Chinchilla Museum, in dem sich Objekte rund um das Thema Chinchilla von ca. 1870 bis zur Gegenwart aufrufen lassen (www.chinchillamuseum.de). 32 Vgl. die in Berlin im Jahr 2004 präsentierte MOMA-Ausstellung mit über 1 Million Besucher/-innen (vgl. www.metadesign.com/de/clients/moma-berlin) oder die 2006 und 2007 in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland gezeigte Schau mit Werken aus der Guggenheim-Sammlung mit über 800.000 Besucher/-innen (vgl. www.epochtimes.de/Guggenheim-Ausstellung-erzielte-RekordBesucherzahl-a78272.html).

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Zusammenfassend und diese Überlegungen abschließend ist das Sammeln als Beispiel eines Sozialisierungs- und Demokratisierungsprozesses von Wissen – und auch Bildung – in der Gegenwart an einem Punkt angelangt, wo es aufgrund seines dichten Verbreitungsgrades eine Sättigung erreicht hat. Unter dem Aspekt des Umgangs mit Wissen lassen sich aber qualitative Unterschiede hinsichtlich der Formen von Demokratisierung und Spezialisierung von Wissen aufzeigen.

1.3 Z UM F ORSCHUNGSSTAND Wissenschaftliche Untersuchungen zu alltäglichen Phänomenen und Ereignissen sind längst etabliert (vgl. Honer 1985, 1993; Frers 2007; Hasse 2007; Hitzler/Niederbacher 2010) und werden durch kulturgeschichtliche Überlegungen ergänzt (vgl. Kittler 1984; Münker 2000; Neidhart 2007; Werner 2009). Studien zu Alltagsgegenständen beispielsweise zielen auf die ausführliche Darstellung ihrer (freizeitlichen) Verwendungsweisen oder auf eine theoretische Fundierung von Kulturgeschichte(n). Im wissenschaftlichen Interesse an Dingwelten fokussieren sich zudem die Geschichte(n) hinter den Dingen (vgl. Ortlepp/Ribbat 2010: 10). Zwei allgemeine Spezifika der bisher untersuchten Forschungsgegenstände des Alltäglichen zeichnen sich ab: Erstens ist das bestehende Alltagswissen über die jeweiligen Phänomene und Ereignisse in der Regel umfangreich. Zweitens beinhalten die mit der wissenschaftlichen Ergründung verbundenen (Er-)Kenntnisse oftmals eine zeitliche und kulturelle Pointierung. Zwischen Aufkommen und Wandel der Phänomene liegen oftmals nur minimale (zeitliche) Abstände. Phänomene bringen ferner zu einer bestimmten Zeit eigene Dynamiken, Begründungslogiken und Verwendungszusammenhänge mit sich: Beispielsweise Freizeit, Technisierung, Globalisierung, Digitalisierung, Virtualität und soziale Netzwerke. »Wer von Netzwerken spricht, muss erst einmal von Fall zu Fall die Elemente genauso wie den Aufbau der Verknüpfungen und Knoten und die Regeln des Informationsflusses dazwischen bestimmen. Entsprechend muss jedes Netz immer neu und immer doppelt beobachtet werden: als ein Zusammenschluss einzelner Elemente (die Regeln der Vernetzung) und als zusammengeschlossenes Einzelstück (die Gesamtheit des Netzes). Übertragen auf soziale Systeme bedeutet das: Beobachtet werden sie gleichermaßen als Kollektiv von Individuen und als kollektives Individuum, das aufgrund bestimmter Gesetzmäßigkeiten eine spezifische Form von Denken, Lernen und Handeln organisiert. Welche Form das

58 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK genau ist, kann aber eben nicht allgemein bestimmt werden, sondern nur von Fall zu Fall« (Porombka/Schneider/Wortmann 2006: 8; Herv. i.O.).

Innerhalb einzelner Wissenschaftsdisziplinen werden verschiedene Ursachen, Beweggründe und Auswirkungen sowie die Funktionen und die Bedeutung des Sammelns herausgestellt. Eine Auseinandersetzung mit der Tätigkeit an sich und mit den damit einhergehenden Aktivitäten ist jedoch selten. Daher erfolgt an dieser Stelle eine kurze Darstellung und Diskussion des Phänomens in einigen Wissenschaftsdisziplinen, um das Phänomen einerseits wissenschaftlich einzuordnen und andererseits im erziehungswissenschaftlichen Feld zu konturieren.

1.3.1

Das Sammelphänomen in anderen Wissenschaftsdisziplinen

Unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen behandeln das Phänomen des Sammelns. Hauptsächlich zu nennen sind Philosophie/Anthropologie, Soziologie und Kulturwissenschaften (vgl. Hinske/Müller 1984; Schloz 2000; Sommer 2002), Wissenschaftsgeschichte, Kunstgeschichte und Geschichtswissenschaft33 (vgl. z.B. Schlosser 1978; Pomian 1993; Heesen 1997; Heesen/Spary 2001), Psychologie (vgl. z.B. Muensterberger 1995) sowie die Erziehungswissenschaft mit einer starken Fokussierung auf das kindliche Sammeln (vgl. die Arbeiten von Duncker: 1992, 1995, 1997, 2010). Neben einer philosophischen Hinwendung zu den Dingen (vgl. Foucault: 1971; Benjamin 1983; Baudrillard 1991; Flusser 1993) lässt sich als Grundtenor philosophischer Überlegungen zum Sammeln eine Unterscheidung zwischen einem »ökonomischen« bzw. »akkumulierenden« und einem »ästhetischen« Sammeln von Dingen treffen, wie sie Manfred Sommer ausführlich darlegt (vgl. Sommer 2002: 33ff.; Sommer 2011: 44; auch Hinske 1984). Begriff und Anschauung werden im Sammeln verwoben, jedoch wird die Über- und Wirkmächtigkeit des Begrifflichen zugunsten des Besonderen und begrifflich nicht Fassbaren gebrochen (vgl. Sommer 2011: 44f.). Sommer betrachtet das (sich und Objekte) Sammelnkönnen als »anthropologische Grundbestimmung« (ebd.: 41) des Menschen, mit dem bestimmte Aktivitäten und Strukturierungen verbunden sind:

33 Insbesondere die Archäologie ist mit der Beschaffung und Sammlung von Fundstücken und ihrer Auswertung beschäftigt.

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»Einerseits folgt alles Sammeln einem Schema: Vieles, was vorher zerstreut war, wird so bewegt, daß es nachher beisammen ist. Andererseits vollendet sich dieses Zusammenkommen in einem Zusammensein um der Anschauung willen: Was nun da ist, bleibt auch da und kann betrachtet werden. Diese Art zu sammeln nenne ich ästhetisch« (Sommer 2002: 8; Herv. i.O.).

Das Interesse am Sinnlichen speist sich aus der Wahrnehmung der vielfältigen Objektwelten, wie sie immer schon vorhanden sind und uns umgeben. Sommers Beschäftigung mit der einheitsstiftenden Vielfalt des (ästhetischen) Sammelns begründet sich ferner insbesondere aus den Gedanken zu Verschiedenheit und Differenz, wie sie die Kritische Theorie und der Poststrukturalismus propagierten. Er fragt sich: »Gibt es eine Einheit, die gerade darin besteht, dass sie das Viele nicht einfach in sich integriert, sondern jedes Einzelne in seiner Besonderheit, Individualität, Einmaligkeit so gut wie irgend möglich zur Geltung bringt? Eine Sammlung ästhetischer Objekte schien mir das Musterbild einer solchen Art von Ganzheit und Einheit zu sein« (Sommer 2011: 39).

Der Zusammenhang von Sammeln und Anschauung liegt demnach in der sinnlichen Wahrnehmung (gr. aisthesis). Demgegenüber steht das ökonomische »Sammeln, das schließlich im Verschwinden des Gesammelten endet« (Sommer 2002: 8). Die Differenz dieser Sammelformen beruht auf der Opposition von Erhaltung und Vernichtung. Aus der Vernichtungsvariante leitet Sommer ab, dass es letztlich nur eine – die erhaltende und ästhetische – Sammelform gibt (vgl. ebd.: 9), während das ökonomische Sammeln sich als dessen unzureichend entwickelte Variante eines Aufschubs von Verzehr und Verbrauch begreifen lässt. Aber wenngleich in systematischer Hinsicht das ökonomische Sammeln lediglich eine Abart des ästhetischen ist, so geht jenes dennoch diesem in der Entwicklung voran. »Ökonomisches Sammeln ist akkumulierend. Ästhetisches Sammeln dagegen ist differenzierend« (Sommer 2011: 45; Herv. i.O.). »Bewegungs-, Ordnungs- und Wissensformen« (ebd.: 39) wohnen dem ästhetischen Sammeln inne und werden durch selbiges ausgedrückt. »Für die Phänomenologie selbst ergibt sich die Chance, ihren Stil des Philosophierens an diesem strukturell einfachen und doch so vielgestaltigen Phänomen […] zu erproben und dabei vorzuführen, wie wunderbar hier Auge und Hand, Begriff und Bewegung, Reflexion und Phantasie zusammenspielen« (ebd.).

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Die ästhetische Dimension bei Sommer verweist auf Sichtbarkeit und Schönheit als höchste und allgemein vertretbare Formen des Ästhetischen und somit auf die (bildende) Kunst als »Produzent reiner Sehenswürdigkeiten« (ebd.: 47; Herv. i.O.) und dinghafte Trägerin des Ästhetischen. Nicht die Wertvorstellung und Wertschätzung durch einzelne bzw. bestimmte Personen sind ästhetisch, sondern es entwickelt sich – auch begrifflich – eine Idee des Sehenswerten, ästhetische Objekte hervorzubringen, die nur der Absicht des Ästhetischen genügen (vgl. ebd.: 46). Es stellt sich jedoch die Frage, welche Instanzen bestimmen, wann ein Objekt als ästhetisch zu bezeichnen ist. Ist der Begriff der Ästhetik weiterhin über eine Definition des Schönen und Erhabenen zu führen oder ist nicht vielmehr die Infragestellung bzw. Hinterfragung dessen, was Schönheit ist und sein kann, von entscheidender Bedeutung (vgl. Windheuser 2012)? Mit der Akzentuierung eines kreativen34 Potentials, welches sich aus dem und durch das Sammeln ergibt, ließe sich beispielsweise eine andere mit der Tätigkeit verbundene Dimension aufschließen, die den Fokus auf die Gestaltung von eigenen Wunschund Phantasiewelten legt und von der Dimension des Schönen und Erhabenen wegführen kann. Auch in soziologischen Überlegungen gelangt beispielsweise Alois Hahn zu dem Schluss, dass es neben der mit dem Sammeln verbundenen Möglichkeit der Vorratssammlung als praktisch-theoretisches Motiv (vgl. Siegert 1908) eine gewisse Form des Sammelns gibt, die eine ästhetische Genusshaltung zum Ausdruck bringen kann. Diese Sammelform zeichnet sich dadurch aus, »daß es ihr weder um einen praktischen Nutzen noch um intellektuelle Bereicherung geht, sondern um den schlichten Genuß am Dasein der Dinge« (Hahn 1984: 11). Jedoch fragt Hahn sich: »Ist nicht der ›eigentliche‹ Sammler nur derjenige, der die Niederungen des Praktischen – zumindest während der Beschäftigung mit seinem Steckenpferd – weit hinter sich gelassen hat und in den höheren Sphären der Bildung und der Erkenntnis weilt?« (ebd.). Eine abschließende Bewertung des

34 Die Zuschreibung, wer als kreativ gilt, unterliegt einem gesellschaftlichen Wandlungsprozess: Vom Kreator über das Genie bis hin zu Lebenskünstler/-innen der Gegenwart wird der Begriff der Kreativität unterschiedlich verwendet und bewertet (vgl. Osten/Spillmann 2003). Der Pädagogik sollte daran gelegen sein, den Begriff in seiner Verwendung kritisch zu betrachten. Die pädagogische Nutzbarmachung des Kreativitätsbegriff steht demnach in einem Spannungsverhältnis zwischen einem emanzipatorischen Selbst einerseits (vgl. Krautz 2009) und der möglichst umfassenden Verwertung von (individueller) Kreativität in Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Feldern (vgl. Sawyer 2009).

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Sammelns bleibt aber aus, da alle existenten Formen des Sammelns soziologisch betrachtet für ein erweitertes Verstehen der Tätigkeit entscheidend sein können. In den Kulturwissenschaften werden mit dem Sammeln beispielsweise das Alltägliche und die damit verbundenen individuellen und kollektiven Lebensentwürfe und -konzepte um Haben und Besitz thematisiert und problematisiert. Demnach zieht die Fokussierung auf Objekte und das Haben die Entfremdung von Geist und Körper nach sich (vgl. Marx 1965 [1872]). Anknüpfend an Walter Benjamins Überlegungen zur Reproduzierbarkeit (vgl. Benjamin 1969) wird die Transformation von Kultur in Haben, Besitz und Kapital kritisiert. Jedoch zeigt sich, dass das Phänomen in seiner geschichtlichen Gewordenheit für den Fortgang dieser Arbeit andere interessante Aspekte aufweist: Im 1994 durchgeführten Projekt Ums Leben sammeln im Fach der Empirischen Kulturwissenschaft an der Universität Tübingen haben Studierende und Lehrende das alltägliche Sammeln mithilfe von Interviews und Beobachtungen fokussiert sowie gegenwärtige Diskurse zum Sammeln und die historische Verankerung des Phänomens untersucht (vgl. Bausinger/Bechdolf/Duden u.a. 1994). Dabei wurden sowohl »das übliche Sammeln« (Köstlin 1994: 14), also »jenes ausdrückliche, offenbare und gern offenbarte« (ebd.: 15) Sammeln von beispielsweise Überraschungseifiguren und Briefmarken sowie das »gewöhnliche Sammeln« (ebd.: 14) thematisiert, welches sich als unauffälliges Sammeln von Dingen (mit biografischem Bezug) darstellt. Neben biografischen (Identitäts-)Aspekten als Ausdruck individueller und kollektiver Lebensspuren35 werden in den Überlegungen vor allem die Bedeutung, die Nutzung und die Vermittelbarkeit des Sammelns herausgestellt. Das Sammeln lässt sich in einer zeitdiagnostischen Perspektive einerseits als Ausdruck individuellen Seins und der Identität(-sbildung) sowie -präsentation und andererseits als individuelle und kollektive Musealisierung bzw. Historisierung beschreiben. »›Identität‹ und ›Musealisierung‹ erscheinen eng verbunden« (ebd.: 7). Hinsichtlich des Aspekts von Wissen zeigt sich weiterführend, dass dieses sich als universelles Mittel anreichern lässt. Aleida Assmann u.a. beleuchten beispielsweise eine postulierte Verbindung zwischen Exzentrik und Sammeln und nehmen somit eine positive Psychologisierung des Sammelns vor. Demnach zeigen diverse Beispiele, »daß der eigenwillige Charakter des Exzentrikers unter anderem dafür verantwortlich ist, daß sich Wissensrelevantes verschiebt, daß es neben der offiziellen Kultur und den von ihr institutionalisierten Formen der Wissensspeicherung alternative Weisen der Organisation, Erweiterung und Ver-

35 Lebensspuren werden als Rekonstruktion und Zusammenfassung von Lebensgeschehnissen verstanden (vgl. Grütjen 1999).

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lagerung im Wissenshaushalt einer Gesellschaft gibt« (Assmann/Gomille/Rippl 1998a: 9).36 In der wissenschaftsgeschichtlichen Auseinandersetzung mit dem Sammelphänomen werden historische Sammlungstypen als Vorgeschichte der Museen und Wissenschaften oder die Interdependenz von Objekten und Forschung, z.B. auch in der Medizingeschichte, untersucht (vgl. beispielsweise Grote 1994; Heesen/Spary 2001; Heesen 2008). Wie bereits gezeigt werden konnte, lassen sich die beiden in der Wissenschaftsgeschichte behandelten Ansätze als Vorläufermodelle des für die Moderne prägenden rationalistisch-empiristischen Wissenschaftsbegriffs begreifen. Konträr zu den vorangehenden Aspekten stehen die meisten psychologischen Überlegungen. Es existieren verschiedene psychologische – vielfach psychoanalytisch argumentierende – Theorien, die sich mit dem Sammeln auseinandersetzen. Diese Theorien fragen nach den Ursachen und Auswirkungen des Sammelns und deuten das Sammeln als affekthaften Trieb37, Relikt oder (Ur-)Instinkt bzw. Ersatzhandlung (vgl. Donath 1920: 13ff.; auch Segeth 1989: 1ff.). Sie sehen im Sammeln den Ausdruck einer fehlenden psychischen Ausgeglichenheit sowie eine Kompensation unerfüllter sozialer oder sexueller Wünsche 38 manifes-

36 Nach Helmuth Plessner lassen sich Sammeln und Exzentrik als ästhetische Phänomene begreifen: Menschen stehen in einer exzentrischen Position zur Umwelt, weshalb die menschliche Existenz Kultur und die Gegenstandwelt benötigt, was u.a. einen Bedeutungsgehalt der Gegenstände innerhalb eines Symbolsystems ausmacht. Symbolsysteme können z.B. durch Sammlungen konstituiert werden. Gegenwärtige Überlegungen nehmen Plessners Ausführungen zur Bedeutung von Exzentrik auf, widmen sich aber vermehrt Fragen des Zusammenhangs von Wissen und Macht, die durch exzentrische Seinsweisen virulent werden können. Demnach können Exzentriker/-innen bei der Wissensorganisation einer Gesellschaft wichtige Funktionen einnehmen (vgl. Plessner 1975 [1928]). 37 Die Deklarierung des Sammelns als Trieb entspringt der Frage nach der sammlerischen Selbstauffassung. Durch die Benennung des Sammelns als Trieb wird er existent und versperrt hierdurch den Blick auf andere Konstitutionen, Funktionen und (Be-)Deutungen des Sammelns. 38 Auch Jean Baudrillard sieht im Rückgriff auf die historisierende Terminologie Sigmund Freuds im Erwachsenenalter einen Zusammenhang zwischen Phasen des Geschlechtslebens und dem Sammeln. Er begreift die Sammelbeschäftigung zwar nicht als eine triebhafte Befriedigung (wie beim Fetischismus), jedoch als eine zeitfüllende und intensive Tätigkeit, die dem Menschen aufgrund ihrer Ordnungsmöglichkeiten Befriedigung verschaffen kann (vgl. Baudrillard 1991b:110ff.).

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tiert. Das Sammeln kompensiert diese Ängste, indem es »Verlust, Vergänglichkeit und Tod« abwehrt (Duncker 1990: 451). Häufig wird die pathologische und »die psychologisch interessante Figur des Sammlers so sehr nach vorn geschoben, daß alle anderen interessanten Aspekte davon verschüttet worden sind« (Ilgen/Schindelbeck 1997: 8). Hierdurch bedingt wird nur eine negativ konturierte Perspektive auf das Phänomen zugelassen (vgl. Freud 1997 [1908]); Muensterberger 1995). Diese Theorieansätze unterstreichen (mögliche) pathologische Züge des Sammelns: Sammler/-innen werden als krank, sozial verarmend bzw. gesellschaftsfern und unter Umständen als gefährlich beschrieben (vgl. Cabanne 1963: 10), deren Sammelwut bzw. Sammelsucht ärztlich zu behandeln ist. Neben diesen oftmals warnenden Beschreibungen lassen sich Krankheitssymptome wie Hoarding Disorder39, vielfach unter dem Namen Messie-Phänomen bekannt, Bibliomanie oder neuere in Erscheinung tretende Formen wie das sogenannte Animal Hoarding40 benennen, die Extrem- und Grenzformen des Sammelns beschreiben. Mit der Objektophilie (Objektliebe) – von der Schwedin Eija-Riitta Eklöf als objectum sexuality41 benannt – lässt sich ein Phänomen nennen, welches vorrangig eine Liebe zu Objekten beschreibt, die menschlichen Liebesbeziehungen gleich(gestellt) ist. Auch hier kann das Sammeln eine Bedeutung haben, jedoch steht die Liebe zu einem bestimmten Objekt, z.B. einer Dampflok, im Vorder-

39 Das Sammeln nimmt hier manische, hypertrophe bzw. beliebige Züge an. Mitunter werden jegliche Gegenstände wahllos angehäuft. Als mögliche Gründe für Hoarding Disorder werden mangelnde soziale Kontakte, Verlustängste oder Überforderungen im Alltag angeführt. Die historische und/oder kulturelle Bedeutung der gesammelten Gegenstände sind für diese Sammler/-innen gleichgültig (vgl. Steins 2003). Es lässt sich folgern, dass für das Messie-Phänomen weniger das Sammeln als ein nicht Wegwerfen-Können von Gegenständen entscheidend ist (vgl. Vogel 1999: 52). 40 Animal Hoarding bezeichnet ein Krankheitsbild, bei dem Menschen Tiere in großer Anzahl und scheinbar wahllos horten bzw. halten und die gesammelten Tiere weder angemessen unterbringen noch ausreichend mit Nahrung versorgen (können). Die Tierbesitzer/-innen sind oftmals nicht in der Lage zu erkennen, dass es den Tieren schlecht geht. Sowohl Menschen als auch Tiere sind in diesem Fall auf Unterstützung von außen angewiesen. Als mögliche Gründe für das Animal Hoarding werden – ähnlich wie bei Hoarding Disorder – z.B. die Angst vor oder der Mangel an sozialen Kontakten oder Alltagsüberforderungen genannt (vgl. Driessen 2009 oder die ausführlichen Informationen des Deutschen Tierschutzbund e.V. zu diesem Thema unter www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/heimtiere/animal-hoarding.html). 41 Vgl. hierzu die Internetseite von Eija-Riitta Eklöf unter www.berlinermauer.se.

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grund.42 Erhellend ist in diesem Zusammenhang die Arbeit Geliebte Objekte. Symbole und Instrumente der Identitätsbildung von Tilmann Habermas (1996). Er stellt in einer systematischen Untersuchung unterschiedliche Aspekte der Objektzuneigung wie beispielsweise die Verbindung von Besitz, symbolischen Bedeutungen, Beziehungen und Kreativität heraus und stellt somit positive Effekte geliebter Objekte ins Zentrum der Überlegungen. Für das Sammeln ergeben sich demnach beispielsweise Möglichkeiten zur Entspannung, zu freizeitlicher Aktivität oder zu sozialen Kontakten (vgl. ebd.).

1.3.2 Das Sammeln als Thema in der Erziehungswissenschaft In der Erziehungswissenschaft wird das Sammeln vorrangig als ein kindliches Phänomen aufgegriffen.43 Die erziehungswissenschaftliche Forschung hat sich diesem Thema bislang nur wenig gewidmet. Thomas Schloz weist zurecht darauf hin, dass »eine fundierte Theoriebildung zu diesem Handlungsfeld noch [aussteht]« und »phänomenologische Betrachtungen, Essays und Autobiographisches bislang die Rede über das Sammeln [bestimmen]« (Schloz 1986: 352). Wenige Arbeiten wie beispielsweise die Dissertation Sammler und Sammlungen. Studien über ein kulturelles Handlungsmuster und seine pädagogische Dimension von Uwe-Volker Segeth (1989) oder Überlegungen von Ludwig Duncker (2010) fokussieren das Sammeln durch Erwachsene. Aus einer erziehungswissenschaftlichen Perspektive ist zunächst aufschlussreich, dass das Sammeln eine lebensumspannende Tätigkeit von Menschen sein kann: Der Beginn vieler Sammeltätigkeiten ist in der Kindheit zu verorten. Häufig finden Kinder zufällig – aus Neugierde oder zum Zeitvertreib – über das Indie-Hand nehmen alltäglicher Objekte wie Steine, Holz und Tintenpatronen oder über das Tauschen von Aufklebern oder Spielkarten auf Schul- und Hinterhöfen zum Sammeln. Sie ahmen dabei andere Kinder oder Erwachsene in ihrem Handeln nach bzw. grenzen sich durch ihr eigenes Sammeln von deren Sammlungen

42 Vgl. beispielsweise den Dokumentarfilm Objekt der Begierde, der sich mit der Möglichkeit befasst, ein Objekt zu lieben. Dieser Film ist unter der Regie von Sarah Möckel im Jahr 2006 im Fach Kommunikationsdesign an der Bergischen Universität Wuppertal entstanden (vgl. Möckel 2006). Zusätzlich sind die Internetseiten www.objektophilia.de und www.love-for-objects.de zu nennen, die zur Informierung über und Erklärung der Objektliebe beitragen möchten. 43 Dieses konstatiert auch Thomas Schloz in seinen Ausführungen zum Sammeln als »Alltagskultur« (vgl. Schloz 1986).

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ab (vgl. Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 74; auch Duncker 2006; Duncker/Kremling 2010a).44 Viele kindliche Sammler/-innen entwickeln die Vorstellung, dass das Sammeln und ihre eigene Sammlung ein fester Bestandteil ihres Lebens bleibt, obwohl die Sammelthemen variieren können (vgl. Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999; Duncker 2006: 85). Mit der Pubertät scheint sich das Interesse für das Sammeln jedoch zumeist bzw. zunächst zu ändern. An die Stelle des Sammelns von alltäglichen Objekten tritt vielfach das Sammeln von Materialien aus dem Bereich der Popkultur (z.B. von Musikbands). Bisweilen verflacht das Sammeln oder es tritt sogar eine Phase der Stagnation ein. Spätestens im Erwachsenenalter finden jedoch viele Menschen zurück zum Sammeln – auch wenn es sich um andere Sammelobjekte als noch während der Kindheit und Jugend handeln kann. Teilweise entdecken Erwachsene das Sammeln für sich, welche vorher kaum oder nie Berührungspunkte mit diesem Thema hatten. Da sich das Sammeln in unterschiedlichen Lebensaltern unterschiedlich auszuprägen scheint, lassen sich über eine Darlegung der bestehenden Deskriptionen zum kindlichen Sammeln das Sammeln von Erwachsenen erstens verorten und zweitens an späterer Stelle im fünften Kapitel spezifische Momente des erwachsenen Sammelns fokussieren. Als zentrale Funktionen des kindlichen Sammelns – die auch für das erwachsenen Sammeln angenommen werden können – lassen sich festhalten: • • •

eine identitätsbildende bzw. -stiftende Funktion eine ordnungsstiftende Funktion eine bildende Funktion (eine didaktische Funktion, eine leiblichästhetische Funktion und eine Funktion der Wissensrekonstruktion und des Wissensumgangs einschließend)

Mit diesen Funktionen gehen – wie sich an späterer Stelle zeigt – unterschiedliche, für die schulische Didaktik relevante Dimensionen des Sammelns einher

44 Über 80 verschiedene Sammlungsthemen wurden bei einer Befragung von Grundschulkindern ermittelt, wobei neben kommerziellen Dingen wie Stickern oder Überraschungseiern vor allem Naturalien, klassische Sammelbereiche wie Briefmarken, Münzen oder Postkarten oder außergewöhnlichere Objekte wie z.B. tote Tiere Bestandteile kindlicher Sammlungen wurden (vgl. Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 66). Die Interessen und Vorlieben von Kindern für bestimmte Sammelthemen variieren und können mit aktuellen Trends aus der Spielzeug- und Unterhaltungsindustrie zusammenhängen. Insgesamt zeigt sich jedoch eine vielfältige Bandbreite an Gegenständen, die von Kindern gesammelt werden (vgl. Duncker/Kremling 2010: 53).

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(vgl. Duncker 2007). Die Funktionen scheinen beim Sammeln parallel wirkmächtig zu werden. Erstens wird eine identitätsbildende bzw. -stiftende Funktion des Sammelns herausgestellt. Zweitens wird die ordnende (rationale) und ästhetische Funktion des Sammelns im (Schul-)Alltag von Kindern hervorgehoben (vgl. Fatke/Flitner 1983; Duncker 1993, 1999, 2006). Eltern fungieren entweder als Hilfesteller und Förderer des Sammelns oder »[haben] überhaupt kein Verständnis für das Sammelsurium ihrer Kinder« (Segeth 1993: 54),45 wobei die von Segeth verwendete abwertende Bezeichnung »Sammelsurium« das Sammeln durch Kinder verkennt. Ein Sammelsurium steht für eine diffuse und ungeordnete Beschaffenheit des Sammelns, die eine Sinnlosigkeit dieses Tuns unterstellen könnte. Jedoch müssen die durch die Kinder vorgenommen Ordnungen und Kategorisierungen46 einerseits nicht zwangsläufig erwachsenen Ordnungsvorstellungen und Denkmustern entsprechen (vgl. Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 75) und andererseits ist der Ordnungsbegriff generell zu problematisieren, wie sich an späterer Stelle noch zeigen wird. Denn auch das Sammeln im Erwachsenenalter schafft spezifische Ordnungsmuster, die sich bestenfalls klassifizieren, aber nicht polarisieren lassen. Jüngere Überlegungen zum kindlichen Sammeln betonen drittens stärker einen bildenden Aspekt des Sammelns von Objekten (vgl. Duncker 1997; 2001, 2004, 2010), indem besonders die didaktischen und museumspädagogischen Qualitäten des Sammelns betont werden (vgl. Duncker 1995, 2004, 2006, 2007: 10ff.; auch Duncker/Kremling 2010: 63f.). Demnach zeigen sich beim Sammeln »Geheimnisse und Phantasiewelten«, »Spielen«, Nachverfolgen des »eigene[n] Wachstum[s] im Größerwerden der Sammlung« sowie »soziale Kontakte« (Duncker 1999: 77; vgl. auch Duncker/Kremling 2010: 63f.). Aufgrund sich verändernder Lebensbedingungen durch gesellschaftliche Entwicklungen wie Globalisierung und das Lernen im und durch das Internet wird dem Sammeln eine besondere Wichtigkeit und ein gesteigerter Wert zugesprochen (vgl. Duncker 2004). Neugier und Staunen47 – wesentliche Elemente kindlichen Erlebens und

45 Duncker sieht in der Verbindung von Sammeln und Ökonomie einen Faktor, der Eltern zur Ablehnung bzw. Kritik des Sammelns führt. Hier stehen für die Eltern Besitz und Haben (Wollen) im Vordergrund. Jedoch betont Duncker, dass Kinder vielfach Objekte sammeln, die käuflich nicht zu erwerben sind (vgl. Duncker 1992: 450f.; Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 66). 46 Nach Jean Baudrillard »[ist es] [b]eim Kind der rudimentärste Ausdruck der Herrschaft über die Umwelt: Ein Ordnen, Einteilen und Gruppieren« (Baudrillard 1991b: 112). 47 Vgl. hierzu die Ausführungen zum Staunen unter 1.2.2.

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Lernens – werden als eine zu (re-)kultivierende pädagogische Aufgabe hervorgehoben, welche durch das Sammeln besonders angeregt wird (vgl. Duncker 1999; auch Pohl 1991; Härle 2005). Demnach lässt sich das ungeplante und zufällige Sammeln, welches zunächst »nur wenig mit Schule und Unterricht zu tun« (Duncker 1992: 30) zu haben scheint, pädagogisch zum Lernen und Bilden der Kinder innerhalb von Kindergärten, Schulen und in Museen nutzbar machen (vgl. Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999; Melzer 2007; Neubert 2007): Gemeint ist die Anregung und Förderung der eigentätigen Beschäftigung mit und die Erforschung und Sinnzuschreibung der (Ding-)Welt durch das Anschauen, Begreifen und Ordnen von Objekten (vgl. Duncker 1999: 76). Als wesentlich ist hier die Koppelung zwischen »Formen kindlicher Weltaneignung« (ebd.: 77) und -deutung und »Bezüge[n] zur Wirklichkeit des Fachwissens und zur sogenannten ›objektiven‹ Kultur des Wissens« (ebd.) zu sehen. Diese macht die »Rekonstruktionen des Wissens« (ebd.: 77) und den Umgang mit Wissen (vgl. ebd.: 78; auch Duncker/Kremling 2010: 53) – den Prozess der Genese, Vermittlung und Aneignung von Wissen – erst möglich. Durch die genannten Funktionen soll das rationale (methodisch-systematische) und ästhetische Lernen und Denken bei Kindern angeregt und ausgebildet (vgl. Duncker 2007: 7ff.) sowie Wissen und kommunikative Sprachfertigkeiten erlernt werden (vgl. Duncker 2004, 2006: 83). Duncker stellt die These auf, »daß im Sammeln und Ordnen ein methodisches Verhältnis zur Wirklichkeit kultiviert werden kann« (Duncker 1999: 76). In einer »Didaktik des Sammelns« (Duncker 2007: 10) entwickelt Duncker auf Basis der vorangestellten Funktionen vier Dimensionen »für die Entfaltung eines methodischen Verhaltens und eines forschenden Lernens« (ebd.) innerhalb der Schule, die auf der Koppelung der Leitbegriffe »Mythos, Struktur und Gedächtnis«48 basieren (Duncker 1990: 453ff.; vgl. auch Duncker 1993): Mit der Dimension der Anschaulichkeit wird das ästhetische Betrachten sowie Er- und Begreifen der Objekte beim Sammeln aufgenommen, welche in einer Ordnung und Systematisierung der Objekte münden können (vgl. Duncker 2007: 10; Pohl 2007: 36f.; Neubert 2007: 40). Durch das Außen, die »Oberfläche der Dinge« (Duncker 1999: 80), wird das Entdecken von inneren und äußeren Zusammenhängen und somit das sprachliche Ausdrucksvermögen gefördert. »Sammlungen

48 Duncker rekurriert hinsichtlich dieses Zusammenhangs in seinen Überlegungen auf die Sammlungen der Spätrenaissance und dem sich hier präsentierenden – aus einem Konglomerat aus Mythos und Vernunft gespeisten – Weltbild (vgl. Duncker 1993: 116ff. sowie ausführlicher auch das Kapitel 1.2.2).

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stehen als Bindeglied zwischen dem Kind und seiner gegenständlichen Umwelt« (Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 64). Die historiografische Dimension widmet sich der Erinnerung und Bedeutung, die dem fokussierten Gegenstand beigemessen wird – wobei einerseits die eigene biografische Perspektive des Kindes als sogenannte »signifikante Lebensspuren« (ebd.: 81) und andererseits die allgemeinere, kulturelle Sicht auf den Gegenstand als Zeitzeuge einer bestimmten sozialen oder/und politischen Situation oder eines Ereignisses in den Blick genommen werden kann (vgl. Duncker 2007: 10f.). Zugleich lassen sich hier »Fragen des Auswählens« und »methodische[…] Ansprüche des Archivierens« (Duncker 2004: 14) sowie des kollektiven kulturellen Erinnerns thematisieren (vgl. Halbwachs 1967). »Wo die Erinnerungen mehrerer Menschen sich wie Netzwerke überlagern, entstehen Knotenpunkte und Verdichtungen, die das Gedächtnis des Einzelnen überschreiten und darauf hinweisen, daß es kollektive Bestände der Erinnerung gibt, in denen die für eine Gruppe, eine Generation oder auch eine Subkultur relevanten Erinnerungen aufbewahrt werden […]. Sie verweisen an Stationen geschichtlicher Ereignisse, die über ihre gegenständliche Repräsentation in der Sammlung gleichsam symbolisch präsent bleiben« (Duncker 1999: 83).

Mit der journalistisch-literarischen Dimension wird das bereits oben angesprochene Recherchieren, Auswählen und Zusammenstellen von Informationen und Material zu einem Thema gebündelt (vgl. Pohl 2007: 37), wodurch die »Genese des Wissens und seine […] Verwertung«, also die »Konstruktion von Wissen« (Duncker 2007: 11) und seine Re- und Dekonstruktion für das Kind nachvollziehbar wird (vgl. Berger/Luckmann 1969).49 Fragen des Sichtens, Be- und Auswertens und der Präsentation können erörtert und am Material erarbeitet und geklärt werden (vgl. Duncker 2007: 12). Die wissenschaftspropädeutische Dimension (vgl. Duncker 2006) bezieht sich auf das Sammeln und Ordnen von Phänomenen bzw. Gegenständen. Es werden sowohl unsystematische und systemische Zusammenhänge erarbeitet als auch kreative und fantasievolle Weltbe-

49 In diesem Zusammenhang lassen sich didaktische Ansätze thematisieren, die konstruktivistische Theorien für schulisches, außerschulisches und selbsttätiges Lernen nutzbar machen wollen (Dubs 1995; Gerstenmaier/Mandl 1995; ReinmannRothmeier/Mandl 1996; Siebert 2001, 2005).

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züge möglich (vgl. Duncker 2004; Pohl 2007).50 Durch die Schwierigkeiten und Herausforderungen, die das Klassifizieren mit sich bringt, »entstehen Einblicke in das dialektische Wechselverhältnis vom kategorialen Rahmen einer Ordnung und dem Ordnen der Bestände selbst« (Duncker 2007: 13) als Vorgang der Wissensbildung. »Den Prozeß der Wissenschaftsgeschichte als Genese methodischen Denkens zu rekonstruieren, kann hier als eine unterrichtliche Aufgabe begriffen werden. Wo Dinge, Gegenstände und Phänomene aufgegriffen, geordnet und klassifiziert werden, entstehen in unmittelbarer Begegnung mit den Fundstücken aus Natur und Kultur Anlässe, in denen das Systematisieren geübt wird« (Duncker 1999: 88; Herv. i.O.).

Dabei haben die durch die Menschen entstandenen bzw. entstehenden Ordnungen zumeist einen eher vorläufigen als definitiven Charakter (vgl. Duncker 2004: 16; Duncker 2007: 13). Für Duncker »[lässt sich] [i]n den genannten vier Dimensionen […] eine Didaktik des Sammelns produktiv in den Bildungsanspruch des Sachunterrichts und darüber hinaus einbeziehen« (ebd.). In Bezug auf das Sammeln im Erwachsenenalter schildert beispielsweise Segeth die Möglichkeiten von erwachsenen Sammler/-innen folgendermaßen: »Ein Sammler kann ein Museumsbesucher sein, oder er ist Museumsdirektor en miniature in seiner eigenen Sammlung. Auch der Bildungsgedanke ist hier von entscheidender Bedeutung. So scheint heute aus der geistesgeschichtlichen Dimension eine soziale und pädagogische Dimension hervor« (Segeth 1989: 21).

Segeth will daher Tendenzen des Sammelns aufzeigen, die dahinter stehenden Prinzipien offen legen und letztere in ein Kategoriensystem des Sammelns und der Sammlung überführen. Es ließe sich seiner Ansicht nach eine »Theorie des Sammelns, oder allgemeiner: […] eine Theorie des kulturellen Handlungsmusters Sammeln« (ebd.: 43) entwickeln (vgl. auch ebd.: 148ff.), die wiederum »in eine Theorie des Sammlers und eine Theorie der Sammlung« (ebd.: 22) gegliedert werden könnte.51 Er ist auf der Suche nach den systematisch-strukturellen

50 Durch diese vier Dimensionen können die kindlichen Sammler/-innen beim Sammeln unterschiedliche Rollen, z.B. Journalist/-in, Bastler/-in, Archivar/-in oder auch Expert/-in, einnehmen (vgl. Duncker 1990: 461ff., 1992: 32f.). 51 Der Gedanke, eine Theorie des Sammelns zu entwickeln, taucht in der Literatur an einigen Stellen auf. Zu vermuten ist, dass hierdurch der Versuch angestrebt wird, das

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Momenten des Sammelns, die er für pädagogisch besonders interessant erachtet (vgl. ebd.: 43). Daher befragt er in seiner Arbeit einerseits erwachsene Sammler/-innen von Puppen und Puppenstuben, Modeartikeln der 1920er Jahre sowie einen Sammler von Büchern und Grafiken zu ihren Sammlungen und der Tätigkeit des Sammelns. Andererseits rekapituliert er die Geschichte bekannter Sammler/-innen (vgl. ebd.: 78ff.). Aus der Zusammenschau der untersuchten Sammler/-innen und vor allem aus ihren Sammlungen folgert Segeth: »Jedes Sammelgebiet kann bildende Bedeutung haben. Gerade bei der Beschäftigung mit einem Spezialgebiet hat es der Sammler mit einem bestimmten Umfeld zu tun und muß sich, je nachdem, mit geschichtlichen oder naturkundlichen Fragen beschäftigen. So fügt sich wiederum, daß, gleich welchen Baustein des geistigen Mosaiks man auswählt, immer ein ganzes Mosaik entsteht« (ebd.: 193).

Als Antrieb des Sammelns macht er eine emotional positive Gefühlslage und den Wunsch nach Selektion geltend (vgl. ebd.: 148). Die Argumentation von Segeth verweist zwar auf eine mögliche bildende Bedeutung des Sammelns. Segeth überlagert seine Überlegungen jedoch einerseits mit psychologischen – respektive psychoanalytischen und psychopathologischen – Annahmen und Deutungsansätzen und schließt somit an bestehende, psychologisch motivierte, pädagogische Erklärungsmuster an oder verengt die Perspektive zumindest generell hierauf, wenn Sammeln als Trieb und seelische Anomalie gedeutet wird (vgl. Siegert 1908; auch Montessori 1952: 229f.). Andererseits rekurriert er hinsichtlich »kulturanthropologische[r] Deutungen und pädagogische[r] Absichten« (Segeth 1989: 176) des Sammelns wiederum auf das kindliche Sammeln (vgl. auch ebd.: 22), lässt hier aber pädagogisch motivierte Erklärungsansätze, die das Sammeln als wesentliches Element kindlicher Entwicklung beschreiben (vgl. die Ausführungen zu Ludwig Duncker u.a.), weitestgehend unberücksichtigt. Erwachsene kommen als hilfestellende Erzieher/-innen oder in Form eines Rekurses auf große Sammler/-innen der Geschichte (vgl. Segeth 1989: 78ff.; Cabanne 1963) zur Geltung, auch wenn das Fortschreiten des Kindes vom kindlichen zum erwachsenen Sammelnden und den sich hieraus speisenden Errungenschaften wie Freundschaften und Teilhabe an Lebenszusammenhängen nachvollzogen wird (vgl. Segeth 1989: 188). Er resümiert:

Sammeln selbst, welches sich wesentlich durch Kriterien wie Ordnen und Klassifizieren auszeichnet, zu systematisieren (vgl. auch Vogel 1999: 22ff.).

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»Wenn das Sammeln bildet und den Sinn des Lebens erweitert, ist es auch gerechtfertigt, dafür Geld auszugeben, im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten und des gesteckten Sammelzieles. Das gilt für den großen, begeisterten Sammler ebenso wie für das Kind, das auf die Hilfe seiner – kenntnisreichen – Erzieher angewiesen ist« (ebd.: 193).

Es zeigt sich, dass das Sammeln nach Segeth erst dann (finanziell) zu rechtfertigen ist, wenn sich seine bildende Funktion beweist. Neue Aufschlüsse über das Sammeln im Erwachsenenalter ergeben sich durch seine Überlegungen jedoch nicht. Als eine weitere Fassung des erwachsenen Sammelns wird eine Analogie zwischen kindlichem Spiel und erwachsenem Sammeln gesehen. Denn mit dem Sammeln ließe sich ungezwungen und problemlos in die Kindheit und das Spielen zurückkehren: Das »[…] Sammeln ermöglicht es ihm [dem Menschen; Anmerk. D.W.], noch einmal Kind zu sein« (Kampowski 2008: 10). Zusätzlich schafft das Sammeln eine Verbindung zwischen kindlichen und erwachsenen Lebens- und Identitätswelten (vgl. Gmeiner 1994: 117; Duncker 2001: 8), wie sich z.B. im Sammeln von Urlaubsmitbringseln ausdrückt. Sogenannte Souvenirs oder Andenken veranschaulichen den Wunsch, »einen Anker zurück in eine gewesene Zeit« (Niedenthal 2008: 134) zu werfen. Hierbei ist die Erinnerung an eine bestimmte Zeit des Vergnügens und des Eintauchens in (un-)bekannte Welten gebunden, die im »Lebensmuseum« (Köstlin 1994: 12) festgehalten werden soll (vgl. Garatwa/Schlager 1994; Köstlin 1994a; Ananieva/Holm 2006).52 Das Sammeln von Objekten scheint hier neben der biografischen eine sachlich bzw. chronologisch orientierte Konnotation aufzuweisen, wie sich im Verlauf noch zeigen wird. Auch wenn Parallelen zwischen dem kindlichen Sammelspiel und dem erwachsenen Sammeln nicht auszuschließen sind, so ist dieser Erklärungsansatz dennoch nicht hinreichend. Er verkürzt das Sammeln auf das Moment des

52 Als klassische Möglichkeiten, (biografische) Erlebnisse und Erfahrungen gegenständlich verfügbar und erinnerbar zu halten, erweist sich das Anlegen von Fotoalben, Tagebüchern, Poesiealben und Freundebüchern. Im digitalen Zeitalter kommt besonders sozialen Netzwerken und Blogs eine neue Bedeutung zu, eigene Lebensspuren virtualisiert zu ordnen und zu manifestieren. Jedoch besteht zwischen er- und gelebter Wirklichkeit und der Erinnerung ein floating gap, welches die Leerstelle zwischen Vergangenheit und der erlebten Erinnerung von Zeitgenoss/-innen beschreibt. Denn die selektive Auswahl dessen, was an Leben in Fotoalben oder im Internet festgehalten wird, generiert stilisierte Lebensmythen, indem ein biografisches (Selbst-)Bild geschaffen wird, welches Erinnern, Verdrängen und Vergessen fließend ineinander webt. Die Rekonstruktion der Erinnerung und ihrer Kontexte ist oftmals nur durch die Sammler/-innen selbst zu erschließen.

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Spielens und lässt somit andere (mögliche) Perspektiven, wie sie z.B. für das kindliche Sammeln als didaktische Qualität entwickelt wurden, unberücksichtigt, obwohl hier eine Analogie zwischen dem kindlichen und erwachsenen Sammeln nahe liegt. Jedoch ist das Sammeln im Erwachsenenalter insofern gegenüber dem kindlichen Sammeln verändert bzw. erweitert, als es einerseits zunächst nicht institutionell didaktisch vermittelt bzw. begleitet wird und andererseits mit dem Sammeln im Erwachsenenalter eine spezialisierte Beschäftigung mit den Hintergründen und Wertigkeiten der ausgewählten Sammelobjekte einhergeht, die auf diese Weise im Kindesalter nicht zu finden sind. »Die Motive und Wertmaßstäbe, die Kinder bei ihren Sammelaktivitäten verfolgen, sind offensichtlich andere als die von Erwachsenen, und man kann vermuten, daß die Faszination der Sammeldinge etwas zu tun hat mit einem ursprünglichen Staunen über die Vielfalt und Erscheinungsfülle der Welt« (Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 63).

In Bezug auf das erwachsene Sammeln führt die Auseinandersetzung mit dem Sammeln in eine Kommunikation zur Weitergabe und Verstetigung des während des Sammelns erworbenen Wissens, weshalb Duncker als wesentliche Elemente des Sammelns neben Erinnerung und Identität Interesse und Wissen ausmacht (vgl. Duncker 2010). Der beim kindlichen Sammeln initiierte »Prozess der Entstehung, die Aufbereitung und Vermittlung von Wissen« (Duncker 2001: 8) kann auch für das erwachsene Sammeln gelten, wenn Duncker schreibt: »Es bildet sich ein Expertentum aus, das sich in Fachzirkeln organisiert, und ein Wissen kommuniziert, das als bildend bewertet werden kann, gerade auch dadurch, dass es oft im besten Sinne nutzlos und nur dazu da ist, das eigene Interesse wach zu halten und neue Erkenntnisse hervorzubringen. Sammeln ist in diesem Sinne immer auch Erkenntnistätigkeit« (Duncker 2010: 44).

Hinsichtlich der Entfaltung von Interesse und Erkenntnistätigkeit beim Sammeln rekurriert Duncker eher beiläufig erwähnend als gezielter ausführend auf Wilhelm von Humboldt und Johann Friedrich Herbart, wenn er dieses als »Kennzeichen eines Bildungsprozesses« (ebd.: 43) bezeichnet. Interessenentfaltung »[zielt] auf das unvoreingenommene und vielfältige Erschliessen [sic!] und Verstehen der Wirklichkeit« (ebd.). Duncker und Kremling postulieren zwar, dass »man durchaus die These aufstellen [kann], dass sich in Sammelaktivitäten selbstgesteuerte Formen bildender Aneignung von Wirklichkeit abzeichnen« (Duncker/Kremling 2010: 63). Jedoch stellt neben einer genaueren Analyse des

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bildenden Gedankens, der dem Sammeln innewohnen könnte, eine Untersuchung des Sammelns von Objekten durch Erwachsene unter dem Gesichtspunkt des Umgangs mit Wissen ein Forschungsdesiderat dar. Auch wenn die meisten Autor/-innen das Thema Wissen und einige den Bildungsaspekt aufgreifen, setzen sie sich hiermit nicht eingehender auseinander.53 So wird festgehalten, dass »[d]as Sammeln den Menschen näher an die Wissensgebiete heran [führt] und der Bewahrung und Förderung unseres Zusammenlebens [dient]. Darum ist der fortgeschrittene Sammler immer auch Pädagoge. Sei es bei seinen eigenen Kindern, als Gesprächspartner in der Schule oder in der Jugendgruppe des Sammlervereins, als Vortragender bei Veranstaltungen oder als Aussteller. Aus dem bewahrenden Prozeß beim Sammeln wird ein belehrender Prozeß. Das Weitergeben der Erfahrungen und Anregungen führt andere zum neuen Entdecken und Erforschen« (Segeth 1989: 33).

Sammeln lässt sich somit – wie bereits am Beispiel des kindlichen Sammelns gezeigt werden konnte – hinsichtlich seiner sozialen Verflechtungen und Erkenntnismöglichkeiten als bedeutsam für das menschliche Leben beschreiben: Neben der Erkenntnistätigkeit mit Analyse- und Reflexionsmomenten ist die ästhetische Komponente mit der Artikulation von sinnlichen und magischen Bedeutungsgehalten, von Gefühlen, Träumen und Wünschen nicht unerheblich. Ästhetisches Empfinden und Kreativität eröffnen Räume der Fantasie. Sie schaffen einen Zugang zu neuen Welten, in der der Pragmatismus einer auf der einen Seite stehenden objektiven, rationalen (Welt-)Ordnung und auf der anderen Seite stehenden subjektiven Sinnbildung des Lebens überwunden wird. Eine vieldimensionale und variantenreiche – gegenständliche, soziale und symbolisch verfasste Wirklichkeit tritt zutage. »›Die Ordnung der Dinge‹ erweist sich so nicht als Abziehbild der Wirklichkeit, sondern als menschliche Zutat, als ein kreativer Akt, der Entscheidungen abverlangt und eine Erkundung, Erprobung und Entdeckung von Beziehungen zwischen den Dingen voraussetzt« (Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 80).

An dieser Stelle wird auf Michel Foucaults Werk Die Ordnung der Dinge (1971) angespielt. Foucault erwähnt in dieser Arbeit einen Essay des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges. Borges zitiert in diesem Essay eine chinesische Enzyklopädie, in der ein – für heutige Ordnungsvorstellungen – ungewöhnliches

53 Eine Ausnahme bilden Heesen, Spary u.a. in ihren wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen (vgl. Heesen/Spary 2001).

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Klassifikationsschema von Tieren vorgestellt wird. Die Wirkung beschreibt Foucault folgendermaßen: »Beim Erstaunen über diese Taxonomie erreicht man mit einem Sprung, was in dieser Aufzählung uns als der exotische Zauber eines anderen Denkens bezeichnet wird – die Grenze unseres Denkens: die schiere Unmöglichkeit, das zu denken« (Foucault 1971: 17; Herv. i.O.).

Die Verwirrung darüber, was eine normale oder natürliche Ordnung ist, zeigt auf, welche (Re-)Konstruktionsleistung im Ordnen der Dinge liegt und warum Wirklichkeit nicht einfach als existent zu unterstellen ist, sondern wie sie hergestellt wird (vgl. Berger/Luckmann 1969; Benjamin 1983: 274).54 Im Sammeln werden außerdem anthropologische Aspekte gesehen, die dazu veranlassen, einen Vergleich des Sammelns mit dem Lesen herzustellen (vgl. Duncker/Frohberg/Zierfuss 1999: 79ff.) sowie eine Verwandtschaft 55 (vgl. Duncker 1992: 30) zwischen Schrift und Sammeln auszumachen. Sammeln, verstanden als eine Methode (vgl. Duncker 1995: 1.41) bzw. Akt des Lesens, macht die Welt erfahr- und greifbar und schafft die Möglichkeit, die Welt zu lesen, so wie auch das Lesen die Welt erfass- und greifbar werden lässt. Es wird jedoch folgender Aspekt unterschlagen: »Wie Lesen und Schreiben zählt Sammeln zu den Kulturtechniken; das heißt, es ist eine sowohl kulturell vermittelte als auch Kultur vermittelnde Handlungsweise« (Tesan 2011: 11). Demnach wäre nicht die Lesbarkeit, sondern die Vermittlungsfähigkeit des Sammelns und der damit verbundenen Gegenstände entscheidend für das Phänomen. Zusammenfassend lässt sich sowohl der Umgang mit als auch die Legitimierung von Wissen und Wissenschaft anhand des Sammelns aufzeigen. Der Blick

54 In Sorting Things out. Classification and its Consequences stellen Geoffrey C. Bowker und Susan »Leigh« Star (2000) die politische Bedeutung und Reichweite von Ordnungen respektive Klassifikationen heraus und zeigen ihre (zeitgleiche) Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit auf. Klassifizieren erweist sich als ein relativ unproblematischer Akt, wenn z.B. der Büroalltag durch die Sortierung von Arbeitsaufgaben strukturiert wird oder als (höchst) problematischer bzw. zu problematisierender Akt, wenn z.B. durch Klassifikationen bestimmten Personengruppen der Zugriff auf Informationen oder Ressourcen vorenthalten bleibt (vgl. Bowker/Star 2000). 55 Duncker erklärt hierzu: »Die etymologische Ungeschiedenheit von Lesen, Auflesen und Sammeln, wie es im griechischen ›légein‹ und im lateinischen ›legere‹ noch erkennbar ist, zeigt die gemeinsame Wurzel von Sammeln, Bedeutung stiften und Erkennen« (Duncker 1992: 30).

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auf und die Suche nach den dabei geleisteten (Re-)Konstruktionen des Wissens (vgl. Duncker 1999) durch Erwachsene enthält die Frage danach, welche (methodischen) Formen des Wissensumgangs sich im und durch das triviale Sammeln entwickeln, zeigen und ausdifferenzieren. Ferner lässt sich danach fragen, wie Wissen legitimiert und überprüft wird. Im Anschluss an das kindliche Sammeln und die hier von den Autor/-innen postulierten Bildungsmomente lassen sich mit dem Sammeln im Erwachsenenalter Aneignungsprozesse von Wissen (vgl. Duncker 1995: 1.41) – und auch Bildung – im Erwachsenendasein bzw. erwachsen sein beleuchten. Herauszustellen wären hier zunächst ein Interesse entfaltendes Moment, die Entwicklung und Ausbildung von Fantasie, Kreativität und eigenem Tun, die Entfaltung des Wissens um gesellschaftliche, historische, soziale und ökonomische Verhältnisse sowie die Kommunikation mit anderen Menschen. Bildungstheoretisch aufschlussreich ist, dass sich mit der Ausweitung des Sammelns seit der Renaissance untrennbar eine Entfeudalisierung, aber auch Spezialisierung von Wissen sowie Bildung nachzeichnen lässt. Diese gleichzeitige Ausweitung und Konkretisierung des Wissens lässt sich auf die von Ulrike Bollmann entwickelte These beziehen, »daß epochalen Umbrüchen ein Wandel in der Auffassung vom Wissen zugrundeliegt und daß Wissenskrisen (krisis = Sonderung, Scheidung) mit einer Pluralisierung von Wissensformen oder auch mit ihrer Vereinheitlichung einhergehen« (Bollmann 2001: 18). Die Entfeudalisierung und zunehmende Spezialisierung von Wissen am Beispiel des Sammelns bis zur Gegenwart zeigt, dass das Sammeln von Objekten ein zentraler Vorgang in der Genese und Geschichte von Kultur und Bildung ist. Fünf wesentliche Komponenten stützen diese in diesem Kapitel entwickelte These: Erstens lassen sich am Beispiel des Sammelns Ausdifferenzierungsprozesse, Wert- und Normvorstellungen, Seins- und Erfahrungsweisen, Ordnungs- und Deutungsmuster, Moden und Sinnstiftungen gesellschaftlichen Lebens nachzeichnen, die durch die Auseinandersetzung des Menschen mit Objekten als Sammler/-in erst möglich werden. Nicht zu vernachlässigen ist hierbei der Aspekt, dass das Sammeln und der Zugang zu bestimmten Objekten für Sammler/ -innen sozioökonomischen Bedingungen unterstehen. Zweitens unterliegt das Sammeln, wenngleich es eine durchgängige geschichtliche Erscheinung ist, einer permanenten Entwicklung und Veränderung hinsichtlich des mit dem Objekt direkt oder indirekt mittransportierten Wissens. Wissen wird entwickelt, akkumuliert, weitergegeben und vervielfältigt. Durch das Sammeln von Objekten werden zugleich einzelne Wissensbestände zusammen getragen, klassifiziert und in Verbindungen zueinander gebracht. Durch das Zusammentragen von Objekten in

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Sammlungen wird über Jahrhunderte hinweg der Nachvollzug eines spezifischen Objektwissens erst möglich, auch wenn das Wissen in Sammlungen eingeschlossen scheint und dechiffriert werden muss, um es als Wissen zu erkennen.56 Das Sammeln differenziert sich unter der Prämisse von Wissen hinsichtlich der Aspekte • • • • • •

Zeit, Raum und Ort, Sache, Inhalt und Funktion, Kultur, Sozialität sowie Status und Macht

aus. Strukturell ändern sich die Ausrichtung der Sammeltätigkeit, die Sammelanlässe und damit die Aufbewahrung, Pflege und zur Schaustellung von Sammlungsobjekten. »Die Sammlung – eine Anhäufung natürlicher oder künstlicher Gegenstände, die zeitweilig oder endgültig dem Lauf der wirtschaftlichen Tätigkeiten entzogen, einer speziellen Obhut unterworfen sind – die Sammlung also ist ein allgemeines Faktum, das sich im Laufe der Zeit mit der Entwicklung des Homo Sapiens ausbreitet und – zumindest in primitivster Form – in allen menschlichen Gesellschaften bezeugt ist« (Pomian 1994: 107).

In Sammlungen kondensiert das Sammeln als Tätigkeit zu einer Strukturierung und einer Ordnung. Die drittens entstehenden Wissensordnungen bilden nicht zwangsläufig kohärente – zeitliche und sachliche – Begrenzungen ab, sondern sind in ihrem Erscheinen oftmals konstruiert. Die einzelnen Gegenstände erhalten eine neue Kontextualisierung. »Ob diese Struktur[en] erst während der Aktivität des Sammelns entsteh[en] oder ob sie vorher im Sammler angelegt [sind]« (Grote 1994a: 11), ist nicht so entscheidend für die Erscheinungsform des Sammelns wie die Strukturierung oder das Schaffen von Kontextualisierungen bezüglich der Objekte als Sammlung. Viertens geht es beim Sammeln um ein her-

56 Im Hinblick auf das Anlegen von Sammlungen stellt die Auswahl der Objekte aus einer Fülle von Gegenstandsmaterial eine entscheidende Kategorisierung und Kategorienbildung dar. Bei der Selektion werden Entscheidungen zugunsten bestimmter Objekte getroffen, die andere Objekte ausschließen bzw. unberücksichtigt lassen. Es handelt sich dementsprechend um einen selektierenden Prozess, der bestimmte Objekte hervorhebt und bewahrt, andere wiederum in ein Vergessen drängt.

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vorgehobenes Wissen, das der Bewahrung und Erinnerung würdig ist. Darin steckt zugleich der Anspruch auf eine gewisse Allgemeinverbindlichkeit des Wissens. Dieser vierte Gesichtspunkt bildet die Klammer zwischen Wissen, Kommunikation und einer sozial relevanten Ordnung. Aus der Synthese der vorangestellten Komponenten der Tätigkeit, des Objekts, des spezifischen Wissens und der Ordnungen erwachsen fünftens Formen der Kommunikation von Sammler/-innen, die als pädagogisch relevant einzustufen sind. Diese Formen der Kommunikation dokumentieren den sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckenden, tiefgreifenden Wandel von einer durch Mythen bestimmten bis hin zu einer wissenschaftlich-rationalistischen Welterfahrung.57 Neben handwerklichem und technischem Wissen sowie materiellen und ökonomischen Sicherheiten entwickeln sich im Sammeln sozial lebendige Techniken des Individuums und von Gesellschaften. Anhand von Sammlungen werden die Dokumentation und die Narration von Lebensgeschichten möglich: Die Gegenstände wirken als Zeichen und Symbole des Lebens. In ihnen werden Erinnerungen, Erlebnisse und Erfahrungswelten gespeichert (vgl. Hinske 1984). Sie dienen als Beweise des Erlebens und der Existenz. Sie bilden den Antrieb zur Suche nach noch nicht erschlossenen Seinsräumen und Sinnorten. Nach den unter der Prämisse des Wissens genannten Kriterien lässt sich demnach die zeitliche Epoche der Renaissance markieren, durch die wesentliche Entwicklungslinien des Sammelns alltäglicher Objekte der Gegenwart erfasst werden können. Wenngleich nicht von einem einheitlichen Wissensbegriff in der Renaissance gesprochen werden kann, so bietet sie hier dennoch einen zentralen Ansatzpunkt des gegenwärtigen Wissens- als auch Bildungsverständnisses (vgl. Bollmann 2001: 39). Die Skizze einer neuzeitlichen Geschichte des Sammelns erweitert das Verständnis des Sammelns als eine Tätigkeit der Wissenserzeugung, -vermittlung und -aneignung.

57 Mit Jean-François Lyotards philosophischen Überlegungen zum Postmodernen Wissen lässt sich diese Zweiteilung von Welterfahrung in Mythos und Geschichten auf der einen Seite und Wissenschaft und Rationalität auf der anderen Seite generell in Frage stellen. Vielmehr scheinen hier unterschiedliche Erzählungen am Werk zu sein, deren Wirkmächtigkeit in lebensweltlichen als auch wissenschaftlichen Diskursen verhandelt wird (vgl. Lyotard 2009 [1979]).

2. Erwachsenenbildung und Bildung Erwachsener: Theoretische Hintergründe und Konzepte »Man muss hartnäckig sein. […] Man muss auch bereit sein, zu lernen. Weil ich habe also in der Zeit, wo ich mich mit den Privatposten beschäftige, mehr über Geografie, Geschichte gelernt […] als während meiner ganzen Schulzeit. Das muss ich einfach mal […] wirklich so sagen. Und das habe ich freiwillig gemacht. Das bleibt dann auch irgendwo im Kopf hängen. Während wenn man in der Schule Geografie, Erdkunde. Ja, nein. […] Eher uninteressant […]. Heute klar. (...) Wenn wir dann irgendwo einen Bericht sehen, […] im Fernsehen zum Beispiel. Dann sage ich: Ja, kenne ich. Hurtigruten. Klar […] norwegische Privatpost.« BRIEFMARKEN-SAMMLER MARCEL KÖNIG

Seit der systemischen Etablierung der Erwachsenenbildung in der Bundesrepublik Deutschland hat sich sowohl der wissenschaftliche Fokus auf das System als auch die Praxisperspektive darin gewandelt (vgl. Olbrich 1999). Dabei bietet der Rückgriff auf die Systemtheorie von Luhmann mit ihren elaborierten Begriffen der noch jungen Wissenschaftsdisziplin Erwachsenenbildung eine fundierte Theoriegrundlage (vgl. ebd.: 158f.), die zu Systematiken mittlerer Reichweite führt. Allerdings muss – systemtheoretisch gedacht – berücksichtigt werden, dass das Weiterbildungssystem nicht notwendigerweise als Teil des Erziehungs-

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systems gefasst werden kann, da es die von Luhmann angesetzten konstitutiven Merkmale für das Erziehungssystem nur teilweise (Lebenslauf) bzw. sehr divergent (Schule und Unterricht) oder überhaupt nicht erfüllt (vgl. Wittpoth 1997a; Luhmann 2002). Zugleich stellt sich die Frage, ob Erwachsenenbildung – von ihrem Selbstverständnis aus gedacht – Konzeptionen von Bildung näher als denen von Erziehung steht (vgl. Kade/Seitter 2007; Wittpoth 2003a). Daher »wird von einer tiefen Kluft zwischen der systemischen Realität von Erwachsenenbildung und ihrer ›eigentlichen‹, über den Bezug auf Bildung und Subjektwerdung definierten, Realität ausgegangen« (Kade 1993: 395). Hinter dieser Schwierigkeit der Passung verbirgt sich jedoch eine grundlegende Problemstellung der Erwachsenenbildung, welche von ihr selbst weitestgehend missachtet wird. Durch die Verwendung der technokratischen Sprache der Systemtheorie und ihrer Logik zur Analyse gesellschaftlicher Systeme hüllt sich die Erwachsenenbildung in eloquente Begrifflichkeiten zur Profilbildung ein, anstatt selbst-kritische Fragen nach dem Sinn von erwachsenenbildnerischen Angeboten und der Verwertung und Normierung von Bildung als Lebenslanges Lernen zu stellen – wie es im Rahmen von postmodernen Überlegungen innerhalb der allgemeinen Erziehungswissenschaft, welche die historischen, ökonomischen, sozialen und politischen Bedingtheiten von Bildung als Versprechen und Zwang mitdenken, erfolgt. Erwachsenenbildung hingegen scheint mehr darum bemüht zu sein, sich in neoliberal geprägte Verwertungslogiken (möglichst) perfekt einzufügen, um ein eigenständiges Profil auszubilden. Aus einem solchen Theorieverständnis heraus strebt sie in ihrer Praxis danach, Menschen optimal auf Berufswege und Arbeitsmarktanforderungen – auch innerhalb von freizeitlich orientierten Angeboten1 – vorzubereiten, anstatt letztere ihrer ökonomischen Zwänge zu entlarven

1

Jutta Breithausen arbeitet in ihren Überlegungen zu Theodor Ballauffs Bildungsbegriff die zunehmende Orientierung an der Kategorie Lebenswelt innerhalb der Erwachsenenbildung heraus. Sie zeigt auf, dass die damit einhergehende implizierte und oftmals mit Lebenswelt gleichgesetzte Kategorie Freizeit kritisch zu hinterfragen ist (vgl. Breithausen 2011: 233ff.). »Nicht zuletzt geht es um den Umgang mit einer hinzugewonnen ›Freiheit‹ als Leerstelle, die Erwachsenenbildung füllen kann« (ebd.: 236). Ist Freizeit dann die befreite und freie Zeit des Individuums, die Erwachsenenbildung mit – an subjektiven, eigenen Zielen orientierten – Inhalten anreichert? Auch wenn hiermit Freizeit nicht schon per se als Bereich institutioneller und institutionalisierter Erziehungs- bzw. Bildungsformen deklariert ist, »so [bestätigt sich] ,[f]ür die Aufgabenbeschreibungen von Erwachsenenbildung, dass der Hilfestellung in immer komplexer werdenden Lebenszusammenhängen eine bedeutende Stellung zuzukommt [sic!]« (ebd.: 237). Erwachsenenbildung fungiert demnach als Dialogschnittstelle zwi-

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und alternative Fragen nach einer Bildung des Menschen aufzuwerfen. Sie verkennt, dass sich ihr Profil aus der Problematisierung neoliberaler Selbstdisziplinierung nennenswert schärfen könnte, und verfehlt somit eine mögliche wissenschaftliche Aufgabe. Erwachsenenbildung generiert jedoch einen – für sie zunächst scheinbar produktiven – Umgang mit Problemen der Passung und dem Wunsch nach Profilbildung, indem sie mit der Universalisierung des Pädagogischen zur Institution Erwachsenenbildung alternative Lern- und Bildungsorte aufzuschließen sucht. Demnach lassen die beschriebenen Passungsprobleme mehrere Möglichkeiten des Umgangs mit selbigen zu. Entweder man folgert aus den vorangegangenen Überlegungen, dass das Weiterbildungssystem nicht zum Erziehungssystem im Sinne Luhmanns gehört und bemüht sich um eine andere systematische Ordnung oder »[m]an kann nach anderen (abstrakteren) Kategorien suchen, die einen ›Anschluss‹ doch möglich machen, die Systemtheorie gewissermaßen ›aufschließen‹ für eine ›Erziehungs‹Realität, die sich für Erwachsenenpädagogen anders (vielfältiger) darstellt als für viele andere« (Wittpoth 2003a: 58).

Hiermit einher gehen grundlegend veränderte Perspektiven auf Erwachsenenbildung sowie eine Transformation des erwachsenenpädagogischen Feldes. Zudem erlangen zwei Kategorien besondere Aufmerksamkeit im erziehungswissenschaftlichen Diskurs: Inspiriert durch das systemtheoretische Denken Luhmanns werden Wissen und Kommunikation zu zentralen, reflexiven pädagogischen Kategorien stilisiert (vgl. Höhne 2009). Durch die Fokussierung auf den Umgang mit Wissen wird im pädagogischen Diskurs ein Forschungsfeld thematisiert, das die Verbindung von Wissen und Kommunikation essentiell zu bestimmen sucht,

schen beruflichen Anforderungen und freizeitlichem Erkenntnisinteresse. Sie nutzt die zeitliche Leerstelle zwischen Freizeit und Arbeit, indem sie jene als von Erwachsenenbildung zu erschließende und mit zu steuernde Zeit aufgreift. Die damit einhergehenden Verwertungslogiken, die oftmals in der Gleichsetzung einer Flexibilisierung mit der Selbstbestimmung von Arbeit und Freizeit münden (vgl. Sennett 2000), werden den Eigenheiten von Freizeit und Arbeit nicht gerecht, auch wenn sie mit Ballauff weniger als dualistisches Prinzip denn als zwei Formen des Werktätigseins begriffen werden können (vgl. Breithausen 2011: 249f.). »Jedoch [geht es] [s]owohl in der Arbeit als Werk und vollbringende Tat als auch in der Freizeit im Sinne der Maßgaben um zu vollziehende Bildungsprozesse, nicht um ›irgendwie zu füllende‹ Zeit« (ebd.: 250).

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unterschiedliche Vermittlungs- und Aneignungsformen des Wissens ermittelt und hinsichtlich ihres sozialen Gehalts verbindet. »[M]it ›Wissen‹ rücken Prozesse der Aneignung und Vermittlung von Wissen in den Mittelpunkt des pädagogischen und zugleich allgemeingesellschaftlichen Interesses« (ebd.: 898).

2.1 P ERSPEKTIVEN UND T RANSFORMATIONEN Nach einer Phase der Entwicklung, des Ausbaus und der Konsolidierung der Erwachsenenbildung in den 1960er bis 1970er Jahren zu einem festen, quartären Bestandteil des Bildungssystems hat sich bis zur Gegenwart ein vielschichtiger, dynamischer Wandel dieser »Institution mit Systemcharakter« (Kade 1993: 395) vollzogen. Es »[bleibt] allerdings weithin offen, was sich stärker wandelt: Die materiale Gestalt des Weiterbildungssystems, die politischen Absichten seiner Gestalter oder die Systematisierungsinteressen seiner Beobachter« (Wittpoth 2003a: 53). Sichtbar wird, dass das System Erwachsenenbildung multilateraler ist als es zu Anfang der 1970er in den Planungen des Deutschen Bildungsrates (1972) angenommen wurde. Welche Konsequenzen das Transparentwerden einer solchen Vielseitigkeit für den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess hat bzw. inwieweit sich diese nicht als bloßes zeitdiagnostisches Abbild von Thesen um Entgrenzung (vgl. Kade 1997) und Universalisierung des Pädagogischen (vgl. Lüders 1994; Kade 1989) darstellt, lässt sich nicht vorhersagen (vgl. ebd. 1997: 13). Was jedoch deutlich wird ist, dass sich die Perspektive auf Wissen als Gegenstand und Inhalt erwachsenenbildnerischer Angebote und Felder hinsichtlich seiner sozialen Dimensionierung wandelt. Es zeichnen sich neue bzw. andere Formen der Institutionalisierung von Wissen ab, deren eventuell implementierte Selbstvermarktungslogiken und Selbstverantwortungszuschreibungen noch im Verlauf zu problematisieren sind. Das veränderte Institutionenverständnis fügt sich problemlos in eine kapitalistische Logik der Selbstdisziplinierung ein und entlässt traditionelle Bildungsinstitutionen aus ihrer Verantwortung, Bildungsaufträgen nachzugehen. Um diese Veränderungen nachzuvollziehen, muss der Diskurs um den Wandel der Erwachsenenbildung innerhalb der eigenen Disziplin nachgezeichnet werden. Als mögliche Ausgangspunkte zur Deskription eines (anhaltenden) Wandels der Erwachsenenbildung lassen sich benennen: Erstens ein Perspektivwechsel innerhalb des erwachsenenbildnerischen Diskurses von der Seite der Wissensvermittlung zur Aneignungsseite von Wissen (vgl. Kade/Seitter 1999) und zweitens das Entgrenzungs-Konzept von Kade (vgl. Kade 1997) als konzeptionelles Beschreibungsmodell eines strukturellen Wandels der Erwachsenenbildung so-

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wie die These von einer Universalisierung des Pädagogischen (vgl. Lüders 1994; Kade 1989). Vor diesem Hintergrund lässt sich das Konzept pädagogischer Kommunikation von Jochen Kade und Wolfgang Seitter erläutern, das in einem systemtheoretischen Konzept mündet, welches eine andere Perspektive auf Lernund Bildungsprozesse von Erwachsenen ermöglichen möchte (vgl. Kade/Seitter 2007a, 2007b).

2.1.1 Im Spannungsfeld von Wissensvermittlung und Wissensaneignung Um die Ausweitung einer systemisch gedachten Erwachsenenbildung zu einer Bildung Erwachsener nachzuvollziehen, muss aus systemtheoretischer Sicht nach Anlässen zur Systembildung gesucht werden, da sich aus diesen die Stabilität, Produktivität, Organisation und Autonomie des Systems ergeben. Mit dem Einbezug des Konzepts Bildung Erwachsener (vgl. Geißler/Kade 1982) ab den 1970er/1980er Jahren werden deutlich lebensweltliche Prozesse von Bildung und Aneignung des Subjekts im erwachsenenpädagogischen Diskurs fokussiert. Die Perspektive auf Institutionen als klassische Orte der Wissensvermittlung, die langanhaltend am Beispiel der Volkshochschule exemplifiziert wurde, wird geweitet und führt zu einer neuen Betrachtungsweise: Die Seite der Wissensaneignung erlangt die Aufmerksamkeit, wodurch die bis dato vorgängige Perspektive des Verhältnisses von Kursleitungen als Vermittler sowie Teilnehmern als bloße Aneigner von Wissensinhalten aufgelöst wird. Im Rahmen der Aneignungsfokussierung gelangen alle an kommuniziertem Wissen Beteiligten und ihre dabei artikulierten Absichten und Ziele in den Blick und nicht mehr nur die Verhältnisse, in denen sie während der Kommunikation stehen (vgl. Seitter 2003). Der Begriff der Aneignung bildet den Zugangsschlüssel zu Übergängen und Verbindungen zwischen Erwachsenenbildung und anderen sozialen Realitäten. Er eröffnet den Weg zu Diskontinuitäten von Bildung und Sozialisation bis hin zu in ihnen stattfindenden Entfremdungsprozessen (vgl. Kade 1989, 1993). Er verweist außerdem auf »die Differenz zwischen Aneignungsprozessen der Erwachsenenbildung und solchen der Lebenspraxis« (ebd.: 398) in Struktur und Inhalt. »Erwachsenenbildung ist der Ort, an dem Aneignung zum Thema wird« (ebd.), während im Lebensvollzug Aneignung ein Teil vollständig anders gelagerter Lebensprozesse sein kann. Aneignung von Wissen ist mehr als die Auf- und Übernahme von Wissensinhalten. Aneignung heißt Selektion, Weiterverarbeitung und Aufbereitung von Wissen und wirft Fragen danach auf, was letztlich Wissen ist und wie und wodurch beispielsweise Expertise gekennzeich-

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net ist. Wissensaneignung stellt einen Aushandlungsprozess dar und kann – als politisches Handeln verstanden – immer auch ein Ausdruck von Wertschätzung oder Kritik sein. Daher muss die Erwachsenenbildung sowohl lebensweltliche Aneignungsprozesse als auch Lernwiderstände von Erwachsenen in ihren Überlegungen berücksichtigen. Längst steht fest, dass Erwachsene im Zuge eines lebenslänglichen Lernens an pädagogisch orientierten Weiterbildungen teilnehmen (müssen), ohne dass sie das jeweilige Seminarthema oder die Seminarinhalte als für sie relevant einstufen. Die bloße Anwesenheit von Teilnehmenden in Weiterbildungsveranstaltungen bedeutet noch lange nicht, dass diese Teil der Wissensaneignung sind oder werden (vgl. Axmacher 1990; Bolder/Hendrich 2000) bzw. auch in nicht oder nur flach organisierten Kontexten können Menschen sich Wissen aneignen, wie im Rahmen der Entgrenzung thematisiert wird.

2.1.2 Zwischen Entgrenzung und Universalisierung Mit dem Beschreibungsmodell der Entgrenzung2 (vgl. Kade 1997) werden die bereits aufgeführten systematischen Modifikationen der Erwachsenenbildung zu fassen versucht. Kade diagnostiziert erstens Formen institutioneller Entgrenzung, zweitens Formen einer Entgrenzung normativer Orientierungen und drittens Formen gesellschaftlicher (hinsichtlich der Ansprüche und Erwartungen), individueller (hinsichtlich der Aneignung) und lebensweltlicher Entgrenzung3,

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Die Überlegungen um Entgrenzung charakterisieren nicht nur die nach außen verschobene, aus den Institutionen heraustretende Beschäftigung mit Wissen, sondern thematisieren auch die im innerinstitutionellen Kontext markierte Entgrenzung. Denn auch in den Institutionen findet nie nur Bildungsvermittlung und -aneignung statt.

3

Die institutionelle Entgrenzung ist dadurch charakterisiert, dass Prozesse des Lernens und der Bildung Erwachsener zunehmend außerhalb professionell organisierter Institutionen »an verschiedensten sozialen Orten und in unterschiedlichsten Räumen statt[finden]« (Kade 1997: 19). Dieses führt aber nicht zu einer Transformation pädagogischer Handlungs- und Denkprinzipien auf bisher noch nicht erschlossene Handlungskontexte und Lebensbereiche. Es entstehen unübersichtliche Mischformen zwischen »pädagogisch und nicht-pädagogisch strukturierter Aneignung« (ebd.). Die Entgrenzung normativer Orientierungen führt zu einer Unschärfe zwischen einer pädagogisch fundierten Erwachsenenbildung einerseits und nicht unbedingt pädagogisch intendierten sozialen Bildungs- und Lernverhältnissen andererseits. Als gesellschaftliche Anspruchsentgrenzung bezeichnet Kade die Ausweitung der Erwachsenenbildung »zur kulturellen Infrastruktur der Gesellschaft – mit Dienstleistungscharakter« (Kade

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die zu Entstrukturierungen der Erwachsenenbildung führen (ebd.: 19). »Ambivalenz wird zum konstitutiven Merkmal von Erwachsenenbildung« (ebd.: 21). Der Erwachsenenbildung wird zunehmend die Aufgabe zugeschrieben, Antworten und Lösungen für alle Lebens- und Problemlagen anzubieten. Sie wird zu einem kommunikativen Ort, an dem eine Sozialität hergestellt wird, die man als institutionell produziert interpretieren könnte. Das bedeutet eine Entkoppelung von Bildungsansprüchen zugunsten der Funktion von Vergemeinschaftung (vgl. auch ebd.: 21ff.). »Vergemeinschaftungs- und Ordnungsmotive befriedigt die Erwachsenenbildung nicht als Bildungsinstitution, sondern als Bildungsinstitution, d.h., als institutioneller Ort vielfältiger Nutzungs- und Aneignungspraktiken. Erwachsenenbildung wird somit zu einer Institution, die einen umfassenden Bezug auf die Lebensführung von Erwachsenen hat« (ebd.: 24; Herv. i.O.).

Hierzu zählt auch die Durchsetzung des Lebenslangen Lernens als Norm (vgl. Olbrich 1999: 170ff.; Wittpoth 2003a: 66) oder als Zwang (vgl. Holzer 2004; Prange 2000), der das Lebenslange Lernen in ein Lebenslängliches Lernen verwandelt (vgl. Ruhloff 1997: 27). Kade folgert: »Wenn die Aneignung mehr von den besonderen individuellen Lebenswelten und Biographien abhängt als vom Handeln der Pädagogen, verliert die Erwachsenenbildung damit als Institution, die den Teilnehmern gegenübersteht, an Profil« (Kade 1997: 24). An dieser Stelle sind drei kritische Einschübe zu formulieren: Durch Theoreme wie Entgrenzung oder Pluralisierung wird der Eindruck erweckt, dass Bildungsprozesse Erwachsener erst seit Etablierungstendenzen eines erwachsenenbildnerischen Systems möglich wurden. Sie beschreiben Diffusionen aus einem organisierten Kern von Erwachsenenbildung, der als brüchig markiert wird. Die-

1993: 391). Eine Entgrenzung individueller Aneignung ist die logische Schlussfolgerung aus der gesellschaftlichen Anspruchsentgrenzung und der auf der Teilnehmer/innenseite konstatierten Entgrenzung der Aneignung und Nutzung von Lern- und Bildungsangeboten. Die relativ autonomen Aneignungs- und Nutzungsweisen der Teilnehmer/-innen gegenüber institutionellen Bildungsangeboten und pädagogischen Handlungszielen werden als Entgrenzung zur Lebenswelt beschrieben. Die Entgrenzung zur Lebenswelt bewirkt, dass »Aneignung und Nutzung der Erwachsenenbildung verstärkt durch lebensweltliche Aneignungsmodi bestimmt sind« (ebd.). Demzufolge markiert der Terminus Entgrenzung »ein dezentriertes, plurales pädagogisches Feld« (ebd.: 19), das als enttraditionalisierter Korpus der Erwachsenenbildung bezeichnet werden kann (vgl. Derichs-Kunstmann/Faulstich/Tippelt 1997).

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se Perspektive verstellt erstens den Blick für die vielfältigen Bildungsprozesse von Erwachsenen jenseits eines erwachsenenbildnerischen Systems wie beispielsweise Lese- und Salongesellschaften im 19. Jahrhundert oder Bildungsund Studienreisen (vgl. Wittpoth 1997: 32). Zweitens sind die mit Entgrenzung einhergehenden, diagnostizierten Formen des Lernens (hybrid, beiläufig, implizit) nicht neu. Ihr Vorhandensein wurde nur durch eine vorherrschende Perspektive auf Institutionen als die prädestinierten Orte von Wissensvermittlung und Bildung verdrängt (vgl. Wittpoth 2003a: 60). Außerdem lässt sich drittens ermitteln, dass durch die Operation mit solchen Begrifflichkeiten die Perspektive auf den traditionellen Kern der Erwachsenenbildung wie beispielsweise die Volkshochschule oder Bildungswerke ausgeblendet wird. Traditionelle Lernorte und räume haben trotz Wandlungsphänomenen weiterhin Bestand und übernehmen zentrale Aufgaben der Bildung Erwachsener. Die synthetisierenden Bildungsprozesse organisierter Erwachsenenbildung bleiben in den Überlegungen zur Entgrenzung unbedacht (vgl. ebd.). Diese kritischen Anmerkungen verdeutlichen die Reichweite des Beschreibungsmodells Entgrenzung. Kade postuliert mit seinen Überlegungen zur Entgrenzung eine erforderliche Dehnung des Verständnisses pädagogischer Strukturierung innerhalb des erwachsenenbildnerischen Diskurses und Prozessen der Systemveränderung und -bildung (vgl. Kade 1993). Das Konzept leistet einen analytischen Beitrag, die Bandbreite der Bildungsgelegenheiten hervorzuheben, die sich zwischen pädagogischer Fundierung und lebensweltlichem Vollzug anbahnen können. Jedoch wird durch die ausladende Thematisierung der Entgrenzung vernachlässigt, dass die unterschiedlichen Entgrenzungen letztlich nur bessere Beschreibungen einiger Entwicklungen pädagogischen Agierens und Ausweitens von Möglichkeitsräumen darstellen. Wirkliche Herausforderungen und Probleme pädagogischer Theoriebildung und Praxis deuten sich mit diesen Beschreibungen nicht an; sie geraten durch die Entgrenzungen aus dem Fokus. Anstatt einen klaren Bildungsanspruch zu formulieren, werden vielmehr Begriffe wie Sozialisation, Lernen, Bildung sowie Kompetenz- und Wissenserwerb unsystematisch vermischt. Unabhängig von einer Entscheidung über die Aussagekraft und Tragfähigkeit des Entgrenzungsbegriffs zur Erschließung der spezifisch gegenwärtigen Realität und der damit behaupteten Ausweitungen des Pädagogischen lassen sich diesen Analysen zwei gesellschaftstheoretische Tendenzen entnehmen: Erstens, dass sich die moderne Gesellschaft zunehmend durch Individualisierung ausdifferenziert und hierdurch bedingt eine grundlegende Transformation

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der Gemeinschaftsbildung4 und der Zuschreibung von Verantwortlichkeiten entsteht. Posttraditionale Formen der Vergemeinschaftung5 entfesseln das Individuum6 aus traditionalen Verhältnissen.7 Das heißt, Menschen werden vom Jugend-

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Jedoch ist das Handeln von Personen immer im Kontext des Zusammenlebens mit anderen bzw. von Gesellschaft zu sehen, in die Gemeinschaften mehr oder minder zwangsläufig eingebunden sind (vgl. Mead 1968). Alle Handlungen und somit auch alle Aussagen zum Sammeln sind durch Strukturen und Prozesse der Personen umgebenden und einbindenden Lebenswelt bestimmt. Personen handeln nicht autonom und unabhängig von ihrem Lebenszusammenhang bzw. ihrer gegenwärtigen Situation. Handlungen sind demnach immer in einen gesellschaftlichen und situativen Kontext eingebunden. Individuum und Gesellschaft stehen in einer Wechselbeziehung: Das Individuum formt, reproduziert und verändert Gesellschaft, sowie Gesellschaft das Individuum formt und verändert. »Die Einheit und Struktur der kompletten Identität spiegelt die Einheit und Struktur des gesellschaftlichen Prozesses als Ganzen« (ebd.: 186). Die Wechselwirkung zwischen Personen und Gesellschaft gründet wesentlich auf Kommunikation, weshalb George H. Mead kommunikative Prozesse als zentral für die Genese, die Stabilisierung und die Veränderung einer Gesellschaftsordnung ansieht. Auch soziale Regeln werden durch Kommunikation ausgehandelt. Nicht die einfache Zusammenfassung von einzelnen Perspektiven ergibt bereits die Gesellschaft (vgl. Mead 1968). Die Struktur der Lebenswelt zeigt sich in der Verflochtenheit der Einzelperspektiven mit dem Gesellschaftlichen. Durch die Differenzierung der Begriffe Gemeinschaft und Gesellschaft wird besonders die soziale Dimension des Gemeinschaftlichen gegenüber politischen und kulturellen Dimensionen, die beide Begriffe umschließen, hervorgehoben. »Im Englischen hingegen überschneiden sich im Wort Community die Bedeutungshorizonte von Gemeinschaft, Öffentlichkeit und Gruppe. Das Territoriale amalgiert mit dem Politischen, Sozialen und Kulturellen in einer langen Tradition« (Kreissl 2004: 37; Herv. D.W.).

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Vergemeinschaftung, Vergesellschaftung oder auch kulturelle Teilhabe stellen eher generalisierende und abstrahierende Konzepte dar und entsprechen weniger dem Sprachgebrauch und den Vorstellungen von Menschen. Aus diesem Grund ist es Teil der hier angestellten Überlegungen, die Sprache der Menschen, die untersucht werden, aufzugreifen und ihr Verständnis der Begrifflichkeiten von Gemeinschaft, Gesellschaft und Partizipation offen zu legen.

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Die Fokussierung des Einzelnen – entweder als Individuum oder als Teilnehmer/-in oder Mitglied einer Gemeinschaft – kann die Fokussierung von Individualisierung partiell verschärfen oder auch aufheben. Eine doppelte Brisanz der Individualisierungstendenz bei gleichzeitiger Gemeinschaftsbildung wird sichtbar: Entweder wird das Handeln Einzelner – als potentielle Mitglieder bestimmter Gemeinschaften – dem

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alter an nicht mehr nur in eine bestehende Gemeinschaftsformation sozialisiert, sondern treten ihr fakultativ und intentional bei oder können aus ihr zumeist genauso problem- und folgenlos wieder austreten. Das bedeutet, nicht existentielle Selbstverständlichkeiten bzw. Notwendigkeiten sorgen für die Gemeinschaftszugehörigkeit, sondern eine vielleicht nur ästhetische, prinzipiell vorläufige Entscheidung, für eine (un)bestimmte Zeit an der Gemeinschaft teilzunehmen (vgl. Hitzler 2006: 260f.). Individuen lassen sich insofern als Konstrukteure fragmentarischer Biographien und Identitäten beschreiben, die in vielfältigen – teilweise anonymen, temporären, brüchig-diffusen und flüchtigen – Beziehungen zueinander stehen. Analog müssen sie ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit aufbringen, um ihre Formen der sozialen Beziehungen zu entwickeln und zu pflegen. Bestimmte Wissensakteure wie beispielsweise Experten tragen in diesem neujustierten gesellschaftlichen Terrain maßgeblich zur Wissensproduktion bei. Diese post-sozialen Entwicklungen verweisen somit zweitens auf die Relevanz der Entstehung und Verbreitung von Wissensprozessen – also des Erwerbs, der Weitergabe und des Umgangs mit einem Wissen von etwas (Spezialwissen oder Allgemeinwissen), welches für etwas (z.B. Handeln) bestimmt ist (vgl. Höhne 2009). Vor allem die Funktionen, Strukturen und Prinzipien des Umgangs mit Wissen sind als wesentlicher Bestandteil sozialer Prozesse und Relationen – als Wissenskultur – zu kennzeichnen und empirisch zu untersuchen (vgl. Knorr Cetina 1998). Dieses schließt auch eine Konzentration auf Wissensobjekte und Wissenswelten in Wissenschaft und Gesellschaft ein. Mit Beginn der sogenannten Postmoderne werden innerhalb einzelner Wissenschaftsdisziplinen wie beispielsweise der Erziehungswissenschaft, Soziologie oder Medizin Objektwelten verstärkt thematisiert und ein Diskurs um die Sozialität von Objekten angeregt (vgl. ebd.). Auch Künstler/-innen beschäftigen sich in ihren Arbeiten vermehrt mit Alltagsgegenständen, die Teil musealer Präsentation werden (vgl.

Einzelnen zugeschrieben oder das Handeln Einzelner wird als Teil der Mitgliedschaft bestimmter Gemeinschaften angesehen, wodurch eine andere gesellschaftlich-politische Tragweite des Handelns ersichtlich werden kann (vgl. hierzu auch Kreissl 2004: 40f.). 7

Das aufblühende Interesse an Gemeinschaften und die Bestimmung des Menschen als potentielle Teilnehmer/-innen posttraditionaler Gemeinschaften fällt mit den Diagnosen eines Exodus des Sozialen und dem Zerfasern der Öffentlichkeit zusammen, die nicht unwesentlich mit ökonomisch-politischen Implikationen einhergehen. Der flexible Mensch wird zum Ideal seines eigenen Berufs- und Lebensweges (vgl. Sennett 2000; auch Kreissl 2004: 37f.).

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Dippel 2011: 8).8 Neben der (eigenen) Sozialität der Objekte sind die Interaktions- und Kommunikationsbeziehungen – insbesondere unter dem Aspekt von Wissen – von Menschen über und mit Dingen zu fokussieren, um neue oder wenig beachtete Praktiken menschlichen (Zusammen-)Lebens zu ergründen. Gesellschaft und Wissen sind nicht als isolierte Produkte einer Wissensgesellschaft zu verstehen.9 »[E]s, geht darum, zu verfolgen, wie Wissensprozesse konstitutiv für soziale Beziehungen geworden sind« (Knorr Cetina 1998: 93). Karin Knorr Cetina spricht von einer Objekt-bezogenen Sozialität: »Individualisierung erscheint dann mit Objektualisierung verflochten – mit einer zunehmenden Orientierung an Objekten als Quellen des Selbst, relationaler Intimität, geteilter Subjektivität und sozialer Integration« (ebd.: 94). Die diagnostizierten Tendenzen zum Bedeutungsverlust pädagogischer Institutionen und angeleiteter Lern- und Bildungsprozesse rufen die (Auf-)Lösung von Bindungen an Institutionen und Organisationen hervor. Hieraus ergibt sich die Möglichkeit, in den Dschungel der Lebens- und Objektwelten hinein zu sehen. Diese Blickverschiebung führt innerhalb des pädagogischen Diskurses zu der Frage, was unter Berücksichtigung der Modifikationen noch als pädagogisch bezeichnet werden kann und damit zu der Frage nach einer Einheit des Pädagogischen. Normativ gewendet könnte man zwischen pädagogischem Anspruch und von ihm abweichenden Realitäten unterscheiden, bei denen Erwachsenenbildung als Synonym für diverse Phänomene und Aktivitäten verwendet wird. Demnach wird eine eigenständige soziale Realität der Erwachsenenbildung durch die Durchlässigkeit der Grenzen zur Gesellschaft bzw. bestimmter Gesellschaftsformationen und Lebenswelten sowie durch das Werden der Pädagogik zu

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Die Kunsthistorikerin Ursula Frohne resümiert: »Die ersten Anzeichen […] sind schon zu Beginn des [letzten, Erg. D.W.] Jahrhunderts faßbar, als Ideen oder materielle Fragmente des alltäglichen Lebens begannen, ihre Spuren im Bereich der Bildenden Kunst zu hinterlassen. In aller Deutlichkeit zeigte sich das Phänomen erneut nach dem Zweiten Weltkrieg, als Alltagsgegenstände zu Ikonen der zeitgenössischen Kunst emporstiegen und gleichzeitig die traditionelle Kluft zwischen Hoch- und Trivialkultur einebneten« (Frohne 1999: 112).

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Anthony Giddens erweitert diese Argumentation um die Auseinandersetzung mit dem Selbst und den Biographien von Individuen, indem er auf die Zunahme von persönlicher, Expert/-innen-vermittelter Reflexivität hinweist: Individuen beteiligen sich an gesellschaftlichen Prozessen mithilfe von Informationen, die sie routiniert interpretieren und in das Alltagsleben eingebaut als Grundlage ihrer Handlungen heranziehen. Die enge Verwobenheit von wissenschaftlichem Wissen mit Aspekten des sozialen Lebens wird hierdurch anerkannt (Giddens 1990: besonders 79ff., auch 1992).

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einer eigenen (Alternativ-)Lebenswelt erschwert (vgl. Kade 1993). Es erscheint unumgänglich, bezüglich der Erwachsenenbildung eine Neufassung des Institutionenbegriffs vorzunehmen. In Anlehnung an Peter Berger und Thomas Luckmann, die die Habitualisierung einer Handlung als Institutionalisierung auffassen (vgl. Berger/Luckmann 1969: 49ff.) und Emile Durkheim, der unter Institutionen relativ feststehende, für eine bestimmte Gruppe gültige und subjektübergreifende soziale Regelungen versteht (vgl. Durkheim 1965 [1895]: 115ff.), plädiert Dieter Nittel für einen Institutionenbegriff, der sowohl Wissensbezüge in organisierten als auch in lebensweltlichen Rahmungen einschließt (vgl. Nittel 2001). »Wenn Kommunikation und Wissen zu einem, vielleicht [...] dem zentralen Ort und Medium der Vergesellschaftung werden, dann hängt die Institutionalisierung des Lernens Erwachsener wesentlich von einer tendenziell globalen Herausbildung pädagogischer bzw. pädagogikaffiner Kommunikations- und Wissensformen ab« (Kade/Seitter 2007c: 61).

Für Kade stellt daher zur (Neu-)Ordnung des pluralen erwachsenenbildnerischen Feldes die »Eröffnung von Anschlussmöglichkeiten« (Kade 1993: 393) und »weniger [die] Abgrenzung« (ebd.) von benachbarten Bereichen eine zentrale Herausforderung für die Zukunft der Erwachsenenbildung dar (weiterführend ebd. 1997: 15). Hieraus lassen sich zwei Aufgaben ableiten: Erstens ist es innerhalb der erwachsenenpädagogischen Disziplin erforderlich, »neu über das dazu notwendige analytische Werkzeug nachzudenken« (Nittel 2001: 2). Zweitens müssen (neue) Formen der Fremdbestimmung und Abhängigkeit aufgedeckt und mit ihnen umgegangen werden. Es gilt, den Bezugspunkt zur Bildung nicht zu verlieren. »Bildung als autonome bzw. eigensinnige Aneignung von Welt oder – in traditioneller Semantik formuliert – als individuell je eigenständige Einheit von Selbst- und Welterkenntnis ist in der Moderne eingebettet in vielfältige Institutionalisierungsformen. Diese verweisen in ihrer Multifunktionalität und in ihren variierenden Anschlussmöglichkeiten nicht so sehr auf feste und affirmative, sondern eher [...] auf diffuse, mitlaufende, oppositionelle, unbestimmte und prekäre Formen von Bildung« (Nittel/Seitter 2003: 9).

Wissens- und Bildungsprozesse fanden und finden jedoch nie in ihrer Reinform statt. Bildung und Wissen sind nicht isoliert – als unabhängige Variablen – zu betrachten, sondern sind immer in einen Zusammenhang aus sozialer Situation, Raum und Zeit eingebunden (vgl. Luhmann 2002: 115). Das Aufdecken von Bildungszusammenhängen in für die Pädagogik zunächst unübersichtlichen Feldern ist demnach eine wesentliche Herausforderung. Jedoch unterliegt der

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Wunsch, Bildung auch jenseits institutioneller Kontexte zu entdecken und unter der Prämisse eines Lebenslangen Lernens zu fördern, dem Anspruch an einen fundierten Bildungsbegriff. Das Wort Bildung wird in neue Kontexte gesetzt, ohne jedoch gehaltvoll mit dem Bildungsbegriff umzugehen. Es wird der Versuch geschwächt, Bildung als Begriff fruchtbar für neue – zumindest andere – Orte des sich Auseinandersetzens mit Sachthemen zu machen und nach Bildungsorten – beispielsweise in freizeitlichen Zusammenhängen – zu suchen. Die Einführung des Begriffs pädagogische Kommunikation in den erwachsenenbildnerischen Diskurs stellt demnach einen Orientierungsversuch dar, wenn denn »pädagogische Muster in alle relevanten Bereiche der Gesellschaft eingedrungen sind, bis hinein in die unmittelbare Lebenswelt ihrer Mitglieder, deren Lebensführung sie in hohem Maße mitbestimmen« (Egloff 2003: 235). Mit pädagogischer Kommunikation wird eine andere Institutionalisierungsebene freigelegt, die nicht Lern- und Bildungsprozesse Erwachsener innerhalb bzw. außerhalb von Bildungsorganisationen zu beschreiben sucht, sondern nach sozialen Institutionalisierungen von Wissen auf kommunikativer Ebene fragt (vgl. Kade/ Seitter 2007c: 61; Nittel 2001). Sie ist insbesondere geeignet, neue soziale Systeme wie die Internetforenkommunikation zu untersuchen.

2.1.3 Umgang mit Wissen als pädagogische Kommunikation Der von Kade und Seitter im Anschluss an Luhmanns Systemtheorie entfaltete Begriff der pädagogischen Kommunikation lässt sich als eine Verknüpfung der Operationen Vermittlung, Aneignung und Überprüfung von Wissen verstehen, der eine pädagogische Intention zugrunde liegt (vgl. Kade/Seitter 2003, 2007, 2007a). Die genannten Operationen werden nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenspiel betrachtet. Pädagogische Kommunikation versucht Prozesse der sozialen Konstitution des Pädagogischen, d.h. aneignungsbezogene Formen von Wissensvermittlung, zu fassen. »Diese Differenz markiert, dass sich von pädagogischer Kommunikation nur dann reden lässt, wenn der Prozess der Wissensvermittlung aneignungsbezogen strukturiert ist, d.h., wenn die Vermittlungsbemühungen nicht nur im Blick auf entsprechende Aneignungsresultate kommunikativ überprüft werden, sondern auch durch eine pädagogische (gute) Absicht gerahmt und mit einer entsprechenden – meist defizitären – Adressatenkonstruktion verbunden sind« (Kade/Seitter 2003: 603f.).

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Folglich ist bei einer Beschreibung pädagogischer Kommunikation zwischen verschiedenen Formen der Wissensvermittlung zu unterscheiden. Aneignungsbezogene Formen der Wissensvermittlung müssen in Absetzung von hybriden oder extensiven Formen bloßer Wissensvermittlung gesehen werden, denen keine pädagogische (Veränderungs-)Absicht zugrunde liegt. Es lassen sich nach Kade mindestens drei Formen der Wissensvermittlung klassifizieren,10 denen aus Vermittlungssicht drei verschiedene Schwierigkeiten der Aneignung entsprechen. Hieraus lässt sich nachfolgend ableiten, welche Rahmungen pädagogische Kommunikation abstecken muss (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a). Erstens finden sich Formen der explizit-intensiven Wissensvermittlung, bei denen die Wissensvermittlung im Zentrum der jeweiligen Veranstaltung steht. Diese Formen weisen einen direkten, zentralen Personenbezug auf und haben somit einen definitorischen Vorsprung in inhaltlicher, zeitlicher und sozialer Form (vgl. Kade/Seitter 2003: 607). Die personenbezogene Zentrierung schafft jedoch das Problem eingeschränkter Steuerungsmöglichkeiten der Aneignung seitens der Adressaten, d.h., die Nicht-Erreichbarkeit der Adressaten bzw. die (soziale) Unverbindlichkeit des vermittelten Wissens sind Faktoren, auf die wenig Einfluss genommen werden kann. Die Wissensvermittlung trifft auf eine Autonomie der Wissensaneignung und -genese durch die einzelnen Adressaten. Diese bestimmen selbst, welches Wissen für sie von Bedeutung ist und Anerkennung findet. Die (De-)Legitimation von Wissen hängt nicht allein von der Vermittlungsinstanz ab, sondern wird durch die aktive und physische Anwesenheit der Adressaten hergestellt oder verworfen. Wissensvermittlungsprozesse finden jedoch nicht nur in expliziten Kontexten, sondern nahezu überall statt. Daher sprechen Kade und Seitter (2007d) zweitens von hybrid-uneindeutigen Rahmungen der Wissensvermittlung, bei denen diese nicht im Zentrum steht, sondern sich permanent mit anderen kommunikativen Formen abwechselt. Ihr Kennzeichen ist die Profilierung der Wissensvermittlung zu einer Eigenständigkeit. Sie diffundiert aus diversen Arbeits- und Sozialzusammenhängen, in die sie ursprünglich eingebunden war und wird als eigenständiger Komplex zugänglich: Wissensvermittlung geht in einen Verselbständigungsprozess ein und ist zeitgleich mit anderen Formen der Kommunikation verwoben. Die unverwechselbaren Kennzeichen sind die Gleichzeitigkeit und Ambivalenz bzw. der permanente Übergang zwischen Wissensvermittlung, Geselligkeit und anderen Kommunikationsformen. Die Wissensvermittlungsinstanz gibt keineswegs, ähnlich wie bei

10 Diese sind durch die Differenzierung von Settings der Wissensvermittlung nach Merkmalen wie Adressat/-in, Reichweite, Richtung, Akteur/-e, Ort, Ziel, Methode oder Inhalt bedingt (Kade/Seitter 2003).

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den extensiven Formen der Wissensvermittlung, Deutung und Steuerung vor, sondern muss sich zumeist an die autonome Beweglichkeit der Adressaten anpassen. Die Gleichzeitigkeit von Verselbständigung und Durchmischung sorgt für Schwierigkeiten, mit denen die Wissensvermittlung zu kämpfen hat, um sich als Form gegenüber anderen Kommunikationsweisen zu behaupten. Die Existenz organisatorisch-institutioneller Strukturen sorgt nicht für eine automatische, zu erwartende Bereitstellung von Wissensvermittlung. Diese muss im Prozess selbst immer wieder produziert und durchgesetzt werden. Da die Autonomie der Adressaten in Bezug auf ihre Aneignung bei diesen Formen der Wissensvermittlung ein fester Bestandteil ist, ruft die Ambivalenz der Settings eine geringere soziale Verpflichtung als intensive Formen der Vermittlung hervor. Drittens existieren medial-extensive Rahmungen der Wissensvermittlung. Ein wesentliches Merkmal dieser Formen ist die physische Abwesenheit der Adressaten, beispielsweise bei Zeitschriften, Magazinen oder dem Internet. Charakteristikum der medialen Vermittlungsformen ist die expansive Nutzung technologischer Möglichkeiten der Wissensverbreitung, ohne dabei auf die physische Anwesenheit von Adressaten angewiesen zu sein. Als Einschränkung ist diese Form der Wissensvermittlung mit der Nichtherstellung eines direkten Bezugs oder Einflusses konfrontiert. Das spezifische Problem medialer Wissensvermittlung ist die Kombination von extensiver Ausdehnung des Wissens und gleichzeitiger Abwesenheit der Adressaten. Eine mittelbare Einflussnahme ist durch die Integration repräsentativer Aneignungsprozesse in die mediale Wissensvermittlung gewährleistet. Kommunikative Darbietungen gelungener Aneignungsverläufe haben Vorbildfunktion und dienen als Äquivalent, mit dem eine mediale Wissensvermittlung das Problem der Aneignungsüberprüfung zu lösen versucht. Ferner lassen sich andere, häufig latente Vorgehensweisen finden, die eine Überprüfung der Aneignung ermöglichen, wie etwa als Feedback nutzbare Preisausschreiben oder Umfragen zu bestimmten Themen (vgl. Kade 1997a; Hof 2003). Als einfache Wissenskommunikation sind diese drei Formen der Wissensvermittlung zu fassen, wenn mit ihnen keine Erwartungen, die auf eine Modifikation der Person(en) abzielt, verbunden sind. Die Allgegenwärtigkeit differenter Formen der Wissensvermittlung stellt keine hinreichende Bedingung für pädagogische Kommunikation dar. Um pädagogische Kommunikation zu bestimmen, wird die von Luhmann vollzogene Differenz zwischen sozialen und psychischen Systemen aufgegriffen (vgl. Luhmann 1984: 92ff.). Zunächst ist die Verortung des Menschen als Subjekt in dieser Verknüpfung von Vermittlung, Aneignung und Überprüfung von Wissen wesentlich. Pädagogische Kommunikation ist in ein Spannungsverhält-

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nis verstrickt, das sich auf zwei Ebenen widerspiegelt. Erst wendet sich die pädagogische Kommunikation als Kommunikation an die Person im Sinne eines erreichbaren sozialen Systems. Der Mensch als psychisches, nicht erreichbares, individuelles System wird zunächst ausgeschlossen, da dieses »operativ für die Kommunikation unzugänglich [ist]« (Kade 2003: 94; vgl. auch Luhmann 2002: 28ff.). Mit anderen Worten: Es erfolgt eine kategoriale Trennung von Kognition und Kommunikation. Auf der zweiten Ebene spricht die Kommunikation als pädagogische Kommunikation wiederum den Menschen als Individuum an. Das unerreichbare Individuum als Ausgeschlossenes wird somit in das soziale System inkludiert. Auf einer weiteren Ebene setzt sich diese Doppelung durch die Verkettung von Wissensvermittlung und -aneignung fort. Aneignung ist nur kommunikationsintegriert und nicht individuell beobachtbar. »Bezogen auf die außerhalb der Kommunikation stattfindende individuelle Aneignung kann die pädagogische Kommunikation nur darauf vertrauen, dass sie stattfindet, oder sie kann auf der Grundlage einer unterstellten Aneignung fortfahren. Bezogen auf die innerhalb der Kommunikation stattfindende Aneignung kann sie diese überprüfen und das Ergebnis als Hinweis auf eine außerhalb stattgefundene Aneignung behandeln« (Kade 2004: 208; Herv. i.O.).

Die im Sinne Kades vollzogene Unterscheidung von Vermitteln und Aneignen ist das Ergebnis der eingeführten System-Umwelt-Differenz (vgl. Luhmann 1984: 242ff.) von sozialem und psychischem System in die pädagogische Kommunikation (vgl. Kade 1997a). Der binäre Code wird durch die Unterscheidungen Vermittlung/Selektion bzw. vermittelbar/nicht vermittelbar und besser/schlechter fortgesetzt. Diese Codierungen reflektieren die Grenzen des Systems. Der Code vermittelbar/nicht vermittelbar markiert die Grenze zum psychischem System, der Code schlechter/besser diejenige zu den anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen, wie Luhmann sie in seiner Systemtheorie beschreibt (vgl. ebd.; Kade/Seitter 2007e). Wissen dient als Kommunikationsmedium, dessen Kommunikation das individuelle Leben bereichert oder aber bei Nichtvorhandensein bzw. Nichtwissen zu Chancenverlusten führen kann. Anlässe pädagogischer Kommunikation sind gegeben, wenn der Aneignungsbezug mitgedacht ist, d.h., die Seite der Aneignung in der Wissensvermittlungsseite reflektiert ist. Pädagogische Kommunikation erschließt sich wie jegliche andere Kommunikation durch die Mitteilung von Information, die neu und unbekannt ist. Der wechselseitige Bezug von dem Vermittler der Information und dem Aneigner der selbigen ist durch die Kommunikation gegeben und markiert zugleich ihre Differenz. Mit anderen Worten: Der eine weiß etwas, was der

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andere noch nicht weiß bzw. wissen kann (vgl. ebd.: 13). Die von Luhmann gebildete Trias der Kommunikation bestehend aus Information, Mitteilung und Verstehen (vgl. Luhmann 1984: 191ff.; 1990: 115f.) wird aufgebrochen. Da durch Kommunikation Verstehen hergestellt werden kann (vgl. auch ebd. 1984: 219ff.), rücken die Aspekte Mitteilung und Verstehen zulasten des Informationsaspekts ins Zentrum. Folglich repräsentiert der Aneignungsbezug einen wesentlichen Teil der Wissensvermittlung und muss dementsprechend auf seine Gültigkeit und Richtigkeit überprüft werden (vgl. Kade/Seitter 2003). Die Thematisierung der Aneignungsformen im Rahmen pädagogischer Kommunikation verweist immer auf Formen der Selektion. Selektion muss in diesem Gemenge nicht nur als explizite, von der Vermittlung abgekoppelte Feststellung und Überprüfung aufgefasst werden, sie kann zeitgleich mit der Operation des Vermittelns auftreten. Die Vielfalt der konkreten Überprüfungsmöglichkeiten korrespondiert erheblich mit den institutionell-organisatorischen Rahmenvoraussetzungen pädagogischer Kommunikation. Folglich hat das Auffinden von Aneignungsprozessen immer etwas mit institutionellen Machtgefügen und prägenden Eindrücken gemein. Zudem ist eine Einschätzung der Sprache der jeweiligen Situation erforderlich, die zu einem entsprechenden kommunikativen Handeln führen sollte. Im Sinne einer traditionellen Pädagogik könnte man von pädagogischem Takt11 sprechen. Da pädagogische Kommunikation vom Mitdenken der Aneignungskomponente lebt, schließt sie Möglichkeiten der Überprüfung und Bewertung ein und macht Selektion möglich, aber auch erforderlich (vgl. Wittpoth 2003a: 61; Luhmann 2002: 62ff.). Beispielsweise sorgen institutionell-organisatorische Rahmungen wie die Schule bereits im Vorfeld für eine Anschlussfähigkeit der Kommunikation durch Selektion der zu erwartenden Anschlussmöglichkeiten.

11 Der von Johann Friedrich Herbart gebildete Begriff »pädagogischer Takt« beschreibt die Verbindung zwischen pädagogischer Theorie und Praxis. Er steht für die Urteilskraft und damit für die Handlungskompetenz von Pädagog/-innen, mit Einfühlungsvermögen in fortwährend neuen pädagogischen Situationen zu entscheiden und zu handeln. Dabei orientiert sich das Vorgehen immer an dem Ziel, die Autonomie des Einzelnen zu stärken. Diese pädagogische Fähigkeit kann man nach Herbart nur in der Praxis erlernen. Diese ist aber stets in zweifacher Hinsicht an die Theorie rückgebunden: der Praxis sollen bereits immer theoretische Überlegungen vorausgehen und jene muss immer wieder zum Moment kritischer Reflexion des Praktikers werden (vgl. Herbart 1964: 126ff.).

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Das führt dazu, dass nach Jürgen Wittpoth zwischen verschiedenen Selektionsarten differenziert werden muss: • • •

Eine sozial/normativ intendierte, in Form von Bewertungsmaßstäben, eine formalisierte, in Form von Zertifikaten, Titeln o.ä. und eine informelle Selektion, die für pädagogische Kommunikation als konstitutiv angenommen werden muss (vgl. Wittpoth 2003a: 62).

Pädagogische Kommunikation ist in unterschiedlichste Kontexte eingebettet. Tendenziell ist sie aber eher in institutionell offenen als in institutionell geschlossenen Räumen zu finden, in denen die Flüchtigkeit und Instabilität pädagogischer Kommunikation durch organisatorische Rahmungen überdeckt werden können. Die Porosität, Flüchtigkeit und der Netzwerkcharakter sorgen für den dynamischen, temporären Charakter der pädagogischen Kommunikation. »Pädagogische Kommunikation erweist sich insofern als eine immer wieder erst und immer wieder neu herzustellende Realität mit einem tendenziell eher flüchtigen, rudimentären und netzwerkartigen Charakter« (Kade/Seitter 2003: 602). Sie tritt nicht als vollständiger, auf eine pädagogische Absicht bezogener Zusammenhang von Wissen, Vermitteln, Aneignen und Überprüfen auf, sondern sie ist konstitutiv brüchig und diffus. Das Pädagogische bleibt oftmals verdeckt und unsichtbar. Kade und Seitter sprechen von einem »transitorischen Charakter« pädagogischer Kommunikation, d.h., sie muss immer wieder neu rekursiv entfaltet und (wieder-)hergestellt werden (vgl. Kade/Seitter 2003: 604; Kade/Seitter 2007a). Pädagogische Kommunikation besteht aus einem unendlichen, episodischen Übergang von pädagogischer in nicht-pädagogischer Kommunikation und umgekehrt. Daher gestaltet sich die Identifizierung dieser Kommunikationsweise, die auf Veränderung von Personen bzw. ihres Wissens ausgerichtet ist, schwierig. Aufgrund ihrer Repetitionsfähigkeit gewinnt die pädagogische Kommunikation ihre Lebendigkeit, Dauerhaftigkeit und Institutionalisierung. Aus der Perspektive einer Theorie pädagogischer Kommunikation erweisen sich eindeutige und stabile – in klarer Abgrenzung von zerstreuten – Elemente des Pädagogischen als Ergebnis ihrer Institutionalisierung. Pädagogische Kommunikation entwickelt sich immer wieder in unvollständigen Ansätzen, um sogleich wieder von anderen Kommunikationsformen abgelöst zu werden. »Sie bietet damit Ansätze für Übergänge, sie operiert auf der Grenze zwischen verschiedenen Kommunikationsformen und nutzt Uneindeutigkeit als Produktivkraft. Sie ist eine fragile Kommunikationsform, die zugleich offen und geschlossen, fest und fluide, eindeu-

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tig und mehrdeutig ist und die immer wieder neu gebildet werden muss« (Kade/Seitter 2003: 610).

Die Unbeständigkeit und die bleibende Undurchsichtigkeit pädagogischer Kommunikation sorgen für Schwierigkeiten, sie eindeutig zu bestimmen. Daher ist kritisch zu hinterfragen, wie leistungsfähig das Konzept zur Beschreibung von Kommunikation im Hinblick auf enthaltene Wissensumgangsformen ist. Um pädagogische Kommunikation verorten zu können, ist die Bestimmung ihrer Rahmenbedingungen hilfreich. Mit Rückbezug auf Luhmann bietet Wittpoth die Unterscheidung von Organisations- und Interaktionssystemen an, die aber vielfältige Symbiosen eingehen können. Organisationssysteme bieten den Rahmen der Kommunikation, während sie sich in Interaktionssystemen vollzieht (vgl. Wittpoth 2003a: 61ff.; Luhmann 2002: 120ff.). Wittpoth unterscheidet zwischen Organisationssystemen mit expliziter, mit weniger/nicht expliziten oder ohne explizite Zweckorientierung an Erwachsenenbildung. Im vorliegenden Fall der Untersuchung von Kommunikation über das Sammeln ist von einer nicht expliziten, erwachsenenbildnerischen Zweckorientierung des organisatorischen Rahmens auszugehen. Mit einem differenzierten pädagogischen Kommunikationsbegriff werden Interaktionssysteme durch überwiegende, gelegentlich durchsetzte oder nicht vorhandene pädagogische Kommunikation charakterisiert (vgl. Wittpoth 2003a: 64). Pädagogische Kommunikation lässt sich demnach aufspalten in •

• •

Formen vollständiger + pädagogischer Kommunikation, »[...] d.h. sich ihrer selbst bewusste, intendierte Vermittlung mit Interesse am Ergebnis [...]«, »[...] formalisierter Selektion und extern sichtbaren Ergebnissen« (ebd.), vollständige pädagogische Kommunikation mit informeller Selektion und unvollständige pädagogische Kommunikation, »d.h. Vermittlung ohne Interesse für erfolgende/ausbleibende Aneignung« (ebd.).

Die Differenz zwischen einem weiten und einem engeren pädagogischen Kommunikationsbegriff ist relevant, um einerseits pädagogische Kommunikation in ihrer Vielfältigkeit an unerwarteten Orten aufzuspüren, andererseits Formen der nichtpädagogischen Kommunikation abzugrenzen. Diese Abgrenzung ist notwendig, um Kommunikation nicht künstlich pädagogisch zu überhöhen. Tendenziell nehmen jedoch Formen unvollständiger Kommunikation zu (vgl. Wittpoth 2003a: 65f.).

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Wie bereits dargelegt wurde, ist Vermittlung nicht nur als interaktionsbezogen, als eine Operation unter Anwesenden, aufzufassen. In dieser Arbeit ist die untersuchte Kommunikation auch durch die physische Abwesenheit bzw. Fernanwesenheit der sozialen Akteure als Vermittler und Aneigner des Wissens gekennzeichnet. Mit der Etablierung medialer Kommunikationsformen geht eine tendenzielle Ablösung der Aneignungs- von der Vermittlungsseite einher. Der Autonomie der Adressat/-innen, das angebotene Wissen zu (de-)legitimieren, wirkt medial ein stärkeres Aufkommen von Moralvorstellungen und Appellen entgegen. Die Kommunikation unter Abwesenden profitiert hingegen von der interaktiven Ruhe, die die körperliche Abwesenheit der kommunizierenden Personen mit sich bringt. Dabei machen Kade und Seitter in ihrer Studie zum Umgang mit Wissen in modernen Gesellschaften am Fall eines Unternehmens und eines Vereins der Sozialarbeit einen Zusammenhang zwischen interaktiver An- und Abwesenheit und Adressierung aus (vgl. Kade/Seitter 2007a, 2007b). »Die [...] These lautet, dass interaktive Abwesenheit eine sehr viel direktere Adressierung ermöglicht mit einem breiten Spektrum pädagogischer Formen, die wiederum in variierter Redundanz entfaltet werden können. Interaktive Anwesenheit zwingt hingegen zu einer sehr viel vorsichtigeren Adressierung, die dann allerdings umso deutlicher hervortritt, je unmöglicher sich ihre pädagogische Bearbeitung darstellt [...] oder je gefährlicher ihre pädagogische Nichtbearbeitung erscheint« (Kade/Seitter 2007d: 438).

In der pädagogischen Kommunikation muss Aneignung nicht in jedem separaten Kommunikationsgeschehen konstatiert werden. Wesentlich ist, dass ihr tendenzielles Vorhandensein betrachtet werden kann. Für die hier vorgenommene Untersuchung bedeutet das, dass die Analyse von Kommunikation via Internet bzw. dort befindlicher Foren einen Ort repräsentiert, der durch die physische Abwesenheit der Kommunizierenden gekennzeichnet ist. Zeitgleich schafft dieser Kommunikationsort eine prinzipielle Offenheit für das Stattfinden pädagogischer Kommunikation. Im Sinne einer pädagogischen Kommunikation stehen Wissensvermittlung und -aneignung nicht in Kontrast zu institutionellen Blickwinkeln, in denen sich Bildung Erwachsener vollzieht. Die Gewichtung verlagert sich dahingehend, dass aneignungsbezogene Formen von Wissensvermittlung wahrgenommen werden und somit Bildungsvorstellungen Rechnung getragen wird, die Individuen jenseits von – je nach Perspektive Sicherheit spendenden oder fesselnden – Institutionen ansiedeln. Mittels dieser Fokussierung wird ein Zugang zu sozialer Wirklichkeit geschaffen, der soziale Institutionalisierungen von Wissen an verschiedensten Orten aufzudecken versucht. Diese können institutionell organisiert

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sein oder ein Abbild sozialer (Bildungs-)Welten darstellen, wie sie Anselm L. Strauss in seinem Konzept Sozialer Welten vorgedacht hat (vgl. Strauss 1991, 1993a). Das Konzept pädagogischer Kommunikation legt den Akzent nicht auf den Aspekt von Bildung durch den Umgang mit Wissen, sondern deutlich auf die Frage nach pädagogischer Intentionalität. Pädagogische Absichten können durch Bildungsabsichten geprägt sein, sie müssen es aber nicht. Das Konzept pädagogischer Kommunikation stellt somit einen Ansatz dar, nicht am Bildungsbegriff festzuhalten, welcher über einen lang anhaltenden Zeitraum den Inbegriff pädagogischen Denkens darstellte, sondern nach neuen, oder zumindest alternativen Begrifflichkeiten und somit Deutungskonzepten menschlicher Partizipation zu suchen. Die Gehaltfülle dieses Entwurfs ist jedoch bei der Untersuchung eines alltagsweltlichen Feldes wie dem des Sammelns zu befragen, wenn seine Erklärungskraft und Reichweite einer Überprüfung unterliegt. In ihrer Studie spezifizieren Kade und Seitter den Umgang mit Wissen weiterhin auf die Frage nach den Wissensinhalten (vgl. Kade/Seitter 2007a). Im Zentrum steht hier die Erforschung, welches pädagogische Wissen soziale Akteure wissensvermittelnd anwenden. Unterschieden wird zwischen einem aufgabenbezogenen Wissen, einem phasenbezogenen Wissen sowie einem (Selbstbeobachtungs-)Wissen, welche sich auf die Elemente pädagogischer Kommunikation (Adressat/-in, Vermittlung, Wissen, Überprüfung) beziehen. Wissensinhalt und -umgang sind wechselseitig aufeinander verwiesen. Die von Kade und Seitter vorgenommene analytische Trennung dient der Ergründung der den Wissensumgang umgebenden sozialen Rahmenbedingungen. Faktisch aber ist Wissensumgang nie ohne Wissensinhalte zu denken, wie auch Wissensinhalte immer auf einen bestimmten Umgang mit ihnen verweisen.

2.2 S ELBST

UND

W ELT

IN DER

K OMMUNIKATION

Wenn nachfolgend das von Anselm L. Strauss entwickelte Konzept der Sozialen Welten (vgl. Strauss 1991, 1993) zur Analyse des Sammelphänomens herangezogen wird, so steckt hinter diesem Konzept eine Tradition unterschiedlicher, wissenschaftlicher Weltentwürfe. Der Lebenswelt-Begriff nimmt dabei eine gesonderte Stellung ein, da er als grundlegend für soziologische Überlegungen zu Lebenswelten und sozialen Welten gilt und daher ein kurzer Rekurs auf ersteren dem Verständnis dienlich ist. Mit der Verwendung des Wortes Welt wird angedeutet, dass es nicht nur das ausschnitthafte Berühren einzelner Aspekte ist, wel-

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ches Weltanalysen ausmacht. Vielmehr werden das Entstehen von Welt und seine spezifischen Ordnungen auf ihre Konstitution und Ausformung hin befragt.

2.2.1 Zum Lebenswelt-Begriff Der Begriff der Lebenswelt findet sowohl in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen als auch in der Alltagssprache Verwendung. Hierdurch bedingt weist er ein unübersichtliches Bedeutungsspektrum auf. Es lassen sich mindestens fünf wissenschaftliche Akzentuierungen des Lebensweltbegriffes differenzieren: Anthropologische, phänomenologische, sprachanalytische, konstruktivistische und soziologische. Für diese Arbeit ist die Bedeutung des LebensweltTerminus in Philosophie und Soziologie herauszustellen. In der Phänomenologie Edmund Husserls wird er zu einem zentralen Begriff der Philosophie, der unterschiedliche Aspekte des phänomenologischen Denkens umschließt. Lebenswelt im Verständnis von Husserl meint die unmittelbare und als fraglos gegebene alltägliche Lebenswelt, die subjektiv erfahrbar ist (vgl. Husserl 1950 [1913]: 27ff.). Innerhalb der Soziologie haben insbesondere Alfred Schütz und dann auch Thomas Luckmann das Lebenswelt-Verständnis von Husserl aufgenommen und adaptiert sowie in seiner Erklärungsreichweite geprägt. Sie haben die für den Menschen selbstverständliche Wirklichkeit als Ausgangspunkt wissenschaftlicher Überlegungen herausgearbeitet. Der Begriff der Lebenswelt wird in dieser Arbeit daher in der soziologischen Tradition von Alfred Schütz gedacht: Lebenswelt ist demnach die Welt, wie wir sie erfahren (vgl. Schütz/Luckmann 1975, auch 1984; Luckmann 1990; Hitzler/Honer 1984). Die Lebenswelt gilt hier als raum-, zeit- und sozialbedingte Wirklichkeit. Das Ziel der Lebensweltanalysen von Alfred Schütz stellt nicht die Begründung einer neuen Soziologie dar, sondern soll die Max Webersche Handlungstheorie philosophisch begründen (vgl. Schütz 1974). Schütz nimmt dabei in seinen Überlegungen einen Wechsel zum Begriff der Alltagswelt vor, die er besonders im Bereich des Sozialen ansiedelt. Gemeint sind die common-sense world, world of daily life oder vie quotidienne – fokussiert wird das alltägliche Leben und wie es erfahren wird. Die ausgezeichnete Wirklichkeit der Lebenspraxis hebt sich von mannigfaltigen Wirklichkeiten ab, zu denen auch die Wissenschaftswelt gehört. Schütz sucht nach universalen Strukturen der Alltagswelt. Die alltägliche Lebenswelt ist demnach die Wirklichkeit: »Lebenswelt ist raum- und zeitbedingte soziale, […] gesellschaftlich konstituierte, kulturell ausgeformte, symbolisch gedeutete Wirklichkeit« (Vierhaus 1995: 14). Nach Hubert Alfons Knoblauch »ist [e]s lange übersehen worden, daß Schütz die Lebenswelt des Alltags als eine im Grunde

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kommunikative Lebenswelt betrachtet. Denn die Lebenswelt des Alltags ist nicht nur die Welt, in der wir mit anderen handeln und wirken« (Knoblauch 1996: 11). In der Wechselseitigkeit von Handeln und Verstehen entwickelt sich »eine gemeinsame kommunikative Umwelt« (Schütz 1971: 363; auch Schütz/Luckmann 1984: 201ff.). Diese ermöglicht die Deskription einer individuell oder kollektiv geteilten Lebenswelt. Dabei ist die alltägliche Lebenswelt nicht mit der Alltagswelt gleichzusetzen (vgl. Hitzler/Honer 1984: 59f.; Schütz/Luckmann 1975 und 1984; Waldenfels 1985), da der Begriff Lebenswelt der »systematischen Rekonstruktion multipler Erfahrungsqualitäten« (Honer 1993: 14) dient. Es geht darum, typische und relativ beständige Lebens- bzw. Kommunikationsformen sowie sozial-kulturelle, zeitliche und inhaltliche Bedingtheiten der Wirklichkeit zu ermitteln. »Die Kommunikation ist deswegen bedeutsam, weil sie die Sinnhaftigkeit meiner Welt mit der anderer abgleicht und daraus eine gemeinsame soziale Lebenswelt macht« (Knoblauch 1996: 11). Kommunikation »erlaubt die Abstimmung und den Austausch von Erfahrungen, also das, was wir Wissensvermittlung nennen. Durch Kommunikation werden wir vor allem in die schon bestehenden Wissensvorräte eingeführt, die andere konstruiert haben und die wir als ›soziohistorisches Apriori‹ übernehmen« (ebd.).

Mit dem Rückgriff auf den Lebensweltbegriff gilt es bei der Betrachtung des Phänomens Sammeln von trivialen Objekten durch Erwachsene deutlich zu unterscheiden, dass es nicht um eine normative Wertung des Phänomens geht, sondern darum, das Phänomen aus der Sicht der Sammler/-innen in seiner Unterschiedlichkeit und Vielseitigkeit zu beschreiben. Strukturanalytisch und phänomenologisch werden die Dichotomien objektiver Strukturen sozialer Wirklichkeit und subjektiver Vorstellungen der selbigen überwunden und selbstverständliche Deutungsmuster infrage gestellt. Lebenswelten sind weder statisch zu fixieren, noch lassen sich bestimmte Menschen auf sie reduzieren. Jeder Mensch ist immer zugleich Teil unterschiedlichster Lebenswelten, wie sich nachfolgend am Konzept der Sozialen Welten von Anselm L. Strauss zeigen wird.12

12 Mit der Technisierung der Lebenswelt durch universale Prinzipien kognitiver und technischer Rationalität thematisiert Jürgen Habermas dann das Übergreifen abstrakter Systeme in die Lebenswelt (vgl. Habermas 1981).

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2.2.2 Das Konzept der Sozialen Welten Das Konzept der Sozialen Welten (Engl. social worlds) von Anselm L. Strauss (vgl. Strauss 1991, 1993a: 209ff.) hat seine theoretische Grundlage im symbolischen Interaktionismus. Es dient der Erhellung und Beschreibung sozialer Aushandlungsprozesse und kann somit für die Analyse pädagogischer Kommunikation in Sammelwelten fruchtbar sein. Der Begriff social world tritt bereits in der frühen Chicagoer Soziologie auf (Strauss 1991; Bohnsack 2005). Eine Verwendung und Weiterentwicklung erfährt er in stadtökologischen Analysen der Chicagoer Umgebung und in Professionsstudien – vor allem zu Ausdifferenzierungen im Bereich der Medizin und der Psychiatrie. Die Studien zu verschiedenen Professionen führten zur Reformation der Methodologie der Grounded Theory (vgl. Schütze 2002; Strauss/Corbin 1996). Tamotsu Shibutani entfaltet schon Mitte der 1950er Jahre in seinem Aufsatz Reference groups as perspectives (1955) eine erste Systematisierung. Er variiert terminologisch zwischen reference groups, social worlds und culture areas. Seiner Ansicht nach entstehen durch die Teilhabe von Individuen an Kommunikation gemeinsam getragene Perspektiven, die zu einer Genese von sozialen Welten führen. Die Produktivität dieses Ansatzes ergibt sich nach Shibutani aus dem Spektrum der Kommunikationskanäle und die hierdurch bedingte Vielzahl sozialer Welten in modernen Gesellschaften, die durch die Realität der Kommunikation und nicht durch territoriale bzw. formale Zugehörigkeiten limitiert sind (vgl. ebd.). Besonders durch das Aufkommen der Massenmedien und den verbesserten Verkehrsmöglichkeiten seit Mitte des 20. Jahrhunderts wird der kommunikative Rahmen aufgebrochen und vergrößert. Demnach bewegen sich Menschen – parallel zu dem an bereits anderer Stelle beschriebenen Terminus der posttraditionalen Vergemeinschaftung – zumeist simultan in mehreren Welten. »Zweifelsfrei läßt sich konstatieren, daß der moderne Mensch typischerweise in eine Vielzahl von disparaten Beziehungen, Orientierungen und Einstellungen verstrickt ist, daß er mit ungemein heterogenen Situationen, Begegnungen, Gruppierungen, Milieus und Teilkulturen konfrontiert ist, daß er folglich mit mannigfaltigen, nicht aufeinander abgestimmten Deutungsmustern und Sinnschemata umgehen muß« (Hitzler/Honer 1988: 496).

An späterer Stelle hebt Shibutani neben gemeinsam getragenen Perspektiven stärker die Personen hervor, die aus ihren je eigenen Standpunkten heraus entweder Teil von Gemeinschaften werden bzw. Gemeinschaften aufstellen oder ihnen fernbleiben. Aus oftmals partiellen Perspektiven können sich sowohl hoch

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differenzierte Institutionalisierungsgrade von Bezugsgruppen als auch soziale Kontrollmechanismen in und um Gruppen entwickeln (vgl. Shibutani 1962). Strauss hat in seinen Überlegungen Shibutanis Perspektive auf Gruppenprozesse adaptiert und komplementär allgemeingültige Kriterien zur Charakterisierung sozialer Welten entwickelt (vgl. Strauss 1991; Schütze 2002). Seine Forschungsessenzen bilden die Grundlage, um soziale Welten systematisch zu ergründen (vgl. Strauss 1991a: 233ff.). Strauss bricht soziologische Argumentationen auf, die eine Dominanz soziokultureller Allianzen wie Institution, Geschlecht, Klasse u.a. behaupten (vgl. Strauss 1993a: 210ff.), und weitet damit eine, bis dato vorherrschende soziologische Kategorienperspektive. Die Offenheit seines Ansatzes spiegelt sich in dem Formalitätsgrad zur Beschreibung sozialer Welten wider: So ist die Größe der sozialen Welten variabel; sie können sowohl lokal, international als auch territorial gekoppelt sein oder raum- und ortlos agieren oder eine raum-zeitliche Sonderwelt darstellen (vgl. Franke 1991). Manche Welten weisen spezifische Grade der Öffentlichkeit, der Organisation und/oder Etablierung auf, andere Welten bleiben verborgen bzw. erscheinen hochgradig diffus an der Oberfläche des Sichtbaren. »Some are very hierarchical; some less so or scarcely at all« (Strauss 1991a: 235). Strauss hat mit diesen offen gehalten Überlegungen zu Graden der Organisierung, Räum- und Zeitlichkeit des Sozialen einen soliden und zukunftsfähigen Grundstein gelegt, um soziale Welten auch in einer globalisierten und durch neue, schnellere Kommunikations- und Transportmöglichkeiten bestimmten Welt erforschen zu können. Virtualität und Cyberspace widerstreben somit nicht einem Social-Worlds-Ansatz, sondern eröffnen vielmehr neue Räume des Sozialen. In manchen Welten lassen sich eindeutige Geschlechterdominanzen bzw. Schichtzugehörigkeiten ausmachen – manche Welten unterlaufen diese Kategorisierungen hingegen vollständig (vgl. Strauss 1991a: 235f.; Strauss 1993a: 213f). Neben der Indifferenz, die aus solchen Toleranzen entsteht, lassen sich Kriterien ausmachen, die das Konzept der Sozialen Welten umranden und sich aus Shibutanis Überlegungen hinausbewegen: »Though the idea of social worlds may refer centrally to universes of discourse, we should be careful not to confine ourselves to looking merely at forms of communication, symbolization, and universes of discourses, but also examine palpable matters like activities, memberships, sites, technologies, and organizations typical for particular social worlds« (Strauss 1991a: 235).

Kennzeichen jeder sozialen Welt ist mindestens eine thematische Kernaktivität, hier das Sammeln, um welche sich weitere damit verbundene Tätigkeiten arran-

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gieren. Die Bewohner der jeweiligen sozialen Welt identifizieren sich mit den verhandelten Themen und Aktivitäten und assoziieren mit ihren Sichtweisen Wertvorstellungen und Ansprüche. Oftmals sind soziale Welten netzwerkartig organisiert. Das heißt, sie verfügen über ein Kommunikationsnetz und Sozialitätsformen, die in spezifische Ort-, Raum- und Zeitstrukturen eingebunden sind. Sie repräsentieren nicht notwendigerweise geschlossene Einheiten des menschlichen Miteinanders, in denen Formen der Organisation und Arbeitsteilung existieren. Die Bewohner sozialer Welten haben mehr oder weniger definierte kollektive Zielsetzungen und verfügen über ein gemeinsam geteiltes Wissen in Form von spezialisierten Wissensbeständen und Technologien. Aufgrund der Zerbrechlichkeit der Ordnung ihres Innenlebens ist Stabilität und ein »WirBewusstsein« (Schütze 2002: 63) immer wieder mittels Kommunikation herzustellen (vgl. auch Schnoor 2007). Die innerweltlichen Prozesse der Kommunikation stehen daher vielfach im Zentrum des Forschungsinteresses: Im vorliegenden Fall gilt das Interesse der Immatrikulation des Pädagogischen in Kommunikation – sprich pädagogische Kommunikation. Nach Fritz Schütze »kristallisiert sich bei fortschreitender [sozialer, Erg. D.W.] Institutionalisierung (samt organisatorischer Untermauerung) ein sozialwelt-immanentes Kategoriensystem samt Reputationshierarchie heraus, nach dem einzelne Aktortypen von Sozialweltteilnehmern (z.B. Protagonisten, Aktivisten, Anhänger, Mitläufer) systematisch unterscheidbar sind« (Schütze 2002: 61).

Bestimmte Akteure können für die Sicherheit und den Fortbestand der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung erhalten, indem sie eine dauerhafte Legitimierung der Gemeinschaft erzeugen. Zudem können sich soziale Welten durch Prozesse der Legitimation (Authentizitätsfindung), der Segmentierung oder durch Schnittpunktbildung mit anderen sozialen Welten verändern (vgl. Strauss 1993a: 215ff.). Letzten Endes sind neben der prinzipiellen und faktischen Möglichkeit, mehreren sozialen Welten gleichzeitig anzugehören, Formen der Exklusion nicht unerheblich: Die Zugehörigkeit zu einer Welt schließt jene zu anderen Welten aus. Die vorangehenden Überlegungen abschließend, stellen Formen sozialer Welten nicht ausschließlich ein Phänomen der Gegenwart dar, auch wenn sie sich gegenwärtig heterogener entfalten. Nachfolgend wird nun eine Rekonstruktion der Sammler/-innen, wie sie in ihrem kommunikativen Alltag auftreten, erarbeitet. Unter Berücksichtigung eines weiten Verständnisses des Konzepts sozialer Welten nach Strauss und pädagogischer Kommunikation nach Kade und Seitter (vgl. Kade/Seitter 2007,

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2007a) wird nachfolgend der Umgang mit Wissen in der Welt des Sammelns ergründet. Auf diese Weise ist ein Verständnis der Regeln und Ordnungen möglich, die sich in diesem Kommunikationsgefüge konstituieren. Die grundlegenden Kennzeichen einer sozialen Welt nach Strauss seien noch einmal wie folgt zusammengefasst (vgl. Strauss 1991, 1993a: 209ff.): • •

• • • •

Eine Kernaktivität, um die sich andere hiermit verbundene Tätigkeiten anordnen Identifikation mit dem jeweiligen Thema und Aktivitäten, hiermit können Wertvorstellungen und mehr oder minder formulierte Ansprüche einhergehen Spezifische Ort-, Raum- und Zeitstruktur, vielfach Netzwerk Sozialität gemeinsame Zielvorstellungen gemeinsam geteiltes Wissen in Form von spezialisierten Wissensbeständen und Technologien.

Bisweilen wird in dieser Arbeit auf den engeren Begriff der »kleinen LebensWelt« von Anne Honer (vgl. Honer 1985) Bezug genommen. Diesen leitet Honer aus soziologischen Überlegungen zum ursprünglich phänomenologischen Begriff der Lebenswelt ab, welcher zum soziologischen Term gewendet eine Deskription der alltäglichen Lebenswelt ermöglicht, die individuell oder kollektiv geteilt ist. Die Differenz von Alltags- und Lebenswelt (vgl. Hitzler/Honer 1984: 59f.) liegt in dem Rekonstruktionspotential des Lebensweltbegriffs, der eine systematische Analyse lebens-weltlicher Zusammenhänge den Weg ebnet (vgl. Honer 1993: 14). »Unter dem Begriff der kleinen Lebens-Welt wird also nicht individuelle Welterfahrung sondern eine in der individuellen Welterfahrung relevante, partielle Bezugsgruppenorientierung thematisiert. Eine kleine soziale Lebens-Welt ist ein intersubjektiv konstruierter Zeitraum situativer Sinnproduktion und -distribution, der im Tagesab- und Lebenslauf aufgesucht, durchschritten, gestreift wird, und der mehr oder minder wesentliche Elemente für das spezifische moderne ›Zusammenbasteln‹ strukturell unwesentlich gewordener persönlicher Identität bildet« (Honer 1985: 131; Herv. i.O.).

Zu den Indikatoren einer solchen kleinen Lebens-Welt zählen definierte Zwecksetzung, technisches und legitimes Sonderwissen, Interaktionsgelegenheiten, freiwillige teilzeitliche Partizipation, Passageriten und Karriere-Muster. Nach

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Honer lassen sich über die Beschreibung des auffindbaren (Sonder-)Wissens nichtalltägliche, lebensweltliche Sinnstrukturen rekonstruieren (vgl. ebd.). Vor diesem diskursiven Hintergrund stellt die Einbeziehung lebensweltlicher Formen der Kommunikation in die erziehungswissenschaftliche Forschung einen produktiven Zugewinn dar und erweitert den Blick auf pädagogische und gesellschaftliche Fragestellungen und Zusammenhänge. Die Erforschung lebensweltlicher Kommunikation liefert der Erziehungswissenschaft fruchtbare Ansatzpunkte, sich mit einer ausdifferenzierten Gesellschaft auseinander zu setzen, in der plurale Konstruktionen von Verstehens- und Sinnwelten sowie von Lebens- und Problemlösungsstilen existieren. Das triviale Sammeln erfüllt Merkmale, die spezifisch für die Gegenwart der Erziehungswissenschaft hervorgehoben werden können: z.B. (neue) Formen der Vergemeinschaftung, Umgang mit Wissen und Objektwelten. Es lassen sich sowohl unterschiedliche Formen und Veränderungen des Umgangs mit als auch der Legitimierung von Wissen anhand des Sammelns aufzeigen. Wie bereits im ersten Kapitel gezeigt werden konnte, hat das Sammeln für die Legitimierung und (Aus-)Formung unterschiedlicher Wissenschaften eine entscheidende Bedeutung inne. Darüber hinausgehend ist das kreative Potential des Sammelns in der Lebenswelt des Individuums zu beachten. Ob oder inwiefern mit ihnen pädagogische Intentionalität einhergeht oder sogar von Bildungsprozessen zu sprechen ist, wird im weiteren Verlauf ermittelt.

3. Methodologische Vorüberlegungen, Begründung der Forschungsmethoden und Datengrundlage »Die sehen alle immer nur die Puppe. Das ist falsch. Das ist die Welt.« BARBIE-PUPPEN-SAMMLERIN LISA SCHNEIDER

Die Literatur zur qualitativen Sozialforschung weist eine enorme Methodenheterogenität auf (vgl. Friebertshäuser/Langer/Prengel 2010). Jedoch sagt eine Kenntnis der Methoden noch nichts darüber aus, wie sie anzuwenden sind. Und: Durch die bloße Anwendung der Methoden lassen sich nicht die Wirklichkeit(en) erfahren, die zu ergründen versucht werden (vgl. Honer 1993: 7). Methoden sind dementsprechend nicht anwendungsneutral, d.h., der Einsatz der Methoden richtet sich nach der Frage- oder Problemstellung sowie dem Untersuchungsfeld. Die Auswahl der Methoden und ihre Anwendung setzen daher grundlegende Erläuterungen voraus, die zuvor um Überlegungen zu den Anforderungen an den Forschungsprozess und zu den Forschungswegen ergänzt werden, um den methodologisch-theoretischen Hintergrund der Arbeit darzulegen. Die gebildete Trias aus Datenerhebung, -analyse und -darstellung ist nicht als eine sukzessive Phasenabfolge zu verstehen, sondern als eine Forschungssystematik, in der sich diese drei Schritte wechselseitig bedingen.

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3.1 ANFORDERUNGEN AN DEN QUALITATIVEN FORSCHUNGSPROZESS Qualitative Forschung hat im Rahmen von Erwachsenenbildungsforschung einen besonderen Stellenwert. »Erwachsenenbildung ist [...] thematisch vorwiegend mit Deutungsmustern, Handlungsentwürfen und Wissensformen befaßt, deren Sinn erst durch Auslegung und Verständigung erschlossen werden kann« (Kade 1999: 343). Demnach »[hat] [q]ualitative Forschung den Anspruch, Lebenswelten ›von innen heraus‹ aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben« (Flick/Kardorff/Steinke 2009: 14). Jedoch fehlt eine eindeutige Definition qualitativer Forschung. Dies ist aber nicht als Mangel sondern als Ausdruck einer Entwicklung eigener Identität(en) zu verstehen. Qualitative Forschung betrachtet soziale Phänomene, biografische Lebensgeschichten, alltägliche und professionelle Praktiken und fokussiert Alltagswissen, alltägliche Annahmen, Erfahrungen und Bedeutungskonstruktionen. Sie rekonstruiert und untersucht Interaktionen und Kommunikation in ihrer Entstehung, ihrem Erscheinen und ihrer Bedeutung. Das heißt, qualitative Forschung ist bemüht, nicht vorab formulierte Hypothesen auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen oder abstrakte Regelmäßigkeiten festzuschreiben, sondern diese während des Forschungsprozess selbst zu entwickeln. Hierdurch ergibt sich eine deutliche Differenz zu einem deduktiven und nomologischen Wissenschaftsverständnis. Allen qualitativ-sozialwissenschaftlichen Forschungsansätzen gemeinsam ist der Versuch, Deutungen von Selbst und Welt zu ermitteln. Sie sind besonders darum bemüht, die Bedeutung bestimmter sozialer Situationen für die beteiligten Akteure festzuhalten. Kommunikation und Dokumente, die diese aufzeichnen bzw. aufzeigen, lassen sich als Wege verstehen, wie soziale Prozesse und Artefakte konstituiert werden. Als Mikroforschung ist qualitative Forschung seit je her Teil der Erwachsenenbildung, ohne dass direkt von einer eigenen Forschungstradition gesprochen werden könnte (vgl. König 1995: 195). Qualitative Forschung ist als ein zu begründender und zu reflektierender Entscheidungsprozess zu begreifen. Hinsichtlich des Verstehens ergibt sich eine zentrale Aufgabe qualitativer Forschung: Sie muss jenseits der Beliebigkeit nach Begründungen und Argumenten suchen und die Differenz zwischen Erklären und Verstehen herausarbeiten, ohne sich in eine ideologische Ecke pro Verstehen versus Erklären drängen zu lassen. Datenerhebung und -interpretation müssen im Forschungsprozess aufeinander bezogen und als zwei Seiten eines Prozesses verstanden werden. Eine integrierte Darstellungsweise bietet hier eine Möglichkeit an, wobei die Interpretation des Materials einen Schwerpunkt bildet (vgl. Froschauer/Lueger 1992: 8f.).

M ETHODOLOGIE , FORSCHUNGSMETHODEN UND D ATENGRUNDLAGE

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3.2 F ORSCHUNGSWEGE Die Beschreibung sozialweltlicher Kommunikation bildet einen Gegenstand von Ethnographie, wie sie als eine Forschungsgrundlage nachfolgend rekapituliert wird. Vor ihrem Hintergrund wurde die Datengrundlage erarbeitet sowie mithilfe einiger Grundprinzipien der Grounded Theory und einem inhaltsanalytischem Vorgehen ausgewertet.

3.2.1 (Lebensweltliche) Ethnographie Wie an späterer Stelle auch für die Vorgehensweise von Grounded Theory verdeutlicht, lässt sich nicht von der Ethnographie sprechen, denn unterschiedliche Verfahren werden innerhalb von Ethnographie berücksichtigt, da Methodenpluralität eine bestmögliche Innensicht in das Forschungsfeld erlaubt (vgl. Krotz 2005: 250).1 Daher wird das hier zugrunde liegende Verständnis von Ethnographie nachfolgend expliziert, wenn auf den Entstehungsrahmen und Grundprinzipien ethnographischer Forschung eingegangen wird. Ethnographische Forschungsansätze als zunächst kulturanthropologische Verfahren2 dienten im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert der Deskription gesellschaftlicher, kultureller Zusammenhänge und der Untersuchung unbekannter, kulturell-isolierter Gesellschaften.3 Sie erwiesen sich jedoch im Laufe

1

Es lässt sich anschließen, dass ethnographische Forschung nicht nur bestimmte Verfahren und Methoden nutzt, sondern als Forschungshaltung unterschiedlichste Verfahren und Methoden aufgreift, die sich im Forschungszusammenhang als geeignet herausstellen oder selbst im Forschungsprozess entwickelt werden.

2

Vgl. die Arbeiten des Ethnologen Clifford Geertz (1973, 1983, 1993), der sich mit unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Systemen wie z.B. auf den Inseln Bali und Java beschäftigt hat. Geertz geht dabei auch der Frage nach, wie durch Ethnographie entstandene Beschreibungen Wirklichkeit und Fiktion generieren und worin ihre Bedeutung, Tiefenschärfe und Reichweite liegen: »The ethnographer ›inscribes‹ social discourse; he writes it down. In so doing, he turns it from a passing event, which exists only in its moment of occurrence, into an account, which exists in its inscriptions and can be reconsulted« (Geertz 1973a: 19; Herv. i.O.).

3

Frühe Formen ethnographischer Forschung lassen sich in Großbritannien bzw. dem British Empire sowie dem Commonwealth, Australien, Indien sowie auf dem Kontinent Afrika und in Nordamerika feststellen, wo Aneignungen von Land, (neo-) bzw. (post-)koloniale Herrschaft und Strukturen soziale – und auch traditionelle – Gefüge

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der Zeit sowohl zur Rekonstruktion subjektiver Erfahrungswelten und der Konstruktion von sozialer und kultureller Wirklichkeit als auch zur Analyse von Teilgesellschaften, teilkulturellen Verbindungen und unterschiedlichen Gemeinschaftsformen – besonders im Internet – geeignet (vgl. Honer 1991), da sie sowohl Wissen über Relationen in als auch Offenheit und Direktheit gegenüber Forschungsfeldern ermöglichten (vgl. Wax 1971). 4 Ethnographische Ansätze überwanden mit ihrer Variation aus unterschiedlichen Forschungsverfahren sowohl die Hürde rein qualitativ oder quantitativ ausgerichteter Forschungsarbeiten als auch die einseitige Verwendung bestimmter Methoden, indem sie diese miteinander kombinieren und triangulative Verfahren einsetzen (vgl. Hitzler/Honer 1988: 499).5 Ethnographie versteht sich somit nicht nur als eine Methode, sondern auch als ein Produkt von Forschung, indem sie einen Forschungsprozess in seinen einzelnen Schritten dokumentiert; sie ist bis zur Gegenwart durch eine stetige Veränderung und Weiterentwicklung gekennzeichnet.

des gesellschaftlichen Lebens vor Ort beeinflusst, gefährdet als auch maßgeblich verändert hatten und haben (vgl. Angrosino 2007: 2; auch Krotz 2005: 250f.). 4

Ethnographie fokussiert Gemeinschaften und Gesellschaften und nicht die individuelle Perspektive der oder des Einzelnen. Dabei muss die Benennung von Graden der Vergemeinschaftung, Kultur oder Vergesellschaftung nicht immer zwangsläufig die Sprache der Erforschten wiedergeben. Oft handelt es sich bei diesen Begriffen um generalisierte Abstraktionen (vgl. Angrosino 2007: 14).

5

Die Spannung zwischen quantitativ ausgerichteten und an den Naturwissenschaften orientierten Forschungsarbeiten auf der einen Seite und qualitativ ausgerichteter und an den sozialen Gegebenheiten orientierter Forschung auf der anderen Seite lässt sich als zwei unterschiedliche Paradigma – das des Naturalismus und das des Positivismus – beschreiben. Jedoch bietet sich für ethnographische Überlegungen weder das eine noch das andere Paradigma als Lösungs- und Problematisierungsansatz an, da sie einen deutlichen Unterschied zwischen der Wissenschaft und ihren Gegenständen aufrechterhalten, während Ethnographie die Verankerung der wissenschaftlichen Überlegungen in die zu untersuchenden (alltagsweltlichen) Phänomene herausstellt. Hinsichtlich der historischen Vergangenheit des Positivismus lässt sich sagen, dass dieser als logischer Positivismus in den 1930er bzw. 1940er Jahren seinen Höhepunkt erreichte und mit der Separierung qualitativer und quantitativer Forschungsansätze – im Positivismus zugunsten der quantitativen Ansätze – einherging. Es entstand sowohl eine tiefe, ideengeschichtliche Kluft zwischen den beiden Ansätzen als auch eine Verwischung dessen, was unter Positivismus verstanden wird. Das Falsifizieren bzw. die Verifizierung von theoretischen Vorannahmen stehen im Vordergrund (vgl. Hammersley/Atkinson 2007: 5ff.).

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In der qualitativen Forschung ist Ethnographie eine grundlegende »Rahmenstrategie zur Generierung von Theorien« (Krotz 2005: 247), da sie die Kommunikation und Verständigung zwischen Forscherin und dem Untersuchungsfeld durch die Herstellung eines »Bezugssystems« (ebd.) sichert: »[E]thnography usually involves the researcher participating, overtly or covertly, in people’s daily lives for an extended period of time, watching what happens, listening to what is said, and/or asking questions through informal and formal interviews, collecting documents and artefacts – in fact, gathering whatever data are available to throw light on the issues that are the emerging focus on inquiry« (Hammersley/Atkinson 2007: 3).

Ethnographie widmet sich sozialen Phänomenen, deren Hinter- und Vordergründe nicht oder nur unzureichend geklärt sind, und deren Erforschung Aufschlüsse über soziale Gefüge von Menschen, ihre Praktiken und ihr Verhalten ermöglichen. Als Referenz- und Bezugspunkte von Ethnographie, die sich disziplinübergreifend ausrichtet, lassen sich viele soziokulturelle Theorien wie der symbolische Interaktionismus, die Kritische Theorie, Theorien postmodernen Wissens (vgl. Lyotard 2009 [1979]; Clifford/Marcus 2008 [1986]) oder die Genderforschung und der Feminismus nennen (vgl. Hammersley/Atkinson 2007: 1f.). Aus der Pluralität unterschiedlicher Verfahren und Ansätze eröffnet sich ein Spektrum an Forschungsansätzen, welche die Vereindeutigungstendenzen von Forschung sowie politisch bzw. gesellschaftlich intendierte Macht- und Herrschaftsverhältnisse thematisieren können. Der lebensweltliche Forschungsansatz setzt sich zum Ziel, die Perspektive der an einer Lebenswelt Teilhabenden ins Zentrum der methodologischmethodischen Überlegungen zu stellen. »Wenn wir vom ›lebensweltlichen Ansatz‹ sprechen, dann meinen wir ein Forschungsverfahren, das sich aus der Verbindung von Ethnographie und Phänomenologie ergibt« (Honer 1991: 320). Lebensweltliche Ethnographie will das Andere – die Innensicht der Beteiligten – ergründen. Wie aber ist diese Perspektive des Anderen in Forschung möglich? Aus der Kritik an der Konstruktion des Anderen durch eine bloße Bezugnahme auf sich selbst (vgl. Berger/Fuchs 1999), einer Kritik am VerhaftetBleiben im vorhandenen, aber auch beengenden eigenen Erfahrungs- und Erwartungshorizont bietet die Perspektive auf (sprachliche wie nicht-sprachliche) Differenzen, wie sie beispielsweise in Bezug auf Sprache bzw. Sprechen Jacques Derrida mit dem Konzept der différance (vgl. Derrida 2004a) entfaltet hat, die Möglichkeit, dass Andere nicht als Grenzlinie, Abgrenzung, Adaption oder Vergleich, sondern als Anderes zu fassen und damit ein mechanisches Gegenüber

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von Eigenem und Anderem in seiner (Wirk-)Mächtigkeit zu entlarven und produktiv zu durchkreuzen. Denn durch die Einbettung des Anderen in das Eigene ist die Vereinnahmung des Anderen vorprogrammiert: Sich das Andere zu eigen machen verdeutlicht die Machtverhältnisse, durch die und in deren Vitalität Menschen agieren. Ethnographie versucht daher nicht, »fremdartige und ungeordnete Fakten in vertraute und übersichtliche Kategorien einzureihen« (Geertz 1993: 11). Als Ausweg oder produktiver Zugang kann jedoch angenommen werden, dass sich eigene und fremde Erfahrungs- und Sinnsysteme teilweise kreuzen, obwohl Sinn individuell konstituiert wird. Dieses heißt jedoch nicht, dass wir Erfahrungen teilen, sondern gemeinsame Erfahrungen machen (vgl. Luckmann 1986). Als Forscherin kann ich die Perspektive der fixierten Lebenswelt letzten Endes nur kommunikativ über die mir vermittelten Deskriptionen, Darstellungen, Repräsentationen und Objektivationen kennen und verstehen lernen. Forscher/ -innen sollen bestenfalls »im Hinblick auf die Kultur, die sie untersuchen, erst einmal kommunikationsfähig werden« (Krotz 2005: 250) und Kommunikationspotentiale eröffnen. In einem ersten Schritt können mittels Ethnographie subjektiv-individuelle Verarbeitungsweisen und Formen der Wirklichkeits(re-)präsentation entdeckt und unter dem Aspekt des Verstehens beschrieben werden (vgl. Schütz/Luckmann 1975). In einem zweiten, anschließenden Schritt werden die Forschungsfrage(n) bearbeitet und beantwortet, wodurch ersichtlich wird, dass Ethnographie keinesfalls ‚nur‘ auf Beobachtungen und Beschreibungen ausgerichtet ist, sondern gezielt die kulturellen und sozialen Dimensionen des Forschungsfeldes als auch das (Vor-)Wissen der beteiligten Forscher/-innen bündelt (vgl. ebd.: 255ff.).6 Das (Vor-)Wissen der Forscher/-innen wird als eine unvermeidbare Vorgabe und nicht als Dogma verstanden (vgl. ebd.: 257). »Ethnographie ist die Teilhabe an der Introspektion sozialer Situationen« (Amann/Hirschauer 1997: 24). Forschende sind immer in Perspektiven und ihre Inszenierung verstrickt, deren Kenntlichmachung zentral ist (vgl. Hitzler 1991: 296f.). Hierzu ist es notwendig, »gelebte Wirklichkeit in eine Textwirklichkeit zu transformieren« (Honer 1991: 321). Die Ergebnisse ethnographischer Forschung lassen sich zwar auf unterschiedlichste Art und Weise darstellen, beispielsweise durch Tabellen oder

6

Über die wissenschaftstheoretische Legitimation der Ethnographie wird in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen – aber auch innerhalb der Ethnographie selbst – z.B. im Rahmen von Überlegungen zum Verständnis und der Verwendung von Ethnographie im Zeitalter der Globalisierung diskutiert (vgl. Geertz 1983; Berg/Fuchs 1999a; Heinzel/Thole/Cloos u.a. 2010).

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Grafiken. Überwiegend handelt es sich jedoch um Texte, die auf Erzählungen und Schilderungen aus der erforschten Lebenswelt basieren. Die theoretische Fundierung der mittels lebensweltlicher Ethnographie entstandenen Erkenntnisse findet in der Forschungshaltung der Grounded Theory ihre Ausdrucksform, da diese sich als datenbasierte und theoriegenerierende Haltung versteht.

3.2.2 Grounded Theory als Verfahren datenbasierter Theoriebildung Das Verfahren der Grounded Theory wurde Mitte der 1960er Jahre von Barney Glaser und Anselm L. Strauss in USA begründet – zu einer Zeit, in der weltweit Studierende gegen überkommene gesellschaftliche Vorstellungen und akademischen Standesdünkel protestierten. Dementsprechend lässt sich Grounded Theory auch als eine Forschungshaltung lesen, mit der starre und lineare Denkschulen sowie methodische Vorgehensweisen nicht nur hinterfragt, sondern in Frage gestellt werden. Ihren sozialphilosophisch-epistemologischen Hintergrund findet die Grounded Theory in der Chicagoer Soziologie, die u.a. wesentlich durch die Arbeiten von Charles S. Peirce und John Dewey gekennzeichnet ist. Nach der Einführung des Begriffs einer bzw. der Grounded Theory ist es jedoch zugleich fatal, von selbiger nur in der Einzahl zu sprechen. Bereits Ende 1970er Jahre hat sich Barney Glaser einer eher »empiristischen Variante« (Strübing 2008: 9) des Verfahrens zugewandt, während Anselm L. Strauss, der dem symbolischen Interaktionismus und amerikanischen Pragmatismus nahe stand, sich – dann auch gemeinsam mit Juliet M. Corbin – eher der pragmatisch-praktischen Seite des Verfahrens gewidmet hat (vgl. ebd.: 65ff.). Die pragmatische Orientierung von Strauss ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass sie erkenntnislogische und wissenschaftstheoretische Bezüge weniger systematisch ausführt, sondern sich mehr auf praktische Anwendungsmöglichkeiten von Grounded Theory konzentriert. In meiner Forschung beziehe ich mich weitestgehend auf den Grounded Theory-Ansatz von Anselm L. Strauss und Juliet Corbin, da ihre Überlegungen für die methodentheoretische Ausrichtung dieser Arbeit aussagekräftiger sind (vgl. Strauss/Corbin 1996). Innerhalb der letzten 45 Jahre ist Grounded Theory zu einem sowohl zentralen als auch populären Verfahren qualitativer Sozialforschung geworden, mit dem gleichermaßen Chancen als auch Probleme qualitativer Forschung einhergehen. Einerseits bietet das Verfahren mit seinen Prinzipien aufgrund der offenen Verwendung unterschiedlichster Methoden und Feldzugänge sowie seines Prozesscharakters einen enormen Spiel- und Experimentierraum, um soziale

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Wirklichkeiten zu erforschen sowie eine (kontinuierliche) gegenstandsbezogene Theorieentwicklung und -bildung anzustreben. Andererseits stellt sich diese ‚Offenheit‘ alsbald als Problem heraus, wenn die Gefahr von Beliebigkeit aufkommt, (allgemein-)verbindliche Validitätskriterien zur Bewertung fehlen (vgl. ebd.) sowie eine mittlerweile unüberschaubare Anzahl von Forschungsarbeiten sich mehr oder minder legitim auf dieses Verfahren bezieht (vgl. Strübing 2008: 7ff.). Umso wichtiger ist es, einige Anmerkungen zum Grounded TheoryVerfahren zu geben, um es als methodologisch begründetes Mittel zur Erfassung sozialer Wirklichkeiten auszuweisen und sowohl seine Stärken als auch seine Schwächen – speziell in Verbindung mit einem ethnographisch orientierten Vorgehen – hervorzuheben. Bei Grounded Theory »[handelt] [es] [sich] um eine sehr spezifische Form eines systematisch-experimentellen Wirklichkeitszugangs, der einer klaren, wissenschaftstheoretischen Falsifikationslogik unterliegt« (ebd.: 8). Diese orientiert sich aber nicht an der systematischen Ergründung von Negationen und dadurch bedingter Hypothesenrevision, sondern an »der Vorstellung von in aufeinander folgenden Problemlösungsschritten herzustellenden Modifikationen, Differenzierungen und Erweiterungen des theoretischen Modells« (ebd.: 33). Desweiteren sind die in Grounded Theory angelegten Überlegungen zur Theorieerzeugung, Datenauswahl sowie Kategorienbildung und -prüfung zu veranschaulichen, da sie andere Geltungsansprüche an Kriterien wie Reliabilität, Validität, Generalisierbarkeit und Repräsentativität erfordern. Demnach müssen Untersuchungen im Rahmen der Grounded Theory damit auskommen, dass Ergebnisse bei der Wiederholung nicht bloß reproduziert werden, sondern sich neue (Be-)Deutungsfelder erschließen können (vgl. ebd.: 11f.). Mit Grounded Theory wird eine erklärend-verstehende Theorie über einen zu erforschenden Gegenstandsbereich angestrebt. Als ein weiteres Kennzeichen von Grounded Theory – ähnlich wie bei Ethnographie – soll der Forschungsprozess als Arbeitsprozess sichtbar gemacht werden. Das heißt, Forschung und Forscher/-innen werden selbst zum Gegenstand der Analyse. Forscher/-innen setzen sich infolgedessen nicht nur mit ihrem ausgewählten Gegenstand auseinander, sondern nehmen sich selbst in den Blick, indem sie versuchen, die Prozesse der Organisierung von Datenauswahl und -aufbereitung sowie die Theoriebildung transparent zu machen. Es werden die Verzahnung einzelner Arbeitsschritte und Wissensabläufe im Forschungsprozess offengelegt und die Spiralförmigkeit des Forschungsprozesses hervorgehoben (vgl. Glaser/Strauss 1998: 41).

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»Es geht ihnen (gemeint sind Glaser und Strauss; Anmerk. D.W.) […] sehr wesentlich um eine Integration des aus der Analyse eines fraglichen Phänomens neu entwickelten Wissens mit dem bereits verfügbaren Bestand an alltäglichem oder wissenschaftlichem Wissen« (Strübing 2008: 51).

In dem Datenerhebungsprozess sollen demnach die Arbeit und das (Vor-)Wissen der Forschenden einbezogen und sichtbar gemacht werden. Die funktionale Interdependenz, Parallelität und prinzipielle Unabgeschlossenheit einzelner Arbeitsschritte während des Forschungsprozesses und bei der Theoriebildung werden betont. Die kontinuierliche (Weiter-)Entwicklung und (Aus-)Bildung von Theorien verweisen dann nicht auf – in Forschung oftmals fokussierte – statische Fixierungen, sondern auf die permanente Beweglichkeit, Veränderbarkeit und Innovationskraft von Theorien. Der Einbezug von Forscher/-innen in den Forschungsprozess wird nicht durch Leugnung neutralisiert, sondern das Produzieren von Theorie durch Subjekte thematisiert (vgl. ebd.: 16). Der Anspruch auf und die Frage nach der intersubjektiven Gültigkeit solcher gemachter Forschung wird dadurch gewährleistet, dass einzelne Forschungsschritte nicht willkürlich, sondern auf der Grundlage möglichst transparenter Argumentationen erfolgen, die für andere Forscher/-innen nachvollziehbar sind. Wie bei Ethnographie ist die oftmals analytische Differenzierung zwischen Deskription und Explikation nicht aufrechtzuerhalten, denn Beschreiben ist immer auch bereits Erklären bzw. Verstehen. Im Forschungsprozess wird nach Grounded Theory-Logik dann nicht nur die Reflexion und Kontrolle der verwendeten Methoden, sondern auch die Reflexion des Vorgehens angestrebt. Dementsprechend resultieren aus diesen Überlegungen ein mehrstufiges Datenerhebungsverfahren sowie ein Auswertungsverfahren empirischer Daten, welches Kodieren genannt wird. Die Basis des Kodierens bildet die Methode des konstanten Vergleichs der Daten (vgl. Glaser/Strauss 1998: 107ff.). Aus der Kontrastierung von Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten sowie Unterschieden im Datenmaterial lassen sich weiterführend übergeordnete Typologien entwickeln, die die Beziehungen bestimmter Aspekte zueinander einschließen (vgl. ebd.: 48f.). »Dieses ständige Vergleichen von Vorkommnissen führt sehr bald zur Generierung von theoretischen Eigenschaften der Kategorie« (ebd.: 112). Die Eigenschaften der Kategorien und somit die Kategorien selbst ergeben sich aus dem konstanten Vergleich. Kategorien werden als im Forschungsprozess erzeugte und nicht als bereits gesetzte Konzeptionen verstanden (vgl. Kelle/Kluge 1999). Dementsprechend wird das Kodieren als ein gestufter Prozess – bei Strauss und Corbin als offenes, axiales und selektives Kodieren bezeichnet (vgl. Strauss/Corbin 1996: 39ff.) – verstanden, um die Transparenz der Kategorienbil-

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dung und ihre Dimensionierung zu erhöhen.7 Die Kodierungsprozesse verweisen auf die »Multiperspektivität der Daten und ihre Interpretation« (Strübing 2008: 23). Das offene Kodieren fokussiert das Aufbrechen von Daten durch ihre Segmentierung und das Herausfiltern der in ihnen enthaltenen bzw. lesbaren einzelnen Kategorien, die dann durch das Dimensionalisieren – sprich systematische Kontrastierungen in Bezug auf Ähnlichkeiten, Unterschiede und Variationen – spezifiziert werden. »Jedes Auftreten einer Kategorie besitzt demnach ein einzigartiges dimensionales Profil. Mehrere dieser Profile können zu einem Muster gruppiert werden. Das dimensionale Profil repräsentiert die spezifischen Eigenschaften eines Phänomens unter einem gegebenen Satz von Bedingungen« (Strauss/Corbin 1996: 51; Herv. i.O.)

Das axiale Kodieren widmet sich dann durch einen ständigen Vergleich und damit einhergehenden Plausibilitäts- und Relevanzeinstufungen der Herstellung von Zusammenhängen, Beziehungen und Differenzierungen von Kategorien, die sich wesentlich aus der Forschungsfrage und den Auffälligkeiten beim axialen Kodieren ergeben. Die entstehenden Kategorien werden im weiteren Verlauf der Analyse auf ihre Gültigkeit hin geprüft. Hier findet auch das sogenannte Kodierparadigma Anwendung, welches generative Fragen zu den im jeweils untersuchten Phänomen auffindbaren Ursachen, Kontexten, intervenierenden Bedingungen, Konstellationen und Handlungsentwürfen sowie den Konsequenzen aufwerfen soll, die sich aus der angestellten Analyse ergeben (vgl. ebd.: 78ff.). 8

7

Der gesamte Forschungsprozess, insbesondere die Kodierungsprozesse, gehen mit dem Schreiben von Memos und vorläufigen Texten einher (vgl. Strauss 1991: 151ff.). Die auf diese Weise entstandenen Memos bzw. Texte dienen in diesem Fall nicht als Datenmaterial, sondern im Analyseprozess des Kodierens als Hilfestellung, um einzelne Aspekte und Ideen schriftlich festzuhalten, Teamarbeit zu fördern und die Prozesse des Schreibens und der Theoriegenese zu unterstützen. Durch die Niederschrift von Gedanken und ihrer Systematisierung im Verlauf des Forschungsprozesses wird die Theoriebildung gefördert (vgl. Strübing 2008: 34ff.).

8

Das Vorgehen innerhalb von Grounded Theory ist – auch wenn es auf den ersten Blick nahe liegt – von der nach Clifford Geertz angelegten dichten Beschreibung abzusetzen. In letzterer wird die Verbindung von Details, Kontext und Emotionen der im Forschungsfeld bzw. der Forschungssituation vorhandenden sozialen Verhältnisse möglichst umfassend beschrieben und präsentiert, um den Forschungshintergrund bestmöglich zu beleuchten. Zudem sind die vorgenommenen Generalisierungen eher

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Das Kodierparadigma wurde Ende der 1980er Jahre den Grounded TheoryÜberlegungen durch Strauss hinzugefügt (vgl. Strauss 1991: 56ff.). Im Kodierparadigma zeigt sich die Nähe zur alltäglichen Kommunikation, in welcher auch Fragen nach Zusammenhängen und nach mehr oder minder ähnlichen Kriterien gestellt werden. Aufgrund der beiden genannten Formen des Kodierens erweisen sich im weiteren Verlauf wenige theoretische Kodes als Schlüssel- bzw. Kernkategorien als für die weiterführende Theoriebildung wesentlich. Mit dem selektiven Kodieren werden die bisher erarbeiteten theoretischen Konzepte hinsichtlich der wesentlichen Kernaspekte eingebunden, um Lücken zu schließen und die gefundenen Kategorien zu überprüfen, »d.h., es wird ein großer Teil des Materials re-kodiert, um die Beziehungen der verschiedenen gegenstandsbezogenen Konzepte zu den Kernkategorien zu klären und eine theoretische Schließung herbeizuführen« (Strübing 2008: 20). In diesem Schritt wird die bisherige Analyse überprüft und ihre weitere Ausrichtung bestimmt. Mit Grounded Theory entwickelt sich die Auswahl der Daten nicht nach einem vorab festgelegten Muster, sondern sie erfolgt sukzessive im Rahmen der Datengewinnung und -analyse sowie Theoriebildung auf der Grundlage der analytischen Fragen, was Glaser und Strauss als theoretisches Sampling bezeichnen (vgl. Glaser/Strauss 1998: 53ff.; auch Strauss 1991: 70f.). »Theoretisches Sampling meint den auf die Generierung von Theorie zielenden Prozeß der Datenerhebung, währenddessen der Forscher seine Daten parallel erhebt, kodiert und analysiert sowie darüber entscheidet, welche Daten als nächste erhoben werden sollen und wo sie zu finden sind. Dieser Prozeß der Datenerhebung wird durch die im Entstehen begriffene – materiale oder formale – Theorie kontrolliert« (Glaser/Strauss 1998: 53; Herv. i.O.).

Durch die sukzessive, sich spezifizierende Auswahl, den Vergleich und die Selektion von Kriterien im Forschungsprozess werden nach und nach theoretische Erkenntnisse verdichtet und eine gegenstandsspezifische Theoriebildung intendiert, deren konzeptionelle Reichweite hoch ist. Das theoretische Sampling ist dementsprechend nicht ein dem Kodieren nachfolgender Prozess, sondern ein weiterer Analysebestandteil im Forschungsprozess, der »eng mit dem Kriterium der theoretischen Sättigung verbunden« (Strübing 2008: 32; Herv. i.O.) ist. Die-

das Ergebnis der Analyse von Einzelfällen (vgl. Geertz 1983a). Grounded Theory hingegen zielt auf eine »Systematik und konzeptuelle Dichte der angestrebten Forschungsergebnisse« (Strübing 2008: 51).

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se ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die gefundenen Kategorien oder auch die erarbeiteten Theorien im Datenmaterial wiederholt bestätigen. Es stellen sich keine neuen Erkenntnisse mehr ein, sondern bestehende Erkenntnisse werden verfeinert (vgl. Glaser/Strauss 1998: 68ff.). Ausgehend von minimalen Vergleichen werden maximale Vergleiche beabsichtigt, um das Spektrum gefundener Kategorien und Theorien auszuloten und deviante Ausprägungen bzw. Variationen des untersuchten Phänomens zum Vorschein zu bringen. »Angestrebt wird […] eine konzeptionelle Repräsentativität, d.h., es sollen alle Fälle und Daten erhoben werden, die für eine vollständige analytische Entwicklung sämtlicher Eigenschaften und Dimensionen der in der jeweiligen gegenstandsbezogenen Theorie relevanten Konzepte und Kategorien erforderlich sind« (Strübing 2008: 32; Herv. i.O.).

Es findet eine kontinuierliche Theorieentwicklung durch Induktion, Deduktion und Verifikation von Kategorien statt, wobei der Wiederholung der Erkenntnisschritte eine besondere Bedeutung zukommt. Die Überprüfung von Plausibilität und eine begründete Argumentation, weshalb bestimmte Kategorien oder Theorien als gesättigt anzusehen sind, erfordern ein Höchstmaß an Konzentration für die Forscher/-innen, bieten jedoch auch die Möglichkeit, die Reichweite der aufgestellten Erkenntnisse zu bestimmen. Kodieren als elementarer Teil des Forschungsprozesses meint im Sinne von Strauss demnach nicht, Textstellen mit einem Begriff (einer Kategorie) zu benennen, sondern durch die Methode des ständigen Vergleichens sukzessiv Systematisierungen zu entwickeln, aus denen sich theoretische Konzeptionen ableiten lassen. Kodieren kann in einem allgemeinen Verständnis einerseits darauf abzielen, durch Datenkodierung selbige für die Analyse, die bereits von theoretischen Annahmen begleitet wird, aufzubereiten. Eine solche Vorgehensweise ist beispielsweise bei der qualitativen Inhaltsanalyse zu bemerken (vgl. Mayring 2010). Andererseits zielt Grounded Theory im Forschungsprozess auf die Entwicklung noch nicht bestehender theoretischer Konzeptionen, wodurch das Kodieren im Rahmen der Grounded Theory »den Prozess der Entwicklung von Konzepten in Auseinandersetzung mit dem empirischen Material« (Strübing 2008: 19) beschreibt. Früh hat Grounded Theory daher mit ihren Aussagen zu einem falschen Verständnis – Udo Kelle spricht von »induktivistischem Selbstmissverständnis« (Kelle 1994: 341) – hinsichtlich des Einbezugs von Theorien bzw. (Vor-)Wissen in den Forschungsprozess durch die Forscher/-innen geführt. Die Argumentation von Glaser und Strauss könnten nahelegen, dass (Vor-)Wissen und bestehende Theorien bei Grounded Theory völlig obsolet würden, was sich jedoch bei eingehender Betrachtung als falsch erweist. Grounded Theory

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verzichtet weder auf Theorien noch auf (Vor-)Wissen. Die Differenz liegt in einem veränderten bzw. anderem Umgang mit (Vor-)Wissen und Theorien. Durch Kodieren, Datenanalyse und das theoretische Sampling gilt es, möglichst viele Aspekte und Details zu entdecken, zu vergleichen sowie dahinter gelagerte Einstellungen und Überlegungen kenntlich zu machen. Da der Forschungsprozess nicht nach einem Standardschema ausgerichtet sein kann, ergeben sich nach Lüders (vgl. Lüders 2009) drei grundlegende Erfordernisse als Charakteristika der ethnographischen Forschung (vgl. auch Krotz 2005: 273ff.), die mit den Annahmen von Grounded Theory korrespondieren: Erstens die Notwendigkeit einer längeren und aktiven Teilnahme der Forschenden an den zu sondierenden Zusammenhängen, die das Verständnis von dortigen Kommunikations- und Deutungsweisen fördert. Goffman spricht von einer »Kopräsenz« von Beobachter/-innen und Geschehen (vgl. Goffman 1996). Es gilt, die Kultur und Lebensweisen von Kollektiven zu ergründen, sprich ihre je situative Praxis, die kulturellen Praktiken, spezifischen Settings, die Sprache sowie das lokale (Sonder-) und (Kontext-)Wissen zu analysieren. Um Beschreibungen von einer kleineren gesellschaftlichen Formation mit einem abgrenzbaren Fundus von strukturiertem Sonderwissen anzufertigen, sind sowohl Nähe als auch Distanz der Forscherin zur erforschten Lebenswelt erforderlich (vgl. Flick 2011: 149ff.), Das lässt sich als einen Prozess der Enkulturation bezeichnen (vgl. Lüders 2009: 392). »Es sollte insbesondere klar sein, dass die gängige Vorstellung, Ethnographie sei so etwas wie eine lang andauernde teilnehmende Beobachtung so nicht richtig ist, sondern dass es um die vollständige oder weitgehende Verknüpfung der eigenen Alltagspraxis mit der zu untersuchenden Kultur geht« (Krotz 2005: 269).

Als Dreh- und Angelpunkt erweist sich der Aufbau einer Beziehung zum Feld und seinen Protagonist/-innen sowie eine gelebte Teilnahme der Forscherin im Feld. Damit einher sollte die Akzeptanz der Forschenden im Untersuchungsfeld als Person und nicht nur als Forscherin gehen (vgl. Girtler 2001: 149). Außerdem ist die Einhaltung der in der Lebenswelt vorherrschenden sozialen Konventionen und Regeln durch die Forscherin zu gewährleisten (vgl. auch Angrosino 2007: 15ff.).9

9

Auch im Rahmen der Grounded Theory wird eine längere Teilnahme im Forschungsfeld empfohlen, jedoch sind die Kapazitäten von Forscher/-innen i.d.R. begrenzt, was dem theoretischem Sampling aber generell nicht im Wege steht, denn die ‚Sammlung‘ von umfangreichen Datenmaterial kann auch in kürzeren Zeiträumen erfolgen.

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Zweitens ist als eine weitere Voraussetzung des erfolgreichen Eintauchens in soziale Welten die Anwendung flexibler Forschungswege zu nennen, die je nach situativer Gegebenheit sowie dem jeweiligem Gegenstand und dem aktuellem Forschungsstand variieren können. Die Untersuchung soll sensibel und exakt auf Dynamiken und Bewegungen im Forschungsfeld sowie auf neue Erkenntnisse durch eine variable Anwendung und Mischung von Methoden eingehen. Ein ethnographisches Vorgehen ist somit zunächst für alle Methoden offen und sieht seine Stärke darin, mit unterschiedlichen Methoden zusammengetragenes ethnographisches Material zu bearbeiten. Drittens ist die Verschriftlichung von Ideen, Gedanken und Einfällen in Form von beispielsweise einem Forschungstagebuch, Situationsprotokollen oder beispielsweise Memos10 durch sinnstiftende Prozesse der Forscherin begleitet. »Insofern ist die Auswertung des Ethnographen immer auch die Dekonstruktion seines Erlebens in der kulturellen Wirklichkeit« (Krotz 2005: 282; Herv. i.O.). Es ist Skepsis gegenüber den eigenen wissenschaftlichen Annahmen über und Deutungen von diesen kleinen Wirklichkeiten gefragt (vgl. beispielsweise Honer 1985; Norden 1994), die sich besonders in der verwendeten Sprache widerspiegelt (vgl. auch Lüders 2009: 396ff.). Beim Aufspüren interner Wissensstrukturen in einer sozialen Sinnwelt ist es notwendig, die Sprache des Untersuchungsfeldes als Forscherin zu begreifen, jene in den Notizen und Aufzeichnungen abzubilden und wenn nötig, auch Nicht-Initiierten verständlich zu machen. Dazu zählt auch, der alltagsweltlichen Sprache nahe zu bleiben, die in der Kommunikation der Sammler/-innen vorgefunden wurde. Eine Voraussetzung für die drei aufgeführten Kennzeichen ethnographischer Forschung ist es daher, sich der »Dummheit als Methode« (nach Hitzler 1991; auch Hitzler 1986) zu bedienen (vgl. auch Honer 1991; Goffman 1996): »Damit ist nichts anderes gemeint, als daß ich [gemeint ist der oder die Forschende; Anmerk. D.W.] in der theoretischen Einstellung […] all jenes Wissen, das ich alltäglich routinisiert, so fraglos habe (und das ich auch brauche und gebrauche, um überhaupt mit anderen Menschen einigermaßen ʻgelingendʼ zusammenleben zu können), absichtsvoll

10 Das Wort Memo ist eine Abkürzung für Memorandum. Ein Memo stellt eine Erinnerungsnotiz dar, in der etwas Denkwürdiges festgehalten wird. Ein Memorandum kann aber auch eine Stellungnahme, Denkschrift oder ein kalendarisches Merkheft sein. Das Wort Memorandum ist aus dem neuenglischen Wort memorandum entlehnt, welches Vermerk zur Erinnerung bedeutet. Seinen Ursprung findet das Wort Memorandum im Gerundivum vom lateinischen memorāre erinnern. memorandum heißt wörtlich Zuerinnerndes, memorandus steht für erwähnenswert (vgl. Kluge 2002: 612).

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ausklammere und mich möglichst naiv stelle. Durch eine solche methodologische Haltung systematischen Zweifels gegenüber dem je Selbstverständlichen […] läßt sich klären, wie alltägliches Wissen um und über unsere Erfahrung sich konstituiert« (Hitzler 1991: 297; Herv. i.O.).

Ein weiterer Aspekt, der im Forschungsprozess erwogen wird, ist sowohl die Notwendigkeit als auch die Schwierigkeit, Beschreibungen, Erklärungen und Interpretationen sozialer Phänomene in einen adäquaten Text zu transformieren. Einerseits sollen sich Forschende der Sprache der Erforschten anpassen und deren eigene Sprache für die wissenschaftliche Arbeit nutzen, um sachliche Zusammenhänge weitestmöglich nicht zu verfälschen und die Phänomene angemessen zu beschreiben. Andererseits bringt die Transformation in Text – seien es beispielsweise Feldnotizen oder Interviews in wissenschaftliche Aufbereitungen – immer die Schwierigkeit der Linearität, der Verkürzung und der sprachlichen Anpassung mit sich. Bei der Felderschließung müssen daher sowohl die Bedeutung der Präsenz der Forscherin im Untersuchungsfeld und die spezifische Rolle als auch die Transformation in Text reflektiert werden.

3.3 M ETHODISCHER Z UGANG , F ELDERSCHLIESSUNG UND M ATERIALAUSWAHL Da sich die Kommunikation von Sammler/-innen auf unterschiedlichsten (Realitäts-)Ebenen vollzieht, muss die Kommunikation über das Sammeln auf diversen (Realitäts-)Ebenen analysiert werden, um ein umfassendes Bild von der Kommunikation zu erhalten. Eine Untersuchung des Sammelns in Bezug auf den Umgang mit Wissen in Lebenswelten erfordert daher einen Forschungsansatz, durch den eine möglichst umfassende, innerweltliche Sicht auf und in das Phänomen eröffnet werden kann. Zentrale Quellen dieser Untersuchung sind daher die Sammelnden in ihrer Sammeltätigkeit selbst. Um sich dem Forschungsziel, soziale Formierungen von Wissen zu ermitteln, zu nähern, muss besonders das Verhältnis von Fragestellung, Methoden und theoretischer Einbettung des Themas berücksichtigt werden. Das Vorgehen und die Auswahl der Methoden sind daher an folgende erste Fragestellungen gekoppelt: •

Welche Vorstellungen vom Sammeln und der Kommunikation hierüber explizieren die Sammler/-innen (Sichtweisen auf Sammeln)?

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Welche Wissensbestände (und Wissensvorstellungen) lassen sich in der, soziale Rahmungen erzeugenden, Kommunikation von und unter Sammler/-innen finden? Wie ist dieses Sachwissen mit Selbst- und Weltbezügen von Sammler/ -innen in Beziehung zu setzen?

Daraus folgt ein dreigliedriges Verfahren zur Untersuchung der Kommunikation von Sammler/-innen als Analysegrundlage. Ausgehend von Beobachtungen und Interviews, durch die grundlegend spezifische Gemeinschaftsaspekte und soziale Welt-Formationen der Sammler/-innen ermittelt werden können, werden außerdem Textfragmente aus einschlägigen Internetforen in die Analyse einbezogen, da das Internet eine wachsende Bedeutung bei der Kommunikation von Menschen erhält. Durch dieses Medium können neue Formen der Kommunikation und ihrer Organisation in den Blick genommen werden. Mit ihnen gehen spezifische Formen der Sozialität einher bzw. bilden sich besondere Kommunikationsformen aus. Das Datenmaterial besteht aus • • •

Beobachtungen auf einem Flohmarkt, auf Sammlertreffen und auf Sammlerbörsen (vgl. 4.3.1) als Fundament des Forschungsprozesses, Ero-episch bzw. narrativ geprägte Interviews mit Sammler/-innen in ihren persönlichen, zumeist häuslichen Kontexten (vgl. 4.3.2) sowie Textdokumenten zum Thema Sammeln aus Internetforen11 (vgl. 4.3.3).

Die im Forschungsprozess gewonnenen Daten repräsentieren Realität zu einem bestimmten Zeitraum, wodurch bei der Theoretisierung auf diesen Aspekt der Zeiträumlichkeit eingegangen werden muss. In und durch Forschung wird Realität gleichsam produziert und reproduziert.

3.3.1 Teilnehmende Beobachtungen Die Strategie12 der teilnehmenden Beobachtung13 bietet sich zur Erforschung von Phänomenen an, da ohne Kontextwissen über Ausprägungen von Phänome-

11 Das lateinische Wort Forum, welches ursprünglich eine Platzanlage bzw. einen (Markt-)Platz oder eine Gerichtssitzung bezeichnet, wird in der Gegenwart u.a. als Begriff für einen realen bzw. virtuellen (gedachten) Versammlungsort verwendet, in dem Meinungen, Ansichten und Fragen kommuniziert und gespeichert werden (vgl. auch Fischer/Hofer 2011: 341).

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nen keine hinreichende Untersuchung erfolgen kann (vgl. Lüders 2003). Daher wurde die teilnehmende Beobachtung als Einstieg in den Forschungsprozesses verwendet. Es werden unterschiedliche Formen der Beobachtungen praktiziert. So lässt sich beispielsweise zwischen teilnehmender bzw. offener Beobachtung und nicht-teilnehmender, verdeckter Beobachtung unterscheiden (vgl. Bortz/Döring 2009: 266f.). Bei der offenen teilnehmenden Beobachtung wissen die Anwesenden, dass die Forscherin die Situation unter wissenschaftlichen Aspekten beobachtet. Die verdeckte teilnehmende Beobachtung hingegen ist eine Möglichkeit, in einem Feld Beobachtungen durchzuführen, ohne dass die in diesem Feld Anwesenden wissen, dass die Forscherin als selbige dort ist. Während letzteres Verfahren in einem hohen Maß eine durch die Anwesenden unverfälschte Untersuchungssituation erzeugt, ist dieses Verfahren unter ethischen Gesichtspunkten umstritten, da hier die Prinzipien der Offenheit und Naturalistizität, wie sie im vierten Kapitel beschrieben werden, nicht (hinreichend) erfüllt sind.14 Daher ist es wichtig, die Voraussetzungen des jeweiligen Forschungsfeldes zu überprüfen und auf

12 Strategie meint in diesem Zusammenhang die Kombination aus der Forschenden als Teilnehmerin an einem Untersuchungsfeld und der Bereit- und Zusammenstellung von Daten in diesem und durch dieses Feld (vgl. Angrosino 2007: 56), d.h. die Beobachtung ist zugleich eine Form sozialen Handelns als auch wissenschaftliches Verfahren (vgl. auch Atteslander 2010: 94). 13 Auch wenn die Beobachtungsverfahren, wie sie im Rahmen von ethnographischen Forschungsansätzen entwickelt werden, durchaus Parallelen zum alltagsweltlichen Beobachten aufweisen, so ist hiermit dennoch eine andere Form der Beobachtung gemeint: Während alltagsweltliche Beobachtungen oftmals von uns fokussierte und auf bestimmte Aspekte ausgerichtete Beobachtungen eines auf uns abgestimmten Alltagslebens darstellen, kommt es bei der wissenschaftlichen Nutzung von Beobachtung darauf an, zunächst einmal Alles in den Blick zu nehmen und sich erst nach und nach auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Dieses bedeutet ein hohes Maß an Konzentration, um alle Details von neuen Situationen zu erfassen oder aus dem eigenen Leben bekannte Situationen aus einer anderen, unbekannten Perspektive zu betrachten (vgl. Angrosino 2007: 38). Außerdem erfordert das Beobachten in wissenschaftlicher Perspektive ein Systematisieren und Formalisieren, wie es im Alltagsleben in der Regel nicht vorgenommen wird. 14 Es gibt Forschungsfelder, in denen eine offene Teilnahme nicht ohne Weiteres möglich ist und auf verdeckte Formen der Teilnahme zurückgegriffen werden muss. Ebenso wie es Forschungsfelder gibt, in denen es schwieriger ist, ohne bestimmte Schlüsselfiguren den Zugang zum Forschungsfeld zu erhalten.

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dieser Grundlage zu entscheiden, wie der Zugang zum Forschungsfeld und der Aufenthalt dort gestaltet werden kann. Bei größeren Menschenansammlungen im öffentlichen Raum ist es nicht zwingend notwendig, sich eine Erlaubnis der zu Beobachtenden oder Beobachteten einzuholen bzw. sich direkt als Forscherin zu erkennen zu geben, während es in kleineren Kreisen einen großen Vertrauens- und Authentizitätsverlust hervorrufen kann, wenn Forscher/-innen nicht mit offenen Karten spielen. Das Forschen beinhaltet somit immer ethische und politische Implikationen, die zu bedenken sind (vgl. Cohen/Manion/Morrison 2007: 51ff.; Christians 2011: 65ff.). Jedenfalls sollten in jeglichen – egal ob geschlossenen oder öffentlichen – Räumen die Privatsphäre und die Achtung der sozialen Konventionen von Personen immer den Vorrang vor Forschungsinteressen haben. Außerdem lassen sich die Parameter der Untersuchung wie z.B. die Länge der Verweildauer oder die Intensität des Kontaktes zu Personen im Feld seitens der Forschenden transparent machen. Hierzu zählen auch absolute Diskretion und die Anonymisierung der im Untersuchungsfeld angetroffenen Personen durch die Vergabe von Codes oder Pseudonymen (vgl. Girtler 2001, 2004; auch Hammersley/Atkinson 2007: 209ff.). Differenzieren lässt sich demnach zwischen aktiveren und passiveren Formen der teilnehmenden Beobachtung: Während bei aktiven teilnehmenden Beobachtungen die Beobachterin Teil der sozialen Lebenswelten, in denen sie sich bewegt, ist, bietet die passive teilnehmende Beobachtung die Möglichkeit, sich auf die Rolle des Beobachtens zu konzentrieren. In dieser Arbeit wurde eine Mischvariante aus beiden Beobachtungsformen gewählt: In den Feldeingangssituationen wie beispielsweise den ersten Besuchen auf Sammlerbörsen (vgl. auch Abb. 1 und Abb. 2) oder Flohmärkten gestaltete sich die Teilnahme zunächst passiv. Bei der Ansprache von Sammler/-innen im Feld gab sich die Forscherin als diese zu erkennen und konnte hierdurch den Grad der Partizipation erhöhen. Bei den Sammlertreffen wurde hingegen von vornherein eine aktive Teilnahme fokussiert (vgl. auch Atteslander 2010: 94f.). Im besten Fall beginnen die Beobachtungen mit dem erstmaligen Eintritt ins Forschungsfeld und der Einklammerung aller Annahmen, Vor-Urteile und Interpretationsversuche. Das heißt, in den ersten Beobachtungen soll möglichst alles aufgenommen werden, ohne es jedoch bereits in bestimmte Denkrichtungen auszulegen. Die Beschreibung von Details wie die Anordnung bestimmter Gegenstände im Raum oder vermeintlich alltägliche Begrüßungsformen können im Verlauf des Forschungsprozess eine Relevanz erhalten, deren Tragweite in den Beobachtungssituationen nicht erfasst wird bzw. werden kann. Im Verlauf des Forschungsprozesses und wegen der stetigen Verschriftlichung der Beobachtungen mithilfe von Memos erarbeitet die Forscherin sowohl Rahmendaten als auch

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Unterschiede und Signifikanzen, auf die sie sich konzentrieren kann, während weniger relevante Aspekte vernachlässigt werden können. Wichtig ist es, bestimmte Verhaltensweisen, Kommunikationen oder Handlungen in ihrer Stärke und Wiederholung oder in ihrer Einmaligkeit oder Randlage nachzuzeichnen, da sich hieraus signifikante Typen, Muster oder Modelle entwickeln lassen. Die beobachteten Sequenzen oder Situationen können deutlich Grade von Unbestimmtheit aufweisen, deswegen sind jedoch nicht der Forschungsprozess selbst und die Beobachtungen planlos. Beobachtungen benötigen vielmehr Struktur, um erfolgreich zu sein. Hierzu zählen nach Angrosino beispielsweise Feldnotizen, die Auskünfte geben über • • • • • • • •

Ort, Datum, Zeit(-raum) der Beobachtung Setting (Beschreibung des Ortes und der Atmosphäre, bestenfalls Skizze der räumlichen Gegebenheiten, Fotos) Nennung der anwesenden Personen (über den Beobachtungszeitraum, da Anwesenheit der Personen fluktuieren kann) und ihr Alter (ausführliche) Beschreibung der Personen (z.B. Kleidung, äußeres Erscheinungsbild) Chronologie der Ereignisse während der Beobachtung Beschreibung der Bewegungen im Raum durch die Anwesenden sowie in die Situation involvierte Objekte Beschreibung der Verhaltensweisen oder Handlungen Beschreibung der (non-)verbalen Kommunikation (vgl. Angrosino 2007: 40f.).

Bestenfalls lassen sich bereits während der Beobachtungssituation Feldnotizen anfertigen. Anderenfalls wurden direkt im Anschluss an die Beobachtungssituationen Memos angefertigt. Durch eine Beobachtung und die hierauf aufbauenden, strukturierten Feldnotizen lassen sich weiterführende Fragen entwickeln, die bei anschließenden Beobachtungen beantwortet oder konkretisiert werden können, beispielsweise: Lassen sich bestimmte Sammler/-innentypen feststellen? Wie sieht das Zuhause von Sammler/-innen im Gegensatz zur Präsentation des Sammelns im öffentlichen Raum aus? Aufgrund der ersten Kontakte im Forschungsfeld kann sich das Untersuchungsfeld durch die Teilnahme an weiteren für das Phänomen relevanten Aktivitäten ausweiten. Beispielsweise ergeben sich neue Einladungen zu Sammlertreffen, wodurch Vergleiche und Kontrastierungen der bereits notierten Kommunikation ermöglicht werden.

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Abb. 1: Die Suche nach dem Sammelobjekt auf einer Briefmarken-Börse

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Vorbereitung und Einstieg Meine Beobachtungen wurden auf einem Flohmarkt, auf Sammlertreffen und auf Sammlerbörsen durchgeführt, die einen grundlegenden Einblick in den Sammleralltag boten. Das möglichst unaufdringliche Beobachten der Kommunikation der Sammler/-innen untereinander über ihre Objekte hat viele Aspekte des Sammelns zu Tage befördert. Nach den ersten Beobachtungen wurden folgende Kriterien bei der Auswahl weiterer Orte zugrunde gelegt: • • • •

ermittelte Relevanz des zu beobachtenden Ortes für Sammler/-innen Anzahl der Besucher/-innen Größe der Veranstaltung Möglichkeit des offenen Zugangs oder Zugang durch erste Kontaktaufnahme im Forschungsfeld.

Als Einstieg in die Beobachtungsphasen wählte ich einen nicht auf ein Sammelgebiet spezifizierten Ort: den Flohmarkt. Auf Flohmärkten gehen Sammler/-innen – oftmals unbemerkt – auf die Suche nach Objekten. Sie müssen sich nicht als Sammler/-innen ausweisen, außer Sie treffen auf Gleichgesinnte. Es könnte unter Umständen für die Erweiterungsbemühungen der Sammlung sogar hinderlich sein, sich als Sammler/-in zu erkennen zu geben, da potentielle Verkäufer/ -innen von interessanten Objekte wissen, dass Sammelnde in der Regel bereit sind, einen höheren Preis für einen bestimmten Gegenstand zu bezahlen. In der Anonymität des Flohmarktes lässt sich die Suche, das Stöbern und Finden beobachten: Sammler/-innen haben einen gezielten Blick. Sie sehen meistens sehr schnell, ob etwas für Sie Ansehenswertes unter den zu verkaufenden Gegenständen ist. Die Aneignung der ausgesuchten Sammelobjekte erfolgt auf Flohmärkten in der Regel über den Kauf der Objekte. Es wurde eine Beobachtungseinheit auf einem Flohmarkt durchgeführt. Vertiefung Sammlertreffen stellen eine gezielte Zusammenkunft der Sammelnden dar. Sammler/-innen verabreden sich via Internet und E-Mail, postalisch oder per Internet versendeten Rundbriefen, per Telefon und über Magazine, Flyer und Zeitschriften zu solchen Treffen, bei denen der kommunikative Austausch und Tausch von Objekten mit anderen Sammler/-innen im Zentrum steht. Seltener werden auf solchen Verabredungen Objekte an andere Sammler/-innen veräußert. Hier lässt sich zwischen lokalen, regionalen, überregionalen, nationalen als auch internationalen Veranstaltungen differenzieren.

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Sammlerbörsen bieten den Sammler/-innen neben der Kommunikation mit anderen Sammler/-innen und anderen im Sammelgebiet aktiven Personen wie Händlern oder Spezialisten die Möglichkeit, ihre Sammlungen durch Ankäufe zu erweitern. Die Sammlerbörsen werden ebenfalls durch das Internet, E-Mail, Rundbriefe, Telefonate, einschlägige Magazine und Zeitschriften als auch Flyer publik gemacht. Diese Börsen werden durchaus auch von interessierten Nichtsammler/-innen frequentiert. In der Regel wird hier Eintrittsgeld verlangt. Es wurden demnach fünf Beobachtungen auf Sammlertreffen und Sammlerbörsen sowie eine Beobachtung auf einem Flohmarkt durchgeführt. Hinsichtlich des Sammelns und der Kommunikation über das Sammeln ergibt sich somit insgesamt ein Materialspektrum aus sechs Beobachtungseinheiten. Verschriftlichung Wie bereits aufgeführt, stellen Feldnotizen ein geeignetes Instrumentarium dar, um die durchgeführten Beobachtungen zu strukturieren. Zunächst wurden die Beobachtungen durch Situationsprotokolle im direkten Anschluss an die Beobachtungen verschriftlicht. In den Memos griff die Forscherin sowohl die soziale, räumliche als auch zeitliche Dimension der Situation auf. Außerdem wurden visuelle und akustische Aspekte vermerkt, die in den beobachtenden Situationen entstanden sind, um Besonderheiten der Beobachtungssituation im Verlauf des Forschungsprozesses aufgreifen zu können. Besonderheiten des Materials Die teilnehmende Beobachtung erfordert ein permanentes Justieren innerer und äußerer Erlebnisse bzw. Ereignisse der Forscherin und der daraus resultierenden Erkenntnisse. Aufgrund dessen erscheint das Verfahren paradox: Die Problematik, Erfahrungen, Erlebnisse und soziale Ereignisse, die bei der teilnehmenden Beobachtung entstehen, in Sprache und Text zu übersetzen, ist auf einer zeitlichen, sozialen und inhaltlichen Ebene zu verorten: Die Forscherin erlebt Zeit, Inhalte und soziale Gefüge simultan und ist gezwungen, bei der Verschriftlichung in Form von Protokollen diese Gleichzeitigkeit in Linearität zu überführen, jene gleichsam in diese aufzulösen. Die Transformation und Darstellung von Bewegung, Visualität und Gleichzeitigkeit in einen linearen Text stellt daher eine besondere Herausforderung für die Forscherin dar und muss in der Auswertung berücksichtigt werden (vgl. Lüders 2009: 386f.). Außerdem »[sind] nicht alle Wirklichkeitsaspekte […] der Beobachtung durch Dritte zugänglich: Intrasubjektive Vorgänge, vergangene Handlungen [oder Kommunikation; Erg. D.W.], länger andauernde Prozesse sind ebenso wie unvorhersehbare, katastrophische oder nicht-öffentliche Ereignisse nicht beobachtbar« (Küsters 2009: 20).

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Konkret heißt das, dass der Text, der aus der teilnehmenden Beobachtung resultiert, als transformierender Text und nicht mehr als einfache Abbildung eines visuellen Erlebnisses begriffen werden kann. Teilnehmende Beobachtung »kann ernst genommen werden, wenn man sie mittels hermeneutischer Begriffe als eine Dialektik von Erfahrung und Interpretation neu formuliert« (Clifford 1999: 126). Die Forschende kann Teilnehmerin an einem sozialen Geschehen und parallel hierzu Produzentin eines wissenschaftlichen Textes sein und ihre Erfahrungsleistung im Feld als »vereinheitlichende Quelle der Autorität dienen« (ebd.: 127). Durch die teilnehmende Beobachtung als Grundlage des Forschungsprozesses werden an der Lebenswelt Teilnehmende identifiziert, Forschungsfragen und -probleme entwickelt und soziale Prozesse dokumentiert. Es lassen sich unvorhergesehene Ergebnisse erhalten und weitere Forschungsschritte entfalten (vgl. Angrosino 2007: 26). Jedoch liegen in der teilnehmenden Beobachtung auch große Herausforderungen, beispielsweise hinsichtlich der Akzeptanz durch die Beobachteten und der eigenen Rolle als Forscherin. Die unterschiedlichen, sich teilweise entgegenstehenden Rollen der Beobachteten und Beobachtenden bringen unterschiedliche Anforderungen an die und Herausforderungen für die Forscherin mit sich, denen sie sich stellen muss und die in den Forschungsprozess eingehen sollten, um größtmögliche Transparenz und Reflexion der Forschung zu gewährleisten. Sichtbarmachen kann hier heißen, Schwierigkeiten, Versagen, Fehler und die Unmöglichkeit neuer Erkenntnisse im Forschungsprozess aufzugreifen und abzubilden. Durch diese Form der Transparenz sind Erkenntnisse über und Innovationen in der Gestaltung von Forschung möglich. Zusätzlich ist es erforderlich, dass die im Forschungsfeld Anwesenden die Beobachtende akzeptieren, da sonst die Wahrscheinlichkeit sozial erwünschter Verhaltensweisen und Aussagen hoch ist, die Beobachteten sich nicht öffnen und die Beobachtende nicht in den inneren Zirkel ihrer Aktivitäten hineinlassen (vgl. Flick 2011: 149ff.; auch Girtler 2001: 164). Als eine weitere Herausforderung erweist sich der Einsatz der Sinnesorgane, die zwar exzellent dafür eingerichtet sind, mit ihnen Realität wahrzunehmen und zu erfassen, die jedoch selektierend und filternd arbeiten und unter dem Einfluss sozialer und kultureller Deutungsmuster stehen. Um eine ethnozentrische Perspektive möglichst zu vermeiden, d.h., die Annahme, dass die eigene Art des Denkens und Beobachtens angemessener ist als die anderer, ist die stetige Reflexion und das schriftliche Fixieren des Gesehenen für die spätere Analyse ein unabdingbares Postulat (vgl. Angrosino 2007: 38).

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Auf Basis der Beobachtungen ergibt sich für die Forscherin die Möglichkeit, spezifische Muster der Kommunikation über das Sammeln und die Tätigkeit als solche zu erkennen. Jedoch stellt sich in einem nächsten Schritt die notwendige Frage, was diese Muster bedeuten. An dieser Stelle lassen sich Fragen an die in der Sammlergemeinschaft aktiven Personen formulieren. Somit ist das Interview sowohl eine logische Konsequenz als auch ein Anschluss, der sich aus den Fragen und Ergebnissen der Beobachtungen ergibt (vgl. ebd.: 42).

3.3.2 Interviews Für das Interview stellen sich – ähnlich den Beobachtungen – große Herausforderungen. Alltägliche Formen der Konversation, Interviews in Zeitschriften und dem Fernsehen suggerieren, dass die Interviewführung simpel und einfach durchzuführen ist. »Why, then, would anyone call the sort of in-depth, openended interviewing typical of ethnographical research ›the most technically challenging and, at the same time, the most innovative and exciting form‹ of data collection?« (ebd.). Jedoch entsprechen wissenschaftliche, hier an Ethnographie orientierte Formen der Interviewführung weder alltäglicher Konversation noch der medialen Nutzung von Interviews15, wenngleich sie sich stellenweise an diesen Formen orientieren. Auch hier werden Parameter der Gesprächsführung gewählt, die sich an der Situation und dem Gegenüber orientieren, jedoch unter dem Aspekt wissenschaftlicher Arbeit, die versuchen muss, die Konversation ohne Drängen oder Einschränkungen in Gang zu setzen und zu halten. Dementsprechend haben an Ethnographie orientierte Interviews kein gesetztes Ende, sollten den Erzählfluss möglichst nicht unterbrechen und Abschweifungen vom fokussierten Thema zulassen. Aus diesen Momenten ergeben sich vielfach neue Entdeckungen. In dieser Hinsicht sind die Interviewende und die Interviewten bestenfalls während des Interviews aufeinander wechselseitig bezogen: Die Forscherin unterstützt die Interviewten als Kenner/-innen zwar im Interview, ermöglicht jedoch den Befragten die Entfaltung der eigenen Ansichten im Interview.

15 Bei Zeitschriften- oder TV-Interviews sind der örtliche und zeitliche Rahmen sowie das Thema des Interviews zumeist im Vorfeld exakt abgesteckt.

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Abb. 2: Recherchen auf einer Briefmarken-Börse

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Die Forscherin bemüht sich, nicht bzw. möglichst wenig in das Erzählen der Interviewten z.B. durch Unterbrechung des Erzählens oder Ignorieren der von den Interviewten neu eingebrachten Aspekte, einzugreifen. Die Forschende steuert die Gesprächsführung nur insofern, indem sie den Erzählfluss beim Beenden einer Aussage durch die Interviewten in Gang hält und offen gebliebene Fragen aufgreift.16 Bei der Suche nach einer geeigneten Interviewmethode, die das Fragen danach erfasst, wie Sammler/-innen einerseits ihr Sammeln beschreiben und andererseits wie und in welcher Form sie Kommunikation mit anderen Sammler/ -innen pflegen, boten das narrative Interview nach Fritz Schütze (vgl. Schütze 1977) und das ero-epische Gespräch nach Roland Girtler (vgl. Girtler 2001: 147ff., auch 2004) einen geeigneten Orientierungsrahmen für die Interviewdurchführung. Im Sinne von Ethnographie und Grounded Theory wurden beide Ansätze nicht isoliert genutzt, sondern sowohl in der Vorbereitungs- als auch der Durchführungsphase miteinander kombiniert und einander wechselseitig ergänzend angewendet. Das von Fritz Schütze entwickelte narrative Interview oder verwandte Formen des offenen Interviews »basier[en] auf sprachsoziologischen Analysen der inneren Wirkmechanismen von kommunikativen Interaktionen, insbesondere des Stegreiferzählens, d.h. des spontanen, unvorbereiteten Erzählens von Geschichten in Face-to-Face-Situationen« (Küsters 2009: 17). Narrative Interviews dienen der Erhebung von Biographien im Allgemeinen und bestimmten Lebensaspekten im Besonderen. Durch diese Interviewmethode lassen sich Nuancen und graue Felder des Sammelns explorieren und Erlebenperspektiven hinsichtlich des Kommunizierens über das Sammeln rekonstruieren. Diese Interviewführung wurde ausgewählt, da ihre potentielle Offenheit in der Ausgestaltung und Anwendung des Gesprächs sowohl der Fragestellung als auch dem Phänomen an sich gerecht wird und hierdurch vielschichtige Informationen und Eindrücke zur Thematik des Sammelns gewonnen werden konnten. Beim narrativen Interview wird die Interviewkommunikation alltagsweltlicher Kommunikation weitestmöglich angepasst, wodurch der Prozess der Datenerhebung zu einem Prozess der Verständigung wird. Alltagsweltliche Verständi-

16 Hierzu bieten sich unterschiedlichste Techniken an, wie beispielsweise das einfache Zustimmen der Aussage durch ein Ja oder Mhm, das wiederholende Aufgreifen dessen, was die Interviewten gesagt haben als Überleitung zu einer neuen Frage oder das Nachfragen nach Details oder Anekdoten zu bestimmten Äußerungen (vgl. Angrosino 2007: 43).

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gungsregeln leiten die Interviewsituation. Gewohnte Formen der Mitteilung – das mündliche Erzählen – sollen beim narrativen Interview in Gang gesetzt werden und sogenannte »Zugzwänge des Erzählens« zum Tragen kommen. Bei den Zugzwängen handelt es sich um den Kondensierungs-, den Detailierungs- und den Gestaltungschließungszwang (vgl. Schütze 1977).17 Die Wirkung der Zugzwänge im Erzählen wird folgendermaßen beschrieben: »1. Detailierungszwang. Der Erzähler ist getrieben, sich an die tatsächliche Abfolge der von ihm erlebten Ereignisse zu halten und – orientiert an der Art der von ihm erlebten Verknüpfungen zwischen den Ereignissen – von der Schilderung des Ereignisses A zur Schilderung des Ereignisses B überzugehen. 2. Gestaltungschließungszwang. Der Erzähler ist getrieben, die in der Erzählung darstellungsmäßig begonnenen kognitiven Strukturen abzuschließen. Die Abschließung beinhaltet den darstellungsmäßigen Aufbau und Abschluß von eingelagerten kognitiven Strukturen, ohne die die übergeordneten kognitiven Strukturen nicht abgeschlossen werden könnten. 3. Relevanzfestlegungs- und Kondensierungszwang. Der Erzähler ist getrieben, nur das zu erzählen, was an Ereignissen als ʻEreignisknotenʼ innerhalb der zu erzählenden Geschichte relevant ist. Das setzt den Zwang voraus, Einzelereignisse und Situationen unter Gesichtspunkten der Gesamtaussage der zu erzählenden Geschichte fortlaufend zu gewichten und zu bewerten« (Kallmeyer/Schütze 1977: 188).

Die Interviewtechnik besteht im besten Fall nicht aus einer Abwechslung von Fragen und Antworten, wie bei anderen Interviewverfahren der empirischen Sozialforschung üblich, sondern löst ein Erzählen aus, durch das und mit dem sich die Interviewten ausdrücken. Somit gilt das narrative Interview als bahnbrechend zur Erforschung subjektiver Strukturen, da es die Perspektive der Interviewten und nicht die Wiedergabe von Reaktionen auf die Fragen der Interviewerin hervortreten lässt. Die von Roland Girtler entwickelte Form des ero-epischen18 Gespräches bietet zudem eine zweite Perspektive auf die Interviewführung (vgl. Girtler 2001, 2004).

17 Girtler übt hier an Schütze eine berechtigte Kritik, da er darauf verweist, dass Offenheit, Naturalizitität und die Freiwilligkeit des Erzählens deutlich den Zugzwängen des Erzählens widersprechen (vgl. Girtler 2001: 148). 18 Dieses wird vom Griechischen ἔρομαι für fragen, befragen abgeleitet (vgl. Pape 1954: 1033). »In Anlehnung an Homer und in Verehrung vor ihm will ich daher das durch kluges Erzählen und Fragen bestimmte Gespräch, welches gerade für einen Feldfor-

134 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK »Es ist ein Gespräch, bei dem es um Erzählungen und Geschichten geht, die sich so ziemlich auf alles einer Kultur oder Gruppe beziehen können. Dabei ist es nicht bloß der Forscher, der Fragen stellt, sondern auch der Gesprächspartner, also der, über dessen Kultur ich etwas erfahren will. Denn auch dieser will vielleicht wissen, was der Forscher so treibt oder wie der Forscher in einer bestimmten Situation handeln würde. Es bringt sich also jeder in das Gespräch ein. Beide sind also Lernende« (ebd. 2001: 147).

Girtler fokussiert hiermit eine Gleichheit der Gesprächspartner (vgl. ebd.), die er bei den klassisch als Interviews bezeichneten Methoden in der Form nicht als gegeben ansieht.19 Aus der ero-epischen Gesprächsführung leitet sich ein möglichst natürliches Auftreten ab. Der persönliche Kontakt zu den Interviewten verspricht, optimale Gesprächsergebnisse zu erzielen. Hierzu zählen beispielsweise Augenkontakt, die Möglichkeit, die Interviewsituation durch eine Pause zu unterbrechen, falls dieses notwendig ist als auch auf Fragen, die die Interviewten stellen, offen zu antworten, ohne die Interviewten zu diskreditieren (vgl. ebd.: 159). Planung und Entwicklung des Frageleitfadens Um in den Interviews umfassende Aussagen zum Umgang mit Wissen von Sammler/-innen zu erhalten, machte sich die Forschende in einem ersten Schritt mit den bereits zum Thema gesammelten Aspekten vertraut. Dieses erforderte die kritische Relektüre der im Rahmen der Diplomarbeit bereits erhobenen Daten, die Lektüre der bereits durchgeführten Beobachtungen und die Durchsicht bestehender Literatur zum Sammeln. In einem zweiten Schritt wurde ein Frage-

scher, wie ich ihn verstehe, ungemein wichtig ist, als ‚ero-episches Gespräch‘ bezeichnen« (Girtler 2001: 150). Hierdurch soll das gleichzeitige Fragende und Erzählende hervorgehoben werden. 19 Girtlers Kritik lautet hier: »Die Begriffe ›Interview‹, ›narratives Interview‹ und ›Tiefeninterview‹ sind daher, wie ich meine, denkbar ungeeignet, um ein echtes Gespräch als Forschender zu bezeichnen […]. Schließlich entstammt der Terminus ›Interview‹ der Journalistensprache, wie sie ab 1860 in den USA etabliert hat, und bezieht sich hauptsächlich auf die Befragung von Politikern, Künstlern und anderen wichtigen Leuten […]« (Girtler 2001: 147). An dieser Stelle stimme ich der Argumentation Girtlers, die begriffliche Adaption des Interviews aus journalistischen Zusammenhängen in wissenschaftliche Kontexte mit einer inhaltlichen Adaption gleichzusetzen, nicht zu und verweise auf die vielfältige Auslegung und Differenzierung von Interviewmethoden in wissenschaftlichen Zusammenhängen (vgl. Lamnek 2010; Friebertshäuser/Langer 2010).

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leitfaden – bestehend aus 65 Einzelfragen – entwickelt20, der sich aus den Beobachtungen sowie Recherchen in Internetforen und Sammler/-innenzeitschriften speiste. Die Fragen wurden zunächst als lose, offene Fragen notiert und im Anschluss nach und nach zu vier zentralen Bereichen gebündelt, um eine Zusammenfassung der Hauptaspekte, die im Interview angesprochen werden sollten, zu erhalten. Der Frageleitfaden besteht erstens aus einer Einleitung, die durch einen Erzählstimulus und eine Eingangsfrage den Einstieg in das Gespräch ermöglichte: [Sie haben mir gerade Ihre Sammlung gezeigt …]. Können Sie mir einmal erzählen, wann und wie Sie zum Sammeln gekommen sind? Hierdurch konnte die Entstehungsgeschichte des eigenen Sammelns rekonstruiert werden. Zweitens wurden Fragen zum individuellen Sammeln der Sammelnden und der Bewertung der Tätigkeit (individuelle Ebene) aufgeführt21. Durch die gestellten Fragen wurde das Wissen über das eigene Sammelgebiet erschlossen. Beispielfragen sind hier: Wie wichtig ist Ihnen das Sammeln? Wie viel Zeit verbringen Sie mit dem Sammeln? Was muss ich wissen, um sammeln zu können? Erzählen Sie mir etwas zur Geschichte Ihres Sammelgebietes? Drittens wurden Fragen zum Austausch mit anderen Sammelnden (kollektive Ebene) aufgegriffen. Auf der kollektiven Ebene wurde der Umgang mit Wissen expliziert: Welche Kontakte haben Sie zu anderen Sammler/-innen? Gibt es einen Unterschied zwischen professionellen Sammler/-innen und denen, die vorrangig kein Geld mit dem Sammeln verdienen? Erklären Sie ihn? Wo tauschen Sie sich mit anderen Sammler/-innen aus? Sie haben doch sicherlich bestimmte Regeln? Erzählen Sie mir darüber etwas? Worüber sprechen Sie bei den Treffen? Der Abschluss des Gesprächs eröffnet für die Sammelnden viertens die Möglichkeit, weitere Gedanken zum Thema Sammeln zu äußern: Welche Frage hätten Sie denn gestellt? Möchten Sie abschließend noch etwas sagen? Der Frageleitfaden entspricht nicht einer abzuarbeitenden Fragenliste, sondern dient der Forscherin als strukturierendes Element zur Orientierung und Markierung zentraler Situationen im Gespräch. Die Soziologin Christel Hopf hat schon früh in ihren Überlegungen zur Interviewführung angemerkt, dass Leitfäden oftmals die soziale Situation der Interviewten nicht berücksichtigen und zudem wenig geeignet sind, eine – wie gefordert – offene Gesprächsatmosphäre im Interview zu erzielen (vgl. Hopf 1978). Daher gestaltete sich der Ablauf der Fra-

20 Eine vollständige Auflistung des Frageleitfadens findet sich im Anhang. 21 Fragen zu finanziellen Aspekten (wie beispielsweise Preisbildung oder Finanzierung der Sammlung) wurden nicht explizit angesprochen. Die Befragten nahmen in den Gesprächen teilweise jedoch Bezug darauf.

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gen im Gespräch variabel. Dieses schließt zudem ein, dass sich in manchen Interviews Passagen und Exkurse finden lassen, die dem Sammeln weit entfernte Themen behandeln. Diese Abweichungen führen oftmals zu einem unstrukturierten Erzählen, sind aber de facto gewollt und eingeplant. Auswahl des Interviewsamples Bei der Auswahl des Samples für die narrativen Interviews habe ich mich um ein Spektrum von erwachsenen Sammler/-innen bemüht. Die Kontaktaufnahme zu potentiellen Interviewpartner/-innen erfolgte auf der Grundlage der für die Untersuchung ausgewählten Sammelgebiete Barbiepuppen, Briefmarken und Füllfederhalter. Über Besuche auf einschlägigen Sammlerbörsen und das Internet stellte ich die Kontakte zu Sammler/-innen her. Die Suche nach geeigneten Interviewpartner/-innen als auch Ansprechpartner/-innen gestaltete sich unkompliziert. Aus einem Pool von 25 Kontaktpersonen kristallisierten sich 9 Personen für ein Einzelinterview heraus. Ich bemühte mich, Sammler/-innen unterschiedlichen Alters zu treffen, da der biografische, zeit-räumliche Aspekt für das Sammeln relevant zu sein schien. Die Sammler/-innen waren zum Zeitpunkt der Interviews zwischen 37 und 72 Jahren alt.22 Auffällig war, dass bestimmte Personen im jeweiligen Sammelgebiet eine Vermittlungs- bzw. Türöffner-Funktion übernommen haben (vgl. auch Girtler 2001: 154). Durch den Kontakt zu ihnen ergaben sich im Verlauf des Forschungsprozesses weitere Kontakte zu anderen Sammler/-innen. Diese Personen nehmen im jeweiligen Sammelgebiet zumeist eine Schlüsselfunktion (z.B. Experte oder Organisator) ein. Folgende Kriterien wurden bei der Auswahl der Interviewpartner/-innen zugrunde gelegt: • • • •

Möglichkeit des offenen Zugangs zu den Personen, Freiwilligkeit der Teilnahme am Interview, Sammler/-in aus einem der drei genannten Sammelgebiete, um eine spätere vergleichende Analyse zu gewährleisten sowie Abdeckung eines breiten Altersspektrums.

Da die Datenerhebung für die Auswertung und Interpretation relevant ist und der Ort der Gesprächsführung nicht unerheblich für den Verlauf des Gesprächs ist, habe ich die Sammler/-innen in ihrer Lebenswelt, d.h., in einer ihnen möglichst

22 Diese Daten wurden im Anschluss an das Interview ermittelt: Die Sammler/-innen füllten einen Kurzfragebogen aus, auf dem wesentliche Eckdaten wie Alter, Schulund Berufsausbildung, Sammelgebiet oder Länge der Tätigkeit) erfasst wurden.

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vertrauten und angenehmen Umgebung aufgesucht (vgl. Girtler 2001: 154). In einer Übersicht sind die Eckdaten zu den Sammler/-innen dargestellt:

Abb. 3: Auflistung der Interviewteilnehmer/-innen (sortiert nach Sammelgebiet und Alter)

Die Interviews fanden an von den Befragten selbst gewählten Orten statt: Ich traf • • • •

sieben Interviewpartner/-innen bei sich zu Hause (in ihrer Wohnung oder ihrem Haus), meistens in der Nähe ihrer Sammlung, einen Interviewpartner im Rahmen einer Ausstellung von Sammelexponaten, einen Interviewpartner an seinem Arbeitsplatz, in seinem Büro zum Vertrieb von Schreibgeräten und einen Interviewpartner im öffentlichen Raum, in einem Restaurant, in dem der Interviewpartner häufiger speist, also an einem nicht sammelspezifischen Ort.

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Die Differenz zwischen häuslichem Rahmen und öffentlichen Räumen bei der Durchführung der Interviews spiegelt die Bandbreite der Orte wieder, an denen Sammeln sich vollzieht. Durchführung Bei der Interviewdurchführung wurde auf die im Frageleitfaden entwickelten vier Hauptbereiche geachtet. Der Eröffnung des Interviews durch den Eingangsstimulus als Erzählaufforderung [Sie haben mir gerade Ihre Sammlung gezeigt …] und die Einstiegsfrage Können Sie mir einmal erzählen, wann und wie Sie zum Sammeln gekommen sind? gingen in der Regel kurze Smalltalk-Vorgespräche23 voraus, die die gesamte Interviewsituation maßgeblich auflockerten. Außerdem klärte die Interviewerin im Vorgespräch über die Verwendung des Interviews im Rahmen des Dissertationsprojektes auf und ließ die Interviewpartner/-innen sowohl ein Informationsblatt als auch eine Einverständniserklärung unterschreiben.24 Nach der Eingangsfrage schloss sich im bestmöglichen Fall die Haupterzählung an, die gegebenenfalls durch ergänzende Nachfragen der Interviewerin vervollständigt wurde. In der sogenannten Bilanzierungsphase hatten einerseits die interviewten Personen die Möglichkeit, abschließende oder ergänzende Gedanken zu äußern. Andererseits konnte hier die Forscherin gezielt Nachfragen zu im Interview angesprochenen Themen oder Aspekten stellen (vgl. Flick 2011a: 227ff.). Besonderheiten des Materials, Situationsprotokolle und Transkription Infolge der Erfahrungen bei den ersten Interviews konnte die Interviewerin außerdem die Interviewführung kritisch prüfen sowie – falls erforderlich – im An-

23 Als Smalltalk, zu Deutsch Kleingespräch (oder Geplänkel, im Dialekt unter anderem auch als Schwatzen oder Plauschen benannt) wird ein Gespräch bezeichnet, das spontan, zufällig, locker und in einem umgangssprachlichen Ton geführt wird. Zumeist werden bei einem solchen Gespräch Themen der privaten oder allgemeinen Lebenssphäre besprochen. Hierarchische Beziehungsunterschiede zwischen den Gesprächspartner/-innen treten weitgehend in den Hintergrund – das heißt, sie werden nicht als relevant behandelt. Merkmale der Alltagsgespräche sind Interaktivität, lokale Durchführung und Kontrolle der Beteiligten, Orientierung auf den Alltag hin und geringe Vorplanungsaktivitäten der Akteure. 24 Die Interviewten erhielten stets ein Exemplar des Informationsblattes und der Einverständniserklärung für ihre Unterlagen.

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schluss leichte Adaptionen vornehmen. Roland Girtlers Überlegungen zu der ero-epischen Gesprächsführung führten in manchen Interviews zu einer Modifizierung des narrativen Interviews nach Fritz Schütze hinsichtlich der Gestaltung der Eingangssituation oder des Erzählflusses. In den meisten Fällen gelangten die interviewten Personen schnell in eine erzählende Dynamik. War dieses nicht der Fall, konnte die Interviewerin durch einen neuen Gesprächsimpuls das Erzählen weiter oder wieder anregen. Bezogen auf das Abwarten, wenn der oder die Interviewte für einige Sekunden nichts sagt, erwies es sich als hilfreich, in diese Situation nicht durch das Stellen einer Nachfrage oder neuen Frage einzugreifen, sondern die Situation auszuhalten. Zumeist kam die Erzählung durch die Befragten selbst wieder in Gang (vgl. Girtler 2001: 158). Neben der digitalen Aufzeichnung der Interviews wurden von allen durchgeführten Interviews im direkten Anschluss Situationsprotokolle angefertigt, die als Ergänzung zu den Interviews gesehen werden können und die die Interviewsituation in einer erweiterten Form schriftlich festhalten. Die Situationsprotokolle enthalten unterschiedliche Angaben, z.B. über die Gesprächsatmosphäre vor, während und nach dem Interview; die räumliche Umgebung der Interviewsituation inklusive Raumskizze; die Einrichtung des Zimmers, indem das Interview stattfand. Die Auswertung und Analyse der Interviews setzt die Transkription der bestehenden Audioaufnahmen in ihrer vollen Länge voraus. Die Transkription der gesamten Interviews erfolgte mithilfe einer Transkriptionssoftware. Durch ihre technischen Möglichkeiten leistet die Software einen Beitrag zur Arbeitserleichterung. Dennoch erfordert die Transkription im Forschungsprozess einen enormen, oft unterschätzten Zeitaufwand, da die Verschriftlichung einzelner Textpassagen mitunter Tage dauern kann. Bezüglich der Transkriptionsregeln orientiert sich das Notationssystem an Norbert Dittmar (vgl. Dittmar 2009). Da es in den durchgeführten Interviews um individuelle und kollektive Wissensbestände geht, wurde auf ausgiebige Notationssysteme, wie sie z.B. beim klassischen narrativen Interview erforderlich sind, verzichtet. Stimmlagen, Pausen sowie sonstige parasprachliche oder nonverbale Aspekte der Interviews werden in der Analyse und Interpretation nicht berücksichtigt.

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3.3.3 Internetforen Als weitere Analysegrundlage wurden bestehende Textdokumente zum Thema Sammeln aus einschlägigen Internetforen25, in denen Sammler/-innen aus den drei Sammelgebieten aktiv sind, ausgewählt. Ausschlaggebend für diese Wahl ist die Annahme, dass für Sammler(-Gemeinschaften) gegenwärtig neben Fachzeitschriften und Börsen sowie Vereinen – die zumeist lokal gebunden sind – das Internet einen wichtigen sozialen sowie kulturellen Raum einnimmt (vgl. auch Höflich 1996: 260ff.). »Solche Phänomene [gemeint sind Fachzeitschriften, Foren etc.; Anmerk. D.W.] sind in Büchern über das Sammeln in der Regel nicht einmal eine Anmerkung wert – ebenso wenig, [...] wie [die Sammler] miteinander umgehen und welche Kommunikation sie pflegen, wie das Sammelgut beschafft, archiviert, ausgestellt, getauscht wird und vieles andere mehr« (Ilgen/Schindelbeck 1997: 9). Im Medium Internet sind alltägliche Formen der Kommunikation über das Sammeln zu eruieren, die jenseits der virtuellen Welt 26 auf diese Weise nicht stattfinden bzw. vorrangig oder größten Teils durch dieses Medium gerahmt sind. Im Zuge der rasanten Entwicklung des Internet sind Diskussionsforen zu wichtigen Kommunikationsmittlern geworden, die den täglichen – zwar technisch vermittelten – aber unkomplizierten Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Sammler/-innen ermöglichen und zudem ‚neue‘ Sozialitäts- und Gemeinschaftsformen hervorbringen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die generelle multithematische Ausrichtung und kreative Nutzbarkeit des Internet für Menschen. Winfried Marotzki sieht durch das Internet die Möglichkeit gegeben, »zu nahezu jedem Gegenstand eine Vielzahl von Perspektiven, Informationen, Meinungen und Urteilen vorzufinden« (Marotzki 2000: 247). Dabei »[schaffen] [i]nternetbasierte Kommunikationsforen nicht nur einen eigenen Adressraum, dazu gehören auch die Möglichkeit der Aushandlung von Sozialbezügen, die Entwicklung eigener Normen« (Stegbauer 2000: 20) und die Ausbildung einer eigenständige Diskussionskultur (vgl. auch Höflich 1996: 233ff.). Die örtlich-zeitliche Separierung der Kommunizierenden bildet ein konstitutives Merkmal von Forenkommunikation. Andererseits ist davon auszugehen,

25 Um die Anonymität der analysierten Internetdaten zu gewährleisten, werden an dieser Stelle nicht die Klarnamen der untersuchten Internetforen veröffentlicht sowie die in den Internetzitaten aufgefundenen Klarnamen verändert. 26 Das Virtuelle bildet nicht einen Gegensatz zum Realen. Virtuelle Welten sind medial vermittelte Welten, in denen sich gleichfalls Wirklichkeitskonstruktionen und Interaktionen formieren (vgl. beispielsweise Schütz 1982; Meder 2000).

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dass alle Nutzer/-innen des Forums faktisch an dem jeweiligen Themenfeld partizipieren können. Die Partizipation von Erwachsenen an Internetforen ist jedoch prinzipiell nicht singulär zu sehen: Im Hintergrund ist zu berücksichtigen, dass Kommunikation plurale Zusammenhänge wie Biographie, alltägliche Lebensführung und Lern- und Bildungsaktivitäten strukturiert. Es ist anzunehmen, dass in Foren aufgrund ihrer Konstitution eine rege Kommunikation stattfinden dürfte, die sich auf ihre pädagogischen Elemente hin untersuchen lässt (vgl. Nolda 2002). Da, dem Ansatz von Helmut Kromrey folgend, stets die Relevanz, die Existenz und der Zugang des Textes zu prüfen ist (vgl. Kromrey 2009: 317), wurde nach Durchsicht mehrerer deutschsprachiger Foren zu jedem Sammelgebiet ein Forum exemplarisch ausgewählt.

Abb. 4: Allgemeine Daten zu den ausgewählten Internetforen [22.08.2011]

Folgende Kriterien wurden bei der Auswahl zugrunde gelegt: • • •

Eine regelmäßige Kommunikationsaktivität, die Anzahl der registrierten Benutzer/-innen in den jeweiligen Internetforen und ein offener Zugang zum Forum, um die Erreichbarkeit und Recherchemöglichkeit zu gewährleisten.27

Das Barbie-Internetforum stellt eine Plattform für Sammler/-innen28 dar, auf der sie sich über diverse Themen und ihre Liebe zum Sammeln von Barbie-Puppen 27 Diese Kriterien lassen sich aufgrund der Informationen (wie Mitgliedsname, Datum, Uhrzeit des Eintrags und Zahl der Antworten auf die Nachricht), die in Foren immer zugänglich sind, ermitteln. 28 Ausgehend von den verwendeten Namen der Benutzer/-innen, besuchen überwiegend Frauen das Forum. Es gibt aber auch viele Männer die sich regelmäßig in den Kommunikationssequenzen äußern. Lisa Schneider, eine befragte Sammlerin, sieht Unterschiede in der thematischen Ausrichtung des Barbie-Puppen-Sammelns bei den Ge-

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austauschen. Zwischen dem Stand des Internetforums in 2007 und dem Stand in 2011 haben sich einige grundlegende Veränderungen hinsichtlich der Ausdifferenzierung der Themenbereiche ergeben. Die Themenbereiche sind weiter aufgefächert und zusätzlich in englischer Sprache vermerkt, wodurch die mögliche Internationalität der Kommunikation bzw. Nutzung des Internetforums verdeutlicht wird. Auch Ankleidepuppen anderer Hersteller ziehen die Aufmerksamkeit der Sammler/-innen auf sich, weshalb bei der Themenbereichsaufteilung weitere Puppenmarken stärker einbezogen werden. Außerdem gibt es ergänzend eine Rubrik zum Thema Fachbegriffe und eine namens Dies & Das, die Fragen rund um das alltägliche Leben behandelt (vgl. auch die Themenauflistung der untersuchten Internetforen in den Sammelgebieten im Anhang). Das Barbie-Internetforum ist • • •

ein virtuelles Informationsnetzwerk. ein Kontaktort für Treffen, Termine, Ausstellungen, Auktionen und Wettbewerbe. ein Raum für allgemeine und fachliche Erörterungen über das Sammeln sowie ein Ort des subjektiven Austausches. An diesem konstituiert sich eine Gemeinschaft, deren Grundhaltung das solidarische Miteinander ist.

Zur Erstellung eines Beitrags ist keine Registrierung erforderlich, eine Anmeldung mit Benutzerprofil ist möglich. Wenngleich die Registrierungsfunktion ein typisches Kennzeichen von Foren sein kann (vgl. 2.3.1) und daher nicht zwangsläufig als Spezifikum für die Sammlergemeinde gilt, liefert das Fehlen des Anmeldegebots dennoch einen ersten Hinweis auf das Selbstverständnis der BarbieSammler/-innenschaft, welches an späterer Stelle erläutert wird. Einem Missbrauch des Forums aus rein spekulativen Zwecken versuchen die Sammler/ -innen vorzubeugen, indem sie betonen, dass das Sammeln und nicht der finanzielle Wert im Vordergrund stehe.

schlechtern, berichtet aber, dass anteilig fast gleich viele Frauen wie Männer sammeln: »[D]as sind ja auch viele, ja sind genauso viele Männer fast wie Frauen, die Barbies sammeln. Weil ja die Themen halt so breit sind« (Interview mit Lisa Schneider: 751-753). »Und dann gibt es Hollywoodlegenden. Marylin Monroe, Frank Sinatra gibt es auch. Dann Star Trek. Das ist auch, sammeln natürlich auch viele Männer. Harley-Barbies gibt es mit Motorrädern« (ebd.: 627-630).

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In dem untersuchten Füllfederhalter-Internetforum tauschen sich Sammler/ -innen29 über unterschiedlichste Themenkomplexe zum Sammeln von Füllfederhaltern mit dem Ziel aus, Sammler/-innen sammelrelevante Inhalte zur Verfügung zu stellen. So bietet das Forum im Sinne von Strauss (vgl. Strauss 1991, 1993): •





Eine schnelle, zeit- und ortsunabhängige Kommunikationsmöglichkeit und schafft ein virtuell gerahmtes Netzwerk zur Organisation von Treffen, Terminen und Aktivitäten. die Umgebung, um Fachwissen auszutauschen, allgemeine Diskussionen zu führen und einen Erfahrungs- und Meinungsaustausch zu vollziehen. Durch die Beschreibung und den Vergleich der Erfahrungswelten wird eine Identifizierung der Sammler/-innen hergestellt. einen Informationspool, an dem prinzipiell jede/r teilhaben kann, beispielsweise, um auf (un)seriöse (Verkaufs-)Angebote hinzuweisen oder rechtliche Rahmenbedingungen darzulegen.

Um eigene Beiträge zu verfassen, ist eine Registrierung obligatorisch. Wenngleich das Merkmal der Registrierung im Forumsaufbau begründet liegt, so stellt es für den sozialen Aspekt eine Bedeutung dar. Das Forum der FüllfederhalterSammler schafft eine Zugangsbarriere, die durch Anmeldung als registrierter Benutzer zu überwinden ist. Durch die Barriere soll der kommunikative Raum vor Missbrauch, beispielsweise zu rein spekulativen Zwecken bzw. zur Benutzung als Auktionsplattform geschützt werden. Es wird ebenso hier, wie auch im untersuchten Barbie-Internetforum betont, dass das Sammeln und nicht der finanzielle Wert im Vordergrund steht.

29 Wenn man Rückschlüsse aus den verwendeten Namen und den Aussagen innerhalb der Sammler/-innengemeinschaft zieht, ist die Dominanz männlicher Vornamen offensichtlich. Daher kann davon ausgegangen werden, dass das Sammeln von Füllfederhaltern tendenziell eher von Männern ausgeübt wird. Strauss hat in seinen Ausführungen zum Konzept sozialer Welten darauf hingewiesen, dass in bestimmten sozialen Welten Geschlechtszugehörigkeiten eine Bedeutung haben können (vgl. Strauss 1993: 213).

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Das auf das Sammeln von Briefmarken ausgerichtete BriefmarkenInternetforum bietet Sammler/-innen ein breites Spektrum an Austauschmöglichkeiten bezüglich des Sammelns von Briefmarken. So schafft das Forum einen Kommunikationsort, an dem •

• •

Sammler/-innen sich über für die Philatelie relevante Themen (z.B. Objektidentifizierung, Wertbestimmung und philatelistische Neuerungen) austauschen können. Fachgespräche mit versierten Sammler/-innen geführt werden können. An-, Verkaufs- und Tauschgeschäfte stattfinden.

Auch hier ist eine Registrierung zum Verfassen eigener Beiträge notwendig. Die breite Auffächerung der Forenkommunikation veranschaulicht die Größe und die zahlreichen Spezialisierungsmöglichkeiten des Sammelgebietes Briefmarken. Da in Internetforen der direkte Kontakt zwischen Forschenden und Beforschten nicht möglich ist bzw. einer anderen Form der Kommunikation der Vorrang gegeben wird, wird der Feldzugang durch Rückgriff auf geeignete Aufzeichnungsmittel in Form von Forumsbeiträgen sichergestellt. Dieses führt zu einem Problempunkt: Nach Marshall McLuhan (1968) übermitteln Medien Informationen nicht einfach, sondern präformieren diese. Folglich wird in theoretischen Auseinandersetzungen Textmaterial, welches im Medium Internet präsentiert, gespeichert und verändert wird, unterschiedlich bewertet. Die zentrale Frage ist, ob es sich um eine Kommunikationsform zwischen Personen, die über das Medium Computer übermittelt wird, oder um Kommunikation mit textuellen Strukturen handelt (vgl. Wehner 1997). Im Rahmen der Überlegungen wird diskutiert, inwieweit internetbasierte Kommunikation einer realen Kommunikation unter Anwesenden entspricht und ob man daher mit den für diese Kommunikation entsprechenden Begriffen operieren kann. Oder muss für die spezielle Situation der physischen Abwesenheit der Kommunizierenden dann auch ein neues, eigenständiges Vokabular eingeführt werden, um diese Kommunikationsform beschreiben und analysieren zu können (vgl. ebd.; Thimm 2000a)? Dieses schließt auch die Frage danach ein, ob bei virtuellen Kommunikationsformen überhaupt von einem virtuellen Raum oder Ort bzw. anderen auf Räume und Orte bezogenen Metaphern wie Gebiete, Treffpunkte oder Regionen, in denen Kommunikation stattfindet, zu sprechen ist. Die Kommunikation im Internet zeichnet sich durch die physische Abwesenheit der Kommunikationsteilnehmer/-innen aus, weshalb weniger die Konzentration auf die Komponente Ort als auf die im Internet verwendeten Zeichen und Symbole nahe liegt (vgl. Hine 2000). Smileys

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und andere Emoticons30 sind beliebte Symbole, die der Kommunikationsuntermalung im Internet dienen, um Stimmungen zu erzeugen, Emotionen auszudrücken oder Äußerungen in eine eindeutigere Richtung zu lenken. Emoticons und Smileys ersetzen somit die fehlende Möglichkeit von Gestik, Mimik und Tonlage (vgl. Schmidt 2000: 124f.; auch Schlobinski 2009: 89ff.). Es ergeben sich somit zwei wissenschaftliche Blickwinkel auf das Medium Internet: Einerseits lässt es sich als ein kulturelles Artefakt betrachten, andererseits schafft das Internet eine eigene bzw. erweiterte Realität, die analysiert werden kann. Die Kommunikation von Menschen mithilfe neuer Technologien, gewandelte Raum-, Zeit- und Sozialitätsverständnisse, Auseinandersetzungen über Authentizität, Identität(skonstruktionen) und Körperlichkeit im virtuellen Raum wecken gleichsam die wissenschaftliche Aufmerksamkeit (vgl. Hine 2000; auch Krotz 2005: 259ff.). Diesen Fragen nach der Verwendung von spezifischen Zeichen und Symbolen in der Internetkommunikation kann im Rahmen der Arbeit nicht vertiefend nachgegangen werden. Ihre mögliche Bedeutung für Anlässe von pädagogischer Kommunikation muss jedoch bedacht werden, weshalb die virtuelle Rahmung der Textdokumente als Problemstellung bei der Untersuchung berücksichtigt wird: Neben dem zentralen Aspekt Kommunikation über Sammeln ist der nachgeordnete Aspekt Kommunikation im virtuellen Raum mit seinen spezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Themen und Zeitraum Die Voraussetzung für die Aufnahme eines Forumsbeitrags in das Analysematerial ist die Kommunikation über das Sammeln, auf die das Hauptaugenmerk gerichtet wird. Es ist davon auszugehen, dass der Anlass der Präsenz einzelner Benutzer in den Internetforen das Thema Sammeln darstellt. Dabei geht es in der Regel um die auf das Sammelgebiet bezogene Kommunikation, wobei bei den jeweiligen Sammelgebieten teilweise zusätzlich Beiträge beachtet wurden, die sich zu Frage- und Problemstellungen aus dem Umfeld des Sammelgebietes äußerten, wie beispielsweise beim Sammeln von Barbiepuppen artverwandte Puppen anderer Hersteller, bei Füllfederhaltern beispielsweise Äußerungen zu Kugelschreibern oder Bleistiften. In diesen Beiträgen zeigt sich der Wissensreichtum der Sammler/-innen. Gerade die Abgrenzung von dem, was einen nicht interessiert, ist für das Wissen und die Selbstreflexion, also auch für die ‚Bildung‘

30 Der lachende Smiley (-) (vgl. Fischer/Hofer 2011: 831f.) oder auch andere Emoticons (z.B. der oder die Traurige /) werden durch bestimmte Zeichenfolgen, die sich zu einer Figur zusammensetzen lassen, hergestellt (vgl. ebd.: 290).

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der Sammler/-innen besonders aufschlussreich. Sogenannte off-topic-Themen, die keinen bzw. nur einen geringen Bezug zum Sammeln nehmen, blieben weitestgehen unberücksichtigt, außer es zeigte sich, dass diesen in der Kommunikation der Sammler/-innen eine besondere Bedeutung zukommt. Die Kommunikation soll sich weiterhin dadurch auszeichnen, dass auf einen Beitrag möglichst mehrere Antwortbeiträge folgen, d.h., dass die Kommunikation durch einen wechselseitigen bzw. multilateralen Bezug charakterisiert ist. Das somit entstehende Netz aus Beiträgen (Kommentare durch Fragen und Antworten, neue Beiträge) bildet einen ersten sozialen Aspekt. Die Forumsbeiträge bilden die Materialbasis, wobei diese durch ihre Datierung auf Zeitpunkt und Benutzer/-in gekennzeichnet sind. Um das Material einzugrenzen, wurden in der Analyse Dokumente aus einem Zeitraum von sechseinhalb Jahren (2004 – 2011) berücksichtigt. Der Zeitraum zwischen der Erstellung einzelner Forumsbeiträge kann bei wenigen Minuten liegen, aber durchaus auch mehrere Wochen betragen: Das heißt, die Möglichkeit sowohl synchroner als auch asynchroner Kommunikation ist ein zentrales Merkmal der Internetforenkommunikation (vgl. auch Hine 2000: 2). Dementsprechend sind in Internetforen der sowohl zeitnahe als auch zeitferne Austausch sowie das Teilen von Ressourcen möglich. Das ausgewählte Material umfasst 712 Beitragsfäden 31 zu den drei Sammelgebieten. Der Begriff Beitragsfaden meint, dass mehrere Beiträge (die sogenannten Postings) zu einem Betreff, entweder zu einem Faden (Thread) (vgl. Fischer/Hofer 2011: 903f.) oder Thema (Topic) gebündelt werden (vgl. Abb. 5). In Internetforen können außerdem sogenannte private messages (Abkürz. PM; zu Deutsch persönliche Nachrichten) versendet werden. Hierzu hinterlegen die Nutzer/-innen in ihrem Profil eine E-Mail-Adresse, über welche sie persönlich kontaktiert werden können.

31 Das entspricht 214 Beitragsfäden aus dem Sammelgebiet Füllfederhalter, 229 Beitragsfäden aus dem Sammelgebiet Barbiepuppen und 269 Beitragsfäden aus dem Sammelgebiet Briefmarken.

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Abb. 5: Struktur eines Beitragsfadens (Thread)

Besonderheiten des Materials Neben dem genannten Charakteristikum der asynchronen Kommunikation sind Dokumente aus Internetforen per se eigentümlich: Die Grundgesamtheit des Datenmaterials, welches im Internet zur Verfügung steht, ist durch seine stetige Veränderbarkeit und Entwicklung nicht vollständig erfassbar, andererseits ist eine Materialauswahl beständig verfügbar. Folglich können Nutzer/-innen bis zur endgültigen Löschung eines Forums unkompliziert auf Beiträge in Internetforen Bezug nehmen (vgl. Nolda 2002). Die Kommunikation besteht aus Textbeiträgen, die von unterschiedlichen Autor/-innen – in der Internetsprache User/-innen (engl. für Benutzer/-innen) genannt – erstellt werden. Neben geschlossenen Foren, bei denen eine Registrie-

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rung als Benutzer zur aktiven Teilhabe am Forum erforderlich ist, – das heißt, Textbeiträge zu verfassen und auf vorhandene Textbeiträge zu antworten – existieren ,offene‘ Kommunikationsräume, für die keine Anmeldung obligat ist. Die Benutzer bilden eine sogenannte Online-Gemeinschaft (Online-Community). Diese zeichnet sich beispielsweise durch die Erstellung von persönlichen Profilen aus (vgl. auch Gallery 2000). Foren besitzen eine Hauptseite, auf der eine Übersicht über die verhandelten Themen zu finden ist. Dort können die Nutzer/ -innen neue Diskussionsstränge anlegen. Die Diskussionsstränge in einem Forum sind sowohl chronologisch nach ihrem Erstellungsdatum als auch thematisch geordnet, um den Verlauf der Diskussion verfolgen zu können. Zusätzlich existieren zumeist Benutzungs- und Verhaltensregeln, die in der sogenannten Netiquette festgehalten werden, um einer Zweckentfremdung durch Benutzer/-innen des virtuellen Raums vorzubeugen. Die Netiquette wird eingerichtet, um die Persönlichkeitsrechte von Einzelnen zu wahren sowie ethisches und soziales Handeln im Internet zu propagieren (vgl. Fischer/Hofer 2011: 607). Die Unverbindlichkeit der digitalen Gesprächsführung führt zu generellen Unterschieden hinsichtlich der Rahmenbedingungen von Kommunikation unter Anwesenden und denjenigen bei virtuellen Gesprächen: Moralische, gesellschaftliche und individuelle Einstellungen und Verhaltensweisen variieren und können sich im Internet (diffuser) ausgestalten (vgl. Hine 2000): »Es entstehen neuartige Formen und Grade der Anonymität zwischen den Kommunizierenden, da Anonymität bzw. anonyme Strukturen im Kommunikationsverlauf nicht ausschließlich durch die technischen Gegebenheiten produziert, sondern von den Kommunizierenden selbst hergestellt werden« (Gallery 2000: 71).

Daher finden sich vielfach konfigurierbare Privilegien bestimmter Benutzergruppen, die in Form von Moderation und Administration des Forums bestehen und nicht zwangsläufig mit dem Forumsbetreiber in Verbindung stehen müssen.32 Es werden aber auch Fälle von Beleidigungen gegenüber anderen Mitgliedern verzeichnet, die strafbar sind und rechtliche Konsequenzen haben können. 33 In klassischen Foren, in denen nicht registrierte Benutzer/-innen Beiträge verfassen

32 Moderatoren können in die Diskussion eingreifen und haben das Recht, Beiträge bzw. Diskussionen zu löschen, zu schließen sowie Benutzer zu sperren, während die Administratoren auch zur technischen Plattform des Forums Zugang haben. 33 Vgl. Az: VI ZR 101/06 vom 27.03.2007.

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dürfen, besteht sowohl die Gefahr von irreführenden Meldungen als auch von rein provokativen Beiträgen, sogenannten Trollen.34

3.4 VERLASSEN DES FORSCHUNGSFELDES So wie die ersten zwei Schritte des Feldaufenthaltes – Einstieg in das und Teilnahme am Forschungsfeld – eines Planes bedürfen, so muss auch der Ausstieg aus dem Forschungsfeld strukturiert erfolgen. Oftmals ergeben sich im Feld während der Forschungszeit (intensive) soziale Kontakte, so dass die Forschende nicht einfach abrupt aus dem Forschungsfeld verschwinden kann, bzw. wenn sie es tut, dieses Erstaunen, wenn nicht Verletzungen und Unsicherheiten bei den Beforschten hervorrufen würden. Es kann jedoch vor der abschließenden Analyse ein Ausstieg aus dem Feld erforderlich sein, um mit genügend Abstand das erhobene bzw. vorhandene Datenmaterial zu untersuchen (vgl. Krotz 2005: 275). Goffman spricht in diesem Zusammenhang von einem »geistigen Ausstieg« (vgl. Goffman 1996: 263). Die offene Kommunikation mit den Sammler/-innen hat den sukzessiven Ausstieg aus dem Forschungsfeld erleichtert und eine spätere Kontaktaufnahme zu einzelnen Sammler/-innen oder weiteren Kontaktpersonen aus den Sammelgebieten möglich gemacht. Auf spätere Nachfragen zu bereits bestehenden Aspekten oder auf neue Fragen habe ich von den Sammler/-innen bereitwillig und umfassend Auskunft und Hilfestellung erhalten, z.B. bei der Übersetzung von mir fremden Wörtern. Zudem habe ich während der Forschungszeit von einzelnen Personen Material zu Sammelthemen zugeschickt und weiterhin Einladungen zu Treffen und Veranstaltungen zugesandt bekommen.

34 In der Netzkultur wird der Begriff Troll (ursprünglich to troll (Engl.) = trällern) für Personen gebraucht, die durch ihre Beiträge in z.B. Internetforen zumeist stark provozieren. Als Ziele der Trolle werden das (Zer-)Stören der ursprünglich an einem Sachthema orientierten Kommunikation und das Erlangen von Aufmerksamkeit vermutet. Das zugehörende Verb heißt trollen (vgl. Fischer/Hofer 2011: 922).

4. Datenauswertung » Und da macht es dann […] die Variationen aus, das alles auseinander zu nehmen. […] [A]lso die Faszination ist das.« BRIEFMARKEN-SAMMLER MARCEL KÖNIG

Die grundlegende Frage, mit welchen Verfahren erhobenes bzw. bestehendes Datenmaterial adäquat auszuwerten ist, stellt für die Analyse von Datenmaterial und ihre Dokumentation eine komplexe und Zeit beanspruchende Herausforderung dar (vgl. Südmersen 1983). Mit der hier angewendeten Methodologie von Ethnographie und Grounded Theory sollen nicht von außen an das Material herangetragene Kategorien im Sinne bestehender Auswertungsstrategien in Katalogform auf ihre Wirksamkeit und Tragweite überprüft werden. Vielmehr werden durch das Sichten des Datenmaterials Fundstellen in Bezug auf die Forschungsfragen identifiziert und im Rahmen eines Kodierprozesses weiterführend ausgewertet. Neben den damit entstehenden Besonderheiten ergeben sich sukzessiv durch die Kodierung der Fundstellen allgemeine Muster, die die Explikation und Rekonstruktion von Strukturelementen zulassen. Im Sinne der Grounded Theory besteht die methodologische Orientierung der Untersuchung darin, Details zu fokussieren, um von ihnen aus auf das Ganze, in diesem Fall das Phänomen des Sammelns hinsichtlich einer Bildung Erwachsener im Allgemeinen und den Umgang mit Wissen im Speziellen zu blicken. Durch den Transfer einzelner Aspekte in einen größeren Zusammenhang oder auch das Zusammensetzen der Details zu einem Mosaik können bisher nicht sichtbare oder marginalisierte Aspekte der Bildung Erwachsener zutage treten. Die Rekonstruktion von Mustern gleicht nicht einer willkürlichen Analyse, denn der Dateninterpretation müssen nachvollziehbare Untersuchungskriterien vorausgehen, die jedoch nicht den Weg des Deutens von Verbindungen beschneiden.

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4.1 UNTERSUCHUNGSVORGEHEN Das Datenmaterial besteht aus der methodischen Triangulation der Erhebung von sechs Beobachtungseinheiten in Form von Memos, neun Interviews in Form von Transkripten und Situationsprotokollen sowie der Verwendung von Internetforenkommunikation (insgesamt 715 Beitragsfäden). Bevor das Datenmaterial in der Datenauswertung und -interpretation verwendet wird (vgl. Flick 2011b), werden an dieser Stelle zunächst Bedingungen der Verwertbarkeit des Datenmaterials erörtert. Aus den im dritten Kapitel dargestellten Überlegungen zum Materialfundus resultieren zwei aufeinander bezogene Problempunkte: • •

Welches Verfahren bietet sich zur Erforschung der Kommunikation in unterschiedlichen Kommunikationsräumen von Sammler/-innen an? Welcher Umgang mit dem Textmaterial resultiert aus diesem Sachverhalt (vgl. König/Bentler 2010: 176ff.)?

Denn: »Wer das Handeln von Menschen, ihre Alltagspraxis und Lebenswelten empirisch untersuchen will, hat [...] zwei Möglichkeiten: Man kann mit den Beteiligten Gespräche über ihr Handeln führen und entsprechende Dokumente sammeln in der Hoffnung, auf diese Weise gehaltvolle Informationen über die interessierende Praxis zu erhalten. Oder man sucht nach Wegen und Strategien, an dieser Alltagspraxis möglichst längerfristig teilzunehmen und mit ihr vertraut zu werden, um sie in ihren alltagsweltlichen Vollzügen beobachten zu können« (Lüders 2009: 384f.; Herv. i.O.).

Den skizzierten Problempunkten gemäß wurde daher ein Ansatz gewählt, der sowohl die Besonderheiten des Materials berücksichtigt als auch Systematisierungen erlaubt. Das Vorgehen bei der Auswertung richtet sich an dem Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring aus (vgl. Mayring 2010). Es wurden aber deutliche Modifizierungen vorgenommen, wenn es im Rahmen der Fragestellung geboten erschien (vgl. hier auch Strauss 1998: 32ff.). Mittels der grundlegenden Orientierung an lebensweltlicher Ethnographie, wie sie im dritten Kapitel dargelegt wurde, lassen sich Grade des Bekannten und Anderen und hierdurch hervorgerufene und beeinflussende Vorannahmen und Interventionen während des Forschungsprozesses transparent machen. Unter Verwendung der Grounded Theory wird das Datenmaterial fortlaufend durch Paraphrasen, Kodierungen und Dimensionierung gefiltert und die Analysen werden an das Ausgangsdatenmaterial rückgebunden. Es wird auf diese Weise eine in-

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duktive Kategorienentwicklung sowie datenbasierte und gegenstandsbezogene Theoriebildung ermöglicht. Grounded Theory erlaubt es, Fragestellung, methodisches Vorgehen und Materialauswahl dem aktuellen Stand der Erkenntnisse anzupassen. Vorgenommene Präzisierungen im Prozess der Datenerhebung und -auswertung schaffen eine größtmögliche Sättigung und stellen eine Chance für die Theoriebildung dar (vgl. ebd./Corbin 1996: 21 ff.). Mit den genannten Prinzipien wird die Anfertigung von lebensweltnahen Beschreibungen des Forschungsfeldes erreicht und der Kritik begegnet, dass reine qualitative Inhaltsanalysen nicht zur Rekonstruktion latenter Sinnstrukturen geeignet seien (vgl. beispielsweise Froschauer/Lueger 1992:10). Vor diesem Hintergrund wird zur Auswertung des Datenmaterials die qualitative Inhaltsanalyse hinzugezogen. Als wissenschaftliches Verfahren hat sich die Inhaltsanalyse aus alltäglichen Vorgehensweisen1 in den 1930er bzw. 1940er Jahren entwickelt (vgl. Lamnek 2010: 438). Die Phase der theoretisch-methodischen Fundierung inhaltsanalytischer Verfahren ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen. Die wissenschaftliche, in diesem Fall qualitative Inhaltanalyse ist in Abgrenzung zu ihrem alltäglichen Pendant eine bewusst eingesetzte und auf Systematisierung ausgerichtete Methode, die bestimmten Regeln folgt und die Kriterien von Reliabilität und Validität berücksichtigen muss. Die qualitative Inhaltsanalyse weist Referenzen zur Grounded Theory auf (vgl. Strauss/Corbin 1996; Glaser/Strauss 1998), was der Ergründung einer sozialen Welt zuträglich ist. Sie bietet aufgrund ihrer in Phasen verlaufenden Systematisierung die Möglichkeit, große Datenmengen zu strukturieren (vgl. Mayring 2002: 114ff.). Um dem Phänomen des Sammelns in seiner Komplexität zu begegnen, ist eine zunächst breitere – aus Beobachtungen, Interviews und der Kommunikation in Internetforen bestehende – Datenmenge essentiell. Außerdem erfordert die unterschiedliche Länge der einzelnen Forumsbeiträge eine größere Materialmenge zur Betrachtung. Jedoch führen umfangreiche Datenmengen in der Analyse, z.B. bei der Typenbildung, nicht zwangsläufig zu einer präziseren Charakterisierung von weiteren Typen, sondern oftmals zur Verfeinerung bereits bestehender Typen. In der vorliegenden Arbeit wird der Fokus auf inhaltliche Textkomponenten gerichtet. Es ist das Ziel, im Gesamttext verstreute Passagen zu thematischen Einheiten zu bündeln und die Bedeutung von Kommunikation möglichst umfassend qualitativ, d.h., interpretierend zu erhellen. Ein deutlicher Bezugspunkt der qualitativen Analyse ist daher die Hermeneutik (vgl. Gadamer 1972; Rittelmey-

1

Im Alltagsleben verwenden Menschen ständig Inhaltsanalysen zur Interpretation von Zeichen aus ihrer Umwelt, ohne sich aber diesem Vorgehen bewusst zu werden.

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er/Parmentier 2001). Wesentlich für ein qualitatives Vorgehen dieser Art ist die Orientierung an den prinzipiellen Merkmalen qualitativer Forschung (vgl. auch Corbin/Strauss 1996): Offenheit, Naturalistizität, Kommunikativität und Interpretativität. Diese Merkmale beschreiben die prinzipielle Differenz zu quantitativen Forschungsansätzen (vgl. Lamnek 2010: 461). Als einen weiteren zentralen Aspekt lässt sich die Reflexivität des Forschungsprozesses und der Forschungsergebnisse nennen (vgl. Hammersley/Atkinson 2007). Offenheit meint, dass die theoretischen Konzepte und Hypothesen nicht vorformuliert, »sondern durch kontrolliertes Fremdverstehen der von den Untersuchten verwendeten Alltagskonzepte generiert« (Lamnek 2010: 462; vgl. auch Mayring 2010) werden. Der Forschungsprozess ist nicht statisch fixiert, sondern kann sich nach Entwicklungs- und Kenntnisstand dynamisch in die eine oder andere Richtung bewegen (vgl. Lamnek 2010: 19ff.). Naturalistizität bedeutet im konkreten Fall, dass das Prinzip der Natürlichkeit und die Nähe zum Alltag gewährleistet sein sollen. Die in den untersuchten Sammlergemeinschaften benutzten Verständigungsweisen, Sprachcodes und Kommunikationsspezifika müssen der Forschenden vertraut sein (vgl. ebd.: 463). Kommunikativität basiert nach Lamnek auf der Annahme, »dass soziale Wirklichkeit durch Interaktion oder Kommunikation entsteht« (ebd.: 462). Soziale Wirklichkeit meint nicht eine objektive, statische Realität, sondern einen selektiven Zugriff nach interpretativen Regeln (vgl. Berger/Luckmann 1969). Daher ist ein expliziter Ansatz zur Deutung der kommunikativen Inhalte unerlässlich (vgl. Lamnek 2010: 462f.). Interpretativität »ist eine zentrale und unverzichtbare Forderung. Der Forscher wendet mit der qualitativen Inhaltsanalyse eine wissenschaftlich modifizierte Form des alltagsweltlichen Fremdverstehens an, um aus der naturalistischen, quasi alltagsweltlichen Untersuchungssituation Handlungsmuster herauszufiltern« (ebd.: 463f.). Zentral ist die Entwicklung einer geeigneten Forschungskonzeption, die den grundlegenden Prinzipien von Offenheit und dynamischer Forschungshaltung nicht widerspricht und flexibel auf neue Erkenntnisse im Forschungsprozess reagieren kann. Es geht nicht um die Einhaltung von Standardschemata, aber auch nicht um ein kopfloses Agieren. Reflexivität als letzter Aspekt meint die kritische Prüfung des Arbeitsprozesses während aller Forschungsphasen sowie die Reflexion der Forschungsergebnisse. Reflexivität ist daher ein wesentliches Element des Forschungsprozesses.

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Es lassen sich nach Lamnek zwei Phasen des Forschungsprozesses unterscheiden: • •

Der Nachvollzug alltagsweltlicher Deutungen und Bedeutungszuweisungen sowie eine typisierende Konstruktion der gefundenen Muster und Regeln (vgl. ebd. 464.).

An diesen zwei Phasen setzt die Grounded Theory an. Sie bildet den Ausgangspunkt zur Analyse von verbalen und non-verbalen2 Kommunikationsinhalten (vgl. Merten 1995: 14ff.). Ihr liegt die Annahme und gleichzeitige Arbeitsdefinition zugrunde, dass sich kulturelle Ausdrucksformen im weitesten Sinne in Inhalten textlicher, bildlicher, filmischer oder akustischer Art fassen lassen. Mit anderen Worten: »Inhaltsanalyse ist eine Methode zur Erhebung sozialer Wirklichkeit, bei der von Merkmalen eines manifesten Textes auf Merkmale eines nichtmanifesten Kontextes geschlossen wird« (ebd.: 15; Herv. i.O.). Nach Lamnek wird der Begriff Text in der qualitativen Inhaltsanalyse vorrangig »im Sinne von Schütze […] verstanden: als schriftliches Protokoll alltagsweltlicher sprachlicher Kommunikation« (Lamnek 2010: 447). Während die Sammler/-innen in den durchgeführten Interviews ihre Sicht auf das Sammeln und die unterschiedlichen Aktivitäten in den Sammler/-innengemeinschaften kommunizieren und hierdurch einen subjektiven Überblick über das Kommunikationsfeld geben, tauschen sich bei Sammler/-innentreffen, auf Sammler/-innenbörsen sowie in den Internetforen zumeist zwei bzw. mehreren Kommunikationsteilnehmer/-innen situativ aus. Das heißt, es findet hier mindestens eine dialogische, zumeist jedoch eine polylogische Kommunikation statt. Als eine Einschränkung muss genannt werden, dass die Kommunikation über Inhalte, sei es textlicher oder anderer Art, nie gänzlich wiedergegeben werden kann. Da Kommunikation sich nicht in einem Vakuum vollzieht, sondern soziale Zusammenhänge bindet, ist die Vielzahl situativer Aspekte niemals vollständig zu erfassen (vgl. Atteslander 2010). Einfache Kommunikationsmodelle verstehen Kommunikation als Zeichenverkehr zwischen Sender und Empfänger, in dem Informationen transportiert und verstanden werden (vgl. Merten 1995). Von den Kommunikationsinhalten lassen

2

Durch die rasante Entwicklung elektronischer Medien sind non-verbale Kommunikationsinhalte wie Emoticons und Smileys immer bedeutender und treten vor allem häufiger auf. Wissenschaftliche Analyseverfahren zur Erforschung dieser non-verbalen, medial vermittelten Kommunikation sind hier gegenwärtig noch unterentwickelt (vgl. Faßler 2001; Atteslander 2010).

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sich Rückschlüsse auf die anderen drei Grundelemente Sender, Empfänger und soziale Situation ziehen. Ein Ziel der Inhaltsanalyse ist neben der Beschreibung und Auswertung des Textinhaltes demnach, aus den manifesten Kriterien eines Textes auf Zusammenhänge seiner Entstehung und Verwendung zu schließen (vgl. ebd.).3 Luhmann wendet als einen kritischen Punkt ein, dass übertragene Kommunikationsinhalte für den Sender nicht dieselben wie für den oder die Empfänger sind (vgl. Luhmann 1984: 193f.). Vielmehr steht die Aushandlung von Sinn im Vordergrund. Diese nimmt den Raum der Differenz von Mitteilung und Information ein (vgl. Luhmann 1990: 19). Hinzu kommt, dass gerade in Internetforen, »[die] Infrastruktur und die Technologie selbst aus jedem Empfänger auch einen Sender [machen]« (Zurawski 2000: 209). An die qualitative Analyse anschließende, quantifizierende Schritte sind während des Forschungsprozesses generell nicht ausgeschlossen (vgl. Mayring 2010: 110ff). Im Rahmen dieser Arbeit wird diese quantifizierende Stufe jedoch nicht erfolgen.

4.2 AUSWERTUNGSPROZESS

UND

ANALYSESCHEMA

Ziel der vorliegenden Analyse ist der wissenschaftliche Nachvollzug kommunikativer Sequenzen im Hinblick auf ihre Aneignungsausrichtung und auf ihre Fortführung gemäß einer pädagogischen Kommunikation im eingeführten Sinne. Es soll der Umgang mit Wissen bei Füllfederhalter-, Barbiepuppen- und Briefmarken-Sammler/-innen dargestellt werden. Durch den Vergleich von Kommunikation in den drei exemplarischen Sammelgebieten lassen sich konstitutive Aspekte von Sammeln und Kommunikation herausstellen sowie grundlegende Elemente der Kommunikationsrahmung wie spezifische Gemeinschafts- und Sozialitätsformationen ermitteln. Es werden außerdem individuelle Dimensionen und Besonderheiten der einzelnen Sammelgebiete ermittelt. Hierzu werden Schlüsselstellen in der Kommunikation identifiziert, durch die sowohl soziale Orientierungen von Gemeinschaften und Individuen als auch kulturspezifische Eigenheiten von Kommunikation in Gemeinschaften herausgestellt werden können. Der Vergleich der Kommunikation in den drei Sammelgebieten zielt auf Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in der Kommunikation. Ausgehend von den

3

Nach Klaus Merten ist zu berücksichtigen, dass die Inhaltsanalyse zwar vom Text auf den Sender, den oder die Empfänger und die Bedingungen (soziale Situation) schließt, sie jedoch nicht »den (hochkomplexen) Prozeß selbst rekonstruieren [kann], dem sich der Text letztlich verdankt« (Merten 1995: 58).

D ATENAUSWERTUNG

| 157

Beschreibungen der Sammler/-innen lässt sich nach und nach eine »Typenbildung mit realistischen Erkenntnisabsichten« (Becker/Böcker/Matthiesen u.a. 1987: 305) ableiten. Der Einzelfall lässt allgemeinere Rückschlüsse zu, ohne dass an dieser Stelle schon zugesichert werden kann, hiermit alles begründen zu können. Es lassen sich am Datenmaterial abgeleitete Erklärungen herstellen, die im Anschluss auf ihre Reichweite und ihr Bedeutungsspektrum hin überprüft werden müssen. Das angewendete induktive Vorgehen strebt demnach nicht nach Möglichkeiten der uneingeschränkten Verallgemeinerung, sondern verfolgt das Ziel einer Typisierung, welche die Identifikation eines Arrangements von sozialen Handlungs- bzw. Kommunikationsmustern in einem Feld repräsentiert. Hierbei wird berücksichtigt, dass Muster wissenschaftliche Konstrukte sind, die in der empirischen Wirklichkeit nicht immer im Detail den Handlungsfiguren entsprechen (vgl. Lamnek 2010: 464ff.). Bei der empirischen Analyse von Sammelwelten ist die Selbstbeschreibung der Sammler/-innen ein erster Zugangspunkt, um sich den Sammelnden, ihrem Tun und ihrer Kommunikation zu nähern und das Überindividuell-Gemeinsame der Kommunikation über Sammeln herauszuarbeiten. Im Sinne des sozialen Welt-Konzeptes gilt es, unter anderem gemeinsam geteilte Wissensbestände und unterschiedliche Repräsentations- und Kommunikationsformen zu ermitteln. Nachfolgend werden die Schritte der Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring (2010) erläutert. Die Strukturierung und anschließende Interpretation des Datenmaterials erfolgte in vier Phasen, die in zwei Schritte unterteilt sind: • •

Aufbereitung der Daten, Entwicklung des Fragenkatalogs und Kategorienentwicklung (1. bis 3. Phase) und Darstellung und Interpretation des Materials (4. Phase).

Die erste bis dritte Phase legt die Rahmenbedingungen der Auswertung fest. Schrittweise wird durch die Form der »Strukturierung«, die nach Mayring die »wohl zentralste inhaltsanalytische Technik« (ebd.: 92) ist, ein Kategoriensystem entwickelt und » [a]lle Textbestandteile, die durch die Kategorien angesprochen werden, [...] aus dem Material systematisch extrahiert« (ebd.). Die Kategorienbildung innerhalb des Forschungsprozesses gehört zu den zentralen Problemen. Das Sichtbarmachen von sozialen Strukturen und kulturellen Praxen hängt stark von den (begrifflichen) Folien ab, mit denen gearbeitet wird. Daher ist es wichtig, die aufgestellten Kategorien auf ihre Reichweite und Leistungsfähigkeit zu überprüfen und dementsprechend zu bestimmen (vgl. Mayring 2010). Das qualitative Vorgehen begegnet diesen schwierigen Ausgangsbedingungen, indem die Auswertungskategorien entlang des vorliegenden

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Materials konzipiert werden. Dieses soll verhindern, dass ausschließlich die Sichtweise der Forscherin den Umgang mit dem Datenmaterial dominiert. Demnach erfolgt eine induktive Generalisierung des Ausgangsmaterials. Das bedeutet, die kategoriale Differenzierung ist im Material in einem bestimmten Sinne enthalten und muss durch eine systematische Analyse aufgedeckt werden. Das ist ein Ansatz, der dem »offenen Kodieren« im Verfahren der Grounded Theory ähnlich ist (vgl. Strauss/Corbin 1996: 43ff.). Dem Kodieren muss eine Art Extraktion folgen, wie sie Jochen Gläser und Grit Laudel vorschlagen: »Das Kodieren indiziert den Text, um ihn auswerten zu können; [...] Mit der Extraktion entnehmen wir dem Text Informationen und werten diese Informationen aus« (Gläser/Laudel 2010: 199). Durch das entstehende Verweisungssystem wird schrittweise die Interpretation des Materials erarbeitet (vgl. Mayring 2010: 63ff.). Die Strukturierung erfolgt, den aufgestellten Kategorien entsprechend, inhaltlich und typisierend, wobei auch formale Aspekte wie beispielsweise sprachliche Auffälligkeiten berücksichtigt werden. 4 Neben der Strukturierung nennt Mayring zwei weitere Grundformen des Interpretierens: »Explikation« (vgl. ebd.: 85ff.) und »Zusammenfassung« (vgl. ebd.: 67ff.). Die Explikation wird herangezogen, wenn ein Kontextbezug herzustellen ist, um eine verständliche Erfassung des Textes zu garantieren oder relevante Nebenpassagen zu berücksichtigen. Die Zusammenfassung dient dazu, die Materialfülle auf Kernsegmente zu reduzieren.

4.2.1 Datenaufbereitung Sowohl die Beobachtungen als auch die transkribierten Interviews wurden in ein Textverarbeitungsprogramm übertragen und im Anschluss in eine Textanalysesoftware eingelesen, um das bestehende Datenmaterial zu ordnen und somit für eine systematische Analyse aufzubereiten. Hinsichtlich der Internetforen wurde das Datenmaterial in den jeweiligen Themenbereichen der Foren gesichtet und als Originalquelle abgespeichert.5 Den einzelnen Themenbereichen der Foren wurde zur Identifizierung ein alpha-nummerischer Code zugeordnet, der sich am Aufbau des jeweiligen Forums hinsichtlich der Themenübersicht orientierte.

4

Mayring nennt als weitere Strukturierungsmöglichkeit noch die skalierende Strukturierung zur Einschätzung des Datenmaterials auf einer Skala (vgl. Mayring 2010: 101ff.).

5

Eine Übersicht der jeweiligen Themenbereiche befindet sich im Anhang der Arbeit zum Stand der Materialsichtung [24.08.2011].

D ATENAUSWERTUNG

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Diese erste Systematisierung des Materials bot sich an, da das Thema Sammeln mit seinen vielfältigen Unterthemen nicht zwangsläufig einzelnen Forumsbeiträgen zuzuordnen ist, da es in unterschiedlichen Themengebieten verwoben auftaucht. Die Struktur gewährleistet einen problemlosen Zugriff auf die Daten, ohne das Material vorschnell inhaltlich zu fixieren. Da sich die Quelle durch die Flüchtigkeit und Lebendigkeit des Internet stetig verändern kann, ist eine Fixierung des Datenmaterials zu einem bestimmten Zeitpunkt erforderlich, um die Nachvollziehbarkeit des Vorgehens zu sichern.

4.2.2 Fragenkatalog Im Anschluss an die erste Phase erfolgte eine inhaltliche Systematisierung des Materials. Diese gründet auf einem Fragenkatalog (vgl. Abb. 6), der sich ausgehend vom Datenmaterial weiterführend an dem im zweiten Kapitel vorgestellten Konzept der sozialen Welten nach Strauss (vgl. Strauss 1991, 1993a: 209ff.) und dem Konzept der pädagogischen Kommunikation von Kade und Seitter (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a) ausrichtete. Der Fragenkatalog zeichnete nicht eine Lesart des Materials vor, sondern fungierte als selegierende Orientierungshilfe, um wesentliche Gesichtspunkte aus dem Material zu extrahieren. Die unten aufgelisteten Fragen wurden demnach nicht passgenau abgearbeitet, sondern mithilfe des Datenmaterials und auf Grundlage der beiden genannten Konzepte soziale Welten und pädagogische Kommunikation sukzessiv entwickelt. Die Offenheit gegenüber dem Material (vgl. Lamnek 2010; auch Corbin/Strauss 1996) ermöglicht es, neue Zusammenhänge zu erschließen bzw. bestimmte Bereiche um weitere Erkenntnisse zu ergänzen. Der Fragenkatalog bildete die Grundlage für die Entwicklung von aus dem Datenmaterial generierten Kategorien, auf deren Basis das Material weitergehend betrachtet wurde. Folgende Leitfragen wurden an die einzelnen Dokumente herangetragen:

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Abb. 6.: Fragenkatalog zur Ergründung der Kommunikation über Sammeln

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Abb. 6.: Fragenkatalog zur Ergründung der Kommunikation über Sammeln (Fortsetzung)

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Abb. 6.: Fragenkatalog zur Ergründung der Kommunikation über Sammeln (Fortsetzung)

4.2.3 Themenbereiche und Kategorien Das Entdecken von Zusammenhängen und Strukturen des zu untersuchenden Materials im heuristischen Sinne führte zu beschreibenden Kategorien. Die Bildung der Kategorien verlief in mehreren Arbeitsschritten: Zunächst wurden die im Textmaterial angeschnittenen Themen notiert, um einen ersten Zugang zu den in dem Material zur Sprache gebrachten Welten zu erhalten. Auf die Zusammenfassung zu Themen und Themenkomplexen folgte eine Kategorienzuordnung, die möglichst der Sprache des Materials angemessen war. Nach der Durchsicht des gesamten Textmaterials wurde ein Verzeichnis aller angesprochenen Themen mit Fundstellen angefertigt. Folgende Kategorien ließen sich aus dem Material entnehmen: • • • •

Formen sozialer Kommunikationswelten der Sammlergemeinschaften bzw. der Sammler/-innen, (un-)spezifische Umgangsformen und Sprache, Typen und Typisierung der Sammler/-innen, hierarchische bzw. demokratische Strukturierung der Gemeinschaften, einhergehend mit Distinktionen, Formen sozialer Exklusion/Kohäsion (einhergehend mit spezifischen Werteverständnissen) sowie

D ATENAUSWERTUNG



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Wissensformen wie Fachwissen (Fachsprache 6 o.ä.) und Basiswissen (z.B. Orte des Sammelns, Pflege und Reparatur; Aufbewahrung und Präsentation), mit denen spezifische Praktiken einhergehen.

In einem zweiten Schritt erfolgte eine sequentielle Feinanalyse: Zunächst wurde die Kommunikation auf ihre sozialen Merkmale hin untersucht und systematisiert, um im Anschluss das Ziel einer Erhellung pädagogischer Kommunikation, die in den Welten des Sammelns zum Tragen kommt, verfolgen zu können. Gegenüber dem Alltagsverstehen wurde das Datenmaterial durch die Feinanalyse verfremdet und somit das Textverständnis in Bedeutungselemente aufgebrochen. Es erfolgt eine Expansion von Komplexität: Die Feinanalyse hat die den Anspruch des Verstehens ernst nehmende Funktion, einen auf Unerwartetes gefassten Feldzugang, d.h. eine spezifische Wirklichkeitserfahrung, zu erschließen. An dieser Stelle soll kurz auf die Kriterien und Probleme bei der Ergebnispräsentation eingegangen werden: Es stellt sich die Frage, wie die Fülle des Datenmaterials eingegrenzt bzw. auf Relevantes hin ausgedünnt werden kann. Hierbei ist das Verhältnis von Marginalien und Konstitutivmerkmalen zu bedenken: Randbereiche können im Laufe der Zeit eine Geltung für die Konstitution von sozialen Welten erlangen, während vormals zentrale Kommunikationsaspekte randständig werden. Um eine möglichst wirklichkeitsgetreue Darstellung der Ergebnisse zu gewährleisten, wird daher nachfolgend eine analytische Trennung von Überlegungen zu sozialen Welten und pädagogischer Kommunikation vollzogen. Im fünften Kapitel werden zunächst die sozialen Aspekte des Sammelns und der Kommunikation darüber mit Rückgriff auf Strauss (1991, 1993a: 209ff.) aus dem Material herausgearbeitet und anschließend im sechsten Kapitel im Hinblick auf Anlässe pädagogischer Kommunikation erörtert.

6

Ein Glossar mit den gefundenen Fachausdrücken aus den Sammelgebieten befindet sich im Anhang.

5. Das Sammeln trivialer Objekte im Vergleich: Zur Konstitution sozialer Welten »Das ist wirklich ein Spiegel der Zeit. Und früher war das so. Da war Barbie wirklich so, praktisch eine Figur aus der Geschichte. Ein Spielzeug, […] zum Erwachsenwerden.« BARBIE-PUPPEN-SAMMLERIN LISA SCHNEIDER

Das der Analyse zugrundegelegte Datenmaterial aus den drei Sammelgebieten zum Umgang mit Wissen von Sammler/-innen wird nachfolgend zunächst hinsichtlich seiner sozialen, räumlichen und zeitlichen Strukturierungen vorgestellt. Diese Rahmenbedingungen der Kommunikation verdeutlichen den Kontext der Wissenskommunikation. Daran anschließend wird gezeigt, wie die Kategorie Wissen in die Kommunikation eingeführt wird und wie diese anhand der verhandelten Themen präzisiert wird. Im sechsten Kapitel wird die Wissenskommunikation dann hinsichtlich ihrer pädagogischen Intentionalität aufgegriffen. Aufgrund der komplexen Beobachtungs-, Interview- und Forenbeitragszusammenhänge ist der Rückgriff auf Kategorien und Themenbereiche, wie sie im Kapitel 4.2.3 entlang des Materials entwickelt wurden, eine notwendige analytische Trennung, die nicht mit der natürlichen Ordnung der Kommunikation gleichzusetzen ist. Um sicherzustellen, dass nicht nur die persönliche Perspektive einzelner Sammler/-innen in den Vordergrund rückt, trugen sowohl die unterschiedlichen Interviewfragen zum individuellen Tun Sammeln und zum kollektiven Miteinander als auch die Beobachtungen und die Internetforenkommunikation dazu bei, ein umfassendes Bild über das Sammeln zu erhalten. Wie bereits im dritten Kapitel erläutert wurde, werden durch die Beobachtungsprotokolle in Form von Memos und Interviewsequenzen unterschiedliche Perspektiven auf die Thematik des Sammelns, die Kommunikation der Sammler/-innen und ihren

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Umgang mit Wissen eröffnet. Während die Interviewsequenzen die Sicht auf die Kommunikation durch einzelne Sammler/-innen beleuchten, bilden die Beobachtungsprotokolle und Forenbeiträge die Kommunikation unter den Sammler/innen ab. In jedem Beitragsfaden aus den Internetforen ist mindestens eine dialogische, zumeist eine polylogische Kommunikation enthalten: Der einzelne Beitragsfaden besteht aus einem Kern von zwei bis drei Kommunikationsteilnehmer/-innen, um den sich weitere Partizipierende ansiedeln (vgl. Stegbauer 2000). Die Extraktion der zentralen Kommunikationspunkte aus dem gesamten Datenmaterial bildet die Grundlage, um die Äußerungen der Sammler/-innen zu ihrer Tätigkeit zu bündeln und ihren besonderen Umgang mit Wissen herauszustellen. Die Kommunikation spiegelt die individuellen Perspektiven der Sammler/ -innen auf ihre Tätigkeit wieder und konstituiert zugleich ein soziales Gefüge. Außerdem wird die Kommunikation durch die verhandelten Themen strukturiert.

5.1 D IE S AMMELGEBIETE Um einen Vergleich des Umgangs mit Wissen in unterschiedlichen Sammelgebieten zu erhalten, müssen die individuellen und kollektiven Dimensionen des jeweiligen Sammelns ausgelotet werden. Durch eine kurze Einführung in die Sammelgebiete wird ein erster Überblick dieser erzielt.

5.1.1 Füllfederhalter Der Füllfederhalter als Sammelobjekt begeistert seit Mitte der 1960er Jahre eine wachsende Sammlergemeinschaft auf der ganzen Welt (vgl. Maggi/Negretti/Nencini 1990; Clark 2005). Grob lassen sich klassische und moderne Füllfederhalter unterscheiden. Letztere sind nach dem 2. Weltkrieg produziert und gelten aufgrund der Füllsysteme und Farbgebung als modern. »Füllfederhalter kann man unter verschiedenen Gesichtspunkten sammeln: Die einen fasziniert die Technik, die anderen begeistern sich für die Schönheit ausgewählter Modelle, die dritten für die Entwicklungsgeschichte der Schreibgeräte« (Clark 2005: 32). Dabei hätte die Geschichte des Füllfederhalters (vgl. Lambrou 1992), die einst mit Gänsekiel und Tintenfässern begann, im digitalen Zeitalter enden können: Doch auch in der Gegenwart bleibt der Füllfederhalter sowohl ein beliebtes Schreibgerät mit ausgefeilter Technik als auch ein Sammelobjekt. Mit Füllfederhaltern lassen sich Gedanken und Ideen festhalten und durch ihre Verwendung

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mit anderen Menschen kommunizieren. Aber auch das bloße Betrachten des Objektes bzw. ihr Besitz löst Faszination aus. »[A]ls Student […] hat […] mir [mein[…] Vater] dann […] zum Zeitvertreib ein Buch mitgegeben über […] historische Schreibgerätemarken. […] habe mich dann irgendwie so […] im Endeffekt dafür interessiert, […] dass ich dann auf Flohmärkte gegangen bin und die mal in Natura sehen wollte. Also historische Schreibgeräte, das hat mich eigentlich […] fasziniert. […] [D]as ich einmal einen alten Kaweco oder Pelikan oder was auch immer […] in der Hand […] haben wollte oder besitzen wollte. Und dann […] habe ich auf dem Flohmarkt jemanden kennengelernt, der mich angesprochen hat. […] [B]ist Du auch an historischen Schreibgeräten interessiert. [L]ass uns doch einmal treffen. Und dann haben wir uns dann abends zu dritt, da kam dann noch ein anderer dazu, getroffen und der hat mir erzählt, dass es einen Füllersammlerclub gibt. Und dann öffneten sich auf einmal die Tore für mich und ich habe dann erfahren, dass es ganz viele Sammler in Deutschland gibt. Das es organisierte Börsen gibt und so weiter. Und bin dann immer tiefer sozusagen in die Materie eingestiegen« (Interview mit Füllfederhalter-Sammler Martin Vetter: 2236).

Für die Sammler/-innen erfordert die Unterschiedlichkeit der Füllfederhalter bezüglich ihres Materials, des Designs und der verwendeten Technik 1 ein Höchstmaß an Know-how und Fertigkeiten bei Reparatur- und anderen mit dem Sammeln verbundenen Tätigkeiten, weshalb die »größtmögliche Transparenz« (Interview mit Füllfederhalter-Sammler Martin Vetter: 186) über die bestehenden Angebote des sich Treffens und des Austauschens für die Sammler/-innen relevant ist.

5.1.2 Barbie-Puppen Die Amerikanerin Ruth Handler hatte in den 1950er Jahren die Idee, eine figürliche Spielund Ankleidepuppe zu gestalten. Sie entdeckte während einer Reise in die Schweiz die Bild-Lilli-Puppe,2 die als Archetyp der Barbie-Puppe3 gilt. Die entwickelte Barbie-Puppe

1

Es lassen sich z.B. unterschiedliche Füllsysteme wie Kolbenfüller, Eyedropper, Kolbenkonverter, Druckfüller oder Hebelfüller sowie unterschiedliche Federtypen finden.

2

Die Bild-Lilli, die unter Sammler/-innen sehr geschätzt wird, basiert auf dem Comicstrip Lilli, den der Karikaturist Reinhard Beuthien im Jahr 1952 für die Bild-Zeitung entwarf und zunächst ein Dekorationsobjekt bzw. Geschenkartikel darstellte (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 606-608). Die Bild-Lilli ist aufgrund ihres Alters schwer

168 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK des Herstellers Mattel wurde 1959 erstmalig auf einer New Yorker Spielzeugmesse präsentiert und auf den amerikanischen Markt gebracht sowie Anfang der 1960er Jahre dann auch in Deutschland vertrieben (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 594-602). Seither ist die Barbie-Puppe ein fester Bestandteil vieler Kinderzimmer. »Die unbeirrbare Liebe der Kinder auf dem ganzen Erdball machte Barbie zur erfolgreichsten Ankleidepuppe aller Zeiten« (Barbie 1994: 5). Barbie symbolisiert einen Spielzeugklassiker und »ist eine Hauptfigur moderner Märchen, die Raum geben für die wechselnden Bilder des Zeitgeistes« (ebd.: 7).4 Neben der Barbie und ihren vielen Variationen existiert ein breites Spektrum weiterer Puppen-Charaktere, die z.B. als Barbies Freundin, Freund oder Cousine fungieren (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 445-447). Die-Barbie-Welt präsentiert sich hinsichtlich der Kreation von »Stammb[ä]um[en]« (ebd.: 450, auch 452), Biographien und Lebensläufen, Kleidung, sowie Lebensräumen in einer stetigen Veränderung. Aufgrund der großen Beliebtheit der Barbie-Puppe wurde bereits 1962 ein Barbie-Fanclub gegründet sowie seitdem diverse mit Barbie-Schriftzug bzw. Barbie-Bezug (z.B. Comics, Filme) versehene Merchandise-Produkte vertrieben. Die Barbie-Puppe ist eine streitbare Metapher für Mode, Trends, Schönheit, ideale Körpermaße sowie Frauen- und Rollenbilder geworden. Mit dem Ankleiden und Entkleiden der Puppe lassen sich dementsprechend unterschiedliche Themen und Variationen generieren, sich mit ihr zu beschäftigen. »Die Idee der Barbie als Sammlerstück zeichnete sich 1986 mit der ersten PorzellanBarbie […] ab. Ab 1988 erschien eine jährliche Serie von Holiday Barbies, sodass die erwachsenen Sammler ein ebenso entscheidender Teil der Barbie-Welt wurden wie die jugendlichen Fans« (D'Amato 2009: 82).

erhältlich und erzielt auf Auktionen drei- bis vierstellige Preise. Die Firma Mattel, die Ruth Handlers Mann Elliot Handler 1945 zusammen mit Harold Matt Matson gegründet hatte, brachte die Puppe 1959 auf den amerikanischen Markt (vgl. D'Amato 2009: 14; auch Interview mit Lisa Schneider: 382-427). 3

Der Name der Barbie-Puppe entlehnt sich aus dem Vornamen von Ruth Handlers Tochter Barbara.

4

Puppen als Spielzeug und Sammelgegenstand blicken auf eine lange Geschichte zurück. Die Materialien zur Puppenherstellung variieren jeweils nach der Zeit ihrer Entstehung. »Im alten Griechenland wurden Puppen aus gebranntem Ton hergestellt. Holzpuppen kamen im 15. Jahrhundert in Europa auf. Im 19. Jahrhundert waren Puppen oftmals – ähnlich den Kindern – wie kleine Erwachsene gekleidet. Die Massenproduktion von Puppen begann allerdings erst in den Fünfzigerjahren. Das Erscheinen der Barbiepuppe führte zu großen Veränderungen auf dem Puppenmarkt« (Barbie 2000: 8).

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Das mögen Gründe sein, warum weltweit über eine Viertel Millionen Menschen Barbie-Puppen sammeln (vgl. Rogers 1999: 5).5

5.1.3 Briefmarken Die Briefmarke begeistert seit Mitte des 19. Jahrhunderts Sammler/-innen in aller Welt.6 In Deutschland gibt es schätzungsweise mehrere Millionen Sammler/ -innen, was differenzierte Grade der Organisation unter ihnen hervorruft.7 Die Briefmarke als Kulturgegenstand stellt demnach ein Symbol und Zeugnis der Kommunikation und (weltweiten) Verständigung zwischen Menschen dar. Durch ihren sowohl dokumentarischen als auch künstlerischen Charakter unter-

5

Auch Ankleidepuppen anderer Hersteller ziehen die Aufmerksamkeit der Sammler/ -innen auf sich.

6

Deutschlands erste Briefmarke ist der Bayrische Kreuzer (in der Farbe Schwarz) von 1849, der in einer Auflage von ca. 90 Schalterbögen erschien. In manchen Ländern wie beispielsweise China war das Sammeln von Briefmarken stellenweise verboten (1966- ca. 1976). Es galt hier als eine bourgeoise Tätigkeit.

7

Eine genaue Angabe der Anzahl der Briefmarken-Sammler/-innen in Deutschland ist nicht möglich. Es wird von einer Zahl zwischen 3 Millionen (vgl. Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 4) aktiven und weiteren 7 Millionen mehr oder weniger aktiven Sammler/-innen ausgegangen. Die Deutsche Post hat einige hunderttausend Abonnent/-innen philatelistischer Erzeugnisse. Im BDPh (Bund der Deutschen Philatelisten), indem die organisierten Sammler/-innen vertreten sind, sind derzeit 17 Mitgliedsverbände zusammengeschlossen. Er hat etwa 50.000 Mitglieder, die in etwa 1.400 Vereinen und über 180 Arbeits- und Forschungsgemeinschaften aktiv sind. Außerdem besteht bei diesem Verband für Sammler/-innen auch die Möglichkeit, eine Einzelmitgliedschaft zu erhalten. Der Verband organisiert öffentliche Philatelistentage, auf denen Zukunftsfragen bezüglich des Fortschritts und der Veränderung der Philatelie diskutiert werden. Diese Tage bilden die Grundlage für den (internationalen) Wissens- und Informationsaustausch zu Fragen der Sammlungsgestaltung, des Ausstellungswesens, der Öffentlichkeitsarbeit, der Forschung, Literatur, Jugend- und Bildungsarbeit, Sammlerschutz und Fälschungsbekämpfung. Außerdem finden zweijährlich Bundestage (Hauptversammlungen) statt, bei denen sich die Mitglieder austauschen. Weiterhin gibt es in Deutschland mehrere größere Vertriebspartner, die Briefmarken direkt an Sammler/-innen vertreiben. Es ist anzunehmen, dass eine Vertriebsfirma in der genannten Größenordnung etwa 50.000 bis 100.000 Kunden hat (vgl. Hohenester 2011; auch Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 4ff.).

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streicht die Welt der Briefmarken – insbesondere durch ihr Vorhandensein auf Briefumschlägen und Postkarten – die Welt auf Briefmarken: (Zeit-)Geschichte und Geschichtsschreibung sowie gesellschaftliche Verhältnisse werden auf Briefmarken festgehalten, was den Bund Deutscher Philatelisten8 zu dem Resümee veranlasst: »Die intensive Beschäftigung mit Briefmarken und Postgeschichte liefert wertvolle Ergebnisse und Erkenntnisse im Bereich der Geschichte, Politik, Kultur und Völkerverständigung, um nur einige Bereiche zu nennen« (Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 7; Herv. D.W.). Der Philatelie wird als systematische Briefmarkenkunde ein Bildungsaspekt zugesprochen bzw. unterstellt und bietet in dieser Perspektive ferner Möglichkeiten, Briefmarken auch als Objekt oder eine mögliche Quelle wissenschaftlicher Untersuchungen zu fassen (Helbig o.J.).9 Dabei ist das Sammelgebiet Briefmarken weit gefächert: Es lässt sich in unterschiedliche thematische Rubriken wie Länder, Motive, Farben und Formen, historische oder gesellschaftliche Ereignisse sowie Stempel einteilen. Mehr als 10.000 Briefmarkenausgaben erscheinen jährlich weltweit, die für Sammler/-innen in (digitalen) Katalogen präsentiert und dokumentiert werden.

8

In einer möglichen Deutung setzt sich der Kunstbegriff Philatelie zusammen aus den Wörtern philos (Freund) und telos (ohne Ende) und beschreibt in Bezug auf das Sammeln die Freude dessen, was nie endet. In einer weiteren Konnotation lässt sich philos (Freund) mit ateleia (Abgabenfreiheit) verbinden: Im übertragenen Sinne befreien gestempelte Briefmarken sowohl den Absender und Sender von weiteren Abgaben bei der Postzustellung (vgl. Häger 1978).

9

In Bonn existiert seit 1998 das Haus der Philatelie und Postgeschichte, welches eine zentrale Anlaufstelle sowie Begegnungs-, Seminar-, und Tagungsstätte für Sammler/innen ist. Neben der Hervorhebung des geschichtlichen Bezugs, der auf Briefmarken abgebildet ist, lässt sich auch die (mögliche) Verklärung und Verkürzung von Geschichte durch Darstellung der selbigen auf Briefmarkenmotiven und Belegen thematisieren. Wie kritisch ist der Umgang mit Geschichte beim Briefmarkensammeln? Dieser Frage ist noch nachzugehen.

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Abb. 7: Briefmarken sortiert nach Motiven auf einer Briefmarken-Börse

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Abb. 8: Stand der Deutschen Post mit Sondermarken und Sonderstempelausgabe auf einer Briefmarken-Börse

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Anlässlich bestimmter historischer Ereignisse werden regelmäßig z.B. von der Deutschen Post – oftmals in Kooperation mit ausländischen Postgesellschaften – Sonder-, Wohlfahrts-10 bzw. Gemeinschaftsmarken herausgegeben, die in Sammlerkreisen begehrt sind und vielfach von Designern gestaltet werden. Mit diesen Herausgaben, die die Sammler/-innen als Abonnement, in Postfilialen oder bei Sammelservices und (Online-)Shops erwerben können, gehen oftmals Veranstaltungen wie Festakte oder Ausstellungen mit spezifischen Wettbewerben, Sonderstempeln und Sonderschauen sowie die Herausgabe von Hintergrundinformationen zu den abgebildeten Motiven einher. Außerdem gibt es spezifische Workshops, Seminare und Vorträge zu unterschiedlichsten Themen wie beispielsweise Fälschungen oder internationale Flugpost. Im digitalen Zeitalter ist die Faszination für Briefmarken gebrochen: Einerseits sammeln viele Menschen Briefmarken, andererseits werden Sorgen um sinkende Sammlerzahlen, eine hohe Altersstruktur 11 unter den Sammlern und ein fehlendes Interesse der Jugend am Thema Briefmarken geäußert. Mit einem spezifischen Angebot für Kinder und Jugendliche und methodisch-didaktischen Handreichungen für Schulen in Form von Drucksachen, Internet oder Messeständen wird von organisierter Seite wie beispielsweise dem Briefmarkenverband sowie engagierten Sammler/-innen versucht, Jugendliche und Neulinge für das Briefmarkensammeln zu sensibilisieren, neue (kreativ-spielerische) Formen des Sammelns bzw. andere Perspektiven auf das Sammeln zu aktivieren und somit das Sammeln von Briefmarken zukunftsfähig zu halten. Eine spezifische Jugendarbeit in Form von z.B. Jugendgruppen, Workshops in Schulen oder spezielle Jugendpreise für die Sammlungen von jungen Menschen sollen das Interesse am Briefmarkensammeln steigern.12 Besonders der bildende Aspekt in Bezug auf geschichtliches Wissen und grenzüberschreitende Kontakte werden als Vorteile des Sammelns für Kinder und Jugendliche hervorgehoben (vgl. Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 7f.).

10 Die Erlöse der Wohlfahrtsmarken werden bestimmten sozialen Projekten zur Verfügung gestellt. 11 In vielen Briefmarkenzeitschriften finden sich Nachrufe zu verstorbenen Sammler/ -innen. 12 Ältere Briefmarken-Sammler/-innen suchen daher – insbesondere auch in den Internetforen – nach Briefmarkenspenden für jugendliche Sammler/-innen.

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Abb. 9: Kostenlose Briefmarken für Jugendliche

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Neben dem Training feinmotorischer Fähigkeiten sollen Briefmarken Jugendliche neugierig und wissbegierig machen, da durch die eingehende Beschäftigung mit Briefmarken Kenntnisse über Motive und ihre (geschichtlichen) Hintergründe erlangt werden.

Abb. 10: Briefmarken zum Thema »Dinosaurier« auf einem Briefumschlag

Vor allem der Kommunikation über und der Weitergabe von Wissen an andere Sammler/-innen wird hierbei eine Bedeutung zugesprochen: »Es braucht nicht viel, sondern nur die Bereitschaft, sich damit zu befassen, hinzuhören und Wissen weiter zu geben, dann stellt sich nicht im entferntesten die Frage, ob Briefmarkensammler aussterben« (BRCb02). Der interviewte Briefmarken-Sammler Marcel König führt außerdem an, dass aufgrund der Altersstruktur in Deutschland das Sammeln von Briefmarken in naher Zukunft sogar wieder von größerem Interesse sein könnte, da die frei zur Verfügung stehende Zeit mit Betätigung gefüllt werden will (vgl. Interview mit Marcel König: 536-543).

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5.2 R AHMENBEDINGUNGEN DER W ISSENSKOMMUNIKATION In Anlehnung an Strauss (vgl. Strauss 1991, 1993a) zeigen sich in den untersuchten Sammelgebieten Kommunikationscharakteristika der Sammelgebiete, die als Rahmung und Einbettung der Wissenskommunikation unterschiedliche Kommunikationswelten mit beispielsweise differenten Typisierungen oder Hierarchieformen hervorrufen.

5.2.1 Generierung von Kommunikationswelten Die Kommunikation in allen drei Sammelgebieten ist von der Idee des Wissensaustausches getragen, jedoch geht diese in den einzelnen Sammelgebieten mit unterschiedlichen Ausformungen der Kommunikationskultur und der Gemeinschaften einher: Es lassen sich geschlossene, offene und teildurchlässige Kommunikationswelten ermitteln, die idealtypisch deutliche Kontrastierungen hinsichtlich der Gemeinschaftsausbildung erlauben. Es entstehen unterschiedliche Schattierungen der Kommunikation, die die kommunikative Praxis der Sammler/-innen und ihren gemeinschaftlichen Umgang nachzeichnen. Geschlossene Kommunikation in der Sammelwelt Füllfederhalter In der Schilderung eines ersten Gesamteindrucks spiegelt die analysierte Kommunikation der Füllfederhalter-Sammler/-innen die Identifikation der Sammler/ -innen mit ihrer Tätigkeit wider. Einerseits wird die Beschäftigung der einzelnen Sammler/-innen und andererseits ein kollektives Miteinander sichtbar, das der individuellen Sammeltätigkeit gegenübersteht. In der individuellen Ausrichtung der Sammeltätigkeit unterscheiden sich die Sammler/-innen. Es ist für sie eine Frage der Prioritätensetzung und autonomen Entscheidung, wofür sie ihr Geld auszugeben bereit sind (»[I]ch denke [ ] das jeder Mensch, also auch ein Käufer, selbst entscheiden sollte wie er sein sauer verdientes Geld ausgibt«; FAa04). Doch die Kommunikation offenbart kollektive Muster des Sammlerdaseins. Das Sammeln von Füllfederhaltern ist keine Frage des Alters (vgl. den Beitrag »Mit welchen [sic!] Alter fängt man an zu sammeln?«;(FDb02) bzw. »Ist eigentlich die Rückkehr zu alten Dingen eine typische Alterserscheinung?«; FDb12), sondern wird als ein kunstvolles Tun verstanden. Es bildet eine Schnittstelle zwischen (Selbst-)Präsentation und gesellschaftlicher Verantwortung für das »Kulturgut« (FAa40). Die Gemeinschaft der Sammler/-innen fungiert als eine nach

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innen geschlossene soziale Kommunikationswelt. In dieser sind durch ihre speziellen Praktiken sowohl weltinterne als auch -externe Grenzen feststellbar. Offene Kommunikation in der Sammelwelt Barbie Der Austausch der Puppen-Sammler/-innen ist von der Kommunikation rund um das Objekt Barbie geleitet und spiegelt einen lockeren Verbund mit dynamischen Strukturen wieder. Es handelt sich um eine offene soziale Kommunikationswelt, die sich insbesondere in den Aufrufen zum Besuch von Börsen widerspiegelt (»Alle Barbiefreunde und solche die es werden wollen[,] sind herzlich eingeladen[,] an unseren Verkaufstischen zu stöbern« (Jerling 2010; Erg. D.W.]. Die Einzelnen leisten durch den Austausch über ihre Sammeltätigkeit einen Beitrag, um die Lebendigkeit der kollektiven Kommunikation aufrechtzuerhalten. Hingegen wird das Sammeln als ein individuelles, kreatives Tun verstanden, bei dem Farben und Glanz eine große Rolle spielen (»Das ist Kunst, was Du da tust, was Du da machst« (Interview mit Stephan Walther: 132-133). Das Sammeln von Barbie-Puppen lässt sich nicht in Marginalien und Hauptbereiche unterteilen. Die Sammler/-innen stecken individuell und autonom ihren Rahmen des Sammelwürdigen ab, auch wenn es zu kurz andauernden Diskussionen kommen kann, wieso bestimmte Objekte sich eher zum Sammeln als andere eignen. Denn Detailtreue und Originalität ist für die Barbie-Sammler/-innen nicht unwesentlich. Sie sind bemüht, diese beiden Faktoren in ihrer Sammelbeschäftigung zu berücksichtigen. Die Kommunikation stärkt das individuelle Handeln, indem das Sammeldasein vom Kollektiv verstanden und nachvollzogen wird. Das Sammeln bekommt trotz seiner individuellen Note einen gemeinschaftlichen Ausdruck. Es kristallisiert sich eine eigene Sozialität heraus, die offener gerahmt ist als die im vorangegangenen Sammelgebiet. Teildurchlässige Kommunikation in der Sammelwelt Briefmarken Wie bei den beiden anderen Sammelgebieten existieren beim Briefmarkensammeln neben lokalen Formen der Kommunikation auf Tauschtagen und Börsen regionale, nationale sowie internationale Vernetzungen, die besonders durch das Internet gefördert werden. »Das Bild von Briefmarken-Sammler/-innen, die zurückgezogen ihre kleinen Schätze sortieren, pflegen und hüten, trifft die Wirklichkeit nicht einmal im Ansatz. BriefmarkenSammler/-innen sind auf Kontakte, auf Informationen und den (Aus-)Tausch mit anderen angewiesen, um ihr Hobby mit Spaß und Erfolg pflegen zu können« (Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 4).

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In der Kommunikation der Briefmarken-Sammler/-innen zeichnet sich eine sozial teildurchlässige Kommunikation ab, die sich aus offenen und geschlossenen Segmenten speist. Auch hier steht der Austausch von Wissen rund um die Sammelobjekte im Zentrum, jedoch entstehen in und durch die Kommunikation gemeinschaftliche Strukturen, die gleichsam Ein- und Ausschlüsse produzieren. Das Sammeln wird als ein anregendes Tun verstanden, da hiermit Spaß und die Beschäftigung mit einer Sache einher geht. Da es zahlreiche Spezialisierungsmöglichkeiten gibt, ist das Sammeln von Briefmarken teilweise höchst individuell ausgeprägt, so dass sich hier nur schwer Haupt- und Nebenbereiche klassifizieren lassen. »Philatelie ist ein Hobby mit […] Charme, Phantasie und Anspruch an das eigene Ich. Es vertieft die Allgemeinbildung und regt an, sich mit Neuem zu beschäftigen. Nicht zuletzt ist der hohe Retro-Gehalt dieses […] Hobbys etwas, das in unserer schnelllebigen Welt geistige Erholung und Entspannung bietet, Philatelie ist auch wie eine Sprache zu lernen. Sie beinhaltet fremde neue Begriffe und viele Fakten und Details, die es zu beherrschen gilt, will man sich mit anderen Gleichgesinnten austauschen oder eine eigene Sammlung aufbauen« (Hohenester 2011).

Das Sammeln stellt für die Sammler/-innen eine Freude und/oder Ruhe bringende Freizeitbeschäftigung dar (vgl. Interview mit Ludwig Feld: 984; Interview mit Marcel König: 19-20). Durch die Kommunikation mit Gleichgesinnten wird das bestehende Wissen erweitert und die eigenen Erfahrungen mit Literatur, Auktionen und der Sammlung an andere Sammler/-innen weitergegeben. BriefmarkenSammler/-innen organisieren sich oftmals auch in sogenannten Arbeits- bzw. Forschungsgemeinschaften, in denen sie bestimmte Sammelbereiche thematisch aufarbeiten und in Rundbriefen oder anderen Druckerzeugnissen bzw. auf CDs den Forschungsstand festhalten. »Philatelist/innen pflegen die Briefmarkenkunde und damit die systematische Erforschung der Briefmarken und Briefe, ihre Geschichte, Herkunft und Herstellung, ihre Verwendung und Beförderung« (Bund Deutscher Philatelisten e.V. 2009: 9). In der Kommunikation sind spezifische Regelungen einzuhalten (»Wir bewegen uns hier in einer einigermaßen zivilisierten Umgebung mit entsprechenden Spielregeln«; BRCj03), die die Kommunikation untereinander verbessern und das Sammeln von Briefmarken aufwerten sollen. »Ich habe nur ein Interesse daran, dass mehr philatelistisches Wissen verfügbar gemacht wird. Ich finde es gerade sehr gut, dass es hier eine Abwechslung, eine Mischung aus philatelistischem Fachwissen und alltagsbewussten [U]mgangston gibt« (BRBa08).

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Dabei wollen die Sammler/-innen jedoch keinesfalls »elitär« (BRCj03) sein, denn ein »elitäre[r] Anspruch lastet« (ebd.) den Briefmarken-Sammler/-innen stellenweise an, dem es durch eine möglichst offene Kommunikation zu begegnen gilt.

5.2.2 Umgangsformen In der Kommunikation werden zwei kontrastierende Umgangsformen sichtbar: Unterscheiden lässt sich eine spezifische Umgangsform bei den FüllfederhalterSammler/-innen von einer unspezifischen Umgangsform bei den Barbie-Puppenund Briefmarken-Sammler/-innen. Spezifische Umgangsform In der Kommunikation der Füllfederhalter-Sammler/-innen herrscht eine spezifische Umgangsform vor. In den Forumsregeln ist, der im dritten Kapitel beschriebenen Netiquette entsprechend, als Kommunikationsvoraussetzung ein höflicher Umgangston festgelegt. Das Regelwerk der Kommunikation lehnt sich an Umgangsformen kommunikativer Alltagsverständigung an und ist darüber hinausgehend sehr spezifisch. Als »Qualitätsindikator« (FDb10) der Kommunikation fungiert die konkrete Anspruchsformulierung einer bestimmten »Etikette« (FAa08), auf die es zu achten gilt: »[W]ir beschäftigen uns in diesem Forum überwiegend – aber nicht ausschließlich – mit [...] Schreibgeräten [...] der [Name der Füllfederhaltermarke]. Wir haben eine hohe Affinität zu dieser Marke. Wir haben einen hohen Anspruch an uns selbst. Sollten wir daher nicht auch einen hohen Anspruch an die Form unserer Kommunikation miteinander haben? [...] [L]asst uns wenigstens so viel Zeit nehmen, dass wir in ganzen Sätzen, mit Anrede und Schlußzeile unsere Kommunikation führen« (FDb10).

Die Etikette spiegelt sich auch anhand der virtuellen Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln wider. Beispiele hierfür sind: • • •

»Hallo Experten, Sammler und Menschen mit gutem Geschmack« (FAd04) »Hallo Marc und auch dem Rest der Community einen schönen guten Abend« (FAa08) »Ich möchte mich vorab für die Mühe bedanken und verbleibe mit den besten Empfehlungen« (FAa16)

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Entgegen der Anspruchsformulierung lassen sich in der Sammler/-innenschaft schwarze Schafe ausmachen, die die Höflichkeitsregeln missachten. Konkrete Formen der Regelverletzung führen zu allgemeinen Erörterungen und deutlichen Reaktionen: »[M]einer Meinung nach hat sich in letzter Zeit stellenweise eine Art des ›Miteinander Umgehens‹ breit gemacht, die, vorsichtig formuliert, etwas ruppig ist. Eigentlich sollte es [...] möglich sein, die von uns allen akzeptierte ›Nettiquette‹ [sic!] einzuhalten, die Anderen zu begrüßen und sich auch zu verabschieden, oder? Ich würde mich freuen, wenn wir unsere Sammelleidenschaft in einer angenehmeren Atmosphäre teilen könnten« (FDb13). »[N]ach mehr als 20 Postings solltest Du [...] mitbekommen haben, dass wir auf eine gewisse ›Etikette‹ bei uns Wert legen. Dazu gehört (unter anderem) auch eine Anrede von mehr als ›Hi‹ oder ›Hallo‹ und vor Allem eine Grußformel mit Nennung des richtigen (!) Namens am Ende des Postings« (FAa08).

Unspezifische Umgangsformen Hingegen wird in der Kommunikation der Barbie-Puppen- und BriefmarkenSammler/-innen eine unspezifische Umgangsform gepflegt. Der Austausch dieser Sammler/-innen ist in Bezug auf die Formulierung von Ansprüchen unverbindlich. Es werden zwar individuelle Wert- und Zielvorstellungen ausgehandelt, diese sind aber in der Kommunikation nicht statisch fixiert. Die Kommunikation der Barbie-Puppen-Sammler/-innen ist durch einen freundlichen Umgang geprägt, der mit Formen kommunikativer Alltagsverständigung vergleichbar ist. Eine normative Ebene, wie die Kommunikation zu führen ist – wie sie bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen auftritt – bleibt aus. Die lockeren Strukturen der Kommunikation zeichnen sich z.B. in der Anrede und Verabschiedung innerhalb eines Beitrags ab, wie nachfolgend exemplarisch belegt wird: • • •

»Hallo, habe mal wieder eine Frage an die große Barbiegemeinschaft« (BAa13) »Viele Grüße, Daniel & Angela« (BAa21) »Viele Sammlergrüße, Michael« (BAc03_2)

Fehlende Anreden und Verabschiedungen werden in der Kommunikation nicht kritisiert. Der Umgang ist geprägt durch Höflichkeit, die nicht verhandelt wird, sondern als gegeben angesehen werden kann.

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Bei den Briefmarken-Sammler/-innen lässt sich eine ähnlich gelagerte unspezifische Umgangsform feststellen. Auch diese Kommunikation zeichnet sich durch Freundlichkeit aus und wird größtenteils nicht normativ geführt, auch wenn es hin und wieder Kommunikationsmuster wie z.B. formale Anreden gibt: • • •

»Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Philatelisten und Sammlerfreunde« (BRGb06) »Hallo Stempe[l]freunde« (BRGd01) »Liebe Sammlerfreunde« (BRBa08)

Fehlende Anreden bzw. Verabschiedungen werden in der Kommunikation nur äußerst selten kritisiert, jedoch werden Erfordernisse an die Kommunikation gestellt, was die Einhaltung von Verhaltensregeln, wie z.B. der Netiquette, angeht. Aufgrund der Wichtigkeit junger Sammler/-innen für den Fortbestand des Sammelgebietes Briefmarken werden neue Kommunikations- und Sammelformen ausprobiert und wichtige Aspekte des Sammelns in Leitfäden, die dann auch digital zur Verfügung stehen, zusammengestellt.

5.2.3 Typisierungen: Formen und Ausprägungen In der populären und auch der wissenschaftlichen Literatur, die sich mit dem Sammeln von Kunst oder anderen Objekten beschäftigt, werden Sammler/-innen typisiert, um durch Typisierungen unterschiedliche Charaktere des Sammelns herauszuarbeiten. Einerseits ließen sich unter dem Aspekt der Aneignung und Verfügung bzw. Verfügbarkeit von Objekten (vgl. Ecker/Breger/Scholz 2002) Sammler/-innen als Herrscher/-innen oder Beherrschte von Welt verstehen (vgl. Tesan 2011: 12ff.; auch Raptor 2000a: 54) und hiermit die Frage nach einer Macht und der Widerständigkeit der Dinge stellen (vgl. König 2012). Andererseits verkörpert das Sammeln einen individuellen Ausdruck, die Interessen und den Lebensstil von Persönlichkeiten, die sich in und durch die Sammlungen ausdrücken (vgl. Clifton-Mogg 2009). Es entstehen somit unterschiedliche Sammler/-innenfigurationen, z.B. Entdecker, Perfektionist/-innen und Naturkundler (vgl. ebd.), Konformisten und Nonkonformisten (vgl. Jocks 2011: 43f.) sowie mitunter abwertend Frustrierte oder Mitläufer (vgl. Kampowski 2008: 23ff.), die mit den Selbstdarstellungen und -beschreibungen der Sammler/-innen, wie sie in der untersuchten Kommunikation auftreten, wenig gemeinsam haben.

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Selbstbeschreibungen der Sammler/-innen als (Re-)Präsentation Allgemein ist Sammler/-in sein einerseits eine Form der Selbstpräsentation sowie eine Zustandsbeschreibung als eine Lebensform (vgl. Raptor 2000, 2000a), die ihren Ausdruck in der Tätigkeit des Sammelns und der Sammlung wiederfindet. Andererseits zeichnet sich eine spezifische Austausch- und Kommunikationskultur ab, die sich – exemplarisch anhand der Internetforen gezeigt – in einem spezifischen Vorstellungsmuster widerspiegelt: »Hallo zusammen, nachdem ich ein paar meiner älterene [sic!] Testberichte schon eingestellt habe, möchte ich mich den Teilnehmern dieses Forums kurz vorstellen. [...]Meine Sammelleidenschaft begann erst vor wenigen Jahren [...] inzwischen habe ich mich hauptsächlich auf die ›großen‹ Serien und historische Schreibgeräte konzentriert. [...] Außerhalb meiner Sammelleidenschaft beschäftige ich mich gerne mit Technik [sic!] Literatur und vor allem Musik. Seit meinem fünften Lebensjahr spiele ich Klavier und inzwischen auch zunehmend öffentlich. In diesem Sinne hoffe ich auf einen anregenden Meinungsaustausch« (FCa09). »Hallo alle lieben Barbiefreunde, ich heiße Celina und bin nun als Barbie Adoptivmutti zu euch gestoßen. ich habe einen ganzen Karton von verschiedenen [B]arbies [...] und brauch[e] eure Hilfe« (BAe06). »Hallo Gemeinde! Ich möchte mich mal kurz vorstellen. Ich bin ein wahrscheinlich untypischer Neusammler, Mitte 40 und nach fast 30Jahren nun wieder neu ›im Boot‹. Bis etwa zu meinem 14/15Lebensjahr habe ich Welt und BRD gesammelt. Ist aber alles längst gegen andere Sammelgebiete vertauscht. Wie komme ich nun also doch wieder zur Philhatelie [sic!]? Meine Großeltern stammten aus unterschiedlichen Gegenden des Sudetenlandes. Nachdem diese nun seit[…] 16 bzw.19Jahren verstorben sind begann nun vor einiger Zeit wieder das Int[e]resse am Thema ›Sudetenland‹ zu wachsen. Ich sage im Voraus schon mal herzlichen Dank und bin gespannt auf die gesammelten Anfänger(denk)fehler welche ich unausweichlich begehen werde« (BRBb04).

Das zentrale Bindeglied der Kommunikation bildet die Kernaktivität Sammeln. Daher beschreiben die Sammler/-innen oftmals ihren biografischen Sammlerwerdegang (z.B. Zeitraum, eventuelle Spezialisierung), berichten über ihre Sammelvorlieben oder äußern sich direkt zum Kommunikationsanlass (z.B. konkretes Anliegen, Suche nach Tipps oder Expertenrat). »Ich glaube, dass Entwicklungen, Werdegänge zu schildern ist immer besser als Zustände, sage ich mal. Das ist zumindest das, was ich meine. […] [W]eil man das nachvollziehen

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kann. ... Unser Leben spielt sich ja auch in der Zeit ab« (Interview mit Stephan Walther: 152-155).

Außerdem formulieren sie, mit welchem Interesse sie sich z.B. im Forum bewegen und welchen Beitrag sie im virtuellen Sammelkollektiv leisten möchten (»Hallo liebe Barbie-Community, als ›Neuling‹ möchte ich gerne zur allgemeinen Info beitragen und die mir bekannten Barbietermine veröffentlichen.«; BBb03). Wenngleich der Bezugspunkt des Sammelns im Mittelpunkt steht, kommt ferner Persönliches wie z.B. das Aufgehoben sein in der Gemeinschaft (»Hallo ihr lieben Gleichgesinnten [sic!] Hab vor 2 Wochen dieses Forum entdeckt und fühle mich hier ganz wohl, endlich!«; BGb01) und statistische Angaben zu Alter und Wohnort, zum Tragen. Außerdem werden mitunter Angaben zur Freizeitgestaltung und weiteren Interessen gemacht, wodurch die individuelle und kollektive Begeisterung für das Sammeln demonstriert wird. Die Sammler/-innen verbinden mit der Kommunikationsmöglichkeit einen Wunsch bzw. die Erwartung, dass andere Kommunikationsteilnehmer/-innen ihnen in ihrer Weise nützlich sind. In den im Internet sowie den durchgeführten Interviews gefundenen Selbstbeschreibungen der Sammler/-innen wird anhand der Schilderungen ihres biografischen und sammlerischen Werdegangs der Prozesscharakter des Sammelns transparent: Sammler/-in sein ist ein Prozess, in dessen Verlauf sich die Sammler/-innen ausbilden und spezialisieren. Die Sammler/-innen beschreiben vielfach den Beginn des Sammelns in der Kindheit oder frühen Jugend. In der Phase von Berufs- und Beziehungsfindung stagniert das Sammeln dann in einer Art Latenzzeit (»Aber man kommt dann so in das Alter, man ist Teeny. Man verbannt das dann. Man muss sich, man nabelt sich ab. Ist ja auch normal«; Interview mit Lisa Schneider: 266-268; vgl. auch Interview mit Ulrike Schmid: 30; Interview mit Marcel König: 14-15) und mündet dann in einer Wiederaufnahme während oder nach der Ausbildung bzw. im mittleren Lebensalter (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 27-28; Interview mit Marcel König: 15-21). Sammler/-in zu sein bedeutet, sich von anderen Sammelnden mitunter zu unterscheiden bzw. unterscheiden zu wollen, weshalb die Sammler/-innen in ihrer Kommunikation unterschiedliche Selbstbeschreibungen und -charakterisierungen anfertigen. Die Sammler/-innen bilden auf diese Weise unterschiedliche Typen und Typisierungen aus. In zeitlicher Perspektive beschreiben die Sammler/-innen als den Beginn des Sammelns ein (oftmals zufälliges) Erlebnis, eine Begegnung oder eine Entdeckung, welche zumeist erst im Nachgang als Schlüsselerlebnis für den Sammelanfang deklariert werden können. Kindheitserinnerungen, Familienerlebnisse, vertraute Personen (beispielsweise Vater, Mutter

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oder Verkäuferin in einem Geschäft) bilden die entscheidenden Merkmale für den Sammelbeginn und die Wurzeln der jeweiligen Sammlung (vgl. alle Interviews). Oftmals können sich die Sammler/-innen nicht vorstellen, eines oder mehrere ihrer gesammelten Objekte wieder herzugeben. Zumeist bleibt das erste gesammelte Objekt dauerhaft Bestandteil der Sammlung, während andere Objekte auf dem »Sammelweg« (Interview mit Ludwig Feld: 153) durch Spezialisierungen wieder abgegeben oder durch andere Sammelobjekte ausgetauscht werden. Latente, transparente und diffuse Typisierung Im zweiten Kapitel wurde bei der Deskription des Konzepts der Sozialen Welten von Strauss die Position Schützes aufgegriffen, die bei der Entwicklung und Institutionalisierung sozialer Welten die Ausbildung von signifikanten »Aktortypen« beschreibt (vgl. Schütze 2002). Das vorliegende Datenmaterial weist Selbst- und (Fremd-)Zuschreibungen einzelner Kommunikationsteilnehmer/-innen auf, die von den anderen Beitragenden in der Kommunikation adaptiert und akzeptiert werden. Folglich lässt sich beispielsweise nicht von der Briefmarken-Sammlerin schlechthin sprechen, sondern es lassen sich unterschiedliche (Ideal-)Typen beschreiben, die sich sowohl systematisch als auch in ihrer kommunikativen Sichtbarkeit voneinander abgrenzen lassen. Mit ihnen werden spezifische Rollenverständnisse und Hierarchiestufen ausgehandelt. Im Material lassen sich folgende Typen extrahieren, die in der Kommunikation mehr oder minder stark ausgeprägt sind. Die Sammler/-innen setzen sich mit diesen Typisierungen in unterschiedlicher Weise auseinander. Denn es ist »eine Definitionsfrage, […] ab wann […] sagt man, behauptet man, man von sich selber, dass man […] Sammler ist« (Interview mit Martin Vetter: 491-492). Das Typisierungsmuster in der Kommunikation der Füllfederhalter-Sammler/-innen ist durchweg transparent. Ungleich der Typenverständnisse und -aushandlungen bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen formulieren die BarbieSammler/-innen ihre Typen nicht deutlich aus. Sie operieren zwar mit Begriffen wie Anfänger/-in und Experte/Expertin, tun dieses aber vielmehr implizit und selten explizit. Die Charaktere sind diffus beschrieben und lassen sich daher nicht eindeutig zuordnen. Demzufolge handelt es sich um ein Ensemble unterschiedlicher Charaktere. Die Briefmarken-Sammler/-innen hingegen kommunizieren die von ihnen verwendeten Typisierungen, nutzen jedoch die Typisierungen weniger scharf und eindeutig und bleiben somit mit ihrer Typisierung undurchsichtig. In der Kommunikation zeigt sich deutlich der deskriptive und bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen zugleich auch wertende Unterschied zwischen Laien einerseits und Profis bzw. Expert/-innen andererseits. Zwischen die-

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sen beiden Typen stehen die Anfänger/-innen, die sich entweder in die eine oder in die andere Richtung bewegen können. Die Differenz zwischen den Typen kristallisiert sich im Umgang mit (Pflege, Nutzung, Aufbewahrung usw.) und in der unterschiedlichen Bewertung der Sammelobjekte heraus: »Am Anfang ist es wirklich so: Am liebst, also man, erst ma, man wird von dem Angebot erschlagen, von den ganzen Serien, die es so gibt. Und am liebsten würde man alles sammeln. Und erst mit der Zeit kristallisiert sich überhaupt heraus, wo, wo man also die, die größte Affinität zu hat« (Interview mit Barbie-Puppen-Sammlerin Ulrike Schmied: 139143). »Also ganz generell kann man sagen: Man fängt eigentlich immer mit den Dingen an, die man kennt. Auch mit den Schreibgerätemarken und so. Und irgendwann, wenn man dann selber von sich behaupten würde, man ist ein Sammler und hat vielleicht mehr Ahnung als andere, hat man vielleicht auch das Gefühl, man möchte das ausdrücken, indem man andere Produkte nutzt als derjenige, der sich nicht damit auskennt. Und viele fangen immer mit Montblanc und Pelikan an und so weiter und ähm gehen dann aber über und spezialisieren sich auf bestimmte Marken, die es nicht mehr gibt oder die ganz selten sind und so weiter. Und suchen da ihre Nische. Ja. Aber ansonsten ist der Sammlermarkt sehr heterogen und ... das kann ich jetzt gar nicht sagen. Also es gibt auch keinen Trend zu historischen Schreibgeräten oder einen Trend zu, zu einer bestimmten Marke oder so etwas. Ganz im Gegenteil. Also da gibt es wirklich ganz unterschiedliche Sammelgebiete« (Interview mit Füllfederhalter-Sammler Martin Vetter: 404-415).

Laie Die Laien sind durch ein Un- bzw. Halbwissen gekennzeichnet, welches sie (noch) ungezielt einsetzen. In ihren Aussagen machen sie ihren Wissensstand häufig explizit kenntlich, wie sich anhand folgender Formulierung erkennen lässt: »In meinen Augen kommt es darauf an, ob die Schreibgeräte neu sind, oder schon benutzt wurden. [...] aber ich bin kein [P]rofi !« (FAa02) Die Laien haben Gefallen an der Kommunikation, ihr Sachverstand ist aber unzureichend. Ein Forumsbeitragsfaden im Bereich Füllfederhalter ist betitelt mit »[B]evor man dumme [F]ragen stellt« (FAa06). Dieser Beitragsfaden dient der ausgiebigen und wertenden Erklärung (von Seiten der Expert/-innen), wie anfangende Sammler/ -innen vorgehen sollten, um sich Informationen zu beschaffen.

186 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK »Liebe ›Newbees‹, oder wie wir in Deutschland sagen sollten Neulinge, Immer wieder tauchen bei vielen Neulingen Fragen auf, die man sich aber selbst beantworten könnte, wenn – ja wenn – vorher in den richtigen Büchern nachgelesen worden wäre. Als absolutes MUSS für jeden Sammler historischer [Name der Füllfederhaltermarke] Schreibgeräte ist das Buch [Name des Buches] von [Name des Autoren] [...] Für den Zeitraum von ca. 1950 bis ca. 1980 gibt es ein weiteres Buch von [Name der Autoren] [Name des Buches]. Diese beiden Bücher sollte jeder [Name der Füllfederhaltermarke] Sammler erst einmal erwerben, lesen und wenn dann noch Fragen sind – und das können viele sein – sollte er sie im Forum stellen. [...] wirklichen Neulingen helfen wir natürlich immer gerne! Aber bei Forum-Mitgliedern mit mehr als 30 Beiträgen werden wir ggf. nur noch auf die Bücher und vielleicht [...] noch auf die Seite verweisen« (FAa06_01). »Ich konnte als Laie nie, nie richtig sagen: Ja mein Gott, wo ist denn jetzt der Unterschied? Das sieht doch alles gleich aus. Aber da gibt es dann so […] ganz feine Dinge im Gesicht, zum Beispiel die, die eine hat gebogene Augenbrauen. Die andere hat so eckige Augenbrauen, die dritte hat das Weiß größer in der Iris« (Interview mit Ulrike Schmied: (295-299).

Die Beitragsausschnitte markieren die Differenz zu den Anfänger/-innen: Der Laie ist sich seines geringen Sachverstandes mehr oder minder bewusst, ist jedoch nicht unbedingt an einer Veränderung dieses Zustands interessiert. Anfänger/-in Die Anfänger/-innen sind durch ihren Sammelbeginn und die damit verbundene Vielzahl von Fragen und Unklarheiten deklariert (z.B. »ich kenne mich mit Barbie und dem Rest überhaupt nicht aus.«; BAa31), die sie über die Kommunikation zu verringern suchen, um Hilfestellung beim Sammeln zu erhalten und nach geeigneter Fachliteratur zu fragen. Sie möchten durch Beschäftigung und Geduld ihr Wissen erweitern und zum Profi aufsteigen. In den Internetforen wird bereits durch den Titel des jeweiligen Forumsbeitrags die Suche nach Hilfe kundgetan (»Hallo ich bin ein Anfänger und brächte [sic!] Hilfe«; FAa16 oder »Jetzt geht es los...Anfängerin in edlen Dingen.«; FAd07). In der Regel werden Anfänger/ -innen freundlich in die Gemeinschaft aufgenommen.13 Sie wissen um die Qualität der Expert/-innen, wenngleich sie noch nicht mit allem, was zum Sammeln gehört, vertraut sind:

13 Es gibt bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen aber deutliche Ausnahmen, wenn die Anfänger/-innen die Etikette nicht einhalten.

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»ich habe mich vor einer Woche entschlossen, [i]n die Welt der Füllfederhalter Sammler einzutauchen. Aus diesem Grund habe ich schon seit einigen [T]agen als Gastleser in eurem Forum gelesen und meiner aufflammenden Faszination immer mehr futter [sic!] gegeben, Sodass [sic!] ich mich entschlossen habe mich heute hier zu registrieren. Erschwerend kommt dazu das[s] ich mir heute meinen ersten [Name der Füllfederhaltermarke] [...] ersteigert habe. [A]uf die Gefahr hin das ich als blutiger Anfänger die ›alten‹ Sammler Hasen unter euch nerven könnte würde es mich sehr freuen, wenn ihr so freundlich sein könntet und mir bei der Bestimmung meines ersten Füller zu helfen. Die Auskünfte der Verkäuferin sind sehr mager und somit gestaltet sich das ganze umso schwerer für mich« (FAa16). »ich habe vor einigen Monaten die Briefmarkensammlung von meinem Vater geerbt und möchte mir nun einen Überblick über den Wert der Sammlung verschaffen. Da mein Vorwissen bzgl. Briefmarken leider gegen null tendiert, stehe ich hier gerade vor einer riesen Hürde. Je mehr ich google bzw. hier im Forum lese desto mehr Fragezeichen erscheinen um meine[n] Kopf« (BRCc02). »Und […] dann, sagen wir mal […] und ich habe dann damals erst einmal, klar, den Fehler macht jeder, […] mein[e], man kauft, was das Budget hergibt und was man kriegen kann, querbeet« (Interview mit Ulrike Schmied: 152-154).

In der Kommunikation der Barbie-Puppen- und Briefmarken-Sammler/-innen werden besonders die Vorteile einer größeren Sammler/-innenschaft hervorgehoben: Eine Vielzahl von Sammler/-innen bedeutet nicht Konkurrenz, sondern bietet bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen beispielsweise die Chance, dass eine größere Anzahl Puppen aus dem normalen Verwertungszusammenhang – sprich dem Puppenspiel von Kindern – herausgelöst und in den SammlerUmlauf hinein gelangt. Für die Anfänger/-innen wird es als wichtig erachtet, dass sie die Puppen mit ihren eigenen Augen auf Veranstaltungen wie Börsen oder Messen prüfen und sich hierdurch Sachkenntnisse aneignen. Bei den Briefmarken-Sammler/-innen sollen extra erstellte Leitfäden (»BriefmarkenABC für Anfänger und Hilfesuchende«; BRCc01) die Anfänger/-innen unterstützen. Durch den kommunikativen Austausch mit anderen Sammler/-innen wird auf Dauer die Kommunikation durch ein Mehrwissen angereichert.

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Profi bzw. erfahrene Sammler/-in Als dritter Charakter lassen sich die Profis bzw. erfahrene Sammler/-innen beschreiben, die durch Sachverstand und Erfahrungsreichtum bei der Sammelrecherche gekennzeichnet sind. Erfahrene Sammler/-innen sind im Gegensatz zu den anderen Typen nicht explizit als solche in der Kommunikation benannt. Aber aufgrund ihrer Kommunikation und der Kommunikation in Bezug auf sie, lässt sich ihr Typ beschreiben. Sie haben vielfältiges Wissen, welches sie gerne weitergeben und in der Kommunikation weiterentwickeln. Folglich werden Profis und erfahrene Sammler/-innen oftmals um Rat gefragt, sind sich aber zeitgleich darüber bewusst, dass sie (noch) nicht alles wissen und geben daher manche Fragen an die Expert/-innen ab. »Bevor ich Dir einen Rat geben kann, müßte ich erstmal [sic!] wissen, welche Art von Puppen Du suchst. Genauso unterschiedlich würden dann meine Empfehlungen ausfallen. Sammelst Du also eher Collector Dolls, ältere Playline Puppen, komplett neue Playlines oder gar noch was anderes? Wenn Du trotzdem schon mal stöbern magst, schau doch mal in unsere Links-Sektion, da findest Du sicher auch ganz gute Ausgangspunkte. Viel Spaß im Forum« (BFA04). »Ich sage zum Beispiel auch, wenn einer neu ist: Wenn Sie irgendwelche Fragen haben oder irgendwelche Bedenken haben, wenn Sie mit jemanden tauschen oder mit jemanden zusammen irgendetwas machen, fragen Sie mich« (Interview mit Fred Mayer: 607-610).

In diesem Kontext wird ersichtlich, dass das Sammeln in der Barbie-Welt als äußerst individuelle Tätigkeit aufgefasst und betrieben wird. Das persönliche Gefallen am Sammeln und dem jeweiligen Gegenstand steht im Zentrum der Beschäftigung. Das führt dazu, dass eigene Erfahrungen beschrieben (»Ich hab anfangs alles gesammelt und schnell gemerkt, dass das zu viel wird. Dann hab ich mich auf Vintage [...] spezialisiert und jetzt ist auch noch Mod [...] dazugekommen.«; BAa50) und Hilfe bei der Literatursuche und -auswahl gegeben werden. Denn es gibt »kein Buch mit ALLEN Barbies [...] da einfach die Fülle der Barbies ein einziges Buch schlicht sprengen würde« (BEa04; Herv. i.O.). Kein Tipp wird als Muss präsentiert, sondern als Empfehlung ausgesprochen. Die Hilfsbereitschaft untereinander, was das Ausleihen, Kopieren und Verweisen auf Literatur anbelangt, ist sehr groß. Die erfahrenen Sammler/-innen heben sich durch ihren Wissensvorsprung von den Anfänger/-innen ab. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen haben sie Verständnis für die Anfängersituation. Sie sind durch die Präsentation ihrer Erfahrungswelt und die Weitergabe von Tipps bemüht, den Anfänger/-innen bei ihrem persönlichen Sammelanfang zu helfen.

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Die Profis bzw. erfahrenen Sammler/-innen zeichnen sich durch ihre fortlaufende Lernbereitschaft aus. Sie versuchen, ihren Wissensfundus auszuweiten und sich als Profis/erfahrene Sammler/-innen zu bewähren und zu etablieren, um dann eventuell als Expert/-innen anerkannt zu werden. Daher ist die Differenz zu den Expert/-innen fließend. Experte/Expertin Die Expert/-innen sind dadurch gekennzeichnet, dass auf ihr umfangreiches Wissen und ihren Sachverstand explizit zurückgegriffen wird (»Hallo an alle MB Experten, Bitte ergänzt mein Unwissen, es hindert mich nämlich bei meiner Entscheidung der Wahl der Federstärke.«; FAa03). »Ja, weltweit gibt es, ich würde mal sagen, im Schreibgerätebereich vielleicht 100 Leute, die richtig gut sind. Die wirklich viel, viel Erfahrung haben. Und an die hängen sich die anderen natürlich dran und versuchen da ihr Wissen heraus zu ziehen. Zumal, zumeist sind diese 100 Leute die, die auch wirklich schon ewig sammeln. Die auch wirklich viel schon hatten und sich wirklich mit dem Material auch beschäftigen. Und nicht nur einkaufen und weglegen, sondern die Teile auch auseinander bauen. Mal gucken, was dahinter steckt. ... Und die auch sich nicht nur für die Stifte interessieren, sondern auch schon mal Kataloge kaufen, alte Werbung, sich auch für die Geschichten der Firmen interessieren. Das sind eigentlich die, die die meiste Ahnung haben« (Interview mit Füllfederhalter-Sammler Jens Schulz: 212-221). »Also, das ist dann schon mal so. […] Also die meisten, die dann hier anrufen, die wollen ja was. Die wollen dann ihre Puppe reparieren lassen oder suchen eine, die sie hatten. Oder wollen was abgeben. Die haben ja ein Ziel. Und […] die sehen […] mich dann als Experte und verhalten sich auch so. Also, da habe ich noch nie was Negatives gehabt.« (Interview mit Frau Schneider: 1014-1019).

Expert/-innen verfügen im Vergleich zu den anderen Typen über den größten Wissensfundus (»[I]st doch immer gut wenn man etwas nicht genau weiß, aber weiß wo es [L]eute gibt[,] die einem helfen können«; BREe07). Als Wissenshilfe dienen den Expert/-innen hauptsächlich die einschlägige Fachliteratur14 und die Recherche diverser Internetseiten (vgl. Interview mit Jens Schulz: 317-320).

14 Für Briefmarken-Sammler/-innen besteht die Möglichkeit, in einer der beiden deutschen philatelistischen Bibliotheken Bücher – auch per Fernleihe – auszuleihen (vgl. Interview mit Klaus Wagner: 643-645; Interview mit Ludwig Feld: 85; Interview mit Marcel König: 229-233).

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Die Expert/-innen werden oftmals direkt in der Kommunikation aufgefordert, sich zu bestimmten Fragen und Themen zu äußern: »ich kenne mich nicht mit den [B]arbie [B]üchern aus, deswegen frage ich mal die [E]xperten unter euch ob mir jemand nen [T]ipp für ein [B]arbie [B]uch geben könnte was sich ausschließlich über die [Barbies der 80er und 90er [J]ahren handelt?« (BNCb02)

Durch ihre Wissensbestände heben sich die Expert/-innen deutlich von den anderen Typen ab und gelten darüber hinaus gesamtgemeinschaftlich als Expert/ -innen und Berater/-innen. Diesen Ruf verteidigen sie stellenweise auch durch ihre Äußerungen. Sie setzen Vorstellungen über das Sammelvorgehen in Kraft und von Seiten der Gemeinschaft wird ihr Expertenstatus, der nur wenigen zugesprochen wird, bestätigt. Die Expert/-innen sind seriös, vertrauenswürdig und haben ein »ungeheueres [sic!] Fachwissen« (FAa08). »Wir wissen alle das Fachwissen von Holger und ›unseren‹ anderen Experten zu schätzen. Aber die sind auch nicht immer allwissend. Deshalb setzen sie sich hin, blättern in Prospekten und/oder Büchern, um dann anschließend die gestellte Frage hier im Forum zu beantworten. Und da geht mit Sicherheit auch schon einmal 1, 2 oder 3 Stunden Freizeit ›fürs studieren‹ drauf« (ebd.).

Die Expert/-innen sehen ihre Verantwortung in der Aufgabe, den Anfänger/ -innen als Beratung zur Seite zu stehen und Tipps zu geben, wie man das Sammeln richtig angeht (»Für Anfänger ist eine solche Auktion [...] nicht unbedingt der geeignete Ort, die Sammlung zu erweitern. Dafür ist ein Besuch einer Schreibgerätebörse sicherlich geeigneter.«; FFb04). Jedoch ist festzustellen, dass selbst die Expert/-innen nicht allwissend sind. Daher tauschen sie sich im Expertenzirkel oder mit den anderen Charakteren der Sammler/-innengemeinschaft aus, um dazu zu lernen (»Wie ich immer sage: Man lernt nie aus.«; FAa36). Unter Ihresgleichen sind sie aufgefordert, ihren Status zu verteidigen: »[I]ch bin entsetzt! Gerade von Dir hätte ich diese Aussage nicht erwartet, es sei denn, Du willst uns alle ›auf den Arm nehmen‹? [...] Die Ähnlichkeit mit [Name der Füllfederhaltermarke] (und anderen Herstellern) ist seitens dieses ominösen Herstellers sicherlich beabsichtigt – aber da liegen doch WELTEN zwischen Anspruch und Wirklichkeit!« (FAc07; Herv. i.O.)

In ihrer deutlichen Abhebung von den anderen Typen fungieren die Expert/ -innen einerseits als Vorbild für Laien, Anfänger/-innen und Profis. Andererseits

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verdeutlichen sie, dass die intensive Beschäftigung mit der Materie Sammeln unabdingbare Voraussetzung ist, um überhaupt als Sammler/-in zu gelten. Doch die Expert/-innen sind nicht heilig. Sie haben einzelne Kritiker, die das Auftreten der Expert/-innen als überzogen und elitär ansehen. Eine solche massive Kritik wird von den meisten Sammler/-innen nicht geteilt. Sie sehen die Relevanz der Expert/-innen als ausgesprochen hoch an, indem letztere über das Sammeln, ihre Erfahrungen und ihr Wissen kommunizieren: »Es geht doch gar nicht darum, dass jemandem ›ein Zacken aus der Krone‹ fällt, vielmehr geht es [...] um Aufrichtigkeit. [...] Ich finde es untragbar, wenn Du [...] Dieter angreifst. Und was wäre die Alternative? Dieter, Peter, Gerd, Helga, Sascha und andere Experten verlieren irgendwann (und leider auch nachvollziehbar) die Lust, sich hier im Forum weiter an Diskussionen zu beteiligen (zumal dies hier wirklich nihilistische Kunstdiskussionen sind und uns alle nicht weiter bringen). Naja und dann? Dann könnte ich das Forum auch gleich schließen, weil es ohne unsere Experten keinen Sinn machen würde. Deshalb hier ein ganz herzliches Dankeschön an alle unsere Experten!!!« (FAa08; Herv. i.O.)

An dieser Stelle wird seitens der Füllfederhalter-Sammler/-innen bekräftigt, dass die Kommunikation von Aufrichtigkeit und Beteiligung abhängig ist. Die Wertigkeit der Expert/-innen und damit die Hierarchieebene ihrer Person wird demonstriert und hierdurch bedingt an die Kommunikation rückgebunden: Da man auf den Expertenrat nicht verzichten will (und kann), ist eine allgemeine Wertschätzung ihrer Person vom Kollektiv gefordert. Auffällig ist, dass die als Expert/-innen deklarierten Sammler/-innen sich in der Kommunikation der Barbie- und Briefmarken-Sammler/-innen nur selten explizit als solche betiteln, sondern der Expert/-innenstatus oftmals durch eine Zuschreibung der anderen Sammler/-innen in der Kommunikation transportiert wird (»Was meinen die Experten?«; Bca04). Durch die Kommunikation wird der implizite Status explizit. Die Expert/-innen sehen sich ähnlich wie die erfahrenen Sammler/-innen als Wegbereiter für die Sammelanfänger/-innen. Die Expert/ -innen werden als Teil eines Kollektivs und weniger als einzelne Statusträger betrachtet (»Vielen Dank, für die tollen Antworten. und noch EIN SUPER HOCH AN DIE EXPERTINNEN UND EXPERTEN.«; BAc20; Herv. i.O.). Ein weiterer Unterschied zwischen Laien, Anfänger/-innen und Profis sowie Expert/-innen ist im Sammelvorgehen auszumachen: Anfänger/-innen kaufen ein Stück voller Inbrunst, um zugleich verunsichert zu sein. Laien (ver)kaufen ein Objekt, ohne [ausreichend] auf Ratschläge zu hören. Ihr (Miss-)Erfolg ist eher zufällig als ein Ergebnis von aufspürendem Sammeln. Die Profis und Expert/-innen hingegen sammeln mit geschultem Auge und werden kontinuierlich in ihrer jeweiligen

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Funktion von anderen Sammler/-innen befragt (»Und wenn Ihr es nochmal von mir hören wollt, gerne: Der abgebildete Füllfederhalter ist echt.«; FAa11). Echte und unechte Sammler/-in Die Differenz echt – unecht15 deckt sich im Falle des Sammelns in einigen Punkten mit den vorangestellten Überlegungen zu den Typen Laie – Anfänger/-in – Profis – Experte/Expertin und ihrem spezifischen Wissensstand. Die Unterscheidung weist aber darüber hinaus, denn sie definiert die subjektive Unterscheidung des Sammelns in ein echtes und unechtes Sammeln (vgl. Benjamin 1972: 388ff.). Sammeln wird nicht verstanden als ein Geschehen, sondern es ist eine Aktivität. Man ist nicht Sammler/-in, sondern wird Sammler/-in (vgl. FAa08). Folglich ist die Bildung von dem oder der Anfänger/-in zum Profi bzw. der Expertin oder dem Experten und somit zur echten Sammler/-in bzw. zum echten Sammler zentral. Die Sammler/-innen grenzen sich klar von sogenannten unechten Sammler/-innen ab. Die echten, »seriöse[n] Sammler« (FAb10) schätzen Information, Detailtreue und sammeln mit Herz (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 777). Echte Sammler/-innen legen Wert auf eine sachgerechte Ordnung und planmäßige Erweiterung ihrer Sammlung. Das lässt sie beispielsweise beim Kauf von Sets16 ihr Sammlercodex auf die Einheitlichkeit der Seriennummern achten. »jetzt könnten wir trefflich über die Definition eines Sammlers diskutieren, aber in Deinem (und Hugos) Fall seid Ihr [...] in erster Linie ein schlichter (aber anspruchsvoller) Benutzer und [...] nicht Sammler. Es spricht eher für als gegen einen Sammler, wenn er seine Sammlung [...] aktiv in sein Lebensumfeld integriert. Aber ein Sammler (nach meiner Definition) würde einen kompletten Set erwerben und sich das Schreibgerät, welches er nutzen will, herausnehmen und aber auch wieder zurücklegen« (FAb10).

15 Die aus dem Material entschlüsselte Differenz echt – unecht weist eine Referenz zu Honer (vgl. Honer 1985) auf, die in ihrer »Beschreibung einer Lebens-Welt« diese Form der deskriptiven Differenzierung in der Welt des Bodybuildings beobachtet hat. Echt und unecht markieren unterschiedliche Motivationen, seinen Körper zu formen. Während echte Bodybuilder/-innen im Sinne des Bodybuildings und den damit einhergehenden Regeln, Vorstellungen und Wissensbeständen trainieren und ihre Trainingsmotivation in einem Selbstzweck begründet liegt, formen die unechten Bodybuilder/-innen ihre Körper als Mittel zum Zweck (z.B. Fitness). 16 Sets bestehen in der Regel aus Füllfederhalter, Bleistift und Kugelschreiber.

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»Man merkt wirklich, wenn einer mit, mit Herz sammelt. Halt aus Kindheitserinnerungen oder weil er für irgendein Thema ist oder so. Dann gibt es auch Leute, die sammeln nur, weil sie nichts zu tun haben und meinen, das ist gerade in. Oder welche, die dann gerade Geld bekommen haben und sich alles kaufen können und nachher wieder alles verkaufen. Und das kristallisiert sich halt so raus«(Interview mit Lisa Schneider: 757-762).

Der Aspekt der Tätigkeit, des sich-Bildens erfordert Eigeninitiative und Engagement, das klassisch am Studieren von Fachliteratur aufgezeigt wird (»Lest mehr in der Literatur! Wer auf Flohmärkten nach Füllern stöbert kann sicherlich auch im Antiquariat nach der Literatur Ausschau halten.«; FAa08; vgl. auch Interview mit Marcel König: 219-226). Innerhalb der Kommunikation erfolgt ein intensiver Austausch über die Qualität der Fachliteratur und Möglichkeiten des Erwerbs. Obwohl die – oftmals von Sammler/-innen selbst verfassten – Fachbücher (vgl. Interview mit Marcel König: 223-225) keinem günstigen Preisniveau entsprechen und teilweise schwer zugänglich sind, werden sie als absolutes »must have« (ebd.) gehandelt. Ihr meist hoher Preis wird durch ihre Bedeutung für das Sammeln gerechtfertigt. Zuletzt wird die Differenz echt – unecht nicht nur von den Sammelnden als Mitglieder der Gemeinschaft selbst, sondern auch durch Außenbewertungen wie z.B. durch Händler vorgenommen: »Vor kurzem war ich dann aber doch in der MB Boutique [...]. Dort wurde ich [...] darauf hingewiesen, dass die Schreibgeräte der Writers Edition nur etwas für Sammler sind... ›das ist nur was für richtige Sammler – die normalen Schreibgeräte finden Sie hier drüben‹. Hmmmmmm, na dann eben nicht« (FAa07). »Ich betrat diese, äh, Einrichtung mit Kaufinteresse [...], welches ich auch, nach dem Zweck meines Besuchs gefragt, äußerte. Die Dame des Hauses musterte mich von oben bis unten, befand mich offensichtlich nicht der Mühe wert und beschränkte sich auf ein lapidares Runterleiern von Preisen. Die Vitrinen blieben zu« (FAa22).

Die vorangestellten Aussagen verdeutlichen, dass die echten Sammler/-innen als solche identifiziert und mit ihren Bedürfnissen und Wünschen erkannt werden möchten, unabhängig von ihrem äußeren Erscheinungsbild und anderen »soziodemographischen Merkmalen« (FAa10). Die Nichtidentifizierung als echte (»richtige[…]«; FAa07) Sammler/-innen führt dazu, dass sich diese einen anderen Ort suchen, an dem sie als selbige identifiziert und wertgeschätzt werden: Das Forum. Die Kommunikation über die Nichtidentifizierungserfahrung innerhalb der virtuellen Sammler/-innengemeinschaft stellt ihre Identität (wieder) her.

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Die Identifikation mit der spezifischen Rolle des Sammlers bzw. der Sammlerin und die Identifizierung als Sammler/-innen sind an die Sammler/-innengemeinde rückgebunden. In die Kategorie unechte Sammler/-innen lassen sich erstens diejenigen einordnen, »die sich nur aus dem einen Grund [...] im Forum anmelden, um möglichst auf einfache (hinterfotzige) Art viele Infos zu bekommen, um ihre Stifte vielleicht für [...] mehr Profit zu verkaufen« (FAa08). Es werden diejenigen als unecht markiert, die nicht in das Sammeln eintauchen und in Sammler/ -innenaugen nicht ausreichend und eigenständig agieren. Die Gemeinschaften bewerten diese Menschen als Benutzer des Infopools für fremde bzw. egoistische Zwecke und deklariert ein solches Verhalten oftmals als Missbrauch des Wissensaustausches, von dem sich die echten (ehrlichen und vernünftigen) Sammler/-innen distanzieren. Zweitens werden diejenigen als unecht bezeichnet, die nicht mit Herz, Sinn für die Sache und Gemeinschaft, sondern nur wegen des Geldes sammeln: »Aber bei mir ist das zum Beispiel so. Das ich mich dann auch immer damit beschäftige: Mit der Zeit. Ich habe dann noch Bücher. Lese das nach. Von welchen Firmen ist das. Mir geht es noch nicht einmal um den Wert. [S]o um die Sache. Und das ist halt nicht nur ein Kaufen und ein Hinstellen und vielleicht auch dieses Aufarbeiten. Das ist ein Beschäftigen mit dieser Zeit. Mit dieser Sache. Das mal aufarbeiten. Und vieles damit zu machen. Auch man hat Freunde damit. Man geht wohin. Man hat Veranstaltungen. Gehört alles dazu. Das sind die einen Sammler. Dann gibt es die Sammler, die ich halt so kenne und kennengelernt habe, die sammeln einfach nur. Das hat jetzt einen Wert. Also ich habe jetzt irgendwie Geld über und ich kaufe mir jetzt etwas. Und ich muss jetzt da mit dazugehören. So, wie welche irgendwelche Mode tragen. Nicht aus Überzeugung. Weil sie gesehen werden wollen. Und so wollen sie dann in der Sammlerszene gesehen werden. Und das sind keine Sammler mit Herz. Sie sind eine Weile da […] Die haben dann gekauft, gekauft, gekauft. Und dann haben die Massen. Und dann verkaufen die das wieder. Und dann treiben die sich irgendwo anders rum. Also da kann ich jetzt nicht viel mit anfangen. Aber die tun mir nichts. ... Wenn sie damit glücklich sind, sollen sie es machen« (Interview mit Lisa Schneider: 1070-1087; Herv. D.W.).

Die Differenz von Herz (Gefühl mit Investition von Zeit) und Geld (gefühlsloses Kalkül mit Investition von Kapital) zeigt auf, dass es den echten Sammler/-innen um mehr als das bloße Kaufen und Besitzen geht. Sie beschäftigen sich mit ihren Gegenständen aus »Überzeugung« (ebd.) und nehmen sich für die Sache Zeit.

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Sondertyp Auspacker/-in Außerdem können in der Kommunikation der Barbie-Puppen-Sammler/-innen noch die sogenannten Auspacker/-innen und Nicht-Auspacker/-innen aus dem Material extrahiert werden. Die Auspacker/-innen entnehmen die Objekte aus dem Karton bzw. erwerben sie auch ohne Karton. Sie stellen die Puppen immer wieder in andere Zusammenhänge, kleiden sie um und leben eine eigene Form der Kreativität aus (»Ich bin passionierter [...] Auszieher und Umstyler.«; BGb03_1). Andere Sammler/-innen belassen ihre Puppen im Originalkarton und begreifen die Verpackungen17 als Teil der Sammlung (vgl. Barbie 2000: 122f.). Manchmal entstehen Diskussionen darüber, welches Sammeln favorisiert werden sollte. Diese kommen in der Regel zu dem Schluss: »Letztendlich soll aber jeder so sammeln wie er es für richtig empfindet« (BNAc01_4; Herv. i.O.). Viele Sammler/-innen kombinieren beide Varianten des Puppen-Sammelns: »Und die habe ich dann […] erstanden und habe die dann auch ausgepackt, […] weil […] ich habe auch von anderen gehört: Also die, die anfangen zu sammeln, die packen mal erst alle ihre Puppen aus. Die wollen die Schätze mal alle in der Hand halten und […] auch unter das Kleid gucken und […] und die dann vielleicht auch so in die […] Vitrine stellen« (Interview mit Ulrike Schmied: 52-56). »Aber das kann man natürlich auch nicht auspacken, weil das ist einfach toll, ne. Und das finde ich dann eigentlich schön. Das ist eigentlich so eine schöne Sache. Oder hier [geht weiter vom eigentlichen Gesprächsplatz weg] gibt es halt die Sandy D. von Grease [zeigt einen weiteren Karton]. Oder hier habe ich dann noch...« (Interview mit Lisa Schneider: 621-625).

Als Grund für das Auspacken wird manchmal auch fehlender Platz zur Lagerung der Puppen genannt. Sondertyp Sammler/-in mit Reparatur- bzw. Prüfkenntnissen In der Kommunikation lässt sich weiterhin ein Sondertyp Sammler/-in mit Reparatur- bzw. Prüfkenntnissen nennen. Dieser Typ verfügt in der Regel sowohl über einen Expertenstatus als auch über spezifische Kenntnisse zur Restauration oder Prüfung von Sammelobjekten.

17 Frühere Verpackungsformen konnten zeitgleich als Aufbewahrungs- uns Transportbox für die Puppe(n) und ihr Zubehör genutzt werden (vgl. Barbie 2000: 114f.).

196 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK »Also ich sage mal, so bei den Sammlern. Ich würde mal sagen, der groß, die größte Unterscheidung ist eigentlich, jetzt von denen, die wirklich ernsthaft sammeln, Schreibgeräte sammeln und wo ich sage: Das ist ein richtiger Sammler … würde ich sagen, da gibt es eigentlich den großen Unterschied. Sind das Leute, die nur Schreibgeräte sammeln und damit schreiben. Oder sind das Leute, die die auch selber restaurieren, reparieren und so weiter. Also das ist für mich immer so der große Unterschied. Also es gibt viele Leute, die einfach das nötige Kleingeld haben und sagen: Ich kaufe mir mal etwas und dann gebe ich das dem Reparaturspezialisten und der soll mir das aufarbeiten und dann kostet das halt 800 Euro, die Reparatur. Aber dafür habe ich ein schönes Stück in meiner Sammlung oder so, ne. Und dann gibt es halt die Leute, das ist immer so für mich so diese Unterscheidung[.]« (Interview mit Martin Vetter: 684-694). »Und das hat, dass eine ist ja nur Sammeln und das andere hat wahrscheinlich so einen extremen handwerklichen Aspekt, oder? Also, dass man nicht nur sammelt, sondern durch dieses Reparieren und so das eher so diesen Handwerks-, ja, Charakter auch hat« (Interview mit Martin Vetter: 696-699).

Zwar können andere Sammler/-innen der Gemeinschaft auf ihr Fachwissen und ihre Kenntnisse zurückgreifen, indem sie Reparaturen oder Wertbestimmungen bei den Sammlern mit Reparatur- bzw. Prüfkenntnissen in Auftrag geben, da aufgrund oftmals fehlender Bewertungsgrundlagen Expertise für das Sammeln entscheidend ist. Jedoch haben diese ausführenden Sammler/-innen einen enormen Vorteil, da sie mit ihren Kenntnissen einerseits unentbehrlich sind, anderseits hiermit auch Geld verdienen können, wodurch dieser Sammlertyp einen Professionalisierungsgrad nach sich ziehen kann, der auch in eine beruflichen Tätigkeit münden kann (»Und mittlerweile mache ich das beruflich. Füllerreparatur und den Handel mit Schreibgeräten; Interview mit Füllfederhalter-Sammler Jens Schulz: 32-33; »Ich bin in einigen Fachbüchern mittlerweile verzeichnet als Kontaktperson für historische Schreibgeräte«; ebd.: 190-191; auch Interview mit Martin Vetter: 97-100). Solche Professionalisierungsgrade sind bei trivialen Objekten zwar nicht unbedingt selten, jedoch können nur wenige Sammler/-innen von ihrer – oftmals in einer Kombination aus dem Studieren einschlägiger Fachliteratur und durch »learning by doing« (Interview mit Jens Schulz: 43; Interview mit Martin Vetter: 161) erworbenen Expertise leben und sind auch auf einen guten Umgang seitens der anderen Sammler/-innen mit ihrer Expertise angewiesen: »Sagen wir mal, ich sehe das ein bisschen zwiespältig. Wenn mich Sammler fragen, dann helfe ich gerne weiter. Wenn aber Mitbewerber im Bereich Handel versuchen, mein Wis-

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sen mir rauszusaugen und nichts zurück kommt. Dann kriege ich auch gerne mal partielle Alzheimer und weiß plötzlich gar nichts mehr« (Interview mit Jens Schulz: 223-227). »Da halte ich mein Wissen auch gerne ein bisschen hinten. Ich, ich lebe davon, dass ich weiß, wie es geht, ne. Ich helfe gerne weiter und kleine Tipps. Aber die speziellen Tipps, die mir vernünftiges Geld bringen, die behalte ich dann auch gerne für mich« (ebd.: 412415).

Aus diesen Beschreibungen ergibt sich, dass sich nur bedingt von einer einheitlichen Figur des Sammlers bzw. der Sammlerin sprechen lässt. Den Sammler/ -innen lassen sich jedoch Charakteristika zuordnen, die sie als Sammler/-innen identifizieren und wiederum zu ihrer Identifikation mit den gesammelten Objekten beitragen (»Wir identifizieren uns in einer speziellen Weise mit unseren Stücken.«; FAa10). Dieses bildet einen Verweis auf eine Dialektik der Sammler/ -innenexistenz: Die Objekte werden durch die Sammler/-innen definiert und die Sammler/-innen bestimmen sich durch ihre Sammelobjekte.

5.2.4 Hierarchieformen In den Beitragsfäden der Forenkommunikation tritt eine – kommunikativ intendierte – unterschiedliche hierarchische Struktur hervor, die sowohl offensichtlich als auch verdeckt greift bzw. flach angelegt ist (vgl. Strauss 1993a: 213). Deutlich kontrastierend lässt sich dieses anhand der Kommunikation der Füllfederhalter- und Barbie-Puppen-Sammler/-innen unterscheiden. Bei den BriefmarkenSammler/-innen wird eine Mischform der Hierarchisierungsformen transparent. Offene und verdeckte Hierarchie sowie Distinktionen, soziale Kohäsion und Exklusion Die unterschiedliche Kommunikationsbewertung durch die gefundenen Typen und durch die Explikation von – an Ansprüche rückgebundene – Erfordernissen bei der Sammeltätigkeit führen sowohl zu Distinktionen, sozialen Exklusionen als auch zu Kohäsionen innerhalb der Gemeinschaften. Zur Veranschaulichung seien drei Beispiele anhand des Füllfederhalter- bzw. des Briefmarken-Sammelns genannt: Erstens ist es auffällig, dass die Auskunftsbereitschaft bei Anfragen zu Werten bzw. Preisen von Füllfederhaltern im Forum generell abgelehnt wird. Jedoch werden konträr dazu Preisauskünfte erteilt, die stark personenabhängig sind. Es ist eine Dominanz der echten Sammler/-innen zu verzeichnen. Sie legen inner-

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halb der Gemeinschaft die Grenzen fest, wann eine Preisauskunft erteilt wird. Sie gehen eher nach subjektiven Bewertungsmaßstäben (Sympathie, Einhaltung der Etikette) als nach einem einheitlichen Prinzip vor (vgl. Hitzler 2006: 268ff.). Außerdem wird auffällig oft implizit und explizit über Preise nachgedacht. Durch das Offerieren von (Ver-)Kaufsangeboten wird die enorme Preisspanne des Sammelns transparent und lässt deutlich werden, dass die Möglichkeit mit Seinesgleichen zu handeln offensichtlich bevorzugt genutzt und auch lieber gesehen wird als (Ver-)Käufe bei Fremden. Hierdurch wird die hierarchische Strukturierung der Sammler/-innen hervorgehoben und eine Abgrenzung nach außen geschaffen. Zweitens wird in den Foren der Inhalt diverser Magazin- und Zeitschriftenartikel diskutiert, in denen das Sammeln als Investition dargestellt wird. Erkennbar sind deutliche Unterschiede bei der Aufnahme und Bewertung der medialen Berichterstattung innerhalb der Kommunikation. Es wird massive Kritik geäußert, wenn in den Artikeln das Sammeln als Geldanlage in den Vordergrund gerückt wird und die Artikel nicht die Sachkenntnis und das »Anforderungsprofil« (FDb04) aufweisen, auf das die Sammler/-innen – auch untereinander – Wert legen. Das eigene Anforderungsprofil – als Anspruch ausformuliert – wird hoch angesetzt und das Qualitätsniveau der jeweiligen Zeitschrift, die in den Sammleraugen nicht allumfassend genug die Sammeltätigkeit beschrieben hat, herabgesetzt. Hingegen werden Artikel, die als gut recherchiert und verfasst eingestuft werden, besonders hervorgehoben. Die Erfüllung des Anspruchs innerhalb der verhandelten Medien wird gleichgesetzt mit »eine[r] Leserschaft mit hohem Bildungsniveau« (FDb06), die diese Medien nutzen. Drittens lässt sich anhand einer Analyse zweier weiterer Kommunikationssequenzen die Distinktion deutlich belegen: Ein Mitglied möchte sich vom Forum abmelden. Ihm wird in der Folgekommunikation von den anderen Teilnehmer/-innen, die als Gemeinschaft (soziale Kohäsion) auftreten, veranschaulicht, dass seine Anwesenheit nicht generell als störend empfunden wird, sondern »in Richtung der ›Art des Schreibens bezogen auf die Freundlichkeit‹ schielt«, zu der »auch eine gewisse Verbindlichkeit in der (nicht)öffentlichen Kommunikation [gehört]« (FDb10; Herv. i.O.). Die festgelegte Be(Miss-)achtung von Richtlinien führt zu Kohäsionen bzw. Exklusionen – latent oder transparent. Dementsprechend kann man sich durch falsches Tun selber disqualifizieren oder disqualifiziert werden. In einem weiteren Zusammenhang wird ersichtlich, dass der Füllfederhalter in gewisser Weise als Statussymbol18 bzw. Distinktionsmerkmal

18 Diese Statussymbol-Funktion spiegelt sich auch in Anfragen an die Gemeinschaft wider, welchen Füller man sich für den persönlichen Gebrauch zulegen sollte.

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unter Handelnden funktioniert. Das Vorzeigen eines Füllers löst beim Gegenüber ein bestimmtes Handeln aus: »So werde ich häufig in Geschäften, die hochwertige Schreibgeräte [...] verkaufen, als Kunde einfach nicht ernst genommen, bis ich schließlich den Blanc zücke und plötzlich ganz zuvorkommen[d] behandelt werde« (FAa40). Die in der Kommunikation gefundenen Ausschlüsse spiegeln wider, wie zentral einzelne Figuren in der Kommunikation sind oder werden können: »Gemeinschaften lösen ihre Probleme meist durch Ausschluss, und der wird in aller Regel an einem geeigneten Sündenbock in regelmäßigen Abständen immer wieder neu inszeniert« (Kreissl 2004: 41). Ähnliches gilt auch für die in der Kommunikation sichtbaren Zusammenschlüsse von Personen zu Gruppierungen, die besonders durch bestimmte Aktortypen wie die Expert/-innen verdichtet und nach außen – das heißt außerhalb des gewünschten Kommunikationszirkels – hermetisch abgeriegelt werden. Flache Hierarchie: Ausbildung von Gemeinschaft Die Kommunikationsgemeinschaft der Barbie-Puppen-Sammler/-innen ist gleichberechtigt kommunikativ, dass zeigt sich beispielsweise bei den untereinander angeregten (Ver-)Kaufsangeboten. Die Wertungen einzelner Aussagen beschränken sich auf eine individuelle (Geschmacks-)Ebene, die nicht mit dem Status als Anfänger/-in, erfahrene Sammler/-in, Expert/-in oder Auspacker/-in zu fixieren sind (vgl. 5.2.3). Eine einheitliche Figur der Sammler/-innen ist aufgrund der individuellen Identifizierung und Aneignung des Sammelns nicht erkennbar. Dennoch können den Sammler/-innen zentrale Merkmale zugeordnet werden, die ihre Tätigkeit bedingen und sie zu einer Identitätsherstellung als Sammler/-innen und zu einer Übereinstimmung mit ihren Sammelobjekten führt. Die Charaktere stehen keinesfalls in Konkurrenz zueinander, sondern existieren in einem Neben- und Miteinander. Aufgrund der Orientierung am persönlichen Geschmack und Gefallen bestehen keine vorformulierten Sammelgrenzen. Die Konkurrenzlosigkeit wird durch den (herstellerbedingten) Variationsreichtum der Barbie-Puppe begünstigt. Die Sammler/-innen äußern gerne Bewunderung für eine besonders schöne Puppe oder Sammlung, wenn diese präsentiert wird (»ich freue mich, dass Du auch viel Freude an Deiner Sammlung hast, kannst wirklich stolz darauf sein.«; BAc01). Der beschriebene Facettenreichtum der Puppen stärkt die Individualität der einzelnen Sammler/-innen innerhalb der Gemeinschaft. Aus dem Datenmaterial lässt sich aufgrund der ständigen Produkterneuerungen, die als ein zentraler thematischer Kommunikationsstrang extrahiert werden können, die Auseinandersetzung über den Puppenhersteller ableiten. Die Barbie-Sammler/-innen beratschlagen über Unternehmensaktivitäten

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des Produzenten, denn die Modifikation ihrer Puppen durch diesen stößt nicht immer auf Zuspruch von Sammlerseite. Daher führen die Sammler/-innen eine breit angelegte Diskussion über die Entwicklungen ihrer Lieblingspuppe in modisch-ästhetischer und finanzieller Hinsicht. Wenn der Hersteller die BarbiePuppe durch Produktions- und Designentwicklungen verunstaltet (»Zumindest sehen die Puppen so aus, als hätte ihnen jemand mit der Bratpfanne auf den Kopf gehauen.«; BAc05), zieht er Kritik auf sich, die innerhalb der Kommunikation mit anderen Sammler/-innen, aber auch durch direkte Kontaktaufnahme zum Hersteller geäußert wird. Neben einer Umfrage, in der eine aktuelle Kollektion diskutiert und bewertet wird, werden konkrete Vorschläge angeführt, wie sich die Sammler/-innen als Gemeinschaft zum »Widerstand« (BAc03) gegen Fehlentwicklungen formieren könnten (»Ich denke, gemeinsam können wir das Problem zumindest in Mattels Blickfeld rücken.«; BAc03_1). »Falls sich jemand bei Mattel-Deutschland über die neuen Puppen beschweren möchte!! Es ist jeden Versuch wert!! [...] In Deutschland haben wir ja noch nicht einmal die Möglichkeit auf Sammler-Puppen auszuweichen. OK, es gibt ein zwei Händler, aber dort kann man nur über den Postweg oder auf einer Börse kaufen!! Für mich persönlich ist dies total unbefriedigend, da ich schon gerne eine Puppe betrachten möchte, bevor ich sie kaufe!! Wenn man sich die gesellschaftliche Entwicklung so anschaut wird es in Zukunft ja immer weniger Kinder in Deutschland geben. Schon alleine aus diesem Grund kann ich nicht verstehen weshalb Mattel die Sammler in Deutschland so vernachläßigt!? [sic!] Sollte Mattel nicht froh darüber sein dass es Erwachsene gibt die sich für Barbie interessieren??« (Bac03_2)

Außerdem wird die Materialgüte von Puppen und Zubehör bemängelt (»in letzter Zeit häufen sich irgendwie die Herstellerfehler«; BAd14). Die Sammler/ -innen wollen in ihrem Metier Beachtung erhalten und ihre Belange berücksichtigt wissen. Daher protestieren sie gegen Änderungen, die ihr leidenschaftliches Sammlerempfinden stören und ihre Partizipationsmöglichkeiten einschränken. Die Sammler/-innen nutzen ihre Position zur Äußerung von Kritik und demonstrieren somit ihre Macht. Die Einflussmöglichkeit der Sammler/-innenschaft auf Territorien, in denen sie sich bewegen bzw. von denen sie tendenziell abhängig sind, ist ein Hinweis auf die wirtschaftliche Abhängigkeit der Unternehmen von dem Wohlwollen der Sammler/-innen und sorgt daher für eine grundlegende Handlungsbereitschaft auf Seiten der Anbieter.

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Umgang mit Konkurrenz Die Beziehungen zwischen einzelnen Sammler/-innen und Sammler/-innengruppen können freundschaftlich, aber auch von Konkurrenz durchzogen sein. Die sich ausbildenden Sammlergemeinschaften sind dementsprechend von zwei Grundhaltungen – Solidarität und Konkurrenz – geprägt, die aneinander zunächst ausschließen. Die Sammler/-innen lösen diesen Dualismus in der Wissenskommunikation auf, indem unmittelbar Konkurrenten dementsprechend durch Kommunikation ihre Suche nach den Sammelobjekten und die Gunst anderer Sammler/-innen in (Ver-)Kauf- oder Tauschbeziehungen, der Übernahme von Sammlungen und dem Schenken einzelner Sammelobjekte stärken sowie ihre unterschiedlichen Wissensstände (aus-)nutzen (vgl. auch Interview mit Ulrike Schmied: 89-99; Interview mit Martin Vetter: 342-352). Direkte Konkurrenz kann sich in Neid und Missgunst ausdrücken (»[D]ann in der Anfangszeit, […] da gab es anonyme Anrufe von Sammlern, ja. […] [d]ie […] nicht wollten, dass ich auch auf Flohmärkte gehe und […] Schreibgeräte kaufe und so weiter« (Interview mit Martin Vetter: 348-351), aber auch auf einer solidarischen Ebene in einem freundschaftlichen Austausch in Form von Fachgesprächen oder einem Wettbewerb um rare Sammelobjekte münden. Andere Expert/-innen der eigenen Spezialisierung können der Sammler/-in oder dem Sammler neue bzw. noch unbekannte Aspekte des eigenen Sammelgebietes offenbaren (vgl. Interview mit Stephan Walther: 687-706).

5.3 W ISSENSKOMMUNIKATION Wie bereits durch die Typisierungen deutlich wurde, zeichnen sich als Themen der Wissenskommunikation ferner ein Wissen über das Vorgehen und den Vollzug des Sammelns sowie eine Reflexion über die Bedeutung und den Wert der Tätigkeit ab. Das zeigt sich zunächst anhand der Ausformulierung eines Basisund eines Fachwissens.

5.3.1 Wissensformen: Basiswissen und Fachwissen Differenzieren lässt sich in der Kommunikation zwischen einem »Basiswissen« (BRCb01_2) als »Grundlagen des Sammelns« (BRCc02), welches alle Sammler/-innen haben sollten und einem spezifischen »Fachwissen« (vgl. beispielsweise Interview mit Ludwig Feld: 215), welches sich nicht aus der Verfügung von finanziellen Mitteln, sondern aus dem Einsatz von Zeit und der Beschäfti-

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gung mit dem Sammeln durch z.B. Lektüre speist und »Kenntnisse im jeweiligen Schwerpunktbereich« (Peschel 2010: 3) des Sammelns erfordert . »[G]enügender finanzieller Spielraum mag immer hilfreich bzw. grundlegend für den Erwerb von international bekannten Preciousen sein, welche jede Sammlung deutlichst aufwerten können. Jedoch obliegt es zumeist nur dem engagierte[n] Sammler, durch sein eigenes Gespür und seinem dementsprechendem Fachwissen hier und/oder da etwaig angebotene, unbedeutende ›Teile‹ zum Schnäppchenpreis zu erwerben. Was ich bisher an wunderschönen Belegen – auch in diesem Forum reichhaltigst vorgestellt – sehen haben durfte, war und wurde nicht immer – eher seltenst – zum Apotheken-Preis erworben. Insofern ist immer eine Vorabinvestion in entspr. Literatuer [sic!] zum Sammelgebiet empfehlenswert, wobei m.E. hier der Preis, wenn auch bei manchen Gebieten sehr üppig, durchaus akzeptabel ist« (BRBc08). »Ja. Das. Technisch hatte ich das ja schon gesagt. Ich bin Friseur, Schneider. Teilweise auch Zahnarzt. [I lacht]. Auch Doktor manchmal. Also, also Arzt. Und, … was, was bin ich noch alles da drin, wenn ich das mache? Techniker, Bühnentechniker. … Mechaniker. Und vor allen Dingen auch immer wieder Geisteswissenschaftler. Da man dann Bücher besorgt und Bücher zusammenstellt« (Interview mit Stephan Walther: 447-452).

Dieses Fachwissen – Honer und Strauss sprechen von »Sonderwissen« (vgl. Honer 1985; Strauss 1991, 1993a) zeichnet sich durch die Verwendung von spezifischen Fachsprachen und durch Fachkenntnisse aus, die beim Sammeln erforderlich sind (»Bestimmt wolltet ihr schon oft helfen, hattet aber dazu weder das umfangreiche Wissen noch das umfangreiche Material vollständig«; BRFb01). Die Sammler/-innen stellen in ihrer Kommunikation Überlegungen an zu »Herstellungstechniken, d[en] Produktreihen einzelner Marken, Sondereditionen, verwendete[n] Materialien, verschiedene[n] Designs, geschichtliche[m] Hintergrundwissen. Eben all das, was neben den eigentlichen Objekten einer Sammlung dieser das gewisse Etwas verleiht: Das Wissen, dass uns die Bedeutung einzelner Stücke erst richtig erschließt« (Schreibkultur 2010: 41).

Wie an späterer Stelle eingehender analysiert wird, zeigt sich in der Kommunikation, dass das Erlangen von Wissen, der Austausch und die Sicherung des Wissens zentrale Aufgaben des Sammelns und somit der Kommunikation sind. »Ja, das ist alles Austausch unter Sammlern. Also dann weiß der eine, wie die Feder repariert wird, der andere weiß, wie bei diesem speziellen Teil der Clip ausgebaut werden

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kann, ohne das die Kappe zerbricht und so weiter. Und da gibt es praktisch überhaupt keine Literatur darüber« (Interview mit Martin Vetter: 176-179). »Da tauchen manchmal Sachen auf, da wissen noch nicht einmal die Firmen, dass sie es jemals produziert haben. Weil es halt keine Unterlagen mehr gibt oder niemals bekannt war, dass das Ding in Serie gegangen ist, all so etwas« (Interview mit Jens Schulz: 54-57). »Ja, ja. Selbst angefertigt. Oder vor ein paar Wochen habe ich diverse Kartons aus einer alten Werkstatt abgeholt. Da ist ein Sammler verstorben vor ein paar Jahren. Der hat auch restauriert. Jetzt sitze ich auf einem Riesenberg Werkzeug. Nur ich hatte mich mit demjenigen einmal unterhalten. Wir haben uns aber nie über die Werkzeuge unterhalten. Und jetzt hat der sein Wissen auch mit uns Grab genommen. Jetzt muss ich es selber ausprobieren, welches Werkzeug passt zu welchem Modell und was kann es« (Interview mit Jens Schulz: 418-424).

Aus diesen Interviewpassagen wird ersichtlich, dass neben einem fundierten Basis- und Fachwissen der Austausch mit anderen Sammler/-innen als eine zentrale Voraussetzung angesehen wird, um das eigene Sammeln voranzubringen und das Sammeln als ein Allgemeingut – auch für Nicht-Sammler/-innen zu erhalten. Durch die Kommunikation wird das Sammeln hinsichtlich seiner sozialen, inhaltlichen und zeitlichen Aspekte von Wissen fundiert: Die Kommunikation sichert das Sammeln und das Sammeln sichert die Kommunikation. In den unterschiedlichen Themen, die in der Wissenskommunikation verhandelt werden, wird dieser Sachverhalt veranschaulicht.

5.3.2 Themen der Wissenskommunikation Basiswissen und Fachwissen setzen sich demnach zusammen aus Kenntnissen über • • • • •

Orte des Sammelns: Suche und Auswahl der Objekte Spezifische Praktiken und Fachsprache der Umgang mit dem Objekt, Identifizierung des Objekts, Original, Fälschung, Repros19, Raritäten, Einzelstücke, Limited Editions und weitere Editionen sowie Zubehör,

19 Das Thema Repros ist nur beim Sammeln von Barbies relevant.

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Sammlung und Spezialisierung, Reinigung, Pflege und Reparatur sowie (Zeit-)Geschichte(n),

die als Themen in der Wissenskommunikation auftauchen und somit als artikuliertes Wissen verstanden werden können. Orte des Sammelns: Suche und Auswahl der Objekte Die Suche und Auswahl der Sammelobjekte kann zwei binären Strukturen folgen: Entweder es handelt sich um eine systematische (spezifische) oder um unsystematische (unspezifische) Suche, Beschaffung und Aufbewahrung einer abgegrenzten Art oder Kategorie von Gegenständen. Bei ersterer wollen Sammler/ -innen Objekte eines bestimmten Sektors20 (möglichst vollständig) besitzen. Jedoch scheint es von der Sache ausgehend schier utopisch zu sein, von gewissen Gegenständen wie z.B. Briefmarken eine komplette Sammlung anzulegen. Beim unsystematischen oder unspezifischen Sammeln hingegen werden Dinge gesammelt, an denen Sammler/-innen Gefallen empfinden oder die sie an etwas erinnern. »Nein, das ist ja das Schöne an der Nummer. Man kann sich da nichts vorstellen. Du wachst morgens auf, gehst auf einen Markt und Du weißt nicht, was kommt. […] Das ist […] eine Überraschung […] Du gehst dahin und Du kannst nicht sagen: So, heute finde ich den Füller. Die Leute fragen ja auch immer: Ja, was suchen Sie denn? Ja suchen? Ja, ich gucke nach so etwas. Aber speziell ein Teil suchen? Man findet etwas. Aber ob es das Teil ist, was man gesucht hat, ist eine andere Sache. ... Man kann morgens nicht aufwachen mit dem Gedanken: So, ich komme jetzt nach Hause und habe die Teile in der Tasche. Das gibt es nicht. ... Das gibt es [im] Kaufhaus. Bei Neuware, aber nicht bei Sammelartikeln« (Interview mit Jens Schulz: 542-550).

Durch das Sammelobjekt sind die Sammler/-innen untrennbar mit dem Sammeln verbunden: Sammler/-innen agieren auf der Suche nach ihren Objekten, sie kommunizieren und sind nicht ohne die von ihnen ausgewählten Objekte zu denken. »Ja, das ist ja das, was das Sammeln so spannend macht. Weil Du kannst es nicht kalkulieren, was Du am Ende des Jahres neu in der Sammlung haben wirst. Du kannst ein gutes

20 Der Sektor kann beispielsweise eine bestimmte Epoche, Gattung, Thematik bzw. Produkte eines Herstellers umfassen.

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Jahr gehabt haben. Du kannst aber auch Pech gehabt haben. Und je mehr Du schon hast, desto schwieriger wird es natürlich. ... Am Anfang hast Du sehr viele schnelle, kleine Glückserfolge. Und je länger Du gesammelt hast, desto schwieriger wird das. Aber je länger Du gesammelt hast, desto bessere Kontakte hast Du auch. Und dann kommst Du aber auch eher mal an die Highlights dran« (Interview mit Jens Schulz: 554-560).

Durch das Finden (»Finden macht auch Spaß«; Interview mit FüllfederhalterSammler Jens Schulz: 32-33) und die Auswahl der Sammler/-innen werden die Objekte zu Sammlungen vereint. Sammler/-innen und ihre Objekte sind somit aufeinander bezogen und definieren sich wechselseitig. Sammler/-innen und Sammelobjekte gehen eine Korrespondenz ein: Keine Sammlung ohne Sammler/-innen, keine Sammler/-innen ohne Sammlung, auch wenn sie noch so klein ist. Die Suche und Auswahl der Sammelobjekte ist weder beliebig noch orientiert sie sich am bloßen Kriterium der Verfügbarkeit, sondern es werden bestimmte (ausgewählte) Objekte durch das Sammeln hervorgehoben. Dieser Selektion von Objekten als Sammelobjekte in der Gegenwart ist historisch gesehen eine Ausweitung der Anzahl der Gegenstände gegenüber zu stellen, die sich in einzelnen Haushalten generell befinden und für Haushaltstätigkeiten aller Art zur Verfügung stehen. Die Anzahl der alltäglichen Objekte in Haushalten hat innerhalb des 20. Jahrhundert enorm und sichtbar zugenommen (vgl. Ruppert 1993; Bausinger 2007). Die Anwesenheit von Alltagsobjekten im Haushalt und speziell von Alltagsobjekten als Sammelobjekte lässt sich als Ausdruck einer funktionellen Ausdifferenzierung von Wohnräumen verstehen (vgl. Wilde 2010: 25), wobei sogenannte Alltagsgegenstände zunehmend gesammelt, öffentlich ausgestellt und teilweise zu Kunstobjekten erhoben werden. Einerseits zeigt sich, dass zwischen Kunst- und Alltagswelt Analogien bezüglich des Hervorhebens von bestimmten Gegenständen und einem spezifischen Können und Wissen bestehen und andererseits durch kontextuelle Verschiebungen alltägliche Objekte mit symbolischen Qualitäten versehen werden.21 Sie bilden den Anlass, ihrer habhaft

21 Vgl. beispielsweise die Sammlung Von jedem Eins des Frankfurter Künstlers Karsten Bott. Hierbei handelt es sich um ein gigantisches Sammelsurium aus oft kurzlebigen und durch Moden geprägten Wegwerfartikeln der Alltagskultur, die der Künstler in seinem 1988 gegründeten Archiv der Gegenwartsgeschichte aufbewahrt. Die Ausstellung der Gegenstände wird je nach Ausstellungsort durch zeit- bzw. ortsbezogene Objekte zusammengestellt. Die Ausstellungsbesucher bewegen sich z.B. über Holzstege durch das Meer der Objekte und erhalten in dieser Fülle intime Einblicke in den Mikrokosmos der Gegenstände. Karsten Bott beschäftigt sich in seinen Arbeiten, wie z.B. der Hosentaschensammlung, neben der Neuordnung, Archivierung und der ästheti-

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werden zu wollen – zumeist auf legalen, manchmal aber auch auf illegalen Wegen (vgl. Segeth 1993: 76ff.). Hierdurch zeigen sich für das Sammeln von – alltäglichen – Objekten vielerlei Ansatz- und Bezugsmöglichkeiten. Ein erhöhtes Interesse bei Sammler/-innen wecken häufig seltene Gegenstände, sogenannte Raritäten. Wenn eine Vielzahl von Sammler/-innen Interesse an bestimmten Objekten bekundet, entstehen marktähnliche Angebots- und Nachfragestrukturen, die eine Verknappung herstellen. In solchen Fällen funktioniert ein einfacher Objekttausch nicht. Geld wird als Zahlungs- und Machtmittel eingesetzt. In manchen Sammelgebieten ist ein solches Vorgehen nicht notwendig, weil der Markt nicht stark entwickelt ist und das Tauschen doppelter Exemplare ausreicht. Es existieren ferner hochausdifferenzierte Sammelgebiete, wo Sammeln und professionelles Handeln nebeneinander stehen oder fließend ineinander übergehen. Der Fokus auf vormalige Gebrauchsobjekte hat einen anderen alltagskulturellen Hintergrund und Bezugspunkt als der auf diejenigen Objekte, die als reine Sammelobjekte fungieren. Dabei ist die Differenzierung in Sammelobjekte, die vormals Gebrauchsobjekte darstellten und solche, die von vornherein als Sammelobjekte angelegt sind, weniger entscheidend als die kategorialen Funktionen, die mit dem Sammeln verbunden sind. Durch das Sammeln und Einordnen des Gebrauchsobjektes in die Sammlung wird ihm eine spezifische Bedeutung zugesprochen, die es näher zu ermitteln gilt. Die Kommunikation dient dem Austausch von Tipps und Informationen, wobei sich die Orte gleichen, an denen die unterschiedlichsten Sammler/-innen ihr Sammeln vollziehen. Es wird z.B. über die Erfahrungslage bei der Suche nach neuen Sammelobjekten berichtet. Dabei wird in der Kommunikation eine unterschiedliche Wertigkeit der Orte sichtbar: Neben Flohmärkten, speziellen Börsen22, Auktionen und Messen (vgl. Abb. 1 und Abb. 2) bilden Geschäfte für die Sammler/-innen eine zentrale Anlaufstelle, um Inspirationen zu erhalten und ihre Sammlungen zu erweitern. Desweiteren

schen Ausstrahlung der Sammlungsgegenstände durch Farben und Formen mit Fragen der Kategorisierung von Objekten (vgl. www.karstenbott.de). Als weiteren Künstler, der Alltags- und Konsumgegenstände in seine künstlerische Arbeiten integrierte, lässt sich der US-amerikanische Künstler Robert (Milton Ernest) Rauschenberg nennen. Auch die Sammlung im Museum der Dinge in Berlin, ein Museum der Produktkultur des 20. und 21. Jahrhunderts, eröffnet durch seine dialogische Anordnung der Gegenstände vielfältige Perspektiven auf alltägliche Objekte deutsch-deutscher Kultur (vgl. www.museumderdinge.de). 22 Die Börsen gehen oftmals mit einem Rahmen- und Begleitprogramm einher, wie beispielsweise Themen- und Diskussionsabende, Besuche bei für das jeweilige Sammelgebiet relevanten Stellen (z.B. Schreibgerätefirma, Puppenreparaturwerkstatt).

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bieten diverse Internetforen der virtuellen Agora die Möglichkeit, ihre Handelsbeziehungen auszuleben und (Ver-)Käufer zu autorisieren. Sowohl Nicht-Sammler/-innen, die ihre geerbten oder gefundenen Gegenstände veräußern möchten, als auch versierte Sammler/-innen erhalten durch alle Orte eine Plattform, das Sammeln fortzuführen und Einzelstücke wie auch komplette Sammlungen zu finden. Bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen sind das spezielle Boutiquen und Fachgeschäfte (vgl. FAa07) bzw. der »Lieblingsstifteladen« (ebd.). Diese zeichnen sich zumeist durch eine fachliche Beratungsqualität und das persönliche Gespräch aus.23 Der Besuch des Fachhandels (vgl. FAa43) und der von speziellen Börsen für Sammler/-innen werden in der Kommunikation empfohlen. Hier werden spezifische (Themen-)Veranstaltungen mit Fachgesprächen zu Firmengeschichten und -entwicklungen, Produktportfolios und -designs abgehalten. Auch spezielle (internationale) Börsen werden von den Sammler/-innen organisiert und aufgesucht, die z.B. in Museen stattfinden. Die Briefmarken-Sammler/-innen kaufen ihre Briefmarken bei den Postanstalten oder suchen ihre Sammelobjekte in speziellen Fachgeschäften, auf Börsen sowie bei Auktionen, bei denen Nachlässe, komplette Sammlungen und hochwertige Einzelstücke veräußert werden. Auktionshäuser bieten den Sammler/-innen neben einem internationalen Angebot Sicherheit in Bezug auf die Echtheit und den Wert der Sammelobjekte.24 Auch regionale Stammtische dienen dem Austausch und der Weitergabe von Wissen. Bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen sind es hingegen neben Spielzeuggeschäften (vgl. Interview mit Ulrike Schmid: 34) auch Kaufhäuser, die zu einer Suche nach neuen Sammelobjekten genutzt werden. Besonders die Händler, die auf Börsen Barbie-Puppen verkaufen, bieten für die Sammler/-innen die Möglichkeit, außergewöhnliche oder exklusive Exponate – auch aus dem Ausland – zu erwerben, weshalb der Besuch von Börsen für die Sammler/-innen wichtig ist. »Ich konnte mir das gar nicht vorstellen erst. Ich habe, ich sah immer schöne, schöne Bilder von Tischen mit Kartons, wo die drin waren und schöne Gesichter und habe dann gedacht: Naja, also ... Das ist doch vielleicht wie in der Zeitung geschönt oder irgendwie

23 Im Magazin Schreibkultur werden ausgewählte Fachgeschäfte und ihr Sortiment vorgestellt. Neben der Benennung der Produktpalette werden den Lesern Ladenaufbau und -gestaltung präsentiert (vgl. z.B. Schreibkultur 2010). 24 Auktionsergebnisse werden teilweise in Anzeigenform in Briefmarkenzeitschriften präsentiert.

208 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK oder. Oder wo gibt, wenn es das wirklich so ist, wo ist, wo kann denn das, was kostet das und ... Ja, das ist doch unglaublich teuer und da kommst Du gar nicht rein, habe ich erst gedacht und ... [D]as war aber völlig anders. Also, ich bin reingekommen, habe einen kleinen Obolus bezahlt von, glaube ich, ein paar Euros oder irgendwie so etwas. Und dann, dann war ich drin, dann konnte ich da gucken und habe gemerkt, dass das zu verkraftende Preise sind und das man mit den Leuten sogar reden konnte. Das es so war wie mit der, mit der Lisa Schneider. Das sie eben kein Einzelfall war und das macht Mut. In dem Augenblick. Man begreift dann, das ist also nicht nur etwas, was Du betreibst oder ein paar Verrückte betreiben, sondern was sich eben tatsächlich in organisierter Form entwickelt« (Interview mit Stephan Walther: 119-132).

Als weiterer Vorteil der Börsenbesuche stellt sich das in die Hand nehmen der Puppen vor Ort heraus. Es ist ein Unterschied, ob die Sammler/-innen die Puppen nur auf Fotos ansehen oder direkt auf ihren Zustand hin überprüfen können. Außerdem sind auf den Börsen die direkte Kommunikation, der Erfahrungsaustausch und ein Miteinander der Sammler/-innen möglich. Von den Sammler/ -innen wird besonders der Lerneffekt bei Treffen hervorgehoben. Abgesehen davon repräsentiert gegenwärtig das Internet mit seinen Auktionshäusern und Onlineshops einen zentralen Ort, an dem das Sammelfieber ausgelebt wird – oft jedoch mit zweifelhaftem Erfolg. Die Füllfederhalter-, aber auch die BriefmarkenSammler/-innen stellen beklagend fest, dass in Internetauktionshäusern ein Handel mit Fälschungen feststellbar sei. Jedoch gibt es auch Ausnahmen: Der Briefmarken-Sammler Marcel König berichtet von einem Schnäppchen, dass er durch seine Expertise im Internet ausfindig gemacht hat: »Bestes Beispiel: Ich hatte letztes Jahr beim Stöbern einen Satz für knapp 1,50 Euro […] eingekauft und ich habe den dann bei Ebay für knapp 1500 $ wieder verkauft« (Interview mit Marcel König: 74-76). »Ja, man muss wissen, was man denn so sucht und im ... Andere zocken ein bisschen mit Aktien. Ich zocke da ein bisschen mit Briefmarken« (ebd.: 7980).

Onlineshops werden als seriös angesehen und ihre Qualität beim Service positiv hervorgehoben, was beispielsweise Reparaturen oder einen Federntausch anbelangt. Gerade in ländlichen Regionen oder bei Zeitknappheit bieten die Onlineshops eine alternative Einkaufs- bzw. Sammelmöglichkeit. Auch die BarbiePuppen-Sammler/-innen sehen sich mit Problematiken konfrontiert, die durch das (Ver-)Kaufen im Internet auftauchen. Gegenstand ihrer Kommunikation sind weniger Fälschungen als unseriöse Anbieter, die minderwertige Ware versenden bzw. überhaupt keine Ware verschicken. Fehlende Seriosität ist ebenfalls auf

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Seiten der Käufer anzutreffen, die erhaltene Ware als Fälschung bzw. als unvollständig deklarieren und somit die Verkäufer/-innen belasten und deren Ruf schädigen. Die Briefmarken-Sammler/-innen berichten in ihrer Kommunikation von ähnlichen Erlebnissen. In Printanzeigen in Zeitschriften geht der Handel auf diese Gefahren und Erlebnisse ein: »Sorge beim Internetkauf? Nicht bei uns!« heißt es beispielsweise in einer Anzeige (vgl. Sammler-Markt 2009: 13), um die eigene Seriosität als Onlineshop herauszustellen und die fachgemäße Beratung und den professionellen An- und Verkauf zu gewährleisten. Jedoch kommt es immer wieder vor, dass sich Zufallsfunde als echte Glücksgriffe entpuppen: Eine größere Anzahl von Füllfederhaltern in einer Zigarrenkiste auf dem Dachboden, ein vergessenes Regal im alten Schreibwarenladen oder auch Kellerräume befördern manchmal Sammler-Schätze zutage. Zusätzlich stellen allgemeine Zeitschriften wie z.B. der Sammler-Markt25 ein breites Kontingent an Informationen, Expertisen und Terminen zu Sammel- bzw. Designobjekten sowie Objektangeboten in Form von Anzeigen zu unterschiedlichen Sammelgebieten wie Briefmarken, Münzen oder Spielzeug bereit. Außerdem gibt es unzählige Zeitschriften zu einzelnen Sammelgebieten, die über den Zeitschriftenhandel oder spezielle Vereinigungen bezogen werden können und deren Auflagenstärke oftmals sehr klein ist (vgl. z.B. die Mitgliederzeitschrift des Collegium Ars Scribendi 2010). Im Bereich der Zeitschriften kommt es vor, dass aufgrund fehlender Nachfrage die Zeitschrift eingestellt wird. 26 Die Zeitschriften haben unterschiedliche Erscheinungsweisen und sind teilweise im Abonnement erhältlich. In den Magazinartikeln werden Themen wie fach- und sachgerechte Restauration, Erkennen von Original und Fälschung sowie Literatur behandelt bzw. Hinweise gegeben, wo weitere Informationen zu den angesprochenen Themen zu finden sind – des Öfteren finden sich auch englischspra-

25 Das Magazin Sammler-Markt, »das Fachmagazin rund ums Sammeln« (vgl. Titelblatt des Magazins), versteht sich als »Europas führender Foto-Anzeiger für Sammler. Dutzende von Sammelrubriken ermöglichen dem passionierten Sammler den schnellen Zugriff auch auf sehr spezielle Objekte. Flankiert wird das Ganze von einem großen Termin- und Veranstaltungskalender sowie redaktionellen Berichten über Ausgefallenes und Kuriositäten« (www.pressekatalog.de/Sammler-Markt-ebinr_2000257.html. Auffällig ist, dass der Professionalitätsgrad bei der Aufmachung einzelner Anzeigen sehr divergent ist: Neben gestalteten Anzeigen mit professionellen Fotos finden sich auch Foto-Anzeigen, deren Charakter laienhaft wirkt. 26 Vgl. beispielsweise die Zeitschrift Mode-Puppen. Das Magazin für Barbie-Sammler der Dollami Verlags GmbH, von der es in den Jahren 2004/2005 insgesamt nur fünf Ausgaben gab.

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chige Artikel zu Objekten aus dem Ausland (vgl. z.B. Barrocas 2010: 16ff.). Außerdem werden – auch internationale – Termine und Tipps zu Flohmärkten, Auktionen (auch im Internet), Antiquariaten und Ausstellungen bekannt gegeben und Vor- sowie Nachberichte zu einzelnen Veranstaltungen veröffentlicht. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, durch Kleinanzeigen eigene Angebote und Nachfragen zu inserieren, wodurch zusätzliche Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten zwischen Sammler/-innen entstehen können. Als Resümee zeichnet sich ab, dass »Sammlern kein Weg zu weit [ist]!« (Sammler-Markt 2009: 44). Die Suche nach den Objekten verlangt von den Sammler/-innen Kommunikation. Die Suche treibt die Sammler/-innen an und fördert und fordert ihre Aufmerksamkeit, Wissbegierde und Reisebereitschaft. Spezifische Praktiken und eigene Fachsprache In allen untersuchten Sammelgebieten lassen sich spezifische Praktiken entdecken, die mit dem Sammeln verbunden werden. Die Tätigkeit des Sammelns erfordert im Allgemeinen Kenntnisse über das jeweilige Sammelgebiet, das Sammelobjekt und die im Sammelgebiet geltenden Regeln. Zusätzlich existiert in den Sammelgebieten eine je eigene Fachsprache (vgl. Glossar im Anhang) als spezifisches Fachwissen und weiterhin als Ausdruck von Etikette im Sammelgebiet Füllfederhalter. Die Eigentümlichkeit der Fachsprache, die existierenden Regeln und Sprachcodes gilt es zu erlernen und anzuwenden, um sich austauschen zu können und sowohl zu verstehen als auch verstanden zu werden. Denn die Sprache der Sammler/-innen nicht zu sprechen verhindert das Sammeln. In der Welt der Füllfederhalter-Sammler/-innen ist eine fach- und sachgerechte Betitelung der Sammelobjekte erforderlich und eine Beschäftigung mit der Fachterminologie unumgänglich. Das lässt sich nachfolgend anhand von an einem Beispielen zeigen. Ein Sammler berichtet über einen Riss in seinem Füllfeder-Deckel. Darauf antwortet ein anderer Sammler: »Oh bitte!!! Wir haben doch keine Töpfe [...]. Schreibgeräte haben Kappen, keine Deckel. Soll ich mal eine Liste mit den Fachbegriffen machen? Oder ist das nicht nötig? Nix für ungut, aber da sträubten sich mir die Nackenhaare« (FAa15; Herv. i.O.). In der Kommunikation der Barbie-Sammler/-innen taucht eine eigene Fachsprache auf, die durch viele (vorrangig englischsprachige) Abkürzungen charakterisiert ist (vgl. Gessat 1993; Warnecke 1995 sowie das Glossar im Anhang). »Du montiert vorischtig [sic!] den Kopf vom Körper und zupft alle Haare durch den Hals mit einer Pinzette raus (geht am besten, wenn sie schon kurz sind). Dann schnappst Du dir eine dicke, lange Nadel mit großer Öse, fadelst ganz dünne Strähnchen neues Haar auf und steckst die durch die kleinen Löcher im Barbiekopf. Dann machst du einen festen

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Knoten in das Ende, das aus dem Hals rausguckt und ziehst die Haare vorsichtig, bis der Knoten unter der Kopfhaut sitzt. Das ganze machst du solange, bist Du alle Löcher (Plugs) aufgefüllst [sic!] hast. Es empfiehlt sich, an einer Seite des Kopfes anzufangen und sich dann vorzuarbeiten. Wenn Du weitere Tipps brauchst, such hier im Forum unter dem Fachbegriff ›rerooten‹« (BNCd02; Herv. D.W.).

Die Abkürzungen beziehen sich zumeist auf Zustandsbeschreibungen oder Ausführungen über Körper-, Kopf- und Handformen der Puppen, die auf unterschiedliche Modelle hinweisen (vgl. ebd.; auch Barbie 2000: 120f.; Interview mit Ulrike Schmied: 284-327). Die Kürzel sind für einen Außenstehenden kaum bzw. schwer verständlich und erfordern eine gezielte Auseinandersetzung. Die Beschäftigung mit den Fachtermini spiegelt sich in Form von Fragen wieder (»Was heißt Shani-Körper [...]???«; BAe23), die in der Regel schnell beantwortet werden (»Das sind die Puppen, bei denen die Arme nicht gerade am Körper entlanggehen, sondern schräg [...] Shani war eine der ersten [...] die diese Arme hatte.«; BAe23). Um die Transparenz der Kommunikation zu ermöglichen, wird auf aussagekräftige Beitragsüberschriften Wert gelegt. Die korrekte Verwendung der Fachausdrücke wird nicht hervorgehoben. Beispielsweise steht die Abkürzung NRFB für »never removed from Box« (BDb06; vgl. auch Interview mit Lisa Schneider: 131-134) und die Abkürzung MT steht für Modern Trend. Die Frage nach der Bedeutung von einem Wort zeigt, dass manchmal verschiedene Auffassungen zu dieser bestehen (»lese immer wieder in [...] Auktionen ›aber noch gut für Display‹. Was ist denn mit Display gemeint?«; BGb07): »›Display‹ bedeutet ›Ausstellung‹. Gemeint ist, dass die Puppe nicht mehr so stabil ist, dass man mit ihr spielen oder sie auch nur öfter an- und ausziehen kann. Ich habe zum Beispiel eine Barbie von 1972, bei der der linke Arm abfällt, wenn man sie nur hochhebt. Er kann zwar immer wieder ins Loch zurückgesteckt werden, aber wer weiß, wie lange noch! Solche Puppen kann man [...] nur noch in der Vitrine stehen haben« (ebd.). »Der Begriff Dispaly [sic!] wird z.T. auch im Sinne von Diorama verwendet. Deshalb kann bei den moderneren Puppen ›gut für Displays‹ auch ein Hinweis auf eine größere Beweglichkeit sein, wie sie z.B. für Bildergeschichten benötigt wird« (ebd.). »und ich hab den Ausdruck immer so verstanden, dass eine ›Display-Puppe‹ [...] keinen roßen Sammlerwert mehr hat, weil sie soviel Fehler hat, dass sie nur noch dazu dienen kann, ein schönes Outfit an ihr auszustellen« (ebd.).

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Auffällig ist, dass die Kommunikation emphatisch-sachlich und nicht belehrend geführt wird. Die Kommunikation über das Display bzw. Diorama, eine Art stehender Schaukasten, veranschaulicht, dass unter bestimmten Begrifflichkeiten auch mehrere Deutungs- bzw. Auslegungsmöglichkeiten zulässig sind. Hierdurch wird der Begriff an sich nicht geschmälert, sondern das Spektrum des Gemeinten erweitert. Auch in der Kommunikation der Briefmarken-Sammler/-innen wird die Verwendung einer spezifischen Fachsprache ersichtlich, die für die meisten Sammler/-innen normal ist. Bei unklaren Begrifflichkeiten für andere Sammler/ -innen werden diese schnell erklärt. Lediglich bei der Erstellung von Briefmarkenattesten durch spezielle Prüfer/-innen zeigt sich eine Differenz zur Sprache der Sammler/-innen. Die Sammler/-innen wünschen sich hier jedoch eine für sie eindeutige und nachvollziehbare Sprachregulierung. Der Umgang mit dem Objekt In der Kommunikation wird bei den Barbie-Puppen- und Füllfederhalter-Sammler/-innen eine Differenz von Gebrauchs- und Anschauungsobjekt sichtbar (vgl. Hahn 1984: 11f.), die sich jedoch auf spezifische Aspekte des jeweiligen Sammelgegenstandes bezieht. Beim Füllfederhaltersammeln ist das die Differenzierung in schreibende und nicht schreibende Sammler/-innen: »Ob ein Gebrauchsgegenstand, der IN GEBRAUCH steht, ein Kunstobjekt sein kann ist eine alte Streitfrage der Moderne. Es ist in jedem Fall problematisch einen Füllhalter, der offenbar zum Gebrauch hergestellt wurde, zum Kunstobjekt zu erheben. Wenn man ihn in eine Vitrine legt und ausstellt wird er Kunst, ist er dann aber noch ein Füllhalter?« (FAa10)

Anhand dieses Beispiels zeigt sich die Differenz zwischen Gebrauchs- und Anschauungsobjekt, die auf den Funktions- und Sinnwandel hindeutet, welches das Sammelobjekt als Teil der Sammlung erfährt (vgl. Groys 1994). Die Sammelnden unterscheiden zwischen normalen und besonderen Schreibgeräten, wobei diese Attribute nicht notwendigerweise für denselben Radius an Schreibgeräten verwendet werden. Aus der Differenz resultiert ein spezieller Umgang mit den Schreibobjekten, der im Forum z.B. mit der Frage »Nur sammeln oder auch damit schreiben?« (FAb09) diskutiert wird. Bestimmt Sammler/-innen lehnen den Gebrauch von Schreibgeräten kategorisch ab und erheben sie zum Anschauungsobjekt. Andere Sammler/-innen hingegen sammeln die Füllfederhalter nicht nur als Sammelobjekte, sondern auch als Geräte zum Schreiben. Durch die

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Verwendung der Füllfederhalter, unterschiedlicher Tintenfarben 27 sowie Federbreiten28 wird die persönliche Handschrift in der alltäglichen Korrespondenz, ein künstlerisch-kreatives Schreiberlebnis oder ein besonderer Anlass gewürdigt.29 »Ich selber schreibe mit den Stücken, die mir gefallen – egal ob sie limitiert sind oder nicht. Mir ist bewusst, dass ich beim erstmaligen Befüllen meiner ›Black Widow‹ Skelater als einen Verlust hingenommen habe, aber ich war es mir wert« (FAb09). »Selbst heute, in Zeiten moderner Kommunikationsmittel, ist ein Brief, der mit einem edlen Füllfederhalter und ausgesuchter Tinte und dazu geschmackvollem Papier geschrieben ist, etwas ganz Besonderes. Er erhält dadurch auch äußerlich eine persönliche Note und gewinnt an Wert« (Clark 2005: o.A.).

Mit der Benutzung der Füllfederhalter sprechen die Sammler/-innen ihren Objekten (und sich) eine Wertschätzung zu. Der benutzte Füller ist kein wertloses Objekt, sondern erfährt eine andere Form der Wertschätzung, indem er im Alltag und zu speziellen Gelegenheiten gebraucht wird: »[I]ch denke, dass ein Schreibgerät nicht nur zum Gucken da ist. Ich z.B. benutze meinen einzigsten LE [...] zum Schreiben von Einladungen (Taufe, Geburtstag, usw.), Unterschriften, Briefe an wichtige Personen unsw. [sic!] Alleine das Gewicht und die Haptik ist kaum zu beschreiben. Ich gehe mit dem FH sorgfältig um und mache mir über einen möglichen Wertverlust gar keine Gedanken. Wie schon gesagt, als Wertanlage gibt es gewiss bessere Alternativen« (FAa02). »Ich schreibe mit allen meinen Füllfedern und nehme sie auch mit ins Büro. D.h. am Sonntag Abend wähle ich fünf, sechs Füllfedern aus, die in der kommenden Woche die Ehre haben, von mir benutzt zu werden [...] Alle werden gleich behandelt« (FAb09).

Zumeist besitzen die schreibenden Sammler/-innen bestimmte Füller, die sie ungenutzt lassen, die also von vornherein Anschauungsobjekt sind und gesondert

27 Durch unterschiedliche Tintenfarben lassen sich Gefühle, Symbolgehalte usw. herausstellen, z.B. die Farbe Rot als Farbe der Liebe oder als Korrekturfarbe im Bereich von Unterricht und Lehre. 28 Die Feder wird ausgewechselt, um je nach Anlass die Handschrift zu betonen. 29 Um die Schreibtischkultur und ihre aktuellen Entwicklungen und Trends bezüglich Schreibgeräten, Kalligrafie oder Papier kreisen Überlegungen im Magazin Kult am Pult (vgl. www.kultampult.de).

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aufbewahrt werden. Das Ablehnen der Benutzung dient der Wertsteigerung, denn der Zustand entscheidet über den Wert. Für einwandfreie – als in mint condition bezeichnete – Schreibgeräte lassen sich beim Weiterverkauf »bis zu doppelt so hohe Preise [erzielen]« (FAb09). Durch die Unterscheidung in nicht schreibende und schreibende Sammler/-innen grenzen sich die Sammler/-innen voneinander ab und bestimmen, was sammel- bzw. schreibwürdig im Sinn einer Wertanlage bzw. einer persönlich-ideellen Wertschätzung ist. »Ja, und es gibt viele Sammler, die immer zwei Exemplare einer Limited Edition kaufen – eine zum Weglegen (natürlich originalverpackt und unbenutzt) und eine zum Schreiben. Wer dies über 10 und mehr Jahre gemacht hat, kann dann aus seiner Sammlung heraus die Komplettierung finanzieren, indem er eine seiner alten, unbenutzten Stücke verkauft und für den Erlös locker zwei neue Exemplare aus der frischen Edition erwirbt. Aber es gibt (zum Glück) [...] noch viele Benutzer, denen es völlig egal ist, ob ein Schreibgerät limitiert ist oder nicht. Sie kaufen was ihnen gefällt und erfreuen sich an ›ihrem‹ Schreibgerät – ohne spekulativ zu denken. Gönnt Euch doch mal selber was!« (FAb09)

Hieraus lässt sich ableiten, dass das individuelle Sammeln ein Optimum darstellt und die innere Realität des Sammelns abbildet, ansonsten würde das Sammeln von finanziellen Motiven – als äußere Realität – überlagert. Durch die zweite Kategorie des persönlich-individuellen hingegen können sich die Sammler/ -innen ihre Nische suchen und eine eigene Form der Wertschätzung beim Sammeln ausleben. Als ein weiterer Aspekt wird in der Kommunikation ein leidenschaftliches, luxuriöses und sinnlich-haptisches Gefühl beim Schreiben mit den Füllfederhaltern beschrieben: »Nein, die Füllfedern sind viel zu schön und zu teuer um sie nur herumliegen zu haben und darauf zu hoffen, dass ihr Wert steigt. Es ist – für mich – fast ein erotisches Gefühl mit einer schönen Füllfeder, die [...] wie allein übers Papier gleitet, zu schreiben. Das ist ein Luxus, den ich mir gönne« (FAb09).

Das Schreiben ist Ausdruck eines sinnlichen Erlebens, das über den Füllfederhalter vermittelt Wertschätzung und Luxus transportiert. Der Umgang mit den Sammelobjekten bei den Barbie-Puppen-Sammler/ -innen lässt sich dreifach aufspalten: Es gibt erstens sogenannte Playline-Puppen, die ursprünglich zum Spielen gedacht sind, und sogenannte Collector Dolls (auch Collectibles genannt), die von vornherein zum Sammeln bestimmt sind. Barbie verkörpert hier unter dem Motto »Du kannst alles sein« (Barbie 2000: 83)

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unterschiedlichste Rollen wie Prinzessin, Ballerina, Stars, Berufe (vgl. ebd.: 82ff.; auch Interview mit Lisa Schneider: 627-630). Zweitens differenzieren die Sammler/-innen die Puppen in bespielte und unbespielte Puppen. Drittens unterscheiden die Sammler/-innen zwischen originalverpackten Puppen und denjenigen ohne Verpackung (wie bereits unter 5.2.3. angesprochen). Auch bei den Barbie-Sammler/-innen lässt sich eine Differenz zwischen Gebrauchs- und Anschauungsobjekt ausmachen. Diese ist jedoch anders markiert als bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen. Die Barbie-Sammler/-innen zweckentfremden Puppen, die zum Spielen gedacht sind, indem sie sie zu Sammelobjekten erheben, wie es bei den Playline-Puppen der Fall ist. Darüber hinaus bedient der Hersteller direkt den Sammlermarkt, indem er Collector Dolls speziell für diesen bereitstellt. Außerdem wählen die Sammler/-innen – höchst individuell – bestimmte Puppen aus, die sie zu reinen Anschauungsobjekten erheben oder von vornherein als solche erwerben. Diese Puppen sind in der Wertigkeit höher angesiedelt (»Man sagt, wenn eine Barbie aus der Box genommen wurde, dann verliert sie die Hälfte des Ursprungswertes.«; BAd09). In diesem Zusammenhang erhält die Originalverpackung eine zentrale Bedeutung (»Da ich angefangen habe Barbies zusammen [sic!], möchte ich fragen wie ich sie am Besten ausstelle. Lässt man sie in der Packung und stellt sie so auf ein Regal oder eine Vitrine oder nimmt man sie heraus?«; BGb03_1). Um den Wert eines Stückes zu ermitteln, ist zumeist »eine längere Zeit [der] Preisrecherche« (BGb11) auf verschiedenen Ebenen geboten. Eine wesentliche Preisauskunft stellt neben einschlägiger Literatur das Internetauktionshaus Ebay dar. Umso einwandfreier der Zustand (in mint-condition) ist, desto höher ist der finanzielle Wert eines Stückes anzusetzen (»Barbie-Puppen sind in Massenproduktion hergestellt worden und somit sind bei Sammlern nur die sehr gut erhaltenen Puppen gefragt.«; BAa32). In einem Beitrag wird ein umfangreicher Fragenkatalog präsentiert, der zur Wertermittlung einer Puppe abgehandelt werden sollte (»Sind die Haare beschnitten? [...] Ist das Make Up inkl. Augenbemalung und Augenbrauen berieben? [...] Hat sie grüne Ohren? [...] Hat sie Risse im Hals? [...] Ist der Torso verfärbt, beschädigt oder gar deformiert? [...] Was steht genau auf dem Po und wie steht es da? Sind alle Zehen dran? Nagellack komplett? Hat sie Zübehör [sic!] wie eine Box, Badeanzug (was für einen), Ständer, Ohrstecker, Schuhe und Booklet?«; BAa40). An diesem Beispiel lässt sich ablesen, wie intensiv die Recherche sein muss, um die Puppe vollständig zu identifizieren.

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Objektidentifizierung Die Beispielfragen »Wer kennt diesen Füller?« (FFa04), »Hilfe, wer sind wir?« (BAe22) oder »Wer kann diese Marke bestimmen?« (BRCd05) veranschaulichen, dass die notwendige Identifizierung und Klassifizierung der Objekte zuweilen schwierig ist. Die Sammler/-innen benötigen eine ausgesprochene Expertise, wenn es sich nicht um Sammelobjekte handelt, die sie neu erwerben. Daher beziehen sich viele der untersuchten Beiträge auf die Identifizierung einzelner Objekte. Neben einer sachdienlichen Beschreibung mit Angaben von Maßen, Material und Farbe bilden in der Internetforenkommunikation oftmals Fotos des Objektes den Ausgangspunkt der Identifizierung. Am Beispiel des Barbie-Sammelns lässt sich die Identifizierung und Zuordnung von Puppen und Zubehör als ein zentrales Thema herausarbeiten. Die Sammler/-innen helfen sich gegenseitig bei der Identifizierung der Objekte und fassen dieses als eine Denksportaufgabe auf, die es zu lösen gilt (»wie ich uns alle hier so einschätze, ist es für die meisten eine Herausforderung und ein Test der eigenen Fähigkeiten.«; BAe11). Selten prangern sie in der Kommunikation an, dass man ihr (Experten-)Wissen für fremde (Verkaufs-)Zwecke missbraucht. Häufig werden in der Kommunikation exakte Puppen-Beschreibungen angeführt und es wird zusätzlich nach Namen von Puppen gefragt, die die Sammler/-innen noch nicht bzw. nicht mehr wissen und wiederfinden möchten. Je präziser die Angaben sind, desto eindeutiger fällt das Ergebnis aus. Neben sachlichen Beschreibungen und emotionalen Aussprüchen, die die Beziehung zum Sammelobjekt verdeutlichen, werden sehr oft Fotos zur Identifizierung veröffentlicht. Des Öfteren wird auf den Originalzustand verwiesen, wenn die abgebildete Puppe diesem nicht entspricht, um den jeweiligen Sammler/-innen die Möglichkeit zugeben, die Puppe wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. Aufgrund der vielen Variationen ist es relevant, Details zu ermitteln. »Barbie-Puppen [...] haben oft mehrere Namen, weil die von Land zu Land wechseln. Z.B. hieß Barbies Freundin Kira (die es in den 90ern oft gab) in Deutschland Marina; ihre kleine Schwester Kelly kennen wir hier als Shelly usw. Ich habe lange als Originalnamen den englischen angesehen – bis ich dann eine Strand-Barbie aus Frankreich NRFP in die Hand kriegte: [D]ie hatte nämlich nur den französischen Namen auf dem Karton. Am besten, man versucht immer die Artikelnummer rauszukriegen, die ist in allen Ländern gleich und man kann nichts verwechseln« (BAe07). »Hallo, ich hoffe wirklich, dass ihr mir helfen könnt. Ich habe jetzt schon sämtliche Seiten durch und nirgends finde ich meine Barbies...also ich fange mal an: Die erste Barbie, die ich bekommen habe, ist aus den USA und stammt so ca. aus dem Jahr 1988-1990. Sie hat noch nicht diese angewinkelten Arme und ist auch noch leicht gebräunt – also nicht so

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blass wie die neueren Barbies. Ihr Haar ist ein etwas dunkleres Blond und sehr glatt. Sie hat unter dem rechten Auge einen winzigen Schönheitsfleck und trug ein Outfit, welches mich sehr an das einer Sekretärin erinnert. Einen weißen, knielangen, engen Rock mit dunklerotem [sic!] Bund, ein rückenfreies, geblümtes Oberteil, welches am Bund und am Kragen leicht gerafft war und im Nacken per Druckknopf verschlossen wurde. Darüber trug sie ein dunkelrotes Jacket mit weißen Nähten« (BAe19).

Auffällig ist die ungewöhnliche Expertise, mit der die Identifikation der Puppen vonstattengeht (»Erst hab ich gedacht: ›Oh nein, nicht schon wieder eine nicht identifizierbare Blondine!‹ Aber wenn sie ›Lass uns Zähneputzen‹ sagt, ist es ›Zahnärztin Barbie‹ von 1998.«; BAe02). Anhand von Körper- und Kopfformen, der Gestaltung des Gesichts, der Frisur und eventuellen Accessoires lassen sich Erkennungsmerkmale und Markierungen bestimmen (vgl. Barbie 2000: 124ff.). Auf den Körpern sind diverse Zahlen vermerkt (»Die Zahlen beziehen sich immer auf das Patentierungsjahr der Kopf- bzw. Körperform.«; BAe06), die auseinandergehalten werden müssen. Der Hersteller bringt fortlaufend neue Formen auf den Markt, wobei aber auch alte und neue Formen in einer Puppe vereinigt werden. Um Fälschungen zu entgehen ist daher eine genaue Identifizierung der Puppenformen erforderlich (vgl. Warnecke 1995, 54ff.).30 »Hallo, deine Puppe ist eine Ballerina Barbie von 1976. Sie ist mit Taiwan markiert und hat ein schwingendes Bein, knickbare Beine. Dazu gehört noch ein weißes Tuetue, Ständer und ein Rosenstrauss [sic!] aus Plastik. Die goldene Krone fehlt, schau mal unter die Haare in die Mitte vom Kopf, da ist ein Loch wo die Krone drin war. Sie ist eine von häufig verkauften Puppen aus den 70ern und hat in diesem Zustand leider keinen besonderen Sammlerwert« (BAe21).

Neben speziellen Fragen, bei deren Beantwortung Hinweise auf weitere Nachforschungsmöglichkeiten gegeben werden, werden allgemeine Anfragen – auch von außenstehenden Nicht-Sammler/-innen – gestellt wie z.B. nach den Maßen von Puppen, nach Magazinen oder nach Informationen für Schulreferaten zum Themenspektrum Barbie. Die Sammler/-innen beantworten solche Anfragen in der Regel ausführlich.

30 Außerdem bringt die Herstellungsfirma im Ausland oftmals andere Puppen heraus, wodurch Sammler/-innen sehr gerne auch international nach Puppen suchen.

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Von Tausch und Täuschung: Original, Fälschung, Repros, Raritäten, Limited Editions und weitere Editionen sowie Zubehör Beim Sammeln verschmilzt die Suche nach dem Echten und die Reproduktion desselbigen: Die Kategorien echt und unecht sorgen seitens der Sammler/-innen für Bestrebungen, erstere voneinander zu trennen und dem Echten zu seinem Wert zurück zu verhelfen (vgl. Benjamin 1969, 1983). Daher beschäftigt die Frage der Echtheit die Sammler/-innen nicht nur in Bezug auf ihre Sammelobjekte, sondern auch auf deren Zubehör sowie Verpackungen. Die Sammler/ -innen möchten ihr Sammeln gewissenhaft voranbringen. Sie wissen aber, dass sie nur allzu leicht betrogen werden können, denn die Unterscheidung von Original und Fälschung erfordert eine hohe Expertise, was Variation, Material, Verarbeitung – und bei den Füllfederhaltern technische Raffinessen – einzelner Objekte anbelangt.31 Außerdem ist ein geschultes Auge erforderlich, welches nur durch Erfahrung und Literaturstudien dem Schein der Fälschung entgehen kann. Beim Sammeln von Briefmarken gibt es unterschiedliche Professionalisierungsgrade bei der Bestimmung von Originalen und Fälschungen. Original und Fälschung sind manchmal kaum zu unterscheiden. Sogar eigens ausgebildete Sachverständige bzw. Prüfbüros werden engagiert, um Briefmarken zu bestimmen. »Ich möchte hier eine ›Kurzübersicht‹ bringen, die auch Anfängern eine schnelle Einordnung der meisten häufigen Stempel in ›gut‹ und ›böse‹ ermöglicht. Natürlich ersetzt so eine Übersicht kein eigenes Wissen und auch keine Prüfer – der Orientierung dient sie trotzdem und auch mancher Fehlkauf lässt sich mit ihr vermeiden« (BRFc01).

Der Überzeugung, ein Original zu besitzen steht die Unsicherheit, sich zu täuschen, gegenüber: »[I]ch habe [...] einen MB 146 ersteigert, denke [...] daß es sich um ein Original handelt. Dennoch ist mir aufgefallen, daß alles [sic!] hier abgebildeten Füller ein gestreiftes Sichtfenster für die Tinte haben. Bei meinem ist es durchgehend transparent. Ist dies ein Zeichen für ein Plagiat?« (FAa35).

Leichte Variationen der Produktpalette erschweren zusätzlich die Sortierung der Sammelobjekte, da Füllfederhalter, Barbie-Puppen oder Briefmarken, die oberflächlich gleich aussehen, sich bei genauerer Betrachtung sichtbar unterscheiden bzw. bei Füllfederhaltern, die in ein Modulsystem integriert sind, sich Fragen der

31 Es gibt aber auch durchaus Sammler/-innen, die sich auf das Sammeln von Fälschungen spezialisieren.

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Zuordnung, welche Teile des Füllers ursprünglich zu selbigem gehörten, als besonders schwierig herausstellen. Warnungen vor unseriösen Anbietern bzw. Fälschungen gehören zur Kommunikation (»ich kann alle Sammler nur warnen. Häufig sieht MAN was man sehen will!! Bitte seid [...] vorsichtig, gerade in der Weihnachtszeit tummeln sich wieder viele Betrüger herum!«; BAa30; Herv. i.O.). In regelmäßigen Abständen werden sogenannte Limited Editions (bei den Füllfederhaltern), Collector Dolls (bei den Barbie-Puppen)32 bzw. Sonder- und Wohlfahrtsmarken (bei den Briefmarken) auf den Markt gebracht, d.h., exklusive Sammelobjekte in limitierten Auflagen, die bestimmte Themen wie Literatur, Wissenschaft, Politik, Mobilität, Tiere, Pflanzen, Mythologie, Mode oder historische Ereignisse behandeln. Oftmals handelt es sich um die Darstellung von Persönlichkeiten oder Ereignissen, die mit dem jeweiligen Sammelobjekt in Verbindung zu bringen sind und durch das jeweilige Sammelmodell und beigefügte Hintergrundinformationen besondere Ehrung erhalten (z.B. bei den Füllfederhaltern die sogenannte Writers Edition).33 Den Sammler/-innen ist bewusst, dass die

32 Der Hersteller der Puppen bringt – in Deutschland seit 1993 – spezielle Editionen heraus, die sogenannten Collector Dolls (Collectibles). Häufig kreieren bekannte Modeschöpfer/-innen die Kleidung dieser Puppen (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 612616). Außerdem werden in diesen Kollektionen bestimmte Themen wie z.B. vergangene (nostalgische) oder aktuelle Modetrends, Momente der (Pop-)Kultur oder Kunstrichtungen wie der Impressionismus aufgegriffen (vgl. auch Barbie 2000). Die Sammler/-innen zählen zu den Collector Dolls auch Puppen, die nicht eindeutig zu der Linie gehören, aber aufgrund ihres aufwendigen Äußeren nicht der Playline, also dem normalen Spielbetrieb zuzuordnen sind. Es handelt sich für die Sammler/-innen bei diesen limitierten Puppen um kleine Kunstwerke, die einen Wertzuwachs versprechen. Die Collector Dolls bieten daher die Möglichkeit einer finanziellen Wertschätzung. Im Forum werden die Puppen z.B. anhand des Themas oder des Modells samt Kleidung diskutiert. Es werden außerdem exklusive Editionen für Warenhäuser, zu Serien- und Filmanlässen oder auch zu Personen des öffentlichen und politischen Lebens (Angela Merkel-Barbie) herausgebracht, die gerne von den Sammler/-innen in ihre Sammlung aufgenommen werden. 33 Die Füller tragen dann u.a. Namen bekannter Persönlichkeiten, beispielsweise von Schriftsteller/-innen. Diese Persönlichkeiten aus dem Bereich der Literatur sind den Sammler/-innen nicht immer bekannt. Durch die Betitelung der Füllfederhalter werden die Sammler/-innen auf jene aufmerksam: »denn ich muss zu meiner Schande ge-

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Exklusivität der Limited Editions gefährdet ist, wenn die Stückzahlauflagen erhöht oder Modelle im Internet angeboten werden, bevor sie in Fachgeschäften erhältlich sind. Darüber hinaus existieren weitere spezielle Editionen. Die Modelle zeichnen sich bei den Füllfederhaltern durch Besonderheiten wie Verzierungen, Gravurarbeiten, Handmalereien oder zusätzliche Funktionen wie ein integriertes Feuerzeug oder Thermometer aus (vgl. Clark 2005). Bei den Briefmarken sind es neben einem besonderen Design spezielle Herstellungs- und Druckverfahren, in denen hochwertige Materialien wie z.B. Echtgoldfolie oder Duftpapier verwendet werden. Bei den Barbie-Puppen sind es besondere Details sowie Handarbeit oder die Verwendung hochwertiger Materialien. Diese limitierten Editionen unterstützen den anvisierten (Kunst-)Werkcharakter der Sammelobjekte. In der Kommunikation werden Spekulationen und Vorschläge zu kommenden Editionen geäußert. Außerdem informieren sich die Sammler/-innen rechtzeitig mit »Vorankündigung[en]« (FAb13), wenn neue Editionen herausgebracht werden. Neben offiziellen Pressetexten und Fotos werden Insiderinformationen veröffentlicht. Aus diesem Grund bietet das Forum einen Ort, an dem sich die Sammler/-innen ausführlich über Design, Material, Fälschungen und andere Aspekte der jeweiligen – auch vergangener – Editionen austauschen können. Zudem können sie nach alten Modellen suchen und Reparaturmöglichkeiten erörtern. Limited Editions lösen eine Euphorie unter den Sammler/-innen aus (»Ich denke, der Starwalker ist [...] ein ›Must have‹; FAb11). Aufgrund der Limitierung werden einzelne, besonders begehrliche Editionen vom »Sammlermarkt [...] fast vollständig aufgesogen« (FAb13). Auch die Frage des passenden Zubehörs ist im jeweiligen Sammelgebiet nicht unerheblich. Da beispielsweise mit manchen der Füllfederhalter-Sammelobjekte geschrieben wird, werden Fragen zu passender Tinte, unterschiedlichem Papier oder zum Auswechseln von Füllhalterfedern beratschlagt. Ein (historisches) Hintergrundwissen zur komplexen Herstellung von unterschiedlichen Federtypen und Tinten gehört ebenso dazu (vgl. Schreibkultur 2010: 43; Oestereicher 2010: 50f.; Clark 2005: 11ff.) wie ein Wissen um die sachgerechte Aufbewahrung in (handgefertigten und nach persönlichen Wünschen gefertigten) Etuis, Schatullen oder Taschen, wodurch die Schreibgeräte besonders in ihrer Wertigkeit betont werden. Die Füllfederhalter sollen die Sammler/-innen einerseits im alltäglichen Leben umgeben, andererseits aber auch adäquat vor Abnutzung, UV-Strahlen und weiteren Umwelteinflüssen sowie möglichen chemischen Reaktionen mit Lösungsmitteln oder Gerbsalzen geschützt werden, wes-

stehen, daß ich Faulkner überhaupt nicht kannte und mir auch bei Virginia Woolf auf die Sprünge helfen lassen musste« (FAb13).

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halb hohe Ansprüche an die für die Aufbewahrungsobjekte verwendeten Materialien gestellt wird (vgl. Schreibkultur 2011: 52ff.). An diesem Punkt zeigt sich noch einmal der Facettenreichtum des Sammelns: Neben Tintenschriftproben, Farbkarten und parfümierter Tinte werden Fragen zur Lagerung der Tinte und der Beseitigung von Tintenflecken diskutiert. Außerdem werden Accessoires und Werbeartikel vorgestellt. Die Identifizierung einer Barbie und des jeweiligen Zubehörs als Originale steigert den Wert und die Besonderheit des Objekts. Das Sammeln von Originalen ist aber nicht zwangsläufig höher zu gewichten als das Sammeln von Reproduktionen, auch Repros genannt. Vielmehr hat jede Spezialisierung ihren eigenen Fokus. In der Barbie-Welt existieren viele Reproduktionen, d.h., alte Modelle von Puppen und Zubehör werden wieder aufgelegt. Als Vorteile der Faksimiles werden angesehen, dass man eine Puppe, die einem Original detailgetreu nachempfunden ist, zu erschwinglichen Preisen kaufen kann und das Risiko von Verfärbungen der Puppe (auch durch Kleidung) geringer ist. Daher wird beim Zubehör oftmals auf Reproduktionen zurückgegriffen, bzw. die färbenden Teile des Originalzubehörs durch Reproduktionen ausgetauscht. »Der Nachteil ist jedoch, dass man die Repros ihn ›großen‹ Mengen kaufen kann und so der Seltenheitseffekt sinkt. Das Gefühl, etwas › [B]esonderes‹ zu besitzen schwindet und die Originalität, sei die Puppe oder das Kleid noch so identisch und in hervorragendem Zustand, ist einfach nicht die Gleiche« (BAa03).

Die Repros können trotz Detailtreue zum Original jedoch nicht dieselbe Authentizität vermitteln. Puppen und Kleidung im »Mint-Zustand« (BAa03) sind allgemein teurer zu erstehen. Daher greifen viele Sammler/-innen auf die günstigen Repros zurück, deren Wertsteigerung niedriger ist (vgl. BAa03). Gerade die Darstellung von unterschiedlichen Barbie-Moden in Verbindung mit der Kommunikation über die jeweilige Zeitgeschichte ist für die Sammler/-innen bedeutsam. Denn die Gestaltung und Outfits der Barbie spiegelt immer die (modischen) Trends der jeweiligen Zeit wider und greift Ereignisse wie beispielsweise Hochzeitstage auf (vgl. Barbie 2000). In der Welt der Barbie-Puppen-Sammler/-innen ist das Vorhandensein des passenden Zubehörs zu einer Puppe eine SammelPflicht. Daher helfen sich die Sammler/-innen untereinander bei der Zubehörsuche und fertigen detaillierte Beschreibungen darüber an, was das jeweilige Puppenmodell auszeichnet:

222 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK »Vielen Dank für die Informationen. Bin schon ganz verzweifelt. Ich hab so viel Zubehör schon zu diesem Set, nur dieser blöde Anzug, der ja nun wirklich wichtig ist, damit Barbie nicht nack[t] ist, den hab ich nicht. Hab ihr jetzt vorerst mal Skater's Waltz angezogen und darüber das Ballettröckchen...das geht als Notlösung auch. Der richtige Anzug wär halt nur schöner« (BAa35).

Ferner wird nach weiteren Accessoires und Details gesucht, die in der BarbieWelt relevant sind. Beispielsweise sind das Barbie-Häuser aus Pappe oder Kunststoff, diverse Möbel, Sportgeräte, Fahrzeuge, Pferde oder Berufszubehör (vgl. auch Barbie 2000: 34f.). Auch bei den Briefmarken-Sammler/-innen sind Fragen des Zubehörs entscheidend für die Kommunikation: neben der Besprechung der Verwendungsmöglichkeiten und Tauglichkeit des Zubehörs werden unterschiedliche Aufbewahrungsmöglichkeiten (z.B. Vordruckalben, bei denen die zu sammelnden Briefmarken bereits vermerkt sind oder Einsteckbücher und Einsteckkarten) und weiteres Zubehör zur Prüfung, Lagerung und Pflege der Briefmarken diskutiert (z.B. Prüflampen mit UV-Licht, Pinzetten, Trockenbücher, Lupen mit und ohne LED-Lampe, Literatur). Aber auch wertvolle Einzelstücke werden von den Sammler/-innen geschätzt. So wurde eine Briefmarke zu Ehren von Audrey Hepburn, die sie stilecht mit Zigarettenspitze ablichtet, nach dem Druck von ca. 14 Millionen Stück im Jahr 2001 von ihrem Sohn Sean Hepburn Ferrer nicht autorisiert, da seine Mutter auf dem Bild rauchte. Der ihm zur Verfügung stehende Zehnerbogen als Ansichtsexemplar wurde später zu wohltätigen Zwecken zu einem hohen sechsstelligen Betrag versteigert. Jedoch gerieten auch einige wenige andere Hepburn-Marken in Umlauf und machten die Marke somit zu seltensten deutschen Nachkriegsmarke, auch Blaue Mauritius Deutschlands genannt (vgl. Fischer 2010: 12; auch Interview mit Marcel König: 547-572). Bei der Beschreibung von Sammelobjekten in der Kommunikation offenbaren sich manche als Raritäten. Diese Raritäten erfordern eine sachgerechte Pflege, Lagerung und die bestmögliche Wiederherstellung des Originalzustands des Sammelobjektes, da sein Wert meistens viel höher als der von normalen Objekten anzusetzen ist. Die Relevanz der Wissenskommunikation und des Fachsimpelns zur Ausweitung des persönlichen Kenntnisstandes und für den Fortbestand der Gemeinschaft wird in vielen der ausgewerteten Beiträge ersichtlich: Sammeln ohne Wissen ist nicht möglich und daher wird dem Wissensaustausch ein erheblicher Stellenwert zugesprochen:

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»Ich möchte hier allen danken, die ihr Wissen eingebracht haben und dieses hoffentlich in der Zukunft nicht unterlassen« (FAa36). »[D]as ist ja gerade das Schöne und Reizvolle an unserem Hobby, dass man NIE auslernt und immer wieder neue Erkenntnisse hinzugewinnt! Auch ich lerne immer wieder etwas dazu, obwohl ich schon über 35 Jahre dabei bin« (FAa29).

Es wird ersichtlich, dass neben der sozialen und inhaltlichen Bedeutsamkeit der Wissenskommunikation die zeitliche Perspektive entscheidend ist. Der Wissensaustausch muss über einen längeren Zeitraum gewährleistet und sichergestellt werden. Der oben formulierte Dank enthält die Hoffnung und den latenten Appell, auch zukünftig Wissen in die Gemeinschaft einzubringen. Dementsprechend werden auch Sammelwünsche beschrieben. In den im Internet geschilderten Erfahrungs- bzw. Erlebnisberichten wird anhand eigener Lebenserfahrungen geschildert, wie mit bestimmten Fragen oder Problemen umgegangen werden kann. Auffällig ist die bildhafte Darstellung der Erfahrungen, die den Erlebnischarakter untermauert. Das (Erfahrungs-)Wissen, welches entwickelt, verhandelt, erworben und verworfen wird, ist den Gegenständen gemäß spezifisch aber auch allgemeiner, wenn die Kommunikation über das Sammeln hinausweist. Also werden Empfehlungen ausgetauscht, z.B. worauf man beim Kauf des ersten Füllfederhalters achten sollte. Doch obwohl bei solchen Ratschlägen subjektiven Ansichten eine Bedeutung zukommt, sind bei allgemeinen Themen objektive Beiträge für den Austausch erwünscht. Geahndet werden so z.B. in der Füllfederhalter- oder auch Briefmarken-Kommunikation die Personen, die entweder ihre Fachkenntnisse nicht sachgemäß anwenden oder die keine Fachkenntnisse besitzen: »Mit etwas mehr Objektivität erstellte, aber ebenso informative Beiträge von dir in der Zukunft wären eine Bereicherung fürs Forum« (Fab08). Sachkenntnis, Sachlichkeit und Information werden als die entscheidenden Pole der Kommunikation deklariert. Jedoch stehen unterschiedliche soziale Gefüge wie z.B. hierarchische Verhältnisse einer solchen Kommunikation im Wege. Reinigung, Pflege und Reparatur Auch die Reinigung, Pflege und Reparatur bedarf eines besonderen Wissens: »Und dann Anfang der 70er, da war, da ging es Mattel auch recht schlecht. Da war ja diese Ölkrise. Sonntags war ja hier Fahrverbot und so. Da hat man versucht, an den Ölen zu sparen. Und die Puppen brechen jetzt oft auseinander. Weil die haben alle so verschiedene Materialien. Die vertragen sich nicht. Dann entstehen so Schmelzspuren« (Interview mit Lisa Schneider: 484-488).

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Eine unsachgemäße Handhabung der Sammelobjekte kann zu Schäden an führen, was einen erheblichen Ansehensverlust – persönlich und finanziell – nach sich ziehen kann. Bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen ist neben speziellen Ultraschallbädern, die der Fachhandel anbietet, die Reinigung zu Hause maßgeblich. Auch die Briefmarken-Sammler/-innen reinigen ihre Marken in der Regel zu Hause mithilfe von Tauchbädern. Bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen ist aufgrund von Verfärbungen, Ausbleichungen, »Schmelzspuren« (BAa03; vgl. auch Interview mit Lisa Schneider: 488) auf Puppen und Kleidern und der Porosität des Materials eine Reinigung und Pflege inklusive Erneuerung einzelner Körperteile und des Make Up notwendig, um die Puppe vor Schaden zu bewahren. »Und manche Sachen muss man dann auch schon mal, so ein Körperteil halt austauschen. Nur, man muss immer ein altersentsprechendes bekommen. Weil, die Kinder haben da ja auch mit gespielt. […] Damals, zu meiner Zeit da gab es immer Silberfestiger, so hieß das und der war so lilafarben. Und den fanden wir immer ganz toll. Und den haben wir den Puppen auf dieses Kunsthaar gepackt. Und […] das ist ja Kunsthaar, das ist ja kein Echthaar. Das hat dann irgendwie oxidiert oder so. Und dann ist das ja natürlich auch in den Kopf gegangen und deswegen. Man sieht auch wie unterschiedlich die so alle verfärbt sind. Wo sind die gelagert. Und dann auch. Was ich auch so erstaunlich finde. Die hier. [Lisa Schneider steht auf und holt zwei Puppen, die zunächst fast identisch aussehen; pustet Staub von dem Körper einer Puppe] Das ist das gleiche Modell. Die sehen irgendwie immer anders aus« (Interview mit Lisa Schneider: 505-516).

Einige Sammler/-innen lehnen die Behandlung der Puppen aber auch ab, da sie sich der Endlichkeit der Puppen bewusst sind (»Ich habe [...] viel rumexperimentiert und bin [...] zum Schluss gekommen, dass jeglicher Eingriff in das Material nur schadet. [...] diese Puppen waren Spielzeug und sind nicht für die Ewigkeit [...]«; BAa37). Die Reinigung und Pflege der Barbie-Puppen zeugt von einem speziellen Wissen, welches einerseits auf Erfahrungswerten beruht. Oftmals werden normale Haushaltsreiniger und Kosmetika zur Pflege verwendet. Zudem werden spezielle Reinigungs- und Pflegeprodukte eingesetzt (vgl. BAa20; BNAc01). Andererseits ist ein spezifisches Fachwissen erforderlich (z.B. Haarknüpftechniken). »Es kommt [bei] der Behandlungsmethode im Wesentlichen auf die Beschaffenheit und das Alter der Sachen an« (BAc06). Durch den Austausch des individuellen Wissens wird es in ein gemeinschaftliches Wissen überführt.

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»Versuch es mal mit dem schon [...] erwähnten Clearasil-Reinigern. Flecken einstreichen und in die Sonne legen. Dabei würde ich empfehlen, den Kopf der Puppe gut mit AluFolie oder anders gegen die Sonne abzudecken, damit das Makeup nicht ausbleicht« (BAa49). »An die Beine meiner Barbie gehe ich lieber nicht mit dieser Scheuermilch ran, weil das ja weiche Knickbeine sind, das würde die Oberfläche beschädigen. Mit Nagellackentferner hatte ich gute Erfolge, aber es ging nicht ganz weg. Ich habe mir jetzt mal das Remove-Zit bestellt, das wurde mir empfohlen« (BAa25).

Dementsprechend werden in der Kommunikation verschiedene Reinigungs- und Pflegetipps verhandelt. Die Sammler/-innen hüten sich, ihr Wissen als Allgemeingut zu präsentieren, denn die Reinigung hängt stark von dem individuellen Vorgehen ab (»ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Garantien, denn das Mittel kommt bei mir [...] nur in seltenen Bedarfsfällen sehr zurückhaltend zum Einsatz«; FAc05; Herv. i.O.). Reparaturen stellen einen weiteren Kommunikationspunkt dar. Die Reparaturen erweisen sich aufgrund der Materialbesonderheiten in vielen Fällen als schwierig. Neben Möglichkeiten der Materialbeschaffung z.B. durch Tauschen bilden das notwendige Werkzeug, Aufwand und Kosten wesentliche Kommunikationsinhalte. Es werden konkrete Tipps und Wissen gegeben, wie man eine Reparatur vornimmt – auch auf Grundlage der Erfahrungen von professionellen Restaurationen (»Hat der Restaurator Dir zufällig auch verraten wie er vorgegangen ist und köntest [sic!] Du dieses Wissen mit uns teilen?«; BREd05) – oder in welchen Fällen man spezielle Restaurateure (vgl. Interview mit Martin Vetter: 710-717), Sachverständige (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 344), Prüfer bzw. Puppenkliniken in Anspruch nehmen sollte, durch deren fachgerechte Arbeit möglichst der Originalzustand wiederhergestellt werden kann (vgl. die Typisierungen in 5.2.3.). Sammlung und Spezialisierung Das Anlegen der Sammlung als Praxis und diese selbst gehören in die kulturelle Sphäre: Mit den Sammlungen werden Gegenstände aus ihren ursprünglichen beziehungsweise bisherigen (Verweisungs-)Kontexten herausgelöst und in einen neuen Zusammenhang gestellt. Die Sammlung kann als eine Art Gesamtkunstwerk verstanden werden, mit dem unterschiedliche Sammlungsstrategien wie beispielsweise der Ausdruck des persönlichen Geschmacks oder die Orientierung an musealen Konzeptionen verfolgt werden. Die Sammler/-innen sind somit oftmals darum bemüht, die Objekte in ihrer Historizität wahrzunehmen und

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nicht nur subjektiv zu interpretieren (vgl. Hoffmann 1976). Wie unterschiedlich die Formen der Inszenierung der Sammlungen auch sein mögen, das Zusammenstellen der Objekte in einen nachvollziehbaren Zusammenhang beschäftigt die Sammler/-innen. Dementsprechend bildet die Kollektion das Zentrum der Sammeltätigkeit und der Sammler/-innen. Auf sie richtet sich die Kommunikation aus. Als Gesamtwerk ist die Sammlung das Resultat der Leistung des Zusammen- und Hervorbringens, welches die Sammler/-innen mit Glück und Stolz erfüllt. »Nicht immer machen mehr als zwei, niemals aber weniger als drei eine Sammlung aus« (Sommer 2002: 116). Demnach sind drei Sammelobjekte eine winzige Sammlung. Die einzelnen Objekte der Sammlung und dann die Sammlung als Ganzes verkörpern und dokumentieren auch den Wissenszuwachs und das verstetigte Wissen, dass die Sammler/-innen mit dem Anlegen der Sammlung erworben haben. Nach der Analyse der Kommunikation erfüllt die Sammlung vier Funktionen, die miteinander verzahnt sind und sich zusammenfassend als eine bildende Funktion oder einer Funktion, die Aspekte von Bildung einschließt, begreifen lassen: •

• • •

Die soziale Funktion der (Re-)Präsentation der Sammler/-innen und ihres Geschmacks, und der gesammelten Objekte und dem damit einhergehenden Wissen, die soziale sowie räumliche Funktion der Betrachtung an einem Ort, die objektbezogene und zeitliche Funktion der Pflege, (Auf-)Bewahrung und Erweiterung sowie die zeitliche Funktion von Vergänglichkeit und Konstanz.

Die Sammlung stellt zunächst einen (un-)sichtbaren Ort des (Re-)Präsentierens der Sammler/-innen und Betrachtens der gesammelten Dinge dar. Die Sammlung bleibt entweder im Verborgenen des Privaten und wird in Schränken versteckt oder anderen Sammler/-innen und Interessierten wie in einem Museum in Regalen und gläsernen Vitrinen in manchmal eigens dafür abgestellten Zimmern gezeigt: »Wenn ich jetzt noch ein Zimmer mehr gehabt hätte, dann hätte ich wahrscheinlich aus diesem Zimmer dann ein reines Barbiezimmer gemacht, so mit […] Vitrinen an allen drei Wänden« (Interview mit Ulrike Schmied: 408411; vgl. auch Abb. 11 und Abb. 12). Die Sammlung bietet einen Rückzugsort, um Zeit mit der Sammlung und den eigenen Interessen zu verbringen. Der Geschmack repräsentiert sich dabei nicht nur durch die in den Sammlungen befindlichen Objekte, sondern z.B. auch in der Inneneinrichtung des Raumes, indem die Sammlung aufbewahrt und potentiellen Besucher/-innen präsentiert wird.

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»Ja schon mal ordne ich die anders an oder ich nehme die auch schon mal raus. Wenn ich welche genauer betrachten will, dann, dann sitzen die oder stehen die bei mir, sagen wir mal, ein paar Wochen auf der Fensterbank. .... Ja. Ich habe die auch schon mal dekoriert, wenn ich irgendwie, ja irgendwie so eingeladen habe zu, zu irgendwas. Also dann habe ich die schon mal so in der Mitte auf, auf den Tisch getan. Fanden die [gemeint sind die Gäste; Anmerk. D.W.] auch ganz witzig« (Interview mit Ulrike Schmied: 391-397).

Abb. 11: Barbiezimmer

Der individuelle Geschmack von Sammler/-innen korrespondiert oder kontrastiert mit kollektiven Geschmackslinien, die Einfluss auf die (Auf-)Bewahrung von Gegenständen und die in ihnen eingelagerte oder durch sie erzeugte Wirklichkeit und Erinnerung nehmen (vgl. Bourdieu 1982; Pomian 1993). Die hergestellte Sammlungsordnung ist Ausdruck von einer reflektierten Tätigkeit. In den Sammlungen geht das Einzelne vielfach verloren bzw. die Sammlung wird als ein Ganzes, eine Einheit bzw. Einzelheit betrachtet. Es kristallisiert sich hierdurch eine Dialektik aus Bewahrung und Zerstörung heraus: Das Einzelne tritt in der Sammlung zugunsten des Gesamten zurück, auch wenn das einzelne Objekt erforderlich ist, um zusammen mit anderen Objekten eine Sammlung zu bilden, die eine Art Kollektivsingular darstellt. Jean Baudrillard beschreibt diese Einheit der Sammlung am Beispiel der Serie, in der einzelne Objekte zu einem Gesamten formiert werden und dennoch das Einzelne zentraler Bestandteil der Serie bleibt: Jedes neue oder zumindest weitere Objekt vervoll-

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kommnet die Serie; sein Fehlen oder (noch nicht) Vorhandensein bricht gleichsam die Serie auf und motiviert das Bestreben der Sammler/-innen, sich auf die Suche nach ihm zu begeben. »Es ist das ›einzige‹ Objekt, das durch seine Endstellung gekennzeichnet ist und das die Illusion einer besonderen Wichtigkeit erweckt« (Baudrillard 1991b: 118). Die fortwährende Suche belebt das Sammler/-innendasein und selbst wenn sich eine Serie vollenden ließe, so gäbe es weiterhin Stücke, die sich in diese als Ergänzung einsortieren ließen und deren Suche sich für die Sammler/-innen lohnen würde. »Während das Vorhandensein des beschließenden Stückes im Grunde auch das Ende des Sammlers bedeuten würde, gestattet ihm dieses fehlende letzte Glied nur das Vorspielen seines eigenen Todes durch dieses Objekt; das heißt aber, dieses Ende zu beschwören. Dieser Mangel wird zwar schmerzlich empfunden, aber er bedeutet auch eine Unterbrechung, ein Vermeiden des Abschlusses der Sammlung, das die endgültige Elision der Wirklichkeit signifizieren würde« (ebd.: 119).

Sammler/-innen entscheiden, was in ihre Sammlung gelangt und bestimmen die Devianzen des Zurückgebliebenen oder Ausgeschlossenen. Benjamin sieht somit im Sammeln ein besonderes Moment der Moderne: Das Annehmen oder Verweigern von Gütern jenseits des bloßen Konsums durch die Sammler/-innen spiegelt die mögliche Autonomie in der Auswahl, Achtung und Bewahrung der Objekte und der Welt wider und schafft auf diese Weise Erneuerungen (vgl. Benjamin 1983: 269ff.; auch Raptor 2000: 73). »Eine Sammlung ist somit etwas Zustandegebrachtes, ist unser Werk, ist ein Ganzes mit eigener Identität. Freilich: sie bleibt zerfallsbedroht. Geschaffenes. Ihren Bestand zu sichern, sie zusammenzuhalten gehört ebenso zu unseren Leistungen wie die, das Ganze in sich zu ordnen und, wenn es sich´s um Sehenswertes handelt, es in Form einer Ausstellung der Anschauung anderer zugänglich zu machen« (Sommer 2002: 9).

Als zentrale Themen stellen sich in der Kommunikation das Anlegen der Sammlung und die damit einhergehenden Ausrichtungen (Spezialisierungen) heraus. Durch die Spezialisierung erwerben die Sammler/-innen ein spezifisches Fachwissen, welches sie den anderen Sammler/-innen bei ihren Anfragen zur Verfügung stellen können und somit untereinander teilen.

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»Also […] das Barbiepuppen sammeln ist auch ein weit gefächertes Gebiet. […] Und ich glaube nicht, dass […] oder ich sage mal, die wenigsten Sammler, die das ernsthaft betreiben, sind in der Lage, […] alle Teile […] dieser Sammelleidenschaft abzudecken wissensmäßig. Da gibt es dann welche, die spezialisieren sich halt auf die ganz alten Barbies, von den Anfängen bis, sage ich mal, Anfang der 70er Jahre. Da gab es ja erst dieses Vintagegesicht und dann die […] Modära. […] Sie […] wissen nicht nur, […] welche Puppentypen es gibt. Es gibt ja auch bei […] den anfänglichen Barbies mit dem Vintagegesicht, da gibt es ja auch die Barbie Nr. 1, die Barbie Nr. 2, die Barbie Nr. 3. Ich habe am Anfan[g], und das geht bis fünf oder sechs. Und ich habe die mal […] in so […] Büchern habe ich mir die Gesichter mal angeschaut. Ich konnte als Laie […] nie richtig sagen: Ja mein Gott, wo ist denn jetzt der Unterschied? Das sieht doch alles gleich aus. Aber da gibt es dann so […] ganz feine […] Dinge im Gesicht, zum Beispiel die, die eine hat gebogene Augenbrauen. Die andere hat […] eckige Augenbrauen […] Und […] da muss ich ganz ehrlich sagen. Also so, soweit […] geht das bei mir nicht. So in, in die Details. Aber es gibt Sammler, die wissen das. Dann gibt es ja unterschiedliche Handformen [...]. Das wusste ich am Anfang auch nicht, weil ich das, sagen wir mal so, das habe ich halt nicht gesehen. […] [U]nd die Leute, die jetzt […] so da spezialisiert drauf sind, die können also auf Anhieb sagen: Ja, das ist die und die Hand, die Puppe wurde in Korea produziert. Oder das ist die und die Handform, die wurde in Japan oder in China produziert und so. […] Und ich habe halt, ich habe mich, mich halt mehr interessiert für die, ja für die, die Sammelpuppen, die dann so rausgekommen sind. Denn damals, also die anfänglichen Puppen von Mattel, das waren ja echte Spielpuppen. Die also von, von den Kindern auch bespielt wurden. Und jetzt die Sammlerpuppen, die sind ja wirklich eigentlich nur dazu gedacht, die […] schön in der Wohnung zu drapieren. Entweder auszupacken oder […] halt im Karton zu lassen« (Interview mit Ulrike Schmied: 284-327). »[N]ur ich wusste halt eben nicht, was es da alles für Gruppen gibt. Das es eine Makeover-Gruppe gibt, das es eine, […] ich nenne sie jetzt mal […] Vintage, das ist die historische Puppe sozusagen gibt, die die alten sammeln. Und dann noch welche, die einfach nur verkaufen wollen oder […] ihre Schätze, sage ich mal, aus dem Dachboden loswerden wollen und die auch gerne an andere dann weitergeben möchten, also […] an Liebhaber dann weitergeben möchten. Das ist das […], was ich dann dadurch erst erfahren habe. Und dadurch, dass ich da immer hingegangen bin. Und das Hingehen das erste Mal das war 2003, auf der Börse von der Marie Leder […] im […] [Name des Kulturzentrums] in [Name der Stadt]. Das war, das war meine erste Börse im November. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern« (Interview mit Stephan Walther: 103-112).

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Abb. 12: Barbiezimmer (Ausschnitt)

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Es lassen sich Sammlungstypologien entwickeln, die am Gegenstand ausgerichtet zum Beispiel eine General- und Spezialsammlung oder eine personenbezogene Sammlung bilden. Generalsammlungen zielen auf einen möglichst umfassenden Überblick über ein Sammelgebiet und bemühen sich alle Bereiche des jeweiligen Gebietes in irgendeiner Weise abzudecken. Eine Spezialsammlung hingegen ist auf Vollständigkeit ausgerichtet. Sie zielt auf Totalität und Detailschärfe (vgl. Hinske 1984: 44). Aus den Momenten von Spezialisierung und Komplettierungswunsch der Sammlung ergibt sich für die Sammler/-innen die Notwendigkeit, mit anderen Menschen in Kontakt und somit in Kommunikation zu treten. Die Differenzierung in eine sach- oder ichbezogene Auswahl der Sammelobjekte deutet auf weitere unterschiedliche Funktionen hin, auch wenn sie nicht immer sofort zu erkennen sind. Neben der Wirklichkeitserschließung hat die Sammlung für die Sammler/-innen zugleich eine biographische Funktion, denn die ichbezogene Sammlung nimmt explizit auf die eigene Biographie Bezug. Diese zweite Funktion ist von zentraler Bedeutung. Es stellt sich demnach immer die Frage, welchen Welten das zu sammelnde Objekt und das sammelnde Subjekt angehören. Die Sammlung stellt de facto Kontinuität her. Die Sammlung ist durch eine stetige Veränderung gekennzeichnet, solange das Sammeln nicht eingestellt wird: Die Sammlung wird bewegt, indem sie vergrößert oder verkleinert wird. Hierbei ist ein Moment individueller Ausdrucksform, wenn nicht sogar ein Ausdruck von Individualität gegeben: Die Sammler/-innen entscheiden zumeist selbst, in welche Richtung und nach welcher Logik sie ihre Sammlungen aufbauen, wobei diese Logik nicht zwangsläufig äußerlich sichtbar sein muss. Ausnahmen bestätigen hier die Regel: Oftmals holen sich Sammler/-innen Rat bei anderen Sammler/-innen (z.B. als »philatelistische[r] Ziehvater« bezeichnet; vgl. Interview mit Klaus Wagner: 632-633) darüber ein, wie sie eine Sammlung sinnvoll aufbauen oder erweitern können: »Denn die meisten Sammler, die hatten irgendwann mal jemanden, der […] sie an die Hand genommen hat und hat gesagt: Das musst Du sammeln und so« (Interview mit Klaus Wagner: 375-377). Die Tätigkeit der Sammler/-innen ist geprägt von dem, was bereits in der Sammlung vorhanden ist und der Suche danach, was es noch zu beschaffen gilt. Ferner sind Erörterungen über die Aufbewahrung und Präsentation ein zentraler Bestandteil der Kommunikation. Den Sammlungsdarbietungen steht fast immer das Problem der Lagerung und Konservierung gegenüber, wie aus folgender Kommunikation ersichtlich wird: »Ich werf mal eine Frage in den Raum, ich hab sehr trockene Hände (Schweißprobe für Kugellager bestanden, daß heißt keine Feuchtigkeit in den Händen, ganz egal bei welcher

232 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK Belastung) warum darf ich eine postfrische Marke dann nicht mit meinen Fingern in das Album schieben, sondern muß dafür eine unhandliche Pinzette nehmen? Der Postbeamte nimmt doch auch seine Finger dazu, wenn er mir Marken abreißt! Das kann man durchaus differenziert sehen. Fakt ist, daß die meisten Leute beim Betatschen der Marken, Beschädigungen des Gummis bzw. der Zähne produzieren. Ebensoviele Marken werden beim umstecken beschädigt. Jetzt kann man natürlich sagen: a) ich bin vorsichtig b) meine Hände sind trocken c) ich hab’ mit dem Postfrischwahn sowieso nix am Hut und sammle ohne Gummi. Da gibt es aber noch etwas: Auf Deinen Händen kleben immer irgendwelche Mikroben, Schmutzpartikel und diverse Enzyme. Eine berührte Marke wird sicherlich nicht sofort einen Mangel offenbaren, aber wenn die nötige Luftfeuchtigkeit dazu kommt, dann fängt das Objekt genau dort zu gammeln an« (BREd08).

Umwelteinflüsse wie Licht, Wärme und Staub können dem Ansehen der Sammelobjekte erheblich schaden und für chemische Transformationen und organische Assimilationen bei den Sammelobjekten wie Verfärbungen oder Porosität des Materials34 sorgen, weshalb die fachgerechte Aufbewahrung, Reinigung, Pflege und Präsentation anspruchsvolle Aufgaben für die Sammler/-innen darstellen. Die Sammler/-innen tauschen sich intensiv über ihre Erfahrungswerte aus. Da z.B. Barbie-Puppen aus Kunststoffgemischen gefertigt sind, kommt es sehr häufig zu Materialmodifikationen und zu giftigen Ausdünstungen durch Weichmacher (»Sind diese giftigen Substanzen in dem Material der Puppen [...] schädlich für uns Sammler????«; (BAa01; vgl. auch Interview mit Lisa Schneider: 954-958). Die meisten Sammler/-innen machen sich jedoch vorrangig Sorgen um das Wohl ihrer Puppen und kontrollieren diese regelmäßig: »Hab heute mit Entsetzen gesehen, dass sich die schwarze Kunstlederhose von RockstarDerek und von Rockstar Dee Dee der Rock KLEBRIG ANFÜHLEN und regelrecht auflösen! Hab jetzt die Teile ausgezogen und in Papiercuverts [sic!] in meinem dafür angeschafften Trolley gelagert! [...]Worauf muss ich nun noch achten bei der Lagerung im Trolley – außer darauf, dass die Schuhe ausgezogen sind?? Und die Schuhe lagern nun separat in Papiertüten!« (BAc07)

34 Bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen manchmal auch »als Barbiekäse oder Barbieaids« (BNAc01_1) bezeichnet. Der Begriff »Barbiekäse« wird verwendet, da »die [B]eine aussehen wie [K]äselöcher« (BNAc01_1).

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»Die [Puppen, Erg. D.W.] werden sich irgendwann zersetzen. Aber ich denke mal, vorher bin ich zersetzt. [I lacht] Die werden etwas länger ausharren. Ja. Aber, das ist halt so« (Interview mit Lisa Schneider: 961-963).

Wenn die Sammler/-innen bei der Kontrolle – anders als in den vorherigen Beispielen – keine Veränderung entdecken, geht die Überprüfung des Öfteren mit einer Umgestaltung der Präsentation und der Puppen einher. Manche Sammler/ -innen lagern ihre Puppen lichtgeschützt in Kartons und Kisten. Um die Langlebigkeit der Barbie zu erhalten, werden verschiedene Tricks und Tipps angewendet (z.B. dunkle Lagerung, Einwicklung der Puppen in Plastikfolie). Die Sammler/-innen tragen sowohl Sorge als auch ein Pflichtgefühl, ihre Sammlung zu ordnen, d.h., an die Sammler/-innen sind durch das Anlegen der Sammlung bestimmte Anforderungen gestellt (»Ja das ist, ja Messie auf hohem Niveau im Moment. Weil es [gemeint ist die Sammlung, Erg. D.W.] im Moment sehr unsortiert ist.«; Interview mit Füllfederhalter-Sammler Jens Schulz: 326327). Die Ordnung und Präsentation der Sammlung – auch digital in Form von Homepages oder in Datenbanken (vgl. Interview mit Ludwig Feld: 87; Interview mit Marcel König: 85, 140-145, 449-450) – spricht für den Wunsch, der Nachund Umwelt das eigene Ordnen zu zeigen und zu erhalten. Gleichzeitig wird durch die Kommunikation ersichtlich, dass die Sammlung für die Sammler/ -innen zumeist etwas Besonderes und Einmaliges – fast ließe sich von etwas Geheimnisvollem sprechen – darstellt, von der eine Aura des Intimen ausgeht. Die Privatheit der Sammlung bei gleichzeitiger Präsentationsmöglichkeit für Familie, Freund/-innen oder auch eine breitere Öffentlichkeit schaffen eine besondere Atmosphäre und untermauern die Bedeutung und Symbolhaftigkeit des Sammelns als Tätigkeit des Konservierens und (Auf-)Bewahrens von Zeugnissen der und Erinnerungen an (Zeit- und Alltags-)Geschichte(n). Das Sammeln enthält Züge einer Kontemplation. Geschichtliche Bezüge des Sammelgegenstandes und die private Geschichte der Sammler/-innen gehen oftmals eigentümliche Symbiosen ein (vgl. Hinske 1984). Mit dem Wunsch nach Konservierung bzw. der Aufbewahrung von Kulturgütern für die Zukunft wird die zeitliche und zudem gesellschaftliche Dimension des Sammelns ersichtlich: Sammler/-innen spiegeln in und durch ihre Sammlungen sich als auch die Gesellschaft wider. Sammlungen sprechen für sich und durch die Sammler/-innen zur Welt, sie sind Teil von Welt und bleiben manchmal auch bis zum Lebensende der Sammler/-innen im Verborgenen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft scheinen gleichsam verwoben zu sein und veranlassen sowohl die Sammler/-innen selbst als auch Außenstehende dazu, sich Gedanken um die Zukunft und das Schicksal der Sammlungen zu machen:

234 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK »Der zu Lebzeiten nicht ganz geheuere Sammler wird durch sein zu erwartendes Vermächtnis a priori rehabilitiert: seine Hinterlassenschaft, Formvollendung seines Tuns, belegt eins: nicht er ist pathologisch, sondern die Reaktion seiner Zeitgenossen auf ihn. Als geheilt entlassen wird der Sammler, wenn seine Sammlung durch einen tiefsten nicht zu begründenden Anspruch von der Öffentlichkeit rekrutiert wird und er selbst bald stirbt – nur ein toter Sammler ist ein guter Sammler« (Speck 1998: 21).

Die Akzeptanz der Öffentlichkeit ist zumeist ein Ziel der Sammler/-innen, wenn sie ihre eigenen Objektsammlungen für die Zukunft sichern und auf unterschiedliche Art und Weise musealisieren möchten: »Also, was ich eigentlich immer mal gerne hätte, aber das ist ja im Moment eigentlich alles so ein bisschen unvorstellbar. […] Das man halt irgendwo mal was findet. Wo man die vielleicht hingeben kann. Was auch nicht ganz so weit ist. Ich würde die dann auch da pflegen und auch Führungen machen und so. Das man da, dass vielleicht mal so ein Museum sagt: Wir haben hier Räumlichkeiten und wir können das halt so machen« (Interview mit Lisa Schneider: (889-894). »Mein Traum ist, ich sage es noch mal, […] das in 100 Jahren, wenn ich längst verfault bin« (Interview mit Stephan Walther: 1031-1032) »Aber, dass dann dieses Ding irgendwo vielleicht in einem Museum steht oder auf einem, auf einem Marktplatz schön eingehaust steht. Oder als Bild, als Foto irgendwo hängt« (ebd.: 1037-1039). »Also ich wünsche mir, dass auch ich mir ein Denkmal damit setzen kann. Das ist ein gewisser Narzissmus, ich gebe es zu. Jawohl. […] Aber ich glaube, den haben wir alle. Und ich finde es besser, ehrlich mit dieser […] Einstellung, Haltung umzugehen, sage ich mal, und kreativ für andere damit zu werden. […] Als […] Zurückhaltung zu verharren und […] nicht schaffend zu bleiben. Denn dann wäre die Welt nur dunkel. Wir müssen sie ja uns fragen, warum sie überhaupt da ist« (ebd.: 1059-1065) »Ja, das Zimmer wird so aussehen, dass immens viele Vitrinen drin stehen werden. Möglichst alles staubsicher, damit ich die Stifte, wenn sie einmal aufgearbeitet sind, nicht jedes Jahr wieder aufarbeiten muss. Weil das ist für das Material auch nicht so schön, wenn man immer wieder rangehen muss. Und, was viel ausmacht ist eine vernünftige Beleuchtung. Und was die Sammlung nicht kriegen kann ist Sonne. Das ist für alle Sammlungen schlecht. Egal in welchem Bereich. Sei es Papier, Puppen. Egal was. Pralles Sonnenlicht macht eigentlich alles kaputt« (Interview mit Jens Schulz: 330-336).

Jedoch gibt es auch Sammler/-innen, die sich ihrer eigenen und der Endlichkeit des Sammelns bewusst sind:

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»Das ist ein Problem. Weil« (Interview mit Ulrike Schmied: 674). »Ja. Da habe ich noch gar nicht, so darüber nachgedacht. Ich glaube, wenn ich jetzt 10 Jahre älter wäre, würde ich da noch intensiver darüber nach. Vielleicht würde ich die dann auch alle wieder versuchen, zu veräußern. … Weil, sagen wir mal, im Grunde genommen, die Puppen sind auch nicht für die Ewigkeit. Ja, irgendwann […]« (ebd.: 676-680).

Durch die Objekte in der Sammlung erschließen sich die Sammler/-innen Vergangenheit35, Gegenwart und Zukunft. Sie gliedern durch ihre Ordnungen Räume in Zentren und Peripherie, auch wenn diese Ordnungen nicht dauerhaft sein müssen und vom Moment der Kurzlebigkeit zehren. Die Sammlung kann schon im nächsten Moment erweitert oder verändert werden, was eine neue Gliederung erfordert oder unabsichtlich erzeugt. In den Sammlungen der Sammler/-innen sind Meinungen, Ansichten und definitive Wissensbestände eingelagert, über die sie sich mit ihrer Umwelt austauschen und die oftmals nach einem ganz eigenen Rhythmus erweitert werden. Jedoch schafft die eigene zeitliche Begrenzung des Lebens einen Rahmen für das Anlegen der Sammlung und offenbart zugleich Kontinuität und Unendlichkeit. »[D]enn die Sammlung als Ort der Aufbewahrung ist ja zugleich ein Ort des Todes wie auch der Ort, an dem man versucht, den Tod zu überwinden« (Groys 1994: 266). Die Sammlung steht für etwas Überdauerndes, denn der oder die Einzelne wird die angelegte Sammlung nie beenden können (vgl. Duncker 1993; auch Winzen 1997:10), auch wenn Nachfahren oder andere Personen die Sammlung fortführen können. »Die Sammlung repräsentiert aber keine andere Realität, sondern sie ist diese andere Realität« (Groys 1994: 263; Herv. i.O.). Die Transformation der trivialen in museal anmutende Sammelobjekte verweist von der Nutzung des Gegenstands über die Umnutzung auf eine Umwendung (vgl. hierzu auch König 2005). In den Zukunftsvorstellungen der Sammler/-innen für ihre Sammlungen repräsentieren sich der zeitlich-soziale Wunsch des Überdauerns, Erinnerns und Überschreitens des eigenen Lebens (vgl. Jeudy 1987: 13ff.) und die Bewahrung des Wissens für die Nachwelt, weshalb weniger der »materielle[…] Wert ihrer Sammlung« (König 2005: 742) als der persönliche Wert des Sammelns für die Sammler/-innen im Vordergrund

35 Hier merkt Hahn kritisch die widersprüchliche Beziehung der Gesellschaft zur Vergangenheit an: »Je mehr wir von ihr [der Vergangenheit; Anmerk. D.W.] erhalten, desto weniger besitzen wir wirklich; je mehr wir sammeln, desto weniger eignen wir uns an. Oder vielleicht müßte man sogar sagen, weil wir uns nichts aneignen, sammeln wir. Wer sich auf einzelnes ganz einließe, würde auch bei ihm verweilen können« (Hahn 1984: 18; Herv. i.O.).

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steht. Deshalb werden auch Überlegungen zur Sicherung der Sammlung in Form von (speziellen) Versicherungen oder Diebstahlschutz getätigt (vgl. Interview mit Ulrike Schmied: 207, 223-224; Interview mit Martin Vetter: 720-728). Das Anlegen einer Sammlung als mögliches finanzielles Erbe für die Nachkommen ist weder ein erfolgsversprechendes (vgl. Interview mit Jens Schulz: 572-583; Interview mit Ludwig Feld: 33-37) noch ein für die Sammler/-innen sinnvolles Ziel. Das persönliche Interesse am Sammeln und die damit verbundenen Wissensbestände sind die ausschlaggebenden Ziele, die angelegte Sammlung für die Nachwelt zu erhalten (vgl. auch Interview mit Marcel König: 150-153). Was in ihrer Sammlung enthalten sein soll, bestimmen Sammler/-innen nach persönlichem Geschmack oder zeitlicher, räumlicher oder materialer Spezialisierung. Zumeist gibt es ein besonderes Stück, das den Gipfel der Kollektion repräsentiert. Bei der Bestimmung eines Objekts zum Lieblingsstück lassen sich die Sammler/-innen von verschiedensten Motiven leiten, seien sie persönlicher, technischer oder finanzieller Art. Manchen Sammler/-innen fällt es schwer, ein Lieblingsstück zu benennen bzw. eine Reihenfolge festzulegen (»Ich hab' keine Lieblingsfüllfeder – ich hab' mindestens hundert davon«; FAa33). Die Spezialisierung kann zu einer selektierenden Reduktion der Sammlung führen, indem die Sammler/-innen bestimmte Objekte ihrer Sammlung aufgeben und hingegen ihre jeweils favorisierten Objekte suchen. Durch die Spezialisierung wird ein Anspruch auf Vollständigkeit und Detailschärfe geäußert. Die Sammler/-innen erlangen durch ihre Spezialisierung ein individuelles Fachwissen, welches sie untereinander zur Verfügung stellen. »Meine Sammelleidenschaft führt mich immer mehr in die Spezialisierung, da ich mit meiner Frau die Vereinbarung getroffen habe, nicht mehr als 1000 alte Füllfederhalter in meiner Sammlung zu haben« (FAd13). »[I]ch sammle (derzeit) noch keine kompletten Serien, sondern eher das, was mir gefällt. Sicher ist ein Grund [...], dass ich einfach über eher begrenzte finanzielle Ressourcen verfüge« (FAa10).

In der Sammler/-innenwelt existieren vielschichtige Modelle zur Ordnung der Sammlungen. Ein kompletter Beitragsfaden widmet sich der Frage »Präsentation der Füllfederhalter?« (FBa03). Die Sammler/-innen möchten mit Detailliebe ihre Objekte zur Schau stellen. Da sie um die Tücken einer Präsentation wissen, sind sie bemüht, auch auf dem Gebiet der Präsentation und Pflege echte Sammler/ -innen zu sein. Sie fragen sich gegenseitig um Rat (»Begehe ich eine Sünde,

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wenn ich ihn zu allen anderen Stiften in die Box stecke?«; FAb04), um zuletzt nicht den Unmut ihrer Sammler/-innen-Kollegen auf sich zu ziehen: »Aber was meinst Du mit Box? Ich denke mal Du meinst eine Box, in der sehr viele Stifte zusammen ›gepfercht‹ darauf warten ›geschrieben‹ zu werden. [...] Bedenke [...] bitte, dass durch den Kontakt mit den anderen Stiften der Korpus sehr schnell verkratzt werden kann. Und dass wäre nicht gut. Dein(e) Agatha Christie ist in einem Etui [...] viel besser aufgehoben. Das kann auch ein 2-3-oder4-fach Etui sein. Aber achte bitte darauf, dass diese Etuis innen noch eine Unterteilung haben. Damit sie sich nicht im Etui aneinander reiben« (Fab04). »Neben den Schreibgerätemappen [...]bewahre ich [...] Teile der Sammlung in einer kleinen Schubladenvitrine aus Holz, mit 4 Fächern für insg. 40 Stifte auf. Zum ›ZURSCHAU-STELLEN‹ im Wohnzimmer habe ich mir hier in meinem Wohnort in einem Geschäft [...] Plexiglasstellagen für Schreibgeräte besorgt. Einige Stifte etc. befinden sich [...] in einer kleinen Glasvitrine in der Wohnung. Auch Schreibgeräte-Präsentationstabletts können hierzu herhalten. [...] bedenke bitte beim ›ZURSCHAUSTELLEN‹ Deiner ›Schätzchen‹ daran, das sich Deine Schreibgeräte dem täglichen Lichtbefall auszusetzen haben. Sollte, glaube ich, bei den neueren Stiften wohl nicht so das Problem sein. [...]Oder? Was sagen unsere Experten dazu?« (FBa03).

Die Aufbewahrung erfolgt in gekauften Präsentationsmappen, Boxen, Vitrinen (vgl. Interview mit Stephan Walther: 70), Ausstellern, Schränken, Dosen, Schubern, Regalen, Zigarrenkisten und selbstgemachten Aufbewahrungsmöglichkeiten wie z.B. Kisten.36 Daneben stellt bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen der Schreibtisch einen Ort der Präsentation dar, der als Kunstwerk fungiert. Neben einer fach- und sachgerechten Art der Präsentation steht der individuelle Geschmack im Vordergrund, gleichwohl wird auch über Design-Ideen und Empfehlungen des Arrangements diskutiert. Dabei lassen sich Unterschiede feststellen, die mit den Attributen unauffällig – auffällig arrangierte Präsentation beschrieben werden können. Es lassen sich drei Hauptgruppen als Ordnungsmodelle benennen, die auch parallel miteinander kombiniert werden: •

Es sind in der Kommunikation die Sammler/-innen zu finden, die besonderen Wert auf eine fachgerechte, sorgsame und stilvolle Aufbewahrung legen. Bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen sind hierunter auch die

36 Die Briefmarken-Sammler/-innen achten insbesondere darauf, dass sie ihre Briefmarken in weichmacherfreien Schubbern bzw. Hüllen oder Steckkarten aufbewahren.

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Sammler/-innen zu fassen, die ihre Puppen – wenn möglich – nicht aus der Originalverpackung auspacken bzw. ihre Puppen regelmäßig überprüfen und pflegen. Weiterhin sind die Sammler/-innen anzutreffen, die sehr achtsam sind, was die Darbietung der Sammlung betrifft. Die Objektpräsentation wird unterschiedlich aufgefasst. Für einige Sammler/-innen ist sie das wesentliche Ergebnis ihrer Sammelbeschäftigung. Sie verbinden mit der Präsentation ihrer Sammlung – oder einzelner Stücke – einen Repräsentationsraum. Daher setzen sie ihre Sammlung auffällig in Szene. Andere wiederum empfinden die Präsentation der Sammlung als ein ästhetischgeschmackvolles (Gesamtkunst-)Werk (vgl. Sommer 2002: 9), sie orientieren sich in ihrer Sammlungspräsentation am persönlichen Geschmack. Die Sammlung stellt als Werk das Ergebnis einer Leistung dar. Bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen sind das die Personen, die ihre Puppen auspacken und selber in ein Arrangement bringen bzw. ihre Sammelobjekte individuell (um-)gestalten (vgl. alle Beiträge von BAb), wie nachfolgend dargestellt wird. Es lassen sich in der Kommunikation auch die Sammler/-innen entdecken, die ihre Sammelobjekte eher individuell, unauffällig, und ohne sichtbare Konzeption präsentieren.

Die Sammelobjekte werden nicht nur in privaten Räumlichkeiten ausgestellt, sondern auch im öffentlichen Raum vorgestellt. So gibt es spezielle Börsen, auf denen z.B. Barbie-Puppen-Sammler/-innen ihre Puppen, dazu gehörendes Zubehör oder auch speziell angefertigte Dioramen oder Briefmarken-Sammler/-innen eigens angefertigte Schautafeln anderen Sammler/-innen und Besucher/-innen präsentieren und zudem in Wettbewerben in unterschiedlichen Rängen bewerten lassen (vgl. Interview mit Ludwig Feld: 430-443). Die Briefmarken-Sammler/ -innen müssen demnach eine spezifische Rangfolge bei den Ausstellungen durchlaufen und sich durch die Entwicklung von Expertise in Bezug auf Wissen und Präsentation »hochdienen« (Interview mit Ludwig Feld: 439; vgl. auch Interview mit Klaus Wagner: 368), bevor sie im nächsthöheren Rang ausstellen können. Außerdem gibt es auch Ausstellungen in Museen wie im Jahr 2008 die Ausstellung BUSY GIRL. Barbie macht Karriere, in welcher die Barbie-Puppe und ihre umfangreiche Mode- und Berufswelt vorgestellt wird. Anhand der Barbie soll

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hier die berufliche Entwicklung der Frauen seit den 1950er Jahren bis zur Gegenwart anschaulich nachvollziehbar gemacht werden.37 Einzelstücke Einen außergewöhnlichen Bereich beim Sammeln von Barbies stellt »OOAK Creative« bzw. »Makeover« dar (vgl. auch Barbie 1994). OOAK ist die Abkürzung für One Of A Kind (zu Deutsch Einzelstück). Hiermit werden umgestaltete Barbie-Puppen, selbstgestalteter Schmuck, selbstgenähte Kleider oder auch komplette Barbie-Dioramen bezeichnet. Makeover steht für die grundlegende Veränderung der Puppen durch z.B. Änderung der Haarfarbe, Kleidung, Körperund Kopfformen. Durch die Dioramen ist das Betreten spezieller Welten möglich, in denen Wirklichkeit und Fiktion miteinander verschmelzen können. Folglich steht das kreative Gestalten von Barbies, Kleidung und Zubehör hier im Vordergrund, was in dem untersuchten Internetforum bei den Selbstbeschreibungen der Sammler/-innen auch geäußert wird. So äußert sich eine Sammlerin: »[I]ch heiße Alexandra, bin 28 Jahre und wohne in [Name der Stadt], wo ich fleißig an Barbies herumbastele. Ich mag am liebsten märchenhafte Modelle, stehe auf Prunk, Glitzer und Perlen!«; BAb11). Abgesehen vom kreativen Umgang mit der Puppe, der das Schaffen einer Welt en miniature ermöglicht und eigene (Wunsch-)Weltentwürfe zum Ausdruck bringt, ist das Sammeln dieser gestalteten Puppen von Bedeutung (»Dann sammel ich noch [...] [s]elbstgestaltete Barbies.«; BGb01). Neben dem Austausch von Tipps und der Beantwortung von Fragen werden Adressen von Schneider/-innen und weiteren Kreativen im Bereich des Barbie-Stylings genannt, aber auch Hinweise auf Schnittmuster gegeben.38 Die mit Fotos präsentierten Modelle erhalten in der Regel viel Bewunderung im Internetforum, was auf die Anerkennung und Wertschätzung dieses Bereiches hindeutet. Durch diese Form der Auszeichnung erhalten die Sammler/-innen eine Bestätigung ihres kreativen Status. Kritik wird hingegen geäußert, wenn die Eigenkreationen als nicht gelungen eingestuft werden.

37 Die Ausstellung ist in die Bereiche häusliches Leben, allgemeine Berufswelt sowie Uniform- und Traumberufe untergliedert. Zusätzlich werden auf Begleittafeln Informationen zu den realen Bedingungen der Arbeitswelt von Frauen in den vergangenen fast 60 Jahren bereit gestellt. Die Ausstellung, die an wechselnden Orten stattfindet, wird von einem Rahmenprogramm begleitet, wie z.B. Schätztermine für BarbiePuppen und Zubehör. 38 Es gab auch Kleidungsstücke auf Spiel-Schnittmustern, die von den Kindern oder Erwachsenen dann selbst zusammengenäht und auch um eigene Ideen erweitert werden konnten, wodurch der do-it-yourself-Gedanke vertreten war.

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Zudem finden in regelmäßigen Abständen »Online-Kreativ-Wettbewerb[e]«39 zu Themen wie »Wohnräume – Wohnträume« (BAb07) oder »Am Arbeitsplatz« (BAb13) statt. Unter Beachtung spezifischer Regeln ist es die Aufgabe, einen thematischen Lebensraum zu gestalten, in dem die Puppe als Hauptdarstellerin integriert ist (vgl. auch Abb. 13 und Abb. 14). Das Ergebnis der künstlerischen Auseinandersetzung wird dann per Foto im Internet präsentiert und bewertet. Hinsichtlich des Anlegens der Sammlung und damit einhergehender Spezialisierungen zeichnen sich darüber hinausgehend in der Kommunikation der Sammler/-innen ein Interesse und ein Wissensreichtum sowohl über die Unternehmens- bzw. Entstehungsgeschichten hinter den Sammelobjekten, über Materialkunde sowie ein (zeit-)geschichtliches bzw. biografisches Wissen ab. (Zeit-)Geschichte(n) Es sind in der Sammlerkommunikation über die Unternehmens- bzw. Entstehungsgeschichte der Sammelobjekte zwei Linien feststellbar: In den Erklärungen und Reflexionen werden einerseits Fakten der Unternehmens- und Entstehungsgeschichte wie Gründung, Firmenaufbau, Produktsortiment, zeitgeschichtliche ökonomische Einbettung, Produktentwicklungs- und Herstellungsprozesse, Werbung oder Verwendung von Materialien benannt, welche auch in die Sammlungen eingehen können, z.B. die Sammlung von Werbeschildern aus Emaille, Werbemarken oder Verpackungen. So kann es vorkommen, dass sich ein Unternehmen an Sammler/-innen wendet, um für ihr eigenes Archiv bestimmte Objekte anzukaufen (vgl. Memo des Telefonats mit Jens Schulz: 44-51). Andererseits wird hierbei aber auch immer die Inszenierung von Unternehmen bzw. den Sammelobjekten als Marken wiedergegeben und reflektiert, denn um die Sammelobjekte wird auch emotionale Welt kreiert, die durch Werbeetats bereichert wird. Hinsichtlich des (zeit-)geschichtlichen Wissens geht es bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen zum Einen vor allem um Überlegungen zur Schreibkunst und -kultur und den damit verbundenen Fragen nach unterschiedlichen Materialien wie Papier, Pergament oder Schreibfedern und zum Anderen um die kulturelle Bedeutung von Schreiben und Schrift für das Festhalten von Geschichte(n) (vgl. Clark 2005: 11ff.; auch Interview mit Jens Schulz: 297-298). Bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen gestaltet sich die Kommunikation in einer Retrospektive auf die Entwicklungsgeschichte der Puppe als Spielzeug und Sammelgegenstand (z.B. Fashion Dolls, unterschiedliche Epochen, Collectibles), die Unternehmensgeschichte und -strategie sowie (Zeit-)Geschichte(n) zum Ein-

39 Es finden auch international ausgerichtete Wettbewerbe statt.

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fluss der Barbie auf Frauen-, Körper- und Rollenbilder (vgl. Barbie 2000). »Wenn man das so zurückverfolgt. Man kann also ganz viel Geschichte daran ablesen. Auch jetzt an der Barbie selber« (Interview mit Lisa Schneider: 478f.). Der Hersteller hat eine Puppenidentität kreiert und nach und nach eine Biographie inklusive sozialem Umfeld und weiteren Puppen wie Ken, Skipper oder Francie als Familie und Freund/-innen erzeugt: »Die Barbiedynastie« (Barbie 2000: 114). Diese Identität und biographische Konstruktion wird in zweifacher Hinsicht diskutiert: Einmal im Rahmen der Unternehmenspolitik und außerdem als soziales Gefüge, in das die Barbie-Puppe eingebettet ist. Die Analogie zu menschlichen Lebensformen und die soziale Verantwortung, die mit Freundschaften und Familie einhergeht, sind nicht zu leugnen (vgl. D'Amato 2009: 30). Beispielsweise wurde im Jahr 2004 Barbies Freund Ken – das männliche Puppenpendant – begleitet von einer ausgeklügelten Marketingkampagne bzw. Markeninszenierung, aus dem Programm genommen. Das Fehlen von Ken löste bei Kindern, Sammler/-innen und Liebhaber/-innen der Puppe eine Protestwelle aus, weshalb Ken – rundum erneuert – wieder (auf den Markt) zurückkehrte (vgl. D'Amato 2009: 108f.). Die Sammler/-innen diskutieren häufig die biographische Entwicklung der Barbie-Puppe und ihrer Mitstreiter/-innen: »Ken ist offenbar noch immer nicht über Barbie hinweg: [U]m seine langjährige Freundin zurückzugewinnen, werde der sportliche Plastikmann runderneuert, teile Mattel in New York mit. [...] Die Romanze des Paares ging Anfang 2004 nach 46 Jahren zu Ende. Mattel wollte damals Barbie’s Image aufpeppen und leiß [sic!] sie nach der Trennung mit einem australischen Surfer flirten« (BAc16). »Die beiden gehören einfach zusammen. Und nach 46 Jahren sich zu trennen, das wäre als wenn meine Oma plötzlich keinen Bock mehr auf Opa hat und auszieht. (blödes Beispiel...aber stimmt doch) ist auch sowas unvorstellbares...ich meine damit, das, wenn man schon so lang zusam[m]en ist dann finde ich, nur um ein neues Image zumachen, diese Idee ziemlich abartig« (BAc16).

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Abb. 13: Diorama (Ausschnitt)

Abb. 14: Diorama

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Außerdem wurde eine Barbie-Puppe in einer schwangeren Version ohne Ehering am Finger präsentiert. Dieses führte in den USA zu einer breiten Empörung, so dass Mattel die Puppe vom Markt nahm (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 447449). Hier deutet sich an, dass die Simulation der Simulation Barbie an die Realität rückgekoppelt ist und zu Modifikationen letzterer führen kann (vgl. Lenzen 1985). Die Barbie-Puppe ist und bleibt eine in sich paradoxe Figur: Während ihre Kritiker/-innen die anti-emanzipatorische und kapitalistische Ausrichtung eines Spielzeuges betonen, bietet sie andererseits einen Raum der Fantasie bzw. Realitäts- und Zeitgeistwiderspiegelung (vgl. Barbie 1994: 7; Barbie 2000; D'Amato 2009). »Durch ihre wunderschönen Kleidungsstücke, die eine Welt voller Glamour, Chancen und Berufe repräsentieren, bestärkt ihre Gegenwart auch weiterhin den elementaren Glauben, dass unsere Zukunft allein durch unsere Fantasie begrenzt wird« (D'Amato 2009: 7). »Das ist ein Spiegel unserer Zeit. Sie zeigt die Berufe, sie zeigt die Wirklichkeit. Sie zeigt […] die Traumwelten« (Interview mit Lisa Schneider: 965-967).

Mit der Puppe werden bestimmte Ambitionen und Vorstellungen von Stil und Weiblichkeit kommuniziert bzw. erzeugt: Dieses führt zu einer grundlegenden Kritik an der Ankleidepuppe als nicht geeignetes role model und »Inbegriff der Anti-Emanzipation« (Hildebrandt 2009: 29), da Barbie mit ihren Körpermaßen, ihrem Aussehen und Styling ein Frauen- und Rollenbild verkörpert, welches vielen Menschen als nicht nachahmungswürdig bzw. als problematisch erscheint. So wurde beispielsweise in einer an der Universität Sussex durchgeführten psychologischen Studie bewiesen, dass Mädchen im Alter von 5 bis 8 Jahren, die von der Barbie-Puppe fasziniert sind, um ein Vielfaches unzufriedener mit ihrem Körper als andere Mädchen ihren Alters sind (vgl. Dittmar/Halliwell/Ive 2006). Außerdem verkörpert Barbie eine erwachsene, aber jugendlich aussehende Person (vgl. Interview mit Lisa Schneider: 438), die mit Kinder- und TeenagerRealität wenig gemeinsam hat (vgl. Stadler 2007: 15). »Und […] 61 kam dann der Ken dazu erst. Und dann gab es ja immer mehr [Puppen, Erg. D.W.] nachher. Ihre [Barbies; Anmerk. D.W.] Freundin Mitch, mit kam der Freund Ellen. Sie hat auch keine Kinder. Das sind ja alles Geschwister, weil sie ist ja ein Teenager« (Interview mit Lisa Schneider: 445-447).

Sie bleibt sowohl in der Benennung als auch in der Betrachtung ein Stereotyp – kaum ein Kind gibt der Barbie-Puppe einen anderen Namen oder verändert ihr

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Äußeres in Bezug auf das Alter. Jedoch mimt Barbie in mittlerweile über 80 Berufen als z.B. Astronautin40, Filmstar, Sängerin oder Ärztin bestimmte gesellschaftliche Funktionen – oftmals bevor sich diese im realen Leben von Frauen ereignen, wodurch der Puppe von ihren Befürworter/-innen eine bestimmte emanzipatorische Funktion zugeschrieben wird. Sie kann somit als eine Vorreiterin selbstbestimmten Lebens gelten und hat eine Vorbildfunktion. Im Zeitalter der Globalisierung wird Barbie zudem international und multikulturell, z.B. die Serie Dolls of the World41 widmet sich diesen Themen. Hautfarbe, Gesicht und Kleidungsstile werden verändert, erweitert bzw. angepasst. Die von einem weißen Blick geprägten Barbie-Körperformen werden in der Regel bei der Herstellung der Puppen (z.B. Native Americans, Indians) beibehalten. Abänderungen erfolgen nur bei den Augen, der Hautfarbe und der Kleidung. Aus dieser Uniformierung des (Barbie-)Körpers spricht deutlich Anpassung als Förderung und Darstellung eines geschlossenen (westlich geprägten) Welt- und Gesellschaftsbildes ohne Anerkennung von Differenz. Für die Sammler/-innen stellt diese Positionierung durch und über die Puppe kein Konfrontations-, sondern ein Kreativpotential dar. Sie beschäftigen sich mit unterschiedlichen Fantasie- und Realitätsbezügen bzw. -infragestellungen: »Auf der ganzen Welt wimmelt es von Barbie-Bewunderern – jung und alt, weiblich und männlich –, und deren Begeisterung steigt stetig. Denn es geht nicht nur um das Spielen mit einem Spielzeug – sondern darum, die eigenen Träume zu leben. Bei den Erinnerungen an die Zeit mit Barbie geht es immer um mehr als nur um eine Puppe; es sind die ersten Erfahrungen mit Mode, die Möglichkeit, in andere Rollen zu schlüpfen und den eigenen Horizont zu erweitern, der Spaß, sich erwachsen zu fühlen« (D'Amato 2009: 7).

Barbie kann sowohl Realität als auch Fantasie vorwegdenken, erzeugen oder auch verzerren. Durch die produzierten Geschichten seitens des Herstellers sowie durch die selbst entworfenen Geschichten einzelner Nutzer/-innen bzw. hier Sammler/-innen schafft die Puppe einen Möglichkeitsraum der Welt- und Wirklichkeitserzeugung. Sie hebelt Kriterien wie Wahrheit und Richtigkeit durch einen flexiblen Umgang und eine Parallelität unterschiedlicher Weltversionen aus: Es gibt nicht nur eine Wirklichkeit, sondern eine Vielzahl von Wirklichkeiten, die allesamt zulässig sind, insofern sie ihren Entwickler/-innen und Nutzer/

40 Barbie trug bereits 1964 ihren ersten Raumanzug, während es noch bis 1983 dauerte, bis Sally Ride als erste Frau im Weltraum war. 41 In dieser Ära entstanden auch die ersten afroamerikanischen bzw. lateinamerikanischen Barbie-Puppen (vgl. D'Amato 2009: 81).

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-innen Freude und Genuss bereitet. Jedoch sind die Geschichten rund um die Barbie-Puppe durch einen existierenden bzw. in der Kommunikation entstehenden Wertekanon gerahmt, der sich wiederum stark an der gesellschaftlichen Realität ausrichtet. Die Briefmarken-Sammler/-innen beschäftigen sich im Allgemeinen mit Geschichte und im Speziellen mit der Postgeschichte sowie mit Einbettung bestimmter Briefmarken und Belege in (zeit-)geschichtliche Zusammenhänge und studieren hierzu unterschiedlichste Quellen wie Bücher, Zeitschriften oder Unterlagen in Stadtarchiven. »Mit der Briefmarkensammlung ist auch die Historik verknüpft und man entdeckt mit jeder Briefmarke jedes Zeitalter, die unter anderem den menschlichen Zeitgeist, die Politik und auch das Kulturelle der vergangenen und auch der heutigen Gesellschaft wiederspiegeln« (BRBc03).

Hierzu werden Hintergrundberichte zu einzelnen Epochen, Ereignissen Regionen, Städten oder Themen angefertigt oder zeitliche Bezüge (z.B. Kino, Literatur oder Politik) und ein historisches Wissen herausgearbeitet, welches auch im Internet, Zeitschriften oder eigens erstellten Wörterbüchern veröffentlicht wird (»Allerdings sind gute Englischkenntnisse eine Voraussetzung und/oder ein fundiertes Wissen«; BREe06). »Privatpost. Jeder kennt heute TNT. UPS. Das sind alles Services, die irgendwo hier in Deutschland in den 70ern Jahren, glaube ich, angefangen haben. Die gab es schon ab 1860 in Deutschland. Und zwar als Stadtposten. Und zwar waren die schneller und billiger als damals die Reichspost. Das war natürlich der Reichspost ein Dorn im Auge und die haben dann so lange auf den Reichstag ein […]gewirkt, bis dann ja [Marcel König prustet etwas mit den Lippen] 1900 irgendwo im April durch eine Gesetzesnovelle […] die Reichspost an Stel. Die […] Privatpostanstalten verboten wurden und die Reichspost hat dann quasi alle Privatposten übernommen. … Die erfolgreichste war in Berlin. Die ist dann nachher in dem Schenker-Konzern […] aufgegangen« (Interview mit Marcel König: 33-42).

Außerdem gibt es im Internetforum oftmals Übersetzungsanfragen bzw. -hilfen zum Inhalt von Briefen und auf Postkarten in fremden Sprachen oder alten Schriften. Manche Sammler/-innen sammeln bestimmte Briefmarken auch doppelt, um die Duplikate bestimmten Institutionen zur Archivierung zur Verfügung zu stellen (vgl. Interview mit Ludwig Feld: 551-559). Eine kritische Auseinandersetzung mit der politischen und gesellschaftlichen (Zeit-)Geschichte – insbesondere der Kolonial- und Kriegsphilatelie – lässt sich oftmals vermissen. Zwar

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gibt es Diskussionen über politische und gesellschaftliche Ereignisse bzw. über Sammler/-innen zweifelhafter Objekte. Die Problematisierungen bleiben jedoch sehr oberflächlich und einseitig bzw. münden – wenn auch selten – in sexistischrassistischen Stereotypen. Selbst- und Wertverständnis Bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen dient die Kommunikation vordergründig dem Austausch. Hintergründig demaskiert sie das deutliche, normativ gerahmte Selbst- und Wertverständnis. Die Betonung von Eigeninitiative einerseits und Etikette andererseits, die mit einem (Lebens-)Anspruch, Stil- und Wertbewusstsein verbunden ist, bilden den Rahmen (»So viel Zeit sollten wir uns nehmen; das sollten wir uns selber wert sein.«; FDb10). Indem die individuelle Wertschätzung der Kommunikation bekräftigt wird, erhält die kollektive Wertschätzung die Aufgabe der Erfüllung. Die kollektive Rahmung des eigenen Anspruchs stellt einen Verweis auf die Aushandlung von kollektiv geteilten Werthaltungen dar, deren Umsetzung der oder die Einzelne vollziehen muss, um zu einem ausgeprägten »Wir-Bewusstsein« (vgl. Schütze 2002) und dem Gelingen des Austausches beizutragen. Erfolgen kann dieses durch Einsicht und durch das Akzeptieren der Notwendigkeit von Etikette bei den Beteiligten, die jedoch durchaus eigene Standpunkte vertreten. Die oder der Einzelne fungiert als Vorbild für die anderen Teilnehmer/-innen des Sammelkollektivs. Ein weiteres Werteverständnis wird durch die Beschreibung der Sammelbeschäftigung explizit. Das Sammeln, wie es im ersten Kapitel begrifflich markiert wurde, besteht nicht nur aus der einen Kerntätigkeit Sammeln, sondern aus einem Tätigkeitsfeld, welches um das Sammeln verschiedenste Aktivitäten lagert (vgl. Strauss 1993a: 212). Sammeln ist ein kunstvolles Tun, das es zu erlernen, zu präzisieren und zu pflegen gilt. Ich denke der Unterschied zwischen Sammeln und Aufbewahren liegt im Grade der Professionalisierung. Der Aufbewahrer häuft einfach an, während der Sammler mehr systematisiert. Viele Sammler gehen dann auch mit einem gewissen Vollständigkeitsanspruch [...] an die Sache heran und eigenen sich Fachwissen an. Mit der Herausgabe von Newslettern etc. nähert sich das dann fast wissenschaftlicher Sammeltätigkeit an, manchmal könnte man Sammlungen fast als Archiv (systematisch, erschlossen, aufgearbeitet) zu einem bestimmten Thema sehen. Für mich sind Füller eigentlich das erste richtige Sammelgebiet« (FFa05).

Zusammenfassend lässt sich anhand der Frage »Was macht einen Sammler aus?« (vgl. ebd.) das Selbstverständnis des Sammler/-innendaseins in fünf

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grundlegende Komponenten gliedern (»Sammler ist man [...] nicht (nur), wenn man nichts wegwerfen kann, sondern weil man sich an schönen Dingen erfreut und mehr davon haben möchte.«; ebd.): • • • • •

Ästhetik (»Ich denke, jedes Forumsmitglied dieser Community besitzt u.a. diese Eigenschaften: Ästhet, Sammler, Genießer.«; FCa01)42, Leidenschaft, Individualität (»Jede Sammelleidenschaft ist individuell.«; FFa05), Aktivität (inklusive Ausrichtung des Sammelns) und ein spezifischer, erweiterbarer Wissensfundus.

Es müssen Komplikationen überwunden werden, denn das Sammeln erfordert Geduld und eine intensive Beschäftigung (»Oh weh! Und ich dachte Füllhaltersammeln sei nicht kompliziert.«; FAa20). Was das Sammeln für die Sammler/-innen bedeutet, zeigt sich in der Welt der Füllfederhalter-Sammler/-innen trotzdem eindeutig: »Ein Gefühl von Luxus« (FAa10). Dem Sammeln wird eine Wertigkeit zugesprochen, die über das Tun hinausreicht. Das Wort Luxus ist zweifach besetzt: Zunächst verweist es auf die Beschäftigung der Sammler/-innen mit den Füllern (»Ein Füllfeder ist ein LUXUSGEGENSTAND. Wir sammeln sie und hegen und pflegen diese und freuen uns jeden Tag an ihnen.«; FAa39; Herv. i.O.). Während Füllfederhalter als Gebrauchsgegenstände im digitalen Zeitalter an Geltung verlieren, gönnen sich die Sammler/-innen hingegen den Luxus, Schreibgeräte zu sammeln. Sie messen den Gegenständen einen außergewöhnlichen Wert und eine individuelle Bedeutung bei. In diesem Zusammenhang ist der materielle Luxus weniger entscheidend als Luxus als Ausdruck von Stil und Lebenskunst. Weiterhin handelt es sich bei den Füllfederhaltern – wirtschaftlich gesprochen – um Gegenstände des Luxussegments, zu deren oftmals mit Handarbeit verbundener Herstellung hochwertige Materialien43 verwendet werden. Ihr kapitaler Wert ist nicht zu unterschätzen. Die Sammler/-innen reflektieren jedoch ihre Konfrontation mit einer LuxusFiktion seitens des Herstellers: »Bei [Name der Füllfederhaltermarke] geht es genau wie bei anderen Luxusgüterherstellern darum, ein möglichst exclusives [sic!] ›Wir‹ bzw. ›Ich -gehöre-dazu‹ Gefühl zu ver-

42 Die Frage, was ein Ästhet ist, wird individuell oder auch mit Rückgriff auf ein Lexikon beantwortet. Die Sammler/-innen versuchen sich in ihrem Tun einzuordnen. 43 Zu den verwendeten Materialien gehören z.B. Titan, Karbon, Edelstahl, Acrylharze, Diamanten, Aluminium, Gold oder Silber.

248 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK mitteln. Wie im richtigen Leben funktioniert das am Besten über Abgrenzung vom ›Normalen‹ bzw. Kultivierung des Exclusiven [sic!]« (FAa07). »[Name der Füllfederhaltermarke] als Firma ist [...] nicht dumm. Sie versuchen [...] mittlerweile eine geschlossene Lebenswelt zu vermitteln. Wer [Name der Füllfederhaltermarke] benutzt zeigt: Stil, einen Hauch von Konvervativität [sic!], subtilen Luxus, Gefühl für Zeit. All das ist ja mal genz [sic!] hübsch. Es ist ja [...] ganz angenehm, ich verlasse mich bei meinem Stil auf [Name der Füllfederhaltermarke] und mache [Name der Füllfederhaltermarke] zu meinem Stil. Dann macht [Name der Füllfederhaltermarke] meinen Stil. Dann wirds problematisch« (FAa10).

Diese Luxus-Fiktion führt zu ausgeprägten Diskussionen über das Selbstverständnis und die Philosophie der Schreibgeräteunternehmen. Man setzt sich mit den Aktivitäten, der Qualität, Leistung und dem Design, der Preisgestaltung, der Marktsituation sowie der Informationspolitik der Hersteller 44 auseinander. Es wird in der Kommunikation Bewunderung und Kritik sichtbar: Die Sammler/-innen schätzen die edle Verarbeitung der Füllfederhalter, Traditionen und klassische Linien, die Reduktion und »Zeitlosigkeit im Design« (FAa10) und die damit verbundene Qualität und den Service. Bei den Sammler/-innen führen die genannten Aspekte dazu, dass sie generell die gewinnwirtschaftliche Orientierung der Unternehmen und die Ausweitung des Produktsortiments akzeptieren. Zeitgleich wollen sie jedoch in ihrer Position und Leidenschaft ernst genommen werden. So kritisieren sie beispielsweise, wenn der Service nicht stimmt und das geliebte Schreibgerät »nach zwei Monate[n] auf Kur [immer noch] kränkelt« (FAa22). Die Sammler/-innen sind nicht gewillt, vom herstellenden Unternehmen ungerecht behandelt zu werden, indem dieses ihnen notwendige Informationen vorenthält und seine Preise ohne Rücksicht auf die Sammler/-inneninteressen kalkuliert. Die Sammler/-innen wollen Einfluss nehmen und die Entwicklung in ihrem Sammelgebiet aktiv mitgestalten. Ihr Ziel ist es, die geliebten Objekte vor einem Ende zu bewahren, welches ein Verramschen dauerhaft nach sich zöge. Folglich haben die Sammler/-innen eine gewisse Form der Macht, die begrenzt bleibt. Sie können sich gegen Entwicklungen der Marke auflehnen und mit ihren Mitstreiter/-innen Kritik äußern. Aber letztlich »kann niemand wissen, wie sich der Sammlermarkt [...] entwickelt« (FAa02). Jedoch reagieren die Schreibgerätehersteller auch teilweise auf Sammler/ -innenbelange und allgemeine Kundenwünsche, indem sie aktuelle gesellschaftli-

44 Manche Firmen unterhalten hauseigene Sammlungen, die öfters auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

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che Themen wie Nachhaltigkeit oder Umweltschutz in ihre Editionen integrieren. In den beiden anderen Sammelgebieten lässt sich ein solches Selbst- und Werteverständnis nicht finden. Wert und Bedeutung des Sammelns Beim Zusammentragen von Gedanken und Anekdoten zum Thema Sammeln ziehen die Sammler/-innen oftmals auch Resümees über das Sammeln. Es wird die Tiefe, die Wichtigkeit und Bedeutung des Sammelns in ihrem persönlichen Leben als auch in gesellschaftlicher Hinsicht hervorgehoben. Aus der Kommunikationsanalyse wird ersichtlich, dass Sammler/-innen spezifische Formen der Wertvorstellung miteinander kommunizieren und hierdurch qualitative Differenzierungen der Wertschätzung vornehmen. So unterscheiden die Sammler/-innen deutlich zwischen Anschauungs- und Gebrauchsobjekten, wie an späterer Stelle noch ausführlicher dargelegt wird. Die Formen und die qualitative Differenzierung der Wertvorstellung können im jeweiligen Sammelgebiet divergent bzw. variabel sein (vgl. Hahn 1984). »Die Wertigkeit ist halt für jeden Menschen verschieden. Der eine sagt: Was will ich mit einer Faber-Castell-Box von 1800. Kann ich eh nicht mehr gebrauchen. Hat also für mich keinen Wert. Der Sammler sagt: Boa, super. Teil nie gesehen. Da würde ich 400 € für geben. Weil ich will das Ding haben, ne. ... Das ist unterschied, äh, schiedliche Wertvorstellung, ne. ... Wenn ich die Überraschungseiersammler sehe und sage: Ihr kauft ja Plastikmüll. Der kann nächste Woche neu gepresst werden. Der ist als Zeug nichts mehr wert. Die werden sagen: Du hast ja überhaupt keine Ahnung. Das ist ein Ü-Ei von, die haben 74 angefangen. Das ist mein, das erste, das fabriziert worden ist. Da zahle ich aber, da zahle ich alles für. Und ich sage: Was für ein Quatsch. Das ist Plastikmüll, ne. Das hat keine Geschichte, hat gar nichts. Das ist doch alles künstlich« (Interview mit FüllfederhalterSammler Jens Schulz: (461-471).

Die Sammler/-innen in den untersuchten Sammelgebieten formulieren innerhalb der Kommunikation Formen individuell-kollektiver Wertschätzungen. Es lassen sich Formen finanzieller, persönlicher und zeitlich(-biografischer) Wertvorstellung identifizieren. Die Wertschätzung ist ein sichtbar kontrovers diskutiertes Thema und folglich in mehrere Komplexe aufzuspalten. Erstens wird in der Kommunikation eine Differenz zwischen einem leidenschaftlichem Sammeln »mit Herz« (Interview mit Lisa Schneider: 757-758) und einem bloßem Besitzen transportiert, die nicht mit der Unterscheidung persönlich – finanziell gleichzusetzen ist. Die finanzielle Wertschätzung beschreibt nicht zwangsläufig, dass die Sammler/-innen an einem bloßen Besitzen interes-

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siert sind. Das bloße Besitzen – als Aneignung des Gegenstandes – unterscheidet sich vom leidenschaftlichen Sammeln – bei dem die Objekte auch Teil des Besitzes sind – durch die Form der Wertschätzung. »Habe ich dann natürlich gesagt, dass musst Du, dass musst Du doch irgendwie […] nachbasteln oder […] dass musst Du haben, dass musst Du in Deinen, in Deinen Besitz bringen, sage ich mal, um […] sich damit beschäftigen zu können« (Interview mit Stephan Walther: 20-22).

Beim leidenschaftlichen Sammeln geht diese mit einer Beschäftigung und Bedeutungsinvestition einher, die beispielsweise Verkäufer/-innen von Sammelobjekten nicht immer haben (»zweifellos sehr gute Verkäufer, aber ihnen fehlt die Leidenschaft für schöne Schreibgeräte- vielleicht ist das ein ›Lichtblick‹, denn völlig ohne Leidenschaft lässt sich die Geschichte nicht am Leben erhalten«; FAa07). Hinweise auf das leidenschaftliche Sammeln bietet die Verwendung einer kommunikativen Sprache, die diese Leidenschaft zum Ausdruck bringt (»Ich komme in Gedanken nicht mehr von diesem Füller los – so schön ist er!«; FAb06). Emotionale Ausdrücke charakterisieren die Sammelleidenschaft und zeugen von einer besonderen Beziehung zum Objekt, die auf eine leibliche Dimension hindeutet und die persönliche Wertschätzung ausdrückt (vgl. Interview mit Barbie-Sammler Stephan Walther: 1039-1042). »Sammeln hat etwas mit Emotionen zu tun. Sich eine Sammlung zusammenzukaufen macht wenig Spass [sic!]. Mal bekommt man ein Stück etwas günstiger, mal zahlt man etwas mehr. Egal, dafür ist man Sammler (FAa08). »[I]ch konnte nicht in das Geschäft am Freitag hineingehen. Irgendwas hat mich zurückgehalten. Was war es? Vielleicht ein wenig Angst. Ich vertraue dem Geschäftsmann, aber irgendwie war mir mulmig, ob MICH die Füllfeder mag. Oft hat man ja Pech. Was ist, wenn ich zu grob bin? Was ist, wenn mir das Dings runterfällt? Ich hab Respekt, wirklich. Das meine ich [E]rnst« (FAd07). »Und dann hat man die ausgepackt und dann war das ein Geruch. Und das hat man angefasst. Und das ist Weihnachten und Geburtstag« ( Interview mit Lisa Schneider (525-531). »Also ich habe wirklich mir so Vitrinen gebaut, solche [zeigt im Raum auf eine Vitrine aus Glas und Metall oder Plastik], ja. Und bevor ich abends ins Bett gegangen bin, habe ich erst noch einmal alle Vitrinen mir angeguckt, ja. Da war das für mich alles. Ich konnte

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mir das gar nicht vorstellen, dass es überhaupt ein Leben ohne Schreibgeräte oder ohne das Sammeln von Schreibgeräten gibt« (Interview mit Martin Vetter: 112-117).

Die Differenz zum Anlageobjekt wird weiterhin durch die Orientierung am ästhetischen Gefallen veranschaulicht, denn »[e]s sollte doch der Geschmack im Vordergrund stehen und nicht die Finanzen« (FAb30). »Was man generell sagen kann: Als Wertanlage taugen Stifte nur in [...] Ausnahmefällen und dann sind das meist [...] die Stifte, die man sich schon am Anfang nicht leisten konnte. [...] Aber mal ehrlich: Habt Ihr eure Stifte, weil sie so wertvoll sind ? Ich nicht. Ich habe sie, weil sie mich faszinieren, weil ich sie gerne in die Hand nehmen, benutze, mich an der Handwerklichen [sic!] Qualität, der Haptik, der Verarbeitung und Technik erfreue. Bei einigen gibt es eine Geschichte, wie diese Teile in meinen Besitz gelangt sind und andere schreiben einfach so toll, dass man am liebsten einen Brief an den Nikolaus oder sonst wen schreiben würde, nur damit man schreibt. [...] Wenn ich denselben Spass [sic!] und dieselbe Faszination für das halbe Geld haben könnte fände ich das toll« (FAa02). »Für einen Sammler ist daher ein Preis nicht wichtig (oder besser, sollte es nicht sein). Für einen Sammler zählen doch andere Dinge, wie z.B. Erhaltungszustand, Komplexität einer Sammlung oder eines Sammelgebietes, eigener Geschmack (!!!), und die daraus abzuleitende Begehrlichkeit. Diese wird natürlich wiederum reguliert vom Geldbeutel, keine Frage, aber der ist [...] wieder bei jedem Sammler unterschiedlich bestückt. Letztendlich entscheidet jeder, was er bereit ist wofür zu bezahlen – ob es das ›wert‹ ist oder nicht« (FAa08).

Zweitens kommunizieren die Sammler/-innen über die finanzielle Wertschätzung. Die Frage nach dem finanziellen Wert des Sammelns und der Sammlung – im Sinne eines Anlageobjekts – nimmt trotz vielfacher Äußerungen, sich auf das Sammeln aus Gründen des Gefallens zu konzentrieren, einen Stellenwert ein, auch wenn dieser unterschiedlich gefasst ist. So findet sich im Forum der Füllfederhalter-Sammler/-innen ein Beitragsfaden mit dem Titel »Eine kleine Anleitung zur Wertermittlung eines Schreibgerätes« (FAa27).45 Diese ist als Hilfestellung gedacht, um eigenständig den Wert eines Füllers zu ermitteln. In der Kommunikation der Barbie-Puppen- und Briefmarken-Sammler/-innen ist der Wert eher individuell ausgerichtet. Folglich orientiert sich dieses Sammeln am individuellen (Wohl-)Gefallen und erhält somit einen zugesprochen Wert (»Für dich

45 Als eine wichtige Preisauskunft wird häufig Ebay genannt, auf dessen Internetseiten man den Wertindex eines Stückes ermitteln kann.

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hat sie auch idellen [sic!] Wert und der ist [...] viel höher anzusetzen als der materielle.«; BAc21). Abgesehen von der persönlichen Wertschätzung spielen hier finanzielle Aspekte – im Sinne einer Wertanlage und der finanziellen Ausgaben, die damit verbunden sind –und in Kontrast zu den Füllfederhalter-Sammler/ -innen stehend, eine geringere Rolle, auch wenn manche Puppen oder Briefmarken mehrere hundert Euro kosten und somit einen kapitalen Wert darstellen. Drittens ist eine zeitlich(-biografisch) orientierte Anerkennung feststellbar, die sich auf die Hintergründe der Sammelobjekte bezieht. Bei den Sammler/ -innen ist die persönliche Wertschätzung oft zeitlich-biografisch gekoppelt, z.B. Puppen aus der eigenen Kindheit zu besitzen (»Ich hab eine Puppe bei [E]Bay geseh[e]n, mich an meine Kindheit erinnert (und alte Träume wieder aufleben lassen) und schon war ich in den Bann von Barbies gezogen.«; BGb01) oder eine bestimmte Tradition fortzuführen – viele Sammler/-innen berichten, dass auch andere Familienmitglieder oder Freund/-innen sammeln. Aber auch die (zeitliche) Geschichte hinter den Gegenständen fasziniert die Sammler/-innen. »Interessant ist [...], dass jeder Füller eine Geschichte hat, die er uns aber nicht mehr erzählen kann. (Meine Kusine hat mir letzte Woche erzählt, als ich sie nach dem MB von Großvater fragte, dass der defekt war (!!!) und sie habe ihn in den Müll geschmissen. 60 Jahre WEG. Das ist das ärgste. Wirklich. Mein Herz krampfte sich zusammen.)« (FAd07).

Doch obwohl die Hervorhebung der persönlichen gegenüber der finanziellen Wertschätzung fortwährend bekräftigt wird, kommt bei näherer Betrachtung eine weitere Komponente der Sammler/-innengemeinschaften zum Vorschein: Die Frage der individuellen (Selbst-)Präsentation, die sich bei den FüllfederhalterSammler/-innen auf den bereits beschriebenen Anspruch an das Leben bezieht, sich bei den Barbie-Puppen-Sammler/-innen im Ausdruck von Kreativität und der Beschäftigung mit einer Sache manifestiert und bei den BriefmarkenSammler/-innen am Spaß an der Sache verdeutlicht. Dahinter scheint die Frage nach der gesellschaftlichen Akzeptanz des Sammelns auf, wie noch dargelegt wird. Die Funktionen des Sammelns als (Selbst-)Präsentation werden innerhalb der Kommunikation transportiert – oftmals ohne explizit genannt zu werden. Im Analysematerial befindet sich ein Beitragsfaden, der gezielt nach dem Sammler/ -innenverhalten fragt und Interpretationsansätze auf unterschiedlichsten Ebenen freisetzt. »[I]ch schätze mal die meisten hier im Forum sind keine Millionäre. Insofern ists schon bemerkenswert, wieso ein normaler Mensch (wie ich) 600 Euro für einen Füller ausgibt. Ich denke wir haben alle ein wenig einen Hang zum bourgeoisen Habitus. Es hat schon

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was, als kleiner Mann zumindest im Stillen [sic!] Kämmerchen mit einem superteuren Füller, einem Siegel oder [Name der Füllfederhaltermarke] Manschettenknöpfen den Lebensstil eines Aristokraten oder Bourgeois zu imitieren. Man fühlt sich ein Stück größer. Ist eine Sache der Ideologie: Der Kapitalismus gibt uns das Gefühl das [...] alles erreichen zu können, eines Tages auch mal gross [sic!] raus zu kommen« (FAa10). »Seit einiger Zeit mache ich mir daher Gedanken über das Sammelverhalten: Was reizt mich eigentlich speziell daran, [Name der Füllfederhaltermarke] zu sammeln? [...] Warum kann ich mich da so hineinsteigern und meine Stücke jeden Tag bewundern, warum wird mir nie langweilig? Warum versuche ich [...] im Umfeld meiner Sammelleidenschaft immer mehr zu recherchieren und weitere Interessen aufzubauen? (Speziell bei mir: Historie Marke [Name der Füllfederhaltermarke] oder Historie des Stücks, das ich in den Händen halte, oder Randthemengebiete wie die optimale Tinte, das optimale Papier oder sogar die Kunst des Siegelns mit Wachs)« (ebd.).

In der innerweltlichen Kommunikation wird ein überwiegend latentes Konkurrenzempfinden erzeugt, welches nicht immer kritisch reflektiert wird. Stattdessen thematisieren die Sammler/-innen untereinander ihr Dasein in der Außenwelt. Die Sammler/-innen sehen sich mit der Kritik, dem Unverständnis und dem Neid der nichtsammelnden Außenwelt konfrontiert. Daraus resultiert eine Grundhaltung, die zu einer tendenziellen Abgrenzung nach außen und einer Solidarisierung unter den Sammler/-innen in der Innenwelt der Sammler/ -innengemeinde führt. Der Austausch über die Kritik mit Gleichgesinnten führt zu einer Bestätigung der Tätigkeit und dem Schaffen eines Wir-Gefühls: Die einzelnen Personen fühlen sich in der Welt der Sammelgemeinschaft aufgehoben. Doch die Frage der Notwendigkeit von Understatement und vorsichtiger Zurückhaltung wird innerhalb der Gemeinschaften unterschiedlich diskutiert. Manche Füllfederhalter-Sammler/-innen z.B. möchten ihre finanziellen Werte nicht nach außen tragen, andere wiederum möchten selbstbewusst und demonstrativ mit ihren Schreibgeräten umgehen (»Ich bin [...] der Meinung, daß man seine eigentlich[e] Natur nicht in der Öffentlichkeit zu verstecken braucht, wenn man einen souveränen und dezenten Umgang pflegt; FAa40). Einerseits ist die individuelle Wertschätzung ein Höchstmaß der Sammelleidenschaft, andererseits ist da der »Habitus« (vgl. FAa10), der eine Frage des Stilbewusstseins ist (»jeder gibt für die Dinge, die er/sie gern hat, etwas mehr aus. Was das genau ist, kommt natürlich auf Geschmack und Habitus an.«; FAa40):

254 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK »Neid und Mißgunst erntet fast jeder, der e[t]was mehr hat, mehr kann oder per Zufall mehr bekommt als andere. Man sollte jedoch unterscheiden, wo man es auslebt; dieses Bewußtsein nennt man dann Stil« (ebd.). »Ich denke, dass es bei dieser Diskussion aber [...] viel um unser Selbstverständnis als Sammler geht. Ich denke, dass keiner von uns ein Füllhorn im Keller stehen hat, mit dem er sich seine Sammelleidenschaft finanziert. Ergo: Wir haben nicht mehr Geld als alle anderen Menschen, die einen vergleichbaren Beruf ausüben, und damit wir uns[ ] unser doch recht kostspieliges Hobby leisten können verzichten wir auf andere Sachen, wie Reisen, immer das neuste Automodell zu fahren oder sich [...] den [...] Plasmafernseher zu kaufen« (ebd.). »Es ist also nicht immer eine Frage des Etats sondern eher eine Frage des Anspruchs – und dieser Anspruch kann und sollte durchaus auch Fernziele beinhalten, denn dadurch ist unser Hobby ja gerade so interessant und so spannend« (FDb02).

Dieses führt zu der erkennbaren Unterscheidung von öffentlichem und privatem Raum. Im privaten Raum ist die Autonomie der Einzelnen zu stärken, damit diese selbstbewusst eigene Entscheidungen treffen können. Was den öffentlichen Raum anbelangt, der sich im Schul-, Studiums- und Berufsleben widerspiegelt, ist die Bedeutung des Auftretens mit dem Sammelobjekt mitzudenken, so z.B. die Verwendung des Füllfederhalters. Die individuelle (Selbst-)Präsentation ist hier eine Frage des Selbstverständnisses und daraus resultierend eine Frage des Umgangs mit den Dingen. Dieser »Umgang soll dazu führen, sich in die Lage des Gegenübers zu versetzen »und eine vernünftige Mischung [zu] finden« (FAa40). Folglich ist manchmal eine Form von Understatement gefordert, welches als Indikator für Stilbewusstsein aufgefasst wird. Es ist ein Können, die Wahl des »Schreibgerätes [der] jeweiligen Situation anzupassen« (ebd.). Kommerzialisierung des Sammelns und Marktbeziehungen der Sammler/-innen Aufgrund der Beliebtheit des Sammelns setzt die Ökonomie auf selbiges als Werbefaktor: Angefangen bei kleinen Bildern in Zigaretten- oder Cornflakesverpackungen sowie auf Rahmdeckeln (vgl. Käppeli 2007) bis hin zu Figuren im Überraschungssei der Firma Ferrero (vgl. Hamburg 1999; Schindelbeck 1999). Jedoch finden sich auch Gegenstände, die in der Regel jenseits des Sammelns einem praktischen Nutzen dienen wie beispielsweise Füllfederhalter oder Briefmarken (vgl. Ilgen/Schindelbeck 1997: 153ff.). Es entstehen Sammelgebiete und Kultsammelobjekte, die dem Sammeln zu oder von einer bestimmten Zeit ent-

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sprechen (vgl. ebd. 1997). Diese werden durch das Sammeln entweder ihrer Funktion enthoben (vgl. Benjamin 1983: 271, 274) oder in ihrer Funktion aufgewertet. Die Verzahnung von Kommerz und Sammeln kennzeichnet eine gesellschaftliche Ausrichtung auf Konsum, ein Streben nach Besitz und Haben-Wollen sowie ein Spekulieren, durch die ökonomisch-merkantile Auswüchse des Sammelphänomens in den Vordergrund rücken (vgl. Duncker 1990; Metz/Seeßlen 2011). Das Sammeln als reine Spekulation widerstrebt hingegen dem Sammeln im gemeinten Sinne, da es hier nicht um die Verbindung von Sehenswertem mit Geldwerten geht (vgl. Sommer 2011:49), sondern um die mit dem Sammeln verbundene Kommunikation und den Wissensumgang. Jedoch bleiben auch triviale Sammelobjekte nicht vom Marktgeschehen und einer Kommerzialisierung verschont: Beliebte Sammelobjekte werden teilweise schon bei der Produktion künstlich verknappt46 und vor dem offiziellen Verkauf medial angepriesen. Dadurch erhöht sich ihr Preis oft um ein Vielfaches; ihr Wert wird künstlich gesteigert, bevor die Sammelobjekte überhaupt auf dem Markt sind. Hier wird ein Mythos generiert: Es wird eine Exklusivität suggeriert, hinter der sich häufig ein speziell für diesen Bedarf hergestelltes Massenprodukt geringer Qualität verbirgt (vgl. Bausinger 2007; auch Barthes 1964). Es existieren aber auch spezielle Sammelabonnements, so »[bedient] die Post beispielsweise mit neuen Briefmarken nicht nur die Tageskundschaft, sondern auch Tausende von abonnierten Sammlern« (ebd.: 5).47 Die Übergänge zwischen einem ökonomischen und einen nicht-ökonomischen Ansatz mögen dementsprechend zuweilen fließend sein. Damit ist die Frage verbunden, in welcher Weise ein ökonomischer Ansatz für Sammler/-innen von Bedeutung ist.48 Die Entwicklung von Angebot und Nachfrage der Sammelobjekte bedingen in den Sammelgebieten die Marktlage und somit die Betätigung der Sammler/ -innen. Mit dieser Entwicklung fällt oder steigt der Preis für den Erwerb neuer

46 Dieses geschieht in Form limitierter Auflagen, sogenannter Limited Editions, häufig einhergehend mit einem Echtheits- oder Sammlerzertifikat. 47 Bei den Briefmarken bietet die Deutsche Post mittlerweile auch die Möglichkeit an, individuell Briefmarken zu gestalten, die dann digital ausgedruckt und auch verwendet werden können. 48 Jedoch lässt sich als ein zentrales Argument geltend machen, dass es in jedem Falle Sammelbereiche geben wird, in denen Marktbeziehungen nicht funktionieren, weil es z.B. kleine und überschaubare Sammelgebiete sind. Diese Sammlungsanleger/-innen können den ökonomischen Aspekt nicht vollständig geltend machen, ohne die Sammelobjekte sofort an andere Interessierte zu veräußern (vgl. Hahn 1984: 13).

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Sammelobjekte – und zugleich der Wert der eigenen Sammlung (»Ein Teil ist immer das Wert[,] was ein Sammler dafür bereit ist zu zahlen, um es zu bekommen. [...] die Nachfrage regelt das Angebot.«; BCa03). »Auch Markt bedeutet Kontakte, Kommunikation: man spricht von Sammlerfreunden« (Köstlin 1994: 14). Alle Sammler/-innengemeinschaften hegen als eine Art kulturelle Praxis Tausch-, (Ver-)Kaufs- und Schenkbeziehungen, für die ein (dichtes) Kommunikationsnetz – auch international – vorausgesetzt ist. »Schon der Sammler-Markt, als Indikator für Intensität und Lebendigkeit eines Sammelgebiets, erlaubt aufschlußreiche Befunde über den Zustand der Gesellschaft und ihren Wandel« (Ilgen/Schindelbeck 1997: 8f.). Während beim An- und Verkauf Geld und beim Tauschen Gegenstände als Zahlungsmittel fungieren, untersteht das Schenken der Freundschaft, die hierdurch gestützt wird und Achtung und Aufmerksamkeit erfährt. Sie verpflichtet jedoch den oder die Beschenkte/-n, Dankbarkeit auszudrücken. Die Akte der Schenkung schaffen ein dichtes Beziehungs- und Kommunikationsnetz, mit dem feste und lockere Formen des Umgangs einhergehen (vgl. Mauss 1968; auch Schloz 2000: 123ff.), wodurch mit Pierre Bourdieu ökonomisches in symbolisches Kapital verwandelt wird (vgl. Bourdieu 1997 [1983]). Der Wert des Sammelobjekts hängt stark von seinem Gesamtzustand ab. Ausschlaggebend für diesen sind neben einer fachgerechten Reinigung, Pflege, Reparatur und Lagerung auch das Vorhandensein von Zusatzunterlagen wie Beschreibung, Originalverpackung oder Zubehör. Ferner bieten die Gegenstände einen Platz der Identitäts- und Erinnerungssuche. Durch die Gegenstände vergegenwärtigen sich die Sammler/-innen ihrer Existenz sowie ihre Seins- bzw. Wunschvorstellungen. Die Sammler/-innen vergewissern sich durch bzw. über die Gegenstände, wer sie sind. Analog dazu können die Sammelobjekte veranschaulichen, wer die Sammler/-innen sind oder sein wollen. Obwohl das Sammeln mit einem ökonomischen Aufwand verbunden ist, so werden die Sammlungsstücke »zeitweise oder endgültig aus dem Kreislauf ökonomischer Aktivitäten herausgehalten […], und zwar an einem abgeschlossenen, eigens zu diesem Zweck eingerichteten Ort, an dem die Gegenstände ausgestellt werden und angesehen werden können« (Pomian 1993: 17).

Durch das Sammeln von Objekten werden rare Einzelstücke sowie ausgediente Massenobjekte vor dem Verschwinden gerettet und von einem alltäglichen Gegenstand in ein kulturell aufgeladenes Sammlungsexemplar verwandelt. Durch diesen neuen Kontext wird ein neuer Blick auf die Dingwelt ermöglicht: Durch die Reanimation der Dinge in den Sammlungen der Sammler/-innen entwickeln

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sich differenzierte Wertvorstellungen der Sammler/-innen, die an ökonomischen Besitzmechanismen anknüpfen können oder Formen individueller Wertvorstellungen offenlegen, sich jedoch deutlich vom reinen Marktgeschehen unterscheiden (vgl. Sommer 2011: 49). Reflexion der Sammeltätigkeit und gesellschaftlicher Akzeptanz Die Sammler/-innen beschreiben in ihrer Kommunikation die wesentlichen Formen und typischen Verläufe ihrer Sammeltätigkeit. Die Auseinandersetzung um die Akzeptanz ihrer Tätigkeit in der nicht sammelnden Außenwelt beschäftigt die Sammler/-innen und führt zu Reflexionen. Die Reflexionen stellen den Schnittpunkt mit der Außenwelt her, welche sich am Tun der Sammler/-innen erfreut, wundert oder stört. Das bedeutet, dass in der Kommunikation vielfältig gelagerte Fragen zur gesellschaftlichen Akzeptanz und des Umgangs mit der Sammeltätigkeit erörtert werden. Die Sammler/-innen tauschen sich über die Bedeutung ihrer Tätigkeit aus. In der Gemeinschaft sind sie angenommen und akzeptiert (»Aber […] das ist, glaube ich, auch nicht so das Ziel, dass man ... versucht irgendwie darüber eine Akzeptanz nach außen, ne. Ich glaube, solche, solche Sachen sind eher so nach innen ... wichtig, ne«; Interview mit Martin Vetter: 422-430). In der Gemeinschaft bietet sich ihre Identifizierungsmöglichkeit als Sammler/-in (»Sammler werden von Außenstehenden sowieso nicht ganz verstanden, also wunder dich nicht über dumme Sprüche. [...] Hauptsache, man hat Spaß dabei!«; BGb01). Die Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz des Sammelns in der Außenwelt wird innerhalb der Gemeinschaft verhandelt: »Ich meine, ich habe meiner Frau nie erzählt, dass ich 19 ..., wann war das? 76, 75 eine Briefmarke für 900 Euro, 900 Mark gekauft habe. […] [D]as war von Berlin der Währungsgeschädigten-Block. ... Den habe ich damals bezahlt von meinen Spesen und […] Tagesgeldern. […] Weil ich von der Firma aus unterwegs war. […] Man darf dann eben nicht alles erzählen. Ich sage andererseits sage ich meiner Frau allerdings: Du hast mich als Briefmarkensammler geheiratet vor 46 Jahren« (Interview mit Fred Mayer: 773-779). »Nun ist es nicht so einfach dazu zu stehen als erwachsene Frau, ihr habt mir hier schon sehr dabei geholfen Mein Freund findet es auch eher lustig, wir haben mir neulich eine Barbie gekauft und er hat sie sogar ausgesucht. [...] Ich habe mir [...] die Dooney& Bourke Barbie bestellt weil sie eine zeitgemässe [sic!] hübsche Figur ist, sieht fast aus wie ne Freundin von mir!« (BGb01)

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Diese Aussagen verdeutlichen, dass die Sammler/-innen außerhalb der Sammlergemeinschaft sowohl Akzeptanz als auch Ablehnung bzw. Unverständnis für ihre Tätigkeit erfahren. Während das familiäre Umfeld das Sammeln in den meisten Fällen akzeptiert und unterstützt (»Meine Mutter findet es toll- und ab und zu kommt sie und bringt mir eine mit.«; BGb01) – oftmals sogar selbst Sammler/-innen hier zu finden sind (vgl. z.B. Interview mit FüllfederhalterSammler Jens Schulz: 5-18) – reagiert die nicht sammelnde Außenwelt gespalten auf die Sammeltätigkeit. Sie rückt z.B. das Sammeln von Barbie-Puppen voreilig in die Ecke von Fetisch und psychologischen Deutungen. Ausnahmen bestätigen hier die Regel: »Ich hätte es seinerzeit sehr schön gefunden, wenn ich jemanden in der Familie gehabt hätte, der sich für mich interessiert hätte. Ich meine keineswegs jemanden, der mir meine teuren Vintage-Puppen hätte finanzieren können, sondern lediglich einen Menschen, der sich für das interessiert hätte, was mich bewegte. Diesen Menschen gab es leider nie in meinem Leben. Schade. Dennoch hab ich heute, mit 38, so viel Spaß an meinen Puppen wie nie zuvor. Auch wenn die ›Rückschau‹ manchmal wie Zwiebelschälen ist […]« (BNAb01_2). »Sammeln hat ja sehr viele psychologische Aspekte auch. Ich habe mir da auch schon einmal sehr viele Gedanken darüber gemacht. Es sind oft, glaube ich, Menschen, die auch irgendwo einsam sind, könnte ich mir vorstellen. Bei mir was es so. Menschen, die auch vielleicht nicht so viel rauskommen dann. Ok, sagen wir mal, beruflich ist man dann vielleicht den ganzen Tag weg und dann ist man mit seinen Kindern viel zusammen. Aber so andere, andere Dinge bleiben halt auf der Strecke. [U]nd […] so das Sammeln, das gibt einem so ein bisschen ein Gefühl der Befriedigung, sage ich mal. Man wird dadurch ein bisschen zufriedener. Weil man hat dann was, was weiß ich, so ein paar hübsche Puppen, kann die sich anschauen und so« (Interview mit Ulrike Schmied: 253-262).

Die Sammler/-innen selektieren daher teilweise, wem sie von ihrem Sammeln erzählen (»Und so sortiere ich und selektiere ich, versuche ich zu selektieren, äh, an wen ich mich wenden kann. ... Und ich habe immer Glück gehabt bis jetzt, dass ich positive Reaktionen bekommen habe. ... Ich hoffe, dass das so bleibt.«;

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Interview mit Stephan Walther: 1021-1024; vgl. auch Interview mit Ulrike Schmied: (582-592), manchen ist es aber auch gleichgültig, wie andere Menschen ihr Tun deuten bzw. bewerten: »Und mittlerweile ist es mir auch egal, wenn, ob jetzt so Bekannte mich da mitleidig belächeln oder irgendwas Dummes sagen. Ich finde, das muss jeder selber wissen. Der eine, der schraubt den ganzen, am ganzen Wochenende irgendwie am Auto rum. Der zweite fährt Motorrad, die halbe Zeit. Der dritte geht ins Fitnessstudio. Ja, man muss halt schauen, wie man so seine ja und halt, mir hat das immer Spaß gemacht« (Interview mit Ulrike Schmied: 396-402).

6. Pädagogische Kommunikation in Sammelwelten »Ich schaffe damit Kultur und ich merke bei anderen bewegt sich etwas in meinem Sinne und auch bei mir bewegen sich einige Sachen im Sinne anderer. […] [U]nd man spricht miteinander.« BARBIE-PUPPEN-SAMMLER STEPHAN WALTHER

Im Anschluss an den vorgestellten empirischen Ausschnitt wird nachfolgend die Frage nach Formen pädagogischer Kommunikation vertieft. Anhand von weltnahen Beschreibungen, wie es die Methodologie der Grounded Theory vorschlägt (vgl. Strauss/Corbin 1996; Glaser/Strauss 1998), wird ein Einblick in eine mögliche Bildungswelt geschaffen.

6.1 P ÄDAGOGISCHE K OMMUNIKATION : V ORAUSSETZUNGEN UND B EDINGUNGEN Die Analyse hat Kontraste zwischen den drei Sammelwelten bezüglich des Wissens und des Wissensumgangs sichtbar werden lassen. In allen Gebieten strukturiert die Kommunikation jeweils spezielle soziale Gefüge, in denen Wissen verhandelt wird. Die Kommunikation ist sowohl bei den Vermittlern als auch bei den Aneignern von Wissen durch ein individuelles Sammeln des psychischen Systems auf der einen Seite und einer Kommunikation über das Sammeln als soziales System auf der anderen Seite gerahmt. Die Kommunikation über Sammeln schließt nicht automatisch ein, dass Formen pädagogischer Kommunikation vor-

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liegen. Wie bereits im zweiten Kapitel dargelegt, erschwert ihr flüchtiger, netzwerkartiger und rudimentärer Charakter eine Identifizierung von pädagogischen Kommunikationsanlässen (vgl. Kade/Seitter 2003). Daher sind mit Rückbezug auf die entlang des Materials entwickelten Themenfelder und Kategorien mögliche Voraussetzungen und Bedingungen pädagogischer Kommunikation zu ergründen. Es lassen sich folgende Strukturelemente der untersuchten Kommunikation entnehmen:

Abb. 15: Strukturelemente der Kommunikation

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Durch die ermittelten Strukturelemente der Kommunikation lässt sich die soziale Rahmung der Kommunikation nachzeichnen, in der pädagogische Kommunikation auftreten kann. Wie bereits im zweiten Kapitel erörtert, handelt es sich bei der vorliegenden Wissensvermittlung um medial-extensive Formen der Kommunikation, bei der die physische Abwesenheit der Kommunikationsteilnehmer/ -innen ein Grundcharakteristikum darstellt (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a). Der Unterschied zwischen bloßer Wissensvermittlung im Sinne von informierender Mitteilung bzw. Darstellung von Wissen und aneignungsbezogenen Formen der Vermittlung liegt bei beiden Kommunikationsformen in dem Aspekt des Verstehens, der als zentral anzusehen ist und den es über Kommunikation zu sichern gilt. Dieses bedeutet, dass sich pädagogische Kommunikation auf die Sicherung des Verstehens von Mitteilungen konzentriert, indem das Verstehen ins Kommunikationszentrum rückt (vgl. auch Luhmann 1984: 130ff.). Pädagogische Kommunikation im Sinne der Systemtheorie richtet sich als solche zunächst an das soziale System mit seinem spezifischen sozialen Gefüge, um die Aneignung von Wissen kommunikationsintegriert überprüfbar zu machen. Auf der Ebene der pädagogischen Kommunikation wird dann das einzelne sammelnde Individuum angesprochen. Die Notwendigkeit der Verstehenssicherung ist an das Schaffen von Anschlussmöglichkeiten gekoppelt, um die Erreichbarkeit des psychischen Systems (Individuum) zu gewährleisten. Demgemäß benötigt das psychische System wiederum Anschlussfähigkeiten, um an die Kommunikation anzuknüpfen. Die Anschlussfähigkeit entscheidet über das Vorhandensein und die Stabilisierung von Sozialität. Da pädagogische Kommunikation strukturell durch Anschlussmöglichkeiten gebunden wird (vgl. auch Luhmann 1984: 205f.), lassen sich im Hinblick auf die elaborierten Strukturelemente der Kommunikation (vgl. Abb. 15) drei Ebenen feststellen, die als unterschiedliche Dimensionen von Reflexivität und des Verstehens begriffen werden können: eine Zeitebene, eine Sachebene und eine Sozialebene. Diese Ebenen sind nicht isoliert, sondern nur in ihrer Verzahnung zu betrachten (vgl. Luhmann 1984: 111ff.), auch wenn in vielen Kommunikationssituationen aus der Vielzahl von Kopplungsmöglichkeiten besonders eine bestimmte Ebene hervortritt (vgl. Abb. 16).

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Abb. 16: Anschlussmöglichkeiten für pädagogische Kommunikation

Die Attestierung von Verstehen wird durch Aneignung von Wissen möglich. Demzufolge wird die Voraussetzung geschaffen, Wissen auf Basis von Kommunikation zu etablieren und zu institutionalisieren. Die Beteiligung an der Kommunikation hängt davon ab, inwieweit Regeln, Umgangsformen und Sprache gemeinsam geteilt werden (vgl. Strauss 1991, 1993a). Die skizzierten Anschlussmöglichkeiten stellen in der Kommunikation insofern zu erwartende Anschlussmöglichkeiten dar, als mit ihnen sowohl sozial-normativ intendierte Bewertungsmaßstäbe einhergehen (vgl. Abb. 16) als auch durch sie die Kommunikation informell vorstrukturiert ist. Das bedeutet, Anschlussmöglichkeiten werden im sozialen System selektierend inkludiert (vgl. Wittpoth 2003a: 62).

6.1.1 Zeitebene Die Zeitebene hat in allen untersuchten Sammelgebieten einen zentralen Stellenwert für den Fortbestand der Kommunikation. Denn der Anschluss weiterer Kommunikation schafft eine zeitliche Offenheit und prinzipielle Unabgeschlos-

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senheit für die Entwicklung von Kommunikation. Hierdurch wird der Prozesscharakter der Kommunikation deutlich. Es kann eine intendierte Beziehung zwischen Wissensvermittlung und -aneignung insofern angenommen werden, als der einzelne Beitrag auf einen Fortlauf der Kommunikation abzielt. Der Einzelbeitrag wird durch Folgebeiträge gebunden und in einen größeren Zusammenhang gerückt. In den Eingangsbeiträgen muss eine Absicht auf weiterführende Kommunikation enthalten sein, die im Sinne dieser Arbeit auf Wissensaustausch, -genese und -speicherung abzielt. Folglich ist eine klare Ausrichtung des Sammelns auf zeitliche Zusammenhänge und somit der Kommunikation über die Tätigkeit auf diese zu sehen. In der Kommunikation manifestiert sich, dass es beim Sammeln immer um die Aneignung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Sammel- und somit auch in gewisser Weise Lebensmöglichkeiten geht, die über einen Wissensaustausch erfahren werden können (vgl. Hahn 1984; Stagl 1998). Die Vermittlung des Wissens soll zu einem veränderten Verständnis der Kommunikationsteilnehmer/-innen führen. Prognosen über den Kommunikationsfortlauf sind jedoch schwierig, denn aufgrund der Unterschiedlichkeit der Personen, der Zeitspanne und der Flüchtigkeit pädagogischer Kommunikation lässt sich ihre Entwicklung nicht vorhersagen.

6.1.2 Sachebene Auf der Sachebene ist das Schaffen von Anschlussmöglichkeiten anhand des Themas relevant. In der untersuchten Kommunikation lässt sich als zentral fokussiertes Thema das Sammeln als Kernaktivität beschreiben, um welche sich andere Aktivitäten lagern (vgl. Strauss 1991, 1993a). Sogenannte off-topic-Themen werden daher in der Regel kommunikativ ausgesondert, da sie mit dem Kommunikationsanlass nichts gemein haben. Teilweise werden, überwiegend bei den Füllfederhalter- und Briefmarken-Sammler/-innen, dem Sammeln verwandte Themen bzw. mit dem jeweiligen Gegenstand in Verbindung gebrachte Themen kommuniziert (z.B. Markttheorien oder eine Diskussion zum Thema Katholische Kirche). Das Thema ›Sammeln‹ fungiert als zentrales Bindeglied der Kommunikation. Dennoch lässt sich im Material immer wieder ein Durchbrechen der sachspezifischen Kommunikation bzw. das Abdriften in eine ›Plauderkonversation‹ feststellen. Diese Form der Kommunikation stellt einen Puffer dar, der der Erholung oder Erheiterung dient und zuweilen die Überleitung von einem Thema zum folgenden schafft.

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Inhaltlich steht besonders das Schaffen von Möglichkeiten, die bestehende Sammlung durch sachgerechte Ordnung und Pflege zu erhalten und vor allem zu erweitern, im Vordergrund. Durch die Kommunikation wird das individuelle Sammelwissen des psychischen Systems Sammler/-in zu einem Wissensbestand im sozialen System. Es werden unterschiedliche Wissensebenen verhandelt. Neben einer Sachebene, auf der Informationen entwickelt, weitergegeben und somit in ein allgemeines Wissen überführt werden, findet sich eine subjektive Ebene, auf der das Miteinander und das Individuelle des Sammelns kommuniziert werden. Auf der subjektiven Ebene vollzieht sich ein Erfahrungs- und Meinungsaustausch. Die Anschlussfähigkeit der Kommunikation wird weiterhin gesichert, indem Wissen – wenn nötig – aktualisiert wird, um dauerhaft strukturbildend zu sein und institutionalisiert zu bleiben (vgl. beispielsweise Austausch über neue Editionen, Insiderinformationen, Kritik an Unternehmen). Die Differenz von Wissen und Information liegt in der sozialen Relevanz des Wissens im Gegensatz zu einer Information als möglichem Wissen. Informationen müssen, wie bereits an anderer Stelle dargelegt wurde, in einen Erfahrungszusammenhang überführt und weiterverarbeitet werden. Durch Auswahl und Verstetigung lassen sich Informationen in Wissen überführen und letzteres im besten Fall nachhaltig durch Kommunikation sichern (vgl. Willke 1998). Durch kollektive Aushandlungsprozesse gelangt Wissen zu seiner Legitimierung und wird dauerhaft innerhalb des sozialen Systems institutionalisiert (vgl. Luhmann 1990: 15). Wenn diese Institutionalisierung misslingt bzw. sich nicht mehr bewegt, zielt Kommunikation ins Leere. Dieses würde dazu führen, dass sich Sammler/-innen zurückziehen bzw. möglicherweise andere Orte aufsuchen, an denen sie ihr Sammeln verhandeln. Der Aspekt des sich Bildens und Lernens steht damit im Zentrum und lässt sich als Kommunikationsabsicht bestimmen (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a). Die Analyse der Kommunikation in den ausgewählten Sammelgebieten hat grundlegende Charakteristika des Sammelns von Objekten transparent werden lassen. In die Kommunikation ist ein Wissen eingelagert, dass zugleich als Fachwissen bzw. Sonderwissen (vgl. Honer 1985) und als Basiswissen über die Grundlagen des Sammelns ausgewiesen werden kann (vgl. auch Sommer 2002: 192ff.). Außerdem wird ein Kommunikationswissen offensichtlich, welches sich in Form der Verwendung spezieller Umgangsweisen und Fachsprachen in den Sammelgebieten zeigt (vgl. Abb. 15; auch Kade/Seitter 2007). Ihre Geltung erhalten diese drei Wissensformen durch Repetition, die zu einer Stabilisierung der Formen verhilft und somit Anschlussfähigkeit in der Kommunikation sichert. Durch die Kommunikation eines Basiswissens werden Charakteristika der Sammeltätigkeit übermittelt. In der Kommunikation werden Handlungsanleitun-

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gen und -vorschläge präsentiert, die die Sammler/-innen in ihrer Beschäftigung individuell umsetzen müssen. Dieses Basiswissen ist in jedem trivialen Sammelgebiet anzutreffen. Es umfasst beispielsweise das Wissen über spezielle Orte, um das Sammeln auszuleben oder über Formen der Wertschätzung, die mit der Sammeltätigkeit verbunden sind. Das Fachwissen ist sammelgebietsspezifisch und verweist auf fundierte Kenntnisse über beispielsweise Material, Lagerung und Datierung der Sammelobjekte. Hier sind aber auch Spezifika wie das Gestalten der Barbie-Puppen im Bereich Einzelstücke bedeutsam, die nur ein Beispiel dafür sind, dass das Sammeln von Barbie-Puppen als ein kreatives Tun verstanden wird. Auch wenn der kreativen Tätigkeit (fast) keine Grenzen gesetzt werden, so müssen doch bestimmte Details wie Schnittmaße oder Haarknüpftechniken angeeignet bzw. gewusst werden. Bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen ist das Sammeln als ein kunstvolles Tun formuliert, dem man sich durch ein sich Bilden nähert. Die Sammler/-innen häufen nicht willkürlich an, sondern schaffen individuelle bzw. im Kollektiv geteilte Systematiken des Sammelns wie beispielsweise unterschiedliche Spezialisierungen, die das Sammelfeld überschaubar halten und durch Sinnordnungen eingrenzen (vgl. Hitzler 1994: 22f.). Bei den Briefmarken-Sammler/-innen wird das Sammeln als ein anregendes Tun verstanden, sich mit spezifischen Themenfeldern zu beschäftigen. Das bildende Moment scheint hier von vornherein eingewoben zu sein, was sich auch in den Formen institutionalisierten Sammelns in Arbeits- und Forschungsgemeinschaften oder Vereinen abzeichnet. Fachwissen ist in diesem Fall jedoch nicht mit Expert/-innenwissen zu verwechseln. Expert/-innenwissen zeichnet sich durch einen hohen Organisationsgrad aus, der zu umfangreichen und hochgradigen Systematiken führt. Fachwissen hingegen lässt sich als spezielles Wissen für das jeweilige Sammelgebiet ausmachen, welches tendenziell alle Sammler/-innen des jeweiligen Gebiets durch Beschäftigung mit dem jeweiligen Sammelgebiet haben können. Auch Spezialisierungen sind somit nicht mit dem Expert/-innen gleichzusetzen, obwohl tendenziell Expert/-innen vielfach Spezialist/-innen und Spezialist/-innen häufig auch Expert/-innen sind (vgl. Hörning 2001).

6.1.3 Sozialebene Auf der Sozialebene manifestiert sich die soziale Konstituierungskraft der Kommunikation. Die Analyse der Kommunikation über das Sammeln hat gezeigt, dass die Sammler/-innen sich als Teil zumeist statisch-flexibler Sammlergemeinschaften begreifen, die über den persönlichen oder telefonischen Kontakt,

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das Treffen auf Flohmärkten, Börsen und Messen sowie virtuelle Räume wie Foren soziogeographisch verbunden sind. Diese Orte stellen die organisatorische Rahmung dar, in der die Kommunikation stattfindet (vgl. Luhmann 2002: 120ff.; Wittpoth 2003a: 64f.). Wie gezeigt werden konnte, begreifen sich alle gezeigten Kommunikationsräume als Informations- und Wissensplattform, die durch Kommunikation konstituiert wird. Als zentraler Kontrast zwischen den Sammelgebieten lässt sich der Grad der Gemeinschaftsformierung ausmachen. In den untersuchten Sammelgebieten wird Sozialität durch Kommunikation initiiert. Doch die Art der Initiierung unterscheidet sich: Bei den FüllfederhalterSammler/-innen wird Sozialität durch transparente Typisierungen und Hierarchien, bei den Barbie- und Briefmarkensammler/-innen durch ein mehr oder minder gleichberechtigtes Miteinander hergestellt. Das bedeutet, dass bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen Gemeinschaft inszeniert und durch Hierarchien strukturiert wird. Bei den Barbie- und Briefmarken-Sammler/-innen hingegen wird Gemeinschaft im Sinne des Wortes über Kommunikation erreicht. Die in der Kommunikation transportierten Praktiken und Werteverständnisse spiegeln einerseits das höchst individuelle Tun der einzelnen Sammler/-innen wieder, andererseits sind aber deutlich kollektiv geformte Muster feststellbar (vgl. Strauss 1991, 1993a). Da der Austausch über die Tätigkeit und Inhalte des Sammelns für die Sammler/-innen von zentraler Bedeutung ist, stellen die Kommunikationsteilnehmer/-innen Erwartungen an ihre Partizipation. Zunächst lässt sich aus den vorangestellten Ergebnissen ein kommunikativer Anspruch auf Identifizierung als Sammler/-in und die Bestätigung der Sammeltätigkeit durch die anderen Sammelnden ableiten (vgl. ebd.). Das Vorgehen der Sammler/-innen offenbart ihre »Bedeutungsinvestition« (vgl. Hahn 1984: 18), die durch die Annahme, dass andere Menschen auch sammeln, rückgekoppelt und durch die Kommunikation attestiert wird (vgl. Mead 1968: 96f.): »Ohne Mitsammler bliebe die Welt des Sammlers eine Konstruktion, die ihres Wirklichkeitscharakters kaum gewiß wäre« (Hahn 1984: 15). Die Wirklichkeit basiert demnach auf sozialer Bestätigung – durch verbale oder non-verbale Kommunikation – und ist von ihr abhängig (vgl. Berger/Luckmann 1969). Folglich kann die Kommunikation mit anderen Sammler/-innen als zentraler Bestandteil der Sammeltätigkeit aufgefasst werden – auch wenn es durchaus Sammler/-innen geben mag, die keinen Austausch mit Gleichgesinnten vollziehen. Diese Ebene weist über einen Umgang mit Wissen im Sinne eines Fachwissens bzw. Basiswissens über Sammeln hinaus, denn sie deutet auf einen Wissensumgang hin, der als Wissen über sich selbst angesehen werden kann bzw. Bildungsprozesse der Sammler/-innen offenbart.

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Das Kommunikationsgefüge in den Sammelgebieten lebt von einer kollektiven Kommunikation, denn alle beteiligten Akteure sind tendenziell sowohl Wissensvermittler als auch Wissensaneigner (vgl. Kade/Seitter 2006: 31ff.). Das heißt, Anschlussfähigkeit ist durch die prinzipielle Teilhabe der einzelnen Teilnehmer/ -innen an der Kommunikation als zirkulärer Prozess gesichert (vgl. Honer 1985). Faktisch wird die Kommunikationsmöglichkeit nicht von allen Teilnehmer/ -innen in gleichem Maße genutzt. Die hierdurch reproduzierte Asymmetrie ist für den Kommunikationsprogress jedoch notwendig. Das bedeutet, bestimmte Akteure des jeweiligen Sammelgebietes, beispielsweise die Expert/-innen oder Organisatoren von Veranstaltungen oder Internetforen (hier oftmals in der Funktion als Moderatoren)1 erhalten eine vitale Bedeutung für das Fortbestehen der Gemeinschaft, indem sie die Kommunikation bündeln, zusammenfassen und auch stellenweise reglementieren. Im Sinne einer pädagogischen Kommunikation geht mit der Wissensvermittlung eine defizitäre Adressatenkonstruktion einher (vgl. Kade/Seitter 2003: 603f.; auch Seitter 2002). Auch wenn in der untersuchten Kommunikation eine spezifische Adressierung an bestimmte Sammler/-innengruppen bzw. -typen weitestgehend ausbleibt, wechselt die Position der sozialen Akteure im Organisationsgefüge. Durch die Kommunikation werden Kommunikationsteilnehmer/-innen typisiert und somit zu teilnehmenden Typen. Das Vorfinden bestimmter Typisierungen der Sammler/-innen wie beispielsweise Laie, Expert/-in und Profi, deren Profil bereits dargelegt wurde, zeigt die soziale Strukturierung der Kommunikation. Den einzelnen Sammler/-innen werden bestimmte Typisierungen und damit einhergehende Rollenmuster zugeschrieben bzw. zugesprochen. Hierdurch bedingt werden bestimmte Adressaten der Wissensvermittlung als defizitär eingestuft (Laie, Anfänger/-in), die durch Wissensaneignung ihren Status verbessern bzw. erweitern können, was als eine im weitesten Sinne pädagogisch intendierte Veränderungsabsicht verstanden werden kann (vgl. Kade/Seitter 2003: 603f.). Die Möglichkeit der Statusveränderung ist in Anlehnung an Honer als ein Karriere-Muster interpretierbar. Ein Aufstieg innerhalb der Kommunikationsgemeinschaft ist durch ein sich Bilden möglich. Diese Bildung zieht beim individuellen Sammelvollzug Verbesserungen hinsichtlich des Kenntnisstands nach sich (vgl. Honer 1985). Der Typ Expert/-in nimmt in der Kommunikation eine institutionelle Funktion wahr, die zu Rangordnungen führen kann (vgl. Hahn 1984: 16). Diese wird durch die anderen Teilnehmer/-innen bestätigt. Die Rollen können aber auch überwiegend latent bleiben bzw. werden – bei Sichtbarkeit – nicht hie-

1

Jeder Mensch kann zugleich Expert/-in in bestimmten Wissensgebieten und Laie in vielen anderen Wissensgebieten sein (vgl. Hitzler 1998: 40).

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rarchisierend fixiert, wie es bei den Barbie-Sammler/-innen oftmals der Fall ist (Anfänger/-innen, erfahrene/r Sammler/-innen, Expert/-innen, Auspacker/-innen; vgl. 5.2.3). Es lassen sich nur Vermutungen darüber anstellen, welche Ursache diese nicht ausformulierten Rollen haben. Entweder hat sich der jeweilige Kommunikationsraum noch nicht weitreichend genug ausdifferenziert und ist der Grund, weshalb klare Rollenmarkierungen fehlen oder in manchen Sammelgebieten existieren solche klaren Rollentypisierungen nicht. Das Sammeln dient auch der sozialen Anerkennung, die mit einer sichtbaren und doppelten Innen-Außen-Differenz einhergeht. Die mit der Kommunikation über das Sammeln explizierten Verständnisse der Tätigkeit als kreatives (BarbiePuppen), kunstvolles (Füllfederhalter) bzw. anregendes Tun (Briefmarken) erhalten durch die Sammler/-innen selbst einen hohen Stellenwert. Die Sammler/ -innen verständigen sich jedoch deutlich darüber, dass die Außenwelt dem Sammeln wenn nicht kritisch, so doch skeptisch gegenüber steht. Die soziale Anerkennung richtet sich somit primär auf das Innen der Gemeinschaft mit möglichen Versuchen – beispielsweise durch Börsen – im Außen Akzeptanz zu finden. Die Innen-Außen-Differenz zeigt sich jedoch auch innerhalb der Kommunikationsgemeinschaften selbst: Nicht der Besitz der Gegenstände ist für die Akzeptanz durch die anderen Sammler/-innen und somit auch für Außenstehende entscheidend, sondern die Ausbildung eines speziellen Wissens und Expertentums. Hierdurch heben sich Kenner/-innen und Könner/-innen von anderen ab und können sich innerhalb ihres Zirkels als auch als Expert/-innen für die Außenwelt austauschen. Während das Sammeln als Tätigkeit zumeist individuell bleibt, schafft die Kommunikation über die Sammeltätigkeit einen spezifischen Wissensumgang. Wissen wird unter sozialen Gesichtspunkten ausformuliert, gesteuert und innerhalb der Sammler/-innengemeinschaften institutionalisiert. Hier deutet sich ein kollektiver Lernprozess an. Somit kann man dem Sammeln einerseits ganz klare soziale Funktionen zuschreiben, andererseits hat es aber eine individuelle Komponente als Tätigkeit, welche unabhängig von anderen Menschen gestaltet wird. Innerhalb der Kommunikation werden außerdem Wertorientierungen vermittelt und angeeignet, die sich beispielsweise an den Wertschätzungspolen finanziell und individuell/ideell ausrichten (vgl. Strauss 1991, 1993a: 209ff.; Honer 1985). Die skizzierten, similären Vorstellungsmuster der Sammler/-innen beim Eintritt in die Kommunikation in den Internetforen zeigen auf, dass Selbstbeschreibungen bzw. -darstellungen nicht willkürlich passieren, sondern einer bestimmten Intentionalität und Regelmäßigkeiten folgen, die sozial konstituiert sind oder werden. Das Abweichen von bereits installierten Vorstellungsmustern kann innerhalb der Gemeinschaften zu Ermahnungen bzw. Sanktionen in Form von Ausschluss führen oder aber auch eine Veränderung der Gemeinschaft bewirken

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(vgl. Goffman 1959). Der Einfluss bestimmter Vorstellungsmuster stärkt die Kommunikation und somit das soziale System. Die Rollenmuster färben die Kommunikation in einer – der Typisierung entsprechenden – bestimmten Weise. Anfänger/-innen beispielsweise schildern deutlich ihre Anfangsposition und können aufgrund dieser Schilderung erwarten, dass auf ihre Beiträge in entsprechender Weise geantwortet wird. Das bedeutet, dass die defizitäre Adressatenkonstruktion auch von Seiten der potentiellen Wissensaneigner erfolgt. Die Laien werden beispielsweise bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen aufgrund ihres Unwissens kommunikativ marginalisiert bzw. teils exkludiert. Der Grund hierfür liegt in ihrer Kommunikationsausrichtung: Sie orientieren sich nicht an einem spezifischen Verständnis des Sammelns, sondern an ihrem fehlenden Sachverstand, den sie preisgeben oder durch – zumeist jedoch unsachgemäße – Kommunikation zu überdecken suchen. Desweiteren suchen sie den Kontakt zu den anderen Sammler/-innen und sind durch ihre fehlenden Sammelkenntnisse vom Votum der Expert/-innen über ihre Fragen und ihre Person als Sammler/-innen abhängig (vgl. Hitzler 1994: 26). Die Entwicklung des Wissens als ein Fachwissen wird daher durch die Weitergabe innerhalb der Gemeinschaft gesteuert. Den Expert/-innen kommt eine besondere Wichtigkeit zu, indem sie »Wissenselemente und Wissensarten vielfältig und hochroutinisiert [›vernetzen‹]« (Hitzler 1994: 23) und dadurch zu erfolgreichen Sammelstrategien beitragen. Durch die Expert/-innenkommunikation werden bestimmte Sachverhalte legitimiert und dauerhaft institutionalisiert. Die Expert/-innen übernehmen durch ihre Wissenssystematisierung die Funktion, den anderen sozialen Akteuren das Fachwissen zugänglich zu machen (vgl. ebd.: 22ff.). Die Wissensweitergabe ist davon abhängig, inwieweit sie von Außeneinflüssen bzw. Legitimierungsansprüchen innerhalb der Gemeinschaft abgelöst ist. Denn eine Differenz in den untersuchten Sammelgebieten ist dadurch markiert, dass in den Sammelwelten mit den Rollentypen bestimmte Ansprüche und Hierarchieebenen innerhalb der Gemeinschaft verbunden sind oder ausbleiben. Die Ansprüche beziehen sich auf die Art des Kommunizierens (spezifischer – unspezifischer Umgangston) und das vorhandene Wissen (Fachwissen). An dieser Stelle lässt sich festhalten, dass Anschlussfähigkeit außerdem durch Konventionen gesichert werden kann. Konventionen sind in diesem Rahmen vorrangig als eine gemeinschaftlich ausgehandelte Übereinkunft zu verstehen, d.h., ein gemeinschaftliches Verstehen wird kommunikativ ausgehandelt. Durchaus kann diese Übereinkunft aber auch mit normativen Mitteln durchgesetzt werden, wie es bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen respektive den Briefmarken-Sammler/-innen der Fall ist (vgl. 5.2.2). Das Vorfinden von sozia-

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ler Kohäsion, Formen des Ausschlusses und Distinktionen bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen lässt sich auf den Ebenen weltintern und weltextern ansiedeln. Die Kommunikationsgemeinschaften schaffen in Form einer Registrierung eine Eintrittshürde, die als eine Schließungstendenz nach außen verstanden werden kann (vgl. Stegbauer 2000: 31). Als weitere Hürde fungiert bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen eine deutliche Etikette, die die Regeln des miteinander Kommunizierens festlegt und eine spezifische Umgangsform nach sich zieht. Die Verwendung einer förmlichen Sprache im Internet lässt sich in Verbindung mit dem Gegenstand Füllfederhalter dementsprechend deuten, dass sich einige Sammler/-innen in ihrer Sammeltätigkeit auf ein spezielles, formelles Schreiben mit der Hand besinnen und damit der Handschriftlichkeit einen (neuen) Wert verleihen bzw. diese als Ausdruck einer Werthaltung verstehen. Die Differenzierung von Anschauungs- und Gebrauchsobjekten verweist auf den kulturellen Aspekt von Gegenständen, der im alltäglichen Gebrauch vielfach undurchsichtig bleibt (vgl. Hahn 1984; Boehncke/Bergmann 1987; Ruppert 1993). Die Signale für eine Abgrenzung nach außen können sich auch in deutlichen Tönen nach innen widerspiegeln. So ziehen sich bestimmte Gruppen – vorrangig die Expert/-innen – innerhalb der Gemeinschaften, vor allem bei den Briefmarken- und Füllfederhalter-Sammler/-innen, zusammen. Diese Formen sozialer Kohäsion stärken die Gemeinschaften einerseits, weil mit ihr bestimmte Kompetenzzuweisungen verbunden sind: Die Expert/-innen gelten als die Ansprechpartner in Sammelfragen. Ihnen wird durch die Kommunikation ein Expert/ -innenstatus attestiert. Durch ihre Kommunikation wird gesichert, dass Wissen transportiert wird. Ferner erkämpfen sie sich im Kommunikationsgefüge auch ihre Position, in dem sie sich von den anderen sozialen Akteuren sichtlich abgrenzen. Die Funktion als Ansprechpartner nehmen auch die Expert/-innen bei den Barbie-Sammler/-innen ein. Im Gegensatz zu den vorher beschriebenen Sammelexpert/-innen formieren sie sich nicht als statische, hierarchische Instanz innerhalb der Kommunikationsgemeinschaft. Mit den Kohäsionen bei den Briefmarken- bzw. Füllfederhalter-Sammler/innen sind auch Exklusionen verbunden. Bestimmte Sammler/-innen bzw. Sammelinteressierte werden z.B. bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen deutlich auf die herrschenden Kommunikationsregeln und eine fehlende Etikette verwiesen. Der Füller fungiert daneben deutlich als Distinktionsmerkmal: Auf die weltexterne Ebene gerichtet wird das beispielsweise anhand des Füllerzückens, der denjenigen gegenüber zu einem spezifischen Handeln bewegt, kommuniziert (vgl. Sanz 1994). Distinktion meint im Sinne Bourdieus nicht eine totale Individualisierung, sondern eine Abhebung vom Außen – hier von der nicht sammeln-

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den Außenwelt – und Anerkennung im Innen unter den anderen Sammler/-innen in der Innenwelt. Der Besitz eines Füllfederhalters bzw. einer Füllfederhaltersammlung wird zum Ausdruck der Persönlichkeit und legitimiert die Zugehörigkeit zu einer, durch Kommunikation verbundenen, Sammler/-innenschaft (vgl. Bourdieu 1982: 388). Hier spiegelt sich die im fünften Kapitel ausgemachte Differenz zwischen einem bloßen Besitzen und einem leidenschaftlichen Sammeln wider. Beim Sammeln wird eine Bedeutung in die Tätigkeit investiert (vgl. Hahn 1984), welche sich auf Leidenschaft und Ästhetik stützt. Baudrillard folgert in seinem Aufsatz Die Sammlung (Baudrillard 1991b), dass »Gegenstände tatsächlich der Grund einer Leidenschaft sind, der Leidenschaft des Besitzens« (ebd.: 110). Das bedeutet, Sammelnde können dem Gegenstand objektivierend begegnen somit ein Herrschaftsverhältnis des Besitzens ausdrücken, welches distinktiv ist (ebd.: 110ff.). Distinktionsmechanismen entfalten nach Bourdieu besonders durch das latente Vorhandensein ihre Wirkung. Indem man Wert auf Understatement und Unauffälligkeit im Sinne des Auslebens von Stil legt, hebt man sich umso deutlicher von anderen ab (vgl. Bourdieu 1982: 388f.). Nicht nur im Lebensstil verbalisiert sich Distinktion, sondern auch im Konsum. Konsum meint in diesem Fall den Gebrauch des Füllfederhalters, der »Aneignung voraussetzt; [...] genauer, dass der Konsument selbst zur Hervorbringung des von ihm konsumierten Produkts beiträgt durch jene Arbeit des Aufspürens und Entschlüsselns« (ebd.: 172). Dieses Zitat verweist auch auf die kommunizierte Distinktionsfähigkeit des Füllfederhalters als Sammelobjekt innerhalb der Sammler/-innengemeinschaft. Auf der weltinternen Seite stellt der Füllfederhalter insofern ein Distinktionsmerkmal dar, indem die Auslebung von Stil und Etikette als Abhebung von den unechten Sammler/-innen kommuniziert wird. Dementsprechend kann man sich durch falsches Tun selbst disqualifizieren oder disqualifiziert werden (vgl. ebd.: 388). Am Beispiel der Barbie-Sammler/-innen hingegen wird ein lockerer Verbund präsentiert, deren zentraler Rahmen die Kommunikation über ihre Sammelbeschäftigung ist, ohne jene spezifisch zu reglementieren. Das heißt, die Kommunikation spiegelt ein demokratisches Miteinander wider. Die im zweiten Kapitel dargelegten Möglichkeiten posttraditionaler Gemeinschaften zeigen sich deutlich in den vorangehenden, systematisierenden Beschreibungen zum sozialen Gefüge der Kommunikation in den Sammelgebieten. Die Kommunikation in der Gemeinschaft findet dann statt, wenn diese einen Ort bietet, der den Sammler/-innen entspricht: »Diese posttraditionalen Gemeinschaftsbildungen sind wesentlich dadurch gekennzeichnet, daß sich individualisierte Akteure (Existenzbastler) genau dann und insoweit – frei-

274 | DINGE SAMMELN . A NNÄHERUNGEN AN EINE K ULTURTECHNIK willig und temporär – in sie einbinden bzw. auf sie einlassen, wenn und als die ›Wertigkeiten‹ in diesen Gemeinschaften ihren Bedürfnissen nach einem bestimmten distinktiven Lebensstil entsprechen, diese ›unterstützen‹ und sie (bis auf weiteres) ›beheimaten‹« (Hitzler 2006: 269).

Die Institutionalisierungskraft von Kommunikation hinsichtlich des Umgangs mit Wissen auf einer Sach-, Sozial- und Zeitebene lässt sich deutlich belegen. Verstehen ist keine als Norm konstatierte Tatsache: Verstehen muss immer wieder kommunikativ vollzogen werden. Nachfolgend werden die im Analysematerial gefundenen Anlässe für pädagogische Kommunikation dargelegt.

6.2 ANLÄSSE

VON PÄDAGOGISCHER

K OMMUNIKATION

Im Rückbezug auf die Ausgangsthese, dass jenseits organisierter Formen der Erwachsenenbildung lebensweltlich verankerte Bildungs- und Lernprozesse stattfinden, die zu Formen der sozialen Institutionalisierung von Wissen führen, lässt sich Wissen als Verhandlungsgegenstand in der Kommunikation über Sammeln auffinden. Mit dem Unterlaufen der Differenz außerhalb – innerhalb von Bildungsorganisationen zugunsten eines Konglomerats aus Institutionalisierungstendenzen, die auf Kommunikation gründen, wird eine fruchtbare, aber permanent kaleidoskopische pädagogische Kommunikation sichtbar. In dieser »[interessieren] sich die Vermittlungsakteure für Fragen der Aneignung« (Kade/Seitter 2007c: 63). Aufgrund der Verschiedenheit der einzelnen Akteure ist die Koppelung zwischen den psychischen Systemen, die mit ihrem individuellen Bewusstsein vorgehen und dem sozialen System, in welchem pädagogische Kommunikation operationalisiert ist, schwierig zu bestimmen. In Anschluss an Kade und Seitter (vgl. Kade/Seitter 2003, 2007a, 2007b) lassen sich in der Kommunikation Anlässe für pädagogische Kommunikation finden, wenn •





das transportierte Wissen der Vermittlungsseite nicht zwingend von der Aneignungsseite angenommen wird, sondern in einen Aushandlungsprozess eintritt. die Kommunikation auf eine (Weiter-)Entwicklung von Wissensbeständen abzielt, bei der vielfach weltinterne Orientierungen und Reglementierungen eine erhebliche Bedeutung spielen. eine Überprüfung der Aneignung stattfindet.

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• •

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die Kommunikation sich durch eine Vorbild-Funktion auszeichnet. die Kommunikation in einen Sicherungsprozess eintritt.

6.2.1 Aushandlungsprozesse Der Übergang der Kommunikation in einen Aushandlungsprozess ist dadurch gegeben, dass in der Kommunikation ein Thema verhandelt wird, über das noch kein (allgemein)gültiges Wissen existiert. Die einzelnen psychischen Systemakteure beanspruchen die Richtigkeit ihres bestehenden Wissens. Durch die Äußerung ihres Wissens in der Kommunikation leisten sie einerseits einen Beitrag, um sammelrelevantes Wissen weiterzugeben, andererseits sind die Wissensvermittler davon abhängig, dass eine Aneignung des Wissensbestandes gelingt. Durch die Kommunikation wird Wissen verhandlungsfähig, aber vor allem verhandlungsnotwendig. Als pädagogische Absicht, die sich im Aushandlungsprozess verbirgt, lässt sich das Verstehen der Relevanz des jeweiligen Wissens ausmachen. Dieses ist beispielsweise der Fall, wenn über Erfordernisse beim Sammeln kommuniziert wird und die Bedeutung von Fachliteratur herausgestellt werden soll (vgl. Interview mit Jens Schulz: 42; Interview mit Ludwig Feld: 374). Das Studieren von Fachliteratur als bildende Tätigkeit bei den Füllfederhalter- und Briefmarken-Sammler/-innen sowie als mögliche Hilfe für die Barbie-Sammler/-innen muss in der Kommunikation als sinnvoll ausgehandelt und verstanden werden. Die Formulierung von (verbindlichen) Ansprüchen (beispielsweise Etikette, Werteverständnis) in der Kommunikation muss eine Aushandlung der selbigen nach sich ziehen: Die Notwendigkeit der Einhaltung einer spezifischen Umgangsform muss verstanden und akzeptiert werden, um eine Aneignung von Wissen zu ermöglichen, die durch diese sozialen Regelungen gerahmt ist. Vielfach wird die Aushandlung von hierarchischen Strukturen überlagert, die die Kommunikation lenken (vgl. 5.2.4). Da sich diese anspruchsorientierte, hierarchische Rahmung der Wissensvermittlung bei den Barbie-Sammler/-innen nicht finden lässt, kann diese Anspruchsformulierung an Kommunikation nicht als Spezifikum pädagogischer Kommunikation in Sammelwelten verstanden werden. Es wird deutlich, dass die Einbettung pädagogischer Kommunikation stark davon abhängt, wie Kommunikation Sozialität organisiert. Eine Aushandlung von anzueignendem Wissen und des Austausches desselbigen erfolgt in der Barbie-Sammel-Welt auf einer gleichberechtigten Ebene, wie sich anhand der Kommunikation in dieser Welt belegen ließ. Demnach fin-

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det die Wissensaushandlung unter einer tendenziellen Beteiligung aller Akteure statt. Durch die Analyse der Kommunikation wird deutlich, dass das verhandelte Wissen nicht einheitlich geformt ist, sondern sich in einzelne Facetten, die die einzelnen Sammler/-innen inhaltlich füllen, zerlegen lässt. Aushandlung von Wissen und Verstehen meint demnach, dass einzelne Wissensbestandteile durch Kommunikation zusammengesetzt werden und als Wissensfundus angeeignet werden können.

6.2.2 (Weiter-)Entwicklung von Wissensbeständen Als weiterer pädagogischer Kommunikationsanlass kann die Ausrichtung der Wissensvermittlung auf eine (Weiter-)Entwicklung von bereits in den Sammler/ -innengemeinschaften bestehenden Wissensbeständen bestimmt werden. Als Beispiele, die sich in der Sammler/-innenkommunikation finden lassen und als eine (Weiter-)Entwicklung von Wissen angesehen werden können, lassen sich die Erörterung neuer Editionen, die Weitergabe von Insiderinformationen und Pflegetipps nennen. Die (Weiter-)Entwicklung von Wissen respektive Basis- bzw. Fachwissen übernimmt eine Funktion der Sicherung von Sozialität in zweifacher Hinsicht: Zunächst wird durch die (Weiter-)Entwicklung von Wissen der thematische Austausch über die Kernaktivität Sammeln fortgesetzt, wodurch sich das individuelle Wissen einzelner Sammler/-innen erweitern kann. Diese Sammler/-innen stellen dann in der Kommunikation wieder ihren erweiterten Wissensfundus zur Verfügung und sorgen somit für eine Wissenszirkulation. Zugleich sichert die (Weiter-)Entwicklung des Wissensbestandes aber auch den Fortbestand der Kommunikationsgemeinschaft. Durch die Akkumulation von bestehendem Wissen und der Produktion von neuem Wissen entwickelt die Gemeinschaft Technologien, um ihren Teilnehmer/-innen Wissensvermittlung und -aneignung zu ermöglichen und bestehende Wissensbestände zu erweitern. Auf diese Weise ist eine stetige Reproduktion der Sozialität von Kommunikation möglich. Wie in der Analyse der Kommunikation über Sammeln deutlich wurde, ist Sozialität deutlich z.B. durch die Ausbildung von Typen oder Umgangsformen beeinflusst, die die Teilnahme an Kommunikation bestimmen und Verstehen attestieren. Das heißt, die (Weiter-)Entwicklung von Wissen wird von spezifischen Akteuren wie beispielsweise den Expert/-innen gesteuert, deren Umgang mit Wissen aber nicht zwangsläufig eine bestimmte Form der Wissensvermittlung und -aneignung festlegt. Die vitalen Akteure der Gemeinschaft stellen vielmehr

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Rahmenbedingungen her, um Aneignung zu ermöglichen. Bei der Kommunikation der Füllfederhalter-Sammler/-innen ließ sich zeigen, dass bei ihnen Wissensvermittlung vielfach hierarchisch gefärbt ist, die eine bestimmte Aneignung nach sich ziehen sollte.

6.2.3 Überprüfungsprozesse Sammler/-innen, die erstmalig bzw. neu in die Kommunikation eintreten, sind gefordert, an die bereits bestehende Kommunikation anzuschließen. Das Fortbestehen der Kommunikation wird gesichert und gestärkt, indem bestimmte Vorstellungsmuster greifen, wie sie im fünften Kapitel dargelegt wurden. Wenn aber dieses Muster in der Kommunikation durchbrochen wird, z.B. in dem Sammler die Anrede und Grußformel in der Kommunikation unterlassen bzw. vergessen oder ein rauer Umgangston in der Kommunikation angeprangert wird, muss durch eine Überprüfung die Legitimierung des Ausbruchs und eine Installierung neuer Kommunikationskomponenten bzw. eine Rückführung auf bereits existente Muster erfolgen (vgl. auch Seitter 2007). Vielfach beziehen sich Sammler/ -innen zudem in ihrer Kommunikation auch auf die Außenwelt, so dass das in der Kommunikation angeregte Handeln später in die innerweltliche Kommunikation zurücktransportiert werden kann. Die Überprüfung von Aneignungsbezügen zeigt sich zudem bei der Verhandlung der Orte, an denen die Sammler/-innen ihr Sammeln voranbringen, d.h., auf welche Art und Weise die Sammelnden ihre jeweilige Sammlung erweitern. Die analysierte Kommunikation liefert einen deutlichen Hinweis darauf, dass trotz Warnungen und Belehrungen das Internet als Jagdstätte massenhaft genutzt wird – wider besseres Wissen. Daher vergewissern sich die Sammler/-innen kommunikativ, ob die von ihnen geplanten Objektaneignungen von Mitstreitern befürwortet werden. Somit wird innerhalb der Kommunikation ein klarer Bezug hergestellt, dass vermitteltes Wissen auch verstanden, angeeignet und weitergetragen wird. Das Mitdenken der Wissensaneignungsseite, die sich im Rahmen der Kommunikation über das Sammeln vollzieht, kann auch in Form von Umfragen erfolgen. Da die Kommunikation medial gerahmt ist, bieten Umfragen nach Kade und Seitter den Kommunikationsteilnehmer/-innen die Möglichkeit, wechselseitig Bezug aufeinander zu nehmen und das Votum des Gegenübers zu erfahren (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a). Wissensvermittlungsprozesse werden somit an Aneignungsprozesse durch Sichtbarkeit herstellen von Aneignungsergebnissen rückgebunden. In der vorliegenden Kommunikation lassen sich sowohl eine Um-

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frage bei den Barbie-Sammler/-innen zu neuen Modellen als auch Umfragen bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen zu Limited Editions bzw. bei den Briefmarken-Sammler/-innen zu Lieblingsbriefmarken bzw. -belegen finden. Bei diesen Umfragen steht nicht nur eine reine Wissensvermittlung im Vordergrund, die der Aneignung durch andere Kommunikationsteilnehmer/-innen zuträglich sein soll. Vielmehr geht es auch um die Schilderung subjektiver Eindrücke zu bestimmten Objekten. Zudem dienen Umfragen bei den Barbie-Sammler/-innen als KritikSammlung, mit der die Sammler/-innenschaft Dissonanzen gegenüber dem Hersteller bezüglich der Puppenentwicklung artikulieren kann. Es werden Kritikpunkte zusammengefasst, aktualisiert und zu einer Entscheidung formiert, welche dann an den Hersteller herangetragen werden kann: »Da ich vorhabe, Kontakt zu Mattel aufzunehmen und dafür Meinungen und Proteste der Collector und Fans einholen will, wollte ich hier [...] darauf aufmerksam machen« (BAc05). Das bedeutet, Informationen und Wissen müssen durch Kommunikation in eine Beschlussfähigkeit überführt werden. Die Argumentation der Wissensvermittlungsseite basiert in diesem Zusammenhang nicht mehr nur auf objektiven Sachgründen, sondern schließt eine sozial intendierte Kontrolle ein. Kade und Seitter sprechen hier von »Überzeugungsmacht« (vgl. Kade/Seitter 2003: 609), die im vorliegenden Fall vielfach sozial-normativ gerahmt ist. Die Überzeugungsmacht »[gründet] auf der als Wissensgefälle gedeuteten immer mitlaufenden sozialen Asymmetrie« (ebd.). In der Kommunikation stellt das z.B. der spezifische Umgang mit den Sammelobjekten dar. Eine sachgerechte Lagerung und Pflege der Objekte ist notwendig, um den Bestand der Sammlung zu sichern. Das Wissen um eine sachgerechte Aufbewahrung sollen die Sammler/ -innen sich daher aneignen und die Notwendigkeit der selbigen verstehen (z.B. dass es eine Sünde ist, den Füllfederhalter mit anderen Stiften in einer Box zu lagern). Bei den Füllfederhalter-Sammler/-innen ist die »Überzeugungsmacht« vielfach von den hierarchischen Typisierungen strukturiert. Es zeigt sich die von Kade und Seitter – rekurrierend auf Ausführungen Luhmanns zur Funktion von Sprache (vgl. Luhmann 1984: 196ff.) – für medial arrangiere Wissensvermittlungssettings ausgemachte Appell- bzw. Moralfunktion, die einer Delegitimation von Wissen vorzubeugen sucht. Bei den Barbie-Sammler/-innen und auch bei den Briefmarken-Sammler/-innen wird Wissensvermittlung und -aneignung durch ein kollektives und gegenseitiges Nachvollziehen überprüft, bei dem die subjektiven Aneignungslogiken erhalten bleiben und nicht durch soziale Regelungen überformt werden.

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6.2.4 Vorbildfunktion Teilnehmer/-innen der Kommunikation, die Lob und Anerkennung für ihre Ausführungen erhalten, wie beispielsweise die Expert/-innen, erlangen eine Vorbildfunktion für andere Kommunikationsteilnehmer/-innen. Die Orientierung an einem Vorbild kann dazu verhelfen, dass die Aneignung von Wissen gefördert wird. Allerdings ist an dieser Stelle der kritische Einschub zu formulieren, dass die Vorbild-Typisierung der Expert/-innen in der Füllfederhalter-Welt normativ und hierarchisch angelegt ist und nicht zwangsläufig in einen demokratischen Erweiterungsprozess des eigenen Wissens mündet. Die Abgrenzung der Typen untereinander auf der Ebene echt – unecht zeigt deutlich, dass nicht eine Vermittlung von Wissen und ein Verstehen des Gegenübers, sondern eine Form der (Selbst-)Präsentation im Zentrum steht. Diese (Selbst-)Präsentation verweist auf die exzentrische Komponente, die Aleida Assmann, Monika Gomille, Gabrielle Rippl u.a. in ihren Überlegungen als eine Funktion der Sammeltätigkeit auffassen (vgl. Assmann/Gomille/Rippl 1998). Sie beleuchten dabei die Verbindung zwischen Exzentrik, Sammeln und Wissen, indem sie im Sammeln eine »exzentrische[ ] Selbstinszenierung« (Assmann/Gomille/Rippl 1998a: 9) ausmachen, die Wissen steuern kann bzw. beim Wissenserwerb eine Bedeutung zukommt. »Diverse Beispiele zeigen, daß der eigenwillige Charakter des Exzentrikers unter anderem dafür verantwortlich ist, dass Wissensrelevantes sich verschiebt, daß es neben der offiziellen Kultur und den von ihr institutionalisierten Formen der Wissensspeicherung alternative Weisen der Organisation, Erweiterung und Verlagerung im Wissenshaushalt einer Gesellschaft gibt« (ebd.).

Das heißt, das Herausstellen von Bewunderung und die Betrachtung des eigenen Selbst stehen im Mittelpunkt der Artikulation und die Weitergabe und Aneignung von Wissen rücken in den Hintergrund. Bei der Kommunikation der Barbie- und auch Briefmarken-Sammler/-innen lassen sich Formen einer VorbildKommunikation finden, bei denen Bewunderung und Anerkennung für ein besonderes Wissen (beispielsweise zur Pflege, Reparatur oder Identifizierung von Objekten) geäußert wird, welches andere Kommunikationsteilnehmer/-innen sich durch Kommunikation auch erwerben möchten und gezielt nach einer Weiterentwicklung ihres Wissensfundus fragen.

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6.2.5 Sicherungs- und Standardisierungsprozesse Wenn es darum geht, bestehende Erkenntnisse und bestehendes Wissen zu sichern und somit zu verstetigen, können Typen wie Expert/-innen oder erfahrene Sammler/-innen eine entscheidende Funktion einnehmen: Sie bündeln die bisherige Kommunikation, beispielsweise durch eine Zusammenfassung oder ein Fazit. Außerdem entwickeln sie Praktiken oder festigen Wissen in Form von z.B. Leitfäden, um bestehendes Wissen zukunftsfähig zu machen, da die Wissenssicherung für den Fortbestand der Gemeinschaft bzw. der Kommunikation elementar ist: »Ja, ich habe mir für spezielle Modelle kleine Karteikärtchen geschrieben. Wo drauf steht, welche Gewinderichtung, was passt, wie man es am besten aufmacht. Hier gehe ich mit einem Föhn dran, da nur mit dem Ultraschall. Es gibt Materialien, die können Wasser nicht ab. Da muss ein bisschen anders wieder rumtricksen. So etwas halt« (Interview mit Füllfederhalter-Sammler Jens Schulz: 395-399). »Und […] ansonsten geht es [das Wissen, Erg. D.W.] einfach verloren. Und es gibt so ein paar […] Freaks in […] Amerika, die so Reparaturleitfaden erstellen […] [D]as sind Leute, die […] […] sich darauf spezialisiert haben und […] exakt dann eine Anleitung geben, wie man dieses eine Modell reparieren kann, ne. Also, und da gibt es aber keine Bücher darüber« (Interview mit Füllfederhalter-Sammler Martin Vetter: 208-213). »Genau, man sammelt sein Wissen […]. Ja gut, nur wenn, wenn mir etwas passiert oder den Kollegen, ist dieses Wissen auf einen Schlag weg« (Interview mit FüllfederhalterSammler Jens Schulz: 402-403).

Die Sicherung des Wissens kann somit zu einem zentralen Kommunikationsanliegen aller beteiligten Kommunikationsteilnehmer/-innen werden, die jedoch besonders durch bestimmte Typen in der Kommunikation wahrgenommen und ausgeführt wird. Sicherung des Wissens kann demnach auch Standardisierung von bestimmten Wissensbeständen bedeuten, hinter die es nicht mehr zurückzukehren gilt und für neue Sammler/-innen anzueignen ist. Trotz dieser Sicherung besteht dennoch die Möglichkeit, dass sich im weiteren Kommunikationsverlauf neue Aspekte ergeben, die die bestehende Wissenssicherung längerfristig verschieben. Die Beweglichkeit des Wissens wird durch die Sicherungs- und Standardisierungsoption transparent. Der empirische Ausschnitt hat deutlich werden lassen, dass soziale Konstitutionen den Umgang mit Wissen rahmen und diese Gesichtspunkte bei Wissens-

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vermittlungsprozessen hinsichtlich der Möglichkeiten von Wissensaneignung berücksichtigt werden müssen. Es zeigt sich, dass pädagogische Kommunikation in der Kommunikation über Sammeln immer wieder auftaucht, sie aber flüchtig bleibt. Die Immatrikulation pädagogischer Absichten in die Kommunikation spiegelt sich anhand einer deutlichen Ausrichtung der Kommunikation auf eine Veränderung wider: Durch die Aneignung von Wissen im Bereich des Sammelns werden Reflexions-, (Selbst-)Bildungs- und Identitätsprozesse angestoßen, die über einen gemeinschaftlichen bloßen Austausch von Fachwissen hinausweisen und darlegen, dass der Umgang mit Wissen zwar von einer Wissensvermittlungsseite vorgezeichnet werden kann, aber die Aneignung von Inhalten immer auf das einzelne Individuum verweist, welches relativ eigenständig mit Wissen und auch Nichtwissen umgeht.

7. Epilog: Wege und Grenzlinien »So hinterlässt man sich von sich […] und seiner Idee eine Spur.« BARBIE-PUPPEN-SAMMLER STEPHAN WALTHER

Der Anhaltspunkt, dass im Umgang mit Wissen pädagogische Intentionalität oder sogar bildendes Potential anzunehmen ist, geht – wie dargelegt werden konnte – mit einem veränderten Institutionenbegriff einher: Wissen institutionalisiert sich auf Basis habitualisierter Kommunikation, die als Institution verstanden wird (vgl. Berger/Luckmann 1969). Durch die Entkopplung von Raum und Zeit – Anthony Giddens spricht von disembedding (vgl. Giddens 1990: 21ff.) – wird Wissen einerseits in räumlicher, zeitlicher und auch sozialer Hinsicht dekontextualisiert. Andererseits entstehen Reproduktionen und neue Formen des Wissens, die in Lebenswelten von Menschen generiert werden, wodurch andere zeitliche, soziale und räumliche Formen der Institutionalisierung und der Reflexion von Wissen an Bedeutung gewinnen. Zugleich löst sich die Annahme eines linearen Umgangs mit Wissen auf der Achse Vermittlung – Aneignung auf. Unterbrechungen, Störungen und Brüche des Wissens werden sichtbar und können thematisiert werden. »Im Falle lebensweltlichen Wissens ist uns häufig gar nicht bewusst, dass es sich um Wissen im Sinne prinzipiell fehlbarer Annahmen handelt. Die in unser Handeln eingelassenen stillschweigenden Hintergrundannahmen werden erst dann sichtbar, wenn die dieses Handeln tragenden Gewissheiten erschüttert werden« (Kocyba 2004: 304f.).

An den Bruch- und Schnittstellen eines zunächst vermeintlichen Wissens lassen sich sowohl Anschlussmöglichkeiten, Veränderungspotentiale und Verstetigun-

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gen als auch Ausschlüsse und Entziehungen von Wissen feststellen, wodurch die positiven und negativen Polaritäten des Wissens als Ressource transparent werden (vgl. ebd.: 305). Mit diesen lebensweltlichen Wissensmodi löst sich der Umgang mit Wissen von und in Institutionen jedoch nicht auf, es wandelt sich nur das Verständnis, was unter Institution begriffen wird. Durch wachsende Veränderungen im Alltags- und Berufsleben sowie durch die Auflösung der Separierung von Freizeit und Arbeit, wie es sie bis ins letzte Jahrhundert hinein noch verbreitet gegeben hat, erhalten soziale Institutionalisierungsformen ein größeres Gewicht. »[G]esammelte Gegenstände [repräsentieren] eine ganze Lebenswelt, und es kommt darauf an, diese sichtbar zu machen« (Putsch 1999: 15). Soziale Welten bzw. Lebenswelten werden als think tanks begriffen, in denen Kultur und Wissen entwickelt, weitergegeben und verstetigt werden. In den untersuchten Sammelwelten offenbart sich eine breit angelegte Kommunikation, deren pädagogischer Gehalt vielfach durch die Rahmung eines sozial-formalen Gefüges mit gleichzeitiger Installierung bestimmter Ansprüche überlagert wird. Dieses bedeutet, dass pädagogische Kommunikation im Verständnis von Kade und Seitter (vgl. Kade/Seitter 2007a, 2007b) als Verstehensprozess zwar brüchig und zerstreut auffindbar ist, aber Verstehen vielfach jenseits einer Wissensaneignung im Sinne eines Fachwissens angesiedelt wird. Dieses Fachwissen wird ebenfalls ausgetauscht und angeeignet, aber die Kommunikation deutet auf das Verstehen und die Aushandlung spezifischer Selbstverständnisse und Sinnstiftungsprozesse hin, wodurch der Rekurs auf Wissen nicht überflüssig, aber als zentrale Bezugsgröße fragwürdig wird. Die Selbstbeschreibungen der Sammler/-innen zeigen die Identifikation mit dem Sammeln. Die sichtbar werdende Wertschätzung der Sammeltätigkeit und der Objekte in den Sammelgebieten legen deutliche Identitätsbezüge des Menschen frei. Nicht nur die finanzielle, sondern vor allem die persönliche Wertschätzung spiegelt wider, dass Menschen sich an Objekte binden und sich über diese identifizieren. In Anlehnung an Knorr Cetina (vgl. Knorr Cetina 1998) lässt sich das Sammeln als eine Objektbindung interpretieren, die in einer sich ausdifferenzierenden immateriellen Welt eine gewisse Statik bietet. Die Kommunikation über die Tätigkeit dient der Reflexion und legt eine biografische Komponente des Sammelns frei, wie sie in soziologischen Überlegungen zum Sammeln bereits angedacht wurde (vgl. Hahn 1984). Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass niemals ein völliges Durchdringen der Sammler/-innen hinsichtlich ihres Umgangs mit Wissen erfolgen kann, sich aber vielfältige Erkenntnisse über das Wissen von Sammler/-innen und ihren Umgang mit Wissen erzielen lassen.

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Vor dem Hintergrund einer Ergründung möglicher Formen des Pädagogischen in einem lebensweltlichen Kontext, zeigt die vorliegende Studie Formen des Pädagogischen auf, deren Zusammenhang einem Rhizom entspricht (vgl. Lüders 1994). Der Begriff des Rhizoms deutet die Ausdehnung und Veränderlichkeit des Pädagogischen an. Die Analyse der sozialen Sammelwelten, in der die Vermittlung von Wissen in hybrid-uneindeutigen bzw. medial-extensiven Settings (vgl. Kade/Seitter 2007, 2007a) nicht zwingend im Zentrum der Kommunikationsbemühungen steht, hat gezeigt, dass organisierte Formen der Erwachsenenbildung nicht als die exponierten Orte der Bildung Erwachsener begriffen werden können. Bildungs- und Lernprozesse von Erwachsenen sind in vielfältigen Lebensräumen verankert. Die Erhellung dieser Räume liefert der pädagogischen Disziplin daher Ansatzpunkte, sich mit einer – hinsichtlich der Kreation von Sinnwelten, Lebens- und Problemlösungsstilen – pluralen Gesellschaft auseinander zu setzen. Erziehungswissenschaftliche Forschung und Theorie gewinnen damit Erkenntnisse über Prozesse der Identitätsbildung, des Lernens und der Bildung von Erwachsenen, die in erziehungswissenschaftliche Reflexion, Theoriebildung und pädagogisches Handeln rückgebunden werden können. Selbstverständlichkeitsverluste der Pädagogik, wie sie das Konzept der Entgrenzung (vgl. Kade 1997) und eine Universalisierung des Pädagogischen (vgl. ebd. 1989) diagnostizieren, müssen auch im Hinblick auf Restrukturierungen der Disziplin überprüft werden. Es ist weiterhin die Frage zu stellen, welche Unterschiede zwischen Bildungsinstitutionen und beiläufigen Bildungsorten hinsichtlich der Institutionalisierung von Wissen auf kommunikativer Basis bestehen. In den möglichen Schnittbereichen dieser Differenzen ergibt sich ein für die Pädagogik fruchtbares Feld. Die Analyse der Kommunikation über das Sammeln spiegelt wider, dass jenseits institutioneller (Erwachsenen-)Bildungsorte Akteure in vielfältig gelagerte Kommunikationsprozesse eintreten, sich zu einer Kommunikationsgemeinschaft formieren, Wissen erwerben und mit diesem Wissen umgehen. Die auch von älteren pädagogischen Theorien vertretene These, dass Pädagogisches in vielfältige Lebenszusammenhänge eingewoben ist, lässt sich hiernach stützen (vgl. z.B. Petzelt 1947). Der untersuchte Umgang mit Wissen zeigt die Ausbildung sozialer Institutionalisierungen auf Basis von Kommunikation, die für einen Wissensreichtum in Lebenswelten sprechen. Ersichtlich wird, dass zwischen einem von der Erziehungswissenschaft oftmals bemühten und als Referenz genutzten Konstrukt Wissensgesellschaft und einem weit verbreiteten Phänomen wie dem des Sammelns als Tätigkeit des Wissensumgangs und der Wissensfortbildung ein Missverhältnis existiert. Das Wissen, welches in sozialen Welten kursiert, divergiert mit den Ansprüchen und Vorstellungen einer abstrakten Wissensgesell-

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schaft, in welcher oftmals unklar bleibt, wer bestimmt, was (relevantes) Wissen ist. In sozialen Welten kursiert ein Wissen, welches sich durch Austauschs- und Sicherungsmechanismen verstetigt und weiterentwickelt. Durch die Analyse von Kommunikation konnte das spezifische Wissen über Sammeln als Fachwissen ausgewiesen werden, welches notwendig ist, um im jeweiligen Sammelgebiet erfolgreich sammeln zu können. Das Fachwissen bleibt auf das jeweilige Sammelgebiet beschränkt. Zugleich ist ein Basiswissen über Sammeln inkludiert. Sammler/-innen operieren demnach mit einem bestimmten Wissen und produzieren durch Kommunikation (manchmal einen zutiefst eigenen) Sinn für ihre Sammler/-innentätigkeit. Die Konservierung der Alltagskultur durch das Sammeln und in den Sammlungen formiert ein soziokulturelles Gedächtnis, in dem durch Gegenstände Erinnerungen und Geschichte(n) für die Nachwelt aufbewahrt werden (vgl. Halbwachs 1967). Diese Ergebnisse beleuchten die Relevanz von Gegenständen für die menschliche Existenz und für menschliches Handeln (vgl. Kaufmann 1999), die beim Sammeln eine besondere Beachtung erfährt. Beim Sammeln wird die Dichotomie zwischen Alltagsgebrauch und Anschauungsobjekt durch das Verweben des Sammelns in den Alltag und den häuslichen Kosmos aufgebrochen. Auch wenn die Gegenstände nicht mehr zwangsläufig Teil des Gebrauchs sind, so umgeben sie die Sammler/-innen in seinem alltäglichen Dasein. Das Sammeln stellt sich als ein höchst individuelles Tun mit eigenem Rhythmus dar (vgl. Hahn 1984: 11), das durch die Kommunikation eine Auseinandersetzung mit bereits bestehenden und erzeugten Sinnbedeutungen erfährt. Diese ergeben sich einmal aus dem Alltagsumgang mit den Gegenständen, zum anderen aus den Sinnvorstellungen der Sammler/-innengemeinschaft (vgl. Hitzler 2006: 262). Sozio-kulturelle Welten sind nicht statisch, sie verändern sich durch und mit Kommunikation (vgl. Strauss 1991, 1993a), wobei Kommunikation in unterschiedlichen Räumen stattfindet. Die Kommunikation via Internet erweist sich als fortsetzungsfähig und zugleich als sehr beweglich. Somit ist das Pädagogische in diesen Welten auch nicht dauerhaft zu fixieren, sondern nur im flüchtigen Moment zu greifen. Es muss durch Kommunikation fort- und festgesetzt werden. Die Beschreibung solcher Kommunikation mithilfe des Konzepts pädagogischer Kommunikation erweist sich insofern als ertragreich, da mit diesem Konzept auch die Rahmenbedingungen von Kommunikation abgesteckt werden, um Pädagogisches verorten zu können. So wie sich Bildung nicht wahllos ansammelt, sondern im erweiterten Sinne gesammelt wird, kann auch Sammeln bilden. Eine Voraussetzung für Bildung ist das Schaffen von Möglichkeits- und Entfaltungsräumen.

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Das Mitdenken der Voraussetzungen von und für Bildung, wie es im Sinne pädagogischer Kommunikation erfolgt, verweist zudem auf die leiblichästhetische Komponente, wie sie als erweiterter erziehungswissenschaftlicher Bezugspunkt zur Analyse des Sammelns angemerkt wurde. Im Sammeln entfaltet sich ein Wissen, an dem mehrere Sinne beteiligt sind. Es tritt deutlich hervor, dass im lebensweltlich verankerten kommunikativen Austausch sowohl Sinnstiftungs- und Reflexionsprozesse als auch Urteils- und Kritikfähigkeit eingebunden sind. Sammeln ist folglich an Erkenntnisfunktionen gebunden, wie es Duncker bereits für das kindliche Sammeln darlegt (vgl. Duncker 1993: 116). Hörning sieht in der Wissensaneignung im Umgang mit Dingen, zu dem auch die Kommunikation darüber zählt, Sinneswahrnehmung und Erkenntnistätigkeit über den Gegenstand verknüpft, der als Werkzeug des Ausdrucks fungiert (vgl. Hörning 2001). Bildung wäre somit auch als Verständigung über die eigene Identität zu verstehen, wie es anhand eines kommunikativen sozialen Raums über Sammeln dargelegt werden konnte. Das Verstehen des sammlerischen Tuns erfordert die Entfaltung des Selbstverständnisses und die Selbstverständigung der Sammler/ -innen (vgl. Sommer 2002: 193). Die Sammler/-innenexistenz lässt eine Objektgebundenheit transparent werden, die sich zu einer Erfahrung des eigenen Selbst zurückwendet und letzteres festigt (vgl. Lenzen 1985), was durchaus auch problematische, z.B. schrullige Züge annehmen kann. Durch das Sammeln von Objekten operiert der Mensch mit Realität, indem er Objekte bündelt, ordnet und Erfahrungen sowie Wissen gewinnt. Durch das Sammeln und die Kommunikation über die Tätigkeit weisen die Sammler/-innen auch aus ihrer Wirklichkeit hinaus, indem sie Wirklichkeit simulieren bzw. wie die Barbie-PuppenSammler/-innen Simulation simulieren (vgl. ebd.: 242ff.), die auf die – und ihre – Wirklichkeit zurückwirkt. In der Welt des Barbie-Sammelns eröffnet die ästhetische Lust an Kreativität einen Raum der Einbildungskraft und schafft einen Zugang zu neuen Welten. In diesen werden pragmatische Dominanzen der Lebensführung überwunden und unterschiedliche Wirklichkeitsvarianten eröffnet. Sowohl in theoretischen Überlegungen (vgl. Hahn 1984: 18f.; Hinske 1984: 41ff.) als auch durch die Betrachtung der Kommunikation unter Sammler/-innen lässt sich die These bekräftigen, dass im Sammeln ein spielerischer Zug enthalten ist. Im Sammeln können sich Menschen ausleben, Wirklichkeiten erzeugen (wie beispielsweise bei der Kreation von Einzelstücken durch die Barbie-Sammler/ -innen) bzw. Wirklichkeit ordnen oder aber auch andere Ordnungen ablehnen. In der Kommunikation sind die einzelnen Sammler/-innen dann wieder auf andere bezogen bzw. beziehen sich auf andere. Die kommunikative Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit kann als eine kulturelle Tätigkeit aufgegriffen werden, in

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der jene aufgenommen und verarbeitet wird. Somit kann die Kultur der Erwachsenenwelt als ein zentrales Anliegen pädagogischer Überlegungen angesehen werden. Wie die Ergebnisse zeigen, werden bildende Prozesse an verschiedenen Orten und durch zahlreiche Beschäftigungen ausgelöst, gefördert oder auch durch soziale Prozesse und Determinationen verhindert. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert avancierte das Internet deutlich zum neuen Medium der Massen. Hiermit einher geht auch die These, dass der passive Massenmedienkonsum der Individuen durch eine aktive Nutzung und Gestaltung des Mediums Internet abgelöst wird (vgl. Wehner 1997). Daher ist neben der Frage nach der Notwendigkeit von Medienkompetenz (vgl. Baacke 1996) auch die Feldforschung über pädagogische Elemente und Inhalte des Mediums Internet erforderlich. Das Sammeln trivialer Objekte als eine Aktivität des kommunikativen Wissensumgangs zu untersuchen stellt ein Novum in der erziehungswissenschaftlichen Forschung dar. Die analysierte Kommunikation hat Rückschlüsse auf die Entstehung und Etablierung sozio-kultureller Welten und damit einhergehenden Wissensumgang zugelassen und das Sammeln als eine produktive Tätigkeit bestätigt. Hinsichtlich pädagogischer Intentionalität konnte gezeigt werden, dass diese in Wissenskommunikation oftmals relevant wird und Möglichkeiten des Ein- und Aufschlusses, aber auch des Ausschlusses von Kommunikationsteilnehmer/-innen nach sich ziehen kann. Jedoch ist festzuhalten, dass die Ergebnisse, die aus der Erforschung eines Untersuchungsfelds resultieren, immer aus einer spezifischen Perspektive entwickelt werden. Gelenkte oder zufällig entstehende Manipulationen oder Fehlbeobachtungen sowie unterschiedliche Schlussfolgerungen aus den zusammengetragenen Materialien sind nie auszuschließen. Theoretische Positionen fordern daher zurecht, die durch Forschung erhobenen Daten und die daraus abgeleiteten Ergebnisse in einem weiteren Untersuchungsschritt auf ihre Gültigkeit hin zu befragen: Einige Forscher/-innen schlagen im Forschungsprozess den Weg der Dekonstruktion (vgl. Derrida 2004) ein, mit deren Hilfe Äußerungen über Realität durch die Forschenden in Frage gestellt werden sollen und die Forschenden als Beobachter und Perspektivengeber im Forschungsfeld in ihrer Ausrichtung befragt werden, um ihre Schlussfolgerungen in ihrer Konstruktion zu dekonstruieren. Diese Arbeit folgte der Annahme, dass Wirklichkeit immer erst durch Kommunikation bzw. Interaktion hergestellt wird und somit Realität nur in ihren partikulären, zeitlichen, sozialen und inhaltlichen Momenten analysiert werden kann. Sie hat Wirklichkeit und Forschung als einen wechselseitigen Prozess verstanden. Der Schwerpunkt lag auf der Ermittlung der sozialen Akteure, die Wirklichkeit erzeugen und nicht primär auf der davon isolierbaren Wirklichkeit (vgl. Angrosino 2007: 36). Mit Sprache wird Wirklichkeit geschaffen und trotz

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des Versuches, in wissenschaftlicher Arbeit sprachliche Präzision herzustellen, bleibt (auch die wissenschaftliche) Welt immer nur vermittelt. Auch der Sammler Stephan Walther hat sich in einem der Interviews hierzu geäußert, wenn er auf die Gefahr von Fehldeutungen in Forschung hindeutet: »Ich sagte das eben mit dem Reininterpretieren. Man interpretiert manche Sachen aus […] seiner Lebensweise in andere Leute hinein und das ist unzulässig. Das dann verallgemeinernd für eine wissenschaftliche Arbeit als Fakt zu präsentieren« (Interview mit Stephan Walther: 760-764).

Denn auch Forschende können Kommunikation missverstehen und dadurch Interpretationen entwickeln, die nicht das abbilden, was Sammler/-innen durch ihre Kommunikation sagen möchten. Als ein zentraler Kritikpunkt am Konzept pädagogischer Kommunikation ist die fehlende Beschäftigung mit der gleichermaßen kritischen wie theoretisch fundierten Auseinandersetzung zwischen Niklas Luhmann, Karl Eberhard Schorr und beispielsweise Dietrich Benner, Jürgen Oelkers oder Heinz-Jürgen Tenorth zu nennen, welche bereits seit Ende der 1970er Jahre geführt wurde (vgl. Benner 1979; Luhmann 1987; Luhmann/Schorr 1987; Oelkers 1987; Oelkers/Tenorth 1987). Durch den Rekurs auf die zeitdiagnostischen Topoi Wissensgesellschaft und Universalisierung des Pädagogischen sowie die damit einhergehenden Implikationen (vgl. Kade/Seitter 2007f) löst sich zwar ein – institutionell weiterhin gefasstes – Bildungsverständnis nicht auf. Jedoch setzt sich das Konzept deutlich von diesem ab und ignoriert die geführte Debatte zu Technologiedefiziten und Vermittlungsschwierigkeiten der Pädagogik. Bliebe das Konzept pädagogischer Kommunikation in einer zeitdiagnostischen Funktion mit geringer bis mittlerer Reichweite, könnte sich seine Problematisierung erübrigen. Die Ignoranz gegenüber grundlegenden Fragen eines Verständnisses allgemeiner Erziehungswissenschaft und im Speziellen von Erwachsenenbildung machen aber deutlich, dass eine solche Auseinandersetzung geführt werden sollte, wenn Zeitdiagnosen kein Davor kennen und ein mögliches Danach erzeugen, welches sich von einer wissenschaftlichen Historizität vollständig distanziert und Wissensgesellschaft zu einem Faktum erhebt (vgl. Ruhloff 2007). Die vorliegende Studie war dementsprechend – in Anlehnung an das ebenfalls von Stephan Walther stammende Eingangszitat dieses Kapitels eine Idee, das Phänomen des Sammelns als ein Feld des Wissensumgangs herauszuarbeiten und Spuren von pädagogischer Intentionalität auf Basis sozialer Institutionalisierungen von Wissen nachzuzeichnen, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichsam eingeschlossen sind. Es ließen sich insbesondere Ambivalenzen

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eines weiten pädagogischen Verständnisses aufzeigen. Die herausgestellten Anschlüsse für pädagogische Kommunikation haben spezifische Verstehensmomente nachgezeichnet, die sich in der Kommunikation von Menschen entwickeln können. Ein allgemeineres Verstehen ist hiermit jedoch nicht zu erschließen (vgl. Oelkers 1986). Es ist kritisch zu fragen, ob durch eine angenommene Universalisierung des Pädagogischen und die dadurch entstehende Pluralität der Bildungsorte nicht ein Verständnis von Bildung transportiert wird, was eher einem Splitter als einem starken Fundament gleicht, für das sich Pädagogik einzusetzen sucht. Daher ist die Bedeutung von und der Umgang mit Wissen in Lebenswelten herauszustellen, wenngleich nicht alle Orte notwendigerweise immer zugleich Bildungsorte sind, die die Pädagogik bestimmen (vgl. Wittpoth 2003b). Für die Pädagogik ergibt sich die Aufgabe und die Herausforderung, sich mit lebensweltlichen Kontexten, in denen sich Menschen bewegen und mit Wissen umgehen, immer wieder vertraut zu machen und die Bedeutung dieser Kontexte für pädagogische Fragestellungen zu ergründen. Mit der von Niklas Luhmann entfalteten Systemtheorie bieten sich für die Pädagogik interessante Aufschlussmöglichkeiten, die eigene Disziplin auf ihre Legitimierungs- und Geltungsansprüche hin zu befragen und sich eingehender mit diesen auseinanderzusetzen. Das bloße Herstellen einer Funktionalität von Pädagogik wird längerfristig gesehen jedoch kein theoretisch fundiertes sowie angemessenes Bildungsverständnis gewinnen lassen, welches der Erziehungswissenschaft in ihrer Trag- und Reichweite als zentrale Human- oder Kulturwissenschaft und ihrer praktischen Ausrichtung in sozialen Feldern Rechnung trägt.

Anhang

F RAGELEITFADEN Einleitung Erzählstimulus: Sie haben mir gerade ihre Sammlung gezeigt … Individuelle Ebene • Vorstellung/Einführung in das Thema • Schlüsselerlebnis (welches als Auslöser für die Aufnahme der Sammeltätigkeit gelten kann) Erzählen Sie mir, wann und wie Sie zum Sammeln gekommen sind? • Erlebnis/Anlass/Ereignis • Sammelgebiet/Erstes Sammelobjekt • Zeitpunkt/Dauer Persönlicher Stellenwert/Bedeutung/Relevanz des Sammelns im Leben; Motive des Sammelns; gesellschaftliche Relevanz des Sammelns Wie wichtig ist Ihnen das Sammeln? • Einfluss auf Leben/auf Sie • beruflich/privat? • Verbindet sich ihr privates Leben mit dem Sammeln? • Verschieben Sie z.B. Termine, um sammeln zu können? Wie viel Zeit verbringen Sie mit dem Sammeln? • (Zeitaufwand, Ambivalenz); • Hätten Sie gerne mehr Zeit für das Sammeln?

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Wenn Sie einer Kritikerin/einem Kritiker begegnen, die/der dem Sammeln nichts abgewinnen kann, was erwidern Sie? Was muss ich wissen, um sammeln zu können? • Wissen über das Sammeln? • Kennzeichen des Sammelns • Spezielles Sammelgebiet • Expert/-innenstatus • Regelungen, die das eigene Sammeln begleiten • allgemeines Wissen über das Thema Sammeln • spezifisches Wissen im Sammelgebiet • Fachsprache Was sammeln Sie genau? Warum sammeln Sie X? Was reizt Sie gerade an Ihrem Sammelgebiet? Erzählen Sie mir, was ich wissen muss, um X sammeln zu können? • Wissen über Sammelgebiet, z.B. Preisbildung bei Objekten; • Kennzeichen des Sammelgebietes; Wichtiges im Sammelgebiet Beschreiben Sie Begriffe, Vorgehensweisen o.ä. die in ihrem Sammelgebiet wichtig sind? • Bedeutung der Begrifflichkeiten Welche Spezialisierungen gibt es in ihrem Sammelgebiet? Erzählen Sie mir etwas zur Geschichte Ihres Sammelgebietes? • Suche nach Sammelobjekten • Dinglichkeit des Sammelns • Ausübung von sammelspezifischen Tätigkeiten • Umgang mit Objekten Beschreiben Sie mir einen typischen Sammler/-innentag? • Wie sieht das Sammeln so in ihrem Alltag aus? • Was machen Sie da genau?

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Wie organisieren Sie ihren Sammler/-innenalltag? • Suchen und Finden des Objekts • Strukturierung des Sammelns (Tätigkeiten/Was gehört alles zum Sammeln von X? Was machen Sie mit ihren Objekten? Wie gehen Sie mit ihren Objekten um? • Entwicklung anderer Tätigkeiten aus dem Sammeln heraus • Wie gehen Sie mit den Objekten um? • Benutzen Sie die Objekte auch? Wie ist das, wenn Sie neue Sachen herstellen? • Bedeutung der (emotionalen) Interaktion mit dem Objekt • Stolz • Wirkmächtigkeit Wie organisieren Sie Ihre Sammlung? • Sortieren Sie Ihre Sammlung nach einem bestimmten System? • Erstellen Sie zu Ihrer Sammlung beispielsweise Übersichtskataloge oder andere Materialien? • Wie groß ist ihre Sammlung? (Differenz Haben – Besitzen) • Stolz der Sammlung • Präsentation der Sammlung/Visualität des Sammelns • Selbstpräsentation Was präsentieren Sie in Ihrer Sammlung? Wie präsentieren Sie ihre Sammlung? Was macht die Präsentation aus? Welche Tätigkeiten sind mit der Präsentation verbunden? Welches Wissen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten benötigen Sie, um Ihre Sammlung zu präsentieren? Wie wichtig ist Ihnen die Präsentation der Sammlung? • private Räume/besonderer Raum in der Öffentlichkeit (wenn ja, wo?) • im Internet, Museum etc. • Wichtigkeit, Sammlung zu präsentieren: Was würden Sie beispielsweise machen, wenn ein Museum ihre Sammlung ausstellen möchte?

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Wem zeigen Sie Ihre Sammlung? Welche Maßnahmen wenden Sie an, um ihre Sammlung zu schützen? • Fragen zum Umgang mit Wissen/Nicht-Wissen • Informations- und Materialquellen über das Sammelgebiet • Fülle der Medien, die das Sammeln unterstützen und ihrer Relevanz Woher nehmen Sie Ihr Wissen? Lesen Sie spezifische Literatur zu Ihrem Sammelgebiet? Nutzen Sie Medien wie beispielsweise das Internet? • Wer bestimmt, was in ihrem Sammelgebiet wichtig ist? (z.B. echt – unecht) Was machen Sie, wenn Sie mit ihrem Wissen nicht mehr weiterkommen? Wo bekommen Sie weitere Informationen her? • z.B. Reparatur, technische Realisierung von etwas? Kollektive Ebene Frage zu den Orten und der Gemeinschaft, an denen und in der das Sammeln stattfindet; Frage über die Kommunikation, die bei beim Sammeln stattfindet; Organisation der Sammler/-innengemeinschaft und Organisationsform der Kommunikation; Größe der Sammler/-innengemeinde, um Breite des Sammelgebietes zu erfassen; spezifische Regelungen der Gemeinschaft; Umgang mit Wissen Welche Kontakte haben Sie zu anderen Sammler/-innen? • Tauschen Sie sich mit anderen Sammler/-innen über das Sammeln aus? Wie läuft das ab? • Wie kam es zum Kontakt mit den anderen Sammler/-innen? Welche Personen sind besonders wichtig für Ihr Sammelgebiet? Warum? • Wer sind diese anderen Ansprechpartner/-innen/Sammler/-innen? Freund/-innen/Bekannte/Familie/Fremde? Gibt es einen Unterschied zwischen »professionellen Sammler/ -innen« und denen, die vorrangig kein Geld mit dem Sammeln Geld verdienen? Erklären Sie ihn? • Sammler/-innentypen • Expert/-innen in einem bestimmten Gebiet

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Wie sieht es denn mit Konkurrenz/Wettbewerb zwischen den Sammler/-innen aus? • Lose Beziehungen – feste Gruppen? • Voraussetzungen, um an der Gruppe/Kommunikation teilzunehmen? • Ist das mehr als nur eine Interessengemeinschaft? Darf jeder mitmachen? Was macht die Gemeinschaft aus? Wo tauschen Sie sich mit anderen Sammler/-innen aus? Warum ist der Ort, an dem sie sich mit anderen Sammler/-innen treffen, wichtig für Sie? • Börsen, Flohmarkt, Messen, Sammler/-innentreffen, Internet, privat Wie ist der Austausch organisiert? • privat/Verein/Mitgliedschaft Sie haben doch sicherlich bestimmte Regeln? Erzählen Sie mir darüber etwas? Worüber sprechen Sie bei den Treffen? Wie viele Sammler/-innen gibt es in ihrem Sammelgebiet? • Kontakt mit anderen Sammler/-innen: Häufigkeit • Erfahrungs-, Erlebnis-, Erkenntnisgewinn • Aktivität als Sammler/-in (z.B. Bücher schreiben) • Organisation • Wissensvermittlung Organisieren Sie etwas im Sammelgebiet? • Was machen Sie als Sammler/-in außer dem Sammeln noch so? • Ansprache von anderen Sammler/-innen Welche Entwicklungen/Veränderungen gibt es in Ihrem im Sammelgebiet? Wie hat sich Ihr Sammeln im Laufe der Zeit entwickelt? Gibt es ein einschneidendes Erlebnis, durch das sich ihr Sammeln verändert hat? Gibt es Trends im Sammelgebiet? Welche Sammelobjekte des Gebietes sind gerade in und welche out? • beispielsweise durch Medien? • Entwicklung/Veränderung des Sammelns im Laufe der Sammler/-innentätigkeit; Moden/Trends Kann mit dem Wissen um das Sammeln Geld verdienen?

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Tauschen oder verkaufen Sie bestimmte Dinge auch wieder? Mit wem reden Sie über das Sammeln? Wie (emp)finden Familie, Partner/-innen, Freund/-innen, Bekannte, Kolleg/-innen o.ä. ihr Sammeln? Gibt es Personen, die nicht wissen, dass Sie sammeln? Was denken Nicht-Sammler/-innen über Sammler/ -innen? Stimmt das von Medien vermittelte Bild mit der Sammler/-innenrealität überein? Welche Bedeutung hat das Sammeln für die Gesellschaft? • Akzeptanz des Sammelns im persönlichem Umfeld/innerhalb der Gesellschaft • Akzeptanz seitens der Familie, Freund/-innen, Bekannte, Kolleg/-innen • Aufnahme des Sammelns in Gesellschaft Denken Sie, dass das Sammeln vom Alter oder den finanziellen Voraussetzungen abhängt? Wie wäre es, wenn Sie mehr Zeit oder Geld hätten, würden Sie dann mehr sammeln? • Grenzen des Sammelns in ökonomischer; zeitlicher; sozialer Hinsicht • Umgang mit Grenzen Halten Sie Gedanken zum Sammeln in irgendeiner Form (Tagebuch o.ä.) fest? Haben Sie einen bestimmten Wunsch oder ein bestimmtes Sammlungsziel? Haben Sie schon einmal etwas anderes gesammelt? Was soll mit ihrer Sammlung in der Zukunft, beispielsweise nach ihrem Ableben geschehen? • Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft: beispielsweise, wenn Sie keine Lust mehr hätten, zu sammeln oder tot sind Abschluss Welche Frage hätten Sie denn gestellt? Möchten Sie abschließend noch etwas sagen? Vielen Dank für das Interview!

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T HEMENAUFLISTUNG DER I NTERNETFOREN

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UNTERSUCHTEN

Die Systematisierung des Materials entspricht der Übersicht der Eingangsseite der jeweiligen Foren. Sie setzt sich zusammen aus einem alpha-nummerischen Code: beispielsweise bezeichnet FAa00 (00 entspricht der jeweiligen Beitragsnummer) dementsprechend einen Beitrag aus der Kategorie »Füllfederhaltermarke Allgemein«. a. Füllfederhalter-Internetforum Datensätze bis 22.08.2011 FA Name der Füllfederhaltermarke a Füllfederhaltermarke Allgemein b Limited Editions c Fälschungen erkennen d Vintage Pens / Alte Schreibgeräte FB Allgemeine Fragen zu Schreibgeräten a Lagerung und Pflege von Schreibgeräten b Tinte c Füllhalter-Federn FC Weitere Schreibgeräte-Hersteller a sonstige Hersteller b Vintage Pens / Alte Schreibgeräte FD Sonstiges a Pressespiegel – Füllfederhaltermarke in der Presse b Sonstiges FE Sammlertreffen a Stammtische b Börsen FF Suche / Biete / Tausche a Suche b Biete c Tausche

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FG Regeln / Rules1 a Welche Regeln muss ich als Autor beachten?

b. Barbie-Puppen-Internetforum Datensätze bis 28.09.2007 BA Barbies a Vintage Barbies / Alte Barbies Das Diskussionsforum zu allen Bereichen der Vintage Barbies b OOAK Creative Eigenkreationen vorstellen und diskutieren c Neue Barbies / Newer Barbies Alles zu aktuellen Barbies d Collector Dolls Diskussionen rund um Collector Dolls e Identifizierung meiner Barbie Welche Barbie besitze ich? BB Veranstaltungen a Barbie Börsen/Conventions Termine, Ankündigungen und Berichte, einfach alles zu Conventions b Andere Veranstaltungen / exhibits and else Ausstellungen und weitere Veranstaltungen rund um Barbie BC Bild Lilli a Bild Lilli Die Bild Lilli als Ursprung der Barbie BD Buy and Sell a Buy/Kaufen Wer etwas sucht der gibt hier sein Posting b Sell/Verkaufen Wer etwas zu verkaufen hat der postet hier BE Literatur a Bücher / Books Bücher, Kurzvorstellungen etc.

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b Magazine Hefte, Magazine etc. BF Links a andere/Other Wepages BG Das neue Barbie-Puppen-Internetforum a Willkommen im neuen Forum Hier findet ihr näheres zu unserem neuen Forum Anregungen und Kritik gehören hier ebenfalls hinein b Allgemeine Infos und Fragen Infos und Fragen die alle Barbie und Lilli Fans interessieren können Barbie-Puppen-Internetforum Datensätze ab 01.10.2009 BN a Dein Barbie-Puppen-Internetforum Neuigkeiten, Ankündigungen, Lob, Kritik, Fragen, Hilfe und Anregungen b Impressum Rechtliche Informationen zum Seitenbetreiber, zu Datenschutz, Haftung und Urheberrechten BNA Barbie durch die Zeit [Barbie through the decades] a Vintage-Ära 1959-1966 b Mod-Ära 1967-1976 c Superstar-Ära I 1977-1991 d Superstar-Ära II 1992-1998 »Fashion-Avenue-Ära« e Sammler-Barbies [Collector Barbie Dolls] f Barbie-Filme / Barbie im Film [Barbie in the movie] g Rund um Barbie [Barbie world] Infos und Fragen zu allen Themen rund um Barbie, die in keine Kategorie passen BNB Andere Modepuppen [other fashion dolls] a Bild-Lilli Werbe-Ikone und Ursprung der Barbie b Fashion Royalty & Jason-Wu-Puppen

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Hier ist das Integrity-Toys-Revier: Dynamite Girls, NuFace, Poppy Parker etc. c My Scene, Bratz & Monster High d Petra, Karina & Steffi Love e Disney- & Zeichentrick-Puppen [Dolls from animated films] f Verschiedene BNC Lexikon a Fachbegriffe Lexikon für typische Begriffe rund um Barbie und das Sammeln von Barbies b Bücher & Magazine [books and magazines] Kurzvorstellungen, Rezensionen, Nachschlagewerke etc. c Online-Quellen Homepages, Websites, Links etc. d Werkstatt [tool box] Reroots, Repaints, Reparaturen, Ausbesserungsarbeiten etc. e Identifizierung meiner Puppen und Zubehör Hier erhältst Du Hilfe bei der Zuordnung Deiner Flohmarktfunde und Neuerwerbungen. BND Sammlerwelt [collector’s world] a Veranstaltungen [events] Termine, Ankündigungen und Berichte zu Conventions, Börsen, Ausstellungen und Sammlertreffen b Alles rund ums Sammeln [how to collect] Wie bewahre ich meine Sammlung auf? Wo komme ich an neue Stücke? Welche Schwierigkeiten gibt es bei Bestellungen im Ausland? etc. c Sammler-Museum [collector’s showroom] Mitglieder zeigen ihre Sammlung d OOAK [one of a kind’s] Eigenkreationen vorstellen und diskutieren e Mitgliedervorstellung Bitte pro Benutzer einen eigenen Thread erstellen. Threads werden automatisch nach sechs Monaten gelöscht, um Platz zu schaffen. Dauerhafte Infos bitte ins eigene Profil übernehmen!

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BNE Marktplatz a Angebote [Sell] Bitte keine (!) Hinweise auf eigene laufende Ebay-Auktionen! Verkaufsangebote dürfen nicht gegen Höchstgebot abgegeben werden. Nur eine konkrete Preisangabe oder auf VB ist zulässig. b Gesuche [Buy] Bitte möglichst Fotos oder Links vom gesuchten Artikel einfügen. Nicht jeder kennt alle Namen oder kann sich unter der Beschreibung etwas vorstellen. c Bezugsquellen Wo gibt es...? Ist ... schon erhältlich? Welcher Laden hat Aktionen? Welche US-Läden sind empfehlenswert? (Bitte keine Hinweise auf einschlägige deutsche Barbie-Händler und Ebay-Verkäufer!) d Auktionen Diskussionen rund um seltsame, merkwürdige, lustige oder bemerkenswerte Puppen-Auktionen --- Bitte KEINE Werbung für eigene oder fremde Auktionen!!!

BNF Dies & Das a Sofaecke Plaudereien über Gott und die Welt – Hausputz spätestens alle drei Monate b Mediathek Austausch für Leseratten, Filmfreaks und TV-Junkies c Such & Find Kleiner Marktplatz für die Dinge des täglichen Lebens d Rat & Tat Hilfegesuche auf privater Basis – Rechtshinweis: Dieses Forum bietet keine Rechtsberatung und ersetzt diese auch nicht. Ratschläge werden nach gesundem Menschenverstand und bestem Ermessen gegeben und beziehen sich lediglich auf persönliche Erfahrungen.

c. Briefmarken-Internetforum Datensätze ab 01.10.2009 BRA User hilft User (Briefmarken, Stempel und mehr) a Identifizierung und Wertbestimmung von Briefmarken Erkundigen Sie sich hier nach den ungefähren Handelswert von Briefmarken oder lassen Sie diese von Experten identifizieren.

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b Stempelanalytik Hier werden Stempel analysiert und über die Ursachen diskutiert. c Inhaltsdeutung von Briefen Hier werden schwer leserliche Schriften und fremde Sprachen entschlüsselt, um Briefinhalte deutlich zu machen. BRB Community a Support / Lob & Kritik Fehler, Fragen & Anregungen können Sie hier ebenfalls posten. Inklusive: FAQ / Hilfe, Philaarchiv – Briefmarkenverwaltungsprogramm b Allgemeines Forum – Café Hier können sich neue Mitglieder vorstellen, über Probleme diskutiert werden und sonstiges was den Zusammenhalt untereinander stärkt. Inklusive: Testforum, Presseforum, Archiv & Mülleimer c Philatelie-News Aktuelle News aus der Philatelie-Szene. BRC Briefmarken a Foreign visitors The sub-forum for non-German speaking collectors. b Junge Briefmarkenfreunde unter sich Forum für junge Philatelisten. (Ziele, Aktivitäten, Termine, Projekte, etc.) c Briefmarken Allgemein Absolut keine Ahnung von...? Jeder Anfang ist schwer. Stellen Sie ihre Fragen hier. d Vorphilatelie Inklusive: Altdeutschland, Europa, Übersee e Deutschland Inklusive: Altdeutschland, Deutsches Reich bis 1944, DDR 1945-1990, Berlin 1945-1990, BRD ab 1945 f Österreich Inklusive: Österreich bis 1944, Österreich ab 1945, Personalisierte Marken g Schweiz Inklusive: Schweiz bis 1944, Schweiz ab 1945, Dienstmarken, Flugmarken und Portomarken, Internationale Ämter, Sonstige h Europa i International Inklusive: Vereinte Nationen, Afrika, Amerika, Asien, Australien, Ozean.& Antarktis

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j Motivmarken Inklusive: Architektur, Geschichte, Kunst & Kultur, Natur & Umwelt, Sport & Spiel, Verkehr & Transport, Walt Disney, Sonstige k Sonstige Briefmarken Inklusive: Abarten & Plattenfehler, Automatenbriefmarken, Bahnpost, Feldpost, Flugpost, Schiffspost, Zeppelin-Post, Sonstige, Ansichtskarten BRD Weitere Sammelgebiete a Sammelobjekte Inklusive: Münzen, Pins, Ü-Eier, Biertrucks, Bierdeckel, Telefonkarten, Sonstiges BRE Pinnwand a Marktplatz /Kleinanzeigen Inklusive: Tauschbasar, Ankauf, Verkauf, zu verschenken, Vertrauenswürdige Tauschpartner b Termine / Veranstaltungen Ausstellungen, Vereinstreffen, Sammlerbörsen, Tauschtage, etc. Inklusive: Flohmarkttermine / Trödelmarkttermine c Fälschungen klassischer Briefmarken Seit Briefmarken existieren gibt es Fälschungen aus aller Welt. Informationen, Bildmaterial und Fragen... d Pflege, Reinigung, sowie Aufbewahrung e FAQ / Lexikon / Philatelie Geschichte Umfassendes Philatelie-/Briefmarkenlexikon mit erläuterten Fachbegriffen. Füllen Sie es mit Ihrem wissen. BRF Arbeitsgemeinschaften und Vereinsinterne Foren a Frau und Philatelie Inklusive: Verein »Frau und Philatelie« intern b Phila-DB Inklusive: Phila-DB intern c ArGe Danzig d ArGe DDR-Spezial Forschungsgruppe »DDR-Plattenfehler« Inklusive: ArGe »DDR-Spezial« intern e ArGe Französische Zone Plattenfehler Inklusive: ArGe »Französische Zone Plattenfehler« intern

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BRG Sonstiges a Internet-Auktionen Immer mal wieder gibt es Auktionsangebote bei ebay, Delcampe und Co., worüber es sich lohnt zu diskutieren. b Empfehlenswerte (online-) Händler / Vereine Hier können Sie empfehlenswerte Online-Händler oder Vereine vorschlagen, bei denen man bedenkenlos Briefmarken kaufen, bzw. eintreten kann. c Literatur Alle Informationen zur philatelistischen Literatur. d Interessante Links Werben Sie hier für Ihre private Homepage.

Glossar Allgemeines Mint-Condition (Mint-Zustand): Sammelobjekte in einwandfreiem Zustand

Das Sammelgebiet Füllfederhalter Agatha Christie Füllfederhalter: Füllfederhalter aus der Writers Edition Black Widow Skelater: Füller aus der limitierten Skeleton Edition Blanc: Abkürzung für Montblanc Limited Edition (=LE): limitierte Edition, beispielsweise Writers Edition, Artisan Edition, UNICEF Edition MB: Abkürzung für Montblanc MB 145 Chopin Füllfederhalter: Hierbei handelt es sich um sogenanntes »Meisterstück« MB 146: Montblanc Kolbenfüller Meisterstück Starwalker Füllfederhalter: Füllfederhalter der Starwalker Rubber Line

Das Sammelgebiet Barbie-Puppen (vgl. hier auch Barbie 2000) Chrystal Rose: Barbie-Puppe aus der Fairytopia-Serie Collector Dolls/Collectibles: vom Hersteller Mattel vertriebene Puppen, die für den Sammlermarkt bestimmt sind Diorama: Schaukasten zur Präsentation detailreicher Szenen Display (siehe auch Diorama): 1. Schaustück; 2. Inszenierung einer Situation, in die die Puppe eingebunden wird Dooney&Bourke Barbie: spezielles Barbie-Modell Fairytopia: spezielle Barbie-Serie (Märchenmotive)

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Francie: Cousine von Barbie Ken: Barbies männliches Pendant Makeover: Als Makeover (Englisch für Umstyling, Verschönerung, grundlegende Veränderung) wird die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes einer Barbie-Puppe (z.B. Frisur, Haarfärbung, Bemalung, Kleidung oder Körper- und Kopfformen etc.) bezeichnet. Mackie-Barbie: Barbie-Puppe, die ein Outfit des amerikanischen Designers Bob Mackie trägt Midge: erste Freundin von Barbie Modern Trend (Mod/MT): spezielle Barbie-Collection NRFB (Never removed from Box): Das bedeutet, die Puppe wurde noch nie aus ihrer Verpackung genommen. OOAK Creative (One of a Kind): das Kreieren von Einzelstücken, bezogen auf Aussehen, Kleidung, Umgebung etc. OVP: originalverpackt Playline: Puppen, die vorrangig als Spielzeug gedacht sind Remove-Zit: spezielles Reinigungsmittel für Barbie-Puppen Shani-Körper: Barbie-Körper mit angewinkelten Armen Skater's Waltz: Kleidungsstücke einer Eistanz-Barbie Skipper: Barbies kleine Schwester Vintage: Unter dieser Bezeichnung fassen die Barbie-Sammler Puppen und Zubehör aus der »frühen« Barbie-Zeit auf (1959-1972) Talking Barbie: Barbie-Puppe mit Sprechmechanismus

Das Sammelgebiet Briefmarken (vgl. hier auch ergänzend Häger 1978) Abarten: Farbfehldrucke, Plattenfehler, Zähnungsfehler, Papierfehler, Stellung des Wasserzeichen, Auf- o. Überdruck Automatenmarke: Es handelt sich um ein > Postwertzeichen, das aus einem Briefmarken-Automaten stammt und mit durch die Käufer/-in frei wählbaren Portowerten beim Druck versehen wird. Beleg: Briefumschlag, Ansichtskarte, Telegramme, Ganzsache (GS), Streifbänder, Urkunden o.ä. mit abgestempelter Briefmarke Block: Kleiner > Briefmarkenbogen, der mit einem verzierten oder beschrifteten Rand versehen ist und einer oder mehreren unterschiedlichen Briefmarken versehen ist.

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Bogenplatz: Jeder Briefmarke auf einem Briefmarkenbogen kann ein bestimmter Bogenplatz zugesprochen werden, der sowohl für die Sammler/-innen und Postanstalten nach jeweils eigener Reihenfolge bestimmbar ist. In der Philatelie wird die einzelne Briefmarke waagrecht von oben links beginnend nach recht gezählt, die Postanstalten zählen die einzelnen Briefmarken in senkrechter Richtung von oben nach unten und von links nach rechts folgend. Briefmarkenbogen: Der Briefmarkenbogen (kurz Bogen) ist der Zusammendruck von mehreren Briefmarken mit demselben Motiv in einem tabellenartigen System. Die Zwischenräume zwischen den einzelnen Briefmarken sind gleich groß und lassen Platz für eine Perforierung oder einen Schnitt. Briefmarkentrennung: Hierunter werden die unterschiedlichen Möglichkeiten, Briefmarken aus ihrem > Bogen heraus zu trennen. Es wird zwischen > ungezähnten, > gezähnten und > durchstochenen > Briefmarkenbögen differenziert. Als es noch keine Zähnung gab, wurde die Marke a. d. Bogen heraus geschnitten. Nach Einführung der Zähnung durch »Abreißen« heraus getrennt. Buntfraktur: Mit mindestens drei Briefmarken verschiedener Wertstufen beziehungsweise Farben aus einem Satz freigemachte Postsendung. Cachet-Stempel: Bestätigungsstempel, die auf eine besondere Beförderungsart der Sendung (z.B. Luftpost) hinweist. Dauerbriefmarke: Über einen längeren Zeitraum unverändert herausgegebenes und bei Bedarf nachgedrucktes Postwertzeichen. Druckverfahren: Briefmarken werden in unterschiedlichen Druckverfahren hergestellt, z.B. Siebdruck, Tiefdruck, Flachdruck etc. Druckzufälligkeiten: Druckzufälligkeiten auf Briefmarken entstehen durch eine schmutzige Druckplatte oder dem Druckpapier (z. B. durch eine Falte) und sehen daher nie gleich aus. Sie lassen sich fast nie eindeutig einem bestimmten Platz auf dem Briefmarkenbogen zuordnen. Druckzufälligkeiten finden mit unter keinen Eingang in Briefmarkenkataloge. Durchstich: Trennung von Briefmarken durch Einschnitt des Papiers mit Messerklingen in geringen Abständen. Eckrandstück (auch als Bogenecke bezeichnet): Briefmarke aus einer Briefmarkenbogenecke mit anhängendem Bogenrand an zwei Seiten. Wird vorzugsweise bei gestempelten Briefmarken gesammelt, da die Gesamtgröße des Eckrandstückes den vollständigen Stempelabdruck gewährleistet. Ersttag: Der Ersttag bezeichnet den von der Postverwaltung festgelegten Termin, an dem eine Briefmarke als > Postwertzeichen erstmalig verwendet werden darf. Ein Verkauf der jeweiligen Briefmarke vor dem Ersttag ist

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nicht gestattet. Die meisten Briefmarken haben irgendwann einen letzten Gültigkeitstag, der in der Regel von der Postverwaltung festgesetzt wird. Jedoch können Währungsreformen oder Währungsumstellungen sowie politische Umbrüche zur Ungültigkeit von Briefmarken führen. Frankatur: Die Frankatur bezeichnet Aspekte des zwischen Auftraggeber und Beförderern bestehenden Beförderungsvertrags, wer z.B. die Kosten für die Beförderung einer Sendung trägt, wie lange die Sendung unterwegs sein wird etc. Ganzsache: Postamtlich verausgabte Briefumschläge, Postkarten, Kartenbriefe oder andere Postsendungsformen mit eingedrucktem Wertstempel in Höhe des erforderlichen Musters. Gelaufen: Beleg mit Briefmarke, der postalisch versendet wurde (vgl. auch > Beleg). Geschnittene Briefmarke: Als diese Briefmarken werden diejenigen Briefmarken bezeichnet, die ohne Perforation von der jeweiligen Postverwaltung ausgegeben werden. Lochung: Es gibt zwei Formen der Lochung von Briefmarken, stellenweise auch als Perfin (Abk. für Englisch Perforated Initials (gelochte Initialen)) bezeichnet: Amtliche Lochung durch Behörden und nicht-amtliche Lochung von beispielsweise Unternehmen. Die Lochung dient nicht der Entwertung der Briefmarke, sondern der Kenntlichmachung eines bestimmten Gebrauchs zu Dienstzwecken oder als Schutz vor Diebstahl. Gegenwärtig sind Lochungen von Briefmarken in den meisten Ländern – auch in Deutschland – nicht genehmigt. Lose: Lose bezeichnen die an ein Auktionshaus eingelieferten Briefmarken, Belege, Sammlungen oder Literatur. Diese werden oftmals von dortigen Expert/-innen vorsortiert, detailliert gesichtet und geprüft. Auf Basis dieser Expertise wird entschieden, wie die Briefmarken in Lose (manchmal auch als Lot oder Konvolut bezeichnet) aufgeteilt werden. Der Einlieferer hat Mitspracherecht und kann den Ausruf festlegen bzw. bestimmen. Markensets (früher auch Markenheftchen): In Heftform angebotene Anzahl von Briefmarken. Markensets bestehen entweder aus Dauer- oder Sonderbriefmarken, die entweder nass- oder selbstklebend sind. Mischfrankatur: Postsendung, die mit zwei oder mehr unterschiedlichen Briefmarken versehen ist. Ab drei Werten eines Satzes wird sie auch > Buntfrankatur genannt. Nennwert: Als Nennwert wird der auf einem Postwertzeichen aufgedruckte Betrag bezeichnet, der zur Freimachung einer Postsendung verwendet werden kann.

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Neuausgaben: Neue, von den Postanstalten herausgegebene Briefmarken, Blöcke oder Markensets. Philatelie: Das Wort Philatelie ist ein Kunstwort und setzt sich zusammen aus den Wörtern philos (Freund) und telos (ohne Ende). Es beschreibt in Bezug auf das Sammeln die Freude dessen, was nie endet. Als eine weitere Deutung ließe sich die Verknüpfung von philos und ateleia (Abgabenfreiheit) nennen, da gestempelte Briefmarken den Absender und Sender von weiteren Ausbzw. Abgaben befreit. Plattenfehler: Ein Plattenfehler bei Briefmarken bezeichnet einen Fehler auf der Druckplatte, die bei der jeweiligen Briefmarke eine sichtbare Abweichung von der originalen Marke bewirkt. Die Ursachen für einen Plattenfehler können z.B. bei der Herstellung oder der Montage der Druckplatten entstehen oder durch Abnutzung/Verschleiß. Entgegen zu > Druckzufälligkeiten sieht ein Plattenfehler immer gleich aus, kann größtenteils zugeordnet werden und findet oftmals Erwähnung im Katalog. Porto: Entgelt für den Postsendungstransport. Vor der Briefmarkeneinführung wurde unter Porto die von Empfänger/-innen zu entrichtende Gebühr verstanden. Postfrische Marke: Briefmarke mit Originalgummi, ungestempelt und ohne jegliche Beschädigung oder Verschmutzung. Postwertzeichen: Offizieller Begriff für Briefmarken, die von einer staatlichen Stelle – gegenwärtig vom Bundesministerium der Finanzen – herausgegeben werden und als Quittungen für einen vorher bezahlten Transport einer Sendung dienen. Postwertzeichen selbstklebend: selbstklebende Briefmarke Postwertzeichen nassklebend: Briefmarke mit aufgetragener Gummimischung auf der Rückseite, die durch Feuchtigkeitszugabe klebt. Rollenmarke: Briefmarke, die von einer Markenrolle stammt. Jede fünfte Rollenmarke ist auf der Rückseite in abfallender Reihenfolge nummeriert, so dass die Schaltermitarbeiter/-innen wissen, wie viele Marken sich noch jeweils auf der Rolle befinden. Sonderpostamt/Sonderschalter: Extra eingerichteter Postschalter als Sonderpostamt der jeweiligen Postanstalten zum Entwerten von Briefen o.ä., oftmals einhergehend mit der Vergabe eines spezifischen > Sonderstempels. Sonderstempel/Erinnerungsstempel: Extra aufgelegter Poststempel zur Entwertung von Briefen o.ä. anlässlich bestimmter Ereignisse oder Anlässe. Der Sonderstempel dient als Beleg und muss im Vorfeld bei der jeweiligen Postanstalt beantragt werden

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Sonderpostwertzeichen: Herausgegebene Briefmarke anlässlich eines Ereignisses Teilgezähnte Briefmarke: Briefmarkenbögen, bei denen teilweise Briefmarken ungezähnt sind. In solchen Briefmarkenbögen lassen sich manchmal auch einseitig bzw. dreiseitig ungezähnte Briefmarken finden. Die Gründe für die Entstehung von Teilzähnungen liegen in produktionsbedingten Fehlern wie z.B. dem vorzeitigen Anhalten der Zähnungsmaschine, obwohl diese den Zähnungsvorgang noch nicht beendet hatte. Trockenbuch: Heft oder Buch mit Innenseiten aus Löschpapier, zwischen denen im Wasserbad abgelöste Briefmarken getrocknet werden. Ungezähnte/undurchstochene Briefmarke: Ungezähnte/undurchstochene Briefmarken sind diejenigen seltenen Marken, die für eine Perforierung vorgesehen waren, diesem Vorgang jedoch produktionsbedingt entgangen sind, z.B. durch falsche Einstellung der Zähnungs- oder Durchstichmaschine bzw. versehentliche Falschlagerung ungezähnter/undurchstochener auf bereits perforierte Briefbögen. Optisch lassen sich ungezähnte/undurchstochene Briefmarken nicht von geschnittenen unterscheiden. Vorphilatelie: Auch »Altbriefkunde« oder »Vormarkenzeit« genannt. Die Vorphilatelie umfasst Postsendungen einer Posthoheit vor der Einführung aufklebbarer Briefmarken. Teilweise werden auch spätere Briefe berücksichtigt, da nicht zwangsläufig mit Erscheinen der ersten Briefmarken auch eine Frankierungspflicht eintrat und vorphilatelistische Stempel weiterverwendet wurden. Zähnung: Diese dient der Perforation von Briefmarken. Unterschieden werden können unterschiedliche Zähnungsarten, wie z.B. Linienzähnung, Kammzähnung etc.

Abbildungsverzeichnis und Bildnachweise

Abb. 1: Die Suche nach dem Sammelobjekt auf einer Briefmarken-Börse (Foto: Denise Wilde) | 126 Abb. 2: Recherchen auf einer Briefmarken-Börse (Foto: Denise Wilde) | 131 Abb. 3: Auflistung der Interviewteilnehmer/-innen | 137 Abb. 4: Allgemeine Daten zu den ausgewählten Internetforen | 141 Abb. 5: Struktur eines Beitragsfadens (Thread) | 147 Abb. 6: Fragenkatalog zur Ergründung der Kommunikation über Sammeln | 160ff. Abb. 7: Briefmarken sortiert nach Motiven auf einer Briefmarken-Börse (Foto: Denise Wilde) | 171 Abb. 8: Stand der Deutschen Post mit Sondermarken und Sonderstempelausgabe auf einer Briefmarken-Börse (Foto: Denise Wilde) | 172 Abb. 9: Kostenlose Briefmarken für Jugendliche (Foto: Denise Wilde) | 174 Abb. 10: Briefmarken zum Thema »Dinosaurier« auf einem Briefumschlag (Foto: Denise Wilde) | 175 Abb. 11: Barbiezimmer (Foto: Denise Wilde) | 227 Abb. 12: Barbiezimmer (Ausschnitt) (Foto: Denise Wilde) | 230 Abb. 13: Diorama (Ausschnitt) (Foto: Denise Wilde) | 242 Abb. 14: Diorama (Foto: Denise Wilde) | 242 Abb. 15: Strukturelemente der Kommunikation | 262 Abb. 16: Anschlussmöglichkeiten für pädagogische Kommunikation | 264

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Abschließender Dank

Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um eine überarbeitete Fassung einer von der Bergischen Universität Wuppertal, Fachbereich G – Bildungs- und Sozialwissenschaften angenommenen Dissertation. Die Disputation zur Promotion zur Dr. phil wurde am 01.02.2013 erfolgreich abgeschlossen. Ich danke allen, die auf unterschiedliche Weise den Fortgang und Abschluss dieser Arbeit angeregt, begleitet und ermöglicht haben. Mein besonderer Dank gilt der Betreuerin der Arbeit, Prof. Dr. Rita Casale, sowie dem Zweitbetreuer Prof. em. Dr. Dr. h.c. Jörg Ruhloff, die mir in Gesprächen, durch die Kolloquien und den Lesekreis die Möglichkeit gaben, meine Überlegungen zu diskutieren. Mein Dank gilt allen Sammler/-innen, mit denen ich sprechen konnte und die dadurch zur Realisierung des Forschungsprojektes beigetragen haben. Für persönliche und/oder fachliche Gespräche danke ich herzlich Philipp Wix, Heidrun Dieckmann-Wilde und Stephan Dieckmann, meinen Schwestern Carolin und Jasmin mit Lina Marie, Maik Melzner, Michael Drozdowski, dem Polylogikon Paedagogikon Wuppertal (PPW) – Dr. Jutta Breithausen, Kornelia Charaf, Jens Fredrik Eckholdt, Henrik Bruns, Erika Nassenstein und Anke Windgassen, der AG Forschungswerkstatt Qualitative Methoden – Antonia Schmid, Jeannette Windheuser und Simone Zorn (geb. Tempel), Gertrud und Ernst-Norbert Schulte, Christian Schäfer, Barbara Beinlich, Katrin Grubert mit Jan Kalle, Sabine Kerkemeyer mit Anna-Lina, Dilek Gürsoy-Posse, Christa Wix, Alex Wix, Alexa Vieth (†), Familie Hermann/Zysk mit Luca, dem Team des Zentrums für Graduiertenstudien (ZGS) – besonders Dr. Janine Hauthal und Prof. Dr. Roy Sommer, Vanessa Maria Tjardes, Mara Spieth, Julia Maria Mönig, Dr. Björn Leder mit Tabea und Paul, Samuel Höller und Elisabeth Süßbauer mit Hugo, Anja Osysek, Fabian Siekermann, Ege Kafalı Bayer, Dr. Jörg Stefan Waller, Simon Philipp Kirk, Prof. Dr. Jürgen Wittpoth, Prof. Dr. Sabine Reh und dem Team der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (Berlin), Prof. Dr. Malte Brinkmann und der Abteilung Allgemeine Erziehungswissenschaft an

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der Humboldt-Universität zu Berlin, Selma Haupt, Martina Lütke-Harmann, Milton Camilo, Juliane Schlörscheidt mit Sophie, Maria Leopold, Jun.-Prof. Dr. Stefanie Frisch, Svenja Kühnemund, Christiane Schmid, Miriam Venn, Sebastian Gimmel, Leonie Altendorf und Jacob Economou mit Otis, Peter Miranski, Olaf Glasmacher, Birte Marquardsen, Karen Christina Böhme, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Lesekreises, Jan Hoskens, Matina Schürhoff, Dorothee Kronenberg, Dr. Franziska Haack, Verena Pitschmann, Anna Fangmeyer (geb. Hein) und allen hier nicht namentlich aufgeführten Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen sowie Kommilitoninnen und Kommilitonen. Ich danke dem Büro imaging-dissent in Berlin für die Covergestaltung, die Erstellung der Grafiken sowie die Bearbeitung der Fotografien. Ich danke der Graduiertenförderung der Bergischen Universität Wuppertal für die Unterstützung durch ein Graduiertenstudium.

Edition Kulturwissenschaft Marie-Hélène Adam, Szilvia Gellai, Julia Knifka (Hg.) Technisierte Lebenswelt Über den Prozess der Figuration von Mensch und Technik September 2015, ca. 280 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3079-4

Gabriele Brandstetter, Bettina Brandl-Risi, Kai van Eikels Szenen des Virtuosen August 2015, ca. 328 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1703-0

Werner Hennings, Uwe Horst, Jürgen Kramer Die Stadt als Bühne Macht und Herrschaft im öffentlichen Raum von Rom, Paris und London im 17. Jahrhundert September 2015, ca. 270 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2951-4

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

Edition Kulturwissenschaft Thomas Kirchhoff (Hg.) Konkurrenz Historische, strukturelle und normative Perspektiven April 2015, 402 Seiten, kart., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2589-9

Gudrun M. König, Gabriele Mentges, Michael R. Müller (Hg.) Die Wissenschaften der Mode Mai 2015, 222 Seiten, kart., 24,99 €, ISBN 978-3-8376-2200-3

Elisabeth Mixa, Sarah Miriam Pritz, Markus Tumeltshammer, Monica Greco (Hg.) Un-Wohl-Gefühle Eine Kulturanalyse gegenwärtiger Befindlichkeiten Oktober 2015, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2630-8

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Edition Kulturwissenschaft Kathrin Ackermann, Christopher F. Laferl (Hg.) Kitsch und Nation Zur kulturellen Modellierung eines polemischen Begriffs August 2015, ca. 230 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2947-7

Michael Bachmann, Asta Vonderau (Hg.) Europa – Spiel ohne Grenzen? Zur künstlerischen und kulturellen Praxis eines politischen Projekts August 2015, ca. 270 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2737-4

Ivan Bazak, Gordon Kampe, Katharina Ortmann (Hg.) Plätze. Dächer. Leute. Wege. Die Stadt als utopische Bühne Mai 2015, 114 Seiten, kart., zahlr. Abb., 14,99 €, ISBN 978-3-8376-3197-5

Hanno Berger, Frédéric Döhl, Thomas Morsch (Hg.) Prekäre Genres Zur Ästhetik peripherer, apokrypher und liminaler Gattungen Mai 2015, 310 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2930-9

Andreas Bihrer, Anja Franke-Schwenk, Tine Stein (Hg.) Endlichkeit Zur Vergänglichkeit und Begrenztheit von Mensch, Natur und Gesellschaft August 2015, ca. 300 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-2945-3

Gabriele Brandstetter, Maren Butte, Kirsten Maar (Hg.) Topographien des Flüchtigen: Choreographie als Verfahren August 2015, ca. 340 Seiten, kart., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2943-9

Insa Härtel Kinder der Erregung »Übergriffe« und »Objekte« in kulturellen Konstellationen kindlich-jugendlicher Sexualität (unter Mitarbeit von Sonja Witte) Januar 2015, 338 Seiten, kart., zahlr. Abb., 32,99 €, ISBN 978-3-8376-2884-5

Carola Hilbrand Saubere Folter Auf den Spuren unsichtbarer Gewalt Juni 2015, 284 Seiten, kart., 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3157-9

Ralf Junkerjürgen, Isabella von Treskow (Hg.) Amok und Schulmassaker Kultur- und medienwissenschaftliche Annäherungen April 2015, 258 Seiten, kart., 27,99 €, ISBN 978-3-8376-2788-6

Heike Klussmann, Nicolai Kudielka, Lessano Negussie, Andre May (Hg.) MS IM-PORT//EX-PORT – Ein Schiff für Kunst und Wissenschaft in Kassel Eine Dokumentation Februar 2015, 286 Seiten, kart., zahlr. farb. Abb., 34,99 €, ISBN 978-3-8376-2934-7

Wiebke Ohlendorf, André Reichart, Gunnar Schmidtchen (Hg.) Wissenschaft meets Pop Eine interdisziplinäre Annäherung an die Populärkultur August 2015, ca. 200 Seiten, kart., ca. 29,99 €, ISBN 978-3-8376-3100-5

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